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schweizer studien zum internationalen recht

études suisses de droit international


Herausgegeben von der schweizerischen Vereinigung
fÜr internationales Recht

Publiées par la société suisse de droit international

Band/Volume 132

Andrea Claudio Caroni

Finanzsanktionen der Schweiz


im Staats- und Völkerrecht
Dargestellt am Beispiel der
Sperrung von Geldern
Schweizer Studien zum Internationalen Recht
études suisseS de droit international

Band/Volume 132
schweizer studien zum internationalen recht
études suisses de droit international

herausgegeben von der schweizerischen vereinigung


für internationales recht
Publiées par la société suisse de droit international

Fortsetzung der «Zürcher Studien zum Internationalen Recht»

Band/ Volume 132

Schulthess Juristische Medien AG


Andrea Claudio caroni

Finanzsanktionen der Schweiz


im Staats- und Völkerrecht
Dargestellt am Beispiel der
Sperrung von Geldern
Zürcher Dissertation, Jahr 2008, bei Professor Dr. iur. Daniel Thürer

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne
Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich • Basel • Genf 2008


ISBN 978-3-7255-5785-1

www.schulthess.com
Meinen Eltern

in unendlicher Liebe
I. Vorwort und Dank

Diese Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der


Universität Zürich am 5. November 2008 als Dissertation mit dem
Prädikat „summa cum laude“ angenommen. Stichtag für die Aktualität
der Angaben ist der 14. August 2008.
Mein herzlicher Dank gebührt all denjenigen Personen, welche auf
vielfältige Weise zum Entstehen dieses Werks beigetragen haben.
Zuerst danke ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Dr. h.c. Daniel Thü-
rer, für seine umsichtige und grosszügige Begleitung, die mir stets
Ansporn zu vertiefter und gleichsam effizienter Forschungsarbeit war.
Überdies verdanke ich ihm mein Interesse am Völkerrecht überhaupt.
Sodann danke ich meiner Mutter, Vera Martina Caroni-Caflisch, von
ganzem Herzen für alles, was sie je für mich getan hat. Ihre Unterstüt-
zung in allen Lebenslagen war auch in der Dissertationszeit von un-
schätzbarem Wert.
Mein herzlicher Dank geht auch an meinen Vater, Dr. Luciano Caroni,
ohne dessen Unterstützung dieses Werk so ebenfalls nicht entstanden
wäre. Ich verdanke ihm zudem auch die effiziente finale Durchsicht.
Grosser Dank gebührt sodann Dr. Erich Niederer für seinen immensen
Einsatz als redaktioneller Begleiter, Diskussionspartner und Freund.
Seine konstruktive Kritik und seine stets aufmunternden Worte er-
leichterten meine Arbeit sehr.
Ebenfalls danke ich meinem Onkel, Prof. Dr. Dr. h.c. Lucius Caflisch,
Mitglied der International Law Commission (ILC), dafür, dass er mir
mit feu sacré die Praxis des Völkerrechts zum Anfassen nahe brachte.
Im Weiteren bin ich meinen Arbeitgebern während der Disserations-
zeit zu grossem Dank verpflichtet: Zuerst gewährte mir Prof. Dr. Ma-
rie-Theres Fögen† an ihrem Lehrstuhl weiten Freiraum und Inspiration
für die wissenschaftliche Tätigkeit. Sodann ermöglichte mir Bundesrat
Hans-Rudolf Merz in grosszügiger Weise die Fertigstellung dieser

VII
Vorwort und Dank

Arbeit parallel zu meiner Tätigkeit in seinem Departement. Auch ver-


schaffte er mir einmalige Einblicke in die Mechanismen unseres Staa-
tes, insbesondere des Bundesrates und der Finanzpolitik. Diese prakti-
sche Erfahrung war für meine wissenschaftliche Tätigkeit von gros-
sem Wert.
In fachlicher und kollegialer Hinsicht danke ich überdies meinen Kol-
leginnen und Kollegen im Generalsekretariat des Eidgenössischen
Finanzdepartements (GS-EFD) dafür, dass sie meine Arbeit mit Inte-
resse und kundigen Hinweisen begleitet haben. Dank gebührt auch
Roland E. Vock, Leiter Task Force Sanktionen im Staatssekretariat für
Wirtschaft (SECO), sowie verschiedenen Mitarbeitern des EFD, des
Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten
(EDA) und des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD)
für ihre stete Bereitschaft zum wissenschaftlichen Dialog.
Weiter danke ich Annette Eberle, Schulthess Verlag Zürich, für die
angenehme Zusammenarbeit bei der Publikation des Buches.
Zuletzt bedanke ich mich von Herzen bei allen Freunden und Ver-
wandten und insbesondere bei Jasmin Graf, David Fetscherin, Stefan
Tönz, Philipp Kohler, Bernhard Isenring und Andreas Knecht, welche
meine Dissertationszeit durch vielfältige Begegnungen bereicherten.

Grub AR/Zürich/Bern, im November 2008,


ANDREA CLAUDIO CARONI

VIII
II. Inhaltsübersicht

I. Vorwort und Dank VII

II. Inhaltsübersicht IX

III. Inhaltsverzeichnis XI

IV. Abkürzungs- und Rechtsquellenverzeichnis XXI

V. Literaturverzeichnis XXVII

Einleitung 1
I. Gegenstand der Untersuchung 3

II. Methode der Untersuchung 10

1. Teil: Grundlagen 13
I. Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht 15

II. Begriff und Arten der Finanzsanktion 53

III. Zusammenfassung des 1. Teils 57

2. Teil: Schweizer Staatsrecht und Praxis 61


I. Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht 63

II. Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis 88

III. Zusammenfassung des 2. Teils 108

IX
Inhaltsübersicht

3. Teil: Völkerrechtlicher Rahmen 111


I. Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen 113

II. Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen 137

III. Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von


Schranken 242

IV. Zusammenfassung des. 3. Teils 261

X
III. Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort und Dank VII

II. Inhaltsübersicht IX

III. Inhaltsverzeichnis XI

IV. Abkürzungs- und Rechtsquellenverzeichnis XXI

V. Literaturverzeichnis XXVII

Einleitung 1
I. Gegenstand der Untersuchung 3

II. Methode der Untersuchung 10

1. Teil: Grundlagen 13
I. Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht 15

1. Begriff der Sanktion im Völkerrecht 17


A. Definition der Sanktion im Völkerrecht 17
B. Die einzelnen Definitionsmerkmale 18
a) Massnahme eines Völkerrechtssubjekts 18
b) Hoheitliche Massnahme 21
c) Reaktion auf eine Völkerrechtsverletzung 22
d) Absicht der Zufügung von Nachteilen an ein
Völkerrechtssubjekt 24
e) Zweck der Durchsetzung des Völkerrechts 26

XI
Inhaltsverzeichnis

2. Verhältnis zu verwandten Instituten 29


A. Verhältnis zur Durchsetzung des Völkerrechts 30
B. Verhältnis zur Selbsthilfe 32
a) Allgemeines 32
b) Verhältnis zur Retorsion 33
c) Verhältnis zur Repressalie bzw. zur Gegenmassnahme 35
d) Verhältnis zur Selbstverteidigung 37
e) Verhältnis zu Schutzmassnahmen 38
C. Verhältnis zur kollektiven Sicherheit 40
D. Verhältnis zur Staatenverantwortlichkeit 41
3. Arten der völkerrechtlichen Sanktion 44
A. Militärische Sanktionen 45
B. Wirtschaftssanktionen 46
a) Allgemeines 46
b) Wirtschaftssanktion 47
c) Verhältnis zum Boykott 48
d) Verhältnis zur Blockade 48
e) Verhältnis zum Embargo 49
f) Fazit 50
C. Weitere Arten von Sanktionen 51

II. Begriff und Arten der Finanzsanktion 53

1. Allgemeines 53
2. Die Sperrung von Geldern 54

III. Zusammenfassung des 1. Teils 57

XII
2. Teil: Schweizer Staatsrecht und Praxis 61
I. Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht 63

1. Zuständigkeit 63
A. Zuständigkeit in der Aussenpolitik allgemein 64
B. Zuständigkeit für Finanzsanktionen 66
a) Verfassungsbestimmungen 66
b) Embargogesetz 68
c) Weitere Grundlagen 69
C. Fazit 70
2. Materielle Schranken 71
A. Einfluss des Völkerrechts 71
a) Allgemeines 71
b) Grundsatz des Monismus 72
c) Hierarchische Stellung 72
B. Staatsrechtliche Schranken 74
a) Aussenpolitische Ziele 74
b) Grundrechte 77
i) Eigentumsfreiheit 78
ii) Wirtschaftsfreiheit 79
iii) Einschränkungen von Freiheitsrechten 81
iv) Verfahrensgarantien 84
C. Fazit 87

II. Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis 88

1. Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen 89


A. Teilnahme an Völkerbund-Sanktionen (1934 bis 1938) 89

XIII
Inhaltsverzeichnis

B. Teilnahme an UNO-Sanktionen (1966 bis heute) 90


a) Teilnahme im Kalten Krieg (1966 bis 1990) 90
i) Rhodesien (1966 bis 1979) 90
ii) Südafrika (1963-1994) 90
b) Teilnahme nach dem Kalten Krieg bis zum UNO-Beitritt
(1990-2002) 91
i) Irak (1990 bis heute) 92
ii) Libyen (1992-2003) 93
iii) Bundesrepublik Jugoslawien (1992-1996) 93
iv) Haiti (1993-1994) 94
v) Sierra Leone (1997 bis heute) 94
vi) Angola (UNITA) (1998-2002) 95
vii) Taliban / Al-Qaïda (2000 bis heute) 95
viii) Liberia (2001 bis heute) 96
ix) Aktueller Stand 96
c) Sanktionen seit dem UNO-Beitritt (2002 bis heute) 96
i) Côte d'Ivoire (2005 bis heute) 97
ii) Sudan (2005 bis heute) 97
iii) Demokratische Republik Kongo (2005 bis heute) 97
iv) Libanon / Syrien (2005 bis heute) 98
v) Nordkorea (2006 bis heute) 98
vi) Libanon (2006 bis heute) 99
vii) Iran (2007 bis heute) 99
viii) Aktueller Stand 99
C. Teilnahme an EU-Sanktionen (1998 bis heute) 100

XIV
i) Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)
(1998 bis heute) 100
ii) Burma (2000 bis heute) 101
iii) Simbabwe (2002 bis heute) 101
iv) Usbekistan (2006 bis heute) 102
v) Belarus (2006 bis heute) 102
vi) Aktueller Stand 103
D. Struktur von Schweizer Sanktionen 103
2. Schweizer Finanzsanktions-Praxis 104
A. Bedeutung und Struktur von Schweizer Finanzsanktionen 104
B. Struktur der Sperrung von Geldern 105

III. Zusammenfassung des 2. Teils 108

3. Teil: Völkerrechtlicher Rahmen 111


I. Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen 113

1. Beteiligung an UNO-Sanktionen 114


A. System der kollektiven Sicherheit 114
a) Allgemeines 114
b) Organisation, Verfahren und Kompetenzen des
Sicherheitsrats 115
c) Tatbestand von Art. 39 SVN 117
d) Massnahmen des Sicherheitsrats, insbesondere nach Art. 41
SVN 118
e) Praxis der UNO aufgrund Art. 41 SVN 119
f) Grenzen des Sicherheitsrats 120
i) Materielle Schranken 121

XV
Inhaltsverzeichnis

ii) Formelle Überprüfung auf internationaler Ebene 124


B. Pflichten als UNO-Mitglied 126
a) Bindungswirkung von Art. 25 SVN 126
b) Vorrangregelung gemäss Art. 103 SVN 128
c) Einzelstaatliche Überprüfung der Rechtmässigkeit 131
d) Spielraum bei der Umsetzung 132
C. Fazit 133
2. Weitere Pflichten 134
3. Fazit 136

II. Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen 137

1. Gewaltverbot 139
A. Allgemeines 139
B. Bedeutung für Finanzsanktionen 141
2. Interventionsverbot 142
A. Allgemeines 143
B. Wirtschaftlicher Zwang im Besonderen 145
C. Bedeutung für Finanzsanktionen 147
3. Völkerrechtliche Zuständigkeit 148
A. Allgemeines 148
a) Arten der Ausübung von Souveränität 149
b) Territoriale Zuständigkeit 150
c) Extraterritoriale Rechtsetzung allgemein 150
d) Anknüpfungskriterien 152
B. Bedeutung für Finanzsanktionen 154
a) Sanktionselemente und ihre Anknüpfung 155

XVI
b) Territoriale Anknüpfung 156
c) Extraterritoriale Anknüpfung 158
d) Fazit 160
4. Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung 160
A. Allgemeines 161
B. Streitbeilegung nach Art. 2 (3) SVN 162
C. Europäisches Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von
Streitigkeiten 164
D. Bedeutung für Finanzsanktionen 165
a) Fall der Retorsion 165
b) Fall der Gegenmassnahme 168
c) Fazit 170
5. Neutralitätsrecht 171
A. Allgemeines 171
a) Begriff der Neutralität 171
b) Rechtsgrundlagen 172
c) Pflicht zur Neutralität 173
d) Pflichten des dauernd Neutralen 174
B. Bedeutung für Finanzsanktionen 175
6. Internationaler Menschenrechtsschutz 179
A. Allgemeines 180
B. Eigentumsfreiheit 183
C. Wirtschaftsfreiheit 184
D. Privatsphäre 185
E. Verfahrensgarantien 187
a) Anwendbarkeit bei Finanzsanktionen 188

XVII
Inhaltsverzeichnis

b) Rechtsfolgen bei Finanzsanktionen 191


F. Fazit 193
7. Wirtschaftsvölkerrecht 194
A. Allgemeines 195
B. Der völkerrechtliche Investitionsschutz 196
a) Der fremdenrechtliche Investitionsschutz 198
b) Bilaterales Investitionsschutzrecht (BITs) 201
C. Der freie Kapital- und Zahlungsverkehr 204
a) Allgemeines 204
b) Internationaler Währungsfonds 206
c) OECD-Kodex der Liberalisierung des Kapitalverkehrs 209
d) BITs 211
D. Der freie Dienstleistungsverkehr 212
a) Allgemeines 212
b) OECD-Kodex der laufenden unsichtbaren Transaktionen 214
c) GATS 214
E. Fazit 218
8. Völkerrechtliche Immunität 219
A. Allgemeines 220
B. Staatenimmunität 222
a) Allgemeines 222
b) Anwendbarkeit auf Sanktionen 223
i) Allgemeines 223
ii) Weites Verständnis der Immunität 224
iii) Rein judikatives Verständnis der Immunität 226
iv) Fazit 228

XVIII
c) Rechtsfolgen 229
i) Allgemeines 229
ii) Bedeutung für Finanzsanktionen 230
d) Fazit 233
C. Staatsorganimmunität 234
D. Diplomatische Immunität 235
E. Fazit 238
9. Weitere Schranken 239
10. Fazit 241

III. Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von


Schranken 242

1. UNO-Sanktionen 242
2. Gegenmassnahmen 245
A. Allgemeines 245
a) Rechtsgrundlagen 246
b) Voraussetzungen der Rechtfertigungswirkung 247
i) Aktivlegitimation 247
ii) Passivlegitimation 248
iii) Völkerrechtsverletzung 248
iv) Zeitliches Kriterium 249
v) Repressalienfeste Normen 250
vi) Verfahrenspflichten 251
vii) Verhältnismässigkeit 252
viii) Fazit 253
B. Bedeutung für Finanzsanktionen 253

XIX
Inhaltsverzeichnis

3. Weitere Rechtfertigungsgründe 256


4. Fazit 259

IV. Zusammenfassung des. 3. Teils 261

XX
IV. Abkürzungs- und Rechtsquellenverzeichnis

Das nachfolgende Verzeichnis listet die in dieser Arbeit verwendeten Abkür-


zungen auf.
Gleichzeitig erfasst es (mit Ausnahme späterer punktueller Hinweise im
Text) auch die zitierten generell-abstrakten Rechtsquellen, namentlich
schweizerische Rechtsetzungsakte und völkerrechtliche Verträge. Diese wer-
den daher im weiteren Verlauf der Arbeit nur noch in Kurzform zitiert. Kon-
krete Entscheide, Resolutionen und Sanktionsverordnungen werden hinge-
gen an der jeweiligen Stelle ausführlich zitiert.

A. Auflage
a.a.O. am angegebenen Ort
a.M. anderer Meinung
Abs. Absatz
ADI Anuario de Derecho Internacional (Navarra)
AIDI Annuaire de l’Institut de Droit International (Paris)
AJIL American Journal of International Law (Washington
D.C.)
ArchVR Archiv des Völkerrechts (Tübingen)
Art. Artikel
ASIL American Society of International Law
AWG Bundesgesetz über aussenwirtschaftliche Massnahmen
vom 25. Juni 1982, in Kraft seit dem 1. Januar 1983 (SR
946.201)
AYIL Australian Yearbook of International Law (Sydney)
BBl Bundesblatt
BerDGVR Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht
(Heidelberg)
BGE Entscheid des schweizerischen Bundesgerichts
BGer Bundesgericht

XXI
Abkürzungs- und Rechtsquellenverzeichnis

BGG Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichts-


gesetz) vom 17. Juni 2005, in Kraft seit dem 1. Januar
2007 (SR 173.110)
BJ Bundesamt für Justiz
BUILJ Boston University International Law Journal (Boston)
BV Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossen-
schaft vom 18. April 1999, in Kraft seit dem 1. Januar
2000 (SR 101)
bzw. beziehungsweise
ChJIL Chinese Journal of International Law (Beijing)
CJIL Chicago Journal of International Law (Chicago)
ConnJIL Connecticut Journal of International Law (Hartford)
CYIL Canadian Yearbook of International Law (Ottawa)
d.h. das heisst
DSU Understanding on Rules and Procedures Governing the
Settlement of Disputes (Anhang 2 des WTO-
Abkommens) vom 15. April 1994, für die Schweiz in
Kraft seit dem 1. Juli 1995 (SR 0.632.20)
E. Erwägung
EDA Eidgenössisches Departement des Äusseren
EFD Eidgenössisches Finanzdepartement
EFTA European Free Trade Association
EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EJIL European Journal of International Law (Oxford)
EMRK Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Men-
schenrechtskonvention), für die Schweiz in Kraft seit
dem 28. November 1974 (SR 0.101)
EPIL I-IV Encyclopedia of Public International Law (Heidel-
berg/Oxford)
EÜFBS Europäisches Übereinkommen zur friedlichen Beilegung
von Streitigkeiten vom 29. April 1957, für die Schweiz in
Kraft seit dem 29. November 1965 (SR 0.193.231)

XXII
EÜSI Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität
vom 16. Mai 1972, für die Schweiz in Kraft getreten am
7. Oktober 1982 (SR 0.273.1).
EuGH Europäischer Gerichtshof
EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift (Kehl)
EuR Europarecht (Baden-Baden)
EVD Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement
f. folgende (Seite)
FDI Foreign Direct Investment
ff. fortfolgende (Seiten)
Fn Fussnote
FS Festschrift
GATS General Agreement on Trade in Services (Anhang 1B des
WTO-Abkommens) vom 15. April 1994, für die Schweiz
in Kraft seit dem 1. Juli 1995 (SR 0.632.20)
GATT General Agreement on Tariffs and Trade (Anhang 1A des
WTO-Abkommens) vom 15. April 1994, für die Schweiz
in Kraft seit dem 1. Juli 1995 (SR 0.632.20)
GKG Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch
verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter
(Güterkontrollgesetz) vom 13. Dezember 1996, in Kraft
seit dem 1. Oktober 1997 (SR 946.202)
GV Generalversammlung
GVG Generalversammlung
HYIL Hague Yearbook of International Law (Den Haag)
i.e.S. im engeren Sinne
i.w.S. im weiteren Sinne
ICJ Reports International Court of Justice, Reports of Judgments,
Advisory Opinions and Orders (Den Haag)
ICLQ The International and Comparative Law Quarterly (Lon-
don)
ICSID Centre for Settlement of Investment Disputes
IGH Internationaler Gerichtshof

XXIII
Abkürzungs- und Rechtsquellenverzeichnis

IGH-Statut Statut des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Juni


1945, für die Schweiz in Kraft seit dem 28. Juli 1948 (SR
0.193.501)
IJIL Indian Journal of International Law (Neu-Dheli)
ILR International Law Reports (Cambridge)
IntOrg International Organization (New York / Cambridge)
IRRC International Review of the Red Cross (Cambridge)
IWF Internationaler Währungsfonds
IWF-Statut Übereinkommen vom 20. Juli 2044 über den Internation-
alen Währungsfonds, für die Schweiz in Kraft seit dem
29. Mai 1992 (SR 0.979.1)
JIEL Journal of International Economic Law (Oxford)
JYIL Japanese Yearbook of International Law (Tokio)
JZ Juristenzeitung (Tübingen)
KJ Kritische Justiz (Baden-Baden)
KMG Bundesgesetz über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialge-
setz) vom 13. Dezember 1996, in Kraft seit dem 1. April
1998 (SR 514.51)
lit. litera
LJIL Leiden Journal of International Law (Leiden)
m.w.H. mit weiteren Hinweisen
MAI Multilateral Agreement on Investment
MIGA Multilateral Investment Guarantee Agency
NJIL Nordic Journal of International Law (Leiden)
Nr. Nummer
NZZ Neue Zürcher Zeitung (Zürich)
OECD Organisation for Economic Cooperation and Develop-
ment / Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
PPCIJ Publications of the Permanent Court of International Jus-
tice (Den Haag)
RBDI Revue Belge de Droit International (Brüssel)
RdC Recueil des Cours (Den Haag)
RGDIP Revue générale de droit international public (Paris)

XXIV
RuP Recht und Politik (Berlin)
SchKG Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom
11. April 1889, in Kraft seit dem 1. Januar 1892 (SR
281.1)
SECO Staatssekretariat für Wirtschaft
SR Systematische Sammlung des Bundesrechts
StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshof
StPO Strafprozessordnung
SVN/UNO-Charta Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945, für die
Schweiz in Kraft seit dem 10. September 2002 (SR
0.120)
SZIER Schweizerische Zeitschrift für internationales und euro-
päisches Recht (Zürich)
TLCP Transnational Law and Contemporary Problems (Iowa)
TRIMS Agreement on Trade-Related Investment Measures (An-
hang 1A.7 des WTO-Abkommens) vom 15. April 1994,
für die Schweiz in Kraft seit dem 1. Juli 1995 (SR
0.632.20)
u.a. unter anderem
u.U. unter Umständen
ÜVSK Übereinkommen über Vergleich- und Schiedsverfahren
innerhalb der KSZE/OSZE vom 15. Dezember 1992, für
die Schweiz in Kraft seit dem 5. Dezember 1994 (SR
0.193.235)
UN United Nations / Vereinte Nationen
UNO United Nations Organisation / Organisation der Vereinten
Nationen
UNO-Pakt I Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, für die
Schweiz in Kraft seit dem 18. September 1992 (SR
0.103.1)
UNO-Pakt II Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bür-
gerliche und politische Rechte, für die Schweiz in Kraft
seit dem 18. September 1992 (SR 0.103.2)
v.a. vor allem

XXV
Abkürzungs- und Rechtsquellenverzeichnis

VGG Bundesgesetz über das Verwaltungsgericht (Verwal-


tungsgerichtsgesetz) vom 17. Juni 2005, in Kraft seit dem
1. Januar 2007 (SR 173.32)
vgl. vergleiche
VJIL Virginia Journal of International Law (Charlottesville)
Vol. Volume
vs. versus / gegen
VwVG Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (Verwal-
tungsverfahrensgesetz) vom 20. Dezember 1968, in Kraft
seit dem 1. Oktober 1969 (SR 172.021)
WTO World Trade Organisation
WÜD Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehun-
gen vom 18. April 1961, für die Schweiz in Kraft getreten
am 24. April 1964 (SR 0.191.01)
WÜK Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen
vom 24. April 1963, SR 0.191.02, für die Schweiz in
Kraft getreten am 19. März 1967 (SR 0.191.02)
WVK Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge
vom 23. Mai 1969 (Wiener Vertragsrechtskonvention), in
Kraft für die Schweiz seit dem 6. Juni 1990 (SR 0.111)
z.B. zum Beispiel
ZaöRV Zeitschrift für auslandisches öffentliches Recht und Völ-
kerrecht (Heidelberg)
ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember
1907, in Kraft getreten am 1. Januar 1912 (SR 210)
zit. zitiert
ZÖR Zeitschrift für Öffentliches Recht (Wien / New York)
ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Basel)

XXVI
V. Literaturverzeichnis

ABI-SAAB, GEORGES: De la sanction en droit international: essaie de clarifi-


cation, in Makarczyk, Jerzy (Hrsg), Theory of international law at the
treshold of the 21st century, essays in honour of Krzysztof
Skubiszewski, Den Haag 1996, S. 61 ff. (zit. ABI-SAAB, Sanctions)
ABI-SAAB, GEORGES: Some Thoughts on the Principle of Non-Intervention,
in: Wellens, Karel (Hrsg.), Essays in Honour of Eric Suy, Den Haag /
London / Boston 1998, S. 225 ff. (zit. ABI-SAAB, Non-Intervention)
ABI-SAAB, GEORGES: The Concept of Sanctions in International Law, in:
Gowlland-Debbas, Vera (Hrsg.), United Nations Sanctions and Inter-
national Law, Leiden/Boston 2001, S. 29 ff. (zit. ABI-SAAB, Concept)
ACHERMANN, ALBERTO / CARONI, MARTINA / KÄLIN, WALTER: Die Bedeu-
tung des UNO-Paktes über bürgerliche und politische Rechte für das
schweizerische Recht, in: Kälin, Walter / Malinverni, Giorgio / Novak,
Manfred, Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. A. Ba-
sel / Frankfurt a. M. 1997, S. 155 ff. (zit. ACHER-
MANN/CARONI/KÄLIN, UNO-Pakt II)
ACHERMANN, ALBERTO: Der Vorrang des Völkerrechts, in: Cottier, Thomas /
Achermann, Alberto / Wüger, Daniel / Zellweger, Valentin, Der
Staatsvertrag im schweizerischen Verfassungsrecht, S. 33 ff. (zit.
ACHERMANN, Vorrang)
AKEHURST, MICHAEL: Jurisdiction in International Law, in: Reisman, Mi-
chael D. (Hrsg), Jurisdiction in International Law, Aldershot 1999, S.
31 ff. (zit. AKEHURST, Jurisdiction)
ALCAIDE FERNANDEZ, JOAQUIN: Contre-mesures et règlement des diffé-
rends, in: RGDIP 108 (2004), S. 347 ff. (zit. ALCAIDE FERNANDEZ,
Règlement des différends)
ALLAND, DENIS: Countermeasures of general interest, EJIL 13 (2002), S.
1221 ff. (zit. ALLAND, Countermeasures)
ALLAND, DENIS: Justice privée et ordre juridique international: étude théori-
que des contre-mesures en droit international public, Paris 1994 (zit.
ALLAND, Justice privée)

XXVII
Literaturverzeichnis

ANGELET, NICOLAS: International Law Limits to the Security Council, in:


Gowlland-Debbas, Vera (Hrsg.), United Nations Sanctions and Inter-
national Law, Leiden / Boston 2001, S. 71 ff. (zit. ANGELET, Security
Council)
ARANGIO-RUIZ, GAETANO: Counter-measures and Amicable Dispute Set-
tlement Means in the Implementation of State Responsibility: A Cru-
cial Issue before the International Law Commission, in: EJIL 5 (1994,
S. 20 ff. (zit. ARANGIO-RUIZ, Counter-measures)
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LV
Einleitung
I. Gegenstand der Untersuchung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den staats- und völkerrechtlichen
Rahmen für Finanzsanktionen, also finanzielle Zwangsmassnahmen
zur Durchsetzung des Völkerrechts1, darzustellen. Dabei wird eine
Schweizer Perspektive eingenommen und im Speziellen das Beispiel
der Sperrung von Geldern betrachtet.
Ausgangspunkt ist dabei folgende Fragestellung, die im 3. Teil der
Arbeit behandelt wird2: Welches ist der völkerrechtliche Rahmen, in
dem sich die Schweizer Aussenpolitik zu bewegen hat, wenn sie auf
Völkerrechtsverletzungen zwecks Durchsetzung des Völkerrechts mit
finanziellen Zwangsmassnahmen, insbesondere der Sperrung von Ge-
ldern, reagieren will? Als Vorfragen dazu werden im 1. Teil zunächst
die notwendigen Begriffe geklärt und sodann im 2. Teil3 der staats-
rechtliche Hintergrund und die Praxis der Schweiz beleuchtet. Nach-
folgend werden kurz die wichtigsten Aspekte des Untersuchungsge-
genstandes dargestellt.
Vorauszuschicken ist, dass der völkerrechtliche Sanktionsdiskurs unter
drei Gesichtspunkten geführt werden kann: Ökonomisch (v.a. als Ana-
lyse der Effizienz von Sanktionen), politologisch (bezüglich der Vor-
aussetzungen und Wirkungen von Sanktionen in den internationalen
Beziehungen) oder juristisch (als staats- und völkerrechtliche Betrach-
tung der relevanten Normen)4. Diese Arbeit reiht sich in diese dritte
Kategorie ein.
Sanktionen, allgemein verstanden als Zwangsmassnahmen in Reakti-
on auf Rechtsverletzungen zwecks Durchsetzung des Rechts, befinden

1 Für eine ausführliche Definition des Begriffs der (Finanz-) Sanktion siehe unten, S. 17
ff.
2 Unten, S. 63 ff.
3 Unten, S. 113 ff.
4Vgl. NOORTMANN, Enforcing, S. 5 ff. MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 264; HINZ,
Sanktionen, S. 74 ff.

3
Gegenstand der Untersuchung

sich im spannungsgeladenen Schnittpunkt zweier Grundfragen einer


jeden Rechtsordnung. Sie betreffen einerseits die essentielle wie
schwierige Frage der Durchsetzung von Normen, gewissermassen das
Schwert einer Rechtsordnung. Andererseits aber berührt das Konflikt-
potential von Sanktionen die ebenso grundsätzliche Frage der Ein-
dämmung und Kontrolle der Anwendung von Zwang, sozusagen die
Frage nach dem Schild, mit dem eine Rechtsordnung ihre Mitglieder
vor der Anwendung von Sanktionszwang schützt.
Im Völkerrecht stellen sich beide Fragen in akzentuierter Form. Zum
einen sind die völkerrechtlichen Durchsetzungsmechanismen in ihrer
Effektivität nur teilweise mit den innerstaatlichen Pendants vergleich-
bar; das Schwert des Völkerrechts ist dem staatlichen in vieler Hin-
sicht nicht ebenbürtig5. Zum andern aber (und im Gegensatz dazu) ist
die Gefahr und Auswirkung von Zwang im internationalen Umfeld
stellenweise bedeutend bedrohlicher als "gewöhnlicher" staatlicher
Zwang, zählen doch Massnahmen wie internationale Waffengänge und
Embargos zum Arsenal, weshalb die Notwendigkeit eines rechtlichen
Schildes entsprechend gross ist. Das Studium völkerrechtlicher Sank-
tionsmechanismen hat Wissenschaft und Praxis daher seit jeher be-
schäftigt6.
Wirtschaftssanktionen stehen dabei besonders im Fokus der Aufmerk-
samkeit. Die auf den ersten Blick auffälligeren militärischen Sanktio-
nen sind aufgrund des allgemeinen Gewaltverbots völkerrechtlich nur
in Ausnahmefällen zulässig; dies gilt in erhöhtem Masse für ihre uni-
laterale Anwendung7. Doch auch in praxi hat die kollektive militäri-
sche Zwangsanwendung nicht die Bedeutung erlangt, die man sich
von ihr erhoffte, abgesehen davon, dass ihr völkerrechtlicher Anwen-
dungsbereich sich auf Rechtsverletzungen mit Auswirkungen auf den
Weltfrieden beschränkt8. Wirtschaftliche Sanktionen, sei es in Form

5 Vgl. zur Frage der Durchsetzung des Völkerrechts unten, S. 30 ff.


6Vgl. hierzu z.B. die in Teil 1 zum allgemeinen Sanktionsbegriff zitierte Literatur, unten,
S. 15 ff.
7 Siehe zum Gewaltverbot unten S. 139 ff.
8Siehe zu Anwendungsbereich und Praxis der kollektiven Sicherheit unten, S.88 ff. und
S. 114 ff.

4
von Einschränkungen des Wirtschaftsverkehrs (z.B. Embargos) oder
der Bemächtigung von Gütern (z.B. Konfiskationen)9 sind dahingegen
in der politischen Realität einfacher und gezielter einsetzbar10. Zudem
sind sie, soweit darf der nachfolgenden Analyse vorgegriffen werden,
völkerrechtlich jedenfalls breiter abgestützt als militärische Zwangs-
massnahmen.
Finanzsanktionen11 verdienen innerhalb der Kategorie der Wirt-
schaftssanktionen besondere Aufmerksamkeit, da sie gegenüber an-
dern Erscheinungen von Wirtschaftssanktionen zwei entscheidende
Vorteile aufweisen: Erstens ziehen die an der Völkerrechtsverletzung
zumeist unbeteiligte Zivilbevölkerung nicht in Mitleidenschaft und
zweitens treffen sie die verantwortlichen Eliten umso mehr. Finanz-
sanktionen sind daher ein Paradebeispiel für sogenannte "Smart Sanc-
tions"12. Diese Untersuchung wird sich daher den Finanzsanktionen
widmen. Dabei soll insbesondere die Variante der Sperrung von Gel-
dern analysiert werden13: Diese ist zum einen besonders bedeutsam,
da sie die erwähnten Vorteile von Finanzsanktionen in hohem Masse
mit sich bringt. Zum andern bietet sie als direkter Eingriff in ausländi-
sche Vermögenswerte völkerrechtlich besondere Herausforderungen.
Und schliesslich ist sie speziell für Staaten mit beschränktem militäri-
schen oder handelsmässigem Drohpotential, dafür mit starkem Fi-
nanzplatz, eine wirkungsvolle Waffe.
Nebst kollektiven Sanktionen, insbesondere jenen der UNO, werden
nachfolgend auch unilaterale Sanktionen untersucht. Dies mag ange-
sichts der zunehmenden Konzentration des Sanktionsbegriffs auf
UNO-Massnahmen auf den ersten Blick erstaunen14. Doch die zeit-
weise Euphorie über die neu gewonnene Handlungsfähigkeit des Si-
cherheitsrats nach dem kalten Krieg darf nicht darüber hinweg täu-

9 Siehe zu den verschiedenen Arten von Sanktionen unten, S. 44 ff.


10 Vgl. z.B. zur einschlägigen Schweizer Praxis unten, S.88ff.
11 Siehe zum Begriff der Finanzsanktion unten, S. 53 ff.
12 Vgl. zu den "Smart Sanctions" unten, S. 44 f.
13 Siehe zum Begriff der Sperrung von Geldern unten, S. 54 ff. und S.88.
14 Vgl. hierzu unten, S. 18 ff.

5
Gegenstand der Untersuchung

schen, dass in langfristiger Optik wie auch bereits in aktuellen Fällen


das Funktionieren des Sicherheitsrats hinsichtlich der Völkerrechts-
durchsetzung nie garantiert ist15. Ausserdem greift dieses System erst,
wenn zumindest die Schwelle zur Friedensbedrohung überschritten ist.
Das Völkerrecht bleibt daher trotz des Systems der kollektiven Si-
cherheit auf ein- bzw. mehrseitige Durchsetzungsmechanismen ange-
wiesen16.
Die völkerrechtlichen Teilgebiete, welche von Wirtschaftssanktionen
betroffen sind, sind sehr vielfältig. Sie lassen sich in drei Kategorien
einteilen: 1) Zur ersten Kategorie gehören Normen - namentlich der
kollektiven Sicherheit -, welche Pflichten zum Erlass von Sanktionen
umfassen17. 2) Zur zweiten Kategorie gehören Normkomplexe, wel-
che Finanzsanktionen potentiell einschränken18. Dazu gehören das
Gewalt- und Interventionsverbot, das Recht der völkerrechtlichen Zu-
ständigkeit, die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung, das Neutrali-
tätsrecht, sodann der internationale Menschenrechtsschutz, die Regeln
des Wirtschaftsvölkerrechts und schliesslich das Recht der völker-
rechtlichen Immunitäten. 3) Zur dritten Kategorie schliesslich gehören
Normen, welche Ausnahmen zur zweiten Kategorie darstellen, na-
mentlich indem sie Rechtfertigungsgründe für Verletzungen dieser
Normen statuieren19. Diese Ausnahmen sind zum einen in den jeweili-
gen Normensystemen geregelt, zum andern allgemein im Recht der
kollektiven Sicherheit und im Recht der erlaubten Gegenmassnahme.

15 So scheiterte z.B. im August 2008 wenig überraschend eine Verurteilung des Veto-

Inhabers Russland für seine teilweise Invasion Georgiens (vgl. NZZ vom 9./10. August
2008, S. 2). Auch einseitige Verschärfungen der Iran-Sanktionen seitens der EU oder
anderer Länder sind an der Tagesordnung (a.a.O.!), was ebenfalls auf der Schwierigkeit
eines Konseses im Sicherheitsrat beruht. Ebenso verhinderten Interessen einzelner Mit-
gliedstaaten Ende 2006 UNO-Massnahmen gegen massive Menschenrechtsverletzungen
in Burma, sodass weiterhin nur die "unilateralen" Sanktionen der EU bzw. anderer Län-
der, inkl. der Schweiz, bestehen, vgl. unten, S. 101 f. Siehe zu weiteren solchen "unilate-
ralen" Sanktionen unten, Fn 370 und S. 100 ff.
16 Vgl. zur Durchsetzung des Völkerrechts im Allgemeinen unten, S. 30 ff.
17 Siehe zu den Pflichten zum Erlass von Sanktionen unten, S. 113 ff.
18 Siehe zu den Schranken beim Erlass von Sanktionen unten, S. 137 ff.
19 Siehe zu diesen Rechtfertigungsgründen unten, S. 242 ff.

6
Man möchte einwenden, die erwähnte zweite Kategorie, also die völk-
rerrechtlichen Schranken, sei irrelevant: Denn Sanktionen würden
doch ohnehin zumeist im Rahmen der UNO erlassen, und die daraus
fliessenden Pflichten würden allfälligen Schranken jedenfalls vorge-
hen. Dem ist erstens zu entgegnen, dass auch gegenwärtig nicht alle
Sanktionsregimes auf der UNO basieren; insbesondere die USA und
die EU (und daran anlehnend auch die Schweiz) wenden aktuell Sank-
tionen ausserhalb von Sicherheitsratsresolutionen an20. Dies liegt nicht
zuletzt daran, dass nicht jeder Sanktionswunsch Gnade vor dem Si-
cherheitsrat findet. Zweitens garantiert nichts, dass der Sicherheitsrat
zu einem künftigen Zeitpunkt nicht wieder in eine Phase der konstan-
ten Lähmung zurückfällt, wie dies bis 1990 der Fall war. Drittens gel-
ten auch im Falle von UNO-Sanktionen gewisse Regeln, welche der
genaueren Untersuchung bedürfen. Aus all diesen Gründen lohnt eine
Analyse solcher völkerrechtlicher Schranken, insbesondere für den
Erlass von Sanktionen ausserhalb des UNO-Systems. Dieses System
erhält in dieser Arbeit aufgrund seiner Bedeutung immerhin zweifach
Raum, nämlich wie angesprochen unter dem Gesichtspunkt der Pflich-
ten zum Erlass von Sanktionen und als Rechtfertigungsgrund für Völ-
kerrechtsverletzungen.
Die Verbindung dieser völkerrechtlichen Fragestellungen mit einer
konkreten staatsrechtlichen Betrachtung verspricht besonderen Ge-
winn. Am Beispiel eines konkreten Staates kann zum einen plastisch
dargestellt werden, in welchem Gesamtgefüge völkerrechtlicher Bah-
nen sich ein internationaler Akteur bezüglich der erwähnten Zwangs-
massnahmen bewegen kann. Zum andern erlaubt es die Betrachtung
eines einzelnen Staates auch, Schnittstellen zwischen Völker- und
Staatsrecht im Bereich der Sanktionen aufzuzeigen sowie eine inner-
staatliche Perspektive auf diese internationale Fragestellung zu ge-
winnen.
Der konkrete Staat, dessen Sanktionenrecht vorliegend untersucht
werden soll, ist aus vielfältigen Gründen die Schweiz. Erstens ist die
Schweiz stark ins Völkerrecht eingebunden, was trotz der Fokussie-

20 Vgl. zur einschlägigen Praxis der EU und der Schweiz unten, S. 99 ff.

7
Gegenstand der Untersuchung

rung auf einen Staat eine breite Analyse des völkerrechtlichen Rah-
mens für Sanktionen ermöglicht21. Zweitens ist sie erst seit Herbst
2002 vollwertiges Mitglied der UNO und damit formell in deren
Sanktionenregime eingebunden. Daraus folgt eine diesbezüglich noch
junge Praxis, dafür aber eine moderne innerstaatliche Gesetzgebung22
verbunden mit der Notwendigkeit wissenschaftlicher Analyse. Drit-
tens wirft die für das Schweizer Selbstverständnis prägende Neutrali-
tät besondere Fragen bezüglich Sanktionen auf23. Viertens und
schliesslich ist die Schweiz zwar ein Kleinstaat, an dessen Stelle in
einer Untersuchung über internationale Zwangsmassnahmen man eher
eine muskelbewehrte Grossmacht vermuten würde; doch ist die
Schweiz als international topplatzierter Finanzplatz ein wirtschaftli-
cher Global Player24, dessen Aussenpolitik daher auch und insbeson-
dere im Bereich der (Finanz-) Sanktionspolitik Ernst zu nehmen ist.
Trotz dieser konkreten Betrachtung eines bestimmten Staates und sei-
ner Sanktionen ist die vorliegende Arbeit kein eigentliches Gutachten
zur Rechtmässigkeit der aktuellen Sanktionspraxis der Schweiz. Zwar
wird diese Praxis zur Veranschaulichung dargestellt25 und als Bezugs-
punkt für die rechtlichen Überlegungen verwendet. Der Fokus der
Arbeit liegt aber auf einer allgemeinen Darstellung des rechtlichen
Rahmens für Schweizer Finanzsanktionen in Form der Sperrung von
Geldern. Sie beschränkt sich somit nicht auf die Prüfung der heutigen
Praxis, die - wie es bundesrätlichen Verordnungen eigen ist - schon
morgen anders sein kann. Vielmehr sucht sie Aussagen, welche den
konkreten Fall überdauern.

21 Vgl. zu dieser breiten Einbindung in das Völkerrecht und - mit Ausnahme des EU-

Rechts - im Speziellen auch ins europäische Recht die im 3. Teil dargestellten Rechtsbe-
reiche, unten S. 113 ff.
22Zum modernen staatsrechtlichen Rahmen und der Praxis der Schweiz siehe unten, S.
63 ff.
23 Siehe zur Neutralität im Besonderen unten, S. 171 ff.
24 Zur Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes (und insbesondere der hier verwalteten
ausländischen Vermögen, mithin ein Indiz für das Finanzsanktions-Potential der
Schweiz), vgl. EFD, Finanzmarktpolitik, S. 5 ff. Danach verwalteten im Jahre 2005
alleine die Schweizer Banken Vermögen von total über 5'900 Milliarden Franken, davon
über die Hälfte für ausländische Kundschaft.
25 Unten, S. 88 ff.

8
Bei einer Übersicht über die vorhandene einschlägige Literatur fällt
Folgendes auf: Untersuchungen zur Frage von Sanktionen im Völker-
recht im Allgemeinen gibt es zwar bereits in stattlicher Zahl26. Einem
grossen Teil von ihnen ist jedoch eigen, dass sie sich entweder ganz
auf das Sanktionensystem gemäss Kapitel VII der UNO-Charta be-
schränken oder aber ausschliesslich auf unilaterale Massnahmen, wäh-
rend die vorliegende Arbeit diese beiden Ansätze zusammenführt. So-
dann beschränken sich die meisten Beiträge auf eine rein staats- oder
völkerrechtliche Perspektive, während in der vorliegenden Studie die
völkerrechtliche Betrachtung auf einer konkreten staatsrechtlichen
Ordnung aufruhen darf, nämlich jener der Schweiz. Des weitern un-
tersuchen die vorhandenen Studien zumeist Sanktionen im Allgemei-
nen oder aber im Speziellen Wirtschaftssanktionen in Form des Han-
delsembargos, desweilen sich die vorliegende Arbeit auf die häufig
vernachlässigten Finanzsanktionen konzentriert. Schliesslich sind jene
Untersuchungen besonders zu erwähnen, die sich bereits konkret mit
Schweizer Sanktionen in staats- und völkerrechtlicher Sicht befasst
haben. Einige dieser Untersuchungen datieren aus den 90er-Jahren,
weshalb sich nicht nur im Hinblick auf den späteren UNO-Beitritt der
Schweiz eine aktualisierte Betrachtung aufdrängt. Doch auch ins Feld
der neueren Studien wird sich der vorliegende Beitrag gewinnbrin-
gend einordnen. Dies liegt nebst seiner Aktualität vor allem am An-
satz, die Analyse auf Finanzsanktionen zu fokussieren und im Gegen-
zug die Perspektive von kollektiven Sanktionen auch auf unilaterale
Massnahmen zu erweitern.

26 Vgl. dazu oben, Fn 6.

9
II. Methode der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile:


Im 1. Teil werden die Grundlagen für die nachfolgende Untersuchung
geschaffen. Dazu gehört zunächst der zentrale Begriff der Sanktion im
Allgemeinen27 sowie seine Trennlinien zu verwandten Phänomenen28,
so etwa zu völkerrechtlichen Durchsetzungsmechanismen, zur Selbst-
hilfe, zur Retorsion, zur Repressalie, zur kollektiven Sicherheit oder
zur Staatenverantwortlichkeit. Daraufhin werden veschiedene Arten
von Sanktionen unterschieden, namentlich militärische, wirtschaftli-
che und weitere Sanktionstypen29. Schliesslich wird die Finanzsankti-
onen als Fall der Wirtschaftssanktion und speziell die Sperrung von
Geldern präsentiert30.
Der 2. Teil ist einer kompakten staatsrechtlichen und praktischen Be-
trachtung aus Schweizer Sicht gewidmet. Zentrale Themen in diesem
Teil sind einerseits die staatsrechtlichen Fragen von Zuständigkeit,
Verfahren und materiell-rechtlicher Schranken beim von Sanktionen
im Bundesstaat sowie materiell-rechtliche Leitplanken der Schweizer
Aussenpolitik31. Andererseits wird auch ein geraffter Überblick über
die bisherige Schweizer Sanktionspraxis gegeben32.
Der zentrale 3. Teil schliesslich gehört der völkerrechtlichen Analyse.
In drei Sub-Teilen sollen die erwähnten völkerrechtlichen Normen-
komplexe dargestellt werden, in denen sich die Schweiz beim Erlass
von Finanzsanktionen zu bewegen hat. Zunächst werden die Pflichten
(Gebote, wie v.a. UNO-Massnahmen) zum Erlass von Finanzsanktio-

27 Unten, S. 17 ff.
28 Unten, S. 29 ff.
29 Unten, S. 44 ff.
30 Unten, S. 53 ff.
31 Unten, S. 63 ff.
32 Unten, S. 88 ff.

10
nen dargestellt33, sodann die Schranken beim Erlass (Verbote, wie z.B.
aus dem Interventionsverbot, dem Wirtschaftsvölkerrecht oder dem
Immunitätsrecht)34 für den Erlass und schliesslich die wichtigsten
Ausnahmen der Verbote (wie das Recht der erlaubten Gegenmass-
nahmen oder der Vorrang von UNO-Massnahmen)35. Methodischer
Ansatz ist es dabei, in Form einer Übersicht die wichtigsten Leitlinien
aufzuzeigen und dadurch einen konzisen Überblick über die zentralen
Problemstellen der Sanktionsthematik zu gewähren.
Jeder der drei Teile wird separat zusammengefasst36. Im Resultat soll
daraus eine umfassende und gleichsam kompakte staats- und v.a. völ-
kerrechtliche Betrachtung von Finanzsanktionen in Form der Sperrung
von Geldern aus Schweizer Sicht entstehen. Die daraus fliessenden
Erkenntnisse sollen dabei der Schweizer Aussenpolitik in übersichtli-
cher Weise die rechtlichen Leitplanken auf dem Parkett internationaler
Sanktionspolitik aufzeigen. Darüber soll der völkerrechtliche Teil auch
dazu dienen, die Aktivitäten anderer Staaten im Bereich der internati-
onalen Finanzsanktionen rechtlich beurteilen zu können.

33 Unten, S. 113 ff.


34 Unten, S. 137 ff.
35 Unten, S. 242 ff.
36 Unten, S. 57 ff. (1. Teil), S. 108 ff.(2. Teil) und S. 261 ff. (3. Teil).

11
1. Teil:

Grundlagen
Der 1. Teil dieser Arbeit liefert die Grundlagen für die nachfolgende
staats- und völkerrechtliche Untersuchung. In einem ersten Sub-Teil37
werden Begriff, verwandte Institute und Arten der Sanktion im Völ-
kerrecht allgemein dargestellt. Im zweiten Sub-Teil38 werden Begriff
und Arten von Finanzsanktionen im Besondern erörtert. Im Zentrum
steht dabei Variante der Sperrung von Geldern. Abgeschlossen wird
der Teil mit einer kurzen Zusammenfassung39.

I. Begriff und Arten der Sanktion im


Völkerrecht

Zu Beginn einer wissenschaftlichen Erörterung muss Klarheit über


ihre wichtigsten Begriffe stehen. Für diese Arbeit steht dabei der völ-
kerrechtliche Begriff der (Finanz-) Sanktion und ihrer verwandten
Institute im Zentrum. Man würde erwarten, dass ein Begriff, der wie
der Sanktionsbegriff in die Anfänge unserer Rechtstradition zurück-
reicht40 und seit längerem Gegenstand intensiver Debatten ist, mitt-
lerweile scharf umrissen ist. Doch ist das Gegenteil der Fall: Der Beg-
riff der Sanktion ist äusserst umstritten, und ein grosser Teil des
Schrifttums41 beginnt mit einer Klage über dieses "perfect legal Ba-

37 Nachfolgend, S. 63 ff.
38 Unten, S. 53 ff.
39 Unten, S. 57 ff.
40 Das Wort "Sanktion" (heute allgemein: Bestätigung/Billigung; bzw. Sicherungsbedin-
gungen/Zwangsmassnahmen) leitet sich vom lateinischen "sanctio" bzw. "sancire" ab,
beides verwandt mit "sanctus" (heilig). "Sancire" bedeutete im Lateinischen ursprünglich
"heiligen", im rechtlichen Zusammenhang sodann "gesetzlich anordnen", "genehmigen,
bestätigen" und "bei Strafe verbieten". Die "sanctio legis" meinte die Befestigungsklau-
sel am Schluss eines Gesetzes, die zumeist als "Rechtsverwirklichungsgarantie" eine
Strafandrohung enthielt. Im deutschsprachigen Rechtsgebrauch wurde der Begriff bis
anfangs des 20. Jahrhunderts nur für staatsrechtliche Gültigkeitsbestimmungen verwen-
det, bis er auch eine völkerrechtliche Komponente erhielt. Vgl. zur Etymologie des Sank-
tionsbegriffes HINZ, Sanktionen, S. 45 f., m.w.H.; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S.
80 ff. und DUDEN, Herkunftswörterbuch, S. 697.
41 Vgl. z.B. SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 27; HINZ, Sanktionen, S. 48 ff.; DO-

XEY, Sanctions, S. 8; LINSI, Gegenmassnahmen, S. 20.; NOORTMANN, Enforcing, S. 34;


COMBACAU, Sanctions, S. 311 f.

15
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

bel"42, gefolgt von einer jeweils eigenständigen Begriffsdefinition.


Hauptursache für diese terminologische Konfusion ist das Fehlen ei-
ner positivrechtlichen Definition in einer universellen Völkerrechts-
norm43.
Mangels eindeutiger, anerkannter Definition muss sich auch diese
Untersuchung zunächst Rechenschaft über ihren eigenen Sanktions-
begriff ablegen. Folgende Gedanken sollen dabei leitend sein: Die
Definition soll sich nachvollziehbar in den bestehenden Sanktionsdis-
kurs einbetten. Sie soll insbesondere engen Bezug nehmen auf die
spezifisch schweizerische Terminologie und schliesslich einen mög-
lichst tauglichen Rahmen bieten für die folgende staats- und völker-
rechtliche Analyse von Finanzsanktionen.
Die für diese Arbeit notwendigen begrifflichen Grundlagen sind Ge-
genstand dieses ersten Teils der Arbeit. Der erste Sub-Teil handelt von
Begriff und Arten der Sanktion im Allgemeinen. In seinem ersten Ka-
pitel44 wird nun zunächst die in dieser Arbeit verwendete Definition
der Sanktion vorgestellt. Anschliessend werden ihre Merkmale einzeln
dargestellt. Im zweiten Kapitel wird sodann beschrieben, wie sich ver-
schiedene verwandte Institute von diesem Sanktionsbegriff abgren-
zen45. Im dritten Kapitel wird schliesslich auf verschiedene Arten von
Sanktionen eingegangen46. Der zweite Sub-Teil47 stellt schliesslich die
vorliegend speziell interessierende Spielart der Finanzsanktion in
Form der Sperrung von Geldern vor.

42Vgl. NOORTMANN, Enforcing, S. 34: "The problem with the term "sanction" is that it
could be a legal term of art as well as a catch-all term. In international law, the exact
meaning is difficult to determine. (…) From a legal point of view, one cannot but note a
degree of terminological perplexity (…) The recent discourse is characterized by a con-
ceptual proliferation and lack of generally accepted and distinctive terminology. The
variety of existing terms has created a perfect legal Babel (…)". Vgl. auch DAHME, Wirt-
schaftssanktionen, S. 142.
43 COMBACAU, Sanctions, S. 312: "Each author is free to give the definition of his choice

since none is provided by positive law".


44 Unten, S. 17 ff.
45 Unten, S. 29 ff.
46 Unten, S. 44 ff.
47 Unten, S. 53 ff.

16
Begriff der Sanktion im Völkerrecht

1. Begriff der Sanktion im Völkerrecht48

A. Definition der Sanktion im Völkerrecht

In Vorausschau auf das Resultat der folgenden Begriffsanalyse sei hier


die Definition der völkerrechtlichen Sanktion vorangestellt, wie sie
dieser Arbeit zugrunde liegt49:
Die Sanktion im Sinne dieser Untersuchung ist die hoheitliche Mass-
nahme eines Völkerrechtssubjekts, mit dem dieses auf eine Völker-
rechtsverletzung eines andern Völkerrechtssubjekts (Adressat) rea-
giert, um den Adressaten mittels der Zufügung von Nachteilen zur
Einhaltung des Völkerrechts zu bewegen.
Die einzelnen Merkmale dieser Definition bedürfen nun der erklären-
den und einordnenden Darstellung.

48 Zum Begriff der völkerrechtlichen Sanktion im Allgemeinen vgl. aus der reichhaltigen

Literatur insbesondere: DZIDIA, Repressalie, S. 38 ff., S. 71 f.; DOXEY, Sanctions, S. 8 ff.;


DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 981 f.; ABI-SAAB, Concept, S. 29 ff.; LIN-
SI, Gegenmassnahmen, S. 12 ff.; DAMROSCH, Enforcing, S. 45 ff.; KELSEN, Principles, S.
18 ff.; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 28 ff.; IPSEN, Völkerrecht, S. 621; KIMMI-
NICH/HOBE, Völkerrecht, S. 236 ff.; CASSESE, International Law, S. 301 ff.; PICCHIO
FORLATI, Sanctions, S. 105 ff.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 583, S. 629 ff.; GOWL-
LAND-DEBBAS, Sanctions, S. 1 ff.; COMBACAU/SUR, Droit international public, S. 648 f.;
CARREAU, Droit international, S. 519 ff.; COMBACAU, Sanctions, S. 311 ff.; HAKENBERG,
Iran-Sanktionen, S. 42 ff.; HAFNER, Immunität, S. 529 ff.; WHITE/ABBAS, Countermeasu-
res, S. 518 ff.; VILLAGRÁN KRAMER, Represalias, S. 701 ff.; PERRIN, Droit international
public, S. 794 ff.; BOISSON DE CHAZOURNES, Contre-mesures, S. 21 ff.; STEINKAMM,
Repressalie, S. 335 ff.; SICILIANOS, Sanctions, S. 4 ff.; NOORTMANN, Enforcing, S. 26 ff.;
CRAWFORD, State Responsibility, S. 168, S. 282; DERS., Sanctions and Countermeasures,
S. 57 ff.; FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1188 ff.; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen.
49 Zur Relativität des Sanktionsbegriffes und zur Notwendigkeit einer arbeitsbezogenen

Definition siehe oben, S. Begriff der Sanktion im Völkerrecht.

17
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

B. Die einzelnen Definitionsmerkmale

a) Massnahme eines Völkerrechtssubjekts

Dieses Definitionsmerkmal betrifft den möglichen Absender von


Sanktionen. Der Begriff wird demnach beschränkt auf Massnahmen,
die von Völkerrechtssubjekten ausgehen, lässt aber gleichsam sämtli-
che Völkerrechtssubjekte als mögliche Akteure zu.
Dies ist zunächst eine Einschränkung des Begriffs: Sie grenzt Sankti-
onen ab von Massnahmen, die von Individuen oder von privaten Or-
ganisationen oder Gruppierungen ausgehen, da diesen zumindest im
für Sanktionen relevanten Bereich die Völkerrechtssubjektivität
fehlt50. Damit sind insbesondere Boykotte51 nicht erfasst. Als Akteure
kommen also nur Völkerrechtssubjekte in Frage, insbesondere Staaten
und internationale Organisationen. Da in dieser Arbeit nur Massnah-
men der Schweiz als Staat untersucht werden, scheint dieses erste
Merkmal unproblematisch.
Die Schwierigkeit liegt jedoch in der Frage, ob die Massnahmen sämt-
licher Völkerrechtssubjekte (und damit auch unilaterale Massnahmen
einzelner Staaten) als Sanktionen bezeichnet werden sollen oder nur
solche Massnahmen, die von gewissen internationalen Organisationen
(insbesondere der UNO) ergriffen oder zumindest gedeckt werden.
Diese Frage ist für diese Arbeit äusserst relevant, denn für unilaterale
Massnahmen einzelner Staaten gelten in weitem Masse andere Regeln
als für Massnahmen, welche im Rahmen von Kapitel VII der UNO-
Charta erfolgen52.

50 Zur einzig partiellen Völkerrechtssubjektivität von Indidivuen siehe z.B. HAILBRON-


NER, Völkerrechtssubjekte, S. 169 ff.
51 Zum Boykott als Einschränkung von Wirtschaftsbeziehungen aufgrund privater Initia-

tive (mitsamt seiner Herleitung vom historischen Bann, der 1880 gegen den irischen
Gutsverwalter Charles C. Boycott verhängt wurde), vgl. z.B. SCHNEIDER, Wirtschafts-
sanktionen, S. 42 ff.; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 112 f.; RESS, Handelsembar-
go, S. 8. Siehe dazu auch unten, S. 46 ff.
52 Zu den besonderen Normen, welche für Massnahmen nach Kapitel VII SVN gelten,

siehe unten, S. 114 ff. (Pflichten zum Erlass von Sanktionen) und S. 242 ff. (Rechtferti-
gungsgründe).

18
Begriff der Sanktion im Völkerrecht

Die Völkerrechtsliteratur teilt sich ob dieser Frage in zwei Lager: Auf


der einen Seite stehen die Vertreter eines engen Sanktionsbegriffes,
der nur solche Massnahmen umfasst, die ergriffen wurden "in executi-
on of a decision of a competent social organ, i.e. an organ legally em-
powered to act in the name of the society or community that is gover-
ned by the legal system"5354. Als solches "competent legal organ"
kommt insbesondere die UNO in Frage55. Diese Autoren führen die
grundlegenden Differenzen zwischen institutionellen und unilateralen
Massnahmen ins Feld. Dazu gehören insbesondere das urteilende Or-
gan (unabhängige Instanz bzw. Richter in eigener Sache), die Bin-
dungswirkung (Befolgungspflicht bzw. Freiwilligkeit) und die Legiti-
mität des Entscheides (internationale Gemeinschaft bzw. Einzelstaa-
ten)56. Ebenfalls für dieses Begriffsverständnis spricht die Geschichte
der Kodifikation der Staatenverantwortlichkeit57 durch die ILC: Hatte
Art. 30 des Entwurfs von Berichterstatter Ago für unilaterale Mass-
nahmen noch den Begriff der "sanction" verwendet, bevorzugte die
ILC stattdessen den Begriff der "measure" oder "countermeasure"58.
Auf der anderen Seite stehen Autoren, die den Sanktionsbegriff weiter
fassen und nebst institutionellen59 Massnahmen auch unilaterale60

53 ABI-SAAB, Concept, S. 32.


54 Zu den Vertretern dieses Sanktionsbegriffs gehören z.B. ABI-SAAB, Concept, S. 32;
ALLAND, Justice privée, S. 26; LINSI, Gegenmassnahmen, S. 21 ff.; CASSESE, Internatio-
nal Law, S. 311 ff., S. 339; WHITE/ABBAS, Countermeasures, S. 520; COMBACAU, Sanc-
tions, S. 312 ff.; VILLAGRÁN KRAMER, Represalias, S. 701 ff.; PERRIN, Droit internatio-
nal public, S. 795; SICILIANOS, Sanctions, S. 4 ff.; CRAWFORD, State Responsibility, S.
168.
55 Vgl. z.B. LINSI, Gegenmassnahmen, S. 23.
56Zu den Divergenzen zwischen Sanktionen und unilateralen Massnahmen vgl. die aus-
führliche Gegenüberstellung bei SICILIANOS, Sanctions, S. 4 ff. Er weist jedoch explizit
auch auf die Konvergenzen hin, dazu unten, Fn 62.
57 Zum Verhältnis Staatenverantwortlichkeit/Sanktionen siehe unten, S. 41 ff.
58 Vgl. CRAWFORD, Sanctions and Countermeasures, S. 59 f.
59MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 256 f. spricht von "collective sanctions" und von
"unilateral sanctions". Hier wird für erstere der Begriff der "institutionellen Sanktionen"
bevorzugt, da auch unilaterale Sanktionen "kollektiv" sein können (vgl. unten, Fn 60).
60 Der Begriff "unilateral" bedeutet nicht, dass ein Staat als einziger handelt. Auch kol-

lektives Handeln (ob koordiniert oder nicht) kann darunter fallen, soweit man den Beg-
riff wie hier als Gegenposition zu "institutionell angeordnet oder abgesegnet" versteht.

19
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

Massnahmen einbeziehen61. Auf ihrer Seite steht vor allem das Argu-
ment der Konvergenzen zwischen institutionellen und unilateralen
Massnahmen62. So reagieren beide grundsätzlich auf Völkerrechtsver-
letzungen des Adressaten63 und schaffen in der Folge für allenfalls
völkerrechtswidrige Massnahmen des Absenders einen Rechtferti-
gungsgrund64. Zudem haben beide das Ziel, den Adressaten durch
Nachteile zur Änderung seines Verhaltens zu bewegen. Für dieses
weite Begriffsverständnis spricht sodann der etymologische Hinter-
grund65 sowie der (politisch)-umgangssprachliche Gebrauch66.
Schliesslich geht auch der Schweizer Gesetzgeber von diesem weiten
Verständnis auf: Zwar pflegt das Embargogesetz (EmbG) selber in
Art. 1 eine eigene Terminologie67. So spricht es einerseits von "Sank-
tionen (…), die von der [UNO], der [OSZE] oder von den wichtigsten
Handelspartnern der Schweiz beschlossen worden sind" (Hervorhe-
bung hinzugefügt) und meint damit international angeordnete Mass-
nahmen, die es sodann auf gewisse Akteure einschränkt68. Anderer-

61 Zu den Vertretern eines umfassenderen, d.h. gleichsam unilateralen wie institutionellen

Sanktionsbegriffs gehören z.B. BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 22 f.; DOXEY, Sanctions, S.


10; DAMROSCH, Enforcing, S. 45 ff.; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 29 f.; IPSEN,
Völkerrecht, S. 621; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 629 ff.; CARREAU, Droit interna-
tional, S. 519 ff.; HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 42 ff.; HINZ, Sanktionen, S. 51;
NOORTMANN, Enforcing, S. 34; FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1188 f.; MAJLESSI,
Economic Sanctions, S. 256 f.; BENNOUNA, Sanctions, S. 19; PICCHIO FORLATI, Sancti-
ons, S. 107 ff., unterstützt durch die englischsprachige Sektion des Center for Studies
and Research, das im Jahre 2000 an der Hague Academy of International Law eigens
zum Thema "Sanktionen" einberufen wurde.
62 Auch hierzu ausführlich SICILIANOS, Sanctions, S. 4 ff. (vgl. Fn 54).
63 Dazu unten, S. 22 ff.
64 Dazu unten, S. 242 ff.
65 Dazu oben, Fn 40.
66Vgl. z.B. in der NZZ vom 9./10. August 2008, S. 2: "Die EU verhängt weitere Sankti-
onen gegen Teheran".
67Art. 1 Abs. 1 EmbG (Gegenstand) lautet vollständig: "Der Bund kann Zwangsmass-
nahmen erlassen, um Sanktionen durchzusetzen, die von der Organisation der Vereinten
Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder von den
wichtigsten Handelspartnern der Schweiz beschlossen worden sind und die der Einhal-
tung des Völkerrechts, namentlich der Respektierung der Menschenrechte, dienen."
68 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1455. Dabei bleibt in Art. 1 EmbG unklar, ob die

Einschränkung auf diese Akteure Teil der allgemeinen Definition ist, oder ob die Sankti-
on implizit weit definiert und einfach in der Folge auf diese Akteure eingeschränkt wird.

20
Begriff der Sanktion im Völkerrecht

seits spricht es von "Zwangsmassnahmen", womit es die staatlichen


Umsetzungsmassnahmen meint69. Die Botschaft macht aber klar, dass
der Sanktionsbegriff an sich weit gefasst wird. Erstens spricht sie re-
gelmässig von "internationalen Sanktionen"70, was voraussetzt, dass es
auch "nationale Sanktionen“ gibt. Zweitens besagt sie explizit, dass
"der Bundesrat (…) gestützt auf (…) Art. 184 BV (…) auch Sanktio-
nen (…) erlassen [könne], ohne dass diese zuvor auf internationaler
Ebene beschlossen wurden (unilaterale Massnahmen)"71.
Aus den genannten Gründen und insbesondere im Einklang mit der
Schweizer Rechtsterminologie verwendet diese Arbeit daher den Beg-
riff der Sanktion sowohl für unilaterale Massnahmen als auch für sol-
che, die institutionell erlassen wurden.

b) Hoheitliche Massnahme

Mit diesem Merkmal wird der Grad der Autorität einer Sanktion defi-
niert. Es besagt, dass nur solche Massnahmen Sanktionen sind, die der
Akteur aufgrund besonderer rechtlicher Autorität als Zwangsmass-
nahme ausgestaltet.
Damit wird die Sanktion wiederum vom Handeln Privater abgegrenzt.
Sofern diese nicht bereits mangels Völkerrechtsfähigkeit72 ausser Be-
tracht fallen, fehlt es ihnen jedenfalls an einer erhöhten Autorität, die
sie zumindest landesrechtlich zu Zwang gegenüber Dritten ermächti-
gen würde. Ebenfalls nicht unter diesen Sanktionsbegriff fallen aber

Weiter fällt auf, dass neben der UNO auch Sanktionsanwender genannt werden, die nach
enger Auffassung nicht zwingend als "competent legal organ" (s.o. Fn 53) betrachtet
werden können, wie z.B. einzelne Handelspartner.
69 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1455.
70 Vgl. z.B. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1434, 1551 f.
71BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1552 (Hervorhebung hinzugefügt). Art. 1 Abs. 2
EmbG bleibt demgegenüber allgemeiner und spricht von "Massnahmen des Bundesrates
zur Wahrung der Interessen des Landes nach Art. 184 Abs. 3 Bundesverfassung"
72 Dazu oben, S. 18 ff.

21
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

auch staatliche Massnahmen, die einzig empfehlenden Charakter ha-


ben, wie das sogenannte "moralische Embargo"73.
Diese Abgrenzungen gehören zwar zu den unstrittigsten im Sankti-
onsbegriff, insbesondere was den rein privaten Boykott angeht. Den-
noch finden sich auch hier Abweichungen, da einzelne Autoren von
einem weiteren Begriff ausgehen, der auch unverbindliche Massnah-
men von Staaten umfasst74. Aufgrund der überwiegenden Lehre, der
Schweizer Rechtsterminologie gemäss Art. 1 EmbG, wonach Sanktio-
nen durch "Zwangsmassnahmen" umgesetzt werden, und dem hoheit-
lichen Charakter der Sperrung von Geldern wird für diese Arbeit ein
hoheitlicher Sanktionsbegriff verwendet.

c) Reaktion auf eine Völkerrechtsverletzung

Mit diesem Merkmal wird die Sanktion in zweierlei Richtung einge-


grenzt: Erstens ist sie demnach stets eine Reaktion auf ein bestimmtes,
als nachteilig empfundenes Handeln eines Dritten. Dies ist unbestrit-
ten, weshalb nicht weiter darauf eingegangen wird. Zweitens muss
diese auslösende Handlung in einer Verletzung des Völkerrechts75
bestehen.
Damit wird die Sanktion abgegrenzt von Reaktionen auf bloss "uner-
wünschte" oder "unfreundliche" Handlungen, welche zwar gewisse
Interessen des Akteurs oder internationale Standards verletzen, nicht
aber das Völkerrecht. Diese Einschränkung steht im Einklang mit der
Etymologie des Wortes76 und der herrschenden Völkerrechtslehre77,
73 Vgl. SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 38, m.w.H.
74So z.B. HINZ, Sanktionen, S. 51; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 38, jedoch mit
Verweis auf die entgegenstehende herrschende Meinung. In Sinne jener auch DAHME,
Wirtschaftssanktionen, S. 144.
75 Zum Begriff der Völkerrechtsverletzung, insbesondere aus Sicht des Rechts der Staa-

tenverantwortlichkeit, siehe unten, S. 41 ff.


76 Dazu oben, Fn 40.
77Vgl. z.B. COMBACAU, Sanctions, S. 314 f.; PICCHIO FORLATI, Sanctions, S. 105 f.;
GOWLLAND-DEBBAS, Sanctions, S. 1 ff.; SICILIANOS, Sanctions, S. 9 ff.; ABI-SAAB, Con-
cept, S. 31; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 583. A.M. z.B. DOXEY, Sanctions, S. 10;
SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 31.

22
Begriff der Sanktion im Völkerrecht

doch ist auf Folgendes hinzuweisen: UNO-Massnahmen nach Kapitel


VII SVN reagieren auf Handlungen gemäss Art. 39 SVN; diese Hand-
lungen können in einer "Bedrohung des Friedens", einem "Bruch des
Friedens" oder einer "Angriffshandlung" liegen78. Für den Fall der
Friedensbedrohung ist nun strittig, ob er stets auch eine Völkerrechts-
verletzung darstellt. Andernfalls wären einige solcher Massnahmen
der UNO keine eigentlichen Sanktionen, sondern Massnahmen zur
Wahrung des Weltfriedens ohne Bezug zu einer Völkerrechtsverlet-
zung79. Dem begegnet die Lehre aber teilweise dadurch, dass sie in
der verbindlichen Feststellung des Sicherheitsrats nach Art. 39 SVN
gleichsam die völkerrechtlich verbindliche Anordnung sieht, die Frie-
densbedrohung einzustellen80. Diese Frage ist aber für diese Arbeit
letztlich nicht entscheidend, da die für "UNO-Sanktionen" i.S. dieser
Arbeit geltenden Regeln praktisch integral auch für andere UNO-
Massnahmen nach Kapitel VII SVN gelten81. Es kann somit von ei-
nem Sanktionsbegriff ausgegangen werden, der auf einer vorangegan-
genen Völkerrechtsverletzung beruht. Im Übrigen geht auch Art. 1
Abs. 1 EmbG explizit von diesem Begriff aus82, auch wenn es sich
sodann gegenüber sämtlichen Arten von UNO-Massnahmen öffnet83.

78 Dazu unten, S. 117 ff.


79 Vgl. zu diesem Problem insbesondere SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 31
m.w.H.; ZAMBELLI, Sanzioni ONU, S. 586; PICCHIO FORLATI, Sanctions, S.106; PETMAN,
Economic Sanctions, 331 ff., S. 339; MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 262-275; TE-
HINDRAZANARIVELO, Conseil de sécurité S. 212 f.; WHITE/ABBAS, Countermeasures, S.
520; GOWLLAND-DEBBAS, Sanctions, S. 7 ff.; DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 144,
207 ff.
80So z.B. PETMAN, Economic Sanctions, S. 331 ff., v.a. S. 339; MAJLESSI, Economic
Sanctions, S. 262 ff.; TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de sécurité S. 212 f.
81 Zu diesen Regeln siehe unten, S. 126 ff.
82 Die bereits erwähnte Stelle lautet: " (…) um Sanktionen durchzusetzen, die von (…)
beschlossen worden sind und die der Einhaltung des Völkerrechts, namentlich der Res-
pektierung der Menschenrechte, dienen". Der Passus zur Einhaltung des Völkerrechts
wurde erst nach der Vernehmlassung eingefügt, doch sollte er nur verdeutlichen, was
nach Ansicht des BUNDESRATES sowieso der Gegenstand von Sanktionen ist: "Dies ent-
spricht zum Vornherein dem Zweck der gegen Rechtsbrecher oder Friedensstörer gerich-
teten UNO-Wirtschaftssanktionen. Dieselbe Zweckbestimmung hat auch für die Umset-
zung von Wirtschaftssanktionen der OSZE oder der wichtigsten Handelspartner der
Schweiz, namentlich der EU, zu gelten", BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1451. Die
Formulierung ist jedoch leicht widersprüchlich, denn mit der Gegenüberstellung von
"Rechtsbrechern" und "Friedensstörern" ist gesagt, dass letztere nicht zwingend Völker-
recht verletzen und die entsprechenden Sanktionen nicht nur der Rechtsdurchsetzung

23
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

d) Absicht der Zufügung von Nachteilen an ein


Völkerrechtssubjekt

Dieses Merkmal bestimmt zunächst den unmittelbaren Zweck von


Sanktionen, nämlich dem Adressaten der Sanktion einen Nachteil zu-
zufügen. Hierfür genügt die Absicht; ob der anvisierte "Erfolg" auch
eintritt, ist für die Evaluation relevant, nicht aber für die Qualifizie-
rung als Sanktion.
Durch das Erfordernis des beabsichtigten Nachteils wird die Sanktion
als negativer Anreiz, quasi als Peitsche, abgegrenzt vom Zuckerbrot.
Solch positive Anreize sollen nur gemäss einzelnen Autoren unter den
Begriff von "positiven Sanktionen“84 fallen. Auch wird die Sanktion
so abgegrenzt von politischen Instrumenten, die weder direkte Vor-
noch Nachteile verschaffen, wie z.B. blosse Bitten, Proteste oder Kla-
gen. Mit der herrschenden Lehre, dem schweizerischen Verständnis
von Sanktionen als Zwangsmassnahme und dem spezifischen Charak-
ter der Sperrung von Geldern wird nachfolgend von einem negativen
Sanktionsbegriff ausgegangen85.
Das Merkmal bestimmt aber auch den möglichen Adressaten der
Sanktion. Bei genauerer Betrachtung treten durch Sanktionen oft auf
mehreren Ebenen Schädigungen ein86. Entscheidend für den Sankti-

dienen. Entsprechend relativiert der Bundesrat sodann, indem er ausführt, dass „die vom
Embargogesetz erfassten Sanktionen (…) primär auf die Wiederherstellung des völker-
rechtsmässigen Zustands gerichtet“ seien, BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1455 f. (Her-
vorhebung hinzugefügt).
83Diese Öffnung ist in Art. 1 Abs. 1 EmbG an sich nicht vorgesehen, was der BUNDES-
RAT, Botschaft EmbG, S. 1451, in seinen Erläuterungen jedoch verwischt (vgl. oben, Fn
82). In der Praxis stützt sich der Bundesrat sodann bei allen UNO-Massnahmen auf das
Embargogesetz (vgl. zur Praxis unten, S.88ff.).
84 So HINZ, Sanktionen, S. 51; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 21; mit der herrschenden
Lehre jedoch z.B. SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 32 f.; SCHRÖDER, Verantwort-
lichkeit, S. 629; GOWLLAND-DEBBAS, Sanctions, S. 1 ff.; COMBACAU, Sanctions, S. 313.;
DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 143.
85 Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Hoheitlichkeiet der Massnahme, oben, S. 21 ff.
86Z.B. wird im Falle einer Sperrung von Geldern 1) zunächst das betroffene Finanzinsti-
tut durch zusätzliche Umtriebe mit der Verwaltung und dem naheliegenden Verlust eines
Kunden geschädigt (vgl. z.B. MOSER, Private Banking, S. 32 ff.) 2) Sodann wird der
Finanzplatz dadurch geschädigt, dass u.U. Dritte ihre Gelder aus Furcht vor Verfügungs-
beschränkungen andernorts deponieren werden. 3) Damit ist auch die Volkswirtschaft

24
Begriff der Sanktion im Völkerrecht

onsbegriff ist aber alleine die Absicht, dem sich völkerrechtswidrig


verhaltenden Völkerrechtssubjekt Nachteile zuzufügen. Diese Ein-
schränkung ist angesichts der heutigen Praxis weniger offensichtlich
als sie scheint. Denn während sich entsprechende Massnahmen früher
vor allem gegen Staaten und damit Völkerrechtssubjekte richteten,
sind in jüngerer Zeit immer mehr Private in den Fokus von internatio-
nalen Zwangsmassnahmen gerückt. Insbesondere die UNO ging im
Zuge der "Smart Sanctions"-Debatte87 vermehrt dazu über, ihre Mass-
nahmen direkt gegen Individuen zu richten, welche sie namentlich in
den Anhängen zu ihren Resolutionen aufführt88. Somit grenzt sich der
hier verwendete Sanktionsbegriff ab von Massnahmen, welche Indivi-
duen ohne direkten Kontext zu einem Völkerrechtssubjekt anvisie-
ren89.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen ein Individuum in genügend gros-
ser Nähe zu einem Völkerrechtssubjekt steht, so dass gegen dieses
gerichtete Massnahmen Sanktionen im Sinne dieser Arbeit darstellen.
Das gilt erstens, wenn die Massnahme auf eine Handlung eines Indi-
viduums reagiert, mit der dieses als partielles Völkerrechtssubjekt90

des sanktionierenden Staates betroffen. 4) Sodann wird natürlich der betroffene Berech-
tigte der Gelder geschädigt, und 5) erst in letzter Konsequenz das Völkerrechtssubjekt
(der eigentliche Sanktionsadressat), das der Berechtigte vertritt. Die letzten beiden Per-
sonen fallen dann zusammen, wenn direkt Gelder des anvisierten Völkerrechtssubjekts
gesperrt werden (z.B. ein auf einen Staat lautendes Konto).
87 Vgl. zu Smart Sanctions unten, S. 44.
88 Vgl. zu dieser Entwicklung BENNOUNA, Sanctions, S. 60 ff. und zur Sanktionspraxis
allgemein unten, S. Seite 88ff.
89 Dies ist z.B. bei jenen Massnahmen der Fall, bei denen Personen, die in keinem genü-

genden offiziellem Verhältnis (mehr) zum jeweiligen Staat stehen, mit Massnahmen
belegt werden. Daruntern fallen z.B. abgesetzte Staatschefs, Minister und Militärs, aber
auch Rebellenführer oder Terroristen. Als Beispiele aus der Schweizer Sanktionspraxis
seien erwähnt: Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen
zu Usama bin Laden , der Gruppierung „Al-Qaida“ oder den Taliban (SR 946.203), aber
auch Massnahmen gegenüber der Demokratischen Republik Kongo (SR 946.231.12)
(mehr dazu unten, S. 88 ff.). Zu den "Sanktionen" des Sicherheitsrates gegen den Terro-
rismus vgl. insbesondere COUZIGOU, Terrorisme international, S. 49 ff¸ DAHME, Wirt-
schaftssanktionen.
90 Vgl. zur partiellen Völkerrechtssubjektivität von Individuen oben, Fn 50. Zu denken ist

insbesondere an Pflichten aus dem Völkerstrafrecht. Somit sind Massnahmen gegen


Kriegsverbrecher etc. Sanktionen im Sinne dieser Arbeit. Vgl. zu einem konzisen Über-
blick hierzu THÜRER, Kriegsverbrechertribunale, S. 7; KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechts-
schutz, S. 67 ff.

25
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

selber seine völkerrechtlichen Pflichten verletzt hat. Zweitens gilt


dies, wenn das betroffene Individuum als konkreter Vertreter eines
Staates anvisiert wird. Solche Vertreter sind vereinfacht gesagt dieje-
nigen Personen, welche vom Zielstaat formell oder faktisch dazu beru-
fen sind, seine Willensbildung bezüglich völkerrechtskonformen Han-
delns zu beeinflussen91. Eine Massnahme gegen dieses Individuum
soll dieses dazu bewegen, Einflussnahme auf den eigentlichen Sankti-
onsadressaten (zumeist ein Staat) zu nehmen. Drittens trifft dies zu,
wenn Individuen anvisiert werden, die zwar selbst keine Entschei-
dungsmacht haben, an deren Schicksal aber den Entscheidungsträgern
des anvisierten Völkerrechtssubjekts liegt92.
Gegenstand dieser Untersuchung sind also nur Massnahmen, welche
darauf abzielen, zumindest indirekt Völkerrechtssubjekten einen
Nachteil zuzufügen. Damit ist insbesondere jener Teil von UNO-
Massnahmen nicht erfasst, welcher auf Individuen abzielt, die keine
genügende Beziehung mit einem Staat aufweisen, sondern aus anderen
Gründen, z.B. der Terrorbekämpfung, verfolgt werden. Diese in der
Praxis zunehmend gewichtigen Massnahmen werden aber in dieser
Arbeit aus den erwähnten Gründen93 miterfasst.

e) Zweck der Durchsetzung des Völkerrechts

Mit diesem Merkmal ist der mittelbare, aber eigentliche Zweck von
Sanktionen angesprochen. Gemeint sind Massnahmen, die - zumindest

91 Das trifft z.B. für amtierende Staatspräsidenten, Regierungschefs, Minister oder Gene-
räle zu, aber auch für hohe Kader von relevanten Verwaltungsstellen. Als Beispiele sol-
cher Massnahmen siehe die Sanktionen der Schweiz gegen Burma (SR 946.231.157.5)
und gegen Belarus (SR 946.231.116.9) (mehr dazu unten, S. 88 ff.).
92 Darunter fallen z.B. nahe Verwandte oder Günstlinge von Personen gemäss Fn 91. In

einem weiteren Sinne zählen dazu aber auch Massnahmen gegen eine unbestimmte Viel-
zahl von Individuen, namentlich gegen die Volkswirtschaft als Ganzes oder zumindest
gegen ausgesuchte wirtschaftliche Akteure. Ein solch weiter Begriff von individuellen
Sanktionen nähert sich jedoch wieder der direkten Sanktion gegen Völkerrechtssubjekte
(durch allgemeinen Druck auf Wirtschaft und Gesellschaft) an.
93 Siehe schon zur Gleichbehandlung von UNO-Massnahmen als Reaktion auf Völker-

rechtsverletzungen mit denjenigen als Reaktion auf einen Friedensbruch oben, S. 18 ff.

26
Begriff der Sanktion im Völkerrecht

auch - zum Zweck haben, den Sanktionsadressaten dazu bewegen,


seinen völkerrechtlichen Pflichten nachzukommen.
Massnahmen, welche den bislang genannten Kriterien entsprechen,
können nämlich verschiedene Zwecke verfolgen. Das Merkmal des
Zwecks der Völkerrechtsdurchsetzung grenzt den hier verwendeten
Sanktionsbegriff daher von Massnahmen ab, die überhaupt nicht der
Durchsetzung von Völkerrecht dienen, sondern einzig andern Zwe-
cken. Hingegen umfasst der hier verwendete Begriff auch Massnah-
men, welche nebst der Völkerrechtsdurchsetzung ebenfalls andern
Zwecken dienen. Die Fokussierung auf Massnahmen, die zumindest
auch die Rechtsdurchsetzung bezwecken ist z.B. von Bedeutung im
Hinblick auf die Rechtfertigung von Sanktionen als erlaubte Gegen-
massnahme94 oder bezüglich verschiedener anderer Normen, welche
die Rechtsdurchsetzung als relevantes Interesse berücksichtigen95.
Die angesprochenen verschiedenen Zwecke, welche die bislang be-
schriebenen Massnahmen verfolgen können, lassen sich kategorisieren
in Symbolismus, Selbstschutz, Strafe und Durchsetzung96:
Symbolismus97 beschränkt sich darauf, ein Zeichen zu setzen bzw. der
Völkerrechtsverletzung durch manifeste Missbilligung entgegenzutre-
ten. Hingegen fehlt die konkrete Aussicht, durch die Zwangsmass-
nahme tatsächlich eine Verhaltensänderung zu bewirken. Diese Be-
schränkung kann in mangelnder Sanktionsmacht liegen oder auf frei-
williger Zurückhaltung beruhen. Die symbolhafte Handlung kann im-
merhin zur innenpolitischen Beruhigung beitragen, aussenpolitisch
Druck aufbauen und völkerrechtlich eine implizite Zustimmung ver-
hindern.
Bei Massnahmen zum Selbstschutz98 geht es nicht um die Beseitigung
der Völkerrechtsverletzung an sich, sondern darum, ihre negativen
94 Siehe dazu unten, S. 245 ff.
95 So z.B. einzelne Normen des internationalen Menschenrechtsschutzes (unten, S. 179
ff.) oder des Wirtschaftsvölkerrechts (unten, S. 194 ff.).
96 Diese Einteilung stützt sich auf NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 18 ff.
97 Vgl. hierzu NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 18 f.
98 Vgl. hierzu NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 19 ff..

27
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

Auswirkungen auf Seiten des betroffenen Staates zu mildern bzw. aus-


zugleichen. Hierunter fallen z.B. die völkerrechtliche Notwehr oder
die Einrede des nichterfüllten Vertrags99. Wiewohl solche Massnah-
men letztlich auch Gegendruck auf den Sanktionsadressaten bewirken,
dienen sie primär dem Selbstschutz des verletzten Staates.
Strafe100 bedeutet, in einem absoluten Sinn verstanden, Retribution
bzw. Rache, d.h. die Zufügung des Übels „quia peccatum“, also ein-
fach deshalb, weil Unrecht geschah. In einem zweckrelativen Ver-
ständnis soll die Strafe darüber hinaus auch der Spezial- und General-
prävention dienen: Der Sanktionsadressat bzw. auch weitere Staaten
sollen durch Einschüchterung künftig davon abgehalten werden, Völ-
kerrecht zu verletzen. Auch dieser Strafbegriff deckt sich aber nicht
mit der konkreten Durchsetzung einer aktuell bestehenden völker-
rechtlichen Verpflichtung. Ihr Effekt ist generellerer Natur.
Massnahmen schliesslich, die der Durchsetzung von Völkerrecht die-
nen101, haben zum Ziel, ihren Adressaten dazu zu bewegen, seinen
konkret missachteten völkerrechtlichen Pflichten nachzukommen. Der
Adressat soll also mit negativen Anreizen dazu gedrängt werden,
durch gewisse Handlungen oder Unterlassungen seinen Primärpflich-
ten nachzukommen und gegebenenfalls auf der Ebene von Sekundär-
pflichten Wiedergutmachung zu leisten.
Wie erwähnt, fallen nur Massnahmen unter den hier verwendeten
Sanktionsbegriff, welche den letztgenannten Zweck zumindest mitum-
fassen. In der Praxis ist es zwar oftmals schwierig, die genauen Zwe-
cke von Massnahmen zu bestimmen, da Staaten nicht verpflichtet
sind, diese zu nennen102, bzw. die Benenung nicht mit dem tatsächlich
verfolgten Zweck übereinstimmen muss. Insbesondere der Strafzweck
wird in vielen Massnahmen jedenfalls mitschwingen. Doch schliesst
99 Zu diesen Instituten siehe unten, S. 32 ff.
100
Vgl. hierzu NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 25 ff. Zu diesem Themen-
komplex sind nicht nur Strafaktionen gegen Staaten zu zählen, sondern auch gewisse
Smart Sanctions gegen Individuen (vgl. dazu oben, S. 44) und v.a. das Völkerstrafrecht
(vgl. dazu oben, Fn 90). Vgl. auch DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 143.
101 Vgl. hierzu NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 21 ff.
102 Vgl. NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 18.

28
Verhältnis zu verwandten Instituten

diese Arbeit einzig Massnahmen aus, welche manifest einzig dem


Symbolismus, dem Selbstschutz oder der Strafe dienen.
Dieses Begriffsverständnis deckt sich auch mit einem gewichtigen Teil
der Lehre. Diese versteht Sanktionen zumeist explizit als Mittel der
Völkerrechtsdurchsetzung103. Wie bereits dargestellt104, geht auch das
Embargogesetz grundsätzlich von diesem Verständnis aus, da es ge-
mäss Art. 1 Abs. 1 auf „Sanktionen“ abstützt, „(…) die der Einhaltung
des Völkerrechts, namentlich der Respektierung der Menschenrechte,
dienen“. Entsprechend geht auch diese Arbeit von Sanktionen als Mit-
tel der Durchsetzung von Völkerrecht aus.

2. Verhältnis zu verwandten Instituten

Mit der erfolgten Definition des hier verwendeten Sanktionsbegriffs


ist der zentrale Begriff dieser Arbeit ausreichend festgelegt. Was noch
aussteht, ist eine Darstellung der Arten von Sanktionen105 sowie im
Speziellen eine Analyse von Begriff und Arten der Finanzsanktion,
namentlich der Sperrung von Geldern106.
Zuvor aber sollen einige völkerrechtliche Institute erwähnt werden,
die regelmässig im Kontext von Sanktionen auftauchen. Ziel ist es,

103 So z.B. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 629; COMBACAU, Sanctions, S. 312; FU-

KATSU, Theory of Sanctions, S. 1187 ff.; STEINKAMM, Repressalie, S. 335 ff.; HAKEN-
BERG, Iran-Sanktionen, S. 42 f.; KIMMINICH/HOBE, Völkerrecht, S. 236 ff.; SCHNEIDER,
Wirtschaftssanktionen, S. 28 ff.; KELSEN, Principles, S. 18 ff.; SICILIANOS, Sanctions, S.
13 f., der darauf hinweist, dass die souveräne Gleichheit der Staaten eine eigentliche
Strafe des einen Staats durch den andern schon ausschliesse. Ein anderes Konzept der
Sanktion vertritt wie schon erwähnt ABI-SAAB, Concept, S. 30 ff. (vgl. oben Fn 54).
Danach sind Sanktionen i.w.S. alle Instrumente einer Rechtsordnung, die ihre “normative
integrity” garantieren; erst “at the end of the spectrum we reach “enforcement”. Sank-
tionen i.e.S. seien sodann jegliche Zwangsmassnahmen gestützt auf den Beschluss eines
“competent social organ”, unabhängig von einer eigentlichen Rechtsdurchsetzung.
104
Siehe zum Sanktionsbegriff des Embargogesetzes und dem Sanktionsverständnis des
Bundesrates oben, S. 22 ff.
105 Siehe unten, S. 44 ff.
106 Siehe unten, S. 53 ff.

29
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

das Verhältnis der soeben definierten Sanktion zu diesen Instituten


aufzuzeigen. Einige dieser Institute sind Massnahmen, welche mit der
Sanktion verwandt sind und daher von ihr abgegrenzt werden müssen.
Sie wurden teilweise bereits anlässlich der Definition der Sanktion in
Abgrenzung zur Sanktion erwähnt107. Andere Institute sind eigentliche
Arten von Sanktionen und werden daher unter jenem Titel darge-
stellt108. Es bleibt somit, hier diejenigen Institute aus dem Kontext der
Sanktion zu erörtern, welche weder anlässlich der Definition noch der
Arten von Sanktionen besprochen werden; einige dieser verbleibenden
Institute werden nicht nur sogleich erwähnt, sondern auch im 2. und
v.a. 3. Teil der Arbeit eingehender dargestellt109.

A. Verhältnis zur Durchsetzung des Völkerrechts110

Die Frage der Durchsetzung des Völkerrechts, d.h. die Realisierung


der völkerrechtlichen Sollens-Ordnung, berührt das Selbstverständnis
des Völkerrechts im Kern. In unzähligen Analysen wurde und wird
nämlich erörtert, ob das Völkerrecht durchsetzbar sei, und ob es im
negativen Falle überhaupt als Rechtsordnung betrachtet werden kön-
ne111. Auf die einzelnen Argumente dieser rechtstheoretischen Debatte
soll hier nicht eingegangen werden; entscheidend ist, dass das Völker-
recht zumindest bis zu einem gewissen Masse Mittel zu seiner Durch-

107So z.B. der Boykott (oben, S. 18 ff.), das moralischen Embargo (oben, S. 21 ff.), die
positiven „Sanktionen“, der Protest oder Massnahmen, die bestrafend oder präventiv nur
auf private Individuen zielen (oben, S. 24 ff.) sowie reiner Symbolismus, Selbstschutz
oder Strafe (oben, S. 26 ff.).
108 Siehe unten, S. 44 ff.
109So insbesondere die Gegenmassnahme (unten, S. 245 ff.) und die kollektive Sicher-
heit (unten, S. 114 ff. und 242 ff.).
110Vgl. zur Durchsetzung von Völkerrecht u.a. THÜRER, Völkerrecht, S. 10 ff. m.w.H., S.
238 ff.; CASSESE, International Law, S. 301 ff.; KOKOTT / DOEHRING / BUERGENTHAL,
Völkerrecht, S. 222 ff.; KIMMINICH/HOBE, Völkerrecht, S. 236 ff.; COMBACAU, Sanc-
tions, S. 312 ff.; VITZTHUM, Begriff, S. 26 ff.; DOEHRING, Völkerrecht, S. 19 ff.; SCHRÖ-
DER, Verantwortlichkeit, S. 629; DAMROSCH, Enforcing, S. 19 ff.
111Vgl. zu dieser Debatte z.B. THÜRER, Völkerrecht, S. 10 ff. m.w.H.; DOEHRING, Völ-
kerrecht, S. 19 ff.; VITZTHUM, Begriff, S. 26 f.

30
Verhältnis zu verwandten Instituten

setzung kennt, wie sogleich auszuführen ist. Der Sanktionsbegriff soll


nun in dieses Instrumentarium eingeordnet werden.
Bereits aus der vorliegenden Definition der Sanktion112 ergibt sich,
dass die Sanktion der Durchsetzung von Völkerrecht dient. Die
Durchsetzung von Völkerrecht basiert jedoch nicht alleine auf der
Sanktion. Die (institutionelle oder unilaterale) Sanktion ist nur eines
von mehreren Mitteln der Durchsetzung von Völkerrecht113.
Zunächst setzt das Völkerrecht nämlich auf freiwillige Befolgung114;
diese gründet auf der Einsicht der Betroffenen, dass entweder eine
Regel für sie bereits konkret dienlich ist, oder zumindest auf dem ge-
nerellen längerfristigen Interesse an einer stabilen Völkerrechtsord-
nung115. Damit eng verbunden ist die Erwartung der Gegenseitigkeit:
Wer Recht bricht, kann weniger auf darauf zählen, dass seine Partner
Recht halten116. Ein weiteres Druckmittel ergibt sich aus der (nationa-
len und zunehmend internationalen) öffentlichen Meinung117 und die
damit verbundene Reputation eines Staates. Ein institutionalisierteres
Mittel sind präventiv wirkende Inspektions- und Überwachungsver-
fahren sowie diplomatische und justizielle Mechanismen der Streitbei-
legung118.
Weitere Massnahmen dienen der Rechtsdurchsetzung immerhin mit-
telbar, verfolgen aber im konkreten Falle primär andere Ziele. Ge-
meint sind Massnahmen, welche den bereits erwähnten Zwecken des
Symbolismus, des Selbstschutzes oder der Strafe dienen119.
Somit findet sich das Mittel der Sanktion als zwangsweiser Durchset-
zung erst am Ende der Skala möglicher Durchsetzungsinstrumente des

112 Siehe oben, S. 26 ff.


113 Vgl. z.B. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 629.
114 Vgl. DAMROSCH, Enforcing, S. 19.
115 Vgl. VITZTHUM, Begriff, S. 27.
116 VITZTHUM, Begriff, S. 27.
117 Vgl. DAMROSCH, Enforcing , S. 19 f.; VITZTHUM, Begriff, S. 27.
118 Vgl. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 629.
119 Siehe dazu oben, S. 26 ff.

31
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

Völkerrechts. Die mit der Sanktion am engsten verbundenen Durch-


setzungsmechanismen der kollektiven Sicherheit und der Selbsthilfe
(insbesondere der Retorsion und der Repressalie bzw. der Gegenmass-
nahme) werden aufgrund ihres speziellen Verhältnisses zur Sanktion
sogleich gesondert besprochen120.

B. Verhältnis zur Selbsthilfe

a) Allgemeines

Der Begriff der Selbsthilfe121 ist im Völkerrecht beinahe ebenso schil-


lernd wie derjenige der Sanktion122. Auf einen Nenner gebracht, ver-
wendet die Lehre den Begriff als Sammelbezeichnung für sämtliche
unilateralen Massnahmen, mit denen sich ein Staat gegen Völker-
rechtsverletzungen eines andern Völkerrechtssubjekts wehrt, sei es mit
dem Ziel des blossen Selbstschutzes oder der unmittelbaren Rechts-
durchsetzung123. Gemeinsamer Ausgangspunkt der Definitionen ist die
völkerrechtlich essentielle Erkenntnis, dass mangels umfassender
zentralisierter Rechtsverwirklichungsmechanismen "a state may on
occasions have to take the law into ist own hands"124.
Unter dem Dach der so verstandenen Selbsthilfe findet sich nun eine
Vielzahl verschiedenster Instrumente. Häufig genannt werden (neben
der Sanktion) die Retorsion, die Repressalie bzw. Gegenmassnahme,

120 Nachfolgend, S. 32 ff. bzw. unten, S. 40 ff.


121Zum Begriff der Selbsthilfe vgl. u.a. BRIDE, Self-Help; WHITE/ABASS, Countermeasu-
res, S. 505 ff.; FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1187; HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S.
42 ff.; VERDROSS/SIMMA, Universelles Völkerrecht, S. 902; ZEMANEK, Verantwortlich-
keit, S. 529; NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 33 ff.
122
Vgl. BRIDE, Self-Help, S. 377. Einige Autoren benützen die Begriffe der Sanktion und
der Selbsthilfe - anders als in der vorliegenden Arbeit - sogar synonym, so ZEMANEK,
Verantwortlichkeit, S. 529, oder in der Tendenz auch NOORTMANN, Enforcing Internatio-
nal Law, S. 33.
123 Zum Unterschied zwischen den beiden Zwecken siehe oben, S. 26 ff.
124 FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1187.

32
Verhältnis zu verwandten Instituten

die Selbstverteidigung sowie Schutzmassnahmen, die sich z.B. aus


dem Recht der Verträge ergeben125. Aufgrund der Heterogenität dieser
Instrumente ist es wenig ergiebig, das Verhältnis des hier verwendeten
Sanktionsbegriffs zur Selbsthilfe allgemein darzustellen. Vielmehr
sollen die Grundzüge der erwähnten Anwendungsfälle von Selbsthilfe
einzeln dargestellt werden inklusive ihres Bezugs zur Sanktion im hier
verstandenen Sinne.

b) Verhältnis zur Retorsion126

Die Retorsion ist in rechtlicher Hinsicht das mildeste Mittel der


Selbsthilfe127 und gleichzeitig das wohl am einhelligsten definierte:
Sie ist ein unfreundlicher, jedoch schon a priori (d.h. nicht erst auf-
grund einer ausnahmsweisen Rechtfertigung) völkerrechtlich zulässi-
ger Akt, mit dem ein Völkerrechtssubjekt auf einen unfreundlichen
Akt oder eine Völkerrechtsverletzung des Adressaten reagiert128.
Damit ist die Retorsion eigentlich kein konkretes Mittel der Selbsthil-
fe, als vielmehr ein völkerrechtliches Gütesiegel für eine unfreundli-
che Reaktion. Verletzt eine solche Handlung trotz ihres unfreundlichen
Charakters schon a priori kein Völkerrecht, wird sie als Retorsion be-
zeichnet, andernfalls nicht. Somit ist die Aussage, eine bestimmte un-
freundliche Reaktion sei eine Retorsion, gleichbedeutend mit der Aus-
sage, sie sei rechtmässig. Zu dieser Aussage gelangt man erst nach
Analyse der einschlägigen völkerrechtlichen Normen. Es ist daher

125 Siehe dazu z.B. NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 33 ff.; ZEMANEK, Ver-

antwortlichkeit, S. 529 ff.; BRIDE, Self-Help, S. 378; VERDROSS / SIMMA, Universelles


Völkerrecht, S. 902.
126 Zur Retorsion im Allgemeinen vgl. z.B. THÜRER, Völkerrecht, S. 246; PARTSCH, Re-

torsion, S. 232 f.; NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 42 ff.; KOKOTT / DOEH-
RING / BUERGENTHAL, Völkerrecht, S. 224; WHITE / ABASS, Countermeasures, S. 510 f;
DZIDA, Repressalie, S. 49 f.
127 Vgl. PARTSCH, Retorsion, S. 232.
128Vgl. z.B. die Definition von THÜRER, Völkerrecht, S. 246: "Retorsionen sind Gegen-
massnahmen, die völkerechtlich erlaubt sind, die aber vom betroffenen Staat als un-
freundlicher Akt empfunden werden". Der Begriff der Gegenmassnahme wird hierbei
nicht im technischen Sinne der "erlaubten Gegenmassnahme" bzw. der Repressalie ver-
standen, sondern als Überbegriff für Massnahmen der Selbsthilfe.

33
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

unpräzise, gewisse Handlungen unbesehen als Beispiele für Retorsio-


nen zu bezeichnen129. Es genügt bereits, dass zwischen den betroffe-
nen Subjekten eine gegenteilige vertragliche Verpflichtung besteht,
um der Handlung den Charakter der Rechtmässigkeit und damit der
Retorsion zu nehmen130.
Das Verhältnis der Sanktion im Sinne dieser Arbeit zur Retorsion kann
in zwei Aussagen zusammengefasst werden: Sofern eine Handlung
nur auf einen unfreundlichen Akt reagiert, kann eine Retorsion vorlie-
gen (wenn die Reaktion selber rechtmässig ist), nicht aber eine Sank-
tion, da diese als Reaktion auf eine Völkerrechtsverletzung definiert
wurde. Sofern eine unfreundliche Handlung hingegen alle Merkmale
einer solchen Sanktion erfüllt, ist die Rechtmässigkeit dieser Sanktion
zu prüfen131. Verletzt die Sanktion zumindest a priori (d.h. vor der
Prüfung von Rechtfertigungsgründen) eine Norm des Völkerrechts, ist
sie keine Retorsion, andernfalls schon. Anders gesagt: Sanktionen, die
gegen keinerlei völkerrrechtliche Norm verstossen, sind deshalb Re-
torsionen.

129 Wie z.B. bei PARTSCH, Retorsion, S. 233, der zu verallgemeinernd die "reduction of

imports of certain goods" (kann z.B. einen Abnahmevertrag verletzen) oder die "non-
admission of foreign vessels in national ports" (dem kann z.B. ein Schifffahrtsvertrag
entgegenstehen) nennt. Bezeichnend ist das Beispiel des "economic embargoes outside
the field of treaty obligations": Ausserhalb von vertraglichen (und gewohnheitsrechtli-
chen) Pflichten sind eben alle unfreundlichen Reaktionen Retorsionen.
130 In diese Richtung argumentiert auch NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 44

f., wenn er feststellt, dass "the general nature of retorsion needs consideration. (…) it is
not easy to determine whether a specific measure violates a legal obligation in a given
situation or not. (…). (…) the very question (…) is likely to become the very subject of
the dispute. (…) Where the target state hast he right to question the lawfulness oft he
measures (…), the difference between retorsion and all other measures is practically
speaking moot".
131 Diese Prüfung ist Gegenstand des 3. Teils dieser Arbeit, siehe unten, S. 113 ff.

34
Verhältnis zu verwandten Instituten

c) Verhältnis zur Repressalie bzw. zur


Gegenmassnahme132

Die Repressalie ist die a priori (d.h unter Vorbehalt ihrer Rechtferti-
gung) völkerrechtswidrige unilaterale Reaktion eines Völkerrechtssub-
jekts auf einen völkerrechtswidrigen Akt eines andern Völkerrechts-
subjekts133. Die Gegenmassnahme ist nach überwiegender Ansicht
nichts anderes als eine moderne Bezeichnung für die (Friedens-) Re-
pressalie134. Diese Arbeit folgt diesem Begriffsverständnis, nicht zu-
letzt deshalb, weil der von der UNO-Generalversammlung verab-
schiedete Entwurf der ILC zur Staatenverantwortlichkeit135 ebenfalls
von Gegenmassnahmen (Countermeasures) statt von Repressalien

132 Zur Repressalie bzw. zur Gegenmassnahme im Allgemeinen vgl. aus der reichhaltigen
Literatur u.a. THÜRER, Völkerrecht, S. 246; FOCARELLI, Contromisure; CRAWFORD, State
Responsibility; DERS., Counter-measures; DZIDIA, Repressalie; BOISSON DE CHAZOUR-
NES, Contre-mesures; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 632 ff.; CZAPLÍNSKY, State Re-
sponsibility, S. 62 ff.; NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 53 ff.; SICILIANOS,
Sanctions, S. 35 ff.; DERS., Contre-mesures; KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 39 ff.; ZE-
MANEK, Verantwortlichkeit, S. 529 ff.; DERS., Repressalie, S. 44 ff.; ELAGAB, Counter-
Measures 1999, S. 125 ff.; DERS., Counter-Measures 1988; DOEHRING, Reprisals, S. 235
ff.; IPSEN, Völkerrecht; S. 652 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 445 ff.; ALLAND,
Justice privée; Szurek, Sanctions;, S. 61 ff.; FIEDLER, Gegenmassnahmen, S. 9 ff.;
DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 981 ff.; TREVES, Diritto internazionale, S.
507 ff.; VILLAGRÁN KRAMER, Represalias, S. 699 ff.
133 Vgl. statt vieler THÜRER, Völkerrecht, S. 246; PARTSCH, Reprisals, S. 200 ff., mit

Hinweis auf die wegbereitende Definition des Institut de Droit International von 1934.
Danach sind Repressalien "mesures de contrainte, dérogatoires aux règles ordinaires du
droit international public, décidées et prises par un Etat, à la suite des actes illicites
commis à son préjudice, par un autre Etat, et ayant pour but d'imposer à celui-ci (…) le
retour à la légalité" (AIDI 38 (1934), S. 708).
134So z.B. bei CASSESE, International Law, S. 301 ff.; CARREAU, Droit international, S.
516; COMBACAU, Sanctions, S. 312 ff.; VILLAGRÁN KRAMER, Represalias, S. 702;
CRAWFORD, State Responsibility, S. 281; NOORTMANN, Enforcing International Law, S.
38. Der Grund für die Ablösung liegt v.a. darin, dass die Repressalie durch die heute
verpönte Ausprägung als Kriegsrepressalie negativ vorbelastet ist. Der neue Begriff für
die (Friedens-) Repressalie ist damit eine "semantic nicety", bzw. ein "facelift" für die
Repressalie (NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 38). Doch auch hier herrscht
keine vollständige terminologische Einigkeit; insbesondere verwenden einige Autoren
den Begriff der Gegenmassnahme als Oberbegriff für verschiedene unilaterale Mass-
nahmen. Neben der Repressalie umfasst die Gegenmassnahme dann regelmässig auch
die Retorsion oder auch weitere Massnahmen; vgl. z.B. THÜRER, Völkerrecht, S. 246
oder BOISSON DE CHAZOURNES, Contre-mesures, S. 12.
135 Dazu unten, S. 41 ff. und S. 245 ff.

35
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

spricht136. In der Folge wird daher ausschliesslich von (erlaubten) Ge-


genmassnahmen137 die Rede sein.
Gegenmassnahmen sind als unilaterale Reaktionen auf Völkerrechts-
verletzungen von grossem völkerrechtlichem Interesse. Dabei liegt der
Fokus weniger auf der faktischen Erscheinung solcher Reaktionen, als
vielmehr auf der Frage, unter welchen Umständen das Völkerrecht
solchen Massnahmen den Segen der Rechtmässigkeit erteilen soll.
Dabei besteht ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach objekti-
ven, zentralen Durchsetzungsmechanismen einerseits und der Einsicht
andererseits, dass Staaten häufig mangels ebensolcher Mechanismen
auf die Möglichkeit angewiesen sind, ihr Recht notfalls selber durch-
zusetzen138.
Das Konzept der rechtmässigen Gegenmassnahme bezeichnet daher
einen völkerrechtlichen Rechtfertigungstatbestand für Massnahmen,
die an sich völkerrechtswidrig wären, jedoch unter gewissen Voraus-
setzungen, die auf dem Notwehrgedanken beruhen, gerechtfertigt sind.
Die genauen Voraussetzungen der Rechtmässigkeit von Gegenmass-
nahmen sind Gegenstand des entsprechenden Kapitels dieser Arbeit139.
An dieser Stelle sei einzig auf das zweifache Verhältnis der Gegen-
massnahme zur Sanktion im Sinne dieser Arbeit eingegangen:
Erstens liegt im Falle einer Gegenmassnahme im faktischen Sinne
zumeist auch eine (unilaterale) Sanktion vor, nämlich dann, wenn die

136 Vgl. NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 35 f. zur Begriffsgeschichte der

"Countermeasure" von einer US-Rechtsschrift in einem Schiedsverfahren aus dem Jahre


1946 bis zur Aufnahme in die Endfassung des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlich-
keit im Jahre 2001.
137Der Begriff der Gegenmassnahme (wie auch derjenige der Repressalie) bezeichnet
eigentlich zwei verschiedene Sachverhalte: Zum einen im faktischen Sinne jegliche
Handlung, mit der ein Staat in Verletzung des Völkerrechts auf eine Völkerrechtsverlet-
zung eines andern Staates reagiert. Zum andern im normativen Sinne einen Rechtferti-
gungstatbestand, d.h. die Voraussetzungen, unter denen die a priori völkerrechtswidrige
Handlung gerechtfertigt ist. Der Klarheit willen sollte der zweite Fall als erlaubte, bzw.
rechtmässige oder gerechtfertigte Gegenmassnahme bezeichnet werden.
138Vgl. statt vieler THÜRER, Völkerrecht, S. 245 f.; VITZTHUM, Begriff, S. 26 ff.; FUKA-
TSU, Theory of Sanctions, S. 1187 und zur (unilateralen) Durchsetzung von Völkerrecht
allgemein oben, S. 30 ff.
139 Siehe unten, S. 245 ff.

36
Verhältnis zu verwandten Instituten

Gegenmassnahme zumindest auch den Zweck der Rechtsdurchsetzung


verfolgt140. Zweitens ist das normative Konzept der gerechtfertigten
Gegenmassnahme der massgebende Rechtfertigungsgrund für a priori
völkerrechtswidrige unilaterale Sanktionen. Darauf wird, wie erwähnt,
an entsprechender Stelle eingegangen141.

d) Verhältnis zur Selbstverteidigung142

Selbstverteidigung bedeutet im Völkerrecht, sich gegen einen bewaff-


neten Angriff seinerseits mit Waffengewalt zu wehren143. Das Recht
dazu ist als Ausnahme vom völkerrechtlichen Gewaltverbot in Art. 51
SVN verbrieft.
Obschon dieses Institut im Bereich der Selbsthilfe eine prominente
Rolle einnimmt, soll es an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt wer-
den, denn das Verhältnis der Selbstverteidigung zur Sanktion ist an-
hand zweier Aspekte einfach klärbar: Erstens ist die Selbstverteidi-
gung konzeptuell auf Abwehr, d.h. auf Selbstschutz vor der Völker-
rechtsverletzung ausgerichtet. Der Zweck der Durchsetzung von Völ-
kerrecht ergibt sich daraus nur mittelbar144. Doch auch wenn man die
Selbstverteidigung als Sanktion qualifiziert, ist sie in jedem Fall ein
militärisches Institut, d.h. auf die Anwendung von Waffengewalt be-
schränkt145. Mit den vorliegend untersuchten Finanzsanktionen erge-
ben sich somit keine Berührungspunkte.

140
Siehe zu diesem Merkmal der Sanktion oben, S. 26 ff. Die anderen Definitionsmerk-
male der Sanktion sind bei einer Gegenmassnahme im faktischen Sinne ohnehin erfüllt.
141 Unten, S. 245 ff.
142Vgl. zur Selbstverteidigung aus der reichhaltigen Literatur z.B. THÜRER, Völkerrecht,
S. 148 ff.; DINSTEIN, Self-Defence; BOTHE, Friedenssicherung, S. 652 ff.; DOEHRING,
Völkerrecht, S. 250 f.; BRIDE, Self-Help; DZIDA, Repressalie, S. 50 ff.
143 Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 148 ff.; DINSTEIN, Self-Defence; BOTHE, Friedenssiche-

rung, S. 652 ff.; DOEHRING, Völkerrecht, S. 250 f.; BRIDE, Self-Help.


144 Vgl. zum Konzept der Schutzmassnahmen nachfolgend, S. 38 ff.
145Vgl. z.B. BOTHE, Friedenssicherung, S. 652 f. Ebenso kann die rechtmässige Selbst-
verteidigung ihrerseits nur durch einen völkerrechtswidrigen bewaffneten Angriff ausge-
löst werden, vgl. Art. 51 SVN und statt vieler BRIDE, Self-Help, S. 378. Zu militärischen
Sanktionen vgl. auch unten, S. 45 f.

37
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

e) Verhältnis zu Schutzmassnahmen

Mit Schutzmassnahmen sind hier diejenigen Reaktionen auf unfreund-


liche Akte oder Völkerrechtsverletzungen gemeint, welche primär den
Zweck verfolgen, die negativen Auswirkungen auf den betroffenen
Staat zu mildern und nicht direkt anstreben, den Sanktionsadressaten
zu völkerrechtskonformem Verhalten zu bewegen146. Charakteristisch
für diese Massnahmen ist, dass sie oftmals darauf abzielen, ein ver-
letztes Gleichgewicht in einer vertraglichen Beziehung wiederherzu-
stellen, indem dem verletzten Staat erlaubt wird, seine eigenen Ver-
pflichtungen ebenfalls zu reduzieren oder aufzuheben. Dabei steht der
Gedanke der Reziprozität147 und des Selbstschutzes im Vordergrund,
höchstens sekundär die Durchsetzung der Pflicht des Adressaten.
Von so verstandenen Schutzmassnahmen sind diejenigen Massnahmen
zu unterscheiden, welche zwecks Selbstschutzes nicht auf Handlungen
anderer Völkerrechtssubjekte, sondern auf äussere Umstände reagie-
ren148. Diese Massnahmen weisen keinen direkten Bezug zur Sankti-
onsproblematik auf. Eine Rechtfertitung von Sanktionen aufgrund von
Normen, die solche Massnahmen erlauben, ist denkbar, hat aber nur
zufällig mit einer Sanktion zu tun und ist in dieser Arbeit deshalb nicht
weiter zu untersuchen149.

146
Zu diesen verschiedenen Zwecken siehe auch oben, S. 26 ff.
147Vgl. z.B. NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 40 ff.; VITZTHUM, Begriff, S.
34, S. 65 ff.
148 Solche Schutzmassnahmen sind in unzähligen völkerrechtlichen Verträgen geregelt.
Als Beispiele aus in dieser Arbeit besprochenen Verträgen seien z.B. die Schutzklauseln
in Menschenrechtsverträgen für politische Krisensituationen genannt (vgl. unten, S. 179 f
f.) oder die Schutzklauseln der OECD-Kodizes für wirtschaftliche Krisensituationen
(vgl. unten, S. 194 ff.). Auch der ILC-Entwurf zur Staatenverantwortlichkeit anerkennt
solche Massnahmen als Rechtfertigungsgründe, so die höhere Gewalt (Art. 23) und den
Notstand (Art. 24 f.), vgl. zu diesem Entwurf generell unten, S. 41 ff. Art. 62 WVK aner-
kennt überdies die Clausula rebus sic stantibus (vgl. zur WVK sogleich unten).
149Zu Illustration dient der Fall eines Staates, der als Sanktion aufgrund einer Völker-
rechtsverletzung Konten eines andern Staates sperrt und damit u.a. Normen des freien
Zahlungsverkehrs verletzt. Wenn nun gleichzeitig ein Notstand in der Zahlungsbilanz des
sanktionierenden Staats vorliegt und die Devisenbeschränkung gemäss den eigentlich
verletzten Normen rechtfertigt, hat dieses zufällige Zusammentreffen einer Sanktion mit
einem Notstand rechtlich keinen Bezug zur Sanktion als Reaktion auf eine Völkerrechts-
verletzung, sondern liegt ohnehin vor.

38
Verhältnis zu verwandten Instituten

Die berühmteste Regelung einer Schutzmassnahme gegen fremde


Handlungen wurde bereits erwähnt: Das Recht auf Selbstverteidigung
nach Art. 51 SVN150. Daneben kennen zahlreiche weitere völkerrecht-
liche Verträge Regeln, welche einem verletzten Staat das Recht geben,
seine eigenen Pflichten entsprechend der Verletzung zu reduzieren.
Eine bedeutsame Anwendung dieses Prinzips findet sich z.B. im Recht
der WTO, das nach durchlaufenem Streitbeilegungsverfahren u. U.
einer verletzten Partei zugesteht, eigene vertragliche Pflichten gegen-
über dem verletzenden Staat auszusetzen (vgl. Art. 22 des Understan-
ding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes
(DSU))151.
An dieser Stelle können und sollen jedoch nicht sämtliche Regelungen
solcher Schutzmassnahmen dargestellt werden. Vielmehr sei ab-
schliessend eine Regelung zu nennen, die oft im Kontext von Sanktio-
nen genannt wird und deren Besonderheit darin liegt, dass sie nicht
nur auf einen bestimmten Vertrag, sondern grundsätzlich auf alle völ-
kerrechtlichen Verträge Anwendung findet: Das Recht zur "Beendi-
gung oder Suspendierung eines Vertrags infolge Vertragverletzung"
gemäss Art. 60 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK)152. Ge-
mäss Art. 60 Abs. 1 WVK kann die Partei eines zweiseitigen Vertrags
eine erhebliche Vertragsverletzung der andern Partei als Grund für die
Suspendierung oder Aufhebung des Vertrags geltend machen. Abs. 2
regelt den (komplizierteren) Fall von mehrseitigen Verträgen. Abs. 3
bestimmt sodann die Erheblichkeit genauer, während Abs. 4 und 5
Ausnahmen für gewisse Bestimmungen stipulieren.
Zwar werden solche Schutzmassnahmen in der Lehre regelmässig als
Unterfall der Sanktion oder auch der Gegenmassnahmen bezeichnet,
insbesondere das letztgenannte Beispiel von Art. 60 WVK153. Den-

150 Oben, S. 37 ff.


151
Vgl. dazu z.B. MALTE, WTO-Streitbeilegungsverfahren.
152Siehe dazu u.a. THÜRER, Völkerrecht, S. 246; DOEHRING, Völkerrecht, S. 163 ff.;
VITZTHUM, Begriff, S. 65 f.
153 So z.B. bei NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 40 f.; CONFORTI, Diritto
Internazionale, S. 347; THÜRER, Völkerrecht, S. 246.; vgl. zum Stand der Diskussion
auch DZIDA, Repressalie, S. 52 ff.

39
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

noch kommt diesen Massnahmen im Lichte des in dieser Arbeit ver-


wendeten Sanktionsbegriffs eine etwas andere Bedeutung zu, da sie
wie erwähnt vornehmlich dem Schutz des betroffenen Staates vor Be-
einträchtigung bzw. der Wiederherstellung des Gleichgewichts zwi-
schen den gegenseitigen Pflichten dienen154. Demgegenüber bezweckt
die Sanktion direkt die Durchsetzung der geschuldeten Pflicht des Ad-
ressaten. Die Schutzmassnahme ist mit andern Worten opferbezogen,
während die Sanktion auf den Täter fokussiert ist155.

C. Verhältnis zur kollektiven Sicherheit

Die kollektive Sicherheit gemäss Kapitel VII der UNO-Charta nimmt


im heutigen Völkerrechtssystem einen derart zentralen Platz ein, dass
sie hier der Vollständigkeit halber eine eigenständige Erwähnung ver-
dient. Da sie jedoch bereits im Rahmen der Definition des Sanktions-
begriffes angesprochen wurde156 und später im Hauptteil auf ihre Be-
deutung für Schweizer Sanktionsregimes genauer untersucht wird157,
sollen hier nur wenige Kernpunkte betont werden.
Erstens sei nochmals darauf hingewiesen, dass ein Teil der Lehre den
Begriff der Sanktion einzig für diese Art von kollektiven Massnahmen
reserviert. Das Sanktionsverständnis dieser Arbeit ist in diesem Sinne

154Von einem von der Sanktion bzw. der Gegenmassnahme unterschiedlichen Verständ-
nis der Schutzmassnahmen, insbesondere Art. 60 WVK, geht auch ein beträchtlicher Teil
der Lehre aus, so z.B. DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 982; ZEMANEK,
Repressalie, S. 35 f.; PARTSCH, Reprisals, S. 204; BOISSON DE CHAZOURNES, Contre-
mesures, S. 21; DZIDA, Repressalie, S. 52 ff. und auch NOORTMANN, Enforcing Internati-
onal Law, S. 44, für den Fall der "exceptio non adempleti contractus", die der Autor von
Art. 60 WVK unterscheidet.
155Wenn z.B. zwischen Staat A und Staat B eine Vereinbarung besteht, wonach beide
Parteien je 100 Einheiten eines Gutes liefern müssen und Staat B vertragswidrig einzig
70 Einheiten liefert, zielt eine Schutzmassnahme darauf ab, dass auch Staat A nur 70
Einheiten liefern muss, während eine Sanktion die Durchsetzung des ursprünglichen
Vertrags zu 100 Einheiten (oder sekundär der Schadenersatzpflicht) bezweckt; vgl. auch
LINSI, Gegenmassnahmen, S. 12.
156 Siehe oben, S. 18 ff.
157 Siehe unten, S. 242 ff.

40
Verhältnis zu verwandten Instituten

weiter gefasst158. Zweitens sind Massnahmen der kollektiven Sicher-


heit aber nicht einfach eine Teilmenge des hier verwendeten Sankti-
onsbegriffs, sondern gehen ihrerseits in zwei Aspekten darüber hinaus:
So dient die kollektive Sicherheit nicht zwingend nur der Völker-
rechtsdurchsetzung, sondern je nach Blickpunkt gegebenenfalls auch
der Friedenswahrung ausserhalb einer Völkerrechtsverletzung159. Aus-
serdem nimmt die kollektive Sicherheit zu diesem Zwecke nicht nur
Völkerrechtssubjekte direkt oder indirekt ins Visier, sondern auch an-
dere Subjekte, namentlich Individuen ohne engen Bezug zu einem
Völkerrechtssubjekt160.
Diese Arbeit untersucht grundsätzlich nur diejenigen Massnahmen der
kollektiven Sicherheit, welche Sanktionen im Sinne des hier verwen-
deten Begriffes darstellen. Die Abgrenzung im Einzelfall ist aber zum
einen schwierig und zum andern wenig ergiebig, denn die aus der kol-
lektiven Sicherheit fliessenden Rechtsfolgen für die Schweiz unter-
scheiden sich nicht161. Daher werden Massnahmen nach Kapitel VII
der UNO-Charta im Folgenden einheitlich behandelt, ungeachtet ihrer
Qualität als Sanktion im Sinne dieser Arbeit.

D. Verhältnis zur Staatenverantwortlichkeit162

Das Völkerrecht begründet für seine Subjekte163 vielfältige Pflichten.


Das Recht der Staatenverantwortlichkeit regelt, unter welchen Voraus-

158 Dazu oben, S. 18 ff.


159 Zu den verschiedenen Theorien hierzu oben, S. 22 ff.
160 Vgl. dazu oben, S. 24 ff.
161Siehe hierzu auch oben, S. 22 ff. und S. 26 ff., und zu den Rechtsfolgen im Besonde-
ren unten, S. 126 ff. und S. 242 ff.
162 Zur Staatenverantwortlichkeit allgemein vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 250 ff.; CRAW-

FORD, State Responsibility; ILC, State Responsibility; DOEHRING, Völkerrecht, S. 362 ff.;
SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 584 ff.
163Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit betrifft nicht nur Staaten, sondern auch andere
Völkerrechtssubjekte wie Individuen und Internationale Organsiationen (vgl. hierzu z.B.
SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 596 ff.). Hier soll der Fokus aber auf der Staatenver-
antwortlichkeit liegen: Zum einen ist dieses Recht am weitesten entwickelt, zum andern

41
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

setzungen ein Staat für eine Völkerrechtsverletzung (die Verletzung


einer Primärpflicht) verantwortlich ist und welche Rechtsfolgen (Se-
kundärpflichten) daraus entstehen.
Die Rechtsquellen der Staatenverantwortlichkeit finden sich primär im
Völkergewohnheitsrecht164. Seit langem bestehen jedoch Kodifikati-
onsbestrebungen, die mittlerweile weit gediehen sind. Die ILC befass-
te sich nämlich im Rahmen eines Mandats der UNO-
Generalversammlung seit 1956 in zahlreichen Berichten mit der Kodi-
fizierung der Staatenverantwortlichkeit165. Unter fünf Berichterstattern
entstanden beinahe 30 Berichte, welche 1996 zu einem Entwurf mit
knapp 60 Artikeln führten. Dieser Entwurf wurde 2001 in abermals
bereinigter Form (nachfolgend ILC-Entwurf) und mit Kommentaren
der UNO-Generalversammlung übergeben mit der Empfehlung, sie
zur Kenntnis zu nehmen und in eine Resolution zu formen. In einer
späteren Session der Generalversammlung - so die Erwartungen der
ILC - sollte dieser Entwurf zu einer „Konvention zur Staatenverant-
wortlichkeit“ umgeformt werden. Er wurde im Jahre 2001 als Resolu-
tion der Generalversammlung angenommen166, bislang aber nicht von
genügend Staaten als Konvention unterzeichnet und ratifiziert167. Die
lange Entstehungszeit dieser Resolution weist darauf hin, dass es sich
dabei nicht nur um die Kodifizierung des Gewohnheitsrechts der Staa-
tenverantwortlichkeit und insbesondere auch des Rechts der Gegen-
massnahme handelt, sondern auch um eine zeitgemässe Weiterent-
wicklung.
Der ILC-Entwurf regelt das Recht der Staatenverantwortlichkeit nach
folgender Systematik: Zunächst wird der Grundsatz festgehalten, dass
jede zurechenbare Völkerrechtsverletzung die Verantwortlichkeit des

ist es in der Praxis am bedeutsamsten; v.a. aber analysiert diese Arbeit Rechtfertigungs-
gründe bzw. Gegenmassnahmen der Schweiz als Staat.
164 Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 252.
165Zur Geschichte des Entwurfs der ILC zum Recht der Staatenverantwortlichkeit von
1956 bis 2001 siehe den Bericht des letzten Special Rapporteurs James Crawford,
CRAWFORD, State Responsibility, S. 1 ff.
166 Resolution der UNO-Generalversammlung 56/83 vom 12. Dezember 2001.
167 Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 252.

42
Verhältnis zu verwandten Instituten

jeweiligen Staates auslöst (Art. 1 f.)168. Danach wird geregelt, wann


eine Völkerrechtsverletzung vorliegt (Art. 3, 12-15) und wann sie ei-
nem Staat zurechenbar ist (Art. 4-11)169. Anschliessend folgen Recht-
fertigungsgründe, nach denen eine Verletzung ausnahmsweise legiti-
miert werden kann (Art. 20-27, 49-54)170. Schliesslich werden die
Rechtsfolgen der Verantwortlichkeit geregelt (Art. 28-48)171.
Das Recht der Staatenverantwortlichkeit ist zwar nicht direkt Gegens-
tand dieser Arbeit. Es bestehen jedoch zwei Berührungspunkte zwi-
schem jenem Rechtsgebiet und dem Recht der Sanktionen: Die zure-
chenbare Völkerrechtsverletzung und die Rechtfertigungsgründe.
Zum einen setzt eine Sanktion definitionsgemäss eine vorgängige
Völkerrechtsverletzung durch den Adressaten voraus172. Ob eine Völ-
kerrechtsverletzung vorliegt, ergibt sich aus dem (primären) Völker-
recht selbst (vgl. Art. 2 lit. b, Art. 3 und Art. 12 ff. des ILC-Entwurfs)
sowie aus allfälligen Rechtfertigungsgründen (vgl. Art. 20 ff., Art. 49
ff. des ILC-Entwurfs). Das Recht der Staatenverantwortlichkeit legt
sodann ergänzend fest, wann eine solche Völkerrechtsverletzung ei-
nem Völkerrechtssubjekt (und damit einem potentiellen Sanktionsad-
ressaten) zugerechnet werden kann (vgl. Art. 2 lit. a und Art. 4 ff. des
ILC-Entwurfs). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, entstehen als
Rechtsfolge Sekundärpflichten (z.B. die Pflicht zur Unterlassung oder
zur Entschädigung, vgl. Art. 28 ff. des ILC-Entwurfs). Werden diese
wiederum nicht erfüllt, liegt eine neue Völkerrechtsverletzung vor.
Zum andern gelten die Regeln der Staatenverantwortlichkeit natürlich
auch für den Absenderstaat einer Sanktion. Sofern also eine Sanktion

168Art. 2 ILC-Entwurf fasst die Voraussetzungen der Staatenverantwortlichkeit wie folgt


zusammen: "There is an internationally wrongful act of a State when conduct consisting
of an action or omission: (a) Is attributable to the State under international law; and (b)
Constitutes a breach of an international obligation of the State". Vgl. dazu DOEHRING,
Völkerrecht, S. 362 f.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 584.
169 Vgl. dazu DOEHRING, Völkerrecht, S. 363 ff.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 591 f.
170 Vgl. dazu DOEHRING, Völkerrecht, S. 366; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 592 ff.;
171 Vgl. dazu DOEHRING, Völkerrecht, S. 366 ff.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 594
ff.
172 Vgl. oben, S. 22 ff.

43
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

per se völkerrechtliche Regeln verletzt173, ist wie in jedem Fall der


Staatenverantwortlichkeit zu prüfen, inwiefern ein Rechtfertigungs-
grund vorliegt. Der einschlägige Rechtfertigungsgrund für (Finanz-)
Sanktionen ist hierbei die Gegenmassnahme (vgl. Art. 22 und Art. 49
bis 54 des ILC-Entwurfs) sowie der Vorrang von UNO-Massnahmen
nach Kapitel VII SVN (vgl. Art. 59 des ILC-Entwurfs).
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird die zurechenbare Völker-
rechtsverletzung als Definitionsmerkmal der Sanktion als gegeben
vorausgesetzt. Hingegen werden die Rechtfertigungsgründe für Völ-
kerrechtsverletzungen aus Sicht der sanktionierenden Schweiz im 3.
Teil der Arbeit ausführlich behandelt174.

3. Arten der völkerrechtlichen Sanktion

In den vorangehenden Kapiteln wurde der Begriff der Sanktion defi-


niert175 und anschliessend in den Zusammenhang mit verwandten In-
stituten gestellt176. In diesem Kapitel werden nun die wichtigsten Ar-
ten, d.h. die tatsächlichen Erscheinungsformen solcher Sanktionen
vorgestellt.
Da diese Erscheinungsformen in der Praxis äusserst vielfältig sind,
finden sich in Lehre und Praxis verschiedenste Kategorisierungen177.
Ihr kleinster gemeinsamer Nenner soll hier übernommen werden,
nämlich die Einteilung in militärische, wirtschaftliche und weitere
Sanktionen. Im Zentrum stehen dabei die Wirtschaftssanktionen. Ihr

173Siehe zu den möglicherweise verletzten Normensystemen den zweiten Sub-Teil des 3.


Teils der Arbeit (unten, S. 137 ff.).
174 Unten, S. 242 ff.
175
Oben, S. 17 ff.
176 Oben, S. 29 ff.
177Siehe dazu z.B. die Darstellungen bei HINZ, Sanktionen, S. 52 ff.; DOXEY, Sanctions,
S. 11 ff.; FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1188 ff.; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen,
S. 86; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 21 ff. oder auch in der bundesrätlichen Botschaft
zum EmbG, BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1452.

44
Arten der völkerrechtlichen Sanktion

Unterfall der Finanzsanktionen ist der eigentliche Gegenstand dieser


Arbeit und wird sodann in den nachfolgenden Kapiteln eingehender
dargestellt178.
Ein Begriff, der häufig im Kontext der Sanktionsarten auftaucht, ist
vorauszuschicken: Die "Smart Sanction"179. Hierbei handelt es sich
nicht um eine eigentliche inhaltliche Kategorie, sondern um eine be-
sondere Art der Ausgestaltung von Sanktionen: Es geht darum, die
Nebenwirkungen von Sanktionen (v.a. auf die Zivilbevölkerung) zu
minimieren und gleichzeitig die beabsichtigten Adressaten gezielter zu
treffen. Ein erster Schritt hierzu lag in humanitären Ausnahmen im
Rahmen von umfassenden Handelsembargos180. Ein zweiter Schritt
lag in noch „smarteren“, nämlich „gezielten“ Massnahmen („Targeted
Sanctions“), welche die eigentlichen Verantwortlichen ins Fadenkreuz
rücken sollen181. Die hierfür geeignetsten Mittel sind namentlich indi-
viduelle Reisebschränkungen und Finanzsanktionen, v.a. die Sperrung
von Geldern, sowie gezielte Handelsembargos182.

A. Militärische Sanktionen

Die Anwendung militärischer Gewalt ist das klassische Mittel der


Durchsetzung des Völkerrechts183. Im modernen Völkerrecht, insbe-

178 Unten, S. 53 ff.


179Auslöser für die "Smart Sanctions"-Debatte war die Effektivitätsdiskussion über die
Sanktionen der 90er Jahre. Hiebei wurde festgestellt, dass einige Sanktionsregimes (na-
mentlich umfassende Handelsembargos) statt der anvisierten Potentaten die leidende
Zivilbevölkerung trafen (vgl. z.B. WAGNER, Sicherheitsrat, S. 893 f.; BIRKHÄUSER, Sank-
tionen, S. 33 ff.; WENAWESER, Sanktionspraxis, S. 9; DAHME, Wirtschaftssanktionen, S.
147). In der anschliessenden Debatte über Smart Sanctions war nicht zuletzt die Schweiz
mit im "Interlaken-Prozess" (1999-2000) federführend beteiligt. Vgl dazu BENNOUNA,
Sanctions, S. 61; DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 146 ff.
180
Vgl. BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 36 f.
181 Vgl. BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 37.
182Zu diesen Sanktionsarten sogleich, S. 46 ff. Vgl. auch WAGNER, Sicherheitsrat, S.
894; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 37.
183Vgl. FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1199 ff. Von militärischen Sanktionen in die-
sem Sinne zu unterscheiden sind Sanktionen, die militärische Belange betreffen, jedoch

45
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

sondere mit der Anerkennung des Gewaltverbotes184, erfuhr sie jedoch


rechtlich eine massive Einschränkung185, die namentlich auch die ein-
seitige Durchsetzung von Völkerrecht in Form der Kriegsrepressalie
erfasst186.
Auf die teilweise heftig umstrittenen Fragen, die sich in diesem Zu-
sammenhang stellen, namentlich bezüglich des genauen Umfangs des
Gewaltverbotes und seiner Ausnahmen187, ist in dieser Arbeit über
Finanzsanktionen nur insofern einzugehen, als diese Fragen einen Be-
zug zur untersuchten Problematik aufweisen. Zentral ist hierfür die
später zu behandelnde Frage, ob das Gewaltverbot überhaupt auf
Wirtschaftssanktionen anwendbar ist188.

B. Wirtschaftssanktionen

a) Allgemeines

Militärische und wirtschaftliche Macht sind seit jeher eng verbunden.


Entsprechend ist die Schwächung der gegnerischen Wirtschaftskraft
stets ein Kriegsziel verfeindeter Parteien189. Doch auch ausserhalb von
kriegerischen Belangen sind wirtschaftliche Zwangsmassnahmen ein
häufig angewandtes aussenpolitisches Instrument. Für unilaterale
Massnahmen gilt dies nicht zuletzt wegen des völkerrechtlichen Ge-

keine Gewalt beinhalten. Dazu gehören z.B. Wirtschaftssanktionen in Form des Waffen-
embargos oder Kommunikationssanktionen, die auch militärische Informationen unter-
binden.
184Siehe zum Gewaltverbot und seiner Bedeutung für Wirtschaftssanktionen unten, S.
139 ff.
185 Vgl. FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1201 f.
186Zur Bedeutung des Gewaltverbots für das Recht der Repressalie bzw. Gegenmass-
nahme siehe unten, S. 250 f.
187 Vgl hierzu statt vieler BOTHE, Friedenssicherung, S. 642 ff.
188 Hierzu unten, S. 139 ff.
189 Vgl. SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 81.

46
Arten der völkerrechtlichen Sanktion

waltverbots190, das militärischen Sanktionen weitgehend ausschliesst.


Doch auch UNO-Sanktionen bedienen sich in der überwiegenden Zahl
der Fälle wirtschaftlicher und nicht militärischer Massnahmen191.
Die Begrifflichkeit im Bezug auf solche Massnahmen ist nicht einheit-
lich192. Dennoch sollen im Folgenden die wichtigsten Begriffe kurz
dargelegt und in ein Verhältnis zur Sanktion gebracht werden.

b) Wirtschaftssanktion

Als Wirtschaftssanktion ist jede Sanktion zu bezeichnen, welche den


Adressaten in wirtschaftlicher Hinsicht, d.h. in der Produktion oder im
Austausch von Gütern, zu treffen sucht193. Wirtschaftssanktionen kön-
nen in verschiedener Weise weiter kategorisiert werden194. Geläufig
sind z.B. nachfolgende Kategorisierungen:
Analog zu den Freiheiten eines Wirtschaftsraums, können insbesonde-
re Handels-, Dienstleistungs-, Personenfreizügigkeits- ("Reise"-) und
Finanzsanktionen unterschieden werden195. Diese Massnahmen kön-
nen sich teilweise überschneiden bzw. durch verwandte Massnahmen
wie Transport- und Kommunikationssanktionen ergänzt werden. Die
Handelssanktionen können ihrerseits je nach Richtung in Export- oder
Importmassnahmen unterteilt werden. Gelegentlich wird diese Art der
Einteilung auch reduziert auf Handelssanktionen einerseits und Fi-
nanzsanktionen andererseits196.

190 Dazu unten, S. 139 ff.


191 Zur Darstellung der diesbezgüglichen Praxis siehe unten, S.88ff.
192 Vgl. RESS, Handelsembargo, S. 6; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 27 m.w.H.
193 Vgl. z.B. die Definition bei DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 146.
194Vgl. z.B. die Darstellungen von SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 86; KAUSCH,
Embargo, S. 59; HINZ, Iran-Sanktionen, S. 53; CARREAU, Droit international public, S.
519 ff.; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 27 ff.
195 Vgl. z.B. KAUSCH, Embargo, S. 59; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 86.
196So z.B. bei SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 635; ähnlich FUKATSU, Theory of Sanc-
tions, S. 1196, der jedoch die hier behandelte Sperrung von Geldern nicht zu den Finanz-
sanktionen zählt, sondern zu den übrigen "economic measures in a narrow sense".

47
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

Sodann können die Massnahmen nach dem betroffenen Wirtschaftsgut


eingeteilt werden197, so z.B. in Waffenembargos (eine Handelssankti-
on) oder die vorliegend untersuchte Sperrung von Geldern (eine Fi-
nanzsanktion). Unabhängig von der gewählten Unterteilung sind Fi-
nanzsanktionen als Unterart der Wirtschaftssanktion zu betrachten.

c) Verhältnis zum Boykott

Ein weiterer Begriff aus dem Umfeld der Wirtschaftssanktion ist der
Boykott, welcher in seinem Kern eine Einschränkung von Wirt-
schaftsbeziehungen auf Abnehmerseite bedeutet198. Während dieser
Begriff im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch eine weite Bedeu-
tung hat und insbesondere auch aussenpolitische Massnahmen von
Staaten umfasst199, wird er im deutschen Sprachgebrauch primär für
die Handlung Privater verwendet200. Damit grenzt sich der Boykott
eindeutig von der Sanktion im hier verstandenen Sinne ab201.

d) Verhältnis zur Blockade

Die Blockade202 ist ursprünglich ein Mittel des Seekriegs, mit dem
ein feindlicher Hafen durch Seestreitkräfte abgeschirmt wurde. Die
Blockade lässt sich auf den Luft- und Landkrieg übertragen und auch
in Friedenszeiten anwenden. Sie unterscheidet sich von andern wirt-
schaftlichen Zwangsmassnahmen durch die direkte Androhung von
physischer Gewalt und findet zudem zumeist ausserhalb des Territori-
ums des Anwenders statt. Sie lässt sich mit Handelssanktionen kombi-

197 Vgl. z.B. HINZ, Iran-Sanktionen, S. 53.


198 Vgl. RESS, Handelsembargo, S. 8; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 42 f.
199 So z.B. bei KAUSCH, Embargo, S. 59; FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1196.
200 Vgl. z.B. SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 86; RESS, Handelsembargo, S. 8.
201 Dazu schon oben, S. 18 ff.
202
Vgl. zur Blockade allgemein SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 108 ff.; KAUSCH,
Embargo, S. 59; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 38 f.

48
Arten der völkerrechtlichen Sanktion

nieren bzw. kann mitwirken, solche durchzusetzen. Zu Finanzsanktio-


nen weist sie jedoch keinerlei Bezug auf.

e) Verhältnis zum Embargo

Schliesslich ist noch auf den Begriff des Embargos einzugehen203. Er


bezeichnet ursprünglich die Beschlagnahme fremder Schiffe in eige-
nen Gewässern zwecks Druckausübung auf den Flaggenstaat204. Im
modernen Völkerrecht wird der Begriff weiter gefasst und umfasst
generell hoheitliche Massnahmen zur Beschränkung des Imports und
Exports von Waren (Handelsembargo), Dienstleistungen oder Kapital
aus aussenpolitischen Gründen zwecks Druckausübung auf den Ad-
ressaten205. Gelegentlich wird der Begriff des Handelsembargos auch
dem allgemeinen Embargo gleichgesetzt206; der Begriff des Embargos
seinerseits wird bisweilen auch mit der Wirtschaftssanktion oder gar
der Sanktion im Allgemeinen gleichgesetzt207.
Etwas unklar ist die offizielle Terminologie der Schweiz. Zwar lautet
die Abkürzung einer der wichtigsten Rechtsgrundlagen für Sanktionen
"Embargogesetz" bzw. "EmbG"208. Doch der volle Titel des Erlasses
lautet "Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sank-
tionen", und das Wort "Embargo" taucht im ganzen Erlass kein einzi-
ges Mal auf. Der Begriff wurde erklärtermassen v.a. seiner Griffigkeit
wegen als Kurztitel verwendet, ohne dass der Gesetzgeber mit dem
Begriff Embargo jegliche Sanktionsart bzw. Zwangsmassnahme abge-

203 Zur etymologischen Herleitung vom spanischen Verb "embargar" (festhalten, be-
schlagnahmen) siehe SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 110. Vgl. zum Embargobeg-
riff allgemein z.B. DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 150 ff.
204Vgl. SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 110 f.; RESS, Handelsembargo, S. 7;
SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 35 ff.
205 Vgl. z.B. KAUSCH, Embargo, S. 58 f.; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 111.;

RESS, Handelsembargo, S. 7; so auch der BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1435 mit


Bezug auf IPSEN, Völkerrecht (4. A.) S. 593.
206 So bei KAUSCH, Embargo, S. 59.
207 Vgl. dazu RESS, Handelsembargo, S. 11.
208
Auf das Embargogesetz wird noch im Detail eingegangen; siehe dazu unten, S.63ff.
und bereits oben, S. 22 ff.

49
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

deckt wissen wollte209. Faktisch wird das Problem dadurch gemildert,


dass die meisten der von der Schweiz angewandten und insbesondere
vom Embargogesetz erfassten Zwangsmassnahmen zur Umsetzung
von internationalen Sanktionen gleichzeitig ein Embargo darstellen.
Dies ist jedoch nicht zwingend, denn die Begriffe decken sich nicht
vollständig. Einerseits gehen Wirtschaftssanktionen bezüglich ihres
Gegenstandes grundsätzlich weiter, da sie auch Massnahmen umfas-
sen, die nicht unbedingt als Embargo zu bezeichnen sind210. Anderer-
seits erfasst das Embarbo mehr mögliche Motive als die Sanktion, da
es nicht nur als Reaktion auf eine Völkerrechtsverletzung und zwecks
deren Beseitigung ergriffen wird, sondern für beliebige aussenpoliti-
sche Zwecke211.

f) Fazit

In der vorliegenden Arbeit wird konsequent der Begriff der Finanz-


sanktion (als Anwendungsfall der Wirtschaftssanktion) verwendet.
209 BUNDESRATS, Botschaft, S. 1451. Vielmehr verwendet der Erlass den Begriff der

Sanktion für international beschlossene Massnahmen, und den Begriff der Zwangsmass-
nahme für die innerstaatliche Umsetzung. Siehe dazu oben, S. 18 ff. und unten, S.63ff.
Etwas verwirrend ist hingegen die Aussage des BUNDESRATS, Botschaft, S. 1435, die
Schweiz habe "so genannte Embargomassnahmen, hauptsächlich Wirtschaftsembargo-
massnahmen, erlassen"; es stellt sich nämlich die Frage, welche nicht-wirtschaftlichen
Massnahmen man denn noch als Embargo bezeichnen wollte. Überhaupt verwendet die
Botschaft den Embargobegriff (wohl der erwähnten Griffigkeit wegen) sehr umfassend.
So spricht sie von "Wirtschaftsembargomassnahmen" bzw. "Wirtschafts-
Embargomassnahmen" (z.B. S. 1435 bzw. S. 1452), von "Embargo-Verordnungen" bzw.
"Embargoverordnungen" (z.B. S. 1435 bzw. 1437), von der "Embargopolitik" (z.B. S.
1436) und "Embargowiderhandlungen" (z.B. S. 1436), betitelt die Schweizer Sanktions-
politik ab 1990 mit "Embargomassnahmen" (S. 1437), bezeichnet sogar UN-Sanktionen
als "UN-Embargos" (z.B. S. 1437) und spricht schliesslich von Handels- und Dienstleis-
tungsembargos (z.B. S. 1437 ff.). Einzig finanzielle Massnahmen werden konsequent als
"Finanzsanktionen" betitelt (z.B. S. 1442, jedoch wie erwähnt unter dem Titel "Embar-
gomassnahmen").
210Vgl. RESS, Handelsembargo, S. 11 m.w.H. So lassen sich z.B. die Kündigung von
Handelsverträgen oder die Nichtverlängerung von Kontingenten nicht ohne Weiteres als
Embargo bezeichnen. Hingegen spricht wenig dagegen, die Sperrung von Geldern als
Finanz- oder Kapitalembargo (so z.B. HINZ, Sanktionen, S. 72) zu bezeichnen (und zwar
weniger im Sinne einer Beschränkung des Verkehrs wie bei einem üblichen Finanzem-
bargo, sondern im ursprünglicheren Sinne der Beschlagnahme).
211Vgl. RESS, Handelsembargo, S. 11 ff., der die Sanktion als repressiv, das Embargo
jedoch darüber hinaus auch als präventiv charakterisiert.

50
Arten der völkerrechtlichen Sanktion

Wie gezeigt, vermögen die verwandten Begriffe diesen Begriff nicht


deckungsgleich wiederzugeben, namentlich nicht der Boykott oder die
Blockade. Mit dem Finanz- oder Kapitalembargo besteht zwar eine
weitgehende Übereinstimmung, doch soll aufgrund der verbleibenden
Unterschiede nicht auf die (anerkanntermassen) vereinfachende Ter-
minologie des Embargogesetz-Kurztitels abgestützt werden, zumal
sogar die entsprechende Botschaft für finanzelle Massnahmen aus-
schliesslich den Begriff der Finanzsanktion verwendet.

C. Weitere Arten von Sanktionen

Neben militärischen und wirtschaftlichen Sanktionen kennen Lehre


und Praxis eine ganze Palette weiterer Druckmittel. Eine abschlies-
sende Aufzählung ist kaum möglich212, doch sollen nachfolgend die
wichtigsten Typen erwähnt werden.
Eine häufig genannte Kategorie ist diejenige der diplomatischen Sank-
tionen. Diese reichen vom einfachen Protest bis zum Abbruch der dip-
lomatischen Beziehungen213. Im weiteren Sinne umfasst sie auch
Massnahmen, mit welchen eine internationale Organisation die Mit-
gliedschaftsrechte eines Staates einschränkt214.
Eine weitere Kategorie betrifft Massnahmen im Bereich des Sports,
der Kultur, der Wissenschaft und der Technologie, namentlich eine

212 Entsprechend begnügt sich auch das EmbG mit einer beispielhaften Aufzählung. Art.

1 Abs. 3 hält fest: "Zwangsmassnahmen können namentlich: a) den Waren-, Dienstleis-


tungs-, Zahlungs-, Kapital- und Personenverkehr sowie den wissenschaftlichen, tech-
nologischen und kulturellen Austausch unmittelbar oder mittelbar beschränken; b) Ver-
bote, Bewilligungs- und Meldepflichten sowie andere Einschränkungen von Rechten
umfassen" (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. dazu BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S.
1453, 1457. Auch Art. 41 SVN zählt nur gewisse Beispiele auf, vgl. dazu unten S. 118 ff.
213Vgl. hierzu z.B. explizit Art. 41 SVN; BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1452, 1457;
HINZ, Sanktionen, S. 52; DOXEY, Sanctions, S. 11.; FUKATSU, Theory of Sanctions, S.
1189 ff.; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 86.
214So sieht z.B. die UNO-Charta vor, dass Mitglieder, gegen die bereits Massnahmen
gemäss Kapitel VII ergriffen worden sind, u.U. in ihren Mitgliedschafts-Privilegien
eingeschränkt (Art. 5) oder gar aus der UNO ausgeschlossen werden können (Art. 6).
Vgl. dazu DOXEY, Sanctions, S. 11.

51
Begriff und Arten der Sanktion im Völkerrecht

Beschränkung des Austauschs und der Zusammenarbeit Auch die Be-


schränkung von Transport- und Kommunikationskanälen kann zu die-
ser Kategorie gezählt werden215. Je nach Ausgestaltung weisen solche
Massnahmen auch Berührungspunkte mit Wirtschaftssanktionen auf.
Eigenständigen Charakter weist schliesslich die als Smart Sanction
häufig verhängte Ein- oder Ausreisesperre für Individuen auf216. In der
Praxis tritt sie häufig in Kombination mit der Sperrung von Geldern
auf217. Mit einem solchen Massnahmenpaket sollen die Adressaten
gleichzeitig in ihrer physischen als auch in ihrer finanziellen Bewe-
gungsfreiheit beschränkt werden.

215 So explizit Art. 41 SVN und Art. 1 Abs. 3 lit. a EmbG. Vgl. dazu HINZ, Iran-

Sanktionen, S. 52; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 86; BUNDESRAT, Botschaft


EmbG, S. 1453, 1457.
216Im Grunde ist dies eine individuelle Anwendung der Einschränkung des Personenver-
kehrs, vgl. hierzu Art. 1 Abs. 3 lit. a EmbG.
217Vgl. hierzu z.B. die Verordnung über Massnahmen gegenüber Personen und Organisa-
tionen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung „Al-Qaida“ oder den
Taliban (SR 946.203) oder die Verordnung über Massnahmen gegenüber Liberia (SR
946.231.16); zur Schweizer Praxis allgemein siehe unten, S. 88 ff.

52
II. Begriff und Arten der Finanzsanktion

1. Allgemeines

Die Finanzsanktion ist, wie im vorangehenden Kapitel ausgeführt,


eine Variante der Wirtschaftssanktion. Ihr spezifischer Gegenstand
sind finanzielle Mittel218. In Lehre und Praxis bestehen die verschie-
densten Vorstellungen, was alles unter den Begriff der Finanzsanktion
subsumiert werden soll219. Im Folgenden vermitteln drei Kategorien
solcher Massnahmen ein Bild davon, was darunter verstanden werden
kann220.
Erstens werden Massnahmen als Finanzsanktionen bezeichnet, welche
darauf abzielen, die Kreditversorgung des Adressaten einzuschrän-
ken221. Es geht also darum, dem Adressaten möglichst wenig fremde
218 Die Etymologie der "Sanktion" wurde bereits erörtert (oben, Fn 40). Der Begriff
"Finanz" (heute: Geldmittel, Vermögensverhältnisse, Staatshaushalt) seinerseits leitet
sich etymologisch vom mittellateinischen "finantia" ab. Dieses stammt von "finare"
(mittellateinisch für "finire", "beenden") und bezeichnete eine fällige Schuld (d.h. "was
zu Termin steht"). Das Wort fand sodann Eingang ins Franzöische ("finances") und ver-
schob sich zu den Mitteln zur Beendigung dieser Schuld. Vgl. dazu DUDEN, Herkunfts-
wörterbuch, S. 217.
219Vgl. z.B. die Darstellungen bei HINZ, Iran-Sanktionen, S. 53; DOXEY, Sanctions, S.
14; FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1196; DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 146 f. Im
Rahmen des Interlaken-Prozesses (vgl. dazu Fn 179) wurden Finanzsanktionen definiert
als Massnahmen, die darauf abzielen, alle finanziellen Ressourcen einzufrieren und zu
verhindern, dass zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden (vgl. DAHME,
Wirtschaftssanktionen, S. 146 f.).
220 Vgl. z.B. KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzerland, S. 342, die von "financial
embargoes" sprechen, "ranging from the prohibition on the transfer of funds tot he free-
zing of assets". Der BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1442, beschreibt Finanzsanktionen
wie folgt: "[Finanzsanktionen] dienen dazu, dem mit Sanktionen belegten Staat den
Zugang zu Devisen zu verwehren. So wird jeweils verboten, der Regierung, öffentlichen
und privaten Unternehmen oder auch natürlichen Personen Gelder direkt oder indirekt
zur Verfügungzu stellen. Des Weitern können Vermögenswerte des betreffenden Staates
oder der betreffenden Unternehmen und natürlichen Personen gesperrt werden.
221Vgl. HINZ, Iran-Sanktionen, S. 53; DOXEY, Sanctions, S. 14; GHERARI, Sanctions, S.
57 ff.

53
Begriff und Arten der Finanzsanktion

Mittel zur Verfügung zu stellen. Das zentrale Instrument dazu ist die
Verweigerung bzw. die Reduktion oder Kündigung von Krediten. Da-
bei kann ein Staat dieses Instrument auf drei Wegen einsetzen: Er kann
1) selber weniger Mittel zur Verfügung stellen, 2) Privaten verbieten,
entsprechende Kredite zu gewähren oder Investitionen vorzunehmen,
und er kann sich 3) im Rahmen entsprechender internationaler Gre-
mien dafür einsetzen, dass diese Institutionen dem Adressaten weniger
finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.
Zweitens zählen Massnahmen zu den Finanzsanktionen, welche den
Zahlungsverkehr mit dem Adressaten beschränken, namentlich durch
Devisenbeschränkungen222.
Drittens fallen Massnahmen unter den Begriff, welche das bestehende
Vermögen des Adressaten direkt betreffen223. Hierbei zentral ist die
Sperrung von Vermögenswerten, namentlich von Geldern oder weite-
ren wirtschaftlichen Ressourcen. Da die Sperrung von Geldern den
Gegenstand dieser Arbeit bildet, soll sie sogleich224 gesondert erörtert
werden.

2. Die Sperrung von Geldern

Die Sperrung von Geldern225 ist wie soeben dargestellt eine mögliche
Ausgestaltung einer Finanzsanktion bzw. einer Wirtschaftssanktion.
Eine solche Sperrung besteht im Kern darin, dass es Inhabern von
Geldern des Adressaten verboten wird, dem Adressaten seine eigenen
Gelder verfügbar zu machen226. Diese Vermögenswerte227 sind somit

222 Vgl. FUKATSU, Theory of Sanctions, S. 1196.


223 HINZ, Iran-Sanktionen, S. 53; DOXEY, Sanctions, S. 14; GHERARI, Sanctions, S. 57 ff.
224 Nachfolgend, S. 54 f.
225 Der gemäss Schweizer Rechtsetzung offzielle französische Ausdruck lautet "gel des
avoirs", der italienische "blocco degli averi". Auf Englisch finden sich häufig die Begrif-
fe des „freeze of assets“ bzw. „assets freeze“ (vgl. BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 5 f.).
226 Siehe zur genauen Ausgestaltung in der Schweizer Praxis unten, S. 105 ff.

54
Die Sperrung von Geldern

für den Adressaten während der Dauer der Sanktion wertlos. Die Sper-
rung von Geldern (sowie anderer wirtschaftlicher Ressourcen, dazu
sogleich) ist in der internationalen Praxis beliebt, da sie sich als Smart
Sanction vornehmlich eignet, mit minimierten Nebenwirkungen ge-
zielt einzelne Individuen an empfindlicher Stelle, nämlich in ihrer
finanziellen Potenz, zu treffen228. Gleichzeitig stellen sich hierbei be-
sondere Rechtsprobleme, weil der Adressat zumeist einen rechtlichen
Anspruch auf diese Vermögenswerte hat, was bei andern Arten von
Finanzsanktionen (z.B. bei der Gewährung von Krediten) häufig nicht
zutrifft229.
Die Sperrung von Geldern ist zu unterscheiden von der "Sperrung von
wirtschaftlichen Ressourcen". Letztere ist der ersteren sehr ähnlich
und taucht in der Schweizer Praxis zumeist mit ihr im Verbund auf230.
Ihr Gegenstand ist jedoch ein anderer, nämlich sämtliche Vermögens-
werte mit Ausnahme von Geldern231. Die beiden Massnahmen im Ver-
bund sperren somit sämtliche Vermögenswerte.
Ebenfalls ist die Sperrung von Geldern als Finanzsanktion im Sinne
dieser Arbeit zu unterscheiden von Massnahmen gleichen oder ähnli-
chen Inhalts, die jedoch keine Sanktionen darstellen. So können z.B.
in strafrechtlichen Verfahren Vermögenswerte zu Beweis-, Siche-
rungs- oder Vollstreckungszwecken beschlagnahmt werden232. Gleich-
sam ist es charakteristisch für das Zwangsvollstreckungsrecht, dass

227 Zum Begriff der Gelder nach Schweizer Praxis siehe unten, Fn 430.
228
Vgl. dazu BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1442 ff. und zu Smart Sanctions allgemein
oben, S. 44.
229Die Sperrung von Geldern ist vom Verbot der Kreditgewährung klar abzugrenzen,
auch wenn sie sich häufig ergänzen: Erstere betrifft die Blockierung vorhandener Ver-
mögenswerte des Adressaten, letztere die Gewährung neuer Vermögenswerte, vgl. BUR-
DEAU, Avoirs étrangers, S. 13 f., 21. Ebenfalls massgebend für die Diskussion ist L.
CARONI, Budgetsimulation, S. 65 und 104 ff.
230
Dazu unten, S. 104 ff.
231Zur Definition der "wirtschaftlichen Ressourcen" nach Schweizer Praxis siehe unten,
Fn 423.
232Vgl. z.B. Art. 263 ff. der von der Bundesversammlung am 5. Oktober 2007 verab-
schiedeten eidgenössischen StPO. Vgl. zur Unterscheidung von Sanktionen und straf-
rechtlichen Massnahmen DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 160 ff.

55
Begriff und Arten der Finanzsanktion

Vermögen des Schuldners gepfändet oder arrestiert werden kann233.


Auch im Privat- und Verwaltungsrecht finden sich an zahlreicher Stel-
le vergleichbare Massnahmen234. Auf internationaler Ebene können
Gelder abgesehen von der Rechtshilfe in den erwähnten Bereichen235
ausserdem aus kriegerischen Absichten236, mit rein konservatorischem
Ziel237 oder aber als Vorstufe zur Enteignung gesperrt werden238. All
diese Massnahmen lassen sich jedoch von Finanzsanktionen im Sinne
dieser Arbeit unterscheiden, da sie zumeist nicht auf eine Völker-
rechtsverletzung reagieren, sich kaum gegen Völkerrechtssubjekte
oder ihre Vertreter richten und v.a. nicht zum Ziel haben, Völkerrecht
mittels temporären Drucks durchzusetzen239.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist also die Finanzsanktion in
Form der Sperrung von Geldern. Ihre konkrete Ausgestaltung und
Bedeutung in der Praxis der Schweiz (und damit verwandt in der Pra-
xis der UNO) wird im zweiten Teil dieser Arbeit ausführlich darge-
legt240.

233 Vgl. z.B. Art. 98 f. (Pfändung) oder Art. 271 ff. (Arrest) SchKG. Ein international
prominenter Fall eines solchen Arrests ist derjenige gegen Duvalier-Gelder aufgrund der
Zivilklagen zweier Haitianer (vgl. NZZ am Sonntag vom 3. Februar 2008 und zur paral-
lelen strafrechtlichen Sperrung unten, Fn 235).
234
Vgl. z.B. Art. 290 ff. (Unterhaltsvollstreckung) ZGB. Zu verwaltungsrechtlichen
Massnahmen siehe z.B. das Standardwerk von KESSLER, VAG, S. 172, 190.
235 Relevant ist insbesondere die Rechtshilfe in Strafsachen. Sie ist – in Ergänzung zu
Sanktionen im Sinne dieser Arbeit – auch ein Mittel zur Behändigung von Potentaten-
geldern. Ihr Zweck ist v.a., ausländischen Staaten bei der Strafverfolgung und namentlich
der Einziehung solcher krimineller Gelder früherer Machthaber zu helfen und damit
gleichzeitig dem Ansehen der Schweiz zu dienen. Aktuelles Beispiel hierfür ist die Sper-
rung der Duvalier-Gelder: Aufgrund eines Rechtshilfegesuchs Haitis sperrte das BJ die
Gelder von 1986 bis 2002, händigte sie aber mangels genügendem haitianischen Strafve-
rahrens nicht aus. Von 2002 bis 2008 sperrte der Bundesrat die Gelder gestützt auf Art.
184 Abs. 3 BV selber. Seit dem 30. Juni 2008 sind die Gelder wieder durch das BJ ge-
sperrt in der Absicht, diese bald den rechtmässigen Inhabern bzw. Haiti zurückzugeben
(vgl. NZZ am Sonntag vom 3. Februar 2008 und die Medienmitteilung des BJ vom 2.
Juli 2008). Vgl. auch den Fall der gesperrten Mobutu-Gelder in BGE 132 I 229.
236 Vgl. BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 8 f.
237 Vgl. BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 11.
238 Vgl. BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 12, 28.
239 Vgl. zu diesen Definitionselementen der Sanktion oben, S. 17 ff.
240 Unten, S. 63 ff.

56
III. Zusammenfassung des 1. Teils

Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind Schweizer Finanzsanktionen


(dargestellt am Beispiel der Sperrung von Geldern), betrachtet aus
Sicht des Schweizer Staatsrechts und des Völkerrechts. Ziel ist die
Beantwortung der folgenden Frage: Wie sieht der staats- und völker-
rechtliche Rahmen der Schweiz aus für Sanktionen, d.h. für Zwangs-
massnahmen zur Durchsetzung des Völkerrechts, und zwar nament-
lich für Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern?
Im 1. Teil der Arbeit wurden hierfür die Grundlagen geschaffen. Zu-
erst wurde der zentrale Begriff der Sanktion im Sinne dieser Arbeit
definiert und seine Definitionsmerkmale erklärt. Sodann wurde dieser
Begriff zu verschiedenen verwandten Phänomenen in Bezug gesetzt.
Schliesslich wurden die verschiedenen Arten von völkerrechtlichen
Sanktionen vorgestellt, so namentlich die Wirtschaftssanktion und ihre
hier primär interessierende Variante, nämlich die Finanzsanktion in
Form der Sperrung von Geldern.
Die Sanktion im Sinne dieser Untersuchung ist die (unilaterale oder
multilaterale) hoheitliche Massnahme eines Völkerrechtssubjekts, mit
dem dieses auf eine Völkerrechtsverletzung eines andern Völker-
rechtssubjekts reagiert, um es mittels der Zufügung von Nachteilen
zur Einhaltung des Völkerrechts zu bewegen.
Grundsätzlich erfolgt die Durchsetzung des Völkerrechts freiwillig,
nämlich aus langfristigem Interesse der Völkerrechtssubjekte an einer
stabilen Völkerrechtsordnung. Zur Durchsetzung tragen ferner die
öffentliche Meinung, Inspektions- und Überwachungsverfahren sowie
Mechanismen zur Streitbeilegung bei. Erst als ultima ratio folgt die
Sanktion.
Weil ein umfassender zentralisierter Rechtsverwirklichungsmecha-
nismus im Völkerrecht fehlt, kennt das Völkerrecht weiterhin Mass-
nahmen der Selbsthilfe, v.a. in den Ausprägungen der Retorsion, der

57
Zusammenfassung des 1. Teils

Repressalie, der Selbstverteidigung und der Schutzmassnahme. Diese


sind in ein Verhältnis zur Sanktion zu stellen.
Die Retorsion ist ein unfreundlicher, jedoch schon a priori völker-
rechtlich zulässiger Akt, mit dem ein Völkerrechtssubjekt auf einen
unfreundlichen Akt oder eine Völkerrechtsverletzung des Adressaten
reagiert. Sie ist nichts anderes als ein völkerrechtliches Gütesiegel für
solche Reaktionen. Dieses kann auch Sanktionen zuteil werden, näm-
lich immer dann, wenn sie keinerlei völkerrechtliche Norm verletzen.
Die Repressalie bzw. die Gegenmassnahme bezeichnet zum einen die
a priori völkerrechtswidrige unilaterale Reaktion eines Völkerrechts-
subjekts auf einen völkerrechtswidrigen Akt eines andern Völker-
rechtssubjekts. Zum andern bezeichnet sie einen Rechtfertigungstatbe-
stand für ebendiese Massnahmen. Als solcher ist sie für Sanktionen im
Sinne dieser Arbeit relevant, wenn diese völkerrechtliche Schranken
verletzen.
Das Selbstverteidigungsrecht bedeutet, sich als Ausnahme vom völ-
kerrechtlichen Gewaltverbot gegen einen bewaffneten Angriff seiner-
seits mit Waffengewalt wehren zu dürfen. Mit Finanzsanktionen be-
stehen keine direkten Berührungspunkte.
Mit Schutzmassnahmen sind Reaktionen auf unfreundliche Akte, Völ-
kerrechtsverletzungen oder auch bloss äussere Umstände gemeint,
welche primär den Zweck verfolgen, die negativen Auswirkungen auf
den betroffenen Staat zu mildern. Sie sind rechtlich ebenfalls von auf
Rechtsdurchsetzung gerichteten Sanktionen zu unterscheiden.
Das Recht der Staatenverantwortlichkeit regelt, unter welchen Voraus-
setzungen ein Staat für eine Völkerrechtsverletzung verantwortlich ist
und welche Rechtsfolgen daraus entstehen. Die Sanktion im Sinne
dieser Arbeit baut auf einer solchermassen etablierten Völkerrechts-
verletzung auf. Gleichsam dient der Rechtfertigungstatbestand der
Gegenmassnahme auch der Rechtfertigung von a priori völkerrechts-
widrigen Sanktionen.
Sanktionen können trotz vielfältiger Erscheinungsformen grundsätz-
lich in militärische, wirtschaftliche und weitere Sanktionen eingeteilt

58
werden. Zu letzteren zählen diplomatische Sanktionen, Massnahmen
von internationalen Organisationen sowie Massnahmen im Bereich
des Sports, der Kultur, der Wissenschaft und der Technologie.
Wirtschaftssanktionen sind Sanktionen, welche den Adressaten in
wirtschaftlicher Hinsicht, d.h. in der Produktion oder im Austausch
von Gütern, zu treffen suchen: Der Wirtschaftsverkehr, sei es der Aus-
tausch von Gütern, Personen, Dienstleistungen oder Kapital wird ein-
geschränkt oder Güter werden bemächtigt. Eng verwand mit der Wirt-
schaftssanktion ist insbesondere das Embargo.
Zu den Wirtschaftssanktionen gehören auch Finanzsanktionen, deren
spezifischer Gegenstand finanzielle Mittel sind. Ihr unmittelbarer
Zweck ist es, entweder die Kreditversorgung des Adressaten oder den
Zahlungsverkehr mit ihm zu beschränken oder aber sein bestehendes
Vermögen direkt zu tangieren. Zu letzterer Variante zählt insbesondere
die Sperrung von Geldern. Diese hindert den Adressaten temporär an
der Verfügung über seine eigenen Gelder, namentlich indem Drittin-
habern (v.a. Banken) verboten wird, dem Adressaten Zugriff auf seine
eigenen Gelder zu gewähren.
Finanzsanktionen, namentlich die Sperrung von Geldern, verdienen
innerhalb der Wirtschaftssanktionen besondere Aufmerksamkeit: Zum
einen ziehen sie als "Smart Sanctions" die an der Völkerrechtsverlet-
zung zumeist unbeteiligte Zivilbevölkerung nicht in Mitleidenschaft
und treffen stattdessen die verantwortlichen Eliten umso präziser. Zum
andern bieten sie als direkter Eingriff in ausländische Vermögenswerte
völkerrechtlich besondere Herausforderungen. Und schliesslich stellen
sie speziell für Staaten mit beschränktem militärischem oder handels-
mässigem Drohpotential, dafür mit starkem Finanzplatz, eine wir-
kungsvolle Waffe dar, somit namentlich auch für die Schweiz.

59
2. Teil:

Schweizer Staatsrecht
und Praxis
Der 2. Teil dieser Arbeit untersucht die soeben dargestellten Finanz-
sanktionen in Form der Sperrung von Geldern in einem ersten Sub-
Teil aus Sicht des Schweizer Staatsrechts241 und im zweiten Sub-Teil
anhand der Schweizer Praxis242. Auch dieser Teil wird durch eine Zu-
sammenfassung abgerundet243.

I. Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

Inhalt dieses Kapitels ist der schweizerische staatsrechtliche Rahmen


für Finanzsanktionen. In einem ersten Abschnitt werden die Zustän-
digkeiten für den Erlass solcher Sanktionen geklärt244, in einem zwei-
ten Abschnitt die dabei geltenden materiellen Schranken dargestellt245.

1. Zuständigkeit

Zum staatsrechtlichen Rahmen gehört zunächst die Frage, wer in der


Schweiz für aussenpolitische Massnahmen im Allgemeinen und für
Finanzsanktionen im Speziellen zuständig ist.

241 Nachfolgend, S.63ff.


242 Unten, S.88ff.
243 Unten, S.108ff.
244 Nachfolgend, S.63ff.
245 Unten, S.71ff.

63
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

A. Zuständigkeit in der Aussenpolitik allgemein246

Gemäss Art. 54 Abs. 1 BV sind die auswärtigen Angelegenheiten Sa-


che des Bundes247. Zum bedeutendsten Bereich dieser umfassenden
Zuständigkeit gehört seine Vertragsschlusskompetenz248. Dabei hat er
allerdings auf die Zuständigkeiten der Kantone Rücksicht zu nehmen
und ihre Interessen zu wahren (Art. 54 Abs. 3 BV)249. In ihrem Zu-
ständigkeitsbereich können die Kantone selber mit dem Ausland Ver-
träge abschliessen, sofern sie dem Recht und den Interessen des Bun-
des sowie den Rechten anderer Kantone nicht zuwiderlaufen (Art. 56
Abs. 1 und 2 BV). An der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide,
welche die Zuständigkeiten oder wesentliche Interessen der Kantone
betreffen, hat der Bund die Kantone mitwirken zu lassen (Art. 55 Abs.
1). Wo sie durch entsprechende Aktivitäten des Bundes in ihren Zu-
ständigkeitsbereichen unmittelbar berührt werden, steht den Kantonen
gemäss Art. 55 Abs. 3 BV praktische Mitwirkung zu.
Auf Bundesebene werden die auswärtigen Angelegenheiten gemäss
Art. 184 BV grundsätzlich vom Bundesrat besorgt; er vertritt die
Schweiz nach aussen250. Bei seiner Aussenpolitik hat er die Mitwir-
kungsrechte der Bundesversammlung zu wahren, die in der Beteili-
gung an der Gestaltung der Aussenpolitik (Art. 166 Abs. 1 BV) sowie
namentlich in der Genehmigung der Verträge bestehen (Art. 184 Abs.
2 BV, Art. 166 Abs. 2 BV)251. So gesehen ist die Aussenpolitik insge-
246Zur Zuständigkeit in der Aussenpolitik und damit zu den folgenden Ausführungen vgl.
u.a. THÜRER/TRUONG/ SCHWENDIMANN, Art. 184 BV., 2695 ff.; THÜRER., Völkerrecht, S.
92 ff.; DERS., Verfassungsrecht, S. 193; KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S.
81 ff.; EHRENZELLER, Art. 54 BV, S. 982 ff.; LOMBARDI/EHRENZELLER/NOBS/THÜRER,
Art. 140-141 BV, S. 2207 ff.; ZIEGLER, Droit international public, S. 86 ff.; GOETSCHEL,
Foreign Policy, S. 577 ff.; EPINEY, Ausland, S. 881 ff.; HÄFELIN/HALLER, Bundesstaats-
recht, S. 321, S. 442 ff., S. 482 f.; SÄGESSER, Bundesbehörden, S. 447 ff.; RHINOW, Ver-
fassungsrecht, S. 574 f., S. 583 ff.; ZELLWEGER, Legitimation, S.. 251 ff.; PETERS, Völ-
kerrecht, S. 133 ff; PFISTERER, Art. 54-56 BV, S. 996 ff; ODENDAHL, Bundesverfassung
und Völkerrecht, S. 21 ff.
247 Vgl. dazu EHRENZELLER, Art. 54 BV, S. 982 ff.
248 Vgl. EHRENZELLER, Art. 54 BV, S. 983 f.
249 Vgl. PFISTERER, Art. 54-56 BV, S. 996 ff.; EHRENZELLER, Art. 54 BV, S. 985 ff.
250 Vgl. THÜRER/TRUONG/SCHWENDIMANN, Art. 184 BV, S. 2698 f.
251 Vgl. THÜRER/TRUONG/SCHWENDIMANN, Art. 184 BV, S. 2699.

64
Zuständigkeit

samt „eine gemeinsame Aufgabe von Bundesrat und Bundesversamm-


lung, wobei die primäre Verantwortung für die Aussenpolitik beim
Bundesrat liegt“252; ihm obliegt die „operative Führung der Aussenpo-
litik“253. Zu dieser aussenpolitischen Verantwortung und Kompetenz
des Bundesrates gehören u.a. Aushandlung, Abschluss, Unterzeich-
nung, Ratifikation und Beendigung von völkerrechtlichen Verträgen,
Ausarbeitung und Verabschiedung der Mandate für internationale
Konferenzen, Aufnahme und Abbruch diplomatischer Beziehungen,
der Schutz von schweizerischen Interessen im Ausland und nament-
lich auch das Ergreifen von Sanktionen254.
Bestimmte auswärtige Angelegenheiten unterliegen nicht nur der par-
lamentarischen, sondern auch der direktdemokratischen Mitwirkung,
mithin dem obligatorischen oder fakultativen Referendum255. Dem
Volk und den Ständen zwingend zur Abstimmung zu unterbreiten ist
gemäss Art. 140 Abs. 1 lit. b BV der Beitritt zu Organisationen für
kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften. Völ-
kerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, die den
Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen, die wichtige
rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den
Erlass von Bundesgesetzen erfordert, unterliegen dem fakultativen
Referendum (Art. 141 Abs. 1 BV).
Unter bestimmten Umständen räumt die Bundesverfassung gemäss
Art. 184 Abs. 3 dem Bundesrat weitergehende aussenpolitische Kom-
petenzen ein. Da diese Kompetenzen insbesondere für Sanktionen
relevant sind, sollen sie nachfolgend in jenem Kontext besprochen
werden.

252 KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 83.


253 SÄGESSER, Bundesbehörden, S. 450.
254Vgl. zum ganzen Spektrum dieser Tätigkeiten z.B THÜRER/TRUONG/SCHWENDIMANN,
Art. 184 BV, S. 2699.
255 Vgl. hierzu LOMBARDI/EHRENZELLER/NOBS/THÜRER, Art. 140-141 BV, S. 2207 ff.

65
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

B. Zuständigkeit für Finanzsanktionen256

Nach diesen allgemeinen Ausführungen zur aussenpolitischen Zustän-


digkeit stellt sich nun die Frage, inwiefern für die Anordnung von (Fi-
nanz-) Sanktionen spezielle Regeln gelten.

a) Verfassungsbestimmungen

Bis zum 1. Januar 2000 bildete Art. 102 Ziffer 8 der Bundesverfassung
von 1874 die verfassungsrechtliche Grundlage für nichtmilitärische
Sanktionen. Die Grundlage erteilte dem Bundesrat die Kompetenz,
Verordnungen zu erlassen oder Massnahmen zu treffen, die zur Wah-
rung der Interessen der Schweiz nach aussen notwendig waren. In
Ermangelung einer formell gesetzlichen Grundlage durfte der Bundes-
rat nur dann eine verfassungsunmittelbare Verordnung erlassen, wenn
die darin enthaltenen Anordnungen notwendig, zeitlich dringend,
durch überwiegend öffentliche Interessen gerechtfertigt und verhält-
nismässig waren257.
Wie bereits dargestellt258, weist auch die neue Verfassung die auswär-
tigen Angelegenheiten grundsätzlich dem Bund zu (Art. 54 Abs. 1
BV), und es ist primär der Bundesrat, der die auswärtigen Angelegen-
heiten besorgt (Art. 184 Abs. 1 BV).
Art. 184 Abs. 3 BV sieht sodann - in der Tradition des vormaligen Art.
102 Ziff. 8 der Bundesverfassung von 1874 - u.U. weitreichendere
Kompetenzen für den Bundesrat vor: Wenn und soweit die Wahrung
der Interessen des Landes es erfordern, kann der Bundesrat direkt ge-
stützt auf diese Bestimmung auch befristete Verordnungen und Verfü-

256 Zur Zuständigkeit bei Sanktionen im Allgemeinen siehe u.a. BUNDESRAT, Botschaft
EmbG, S. 1452, 1457, 1463; VOCK, Embargomassnahmen, S. 229 ff.;
KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzerland, S. 531 ff., 559 ff.; VALLENDER/HETTICH/LEHNE,
Wirtschaftsfreiheit, S. 518 ff.; OESCH, Rechtsschutz, S. 307 ff.; ZAMBELLI, Sanzioni ONU, S.
594 ff.
257 Zu dieser altrechtlichen Kompetenz vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1464; THÜ-
RER/TRUONG/SCHWENDIMANN, Art. 184 BV, S. 2702.
258 Siehe oben, S. 64 ff.

66
Zuständigkeit

gungen erlassen. Im Gegensatz zu den in Art. 185 Abs. 3 BV erwähn-


ten Verordnungen und Verfügungen, die aus polizeilichen und sicher-
heitspolitischen Gründen erlassen werden, stehen in jenen von Art.
184 Abs. 3 BV aussenpolitische Gesichtspunkte im Vordergrund259.
So kann der Bundesrat gestützt auf Art. 184 Abs. 3 BV Verordnungen
und Verfügungen u.a. mit folgenden Zielen erlassen: „Durchführung
von Repressalien und Sanktionen gegen andere Staaten; Vermeidung
der Störung der Beziehungen zu anderen Staaten und internationalen
Organisationen, Vermeidung der Beeinträchtigung des internationalen
Ansehens der Schweiz (z.B. (…) Blockierung von Vermögensweren
gestürzter Staatsoberhäupter, Massnahmen im Falle von Sanktionsbe-
schlüssen der UNO); Schutz schweizerischer Interessen (z.B. (...) Blo-
ckierung von Vermögenswerten); Schutz der Rechte und Interessen
fremder Staaten (...); Durchführung Guter Dienste und friedenserhal-
tender Aktionen“260.
Diese Kompetenz des Bundesrates ist jedoch nicht schrankenlos: Ab-
gesehen davon, dass er die Wahrung der äusseren Interessen des Lan-
des im soeben beschriebenen Sinne verfolgen muss, ist er auch im
Übrigen an Verfassung und Gesetz gebunden, sofern nicht ausseror-
dentliche Umstände dies verunmöglichen261. Verordnungen sind über-
dies zu befristen (so explizit Art. 184 Abs. 3), bzw. mit der Zeit in ein
ordentliches Gesetz zu überführen262.
Die Mitwirkungsrechte des Parlaments sind im Bereich der Sanktio-
nen marginal263: Basieren diese auf UNO-Resolutionen, ist die Mit-
wirkung ausgeschlossen, weil diese Entscheide ohne Ablehungs-
möglichkeit auf völkerrechtlicher Ebene entstehen264. Doch auch uni-
259 Vgl. THÜRER/TRUONG/SCHWENDIMANN, Art. 184 BV, S. 2702 f.
260 THÜRER/TRUONG/SCHWENDIMANN, Art. 184 BV, S. 2703; vgl. dazu auch
KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzerland, S. 530 ff.
261 Vgl. THÜRER/TRUONG/SCHWENDIMANN, Art. 184 BV, S. 2704.
262 Vgl. THÜRER/TRUONG/SCHWENDIMANN, Art. 184 BV, S. 2704.
263Dies schon aus der hier dargestellten Verfassungssicht. Noch klarer wird diese Aussa-
ge im Anwendungsbereich des Embargogesetz, das in Art. 1 f. die Zuständigkeit einzig
dem Bundesrat zuweist, dazu sogleich unten, S. 68.
264 Vgl. THÜRER/ISLIKER, Art. 166 BV, S. 2456.

67
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

laterale, d.h. ausserhalb eines solchen Mandates erfolgende Sanktio-


nen, stehen in der alleinigen Kompetenz des Bundesrates265.

b) Embargogesetz

Bis zum 1. Januar 2003 waren die erwähnten Verfassungsbestimmun-


gen die einzigen Kompetenznormen für den bundesrätlichen Erlass
von Finanzsanktionen266. An jenem Datum trat das "Bundesgesetz
über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargoge-
setz, EmbG)" in Kraft. Es bildet seither die Grundlage, „um der Ein-
haltung des Völkerrechts dienende internationale Sanktionen nichtmi-
litärischer Art, die von der UNO, der OSZE oder den wichtigsten
schweizerischen Handelspartnern, insbesondere der EU und ihren
Mitgliedstaaten, erlassen worden sind und von der Schweiz mitgetra-
gen werden, durch den Erlass entsprechender Massnahmen in der
Schweiz durchzusetzen“267 (Vgl. Art. 1 EmbG). Das Embargogesetz
ist also ein Rahmengesetz, das den Bundesrat ermächtigt, Sanktionen
auf Verordnungsstufe zu erlassen.
Das Embargogesetz regelt diese Kompetenzdelegation an den Bundes-
rat in seinem 1. Abschnitt (Allgemeine Bestimmungen, Art. 1-2). Der
2. Abschnitt gilt der Auskunftspflicht und der Kontrolle (Art. 3-4), der
3. Abschnitt regelt sodann den Datenschutz und die Zusammenarbeit
von Behörden (Art. 5-7). Die Abschnitte 4-5 regeln den Rechtsschutz
sowie die Strafen und Massnahmen (Art. 8-14)268, der 6. Abschnitt
umfasst die Schlussbestimmungen (Art. 15-18).

265 Vgl. THÜRER/ISLIKER, Art. 166 BV, S. 2459.


266
Das Parlament hätte seinerseits gestützt auf seine Gesetzgebungskompetenz handeln
können. Dies hat es jedoch nicht getan. Vielmehr hat es nun mit dem Embargogesetz
bewusst den Weg der Delegation an den Bundesrat gewählt (dazu sogleich).
267 BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1434; siehe auch VOCK, Embargomassnahmen, S.

231.
268 Vgl. Bundesrat, Botschaft EmbG, S. 1451 ff.; Vock, Embargomassnahmen, S. 231 ff.

68
Zuständigkeit

c) Weitere Grundlagen

Während sich der Erlass von allgemeinen, nicht-militärischen Sankti-


onen auf das Embargogesetz abstützt, bilden Kriegsmaterialgesetz,
(KMG) sowie das Güterkontrollgesetz (GKG) die Grundlagen für
Embargomassnahmen für Kriegsmaterial und weitere militärisch ver-
wendbare Güter269. Angesichts des Untersuchungsgegenstandes der
vorliegenden Arbeit, wird auf diese weiteren Gesetze nicht näher ein-
gegangen.
Entsprechendes gilt auch für das Aussenwirtschaftsgesetz (AWG), das
dem Bundesrat unter anderem die Kompetenz einräumt, die Einfuhr,
Ausfuhr und Durchfuhr von Waren sowie den Dienstleistungsverkehr
zu überwachen, bewilligungspflichtig zu erklären, zu beschränken
oder zu verbieten oder den Zahlungsverkehr mit bestimmten Ländern
zu regeln. Auslöser für solche Massnahmen sind gemäss Art. 1 AWG
ausländische Massnahmen oder ausserordentliche ausländische Ver-
hältnisse, die wesentliche schweizerische Wirtschaftsinteressen tangie-
ren und von der Schweiz Schutzmassnahmen wirtschaftspolitischer
Art - und nicht Sanktionen aussenpolitischer Art im Sinne der vorlie-
genden Arbeit - verlangen270.
Ebenfalls von der vorliegenden Thematik der Finanzsanktionen zu
unterscheiden sind wie bereits erwähnt271 Normen, welche finanzielle
Zwangsmassnahmen ausserhalb von Sanktionen, sondern z.B. im
Rahmen der Staatssicherheit (z.B. der Terrorismusbekämpfung)272, der

269 Siehe zu diesen beiden Erlassen WEBER, Güterkontrollgesetz, und MEYER, Kriegsma-
terialgesetz; vgl. auch KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzerland, S. 533 ff.
270Vgl. zu dieser Abgrenzung oben, S. 22 ff. (Sanktion als Reaktion auf eine Völker-
rechtsverletzung) und S. 38 ff. (Abgrenzung der Sanktion von Schutzmassnahmen). Zum
Aussenwirtschaftsgesetz siehe auch WEBER, Aussenwirtschaftsgesetz. Art. 7 Abs. 6
EmbG hält explizit fest, dass aussenpolitische Massnahmen (insbesondere Sanktionen)
von währungs-, handels- oder wirtschaftspolitischen Massnahmen zu unterscheiden sind,
vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1450.
271
Vgl. oben, S. 54 ff. zu Massnahmen, die der Sperrung von Geldern in der Erscheinung
ähnlich sind, nicht jedoch Sanktionen darstellen.
272 Vgl. dazu OESCH, Rechtsschutz, S. 307; COUZIGOU, Terrorisme international, S. 49 ff.

69
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

Strafverfolgung oder der zivilen oder administrativen Zwangsvollstre-


ckung vorsehen.

C. Fazit

Die Zuständigkeit für Schweizer Finanzsanktionen liegt also beim


Bund und insbesondere beim Bundesrat. Die wichtigste Grundlage für
entsprechende bundesrätliche Verordnungen ist das Embargogesetz,
das der Durchsetzung international abgestützter Sanktionsmassnah-
men dient. Ergänzend dazu bleibt die auf Art 184 Abs. 3 BV basieren-
de Kompetenz des Bundesrates, auch autonom Massnahmen zur Wah-
rung der Interessen des Landes zu erlassen, unberührt (vgl. Art. 1 Abs.
2 EmbG). Mittlerweile basieren alle Sanktionsmassnahmen der
Schweiz273 auf dem Embargogesetz274.
Innerhalb der Bundesverwaltung liegen Zuständigkeit und Verantwor-
tung für Sanktionen beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Das
SECO, eine Organisationseinheit des EVD, präsidiert eine interdepar-
tementale Arbeitsgruppe, die "Task Force Sanktionen"275. Darin arbei-
ten Vertretungen des EDA, des EFD, der Zollbehörden und von an-
dern betroffenen Einheiten der Bundesverwaltung zusammen276. Nach
Art. 16 EmbG kann das EVD zudem die Anhänge der vom Bundesrat
gemäss Art. 2 Abs. 3 EmbG erlassenen Verordnungen nachführen277.

273 Siehe zur Praxis im Einzelnen unten, S. 88 ff.


274Vgl. OESCH, Rechtsschutz, S. 309; VOCK, Embargomassnahmen, S. 231, der alseinzi-
ge Ausnahme die „Verordnung vom 18. Mai 2004 über die Einziehung eingefrorener
irakischer Gelder und wirtschaftlicher Ressourcen und deren Überweisung an den Deve-
lopment Fund for Iraq“ (SR 946.206.1) erwähnt. Dabei handle es sich „allerdings auch
nicht um eine typische Embargoverordnung“.
275 http://www.seco.admin.ch/themen/00513/00620/index.html?lang=de.
276 Vgl. Kraft/Thürer/Stadelhofer; S. 559.
277 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 237.

70
Materielle Schranken

2. Materielle Schranken

Der zweite Aspekt bei diesem Überblick über die staatsrechtliche


Ausgangslage betrifft die materiellen Schranken, d.h. die rechtlichen
Inhaltsvorgaben beim Erlass von Sanktionen. Zu unterscheiden ist
dabei zwischen dem Einfluss des Völkerrechts auf die staatsrechtliche
Ordnung278 und genuin staatsrechtlichen Schranken279.

A. Einfluss des Völkerrechts280

a) Allgemeines

An dieser Stelle sollen keine inhaltlichen Pflichten bzw. Schranken,


welche das Völkerrecht bezüglich des Erlasses von Sanktionen auf-
stellt, erläutert werden; sie sind Inhalt des 3. Teils dieser Arbeit281. Es
geht hier vielmehr um die staatsrechtliche Theorie, nach welcher diese
völkerrechtlichen Inhalte sich im Landesrecht auswirken.
Im Rahmen des völkerrechtlichen Einflusses auf die staatsrechtliche
Ordnung werden gemeinhin drei Aspekte diskutiert: 1) Das abstrakte
Verhältnis Völkerrecht-Landesrecht282; 2) die hierarchische Stellung
des Völkerrechts gegenüber dem Landesrecht283 sowie 3) die unmit-

278 Sogleich, unten S. 71 ff.


279 Unten, S. 74 ff.
280Zu den völkerrechtlichen Schranken im Allgemeinen siehe BUNDESRAT, Botschaft
EmbG, S. 1453; THÜRER, Völkerrecht, S. 127 ff.; DERS., Verfassungsrecht, S. 186 ff.;
ZIEGLER, Droit international public, S.106 ff.; KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völker-
recht, S. 94 ff.; MICHEL, Imprégnation, S. 63 ff.; RHINOW, Verfassungsrecht, S. 561 ff.;
ACHERMANN, Vorrang, S. 33 ff.; MAHON, Art. x BV, S. 1453 ff (BV 184); HANGARTNER,
Art. 190 BV, S. 2795 ff; ODENDAHL, Bundesverfassung und Völkerrecht, S. 35 ff.
281 Unten, S. 113 ff.
282 Sogleich, S. 72.
283 Unten, S. 72 ff.

71
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

telbare Anwendbarkeit des Völkerrechts auf Private284. Letzteres spielt


vorliegend keine Rolle, da hier einzig die auf den Schweizer Staat
anwendbaren Regeln untersucht werden.

b) Grundsatz des Monismus

Zum abstrakten Verhältnis Völkerrecht-Landesrecht gilt festzuhalten,


dass die Schweiz dem System des Monismus folgt285. „Das schweize-
rische Bundesgericht hatte sich, in Ermangelung einer Anordnung im
Verfassungstext, gleich in den ersten Jahren seiner Praxis intuitiv und
ohne nähere Begründung im Sinne der monistischen Lehre entschie-
den (…). Es hat [dies] in der Folge nie in Frage gestellt, sodass [der
Monismus] heute anerkanntermassen als ungeschriebener Teil des
schweizerischen Verfassungsrechts gilt"286.
Im System des Monismus werden Völkerrecht und Landesrecht als
„integrale Bestandteile einer einheitlichen Rechtsordnung gesehen“287.
Die Normen des Völkerrechts gelten somit in der Schweiz grundsätz-
lich direkt. Das gilt sowohl für das Völkerrvertragsrecht als auch für
das Völkergewohnheitsrecht. Völkerrechtliche Verträge gelten mit
Inkrafttreten automatisch und entfalten ihre innerstaatliche Wirkung,
ohne dass es hierfür - wie im Dualismus - zunächst einer Transforma-
tion bedürfte288.

c) Hierarchische Stellung

Zum hierarchischen Verhältnis der Rechtsordnungen ist sodann Fol-


gendes zu sagen: Besteht zwischen einer völkerrechtlichen und einer
landesrechtlichen Norm ein Konflikt, gilt aus Sicht der Schweiz
284 Vgl. dazu statt vieler THÜRER, Völkerrecht, S. 127 ff.; THÜRER, Verfassungsrecht,

S. 186 ff.
285 Vgl. ODENDAHL, Bundesverfassung und Völkerrecht, S. 35 f.
286 THÜRER, Verfassungsrecht, S. 187 f.
287 KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 95.
288 Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 127 f.

72
Materielle Schranken

grundsätzlich, dass die völkerrechtswidrige landesrechtliche Norm


nicht angewendet wird289. Mit der offenen Formulierung von Art. 5
Abs. 4 BV wird „der in der Schweiz schon seit längerem geltende
Grundsatz des Vorranges des Völkerrechts grundsätzlich zum Aus-
druck gebracht“290. Dies führt zu folgenden Vorrangsregeln, wie sie
auch Art. 190 BV in etwa zum Ausdruck bringt: Das Völkerrecht geht
allem kantonalen Recht, den Verordnungen des Bundesrechts und
grundsätzlich auch der Bundesverfassung und dem Gesetzesrecht
vor291.
In Bezug auf die letzten beiden Normensysteme bleiben jedoch in
Lehre und Praxis verschiedene Punkte ungeklärt, insbesondere bezüg-
lich des Verhältnisses von späterem, bewusst völkerrechtswidrigen
Gesetzesrecht zu früherem, nicht-zwingendem Völkerrecht, da Art.
190 BV hierzu keine klare Aussage macht292. In der Grosszahl der
Fälle herrscht jedoch Einigkeit über den Vorrang des Völkerrechts vor
dem Landesrecht; dies betrifft nicht zuletzt die wichtigen völkerrecht-
lichen Regeln, wie sie im 3. Teil dieser Arbeit behandelt werden und
die teilweise sogar dem zwingenden Völkerrecht zugeordnet werden
können293.
Eine spezielle, für Sanktionen aber relevante Frage ist schliesslich,
welcher Norm aus Schweizer Sicht der Vorrang zu geben ist, wenn
verschiedene Völkerrechtsnormen miteinander in Konflikt stehen.
Dies kann insbesondere zwischen Resolutionen des UNO-
Sicherheitsrats und dem übrigen Völkerrecht eintreten. Das Bundesge-

289 Vgl. ODENDAHL, Bundesverfassung und Völkerrecht, S. 36, mit Hinweis auf die

Entwicklung der bundesgerichtlichen Praxis.


290 RHINOW, Verfassungsrecht, S. 566.
291Vgl. KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 99; HANGARTNER, Art. 190 BV,
S. 2805 ff.
292 Siehe dazu THÜRER, Verfassungsrecht, S. 188 ff.; RHINOW, Verfassungsrecht, S. 569
ff.; ACHERMANN, Vorrang, S. 43 ff.; KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 100
ff., vor allem S. 104 f; ODENDAHL, Bundesverfassung und Völkerrecht, S. 36 f.; HAN-
GARTNER, Art. 190 BV, S. 2806 ff, alle mit Hinweis auf den wohl einzigen Ausnahmetat-
bestand des Vorrangs des Völkerrechts, nämlich das spätere, bewusst völkerrechtswidrige
Bundesgesetz (Schubert-Praxis) und seinem Grenzfall, der EMRK-Widrigkeit.
293 Zum zwingenden Völkerrecht siehe z.B. BGE 133 II 450 E. 7.3; RHINOW, Verfas-

sungsrecht, S. 563.

73
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

richt hat hierzu festgehalten, dass Art. 190 BV darüber keine Aussage
macht und daher auch aus Schweizer Sicht auf die völkerrechtliche
Rangordnung abzustellen ist294.

B. Staatsrechtliche Schranken295

Sanktionen, so auch Finanzsanktionen, sind potentiell geeignet, mit


dem materiellen Verfassungsrecht in Konflikt zu kommen. Insbeson-
dere können Sanktionen den aussenpolitischen Zielen zuwiderzulau-
fen und freiheitsbeschränkende Wirkungen erzielen. Im Folgenden
werden daher die durch Sanktionen möglicherweise betroffenen aus-
senpolitischen Ziele296 sowie die potenziell tangierten Grundrechte
und ihre Einschränkungen297 erörtert.

a) Aussenpolitische Ziele

Bereits im Zweckartikel (wie zuvor schon in der Präambel)298 erwähnt


die Bundesverfassung nebst der Unabhängigkeit weitere aussenpoli-
tisch relevante Ziele, wie die Förderung der Wohlfahrt und den Ein-
satz „für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen
und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung“ (Art. 2

294 BGE 133 II 450 E. 6.1. Vgl. HANGARTNER, Art. 190 BV, S. 2806. Weiteres zum Kon-

flikt zwischen Resolutionen des Sicherheitsrats und allgemeinem Völkerrecht unten, S.


128 ff.
295 Zu den staatsrechtlichen Schranken siehe z.B. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S.1448

f.; THÜRER, Verfassungsrecht, S. 181 ff.; GOETSCHEL, Foreign Policy, S. 576; EPINEY,
Ausland, S. 871 ff.; RIVA/MÜLLER-TSCHUDI, Eigentumsgarantie, S. 765 ff.; BIAGGINI,
Wirtschaftsfreiheit, S. 779 ff.; HÄFELIN/HALLER, Bundesstaatsrecht, S. 93 ff., 174 ff.,
212 ff.; RHINOW, Verfassungsrecht, S. 553 ff.; KLEY/LUTZ, Art. 54 BV, S. 991 ff.; VAL-
LENDER/HETTICH /LEHNE, Wirtschaftsfreiheit, S. 203 ff., 520; VALLENDER, Art. 26-27
BV, S. 495 ff.; MAHON, Art. x BV, S. 220 ff. (BV 26), 234 ff. (BV 27), 319 ff. (BV 36),
1391 ff. (BV 184); OESCH, Rechtsschutz, S. 305 f; ODENDAHL, Bundesverfassung und
Völkerrecht, S. 30 ff; STEINMANN, Art. 29 BV, S. 576 ff; KLEY, Art. 29a BV, S. 602 ff.
296 Nachfolgend, S. 74 ff.
297 Unten, S. 77 ff.
298 Vgl. KLEY/LUTZ, Art. 54 BV, S. 992.

74
Materielle Schranken

Abs. 4 BV). In Art. 54 Abs. 2 BV werden diese Ziele bestätigt und


ergänzt mit dem Beitrag „zur Linderung von Not und Armut in der
Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demo-
kratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker“299. Darüber
hinaus weisen zahlreiche in der Verfassung erwähnte Bundesaufgaben,
im Bereich der Sicherheit etwa Fragen der Armee oder der Ausfuhr
von Waffen und Kriegsmaterial, aussenpolitische Aspekte auf300.
Nach Art. 101 Abs. 1 BV wahrt der Bund zudem die Interessen der
schweizerischen Wirtschaft im Ausland. Nötigenfalls in Abweichung
vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit kann er gemäss Abs. 2 in be-
sonderen Fällen Massnahmen zum Schutz der inländischen Wirtschaft
treffen. Wie die Interessen der schweizerischen Wirtschaft im Ausland
gewahrt werden sollen, „bleibt auf Verfassungsstufe ebenso offen wie
das Verhältnis dieser Bestimmung zu den explizit aufgelisteten aus-
senpolitischen Zielen in Art. 54 Abs. 2 BV“301.
Angesichts der sehr weit umschriebenen aussenpolitischen Zielset-
zungen wird ihre normative Dichte als eher begrenzt beurteilt302. Sie
bedürfen "wegen ihres hohen Allgemeinheitsgrades der (…) Konkreti-
sierung im Zuge der weiteren Rechtsetzung und Rechtsanwen-
dung"303. Auch sind die verschiedenen Ziele hierarchisch gleichwertig,
weshalb bei Konflikten eine wertende Abwägung nötig ist304. Der
grosse Gestaltungsspielraum der zuständigen Behörden dürfte nach
Art. 2 und Art. 54 BV immerhin durch drei (vage) Aspekte begrenzt
sein, nämlich 1) durch die Wahrung des Kerngehaltes jedes der aus-

299 Zu diesen Zielen im Einzelnen vgl. KLEY/LUTZ, Aussenpolitik, S. 993 ff; ODENDAHL,

Bundesverfassung und Völkerrecht, S. 30 f.


300 Interessanterweise verzichtet die Verfassung, die (für Sanktionen historisch besonders
bedeutsame) Neutralität im Bundeszweck oder in den aussenpolitischen Zielsetzungen zu
erwähnen. Sie galt und gilt weiterhin als Mittel im Dienste übergeordneter aussenpoliti-
scher Ziele (vgl. KLEY/LUTZ, Art. 54 BV, S. 995). Die Neutralität wird in der Bundesver-
fassung nur noch in Art. 173 Abs. 1 Bst. a. und Art. 185 Abs. 1 erwähnt. Siehe zur Neut-
ralität unten, S. 171 ff.
301 RHINOW, Verfassungsrecht, S. 556.
302 Vgl. EPINEY, Ausland, S. 880.
303 KLEY/LUTZ, Art. 54 BV, S. 995.
304 Vgl. KLEY/LUTZ, Art. 54 BV, S. 996.

75
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

senpolitischen Ziele, 2) durch das Prinzip, dass eine aussenpolitische


Zielsetzung nur durch ein anderes aussenpolitisches Ziel relativiert
werden soll und 3) durch das Verbot aussenpolitischer Aktivitäten, die
auf eine Unterstützung anderer Staaten bei der Verletzung der aussen-
politischen Ziele hinauslaufen305.
Angewandt auf den Fall von (Finanz-)Sanktionen lässt sich bezüglich
der Ziele gemäss Art. 2 Abs. 4 und Art. 54 Abs. 1 BV Folgendes fest-
stellen: Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung des Völkerrechts ent-
sprechen trotz punktuell unfreundlichen Charakters grundsätzlich dem
Engagement zur "Förderung des friedlichen Zusammenlebens der
Völker", dem Hauptziel des Völkerrechtes selber, sowie in spezifi-
schen Fällen auch der direkten Förderung der "Achtung der Men-
schenrechte". Sanktionen dienen auch der "Wahrung der Unabhängig-
keit" der Schweiz, die nicht zuletzt durch das Völkerrecht garantiert
wird.
Konfliktpotential weisen Sanktionen zum einen mit der Förderung der
Schweizer Wohlfahrt auf; hier ist stets eine Abwägung zu treffen und -
bei Finanzsanktionen im üblichen Rahmen unproblematisch - insbe-
sondere der Kerngehalt zu wahren, der ja auch grundrechtlich abgesi-
chert306 ist. Ebenfalls können Sanktionen der "Linderung von Not und
Armut" entgegenwirken und zudem ihrerseits die "Achtung der Men-
schenrechte" tangieren. Letzteres wird wiederum durch den Grund-
rechtsschutz abgesichert307, ersteres ist bei der blossen gezielten Sper-
rung von Geldern nur punktuell betroffen und mittels Sicherung eines
Existenzminimums zumindest im Kerngehalt zu berücksichtigen.
Die Ziele gemäss Art. 101 BV sind auf Sanktionen nicht direkt an-
wendbar, da es sich bei diesen nicht um aussenwirtschaftspolitische
Massnahmen handelt308.

305 Vgl. EPINEY, Ausland, S. 881. Ob das zweite Kriterium so Gültigkeit haben kann, darf

bezweifelt werden.
306 Vgl. dazu unten, S. 77 ff.
307Ein wahrer Konflikt entsteht aber immerhin in dem Fall, in dem die Schweiz eine
Resolution des Sicherheitsrats befolgt, welche den verfassungs- und sogar EMRK-
mässigen Grundrechtsschutz überschreibt. Dazu mehr unten, S. 128 ff.
308 Dazu oben, S. 68 ff.

76
Materielle Schranken

Gemäss dem Gesagten sind Finanzsanktionen in Form der Sperrung


von Geldern grundsätzlich mit den aussenpolitischen Zielen gemäss
Bundesverfassung vereinbar.

b) Grundrechte

Wirtschaftssanktionen im Allgemeinen und Finanzsanktionen im Spe-


ziellen tangieren zunächst die wirtschaftliche Tätigkeit und Vermö-
gensverfügung der eigentlichen Sanktionsadressaten. Daneben berüh-
ren sie aber regelmässig auch die Rechtsstellung von Privaten und
Unternehmen, die für die völkerrechtlich unbefriedigende Situation
nicht verantwortlich sind309. Zwischen dem Ziel von Sanktionsmass-
nahmen und der Rechtsstellung ihrer Adressaten und auch unbeteilig-
ter Einzelner besteht somit ein Spannungsverhältnis. Dabei werden
regelmässig verfassungsmässige Grundrechte betroffen, so zum Bei-
spiel Art. 8 BV (Rechtsgleichheit i.w.S.), Art. 9 BV (Schutz vor Will-
kür und Wahrung von Treu und Glauben), Art. 13 (Privatsphäre), Art.
26 BV (Eigentumsgarantie) und Art. 27 (Wirtschaftsfreiheit), Art 29
BV (Allgemeine Verfahrensgarantien, insbesondere rechtliches Gehör)
und Art. 29 a BV (Rechtsweggarantie)310.
Von Finanzsanktionen speziell betroffen sind die Eigentumsgarantie
gemäss Art. 26 BV, die Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV und die
Verfahrensgarantien nach Art. 29 f. BV. Auf sie wird im Folgenden
näher eingegangen.
Der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz wird sodann im 3. Teil
behandelt311, wobei ein Grossteil jener Erkenntnisse auch für den ver-

309 Vgl. OESCH, Rechtsschutz, S. 305 f. und oben, Fn 86.


310 Das Bundesgericht erwähnte in BGE 132 II 450 E. 7.3 (obiter) folgende möglicher-
weise durch Finanz- (und Reise-) sanktionen betroffene Grundrechte: Eigentumsfreiheit,
Wirtschaftsfreiheit und Verfahrensgarantien (Rechtliches Gehör und Anspruch auf ein
faires Verfahren). Zu Recht kritisch zum Einbezug weiterer Grundrechte in die Prüfung
von Finanzsanktionen, wie z.B. das Recht auf Leben, BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 303 f.
Das Bundesgericht schloss den Bezug zum Recht auf Leben bzw. zur unmenschlichen Be-
handlung zumindest solange aus, als die zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel freigegeben
werden, BGE 132 II 450 E. 7.4. Es braucht deshalb vorliegend nicht untersucht zu werden.
311 Unten, S. 179 ff.

77
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

fassungsmässigen Grundrechtsschutz relevant ist. Im völkerrechtli-


chen Teil wird zudem der marginal betroffene völkerrechtliche Schutz
der Privatsphäre (der sich weitgehend mit Art. 13 BV deckt)312 erläu-
tert313. Auch finden sich dort allgemeine Aussagen zur Grundrechts-
trägerschaft, wie sie auch für den verfassungsmässigen Grundrecht-
schutz gelten314. Diese Frage ist im internationalen Kontext von eini-
ger Relevanz.

i) Eigentumsfreiheit

Das in Art. 26 BV enthaltene Grundrecht auf Eigentumsfreiheit


schützt das Privateigentum als in seinem Kern unantastbares Institut
der schweizerischen Rechtsordnung315. Sie ermöglicht Ausschliess-
lichkeitsansprüche über Sachen und Rechte316. Die Eigentumsgarantie
ist aber auch eine tragende Voraussetzung für die Ausübung anderer
Grundrechte, so namentlich der Wirtschaftsfreiheit317.
Gegenstand der Eigentumsgarantie sind alle Vermögensrechte des
Privatrechts und die sogenannten wohlerworbenen Rechte des öffent-
lichen Rechts318. Träger der Eigentumsgarantie sind grundsätzlich alle
Menschen, die juristischen Personen des Privatrechts sowie Gemein-
wesen, wenn sie ausnahmsweise wie Private betroffen sind319. Die
Eigentumsgarantie basiert auf drei Säulen: 1) Der Institutsgarantie
(Schutz des Privateigentums als fundamentale Einrichtung der
schweizerischen Rechtsordnung); 2) der Bestandesgarantie (Schutz
des konkreten Vermögensbestandes gegenüber Eingriffen des Staates)
312 Vgl. aus staatsrechtlicher Sicht z.B. KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 146 ff.
313 Unten, S. 185 f.
314 Unten, S. 180 ff. Vgl. auch aus staatsrechtlicher Sicht v.a. KÄLIN/KIENER, Grundrech-
te, S. 51 ff.
315 Vgl. HÄFELIN/HALLER, Bundesstaatsrecht, S. 175. Vgl. zum Folgenden auch KÄ-
LIN/KIENER, Grundrechte, S. 282 ff.
316 Vgl. RIVA/MÜLLER-TSCHUDI, Eigentumsgarantie, S. 765.
317 Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 497.
318 Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 500 ff..
319 Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 504 f.

78
Materielle Schranken

sowie 3) der Vermögenswertgarantie (volle Entschädigung bei formel-


len oder materiellen Enteignungen) 320.
Wie verhält sich nun die Eigentumsfreiheit mit wirtschaftlichen, na-
mentlich finanziellen Sanktionen in der Form der Sperrung von Gel-
dern? Zunächst werden durch solche Massnahmen diejenigen Institu-
tionen betroffen, bei welchen Gelder von Sanktionsadressaten depo-
niert sind. Für diese Institutionen stellen jedoch diese Gelder in Kon-
tos oder Depots üblicherweise Passiven dar, nämlich Forderungen des
Adressaten. Sie sind daher nicht in ihren Vermögensrechten betroffen.
Über ihre eigenen Aktiven können sie weiterhin nach Belieben verfü-
gen, mit Ausnahme der Überlassung an den Berechtigten321. Tangiert
ist aber der Sanktionsadressat, der nicht mehr über seine Forderung
verfügen kann. Das Bundesgericht hat explizit statuiert, dass eine Ver-
ordnung, die dem Adressaten "seine gesamten Gelder und wirtschaft-
lichen Ressourcen in der Schweiz (…) sperrt, (…) unmittelbar in ver-
mögenswerte Rechte ein[greift]"322. Fraglich ist einzig der Fall, bei
dem ein Staat direkt an den Vermögenswerten berechtigt ist. Ungeach-
tet der Regeln über die Staatenimmunität323 scheint die Grundrechts-
trägerschaft äusserst fraglich324.

ii) Wirtschaftsfreiheit

Die in Art 27 BV gewährleistete Wirtschaftsfreiheit garantiert einer-


seits die uneingeschränkte, freie Wahl des Berufes und anderseits die
freie Ausübung einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit325. Mit
320 Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 505 ff.
321Das entspricht strikte betrachtet zwar auch einer Einschränkung der Verfügungsfrei-
heit. Doch fliesst eine solche genau betrachtet nicht aus der hier untersuchten Sperrung
von Geldern (diese gehören ja dem Adressaten), sondern aus dem damit zumeist verbun-
denen Verbot der Überlassung weiterer Mittel.
322 BGE 133 II 450 E. 2.2.
323 Dazu unten, S. 222 ff.
324 Zur Problematik der Grundrechtsträgerschaft allgemein siehe im 3. Teil unten, S. 180
f.
325 Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 529 ff. Vgl. zum Folgenden allgemein auch KÄ-
LIN/KIENER, Grundrechte, S. 300 ff.

79
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

der Wirtschaftsfreiheit eng verknüpft ist der aus dem Privatrecht


stammende Grundsatz der Vertragsfreiheit. Danach steht es jedermann
zu, in der privatwirtschaftlichen Tätigkeit den Vertragspartner frei zu
wählen und den Inhalt des Vertrages frei von staatlichem Zwang aus-
zuhandeln326. Das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit setzt gleichzeitig
auch die Anerkennung der Eigentumsfreiheit voraus; privatwirtschaft-
liche Tätigkeit besteht insbesondere auch in der Veräusserung oder im
Erwerb von Privateigentum327.
Der Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit ist zudem in Art. 94 verankert;
in Abs. 4 ist festgehalten, dass Abweichungen von diesem Grundsatz,
insbesondere auch Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb rich-
ten, nur unter bestimmten Umständen zulässig sind. Es wird deshalb
zwischen grundsatzkonformen und grundsatzwidrigen Massnahmen
unterschieden; grundsatzkonform sind staatliche Regelungen und
Massnahmen, die den Wettbewerb nicht verzerren, grundsatzwidrige
Massnahmen behindern den freien Wettbewerb328.
Träger der Wirtschaftsfreiheit329 sind grundsätzlich nur Schweizer
Bürger sowie inländische juristische Personen des Privatrechts. Unter
Umständen sind auch Ausländer Grundrechtsträger. Ob jedoch auch
ausländische juristische Personen von Art. 27 BV geschützt sind, ist
unklar. Jedenfalls können sich Gemeinwesen (und damit auch fremde
Staaten) prinzipiell nicht darauf berufen330.
Die Sperrung von Geldern als Finanzsanktion kann die Wirtschafts-
freiheit nach Art. 27 BV tangieren. Die Lage stellt sich jedoch anders
als bei der Eigentumsfreiheit. Hier wird nämlich der direkt betroffene
Finanzdienstleister (z.B. eine Bank) selber in seinen Grundrechten
betroffen, in dem er in seinen wirtschaftlichen Beziehungen mit dem

326 Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 541 f.


327 Vgl. HÄFELIN/HALLER, Bundesstaatsrecht, S. 185.
328 Vgl. HÄFELIN/HALLER, Bundesstaatsrecht, S. 191; VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 547
ff.
329 Vgl. zum Folgenden Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 542 ff.
330 Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 545.

80
Materielle Schranken

Sanktionsadressaten inhaltlich eingeschränkt wird331. Angesichts der


Internationalität von Sanktionen ist damit zumeist die Aussenwirt-
schaftsfreiheit betroffen332. Auch das Bundesgericht geht davon aus,
dass die Sperrung von Geldern, zumindest kombiniert mit dem Verbot,
Überweisungen vorzunehmen, die Erwerbstätigkeit des Sanktionsad-
ressaten beeinträchtigt333. Für die Grundrechtsträgerschaft von Staaten
gilt das zur Eigentumsfreiheit334 Gesagte.

iii) Einschränkungen von Freiheitsrechten

Die soeben dargestellten Freiheitsrechte gelten jedoch, auch soweit


ihre Anwendbarkeit bejaht wird, nicht absolut. Vielmehr dürfen sie
gemäss Art. 36 BV eingeschränkt werden, jedoch nur, wenn vier Vor-
aussetzungen erfüllt sind335: 1) Das Vorliegen einer gesetzlichen
Grundlage und 2) eines öffentliche Interesses, 3) die Wahrung der
Verhältnismässigkeit und 4) des Kerngehaltes.
Eine genügende gesetzliche Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV) liegt in
einer genügend bestimmten, generell-abstrakten Norm, deren wich-
tigsten Bestimmungen sich zudem in einem Gesetz im formellen Sin-
ne finden müssen336. Für Sanktionen findet sich eine solche Grundlage
in den bundesrätlichen Verordnungen337, die ihrerseits auf dem (for-

331 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1449: "Embargomassnahmen können mit der

durch Artikel 27 BV geschützten Wirtschaftsfreiheit in Konflikt geraten. Beschränkun-


gen des Handels- und Finanzverkehrs mit dem Ausland berühren die wirtschaftlichen
Erwerbs- und Entfaltungsmöglichkeiten von Unternehmen, deren Geschäftsbeziehungen
von Embargomassnahmen erfasst werden".
332 Siehe dazu VALLENDER/HETTICH /LEHNE, Wirtschaftsfreiheit, S. 505 und 520, die

explizit festhalten, dass Sanktionen die Aussenwirtschaftsfreiheit tangieren können.


333BGE 133 II 450 E. 2.2. Analog der Überlegungen in Fn 321 wäre es jedoch interes-
sant zu wissen, ob das Bundesgericht auch die alleinige Sperrung von Geldern bereits als
Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit betrachten würde.
334 Oben, S. 78 ff.
335 Vgl. zum Ganzen z.B. SCHWEIZER, Art. 36 BV, S. 727 ff; KÄLIN/KIENER, Grundrech-
te, S. 75 ff.
336 Vgl. SCHWEIZER, Art. 36 BV, S. 733 ff; KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 85 ff.
337Dies ungeachtet des auch individuell-konkreten Charakters der Aufnahme und Strei-
chung einzelner Individuen in den Anhängen, vgl. dazu unten, Fn 361.

81
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

mell-gesetzlichen)338 Embargogesetz bzw. direkt auf der Ausnahmebe-


stimmung von Art. 184 Abs. 3 BV beruhen.
Ein öffentliches Interesse (Art. 36 Abs. 2 BV)339 liegt beispielsweise
dann vor, wenn international breit abgestützte Handelssanktionen mit-
getragen340 oder auch wenn die übrigen aussenpolitischen Ziele ge-
mäss Bundesverfassung verfolgt werden341.
Das Prinzip der Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV)342 besagt
sodann, dass ein Eingriff in ein Freiheitsrecht geeignet sein muss, sein
Ziel zu erreichen (Eignung), dass er nicht weiter gehen darf, als es das
öffentliche Interesse erfordert (Erforderlichkeit) und dass die Schwere
eines Eingriffes in einem gewissen Verhältnis zum angestrebten
Zweck stehen muss (Verhältnismässigkeit i.e.S.)343.
Zur Eignung führt der Bundesrat aus, „dass die in Frage kommenden
internationalen Sanktionen nur dann für das Erreichen des Sanktions-
ziels wirksam sind, wenn sie von allen Staaten möglichst integral mit-
getragen bzw. umgesetzt werden“344. Die Eignung wäre damit u.a.
gemäss dem jeweiligen Verhalten der internationalen Gemeinschaft
beurteilen. Auch allgemein sind hier Vorbehalte anzubringen, denn die
tatsächliche Wirksamkeit von Sanktionen ist Gegenstand jahrzehn-
telanger Debatten345. Die Möglichkeit, dass Sanktionen zumindest

338Der Erlass des Embargogesetzes selber ist v.a. zurückzuführen auf die Notwendigkeit
einer formell-gesetzlichen Grundlage für Straf- und Datenschutzbestimmungen, vgl.
BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1436. Interessanterweise wurde für die eigentlichen
Sanktionsmassnahmen selber keine solche Notwendigkeit festgestellt. Ausserdem erfül-
len selbständige Verordnungen (also solche, die sich direkt auf die Bundesverfassung
stützen, namentlich auf Art. 184 Abs. 3) per se das Erfordernis des formellen Rechtsatzes
(vgl. BGE 132 I 229 E. 10 und dazu KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 90 f.).
339 Dazu allgemein KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 99 ff.
340Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1449: "Das Mittragen international breit abge-
stützter Handelssanktionen entspricht zweifellos den öffentlichen Interessen".
341 Dazu oben, S. 74 f.
342
Dazu allgemein KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 102 ff.
343Vgl. statt vieler HÄFELIN/HALLER, Bundesstaatsrecht, S. 99; SCHWEIZER, Art. 36 BV,
S. 738 ff.
344 BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1449.
345Vgl. zur Diskussion z.B. OZMAēCZYK, United Nations, S. 2001. sowie die Hinweise
auf die einschlägige Literatur bei MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 256. DICKE, Inter-

82
Materielle Schranken

teilweise wirken ist aber genügend akzeptiert346, um Sanktionen zu-


mindest mögliche Eignung zuzusprechen. Das gilt umsomehr für das
zunehmend verwendete Instrument der gezielten Finanzsanktion.
Sofern Sanktionen zur Erreichung ihrer Ziele grundsätzlich als geeig-
net betrachtet werden, erhalten Finanzsanktionen unter dem Gesichts-
punkt der Erforderlichkeit eine besonders günstige Beurteilung. Insbe-
sondere in Kombination mit Ausnahmeklauseln für Notfälle (vgl. z.B.
Art. 2 Abs. 2 EmbG) stellen sie eines der gezieltesten und mildest
denkbaren Mittel dar, um für die Einhaltung des Völkerrechts relevan-
te Stellen gleichsam empfindlich zu treffen. Entscheidend bleibt je-
doch, dass Gelder nur solange und soweit gesperrt werden, als dies
dem Sanktionszweck noch dienen kann.
Was die Verhältnismässigkeit im engeren Sinne anbelangt, sind gene-
relle Aussagen schwierig. Ob das (an sich relativ milde) Mittel der
Sperrung von Geldern in einem Missverhältnis zum angestrebten Ziel
steht, ist im Einzelfalle insbesondere nach der Art der inkriminierten
Völkerrechtsverletzung, der Relevanz des Sanktionsadressaten für die
Beseitigung sowie dem gesamten Sanktionsmix zu beurteilen.
Die Respektierung des Kerngehaltes (Art. 36 Abs. 4 BV) schliesslich
heisst, dass ein Freiheitsrecht in seinem Wesenskern absolut geschützt
ist und dass es weder völlig unterdrückt noch seines Gehalts als fun-
damentale Institution der Rechtsordnung entleert werden darf347. Für
die Eigentumsgarantie bedeutet dies, dass das Institut des Privateigen-
tums nicht abgeschafft werden darf; für die Wirtschaftsfreiheit insbe-

vention, S. 151, hält (jedoch noch 1978) für Wirtschaftssanktionen generell ernüchtert
fest: "Von der Kontinentalsperre Napoleons bis zum arabischen Ölboykott scheint (...)
niemand durch wirtschaftliche Massnahmen zu etwas gezwungen worden zu sein. Die
Geschichte des Embargos stellt die Geschichte von mehr oder minder spektakulären
Misserfolgen dar". Ähnlich RESS, Handelsembargo, S. 19 (im Jahre 2000): "Die bisheri-
ge Embargopraxis hat jedoch gezeigt, dass es faktisch nahezu unmöglich ist, einen Staat
durch wirtschaftliche Zwangsmassnahmen derart unter Druck zu setzen, dass dieser seine
souveränen Rechte anderen Staaten unterordnet". Es ist jedoch fraglich, wie weit die
kausale Wirkung von Sanktionen überhaupt gemessen werden kann.
346Für diese Einschätzung kann man sich neben einem Teil der Literatur v.a. auf die
einschlägige Praxis der internationalen Gemeinschaft stützen, dazu unten, S.88 ff.
347 Vgl. HÄFELIN/HALLER, Bundesstaatsrecht, S. 101; SCHWEIZER, Art. 36 BV, S. 740 f.

83
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

sondere, dass keine Planwirtschaft eingeführt werden kann348. Durch


Finanzsanktionen bleiben diese Kerngehalte unangetastet.

iv) Verfahrensgarantien

Die in Art. 29 f. BV enthaltenen Verfahrensgarantien umfassen allge-


meine Verfahrensgarantien (Art. 29) sowie eine Rechtsweggarantie
(Art. 29a). Sie garantieren einen Minimalstandard an Rechtstaatlich-
keit; dem Rechtsuchenden wird der Zugang zur Justiz ermöglicht und
ein fairer, unabhängiger und innert nützlicher Frist zu Stande gekom-
mener Entscheid in Aussicht gestellt349.
Träger dieser Rechte sind grundsätzlich alle Rechtssubjekte, jedoch
mit Ausnahme öffentlich-rechtlicher juristischer Personen, sofern sie
nicht wie Private betroffen sind350.
Die allgemeinen Verfahrensgarantien umfassen das Verbot der
Rechtsverweigerung und des überspitzten Formalismus, den Anspruch
auf gleiche und gerechte Behandlung vor Gerichts- und Verwaltungs-
instanzen, den Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist
und insbesondere den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2
BV)351.
Das rechtliche Gehör352 ist eine fundamentale Garantie für ein rechts-
staatliches Verfahren; es ist „der Anspruch einer Partei, in einem Ge-
richts- oder Verwaltungsverfahren mit ihrem Begehren angehört zu
werden, Einblick in die Akten zu erhalten und zu den für die Ent-
scheidung wesentlichen Punkten Stellung nehmen zu können“353.
348 Vgl. VALLENDER, Art. 26-27 BV, S. 558 ff; KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 295 f.
349Vgl. KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 411 ff.; HÄFELIN/HALLER, Bundesstaatsrecht, S.
237 f.; STEINMANN, Art. 29 BV, S. 576 ff.; KLEY, Art. 29a BV, S. 602 ff. Zu den Inhalten
der Verfahrensgarantien nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK, welche sich weitestgehend mit den-
jenigen der Bundesverfassung decken, siehe unten, S. 187 ff.
350 Vgl. STEINMANN, Art. 29 BV, S. 581; zur Grundrechtsträgerschaft allgemein siehe

unten, S. 180 ff.


351 Vgl. STEINMANN, Art. 29 BV, S. 590 ff; KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 412 ff.
352 Vgl. hierzu KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 418 ff.
353 HÄFELIN/HALLER, Bundesstaatsrecht, S. 240.

84
Materielle Schranken

„Cette garantie (...) traduit aussi le droit, indissociable de la personna-


lité, de participer à une prise de décision“354.
Zu den Verfahrensgarantien gehört schliesslich die Rechtsweggarantie
(Art. 29a BV); danach hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten grund-
sätzlich einen Anspruch auf "Beurteilung durch eine richterliche Be-
hörde", die über umfassende Prüfungsbefugnis verfügt355. Dieser
Rechtsschutz kann jedoch gemäss Art. 29a "durch Gesetz (…) in Aus-
nahmefällen" ausgeschlossen werden356.
Die in Art. 29 f. BV enthaltenen Verfahrensgarantien können durch
Sanktionen tangiert werden. Was das rechtliche Gehör gemäss Art. 29
Abs. 2 BV betrifft, würde die Sperrung von Geldern durch vorgängige
Anhörung wohl stets vereitelt357. Jedoch ist die Vereitelungsgefahr
generell als Ausnahmetatbestand des rechtlichen Gehörs anerkannt358,
weshalb überraschende Massnahmen gerechtfertigt sind359. Schwerer
wiegt, dass das betroffene Individuum im Falle von UNO-Sanktionen
auch nachträglich kaum Möglichkeiten erhält, am Verfahren teilzu-
nehmen. In diesem Sinne wird das rechtliche Gehör häufig verletzt360.

354 HOTTELIER, Verfassungsrecht, S. 812.


355Vgl. KLEY, Art. 29a BV, S. 609; KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 433 ff. Zur umfas-
senden Prüfungsbefugnis gehört zwar nicht zwingend die Prüfung der Angemessenheit,
jedoch zumindest eine umfassende Prüfung der Rechts- und Sachverhaltsfragen (vgl.
KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 434).
356 Vgl. KLEY, Art. 29a BV, S. 602 ff. Diese Möglichkeit des Gesetzgebers ist zwar nicht

beliebig, sondern v.a. für stark politische Akte reserviert (vgl. KÄLIN/KIENER, Grund-
rechte, S. 436). Internationale Sanktionen könnten hierzu gezählt werden; faktisch ist der
effektive Rechtschutz in diesen Fällen auch eingeschränkt, dazu sogleich.
357Daher werden auch im Rahmen der UNO "Sanktionen vom Sicherheitsrat beschlos-
sen, ohne dass Einzelne die Möglichkeit hätten, sich vorgängig oder nachgängig dazu zu
äussern", BGE 133 II 450 E. 7.4.
358 Vgl. HOTTELIER, Verfassungsrecht, S. 812; KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 421.
359Des Weiteren gilt der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht beim Erlass von generell-
abstrakten Normen, wie für bundesrätliche Sanktionsverordnungen argumentiert werden
könnte. Jedoch wäre damit dem parallelen indivuell-konkreten Charakter nicht Rechnung
getragen, vgl. sogleich, Fn 361.
360
Vgl. zu dieser Problematik oben, Fn 453 und die dort zitierte, reichhaltige Literatur.
Vgl. auch insbesondere auch BGE 133 II 450 E. 7-8.

85
Finanzsanktionen im Schweizer Staatsrecht

Regelmässig betroffen ist auch der Anspruch auf effektiven Rechts-


schutz gemäss Art. 29a BV. Zunächst werden Sanktionen in der Form
von Bundesratsverordnungen erlassen und als solche kein zulässiges
Objekt für eine direkte rechtliche Anfechtung (vgl. Art. 82 und Art.
113 BGG). Doch sogar wenn eine anfechtbare Verfügung vorliegt
bzw. angenommen wird361, ist der Rechtsschutz bescheiden. Vor Bun-
desverwaltungsgericht wie vor Bundesgericht besteht ein Rechtsmittel
auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten nur, sofern das Völ-
kerrecht darauf einen Anspruch einräumt (Art. 32 Abs. 1 lit. a VGG
und Art. 83 lit. a BGG). Die trifft immerhin soweit zu, als die Sper-
rung von Geldern als Fall von Art. 6 Ziff. 1 EMRK betrachtet wird362.
Ergänzend besteht ausserdem die Möglichkeit der subsidiären Verfas-
sungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG. Entscheidend ist aber, dass
die materielle Überprüfung der Sanktion massiv eingeschränkt ist,
wenn sie eine UNO-Sanktion umsetzt363. Das Bundesgericht räumt
ein, dass in dieser Situation keine effektive Beschwerdemöglichkeit
besteht. Auch die zwischenzeitlich eingeführten "Delisting"-Verfahren
weisen nach Ansicht des Bundesgerichts „noch gewichtige Mängel
aus Sicht der Grundrechte“ auf364.

361In BGE 133 II 450 liess das Bundesgericht diese Möglichkeit wie folgt zu. Der Be-
schwerdeführer hatte vom Bundesrat verlangt, aus dem Anhang einer Sanktionsverord-
nung gestrichen zu werden. Formell war dies, wie es auch das Bundesgericht festhielt,
ein Antrag auf Abänderung einer bundesrätlichen Verordnung. Das SECO wies dieses
Gesuch ab. Das Bundesgericht, wie zuvor das EVD, betrachtete nun zwar nicht direkt
diese Abweisung als Verfügung, jedoch bereits die Aufnahme in bzw. Nichtstreichung
aus der Verordnung, da sich diese individuell-konkret auswirke (BGE 133 II 450 E. 2.1.).
Vgl. dazu aber BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1455, wo noch (in formalerer Betrach-
tung) festgehalten ist, es handle sich bei den Zwangsmassnahmen nach EmbG nicht "um
Verfügungen im Einzelfall (…), sondern um generell-abstrakte Normen".
362 Zur bejahenden Antwort siehe die Ausführungen zu Art. 6 EMRK, unten, S. 188 ff.
363Dazu unten, S. 126 ff. (zur Überprüfbarkeit von UNO-Sanktionen) und S. 191 ff. (zu
Art. 6 Ziff. 1 EMRK).
364 BGE 133 II 450 E. 7.4., 8.2.

86
Materielle Schranken

C. Fazit

Aus den vorangehenden Ausführungen zu materiellen staatsrechtli-


chen Schranken für Finanzsanktionen ergibt sich zusammenfassend
zweierlei:
Zum einen ergibt sich, dass die später zu untersuchenden völkerrecht-
lichen Normen auch aus staatsrechtlicher Sicht relevant sind, da sie im
Monismus ohne Weiteres auch innerstaatlich gelten und zudem hierar-
chisch beinahe ausnahmslos dem Landesrecht vorgehen.
Zum andern halten Finanzsanktionen grundsätzlich dem Test ver-
schiedener landesrechtlicher Massstäbe stand, so namentlich den Ziel-
vorgaben der Schweizer Aussenpolitik und (je nach Ausgestaltung des
Einzelfalles) auch den Anforderungen an die Einschränkung allenfalls
betroffener Grundrechte wie der Eigentums- und der Wirtschaftsfrei-
heit. Am problematischsten erscheint die Einhaltung von Verfahrens-
garantien, insbesondere im Kontext von UNO-Sanktionen. Darauf
wird noch detaillierter eingegangen.

87
II. Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis365

Die Schweiz hat sich nie an militärischen Sanktionen, aber seit jeher
an den nicht-militärischen Sanktionen von Völkerbund und den Ver-
einten Nationen sowie der EU beteiligt, allerdings unter sehr unter-
schiedlichen rechtlichen und politischen Voraussetzungen366. Im Zent-
rum der schweizerischen Sanktionspolitik standen und stehen wirt-
schaftliche Sanktionen. Die entsprechende Praxis der Schweiz war
geprägt durch verschiedene politische Kurswechsel, so 1938 mit dem
Wechsel von der „differenziellen“ zur „umfassenden“ Neutralität,
1990 mit der Aufgabe der Doktrin der Unvereinbarkeit der Neutralität
mit der Teilnahme an internationalen Sanktionen, 1996 mit dem Erlass
des Kriegsmaterialgesetzes und des Güterkontrollgesetzes und 2002
mit dem Erlass des Embargogesetzes sowie im selben Jahr mit dem
Beitritt zur UNO.
Im Folgenden wird zunächst die Geschichte der allgemeinen Schwei-
zer Sanktionspraxis anhand der konkreten Sanktionen von 1934 bis in
die Gegenwart dargestellt367 und der Aufbau einer typischen Sankti-
onsverordnung erläutert368. Danach wird die Praxis bezüglich Finanz-
sanktionen im Speziellen dargestellt369.

365 Zu den Sanktionen der Schweiz, namentlich den wirtschaftlichen und finanziellen,
siehe THÜRER, Switzerland, S. 63 ff.; KRAFFT /THÜRER/STADELHOFER, Switzerland, S.
523 ff., 540 ff.; ZIEGLER, Droit international public, S. 187 f.; VOCK, Embargomassnah-
men, S. 222 ff.; GOETSCHEL/BERNATH/SCHWARZ, Aussenpolitik, S. 186 ff.; BUNDESRAT,
Botschaft EmbG,, S. 1435 ff.; GABRIEL, Wirtschaftssanktionen, S. 919 ff.; OESCH,
Rechtsschutz, S. 301 ff.; ZAMBELLI, Sanzioni ONU, S. 599 ff.
366 Zum Ganzen ausführlicher sogleich unten, S.88 ff.
367Die einzelnen Schweizer Finanzsanktionen werden dabei anhand des Erlasses der
bundesrätlichen Verordnung zitiert. Die regelmässigen Anpassungen (zumeist durch das
SECO betreffs Ausdehnung oder Einschränkung individueller Adressaten und Güter)
werden nicht berücksichtigt.
368Nachfolgend, S. 89 ff. Hierfür wird ausnahmsweise nicht konsequent der Sanktions-
begriff dieser Arbeit verwendet; vielmehr sollen alle Massnahmen aufgezählt werden,
welche in den einschlägigen Darstellungen der "Sanktions"-Praxis von UNO, EU und
Schweiz üblicherweise erfasst sind. Somit werden nachfolgend auch Massnahmen aufge-
führt, die z.B. deshalb nicht unter den Sanktionsbegriff dieser Arbeit fallen, weil sie sich

88
Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

Vorauszuschicken ist, dass gemäss der nachfolgenden Aufstellung die


Schweiz bislang - mit Ausnahme der frühen Massnahmen gegen Süd-
afrika - keine rein unilateralen Sanktionen ergriffen hat, d.h. ohne ein
Mindestmass an Koordination mit andern Staaten oder internationalen
Organisationen370. Dies wäre aber gestützt auf die erwähnten verfas-
sungsunmittelbaren Kompetenzen (nicht aber gestützt auf das Embar-
gogesetz) u.U. durchaus zulässig.

1. Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

A. Teilnahme an Völkerbund-Sanktionen
(1934 bis 1938)

Nach dem ersten Weltkrieg bis zur Rückkehr zur "integralen Neutrali-
tät" 1938 folgte die Schweiz dem Prinzip der „differenziellen Neutra-
lität“, die es einem neutralen Land erlaubt, an Wirtschaftssanktionen,
nicht aber an militärischen Zwangsmassnahmen teilzunehmen371. Da-
bei beteiligte sich die Schweiz im Einklang mit Beschlüssen des Völ-
kerbundes am Waffenembargo gegenüber Bolivien und Paraguay
(1934) sowie am Embargo gegenüber Italien (1935)372.

einzig gegen ehemalige Machthaber (z.B. Jugoslawien, Irak) oder Rebellen (z.B. Angola)
richten; vgl. dazu oben, S. 24 ff.
369 Unten, S. 104 ff.
370 Hierbei unterscheidet sich die Schweiz z.B. von den USA, welche regelmässig zu
unilateralen Sanktionen greifen. Aktuelle Beispiele sind z.B. nebst den Sanktionen gegen
Kuba (vgl. Fn 659) diejenigen gegen Syrien (vgl. NZZ vom 23./24. Februar 2008, S. 7)
oder die einseitige Verschärfung der Iran-Sanktionen (vgl. NZZ vom 10. Juli 2008, S. 2).
Auch die EU bedient sich „unilateraler“ Sanktionen; vgl. dazu die unten erwähnten Fälle
(S. 100 ff.) oder z.B. die Sanktionen gegen Simbabwe (vgl. NZZ vom 23. Juli 2008, S. 5)
bzw. die einseitige Verschärfung von Iran-Sanktionen (vgl. NZZ vom 9./10. August
2008, S. 2).
371 Vgl. THÜRER/BAUR, Art. 197 Ziff. 1 BV, S. 2901.
372Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 222; KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzer-
land, S. 525; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 16 ff.

89
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

B. Teilnahme an UNO-Sanktionen (1966 bis heute)

a) Teilnahme im Kalten Krieg (1966 bis 1990)

Mit der Rückkehr zur „umfassenden Neutralität“, von 1938 bis 1990,
galt der Grundsatz der Nichtbeteiligung an wirtschaftlichen Sanktio-
nen, was allerdings nicht mit einer Untätigkeit der Schweiz gleichzu-
setzen war. An beiden Wirtschaftssanktionen, welche die UNO bis
1990 ergriff, nahm die Schweiz indirekt teil.

i) Rhodesien (1966 bis 1979)373

Zu den Sanktionen der UNO gegenüber Rhodesien von 1966 (Waffen-


embargo, Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen) beschloss die Schweiz
1966 in autonomer Weise, Rhodesien nicht als Staat anzuerkennen,
jede Waffenausfuhr zu untersagen, das Handelsvolumen auf dem
„courant normal“ zu stabilisieren und die Guthaben der rhodesischen
Reservebank bei der Schweizerischen Nationalbank zu blockieren.
Drei Jahre später erklärte der Bundesrat, darauf zu achten, dass sich in
der Schweiz keine Möglichkeiten bieten, die Sanktionsmassnahmen
des Sicherheitsrates zu umgehen. 1977 verbot der Bundesrat Vermitt-
lungsgeschäfte, Finanzoperationen und Dreiecksgeschäfte374. 1979
hob sodann der Sicherheitsrat seine Sanktionen gegen Rhodesien auf.

ii) Südafrika (1963-1994)

1977 beschloss der UNO-Sicherheitsrat Sanktionen gegenüber Südaf-


rika375 (Rüstungsgüterembargo) und präzisierte sie 1986. Im Jahre

373
Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 223; KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzer-
land, S. 525; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 53 ff.
374 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 224; KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Swit-
zerland, S. 525; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 60 ff.
375 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 225f; vgl. auch die Antwort des BUNDESRATES
auf die Einfache Anfrage Hollenstein (EA 97.1031) vom 29. September 1997.

90
Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

1985 hatte er zudem verschiedene Wirtschaftssanktionen (in Form der


Empfehlung) verabschiedet. Der Bundesrat hatte bereits 1963 ein uni-
laterales Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial nach Südafrika erlassen; 60
von Südafrika bestellte Trainingsflugzeuge PC-7 fielen nicht darunter.
Nach einer Aufforderung des UNO-Sanktionskomitees, die Ausfuhr zu
verbieten, beschloss der Bundesrat 1993, der Herstellerfirma techni-
sche Auflagen zur Verunmöglichung einer nachträglichen Bewaffnung
zu machen und bewilligte alsdann die Ausfuhr. Bei den Wirtschafts-
sanktionen gegenüber Südafrika beteiligte sich die Schweiz nicht, weil
sie an deren Zweckmässigkeit zweifelte. 1994 hob der Sicherheitsrat
alle Massnahmen gegenüber Südafrika auf.

b) Teilnahme nach dem Kalten Krieg bis zum UNO-


Beitritt (1990-2002)

Die nach dem Ende des Kalten Krieges neu gewonnene Handlungs-
freiheit des UNO-Sicherheitsrats verhalf den in Kapitel VII der UNO-
Charta vorgesehenen Massnahmen zum eigentlichen Durchbruch:
Hatte die UNO zuvor während 45 Jahren, wie eben dargelegt, nur in
zwei Fällen verbindliche Sanktionen ergriffen, verhängte der Sicher-
heitsrat von 1990 bis Mitte 2006 in mehr als einem Dutzend Fällen
Wirtschaftssanktionen376.
Mit dem Ende des Kalten Krieges kam es auch in der Schweiz zu ei-
nem „fundamentalen politischen Kurswechsel“377. Die seit Jahrzehn-
ten vorherrschende Doktrin der Unvereinbarkeit der schweizerischen
Neutralität mit der Teilnahme an internationalen Sanktionen wurde
aufgegeben. Seit August 1990 hat die Schweiz bis zum UNO-Beitritt
im September 2002 sämtliche vom Sicherheitsrat erlassenen nicht-
militärischen Sanktionsbeschlüsse praktisch integral übernommen,
und zwar freiwillig und autonom (Politik des „autonomen Nachvoll-
zugs“)378: „The federal authorities always insisted that Switzerland
376 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 219.
377Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 227; KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Swit-
zerland, S. 526 ff.
378 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 220 f. und S. 227

91
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

was taking part in these measures on an autonomous and voluntary


basis (autonomer Nachvollzug) and that there was no legal obligation
arising from Charter law for the non-Member State Switzerland to
participate”379.

i) Irak (1990 bis heute)380

Dieser fundamentale politische Kurswechsel der Schweiz erfolgte im


Zusammenhang mit dem irakischen Überfall auf Kuwait vom 2. Au-
gust 1990 und den vom Sicherheitsrat am 6. August 1990 beschlosse-
nen Massnahmen in Form eines umfangreichen Handelsembargos
sowie von Finanzsanktionen gegenüber Irak und Kuwait. Der Bundes-
rat erliess einen Tag darauf die Verordnung über Wirtschaftsmassnah-
men gegenüber der Republik Irak und dem Staat Kuwait, mit welcher
die UNO-Sanktionen integral übernommen wurden. Der Handel mit
Irak und Kuwait wurde mit wenigen Ausnahmen untersagt; Zahlungen
und Darlehen an irakische und kuwaitische Personen im Zusammen-
hang mit Handelsgeschäften sowie sämtliche übrigen Finanztransakti-
onen wurden verboten. Nach verschiedenen Verordnungsänderungen
hob der Bundesrat 2003 die meisten eingeführten Zwangsmassnahmen
auf; die Blockierung von Geldern hingegen wurde ausgedehnt; auch
Gelder von hohen Amtsträgern wurden der Sperrung und Meldepflicht
unterstellt381.
Die oben erwähnte aussenpolitische Neuorientierung wurde vom
Bundesrat ein Jahr später in seinem Bericht zur Neutralität von
1994382 bestätigt; die Schweiz werde auch in Zukunft in autonomer
Weise an nicht-militärischen und insbesondere wirtschaftlichen Sank-
tionen der UNO teilnehmen und sei bereit, auch wirtschaftliche Sank-
tionen etwa der EU mitzutragen.

379 KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzerland, S. 525.


380Vgl. BUNDESRAT, Botschaft, S. 1439 f.; VOCK, Embargomassnahmen, S. 226 f. und S.
239 ff.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 64 ff.
381Verordnung vom 7. August 1990 über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Repu-
blik Irak (SR 946.206).
382 Vgl. BUNDESRAT, Neutralitätsbericht, S. 206.

92
Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

ii) Libyen (1992-2003)383

1992 verhängte der UNO-Sicherheitsrat Sanktionsmassnahmen ge-


genüber Libyen, nachdem die libysche Regierung nach Bombenatten-
taten auf Flugzeuge der Tat verdächtige Libyer nicht ausgeliefert hatte.
Der Bundesrat erliess die Verordnung über Massnahmen gegenüber
Libyen mit allen vom Sicherheitsrat beschlossenen wirtschaftlichen
Sanktionen (u.a. Ausfuhrverbot von Rüstungsgütern). In späteren Ver-
schärfungen wurden zusätzlich auch die Gelder und Vermögenswerte
der Regierung sowie der Behörden Libyens gesperrt. 1999 und 2003
wurden die Sanktionen der UNO sowie der Schweiz aufgehoben,
nachdem zwei mutmassliche Attentäter ausgeliefert und Entschädi-
gungszahlungen geleistet wurden.

iii) Bundesrepublik Jugoslawien (1992-1996) 384

1991 verhängte der UNO-Sicherheitsrat ein Waffenembargo gegen


sämtliche ehemalige Teilrepubliken Jugoslawiens, die sich zuvor mit
fortdauernden Kampfhandlungen für unabhängig erklärt hatten. Ge-
genüber der Bundesrepublik Jugoslawien wurden die Sanktionsmass-
nahmen später verschärft. Der Bundesrat erliess am 3. Juni 1992 die
Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Bundesrepu-
blik Jugoslawien, die ein umfassendes Handels- und Dienstleistungs-
embargo sowie ein Verbot sämtlicher Finanztransaktionen zugunsten
der jugoslawischen Behörden, Unternehmen und Privatpersonen ent-
hielt. Spätere Verschärfungen und räumliche Ausweitungen der Sank-
tionen durch den Sicherheitsrat übernahm der Bundesrat mit Verord-
nungsänderungen resp. einer neuen Verordnung über Wirtschafts-
massnahmen (Durchfuhrverbot für bestimmte Güter, Sperrung aller
Auslandguthaben der Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien so-
wie juristischer Personen). Die Sanktionsmassnahmen der Schweiz
wurden 1995 und 1996 aufgehoben.
383 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1440; VOCK, Embargomassnahmen, S. 245 f.;
BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 95 ff.
384 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1440; VOCK, Embargomassnahmen, S. 247 f.;
KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzerland, S. 528; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 73 ff.

93
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

iv) Haiti (1993-1994)385

Nach einem Armeeputsch gegen einen demokratisch gewählten Präsi-


denten und nach erfolglosen Bemühungen zur Bewältigung der Krise
verabschiedete der Sicherheitsrat am 16. Juni 1993 verschiedene
Sanktionsmassnahmen gegen Haiti (u.a. Lieferverbot für Rüstungsgü-
ter, Verkaufsverbot von Erdöl, Sperrung von Geldern der Regierung).
Ein Jahr später erliess der Sicherheitsrat zur Verschärfung ein umfas-
sendes Handelsembargo sowie u.a. eine Einreisesperre für verschiede-
ne Personen. Der Bundesrat verabschiedete am 30. Juni 1993 die Ver-
ordnung über Wirtschaftsmassnahmen gegen Haiti mit den gleichen
Sanktionsmassnahmen wie der Sicherheitsrat und passte sich auch
später seinen neuen Massnahmen an mit Ausnahme der Sperrung der
Gelder von Armee- und Polizeioffizieren. Mit der Rückkehr des de-
mokratisch gewählten Präsidenten nach Haiti wurden die Zwangs-
massnahmen 1994 aufgehoben.

v) Sierra Leone (1997 bis heute) 386

Gegenüber Sierra Leone erliess der UNO-Sicherheitsrat 1997 ein Teil-


embargo, weil die Militärregierung, die nach einem Putsch des demo-
kratisch gewählten Präsidenten an die Macht gekommen war, sich
weigerte, die verfassungsmässige Ordnung wieder herzustellen. Die
Schweiz verabschiedete die Verordnung über Massnahmen gegenüber
Sierra Leone mit den gleichen Wirtschaftsmassnahmen wie die UNO.
Nach der Rückkehr des Präsidenten lockerten Sicherheitsrat und Bun-
desrat die Sanktionen, erliessen aber beide 2000 ein Embargo für
Rohdiamanten mit Ursprung aus Sierra Leone, um damit Rebellen die
finanzielle Basis für Waffenkäufe zu entziehen. Das Embargo wurde
2003 aufgehoben; weiterhin in Kraft ist die Verordnung vom 9. No-

385Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1441; VOCK, Embargomassnahmen, S. 248 f.;


BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 113 ff.
386 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1441; VOCK, Embargomassnahmen, S. 250 f.;
BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 137 ff.

94
Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

vember 2004 mit einem Rüstungsgüterembargo sowie einem Ein- und


Durchreiseverbot für ausgewählte Personen387.

vi) Angola (UNITA) (1998-2002) 388

Infolge von Bürgerkriegen nach der Unabhängigkeit Angolas erliess


der UNO-Sicherheitsrat ab 1993 verschiedene, vor allem gegen eine
der Bürgerkriegsparteien, die UNITA, gerichtete Sanktionen (Embar-
go, Ein- und Durchreisesperren für Funktionäre der UNITA, Sperrung
der Gelder und anderer Vermögenswerte der UNITA, Einfuhrverbot
für Diamanten). Der Bundesrat erliess am 25. November 1998 die
Verordnung über Massnahmen gegenüber der UNITA, die sämtliche
Sanktionen des Sicherheitsrats umfasste. Sie wurde im Dezember
2002, nachdem die UNITA mit der Regierung Angolas einen Waffen-
stillstand geschlossen hatte, ausser Kraft gesetzt.

vii) Taliban / Al-Qaïda (2000 bis heute)389

1999 ergriff der UNO-Sicherheitsrat Sanktionsmassnahmen gegenüber


dem in Afghanistan herrschenden Taliban-Regime und erweitere sie
namentlich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ver-
schiedentlich (u.a. Luftverkehrsbeschränkungen, Finanzsanktionen,
Rüstungsgüterembargo). Der Bundesrat erliess am 2. Oktober 2000
die Verordnung über Massnahmen gegenüber Personen und Organisa-
tionen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung „Al-
Qaïda“ oder den Taliban390 und übernahm später alle UNO-
Ergänzungen, so namentlich die Verhängung von Finanzsanktionen,
387Verordnung vom 8. Dezember 1997 über Massnahmen gegenüber Sierra Leone (SR
946.209).
388Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1441; VOCK, Embargomassnahmen, S. 251 ff.;
BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 106 ff.
389Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1445; VOCK, Embargomassnahmen, S. 253 ff.;
BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 149 ff.
390Verordnung vom 2. Oktober 2000 über Massnahmen gegenüber Personen und Organi-
sationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung "Al-Qaïda" oder den
Taliban (SR 946.203).

95
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

eine Ein- und Durchreisesperre sowie ein Rüstungsgüterembargo ge-


genüber Usama bin Laden, den Mitgliedern der Organisation „Al-
Qaïda“ und den Taliban sowie sämtlichen mit ihnen verbundenen Per-
sonen.

viii) Liberia (2001 bis heute) 391

Weil die Regierung Liberias Rebellengruppen in den Nachbarländern


unterstützte, beschloss der UNO-Sicherheitsrat am 7. März 2001 ver-
schiedene Sanktionen (u.a. Rüstungsembargo, Einfuhrverbot für Roh-
diamanten aus Liberia, Reiserestriktionen). Der Bundesrat erliess am
27. Juni 2001 die Verordnung über Massnahmen gegenüber Liberia,
übernahm alle Sanktionsmassnahmen der UNO und mit verschiedenen
Revisionen auch alle späteren Veränderungen. Am 19. Januar 2005
verabschiedete er eine totalrevidierte neue Verordnung (mit ausge-
dehnten Finanzsanktionen), die heute noch in Kraft ist392.

ix) Aktueller Stand

Aus der Zeit von 1990 bis zum UNO-Beitritt der Schweiz 2002 sind
noch vier Sanktionen der Schweiz in Kraft, nämlich gegen Irak, Sierra
Leone, Liberia sowie gegenüber Personen und Organisationen mit
Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung „Al-Qaida“ oder
den Taliban.

c) Sanktionen seit dem UNO-Beitritt (2002 bis heute)

Seit September 2002 ist die Schweiz Mitglied der UNO393 und damit
verpflichtet, die nichtmilitärischen Sanktionen tel quel mitzutragen.

391 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 256 f.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 129 ff.
392Verordnung vom 19. Januar 2005 über Massnahmen gegenüber Liberia (SR
946.231.16).
393Vgl. hierzu THÜRER/BAUR, Art. 197 Ziff. 1 BV, S. 2903 ff. mit Hinweis auf den
beschränkten Gehalt des anlässlich des Beitritts angebrachten Neutralitätsvorbehaltes.

96
Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

Die seither ergangenen UNO-Sanktionen werden im Folgenden kurz


erörtert.

i) Côte d'Ivoire (2005 bis heute)394

Die Eskalation von Konflikten in Côte d’Ivoire veranlasste den UNO-


Sicherheitsrat am 15. November 2004, Sanktionen mit Rüstungsgüter-
embargo, Reisebeschränkungen und Sperrung von Geldern und Ver-
mögenswerten aller Art zu ergreifen. Der Bundesrat erliess am 19.
Januar 2005 die Verordnung über Massnahmen gegenüber Côte
d’Ivoire, die heute noch in Kraft ist395.

ii) Sudan (2005 bis heute) 396

Wegen des in Darfur ausgebrochenen Bürgerkrieges und der humani-


tären Krisensituation verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat am 30.
Juli 2004 gegenüber dem Sudan ein Rüstungsgüterembargo, Reisebe-
schränkungen und Finanzsanktionen. Am 25. Mai 2005 erliess der
Bundesrat die Verordnung über Massnahmen gegenüber Sudan. Die
Verordnung ist noch in Kraft397.

iii) Demokratische Republik Kongo (2005 bis heute) 398

Bewaffnete Konflikte und gravierende Menschenrechtsverletzungen


bewogen den UNO-Sicherheitsrat am 28. Juli 2003, gegenüber der
Demokratischen Republik Kongo ein Rüstungsgüterembargo, Reise-
beschränkungen und die Blockierung von Vermögenswerten zu ver-
hängen. Der Bundesrat erliess am 22. Juni 2005 die Verordnung über

394 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 259 f.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 170 ff.
395Verordnung vom 19. Januar 2005 über Massnahmen gegenüber Côte d'Ivoire (SR
946.231.13).
396 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 260 f.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 122 f.
397 Verordnung vom 25. Mai 2005 über Massnahmen gegenüber Sudan (SR 946.231.18).
398 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 261 f.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 145 ff.

97
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

Massnahmen gegenüber der demokratischen Republik Kongo. Die


Verordnung ist noch in Kraft399.

iv) Libanon / Syrien (2005 bis heute)

Durch einen Bombenanschlag in Beirut waren der frühere libanesische


Premierminister Rafik Hariri400 und 22 Personen ermordet worden.
Eine vom UNO-Sicherheitsrat eingesetzte Untersuchungskommission
stellte die Mitwirkung von libanesischen und syrischen Stellen am
Attentat fest; gegen sie wurden am 31. Oktober 2005 Reise- und Fi-
nanzsanktionen erhoben. Der Bundesrat erliess zu diesen Sanktionen
am 21. Dezember 2005 die Verordnung gegenüber bestimmten Perso-
nen in Zusammenhang mit dem Attentat auf Rafik Hariri. Eine Liste
von betroffenen Personen existiert noch nicht. Die Verordnung ist aber
immer noch in Kraft401.

v) Nordkorea (2006 bis heute) 402

Nach mutmasslichen Atomwaffentests Nordkoreas erliess der UNO-


Sicherheitsrat am 14. Oktober 2006 eine Reihe von Sanktionsmass-
nahmen, die der Bundesrat am 25. Oktober 2006 in der Verordnung
über Massnahmen gegenüber der demokratischen Volksrepublik Korea
vollumfänglich übernahm: Verbot der Lieferung und Beschaffung von
Rüstungsgütern und Massenvernichtungswaffen, Verbot der Lieferung
von Luxusgütern, Sperrung von Geldern und wirtschaftlichen Res-
sourcen, Einreise- und Durchreiseverbot. Die Verordnung ist noch in
Kraft403.

399
Verordnung vom 22. Juni 2005 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen
Republik Kongo (SR 946.231.12).
400 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 262 f.
401Verordnung vom 21. Dezember 2005 über Massnahmen gegenüber bestimmten Per-
sonen in Zusammenhang mit dem Attentat auf Rafik Hariri (SR 946.231.10).
402 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 263 f..
403
Verordnung vom 25. Oktober 2006 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen
Volksrepublik Korea (SR 946.231.127.6).

98
Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

vi) Libanon (2006 bis heute) 404

Feindseligkeiten zwischen der Hisbollah und Israel veranlassten den


UNO-Sicherheitsrat am 11. August 2006, gegenüber Libanon und ins-
besondere gegenüber bewaffneten Milizen ein umfassendes Rüstungs-
embargo samt Finanzsanktionen zu verhängen. Am 1. November 2006
erliess der Bundesrat die Verordnung über Massnahmen betreffend
Libanon, die noch in Kraft ist405.

vii) Iran (2007 bis heute)

Am 23. Dezember 2006 beschloss der UNO-Sicherheitsrat Zwangs-


massnahmen gegenüber Iran, und zwar mit der Begründung, dass auch
nach mehr als drei Jahren der Bemühungen seitens der Internationalen
Atomenergie-Organisation die Kenntnislücken über das Nuklearpro-
gramm Irans Anlass zu Besorgnis geben und die Möglichkeit besteht,
dass Iran über Kernmaterial verfügt. Der Bundesrat setzte die Sankti-
onen in der Verordnung vom 14. Februar 2007 über Massnahmen ge-
genüber der islamischen Republik Iran um. Dazu gehören Gütersank-
tionen (Verbot der Lieferung und der Beschaffung von Gütern im Be-
reich Kernwaffen und Trägersysteme), Dienstleistungssanktionen und
Finanzsanktionen. Am 23. April 2008 ist sie mit einem Beschaffungs-
verbot von Rüstungsgütern sowie mit Reisebeschränkungen für in
einem zusätzlichen Anhang aufgeführte Personen verschärft worden.
Die Verordnung ist noch in Kraft406.

viii) Aktueller Stand

Seit ihrem Beitritt zur UNO hat die Schweiz alle sieben nichtmilitäri-
schen Sanktionen mitgetragen, die allesamt noch in Kraft sind, näm-

404 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 263.


405Verordnung vom 1. November 2006 über Massnahmen gegenüber Libanon (SR
946.231.148.9).
406 Verordnung vom 14. Februar 2007 über Massnahmen gegenüber der Islamischen

Republik Iran (SR 946. 231.143.6).

99
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

lich gegen Côte d’Ivoire, den Sudan, Kongo, Libanon/Syrien, Nordko-


rea, Libanon und Iran.

C. Teilnahme an EU-Sanktionen (1998 bis heute)

In seinem Bericht über die Neutralität407 erklärte der Bundesrat 1993


seine grundsätzliche Bereitschaft, in Zukunft auch ausserhalb der
UNO an Wirtschaftssanktionen teilzunehmen. Ausdrücklich genannt
wurde die EU. Das Embargogesetz hat sodann 2003 die EU (nebst
anderen Handelspartnern) als Sanktionspartner in Art. 1 Abs. 1 expli-
zit verankert. Die entsprechenden Fälle werden im Folgenden kurz
dargestellt.

i) Bundesrepublik Jugoslawien
(Serbien und Montenegro) (1998 bis heute) 408

Die Gewaltanwendungen serbischer Streitkräfte in Kosovo veranlass-


ten die EU in der ersten Jahreshälfte 1998, gegenüber der Bundesre-
publik Jugoslawien (2003 in Serbien und Montenegro umbenannt)
verschiedene Sanktionen zu ergreifen (u.a. Waffenembargo, Liefer-
stopp für bestimmte Güter, Einreiseverbot für bestimmte Personen,
Einfrierung sämtlicher Auslandguthaben der Regierungen von Jugos-
lawien und Serbien). Der Bundesrat erliess am 1. Juli 1998 eine Ver-
ordnung über Massnahmen gegenüber der Bundesrepublik Jugosla-
wien, die er in der Folge verschiedentlich ergänzte und die sämtliche
EU-Sanktionsmassnahmen umfasste. Am 16. Juli 1999 wurde eine
neue Verordnung in Kraft gesetzt, die u.a. auch die Sperrung der Gel-
der von juristischen Personen sowie von rund 300 natürlichen Perso-

407 BUNDESRAT, Neutralitätsbericht, S. 206.


408 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1442; VOCK, Embargomassnahmen, S. 264 ff.

100
Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

nen beinhaltete409. Nach dem Wahlsieg der Opposition im Herbst 2000


haben EU und die Schweiz ihre Sanktionen sukzessive reduziert.

ii) Burma (2000 bis heute)410

In Burma hatte 1988 ein Militärregime nach einem Putsch die Macht
übernommen und später die Wahlergebnisse nicht anerkannt. Hinzu
kamen systematische Verletzungen der Menschenrechte, was die EU
1996 bewog, verschiedene Sanktionen zu ergreifen, die später mehr-
mals verschärft wurden. Der Bundesrat erliess am 2. Oktober 2000 in
Anlehnung an die EU-Sanktionen die Verordnung über Massnahmen
gegen Myanmar, die er immer wieder den Veränderungen der EU an-
passte und am 28. Juni 2006 einer Totalrevision unterzog. Die aktu-
ellste Verordnung stammt vom 3. August 2007411 und verbietet u.a. die
Lieferung von Rüstungsgütern und von Gütern zur internen Repressi-
on sowie die Gewährung von Dienstleistungen aller Art, sperrt die
Gelder und Vermögenswerte aller Art von rund 375 Personen und ver-
bietet ihnen die Ein- und Durchreise.

iii) Simbabwe (2002 bis heute) 412

Wahlmanipulationen, Menschenrechtsverletzungen und die Ein-


schüchterung und Unterdrückung politischer Gegner veranlassten die
EU, am 18. Februar 2002 Sanktionen gegenüber Simbabwe zu erlas-
sen (u.a. Reisebeschränkungen, Blockierung von Vermögenswerten,
Rüstungsgüterembargo). Der Bundesrat veröffentlichte am 19. März
2002 die Verordnung über Massnahmen gegenüber Simbabwe, die

409Verordnung vom 23. Juni 1999 über Massnahmen gegenüber bestimmten Personen
aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslavien (SR 946.207).
410 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1445; VOCK, Embargomassnahmen, S. 268 f.
411Verordnung vom 28. Juni 2006 über Massnahmen gegenüber Myanmar (SR
946.231.157.5).
412 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 270 f.

101
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

sich eng an die EU-Zwangsmassnahmen anlehnt und heute noch in


Kraft ist413.

iv) Usbekistan (2006 bis heute) 414

Nach einem Massaker des Militärs beschloss die EU am 14. Novem-


ber 2005 verschiedene Zwangsmassnahmen gegenüber Usbekistan
(u.a. Embargo für Rüstungs- und Repressionsgüter, Ein- und Durch-
reiseverbot). Mit der Verordnung über Massnahmen gegenüber Usbe-
kistan vom 18. Januar 2006 schloss sich der Bundesrat der EU an415.
Eigentliche Finanzsanktionen sind keine enthalten.

v) Belarus (2006 bis heute) 416

Weil bei den Präsidentschaftswahlen vom März 2006 demokratische


und rechtsstaatliche Prinzipien missachtet und schwerwiegend Men-
schenrechte verletzt wurden, fassten sowohl EU als auch die Schweiz
gegenüber Belarus Sanktionen, namentlich die Sperrung von Geldern
und anderen Vermögenswerten sowie Ein- und Durchreiseverbote für
Angehörige des weissrussischen Regimes. Die Verordnung über
Massnahmen gegenüber Belarus stammt vom 28. Juni 2006 und ist
immer noch in Kraft417.

413Verordnung vom 19. März 2002 über Massnahmen gegenüber Simbabwe (SR
946.209.2).
414 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 271.
415Verordnung vom 18. Januar 2006 über Massnahmen gegenüber Usbekistan (SR
946.231.17).
416 Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S. 272.
417Verordnung vom 28. Juni 2006 über Massnahmen gegenüber Belarus (SR
946.231.116.9).

102
Schweizer Sanktionspraxis im Allgemeinen

vi) Aktueller Stand

Die Schweiz hat sich bis anhin an fünf Sanktionen der EU beteiligt;
die alle noch in Kraft sind, nämlich gegen Jugoslawien, Burma, Sim-
babwe, Usbekistan und Belarus.

D. Struktur von Schweizer Sanktionen

Gesamthaft stehen heute somit 16 Sanktionsregimes der Schweiz in


Kraft. Alle gegenwärtig in Kraft stehenden Sanktionen der Schweiz
stützen sich auf das Embargogesetz und wurden vom Bundesrat in
Form von Verordnungen erlassen418.
Diese Verordnungen sind durchwegs ähnlich aufgebaut, enthalten
meist nur wenige Artikel und gehorchen zumeist folgendem Schema:
1) In den ersten Artikeln werden die Zwangsmassnahmen beschrieben,
also etwa die Handelssanktionen (Rüstungsgüterembargo, Repressi-
onsgüterembargo), die Reiserestriktionen (Ein- und Durchreiseverbot)
und separat die finanziellen Sanktionen unter dem Titel: "Sperrung
von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen". 2) In einem weiteren
Artikel werden die wichtigsten Begriffe definiert. 3) Dann folgen Re-
geln zu Meldepflichten, Vollzug und Kontrolle, sodann Strafbestim-
mungen und Schlussbestimmungen. 4) Schliesslich werden die von
der Sperrung von Geldern oder Vermögenswerten oder andern indivi-
duellen Massnahmen betroffenen Personen und Institutionen in den
Anhängen einzeln aufgeführt419.

418 Vgl. hierzu oben, S. 70 ff.


419Für Beispiele siehe die früheren Verweise auf aktuelle Schweizer Sanktionen, oben, S.
S. 89 ff.

103
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

2. Schweizer Finanzsanktions-Praxis

A. Bedeutung und Struktur von Schweizer


Finanzsanktionen

Aus der vorangehenden Darstellung der Schweizer Sanktionspraxis


geht420 hervor, dass die Mehrzahl der von der Schweiz erlassenen
Sanktionsregimes auch Finanzsanktionen enthielten bzw. enthalten.
Konkret sind zurzeit in der Schweiz 16 Sanktionsregimes in Kraft421,
wovon 13 (alle ausser die Massnahmen gegen Sierra Leone, Usbekis-
tan und Libanon) auch Finanzsanktionen enthalten.
Zu den Finanzsanktionen gehört in all diesen 13 Massnahmen auch
die Sperrung von Geldern422. Diese tritt stets im Verbund auf mit
komplementären Finanzsanktionen, nämlich der Sperrung wirtschaft-
licher Ressourcen (alle Vermögenswerte ausser Gelder)423 und umfas-
senden Kreditverboten424. Fast gleich häufig sind Rüstungsembargos
(Verbot der Lieferung, des Verkaufs, der Durchfuhr, der Vermittlung
von Rüstungsgütern und Rüstungsmaterial) oder Ein- und Durchreise-
verbote (Verbot der Einreise in die Schweiz oder der Durchreise durch
die Schweiz für in Anhängen aufgeführte Personen). Sehr selten sind
hingegen Kultur- oder Luxusgüterembargos zu finden.

420 Soeben, S. 89 ff.


421 Deraktuelle Stand findet sich auf der Website des SECO,
http://www.seco.admin.ch/themen/00513/00620/00622/index.html.
422Siehe zur Defintion der Sperrung und der Gelder nach Schweizer Praxis sogleich, S.
105 ff.
423Nach aktueller Schweizer Sanktionspraxis sind wirtschaftliche Ressourcen "Vermö-
genswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich
oder unbeweglich sind (…), mit Ausnahme von Geldern (…)" (Art. 3 lit. c der Iran-
Verordnung, vgl. dazu oben, S. 99.
424So lautet z.B. Art. 2 Abs. 1 der erwähnten Iran-Verordnung "Es ist verboten, den von
der Sperrung [B]etroffenen (…) Gelder zu überweisen oder Gelder und wirtschaftliche
Ressourcen sonswie direkt oder indirekt zur Verfügung zu stellen".

104
Schweizer Finanzsanktions-Praxis

Die eigentlichen Adressaten425 dieser Massnahmen sind grundsätzlich


Staaten bzw. Personen, die aufgrund ihres formellen oder faktischen
Einflusses als deren Agenten bezüglich der anvisierten Völkerrechts-
verletzung zu sehen sind. Wie dargestellt, sind aber immer mehr auch
Einzelpersonen oder Organisationen ohne direkten Einfluss auf das
völkerrechtliche Verhalten eines Völkerrechtssubjekts im Visier von
EU- oder UNO-Massnahmen. Dies schlägt sich bereits in den Titeln
der jeweiligen Schweizer Erlasse nieder426. Auch wenn diese Mass-
nahmen nicht durchgängig dem Sanktionsbegriff dieser Arbeit ent-
sprechen427, unterstreichen sie die Bedeutung finanzieller Zwangs-
massnahmen in den internationalen Beziehungen der Schweiz. Zudem
hat diese Differenz keinen Einfluss auf die faktische Ausgestaltung der
Finanzsanktionen. Die Massnahmen können daher gemeinsam unter-
sucht werden.

B. Struktur der Sperrung von Geldern

Nachfolgend werden nun die typischen Elemente einer Sperrung von


Geldern nach aktueller Schweizer Praxis dargestellt428.
Zur Illustration dient das Beispiel der jüngsten Sanktion der Schweiz:
Die Verordnung über Massnahmen gegenüber der Islamischen Repu-
blik Iran vom 14. Februar 2007, inhaltlich zuletzt verschärft am 24.

425 Diese sind zu unterscheiden von den durch die Massnahmen oftmals direkt verpflich-
teten Drittinhaber solcher Gelder (namentlich Banken), vgl. dazu MOSER, Private Ban-
king, S. 32 ff.
426z.B. "Verordnung über Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit
Verbindungen zu Usama bin Laden, der Gruppierung „Al-Qaida“ oder den Taliban“ (SR
946.203), „Verordnung über Massnahmen gegenüber bestimmten Personen aus der ehe-
maligen Bundesrepublik Jugoslawien“ (SR 946.207), „Verordnung über Massnahmen
gegenüber bestimmten Personen in Zusammenhang mit dem Attentat auf Rafik Hariri“
(SR 946.231.10)
427 Vgl. oben, S. 17.
428Zur Sperrung von Geldern als Finanzsanktion allgemein siehe oben, S. 54 f. und
insbesondere BURDEAU, Avoirs étrangers.

105
Finanzsanktionen in der Schweizer Praxis

April 2008429. Die Verordnung besteht aus sieben Artikeln und vier
Anhängen. Die einschlägigen Bestimmungen werden nachfolgend in
Klammern angeführt.
Ein Regime zur Sperrung von Geldern nach aktueller Schweizer Pra-
xis umfasst typischerweise folgende Elemente:
1) Zentrale Bestimmung ist die eigentliche Sperrung von Geldern.
Diese besteht zunächst aus der deskriptiv formulierten, aber normativ
gemeinten Aussage "Gelder (…) im Eigentum oder unter der Kontrol-
le von (…) sind gesperrt" (Art. 2 Abs. 1 im Beispiel). Damit ist letzt-
lich aber noch wenig über Rechte und Pflichten der Normadressaten
ausgesagt.
2) Eine Definition von Geldern und der Sperrung von Geldern ergänzt
die zentrale Norm (Art. 3 lit. a. und b. im Beispiel). Der weite Begriff
der Gelder umfasst üblicherweise neben Bargeld und Geldforderungen
auch alle andern Arten von Zahlungsmitteln, Vermögenserträgen, fi-
nanziellen Zusagen und sogar Passiven430. Die Sperrung bedeutet die
"Verhinderung jeder Handlung, welche die Verwaltung oder die Nut-
zung der Gelder ermöglicht (…)" (Art. 3 lit. b im Beispiel). Finanzin-
stitute dürfen immerhin die normale Verwaltung fortführen. Nach dem
Wortlaut sind damit nicht nur Finanzinstitute (v.a. die kontoführende
Bank) in der Pflicht, sondern jedermann.
3) Dazu kommt eine umfassende Meldepflicht ans SECO (Art. 5 im
Beispiel). Sie gilt nicht nur für alle Personen und Institutionen, welche
solche Gelder halten, sondern auch für diejenigen, die nur davon "wis-

429SR 946.231.143.6, zuletzt geändert am 23. April 2008; vgl. zu dieser Sanktion oben,
S. 99.
430Nach aktueller Schweizer Praxis (vgl. Art. 3 lit. a im Beispiel) sind Gelder (Nummern
und Hervorhebung hinzugefügt) "1) finanzielle Vermögenswerte, einschliesslich Bargeld,
(…), Geldforderungen, (…), Guthaben, Schulden, (…), Wertpapiere (…), Obligationen,
(…), Optionsscheine, Pfandbriefe, Derivate; 2) Zinserträge, Dividenden oder andere
Einkünfte oder Wertzuwächse aus Vermögenswerten; 3) Kredite, (…), Bürgschaften oder
andere finanzielle Zusagen; 4) Akkreditive, (…) und jedes andere Finanzierungsinstru-
ment für Exporte".

106
Schweizer Finanzsanktions-Praxis

sen". Diese Pflicht zur aktiven Meldung wird ergänzt durch die Aus-
kunfts- und Kontrollduldungspflicht gemäss Art. 3 f. EmbG431.
4) Es folgt die strafrechtliche Absicherung dieser Pflichten durch Art.
9 ff. EmbG. Die direkte Verletzung der Sperrung von Geldern wird als
Vergehen bestraft (Art. 9 EmbG); auch Fahrlässigkeit ist strafbar. Auf
schwere Fälle steht Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren und Busse bis zu
einer Million Franken. Die Verletzung der Kontroll- und Meldepflich-
ten ist als blosse Übertretung ausgestaltet (Art. 10 EmbG). Die Straf-
barkeit setzt grundsätzlich voraus, dass die jeweilige Zwangsmass-
nahmenverordnung die Strafe ausdrücklich vorsieht (vgl. Art. 6 im
Beispiel)432.
5) Auch eine Einziehung der Gelder zugunsten des Bundes ist mög-
lich, wenn ihre rechtmässige Weiterverwendung nicht sichergestellt ist
(Art. 13 EmbG).
6) Sodann werden die zuständigen Behörden zum Vollzug, zur Straf-
verfolgung und zur Einziehung geregelt, in der Regel das SECO (Art.
4 im Beispiel).
7) Schliesslich folgen Anhänge, welche persönlich betroffene Indivi-
duen und Institutionen auflisten (im Beispiel Anhänge 3 und 4).

431 Vgl. hierzu VOCK, Embargomassnahmen, S. 234 f.; KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER,

Switzerland, S. 560 f.
432 Vgl. auch VOCK, Embargomassnahmen, S. 236 f.; KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER,

Switzerland, S. 560 f.

107
III. Zusammenfassung des 2. Teils

Es sei noch einmal der Gegenstand der vorliegenden Arbeit in Erinne-


rung gerufen: Er besteht in Schweizer Finanzsanktionen (dargestellt
am Beispiel der Sperrung von Geldern), betrachtet aus Sicht des
Schweizer Staatsrechts und des Völkerrechts. Ziel ist die Beantwor-
tung der folgenden Frage: Wie sieht der staats- und völkerrechtliche
Rahmen der Schweiz aus für Sanktionen, d.h. für Zwangsmassnahmen
zur Durchsetzung des Völkerrechts, und zwar namentlich für Finanz-
sanktionen in Form der Sperrung von Geldern?
Im 1. Teil dieser Arbeit sind hierfür die Grundlagen geschaffen wor-
den, während der 2. Teil den staatsrechtlichen Rahmen und die Praxis
der Schweiz beleuchtet hat. Zentrale Themen in diesem 2. Teil waren
zunächst die staatsrechtlichen Fragen von Zuständigkeit, Verfahren
und materiell-rechtlicher Schranken beim Erlass von Finanzsanktio-
nen. Sodann wurde die vielfältige Sanktionspraxis der Schweiz in ei-
nem gerafften Überblick präsentiert.
In der Schweiz liegt die Zuständigkeit für aussenpolitische Massnah-
men im Allgemeinen und für Finanzsanktionen im Speziellen beim
Bund und insbesondere beim Bundesrat. Sanktionen werden in der
Form von bundesrätlichen Verordnungen erlassen. Diese Kompetenz
ist für die Durchsetzung international abgestützter Sanktionsmass-
nahmen im Embargogesetz geregelt. Daneben verfügt der Bundesrat
über die in Art. 184 Abs. 3 BV enthaltene Kompetenz, auch autonom
Massnahmen zur Wahrung der Interessen des Landes zu erlassen. In-
nerhalb der Bundesverwaltung liegen Zuständigkeit und Verantwor-
tung für Sanktionen v.a. beim EVD, namentlich dem SECO. Das EVD
kann insbesondere die Anhänge (zumeist Listen individueller Sankti-
onsadressaten) der bundesrätlichen Verordnungen nachführen.
Bei den materiellen Schranken, d.h. bei den rechtlichen Inhaltsvorga-
ben beim Erlass von Sanktionen, ist zwischen dem Einfluss des Völ-
kerrechts auf die staatsrechtliche Ordnung und genuin staatsrechtli-
chen Schranken zu unterscheiden. Zu ersterem ist zunächst zu sagen,
dass die Schweiz dem System des Monismus folgt und damit völker-
108
rechtliche Normen unmittelbar auch innerstaatlich gelten. Sodann geht
das Völkerrecht auch hierarchisch beinahe ausnahmslos dem Landes-
recht vor. Für die Prüfung genuin staatsrechtlicher Schranken gilt,
dass Finanzsanktionen dieser Prüfung grundsätzlich standhalten, so
namentlich den Zielvorgaben der schweizerischen Aussenpolitik wie
auch den Anforderungen an die Einschränkung allenfalls betroffener
Grundrechte wie der Eigentums- und der Wirtschaftsfreiheit. Am
problematischsten erscheint die Einhaltung von Verfahrensgarantien,
insbesondere im Kontext von UNO-Sanktionen.
Die Sanktionspraxis der Schweiz hat eine lange Geschichte. Seit jeher
hat sie sich an den nichtmilitärischen Sanktionen von Völkerbund und
den Vereinten Nationen sowie der EU beteiligt, allerdings unter sehr
unterschiedlichen rechtlichen und politischen Voraussetzungen. Von
1934-1938 beteiligte sich die Schweiz im Rahmen der „differenziel-
len“ Neutralität an zwei Sanktionen des Völkerbundes. 1938 kehrte sie
zur „umfassenden“ Neutralität zurück und folgte anschliessend den
beiden im Kalten Krieg erlassenen UNO-Sanktionen nach Gutdünken.
1990 gab sie die Doktrin der Unvereinbarkeit der Neutralität mit der
Teilnahme an internationalen Sanktionen auf und beteiligte sich fortan
als Nichtmitglied autonom an sämtlichen Sanktionen der UNO. 2002
trat die Schweiz der UNO bei und trug seither sämtliche UNO-
Sanktionen (und einige EU-Sanktionen) auf Basis des 2003 in Kraft
getretenen Embargogesetzes mit.
Im Zentrum der schweizerischen Sanktionspolitik standen und stehen
Wirtschaftssanktionen. Die Schweiz hat sich nie an militärischen
Sanktionen beteiligt und bislang alle Sanktionen in Koordination mit
andern Staaten oder internationalen Organisationen und nie rein unila-
teral ergriffen.
Zurzeit sind 16 Sanktionsverordnungen der Schweiz in Kraft. Sie alle
stützen sich auf das Embargogesetz. Vier stammen noch aus der Zeit
von 1990 bis zum UNO-Beitritt der Schweiz. Seit ihrem Beitritt zur
UNO 2002 bis heute hat die Schweiz alle sieben nichtmilitärischen
Sanktionen mitgetragen; sie sind allesamt noch in Kraft. Schliesslich
hat sich die Schweiz bis anhin an fünf Sanktionen der EU beteiligt,
Auch sie sind alle noch in Kraft.

109
Zusammenfassung des 2. Teils

13 dieser Sanktionsregimes enthalten auch Finanzsanktionen (nament-


lich auch die Sperrung von Geldern). Fast gleich häufig enthalten
Sanktionen auch Rüstungsembargos oder ein Ein- und Durchreisever-
bote für in Anhängen aufgeführte Personen. Selten sind Kulturgüter-
oder Luxusgüterembargos.
Die Verordnungen sind durchwegs ähnlich aufgebaut, enthalten nur
wenige Artikel und gehorchen zumeist folgendem Schema: In den
ersten Artikeln werden die Zwangsmassnahmen beschrieben, also et-
wa die Handelssanktionen (Rüstungsgüterembargo, Repressionsgüter-
embargo), die Reiserestriktionen und separat die Finanzsanktionen
unter dem Titel: "Sperrung von Geldern und wirtschaftlichen Ressour-
cen". In einem weiteren Artikel werden die wichtigsten Begriffe defi-
niert, und dann folgen die Regeln zu Meldepflichten, Vollzug und
Kontrolle, sodann Strafbestimmungen und Schlussbestimmungen.
Schliesslich werden die von der Sperrung von Geldern oder Vermö-
genswerten, von Reiserestriktionen oder andern individuellen Mass-
nahmen betroffenen Personen in Anhängen einzeln aufgeführt.

110
3. Teil:

Völkerrechtlicher Rahmen
Nachdem der 1. Teil dieser Arbeit die nötigen Begriffe geklärt433 und
der 2. Teil die staatsrechtliche Perspektive der Schweiz dargestellt
hat434, werden nun im 3. Teil dieser Arbeit die völkerrechtlichen Nor-
men präsentiert, welche für die Schweiz beim Erlass von Finanzsank-
tionen in Form der Sperrung von Geldern massgebend sind.
Diese Untersuchung ist dreigeteilt: 1) Zunächst soll untersucht wer-
den, inwiefern völkerrechtliche Normen die Schweiz zum Erlass sol-
cher Sanktionen verpflichten435. 2) Sodann gilt es zu fragen, welche
Regeln die Schweiz beim Erlass von Finanzsanktionen in der Form
der Sperrung von Geldern einschränken436. Wie bereits in der Einlei-
tung erwähnt437, macht die Existenz von UNO-Sanktionen diese Prü-
fung nicht obsolet. 3) Schliesslich wird analysiert, ob es für die Verlet-
zung solcher Schranken generelle Rechtfertigungsgründe438 gibt.

I. Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

Im Folgenden soll also geprüft werden, inwiefern die Schweiz völker-


rechtliche Pflichten treffen, (Finanz-)Sanktionen zu ergreifen. Im
Zentrum steht dabei eine Darstellung der sich aus der UNO-
Mitgliedschaft ergebenden Pflichten439. Es ist aber auch die Frage zu
stellen, ob sich auch aus anderen Normenkomplexen Sanktionspflich-
ten ergeben440.

433 Oben, S. 15 ff.


434 Oben, S. 63 ff.
435 Sogleich, S. 113 ff.
436 Unten, S. 137 ff.
437 Oben, S. 3 ff.
438 Unten, S. 242 ff.
439 Sogleich, S. 114 ff.
440 Unten, S. 134 ff.

113
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

1. Beteiligung an UNO-Sanktionen

A. System der kollektiven Sicherheit

a) Allgemeines441

Der in Art. 2 (4) der UNO-Charta (SVN) enthaltene Grundsatz des


Verzichtes auf Androhung oder Anwendung von Gewalt442 ist das
Fundament des Systems der kollektiven Sicherheit. Aus dem Gewalt-
verbot ergibt sich indirekt die Pflicht aller Mitgliedstaaten, Streitigkei-
ten untereinander friedlich beizulegen (vgl. Art. 2 (3) SVN)443.
Mit diesem Gewaltverzicht korrespondiert ein Gewaltmonopol des
Sicherheitsrats444, der befugt ist, eine Friedensbedrohung, einen Frie-
densbruch oder eine Angriffshandlung festzustellen und die erforderli-
chen Massnahmen zur Sicherung bzw. Wiederherstellung des Welt-
friedens und der internationalen Sicherheit zu beschliessen. Dazu kann
der Sicherheitsrat vorläufige Massnahmen (Art. 40 SVN), friedliche
(nicht-militärische) Sanktionsmassnahmen (Art. 41 SVN) und militä-
rische Sanktionsmassnahmen (Art. 42 SVN) anordnen. Das System
der kollektiven Sicherheit ist somit ein Friedenssicherungsmechanis-
mus, der einem potentiellen Aggressor von ausserhalb oder von inner-
halb des Systems die kollektive Macht der rechtstreuen Mitglieder
gegenüberstellt445.

441 Zum System der kollektiven Sicherheit allgemein siehe u.a. IPSEN, Völkerrecht, S.
1109 ff.; KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 296 ff.; PETERS, Völkerrecht, S.
248 ff.; STEIN/ VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 332 f.; ZIEGLER, Droit international public,
S. 314 f; RESS, Handelsembargo, S. 46 ff.
442 Zum Gewaltverbot siehe unten, S. 139 ff.
443 Zur Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung siehe unten, S. 160 ff.
444 Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 333.
445 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 1109.

114
Beteiligung an UNO-Sanktionen

b) Organisation, Verfahren und Kompetenzen des


Sicherheitsrats446

Dem Sicherheitsrat kommt die „zentrale Aufgabe der Weltorganisati-


on“447 zu, und er wird als das „politisch herausragende Organ der
UNO“ bezeichnet, dem die „vorrangige Verantwortung“ für die Wah-
rung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit übertragen
ist448.
Der Sicherheitsrat besteht gemäss Art. 23 Abs. 1 und 2 SVN aus 15
Mitgliedern, mit China, Frankreich, Russland, Grossbritannien und
den USA als ständige und mit zehn nicht-ständigen, von der General-
versammlung auf zwei Jahre gewählten Mitgliedern. Die Mitglieder
der Vereinten Nationen sind verpflichtet, die Beschlüsse des Sicher-
heitsrats anzunehmen und durchzuführen (Art. 25 SVN)449.
Beschlüsse des 15-köpfigen Sicherheitsrats bedürfen bei Verfahrens-
fragen der Zustimmung von neun Mitgliedern (Art. 27 Abs. 2 SVN),
bei allen anderen Fragen der Zustimmung von neun Mitgliedern in-
klusive der fünf ständigen (Art. 27 Abs. 3 SVN). Die ständigen Mit-
glieder können also bei materiellen Fragen durch Ablehnung (Veto)
das Zustandekommen eines Entscheides verhindern.
Die Befugnisse des Sicherheitsrats sind in den Kapiteln VI bis VIII
sowie XII der Charta geregelt. Im Rahmen der friedlichen Beilegung
von Streitigkeiten gemäss Kapitel VI sind dem Sicherheitsrat Untersu-
chungs- (Art. 34 SVN) und Empfehlungsrechte (Art. 36 Abs. 1 SVN)
eingeräumt; die Empfehlungen beziehen sich auf „geeignete Verfahren
oder Methoden“ zur Bereinigung einer Streitigkeit und sind somit

446Zur Organisation, zum Verfahren und zu den Kompetenzen des Sicherheitsrats siehe
u.a. IPSEN, Völkerrecht, S. 487 ff.; KOLLIOPOULOS, Comités des sanctions, S. 567 ff.;
MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 253 ff.; PETERS, Völkerrecht, S. 255 ff.; STEIN/ VON
BUTTLAR, Völkerrecht, S. 141 ff.; TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de sécurité, S. 209 ff.;
BENNOUNA, Sanctions, S. 9 ff.
447 STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 141.
448 KLEIN, Organisationen, S. 329; DELBRÜCK, Art. 24-25, S. 445 ff.
449 Vgl. KLEIN, Organisationen, S. 335; dazu sogleich unten, S. 126 ff.

115
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Das gilt auch für die Kapi-
tel VIII SVN, das regionale Abmachungen für die Wahrung des Welt-
friedens und der internationalen Sicherheit zulässt, sowie XII SVN mit
Regelungen zum internationalen Treuhandsystem450. Für diese Arbeit
zentral sind somit die Kompetenzen der kollektiven Sicherheit im en-
gern Sinn gemäss Kapitel VII SVN, wie sie nachfolgend beschrieben
werden.
In organisatorischer Hinsicht ist zu erwähnen, dass der Sicherheitsrat
zu jeder Resolution in Anlehnung an Art. 29 SVN ein Sanktionskomi-
tee als Ausführungs- und Kontrollorgan bestellt451. Diese Komitees
setzen sich aus Vertretern der gleichen Mitgliedstaaten wie der Sicher-
heitsrat zusammen und konstituieren und organisieren sich selber. Ihre
Aufgaben bestehen vor allem in der Kontrolle der Einhaltung von
Sanktionen (wobei die Komitees durch sogenannte Monitoring Teams
unterstützt werden können), aber auch in der Gewährung von Aus-
nahmen oder der Bestimmung einzelner Ziele452. Stellt ein Komittee
eine Verletzung der Sanktion fest, wendet es sich an den betroffenen
Staat oder an den Präsidenten des Sicherheitsrats453.

450 Zu den Kompetenzen des Sicherheitsrats im Einzelnen vgl. insbesondere DELBRÜCK,

Art. 24-25, S. 442 ff.


451Eine anschauliche Beschreibung der UNO-internen Abläufe beim Erlass von Sanktio-
nen findet sich bei BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 194 ff.
452 Vgl. BENNOUNA, Sanctions, S. 53; ROSENBERG/BUSCHOR, De-Listing, S. 3; WENAWE-
SER, Sanktionspraxis, S. 9.
453 Vgl. BENNOUNA, Sanctions, S. 54. Siehe dazu auch KOLLIOPOULOS, Comités des

sanctions, S. 567 ff. Zum umstrittenen Verfahren der Aufnahme („Listing“) bzw. Strei-
chung („Delisting“) von Individuen auf die „Blacklists“ von Smart Sanctions siehe RO-
SENBERG/BUSCHOR, De-Listing, S. 1 ff; WENAWESER, Sanktionspraxis, S. 9.; COUZIGOU,
Terrorisme international, S. 53 ff.; DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 34 ff; FRANK,
UNO-Sanktionen, S. 244 ff. Das Problem besteht v.a. darin, dass das Sanktionskommit-
tee seinen Listing-Entscheid (zumeist aufgrund geheimer Beweise bzw. blosser Ver-
dachtsmmomente) fällt, ohne dem Individuum rechtliches Gehör zu gewähren. Ebenso
steht dem Individuum keine wirksame Möglichkeit des Rechtschutzes zu, vgl. hierzu
auch unten, S. 187 ff. Die Schweiz setzt sich aktiv für eine Verbesserung des Verfahrens
ein, vgl. WENAWESER, Sanktionspraxis, S. 9.

116
Beteiligung an UNO-Sanktionen

c) Tatbestand von Art. 39 SVN454

Um seine „vorrangige Verantwortung für die Wahrung des Weltfrie-


dens und der internationalen Sicherheit“ wahrnehmen zu können, um
also mit Empfehlungen oder mit dem Erlass von Massnahmen gemäss
Art. 41 und 42 SVN aktiv werden zu können, hat der Sicherheitsrat als
entsprechende Voraussetzung gemäss Art. 39 SVN zuerst eine Bedro-
hung des Friedens, einen Bruch des Friedens oder eine Angriffshand-
lung festzustellen455.
Unter „Bedrohung des Friedens“ kann eine Vielzahl von Situationen
erfasst werden, „die von der Bürgerkriegssituation in einem Staat bis
zur wirtschaftlichen Intervention einer Staatengruppe reichen“456. In
den neunziger Jahren hat der Sicherheitsrat auch verschiedene inner-
staatliche Situationen als „Bedrohung des Friedens“ angesehen, und
zwar aufgrund von Umfang und Ausmass von Menschenrechtsverlet-
zungen (Irak, Somalia, Ruanda, Sierra Leone), welche auch die Regi-
on bedrohten457. In jüngster Zeit kamen die „humanitäre Situation in
einer Region" oder sogar die „Bedrohung durch internationalen Terro-
rismus“ hinzu458.
Mit „Bruch des Friedens“ ist eine mit Waffengewalt ausgetragene
Feindseligkeit zwischen Staaten gemeint. Im Unterschied zur „An-
griffshandlung“ wird hier der Aggressor nicht bestimmt459.
Die Frage, ob all diese Fälle gleichzeitig einer Völkerrechtsverletzung
gleichkommen, wurde bereits erörtert460. Die Grenzen des Spielraums
454Zu den Voraussetzungen für Massnahmen gemäss Art. 39 siehe u.a. IPSEN, Völker-
recht, S. 1111 ff.; PETMAN, Economic Sanctions, S. 325 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völ-
kerrecht, S. 334 ff.; VOCK, Embargomassnahmen, S. 219 ff; RESS, Handelsembargo, S.
47 ff.
455Vgl. hierzu die detaillierte Analyse bei DE WET, Chapter VII, S. 138 ff. Zu den
Schranken bei der Anwendung DIES., S. 134 ff., 369 und eingehender unten, S. 120 ff.
456 IPSEN, Völkerrecht, S. 1111.
457 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 1111.
458Vgl. zur ausweitenden Praxis am Beispiel der Wirtschaftssanktionen BENNOUNA,
Sanctions, S. 26 ff., 36; FROWEIN / KRISCH, Chapter VII, S. 719 ff.
459 Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 334 f.; FROWEIN/KRISCH, Chapter VII, S.

721 ff.

117
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

des Sicherheitsrats bei der Anwendung von Art. 39 SVN und allfällige
Kontrollmechanismen werden später untersucht461.

d) Massnahmen des Sicherheitsrats, insbesondere nach


Art. 41 SVN462

Stellt der Sicherheitsrat eine Friedensbedrohung, eine Bedrohung des


Friedens oder eine Angriffshandlung fest, kann er auf vier unter-
schiedliche Massnahmen zurückgreifen. Er kann 1) blosse Empfeh-
lungen abgeben (Art. 39 SVN); 2) zu vorläufigen Massnahmen auf-
fordern (Art. 40 SVN, etwa die Anordnung eines Waffenstillstandes
oder des Rückzugs von Streitkräften, um einer Verschärfung der Lage
vorzubeugen463); 3) Sanktionsmassnahmen unter Ausschluss von Waf-
fengewalt („nicht-militärische Massnahmen") festlegen (Art. 41 SVN)
oder 4) militärische Massnahmen beschliessen (Art. 42 SVN)464.
Für die vorliegende Arbeit sind ausschliesslich die nicht-militärischen
Massnahmen gemäss Art. 41 SVN von Interesse. Gemäss dieser Be-
stimmung gehören dazu „die vollständige oder teilweise Unterbre-
chung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftver-
kehrs (...) und der Abbruch der diplomatischen Beziehungen“. Im Ein-
zelnen sind hier grundsätzlich alle Massnahmen denkbar, welche ein-
gangs als nicht-militärische Sanktionsarten dargestellt wurden465. Die
Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen durch Wirtschaftssanktio-
nen, haben sich dabei zu den bedeutendsten Mitteln der Konfliktbe-

460 Oben, S. 22 ff.


461 Unten, S. 120 ff.
462Zu den nicht-militärischen Massnahmen gemäss Art. 41 siehe u.a. IPSEN, Völkerrecht,
S. 1111 ff.; KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 315 ff.; VOCK, Embargo-
massnahmen, S. 220 f.; RESS, Handelsembargo, S. 53 ff.
463 Vgl. Bothe, Friedenssicherung, S. 672.
464Zum Entscheidungsspielraum des Sicherheitsrats bei der Wahl der Massnahmen nach
Art. 40 ff. SVN siehe insbesondere DE WET, Chapter VII, S. 182, und unten S. 120 ff.
465 Oben, S. 44 ff.

118
Beteiligung an UNO-Sanktionen

wältigung entwickelt466. Dazu gehören insbesondere auch Finanzsank-


tionen wie die Sperrung von Geldern467.

e) Praxis der UNO aufgrund Art. 41 SVN468

Obwohl Art. 41 SVN einen Eckstein des Systems der kollektiven Si-
cherheit bildet, war er lange Zeit “a dead letter“469. „In the first forty
years of the existence of the United Nations, the work of the Council
was hampered by Cold War tensions and rivalries. Accordingly, Secu-
rity Council authorization for economic sanctions was provided only
twice”470. Ausschlaggebend dafür war die notwendige Einstimmigkeit
der permanenten Mitglieder bei materiellen Fragen: „La sécurité col-
lective supposait au minimum l’accord des membres permanents, mais
la guerre froide n’a pas permis à ce schéma de fonctionner selon le
modèle prévu par la Charte"471.
Mit dem Ende des Kalten Krieges, zu Beginn der neunziger Jahre,
änderte sich diese Situation radikal472. Bis Ende 2001 erliess der Si-
cherheitsrat, gestützt auf Art. 41 SVN, 15 wirtschaftliche Sanktionre-
gimes473. Sie waren in diesem Jahrzehnt, der "Sanctions Decade"474,
zu einem „common instrument of peace maintenance“475 geworden.

466 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 1113.


467 Zur einschlägigen Praxis siehe unten, S. 119 ff.
468Zur Sanktionspraxis der UNO aus Schweizer Sicht siehe bereits oben, S. 90 ff. Vgl.
dazu auch BENNOUNA, Sanctions, S. 21 ff.; FROWEIN/KRISCH, Chapter VII, S. 704 f. und
S. 738; GOWLLAND-DEBBAS, Article 41, S. 6 ff.; MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 259;
PETMAN, Economic Sanctions, S. 326 ff.; TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de sécurité, S.
215.
469 FROWEIN/KRISCH, Chapter VII, 738.
470 PETMAN, Economic Sanctions, S. 326. Zu diesen beiden Fällen (Rhodesien und Süd-
afrika) siehe oben, S. 90 ff.
471 BENNOUNA, Sanctions, S. 21.
472 Vgl. zu diesem Policy-Wechsel aus Schweizer Sicht oben, S. 91 ff.
473 Vgl. PETMAN, Economic Sanctions, S. 327 f.
474
So der berühmt gewordene Titel des Werks von CORTRIGHT/LOPEZ, The Sanctions
Decade.
475 FROWEIN/KRISCH, Chapter VII, S. 738.

119
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

Eine Untersuchung der Zwangsmassnahmen des Sicherheitsrats unter


inhaltlichen Aspekten476 hat zu folgender Aufteilung geführt: Erste
Experimente (1965/77 in Rhodesien und Südafrika); sodann umfas-
sende und selektive Massnahmen in den neunziger Jahren (nebst Irak
und Jugoslawien weiterhin v.a. Afrika) und schliesslich Massnahmen
im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Hierzu gehört auch
der Wechsel von den umfassenden zu den „zielgerichteten“ Massnah-
men: „a re-orientation of sanctions away from comprehensive and
towards so-called „small sanctions“ or targeted sanctions directed at
government leaders and elites and other specifically designated enti-
ties responsible for the policies condemned”477.
Die Schweiz hat alle diese nicht-militärischen UNO-Sanktionen mit-
getragen478, in den sechziger und siebziger Jahren mindestens teilwei-
se und indirekt mit autonomen Entscheidungen des Bundesrates, von
1990 bis zum UNO-Beitritt 2002 integral und vorbehaltlos mit der
„Politik des autonomen Nachvollzugs“, seit 2002 bis heute alle auf-
grund der Verpflichtung aus der Mitgliedschaft.

f) Grenzen des Sicherheitsrats479

Angesichts seiner grossen Verantwortung für die Wahrung des Welt-


friedens, angesichts seines grossen Ermessens bei der Anwendung von
Art. 39 SVN und angesichts seiner weitreichenden Befugnisse, über
die der Sicherheitsrat im Rahmen von Kapitel VII verfügt, stellt sich

476 Vgl. GOWLLAND-DEBBAS, Article 41, S. 7 ff.


477 GOWLLAND-DEBBAS, Article 41, S. 17. Vgl. zu den Smart Sanctions bereits oben, S.
44.
478 Hierzu ausführlich oben, S. 90 ff.
479 Zu den Grenzen des Sicherheitsrats siehe u.a. PAYANDEH, Rechtskontrolle, S. 41 ff.;
KLEIN, Organisationen, S. 336 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 345 ff.; BGE
133 II 450; GOWLLAND-DEBBAS, UN SANCTIONS, S. 13 ff.; MAJLESSI, Economic Sancti-
ons, S. 284 ff.;FROWEIN/KRISCH, Chapter VII, S. 710 ff.; DE WET, Chapter VII, S. 133
ff.; BENNOUNA, Sanctions, S. 23 ff.; ANGELET, Security Council, S. 71 ff.; TEHINDRAZA-
NARIVELO, Conseil de sécurité, S. 217 ff.; LAVRANOS, Judicial Review, S. 1 ff.

120
Beteiligung an UNO-Sanktionen

nachfolgend die Frage nach den inhaltlichen Grenzen, die er bei sei-
nem Handeln zu befolgen hat480.
Gleichzeitig wirft die Verbindlichkeit von Sicherheitsrats-
Resolutionen und die Pflicht der Mitglieder, den Verpflichtungen aus
der Charta Vorrang vor andern völkerrechtlichen Übereinkünften ein-
zuräumen, die Frage nach formellen Überprüfungsmechanismen
auf481.

i) Materielle Schranken

Abgesehen von der Extremposition, wonach der Sicherheitsrat aus-


schliesslich nach politischem Ermessen und völlig „unbound by law„
handeln kann482, ist anerkannt, dass der Sicherheitsrat zumindest an
die UNO-Charta selber gebunden ist483.
Inhaltlich stehen damit die Ziele und Grundsätze der Charta im Vor-
dergrund; so hält auch Art. 24 Abs. 2 der Charta fest, dass der Sicher-
heitsrat, „im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten
Nationen“ zu handeln habe. Diese Grundsätze sind zwar sehr allge-
mein formuliert. Doch zumindest ein Normenkomplex, der für Sankti-
onen besonders relevant ist, hat sich in rechtsgenüglicher Weise her-
auskristallisiert: Der Schutz grundlegender Menschenrechte484. Zur
480 Sogleich, S. 121 ff.
481 Unten, S. 124 ff.
482Vgl. hierzu die wenigen bei DE WET, Chapter VII, S. 134 und S. 185 aufgeführten
Vertreter (namentlich Kelsen) und OSTHUIZEN, Security Council. Eine völlige Loslösung
des Sicherheitsrats vom Recht ist schon daher kaum zu begründen, als der Sicherheitsrat
seine eigene Existenz und seine Kompetenzen seinerseits durch Rechtsnormen (nämlich
die UNO-Charta) begründet. In diesem Sinne auch BIRKHÄUSER, Wirtschaftssanktionen,
S. 214. und explizit DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 169 f.
483 Siehe hierzu die Darstellung bei SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 195 ff.; vgl.

auch BIRKHÄUSER, Wirtschaftssanktionen, S. 214; RESS, Handelsembargo, S. 61 ff;


DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 168 ff.
484Vgl. dazu Art. 1(3) und Art. 55 lit. c SVN, sowie ANGELET, Security Council, S. 74
m.w.H.; DE WET, Chapter VII, S. 191 ff.; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 261 ff.;
BIRKHÄUSER, Wirtschaftssanktionen, S. 217 ff.; RESS, Handelsembargo, S. 61 f.; DAHME,
Wirtschaftssanktionen, S. 227 ff. Was genau Inhalt dieser „grundlegenden Menschen-
rechte ist“, ist jedoch seinerseits äusserst auslegungsbedürftig, vgl. z.B. DAHME, Wirt-
schaftssanktionen, S. 233 ff.

121
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

Erfüllung seiner Aufgaben und in Wahrnehmung seiner Befugnisse hat


sich der Sicherheitsrat zudem an die Kapitel V bis Kapitel VIII der
Charta zu halten, bei der Festlegung der Massnahmen gemäss Kapitel
VII namentlich an die Voraussetzungen von Art. 39 SVN485. Trotzdem
kommt dem Sicherheitsrat nach allgemeiner Auffassung ein breiter
Interpretations- und Ermessensspielraum sowohl bezüglich der Fest-
stellung eines Friedensbruchs oder einer Friedensbedrohung als auch
bei der Bestimmung der Massnahmen zu486.
In formeller Hinsicht schliesslich sind für den Sicherheitsrat die in der
Charta festgehaltenen Abstimmungs- und Verfahrensregeln massge-
bend. Der Sicherheitsrat ist also materiell-rechtlich als auch verfah-
rensrechtlich an die UN-Charta gebunden. Doch inwieweit ist der Si-
cherheitsrat den Normen des übrigen Völkerrechts verpflichtet?
Die Charta selbst enthält hierzu keine Aussagen. In der Literatur wie-
derum bestehen dazu sehr unterschiedliche Auffassungen487. Ein
Grossteil der Autoren488 geht davon aus, dass das Handeln des Sicher-
heitsrats zumindest durch die zwingenden Normen des Völkerrechts
(ius cogens) begrenzt wird. In den Worten des Bundesgerichts: „Gren-
ze der Anwendungspflicht für Resolutionen des Sicherheitsrats stellt
jedoch das ius cogens als zwingendes, für alle Völkerrechtssubjekte
verbindliches Recht dar“489.

485 Vgl. DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 177 ff., 211 ff.


486Vgl. u.a. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 345 und PAYANDEH, Rechtskontrolle,
S. 44 f. m.w.H.; aussführlich zudem DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 177 ff.
487 Vgl. dazu u.a. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 347 sowie PAYANDEH, Rechts-

kontrolle, S. 44 m.w.H.
488
Vgl. u.a. FROWEIN/KRISCH, Chapter VII; DE WET, Chapter VII, S. 180 und S. 187 ff.;
LAVRANOS, Judicial Review, S. 4.
489BGE 133 II 450 E. 7. Zum gleichen Schluss kommt der Gerichtshof erster Instanz der
Europäischen Gemeinschaften in verschiedenen seiner Urteile; vgl. zu den Hinweisen
den erwähnten BGE a.a.O., sowie zu jenen Urteilen RACKOW/STEGMILLER, „Intelligente
Sanktionen“, S. 75 ff; vgl. auch OETER, Ius cogens, S. 499 ff und COUZIGOU, Terrorisme
international, S. 65 ff.

122
Beteiligung an UNO-Sanktionen

Für eine grundsätzliche Bindung an das allgemeine Völkerrecht lassen


sich verschiedene Argumente finden490. Aufgrund der Aufgabe des
Sicherheitsrats, unter anderem die Beachtung und Durchsetzung des
Völkerrechts in den internationalen Beziehungen zu gewährleisten -
was nur glaubwürdig tun kann, wer selbst ans Recht gebunden ist -
und dem Verständnis der Vereinten Nationen als Gemeinschaft, die
sich der Wahrung des Völkerrechts verschrieben hat, kann auf eine
grundsätzliche Rechtsbindung des Sicherheitsrats an das allgemeine491
Völkerrecht geschlossen werden492. Dazu gehören z.B. auch Normen
des humanitären Völkerrechts493, des internationalen Menschenrechts-
schutzes494 oder allgemeine Grundsätze wie derjenige der Verhältnis-
mässigkeit495.
Die Schranken des Sicherheitsrats sind somit nach überzeugender,
wenn auch nicht unstrittiger Ansicht, in der UN-Charta, in gewissen
Gebieten des allgemeinen Völkerrechts und insbesondere im ius co-
gens zu finden. Diese vage Feststellung lässt jedoch immer noch eine
Vielzahl von Fragen offen: Entscheidender als abstrakte materielle
Schranken sind somit die Möglichkeiten der Überprüfung von Be-
schlüssen des Sicherheitsrats.

490 Vgl. PAYANDEH, Rechtskontrolle, S. 47. Zu einer eingehenden Auslegung der UNO-

Charta zu dieser Frage siehe SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 198 ff, und BIRKHÄU-
SER, Wirtschaftssanktionen, S. 229 ff.
491 Vgl. u.a. DE WET, Chapter VII, S. 133 f.
492 In diesem Sinne z.B. auch ANGELET, Security Council, S. 72 ff. Eine andere Position
vertreten u.a. FROWEIN/KRISCH: Im Zusammenhang mit Handlungen zu Kapitel VII sei
der Sicherheitsrat nur an die Charta, nicht aber an allgemeindes Völkerrecht gebunden;
FROWEIN/KRISCH, Chapter VII, S. 711. Vgl. auch MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 284
ff. mit Hinweisen auf kritische Stimmen, z.B. diejenige von Kelsen.
493
Vgl. u.a. MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 295 f.
494Vgl. u.a. GOWLLAND-DEBBAS, UN SANCTIONS, S. 15 ff.; ANGELET, Security Council,
S. 75; TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de sécurité, S. 217.
495 Vgl. ANGELET, Security Council, S. 72 ff.; FROWEIN/KRISCH, Chapter VII, S. 711:

„There is some indication in the Charter that it should be guided by the principle of pro-
portionality“. A.M. DE WET, Chapter VII, S. 185.

123
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

ii) Formelle Überprüfung auf internationaler Ebene

Bei der Suche nach einer Rechtskontrolle von Resolutionen des Si-
cherheitsrats fällt der Blick zunächst auf die internationale Gerichts-
barkeit, insbesondere auf den Internationalen Gerichtshof (IGH). Der
IGH ist das „Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen“; es
behandelt u.a. zwischenstaatliche Streitigkeiten der Mitglieder der
Vereinten Nationen und erstellt im Auftrag der Generalversammlung
oder des Sicherheitsrats Rechtsgutachten (vgl. Art. 92 ff. SVN).
Doch der IGH ist für die Überprüfung der Rechtmässigkeit von Be-
schlüssen des Sicherheitsrats nicht zuständig; eine entsprechende
Kompetenz enthält die UNO-Charta nicht. „According to the Charter,
there is no doubt that the court does not have the power to review the
actions of other organs of the United Nations“496. Weder die UNO-
Charta noch das Statut des IGH begründen eine mit umfassenden
Kontrollbefugnissen ausgestattete "Verfassungsgerichtsbarkeit"497.
Hinzu kommt, dass Gutachten wie Urteile des Internationalen Ge-
richtshofes für die Organe der Vereinten Nationen keine Verbindlich-
keiten haben498.
Nach vorherrschender Auffassung kann der IGH hingegen inzident, im
Rahmen einer ihm unterbreiteten zwischenstaatlichen Streitigkeit, die
Rechtmässigkeit von Beschlüssen des Sicherheitsrats überprüfen. Er-
wähnt wird in diesem Zusammenhang oft der Lockerbie-Fall499, in
496 MAJLESSI, Economic Sanctions, S. 290; vgl. FRANK, UNO-Sanktionen, S. 252.
497 Vgl. PAYANDEH, Rechtskontrolle, S. 49, siehe u.a. auch DE WET, Chapter VII, S. 58
ff.; BIRKHÄUSER, Wirtschaftssanktionen, S. 262.
498 Vgl. TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de sécurité, S. 234: „Tout d’abord, il faut préci-

ser que les avis de la Cour, tout comme ses arrèts, n’ont pas de force obligatoire pour les
organes des Nations Unies“; BIRKHÄUSER, Wirtschaftssanktionen, S. 263. A.M. ist DE
WET, Chapter VII, S. 58 ff., wonach ein Gutachten die Pflichten aus der umstrittenen
Resolution ab dem Zeitpunkt der Ausfällung aufheben sollte.
499Im sogenannten Lockerbie-Fall (Sprengstoffanschlag auf ein Flugzeug der PanAm am
21. Dezember 1988 durch libysche Terroristen über dem Schottischen Lockerbie) ver-
langte eine Resolution des Sicherheitsrats von Libyen die Auslieferung der mutmassli-
chen Terroristen; Libyen weigerte sich (vorerst) unter Verweis auf ein Montrealer Ab-
kommen, das eine eigene gerichtliche Beurteilung durch Libyen zuliess, und reichte vor
dem IGH Klage gegen die USA und Grossbritannien wegen Verletzung des Abkommens
ein (IGH-Beschüsse vom 27. Februar 1998 (Libyien vs. USA und Grossbritannien),
Fragen der Auslegung und Anwendung des Montrealer Übereinkommens von 1971 auf-

124
Beteiligung an UNO-Sanktionen

dem allerdings die Frage der Rechtmässigkeit wegen einer ausserge-


richtlichen Einigung der beteiligten Staaten England und Libyen nicht
beantwortet werden musste. Dennoch hat der IGH in diesem Fall im-
plizit die Möglichkeit einer Prüfungskompetenz angedeutet500.
Trotz dieser vagen Möglichkeit einer inzidenten Kontrolle bleibt der
Befund, dass Resolutionen des Sicherheitsrats nicht vor dem Interna-
tionalen Gerichtshof angefochten oder in einem verbindlichen Gutach-
ten überprüft werden können. Eine Überprüfung ist höchstens inzi-
dent, im Rahmen einer Klage eines Staates gegen einen andern Staat,
möglich; eine entsprechende Praxis existiert allerdings ebenso wenig
wie bei (unverbindlichen) Gutachten, welche die Generalversamm-
lung zur Überprüfung einer Resolution beim IGH in Auftrag geben
könnte (vgl. Art. 96 SVN). Eine solche inzidente Kontrolle wäre zu-
dem stets von der zufälligen Konstellation zwischen zwei Staaten ab-
hängig501; darüberhinaus wäre die Bindungswirkung der Entscheid-
gründe dieses zwischenstaatlichen Urteils für den Sicherheitsrat wie-
derum zweifelhaft502.
Damit besteht keine eigentliche rechtliche Überprüfungsmöglichkeit
der Resolutionen des Sicherheitsrats auf internationaler Ebene. Nach
einer Auffassung sei dies aufgrund des besonderen Entscheidungsver-
fahrens des Sicherheitsrats auch nicht notwendig. Ein Missbrauch des
grossen Ermessens des Sicherheitsrats könne durch das Erfordernis
einer Mehrheitsentscheidung und durch das Vetorecht vermieden wer-
den503. Jedenfalls gewinnt in Abwesenheit internationaler Überprü-
fungsverfahren die Frage an Bedeutung, inwieweit einzelne Staaten
Sicherheitsratsbeschlüsse selber überprüfen dürfen504.

grund des Luftzwischenfalls von Lockerbie, ICJ Reports 1998, S. 115 ff.). Libyen stimm-
te später einer Auslieferung in ein Drittland zu. Vgl. MAJLESSI, Economic Sanctions, S.
290 ff.; TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de sécurité, S. 231 f.
500 Vgl. PAYANDEH, Rechtskontrolle, S. 49; ICJ Reports 1998, S. 115 ff (vgl. Fn 499).
501 Vgl. TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de Sécurité, S. 232.
502 Vgl. TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de Sécurité, S. 232.
503 Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 350, m.w.H.
504Hierzu unten, S. 131 ff.; vgl. auch TEHINDRAZANARIVELO, Conseil de Sécurité, S.
234. Ähnlich ANGELET, Security Council, S. 71.

125
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

B. Pflichten als UNO-Mitglied

Nach dieser Übersicht über den Mechanismus der kollektiven Sicher-


heit der UNO und insbesondere über die Massnahmen des Sicherheits-
rats nach Kapitel VII SVN ist nun zu untersuchen, inwiefern aus die-
sen Massnahmen für Mitgliedstaaten wie die Schweiz Pflichten zum
Erlass von Sanktionen entstehen.

a) Bindungswirkung von Art. 25 SVN505

Die Mitglieder der Vereinten Nationen sind grundsätzlich verpflichtet,


die sich unmittelbar aus der Charta ergebenden Verpflichtungen wahr-
zunehmen, wie die Beilegung von internationalen Streitigkeiten mit
friedlichen Mitteln (Art. 2 (3) SVN) oder der Verzicht auf Androhung
oder Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen
(Art. 2 A(4) SVN). Nach Art. 2 (5) SVN verpflichten sich die Mitglie-
der, den Vereinten Nationen bei jeder Massnahme, welche die Organi-
sation trifft, jeglichen Beistand zu leisten und auf Unterstützung eines
Staates, gegen den die Vereinten Nationen Massnahmen ergriffen ha-
ben, zu verzichten.
Art. 25 SVN erweitert diese Pflicht auf Beschlüsse des Sicherheitsra-
tes: „Die Mitglieder der Vereinten Nationen kommen überein, die Be-
schlüsse des Sicherheitsrats im Einklang mit dieser Charta anzuneh-
men und durchzuführen“506. Art. 24 Abs. 1 SVN hält dabei fest, dass
der Sicherheitsrat bei der Wahrnehmung seiner Pflichten im Namen
der Mitglieder handelt; Art. 48 SVN bekräftigt, dass die Massnahmen,
die für die Durchführung der Beschlüsse des Sicherheitsrats erforder-
lich sind, je nach dem Ermessen des Sicherheitsrats von allen oder

505Zur Bindungswirkung siehe u.a. BGE 133 II 450; VOCK, Embargomassnahmen, S.


220 f.; COTTIER, Sicherheitsrat, S. 167 ff.; DELBRÜCK, Art. 24-25, S. 452 ff.; KÄ-
LIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 203 ff.; GOWLLAND-DEBBAS, Article 41, S.
19 f.; SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 250; RESS, Handelsembargo, S. 63 ff.
506 Vgl. hierzu GOWLLAND-DEBBAS, Implementing Sanctions, S. 35.

126
Beteiligung an UNO-Sanktionen

zumindest von nicht explizit befreiten Mitgliedern der Vereinten Nati-


onen getroffen werden müssen507.
Die vom Sicherheitsrat gefassten Beschlüsse sind somit für alle Mit-
glieder und also auch für die Schweiz rechtlich bindend. Die Schweiz
ist verpflichtet, die vom Sicherheitsrat gemäss Kapitel VII der Charta
getroffenen Massnahmen mit zu tragen. Dieser grundsätzliche Bei-
stand gilt nicht bei vom Sicherheitsrat beschlossenen militärischen
Sanktionsmassnahmen; dort sind gemäss Art. 43 der Charta Sonder-
abkommen notwendig.
Von der generellen Bindungswirkung von Sicherheits-Resolutionen
gemäss Art. 41 SVN lassen sich aufgrund der herrschenden Lehre drei
Ausnahmen erkennen: Erstens sind Beschlüsse des Sicherheitsrats
nicht bindend, wenn sie klar als blosse Empfehlungen erkennbar
sind508. Zweitens entsteht keine Bindungswirkung, wenn der Sicher-
heitsrat seine Kompetenzen in formeller Hinsicht manifest überschrei-
tet, d.h. offensichtlich „ultra vires“ handelt509. Und drittens geht die
Bindungswirkung verloren, wenn Beschlüsse des Sicherheitsrats ius
cogens verletzen510.
Seit September 2002 ist die Schweiz vollwertiges Mitglied der UNO.
Damit ist sie wie jedes UNO-Mitglied verpflichtet, „Beschlüsse des
Sicherheitsrats im Einklang mit der Charta“ gemäss Art. 25 SVN
durchzuführen. Damit ist für die Schweiz auch die frühere Diskussion
obsolet, ob Nicht-Mitglieder ebenfalls zur Umsetzung von Sanktionen
verpflichtet seien511.

507Bereits hier sei darauf hingewiesen, dass eine Befreiung der Schweiz von der Durch-
führung wirtschaftlicher Sanktionen etwa wegen ihrer Neutralität nicht denkbar ist. Vgl.
COTTIER, Sicherheitsrat, S. 169. Zur Neutralität siehe unten, S. 171 ff. GOWLLAND-
DEBBAS weist darauf hin, dass bislang noch nie ein Staat formell dispensiert worden ist.
Vgl. GOWLLAND-DEBBAS, Article 41, S. 20.
508 Vgl. Delbrück, Art. 24-25, S. 457.
509 So z.B. BERNHARDT, Art. 103 SVN, S. 1299.
510 Vgl. hierzu BGE 133 II 450 E. 7.
511 Vgl. zu dieser Diskussion VOCK, Embargomassnahmen, S. 220 f.

127
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

Für die Verpflichtung der Schweiz als Staat nicht entscheidend ist aus-
serdem die Frage der direkten Anwendbarkeit von UNO-
Sanktionen512. Das Bundesgericht hat diese Frage offen gelassen; die
einschlägigen Formulierungen lassen vermuten, dass das Bundesge-
richt eher zur bloss indirekten Anwendbarkeit tendiert513.

b) Vorrangregelung gemäss Art. 103 SVN

Wie aber ist die Situation zu beurteilen, wenn Rechtspflichten aus


Sicherheitsrats-Beschlüssen für einen Staat im Widerspruch zu seinen
übrigen völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen514?
Seit der (Quasi-) Universalität der UNO-Mitgliedschaften bildet die
Charta „eine Art Grundgesetz der Staatengemeinschaft“515; die „ver-
fassungsrechtliche“ Bedeutung der Charta kommt in ihrem Art. 103
zum Ausdruck, der die Normenhierarchie klar festlegt: „Widerspre-

512 Vgl. oben, S. 71 ff.


513BGE 133 II 450 E. 8.2.:“(…). Dies wäre auch dann der Fall, wenn die Sanktionsbe-
schlüsse des Sicherheitsrats unmittelbar anwendbar sein sollten“. In diesem Sinne auch
ZAMBELLI, Sanzioni ONU, S. 592. Zwar würden die Resolutionen im Monismus der
Schweiz den Staat unmittelbar verpflichten; doch für die Anwendbarkeit auf Individuen
brauche es eine innerstaatliche Umsetzung
514 Ein anschauliches Beispiel liefert der schon mehrfach zitierte Leitentscheid der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 14. November 2007 (BGE 133
II 450). Dort widersprachen sich aus Schweizer Sicht die Resolution des Sicherheitsrats
Nr. 1333 (Massnahmen gegen die Taliban / Al-Qaïda) einerseits sowie die Anforderun-
gen der Europäischen Menschenrechtskonvention anderseits. Siehe zu diesem Urteil
ROSENBERG/BUSCHOR, De-Listing, S. 5 f. Dem Urteil lag eine Beschwerde von Youssef
Nada zugrunde, der aufgrund seiner Beziehungen zu einer Tessiner Finanzgesellschaft
im November 2001 auf die Liste zur Taliban/Al-Qaïda-Verordnung gesetzt wurde. Im
Mai 2005 stellte die Bundesanwaltschaft eine gegen Nada geführte Strafuntersuchung
wegen Terrorismus-Unterstützung ein. Daraufhin gelangte er ans SECO mit dem Bege-
hren, von der Terror-Liste gestrichen zu werden. Das SECO lehnte dieses Gesuch ab,
ebenso das EVD als Beschwerdeinstanz, mit der Begründung, für ein De-Listing sei
einzig der Sanktionsausschuss der UNO zuständig. Das Bundesgericht schützte diese
Entscheide aufgrund des Vorranges von Sicherheitsratsresolutionen vor nationalem und
europäischem Grundrechtsschutz gemäss Art. 103 SVN. Seine einzige Prüfkompetenz
ortete es im Bereich des ius cogens, das es vorliegend aber als nicht betroffen erachtete.
Das Bundesgericht verwies den Beschwerdeführer damit an die Anlaufstelle des Sanc-
tions Committees, befürwortete aber eine Unterstützung des Betroffenen durch die
Schweizer Behörden.
515 Vgl. KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 202.

128
Beteiligung an UNO-Sanktionen

chen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen


aus dieser Charta und ihre Verpflichtungen aus anderen internationa-
len Übereinkünften, so haben die Verpflichtungen aus dieser Charta
Vorrang.“
Diese Wirkung bezieht sich nach aktueller Auffassung nicht nur auf
direkt aus der Charta fliessende Pflichten, sondern insbesondere auch
auf Resolutionen des Sicherheitsrats516. Ingesamt gilt der Vorrang für
alle Verpflichtungen, welche direkt in der Charta verankert sind, und
für alle verbindlichen Entscheide der UNO-Organe. So wie alle Mit-
glieder an die Beschlüsse des Sicherheitsrats gebunden sind, so sind
sie gemäss Art. 103 auch verpflichtet, „to give these obligations priori-
ty over any other commitments“517. Der Vorrang wirkt gegenüber Ver-
pflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen518 genauso wie gegen-
über einseitigen Rechtshandlungen und sogar privatrechtlichen Pflich-
ten519, aber auch gegenüber gewohnheitsrechtlichen Verpflichtun-
gen520. Der Vorrang gilt nach der Rechtsprechung des IGH schliesslich
auch für alle bilateralen, regionalen und multilateralen Übereinkünf-
te521.
Der Vorrang gemäss Art. 103 der UNO Charta ist also sehr weitge-
hend. Er spielt nur in wenigen Ausnahmesituationen nicht, dann näm-
lich, wenn ein UNO-Organ eine Resolution erlässt, der schon gar kei-
ne Bindungswirkung zukam, wie in den erwähnten Fällen blosser
Empfehlungen522, einer manifesten ultra-vires-Entscheidung523 oder
im Falle einer ius-cogens-Verletzung524.

516Vgl. SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 253; BIRKHÄUSER, Wirtschaftssanktionen,


S. 240; zur älteren Debatte vgl. SCHOTTEN, Wirtschaftssanktionen, S. 251 f.
517 BERNHARDT, Art. 103 SVN, S. 1295 f.; BGE 133 II 450 E. 5.2. m.w.H.
518 Vgl. COTTIER, Sicherheitsrat, S. 168.
519 Vgl. BERNHARDT, Art. 103 SVN, S. 1298 f.
520 Vgl. KÄLIN/EPINEY/CARONI/KÜNZLI, Völkerrecht, S. 203.
521Vgl. das IGH-Urteil vom 26. November 1984 (Nicaragua vs. USA), Militärische und
paramilitärische Tätigkeiten in und gegen Nicaragua, ICJ Reports 1984, S. 392 ff., v.a. S.
440.
522 Vgl. BERNHARDT, Art. 103 SVN, S. 1296.

129
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

Die dem Vorrang der UNO-Charta oder einer Resolution des Sicher-
heitsrats unterlegene (widersprüchliche) Verpflichtung aus anderen
Quellen ist nach herrschender Lehre nicht etwa nichtig, sondern (vo-
rübergehend) suspendiert und wird wieder anwendbar, wenn die Reso-
lution abgelaufen ist oder aufgehoben wurde525.
Wie fügt die Schweizer Rechtsordnung diese völkerrechtliche Hierar-
chie in ihr Normensystem ein? Hierzu gelten zunächst die früheren
Ausführungen zur Stellung des Völkerrechts im Schweizer Rechtssys-
tem526. Danach gilt grundsätzlich der Vorrang des Völkerrechts vor
dem Landesrecht. Dazu gehören nebst dem „primären“ Völkerrecht
aus Staatsverträgen und Völkergewohnheitsrecht auch „sekundäres“
Völkerrecht, d.h. insbesondere auch Beschlüsse von internationalen
Organisationen. Damit sind auch die Sanktionsbeschlüsse des Sicher-
heitsrats in der innerstaatlichen Rechtsordnung vorrangig. Sie sind
daher für das Bundesgericht massgebend und müssen angewendet
werden527.
Wenn zwischen verschiedenen, für die Schweiz verbindlichen völker-
rechtlichen Normen Widersprüche oder Konflikte bestehen, kann je-
doch nicht auf eine landesrechtliche Regelung zurückgegriffen wer-
den. Das Bundesgericht kommt jedoch zum Schluss, dass dann, wenn
der Konflikt nicht mittels der Auslegung ausgeräumt werden kann, auf
die völkerrechtliche Normenhierarchie abgestützt werden muss. Da-
nach gehen die Verpflichtungen aus der Charta den übrigen völker-
rechtlichen Verpflichtungen der Schweiz – mit den erwähnten Vorbe-
halten - auch aus Schweizer Sicht vor528.
Als Fazit bleibt, dass die Sanktions-Resolutionen des Sicherheitsrats
für die Schweiz grundsätzlich bindend sind und im Ausmass ihrer

523 BERNHARDT, Art. 103 SVN, S. 1299: „Such decisions are not binding and cannot

prevail in case of conflict with obligations under other agreements“.


524 Vgl. oben, S. 126 ff.
525 Vgl. BERNHARDT, Art. 103 SVN, S. 1297 f.
526 Oben, S. 72 ff.
527 BGE 133 II, S. 450 E. 6.1.
528 BGE 133 II, S. 450 E. 6.1.

130
Beteiligung an UNO-Sanktionen

Bindungswirkung andern völkerrechtlichen Verpflichtungen vorge-


hen. In welchem Rahmen nun aber die Schweiz dennoch eine mögli-
che Rechtswidrigkeit von Resolutionen überprüfen kann, erörtert der
folgende Abschnitt.

c) Einzelstaatliche Überprüfung der Rechtmässigkeit

Es wurde bereits festgehalten, dass dem IGH keine Kompetenz zu-


steht, Massnahmen des Sicherheitsrates verbindlich zu überprüfen529;
auf der internationalen Ebene besteht somit keine verbindliche
Rechtskontrolle für den Sicherheitsrat. Doch angesichts starker Hin-
weise auf materielle Schranken des Sicherheitsrats530 ist zu prüfen, ob
allenfalls auf der Ebene der Mitgliedstaaten, die Möglichkeit besteht,
Resolutionen des Sicherheitsrats, auf ihre Völkerrechtskonformität zu
überprüfen.
Eine direkte Anfechtbarkeit von Sicherheitsrats-Resolutionen vor na-
tionalen Gerichten steht dabei ausser Frage531. Es geht somit einzig
um die indirekte Normenkontrolle im Rahmen eines innerstaatlichen
Verfahrens. Diese Konstellation ergibt sich insbesondere, wenn ein
Betroffener eine staatliche Umsetzungsverfügung anficht und dabei
geltend macht, die zugrunde liegende UNO-Sanktion sei ihrerseits
rechtswidrig. In der Lehre wird nach vorherrschender Auffassung auch
ein solches indirektes Prüfungsrecht des einzelnen Staates im Grund-
satz abgelehnt532. Es wird namentlich geltend gemacht, dass ein sol-
cher Kontrollmechanismus das Friedenssicherungssystem der UNO
als Ganzes schwächen und das Entscheidungsmonopol des Sicher-
heitsrats faktisch aushebeln würde533. Auch das Bundesgericht ver-
529 Oben, S. 124 ff.
530 Vgl. oben, S. 121 ff.
531 Vgl. BIRKHÄUSER, Wirtschaftssanktionen, S. 278.
532Vgl. u.a. PAYANDEH, Rechtskontrolle, S. 52; DELBRÜCK, Art. 24-25, S. 459;
STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 349.
533Vgl. PAYANDEH, Rechtskontrolle, S. 52. Es wird argumentiert, dass durch die Erfor-
dernis einer Mehrheitsentscheidung und das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder der
Ermessensmissbrauch des Sicherheitsrats vermieden wird und die Rechtmässigkeit sei-
ner Beschlüsse vermutet werden können. Eine verfahrensrechtliche Überprüfung seiner

131
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

neint ein grundsätzliches Prüfungsrecht: „Die weltweite einheitliche


Anwendung der UNO-Sanktionen wäre gefährdet, wenn die Gerichte
einzelner Mitgliedstaaten die Sanktionen (...) wegen allfälliger Verlet-
zungen von Grundrechten gemäss EMRK oder UNO-Pakt I aufheben
oder abändern könnten.“534. Als Schranke für die Verbindlichkeit von
Sicherheitsratsbeschlüssen weist das Bundesgericht einzig auf die er-
wähnten Schranken des ius cogens, bzw. manifestes ultra-vires-
Handeln hin535.

d) Spielraum bei der Umsetzung

Wenn auch Resolutionen des Sicherheitsrats für die Schweiz verbind-


lich sind, Vorrang gegenüber anderem Völkerrecht geniessen und
rechtlich kaum überprüfbar sind, bleibt die Frage, inwieweit der
Schweiz immerhin ein gewisser Umsetzungsspielraum zusteht.
Das Bundesgericht weist darauf hin, dass der Sicherheitsrat verschie-
dene Resolutionen erlassen hat, die detailliert beschriebene Massnah-
men enthalten (Blockierung von Vermögenswerten, Ein- und Durch-
reiseverbot sowie genaue Auflistung der betroffenen Individuen) mit
der ausdrücklichen Verpflichtung aller Mitgliedstaaten, die darin vor-
gesehenen Sanktionen integral und strikt durchzuführen. Das Bundes-
gericht kommt zum Schluss, dass solchermassen ausformulierte Sank-
tionen "den Mitgliedstaaten keinerlei Ermessenspielraum bei der Um-
setzung“ belassen536.

Beschlüsse ist daher nicht notwendig. Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 350.
A.M. ist DE WET, Chapter VII, S. 376 ff., 382. Nach Meinung dieser Autorin scheitert die
Effektivität der kollektiven Sicherheit nicht daran, dass einzelne Staaten illegale Be-
schlüsse nicht umsetzen. Im Gegenteil basiere das System v.a. auf Legitimität. Schliess-
lich würden auch die Menschenrechts-Verpflichtungen der Einzelstaaten für eine solche
Kontrolle als Notventil, als „right of last resort“, sprechen. Für eine vermittelnde Lösung,
aber mit grosser Zurückhaltung einzelstaatlicher Kontrolle, steht auch BIRKHÄUSER,
Wirtschaftssanktionen, S. 248 ff., ein.
534 BGE 133 II 450 E. 6.2.
535 Vgl. BGE 133 II 450 E. 5.3. und E. 7.
536BGE 133 II 450 E. 8. Dabei unterschlägt das Bundesgericht, dass die Umsetzung
einer Resolution implizit immer auch eine textliche Interpretation erfordert, die jeder
Staat aus seiner Sicht vornimmt. Auch die Gestaltung der zeitlichen Umsetzung birgt

132
Beteiligung an UNO-Sanktionen

Dennoch gibt es viele Fälle von explizitem Umsetzungs-Spielraum537.


Ein solcher Spielraum entsteht beispielsweise, wenn eine Resolution
„Kann“-Bestimmungen, z.B. für humanitäre Ausnahmen, vorsieht538,
oder wenn eine Resolution unbestimmte Begriffe verwendet, welche
das nationale Recht erst noch konkretisieren muss539. So sieht die Re-
solution gegen Nordkorea540 beispielsweise u.a. ein Luxusgüter-
Embargo vor, ohne diese Güter abschliessend zu definieren. Eine sol-
che Liste der Luxusgüter ist von der Schweiz im Rahmen ihres eige-
nen Handlungsspielraums erstellt und als Anhang 2 der Verordnung
über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Ko-
rea541 erlassen worden.
Soweit ein Umsetzungs-Spielraum besteht, sind die schweizerischen
Behörden verpflichtet, „alle nach den Resolutionen des Sicherheitsrats
zulässigen Erleichterungen des Sanktionsregimes auszuschöpfen“542.
Im Umfange dieses Spielraums drücken nämlich die völker- und ver-
fassungsrechtlichen Normen eines Staates durch, welche durch die
UNO-Sanktion aufgrund von Art. 103 SVN grundsätzlich verdrängt
worden sind.

C. Fazit

Für die Schweiz sind die Sanktions-Resolutionen des Sicherheitsrats


grundsätzlich rechtsverbindlich und müssen aufgrund ihres Vorrangs
auch dann umgesetzt werden, wenn sie allenfalls andern völkerrechtli-

substantiellen Spielraum. Zum Ganzen siehe GOWLLAND-DEBBAS, Implementing Sancti-


ons, S. 60 f.
537 Vgl. ZAMBELLI, Sanzioni ONU, S. 592; GOWLLAND-DEBBAS, Implementing Sancti-

ons, S. 37 ff.
538So im Falle des erwähnten Sanktionsregimes gegen die Taliban/Al-Qaïda, vgl. BGE
133 II 450 E. 10.1. Zu dieser Sanktion schon oben, S. 95.
539 GOWLLAND-DEBBAS, Implementing Sanctions, S. 51.
540 Vgl. oben, S. 98 f.
541 Siehe dazu oben, S. 98.
542 BGE 133 II 450 E. 10.2.

133
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

chen oder landesrechtlichen Normen widersprechen. Auf internationa-


ler Ebene gibt es keine Möglichkeit einer verbindlichen völkerrechtli-
chen Überprüfung solcher Resolutionen. Eine nationale Überprü-
fungsmöglichkeit auf die Rechtmässigkeit dieser Sanktionen besteht
nur in den erwähnten Ausnahmefällen: Die Schweiz kann einzig über-
prüfen, ob überhaupt eine Resolution oder nur eine unverbindliche
Empfehlung vorliegt, ob der Sicherheitsrat seine Kompetenzen mani-
fest überschritten hat und ob sein Beschluss ius cogens verletzt. Im-
merhin kann die Schweiz zudem allfällig eingeräumten Spielraum
ausnützen.
Auf die umgekehrte Fragestellung, nämlich diejenige nach der recht-
fertigenden Wirkung von UNO-Sanktionen im Falle dass die Schweiz
bei der Umsetzung andere Normen des Völkerrechts543 verletzt, wird
im Sub-Teil zu den Rechtfertigungsgründen eingegangen544.

2. Weitere Pflichten

Es stellt sich nun die Frage, ob abgesehen den eben besprochenen Re-
solutionen des UNO-Sicherheitsrats545 weitere völkerrechtliche Nor-
men die Schweiz verpflichten, Sanktionen zu verhängen.
Zunächst ist zu prüfen, ob auch Resolutionen der UNO-
Generalversammlung Pflichten zum Erlass von Sanktionen begründen
können. Dies ist zu verneinen: Zwar ist die Generalversammlung
sachlich grundsätzlich umfassend zuständig (vgl. Art. 10 SVN), somit
auch für Angelegenheiten der kollektiven Sicherheit (vgl. Art. 10 und
Art. 11 Abs. 1-2 SVN), denn der Sicherheitsrat ist hierfür nur primär,
nicht exklusiv zuständig546. Entscheidend ist aber, dass die General-

543 Namentlich die im zweiten Sub-Teil zu untersuchenden Schranken, unten, S. 137 ff.
544 Unten, S. 242 ff.
545 Soeben, S. 126 ff.
546Art. 12 Abs. 1 SVN sieht für solche Beschlüsse der Generalversammlung nur insoweit
eine temporäre Sperre vor, als der Sicherheitsrat bereits mit einer bestimmten Massnah-

134
Weitere Pflichten

versammlung nicht zu verbindlichen Beschlüssen, sondern nur zu un-


verbindlichen Empfehlungen befugt ist (vgl. Art. 10 f. SVN). Das gilt
auch für Feststellungen zu den Voraussetzungen von Art. 39 SVN und
zu erwünschten Zwangsmassnahmen547. Wenn die Generalversamm-
lung verbindliche Massnahmen für nötig hält, hat sie den Fall an den
Sicherheitsrat zu verweisen (vgl. Art. 11 Abs. 2 SVN)548.
Noch einfacher beurteilen lässt sich die Pflicht der Schweiz, EU-
Sanktionen mitzutragen - der Hauptfall der Sanktionen der "wichtigs-
ten Handelspartner" gemäss Art. 1 EmbG549. Da die Schweiz nicht
Mitglied der EU ist und auch die bestehenden Vertragswerke keine
diesbezüglichen Pflichten vorsehen, ist die Schweiz in der Umsetzung
dieser Sanktionen völkerrechtlich frei.
Im Falle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Eu-
ropa (OSZE) liegt zwar eine Mitgliedschaft der Schweiz vor. Es ergibt
sich aber aus den Normen des OSZE-Rechts keine Pflicht einzelner
Mitgliedstaaten, Finanzsanktionen gegen andere Staaten zu ergreifen.
Dasselbe gilt auch für die Beteilung an unilateralen Sanktionen weite-
rer Handelspartner und sonstiger Drittstaaten: Es sind keine völker-
rechtlichen Normen ersichtlich, gemäss derer die Schweiz zum Erlass
oder an der Beteiligung von Finanzsanktionen verpflichtet wäre550.
Schliesslich ergibt sich auch aus dem völkerrechtlichen Recht der Ge-
genmassnahmen551 grundsätzlich keine Pflicht, Sanktionen zu ergrei-

me befasst ist. Hierzu und zur Herausforderung dieses Grundsatzes durch die "Uniting
for Peace"-Resolution vom 3.11.1950 vgl. KLEIN, Organisationen, S. 323 f.
547Vgl. KLEIN, Organisationen, S. 323 f. m.w.H.; Vgl. VOCK, Embargomassnahmen, S.
220.
548 Vgl. KLEIN, Organisationen, S. 323 f.
549 Vgl. BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1434.
550Daran ändert nichts, wenn weitere völkerrechtliche Normkomplexe Sanktionen vor-
sehen. Für die vorliegende Fragestellung entscheidend ist einzig, dass die Schweiz ent-
weder durch die jeweilige Institution nicht gebunden ist (z.B. im Falle der erwähnten
EU-Massnahmen) oder dass die Massnahmen direkt zwischen dem Sanktionsadressaten
und einer Institution oder einem verletzten Drittstaat abgewickelt werden (z.B. im Falle
der WTO-Massnahmen nach Art. 22 DSU) oder aber schliesslich, dass es sich schon gar
nicht um die hier untersuchten Finanzsanktionen bzw. die Sperrung von Geldern handelt.
551 Siehe dazu unten, S. 245 ff.

135
Pflichten zum Erlass von Finanzsanktionen

fen552. Eine Besonderheit findet sich immerhin in Art. 41 Abs. 2 des


ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit553: Danach trifft im Falle
von "Serious breaches of obligations under norms of peremptory ge-
neral international law" alle Staaten die Pflicht, die illegale Situation
nicht anzuerkennen "nor render aid or assistance in maintaining that
situation". Die Bedeutung dieser Bestimmung für die vorliegende Un-
tersuchung ist jedoch gering, da der Entwurf erstens unverbindlich ist,
zweitens das Konzept des "international crime" höchst umstritten ist
und drittens sowohl sein Anwendungsbereich als seine Rechtsfolgen
weitgehend ungeklärt sind554.

3. Fazit

Die einzige Pflicht der Schweiz, (Finanz-) Sanktionen zu erlassen,


liegt im System der kollektiven Sicherheit der UNO begründet. Für
die Schweiz sind die Sanktions-Resolutionen des Sicherheitsrats
grundsätzlich rechtsverbindlich und müssen aufgrund ihres Vorrangs
auch dann umgesetzt werden, wenn sie allenfalls andern völkerrechtli-
chen oder landesrechtlichen Normen widersprechen. Überprüfungs-
mechanismen existieren auf internationaler Ebene gar nicht, auf natio-
naler Ebene nur in sehr beschränktem Ausmass.
Weitere Pflichten zum Erlass solcher Sanktionen sind nicht ersichtlich.
Sie ergeben sich insbesondere weder aus den unverbindlichen Resolu-
tionen der UNO-Generalsverammlung, noch aus dem Recht der EU
oder der OSZE, noch aus dem gesicherten Stand des Rechts der Ge-
genmassnahmen.

552 Vgl. zu dieser Diskussion KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 63 ff.


553 Vgl. hierzu oben, S. 41 ff.
554 Vgl. zum Ganzen ILC, State Responsibilty, S. 110 ff.

136
II. Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Im vorhergehenden Sub-Teil wurde untersucht, ob und in welcher


Weise das Völkerrecht die Schweiz verpflichtet, Finanzsanktionen in
Form der Sperrung von Geldern zu erlassen555. In diesem Sub-Teil
geht es nun umgekehrt darum zu prüfen, inwiefern das Völkerrecht
der Schweiz Schranken setzt, wenn sie zu solchen Sanktionen greift.
Ausgangspunkt ist dabei die staatliche Souveränität, wie sie das Völ-
kergewohnheitsrecht und Art. 2 (1) der UNO-Charta stipulieren556.
Daraus folgt die Vermutung der Staatenfreiheit: Danach ist als Hypo-
these von der Freiheit der Staaten auszugehen, sich nach Belieben zu
verhalten557. Dieser fundamentale Grundsatz erschliesst sich nicht
ohne Weiteres aus innerstaatlichem Rechtsdenken, denn obschon diese
"Vermutung der Freiheit" im liberalen Rechtsstaat für das Individuum
gilt, bedarf dort der Staat selber für sein Handeln stets einer besonde-
ren rechtlichen Grundlage. Anders sieht es auf der völkerrechtlichen
Ebene aus: Schranken bestehen demnach nur in dem Masse, als das
Völkerrecht solche enthält558. Nur durch den Nachweis einer solchen
völkerrechtlichen Schranke wird die Hypothese der Handlungsfreiheit
in einem bestimmten Fall widerlegt559.
Zwar besteht das moderne, kooperative Völkerrecht aus einem dichten
Geflecht von Normen, die nahezu jeden denkbaren Bereich erfassen;
555 Soeben, S. 113 ff.
556Vgl. zur Souveränität z.B. BROWNLIE, International Law, S. 287 ff.; DOEHRING, Völ-
kerrecht, S. 56 ff.
557 Vgl. VITZTHUM, Begriff, S. 26; ODENDAHL, Bundesverfassung und Völkerrecht, S.
23.
558So schon das berühmte (wenn auch umstrittene) Lotus-Urteil des StIGH von 1927,
wonach "keine Vermutung für eine Einschränkung der Unabhängigkeit der Staaten"
besteht (PPCIJ, Series A, No 10), vgl. dazu statt vieler VITZTHUM, Begriff, S. 26.
559 Im Einzelnen ist die Beweislast für das Vorliegen bestimmter Normen komplizierter,
vgl. z.B. BROWNLIE, International Law, S. 288 f. Es geht vorliegend aber nicht um eine
exakte prozessuale Beweislastregel, sondern um einen tauglichen wissenschaftlichen
Ansatz zur Analyse völkerrechtlicher Pflichten. Dafür taugt die Hypothese der Staaten-
freiheit unbeschränkt.

137
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

insofern ist die staatliche Souveränität faktisch in vielfältigster Weise


eingeschränkt560. Das ändert aber nichts am methodischen Prinzip,
dass es nicht genügt, eine Einschränkung der staatlichen Souveränität
zu behaupten; eine Schranke besteht nur soweit, als sie in Form einer
anerkannten völkerrechtlichen Rechtsquelle561 tatsächlich existiert562.
Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass von der Hypo-
these ausgegangen wird, dass die Schweiz beim Erlass von (Finanz-)
Sanktionen grundsätzlich frei ist. Nur in dem Masse, als bestimmte
Normen des Völkerrechts vorliegen, die zumindest in gewissem Mas-
se Schranken für den Erlass solcher Sanktionen enthalten, ist diese
Freiheit beschränkt.
In den folgenden Kapiteln werden daher verschiedene völkerrechtliche
Normkomplexe daraufhin untersucht, ob und inwiefern sie solche
Schranken beinhalten. Den Anfang macht die Analyse des Gewaltver-
bots563, gefolgt vom Interventionsverbot564, von den Regeln über die
völkerrechtliche Zuständigkeit565, der Pflicht zur friedlichen Streitbei-
legung566, dem Neutralitätsrecht567, dem internationalen Menschen-
rechtsschutz568, dem Wirtschaftsvölkerrecht569 und den Regeln der

560 Vgl. statt vieler SHAW, International Law, S. 10 ff.; VITZTHUM, Begriff, S. 26.
561 Siehe zu den Rechtsquellen des Völkerrechts Art. 38 IGH-Statut und aus der Lehre
statt vieler THÜRER, Völkerrecht, S. 89 ff. und DOEHRING, Völkerrecht, S. 121 ff. Verein-
facht dargestellt, zählen dazu das Völkergewohnheitsrecht, das Völkervertragsrecht, die
allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie gewisse einseitige Rechtsakte und das Sekundär-
recht internationaler Organisationen.
562 Dieser Satz erscheint zwar tautologisch: Völkerrechtliche Schranken bestehen nur
insofern, als das Völkerrecht Schranken vorsieht. Ihm liegt aber die fundamentale (wenn
auch eigentlich selbstverständliche) Aussage zu Grunde, dass der relevante Bezugspunkt
für völkerrechtliche Aussagen das Völkerrecht selber ist, nicht rechtspolitische Wünsche
oder ontologische Analysen.
563 Unten, S. 139 ff.
564 Unten, S. 142 ff.
565 Unten, S. 148 ff.
566 Unten, S. 160 ff.
567 Unten, S. 171 ff.
568 Unten, S. 179 ff.
569 Unten, S. 194 ff.

138
Gewaltverbot

völkerrechtlichen Immunität570. Zum Abschluss des Sub-Teils folgt


eine summarische Übersicht über weitere denkbare Schranken571.

1. Gewaltverbot572

Dieses Kapitel behandelt das völkerrechtliche Gewaltverbot und die


Frage, ob Finanzsanktionen dieses verletzen können. Der erste Ab-
schnitt573 gilt dem Gewaltverbot im Allgemeinen, seiner Definition,
seiner Rechtsgrundlage und seinem Schutzbereich. Der zweite Ab-
schnitt574 ist der Frage gewidmet, ob das Gewaltverbot eine Schranke
für Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern darstellt.

A. Allgemeines

Der in Art. 2 (4) der UNO-Charta enthaltene Grundsatz des Gewalt-


verbots ist das Fundament des Systems der kollektiven Sicherheit575.
Er ist einer der bedeutendsten Grundsätze der UNO-Charta. Dieses
„Herzstück der UN-Charta“576 lautet wie folgt: „Alle Mitglieder unter-

570 Unten, S. 219 ff.


571 Unten, S. 239 ff.
572 Zum Gewaltverbot im Allgemeinen siehe u.a. ALLAND, Justice privée, S. 155 ff.;
SHAW, International Law, S. 1019 f.; DINSTEIN, War, S. 81; WHITE/ABBAS, Countermea-
sures, S. 506 f., S. 517; FUKATSU, Coercion, S. 1194; HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S.
127 ff.; KAUSCH, Embargo, S. 61; DICKE, Intervention, S. 14; RESS, Handelsembargo, S.
13 ff.;. CARREAU, Droit international, S. 519 f.; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S.
98; HINZ, Sanktionen, S. 48; GRAF VITZTHUM, Begriff, S. 1 ff.; SCHRÖDER, Verantwort-
lichkeit, S. 577 ff.; BOTHE, Friedenssicherung, S. 637 ff.; STELTER, Gewaltanwendung, S.
51 ff.; RANDELZHOFER, Art. 2 (4) SVN, S. 116 ff; KEWENIG, Zwangsmassnahmen, S. 11
ff.
573 Sogleich, S. 139 ff.
574 Unten, S. 141.
575 Vgl. zum System der kollektiven Sicherheit oben, S. 114 ff.
576 VITZTHUM, Begriff, S. 27.

139
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

lassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale


Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates ge-
richtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinba-
re Androhung oder Anwendung von Gewalt.“
Der Begriff der "Gewalt" ist weder in Art. 2 (4) noch an anderer Stelle
der Charta näher definiert; um diesen zentralen Begriff einer zentralen
Norm der UNO-Charta ranken sich deshalb zahlreiche Probleme, die
von Völkerrechtswissenschaft und -praxis bei weitem noch nicht ge-
löst sind577. Für die vorliegende Untersuchung entscheidend ist jedoch
einzig die Frage, ob auch wirtschaftlicher Zwang unter das Gewalt-
verbot fallen kann. Diese frühere Streitfrage entscheidet sich entlang
folgender Argumentationslinien:
Bereits bei der Formulierung des Art. 2 (4) der UN-Charta im Frühjahr
1945 wurde die Forderung abgelehnt, den Begriff der Gewalt auch auf
nicht-militärische, etwa wirtschaftliche Massnahmen auszudehnen578.
Später vertraten Länder der Dritten Welt und die ehemaligen sozialis-
tischen Staaten die These, dass der Einsatz wirtschaftlicher Machtmit-
tel, wie Import- und Exportbeschränkungen, Kontoblockierungen oder
die Vorenthaltung von Entwicklungshilfe, den Auswirkungen des Ein-
satzes militärischer Macht gleichzustellen sei579, jedoch ohne sich da-
mit durchsetzen zu können580.
Auch die UNO-Generalversammlung hat sich 1970 und 1974 in zwei
Erklärungen (Friendly Relations Declaration und Definition of Ag-
gression)581 um eine nähere Bestimmung des Inhalts des Gewaltverbo-
tes bemüht und dabei u.a. über den Begriff der militärischen Gewalt
sowie verbotene Interventionen diskutiert. Die klare Erkenntnis: „The
Declaration underlines the fact that the scope of Art. 2 (4) is restricted

577 Vgl. STELTER, Gewaltanwendung, S. 52; RANDELZHOFER, Art. 2 (4) SVN, S. 117.
578 Vgl. VITZTHUM, Begriff, S. 35; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 96.
579 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 1076; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 96.
580 Vgl. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 635; RESS, Handelsembargo, S. 13 ff.
581
Friendly Relations Declaration, Resolution 2625 (XXV) vom 24. Oktober 1970 und
Definition of Aggression, Resolution 3314 (XXIX) vom 14. Dezember 1974.

140
Gewaltverbot

to armed force“582. „The term does not cover any possible kind of
force, but is, according to the correct and prevailing view, limited to
armed force“583.
Die UNO-Charta selber, so wird anderweitig argumentiert, spricht in
ihrer Präambel im Zusammenhang mit Gewalt ausdrücklich von "Waf-
fengewalt". Lediglich militärische Gewalt wird auch von Art. 42, 44
oder 51 SVN erfasst, was zum Schluss führt, dass die UNO-Charta
unter dem Aspekt des Gewaltverbots generell nur die militärische
Gewalt versteht584. Zum selben Schluss kommt auch der IGH in sei-
nem berühmten Nicaragua-Urteil585, wonach die mit Waffengewalt
durchgeführten Handlungen bewaffneter Banden, Freischärlern oder
Söldnern unter den Gewaltbegriff fallen, nicht aber die wirtschaftli-
chen Massnahmen der Vereinigten Staaten gegen Nicaragua. Der wirt-
schaftliche Zwang gegenüber einem anderen Staat ist danach aus-
chliesslich im Hinblick auf einen Verstoss gegen das Interventionsver-
bot zu prüfen586.
Die lange umstrittene Frage, ob die Ausübung von wirtschaftlichem
Druck in den zwischenstaatlichen Beziehungen möglicherweise unter
das Gewaltverbot fällt, kann somit heute aufgrund einer weitgehend
eindeutigen Staatenpraxis, der herrschenden Lehre und der Rechtspre-
chung des IGH klar negativ beantwortet werden587.

B. Bedeutung für Finanzsanktionen

Alle Versuche, Wirtschaftssanktionen als Ausübung „wirtschaftlichen


Zwangs“ dem Gewaltverbot zu unterstellen, haben sich nicht durch-
582 RANDELZHOFER, Art. 2 (4) SVN, S. 118; vgl. BOTHE, Friedenssicherung, S. 647.
583 RANDELZHOFER, Art. 2 (4) SVN, S. 117.
584 Vgl. VITZTHUM, Begriff, S. 35; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 96.
585 ICJ Reports 1984, S. 392 ff, vgl. oben, Fn 521.
586Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 1074 und S. 1076; ICJ Reports 1984, S. 392 ff, vgl. oben,
Fn 521.
587 Vgl. zusammenfassend STELTER, Gewaltanwendung, S. 61 f.

141
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

setzen können588. In der Lehre ist auch massiver wirtschaftlicher


Druck, etwa durch Unterbrechung lebenswichtiger Lieferungen oder
durch das Absperren der Wasserzufuhr, nicht als Verletzung des Ge-
waltverbotes qualifiziert worden589.Wirtschaftlicher Zwang per se und
damit auch Finanzsanktionen als Unterfall von Wirtschaftssanktionen
fallen nicht unter das Gewaltverbot. Zu untersuchen ist jedoch im Fol-
genden, inwiefern solcher Zwang das Interventionsverbot verletzt.

2. Interventionsverbot590

In diesem Kapitel geht es um das völkerrechtliche Interventionsverbot


und die Frage, ob Finanzsanktionen dieses verletzen können. Der erste
Abschnitt591 behandelt das Interventionsverbot im Allgemeinen, seine
Definition, seine Rechtsgrundlage und seinen Schutzbereich. Der
zweite Abschnitt592 gilt dem wirtschaftlichem Zwang im Besonderen
und der dritte593 der Frage, ob das Interventionsverbot eine Schranke
für Finanzsanktionen, namentlich die Sperrung von Geldern, darstellt.

588 Vgl. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 635; RESS, Handelsembargo, S. 13 ff.


589 Vgl . BOTHE, Friedenssicherung, S. 647; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 96.
590 Zum Interventionsverbot im Allgemeinen siehe u.a. WHITE/ABASS, Countermeasures,
S. 516 f.; KAUSCH, Embargo, S. 61; DICKE, Economic Coercion, S. 13 ff.; RESS, Han-
delsembargo, S. 16 ff.; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 97 f.; OPPERMANN, Inter-
vention, S. 1436 ff.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 629 ff.; IPSEN, Völkerrecht, S.
1067 ff., S. 1100 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 23 ff.;TRAUTNER, Einmi-
schung; DICKE, Intervention; BESTERMANN, Einmischungsverbot; ABI-SAAB, Non-
Intervention; COMBACAU/SUR, Droit international public, S. 262 ff.; SHAW, International
Law, S. 1039 ff.; BROWNLIE, Principles, S. 290 f; KEWENIG, Zwangsmassnahmen, S. 14
ff.
591 Sogleich, S. 143 ff.
592 Unten, S. 147 f.
593 Unten, S. 147 f.

142
Interventionsverbot

A. Allgemeines

Interventionen oder Einmischungen sind - vereinfacht gesagt - staatli-


che Eingriffe von bestimmter Intensität in die Belange anderer Staa-
ten. Eine einheitliche und unbestrittene Definition ist allerdings nicht
zu finden; im Gegenteil: Es gibt fast beinahe so viel Definitionsvor-
schläge, wie es Arbeiten zu diesem Thema gibt594.
Ausgangspunkt für die Behandlung der Intervention in der modernen
Völkerrechtsliteratur ist eine von OPPENHEIM stammende Definition
von 1955: Danach ist die Intervention eine „dictatorial interference by
a State in the affairs of another State for the purpose of maintaining or
altering the actual condition of things”595. Schon in dieser Definition
sind die beiden Elemente genannt, welche das Interventionsverbot
konstituieren: Der staatliche Eingriff in Belange eines anderen Staates
(mit dem Zweck seiner Beeinflussung) sowie der Zwangscharakter
dieses Eingriffes. Diese beiden Elemente werden nachfolgend darge-
stellt. Zuerst ist aber die Rechtsgrundlage des Interventionsverbotes zu
klären.
Das zwischenstaatliche Interventionsverbot ist in der UNO-Charta
nicht ausdrücklich normiert596. Art. 2 (7) SVN betrifft zwar ein Einmi-
schungsverbot, verpflichtet aber damit ausschliesslich die UNO und
ihre Organisationen, nicht in Angelegenheiten einzugreifen, die ihrem
Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören597. Die
Rechtsgrundlage für das zwischenstaatliche Interventionsverbot findet
sich vielmehr in Art. 2 (1) SVN, der das Prinzip der souveränen
Gleichheit aller UN-Mitglieder festlegt. Diese souveräne Gleichheit
würde tangiert, dürften andere Staaten „auf die der einzelstaatlichen

594Vgl. TRAUTNER, Einmischung, S. 3; DICKE, Intervention, S. 15; BESTERMANN, Einmi-


schungsverbot, S. 23 f.
595
OPPENHEIM/LAUTERPACHT, International Law, S. 305; vgl. TRAUTNER, Einmischung,
S. 3.
596Zum zwischenstaatlichen Interventionsverbot gemäss UNO-Charta siehe STEIN/VON
BUTTLAR, Völkerrecht, S. 238; BESTERMANN, Einmischungsverbot, S. 33 f.; TRAUTNER,
Einmischung, S. 12 f.; ABI-SAAB, Non-Intervention, S. 227.
597 Vgl. BROWNLIE, Principles, S. 293.

143
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Entscheidung vorbehaltenen Bereiche“598 einwirken. Die Gewährleis-


tung der Souveränität verlangt deshalb den Schutz durch das Interven-
tionsverbot599. Ebenso wie die souveräne Gleichheit der Staaten gehört
das Interventionsverbot überdies dem Gewohnheitsrecht an600, wie
auch der IGH im Nicaragua-Urteil festhielt601.
Das erste Element des Interventionsverbotes ist sein Schutzbereich.
Der der einzelstaatlichen Entscheidung vorbehaltene Bereich umfasst
jene Angelegenheiten, die nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag,
das Völkergewohnheitsrecht oder eine sonstige Bestimmung des Völ-
kerrechts geregelt werden602; er wird auch als „domaine réservé“ oder
„domestic jurisdiction“ bezeichnet. Dieser Bereicht ist im Umfang
von Staat zu Staat verschieden und unterliegt zeitlicher Verände-
rung603. Schutzgut der Intervention ist also die staatliche Souveränität.
Eine dem Interventionsverbot der UNO-Charta unterliegende Einmi-
schung liegt demnach vor, wenn sie in den Bereich des „domaine ré-
servé“ erfolgt. Es liegt auf der Hand, dass dieser Schutzbereich nur
sehr vage umrissen werden kann604.
Hinzu kommt, als zweites Element, dass diese Einmischung unter An-
drohung oder Anwendung von Zwang erfolgen muss605. Das Element
des Zwanges ist entscheidend für die Abgrenzung der verbotenen In-
tervention von der noch zulässigen Einwirkung606. Über das Ausmass
598 IPSEN, Völkerrecht, S. 1100.
599 Vgl. SHAW, International Law, S. 1039; BROWNLIE, Principles, S. 287.
600 Vgl. SHAW, International Law, S. 1039.
601 ICJ Reports 1984, S. 100 ff. (vgl. oben, Fn 521).
602 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 1101.
603Vgl. COMBACAU/SUR, Droit international public, S. 263; BROWNLIE, Principles, S.
290 f.
604Vgl. statt vieler CASSESE, International Law, S. 55. Nach BROWNLIE, Principles, S.
290 f. hat der Begriff des domaine reservé überhaupt keine eigenständige Bedeutung, da
er blosse Tautologie sei: "Matters within the competence of states (…) are said to be
within the reserved domain, the domestic jurisdiction, of states. This is tautology, of
course, and as a matter of general principle the problem of domestic jurisdiction is not
very fruitful."
605 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 1100; TRAUTNER; Einmischung, S. 59.
606
Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 1069 und S. 1102 f.; COMBACAU/SUR, Droit international
public, S. 264 f.; CASSESE, International Law, S. 55.

144
Interventionsverbot

des Drucks oder Zwangs bestehen allerdings sehr unterschiedliche


Auffassungen607. Es scheint geradezu unmöglich, Druck oder Zwang
allgemein zu definieren bzw. allgemein anerkannte und für alle mögli-
chen Situationen geltende Abgrenzungskriterien zu finden. Einigkeit
herrscht einzig darüber, dass der Zwang in Intensität und Wirkung
über die in den internationalen Beziehungen tolerierten politischen,
diplomatischen und wirtschaftlichen Druckmittel hinausgehen
muss608.

B. Wirtschaftlicher Zwang im Besonderen

Nach diesen allgemeinen Ausführungen ist nun zu untersuchen, inwie-


fern wirtschaftlicher Zwang eine verbotene Intervention darstellen
kann.
Angesichts des Gewaltverbotes in den internationalen Beziehungen
und der Bedeutung der internationalen Wirtschaftsverflechtungen ü-
berrascht es nicht, dass die Staatengemeinschaft und einzelne Staaten
in den letzten Jahrzehnten versucht haben, missbilligtes Verhalten an-
derer Staaten mit wirtschaftlichen Massnahmen unterhalb der Gewalt-
schwelle zu bekämpfen609. Nachdem Versuche gescheitert waren, sol-
che wirtschaftlichen Druckmittel unter das Gewaltverbot zu subsum-
mieren610, wurde bald der Ruf laut, diese zumindest als verbotene In-
tervention zu betrachten611.

607Vgl. TRAUTNER, Einmischung, S. 59 ff.; BESTERMANN, Einmischungsverbot, S. 46,


sieht als „überzeugende„ Möglichkeit, dem Interventionstatbestand die Fälle von
Zwangsausübung unterhalb der Gewaltschwelle zuzuordnen. Damit ist aber nicht viel
gewonnen.
608Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 242; COMBACAU/SUR, Droit international
public, S. 264. Damit wird eine Mindestschwelle angedeutet, doch wird damit das Prob-
lem der Rechtmässigkeit einfach auf die Frage der Tolerierbarkeit verwiesen.
609 Siehe dazu z.B. DICKE, Intervention, S. 239.
610 Dazu oben, S. 139 ff..
611
Vgl. Dicke, Intervention, S. 239; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 245; IPSEN,
Völkerrecht, S. 1104 f.

145
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Bezüglich des Schutzbereiches des Interventionsverbotes gilt immer-


hin als gesichert, dass die Ausübung wirtschaftlichen Zwangs grund-
sätzlich unter das Interventionverbot fällt612. Allerdings wird nur das
unter Anwendung oder zumindest Androhung von Zwang erfolgte
wirtschaftliche Druckmittel vom Interventionsverbot erfasst613.
Wann aber der in den internationalen Handels- und Wirtschaftsbezie-
hungen erlaubte Druck in den verbotenen Zwang umschlägt bzw. wie
zulässige wirtschaftspolitische Druckausübung von völkerrechtswidri-
gen Zwangsmassnahmen abzugrenzen sind, ist die nicht gelöste Kern-
frage614. Die Lehre geht davon aus, dass „nur solch extreme Formen
der wirtschaftlichen Druckausübung unter das Interventionsverbot
fallen, die vitale Staatsinteressen berühren und den Staat in der Aus-
übung seiner Souveränität behindern"615. Hierfür werden verschie-
denste Massstäbe angeboten616. Herrschend dürfte aber die Auffassung
sein, dass nur extreme Formen wirtschaftlichen Einflusses als verbo-
tener Zwang gelten617.

612Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 245; BROWNLIE, Principles, S. 54 f.; RESS,


Handelsembargo, S. 16. Dies ist - geprägt duch den Eifer der Entwicklungsländer - auch
in mehreren Resolutionen der UNO-Generalversammlung festgehalten worden, z.B. in
der bereits erwähnten Friendly Relations-Deklaration von 1970 (vgl. oben, Fn 581) oder
in der Erklärung über die Unzulässigkeit der Intervention und der Einmischung in die
inneren Angelegenheiten (Resolution 2131 (XX) vom 21. Dezember 1965.
613 Vgl. BROWNLIE, Principles, S. 55; IPSEN, Völkerrecht, S. 1102.
614Vgl. u.a. TRAUTNER, Einmischung, S. 83;. VITZTHUM, Begriff, S. 36; SCHRÖDER,
Verantwortlichkeit, S. 635.
615 CASSESE, International Law, S. 55; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 245.
616Vgl. z.B. KEWENIG, Zwangsmassnahmen, S. 16 f., oder den sehr weiten Massstab von
THOMAS/THOMAS, Non-Intervention, S. 409: Wirtschaftliche Massnahmen, inkl. das
Einfrieren von Vermögen fremder Staaten, stellen danach grundsätzlich keine Interventi-
on dar, es sei denn, sie bezwecken, Druck auf einen anderen Staat auszuüben, um ihn zu
einer bestimmten Politik zu zwingen. Damit wird die Schwelle zur verbotenen Interven-
tion subjektiv angeknüpft und sehr tief gelegt. Auf der anderen Seite der Skala finden
sich Konzepte wie jenes von DICKE, Intervention, S. 162, 229: Danach sei eine rechts-
widrige Intervention nur dann gegeben, wenn sie rechtswidrige Mittel zur Beeinflussung
eines anderen Völkerrechtssubjektes einsetzt.
617 Vgl. CASSESE, InternationalLaw, S. 55, STELTER, Gewaltanwendung, S. 52 f.; RAN-
DELZHOFER, Art. 2 (4) SVN, S. 118; IPSEN, Völkerrecht, S. 1073, jeweils mit Hinweisen
auf die Friendly-Relations-Declaration.

146
Interventionsverbot

Aufgrund der praktischen Schwierigkeiten, Kriterien für das Mass des


Druckes und des Zwanges aufzustellen bzw. Schwere und Intensität
solcher Massnahmen überhaupt messbar zu machen, ist die Beurtei-
lung, ob wirtschaftliche Sanktionen verbotenen Zwang oder legitimen
Druck darstellen, schliesslich anhand des konkreten Einzelfalls vorzu-
nehmen618.

C. Bedeutung für Finanzsanktionen

Für die vorliegende Untersuchung von Finanzsanktionen in Form der


Sperrung von Geldern kann folgender Schluss gezogen werden:
Grundsätzlich können wirtschaftliche Sanktionen eine Einmischung in
den Schutzbereich des Interventionsverbotes darstellen. Verboten sind
sie aber nur, wenn sie zudem das verlangte Mindestmass an Zwang
enthalten. Da dieses Mass praktisch nur im Einzelfall festgelegt wer-
den kann, sind allgemeine Aussagen für Wirtschaftssanktionen
schwierig. Es ist aber in jedem Falle eine hohe Schwelle zu setzen619.
Es ist kaum denkbar, dass durch die blosse Sperrung derjenigen Gel-
der eines Völkerrechtssubjekts, auf welche die Schweiz Zugriff hat,
fundamental in die Souveränität des Adressten eingegriffen würde, so
dass von eigentlichem Zwang gesprochen werden könnte620. Dafür
wäre vorauszusetzen, dass der Adressat durch die Sperrung zumindest
einen massiven Anteil seiner Ressourcen verlieren würde, so dass sei-
ne vitalen Staatsinteressen beeinträchtigt wären621. Dies kann scho-
naufgrund der üblichen Diversifizierung von Staatsvermögen kaum je

618 Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 245.


619 Vgl. dazu RESS, Handelsembargo, S. 19.
620A. M. THOMAS/THOMAS, Non-Intervention, S. 411. Vgl. zum ausgedehnten Interven-
tionsbegriff dieser Autoren oben, Fn 616.
621 RESS, Handelsembargo, S. 19, bezieht sich für diese Schwelle auf "die Unterordnung

der souveränen Rechte" des Zielstaates.

147
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

vorkommen622. Es ist daher kaum vorstellbar, dass die Sperrung von


Geldern je eine verbotene Intervention darstellt.

3. Völkerrechtliche Zuständigkeit623

Finanzsanktionen im Sinne dieser Arbeit betreffen definitionsgemäss


internationale Sachverhalte. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit
der Schweiz nach dem Völkerrecht überhaupt die Zuständigkeit zu-
kommt, solche Sachverhalte zu regeln. Das folgende Kapitel widmet
sich demnach dem Recht der völkerrechtlichen Zuständigkeit, auch als
„Herrschaftsbereich“, „Gerichtsbarkeit“ oder „Jurisdiktion“ (Jurisdic-
tion) bezeichnet. Ziel ist die Klärung der Frage, ob und unter welchen
Regeln die Schweiz völkerrechtlich zuständig ist, im Rahmen von
wirtschaftlichen Sanktionen Gelder zu sperren. Dazu werden in einem
ersten Abschnitt624 die Regeln der völkerrechtlichen Zuständigkeit
allgemein dargestellt und im anschliessenden Abschnitt625 auf Finanz-
sanktionen in Form der Sperrung von Geldern angewandt.

A. Allgemeines

Staatliches Handeln kennt verschiedene Formen. Im folgenden Unter-


abschnitt sind daher die für die Zuständigkeitsfrage relevanten Hand-

622 Vgl. zu generellen Zweifeln an der Zwangswirkung von Sanktionen oben, Fn 345.
623 Zur völkerrechtlichen Zuständigkeit im Allgemeinen vgl. HIGGINS, Competence, S.
263 ff.; MANN, Legislative Jurisdiction, S. 139 ff.; AKEHURST, Jurisdiction, S. 31 ff.;
REINMUTH, US-Embargo, S. 79 ff.; MENG, Jurisdiktion, S. 269 ff.; BOS, Jurisdiction II, S.
133 ff.; BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 57 ff.; BROWNLIE, Principles, S. 297 ff.; CASSESE,
International Law, S. 49 f.; IPSEN, Völkerrecht, S. 310 ff.; DOEHRING, Völkerrecht, S. 352
ff.; SHAW, International Law, S. 572 ff., S. 611 ff.; CARREAU, Droit international, S. 306
ff.; HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 104 ff.; RESS, Handelsembargo, S. 29 ff.; COLAN-
GELO, Universal Jurisdiction, S. 149 ff.
624 Sogleich, S. 148 ff.
625 Unten, S. 154 ff.

148
Völkerrechtliche Zuständigkeit

lungsformen zu erörtern626, um sodann in den anschliessenden Unter-


abschnitten auf die einzelnen Regeln der Zuständigkeit einzugehen:
Zunächst auf die territoriale Zuständigkeit627, sodann auf die extrater-
ritoriale Zuständigkeit im Allgemeinen628 und schliesslich auf die für
Letztere anwendbaren Anknüpfungskriterien629.

a) Arten der Ausübung von Souveränität

Jeder Staat ist in seinem Staatsgebiet exklusiver Inhaber der Souverä-


nität und kann in diesem Gebiet seine Hoheitsmacht ausschliesslich
ausüben. Diese Hoheitsmacht besteht aus drei verschiedenen Kompe-
tenz- oder Herrschaftsbereichen, nämlich der Macht, Rechtsregeln zu
erlassen (jurisdiction to prescribe), der Macht, Gerichtsbarkeit auszu-
üben (jurisdiction to adjudicate) und der Macht, Rechte durchzusetzen
(jurisdiction to enforce)630.
Schweizer Finanzsanktionen werden in der Form bundesrätlicher Ver-
ordnungen erlassen631, mithin durch generell-abstrakte, legislative
Akte632. In zweiter Linie bedürfen diese Sanktionen natürlich auch der
Durchsetzung durch behördliche Akte sowie allfälliger (straf- oder
verwaltungs-) gerichtlicher Beurteilung. Doch Ausganspunkt ist stets
die Sanktionsverordnung, sodass im Folgenden das Augenmerk auf
die Befugnis, Rechtsregeln zu erlassen (jurisdiction to prescribe) ge-
legt wird. Dieser Themenkomplex verdient auch daher besondere
Aufmerksamkeit, als er bedeutend mehr Fragen aufwirft als die Kom-

626 Sogleich, S. 149 f.


627 Unten, S. 150 f.
628 Unten, S. 150 f.
629 Unten, S. 152 ff.
630Vgl. u.a. SHAW, International Law, S. 572 ff.; DOEHRING, Völkerrecht, S. 352 ff.; BOS,
Jurisdiction II, S. 133 f.; MANN, Legislative Jurisdiction, S. 140 f.; IPSEN, Völkerrecht, S.
310; REINMUTH, US- Embargo, S. 81. AKEHURST, Jurisdiction, S. 31, spricht von “execu-
tive jurisdiction, judicial jurisdiction und legislative jurisdiction”.
631 Vgl. oben, S. 103.
632 Zu ihrer individuell-konkreten Konotation vgl. oben, S. 84 f.

149
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

petenz zur Durchsetzung, die sich beinahe ausschliesslich auf das ei-
gene Staatsgebiet beschränkt633.

b) Territoriale Zuständigkeit

Alle Personen, die sich auf dem Territorium eines Staates befinden,
sind aufgrund der Souveränität dieses Staates prinzipiell seiner Ho-
heitsgewalt (Gebietshoheit) unterworfen. Staaten sind somit auf ihrem
eigenen Territorium umfassend zur Rechtsetzung und deren Durchset-
zung zuständig634. Umgekehrt sind aufgrund der Souveränität hoheit-
liche Massnahmen eines andern Staates in diesem Gebiet grundsätz-
lich völkerrechtlich unzulässig635. Doch insbesondere für die hier inte-
ressierende Rechtsetzungskompetenz kennt das Völkerrecht eine Viel-
zahl von Ausnahmen, welche auch eine extraterritoriale Zuständigkeit
begründen, wie sogleich ausgeführt wird.

c) Extraterritoriale Rechtsetzung allgemein

Dass sich die Regelungskompetenz eines Staates nicht auf die Gren-
zen seiner Gebietshoheit beschränkt, hielt bereits der StIGH im Lotus-
Urteil fest636. Danach lässt das Völkerrecht grundsätzlich zu, dass
Staaten Auslandsachverhalte regeln (sogenannte extraterritoriale
Rechtsetzung). Staatliche Rechtsnormen können also unter noch dar-
zustellenden Bedingungen an Sachverhalte anknüpfen, die sich aus-
serhalb des Staatsgebietes zutragen.

633Vgl. SCHNYDER, Wirtschaftskollisionsrecht, S. 106 f.; BROWNLIE, Principles, S. 306;


CASSESE, International Law, S. 50; SHAW, International Law, S. 577. Der StGH führte im
Lotus-Entscheid aus, dass die Durchsetzung von Normen „cannot be exercised by a State
outside its territory except by virtue of a permissive rule derived from international
custom or from a convention“ (PPCIJ, Series A, No 10, vgl. oben, Fn 558).
634
Vgl. DOEHRING, Völkerrecht, S. 352; IPSEN, Völkerrecht, S. 310 f.; REINMUTH, US-
Embargo, S. 82 f.; COMBACU/SUR, Droit international, S. 352 f. Bei genauer Betrachtung
ist die nötige Zuordnung eines Sachverhaltes zu einem Staatsgebiet jedoch nicht immer
einfach, vgl. dazu COMBACU/SUR, Droit international, S. 348.
635 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 311.
636 PPCIJ, Series A, No 10, vgl. oben, Fn 558; IPSEN, Völkerrecht, S. 319.

150
Völkerrechtliche Zuständigkeit

Folglich muss zwischen dem räumlichen Geltungsbereich einer Norm


und ihrem sachlichen Anwendungsbereich unterschieden werden. Im
räumlichen Geltungsbereich lässt sich die Norm festlegen, anwenden
und durchsetzen; sachlicher Anwendungsbereich sind jene Sachver-
halte, auf die sich die Regelung durch die Norm erstrecken darf637.
Das Völkerrecht verbietet wie erwähnt nicht grundsätzlich, dass diese
Erstreckung über den räumlichen Geltungsbereich erfolgt638. Zwar
können konkrete Rechtsfolgen des Auslandtatbestandes prinzipiell nur
im Inland angewandt und durchgesetzt werden, da sich die Durchset-
zungskompetenz auf das eigene Staatsgebiet beschränkt639. Trotzdem
wird bereits mit dem Erlass solcher Normen Verhalten im Ausland
sanktioniert und damit gesteuert.
In der Regel stimmen räumlicher Geltungsbereich und sachlicher An-
wendungsbereich überein, nämlich immer dann, wenn staatliche
Rechtsetzung ausschliesslich Sachverhalte innerhalb der eigenen Ge-
bietshoheit regelt. Erstreckt sich die Anwendbarkeit von Rechtsregeln
aber über den räumlichen Geltungsbereich hinaus, ist der normierende
Staat wie erwähnt völkerrechtlichen Beschränkungen unterlegen. Die-
se ergeben sich aus dem Recht territorialer Souveränität und dem In-
terventionsverbot640. Zwischen dem normierenden Staat und dem von
ihm normierten Auslandsachverhalt muss eine „echte Verknüpfung“
(„genuine link“)641 vorliegen. Die einen Auslandsachverhalt regelnde
Norm muss gleichzeitig einen Inlandsachverhalt betreffen, mit dem
der Auslandsachverhalt „echt oder substantiell und hinreichend“ ver-
knüpft ist642. Fehlt für eine Norm mit Auslandsbezug diese Verknüp-
fung, hat sich der normierende Staat eine Kompetenz angemasst, die

637 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 318 ff.


638Vgl. MENG, Jurisdiktion, S. 290; IPSEN, Völkerrecht, S. 319; RESS, Handelsembargo,
S. 29 ff.
639 Siehe oben, Fn 633.
640
Vgl. hierzu schon oben, S. 142 ff. Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 322.
641 Vgl. SCHNYDER, Wirtschaftskollisionsrecht, S. 102; IPSEN, Völkerrecht, S. 320. Die

Frage lautet: „Does there exist a sufficiently close connection between a given set of
facts and (...) a particular legislator qualified to regulate it?”; MANN, Legislative Jurisdic-
tion, S. 148.
642 IPSEN, Völkerrecht, S. 320 f.

151
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

ihm nicht zusteht. Er nimmt damit eine völkerrechtlich verbotene


Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates
vor643.

d) Anknüpfungskriterien

Ob eine genügende Anknüpfung vorliegt, ist anhand einer Reihe von


Anknüpfungskriterien zu überprüfen, die vorwiegend aus dem interna-
tionalen Strafrecht644 stammen, jedoch sinngemäss auch für das inter-
nationale Wirtschafts-(Sanktions-)Recht fruchtbar gemacht werden
können645. Dazu gehören nebst dem Territorialitätsprinzip das aktive
und passive Personalitätsprinzip, das Schutzprinzip, das Universali-
tätsprinzip und das Auswirkungsprinzip, auf die im Folgenden kurz
eingegangen wird.
Direkt aus der Gebietshoheit ergibt sich das häufigste Anknüpfungs-
kriterium, das Territorialitätsprinzip646. Der Staat übt auf seinem
Staatsgebiet wie erwähnt unbeschränkte Hoheitsmacht in dem Sinne
aus, als er auf seinem Gebiet umfassend zuständig ist, Normen zu er-
lassen, sie durchzusetzen und Recht zu sprechen. Zum Territorialitäts-
prinzip sind alle extraterritorialen Anknüpfungspunkte subsidiär.
Das aktive Personalitätsprinzip als Ausfluss der Personalhoheit eines
Staates besagt, dass der Staat seine Staatsbürger auch ausserhalb sei-
nes Territoriums Normen unterwerfen kann. So kann er z. B. einen
Täter seinem Strafrecht unterstellen, der seine Staatsangehörigkeit
besitzt, gleichgültig auf welchem Territorium die Tat begangen wur-

643 Vgl. IPSEN, Völkerrecht, S. 322.


644Vgl. MANN, Legislative Jurisdiction, S. 149. IPSEN, Völkerrecht, S. 322 ff., verweist
ebenfalls auf das internationale Strafrecht, aber auch auf andere Rechtsgebiete wie Inter-
nationales Steuerrecht und Kartellrecht, die teilweise abweichende Verknüpfungsprinzi-
pien kennen.
645So auch SCHNYDER, Wirtschaftskollisionsrecht, S. 103. Im vorliegenden Zusammen-
hang scheint der Beizug international-strafrechtlicher Kriterien auch daher gerechtfertigt,
weil sich Sanktionsregimes letztendlich auch in Strafnormen gegen Sanktionsbrecher
äussern.
646 Dazu soeben, S. 150 f.

152
Völkerrechtliche Zuständigkeit

de647. Das Personalitätsprinzip gilt auch für juristische Personen, wo-


bei die Bestimmung deren Nationalität grössere Probleme aufwirft als
bei natürlichen Personen648. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob
ein Staat seinen Arm auch nach ausländischen Töchtern und Filialen
von einheimischen Instituten ausstrecken darf.
Das passive Personalitätsprinzip bedeutet, dass der Staat fremde
Staatsangehörige seinen Normen unterwerfen kann, soweit deren
Handeln gegen einen eigenen Staatsangehörigen gerichtet ist649. Es
geht also um den Schutz eigener Staatsangehöriger als Opfer650.
Das Schutzprinzip651 erlaubt die Rechtsetzung mit extraterritorialem
Bezug, um Bedrohungen und Angriffe auf die staatliche Sicherheit
abzuwehren652 bzw. eng definierte weitere staatliche Interessen zu
wahren653.
Unter dem Universalitäts- bzw. Weltrechtsprinzip654 darf Jurisdiktion
sodann auch in Fällen ausgeübt werden, wenn zwar der Tatort nicht
zum Territorium des Staates gehört und weder Täter noch Opfer seine
Angehörigen sind, wenn aber dafür „das Schutzgut ein solches ist,
dessen Verletzung als eine solche der Staatengemeinschaft insgesamt
gewertet wird“655. Dazu gehören seit alters her die Piraterie sowie in

647 Vgl. DOEHRING, Völkerrecht, S. 356; COMBACU/SUR, Droit international, S. 353 ff.
648 BOS, Jurisdiction II, S. 135 (Art. 5 Ziff. 2); siehe auch REINMUTH, US-Embargo, S. 83
f.; HIGGINS, Competence, S. 283; AKEHURST, Jurisdiction, S. 36 f.
649 Vgl. COMBACU/SUR, Droit international, S 353 f.; REINMUTH, US-Embargo, S. 85 f.
650 BOS, Jurisdiction II, S. 135 (Art. 6 Ziff. 1).
651Siehe dazu u.a. HIGGINS, Competence, S. 284; AKEHURST, Jurisdiction, S. 37 f.;
MENG, Jurisdiktion, S. 304; COMBACU/SUR, Droit international, S. 355 f. Über das Aus-
mass der Bedrohung bestehen unterschiedliche Auffassungen. MENG, Jurisdiktion, S.
304, spricht von der Beeinträchtigung staatlicher Existenz und staatlicher Sicherheit,
BOS, Jurisdiction II, S. 135, von „certain interests of the State".
652 Vgl. REINMUTH, US-Embargo, S. 110.
653
Zu diesen weiteren staatlichen Interessen gehört z.B. der Schutz der Landeswährung
oder des Grenzverkehrs, vgl. COMBACU/SUR, Droit international, S. 355.
654 Siehe dazu u.a. COLANGELO, Universal Jurisdiction, S. 149 ff.; REINMUTH, US-

Embargo, S. 84 f.; BOS, Jurisdiction II, S. 135; HIGGINS, Competence, S. 264 ff.; AKE-
HURST, Jurisdiction, S. 40 ff.
655 DOEHRING, Völkerrecht, S. 357.

153
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

modernerer Interpretation auch Völkermord, Folter, Terrorismus,


Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Frauen- und
Mädchenhandel, Sklavenhandel und Flugzeugentführungen656.
Das Wirkungs- bzw. Auswirkungsprinzip657 („effects doctrine“) schli-
esslich erlaubt, „to exercise jurisdiction over persons abroad (even
non-nationals) for acts occurring abroad, which have intended to, and
did, have significant harmful effects within the territory asserting ju-
risdiction”658. Der genaue Umfang dieses (nicht unumstrittenen659)
Prinzips variert je nach Betrachter: So soll sich die Auswirkung der
ausländische Handlung „wesentlich innerhalb des Staatsgebietes ent-
falten“660; „spürbar und entweder vorhersehbar oder beabsichtigt
sein“661 bzw. „a significant one relating to the State’s public order or
interest“ sein662.

B. Bedeutung für Finanzsanktionen

Es ist nun zu prüfen, inwiefern die Schweiz unter Beachtung der ver-
schiedenen Anknüpfungskriterien zuständig ist, Finanzsanktionen in
Form der Sperrung von Geldern zu erlassen. Dafür sind im Folgenden
zunächst die wichtigsten Elemente der Finanzsanktion in Form der
Sperrung von Geldern zu identifizieren663. Diese sind anschliessend
656 Vgl. z.B. BROWNLIE, Principles, S. 303.
657Siehe dazu u.a. BOS, Jurisdiction II, S. 134; DOEHRING, Völkerrecht, S. 359 ff.; MENG,
Jurisdiktion, S. 302 f; RESS, Handelsembargo, S. 33 ff.
658 HIGGINS, Competence, S. 284.
659Siehe zu dieser Debatte, vornehmlich im Zusammenhang mit dem Einfrieren irani-
scher Konten durch die USA sowie bezüglich US-amerikanischer Kuba-Sanktionen
(„Helms-Burton“-, bzw. „D’Amato“-Gesetze) bzw. dem internationalen Wettbewerbs-
recht, STERN, Helms-Burton, S. 185 ff.; SZUREK/GHERARI, Helms-Burton, S. 19 ff.;
RESS, Handelsembargo, S. 32 ff.; SHAW, International Law, S. 611 ff., 616; HAKENBERG,
Iran-Sanktionen, S. 105 ff; RESS, Handelsembargo, S. 33 ff.
660 REINMUTH, US-Embargo, S. 87.
661 MENG, Jurisdiktion, S. 302.
662 BOS, Jurisdiction II, S. 134.
663 Sogleich, S. 155 f.

154
Völkerrechtliche Zuständigkeit

daraufhin zu überprüfen, inwiefern sie rein territorial anknüpfbar


sind664. Im Falle einer mangelnden territorialen Anknüpfung ist so-
dann zu erörtern, ob diese Elemente stattdessen ein extraterritoriales
Anknüpfungskriterium aufweisen665.

a) Sanktionselemente und ihre Anknüpfung

Eine typische Schweizer Wirtschaftssanktion in der Form der Sper-


rung von Geldern enthält wie dargestellt666 verschiedene Elemente.
Aus Sicht der völkerrechtlichen Zuständigkeit sind vier Elemente von
Interesse, nämlich: 1) Die Pflicht, jede Handlung zu verhindern, wel-
che die Verwaltung oder die Nutzung der Gelder ermöglicht; 2) Die
Pflicht für Personen oder Institutionen, die Gelder halten oder verwal-
ten, dies unverzüglich zu melden; 3) Die strafrechtliche Absicherung
dieser Pflichten und 4) die Beschlagnahmung oder Einziehung667.
Die Elemente 2)-4) müssen nachfolgend nicht selbständig nach ihrer
Anknüpfung überprüft werden: Die Strafbestimmungen sowie die
Einziehung sind nämlich Sekundärnormen, welche einzig die eigentli-
che Sanktion, nämlich die Verfügungsbeschränkung, absichern. Erst
wer z.B. die Meldepflicht verletzt oder die Nutzung gesperrter Gelder
ermöglicht, kann gemäss Embargogesetz bestraft werden. Auch die
Einziehung bezieht sich nur auf die Sicherung der durch die zentrale
Norm erfassten Vermögenswerte. Strafnorm und Einziehung haben
somit keinen eigenen expliziten territorialen Anwendungsbereich,
sondern knüpfen unmittelbar an die eigentliche Sanktion bzw. an die
Meldepflicht an. Doch auch die Meldepflicht muss nicht selbständig
angeknüpft werden: Die Gelder haltenden oder verwaltenden Perso-
nen und Institutionen, die verpflichtet werden, dies zu melden, sind

664 Unten, S. 156 ff.


665 Unten, S. 158 ff.
666 Oben, S. 105 ff.
667Gemeint ist jeweils die rechtsatzmässige Festlegung dieser Elemente. Die eigentliche
konkrete Durchsetzung ist wie erwähnt in jedem Falle fast nur territorial anzuknüpfen
(vgl. oben, S. 149 f.).

155
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

nämlich gleichsam schon von der primären Pflicht betroffen, die Ver-
fügung über die Gelder zu verhindern.
An diese primäre Pflicht knüpfen also die weiteren Pflichten an. Da-
her ist nun alleine diese Primärpflicht auf ihre Anknüpfung hin zu un-
tersuchen.

b) Territoriale Anknüpfung

Als erstes Anknüpfungskriterium ist das Territorialitätsprinzip beizu-


ziehen. Dies ist gleichbedeutend mit der zentralen Frage, ob die darge-
stellten Finanzsanktionen überhaupt einen extraterritorialen Bezug
haben. Solange sich ihr Anwendungsbereich nämlich einzig auf das
Schweizer Staatsgebiet erstreckt, ist die Problematik der Zuständigkeit
durch die Gebietshoheit abgedeckt.
Die primäre Pflicht aus der Sperrung von Geldern, nämlich das Verfü-
gungsverbot, hat in Bezug auf die Territorialität drei Aspekte, die
nachfolgend einzeln zu betrachten sind:
Zunächst bedeutet das Verfügungsverbot eine Handlungs- bzw. Unter-
lassungspflicht für die unmittelbar Betroffenen, nämlich die gegen-
wärtigen Inhaber von gesperrten Geldern. Dies können neben dem
anvisierten Völkerrechtssubjekt auch Dritte sein. Die Sperrung von
Geldern bedeutet dabei üblicherweise „die Verhinderung jeder Hand-
lung, welche die Verwaltung oder die Nutzung der Gelder ermöglicht
(…)".668 Die entsprechenden Sanktionen schweigen sich aber darüber
aus, wie weit sich diese Pflichten personell und räumlich erstrecken.
Der Wortlaut lässt die Interpretation zu, dass zum personellen Anwen-
dungsbereich „alle Personen“ und zum geografischen „die Welt“ ge-
hört. Da das Schweizer Verwaltungsrecht aber zumeist auf die Nen-
nung des impliziten Territorialitätsprinzips verzichtet, ist mangels an-
derer Hinweise davon auszugehen, dass die unmittelbare Pflicht des
Verfügungsverbotes nur diejenigen Inhaber solcher Gelder trifft, die

668 Vgl. oben, S. 104 ff.

156
Völkerrechtliche Zuständigkeit

sich auf Schweizer Staatsgebiet befinden669. Dieses Argument wird


auch dadurch gestützt, dass das Embargogesetz (z.B. in Art. 7 Abs. 1
lit. a) ausdrücklich auf parallele ausländische Sanktionen verweist und
damit impliziert, dass die eigene (Sanktions-) Verordnungen nur das
Inland bereffen. Auch der Bundesrat geht von diesem Verständnis
aus670. Das eigentliche Verfügungsverbot ist somit territorial ange-
knüpft; es besteht eine territoriale Anknüpfung via den Aufenthaltsort
der Geldinhaber bzw. über die Belegenheit des Geldes selber.
Neben den Inhabern gesperrter Gelder sind jedoch auch die eigentli-
chen Sanktionsadressaten, d.h. die an den Geldern berechtigten Perso-
nen, durch das Verfügungsverbot betroffen (sofern sie nicht sowieso
schon als aktuelle Inhaber betroffen sind). Diese Sanktionsadressaten
werden im Gegensatz zu Drittinhabern in den Anhängen der entspre-
chenden Verordnungen (oft mit detaillierten Angaben) aufgeführt.
Darunter fallen nebst ausländischen Staaten auch natürliche Personen,
Unternehmen, Organisationen und Körperschaften, die sich grossteils
im Ausland befinden. Wenn auch deren Gelder zumindest teilweise in
der Schweiz sind, kann nicht mehr von einer rein territorialen An-
knüpfung dieser Sanktionen gesprochen werden; die Sanktionsadres-
saten haben in fast allen Fällen keinerlei Bezug zur Schweiz, ge-
schweige denn Bürgerrecht oder Aufenthalt. Während sie formell in
vielen Fällen nur mittelbar von der Sanktion erfasst sind, trifft sie die

669 Zu diesem Urteil gelangen im Grundsatz auch KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Swit-

zerland, S. 548: “The relevant (…) legislation has remained silent as to their scope of
application (…). This means that Swiss implementing measures and legislation have only
been applied on a territorial basis“. Nur in zwei Fällen erkennen diese Autoren dennoch
extraterritoriale Elemente: Die Rhodesien-Sanktionen, welche jegliche Inhaber von
Schweizer Luftfahrzeug-Lizenzen erfassten, und die Angola-Sanktionen, welche sich auf
alle Schweizer Bürger erstreckten (vgl. KRAFFT/THÜRER/STADELHOFER, Switzerland, S.
549).
670 Dies ergibt sich e contrario daraus, dass der BUNDESRAT, Botschaft EmbG, S. 1454,
begründet, warum das Embargogesetz auch für das Fürstentum Lichtenstein anwendbar
sei: "Was den räumlichen Geltungsbereich des EmbG betrifft, ist auf Artikel 4 des Ver-
trages zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums
Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 29. März 1923 (…) zu verweisen.
(…) Das EmbG und seine Verordnungen werden also im Fürstentum anwendbar sein,
soweit sie zollvertragsrelevant sind".

157
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Wirkung quasi ausschliesslich. Der Auslandbezug dieser Sanktionen


ist damit erstellt671.
Dies trifft auch auf den dritten Aspekt zu, nämlich die eigentliche In-
tention der Sanktion, die Sanktionsadressaten mit der Sanktion zu ei-
ner Verhaltensänderung, namentlich zur Beendigung eines völker-
rechtswidrigen Zustandes, zu bewegen. Die Sanktion zielt damit auf
eine Steuerung eines Verhaltens, welches sich primär im Ausland ab-
spielen soll. Die Sanktion drückt damit durch ihren Zwang mittelbar
eine normative Erwartung aus, die sich zumeist auf das Ausland be-
zieht672.
Aus dieser Analyse geht hervor, dass eine rein territoriale Begründung
schweizerischer Zuständigkeit zu kurz greift.

c) Extraterritoriale Anknüpfung

Es ist daher zu untersuchen, welche der extraterritorialen Anknüp-


fungsprinzipien673 eine schweizerische Zuständigkeit zum Erlass der
Sperrung von Geldern begründen können.
Das aktive Personalitätsprinzip setzt voraus, dass der Sanktionsadres-
sat Schweizer Bürger ist. Dieses Kriterium, das naheliegenderweise
bei Sanktionen, die gegen Staaten direkt gerichtet sind, nicht greifen
kann, wird mit Blick auf die aktuelle Praxis auch gegen Individuen
nur selten anwendbar sein.
Auf das passive Personalitätsprinzip kann sich die Schweiz allenfalls
berufen, wenn die Völkerrechtsverletzung unmittelbar eigene Staats-

671Die gegenteilige Argumentation ginge dahin, dass die Schweiz alleine auf die Bele-
genheit des Geldes abstellen kann. Diese territoriale Anknüpfung würde weitere Anknüp-
fungen unnötig machen; vgl. z.B. HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 109. Dabei wird aber
die massive auslandbezogene Auswirkung solcher Sanktionen ausser Acht gelassen.
672 In diesem Punkt gleicht die Sanktion als Mittel der Rechtsdurchsetzung der Strafe:
Jede Norm, die für den Fall eines bestimmten Verhaltens (sei es "Wenn jemand jemanden
tötet…" oder "Wenn jemand Völkerrecht verletzt…"), nachteiligen Zwang androht ("…
wird mit Gefängnis bestraft" oder "… werden seine Gelder gesperrt") drückt damit eine
implizite Norm aus, das bestimmte Verhalten sei verboten, d.h. zu unterlassen.
673 Zu den einzelnen Prinzipien siehe oben, S. 152 ff.

158
Völkerrechtliche Zuständigkeit

angehörige betrifft, wie z.B. im Falle von Menschenrechtsverletzun-


gen gegen Schweizer Bürger. Auch dieses Prinzip kann in der Praxis
nur einen Bruchteil der Massnahmen rechtfertigen.
Das Schutzprinzip ist anwendbar, wenn die Völkerrechtsverletzung
die Sicherheit der Schweiz im beschriebenen Ausmasse gefährdet.
Auch dieses Prinzip kann nicht für jegliche Sanktionsregimes beige-
zogen werden; gemäss seiner hohen Eintrittsschwelle kann nicht ein-
mal bei jeder Bedrohung des Weltfriedens gemäss Art. 39 SVN674 von
einer Bedrohung der Staatssicherheit der Schweiz gesprochen werden.
Das Universalitätsprinzip sodann kann nur bei einem qualifizierten
Katalog von Völkerrechtsverletzungen angewandt werden.
Für alle durch obige Prinzipien noch nicht erfassten Sanktionen bleibt
somit das Wirkungsprinzip zu prüfen: Anlass für eine Sanktion ist eine
Völkerrechtsverletzung, und Ziel der Sanktion ist es, ihre Adressaten
zu einer Änderung ihres Verhaltens und damit zur Einstellung der
Völkerrechtsverletzung zu bewegen. Eine solche Völkerrechtsverlet-
zung betrifft die Schweiz unmittelbar in ihrer internationalen Rechts-
stellung. Diese internationale Rechtsstellung ist aber von der inner-
staatlichen Situation eines Staates nicht zu trennen, insbesondere in
monistischen Systemen675 Eine Völkerrechtsverletzung gegenüber der
Schweiz fällt nach dieser Betrachtung unter das Wirkungsprinzip und
schafft somit auch extraterritorial die Zuständigkeit zum Erlass von
Sanktionen676 gemäss dem völkerrechtsbezogenen Sanktionsbegriff
dieser Arbeit677.

674Zur grosszügigen Interpretation dieses Begriffes durch den UNO-Sicherheitsrat siehe


oben, S. 117 f.
675 Vgl. zum Monismus oben, S. 72 f.
676Noch umfassender will RESS, Handelsembargo, S. 29, extraterritoriale Sanktionen
zulassen. Im Zusammenhang mit der Regelung von Auslandsachverhalten erklärt er:
„Problematisch sind dabei nicht Massnahmen gegen den Staat, der durch sein Verhalten
Gegenmassnahmen ausgelöst hat (…), sondern [einzig] das Überschreiten der Rege-
lungsbefugnisse gegenüber Drittstaaten und deren Staatsangehörigen (…)“.
677.Die Argumentation öffnet einem extraterritorialen Interventionismus weder Tür noch
Tor: Anknüpfbar sind stets nur Massnahmen, die den hier verwendeten engen Sanktions-
begriff erfüllen, d.h. insbesondere auf einer Völkerrechtsverletzung basieren und einzig
darauf hinwirken, diese zu beseitigen (vgl. oben, S. 17 ff.). Ein so verstandenes Wir-

159
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

d) Fazit

Von den einzelnen Elementen einer Sperrung von Geldern war aus
Sicht der Zuständigkeit einzig die effektive Verfügungsbeschränkung
zu untersuchen; die weiteren Elemente knüpfen daran an. Diese ei-
gentliche Geldersperrung ist im unmittelbaren Kern territorial. Zu-
mindest mittelbar betroffen aber sind zumeist Sanktionsadressaten
ohne persönlichen oder räumlichen Bezug zur Schweiz. Ähnliches gilt
für den eigentlichen Beweggrund zur Sanktion, nämlich die Beendi-
gung einer im Ausland begangenen Völkerrechtsverletzung. Die Zu-
ständigkeit, Sanktionen mit Auslandbezug zu erlassen, lässt sich - je
nach konkretem Fall - aus verschiedenen extraterritorialen Anknüp-
fungsprinzipien ableiten. Am weitesten trägt dabei das Wirkungsprin-
zip, das alle Sanktionen im Sinne dieser Arbeit erfasst.

4. Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung678

Gegenstand dieses Kapitels ist die völkerrechtliche Pflicht zur friedli-


chen Streitbeilegung und die Frage, inwiefern diese Pflicht dem Erlass
von Finanzsanktionen entgegensteht. In einem ersten Abschnitt wird
ein Überblick über die Rechtsquellen dieser Pflicht gegeben679. So-
dann werden die zwei für die Schweiz diesbezüglich relevantesten

kungsprinzip hätte auch in der Debatte insbesondere um die US-amerikanischen Kuba-


Sanktionen (siehe dazu oben, Fn 659) extraterritorialen Massnahmen keinen Persilschein
ausgestellt.
678Zur Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung im Allgemeinen vgl. CAFLISCH, Règlement
pacifique, S. 254 ff.; CAFLISCH/GODET, Règlement pacifique S. 957 ff.; OELLERS-
FRAHM/ZIMMERMANN, Dispute Settlement; SOHN, Settlement, S. 971 ff.; SCHRÖDER,
Verantwortlichkeit, S. 611 ff.; COMBACAU/SUR, Droit international public, S. 553 ff.;
SHAW, International Law, S. 914 ff.; CASSESE, International Law, S. 283 ff.; SCHNEIDER,
Wirtschaftssanktionen, S. 99; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 357 ff.; TOMUSCHAT,
Art. 2(3) SVN, S. 101 ff.; ALCAIDE-FERNÁNDEZ, Contre-mesures, S. 347 ff.; BENNOUNA,
Règlement des différends, S. 61 ff.; CRAWFORD, State Responsibility, S. 297 ff.; TOMU-
SCHAT, Counter-measures, S. 77 ff.; ARANGIO-RUIZ, Counter-measures, S. 20 ff.
679 Sogleich, S. 161 ff.

160
Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung

Norensysteme genauer analysiert680. Abschliessend wird untersucht,


ob Pflichten aus diesen Quellen die Schweiz beim Erlass von Finanz-
sanktionen in Form der Sperrung von Geldern einschränken681.

A. Allgemeines

Die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung ergibt sich für die Schweiz
aus einer Vielzahl von Quellen682. Auf universeller Ebene ergibt sie
sich namentlich aus der UNO-Charta. Sodann bestehen regionale Ü-
bereinkommen, wie das Europäische Übereinkommen zur friedlichen
Beilegung von Streitigkeiten oder das Übereinkommen über Ver-
gleich- und Schiedsverfahren innerhalb der OSZE683. Daneben existie-
ren zahlreiche bilaterale Instrumente (Streitbeilegungsabkommen so-
wie Streitbeilegungsklauseln)684.
Die Vielzahl von regionalen und bilateralen Instrumenten verlangt
nach einer fallweisen Abklärung der anwendbaren Pflichten je nach
betroffenem Staat. Nachfolgend werden daher die universellen Pflich-
ten aus der UNO-Charta685 und als anschauliches Beispiel einer regio-
nalen Verpflichtung diejenigen aus dem Europäischen Streitbeile-
gungsübereinkommen dargestellt686.

680 Unten, S. 164 ff.


681 Unten, S. 165 ff.
682 Einen umfassenden Überblick über universelle und regionale Abkommen sowie bila-
terale Verträge enthält OELLERS-FRAHM/ZIMMERMANN, Dispute Settlement. Im Vorwort
heisst es: „Completeness in this field of international law can certainly be only an ideal-
istic aim“. Die vielen bilateralen Abkommen der Schweiz seit dem Ende des ersten Welt-
krieges werden in einzelnen Perioden und in ihren Entwicklungen dargestellt in
CAFLISCH/GODET, Règlement pacifique, S. 963 ff.
683 Zu diesen Abkommen siehe unten, S. 164 ff.
684Vgl. für den gegenwärtigen Stand die Einträge in der Systematischen Rechtssamm-
lung unter SR 0.193.
685 Sogleich, S. 162 ff.
686 Unten, S. 164 ff.

161
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

B. Streitbeilegung nach Art. 2 (3) SVN

Das Prinzip der friedlichen Streitbeilegung ist in Art. 2 (3) SVN wie
folgt formuliert: „Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitig-
keiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internati-
onale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden“.
Dieses Prinzip ist die notwendige Ergänzung zum allgemeinen Ge-
waltverbot, das als Fundament der kollektiven Sicherheit im nämli-
chen Artikel der UNO-Charta in Ziff. 4 als weiterer Grundsatz aufge-
führt ist687.
Der Charta-Grundsatz der friedlichen Streitbeilegung begründet nach
allgemeiner Auffassung eine Rechtspflicht688. Diese umfasst die die
Verpflichtung, im Falle internationaler Differenzen auf Gewalt zu ver-
zichten und miteinander zu verhandeln, um gemeinsam nach einer
friedlichen Lösung der Streitigkeit zu suchen689. Diese Pflicht wird in
verschiedenen Resolutionen der UNO-Generalversammlung bekräf-
tigt690. Sie ist zu einem Grundprinzip der zwischenstaatlichen Bezie-
hungen erhoben worden691.
Die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung bezieht sich auf Streitigkei-
ten mit internationalem Charakter. Unter Streitigkeit wird eine konkre-
te zwischenstaatliche Auseinandersetzung verstanden, bei der „eine
Seite Ansprüche oder Forderungen erhebt und die andere diese ernst-

687Vgl. zum Gewaltverbot oben, S. 139 ff., und zur kollektiven Sicherheit als Ganzes
oben, S. 114 ff.
688 Vgl. TOMUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 105: „The principle of the peaceful settlement of

disputes gives rise to a legal obligation“.


689 Vgl. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 614, und die folgenden Ausführungen.
690So unter anderem in der Friendly Relations-Deklaration (Resolution 2625 (XXV) vom
24. Oktober. 1970), in der Deklaration von Manila über die friedliche Beilegung interna-
tionaler Streitigkeiten (Resolution 37/10 vom 15. November 1982) sowie in der Erklä-
rung über die Verhütung und Beseitigung von Streitigkeiten und Situationen, die den
Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohen können, und die Rolle der UN auf
diesem Gebiet (Resolution 43/51 vom 5. Dezemberr 1988); vgl. dazu STEIN/VON BUTT-
LAR, Völkerrecht, S. 358; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 611; TOMUSCHAT, Art. 2(3)
SVN, S. 104.
691 Vgl. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 611.

162
Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung

haft bestreitet oder zurückweist“692. Diese Auseinandersetzung muss


eine gewisse Bedeutung haben, aber es ist nicht vorausgesetzt, dass
dadurch die internationale Sicherheit bedroht wird693. Diese Schwelle
setzt erst Art. 33 (1) SVN bezüglich der Rechte und Pflichten des Si-
cherheitsrats im Rahmen der Streitbeilegung.
Welches sind nun aber die konkreten Pflichten, die aus Art. 2 (3) SVN
im Falle einer erheblichen internationalen Streitigkeit fliessen? Die
Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung bedeutet zunächst, auf gewalt-
same Mittel zur Lösung dieser Streitigkeit zu verzichten. Dies ergibt
sich jedoch bereits aus der Anwendung des Gewaltverbotes. Daher
geht die überwiegende Meinung in der Lehre dahin, dass die Norm
mehr verlangt, nämlich „den aktiven Einsatz, das ernsthafte Bemühen
der Parteien zur Beilegung des Konfliktes in „gutem Glauben“ und
„im Geist der Kooperation“694.
Die Parteien müssen sich also aktiv um eine Streitlösung bemühen. Es
besteht jedoch nur eine Pflicht zum Handeln nach Treu und Glauben,
damit eine „obligation of conduct“695. „There is no obligation to reach
a specific result“ 696, und zwar schon deshalb, weil es ja zumeist nicht
in der Macht einer Partei alleine liegt, den Streit beizulegen, es sei
denn, sie gäbe vollumfänglich nach.
In der Wahl der Mittel zur friedlichen Streitbeilegung sind die Staaten
aber frei697. Art. 33 (1) SVN führt in nicht abschliessender Weise eine
Vielzahl solcher Mittel auf. Sie lassen sich in diplomatisch-politische
Verfahren (Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich) sowie
in richterliche Verfahren (Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung)

692 SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 613, vgl. CAFLISCH, Règlement pacifique, S. 261

ff.; TOMUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 107.


693 Vgl. TOMUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 109.
694 SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 614.
695 TOMUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 106.
696TOMUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 106; nach Schröder liegt ein bestimmtes Ergebnis
ausserhalb der Bindungswirkung der Pflicht, vgl. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 614.
697 Vgl. CAFLISCH, Règlement pacifique, S. 273 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S.

359 f.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 614 f.

163
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

einteilen698. An dieser Freiheit ändert auch die Zuständigkeit des Si-


cherheitsrats nach Kapitel VI der Charta nichts, da der Sicherheitsrat
nur rechtlich unverbindliche Empfehlungen zur Wahl der Mittel abge-
ben kann699.

C. Europäisches Übereinkommen zur friedlichen


Beilegung von Streitigkeiten

Das nebst der UNO-Charta (theoretisch) bedeutendste Instrument zur


friedlichen Streitbeilegung ist für die Schweiz das im Rahmen des
Europarates entstandene Europäische Übereinkommen zur friedlichen
Beilegung von Streitigkeiten vom 29. April 1957 (EÜFBS). Bislang
haben es 14 Staaten ratifiziert. Seine praktische Bedeutung ist aller-
dings äusserst begrenzt: „La convention n’a en fait guère été appliqu-
ée“700.
Das Übereinkommen verlangt von allen Vertragsparteien, völkerrecht-
liche Streitigkeiten zwischen ihnen dem IGH zur Entscheidung vorzu-
legen (Art. 1). Zu akzeptieren haben sie dabei zumindest „the compul-
sory jurisdiction of the International Court of Justice for legal dis-
putes“701. Auf die Vergleichsverfahren (Art. 4-18) und/oder die
Schiedsverfahren (Art. 19-26) können sie gemäss Art. 34 mit Erklä-
rung verzichten. Von Relevanz für die vorliegende Untersuchung über
Sanktionen ist insbesondere Art. 31 Ziff. 3 des Übereinkommen, des-
sen zweiter Satz lautet: „[Die Parteien] nehmen keinerlei Handlungen
vor, die geeignet sind, die Streitigkeiten zu verschärfen oder auszu-
dehnen.“
Dieses Abkommen steht neben einem vergleichbaren OSZE-
Instrument, dem Übereinkommen über Vergleichs- und Schiedsverfah-
698
Vgl. CAFLISCH, Règlement pacifique, S. 273 ff; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S.
359 f.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 614 f.; SHAW, International Law, S. 918 ff.
699 Vgl. SHAW, International Law, S. 1103.
700 CAFLISCH/GODET, Règlement pacifique, S. 961.
701 OELLERS-FRAHM/ZIMMERMANN, Dispute Settlement, S. 149.

164
Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung

ren innerhalb der OSZE vom 15. Dezember 1992702 (ÜVSK). Es ent-
hält dem EÜFBS vergleichbare verbindliche Vorgehensweisen, die
allerdings bislang ebenfalls noch nicht benutzt wurden703.

D. Bedeutung für Finanzsanktionen

Wie erwähnt, beinhalten Art. 2 (3) der UNO-Charta sowie Art. 31 Ziff.
3 des Europäischen Übereinkommens704 die Pflicht zum aktiven und
ernsthaften Bemühen um Streitbeilegung und die Pflicht, keinerlei
Handlungen vorzunehmen, die geeignet sind, die Streitigkeiten zu
verschärfen oder auszudehnen. Es stellt sich nun die Frage, ob diese
Pflichten für den Erlass von (Finanz-) Sanktionen eine Schranke dar-
stellen. Für diese Frage ist auf die Klassifizierung von Sanktionen in
Retorsionen und Gegenmassnahmen zurückzukommen705.

a) Fall der Retorsion

Retorsionen sind demnach unfreundliche, aber völkerrechtskonforme


Reaktionen auf ein unfreundliches oder völkerrechtswidriges Handeln
eines andern Völkerrechtssubjekts: Retorsionen sind also per definiti-
onem keine Völkerrechtsverletzungen. Eine im Rahmen einer interna-
tionalen Streitigkeit ergriffene Retorsion, d.h. eine Massnahme, die

702 Vgl. dazu u.a. SHAW, International Law, S. 936 ff.; OELLERS-FRAHM/ZIMMERMANN,

Dispute Settlement, S. 159 f. und CAFLISCH/GODET, Règlement pacifique, S. 966 ff.


703 Vgl. OELLERS-FRAHM/ZIMMERMANN, Dispute Settlement, S. 160.
704 TOMUSCHAT weist darauf hin, dass die Formulierung in Art. 31 Ziff. 3 („The Parties
(...) shall abstain from any sort of action whatsoever which may aggravete or extend the
dispute.“) hergeleitet ist von Art. 33 (3) der Geneva General Act on Peaceful Settlement
of International Disputes von 1928, und dass die gleiche Formulierung auch in der
Friendly Relations-Deklaration sowie in der Deklaration von Manila zu finden ist, TO-
MUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 110. Dies legt den Schluss nahe, dass sich die UNO-
Generalversammlung in den erwähnten Resolutionen bewusst auf das damals schon
bestehende Europäische Übereinkommen bzw. auf dessen Quelle, den Geneva Act, abge-
stützt hat, um die inhaltliche Parallelität zu unterstreichen.
705 Dazu oben, S. 38 ff.

165
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

(vorbehältlich der Streitbeilegungspflichten) kein Völkerrecht verletzt,


ist also einzig ein „unfreundlicher Akt“.
Verbietet nun aber das Gebot der friedlichen Streitbeilegung solche
unfreundlichen Akte? Dies ist zu verneinen. Staaten sind völkerrecht-
lich nicht verpflichtet, untereinander “a good political atmosphere”706
zu pflegen. Denn die Pflicht des Verhandelns nach Treu und Glauben
wird ja alleine durch parallele Anwendung von erlaubtem Druck nicht
verletzt707. Wenn man die Streitbeilegungspflicht des von einer Völ-
kerrechtsverletzung betroffenen Staates schon auf eine aktive Ver-
handlungspflicht ausdehnt, muss es ihm immerhin erlaubt sein, seine
Position mit milderen Mitteln als einer Völkerrechtsverletzung, bei-
spielsweise unfreundlichen Akten, zu stärken. Ansonsten wird eine
Verhandlung mit etwa gleichlangen Spiessen zulasten des Betroffenen
von vornherein erschwert – die Verhandlungspflicht soll sich aber
nicht einseitig zulasten einer Partei auswirken, sondern die Modalitä-
ten der Streitbeilegung für beide Seiten regeln.
Daran ändert auch die Formulierung von Art. 31 Ziff. 3 des Europäi-
schen Übereinkommens („keinerlei Handlungen (…), die geeignet
sind, die Streitigkeit zu verschärfen oder auszudehnen“) nichts. Diese
dem Wortlaut nach sehr strenge Bestimmung wurde, wie gezeigt708,
formelhaft aus einer früheren Konvention übernommen. Im Wortlaut
angewandt, würde sie die betroffene Partei gegenüber einem mutmass-
lichen Rechtsbrecher massiv einschränken709. Dies mit dem absurden

706 TOMUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 110


707 Überzeugend TOMUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 110. A.M. CASSESE, International Law,
S. 283: „States are thus enjoined to endeavour to resolve their desputes peacefully, before
taking any enforcement action”. SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 99, meint, jedoch
leider allzu vage und ohne dies genauer auszuführen: “Einerseits können unvermittelt
verhängte Wirtschaftssanktionen gegen dieses Gebot (der friedlichen Streitbeilegung)
verstossen; andererseits kann die Anwendung von wirtschaftlichem Zwang, indem dieser
gegenüber militärischer Gewalt als “friedlicheres” Mittel zu bewerten ist, eine diesem
Gebot entsprechende, alternative Form der Streitbeilegung darstellen”.
708 Soeben, Fn 704.
709Vgl. KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 60: “Die Verpflichtung, alle möglichen Streitbei-
legungsverfahren im Voraus zu durchlaufen, gibt dem Verletzerstaat eine Prämie auf den
Rechtsbruch. Allgemeine Verpflichtungen zu friedlicher Streitbeilegung wie Art. 2 Ziff. 3
SVN (…) haben diesen Effekt (…) aber nicht“.

166
Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung

Resultat, dass unfreundliche Akte, die ja im Normalfall erlaubt sind,


plötzlich ausgeschlossen wären, sobald sie in einem Streitfalle, das
heisst gegen einen mutmasslichen Rechtsbrecher, ergriffen würden.
Die Bestimmung ist ihrem Sinne nach daher eng auszulegen, und zwar
nur auf a priori rechtswidrige Reaktionen; genau genommen sind auch
nur solche geeignet, eine (Rechts-) Streitigkeit auszudehnen, denn
bloss unfreundliche, aber erlaubte Akte, betreffen ja keinen Rechts-
streit im engeren Sinne. Was nach der herrschenden Lehre für Gegen-
massnahmen gilt („soweit es sich um gewaltfreie Repressalien handelt
(…) ist die Repressalie kein unfriedliches Mittel der Streitbeile-
gung“710), muss in maiore minus auch für Retorsionen gelten.
Sanktionen, die per se blosse Retorsionen darstellen, werden also
durch die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung nicht illegal711. Stel-
len sie hingegen eine a priori völkerrechtswidrige Massnahme dar,
sind sie nicht mehr unter dem Gebot der friedlichen Streitbeilegung,
sondern nach den entsprechenden Voraussetzungen der Gegenmass-
nahmen zu beurteilen Es geht dann nämlich nicht mehr um die Frage,
ob die Streitbeilegungspflicht per se eine Schranke für Sanktionen
darstellt, sondern ob sie eine Schranke für Rechtfertigungsgründe von
Sanktionen darstellt712.

710 KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 59.


711Ansonsten würde das Konzept der Retorsion praktisch überflüssig: Denn unfreundli-
che Akte werden zumeist im Rahmen von Streitfällen angewandt. Wenn diese Akte stets
die Streitbeilegungspflicht verletzen würden, wären sie also völkerrechtswidrig und
verlören damit den Status der Retorsion. Sie würden dadurch stets zur (eventuell gerecht-
fertigten) Gegenmassnahme.
712Dogmatisch ist dies ein erheblicher Unterschied, wie er in der Einteilung dieses 3.
Teils der Arbeit durch die Sub-Teile "Schranken" und "Rechtfertigungsgründe" zum
Ausdruck kommt. Inhaltlich ist der Unterschied jedoch gering, weshalb diese Fragen hier
im inhaltlich engen Zusammenhang mit der Streitbeilegungspflicht als Schranke behan-
delt werden (und nicht beim Rechtfertigungsgrund der Gegenmassnahme).

167
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

b) Fall der Gegenmassnahme

Gegenmassnahmen sind, wie erwähnt713, a priori selbst rechtswidrige


Reaktionen eines Völkerrechtssubjektes auf die vorangegangene Ver-
letzung seiner Rechte. Unter gewissen Voraussetzungen sind sie je-
doch gerechtfertigt. Auf die Voraussetzungen der gerechtfertigten Ge-
genmassnahme wird an späterer Stelle ausführlicher eingegangen714.
Zwei der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Gegenmassnah-
men sind jedoch derart eng mit Aspekten der friedlichen Streitbeile-
gung verknüpft, dass sie hier erwähnt und behandelt werden sollen.
Erstens geht es dabei um die Frage, ob Gegenmassnahmen bereits
während der Phase des aktiven und ernsthaften Bemühens zur Streit-
beilegung oder erst nach dem Scheitern der Beilegungsanstrengungen
ergriffen werden dürfen715. Diese Frage ist umstritten; die Lehre teilt
sich in zwei Ansichten716. Die „individualistische“ Ansicht lässt Ge-
genmassnahmen vor der Streitbeilegung zu, v.a. mit dem Argument,
dass Zuwarten Unrecht schützen würde717. Die „gemeinschaftliche“
Ansicht hingegen will Gegenmassnahmen erst nach gescheiterten oder
verweigerten Verhandlungen erlauben718. Für die erste, überzeugende
Auffassung kann ein Grossteil der obigen Argumente zur Retorsion
herbeigezogen werden, insbesondere die Bevorzugung des Rechtsbre-

713 Zum Begriff der Gegenmassnahme und seiner verwandten Institute siehe oben, S. 35
ff.
714 Unten, S. 247 ff.
715 Vgl. auch unten, S. 251 f.
716Die Begriffe dieser Haltungen – individualistisch und gemeinschaftlich - basieren auf
ALCAIDE-FERNÁNDEZ, Contre-mesures, S. 348 f. Dieser Autor beschreibt eine „concep-
tion individualiste: on entend que le recours à des contre-mesures peut précéder toute
tentative de règlement du différend", und von eine "conception communautariste : le
recours préalable à des moyens de règlement des différends (…) est la seule garantie
d’un minimum d’objectivité ou de contrôle“.
717.
Vgl. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 614; TOMUSCHAT, Art. 2(3) SVN, S. 110;
KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 59 f.; NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 59 f.,
68 mit detaillierter Auswertung der Praxis.
718 Vgl. z.B. CASSESE, International Law, S. 302: Gegenmassnahmen dürfen erst ergriffen

werden, wenn der andere Staat Verhandlungen verweigert oder willentlich den Einsatz
anderer Mittel der friedlichen Streitbeilegung verhindert. In diesem Sinne auch
DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 989.

168
Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung

chers, falls solche Massnahmen in einer ersten Phase unzulässig wä-


ren719. Diese Haltung wird vom ILC-Entwurf zum Recht der Staaten-
verantwortlichkeit720 aufgenommen721 und präzisiert. In Art. 52 Ziff. 3
lit. b heisst es: „Countermeasures may not be taken, and if already
taken must be suspendes without undue delay if (…) the dispute is
pending a court or tribunal which has the authority to make decisions
binding on the parties.” „In such a case, and for so long as the dispute
settlement procedure is being implemented in good faith, unilateral
action by way of countermeasures is not justified“722. Umgekehrt heist
dies, dass sie vor solcher Rechtshängigkeit (die zudem oftmals aus-
bleibt) ergriffen werden dürfen723.
Zweitens geht es um die Frage, ob gewisse Völkerrechtsbereiche und
insbesondere ihre Streitbeilegungssysteme so autonom sind („self-
contained regimes“), dass sie Gegenmassnahmen von ausserhalb ihres
Systems generell ausschliessen724. In der Lehre ist diese Frage umstrit-
ten725. Die Antwort des ILC-Entwurfs zum Recht der Staatenverant-
wortlichkeit gibt hingegen in Art. 50 Ziff. 2 lit. a eine klare Antwort:
“A State taking countermeasures is not relieved from fulfilling its ob-
ligations under any dispute settlement procedure applicable between it
und the responsible State.” Demnach müssen zwar alle Pflichten aus
jedem zwischen den Staaten anwendbaren Streitbeilegungsverfahren

719 Vgl. dazu oben, sowie KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 59 f.


720
Dazu allgemein oben, S. 41 ff., und zu den Voraussetzungen der Gegenmassnahme
gemäss dem ILC-Entwurf unten, S. 245 ff.
721 Die Frage des Verhältnisses von Gegenmassnahmen zur friedlichen Streitbeilegung
wurde in der ILC mehrfach diskutiert, vgl. CRAWFORD, Counter-measures, S. 65 ff. zu
den vormaligen Entwürfen. SICILIANOS, Sanctions, S. 47 f., weist darauf hin, dass die
ILC die ursprünglich vorgesehene Pflicht zur Ausschöpfung aller Streitbeilegungsmittel
aus der 1. Lesung von 1996 praktisch auf die Pflicht zur Mahnung und Warnung redu-
ziert hat. Aus Sicht der Streitbeilegungspflicht entspreche das einer einfachen Pflicht,
Verhandlungen anzubieten. Ebenso NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 65.
722 ILC, State Responsibility, S. 136.
723
Vgl. CRAWFORD, State Responsibility, S. 297; NOORTMANN, Enforcing International
Law, S. 65.
724 Vgl. auch unten, S. 250 ff.
725Sie wird z.B. bejaht von CASSESE, International Law, S. 302, und unter bestimmten
Umständen („un régime spécial“) von ALCAIDE FERNANDEZ, Contre-mesures, S. 378,
und weitgehend abgelehnt von COMBACAU/SUR, Droit international public, S. 220.

169
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

erfüllt werden726; der betroffene Staat ist davon nicht befreit, nur weil
er Gegenmassnahmen ergriffen hat. Umgekehrt ist damit aber auch
gesagt, dass Gegenmassnahmen grundsätzlich trotz Spezialregimes
ergriffen werden dürfen, wenn nur gleichzeitig diese Pflichten ein-
gehalten werden. Sofern solche Spezialregimes also nichts explizit
Abweichendes regeln, sind parallele Gegenmassnahmen aus Sicht der
Streitbeilegungspflichten zulässig.

c) Fazit

Zusammenfassend kann also geschlossen werden, dass das System der


friedlichen Streitbeilegung aus der UNO-Charta und dem Europäi-
schen Streitbeilegungübereinkommen den schweizerischen (Finanz-)
sanktionen nicht im Wege steht. Inwiefern dies für weitere spezifische
regionale oder bilaterale Abkommen zutrifft, ist jeweils im Einzelfall
zu klären. Schliesslich verhindern die Regeln der friedlichen Streitbei-
legung grundsätzlich auch nicht, dass Finanzsanktionen, die a priori
rechtswidrig sind, als Gegenmassnahmen gerechtfertigt werden kön-
nen.

726Vgl. CRAWFORD, State Responsibility, S. 291. Vgl. dazu auch den Meinungsstand in
Fn 717 und 718 zur vorangehenden, aber mit dieser eng verwandten Frage des generellen
Ausschlusses von Gegenmassnahmen vor Ausschöpfung der Streitbeilegungsmechanis-
men. Zur Unklarheit der Rechtslage siehe ELAGAB, Counter-Measures 1999, S. 137.

170
Neutralitätsrecht

5. Neutralitätsrecht727

In diesem Kapitel geht es um die Neutralität der Schweiz und um die


Frage, ob das Neutralitätsrecht für die Schweiz beim Erlass von (Fi-
nanz)- Sanktionen eine Schranke darstellen kann.
Der erste Abschnitt gilt einigen begrifflichen Klärungen und allgemei-
nen Fragen: Was unterscheidet das Neutralitätsrecht von der Neutrali-
tätspolitik? Welches sind die Rechtsgrundlagen der schweizerischen
Neutralität? Ist die Schweiz zur Neutralität verpflichtet? Was beinhal-
tet die Neutralität und welches sind die daraus für die Schweiz er-
wachsenen Pflichten?728 Im anschliessenden Abschnitt werden die
Erkenntnisse dieses allgemeinen Teils auf die konkrete Problemstel-
lung übertragen, nämlich ob das Neutralitätsrecht eine Schranke beim
Erlass von (Finanz-) Sanktionen darstellen kann729.

A. Allgemeines

a) Begriff der Neutralität

Wenn im allgemeinen Sprachgebrauch von Neutralität die Rede ist,


wird oft nicht zwischen ihrem rechtlichen und ihrem politischen In-
halt, also zwischen Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik, unter-
schieden. Neutralität im rechtlichen Sinne bedeutet die Nichtbeteili-
gung eines Staates an einem Krieg anderer Staaten730. Was diese
727 727 Zum Neutralitätsrecht im Allgemeinen vgl. BUNDESRAT, Neutralitätsbericht, S. 225

ff.; BRUNNER, Neutralität; THÜRER, Sicherheitspolitik, S. 121 ff.; DERS., Aktive Neutrali-
tät?, S. 137 ff.; DERS., Chronologie, S. 150 ff.; DERS., Glossar, S. 154 ff.; DERS., UNO,
S. 155 ff.; DERS., Zweiter Weltkrieg, S. 137 ff.; THÜRER/BAUR, Art. 197 Ziff. 1 BV, S.
2898 ff.; CANDRIAN, Neutralité, S. 529 ff.; BINDSCHEDLER, Neutrality, S. 549 ff.; CALMY-
REY, Neutralität, S. 7 ff.; RHINOW, Neutralität, S. 19 ff.; WIDMER, Neutralität, S. 67 ff.;
KREIS, Neutralitätsgeschichte, S. 271 ff.; RIKLIN, Neutralität, S. 111 ff.
728 Sogleich, S. 171 ff.
729 Unten, S. 175 ff.
730 Vgl. dazu u.a. THÜRER, Aktive Neutralität?, S. 154; RIKLIN, Neutralität, S. 117; BIND-
SCHEDLER, Neutrality, S. 549; Candrian, Neutralité, S. 533.

171
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Nichtbeteiligung bedeutet, ist im Neutralitätsrecht geregelt, der Sum-


me der „völkerrechtlichen Regeln, welche im Krieg die Rechte und
Pflichten der neutralen Staaten im Verhältnis zu den Krieg führenden
Staaten zum Gegenstand haben“731. Dabei ist zwischen gewöhnlicher
Neutralität (Entscheid zur Neutralität bei Ausbruch eines Krieges) und
dauernder Neutralität (Verpflichtung, sich in künftigen Kriegen an das
allgemeine Neutralitätsrecht zu halten) zu unterscheiden732.
Neutralität im politischen Sinne umfasst alle Massnahmen, die ein
neutraler Staat im Krieg oder ein dauernd neutraler Staat bereits im
Frieden ausserhalb seiner neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen nach
eigenem Ermessen ergreift, um seine Neutralität wirksam und glaub-
würdig zu sichern733. Pointiert formuliert bedeutet Neutralitätspolitik
„alles zu tun und nichts zu unterlassen, um nicht in künftige Kriege
hineingezogen zu werden“734. Die Neutralitätspolitik ist nicht Gegens-
tand der vorliegenden juristischen Arbeit; auf sie wird deshalb nicht
näher eingegangen.

b) Rechtsgrundlagen

Die Rechtsgrundlagen des allgemeinen Neutralitätsrechts735 finden


sich im Völkervertragsrecht und im Völkergewohnheitsrecht. Kodifi-
ziert worden ist es an der Haager Friedenskonferenz von 1907 und
fand vor allem Ausdruck im Haager Landkriegsabkommen vom 18.
Oktober 1997736. Trotz der Tatsache, dass nicht alle Staaten diesen
Abkommen beigetreten sind, hat das in ihnen kodifizierte Neutralitäts-
recht inzwischen als Völkergewohnheitsrecht universelle Geltung er-
langt.

731 THÜRER, Aktive Neutralität?, S. 154.


732 THÜRER, Völkerrecht, S. 165.
733
Vgl. THÜRER, Aktive Neutralität?, S. 154; RIKLIN, Neutralität, S. 118; BRUNNER,
Neutralität, S. 44; CANDRIAN, Neutralité, S. 530.
734 THÜRER, Zweiter Weltkrieg, S.139.
735 Vgl. zu den Quellen des Neutralitätsrechts BRUNNER, Neutralität, S. 19.
736 Vgl. hierzu THÜRER, Völkerrecht, S. 166.

172
Neutralitätsrecht

Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach der konkreten völker-


rechtlichen Verbindlichkeit der dauernden Neutralität der Schweiz.
Der Beginn der schweizerischen Neutralität737 wird bisweilen auf die
für die Eidgenossen verlustreiche Schlacht bei Marignano 1515 ge-
legt; am Ende des Dreissigjährigen Krieges jedenfalls wird die Neut-
ralität 1647 an einer Tagsatzung bestätigt. Die dauernde Neutralität der
Schweiz wird mit der Pariser Akte 1815 völkerrechtlich anerkannt und
garantiert. Eine weitere völkerrechtliche Bestätigung erlebt die dau-
ernde Neutralität der Schweiz in der Londoner Erklärung des Völker-
bundrates von 1920 sowie im Beschluss des Völkerbundes von 1938.
Spätere Anerkennungen und Bestätigungen (z. B. im Moskauer Me-
morandum von 1955) sowie insbesondere Hinweise der UNO-
Völkerrechtskommission, wonach die Vereinbarungen über die Neut-
ralität der Schweiz für alle Staaten verbindlich sind, sprechen in ge-
wissem Sinne dafür, dass die dauernde Neutralität der Schweiz Teil
des Völkergewohnheitsrechts geworden ist738. Damit ist aber jeden-
falls noch nichts über die Adressaten einer solchen Pflicht gesagt, wie
sogleich darzustellen ist.

c) Pflicht zur Neutralität

Sogar unter der Annahme einer völkergewohnheitsrechtlichen Aner-


kennung der dauernden Neutralität der Schweiz, wären damit einzig
Drittstaaten in der Pflicht, diese zu achten bzw. zu garantieren. Eine
entsprechende Pflicht der Schweiz zur Beibehaltung ihrer Neutralität
wird hingegen von der Lehre abgelehnt739. Entscheidendes Kriterium
ist, „dass die Schweiz zwar stets ihren Willen zur Neutralität bekunde-

737 Zur Geschichte und Entwicklung der schweizerischen Neutralität siehe THÜRER, Ak-

tive Neutraliät?, S. 150 ff.; BRUNNER, Neutralität, S. 22 ff.


738Vgl. BRUNNER, Neutralität, S. 23. THÜRER, Sicherheitspolitik S. 124, vertritt hingegen
die Meinung, dass kaum angenommen werden kann, „die Neutralität der Schweiz habe
einen gewohnheitsrechtlichen Charakter gewonnen“.
739Vgl. RHINOW, Neutralität, S. 25; BRUNNER, Neutralität, S. 32; SCHINDLER, Vorwir-
kungen, S. 581. Auch der BUNDESRAT, Neutralitätsbericht, S. 211, kommt zum Schluss,
dass für die Schweiz keine Pflicht besteht, den Status der dauernden Neutralität für alle
Zukunft aufrechtzuerhalten. Die Schweiz habe einen weiten Gestaltungsspielraum.

173
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

te, aber nie eine völkerrechtliche Verpflichtung zur dauernden Neutra-


lität zu übernehmen beabsichtigte oder anerkannte“740. Diese Erkennt-
nis wird unterstützt durch den Verzicht einer verbindlichen landes-
rechtlichen Kodifizierung der Neutralität. Die Neutralität ist weder im
Zweckartikel (Art. 2 BV) noch in den aussenpolitischen Zielsetzungen
von Art. 54 Abs. 2 BV enthalten, sondern einzig unter den Aufgaben
von Bundesversammlung und Bundesrat aufgeführt (Art. 173 Abs. 1
lit. a und Art. 185 Abs. 1 BV). Dies bringt zum Ausdruck, dass die
Neutralität kein Ziel der Aussenpolitik, sondern ein blosses Mittel
darstellt, um die verankerten Zielsetzungen zu verwirklichen.
Die Schweiz hat somit das Recht, auf ihre Neutralität einseitig zu ver-
zichten. „Niemand kann ihr verbieten, die Neutralität aus eigenem
Willen aufzugeben“741. Dieser Verzicht aber darf gemäss herrschender
Lehre nach Treu und Glauben nicht zu Unzeiten, d.h. unter Verletzung
von Vertrauensgesichtspunkten, und nur nach Vorankündigung erklärt
werden742.

d) Pflichten des dauernd Neutralen

Während der Dauer seines Status treffen den dauernd neutralen Staat
jedoch eine Reihe von Pflichten743.
Zum einen treffen jeden Neutralen (auch den bloss einfachen Neutra-
len) dreierlei Pflichten: 1) Er darf im Kriegsfall die Krieg führenden
Parteien nicht unterstützen (z.B. mit Streitkräften, Operationsbasen,
Gewährung des Durchmarsches oder von Überflügen, Lieferung von
Kriegsmaterial, Austausch militärischer Nachrichten, Gewährung von

740 SCHINDLER, Vorwirkungen, S. 581.


741RHINOW, Neutralität, S. 25. "Dauernd neutral" heisst also nicht "ewig neutral", analog
einem kündbaren Dauerschuldverhältnis.
742 Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 165; BRUNNER, Neutralität, S. 32.
743Siehe zu den einzelnen Pflichten RHINOW, Neutralität, S. 23 ff.; RIKLIN, Neutralität, S.
117 ff.; BINDSCHEDLER, Neutrality, S. 549 ff.; BRUNNER, Neutralität, S. 34 ff. Der Neut-
rale ist auch Inhaber besonderer Rechte (vgl. z.B. THÜRER, Völkerrecht, S. 166), die hier
jedoch sekundär sind.

174
Neutralitätsrecht

Staatskrediten für Kriegszwecke usw.)744. 2) Er hat sein Territorium zu


verteidigen. 3) Staatliche Regelungen über die Ausfuhr kriegswichti-
ger Güter sind auf alle Kriegführenden gleichmässig anzuwenden.
Der dauernd Neutrale trägt darüber hinaus weitere Pflichten: 4) Er ist
verpflichtet, in allen (auch zukünftigen) kriegerischen Konflikten das
Neutralitätsrecht anzuwenden. 5) Er darf keinen Krieg beginnen und
sich prinzipiell an keinem Krieg zu beteiligen (ausser in Selbstvertei-
digung). 6) Er darf bereits in Friedenszeiten nichts unternehmen, was
ihm die Wahrung der Neutralität im Kriegsfall erschwert oder verun-
möglicht. Zuem muss er alles tun, was vernünftigerweise von ihm
verlangt werden kann, um seine Neutralitätspflichen im Krieg erfüllen
zu können. Dies verwehrt ihm unter anderem, im Frieden verbindliche
Beistandspakte einzugehen oder fremde Stützpunkte auf seinem Terri-
torium zuzulassen (Allianzfreiheit) 745.

B. Bedeutung für Finanzsanktionen

Nach dieser allgemeinen Darstellung gilt es nun zu prüfen, inwiefern


die (dauernde) Neutralität eine Schranke für den Erlass von wirtschaft-
lichen Sanktionen der Schweiz bildet.
Weil die Neutralität grundsätzlich in Kriegszeiten spielt, ist zwischen
Zeiten des Kriegs und des Friedens zu unterscheiden. In Friedenszei-
ten bedeutet dauernde Neutralität wie gezeigt im Wesentlichen Alli-
anzfreiheit746. Aus dem Neutralitätsrecht gibt es keine weiteren Re-
geln, „die uns vorschreiben, wie wir uns in Friedenszeiten zu verhal-
ten haben“747. In Friedenszeiten sind Finanzsanktionen wie namentlich
die Sperrung von Geldern nicht geeignet, die (spätere) Wahrnehmung

744BINDSCHEDLER, Neutrality, S. 551: "The supreme precept is that the neutral State may
not, by governmental measures, intervene in the conflict to the advantage of one of the
belligerents".
745 Hierzu im Besonderen BRUNNER, Neutralität, S. 34 ff.
746 Vgl. RIKLIN, Neutralität, S. 118.
747 Vgl. CALMY-REY, Neutralität, S. 8.

175
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

der Neutralität in Kriegszeiten zu beeinflussen. Diese Massnahmen


unterliegen also nicht einer rechtlichen Vorwirkung der dauernden
Neutralität.
Damit konzentriert sich die Frage, wie sich die dauernde Neutralität
auf den Erlass von Wirtschaftssanktionen auswirkt, auf den eigentli-
chen Kriegsfall, d.h. auf internationale bewaffnete Konflikte.
Faktisch ist dazu zunächst zu sagen, dass international bewaffnete
Konflikte in den letzten Jahrzehnten zusehends durch interne Konflik-
te, also Bürgerkriege, verdrängt wurden. Dabei ist das Neutralitäts-
recht nicht anwendbar; es hat hierdurch stark an Aktualität und Bedeu-
tung verloren748.
Sodann lässt das Neutralitätsrecht dem Neutralen im Rahmen gewisser
Einschränkungen auch in Kriegszeiten seine wirtschaftliche Freiheit;
das Neutralitätsrecht umfasst keine Wirtschaftsneutralität749. Zwar
auferlegt das Neutralitätsrecht dem Neutralen im Kriegsfalle verschie-
dene wirtschaftliche Enthaltungspflichten, wie das Verbot, Kriegfüh-
renden selber Kriegsmaterial zu liefern oder entsprechende Kredite zu
gewähren750. Weitere Einschränkungen sieht das Neutralitätsrecht aber
nicht vor. Mit anderen Worten: “Economic obligations exist only to
the extent that the neutral State may not provide the belligerents with
financial assistance or supply them with war materials (…). Other-
wise, the neutral is entitled to trade with all the belligerents”751. Auch
der Bundesrat kam in seinem Neutralitätsbericht 1994 zum Schluss:
„Das Neutralitätsrecht statuiert grundsätzlich keine Unvereinbarkeit
von Neutralität und Teilnahme an Wirtschaftssanktionen. (...) Es kennt
keine ausdrückliche Pflicht zur wirtschaftlichen Neutralität“752. Man-
gels allgemeiner Pflicht zur wirtschaftlichen Neutralität ist der Neutra-

748 Vgl. THÜRER, Sicherheitspolitik, S. 122.


749 Vgl. RHINOW, Neutralität, S. 24.
750 Vgl. THÜRER, Zweiter Weltkrieg, S. 140; CANDRIAN, Neutralité, S. 533.
751 BINDSCHEDLER, Neutrality, S. 552.
752 BUNDESRAT, Neutralitätsbericht, S. 231 f; vgl. DERS., Botschaft EmbG, S. 1435 f.

176
Neutralitätsrecht

le somit auch frei, Finanzsanktionen (als Umkehr der wirtschaftlichen


Zusammenarbeit) zu erlassen753.
Eine politisch besonders brisante Frage war schliesslich über längere
Zeit, ob das Neutralitätsrecht bei der Beteiligung an Wirtschaftssank-
tionen der UNO eine Schranke bilden kann.
Die Sanktionspolitik der Schweiz und insbesondere ihre Beteiligung
den Sanktionsmassnahmen der UNO verlief historisch gesehen in ver-
schiedenen Phasen754: In den sechziger und siebziger Jahren erklärte
sie sich mindestens teilweise mit der UNO solidarisch und beteiligte
sich mit autonomen Entscheidungen des Bundesrates indirekt an ihren
Sanktionen gegenüber Rhodesien und Südafrika. Von 1990 bis zum
UNO-Beitritt 2002 übernahm die Schweiz mit der „Politik des auto-
nomen Nachvollzugs“ integral und vorbehaltlos alle nicht-
militärischen Sanktionen der UNO. Seit dem UNO-Beitritt hat die
Schweiz bis heute alle nicht-militärischen UNO-Sanktionen mitgetra-
gen.
Dass Wirtschaftssanktionen nach herrschender Lehre und aktueller
Praxis per se kein Neutralitätsproblem darstellen, wurde soeben darge-
stellt. Im Kontext der kollektiven Sicherheit kommt aber ein weiteres
Argument dazu: Massnahmen der kollektiven Sicherheit stehen aus-
serhalb des Geltungsbereichs des Neutralitätsrechts755. Nach der aktu-
ellen Neutralitätspraxis „findet das Neutralitätsrecht bei Zwangsmass-
nahmen der UNO als Weltgemeinschaft grundsätzlich keine Anwen-
dung“756, da es nicht um eine Auseinandersetzung zwischen zwei
Staaten, sondern zwischen einem Rechtsbrecher und der ganzen Staa-
tengemeinschaft geht. Weiter gedacht bedeutet das, dass ein alleiniges
753 Anders sieht dies, mit Hinweis auf eine ältere Lehre, SCHNEIDER, Wirtschaftssanktio-

nen, S. 103. Danach würden Wirtschaftssanktionen gegen nur eine Konfliktpartei gegen
das Gleichbehandlungsgebot verstossen.
754Vgl. hierzu oben, S. 90 ff. und insbesondere THÜRER/BAUR, Art. 197 Ziff. 1 BV, S.
2898 ff.
755 Vgl. THÜRER, Sicherheitspolitik, S. 127.
756RHINOW, Neutralität, S. 27. SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 103 f. begründet
die Befolgungspflicht auch des Neutralen einzig mit dem Vorrang von UNO-
Resolutionen vor dem Neutralitätsrecht; grundsätzlich wäre es seiner Meinung nach
anwendbar, vgl. auch Fn 753; THÜRER/BAUR, Art. 197 Ziff. 1 BV, S. 2902.

177
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Abseitsstehen der Schweiz bei umfassenden Wirtschaftssanktionen


einer Parteinahme für den Aggressor gleichgesetzt werden kann757.
Ähnlich hatte der Bundesrat bereits 1993 seine Aussenpolitik begrün-
det: „Wenn Sanktionen gegenüber einem Rechtsbrecher oder Frie-
densstörer ergriffen werden, der Völkerrecht oder andere gemeinsam
eingegangene Verpflichtungen (...) verletzt hat, so können diese Mass-
nahmen eine dem Frieden dienende Ordnungsfunktion haben. Sie ste-
hen dann mit dem Sinn und Geist der Neutralität im Einklang. (...) Aus
diesen Gründen ist der Bundesrat in Zukunft grundsätzlich bereit,
auch an Wirtschaftssanktionen ausserhalb der Vereinten Nationen teil-
zunehmen“758.
Weder aus dem Neutralitätsrecht, das grundsätzlich ausschliesslich
während Kriegszeiten verbindlich ist, noch aus seinen rechtlichen
Vorwirkungen für einen dauernd Neutralen wie der Schweiz lassen
sich demnach Schranken für den Erlass von Finanzsanktionen erken-
nen. Dies gilt sowohl für unilaterale Massnahmen der Schweiz, als
auch - sogar in verstärktem Masse - für die Teilnahme an Massnahmen
der kollektiven Sicherheit.

757 Vgl. RHINOW, Neutralität, S. 27.


758 BUNDESRAT, Neutralitätsbericht, S. 232; vgl. DERS., Botschaft EmbG, S. 1435 f;
THÜRER/BAUR, Art. 197 Ziff. 1 BV, S. 2902 mit Hinweis auf den vorgängigen jahrze-
hntelangen Streit in dieser Frage. Angesichts des aktuellen Verständnisses ist der Neu-
tralitätsvorbehalt der Schweiz anlässlich des UNO-Beitritts erklärungsbedürftig, vgl.
dazu THÜRER/BAUR, Art. 197 Ziff. 1 BV, S. 2910 f.

178
Internationaler Menschenrechtsschutz

6. Internationaler Menschenrechtsschutz759

Wie bereits im 2. Teil aus staatsrechtlicher Sicht dargestellt760, berüh-


ren Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern potentiell
verschiedene Grundrechte. In diesem Kapitel wird nun die die ent-
sprechende völkerrechtliche Perspektive eingenommen und unter-
sucht, inwiefern diese Sanktionen durch Normen des internationalen
Menschenrechtsschutzes eingeschränkt werden.
Im ersten Abschnitt werden die entsprechenden Rechtsgrundlagen auf
internationaler und regionaler Ebene vorgestellt761, gefolgt von einer
allgemeinen Überlegung zur Grundrechtsträgerschaft von Sanktions-
adressaten. In den folgenden Abschnitten werden sodann als primär
betroffene Grundrechte die Eigentumsfreiheit762, die Wirtschaftsfrei-
heit763, die Privatsphäre764 und die Verfahrensgarantien765 dargestellt
(primär anhand der EMRK und des UNO-Paktes II) und jeweils auf
die vorliegend untersuchten Sanktionen angewandt.

759 Zum internationalen Menschenrechtsschutz im Allgemeinen vgl. u.a. THÜRER, Men-

schenrechtsschutz; DERS., Völkerrecht, S. 169 ff.; KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz;


KÜNZLI/KÄLIN, UNO-Pakt I, S. 105 ff.; ACHERMANN/CARONI/KÄLIN, UNO-Pakt II, S.
155 ff.; KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 12 ff.; CAFLISCH/KELLER, CEDH, S. 91 ff.;
MEYER-LADEWIG, Menschenrechtskonvention; VILLIGER, Menschenrechtskonvention;
FROWEIN/PEUKERT, EMRK; VILLIGER, EMRK und Menschenrechtspakte, S. 647 ff.;
RACKOW/STEGMÜLLER, Intelligente Sanktionen, S. 479 ff.; SCHOTTEN, Wirtschaftssank-
tionen; BIRKHÄUSER, Sanktionen; RIVA/MÜLLER-TSCHUDI, Eigentumsgarantie, S. 765 ff.;
BIAGGINI, Wirtschaftsfreiheit, S. 779 ff.; FIEDLER, Schutz des Eigentums, S. 354 ff.;
MITTELBERGER, Eigentumsschutz; REININGHAUS, Eigentumsrecht; JO-
SEPH/SCHULTZ/CASTAN, CCPR; SCOTT/GISVOLD, Practical guide to the CCPR; NOWAK,
CCPR commentary; OVEY/WHITE, European Convention on Human Rights; HÄFLI-
GER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention; PISCIOTTA, Diritti umani, S. 17 ff., 321 ff;
ASHAUER, Notstand, S. 400 ff; COUZIGOU, Terrorisme international, S. 59 ff; FRANK,
UNO-Sanktionen, S. 237 ff.
760 Oben, S. 77 ff.
761 Sogleich, S. 180 ff.
762 Unten, S. 183 f.
763 Unten, S. 184.
764 Unten, S. 185 ff.
765 Unten, S. 187 ff.

179
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

A. Allgemeines

Als Reaktion auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs wurden die natio-
nalen Systeme zum Schutz der Menschenrechte nach 1945 um eine
regionale und um eine universelle Ebene erweitert766.
Der universelle Menschenrechtsschutz erfolgt hauptsächlich im Rah-
men der UNO, deren Charta festhält, dass die Vereinten Nationen die
Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreihei-
ten für alle fördern (Art. 1 Ziff. 3 und Art 55 lit. c). Die Hauptpfeiler
dieses universellen Menschenrechtsschutzes767 sind die Allgemeine
Menschenrechts-Erklärung der UNO-Generalversammlung vom 10.
Dezember 1948768 sowie der darauf aufbauende Internationale Pakt
über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember
1966 (UNO-Pakt I), der Internationale Pakt über bürgerliche und poli-
tische Rechte vom 16. Dezember 1966 (UNO-Pakt II)769 sowie ver-
schiedene Protokolle und weitere Übereinkommen770.
Die allgemeine Menschenrechtserklärung proklamiert verschiedene
Grundrechte und Sozialrechte, hat jedoch mangels völkerrechtlicher
Verbindlichkeit grundsätzlich alleine programmatischen Charakter771.
Der UNO-Pakt I verbrieft v.a. soziale Grundrechte wie das Recht auf
soziale Sicherheit, auf einen ausreichenden Lebensunterhalt, ein Recht
auf Arbeit und ein Recht auf angemessenen Lohn sowie ein Recht auf
gerechte und günstige Arbeitsbedingungen. Der UNO-Pakt II garan-
tiert klassische Freiheitsrechte wie z.B. das Verbot von Folter und
Sklaverei, das Recht auf Leben, auf persönliche Freiheit und Sicher-

766 Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 169; KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz, S. 15 f.


767 Vgl. zum Folgenden KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz, S. 44 ff.
768 Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948.
769
Vgl. zu den UNO-Pakten I und II allgemein JOSEPH/SCHULTZ/CASTAN, CCPR;
SCOTT/GISVOLD, Practical guide to the CCPR; NOWAK, CCPR commentary; KÄ-
LIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz, S. 46 ff.
770 Siehe für eine Übersicht z.B. THÜRER, Völkerrecht, S. 181 ff.
771Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 179, der aber darauf hinweist, dass die Erklärung den-
noch Rechtswirkungen zeitigt, z.B. als Indiz für Völkergewohnheitsrecht.

180
Internationaler Menschenrechtsschutz

heit, auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit und auf ein


faires Verfahren772.
Regionale Verankerung und Entwicklung fand der Menschen-
rechtsschutz u.a. mit der Amerikanischen Menschenrechtskonvention,
mit der Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und der Völ-
ker sowie mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4.
November 1950 (EMRK)773. Diese lehnt sich an die Allgemeine Er-
klärung der Menschenrechte der UNO an und gewährleistet zusam-
men mit einer Reihe von zusätzlichen Protokollen, denen die Schweiz
teilweise beigetreten ist774, klassische Grund- und Freiheitsrechte. Die
EMRK enthält ein Kontrollverfahren, das Individual- und Staatenbe-
schwerden ermöglicht; einziges Kontrollorgan ist seit 1998 der Euro-
päische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Für die Schweiz völkerrechtlich relevant und damit in die vorliegende
Untersuchung einzubeziehen sind somit grundsätzlich die UNO-Pakte
I und II sowie die EMRK. Auf die teilweise komplexen Fragen des
Verhältnisses zum Landesrecht (Geltung, unmittelbare Anwendbarkeit
und Rang) dieser Systeme muss hier nicht eingegangen werden775;
entscheidend für die hier eingenommene völkerrechtliche Perspektive
ist, dass diese Normen für die Schweiz als Staat verbindlich sind.
Die Normen des UNO-Paktes I bieten bereits prima vista keine An-
knüpfungspunkte zur Sperrung von Geldern. Sie beschränken sich
gemäss Teil III des Paktes (Art. 6-15) u.a. auf den Schutz von Arbeit,
Sozialpartnerschaft, soziale Sicherheit, Familie, Lebensgrundlagen,

772 Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 179 ff.


773 Vgl. hierzu KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz, S. 54 ff.
774 Für die Schweiz sind zurzeit folgende Protokolle in Kraft: Protokoll Nr. 6 vom 28.
April 1983 über die Abschaffung der Todesstrafe, für die Schweiz in Kraft seit dem 1.
November 1987 (SR 0.101.06); Protokoll Nr. 7 vom 22. November 1984, für die
Schweiz in Kraft seit dem 1. November 1988 (SR 0.101.07); Protokoll Nr. 13 vom 3.
Mai 2002 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, für die Schweiz in Kraft
seit dem 1. Juli 2003 (SR 0.101.093). Zu den neuesten Entwicklungen siehe
CAFLISCH/KELLER, CEDH, S. 91 ff.
775 Vgl. zu diesen Fragen im Allgemeinen oben, 71 ff., und zur EMRK im Speziellen
VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 41 ff.

181
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Gesundheit, Bildung, Kultur und Wissenschaft776. Auch in Lehre und


Praxis wurde soweit ersichtlich im Zusammenhang mit blossen Fi-
nanzsanktionen kein Bezug auf den UNO-Pakt I hergestellt777. Damit
kann sich die Analyse auf die „klassischen“ Grundrechte von UNO-
Pakt II und der EMRK konzentrieren.
Zum Verhältnis dieser beiden Normenkomplexe ist Folgendes zu sa-
gen778: UNO-Pakt II wie EMRK enthalten beide klassische Grund-
und Freiheitsrechte, die sich weitestgehend decken. Abweichungen
finden sich an wenigen Stellen; so geht der UNO-Pakt II etwa hin-
sichtlich des Selbstbestimmungsrechts der Völker weiter als die
EMRK. Bezüglich der meisten solcher Abweichungen aber ist der
Pakt mit zahlreichen Vorbehalten der Schweiz belegt, „mit welchen
der Bundesrat jene Gehalte wegbedingen wollte, die über die EMRK
hinausgehen“779. Die beiden Instrumente decken sich auch namentlich
in Bezug auf die durch Finanzsanktionen potentiell tangierten Rechte,
wie die Eigentumsfreiheit und die Verfahrensgarantien.
Aus diesen Überlegungen sollen nun anhand der EMRK (mit Verwei-
sen auf die entsprechenden Normen des UNO-Paktes II) die zentralen
grundrechtlichen Positionen geprüft werden, welche durch die Sper-
rung von Geldern tangiert sein könnten. Dazu gehören wie erwähnt
die Eigentumsfreiheit, die Wirtschaftsfreiheit, die Privatsphäre sowie
die Verfahrensgarantien.
Ein Gedanke ist zur Grundrechtsträgerschaft vorauszuschicken780: Der
Sanktionsbegriff dieser Arbeit bezieht sich auf Massnahmen, die ge-
gen Völkerrechtssubjekte gerichtet sind, welche völkerrechtliche
Pflichten gegenüber der Schweiz verletzt haben. Soweit dies Staaten
betrifft (was zumeist der Fall ist), ist deren Grundrechtsträgerschaft im
776Vgl. zur Bedeutung des Paktes für die Schweiz generell KÜNZLI/KÄLIN, UNO-Pakt I,
S. 105 ff.
777Anders ist dies für umfassendere Wirtschaftssanktionen zu beurteilen, vgl. zu den
dabei betroffenen sozialen Grundrechten BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 288.
778
Siehe dazu u.a. VILLIGER, EMRK und Menschenrechtspakte, S. 647 ff.; ACHER-
MANN/CARONI/KÄLIN, UNO-Pakt II, S. 155 ff.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 294.
779 ACHERMANN/CARONI/KÄLIN, UNO-Pakt II, S. 156.
780 Hierzu allgemein KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 51 ff.

182
Internationaler Menschenrechtsschutz

Sinne der EMRK und des UNO-Paktes II als juristische Personen des
öffentlichen Rechts mehr als zweifelhaft781. Juristische Personen des
öffentlichen Rechts sind nämlich nur ausnahmsweise Grundrechtsträ-
ger, namentlich wenn sie sich auf dem Boden des Privatrechts bewe-
gen oder wie Private betroffen sind782, was bei Finanzsanktionen al-
lenfalls bezüglich des Gegenstands, nicht jedoch bezüglich des völker-
rechtlichen Kontexts zutrifft. Jedoch richten sich Zwangsmassnahmen
in der Form von Smart Sanctions zunehmend (auch) gegen Individu-
en. Soweit diese Massnahmen als Sanktionen gemäss dieser Arbeit
betrachtet werden können783, ist jedenfalls der Grundrechtsschutz die-
ser Individuen zu beachten784.

B. Eigentumsfreiheit

Nach schweizerischem Verfassungsverständnis betrifft die Sperrung


von Geldern in erster Linie die Eigentumsfreiheit (Art. 26 BV)785. So
hat das Bundesgericht im Falle der Sperrung von Mobutu-Geldern
festgehalten: „Dans la mesure où la décision attaquée rend le blocage
(…) applicable aux avoirs revendiqués par le recourant, elle porte ef-
fectivement atteinte à cette garantie [Art. 26 BV], dès lors qu’elle fait

781Vgl. HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S. 54, m.w.H. Überzeugend


gegen Rechte von juristischen Personen des öffentlichen bzw. Völkerrechts, FRO-
WEIN/PEUKERT, EMRK, S. 18 und 156 mit dem Hinweis auf die Individualbeschwerde, die
gemäss Art. 34 explizit nur einer „natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder
Personengruppe“ offensteht: Die EMRK wolle keine Rechte schaffen, für die sie keine
Beschwerde zulasse. Vgl. allgemein zur Grundrechtsträgerschaft von (öffentlich-
rechtlichen) juristischen Personen KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 56 f.
782 Vgl. KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 57.
783 Vgl. zu den Adressaten von Sanktionen im Sinne dieser Arbeit oben, S. 24 ff.
784 Soweit dies wiederum juristische Personen (des Privatrechts) sind, wie z.B. gewisse
Unternehmen, gelten die üblichen Einschränkungen der Grundrechtsträgerschaft. Danach
ist jedes Grundrecht einzeln darauf zu prüfen, ob es sich auch auf juristische Personen
bezieht, vgl. dazu KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 56 f. Dieser Fall ist jedoch weniger
heikel als der angetönte Fall der juristischen Person des öffentlichen Rechts (im Falle
von internationalen Sanktionen zumeist Staaten oder staatsnahe Unternehmen).
785 Oben, S. 78 ff.; so z.B. auch BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 296.

183
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

obstacle à la libre disposition par ce dernier des avoirs qu’il revendi-


que“786.
Doch dieser Garantie entspricht keine völkerrechtliche Verpflichtung
der Schweiz787: Die UNO-Pakte enthalten kein Individualrecht auf
Eigentum788. Auch in der EMRK findet sich ein solches Recht
nicht789. Erst im 1. Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 wird das Ei-
gentum geschützt; die Schweiz hat es bis heute nicht ratifiziert. Damit
erübrigt sich eine Prüfung dieser Garantie aus völkerrechtlicher Sicht.

C. Wirtschaftsfreiheit

Die Wirtschaftsfreiheit ist eng mit der Eigentumsfreiheit verwandt790.


Doch die Frage, ob die Sperrung von Geldern in die Wirtschaftsfrei-
heit der Betroffenen (seien es Sanktionsadressaten oder Dritte, die ihr
Vermögen verwahren) eingreift, ist aus völkerrechtlicher Optik nega-
tiv zu beantworten. Denn die besondere Stellung der Wirtschaftsfrei-
heit im schweizerischen Verfassungsrecht ist in der internationalen
Perspektive aussergewöhnlich791. Die Wirtschaftsfreiheit schweizeri-
scher Prägung hat in internationalen Menschenrechtsübereinkommen
keinen Eingang gefunden; weder der UNO-Pakt II noch die EMRK
enthalten einen Schutz, welcher der schweizerischen Wirtschaftsfrei-

786BGE 132 I 229 E. 11.2. Der Entscheid betraf zwar keine eigentliche Sanktion im
Sinne dieser Arbeit, aber eine grundrechtlich vergleichbare Sperrung von Geldern, vgl.
auch BGE 133 II 450 E. 7.3. Vgl. zur Tangierung der Eigentumsgarantie durch die Sper-
rung von Geldern auch COUZIGOU, Terrorisme international, S. 60; FRANK, UNO-
Sanktionen, S. 241 f.
787Vgl. dazu RIVA/MÜLLER-TSCHUDI, Eigentumsgarantie, S. 765 ff.; BIRKHÄUSER, Sank-
tionen, S. 296; RESS, Handelsembargo, S. 22; DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 241 ff.
Zu den wenigen, hier aber nicht anwendbaren Ausnahmen vgl. KÄLIN/KÜNZLI, Men-
schenrechtsschutz, S. 421 ff.
788 Vgl. COUZIGOU, Terrorisme international, S. 70 f.
789 Vgl. COUZIGOU, Terrorisme international, S. 70 f
790 Vgl. oben, S. 79 ff..
791 Vgl. BIAGGINI, Wirtschaftsfreiheit, S. 780.

184
Internationaler Menschenrechtsschutz

heit entsprechen würde792. Somit erübrigt sich auch die Prüfung dieses
Grundrechtes aus völkerrechtlicher Sicht.

D. Privatsphäre

Sodann stellt sich die Frage, ob der Adressat einer Sperrung von Gel-
dern in seiner rechtlich geschützten Privatsphäre verletzt ist.
Der Schutz der Privatsphäre ist im UNO-Pakt II in Art. 17 Abs. 1 wie
folgt geregelt: „Niemand darf willkürlichen oder rechtswidrigen Ein-
griffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen
Schriftverkehr (...) ausgesetzt werden.“ In der EMRK heisst es in Art.
8 Ziff. 1: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und
Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.“
Diese Bestimmungen aus dem UNO-Pakt II und der EMRK entspre-
chen sich weitgehend793; ihr Schutzbereich erfasst u.a. das Privatle-
ben, die Achtung zwischenmenschlicher Beziehungen, die Identität,
aber auch den Schutz persönlicher Daten und Datensammlungen aller
Art794. Damit sind auch Informationen über die Vermögensverhältnis-
se einer Person geschützt795. Ausserdem schützen diese Bestimmun-
gen auch geschäftliche Beziehungen zu Drittpersonen796 sowie die
792Vgl. KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 301; BIAGGINI, Wirtschaftsfreiheit, S. 780 Fn 8;
DAHME, Wirtschaftssanktionen, S. 243: "Die Freiheit der Berufsausübung ist völker-
rechtlich nicht anerkannt", vgl. auch SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 100. Siehe
immerhin verfassungsvergleichend RICHLI, Wirtschaftsfreiheit, S. 647 ff. Zu einzelnen
Teilgehalten, z.B. aus dem Sklavereiverbot oder der Meinungsäusserungsfreiheit, vgl.
KÄLIN/KIENER, Grundrechte, S. 301.
793 Vgl. HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S. 248; KÄLIN/KÜNZLI,

Menschenrechtsschutz, S. 376 ff..


794 Vgl. KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz, S. 377 ff; BREITENMOSER/SCHWEIZER,

Art. 13 BV, S. 324 ff.


795 Vgl. zum von EMRK 8 geprägten Art. 13 BV BREITENMOSER/SCHWEIZER, Art. 13 BV,

S. 325 f.: "Der (…) grundrechtliche Datenschutz betrifft jeden Umgang mit personenbe-
zogenen Daten. (…). Unter Personendaten (…) sind alle Angaben zu verstehen, die sich
auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen (…), insb. betreffend (…) deren
sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnissen (…)".
796
Vgl. KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz, S. 378 mit Hinweis auf die Praxis des
EGMR.

185
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

persönliche Korrespondenz797; damit zählen auch Geschäftsbeziehun-


gen und die Korrespondenz im Bereich der Finanzdienstleistungen zur
Privatsphäre. Die in Finanzsanktionen der Schweiz üblicherweise ent-
haltene Meldepflicht für Personen und Institutionen, die Gelder halten
oder verwalten oder darüber Kenntnisse haben, stellt somit einen Ein-
griff in die persönliche Freiheit und die Privatsphäre dar798.
Dieser Anspruch auf Privatsphäre kann unter gewissen Voraussetzun-
gen jedoch eingeschränkt werden799. Art. 8 Ziff. 2 EMRK verlangt für
einen gerechtfertigten Eingriff eine gesetzliche Grundlage, die Verfol-
gung eines öffentlichen Interesses bzw. „eines dringenden gesell-
schaftlichen Bedürfnis[ses]“ 800 sowie die Wahrung der Verhältnismäs-
sigkeit, bzw. dass der Eingriff „in einer demokratischen Gesellschaft
notwendig“ erscheint801.
Inwiefern die Meldepflichten der einzelnen Schweizer Sanktionenre-
gimes diesen Anforderungen genügen, wäre in jedem Einzelfall sepa-
rat zu prüfen. Allgemein kann aber immerhin Folgendes festgehalten
werden802: Die von der Schweiz erlassenen Sanktionen erfolgen in
Form von Verordnungen und haben damit eine generell-abstrakte ge-
setzliche Grundlage im weiteren Sinne. Soweit sie sich auf das Em-
bargogesetz stützen, liegt überdies eine formell-gesetzliche Grundlage
vor803. Die Eingriffszwecke, welche mit dieser Form der Durchset-
zung des Völkerrechts mittelbar verfolgt werden (öffentliche Sicher-
heit, Schutz der Menschenrechte, Schutz der Souveränität des Landes

797Vgl. KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz, S. 378; BREITENMOSER/SCHWEIZER, Art.


13 BV, S. 323 f.
798 Vgl. HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S. 258.
799
Vgl dazu u.a. KÄLIN/KÜNZLI, Menschenrechtsschutz, S. 389 f.; MEYER-LADEWIG,
Menschenrechtskonvention, S. 135 ff.; VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 343 ff.;
HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S. 275 ff.; FROWEIN/PEUKERT,
EMRK, S. 345.
800 VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 349.
801 VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 349.
802Vgl. zum Folgenden auch die staatsrechtlichen Ausführungen zur Einschränkung von
Grundrechten, welche sich weitgehend mit den Anforderungen der EMRK decken, oben,
S. 81 ff.
803 Vgl. oben, S. 81 ff.

186
Internationaler Menschenrechtsschutz

und Solidarität mit international gestützten Massnahmen), entsprechen


grundsätzlich den öffentlichen Interessen gemäss der schweizerischen
Grundrechtslehre804. Ob die Verhältnismässigkeit gewahrt ist, lässt
sich jedoch nur anhand des Einzelfalles überprüfen805.
In der Tendenz kann davon ausgegangen werden, dass mit den Melde-
pflichten solcher Finanzsanktionen die erwähnten Normen des UNO-
Paktes und der EMRK nicht verletzt werden. Beide Übereinkommen
sehen im Übrigen vor, dass im Notstandsfall (Art. 4 UNO-Pakt II bzw.
Art. 15 EMRK) Massnahmen getroffen werden dürfen, die von den
vorgesehenen Verpflichtungen abweichen806. Die Feststellung einer
Friedensbedrohung durch den Sicherheitsrat ist hierbei ein Indiz für
einen solchen Notfall807.

E. Verfahrensgarantien

Zu den praktisch relevantesten Grundrechten von EMRK und UNO-


Pakt II gehören zweifellos die Verfahrensgarantien808. Rechtsgrundla-
gen hierfür sind namentlich Art. 6 und Art. 13 EMRK sowie Art. 2-4
von Protokoll Nr. 7 zur EMRK, die im Wesentlichen Art. 2 und Art. 14
UNO-Pakt II entsprechen. Im Zentrum dieser Untersuchung steht da-
bei Art. 6 EMRK, dessen Maxime eines „fair trial“ in diesem Kontext
überragende Bedeutung hat. Nachfolgend ist in einem ersten Schritt zu
prüfen, inwiefern Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Gel-
dern überhaupt in den Anwendungsbereich dieser Normen fallen. In
einem zweiten Schritt werden die allenfalls anwendbaren Garantien
betrachtet und auf die vorliegenden Sanktionen angewandt.

804 Vgl.VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 349 und oben, S. 81 ff.


805 Vgl.VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 349 und oben, S. 81 ff.
806 Vgl. ASHAUER, Notstand, S. 400 ff.
807
Vgl. BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 295. Zu solchen Notstandsklauseln allgemein siehe
CHRISTAKIS, Sécurite Nationale, S. 5 ff.
808 Vgl. hierzu insbesondere PISCIOTTA, Diritti umani, S. 321 ff.

187
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

a) Anwendbarkeit bei Finanzsanktionen

Art. 6 EMRK erfasst gemäss seiner Ziff. 1 einerseits Streitigkeiten


über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, andererseits straf-
rechtliche Anklagen809. Art. 7 EMRK betrifft einzig Strafverfahren.
Bei der Auslegung der Begriffe „zivilrechtliche Streitigkeit“ und
„strafrechtliche Anklage“ stellt der EGMR nicht auf nationales Recht
ab, sondern legt diese Begriffe autonom fest. Dabei fasst er sie bedeu-
tend weiter, als sie nach schweizerischer Leseart verstanden würden.
Der Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK reicht somit gemäss dieser
höchstrichterlichen Auslegung relativ weit810.
Was zivilrechtliche Streitigkeiten anbelangt, hat diese Interpretation
dazu geführt, dass zahlreiche, in der Schweiz als öffentlichrechtlich
qualifizierte Streitigkeiten vom Gerichtshof den zivilrechtlichen zuge-
ordnet und Art. 6 unterstellt wurden811. Für die Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK auf Zivilsachen bedarf es demnach dreier Voraussetzun-
gen812: Erstens bedarf es einer realen und ernsthaften Streitigkeit zwi-
schen zwei Privatpersonen oder zwischen einer Privatperson und einer
Verwaltungsbehörde, die es im Verfahren zu entscheiden gilt. Zwei-
tens braucht es einen aus dem innerstaatlichen Recht abzuleitenden
Anspruch. Drittens muss der Anspruch zivilrechtlicher Natur sein. Zu
Letzterem gehören u.a. Rechte aus Eigentum oder Vermögen oder
Rechte aufgrund einer privaten vertraglichen Grundlage.

809 Vgl. hierzu u.a. VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 241; MEYER-LADEWIG,

Menschenrechtskonvention, S. 91; HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention,


S. 132; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 290 f.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK, S. 157.
810 Vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK, S. 157; HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechts-
konvention; S. 132. Nach letzteren Autoren hat diese autonome Interpretation dazu ge-
führt, „dass zahlreiche Streitigkeiten, die in der Schweiz als öffentlichrechtliche qualifi-
ziert sind, von den Strassburger Organen den zivilrechtlichen zugerechnet und damit Art.
6 unterstellt werden“.
811 Vgl. HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S. 132; FRANK, UNO-

Sanktionen, S. 242 ff.


812 Vgl. dazu VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 241 ff.; MEYER-LADEWIG, Men-

schenrechtskonvention, S. 91 ff.; HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S.


134 ff.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 290 ff; FROWEIN/PEUKERT, EMRK, S. 157 ff.

188
Internationaler Menschenrechtsschutz

Der EGMR hat, was im Zusammenhang mit Finanzsanktionen von


Interesse ist, Enteignungssachen sowie die Beschlagnahme und Ein-
ziehung von Vermögenswerten den Zivilsachen zugeordnet. Dahinter
steckt die Überlegung, dass entsprechende Entscheide direkte Auswir-
kungen auf den zivilrechtlichen Anspruch (Eigentum) haben813. Auch
das Einfrieren von Vermögenswerten betrifft Vermögensrechte von
Individuen; entsprechende Massnahmen eröffnen daher zivilrechtliche
Streitigkeiten im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK814.
Daraus folgt, dass auch Finanzsanktionen in Form der Sperrung von
Geldern als zivilrechtliche Streitigkeit i.S. von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
gelten. Zu diesem Schluss kam auch das Bundesgericht zumindest für
den Fall, in dem die gesamten Vermögenswerte einer Person in einem
selbständigen Entscheid für unbestimmte Zeit gesperrt wurden815.
Diese Konstellation ist bei Schweizer Finanzsanktionen aktueller Prä-
gung gewöhnlich erfüllt.
Was die strafrechtliche Anklage betrifft, verlangt Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(und analog auch Art. 7 EMRK) das Vorliegen von zumindest einem
von drei Kriterien816: Die innerstaatliche Zuordnung eines Tatbestan-
des zum Strafrecht; die Natur der Sanktion, insbesondere gemessen an
der Allgemeinheit ihrer Androhung; oder schliesslich die Schwere der
angedrohten Strafe und ihr Zweck.
Die Sperrung von Geldern als Finanzsanktion ist unter Würdigung
dieser Kriterien keine Strafsache. Es liegt nämlich zunächst nach in-
nerstaatlichem Verständnis kein Strafverfahren vor, das zum Ziel hät-
te, Schuld oder Unschuld eines betroffenen Individuums zu ermitteln.

813 Vgl. HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S. 142 und 146 mit Hin-

weisen auf die einschlägige Praxis des EGMR.


814 Vgl. BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 291 f; in diesem Sinne auch FRANK, UNO-

Sanktionen, S. 244, mit Hinweis auf die noch mangelnde internationale Praxis: "Das in
den Sanktionen vorgesehene Einfrieren von Vermögenswerten könnte (…) als zivilrecht-
lich qualifiziert werden".
815
Vgl. BGE 133 II 450 E. 2.2.; so auch schon BGE 132 I 229 E. 6.3. für die Sperrung
von Mobutu-Geldern im Rahmen internationaler Rechtshilfe.
816 Vgl. dazu VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 250 ff.; MEYER-LADEWIG, Men-

schenrechtskonvention, S. 96 ff.; HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S.


150 ff.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 292 ff.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK, S. 175 ff.

189
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Die Sperrung von Geldern dient vielmehr als völkerrechtliches


Druckmittel gegen ein anderes Völkerrechtssubjekt (u.U. vertreten
durch das vom Prozess betroffene Individuum), um dieses damit zu
einer Abkehr seiner Völkerrechtsverletzung zu bewegen817. Das
Druckmittel ist daher auch reversibel. Zum selben Resultat führt auch
die Frage nach der objektiven strafrechtlichen Natur solcher Sanktio-
nen; sie scheitert sowohl an der erwähnten Reversibilität als auch dar-
an, dass keine allgemeinen Verhaltenspflichten von Personen, sondern
spezifische völkerrechtliche Pflichten von Völkerrechtssubjekten
sanktioniert werden818. Die konkrete Schwere schliesslich hängt vom
Einzelfall ab, kann aber jedenfalls eine „straflose“ Grundstossrichtung
der Massnahme nicht zur Strafe machen819.
Art. 13 EMRK820 schliesslich ist ungeachtet eines zivil- oder straf-
rechtlichen Verfahrens anwendbar. Die Bestimmung, welche einen
allgemeinen minimalen Rechtsschutz garantiert, ist jedoch nur im Zu-
sammenhang mit einem anderen Konventionsrecht anwendbar. V.a.
aber wirkt sie nur subsidiär zu den Verfahrensgarantien nach Art. 6
EMRK und kommt damit vorliegend nicht zum Zuge.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Sperrung von Geldern zwar
zivilrechtlichen, nicht jedoch strafrechtlichen Charakter im Sinne von
Art. 6 Abs. 1 EMRK hat. Dies ist für die Rechtsfolgen bedeutsam.
Nicht weiter zu untersuchen ist die Rechtsweggarantie von Art. 13
EMRK.

817 Zur Abgrenzung des Sanktionszwecks von der reinen Strafe siehe oben, S. 26 ff.
818 Die Annahme einer "strafrechtlichen Anklage" wäre jedoch für Massnahmen gegen
den internationalen Terrorismus denkbar, welche jedoch nicht Sanktionen im Sinne die-
ser Arbeit darstellen. In diesem Sinne COUZIGOU, Terrorisme international, S. 61 f., mit
Hinweis auf die unklare Rechtslage; vgl. auch FRANK, UNO-Sanktionen, S. 244.
819Ansonsten wäre jede Enteignung von hohem Wert gleichzeitig eine Strafe. Das Krite-
rium der Schwere taugt nur zur Abgrenzung zwischen an sich strafgerichteten Massnah-
men wie Disziplinarmassnahmen und eigentlichen Strafen.
820 Vgl. dazu VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 424 ff.; MEYER-LADEWIG, Men-

schenrechtskonvention, S. 187 ff.; HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention,


S. 331 ff.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK, S. 427 ff.

190
Internationaler Menschenrechtsschutz

b) Rechtsfolgen bei Finanzsanktionen

Da die hier untersuchten Sanktionen wie dargestellt keine strafrechtli-


che Implikation haben, entfallen die Rechtsfolgen, welche Art. 6 Ziff.
2-3 und Art. 7 EMRK für Strafverfahren festlegen. Somit sind nur
noch die Rechtsfolgen für Zivilverfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK
darzustellen.
Die Garantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK821 umfassen vorerst einmal
das Recht auf ein Verfahren vor Gericht. Der Zugang zu diesem Ge-
richt ist als eigenständiges Recht gewährleistet. An dieses Gericht sind
sodann eine Reihe von institutionellen Anforderungen geknüpft. So
muss das Gericht auf einem Gesetz beruhen, unabhängig und unbe-
fangen sein. Sodann muss das Gericht über eine umfassende Kogniti-
on verfügen und kompetent sein, ein bindendes Urteil zu fällen. Die
Rechtsweggarantie von Art. 6 Ziff. 1 EMRK schliesst allerdings nicht
aus, dass zunächst eine Verwaltungsbehörde entscheidet, deren Verfü-
gung oder Busse erst vor einem Gericht angefochten werden kann822.
Das Gericht wiederum hat gewisse fundamentale Verfahrensgarantien
zu gewähren823. Dazu gehört zunächst die Öffentlichkeit im Verfahren
(öffentliche Verhandlung und öffentliche Urteilsverkündigung). Dazu
kommt das Recht auf persönliche Teilnahme am Verfahren, auf die
Durchführung und den Abschluss eines Verfahrens innert angemesse-
ner Frist, auf die verfahrensrechtliche Gleichstellung von Kläger und
Beklagtem (Zugang zu allen Unterlagen, Anhörung in allen Verfah-
rensabschnitten und zu allen Beweismitteln) sowie auf die Gewährung
des rechtlichen Gehörs (das Recht, sich zu allen erheblichen Tatsachen
und rechtlichen Fragen im Verfahren zu äussern und Beweise anzubie-

821 Vgl. dazu VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 260 ff.; MEYER-LADEWIG, Men-

schenrechtskonvention, S. 98 ff.; HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S.


158 ff.; BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 294 ff.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK, S. 196 ff.
822 Vgl VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 273; HÄFLIGER/SCHÜRMANN, Menschen-

rechtskonvention, S. 159.
823Vgl. dazu VILLIGER, Menschenrechtskonvention, S. 279 ff. und 300 ff.; MEYER-
LADEWIG, Menschenrechtskonvention, S. 106 ff., 115 ff., 119 ff. und 123 ff.; HÄFLI-
GER/SCHÜRMANN, Menschenrechtskonvention, S. 158 ff.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK, S.
196 ff.

191
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

ten; Anspruch, die Gründe für die Entscheidung des Gerichtes zu er-
fahren).
Eine generelle Überprüfung des Schweizer Sanktionsregimes im Hin-
blick auf die hier dargestellten Verfahrensgarantien lässt folgenden
Schluss zu:
Die vorgesehenen Verfahren vermögen den Verfahrensgarantien von
EMRK (und analog UNO-Pakt II) grundsätzlich zu genügen. Dies gilt
zunächst für den Zugang zu einem gesetzlichen und unabhängigen
Gericht. Die für die meisten Sanktionsverordnungen verbindliche
Rechtsgrundlage, das Embargogesetz, hält in Art. 8 fest, dass sich das
Verfahren für Beschwerden nach den allgemeinen Bestimmungen über
die Bundesrechtspflege richtet. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsge-
richtsgesetzes (VGG) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Be-
schwerden gegen Verfügungen gemäss Art. 5 des Verwaltungsverfah-
rensgesetzes (VwVG), also gegen Anordnungen der Behörden im Ein-
zelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und worun-
ter auch Verfügungen im Sanktionsbereich fallen824. Zwar enthält Art.
32 VGG einen Ausnahmekatalog; gemäss Abs. 1 lit. a ist eine Be-
schwerde unzulässig gegen Verfügungen auf dem Gebiet der inneren
und äusseren Sicherheit des Landes „soweit das Völkerrecht nicht
einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt“. Dies ist im
Falle von Art. 6 Abs.1 EMRK jedoch der Fall, und deshalb ist die Be-
schwerde an das Bundesverwaltungsgericht (mit Weiterzugsmöglich-
keit an das Bundesgericht825) zulässig. Die entsprechenden Verfah-
rensgesetze stimmen grundsätzlich auch mit den übrigen EMRK-
Vorgaben überein.
Im Falle von UNO-Sanktionen stellt sich jedoch ein gravierendes
Problem bezüglich der Kognition bzw. dem rechtlichen Gehör826.
Zwar sieht beispielsweise Art. 49 VGG eine umfassende Kognition

824Vgl. BIRKHÄUSER, Sanktionen, S. 286. Bereits dargestellt wurde (oben, Fn 361), dass
nach der Praxis des Bundesgerichts abgelehnte Delisting-Begehren prozessual auch als
anfechtbare Verfügungen betrachtet werden.
825 Vgl. hierzu das aktuelle Beispiel von BGE 133 II 450.
826 Hierzu aus staatsrechtlicher Sicht schon oben, S. 84 ff., ebenso Fn 453.

192
Internationaler Menschenrechtsschutz

des Bundesverwaltungsgerichts vor. Doch verhindert regelmässig die


Vorrangstellung von UNO-Recht, insbesondere von Sicherheitsratsbe-
schlüssen, die freie Anwendung innerstaatlichen Rechts oder gar des
übrigen Völkerrechts inklusive der EMRK827. Insoweit, als die ent-
sprechenden UNO-Organe ihre Entscheide, eine Person als Sanktions-
adressat zu bezeichnen, bereits ohne Gewährung des „rechtlichen Ge-
hörs“ fällen, kann ein Betroffener in keinem Moment des Verfahrens
materiell Stellung zur Sanktion nehmen. In solchen Fällen ist vor
Schweizer Behörden Art. 6 Ziff. 1 (sowie Art. 14 Abs. 2 UNO-Pakt II)
verletzt, nach Ansicht des Bundesgerichts auch der subsidiäre Art. 13
EMRK828.

F. Fazit

Zusammenfassend ist zu sagen, dass das geltende Völkerrecht der


Schweiz beim Erlass von Finanzsanktionen in Form der Sperrung von
Geldern keine grundrechtlichen Schranken der Wirtschafts- oder Ei-
gentumsfreiheit auferlegt. Wohl aber kann ein Eingriff in das Recht
auf Privatsphäre gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 17 Abs. 1
UNO-Pakt II vorliegen, dessen Rechtfertigung im Einzelfalle zu prü-
fen ist, tendenziell aber gegeben sein dürfte. Schliesslich betreffen
solche Sanktionen zivilrechtliche (nicht jedoch strafrechtliche) Verfah-
rensgarantien. Diese Garantien hält die Schweiz mit ihrem gegenwär-
tigen Verfahrensrecht zwar grundsätzlich ein. Im häufigen Falle der
Umsetzung von UNO-Sanktionen jedoch werden der Anspruch auf
rechtliches Gehör, auf ein umfassend erkennendes Gericht sowie auf
eine wirksame Beschwerde gemäss Art. 6 Ziff. 1 und Art. 13 EMRK

827 Zum Vorrang der Pflichten aus der UNO-Charta siehe oben, S. 126 ff.
828 Vgl. BGE 133 II 450 E. 8.2., wonach das Delisting-Verfahren des UNO-
Sicherheitsrats den erwähnten Normen nicht genüge. Dazu sei angemerkt, dass die UNO
selber gar nicht direkt an die EMRK oder den UNO-Pakt II gebunden ist; die Uberlegung
des Bundesgerichts lässt sich aber auf die Mitgliedstaaten übertragen, welche durch die
Umsetzung des Sicherheitsrats-Beschlusses diese Normen, d.h. ihre eigenen völkerrecht-
lichen Verpflichtungen, verletzen.

193
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

sowie Art. 14 Abs. 2 UNO-Pakt II verletzt. Dem trägt der Rechtferti-


gungstatbestand, der aus Art. 103 SVN fliesst, Rechnung829

7. Wirtschaftsvölkerrecht830

Das Wirtschaftsvölkerrecht umspannt eine immense Vielzahl von


Themenbereichen. Thema dieses Kapitels sind diejenigen Normen des
Wirtschaftsvölkerrechts, welche möglicherweise Schranken für Fi-
nanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern darstellen.
Im ersten Abschnitt werden diese für Finanzsanktionen einschlägigen
Teilgebiete geortet831. In den folgenden Abschnitten werden sodann
diese Teilgebiete genauer dargesellt, nämlich der völkerrechtlichen
Investitionsschutz832, das Recht des freien Kapital- und Zahlungsver-
kehrs833 und das Recht des freien Dienstleistungsverkehrs834. Jeder
dieser Abschnitte schliesst mit der Frage der Bedeutung der jeweiligen
Normen für Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern.

829 Dazu unten, S. 242 ff.


830 Zum Wirtschaftsvölkerrecht und insbesondere zu den Fragen betreffend der Sperrung
von Geldern siehe u.a.; KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht; THÜRER/HILLEMANNS, All-
gemeine Prinzipien; HÄDE, Direktinvestitionen; BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 24 ff.;
HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 47 ff.; NEWCOMBE, Regulatory Expropriation; DOLZER,
Wirtschaft und Kultur; BROWNLIE, Principles, S. 508 ff.; HERDEGEN, Wirtschaftsrecht;
SICILIANOS, Contre-mesures, S. 216 f.; OECD, Codes of Liberalisation; LUCKE, Interna-
tionaler Währungsfonds; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 108; GROSSEN/DE COU-
LON, Freizügigkeit; IPSEN, Völkerrecht, S. 674 ff.; DOLZER/STEVENS, Bilateral invest-
ment treaties; ALLAND, Justice privée, S. 182; MEIER-SCHATZ/NOBEL/WALDBURGER, EU-
Beitritt, S. 7 ff.; DOLZER, Expropriation; HAFERKAMPF, Kapitalverkehrsfreiheit; HON-
RATH, Kapitalverkehr; SCHMID, Swiss investment protection; ZIEGLER, Wirtschaftsinteg-
ration; SENTI, WTO; OCHSNER, Handelspolitik; GRÜTTER, Finanzdienstleistungen; CAR-
REAU, Droit international économique; DOLZER/SCHREUER, International investment law;
LOWENFELD, International economic law; SIDUH, Direktinvestitionen; STEINHAUER,
Internationaler Währungsfonds; PAÉZ, Liberalizing financial services; SENTI, Welthan-
delsordnung; DERS., WTO.
831 Sogleich, S. 195 ff.
832 Unten, S. 196 ff.
833 Unten, S. 204 ff.
834 Unten, S. 212 ff.

194
Wirtschaftsvölkerrecht

A. Allgemeines

Die Sperrung von Geldern berührt auf einer ersten Ebene die Verfü-
gungsmacht des Betroffenen über diese Gelder. Diese Verfügungs-
macht wird einerseits als Individualrecht auf der Ebene des internatio-
nalen Menschenrechtsschutzes geschützt835. Andererseits ergibt sich
ein diesbezüglicher Schutz auch aus dem völkerrechtlichen Fremden-
recht und einem damit eng verwandten Teilbereich des Wirtschafts-
völkerrechts, dem Investitionsschutzrecht836.
Nebst diesem direkten Eingriff in die allgemeine Verfügungsmacht
über Gelder berühren die hier untersuchten Sanktionen auf einer zwei-
ten Ebene spezifisch die Freiheit, Gelder international frei zu transfe-
rieren. Damit ist ein weiterer Teilbereich des Wirtschaftsvölkerrechts
zu untersuchen, nämlich das Recht des freien Kapital- und Zahlungs-
verkehrs837.
Schliesslich betreffen solche Sanktionen nebst ihrem eigentlichen Ad-
ressaten formell betrachtet zunächst den (treuhänderischen) Inhaber
der betroffenen Gelder. Es ist daher auch die Frage zu prüfen, inwie-
fern damit das Recht des freien Dienstleistungsverkehrs berührt
wird838. Ausser Betracht bleiben kann das Recht des freien Warenver-
kehrs839, da die hier untersuchten Gelder nicht unter den wirtschafts-
völkerrechtlichen Begriff der Ware fallen840.
Diese drei Teilgebiete des Wirtschaftsvölkerrechts sind anschliessend
darzustellen und auf Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Gel-
dern anzuwenden.
835 Vgl. oben, S. 179 ff.
836 Dazu unten, S. 196 ff.
837 Dazu unten, S. 204 ff.
838 Dazu unten, S. 212 ff.
839Vgl. zur Warenverkehrsfreiheit ROHNER, Globalisierung, S. 41; SENTI, Welthandels-
ordnung; DERS., WTO.
840Vgl. z.B. HAFERKAMPF, Kapitalverkehrsfreiheit, S.161 f. mit Hinweis auf die entspre-
chende Rechtsprechung des EuGH. Einen besonderen Grenzfall zwischen Handels- und
Kapitalfreiheit betrifft z.B. das deutsche Banknotenpapier-Embargo gegen Simbabwe,
vgl. NZZ vom 2. Juli 2008, S. 2.

195
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

B. Der völkerrechtliche Investitionsschutz841

Ein zentrales Element des Wirtschaftsvölkerrechts ist das internationa-


le Investitionsrecht, also das Recht der Förderung und des Schutzes
internationaler Investitionen. Unter einer internationalen Investition ist
eine Anlage von Kapital durch einen Investor in ausländischen Pro-
duktionsmitteln zu verstehen, und zwar für ein dauerndes wirtschaftli-
ches Engagement oder eine kurzfristige Beteiligung am Gewinn842. Im
Mittelpunkt des Investitionsrechts steht der Schutz einer Investition
vor Enteignung bzw. eine allfällige Entschädigung für eine Enteig-
nung. Das Internationale Investitionsschutzrecht setzt sich aus einer
Vielzahl von Rechtsquellen zusammen, namentlich aus dem Völker-
gewohnheitsrecht und dem Völkervertragsrecht mit vorwiegend bila-
teralen Vereinbarungen. Hinzu kommt der Schutz des Eigentums aus
Instrumenten des Menschenrechts843.
Die völkergewohnheitsrechtlichen Regelungen844 beziehen sich in
erster Linie auf Enteignungen bzw. Verstaatlichungen von ausländi-
schen Vermögen. Aus der staatlichen Souveränität mit der Gebietsho-
heit ergibt sich das grundsätzlich unbestrittene Recht des Staates, aus-
ländische Vermögen zu enteignen bzw. zu verstaatlichen. Dies wird
durch das gewohnheitsrechtliche Fremdenrecht eingeschränkt, also
jene völkerrechtlichen Pflichten, die ein Staat generell bei der Behand-
lung ausländischer Staatsangehöriger zu beachten hat. Dazu gehören
bestimmte Mindeststandards etwa bei Enteignungen und Ver-
staatlichungen.
Die bedeutendsten Regeln des Investitionsrechts finden sich in bilate-
ralen (Bilateral Investment Treaty, BIT) und regionalen Abkommen.
Die Anzahl solcher Investitionsschutzverträge ist sehr gross; weltweit

841 Zum völkerrechtlichen Investitionsschutz siehe u.a. SCHMID, Swiss investment protec-

tion; HÄDE, Direktinvestitionen; NEWCOMBE, Regulatory Expropriation; DOLZER, Ex-


propriation; DOLZER/STEVENS, Bilateral investment treaties; LIBERTI, Investissement;
POULAIN, Investissement; KAHN, Investissements; DOLZER, Notion of Investment.
842 Vgl. u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 167.
843 Vgl. DOLZER, Expropriation, S. 321.
844 Dazu sogleich ausführlich unten, S. 198 ff.

196
Wirtschaftsvölkerrecht

bestanden 2006 über 2500 bilaterale Verträge845, was auch zurückzu-


führen ist auf das Scheitern von multilateralen Abkommen mit umfas-
senden Regeln zum Investitionsschutz846.
Zu den wenigen multilateralen Instrumenten, welche den Investitions-
schutz berühren847, gehören folgende Abkommen und Institutionen:
In den Anhängen zum WTO-Abkommen finden sich das General
Agreement on Trade in Services (GATS) und das Agreement on Tra-
de-Related Investment Measures (TRIMS), die sich dem Investitions-
schutz jedoch nur im Zusammenhang mit dem Freihandel widmen; sie
sind daher nachfolgend im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit zu be-
sprechen848.
Im Rahmen der Weltbank-Familie sind in diesem Zusammenhang das
International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID)
sowie die Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA) zu nen-
nen. Diese beiden Institutionen dienen der Streitbeilegung und der
Investitionsversicherung, nicht aber dem eigentlichen hier interessie-
renden Schutz vor Enteignungen.
Von der OECD schliesslich stammen zwei Kodizes über die Liberali-
sierung des Kapitalverkehrs (Code of Liberalisation of Capital Move-
ments) und über die Liberalisierung des grenzüberschreitenden
Dienstleistungshandels (Code of Liberalisation of Current Invisible
Operations). Diese beiden Kodizes enthalten keinen Enteignungs-
schutz und werden deshalb erst im Rahmen des Kapitals- bzw.
Dienstleistunsverkehrs besprochen849. Die Bemühungen um ein multi-
laterales Regelwerk der OECD, nämlich ein Multilateral Agreement

845 Vgl. DOLZER, Wirtschaft und Kultur, S. 500. Dazu nachfolgend S. 201 ff.
846So weist SCHMID mit Bezug auf das GATT als Basis für das Welthandelssystem dar-
auf hin, dass „nothing comparable has been (…) created with respect to Foreign Direct
Investment. The response to this disparity was the proliferation of international invest-
ment agreements”, SCHMID, Swiss investment protection, S. 2 f.
847 Siehe zum Folgenden u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 178 ff.; HÄDE,

Direktinvestitionen, S. 203 ff.; DOLZER, Wirtschaft und Kultur, S. 522 f.; SCHMID, Swiss
investment protection, S. 8 ff.
848 Unten, S. 212 ff..
849 Unten, S. 204 ff. und S. 212 ff.

197
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

on Investment (MAI), scheiterten Ende der Neunziger Jahre. Später


brach auch die WTO die Ausarbeitung eines Investitionsabkommens
ergebnislos ab.
Unter dem Blickwinkel des völkerrechtlichen Enteignungsschutzes
sind somit neben dem menschenrechtlichen Schutz einzig das Frem-
denrecht sowie die BIT von Bedeutung; auf sie wird im Folgenden
näher eingegangen.

a) Der fremdenrechtliche Investitionsschutz

Das Fremdenrecht850 ist der völkergewohnheitsrechtliche Mindest-


standard, den ein Staat im Umgang mit Fremden, und hier insbesonde-
re mit fremden Investoren und Kapitalien, zu beachten hat851. Dabei
geht es namentlich um den Schutz vor Enteignung.
Grundsätzlich ist die Enteignung im Völkerrecht zulässig852; ein men-
schenrechtliches oder wirtschaftsvölkerrechtliches Enteignungsverbot
gibt es nicht. Die Enteignung ist aber an verschiedene Voraussetzun-
gen gebunden. Sie muss im öffentlichen Interesse sein, in einem
rechtsstaatlichen Verfahren erfolgen und gerichtlich überprüfbar sein;
sie darf nicht diskriminierend sein und muss vor allem entschädigt
werden, wobei bezüglich der Modalitäten (und insbesondere der Hö-
he) verschiedene Ansätze bestehen.
Einige dieser Voraussetzungen sind bei einer Sperrung von Geldern
als Finanzsanktion grundsätzlich erfüllt, so insbesondere das öffentli-
che Interesse der Rechtsdurchsetzung, der Grundsatz der Nichtdiskri-
minierung853 und prinzipiell auch der gerichtliche Rechtschutz854. Ent-

850Siehe dazu u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 172 ff.; HÄDE, Direktinvestiti-


onen, S. 198 ff.
851 Vgl. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 172 f.
852Siehe zum Folgenden u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 195 ff.; HÄDE,
Direktinvestitionen, S. 186; DOLZER, Wirtschaft und Kultur, S. 519 f.; HERDEGEN, Wirt-
schaftsrecht, S. 234 f.
853 Vgl. dazu KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 200: Danach gelten Inländerbehand-

lung und Meistbegünstigung gewohnheitsrechtlich auch für Enteignungen und Entschä-


digungszahlungen. „Ausländische Investoren dürfen hinsichtlich einer Enteignung und

198
Wirtschaftsvölkerrecht

scheidend ist aber, dass Finanzsanktionen niemals Entschädigungen


vorsehen – diese würden die Massnahme ja gleichsam wieder aufhe-
ben. Es stellt sich daher die Frage, ob überhaupt eine Enteignung vor-
liegt; nur diesfalls wäre eine Entschädigung geschuldet.
Die Enteignung855 ist der formale Entzug der Verfügungsgewalt über
das Eigentum einer Person durch einen staatlichen Hoheitsakt856.
Werden in einem Wirtschaftszweig alle Produktionsmittel enteignet
und dem Staat übertragen, ist von Verstaatlichung oder Nationalisie-
rung die Rede. Enteignungen können direkt oder indirekt erfolgen; als
indirekt wird der Entzug der Eigentümerposition mit andern Mitteln
als durch einen staatlichen Enteignungsakt verstanden857. Von einer
Konfiskation spricht man schliesslich, wenn eine Enteignung entschä-
digungslos erfolgt.
Was die direkte Enteignung anbelangt, fehlt der Sperrung von Geldern
der notwendige formale Entzug der Verfügungsgewalt über das Ver-
mögen. Die Verfügungsgewalt wird lediglich vorübergehend sistiert,
nicht aber auf den Staat übertragen. Dies entspricht auch der Zielset-
zung einer Finanzsanktion als temporäres Druckmittel im Gegensatz
zu einer Enteignung, welche dem Staat zumeist aus wirtschaftspoliti-
schen Gründen Kontrolle über die enteigneten Objekte verschaffen
soll.

einer Entschädigung somit nicht schlechter behandelt werden, als inländische Investoren
bzw. ausländische Investoren aus einem anderen Land“. Dazu ist zu sagen, dass bei
Massnahmen der Rechtsdurchsetzung eine Unterscheidung nach Rechtsbrecher und
unbeteiligten Dritten wohl auch unter dem Diskriminierungsverbot gerechtfertigt ist. Die
Anknüpfung an die Herkunft ist ja nicht unsachlich, sondern fliesst aus dem Rechts-
bruch.
854Vgl. zu den sich aus UNO-Sanktionen ergebenden Schwierigkeiten für die Verfah-
rensgrundsätze oben, S. 187 ff.
855Siehe hierz u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, 191 ff.; HÄDE, Direktinvestitio-
nen, S. 186; HERDEGEN, Wirtschaftsrecht, S. 234 ff.; DOLZER/STEVENS, Bilateral invest-
ment treaties, S. 98 f.; DOLZER, Expropriation, S. 321 f.
856 Vgl. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 191.
857 Vgl. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 192.

199
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Es bleibt damit der Tatbestand der indirekten Enteignung zu untersu-


chen. Dieser schafft erhebliche Definitionsschwierigkeiten858. Proble-
matisch ist nicht alleine die Bestimmung der Grenze, ab wann eine
staatliche Massnahme enteignungsähnlich wirkt. Für Sanktionen be-
deutend relevanter ist insbesondere die Abgrenzung zwischen einer
Regulierung, die als indirekte Enteignung verstanden eine Entschädi-
gungspflicht bewirkt, und einer Regulierung, die enteignungsähnlich
wirkt, aber keine Entschädigung auslösen soll. Ein Grossteil von staat-
lichen Regulierungen ist nämlich gemäss der Lehre nicht enteignungs-
äquivalent; sogenannte „Police Powers“ sollen demnach nicht als (ent-
schädigungspflichtige) indirekte Enteignung betrachtet werden, wenn
sie gerechtfertigt sind859. Die Lehre bietet hierfür verschiedene Mass-
stäbe an860. Doch welchen Massstab man auch anwendet: Es leuchtet
ein, dass zumindest Massnahmen der Rechtsdurchsetzung nicht als
entschädigungspflichtige indirekte Enteignungen zählen können861.
Die hier untersuchten Sanktionen sind ein solcher Fall einer typischen
„Police Power“ zur Rechtsdurchsetzung. Dies ergibt sich auch nach
Analyse der OECD-Kriterien der Eingriffsstärke, der Zielsetzung und
des Schutzes der Erwartungen862. Die Sperrung von Geldern als tem-

858 Siehe u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 192 f.; HERDEGEN, Wirtschaftsrecht,

S. 236 ff.; NEWCOMBE, Regulatory Expropriation, S. 417 ff. und S. 429 f.; BROWNLIE,
Principles, S. 509 ff. Ihr Konzept entspricht der materiellen Enteignung gemäss Art. 26
Abs. 2 BV.
859 Vgl. z.B. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 192 ff.; NEWCOMBE, Regulatory

Expropriation, S. 404 und 417 ff.; BROWNLIE, Principles, S. 509 und 511; HERDEGEN,
Wirtschaftsrecht, S. 236 ff. und 259 ff.; SCHMID, Swiss investment protection, S. 28.
860 Vgl. z.B. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 192 ff.; NEWCOMBE, Regulatory

Expropriation, S. 404 und 417 ff.; nach diesem Autor ist die Grenze einer rechtferti-
genden "Police Power" erst erreicht, wenn die Regulierung willkürlich oder
diskriminierend ist, was bei Sanktionen kaum zutreffen könne, NEWCOMBE, Regulatory
Expropriation, S. 429 f. Auch BROWNLIE, Principles, S. 509 und 511 plädiert für entschä-
digungslose polizeiliche oder justizielle Massnahmen; vgl. auch HERDEGEN, Wirtschafts-
recht, S. 236 ff. und 259 ff. mit eigenen Kriterien. Zum Verständnis gemäss Schweizer
BITs vgl. SCHMID, Swiss investment protection, S. 128: Danach sei die Frage nach den
OECD-Kriterien zu beurteilen, welche den Grad des Eingriffs, dessen Ziele sowie den
Schutz von Erwartungen berücksichtigen.
861 Ebenso wenig verlangt der Zweck des Enteignungsschutzes, einen strafprozessualen
Arrest oder eine vollstreckungsrechtliche Pfändung einer Entschädigungspflicht zu un-
terstellen.
862 Vgl. SCHMID, Swiss investment protection, S. 128.

200
Wirtschaftsvölkerrecht

poräre Massnahme ist ein relativ milder Eingriff in Vermögensrechte;


ihr Ziel entspricht dem Kern einer „Police Power“, nämlich der
Rechtsdurchsetzung, und es stehen ihr keine entgegengesetzten Erwar-
tungen entgegen.
Nach dem Gesagten liegt also bei Finanzsanktionen in Form der Sper-
rung von Geldern weder eine direkte noch eine indirekte Enteignung
vor. Die Mechanismen des fremdenrechtlichen Investitionsschutzes
sind daher nicht anwendbar.

b) Bilaterales Investitionsschutzrecht (BITs)

Damit bleibt zu untersuchen, inwiefern sich aus dem bilateralen Inves-


titionsschutzrecht, wie es in den bereits erwähnten BITs verkörpert
wird, eine Einschränkung für Finanzsanktionen ergibt. Die Schweiz
hat gemäss einer „Liste der Investitionsschutzabkommen“ vom 1. Juli
2008 des SECO 120 Abkommen über die Förderung und den Schutz
von Investitionen abgeschlossen; 112 sind in Kraft, 8 sind unterzeich-
net863.
Grundlage für solche bilateralen Verträge bildet üblicherweise ein
Mustervertrag, der typischerweise die folgenden Elemente864 enthält:
Definition der Investition (Kapitalanlage) und des Investors, allgemei-
ne Verhaltenspflichten (wie Gebot der gerechten und billigen Behand-
lung), Diskriminierungsverbote (Gewährung der Meistbegünstigung,
Grundsatz der Inländerbehandlung), Voraussetzungen von Enteignun-
gen, Verfahrensgarantien, Garantie des Transfers von Zahlungen und
des Kapitals, Regelungen zur Streitschlichtung usw.
Die schweizerischen BITs basieren weitgehend auf einem Musterver-
trag aus dem Jahre 2003865, der seinerseits auf einem OECD-
Konventionsentwurf für den Schutz ausländischen Eigentums von

863 SECO, http://www.seco.admin.ch/themen/00513/00594/index.html?lang=de.


864Siehe dazu u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 176; HÄDE, Direktinvestitio-
nen, S. 192 ff.; HERDEGEN, Wirtschaftsrecht, S. 253 ff.
865 Vgl. SCHMID, Swiss investment protection, S. 11.

201
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

1967 fusst. Die einzelnen BITs wurden sodann individuell ausgehan-


delt und unterscheiden sich teilweise wesentlich voneinander. Aus
diesem Grund ist bei einer wirtschaftlichen Sanktion gegenüber einem
bestimmten Staat stets individuell zu prüfen, ob ein bilaterales Ab-
kommen vorliegt und was es konkret beinhaltet. Trotz dieser Individu-
alität sollen nachfolgend die grundlegenden Linien der schweizeri-
schen BITs im Hinblick auf ihre Bedeutung für Finanzsanktionen
skizziert werden.
Eine generell akzeptierte Definition der Investition866 im internationa-
len Investitionsrecht gibt es nicht. Oft werden unter internationalen
Investitionen sowohl ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct
Investment, FDI) als auch Portfolio-Investitionen verstanden. Mit ei-
ner FDI will sich der Investor mindestens für eine gewisse Zeit im
Zielland der Investitionen mit einer neuen Produktionsstätte oder mit
einer Beteiligung an einer bestehenden wirtschaftlich betätigen und
Einfluss nehmen. Mit einer Portfolio-Investition beteiligt sich der In-
vestor mit Wertpapieren an ausländischen Unternehmen und damit am
wirtschaftlichen Erfolg, ohne aber direkt Einfluss zu nehmen. Die
Schweiz verwendet in ihren Abkommen einen weiten Investitionsbeg-
riff, der üblicherweise „alle Arten von Vermögenswerten“867 umfasst.
Dazu gehören bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte und alle
anderen dinglichen Rechte, alle Formen der Kapitalbeteiligung, alle
Formen von Verbindlichkeiten, alle Forderungen auf Geld, alle Rechte
an geistigem Eigentum usw. Mit einer Sperrung von Geldern sind da-
mit wohl Investitionen im Sinne dieser Abkommen betroffen.
Als geschützter Investor kommt eine Privatperson oder eine juristische
Person in Frage, inklusive einer inländischen juristischen Person, die
von ausländischen Investoren beherrscht wird (sogenannte indirekte
Investition)868. Das bereits erwähnte Abkommen der Schweiz mit der
866 Vgl. zum Begriff der Investition SCHMID, Swiss investment protection, S. 1 ff.; KRA-

JEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 167 ff. und S. 187 f.; HÄDE, Direktinvestitionen, S.


193; HERDEGEN, Wirtschaftsrecht, S. 251 ff.; DOLZER, Expropriation, S. 321.
867Vgl. z.B. Art. 2 Abs. 1 des Abkommen zwischen der Republik Island, dem Fürstentum
Liechtenstein, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Korea über
Investitionen, für die Schweiz in Kraft getreten am 1. September 2006 (SR 0.975.228.1).
868 Vgl. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 189 f.

202
Wirtschaftsvölkerrecht

Republik Korea folgt in Art. 1 Abs. 4 diesem weiten Investoren-


Begriff. Somit können auch Adressaten völkerrechtlicher Sanktionen
unter diesen Investorenbegriff fallen.
Die typischen Rechtsfolgen von BITs869 lassen sich ebenfalls am er-
wähnten Beispiel des Abkommens zwischen der Schweiz und der Re-
publik Korea darstellen: 1) Durch BITs sind die Vertragsparteien ver-
pflichtet, Investitionen zuzulassen und für sie entsprechende Bedin-
gungen zu schaffen. Nach Art. 3 des Abkommens mit Korea z.B. hat
jede Partei der andern „gerechte und billige Behandlung sowie vollen
Schutz und Sicherheit“ zu gewährleisten und auf „ungerechtfertigte
oder diskriminierende Massnahmen“ zu verzichten. 2) Zwischen den
Vertragsparteien gelten der Grundsatz der Inländerbehandlung und die
Meistbegünstigung. So ist nach Art. 4 des Abkommens mit Korea z.B
jede Partei angehalten, Investoren der anderen Partei wie eigene In-
vestoren zu behandeln und ihnen die im internationalen Vergleich je-
weils günstigste Behandlung angedeihen zu lassen. 3) Sodann müssen
zwischen den Abkommensparteien Kapital, Zahlungen, Erträge und
eventuelle Liquidationserlöse frei transferierbar sein. Nach Art. 5 des
Abkommens mit Korea z.B gewährleistet jede Vertragspartei, „dass
alle Zahlungen im Zusammenhang mit einer Investition (...) unverzüg-
lich frei (...) transferiert werden können“. 4) Ausserdem schützen BITs
vor Enteignung und regeln deren Entschädigung. Gemäss Art. 13 des
Abkommens mit Korea z.B trifft keine Partei Enteignungs- oder Ver-
staatlichungsmassnahmen, „es sei denn, solche Massnahmen werden
im öffentlichen Interesse getroffen, sind nicht diskriminierend und
erfolgen in einem ordentlichen Verfahren“. Es wird vorausgesetzt,
dass für die Enteignung „eine umgehende, tatsächlich verwertbare und
wertentsprechende Entschädigung vorgesehen ist“.
Bei der Beurteilung von Wirtschaftssanktionen in Form der Sperrung
von Geldern sind die konkreten allenfalls zwischen der Schweiz und
dem Sanktionsadressaten bestehenden BITs zu berücksichtigen. Die
blosse Sperrung von Geldern ist jedoch gemäss dem Grundschema

869 Siehe zu den Rechtsfolgen von BITS u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 199

ff.; HÄDE, Direktinvestitionen, S. 194 f.; DOLZER,Wirtschaft und Kultur, S. 503 ff.;
SCHMID, Swiss investment protection, S.25 ff.

203
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

dieser BITs und wie oben dargestellt870 keine Enteignung. Darauf


weist auch hin, dass in den BITs nebst dem eigentlichen Enteignungs-
schutz die Transferierbarkeit aller Zahlungen separat geregelt ist. Ein-
zig diese Transferfreiheit ist es, die durch die Sperrung von Geldern
betroffen wird, während das Eigentum selber ja beim Inhaber bleibt.
Auf diese Transferfreiheit wird im Rahmen des Kapital- und Zah-
lungsverkehrs noch eingegangen. Die übrigen Verpflichtungen aus den
BITs, wie die allgemein formulierte gerechte und billige Behandlung
sowie die Inländerbehandlung und der Meistbegünstigungsgrundsatz,
dürften von einer Geldersperrung typischerweise ebenfalls nicht ver-
letzt sein871.
Damit stehen BITs in ihrer typischen Ausgestaltung Finanzsanktionen
in Form der Sperrung von Geldern nicht im Wege. Im konkreten An-
wendungsfall ist jedoch der einschlägige BIT zu analysieren. Die
Transferfreiheit als Sonderelement wird nun im Rahmen des freien
Kapital- und Zahlungsverkehrs untersucht872.

C. Der freie Kapital- und Zahlungsverkehr873

a) Allgemeines

Internationale Finanztransaktionen treten in vielfältigen Formen auf,


die rechtlich und wirtschaftlich oft schwierig zu erfassen sind. Eine
grundsätzliche Unterscheidung betrifft diejenige zwischen Transaktio-
nen des internationalen Zahlungsverkehrs und solchen des internatio-

870 Oben, S. 198 ff.


871Vgl. insbesondere zum Diskriminierungsverbot schon die Ausführungen zum Frem-
denrecht in Fn 853.
872 Sogleich, S. 204 ff.
873 Zum freien Kapital- und Zahlungsverkehr siehe u.a. LUCKE, Internationaler Wäh-
rungsfonds; HAFERKAMPF, Kapitalverkehrsfreiheit; GIANVITI, IMF; FISCHER, IMF; O-
ECD, Codes of Liberalisation; BURDEAU, Avoirs étrangers, S 24 ff, 43; HAKENBERG,
Iran-Sanktionen, S. 62 f.; HONRATH, Kapitalverkehr; SICILIANOS, Contre-mesures, S.
128; SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 108; ALLAND, Justice privée, S. 182.

204
Wirtschaftsvölkerrecht

nalen Kapitalverkehrs874. Der internationale Zahlungsverkehr ist die


grenzüberschreitende Übertragung von Zahlungsmitteln als Gegen-
leistung für eine andere Leistung und somit die Kehrseite des interna-
tionalen Waren- und Dienstleistungshandels. Internationaler Kapital-
verkehr ist die grenzüberschreitende Übertragung von Kapital ohne
direkte Gegenleistung und damit die Grundlage für ausländische In-
vestitionen875.
Die völkerrrechtliche Regelung internationaler Finanztransaktionen
beruht auf verschiedenen Quellen. Das Völkergewohnheitsrecht ent-
hält hierzu kaum Regelungen, wohl aber die diversen vertragrechtliche
und institutionelle Normensysteme. Für die Schweiz relevant sind
insbesondere drei solcher Systeme nämlich das Statut des Internatio-
nalen Währungsfonds876, der OECD-Kodex der Liberalisierung des
Kapitalverkehrs877 sowie die in verschiedenen BITs enthaltenen Rege-
lungen zur Transferfreiheit878. Diese Regelungen sind nun auf ihre
Bedeutung für die vorliegenden Finanzsanktionen zu untersuchen. Sie
sind daher Gegenstand der folgenden drei Abschnitte.
Erwähnt sei auch, dass das WTO-Recht Bestimmungen zur Kapital-
und Zahlungsverkehrsfreiheit enthält, insbesondere das bereits er-
wähnte GATS879 in seinen Art. XI und XVI Ziff. 1 und in allgemeine-
rer Form auch das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) in
Art. XV. Diese Regeln gelten jedoch nur im direkten Zusammenhang
mit andern Pflichten, namentlich des freien Waren- und Dienstleis-
tungsverkehrs. Ausserdem beziehen sie sich in ihren Ausnahmen zu-
meist explizit auf das Regime des internationalen Währungsfonds und

874 Zur Unterscheidung und Definition von Kapital- und Zahlungsverkehr siehe u.a.
KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 218 und HAFERKAMPF, Kapitalverkehrsfreiheit, S.
38 ff.
875 KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 218 und HAFERKAMPF, Kapitalverkehrsfrei-

heit, S. 28 ff.
876 Dazu sogleich unten, S. 206 ff.
877 Dazu sogleich unten, S. 209 ff.
878 Dazu sogleich unten, S. 211 ff. Zu BITs im Allgemeinen siehe oben, S. 201.
879Zum GATS und seiner Bedeutung für Finanzsanktionen bezüglich der Dienstleis-
tungsfreiheit siehe unten, S. 212 ff.

205
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

betrachten dessen Ausnahmen als massgeblich (so Art. XI Ziff. 2


GATS und Art. XV Ziff. 9 lit. a GATT). Eine gesonderte Prüfung die-
ser Normen kann daher ausbleiben.

b) Internationaler Währungsfonds880

Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde 1944 u.a. mit dem


Ziel errichtet, ein funktionsfähiges internationales Währungssystem
sowie ein gesundes Wirtschaftswachstum und eine stabile Wirtschafts-
und Währungsordnung zu sichern881. Dazu wird u.a. der freie Devi-
sentransfer kontrolliert882. Das IWF-Statut unterscheidet hiefür zwi-
schen internationalem Zahlungsverkehr und internationalem Kapital-
verkehr. Gemäss Art. VIII Abs. 2 lit. a des IWF-Statuts verpflichten
sich die Mitglieder, "Zahlungen und Übertragungen für laufende in-
ternationale Geschäfte" nicht ohne Zustimmung des IWF zu beschrän-
ken. Dieses Verbot schützt und privilegiert nur den internationalen
Zahlungsverkehr. Im Rahmen solcher Zahlungen, „die nicht der Über-
tragung von Kapital dienen“ (IWF-Statut Art. XXX lit. d), sind Be-
schränkungen verboten. Der Kapitalverkehr wird hingegen durch das
IWF-Statut nicht geschützt.
Mit dem Verbot, Transaktionen des internationalen Zahlungsverkehrs
zu beschränken, sind Zahlungen für laufende internationale Geschäfte
erfasst, also Zahlungen im Zusammenhang mit dem Aussenhandel,
mit normalen Bankgeschäften, mit Kreditzinsen und Erträgen aus An-
lagen usw.883. Ob eine internationale Transaktion Kapitalzwecken oder
880 Siehe zum IWF allgemein u.a. HAUSER/GEDULT VON JUNGENFELD, IWF, S. 75 ff.;

KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 248 ff.; HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 62 f.;


DOLZER, Wirtschaft und Kultur, S. 519; LUCKE, Internationaler Währungsfonds, S. 15;
SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 108; ALLAND, Justice privée, S. 182; HERDEGEN,
Wirtschaftsrecht, S. 274 ff.
881 Siehe zum Verhältnis der Schweiz zum IWF allgemein HAUSER/GEDULT VON JUN-
GENFELD, IWF, S. 75 ff.
882 Vgl. zum Folgenden KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 249 f.; HAKENBERG, Iran-

Sanktionen, S. 64 ff.; HONRATH, Kapitalverkehr, S. 35 ff.


883Vgl. dazu den bereits erwähnten Art. XXX des IWF-Übereinkommens, der erläutert,
was unter Zahlungen, „die nicht der Übertragung von Kapitel dienen“, also „Zahlungen
für laufende Transaktionen“, zu verstehen ist.

206
Wirtschaftsvölkerrecht

internationalen Geschäften dient, kann nur im Einzelfall mit Untersu-


chung auf ihre Gegenleistung entschieden werden884.
Eine Finanzsanktion der Schweiz in Form der Sperrung von Geldern
umfasst typischerweise sowohl Kapital (Investitionen) als auch Gelder
für die Zahlung laufender Geschäfte. Während der Kapitalanteil sol-
cher Gelder gemäss IWF-Statut frei beschränkbar ist, geniessen die
Gelder für den Zahlungsverkehr den Schutz einer Transferfreiheit, die
durch solche Finanzsanktionen tangiert wird.
Allerdings ist es strittig, ob die als Finanzsanktion zu verstehende
Sperrung von Geldern überhaupt vom Beschränkungsverbot im inter-
nationalen Zahlungsverkehr gemäss IWF-Statut erfasst wird885. Solche
Sanktionen unterscheiden sich nämlich bezüglich ihres Ziels grundle-
gend von den eigentlich anvisierten Devisenbeschränkungen: Sie sind
nicht währungspolitisch motiviert, sondern eine Massnahme zur
Durchsetzung von Völkerrecht. Diese Massnahme ist daher keine
klassische Devisenbeschränkung: „Ainsi le gel est une mesure ambi-
valente qui comporte des éléments de contrôle des changes combinés
avec une atteinte à la disponibilité de certains biens"886. Der IWF je-
doch betrachtet auch politisch motivierte Beschränkungen als Devi-
senkontrollen im Sinne des IWF-Statuts; so hat er das Verbot von Zah-
lungen iranischer Verbindlichkeiten aus eingefrorenen Guthaben als
Beschränkung von Zahlungen für laufende internationale Geschäfte
betrachtet887.
Somit ist die Zahlungsverkehrsfreiheit des IWF-Statuts auf die Fi-
nanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern anwendbar, zu-
mindest soweit nicht nur Kapital betroffen ist. Beschränkungen von
Zahlungen und Übertragungen für internationale Geschäfte sind wie
erwähnt grundsätzlich verboten. Gemäss Art. VIII Abs. 2 lit. a. IWF-

884 Vgl. HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 66.


885Vgl. BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 24 ff. und S. 43; HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S.
70.
886 BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 27.
887Vgl. HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 69 f. mit Hinweisen auf die einschlägige Praxis
des IWF.

207
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Statut sind sie jedoch in drei Fällen ausnahmsweise zulässig888: Die


ersten beiden Ausnahmen betreffen allfällige Übergangsregelungen
und knappe Devisen. Beide Fälle sind für die vorliegende Untersu-
chung irrelevant, weil vor der Schweizer Mitgliedschaft keine Devi-
senbeschränkung bestand und der IWF noch keine Währung als knapp
erklärt hat889. Die dritte Ausnahme liegt in der Zustimmung des Fonds.
Das Verfahren wurde 1952 vom Exekutivdirektorium festgelegt. Da-
nach sind Beschränkungen innert 30 Tagen nach ihrem Erlass dem
IWF mitzuteilen, der innert weiterer 30 Tage Einspruch erheben kann.
Ohne einen solchen Einspruch gilt die Beschränkung als genehmigt890.
Besonders grosszügig ist der Fonds bei politisch motivierten Devisen-
beschränkungen (z.B. aus Gründen der nationalen oder internationalen
Sicherheit), welche er in seiner Praxis nicht auf ihre Berechtigung
überprüft. Die normalerweise verlangte vorherige Zustimmung wird
somit in diesen Fällen praktisch durch eine „nachträgliche Genehmi-
gungsfiktion“891 ersetzt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Sperrung von Gel-
dern zwar im Bereich der Zahlungen für internationale Geschäfte pri-
ma facie gegen Art. VIII Abs. 2 des IWF-Statuts verstösst. Dieser Ver-
stoss wird jedoch durch fristgerechte Mitteilung an den IWF und
durch dessen zu erwartenden Verzicht auf eine Einsprache geheilt.

888 Vgl. dazu u.a. BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 43; HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 72
ff.; SICILIANOS, Contre-mesures, S. 216 f; KEWENIG, Zwangsmassnahmen, S. 19 f.
889 Vgl. HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 72.
890
Vgl. BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 43; HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 72 ff.; SICI-
LIANOS, Contre-mesures, S. 216 f.
891 HAKENBERG, Iran-Sanktionen, S. 73; Vgl. KEWENIG, Zwangsmassnahmen, S. 20.

208
Wirtschaftsvölkerrecht

c) OECD-Kodex der Liberalisierung des


Kapitalverkehrs892

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-


lung (OECD) befasst sich seit 1960 mit Wirtschafts- und Währungspo-
litik (Koordinierung der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik), dem
Handels- und Zahlungsverkehr (Liberalisierung des Waren-, Dienst-
leistungs- und Zahlungsverkehrs), der Steuerpolitik (Vermeidung der
Doppelbesteuerung) und der Entwicklungshilfe893. Die steten Bemü-
hungen um die Liberalisierung des internationalen Geschäftsverkehrs
führten zu zwei Kodizes, die der Rat der OECD am 12. Dezember
1961 einstimmig annahm894: Dem „Kodex der Liberalisierung des
Kapitalverkehrs“ sowie dem „Kodex der Liberalisierung der laufenden
unsichtbaren Operationen“. Die Kodizes sind formell Beschlüsse des
OECD-Rates. Als solche sind sie für die Mitglieder verbindlich895.
Ersterer bezieht sich auf mittel- und langfristige grenzüberschreitende
Kapitalbewegungen zwischen Personen mit Wohnsitz in einem O-
ECD-Mitgliedstaat896. Letzterer betrifft grenzüberschreitende Dienst-
leistungen und gehört damit in den Kontext des nachfolgenden Ab-
schnitts897. Da die beiden Kodizes aber parallel aufgebaut sind, wer-
den die relevanten Grundsätze nachfolgend automatisch mitbehandelt.
Die Kodizes verpflichten die Mitglieder, durch Anpassung ihres natio-
nalen Rechts im Bereich des Dienstleistungsverkehrs und im Kapital-
verkehr untereinander alle Beschränkungen abzuschaffen, „to the ex-
tent necessary for effective economic co-operation“ (Art. 1 lit. a des
Kapitalverkehrs-Kodex). Die Anhänge der Kodizes listen sodann die

892Siehe zur OECD und ihren Kodizes im Allgemeinen z.B. OECD, Codes of Liberalisa-
tion, S. 7 ff.; IPSEN, Völkerrecht, S. 731 ff.; HONRATH, Kapitalverkehr, S. 31 ff.; BUR-
DEAU, Avoirs étrangers, S. 42.
893 Zum Verhältnis der Schweiz zur OECD allgemein siehe BALDI/BEGLINGER, OECD, S.

27 ff.
894 OECD, http://www.oecd.org/document/63/0,3343,en_2649_34887_1826559_1_1_1
_1, 00.html
895 Vgl. OECD, Codes of Liberalisation, S. 8.
896 Vgl. OECD, Codes of Liberalisation, S. 9.
897 Unten, S. 212 ff.

209
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

genauen Gegenstände der Liberalisierung konkret als einzelne „Items“


auf. Die Staaten können sich sodann mittels Positivliste auf die Libe-
ralisierung einzelner oder aller dieser Items verpflichten (gemeinsamer
Art. 2 lit. a der Kodizes)898. Allerdings haben die Mitglieder auch die
Möglichkeit, bezüglich einzelner Verpflichtungen oder Transaktionen
Vorbehalte anzubringen, wenn sie nicht in der Lage sind, sofort zu
liberalisieren. Diese Vorbehalte können jedoch nur beschränkt oder
aufgehoben, nicht jedoch erweitert oder neu eingeführt werden (ge-
meinsamer Art. 2 lit. b der Kodizes)899. Die konkreten Pflichten eines
Staates zu eruieren, ist somit relativ komplex, da sowohl der Stand der
Positivlisten als auch der Vorbehalte für jede Transaktionsart einzeln
zu berücksichtigen ist.
Schliesslich sehen die Kodizes Ausnahmen vor, unter denen Mitglied-
staaten zusätzliche Einschränkungen vornehmen dürfen. So hält er-
stens die „Safeguard provision“ des gemeinsamen Art. 3 der Kodizes
fest, dass die Liberalisierungspflichten ein Mitglied nicht daran hin-
dern „from taking action it considers necessary for: i) the maintenance
of public order or the protection of public health, morals and safety; ii)
the protection of its essential security interests; iii) the fulfilment of its
obligations relating to international peace and security“. Zweitens er-
laubt der gemeinsame Art. 7 der Kodizes den Mitgliedern, Beschrän-
kungen zu unterhalten, einzuführen oder wieder einzuführen, „if its
economic and financial situation justifies such a course“.
Aufgrund der komplexen Struktur der Kodizes ist bei jeder Finanz-
sanktion individuell zu prüfen, ob ihr Gegenstand unter ein von der
Schweiz akzeptiertes Item fällt und wieweit eine solche Unterstellung
wiederum von Vorbehalten limitiert wird. Doch sogar wenn diese Prü-
fung zur Anwendbarkeit des Kodex im konkreten Fall führt, räumt
insbesondere die „Safeguard provision“ von Art. 3 der Schweiz einen
weiten Spielraum ein, Ausnahmen für ihre Interessen der öffentlichen
Ordnung oder der Sicherheit geltend zu machen, wenn es darum geht,
Völkerrecht durchzusetzen. Soweit Massnahmen gemäss Kapitel VII

898 Vgl. OECD, Codes of Liberalisation, S. 9.


899 Vgl. OECD, Codes of Liberalisation, S. 10.

210
Wirtschaftsvölkerrecht

der UNO-Charta betroffen sind, räumt Art. 3 i) deren Vorrang aus-


drücklich ein. Auch die Literatur erwähnt die Sperrung von Geldern
als eine Finanzsanktion diesem Zusammenhang ausdrücklich: Die
Schutzklauseln „permettent précisément de recourir à des restrictions
à caractère exceptionnel comme le gel“900.

d) BITs

BITs enthalten, wie bereits erörtert901, Regelungen zur Transferierbar-


keit von Zahlungen und Kapital902. Nach Art. 5 des bereits erwähnten
Abkommens zwischen der Schweiz und Korea beispielsweise gewähr-
leistet jede Partei, dass alle Zahlungen im Zusammenhang mit einer
Investition unverzüglich frei transferiert werden können. Darunter fällt
das Anfangskapital, Gewinne, Zinsen, Zahlungen aufgrund eines Ver-
trages, Erlöse aus der Investitionsveräusserung oder der Investitionsli-
quidation, Zahlungen wegen der Enteignung oder als Entschädigung
für Verluste. Die Parteien gewährleisten ferner, dass diese Transfers in
einer frei konvertierbaren Währung erfolgen können.
Die damit statuierte Transferfreiheit gilt allerdings typischerweise
nicht absolut, „insofar as most BITs allow the host State to impose
some restrictions on monetary transfers“903. Im Abkommen zwischen
der Schweiz und Korea beispielsweise wird diese freie Transferierbar-
keit in Art. 5 Abs. 3 eingeschränkt, und zwar im Falle von Massnah-
men, die im Zusammenhang mit Konkurs- und Insolvenzverfahren
oder dem Gläubigerschutz stehen, mit der Durchsetzung von Gesetzen
und übrigen Rechtsvorschriften oder mit Straftaten, Strafverfügungen
oder Urteilen in verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Verfahren.
Bei Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern ist in einem
ersten Schritt zu prüfen, ob zwischen der Schweiz und dem Sankti-

900 BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 42.


901 Siehe zu BITs im Allgemeinen oben, S. 201 ff.
902Siehe dazu u.a. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 203 f.; HÄDE, Direktinvestitio-
nen, S. 194; DOLZER/STEVENS, Bilateral investment treaties, S. 85 ff.
903 DOLZER/STEVENS, Bilateral investment treaties, S. 86.

211
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

onsadressaten ein BIT besteht. Sodann ist die genaue Ausgestaltung


der Regelungen zur Transferfreiheit zu untersuchen. Diese dürfte
durch eine Geldersperrung a priori üblicherweise verletzt sein; Aus-
nahmeklauseln bzw. eine Auslegung des BIT nach Sinn und Zweck
werden aber eine Beschränkung dieser Freiheit zumindest im Zusam-
menhang mit verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Verfahren zu-
lassen. Unter diese Ausnahme sind auch Finanzsanktionen zu subsu-
mieren, die sich ebenfalls in solchen Verfahren ausdrücken können
und wie diese Verfahren den Zweck der Rechtsdurchsetzung verfol-
gen.

D. Der freie Dienstleistungsverkehr904

a) Allgemeines

Als dritter Teilbereich des Wirtschaftsvölkerrechts ist schliesslich das


Recht des freien Dienstleistungsverkehrs auf seine Relevanz für Fi-
nanzsanktionen zu überprüfen. Finanzsanktionen in Form der Sper-
rung von Geldern betreffen nämlich wie erwähnt905 unter Umständen
nicht nur das eigentliche Sanktionsziel, d.h. den wirtschaftlich Berech-
tigten der Gelder bzw. den Staat, den sie repräsentieren, sondern zu-
nächst den allenfalls nur treuhänderischen Inhaber der betroffenen
Gelder. Deshalb gilt es zu prüfen, inwiefern damit das Recht des frei-
en Dienstleistungsverkehrs eines solchen Intermediärs berührt ist.
Trotz der zunehmenden Bedeutung des internationalen Dienstleis-
tungsverkehrs ist der Abbau seiner rechtlichen Beschränkungen im
Vergleich zum internationalen Warenverkehr bislang deutlich geringer
fortgeschritten906. Die Bemühungen um Liberalisierung des grenz-
904 Zum freien Dienstleistungsverkehr siehe u.a. GROSSEN/DE COULON, Freizügigkeit;

MEIER-SCHATZ/NOBEL/WALDBURGER, EU-Beitritt; HERDEGEN, Wirtschaftsvölkerrecht,


S. 186 ff.
905 Oben, S. 195 ff.
906Siehe dazu u.a. HERDEGEN, Wirtschaftsrecht, S. 191 ff.; GROSSEN/DE COULON, Frei-
zügigkeit, S. 136 und 168; MEIER-SCHATZ/NOBEL/WALDBURGER, EU-Beitritt, S. 15.

212
Wirtschaftsvölkerrecht

überschreitenden Dienstleistungsverkehrs sind erst in wenigen multi-


lateralen Normen zum Ausdruck gekommen; von grösserer Bedeutung
für die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs sind sektorspezifi-
sche bilaterale Abkommen.
Für die Schweiz sind im internationalen Dienstleistungsverkehr v.a.
die folgenden Regelwerke relevant: 1) das GATS, welches Teil des
WTO-Rechts bildet und nachfolgend genauer dargestellt wird; 2) der
„Kodex der Liberalisierung der laufenden unsichtbaren Operationen“
der OECD907; 3) die Freihandelsabkommen, welche die Schweiz im
Rahmen der EFTA mit deren Mitgliedstaaten sowie mit Drittstaaten
im Dienstleistungsbereich unterhält. Weil solche Freihandelsabkom-
men bislang erst sehr punktuell abgeschlossen wurden, wird dieser
Bereich nicht weiter ausgeführt; 4) die Bilateralen Abkommen zwi-
schen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft908. Sie enthal-
ten jedoch keine allgemeine, sondern nur eine punktuelle Dienstleis-
tungsfreiheit. Zwar fanden bei der Ausarbeitung der Bilateralen Ab-
kommen auch Verhandlungen über eine allgemeine Liberalisierung
von Dienstleistungen statt. Angesichts vieler offener Punkte und der
Komplexität des Dossiers wurden sie bereits kurze Zeit später sis-
tiert909. Auch hierzu erübrigen sich daher weitere Erörterungen.
Für den hier untersuchten Gegenstand sind somit zwei Normkomplexe
einschlägig: Der entsprechende OECD-Kodex und das GATS.

907 Vgl. zu den OECD-Kodizes oben, S. 209 ff.


908 Siehe hierzu z.B. THÜRER/HILLEMANNS, Allgemeine Prinzipien; GROSSEN/DE COU-
LON, Freizügigkeit, S. 168; MEIER-SCHATZ/NOBEL/WALDBURGER, EU-Beitritt, S. 15.
909Das Freizügigkeitsabkommen bringt nicht die volle Dienstleistungsfreiheit, sondern
sieht lediglich eine zeitlich begrenzte Liberalisierung der von natürlichen Personen er-
brachten grenzüberschreitenden Dienstleistungen vor. Vgl. GROSSEN/DE COULON, Frei-
zügigkeit, S. 168. Finanzdienstleistungen waren nicht Gegenstand der Verhandlungen
und sind deshalb nicht Gegenstand der Bilateralen Verträge. Vgl. MEIER-
SCHATZ/NOBEL/WALDBURGER, EU-Beitritt, S. 15.

213
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

b) OECD-Kodex der laufenden unsichtbaren


Transaktionen

Was diesen Kodex anbelangt, kann auf die bereits gemachten Ausfüh-
rungen verwiesen werden910. Namentlich ist die genaue Anwendbar-
keit anhand von Positivlisten und Vorbehalten zu prüfen; sodann ge-
währt die Schutzklausel von Art. 3 der Schweiz grossen Spielraum
beim Erlass von Sanktionen. Die nachfolgende Analyse kann sich so-
mit auf das GATS konzentrieren.

c) GATS

Dem GATS911 sind zurzeit 153 Staaten beigetreten, nämlich alle Mit-
gliedstaaten der WTO912. Es findet gemäss Art. I Ziff. 1 „Anwendung
auf die Massnahmen der Mitglieder, die den Handel mit Dienstleis-
tungen betreffen“. Der Begriff der Dienstleistung wird im GATS zwar
nicht definiert, umfasst jedoch „jede Art von Dienstleistungen in je-
dem Sektor mit Ausnahme solcher (…), die in Ausübung hoheitlicher
Gewalt erbracht werden“ (Art. I Ziff. 3 lit. b GATS). Der Handel mit
solchen Dienstleistungen913 kann gemäss Art. I Ziff. 2 GATS auf vier
verschiedene Arten erbracht werden: 1) Die Dienstleistung wird aus
einem Mitgliedsland ins andere, also grenzüberschreitend, erbracht. 2)
Die Dienstleistung wird von einem Dienstleistungsnutzer im Ausland
konsumiert (z.B. Tourismus). 3) Die Dienstleistung wird mittels Prä-
senz des Dienstleistungserbringers im Ausland erbracht (z.B. via
Zweigstelle im Ausland, Direktinvestition im Ausland). 4) Die Dienst-
leistung wird durch eine natürliche Person als Dienstleistungserbrin-
ger im Ausland erbracht (Aufenthalt von Ausländern im Inland).
Durch Massnahmen von Regierungen und Behörden, aber auch von

910 Siehe oben, S. 209 ff.


911 Zum GATS allgemein siehe z.B. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 136 ff; DOL-
ZER, Wirtschaftund Kultur, S. 540 f.; HERDEGEN, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 144 ff.
912 Vgl. zum aktuellen Stand SECO, http://www.seco.admin.ch/themen/00513/00586/

0058/index.html? lang=de.
913 Vgl. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 136 ff.

214
Wirtschaftsvölkerrecht

nicht-staatlichen Stellen wird diese Erbringung von Dienstleistungen


gemäss Art. I Ziff. 3 lit. a GATS unter Umständen betroffen und allen-
falls beeinträchtigt.
Soweit das GATS anwendbar ist, sieht es als Rechtsfolge zweierlei
Arten von Pflichten vor914: Einerseits die allgemeinen Pflichten, die
für alle Mitglieder generell gelten (so das Meistbegünstigungsprinzip
und die Verpflichtung zur Transparenz, vgl. Art. II und III GATS).
Andererseits enthält das GATS spezifische Verpflichtungen, die nur
soweit gelten, als sich ein Mitglied dazu ausdrücklich verpflichtet hat
(beim Marktzugang und bei der Inländerbehandlung, vgl. Art. XVI
und XVII GATS). Wie für ein Freihandelsabkommen üblich, betreffen
diese Pflichten vornehmlich die Gewährung des freien und diskrimi-
nierungsfreien Marktzutritts; Art. VI GATS bestimmt aber darüber
hinaus, dass innerstaatliche Massnahmen zur Ausübung der Dienst-
leistungstätigkeit, d.h. „alle allgemein geltenden Massnahmen, die den
Dienstleistungshandel betreffen, angemessen, objektiv und unpartei-
isch angewendet werden“.
Aus den spezifischen Pflichten zum Dienstleistungsverkehr folgen
akzessorisch auch Pflichten zum freien Zahlungs- und Kapitalverkehr
im Zusammenhang mit solchen Dienstleistungen (Art. XI und XVI
Ziff. 1 GATS), welche bereits angesprochen wurden915.
Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern sind grundsätz-
lich als Massnahmen im Sinne von Art. I Ziff. 3 lit. a GATS zu quali-
fizieren, mit denen die Dienstleistungsfreiheit eines treuhänderischen
Inhabers betroffener Gelder tangiert wird. Dieser kann nämlich einen
Teil seiner angebotenen Dienstleistung, nämlich Gelder zu transferie-
ren, nicht mehr frei (und damit auch nicht mehr grenzüberschreitend)
erbringen. Damit ist das GATS auf solche Massnahmen grundsätzlich
anwendbar.
Die wichtigste allgemeine Verpflichtung, die sich aus dem GATS er-
gibt, ist das Meistbegünstigungsprinzip, d.h. die Pflicht, allen Mitglie-

914 Vgl. zum Folgenden KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 139 ff.


915 Oben, S. 204 ff.

215
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

dern, ihren Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern die gleich


günstige Behandlung zu gewähren916. Dies ist im Falle der hier unter-
suchten Finanzsanktionen unproblematisch, da diese Massnahmen
zwar nach Herkunft des Inhabers der Gelder, nicht aber nach Herkunft
des Dienstleistungserbringers unterscheiden (diese werden abstrakt
alle betroffen) und damit allen die gleiche Behandlung gewähren.
Zu den spezifischen Verpflichtungen gehören wie erwähnt der Grund-
satz des Marktzuganges und der Inländerbehandlung. Der Umfang
dieser Pflichten ist allerdings auf spezifische Zugeständnisse be-
schränkt. Diese werden auf Listen aufgeführt, auf denen nach Sekto-
ren und Teilsektoren unterteilt die Angaben über Zugeständnisse und
Einschränkungen im Marktzugang und in der Inländerbehandlung
aufgeführt werden (vgl. Art. XVI ff. GATS, v.a. Art. XX)917. Diese
Listen sind im konkreten Fall einer Finanzsanktion im Einzelnen auf
ihre Anwendbarkeit zu untersuchen. Wer den freien Marktzugang ge-
währt, darf die Anzahl der Dienstleistungen und der Dienstleistungs-
erbringer grundsätzlich nicht beschränken. Mit dem Grundsatz der
Inländerbehandlung verpflichtet sich das Mitglied grundsätzlich, die
Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mit-
glieds gleich wie jene aus dem eigenen Land zu behandeln. Auch die-
se Pflichten sind, soweit sie anwendbar sind, durch Finanzsanktionen
der untersuchten Art nicht verletzt. Diese betreffen weder den Markt-
zugang an sich, sondern nur die punktuelle Ausübung der Tätigkeit,
noch unterscheiden sie nach der Herkunft des Erbringers.
Sodann enthält das GATS wie erwähnt in Art. VI auch eine Bestim-
mung für innerstaatliche Regulierungen, nämlich für Massnahmen, die
weder diskriminierend sind noch den Marktzugang betreffen und
trotzdem den Dienstleistungsverkehr beeinträchtigen können. Die
Sperrung von Geldern ist zwar als solche Massnahmen zu qualifizie-
ren; gemäss der in der Schweiz üblichen Fassung sind sie jedoch aus
Sicht dieser Bestimmung unproblematisch, da sie sich in ihrer gene-
rell-abstrakten Form gleichermassen gegen alle Akteure richten. Die
916 Vgl. DOLZER, Wirtschaft und Kultur, S. 531, 540.
917Vergleichbar mit den Positivlisten und Vorbehalten der OECD-Kodizes, vgl. dazu
oben, S. 209 ff.

216
Wirtschaftsvölkerrecht

Anwendung im Einzelfall, v.a. hinsichtlich der Durchsetzung, hat je-


doch den Kriterien der Angemessenheit, Objektivität und Unpartei-
lichkeit zu genügen, und Art. VI Ziff. 2 verlangt im Grundsatz zudem
einen minimalen Rechtsschutz, belässt den Staaten aber auch dabei
einen erheblichen Spielraum918.
Schliesslich sieht das GATS in Art. XIV und Art. XIVbis allgemeine
Ausnahmen sowie Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit vor919.
Wenn somit aufgrund der vorangehenden Überlegungen eine Verlet-
zung festgestellt würde, ist zu prüfen, ob eine solche Ausnahme vor-
liegt. Um unter eine solche Ausnahme zu fallen, muss eine Massnah-
me zum einen ein legitimes Regelungsziel verfolgen, zum andern ver-
hältnismässig, namentlich notwendig sein und schliesslich keine unge-
rechtfertigte Diskriminierung oder eine verdeckte Beschränkung des
Handels mit Dienstleistungen darstellen (vgl. den "Chapeau" von Art.
XIV GATS)920.
Die einschlägigen Ausnahmen sind 1) „Massnahmen, die erforderlich
sind, um die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung aufrechtzuer-
halten“, wobei hierfür „eine tatsächliche, ausreichend schwerwiegende
Bedrohung der Grundwerte der Gesellschaft“ vorliegen muss (Art.
XIV lit. a GATS); 2) „Massnahmen, die erforderlich sind, um das Le-
ben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu
schützen“ (Art. XIV lit. b GATS); 3) „Massnahmen (…), die (…) zum
Schutz [von] wesentlichen Sicherheitsinteressen nowendig sind“, na-
mentlich „in Kriegszeiten oder bei sonstigen ernsten Krisen in den
internationalen Beziehungen“ (Art. XIVbis Ziff. 1 lit. b iii) GATS); 4)
Massnahmen aufgrund einer Pflicht aus UNO-Sanktionen (vgl. Art.
XIVbis Ziff. 1 lit c GATS). Ob die der Sanktion zugrunde liegende
Völkerrechtsverletzung in eine dieser Kategorien fällt, ist im Einzel-

918
Diese verfahrensrechtliche Minimalvorschrift geht in den strengeren Vorschriften der
Bundesverfassung und der EMRK auf, vgl. dazu oben, S. 84 ff. und S. 187 ff.
919 Vgl. zum Folgenden KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 149 f.; DOLZER, Wirt-

schaft und Kultur, S. 535 ff; RESS, Handelsembargo, S. 26 ff; KEWENIG, Zwangsmass-
nahmen, S. 19.
920 Vgl. dazu KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 149 f.

217
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

fall zu klären921; es reicht jedenfalls nicht eine beliebige Völkerrechts-


verletzung922. Die Gefahr von ungerechtfertigten Diskriminierungen
oder protektionistischen Handelsschranken besteht bei Sanktionen im
Sinne dieser Arbeit hingegen nicht, da sie stets auf eine Völkerrechts-
verletzung zurückzuführen sind. Hingegen ist die Verhältnismässigkeit
im Einzelfalle zu prüfen, wobei die bloss punktuelle Sperrung einzel-
ner Vermögenswerte tendenziell eine sehr milde und gezielte Mass-
nahme darstellt.
Zusammenfassend gilt, dass das GATS durch eine Finanzsanktion in
Form der Sperrung von Geldern zwar grundsätzlich betroffen wird,
jedoch ohne, dass die allgemeinen oder spezifischen Pflichten der
Nichtdiskriminierung oder des Marktzugangs verletzt würden. Was
spezifische Pflichten angeht, ist zudem im konkreten Fall zu prüfen,
inwiefern bezüglich des betroffenen Finanzprodukts überhaupt spezi-
fische Zugeständnisse der Schweiz bestehen. Auch die inländischen
Vorschriften zur Ausübung von Dienstleistungen stellen bei gewöhnli-
cher Umsetzung von Sanktionen kaum Probleme dar. Schliesslich be-
stehen für den Verletzungsfall verschiedene Ausnahmetatbestände, die
im Einzelfall zu prüfen sind und insbesondere im Falle von UNO-
Sanktionen jedenfalls greifen.

E. Fazit

Zusammenfassend ist bezüglich des Wirtschaftsvölkerrechts Folgen-


des zu sagen:
Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern kommen mit den
Regeln des völkerrechtlichen Investitionsschutzes kaum in Konflikt:
Fremdenrechtlich stellen sie als "Police Power" weder eine direkte
noch eine indirekte Enteignung dar. Was BITs anbelangt, ist deren

921
Zur Gefahr der übermässigen Ausdehnung solcher Sicherheitsklauseln allgemein vgl.
CHRISTAKIS, Sécurite Nationale, S. 4 ff.
922 Vgl. KRAJEWSKI, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 104 ff und 149 f.

218
Völkerrechtliche Immunität

Anwendung im Einzelfalle zu prüfen, doch sind auch diese durch Fi-


nanzsanktionen typischerweise nicht verletzt.
Was das Recht des freien Zahlungs- und Kapitalverkehrs anbelangt, ist
ein ähnlicher Schluss zulässig: Unter aktueller IWF-Praxis sind Fi-
nanzsanktionen üblicherweise durch die Genehmigungsfiktion ge-
deckt. Der OECD-Kodex seinerseits ist nur in konkret zu bestimmen-
den Fällen anwendbar und sieht hierfür zudem weite Ausnahmen vor,
die Finanzsanktionen typischerweise abdecken. Dasselbe gilt schliess-
lich auch für die in BITs enthaltene Transferfreiheit.
Schliesslich bildet auch das Recht des freien Dienstleistungsverkehrs
keine generelle Schranke für Finanzsanktionen: Für den entsprechen-
den OECD-Kodex gilt analog das oben Gesagte, und das GATS kennt,
soweit es konkret überhaupt anwendbar ist, ebenfalls Ausnahmeklau-
seln, die Sanktionen im Sinne dieser Arbeit üblicherweise einschlies-
sen.

8. Völkerrechtliche Immunität923

Gegenstand dieses Kapitels ist die Frage, inwiefern die Regeln der
völkerrechtlichen Immunität die Schweiz beim Erlass von Finanz-
sanktionen in Form der Sperrung von Geldern einschränken.
Die Erörterungen beginnen mit einer kurzen Darstellung der völker-
rechtlichen Immunität im Allgemeinen, namentlich ihres Wesens und

923 Zur völkerrechtlichen Immunität siehe u.a. KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität;


TANGERMANN, Immunität; THÜRER, Völkerrecht, S. 14 ff.; FAVRE, Immunité, S. 471 ff.;
DOEHRING, Völkerrecht, S. 284 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 270 ff.; HAILB-
RONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 190 ff.; ALLAND, Justice privée, S. 166 ff.; BURDEAU,
Avoirs étrangers, S. 5 ff.; EDA, Immunität; STEINBERGER, State Immunity, S. 615 ff.;
DENZA, State Immunity, S. 395 ff.; DERS., Diplomatic Law; DERS., Privileges, S. 1040
ff.; PINGEL, Immunités; HAFNER, Immunität, S. 381 ff.; CASSESE, International Law, S.
98 ff; STEWART, Immunities, S. 194 ff.; SCHMALENBACH, Staatsoberhäupter, S. 397 ff.;
KADELBACH, Consular Relations, S. 1289 ff.; MATZ, Diplomatic Relations, S. 1295 ff.;
BARNHOORN, Diplomatic Law, S. 39 ff.; CRAWFORD, State Responsibility, S. 133 f.;
KOKOTT, Verwirkung, S. 135 ff; FOX, State Immunity; FONGARO, Immunités diplo-
matiques, S. 2157 ff.

219
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

ihrer Arten924. Anschliessend werden die drei wichtigsten Subsysteme


des Immunitätsrechts, nämlich die Staatenimmunität925, die Staatsor-
ganimmunität926 und die Diplomatenimmunität927, dargestellt und auf
ihre Bedeutung für den Gegenstand dieser Untersuchung untersucht.
Bei allen drei Subsystemen wird eingangs die Frage im Zentrum ste-
hen, ob sie überhaupt auf Finanzsanktionen in Form der Sperrung von
Geldern anwendbar sind. Erst nach Bejahung dieser Frage ist eine
detailliertere Prüfung der einzelnen Schranken vorzunehmen.

A. Allgemeines

Völkerrechtliche Immunität bedeutet, dass ein Rechtssubjekt (zumeist


ein Staat oder gewisse seiner Organe) der Hoheitsmacht eines andern
Staates zumindest teilweise entzogen ist928. Die völkerrechtliche Im-
munität ist somit Ausfluss der souveränen Gleichheit der Staaten. Sie
steht aber gleichsam im Spannungsverhältnis zweier Souveränitätsan-
sprüche, nämlich des einen Staates auf seine Gebietshoheit und des
andern Staates auf Schutz vor ebendieser Gebietshoheit.
Im Schrifttum wird statt dem allgemeinen Begriff der „Hoheitsmacht“
oftmals nur Bezug auf die „Gerichtsbarkeit“929 im Sinne der Judikati-
ve des betroffenen Staates genommen930. Damit scheinen die Staats-
funktionen der Legislative und der Exektuive a priori von den Regeln
der Immunität ausgenommen. Diese Frage ist für die vorliegende Be-

924 Sogleich, S. 220 ff.


925 Unten, S. 222 ff.
926 Unten, S. 234 ff.
927 Unten, S. 235 ff.
928 Vgl. DOEHRING, Völkerrecht, S. 284; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 71.
929 Vgl. unten, S. 223 ff.
930Die so verstandene Gerichtsbarkeit ist wiederum von der Jurisdiktion im Sinne der
völkerrechtlichen Zuständigkeitsregeln zu unterscheiden; vgl. dazu oben, S. 148 ff. Die
Frage nach der Immunität (sei es von der Gerichtsbarkeit oder von der Hoheitsmacht
eines Staates im weiteren Sinne) stellt sich erst, wenn die grundsätzliche Zuständigkeit
(Jurisdiktion) des Staates zum Handeln bejaht wird.

220
Völkerrechtliche Immunität

trachtung zentral; von ihr hängt ab, ob die Regeln der völkerrechtli-
chen Immunität überhaupt auf die vorliegende Sanktionsform an-
wendbar sind. Denn falls Finanzsanktionen in Form der Sperrung von
Geldern nicht als Akt der Gerichtsbarkeit im engeren Sinne klassifi-
ziert werden können, sind die Regeln der Immunität nur anwendbar,
wenn sie sich auch auf staatliche Akte anderer Natur beziehen. Diese
wichtige Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des völkerrechtli-
chen Immunitätsrechts auf den Gegenstand dieser Arbeit ist für jedes
Subsystem des Immunitätsrechts einzeln zu klären, da diese Subsys-
teme verschiedene Anwendungsbereiche haben.
Das Völkerrecht kennt je nach Immunitätsträger verschiedene Arten
der Immunität931. So unterscheidet man zwischen der Staatenimmuni-
tät, der Immunität gewisser Staatsorgane (v.a. Staatsoberhäupter und
Regierungsmitglieder) und der Immunität von Diplomaten und Kon-
suln. Daneben gibt es Immunitäten von bestimmten Einrichtungen und
für internationale Organisationen.
Die Staatenimmunität932 soll verhindern, dass ein Staat einseitig seine
Hoheitsmacht mit Wirkung für einen andern Staat ausübt. Insbesonde-
re sollen Streitigkeiten zwischen Staaten nicht von nationalen Gerich-
ten entschieden werden, sondern ausschliesslich auf der Ebene des
Völkerrechts ausgetragen werden. Mit andern Worten: Ein Staat soll
für sein hoheitliches Handeln nicht gezwungen werden können, sich
vor den nationalen Gerichten eines andern Staats zu verantworten.
Die Staatsorganimmunität933 bedeutet, dass ein Staatsoberhaupt sowie
gewisse Regierungsmitglieder grundsätzlich von der Hoheitsmacht
eines dritten Staates ausgenommen sind.
Die diplomatische Immunität schliesslich934 sieht vergleichbare Ga-
rantien im Zusammenhang mit diplomatischen und konsularischen
Missionen vor.

931
Vgl. TANGERMANN, Immunität, S. 125; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 71;
DOEHRING, Völkerrecht, S. 284.
932 Vgl. dazu u.a. DOEHRING, Völkerrecht, S. 285 ff., und unten, S. 222 ff.
933 Vgl. dazu DOEHRING, Völkerrecht, S. 290 ff. und unten, S. 234 ff.

221
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

B. Staatenimmunität

a) Allgemeines

Die Rechtsgrundlage der Staatenimmunität findet sich zunächst im


gewohnheitsrechtlichen Grundsatz der souveränen Gleichheit der
Staaten, wie ihn auch Art. 2 (1) der UNO-Charta festhält935. Danach
kann ein Staat nicht über einen andern zu Gericht sitzen, was in den
Redewendungen „par in parem non habet iurisdictionem“ oder „par in
parem non habet imperium“936 zum Ausdruck kommt. Auf der Ebene
des schweizerischen Landesrechts fehlt bis heute eine gesetzliche Re-
gelung des Immunitätsrechts. Entsprechende Fragen müssen durch die
Rechtsprechung, insbesondere durch die Praxis des Bundesgerichts,
beantwortet werden937. Anknüpfungspunkte sind Völkergewohnheits-
recht und bestehende sowie sich ausbildende regionale und universelle
Übereinkommen938.
Auf internationaler Ebene wurde versucht, die Frage der Staatenim-
munität mittels völkerrechtlichen Vereinbarungen zu regeln. Das für
die Schweiz relevanteste Abkommen dazu ist das Europäische Über-
einkommen über Staatenimmunität des Europarats vom 16. Mai 1972
(EÜSI), dem die Schweiz 1982 beigetreten ist. Sein Anwendungsbe-
reich umfasst einzig judikative Verfahren (vgl. Art. 1 und 14 des Ü-
bereinkommens). Bis heute wurde das Abkommen erst von acht Staa-
ten und zudem mit verschiedenen Vorbehalten und Erklärungen ratifi-
ziert939. Ein Europäisches Gericht für Staatenimmunität ist geschaffen,

934 Unten, S. 235 ff.


935 Vgl. THÜRER, Völkerrecht, S. 141; HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 190 f.
936Auch die Varianz dieser Redewendung (jurisdictionem oder imperium) weist darauf
hin, dass zu klären ist, ob sich die Immunität nur auf die Judikative (jurisdictionem im
engeren Sinne) oder aber auf die Hoheitsmacht im Allgemeinen (imperium) erstreckt.
937 Vgl. EDA, Immunität, S. 4.
938Vgl dazu TANGERMANN, Immunität, S. 130; SCHMALENBACH, Staatsoberhäupter, S.
398; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 67.
939
Vgl. zur Geschichte und zum Inhalt des Europäischen Übereinkommens über Staaten-
immunität EDA, Immunität, S. 6 f.; HAFNER, Immunität, S. 382.

222
Völkerrechtliche Immunität

bis jetzt aber noch nicht angerufen worden. Soweit ersichtlich hat es
bislang auch noch keinen Anwendungsfall vor den internen Gerichten
der Vertragsstaaten gegeben940. Auch angesichts des sich anbahnenden
Immunitäts-Übereinkommens der Vereinten Nationen „scheint die
Zukunft des Europäischen Übereinkommens ungewiss“941.
Dieses Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität
der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit wurde 1977
durch eine Resolution der UNO-Generalversammlung lanciert. Diese
beauftragte die ILC mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Ent-
wurfs. Ein erster Entwurf wurde 1991, ein zweiter 1999 und ein dritter
2002 eingereicht; am 2. Dezember 2004 nahm die Generalversamm-
lung das Übereinkommen als Resolution im Konsens an und forderte
die Staaten zur Unterzeichnung auf942. Die Schweiz hat dieses Über-
einkommen bzw. den ILC-Entwurf am 19. September 2006 unter-
zeichnet. Im Hinblick auf die Ratifizierung wurde 2007 eine Anhö-
rung durchgeführt. Es ist vorgesehen, die Botschaft des Bundesrats
noch 2008 zu verabschieden943.

b) Anwendbarkeit auf Sanktionen

i) Allgemeines

Sowohl das Übereinkommen der UNO als auch das Europäische Ü-


bereinkommen regeln ausschliesslich die Immunität eines Staates vor
den Gerichten eines andern Staates (vgl. Art. 1 des UNO-
Übereinkommens)944. Der Anwendungsbereich der Staatenimmunität

940 Vgl. EDA, Immunität, S. 6 f.


941 EDA, Immunität, S. 6.
942 Resolution 59/38 vom 16. Dezember 2004.
943
Auskunft des EDA vom 21. Mai 2008. Das Abkommen soll in Kraft treten, nachdem
30 Staaten die Ratifizierungsurkunde hinterlegt haben, vgl. HAILBRONNER, Völker-
rechtssubjekte, S. 192.
944Vgl dazu BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 39; EDA, Immunität, S. 5; DOEHRING, Völ-
kerrecht, S. 284 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 271¸ TANGERMANN, Immuni-

223
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

umfasst also einzig die judikative Facette der staatlichen Hoheitsge-


walt, d.h. die Gerichtsbarkeit im engeren Sinne. Diese ist die sich aus
der Souveränität des Staates ergebende Befugnis, innerhalb seines
Territoriums Rechtsprechung auszuüben945, welche durch ebendiese
Staatenimmunität eingeschränkt werden soll. Gericht ist, wie Art. 2
Abs. 1 lit. a des UNO-Übereinkommens festhält, „jenes Organ eines
Staates gleich welcher Bezeichnung, das zur Wahrnehmung richterli-
cher Aufgaben berechtigt ist.“ Dabei bezieht sich „Gerichtsbarkeit“
nicht nur auf eigentliche Handlungen vor Gericht, sondern auf alles,
was mit einer gerichtlichen Tätigkeit verbunden ist946. Damit ist insbe-
sondere nicht nur das Erkenntnisverfahren gemeint; dazu gehören
auch die Vollstreckung und vorsorgliche Massnahmen im Zusammen-
hang mit Gerichtsverfahren oder Gerichtsurteilen947.
Wie verhält es sich nun aber mit Akten, die weder aus einem Erkennt-
nis- noch einem Vollstreckungsverfahren entstanden sind, sondern
ohne Bezug zur Judikative, zur „Gerichtsbarkeit“, als reine legislative
oder exekutive Akte ergehen? Hierbei ist zwischen einem weiten und
einem engeren, rein judikativen Verständnis der Immunität zu unter-
scheiden, wie sogleich auszuführen ist.

ii) Weites Verständnis der Immunität

Die erwähnten völkerrechtlichen Übereinkommen sind, wie soeben


dargestellt, ausdrücklich auf den engen Begriff der Gerichtsbarkeit
anwendbar. Auch die Literatur geht grossteils von diesem engen Ver-
ständnis der Immunität aus948.

tät, S. 86; HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 190 f.; KREN KOSTKIEWICZ, Staaten-


immunität, S. 104 ff.
945 Vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 104.
946 Vgl. HAFNER, Immunität, S. 386.
947Das UNO-Übereinkommen regelt in Art. 18 die Staatenimmunität vor Zwangsmass-
nahmen, die vor einer gerichtlichen Entscheidung angeordnet werden, und in Art. 19 jene
Zwangsmassnahmen danach. Vgl. HAFNER, Immunität, S. 386 f.; STEIN/VON BUTT-
LAR, Völkerrecht, S. 273; TANGERMANN, Immunität, S. 86.
948Vgl. statt vieler TANGERMANN, Immunität, S. 86: „Freiheit von der Gerichtsbarkeit,
d.h. der Ausübung der Rechtspflege durch öffentliche Organe, denen die Rechtsprechung

224
Völkerrechtliche Immunität

Doch diese Beschränkung des Immunitätsrechts ist nicht zwingend.


Zwar hält das UNO-Übereinkommen in Art. 3 ausdrücklich jene Im-
munitätssysteme fest, die vom Übereinkommen nicht erfasst werden,
nämlich v.a. die Diplomaten- und Staatsorganimmunität. Damit sind
aber nicht bereits alle weiteren Immunitätssysteme explizit ausge-
schlossen, denn zum einen ist dieses Übereinkommen noch kein gel-
tendes Völkerrecht, und zum andern entspricht der Vorbehalt weiter-
gehenden Völkergewohnheitsrechtes auch dem Geist des Überein-
kommens, wie er in der Präambel zum Ausdruck kommt949.
Auch in der Literatur finden sich Aussagen, welche die völkerrechtli-
che Immunität nicht auf die Hoheitsgewalt der Justiz beschränkt, son-
dern jene von Exekutive und Legislative einschliesst950. So wird z.B.
„die Freiheit von Eingriffen der allgemeinen Verwaltungsbehörden,
der Polizei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder
der Finanzämter ebenfalls als Immunität“ aufgefasst951. An anderer
Stelle ist von „actes d’autorité, y compris juridictionnels“952 oder von
„l’immunité d’exécution de l’Etat étranger“953 die Rede. Schliesslich
findet sich auch die deutliche Aussage:„Il est pourtout clair que des
mesures (...) conservatoires ou préparatoires prises indépendamment
d’un prononcé judiciaire antérieur, et qui n’en forment donc pas

anvertraut ist (…). Der Gerichtsbegriff umfasst gleichermassen ordentliche wie Ausnah-
me-, Zivil- und Verwaltungs- ebenso wie Strafgerichte, und dies unter Einschluss (…)
jeglicher (…) Ermittlungshandlungen sowie jedweder damit im Zusammenhang stehen-
der Zwangsgewalt“. In diesem judikativ-engen Sinne äussert sich dem Begriffe nach z.B.
auch DOEHRING, Völkerrecht, S. 284, der jedoch sogleich präzisiert, es seien sowohl die
staatlichen Exekutive, Judikative als auch die Legislative in ihren Funktionen betroffen.
Dazu im Rahmen der Staatenimmunität unten, S. 222 ff.
949Diese lautet u.a. wie folgt: „In Bekräftigung des Grundsatzes, dass die Regeln des
Völkergewohnheitsrechts auch weiterhin für alle Fragen gelten, die nicht in diesem Ü-
bereinkommen geregelt sind (…).“
950 Vgl. beispielsweise die Definition des Begriffs der Immunität bei KREN KOSTKIE-

WICZ, Staatenimmunität, S. 71. Klar für eine Ausdehnung auch auf weitere Akte ist auch
BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 39. In diesem Sinne auch DOEHRING, Völkerrecht, S. 284
(vgl. Fn 948). Vgl. auch die nachfolgenden Beispiele.
951 TANGERMANN, Immunität, S. 87 Fn 17.
952 FAVRE, Immunité, S. 472.
953 BURDEAU, Avoirs étrangers, S. 39.

225
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

l’exécution, entrent dans le champ du privilège de l’immunité de ju-


risdiction“954.
Zum selben Resultat gelangt man auch aufgrund des weit gefassten
Rechtsgedankens „par in parem non habet imperium“ und der Er-
kenntnis, dass sich die völkerrechtliche Immunität aus der Souveräni-
tät der Staaten heraus entwickelt hat. Diese liefert keinen Grund für
eine Sonderbehandlung der übrigen Staatsgewalten. Damit dürfte
nicht nur die Hoheitsgewalt der Gerichte gegenüber anderen Staaten
durch die Staatenimmunität beschränkt sein, sondern auch die Ho-
heitsmacht der Legislative, zumindest aber der Exekutive. Denn exe-
kutive Staatshandlungen und insbesondere Zwangsmassnahmen ge-
genüber Drittstaaten tangieren deren souveräne Gleichheit unabhängig
davon, ob ein Gerichtsurteil zu erwarten ist bzw. bereits erging oder
ob ein „reiner“ Exekutivakt vorliegt955.
Es liegt deshalb nahe, die Staatenimmunität ausserhalb der Judikative
auch auf Massnahmen der Exekutive, wenn nicht sogar auch der Le-
gislative, anzuwenden. Wenn man diesem weiten Verständnis folgt,
fallen die vorliegend untersuchten Finanzsanktionen jedenfalls unter
das Recht der Staatenimmunität.

iii) Rein judikatives Verständnis der Immunität

Wenn man diesem weiten Verständnis hingegen nicht folgt, ist es not-
wendig zu prüfen, welcher Natur denn nun Schweizer Finanzsanktio-
nen in Form der Sperrung von Geldern sind. Bei diesem Verständnis
fallen sie nämlich nur dann unter das Recht der Staatenimmunität,
wenn sie als judikative Akte im engeren Sinne betrachtet werden kön-
nen. Es ist also nachfolgend zu untersuchen, ob diese Sanktionen als
legislative, judikative oder exekutive Akte zu betrachten sind.

954 ALLAND, Justice privée, S. 169 Fn 127.


955 Bei blossen Legislativakten wäre eine unterschiedliche Behandlung hingegen nach-
vollziehbar, da hier der individuell-konkrete Eingriff in die souveräne Position des be-
troffenen Staates fehlt.

226
Völkerrechtliche Immunität

Zunächst ist zu prüfen, ob diese Sanktionen einen judikativen Akt dar-


stellen. Gemeint ist ein gerichtliches Erkenntnisverfahren oder eine
provisorische oder vollstreckungsrechtliche Zwangsmassnahme, die
damit im Zusammenhang steht. Dass die Lehre die völkerrechtliche
Immunität vornehmlich als Problem der Gerichtsbarkeit wahrnimmt,
liegt v.a. daran, dass sie zumeist von einer Auseinandersetzung zwi-
schen einem Privaten und einem Drittstaat vor staatlichen Gerichten
ausgeht, mithin von Zivilklagen956. Bei völkerrechtlichen Sanktionen
geht es aber um das Verhältnis zwischen Staaten, namentlich um
Zwangsmassnahmen zur Durchsetzung des Völkerrechts. Den Sankti-
onen nach Schweizer Praxis geht dabei weder ein völkerrechtliches
Erkenntnisverfahren vor einem nationalen Gericht noch vor einem
internationalen Organ voraus. Die Völkerrechtswidrigkeit ist zwar
Bedingung für die Zwangsmassnahme. Doch sie wird einzig implizit
vorausgesetzt - aber nicht judikativ beurteilt. Ein judikativer Akt im
formellen Sinn liegt damit nicht vor.
Stellen die Schweizer Sanktionsregimes nun aber legislative Akte dar?
Wie dargestellt957, werden Schweizer Sanktionen stets in Form von
Verordnungen, also in Form generell-abstrakter Normen, erlassen.
Diese Verordnungen enthalten nun aber oftmals einen Anhang, in dem
die Adressaten der Sanktionsmassnahmen dank genauer Angaben klar
identifiziert werden können. Das Bundesgericht kommt deshalb zum
Schluss, dass sich die Aufnahme in beziehungsweise die Streichung
aus einem solchen Anhang für die betroffene Person wie ein individu-
ell-konkreter Verwaltungsakt und damit wie eine Verfügung auswir-
ke958. Die Sperrung von Geldern ist so gesehen zumindest kein reiner
legislativer Akt.
Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass der Erlass von Finanz-
sanktionen in Form der Sperrung von Geldern rein exekutiven Cha-
956 So z.B. explizit KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 67, die in ihrem Werk „nur

zivilrechtliche Ansprüche gegen Staaten“ behandelt. „Ausgeklammert sind (…) Ansprü-


che eines Staates gegen einen anderen Staat, weil es sich hier um völkerrechtliche An-
sprüche der Staaten untereinander handelt, die auf völkerrechtlichem Weg durchgesetzt
werden müssen“.
957 Oben, S. 103 f.
958 BGE 133 II 450 E. 2.1, vgl. dazu oben, Fn 361.

227
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

rakter hat, da diese verwaltungsrechtlichen Zwangsmassnahmen los-


gelöst von einem vorgängig oder nachfolgenden gerichtlichen Verfah-
ren stattfinden. Damit scheinen die Normen der Staatenimmunität in
einem rein judikativen Verständnis auf diese Sanktionen nicht an-
wendbar.
Doch eine weitere Überlegung führt zu einem andern Schluss. Denn
die Anwendbarkeit völkerrechtlicher Immunität auf völkerrechtliche
Sanktionen lässt sich auch mit einer - soweit ersichtlich noch kaum
diskutierten - Analogie begründen: Eine völkerrechtliche Sanktion
dient der Durchsetzung eines „Urteils“ über eine Völkerrechtsverlet-
zung. Allerdings ist dieses Urteil nicht in einem kontradiktorischen
judikativen Akt ergangen, sondern in einer internen Beurteilung der
sanktionierenden Behörde. Wenn nun ein Immunitätsträger seine Im-
munität gelten machen kann, sobald er in ein gerichtliches Verfahren
verwickelt wird, in dem ihm immerhin verschiedene Verteidigungs-
mittel zur Verfügung stehen, ist nicht ersichtlich, warum er schlechter
gestellt sein soll, wenn diese Beurteilung ausserhalb seines Einflusses
behördenintern stattfindet und nur die Vollstreckung manifest wird.
Es drängt sich deshalb auf, solche Finanzsanktionen als Vollstreckung
eines behördeninternen, „gedachten“ Erkenntnisverfahrens zu betrach-
ten und die Regeln der Staatenimmunität auch bei einem rein judikati-
ven Verständnis der Staatenimmunität anzuwenden.

iv) Fazit

Folgt man dem weiten Verständnis der Immunität, sind ihre Normen
auf die vorliegenden Finanzsanktionen ohne weiteres anwendbar.
Doch auch bei einem rein judikativen Verständnis kommt man zu die-
sem Schluss, wenn man die Sanktionen als Vollstreckung eines ge-
dachten Urteils über die Völkerrechtmässigkeit betrachtet. Somit ist
das Recht der Staatenimmunität jedenfalls anwendbar.

228
Völkerrechtliche Immunität

c) Rechtsfolgen

Was sind nun also die Rechtsfolgen der Anwendung der Staatenim-
munität auf Finanzsanktionen in Form von Sperrung von Geldern?

i) Allgemeines

Lange Zeit galt in der völkerrechtlichen Lehre und Praxis der Grund-
satz der absoluten (Staaten-) Immunität959. Danach konnte ein auslän-
discher Staat unter keinen Umständen ohne seine Zustimmung der
Gerichtsbarkeit eines andern Staates unterworfen werden. In den letz-
ten Jahrzehnten setzte sich jedoch das Konzept einer eingeschränkten
Staatenimmunität immer mehr durch: Nach dieser gilt die Immunität
nur für „acta iure imperii“, d.h. für hoheitliches Handeln, nicht aber
für „acta iure gestionis“, d.h. Handlungen, die auch eine Privatperson
hätte vornehmen können960. Dieser Unterscheidung gehorchen auch
die folgenden Ausführungen.
Nebst dieser Unterscheidung ist zudem zwischen der Immunität im
Erkenntnisverfahren, dem eigentlichen Gerichtsverfahren, und der
Immunität im Vollstreckungsverfahren, der zwangsweisen Durchset-
zung des Gerichtsurteils, zu differenzieren.
Im Erkenntnisverfahren961 gilt bei hoheitlichen Akten (iure imperii)
eines Staates ein umfassender Schutz vor fremder Gerichtsbarkeit,
ausser der betroffene Staat stimme dem Verfahren zu. Nicht-
hoheitliches Verhalten (iure gestionis) hingegen ist der fremden Ge-
richtsbarkeit nicht entzogen. Der Anspruch auf Immunität hängt somit
von der Natur des staatlichen Handelns ab, das Gegenstand der recht-

959 Vgl. dazu z.B. KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 63; EDA, Immunität, S. 3.
960 Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 271; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmuni-
tät, S. 63; EDA, Immunität, S. 3.
961 Vgl dazu unter anderem: EDA, Immunität, S. 4 f. und S. 14 ff.; DOEHRING, Völker-

recht, S. 286 ff.; FAVRE, Immunité, S. 473 f.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S.271
ff.; TANGERMANN, Immunität, S. 130 ff.; HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 191;
HAFNER, Immunität, S. 388 ff.; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 74 f. und S.
284 ff.

229
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

lichen Auseinandersetzung ist. Acta iure gestionis liegen dann vor,


wenn der Staat wie ein Privater auftritt bzw. wenn seine Handlung
auch von einer Privatperson hätte vorgenommen werden können962.
Für diese Zuordnung ist nicht der Zweck des staatlichen Handelns
entscheidend, sondern seine „objektive Natur“963 bzw. „la nature
intrinsèque de l’opération“964. Diese vage Begrifflichkeit wird dadurch
entschärft, dass die erwähnten internationalen Instrumente gewisse
Fallgruppen von Handlungen iure gestionis offerieren965.
Auch im Vollstreckungsverfahren966, ist zwischen Hoheitlichkeit und
Nicht-Hoheitlichkeit zu unterscheiden: Zunächst ist dies deshalb rele-
vant, weil die Immunität des Erkenntnisverfahrens auch im Vollstre-
ckungsverfahren trägt967. Sodann ist die Vollstreckung in das Vermö-
gen eines Staates durch ein weiteres Kriterium beschränkt: Die
Rechtsnatur der entsprechenden Vermögenswerte. Die Zwangsvoll-
streckung ist nämlich verboten, soweit sie sich gegen Güter wendet,
die hoheitlichen Zwecken dienen968. Dem Zugriff ausgesetzt hingegen
sind Güter mit einer nicht-hoheitlichen Zweckbestimmung969 (vgl.
Art. 18 f. des UNO-Übereinkommens).

ii) Bedeutung für Finanzsanktionen

Bei den hier untersuchten Finanzsanktionen liegt ein Erkenntnisver-


fahren im eigentlichen Sinne wie dargestellt970 nicht vor. Dies könnte
962 Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 272.
963 DOEHRING, Völkerrecht, S. 287.
964 FAVRE, Immunité, S. 473.
965 Vgl. Art. 1-13 des Europäischen Übereinkommens und Art 7-17 des ILC-Entwurfes.
966Vgl dazu unter anderem: EDA, Immunität, S. 5 und 18 f.; DOEHRING, Völkerrecht, S.
288 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 273; HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte,
S. 192 f.; FAVRE, Immunité, S. 482 ff.; HAFNER, Immunität, S. 392 f.; KREN KOSTKIE-
WICZ, Staatenimmunität, S. 115, S. 294 f. und S. 302 ff.
967Vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 302.
968
Vgl. HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 192; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenim-
munität, S. 303 f.
969 Vgl. STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 723.
970 Oben, S. 226 ff.

230
Völkerrechtliche Immunität

nahelegen, einzig die Regeln der Vollstreckungsimmunität zur An-


wendung zu bringen. Damit ginge der betroffene Staat des Schutzes
der Erkenntnisimmunität verlustig.
Zwei Argumente sprechen jedoch für die Anwendung sowohl der Er-
kenntnis- als auch der Vollstreckungsimmunität: Erstens setzt die Voll-
streckungsimmunität nach dem üblichen Verständnis des Völkerge-
wohnheitsrechts und der weiteren internationalen Instrumente eine
Erkenntnis voraus. Sie ist neben der Erkenntnisimmunität als zusätzli-
che, nicht als einzige Schranke von Hoheitsgewalt konzipiert. Zwei-
tens spricht auch die bereits angestellte Analogieüberlegung971 für eine
Anwendung auch der Regeln der Erkenntnisimmunität: Es wäre näm-
lich ein Wertungswiderspruch, einem Staat weniger Immunität zu ge-
währen, wenn ein anderer Staat ohne jedes Erkenntnisverfahren auf
sein Vermögen zugreifen will, als wenn der Staat sich zuerst in einem
Erkentnisverfahren zur Wehr setzten konnte. Auf vorliegende Sanktio-
nen sind also sowohl die Regeln der Erkenntnis- als auch der
Vollstreckkungsimmunität anzuwenden.
Aus Sicht der Erkenntnisimmunität stellt sich die Frage, ob die "ge-
dachte" Erkenntnis sich auf ein Handeln iure imperii oder iure gestio-
nis bezieht. Sanktionen im Sinne dieser Arbeit reagieren stets auf eine
Völkerrechtsverletzung; die Feststellung dieser Verletzung ist also die
der Sanktion vorangehende Erkenntnis. In der Regel wird nun der gel-
tend gemachten Völkerrechtsverletzung eine hoheitliche Handlung
oder Unterlassung des Staates zugrunde liegen. Die Fälle, in denen
privates Handeln völkerrechtliche Pflichten verletzt, dürften in der
Minderzahl sein972. Im Falle hoheitlichen Handelns steht also die Er-
kenntnisimmunität für acta iure imperii einer Sanktion im Wege. Eine
solche Verletzung kann jedoch als "virtuell" bezeichnet werden, äus-
sert sie sich doch nicht in einem eigentlichen Erkenntnisverfahren,
sondern erst anlässlich der Vollstreckung. Im Gegensatz zur eigentli-
chen Erkenntnisimmunität anlässlich eines Gerichtsverfahrens ist die

971 Oben, S. 226 ff.


972Das Kriterium des „Handelns wie ein Privater“ wäre z.B. erfüllt, wenn ein Staat wie
ein privater Händler auf dem Waffenmarkt auftritt und damit völkerrechtliche Nonproli-
ferationsabkommen verletzt.

231
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

rein behördeninterne Beurteilung der Völkerrechtsverletzung an sich


frei zulässig.
Die Regeln der Vollstreckungsimmunität haben für Finanzsanktionen
trotz dieser hohen Hürde der Erkenntnisimmunität eine eigene Bedeu-
tung: Zum einen, wenn man der Anwendung einer analogen Erkennt-
nisimmunität nicht folgt; zum andern, wenn es um acta iure gestionis
geht. Es stellt sich also die Frage, auf welches Vermögen eines Staates
nun zugegriffen darf bzw. welches Vermögen eines Staates durch die
Vollstreckungsimmunität geschützt ist. Nach schweizerischer Auffas-
sung wird staatliches Vermögen einerseits unterteilt in Verwaltungs-
vermögen, das unmittelbar zur Erfüllung staatlicher Aufgaben be-
stimmt ist, und anderseits in Finanzvermögen, das nur mittelbar ho-
heitlichen Funktionen dient973. Das Verwaltungsvermögen ist nun
durch die Vollstreckungsimmunität geschützt, nicht aber das Finanz-
vermögen974. In dieses Finanzvermögen eines Staates kann also voll-
streckt werden975.
Im Einzelnen stellen sich bezüglich solcher Gelder, namentlich Bank-
konten, viele Fragen zur genauen Abgrenzung von hoheitlichem und
nicht-hoheitlichem Vermögen. Dienen Bankkonten z.B. gleichzeitig
hoheitlichen und nicht-hoheitlichen Zwecken, hängt die Zulässigkeit
der Vollstreckung nicht zuletzt von Beweislastfragen ab976. Bankkon-
ten von unselbständigen staatlichen Unternehmen977 geniessen Immu-
nität, von selbständigen im Normalfall nicht. Wenn staatliche Unter-
nehmen allerdings hoheitlich handeln und in enger Beziehung zu ih-
rem Staat stehen, steht ihnen wiederum Immunität zu978. Ob Zentral-

973Vgl. hierzu die wegbereitende Dissertation des späteren Bundesrates und Finanzmi-
nisters HANS-RUDOLF MERZ (MERZ, Finanz- und Verwaltungsvermögen).
974Vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 314 und 534; Hafner, Immunität, S.
393.
975 Vgl dazu DOEHRING, Völkerrecht, S. 289; FAVRE, Immunité, S. 483; KREN KOSTKIE-
WICZ, Staatenimmunität, S. 314 und S. 540.
976 Vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 539 f.
977Vgl. dazu KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 357 ff. und S. 552 ff.;
HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 193; FAVRE, Immunité, S. 482.
978 Vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 367.

232
Völkerrechtliche Immunität

banken im allgemeinen Immunität in Anspruch nehmen können, wird


sehr unterschiedlich beurteilt979. Letztlich dürfte auch hier die Natur
ihrer Tätigkeit, also die Frage nach hoheitlichem oder privatwirt-
schaftlichem Handeln, entscheidend sein. So werden Währungsreser-
ven als hoheitlich betrachtet und von der Vollstreckung ausgenommen;
andere Guthaben für Zahlungs- und Kapitalverkehr mit dem Ausland,
die als Finanzvermögen qualifiziert werden, sind einer Vollstreckung
hingegen zugänglich980. In Bankkonten der Botschaft des betroffenen
Staats, kann, sofern die Botschaft keine wirtschaftliche Tätigkeit be-
treibt, nicht vollstreckt werden, wobei sich auch hier je nach Ansicht
verschiedene Beweislastregeln angewandt werden981. Separat zu beru-
teilen sind die eigentlichen Regeln der diplomatischen Immunität982.

d) Fazit

Zusammenfassend ist zur Staatenimmunität Folgendes zu sagen: Nach


hier vertretener Auffassung sind sowohl die Regeln der Erkenntnis-
immunität als auch die Regeln der Vollstreckungsimmunität auf die
untersuchten Finanzsanktionen anwendbar. Die Erkenntnisimmunität
ist (virtuell) verletzt, wenn mit einer Sanktion auf eine Völkerrechts-
verletzung reagiert wird, die auf hoheitlichem Handeln beruht. Die
Vollstreckungsimmunität ist verletzt, wenn mit der Sanktion in Gelder
eingegriffen wird, die hoheitlichen Charakter haben, mithin Verwal-
tungsvermögen darstellen.

979 Vgl. z.B. ZUH, Central Banks, S. 67 ff.


980 Vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 556.
981 Vgl. dazu DOEHRING, Völkerrecht, S. 289.; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S.

540 und 548.


982 Unten, S. 235 ff.

233
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

C. Staatsorganimmunität

Mittels der Staatsorganimmunität nehmen die obersten Repräsentanten


des Staates, so Staatsoberhaupt, Regierungschef und Aussenminister
(sowie nach gewisser Ansicht auch weitere Regierungsmitglieder hin-
sichtlich ihrer Amtshandlungen) und ihre nächsten Angehörigen an der
Immunität des Staates teil, den sie vertreten983. Die Staatsorganimmu-
nität basiert alleine auf Völkergewohnheitsrecht. Eine entsprechende
völkerrechtliche Kodifizierung fehlt984. Das erwähnte UNO-
Übereinkommen lässt gemäss Art. 3 Abs. 2 „Vorrechte und Immunitä-
ten, die nach dem Völkerrecht Staatsoberhäuptern ratione personae
gewährt werden, unberührt“. Die Wiener Übereinkommen über dip-
lomatische Beziehungen sowie über konsularische Beziehungen gelten
ihrerseits nur für Diplomaten und Konsuln, wurden aber gelegentlich
auch analog für die Beurteilung der Staatsorganimmunität herangezo-
gen985.
Inhaltlich verschafft die Staatsorganimmunität986 ihren Trägern im
Ausland die absolute Befreiung von der Zwangsgewalt des Aufent-
haltstaats, also nicht nur von seiner Gerichtsbarkeit. Die absolute Im-
munität bedeutet, dass der Träger weder wegen persönlichem Verhal-
ten noch wegen hoheitlicher Handlungen zur Verantwortung gezogen
werden kann. Dieser Schutz gilt allerdings nur für die Dauer seiner
Amtszeit; danach besteht die Immunität nach herrschender Auffassung
nur für vorheriges amtliches Handeln fort. Für privates Handeln wäh-
rend und ausserhalb der Amtszeit entfällt die Immunität nach Ablauf
der Amtszeit.

983 Vgl. HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 179.


984
Vgl. zu den Quellen der Staatsorganimmunität DOEHRING, Völkerrecht, S. 291; TAN-
GERMANN, Immunität, S. 152; HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 179; FAVRE,
Immunité, S. 479; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 90.
985 Vgl. HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 179. Zu diesen Abkommen siehe unten,

S. 235 ff.
986Vgl. zum Folgenden DOEHRING, Völkerrecht, S. 290 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völ-
kerrecht, S. 274 f.; TANGERMANN, Immunität, S. 207 ff. und S. 219¸ SCHMALENBACH,
Staatsoberhäupter, S. 404; FAVRE, Immunité, S. 479 f.; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenim-
munität, S.91 f.

234
Völkerrechtliche Immunität

Die umstrittene Frage, ob nach Ablauf der Amtsdauer die Staatsorgan-


immunität auch für hoheitliches Handeln während der Amtsdauer ent-
fallen soll, wenn es sich dabei um schwere Menschenrechtsverletzun-
gen oder andere Verstösse gegen ius cogens handelt987, braucht an
dieser Stelle nicht behandelt zu werden. Denn die vorliegende Arbeit
untersucht nur Sanktionen, die sich zumindest mittelbar gegen Völker-
rechtssubjekte wenden. Nur in diesem Zusammenhang ist von Interes-
se, ob die Staatsorganimmunität auch das Vermögen der Organe um-
fasst, gegen deren Staat die Sanktion gerichtet ist. Sobald ein Staatsor-
gan nicht mehr im Amte ist und somit nicht mehr den jeweiligen Staat
repräsentiert, fällt es für die vorliegende Untersuchung ausser Be-
tracht988.
Während der hier interessierenden Amtszeit geniessen die Staatsorga-
ne somit unabhängig der Natur ihrer Handlungen – ob acta iure impe-
rii oder acta iure gestionis - absolute Immunität. Diese schützt sowohl
im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, als auch ausserhalb der
Gerichtsbarkeit im engeren Sinne. Diese Immunität gilt insbesondere
auch für den Zugriff auf ihr Vermögen. Die Sperrung von Geldern von
Staatsorganen verletzt somit die Staatsorganimmunität.

D. Diplomatische Immunität

Während die Staatsorganimmunität direkter Ausfluss der Staatenim-


munität und damit v.a. Ausdruck der souveränen Gleichheit der Staa-
ten ist, dient die Immunität von Diplomaten primär dem reibungsfrei-
en zwischenstaatlichen Verkehr989.

987 Vgl. dazu SCHMALENBACH, Staatsoberhäupter, S. 412 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völ-

kerrecht, S. 274 f., mit Hinweisen auf den diesbezüglichen Paradefall, nämlich die Aus-
lieferungsverfahren gegen den vormaligen chilenischen Staatschef Pinochet.
988Eine Vielzahl von Zwangsmassnahmen richtet sich in der Praxis zwar gegen ehemali-
ge Staatsorgane. Diese Massnahmen dienen jedoch, anders als die hier untersuchten
Sanktionen, einem Strafzweck oder der Verbrechensprävention, vgl. zu diesen Zwecken
oben, S. 26 ff.
989 Vgl. BARNHOORN, Diplomatic Law, S. 41. Die konsularische Immunität dient äh-

nlichen Zwecken. Aufgrund der vorrangigen Bedeutung und des umfassenderen Inhaltes

235
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Im Gegensatz zu den bereits erwähnten Teilbereichen des Immunitäts-


rechts ist die Diplomatenimmunität auch weitgehend kodifiziert990.
Seine wichtigste Rechtsquelle ist das Wiener Übereinkommen vom
18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (WÜD. Dieses ist von
der Staatenmehrheit ratifiziert991, und seine wesentlichen Bestimmun-
gen können als Völkergewohnheitsrecht angesehen werden992. Das
UNO-Übereinkommen über die Immunität von Staaten behält in Art. 3
Abs. 1 die Vorrechte und Immunitäten von diplomatischen Missionen
und konsularischen Vertretungen explizit vor.
Inhaltlich umfasst die diplomatische Immunität vielerlei Facetten,
welche zum Teil die Person des Diplomaten, zum Teil die Mission
selbst betreffen993. Zu Letzterem gehört v.a. die Unverletzlichkeit der
Mission nach Art. 22 WÜD, wonach die Räumlichkeiten der Mission
von Vertretern des Empfangsstaates nur mit Zustimmung des Missi-
onschefs betreten und die Einrichtungen und Gegenstände nicht be-
schlagnahmt oder eingezogen werden dürfen. Der Schutz von Geldern
der Botschaft wurde bereits im Rahmen der Staatenimmunität bespro-
chen994, die Unverletzlichkeit der Mission verstärkt diese Wirkung
zusätzlich.
Zu untersuchen bleibt der Schutz der Person des Diplomaten selbst.
Dieser umfasst gemäss Art. 26 ff. WÜD eine Vielzahl von Privilegien,

der diplomatischen Immunität wird die konsularische Immunität hier nur angedeutet; vgl.
dazu v.a. das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April
1963 (WÜK) und KUSSBACH/KADELBACH, Consular Relations.
990 Vgl. zu den Rechtsquellen der diplomatischen Immunität DOEHRING, Völkerrecht, S.

292; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 277; TANGERMANN, Immunität, S. 126;


HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 181; KREN KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S.
76 f.
991 Es ist bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt von über 180 Staaten ratifiziert worden. Vgl.
STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 277.
992 Vgl. DOEHRING, Völkerrecht, S. 292.
993
Vgl. dazu TANGERMANN, Immunität, S.128 ff.; DOEHRING, Völkerrecht, S. 294; KREN
KOSTKIEWICZ, Staatenimmunität, S. 78 f.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 285;
HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 182 ff.
994 Oben, S. 230 f.

236
Völkerrechtliche Immunität

insbesondere die Immunität und die Unverletzlichkeit des Diplomaten


(Art. 29 ff. WÜD)995.
Die Immunität vor der Gerichtsbarkeit des Gaststaates umfasst einer-
seits die Immunität ratione personae (persönliche Immunität für priva-
tes Handeln), die bis zum Amtsende dauert, andererseits die Immuni-
tät ratione materiae (funktionelle Immunität für amtliches Handeln),
die über die Amtszeit hinaus anhält996. Von der diplomatischen Immu-
nität bestehen auch für schwerwiegende Straftaten keine Ausnah-
men997; ein Diplomat kann grundsätzlich nur zur persona non grata
erklärt werden998. Einzig in gewissen Zivilfällen erfährt die Immunität
nach Art. 31 WÜD eine Ausnahme.
Die diplomatische Immunität wird durch das Konzept der Unverletz-
lichkeit gemäss Art. 29 f. WÜD ergänzt999. Sie betrifft sowohl die Per-
son des Diplomaten selber (Art. 29 WÜD) als auch seine Privatwoh-
nung, seine Korrespondenz und - für Finanzsanktionen zentral - sein
Vermögen1000 (Art. 30 WÜD). Diese Unverletzlichkeit des Vermögens
gilt umfassend, ausser in den hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen
der zivilgerichtlichen Immunität (vgl. Art. 30 Ziff. 2 und Art. 31 Ziff.
3 WÜD). Diese Unantastbarkeit betrifft alles Vermögen, somit auch
Gelder, z.B. in Bankguthaben1001. Das Bundesgericht hat in seiner
Rechtsprechung zwar für rein private Vermögenswerte des Diploma-
ten eine Einschränkung formuliert1002, doch vermag diese nationale
995Familienmitglieder des Diplomaten geniessen eine dem Diplomaten vergleichbare, die
übrigen Mitglieder der Mission eine funktionelle Immunität, vgl. dazu Art. 37 WÜD.
996 Vgl. DOEHRING, Völkerrecht, S. 294.
997 Zur stets schwelenden Missbrauchsdiskussion vgl. z.B. KOKOTT, Verwirkung, S. 148
f.
998 Vgl. HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte, S. 183.
999Vgl. dazu DENZA., Diplomatic Law, S. 256 ff. und S. 270 ff.; DOEHRING, Völkerrecht,
S. 294; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 285; HAILBRONNER, Völkerrechtssubjekte,
S.183; FONGARO, Immunités diplomatiques, S. 2157 ff.
1000 Vgl. DENZA, Diplomatic Law, S. 275 f.
1001
Vgl. DENZA, Diplomatic Law, S. 276: "it [the inviolability] also covers (…) property
such as (…) his bank account (…)".
1002 BGE 108 III 107 E. 1 f.: On peut (…) se demander si l'on ne devrait pas accorder au

particulier qui agit en qualité de consul honoraire ou à un autre titre diplomatique le


bénéfice de l'immunité d'exécution sur la partie de ses biens affectée à de telles fins

237
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Rechtsprechung nichts an der völkerrrechtlichen Absolutheit der dip-


lomatischen Immunität und Unverletzlichkeit zu ändern1003. Die Sper-
rung von Geldern eines Diplomaten verletzt damit Völkerrecht.

E. Fazit

Zur völkerrechtlichen Immunität ergibt sich zusammenfassend Fol-


gendes:
Im Rahmen der Staatenimmunität sind nach hier vertretener Auffas-
sung sowohl die Regeln der Erkenntnisimmunität als auch die Regeln
der Vollstreckungsimmunität auf die untersuchten Finanzsanktionen
anwendbar. Die Erkenntnisimmunität ist (virtuell) verletzt, wenn mit
einer Sanktion auf eine Völkerrechtsverletzung reagiert wird, die auf
hoheitlichem Handeln beruht. Die Vollstreckungsimmunität ist ver-
letzt, wenn mit der Sanktion in Gelder eingegriffen werden, die ho-
heitlichen Charakter haben, mithin Verwaltungsvermögen darstellen.
Die Staatsorganimmunität garantiert während der hier interessierenden
Amtszeit gewissen Staatsorganen unabhängig von der Natur ihrer
Handlungen absolute Immunität. Diese schützt sowohl im Erkenntnis-
und Vollstreckungsverfahren, als auch ausserhalb der Gerichtsbarkeit
im engeren Sinne. Diese Immunität gilt insbesondere auch für den

comme s'il s'agissait en réalité de biens appartenant à l'Etat étranger. Une pareille assimi-
lation paraît à première vue douteuse. A tout le moins faudrait-il, pour l'admettre, que la
prétendue affectation du patrimoine privé à des tâches publiques soit prouvée immédia-
tement ou en tout cas rendue vraisemblable tant dans son principe que dans son exis-
tence. (…) cette immunité ne pourrait être reconnue en l'espèce, dès l'instant que l'on
ignore quelle partie du compte séquestré est affectée aux besoins de l'Etat représenté et
qu'il est en revanche constant que le même compte sert aussi à l'activité commerciale
privée du recourant". Daraus schliesst FAVRE, Immunité, S. 483: „L’immunité
d’exécution, (...) ne s’étend toutefois pas aux biens privés du représentant diplomatique
qui se rapportent exclusivement à une activité professionelle ou commerciale exercée en
dehors de ses fonctions officielles“. Anzufügen ist, dass es sich in jenem Fall nicht um
einen Diplomaten, sondern einen Honorarkonsul handelte, und dass es nicht um eine
Sanktion, sondern einen zivilprozessualen Arrest ging.
1003
Vgl. DENZA, Diplomatic Law, S. 276: "Article 30 refers to 'property' without limitati-
on".

238
Weitere Schranken

Zugriff auf das Vermögen solcher Staatsorgane. Die Sperrung von


Geldern von Staatsorganen verletzt somit die Staatsorganimmunität.
Schliesslich verletzt die Sperrung von Geldern von Diplomaten auch
deren Recht auf Unverletzlichkeit.
Wie bei allen in diesem Sub-Teil dargestellten Schranken sind auch
für Verletzungen der völkerrechtlichen Immunität Rechtfertigungs-
gründe zu prüfen, was weiter unten geschieht1004.

9. Weitere Schranken

In den vorhergehenden Abschnitten wurden vielfältige Normsysteme


daraufhin überprüft, inwiefern sie Schranken setzen, wenn die
Schweiz Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern erlässt.
In diesem Abschnitt wird nun gefragt, ob es daneben weitere völker-
rechtliche Regeln gibt, welche Schranken für solche Sanktionen bein-
halten.
Als wichtigster Punkt ist festzuhalten, dass das moderne Völkerrecht
Staaten in ein derart vielfältiges Geflecht an völkerrechtlichen Verträ-
gen einbindet, dass es unmöglich ist, sämtliche bilateralen Abkommen
eines Staates wie der Schweiz auf solche Schranken hin zu untersu-
chen. Man kommt somit nicht darum herum, im konkreten Falle die
einschlägigen bilateralen Verträge mit dem potentiellen Sanktionsad-
ressaten zu konsultieren. Immerhin dürfte der konkrete Ausschluss
solcher Sanktionen in bilateralen Verträgen eher die Ausnahme als die
Regel bilden1005.
Ein weiterer Ansatzpunkt für Schranken wäre ein allfälliges Recht auf
wirtschaftlichen (und speziell finanziellen) Verkehr. Jedoch kennt das
Völkerrecht kein solches ius commercii und damit keinen generellen
1004 Unten, S. 242 ff.
1005So hält SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 636, fest: "Vertragliche Sperren gegen
Wirtschaftssanktionen (…) in bilateralen Abkommen lassen sich nur selten und punktuell
ausmachen".

239
Schranken beim Erlass von Finanzsanktionen

Anspruch auf Wirtschaftsbeziehungen1006. Ein solches lässt sich insbe-


sondere nicht aus der Staatenpraxis gewohnheitsrechtlich herleiten1007.
Solche Beziehungen können damit von diesem Gesichtspunkt her frei
beschränkt werden. Die konkreten wirtschaftsvölkerrechtlichen Nor-
men1008 sind natürlich zu beachten.
Schliesslich soll die Frage beantwortet werden, ob sich aus einem all-
fälligen allgemeinen Diskriminierungsverbot weitere Schranken erge-
ben. Jedoch ist dem Völkerrecht ein solches allgemeines Diskriminie-
rungsverbot unbekannt1009. Ein solches Verbot ergibt sich insbesonde-
re auch nicht aus der souveränen Gleichheit gemäss Art. 2 (1) SVN;
diese Bestimmung gewährt zwar rechtliche Gleichheit bezüglich der
Souveränität, nicht jedoch faktische Gleichheit in den konkreten Be-
ziehungen zu Drittstaaten1010. Ein Staat ist damit nicht automatisch
verpflichtet, sich an die Prinzipien der Meistbegünstigung oder der
Inländerbehandlung zu halten1011. Somit ist es vorbehältlich vertragli-
cher Einschränkungen1012 zulässig, einzelne Staaten wirtschaftlich
unterschiedlich zu behandeln.

1006Siehe dazu z.B. ALLAND, Justice privée, S. 150 f.; PICCHIO FORLATI, Sanctions, S.
113; DOEHRING, Völkerrecht, S. 534 ff.; RESS, Handelsembargo, S. 20 ff.; PICCHIO FOR-
LATI, Sanctions, S. 113 ff.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 635: "Ein ius commercii,
ein Anspruch auf Handels- oder Wirtschaftsbeziehungen, ist dem geltenden Völkerrecht
unbekannt".
1007 Vgl. RESS, Handelsembargo, S. 21; HERDEGEN, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 13;

SCHNEIDER, Wirtschaftssanktionen, S. 98 f.
1008 Dazu oben, S. 194 ff.
1009Vgl. RESS, Handelsembargo, S. 19 f.; HERDEGEN, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 13;
DOEHRING, Völkerrecht, S. 534 f.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 635; Vgl. SCHNEI-
DER, Wirtschaftssanktionen, S. 98.
1010 Vgl. RESS, Handelsembargo, S. 19 f., m.w.H.
1011 Vgl. HERDEGEN, Wirtschaftsvölkerrecht, S. 13.
1012Solche vertraglichen Diskriminierungsverbote bestehen z.B. im Rahmen des WTO-
Rechts, der bilateralen Verträge mit der EU oder der OECD-Kodizes. Vgl. zu den für
Finanzsanktionen einschlägigen Normen des Wirtschaftsvölkerrechts oben, S. 194 ff.

240
Fazit

10. Fazit

Die Analyse verschiedenster Normsysteme auf die Frage, ob sie


Schranken für Finanzsanktionen darstellen, hat Folgendes ergeben:
Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern werden weder
vom Gewalt- noch vom Interventionsverbot erfasst. Die Normen der
völkerrechtlichen Zuständigkeit sind bei solchen Finanzsanktionen
nach aktueller Schweizer Prägung ebenfalls gewahrt. Sodann verstos-
sen solche Sanktionen auch nicht gegen die Pflicht zur friedlichen
Streitbeilegung. Ebensowenig steht ihnen das Neutralitätsrecht im
Wege.
Problematischer ist der völkerrechtliche Menschenrechtschutz. Zwar
ist die Schweiz weder an eine völkerrechtliche Eigentumsgarantie
noch an eine Wirtschaftsfreiheit gebunden, und Eingriffe in die Privat-
sphäre sind regelmässig gerechtfertigt. Doch können solche Sanktio-
nen Verfahrensrechte der Betroffenen verletzen, namentlich das Recht
auf rechtliches Gehör und auf umfassenden gerichtlichen Rechtschutz.
Das Wirtschaftsvölkerrecht wiederum ist durch die hier untersuchten
Sanktionen kaum (ungerechtfertigt) verletzt, weder der Investitions-
schutz, noch die Kapital-, Zahlungs- oder Dienstleistungsfreiheit.
Andererseits können solche Santionen Normen der völkerrechtlichen
Immunität verletzen: Das trifft je nach Sanktion und Art der Gelder für
die Staatenimmunität zu, in jedem Falle aber für Massnahmen gegen
gewisse Staatsorgane oder Diplomaten.
Weitere Schranken für diese Art von Finanzsanktionen sind nicht er-
sichtlich. Sie ergeben sich namentlich weder aus einem allgemeinen
Diskrimierungsverbot, noch einem ius comercii. Im Einzelfall sind
aber stets einschlägige bilaterale Abkommen mit dem Sanktionsadres-
saten zu prüfen.
Soweit Sanktionen gemäss der vorangegangen Analyse Völkerrecht
verletzen, ist nun zu prüfen, inwiefern allgemeine Rechtfertigungs-
gründe greifen.

241
III. Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung
von Schranken

Nachdem in den vorangehenden Ausführungen dargestellt wurde,


welche völkerrechtlichen Handlungspflichten1013 und Schranken1014
die Schweiz zu beachten hat, wenn sie Finanzsanktionen in der Form
der Sperrung von Geldern zu erlassen gedenkt, geht es nun um fol-
gende Fragestellung: Inwiefern sieht das Völkerrecht generell vor,
dass von seinen Normen, insbesondere den erwähnten Schranken,
abgewichen werden darf, um Sanktionen zu erlassen? Dabei geht es
nicht um die materiellen Ausnahmen, die sich innerhalb eines Norm-
komplexes finden, wie z.B. den Möglichkeiten aus den Menschen-
rechtsverträgen, diese im öffentlichen Interesse einzuschränken1015.
Vielmehr geht es um Rechtfertigungsgründe, die ausserhalb einzelner
dieser Schranken stehen und daher allgemein gelten. Die Rede ist ins-
besondere von UNO-Sanktionen gestützt auf Kapitel VII SVN1016
sowie dem Institut der erlaubten Gegenmassnahmen1017. Diese beiden
Themen sowie weitere Rechtfertigungsgründe1018 werden in den fol-
genden Abschitten behandelt.

1. UNO-Sanktionen

An früherer Stelle wurde dargestellt, in welchem Masse die Schweiz


aufgrund von Sanktionsbeschlüssen des Sicherheitsrats verpflichtet
1013 Oben, S. 113 ff.
1014 Oben, S. 137 ff.
1015
Vgl. zu diesen Fragen oben die jeweiligen Ausführungen zu den einzelnen Norm-
komplexen, S. 137 ff.
1016 Sogleich, S. 242 ff.
1017 Unten, S. 245 ff.
1018 Unten, S. 256 ff.

242
UNO-Sanktionen

ist, Sanktionen durchzuführen1019. An dieser Stelle wird die Perspekti-


ve nun umgedreht. Die Frage lautet: Inwiefern rechtfertigen Sicher-
heitsratsbeschlüsse allfällige Völkerrechtsverletzungen1020, welche die
Schweiz bei der Umsetzung solcher Sanktionsbeschlüsse begeht?
Wie bereits dargestellt, nehmen Resolutionen des Sicherheitsrats
grundsätzlich an der Vorrangwirkung von Art. 103 SVN teil. Sie gehen
damit prinzipiell übrigen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mit-
gliedstaaten vor1021. Damit ist umgekehrt aber auch gesagt, dass diese
Resolutionen in Verbindung mit Art. 103 SVN Rechtfertigungsgründe
für die allfällige Verletzung anderer völkerrechtlicher Pflichten dar-
stellen1022.
Dies kann aber nur soweit gelten, als ein Mitgliedstaat tatsächlich in-
folge einer verbindlichen und vorrangigen Pflicht aus einer Sicher-
heitsresolution handelt. Keine rechtfertigende Wirkung haben damit
Beschlüsse des Sicherheitsrats, welche aufgrund einer früher darge-
stellten Ausnahme1023 keine Bindungswirkung bzw. keinen Vorrang
geniessen. Damit kommt blossen Empfehlungen des Sicherheits-
rats1024 nach einem grossen Teil der Lehre keine per se rechtfertigende
Wirkung zu1025. Im Bereich der Sanktionen ist dies jedoch keine er-
1019 Oben, S. 126 ff.
1020Bei Finanzsanktionen in der Form der Sperrung von Geldern sind dabei vornehmlich
die oben dargestellten Normsysteme zu prüfen, oben, S. 137 ff.
1021 Vgl. oben, S. 128 ff.
1022Vgl. RESS, Handelsembargo, S. 70 ff.; DZIDA, Repressalie, S. 97 f.; PETMAN, Econo-
mic Sanctions, S. 329: “A Chapter VII resolution creates the necessary justification for
taking measures – a justification needed in case the measure would otherwise be in viola-
tion of international law“; GOWLLAND-DEBBAS, UN-Sanctions, S. 18: “Article 103 may
be seen thus as amounting to a dispensation for implementing states from the performan-
ce of their conventional obligations under international law“.
1023 Vgl. oben, S. 126 ff.
1024 Zu Empfehlungen der Generalversammlung siehe unten, S. 256.
1025 Vgl. zu dieser Diskussion PETMAN, Economic Sanctions, S. 330 f.; DZIDA, Repressa-
lie, S. 97 ff.; FROWEIN, Enforcement, S. 70; KLEIN, Sanctions, S. 106 f; DERS., Gegen-
massnahmen, S. 65, je m.w.H, insbesondere auf die verbreitete Auffassung, dass solche
Beschlüsse den darauf gestützten Handlungen immerhin die Vermutung der Rechtmäs-
sigkeit verschaffen. BERNHARDT, Art. 103 SVN, S. 1296, argumentiert mit dem Wortlaut
von Art. 103 SVN („obligations“, was nur Rechtspflichten meine) sowie der Überlegung,
dass nur eine Rechtsnorm einer anderen Rechtsnorm vorgehen könne; eine Norm gerin-
geren Grades wie eine Empfehlung sei dazu nicht geeignet. A.M. ist RESS, Handelsem-

243
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

hebliche Einschränkung, da im Rahmen von Kapitel VII SVN beinahe


ausschliesslich von verbindlichen Beschlüssen auszugehen ist1026. Ei-
ne weitere Einschränkung betrifft Resolutionen, die durch manifestes
ultra-vires-Handeln erwirkt wurden1027 oder die ius cogens verlet-
zen1028. Schliesslich können sich Staaten für ihre Völkerrechtsverlet-
zungen dann nicht auf die Rechtfertigung durch UNO-Resolutionen
berufen, wenn sie in Ausübung eines ihnen gewährten Handlungs-
spielraums agieren. Im Rahmen dieser Freiräume sind die Staaten ver-
pflichtet, die völkerrechtskonformste Lösung zu wählen1029.
Die erwähnte Rechtfertigungswirkung von UNO-Sanktionen gilt un-
abhängig davon, ob ein bestimmtes Normensystem diese Massnahmen
ausdrücklich als Rechtfertigung anerkennt1030.

bargo, S. 76 ff., nachdem der Sicherheitsrat in maiore minus Staaten nicht nur zur Sank-
tion verpflichten, sondern auch bloss ermächtigen könne. Eine solche Ermächtigung
habe aber ebenfalls rechtfertigende Wirkung..
1026 Vgl. Gowlland-Debbas, Article 41, S. 19.
1027 Vgl. BERNHARDT, Art. 103 SVN, S. 1299.
1028 Zu letzterem Falle GOWLLAND-DEBBAS, UN-Sanctions, S. 18: “Security Council
measures have (…) resulted in the temporary suspension of (non-imperative) rules (…)
of international law“ (Hervorhebung hinzugefügt).
1029 Vgl. BGE 133 II 450 E. 10. und oben, S. 132 f.
1030Dogmatisch betrachtet liegt in solchen Fällen gar keine Verletzung jener Normen vor,
da in diesen Fällen die UNO-Massnahme von der Norm selber als Ausnahme anerkannt
wird (vgl. z.B. Art. XIVbis Ziff. 1 lit. c GATS). Nur in Fällen, wo eine solche Anerken-
nung fehlt, muss die UNO-Sanktion via Art. 103 SVN "extern" rechtfertigen.

244
Gegenmassnahmen

2. Gegenmassnahmen1031

Dieses Kapitel analysiert, inwieweit sich neben dem UNO-Recht auch


aus dem Recht der Gegenmassnahmen Rechtfertigungsgründe erge-
ben, wenn die Schweiz Finanzsanktionen in Form der Sperrung von
Geldern ergreift und dabei selber gegen eine völkerrechtliche Norm
verstösst.

A. Allgemeines

Das Konzept der Gegenmassnahme bezeichnet, wie bereites darge-


stellt1032, einen völkerrechtlichen Rechtfertigungstatbestand für Mass-
nahmen, die an sich völkerrechtswidrig wären, jedoch unter gewissen
Voraussetzungen, die auf dem Notwehrgedanken beruhen, gerechtfer-
tigt sind1033.
Der Begriff der Gegenmassnahme wurde bereits erörtert1034, ebenso
seine Abgrenzungen zu verwandten Begriffen wie der Sanktion1035
und der Retorsion1036 und sein Verhältnis zum Recht der Staatenver-

1031 Vgl. zur Gegenmassnahme allgemein oben, S. 35 ff. und insbesondere CRAWFORD, State
Responsibility; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 632 ff.; DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM,
Völkerrecht, S. 981 ff.; CZAPLÍNSKY, State Responsibility, S. 62 ff.; NOORTMANN, Enfor-
cing International Law, S. 53 ff.; SICILIANOS, Sanctions, S. 35 ff.; DERS., Contre-
mesures; KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 39 ff.; ZEMANEK, Verantwortlichkeit, S. 529 ff.;
DERS., Repressalie, S. 44 ff.; ELAGAB, Counter-Measures 1999, S. 125 ff.; DERS.,
Counter-Measures 1988; DOEHRING, Reprisals, S. 235 ff.; DZIDIA, Repressalie; IPSEN,
Völkerrecht; S. 652 ff.; STEIN/VON BUTTLAR, Völkerrecht, S. 445 ff.; ALLAND, Justice
privée; BOISSON DE CHAZOURNES, Contre-mesures; SZUREK, Sanctions; FOCARELLI,
Contromisure; CRAWFORD, Counter-measures, S. 61 ff.; FIEDLER, Gegenmassnahmen, S.
9 ff.; TREVES, Diritto internazionale, S. 507 ff.; VILLAGRÁN KRAMER, Represalias, S. 699
ff.
1032 Oben, S. 35 ff.
1033 Siehe zum Begriff der Gegenmassnahme oben, S. 35 ff.
1034 Oben, S. 35 ff.
1035 Oben, S. 35 ff.
1036 Oben, S. 33 ff.

245
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

antwortlichkeit1037. Nachfolgend geht es nun darum, das Recht der


Gegenmassnahmen darzustellen, insbesondere die Voraussetzungen
ihrer Rechtfertigungswirkung. Anschliessend ist zu prüfen, inwiefern
Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern diesen Voraus-
setzungen entsprechen, d.h. inwiefern solche Finanzsanktionen ge-
rechtfertigte Gegenmassnahmen darstellen können.

a) Rechtsgrundlagen

Die Möglichkeit eines Staates, selbständig a priori rechtswidrige Ge-


genmassnahmen gegen eine ihrerseits völkerrechtswidrige Handlung
zu ergreifen, ist in der internationalen Rechtsprechung, in der Staaten-
praxis sowie in der Literatur breit anerkannt1038. Bereits in der Schied-
sentscheidung im Fall "Air Service Agreement“ von 19781039 sowie in
verschiedenen Urteilen des IGH1040 wurde ein Recht auf Gegenmass-
nahmen statuiert. Die ILC ihrerseits befasste sich im Rahmen ihres
Mandats zur Kodifizierung der Staatenverantwortlichkeit wie bereits
dargestellt ebenfalls mit der Gegenmassnahme1041.
Obwohl dem ILC-Entwurf bzw. der Resolution der UNO-
Generalversammlung keine direkte völkerrechtliche Verbindlichkeit
zukommt, sind sie zumindest bezüglich des hier interessierenden
Rechts der Gegenmassnahmen ein weitgehend getreues Abbild des
geltenden Gewohnheitsrechts1042. Nachfolgend werden daher die
Rechtfertigungskriterien gemäss dem ILC-Entwurf dargestellt, ob-

1037 Oben, S. 41 ff.


1038Vgl. z.B. ILC, State Responsibility, S. 75, 128; DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völ-
kerrecht, S. 981 f.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 632; ELAGAB, Counter-Measures
1999, S. 125; IPSEN, Völkerrecht, S. 653.
1039 Case Concerning the Air Service Agreement of 27 March 1946 (USA-Frankreich),

ILR 54 (1979), S. 304 ff.


1040
Z.B. im IGH-Urteil vom 24. Mai 1980 (USA vs. Iran), Diplomatisches und Konsula-
risches Personal der USA in Teheran, ICJ Reports 1980, S. 27 f.; oder im IGH-Urteil
vom 25. September 1997 (Ungarn vs. Slovakei), Gabcíkovo-Nagymaros-Projekt, ICJ
Reports 1997, S. 51 ff.
1041 Vgl. oben, S. 41 ff.
1042 Vgl. Thürer, Völkerrecht, S. 246.

246
Gegenmassnahmen

schon einzelne umstrittene Punkte noch der autoritativen Klärung har-


ren.

b) Voraussetzungen der Rechtfertigungswirkung

Damit eine Gegenmassnahme gerechtfertigt ist, müssen verschiedene


Voraussetzungen erfüllt sein. Namentlich muss die Massnahme 1) von
einem berechtigten Autor ausgehen (Aktivlegitimation), 2) sich gegen
den richtigen Adressaten wenden (Passivlegitimation), 3) an eine Völ-
kerrechtsverletzung anknüpfen, 4) dem zeitlichen Kriterium genügen,
5) repressalienfeste Normen berücksichtigen, 6) Verfahrenspflichten,
namentlich auch der Streitbeilegung, berücksichtigen und 7) verhält-
nismässig sein. Diese Kriterien werden nachfolgend dargestellt.

i) Aktivlegitimation

Der erste Massstab für eine gerechtfertigte Gegenmassnahme ist ge-


mäss Art. 49 Abs. 1 ILC-Entwurf die Aktivlegitimation, d.h. die Frage,
wer Gegenmassnahmen ergreifen darf.Diese steht grundsätzlich aus-
schliesslich dem unmittelbar verletzten Staat zu1043.
In der Literatur1044 wird darauf hingewiesen, dass die Sanktionsbe-
rechtigung erweitert werden kann, wenn eine Verletzung einer Ver-
pflichtung erga-omnes1045 vorliegt, also einer völkerrechtlichen Ver-
pflichtung, die gegenüber der internationalen Gemeinschaft als ganzer
besteht. Der ILC-Entwurf enthält diesbezüglich keine eindeutige Re-
gelung. So weist er etwa in Art. 48 unter Umständen auch Drittstaaten
Verantwortlichkeitsansprüche zu, und gemäss Art 54 des Entwurfs
sind Drittstaaten („States other than an injured State“) teilweise be-

1043Vgl dazu ILC, State Responsibility, S. 75, 129 f. und 137; SCHRÖDER, Verantwort-
lichkeit, S. 633; DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 984; KLEIN, Gegenmass-
nahmen, S. 49 ff.
1044 Vgl. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 663; KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 51.
1045
Dazu zählen z.B. das Verbot der Aggression, des Völkermords, der Sklaverei und
Rassendiskriminierung sowie der Achtung fundamentaler Menschenrechte, vgl. SCHRÖ-
DER, Verantwortlichkeit, S. 588, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des IGH.

247
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

rechtigt, „lawful measures“ zu ergreifen; von eigentlichen Gegen-


massnahmen spricht der Entwurf in diesem Zusammenhang jedoch
nicht. Weil aber Verpflichtungen erga omnes gegenüber allen Völker-
rechtssubjekten geschuldet werden, ist es konsequent, in diesem Fall
nicht von Drittstaaten, sondern von indirekt betroffenen oder mittelbar
verletzten Staaten1046 zu sprechen. In der Folge sind all diese betroffe-
nen Rechtssubjekte auch für Gegenmassnahmen aktivlegitimiert.

ii) Passivlegitimation

Das nächste Kriterium gilt der Passivlegitimation, d.h. der Frage, ge-
gen wen Gegenmassnahmen ergriffen werden dürfen. Erfasst ist das-
jenige Völkerrechtssubjekt, von dem die Völkerrechtsverletzung aus-
geht bzw. dem sie nach den üblichen Grundsätzen der Staatenverant-
wortlichkeit zugerechnet werden kann1047. Diese im Völkergewohn-
heitsrecht anerkannte Regelung findet ihre Bestätigung im ILC-
Entwurf: Art. 49 Abs. 1 spricht daher mit Blick auf Art. 1 ff. von ei-
nem „State which is responsible for an internationally wrongful act.“

iii) Völkerrechtsverletzung

Anknüpfungspunkt für Gegenmassnahmen ist sodann gemäss Art. 49


Abs. 1 ILC-Entwurf ein völkerrechtswidriges Tun oder Unterlassen
eines Völkerrechtssubjektes1048. Diese Völkerrechtsverletzung muss
effektiv existieren und dem Sanktionsadressaten zugerechnet werden
können; ob sie „klar bewiesen“ oder „evident“ sein muss oder ob so-

1046 Vgl dazu ILC, State Responsibility, S. 137; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 633;

Siciliancos, Sanctions, S. 42.


1047 Vgl dazu oben, S. 41 ff. und ILC, State Responsibility, S. 75, S. 130;

DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 984; SICILIANOS, Sanctions, S. 35 ff.;


DZIDIA, Repressalie, S. 116; KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 52 f.
1048 Vgl. dazu ILC, State Responsibility, S. 130 und S. 137; siehe dazu auch

DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 984 f.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S.


633 f.; ELAGAB, Counter-Measures 1999, S. 127 ff.; NOORTMANN, Enforcing Internatio-
nal Law, S. 53 ff.; KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 46 f. ; DZIDIA, Repressalie, S. 90 f.
und S. 102 f.

248
Gegenmassnahmen

gar der gute Glaube an die Völkerrechtsverletzung genügt, ist jedoch


umstritten1049. Eine bestimmte Mindest-Schwere der Verletzung wird
jedenfalls nicht verlangt, um Gegenmassnahmen zu begründen. Aus-
mass und Intensität spielen ihre entscheidende Rolle erst bei der Beur-
teilung der Verhältnismässigkeit1050.

iv) Zeitliches Kriterium

In zeitlicher Hinsicht wird verlangt, dass die Völkerrechtsverletzung


bereits begonnen hat. Eine Gegenmassnahme darf nämlich nicht vor-
beugend eingesetzt werden1051. Sie ist keine präventiv-antizipatorische
Massnahme, sondern eine Reaktion auf einen rechtlich vorgelagerten
Unrechtstatbestand1052.
Andererseits ist die Gegenmassnahme gemäss Art. 53 ILC-Entwurf zu
beenden, sobald der Rechtsbrecher sein völkerrechtswidriges Verhal-
ten eingestellt hat. Danach darf eine Gegenmassnahme nicht mehr
ergriffen bzw. aufrecht erhlalten werden1053. Sie ist nämlich weder
Strafe noch Vergeltungsakt, also nicht auf die Vergangenheit gerich-
tet1054. Vielmehr hat sie gemäss Art. 49 Abs. 1 ILC-Entwurf das Ziel
„to induce that State to comply with its obligations“, also „die Rück-

1049Vgl. DZIDIA, Repressalie, S. 90 f. Hier liegt eines der Hauptprobleme der praktischen
Anwendung von Gegenmassnahmen: Der sanktionierende Staat ist betreffs der Völke-
rechtsverletzung (wie auch den andern Kriterien) Richter in eigener Sache. Die erwähn-
ten Beweislastregeln kommen erst zum Tragen, wenn eine Drittinstanz später über die
Rechtmässigkeit der Gegenmassnahme urteilt, was selten der Fall ist. Den zu Unrecht
(da im Irrtum über die Völkerrechtsverletzung des Adressaten) sanktionierenden Staat
aber qua Gutglaubensschutz zu entschuldigen, geht jedenfalls zu weit, denn error iuris
nocet. Sonst müssten ja umgekehrt Gegenmassnahmen ausgeschlossen sein, wenn ihr
Adressat seinerseits die ursprüngliche Völkerrechtsverletzung gutgläubig beging.
1050 Vgl. ELAGAB, Counter-Measures, S. 129.
1051In den Worten von NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 56: “Present inter-
national law, seems to exclude the possibility of lawful pre-emptive or excusable self-
help”.
1052 Vgl. KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 47.
1053 Vgl. DZIDIA, Repressalie, S. 104.
1054
Vgl. zu den Zwecken der Sanktion allgemein oben, S. 26 ff., und hierzu
DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 985.

249
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

kehr des Verletzerstaats zum Recht zu erreichen“1055, den Rechtsbre-


cher zur Rechtsbeachtung zu bewegen1056. Mit dieser Rückkehr zum
Recht ist der Zweck erreicht. In diesem Sinne überrascht es nicht,
wenn Gegenmassnahmen auch als „provisorisch“ und „reversibel“
qualifiziert werden1057.

v) Repressalienfeste Normen

Was die durch die Gegenmassnahmen verletzten Normen betrifft, ste-


hen dem verletzten Staat prinzipiell alle gegenüber dem Adressaten
bestehenden völkerrechtlichen Pflichten offen, keineswegs nur solche,
die in einem Zusammenhang mit der Primärverletzung stehen1058.
Gewisse grundlegende völkerrechtliche Gebote und Verbote sind al-
lerdings „repressalienfest“; Art. 50 Abs. 1 ILC-Entwurf zählt auf, wel-
che Normen auch durch Gegenmassnahmen nicht verletzt werden dür-
fen1059: Das Gewaltverbot gemäss UNO-Charta (lit. a), den Schutz
fundamentaler Menschenrechte (lit. b), Repressalienverbote humanitä-
ren Charakters (lit. c) sowie weitere Pflichten des ius cogens (lit.
d)1060.
Ergänzend hält Art. 50 Abs. 2 ILC fest, dass der Staat, der Gegen-
massnahmen ergreift, nicht davor befreit ist, der Pflicht zur friedlichen
Streitbeilegung bzw. seinen bestehenden Streitbeilegungspflichten
nachzukommen (lit. a). Diese Bestimmung wurde bereits im Rahmen

1055 KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 43.


1056DZIDIA, Repressalie, S. 87, schliesst jedoch nicht aus, dass Gegenmassnahmen auch
„strafenden Charakter“ haben können. Eine strikte Trennung zwischen Wiedergutma-
chung und Strafe sei im Völkerrecht nicht möglich. Die Genugtuung beinhalte deshalb
auch Strafelemente. Vgl. zu den Zwecken der Sanktion oben, S. 26 ff.
1057 Vgl. SICILIANOS, Sanctions, S. 37.
1058 Vgl. KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 54.
1059Vgl. dazu ILC, State Responsibility, S. 131 ff.; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S.
633; DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völkerrecht, S. 988; DZIDIA, Repressalie, S. 197 ff.;
ELAGAB, Counter-Measures 1999, S. 140 ff.
1060 Eine andere Meinung vertritt DZIDIA, Repressalie, S. 226 ff; er bezweifelt, dass das

ius cogens eine weitere generelle Repressalienschranke darstellt. Ein solches Verbot sei
völkergewohnheitsrechtlich nicht nachzuweisen.

250
Gegenmassnahmen

der Streitbeilegungs-Diskussion behandelt1061. Sie ist keine eigentliche


Einschränkung der Gegenmassnahmen an sich, sondern präzisiert nur
die Folgen von erlaubten Gegenmassnahmen: Diese entbinden nicht
davor, parallelle Streitbeilegungspflichten einzuhalten.
Schliesslich sind gewisse Normen des Diplomaten- und Konsular-
rechts1062 repressalienfest (lit. b)1063. Damit sind nicht alle Massnah-
men gegen Diplomaten erfasst, denn nicht vom Diplomatenrecht ge-
deckte Massnahmen wie die Non-Grata-Erklärung oder die Abberu-
fung eigener Diplomaten sind ohne weiteres zulässig. Geschützt sind
aber Normen, welche der Immunität und der Unverletzlichkeit des
Diplomaten und der Mission dienen1064. Diese Normen wurden bereits
im Rahmen der diplomatischen Immunität dargestellt1065. Demnach ist
insbesondere auch die Unverletzlichkeit des diplomatischen Vermö-
gens repressalienfest.

vi) Verfahrenspflichten

Bezüglich des Verfahrens1066 hat der Staat, der Gegenmassnahmen zu


ergreifen beabsichtigt, drei Punkte zu beachten, die in Art. 52 Abs. 1
ILC-Entwurf aufgeführt sind. Vor dem Ergreifen von Gegenmassnah-
men hat er erstens den Rechtsbrecher aufzufordern, seine Völker-
rechtsverletzung zu beenden (lit. a). Er hat ihm zweitens den Ent-
scheid für Gegenmassnahmen zu notifizieren, d.h. Gegenmassnahmen
anzudrohen, und ihm Verhandlungen zu offerieren (lit. b). Hintergrund
dieser verfahrensrechtlichen Regelungen ist, dass Gegenmassnahmen
die ultima ratio darstellen und Verhandlungen der eigentliche Lö-

1061 Oben, S. 168 ff.


1062 Vgl. zum Diplomaten- und Konsularrecht oben, S. 235 ff.
1063 Vgl. BARNHOORN, Diplomatic Law, S. 40 ff.; ILC, State Responsibility, S. 133.
1064
. Vgl. ILC, State Responsibility, S. 133.
1065 Oben, S. 235 ff.
1066Vgl. dazu ILC, State Responsibility, S. 135 f.; DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völker-
rect, S. 987; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 634; SICILIANOS, Sanctions, S. 48 f.;
NOORTMANN, Enforcing International Law, S. 56 ff.; DZIDIA, Repressalie, S. 171 ff.;
KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 58; DOEHRING, Reprisals, S. 238 f.

251
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

sungsweg sind. Auf die Androhung von Gegenmassnahmen kann ver-


zichtet werden, wenn sie dringend sind, um die Rechte des verletzten
Staates zu schützen (Art. 52 Abs. 2). Der verletzte Staat hat drittens
von Gegenmassnahmen abzusehen, wenn der Streit vor einem kompe-
tenten Gericht hängig ist, was ebenfalls bereits im Rahmen der Streit-
beilegungspflichten dargestellt wurde1067.

vii) Verhältnismässigkeit

Art. 51 ILC-Entwurf schliesslich fordert, dass eine Gegenmassnahme


verhältnismässig sei1068, d.h. „commensurate with the injury suffered,
taking into account the gravity of the internationally wrongful act and
the rights in question“1069.
In zeitlicher Hinsicht gilt, wie oben erörtert, dass die Gegenmassnah-
me auf die Dauer der Völkerrechtsverletzung zu begrenzen und zu
beenden ist, wenn der Rechtsbrecher sein rechtswidriges Verhalten
einstellt. Die Gegenmassnahme muss daher auch reversibel sein.
Zudem aber muss sie auch in sachlicher Hinsicht verhältnismässig
sein. Diese Verhältnismässigkeit bezieht sich gemäss Art. 51 ILC auf
das erlittene Unrecht, also auf die Schwere des Schadens und die ver-
letzten Rechte. In Ausmass und Intensität müssen sich Gegenmass-
nahmen also auf ein Mindestmass beschränken und verhältnismässig
zum Ausmass der zugefügten Rechtsbeeinträchtigung sein. Daraus
fliessen jedoch zwei verschiedene Auffassungen: Einerseits wird die
Meinung vertreten1070, dass geringfügige Verletzungen nur mit gering-
fügigen Gegenmassnahmen beantwortet werden dürfen, weil dem
Rechtsbrecher nicht mehr Schaden zugefügt werden soll, als er selber

1067 Oben, S. 168 ff.


1068Vgl dazu ILC, State Responsibility, S. 135; DAHM/DELBRÜCK/WOLFRUM, Völker-
recht, S. 990; SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 634; ELAGAB, Counter-Measures 1999,
S. 133 f.; DOEHRING, Reprisals, S. 237 f.; SICILIANOS, Sanctions, S. 50 ff.; NOORTMANN,
Enforcing International Law, S. 69 ff.; DZIDIA, Repressalie, S. 185 ff.; KLEIN, Gegen-
massnahmen, S. 61.; KOLB, Proportionalité, S. 379 ff.
1069 Vgl. zur Verhältnismässigkeit im Allgemeinen auch NIEDERER, Augenmass, S. 15.
1070 Vgl. z..B. SCHRÖDER, Verantwortlichkeit, S. 634.

252
Gegenmassnahmen

verursacht hat. Diese Wechselseitigkeit kann aber zu eng und auch zu


wirkungslos sein. Daher darf nach verbreiteter Ansicht1071 eine Ge-
genmassnahme auch auf das Ziel, die Beseitigung der Rechtsverlet-
zung, ausgerichtet sein. Proportional ist somit eine Gegenmassnahme,
die mit minimalem Eingriff „erfolgreich zum Ziel führen kann“1072.

viii) Fazit

Wenn eines der erwähnten Kriterien nicht erfüllt ist, liegt kein Tatbe-
stand einer gerechtfertigten Gegenmassnahme vor. Die Völkerrechts-
verletzung des sanktionierenden Staates ist damit unter diesem Titel
nicht gerechtfertigt1073. Sind hingegen alle Anforderungen erfüllt, ist
die Sanktion bzw. die aus ihr fliessende Völkerrechtsverletzung als
Gegenmassnahme gerechtfertigt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die
verletzten Pflichten aufgehoben würden oder gar dauerhaft untergin-
gen; ihre Verletzung ist nur solange gerechtfertigt, als die Vorausset-
zungen der Gegenmassnahme erfüllt sind1074.

B. Bedeutung für Finanzsanktionen

Die soeben gewonnenen Erkenntnisse aus dem Recht der Gegenmass-


nahmen sind nun auf Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Ge-
ldern anzuwenden. Inwiefern vermag der Tatbestand der erlaubten
Gegenmassnahme solche Sanktionen, soweit sie a priori völkerrechtli-
che Normen verletzen, zu rechtfertigen? Es geht an dieser Stelle nicht
um eine Einzelfall-Analyse der gegenwärtigen Schweizer Sanktions-

1071 Vgl. z.B. von SICILIANOS, Sanctions, S. 51.


1072 DZIDIA, Repressalie, S. 189.
1073 Vgl. dazu ILC, State Responsibility, S. 75.
1074In den Worten der ILC: „Where countermeasures are taken in accordance with article
22, the underlying obligation ist not suspended, still less terminated; the wrongfulness of
the conduct in question is precluded for the time being by reason of ist character as a
countermeasure, but only provided that and for so long as the necessary conditions for
taking countermeasures are satisfied“, ILC, State Responsibility, S. 75.

253
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

regimes, sondern um die wichtigsten, allgemein gültigen Erkenntnisse


für Finanzsanktionen gemäss der Definition dieser Arbeit.
Die meisten Anforderungen geben im Falle solcher Finanzsanktionen
keine gesonderten Probleme auf: Adressat ist ein effektiv und andau-
ernd Völkerrecht verletzendes Völkerrechtssubjekt. Der Absender, die
Schweiz, muss in ihren Rechten verletzt sein und eine Finanzsanktion
gegen den Rechtsbrecher mit dem Ziel ergreifen, ihn zur Beendigung
seiner Rechtsverletzung anzuhalten. Die Sperrung von Geldern als
reversible Massnahme ist hierfür geeignet; sie ist eine Verfügungsbe-
schränkung, die jederzeit aufgehoben werden kann. In der Literatur1075
wird darüberhinaus auch die vorübergehende Sequestration und sogar
die Konfiskation als zulässig betrachtet, weil Gegenstände auch nach
erfolgter Eigentumsübertragung gegebenenfalls an den früheren Ei-
gentümer rückübereignet werden können1076.
Auch repressalienfesten Normen wie das Gewaltverbot, der Schutz
fundamentaler Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts
sowie weitere Pflichten aus ius cogens werden durch Finanzsanktio-
nen nicht betroffen. Dass das Gewaltverbot Wirtschaftssanktionen
nicht umfasst, wurde bereits ausgeführt1077. Hingegen wird zwar durch
die Geldersperrung Privateigentum tangiert1078; repressalienfest sind
aber nur grundlegende Menschenrechte, wozu das Eigentumsrecht
genauso wenig gehört wie Verfahrensrechte oder eine wie auch immer
verstandene Wirtschaftsfreiheit1079. Auch ausserhalb des Menschen-

1075 Vgl DZIDIA, Repressalie, S. 107 ff., insbesondere S. 110 Fn 43.


1076 Vgl. DZIDIA, Repressalie, S. 111.
1077 Oben, S. 141 ff.
1078 Zum Menschenrechtsschutz allgemein siehe oben, S. 77 und 179 ff.
1079Vgl. DZIDIA, Repressalie, S. 115, sowie insbesondere BGE 133 II 450 E. 7.3: “Dage-
gen gehören weitere Grundrechte (…) nicht zum zwingenden Völkerrecht (…). Dies gilt
insbesondere für die vom Beschwerdeführer angerufenen Grundrechte der Eigentumsga-
rantie und der Wirtschaftsfreiheit (…). Aber auch die von ihm geltend gemachten Verfah-
rensgarantien (…) gehören (…) grundsätzlich nicht zum ius cogens.“ Vgl. in diesem
Sinne auch COUZIGOU, Terrorisme international, S. 70 ff. und DAHME, Wirtschaftssankti-
onen, S. 242 f. (Eigentumsfreiheit), 244 f. (Wirtschaftsfreiheit) und 245 ff. (Verfahrens-
garantien). Ein anderer Ansatz bezüglich der Eigentumsfreiheit ist zu finden bei
DAHM/DELBRÜCK/ WOLFRUM, Völkerrecht, S. 989: Danach sind Einschränkungen in
wirtschaftlichen Bereichen (Eigentum) nur insofern nicht ausgeschlossen, „solange da-
durch nicht eine Existenznot eintritt“. Diese Ansicht ist schwer begründbar, da das Recht

254
Gegenmassnahmen

rechtsschutzes sind unter den bereits dargestellten, potentiell durch


Finanzsanktionen verletzten Normensystemen1080 keine Normen des
ius cogens ersichtlich.
Ebenso wurde bereits ausgeführt, dass das Ergreifen von Sanktionen -
bis zur allfälligen Rechtshängigkeit - bestehende Streitbeilegungs-
pflichten per se nicht verletzt; diese bleiben einfach parallel beste-
hen1081.
Kritisch ist jedoch die Sperrung von Geldern, welche der diplomati-
schen Unverletzlichkeit unterstellt sind: Diese Normen sind nämlich
Art. 52 Abs. 1 lit. b ILC-Entwurf repressalienfest.
Bezüglich der verfahrensrechtlichen Anforderungen stellen sich hin-
gegen wiederum kaum besondere Fragen. Zu beachten ist jedoch, dass
regelmässig auf die Ankündigung der Sperrung verzichtet werden
muss, soll die Massnahme nicht ins Leere laufen. Dies ist gestützt auf
die „Dringlichkeit der Gegenmassnahme“ (Art. 52 Abs. 2 ICL-
Entwurf) zulässig. In der Lehre ist es unbestritten, dass gewisse Ge-
genmassnahmen ihre Wirkung durch Ankündigung verlieren: „Some
forms of counter-measures, such as freezing of assets, will only be
effective if taken promptly. It hardly needs stating that in this day and
age funds can be transferred from one country to another at the press
of a button“1082.
Schliesslich stellen Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Gel-
dern auch bezüglich ihrer zeitlichen und sachlichen Ausgestaltung
keine besonderen Probleme dar. In zeitlicher Hinsicht kann eine Sper-
rung von Geldern genau solange angewandt werden, als die Völker-

auf Eigentum an sich völkerrechtlich nicht allgemein garantiert ist, vgl. oben, S. 183.
Vgl. auch OETER, Ius cogens, S. 499 ff.
1080 Vgl. den ganzen zweiten Sub-Teil des 3. Teils, S. 137 ff.
1081 Oben, S. 168 ff.
1082ELAGAB, Counter-Measures 1999, S. 136. In gleicher Richtung geht auch SICILIA-
NOS, Sanctions, S. 49: “Il serait illusoire, en effet, d’exiger que l’Etat lésé notifie à l’Etat
auteur son intention de geler les fonds de ce dernier!". Doehring nennt das Bei-spiel der
Konfiskation eines Schiffes des Rechtsbrechers; „The prior warning could have the ef-
fect that, the State concerned deprives the warning State of this be ordering the ship to
leave the harbour“. DOEHRING, Reprisals, S. 238.

255
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

rechtsverletzung anhält. Bei ihrer Beendigung kann die Geldersper-


rung sofort aufgehoben, also rückgängig gemacht werden. In sachli-
cher Hinsicht sind Ausmass und Intensität des durch eine Geldersper-
rung erwirkten Schadens tendenziell gering; er besteht in einer (vorü-
bergehenden) Verfügungsbeschränkung und ist rein finanzieller Na-
tur1083. Unter dem Gesichtswinkel der Notwendigkeit wird eine solche
Sperrung daher regelmässig zu den mildesten Massnahmen gehören.
Auch im Verhältnis zum Schaden, den die Schweiz durch die Verlet-
zung ihrer Rechte zuvor erlitt, wird eine Sperrung von Geldern nur in
wenigen Fällen nicht als proportional zu beurteilen sein.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Recht der Gegenmassnahmen
grundsätzlich allfällige Völkerrechtsverletzungen durch die Sperrung
von Geldern rechtfertigt, sofern diese in Reaktion auf eine erlittene
und andauernde Völkerrechtsverletzung angeordnet wird. Aufgrund
ihres reversiblen, gezielten und rein finanziellen Charakters werden
Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern (mit Ausnahme
der diplomatischen Unverletzlichkeit) regelmässig die Voraussetzung
für gerechtfertigte Gegenmassnahmen erfüllen.

3. Weitere Rechtfertigungsgründe

Abschliessend stellt sich nun die Frage, ob neben dem UNO-Mandat


und der erlaubten Gegenmassnahme weitere Rechtfertigungsgründe
für Sanktionen, welche a priori Völkerrecht verletzen, bestehen. Kon-
kret ist zu untersuchen, ob sich 1) aus dem Selbstverteidigungsrecht,
2) aus dem Recht der Schutzmassnahmen, 3) aus Beschlüssen interna-
tionaler Organisationen ausserhalb der UNO und 4) aus Beschlüssen
der UNO-Generalversammlung Rechtfertigungsgründe für solche
Sanktionen ergeben.

1083 In der Praxis taucht diese Sanktionsform natürlich zumeist im Verbund mit weiteren

Massnahmen auf. Isoliert betrachtet umfasst sie aber nicht einmal das Verbot, neue Kre-
dite zur Verfügung zu stellen.

256
Weitere Rechtfertigungsgründe

In Frage käme zunächst das Konzept der Selbstverteidigung. Dass


diese militärische Schutzmassnahme jedoch keinen Zusammenhang
mit Finanzsanktionen aufweist, wurde bereits dargestellt1084.
Ebenfalls bereits erläutert wurde, dass Regeln für Selbstschutzmass-
nahmen1085, die zwar auf eine Völkerrechtsverletzung reagieren, je-
doch nicht die Rechtsdurchsetzung, sondern den Selbstschutz bezwe-
cken, keine spezifische Bedeutung für Sanktionen im Sinne dieser
Arbeit aufweisen. Das gilt sowohl für die allgemeine Schutzbestimung
im Recht der Verträge gemäss (Art. 60 WVK) als auch für vergleich-
bare Reziprozitätsbestimmungen in einzelnen völkerrechtlichen Ver-
trägen. Solche Bestimmungen hätten, sogar wenn sie als sanktionsspe-
zifischer Rechtfertigungsgrund aufgefasst würden, ohnehin nur in ei-
nem konkreten vertraglichen Synallagma rechtfertigende Wirkung.
Dies steht im gewichtigen Gegensatz zu den dargestellten UNO-
Mandaten und der Gegenmassnahme, welche es erlauben, auf die Ver-
letzung einer völkerrechtlichen Norm mit der Verletzung einer davon
unabhängigen andern Norm zu reagieren1086.
Auch wurde bereits erörtert, dass Selbstschutzmassnahmen, mit denen
rechtmässig auf äussere Umstände (also nicht auf Völkerrechtsverlete-
zungen) reagiert werden darf, keinen direkten Bezug zur Frage auf-
weisen, ob Sanktionen als solche rechtmässig sind1087. Das gilt für
besondere Schutzklauseln in Verträgen genauso wie für allgemeine
Notstandsregelungen im Recht der Verträge oder der Staatenverant-
wortlichkeit.
Sodann ist zu fragen, ob es analog zur Rechtfertigung durch UNO-
Mandat gemäss Kapitel VII SVN weitere Beschlüsse von internationa-
len Organen gibt, welche Völkerrechtsverletzungen rechtfertigen kön-

1084 Oben, S. 37 ff.


1085 Vgl. zum Selbstschutz und Art. 60 WVK im Besonderen oben, S. 38 ff.
1086So könnte z.B. Art. 60 WVK die Sperrung von Geldern nur rechtfertigen, sofern der
verletzte Vertrag die Freiheit dieser Gelder zum Thema hat: Wenn ein Staat nun diesen
Vertrag verletzt, darf dies u.U. auch der betroffene tun. Verletzt der Sanktionsadressat
hingegen z.B. einen Energielieferungsvertrag, erlaubt Art. 60 WVK keine Sperrung von
Geldern; Gegenmassnahmen und UNO-Mandate gehen demgegenüber bedeutend weiter.
1087 Oben, S. 38 ff.

257
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

nen. Dass eine solche rechtliche Rechtfertigung nicht auf blosser


Macht beruhen kann, versteht sich von selbst. Damit kann sich die
Schweiz nicht alleine darauf berufen, sie handle im Einklang mit uni-
lateralen Sanktionen anderer Staaten, wie z.B. der USA. Dies gilt e-
benso, wenn eine inter- oder gar supranationale Organisation wie z.B.
die EU solche Massnahmen gegen Drittstaaten beschliesst1088. Anders
sieht es einzig aus, wenn eine solche Organisation, an der die Schweiz
beteiligt ist, aufgrund ihres internen Rechts Sanktionen gegen einen
Mitgliedstaat verhängt1089. Bereits ohne jedoch alle möglichen Institu-
tionen auf diese Möglichkeit hin zu analysieren, kann festgehalten
werden, dass die hier interessierenden Sanktionen in Form der Sper-
rung von Geldern kaum je zum Rechtsdurchsetzungsrepertoire solcher
Organisationen zählen1090, geschweige denn tatsächlich in dieser Form
erlassen werden.
Somit verbleibt einzig die Frage, ob allenfalls - analog zu einer Reso-
lution des Sicherheitsrats - auch ein blosser Beschluss der UNO-
Generalversammlung rechtfertigende Wirkung für unilaterale Sanktio-
nen haben kann. Es wurde bereits dargelegt, dass Beschlüsse der
UNO-Generalversammlung grundsätzlich keine bindende Wirkung
haben1091. Somit kann aus diesen Beschlüssen namentlich keine
Pflicht zum Erlass von Sanktionen fliessen. Damit scheint aber eine
rechtfertigende Wirkung für freiwillig ergriffene Massnahmen, d.h.
das Recht zum Erlass von Sanktionen, nicht direkt ausgeschlossen.
Dieser Ausschluss ergibt sich aber aus folgender Überlegung: Wenn

1088Vgl. LINSI, Gegenmassnahmen, S. 9 f. Siehe zu den Fällen, in denen die Schweiz


solchen "unilateralen" Sanktionen der EU gefolgt ist, oben, S. 99 ff.
1089 Hierzu zählt natürlich auch der bereits ausführlich dargestellte Fall der UNO-
Sanktionen, soweit diese sich gegen einen Mitgliedsstaat (und nicht gegen staatsferne
Individuen) richten. Ein bekanntes Beispiel, aber aufgrund des Schutzmassnahmecharak-
ters keine echte Sanktionsrechtfertigung, liefert auch das Streitbeilegungsverfahren der
WTO, vgl. hierzu oben, S. 38 ff.
1090 Naheliegender ist es, dass z.B. ein internationales Organ der Streitbeilegung wie ein

Schiedsgericht oder der IGH die Sperrung von Geldern als vorsorgliche Massnahme zur
Sicherung einer allfälligen Entschädigungspflicht erlaubt. Abgesehen davon, dass hier
jeder einzelne Fall gesondert zu analysieren wäre, betreffen solche Beschlüsse nicht die
Rechtmässigkeit von Sanktionen, sondern von blossen Sicherungsmassnahmen, die nicht
Gegenstand dieser Arbeit sind.
1091 Oben, S. 134 ff.

258
Fazit

die UNO-Charta der Generalversammlung keine verbindlichen Be-


schlüsse erlaubt, bedeutet dies nicht nur die Abwesenheit einer Sank-
tionspflicht für potentielle Sanktionsanwender; vielmehr muss dies
umgekehrt mit Blick auf potentielle Sanktionsadressaten auch heissen,
dass die Generalversammlung nicht deren Recht auf völkerrechtskon-
forme Sanktionen beschneiden kann. Könnte die Generalversammlung
nämlich a priori völkerrechtswidrige Massnahmen durch Beschluss
rechtfertigen, würde sie damit ja die Rechtsstellung des Adressaten
entsprechend einschränken. Damit hätten Beschlüsse der Generalver-
sammlung direkte rechtliche Wirkungen auf an Sanktionen beteiligte
Staaten, was nicht der UNO-Charta entspricht1092.

4. Fazit

Zusammenfassend ergibt sich, dass sowohl Resolutionen des UNO-


Sicherheitsrates gemäss Kapitel VII SVN (mit marginalen Ausnah-
men) als auch das Recht der Gegenmassnahmen (abhängig von der
konkreten Ausgestaltung der Sanktion und mit Ausnahme bei diplo-
matischen Geldern) Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Gel-
dern rechtfertigen, auch wenn diese a priori Völkerrecht verletzen
sollten.
In einem allfälligen Konflikt der beiden Rechtfertigungssysteme ge-
hen die UNO-Sanktionsnormen vor, was sich aus Art. 103 SVN ergibt
und in Art. 59 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit explizit
festgehalten ist.
Weitere allgemeine sanktionsspezifische Rechtfertigungsgründe fin-
den sich hingegen nicht. So ist das Recht der Selbstverteidigung nicht
auf Finanzsanktionen anwendbar, und Schutzmassnahmen wie sie das
Recht der Verträge, die Regeln zur Staatenverantwortlichkeit oder
auch konkrete völkerrechtliche Verträge vorsehen, sind nicht sankti-
1092 Vgl. zu dieser Diskussion anhand derjenigen zu blossen Empfehlungen des Sicher-

heitsrates bereits oben, S. 242 ff; vage noch KLEIN, Gegenmassnahmen, S. 65; klar je-
doch DZIDA, Repressalie, S. 98 f.

259
Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung von Schranken

onsspezifisch. Sodann haben auch Beschlüsse anderer Staaten keine


rechtfertigende Wirkung. Beschlüsse internationaler Organisationen
ausserhalb der UNO wirken nur gegen Mitgliedstaaten und sehen
kaum je Finanzsanktionen vor. Beschlüsse der UNO-
Generalversammlung schliesslich haben ebenfalls keine rechtfertigen-
de Wirkung.

260
IV. Zusammenfassung des. 3. Teils

Der Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind Finanzsanktionen


der Schweiz (dargestellt am Beispiel der Sperrung von Geldern),
betrachtet aus Sicht des Schweizer Staatsrechts und des Völker-
rechts.
Im 1. Teil der Arbeit sind die Grundlagen geschaffen, im 2. Teil
der staatsrechtliche Hintergrund und die Praxis der Schweiz be-
leuchtet worden. Der 3. Teil behandelte die völkerrechtliche
Leitfrage der vorliegenden Arbeit: Welches ist der völkerrechtli-
che Rahmen, in dem sich die Schweizer Aussenpolitik zu bewe-
gen hat, wenn sie zwecks Durchsetzung des Völkerrechts auf
Völkerrechtsverletzungen mit finanziellen Zwangsmassnahmen,
insbesondere der Sperrung von Geldern, reagieren will?
Drei Teilfragen machen die Frage nach den für Finanzsanktio-
nen massgebenden völkerrechtlichen Normen aus: Gibt es völ-
kerrechtliche Normen, die die Schweiz zum Erlass solcher Sank-
tionen verpflichten? Gibt es völkerrechtliche Normen, die der
Schweiz beim Erlass Schranken setzen? Und gibt es für die Ver-
letzung dieser Schranken generelle Rechtfertigungsgründe?
Eine Pflicht, Sanktionen zu erlassen, ergibt sich für die Schweiz
aufgrund ihrer UNO-Mitgliedschaft. Die vom Sicherheitsrat im
Rahmen des Systems der kollektiven Sicherheit (Kapitel VII der
UNO-Charta) verfügten Sanktionsmassnahmen sind für die Mit-
glieder rechtsverbindlich und müssen aufgrund ihres Vorranges
grundsätzlich auch dann umgesetzt werden, wenn sie allenfalls
andern völkerrechtlichen oder landesrechtlichen Normen wider-
sprechen. Eine völkerrechtliche Überprüfungsmöglichkeit der
Resolutionen des Sicherheitsrats gibt es nicht; national kann die
Schweiz nur kontrollieren, ob überhaupt eine Resolution oder
nur eine unverbindliche Empfehlung vorliegt, ob der Sicher-
heitsrat seine Kompetenzen manifest überschritten hat und ob
sein Beschluss ius cogens verletzt.

261
Zusammenfassung des. 3. Teils

Aus andern völkerrechtlichen Normkomplexen (z.B. dem Recht


der EU oder der OSZE) sind keine weiteren Sanktionspflichten
für die Schweiz ersichtlich. Die einzige Pflicht zum Erlass von
Sanktionen liegt also in der UNO-Mitgliedschaft und im System
der kollektiven Sicherheit begründet.
Umgekehrt bestehen Schranken beim Erlass solcher Sanktionen,
welche sich in verschiedenen völkerrechtlichen Normensyste-
men finden. Die Vermutung der Staatenfreiheit, also der Freiheit
der Staaten, sich nach Belieben zu verhalten und also auch frei
Sanktionen zu erlassen, anerkennt Schranken jedoch nur, wenn
sie in Form anerkannter völkerrechtlichen Rechtsquellen tat-
sächlich existieren. Die Untersuchung von verschiedenen völ-
kerrechtlichen Rechtsbereichen (Gewaltverbot, Interventions-
verbot, völkerrechtliche Zuständigkeit, Pflicht zur friedlichen
Streitbeilegung, Neutralitätsrecht, internationaler Menschen-
rechtsschutz, Wirtschaftsvölkerrecht und völkerrechtliche Im-
munität) ergibt folgendes Bild:
Wirtschaftssanktionen sind, selbst wenn sie massiven wirtschaft-
lichen Druck bedeuten, trotz verschiedener Bestrebungen nicht
dem Gewaltverbot unterstellt worden. Das Gewaltverbot stellt
somit keine Schranke für solche Sanktionen dar.
Wirtschaftssanktionen stellen grundsätzlich auch keine verbote-
ne Einmischung im Sinne des (vagen) Interventionsverbotes dar.
Erst unter bestimmten Bedingungen, namentlich wenn vitale
Staatsinteressen des Sanktionsadressaten beeinträchtigt werden,
kann die hierfür nötige Schwelle erreicht werden. Bei Finanz-
sanktionen in Form der Sperrung von Geldern wird dies kaum je
zutreffen, ausser wenn ein fundamentaler Anteil der Ressourcen
des Adressaten gesperrt wird. Das Interventionsverbot bedeutet
somit kaum eine Schranke für diese Art von Sanktionen.
Auch die völkerrechtliche Zuständigkeit (Jurisdiktion), d.h. die
Frage, ob und unter welchen Regeln die Schweiz völkerrechtlich
für den Erlass von Sanktionen überhaupt zuständig ist, vermag
insbesondere unter Beachtung der territorialen und extraterrito-

262
rialen Anknüpfungskriterien, namentlich des Wirkungsprinzips,
für wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen keine Schranke
darzustellen. Die Schweiz ist zum Erlass solcher Sanktionen im
Sinne dieser Arbeit zuständig.
Die völkerrechtliche Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung so-
dann, wie sie in den für die Schweiz relevanten Rechtsquellen,
enthalten ist, steht dem Erlass von Finanzsanktionen ebenfalls
nicht entgegen. Diese Pflicht verbietet es nämlich insbesondere
nicht, unfreundliche Handlungen vorzunehmen. Einige Aspekte
dieser Pflicht bestehen jedoch parallel zu allfälligen Sanktionen
weiter oder sind im Rahmen des Rechts der Gegenmassnahme
zu berücksichtigen.
Auch lassen sich weder aus dem eigentlichen Neutralitätsrecht,
das grundsätzlich ausschliesslich während Kriegszeiten an-
wendbar ist, noch aus seinen rechtlichen Vorwirkungen für einen
dauernd Neutralen wie der Schweiz Schranken für den Erlass
von Finanzsanktionen ziehen. So statuiert das Neutralitätsrecht
für Kriegszeiten keine Unvereinbarkeit von Neutralität und
Wirtschaftssanktionen. Sodann ist sind Finanzsanktionen in
Friedenszeiten nicht geeignet, die spätere Wahrnehmung der
Neutralität in Kriegszeiten zu tangieren. Schliesslich stehen
Massnahmen der kollektiven Sicherheit ohnehin ausserhalb des
Geltungsbereichs des Neutralitätsrechts.
Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern berühren
potenziell verschiedene Normen des internationalen Menschen-
rechtsschutzes. Das geltende Völkerrecht legt der Schweiz beim
Erlass von entsprechenden Sanktionen bezüglich der Grundrech-
te der Wirtschaftsfreiheit und der Eigentumsfreiheit keine
Schranken auf, schränkt sie hingegen in Bezug auf die Privat-
sphäre und die Verfahrensgarantien ein. Eine Sperrung von Gel-
dern kann gemäss EMRK und UNO-Pakt II einen Eingriff in das
Recht auf Privatsphäre darstellen und, insbesondere bei der Um-
setzung von UNO-Sanktionen, gewisse verfahrensrechtliche
Garantien verletzen (u.a. Recht auf Gehör, Beschwerdemöglich-
keit).

263
Zusammenfassung des. 3. Teils

Das Wirtschaftsvölkerrecht hingegen, so namentlich der völker-


rechtliche Investitionsschutz, das Recht des freien Kapital- und
Zahlungsverkehrs und das Recht des freien Dienstleistungsver-
kehrs, stellt unter Berücksichtigung verschiedener Ausnahme-
klauseln und Genehmigungsverfahren (und unter Vorbehalt spe-
zifischer bilateraler Abkommen) keine generelle Schranke für
Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern dar.
Die Regeln der völkerrechtlichen Immunität, d.h. der Staaten-
immunität, der Staatsorganimmunität und der Diplomatenimmu-
nität, stellen für die Schweiz beim Erlass von Sanktionen jedoch
Beschränkungen dar: So ist die Erkenntnisimmunität (jedoch
einzig virtuell) verletzt, wenn mit einer Sanktion auf eine Völ-
kerrechtsverletzung reagiert wird, die auf hoheitlichem Handeln
beruht. Die Vollstreckungsimmunität ist verletzt, wenn mit der
Sanktion in Gelder eingegriffen wird, die hoheitlichen Charakter
haben, mithin Verwaltungsvermögen darstellen. Die Sperrung
von Geldern von Staatsorganen verletzt die Staatsorganimmuni-
tät, die Sperrung der Gelder von Diplomaten auch deren Recht
auf Unverletzlichkeit.
Weitere völkerrechtliche Regeln, welche Schranken für schwei-
zerische Finanzsanktionen beinhalten, sind keine ersichtlich; sie
ergeben sich namentlich weder aus einem allgemeinen Diskri-
minierungsverbot, noch einem ius commercii. Im Einzelfall sind
aber stets einschlägige bilaterale Abkommen mit dem Sankti-
onsadressaten zu prüfen.
Folgendes Fazit kann bezüglich der Schranken deshalb gezogen
werden: Finanzsanktionen in Form der Sperrung von Geldern
werden weder vom Gewalt- noch kaum vom Interventionsverbot
erfasst. Die Normen der völkerrechtlichen Zuständigkeit werden
ebenfalls gewahrt. Sodann verstossen solche Sanktionen auch
nicht gegen die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung, noch
steht ihnen das Neutralitätsrecht im Wege. Auch das Wirt-
schaftsvölkerrecht ist durch die hier untersuchten Sanktionen
kaum je verletzt, weder der Investitionsschutz, noch die Kapital-
, Zahlungs- oder Dienstleistungsfreiheit.

264
Problematischer ist hingegen der völkerrechtliche Menschen-
rechtschutz und das System der völkerrechtlichen Immunität.
Zwar ist die Schweiz weder an eine völkerrechtliche Eigen-
tumsgarantie noch eine Wirtschaftsfreiheit gebunden, und Ein-
griffe in die Privatsphäre sind regelmässig gerechtfertig. Doch
können solche Sanktionen Verfahrensrechte der Betroffenen
verletzen, namentlich das Recht auf rechtliches Gehör und auf
umfassenden gerichtlichen Rechtschutz. Gleichsam können sol-
che Sanktionen Normen der völkerrechtlichen Immunität verlet-
zen: Das trifft je nach Sanktion und Art der Gelder für die Staa-
tenimmunität zu, in jedem Falle aber für Massnahmen gegen
gewisse Staatsorgane oder Diplomaten.
Angesichts dieser Schranken gilt es zu prüfen, ob das Völker-
recht zulässt, dass von Normen, die beschränken, beim Erlass
von Sanktionen abgewichen werden darf. Es geht also um all-
gemein geltende Rechtfertigungsgründe wie die UNO-
Sanktionen oder das Institut der erlaubten Gegenmassnahmen.
Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates nach Kapitel VII SVN
sind der wichtigste Rechtfertigungsgrund für a priori rechtswid-
rige Sanktionen der Schweiz. Mit für Finanzsanktionen vernach-
lässigbaren Einschränkungen rechtfertigen sie aufgrund ihrer
Bindungswirkung und ihres hierarchischen Vorrangs sämtliche
hier angesprochenen Völkerrechtsverletzungen.
Der zweite allgemeine Rechtfertigungsgrund für solche Sankti-
onen findet sich im Recht der erlaubten Gegenmassnahme. Die
hierfür verlangten Voraussetzungen sind konkret zu prüfen, je-
doch im Falle typischer Schweizer Finanzsanktionen regelmäs-
sig erfüllt, namentlich auch die schwierige Frage der Verhält-
nismässigkeit. Eine Ausnahme gilt jedoch für die repressalien-
feste diplomatische Unverletzlichkeit.
Weitere sanktionsspezifische Rechtfertigungsgründe sind keine
erkennbar. So ist das Recht der Selbstverteidigung nicht auf Fi-
nanzsanktionen anwendbar, und Schutzmassnahmen wie sie das
Recht der Verträge, die Regeln zur Staatenverantwortlichkeit

265
Zusammenfassung des. 3. Teils

oder auch konkrete völkerrechtliche Verträge vorsehen, sind


nicht sanktionsspezifisch. Sodann haben auch Beschlüsse ande-
rer Staaten keine rechtfertigende Wirkung. Beschlüsse internati-
onaler Organisationen ausserhalb der UNO wirken nur gegen
Mitgliedstaaten und sehen kaum je Finanzsanktionen vor. Be-
schlüsse der UNO-Generalversammlung schliesslich haben e-
benfalls keine rechtfertigende Wirkung.
In einem Satz: Finanzsanktionen der Schweiz in Form der Sper-
rung von Geldern in ihrer üblichen Ausgestaltung verletzen
kaum je völkerrechtliche Normen; andernfalls sind sie (mit Aus-
nahme der diplomatischen Unverletzlichkeit) in den meisten
Fällen durch Sicherheitsratsresolutionen oder subsidiär das
Recht der Gegenmassnahme gerechtfertigt.

266

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