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WILHELM GREWE

Ein Besatzungsstatut
für Deutschland

ni"
Reehtsformend,er
Besetzung
WILEELM GRE-WE TNIIALT
geboren m 16, Oktober lgll in Harnbug

o. Prof. an der Universität Freiburg i. Br.

Yorbemerkung 11

Erster Teil:
Die Rechtsgrundlagbndes Besagungsredrtes

I. Die RedrLsnatur des Besagungsredrles 16

l. Die Re&tlidrkeit des Besagungsregimes 16


2. Die Tragweite der):,,bedingungslo-senKapitulation" . 18
3. Die Einheitlidrkeit dös Besagungsregimes -' 24

II. Y-oraussegungen und Formen einer FeBtldfung des


Besagungsredtes.. .'27

1; Ist eine Fixierung überhaupt mögli&? : . .' 27


2. Kodifikation oder Einzelregelung? 30
3. Gesamtdeuts&e oder Zonenregelung? - . 31
&.VereinbarungodqrStatut?..: . : . 35
5. Die Partnei eines Besagüngsabkommeirs 4L
6. Diö Zuitändigkeit z;m Erlaß eines Besagungsstatuts 42
?. Iias Rheinlandabkommen von I9I9 als Modell? . 45

III. Die gegenwä4ige Redrtg- qnd Veifassungslage


Deutsdrlands . i:... 47
'+7
1. Die Fragestellung; Besteht Deutsdland als Staat? .
2. Die militärisdre Niederwerfirng (debellatio) Deutsdr'
lanils 48

Publiehe mder Milituy Govemment Iilomstion a) Der Bdgriff der ilebellatio 48


Control License No. US -W- 1126 b) Die Annektion im heutigen Völkerrbdrt 50
c) Keine debellatio mit Annektiolr . : . 54
Geilruerkt in der Buüdruckerei W. KohlhommGr Stuttg&rt
d) Keine debellatio mit airschließender Errichtune eines
c)Re&tsbasisderlntervention. . . : . . . I29
I(ondominiums 55 d) Grenzen der Intervention . . . 134
e) Keine debellätio mit ,,Subjugation" 62 e) Verfassungsgarantie der Interryentienten . 139
f) Keine debdllatio mit-effektiver Ver4ichtung . . . 69
g) Keine debellatio mit Staatszerfall oder Staatszer- 3. Die Sequestrationsbesegung 141
gliederung 70 a) Voraussegungen und Gruädlagen der Sequestration 7+l
3. Der Fortbestand der deutschenStaatseinheit b) Begriff und Wesen der Sequestration I42
74
c) Der Inhalt der Sequestrationsgewalt 148
a ) V e r f a s s u n g s v e r n i c h t u n g ,a b e r k e i n e S t a a t s v e r n i c h t u n g 74 d) Die Grenzen. der Sequestrationsgewalt 150
b) Redrtsfahigheit, aber heine Handlungsfähigkeit 77 e) Beendigung def Sequestration . 153
c) Die Übernahme der deutsdren Staatsgewalt durch
die BesaBungsmächte 79 4, Die wirtschaftlidre Sicherungsbesegung 155
d) Die Doppelstellung der Kontrollorgane 82 a ) Der Begriff der ,,Reparation" und der ,,Restitutiono' 156
e) Die Treuhänderschaft der I(ontrollorgane . 87 b ) D i e F r a g e d e r , , Y o r g r i f f e ' o ,, . ., : . 158
f) I(ontrollrat und Zonenbefehlshaber 91 c ) Automatische Reparationsschuld als Rechtsfolge des
4. Die $tellung der Länder im gesamtdeutsdren Staats-' A n g r i f f s k r i e g e s? 161
verban d d ) Grenzen des Reparationsanspruches 168
95
e ) Regelung der Resritutionen . . 172
a) Die Komperenzverteilung 95
b) Die Vahrung der I(ompetenzregeln (Geltung und V . Die völkerrechtlich
eewährleisteten Gruntl"fl.ht" d",
Tragweite des Grundsa!es ,,ReidrsrecÄt bricht Land- besegten Landes und seiner Bevölkerung 178
redrt") 100 L Gibt es besagungskräftige Grundredrte? 178
c ) D a s N o t g e s e g g e b u n g s r e c h td e r L ä n d e r 104 2. Der Inhalt der Grundrechte 181
3. Grundrechte und,,militärische Notwendigkeiten" 184
IV. Die Ziele der Besegung Deutsehlands und die Mächt-
befugnisse der Besagungsmächte . . 106
Zueiter Teil:
l. Die militärische Sidrerungsbesegung 106 System des Besagungsrechts
a) Dab Wesen der occupatio bellica 106
I. Die Organisatrion der Besagungsbehörden 188
b) Die Geltung ddr Haager Landkriegsordnung . 108
c) Rechtlide Bedeutung deutscher Zuwiderhandlungen ILI l. -{ufbau 188
d) W'andlung der occupatio bellica zur militärischen 2. \-erteilung der Geseggebungskompetenzen . . . 188
Sicherungsbesegung 116 3. Gesegmäßi$keit der Besaljungsexekutive : 189
e) Wöitergehende Besegungsziele und ihr Verhältnis 4. Die Einheit des Besagungssystems 190
zu den Haager Regeln 120
II. Befugnisse der Besagungsbehörden im Rahmen der
2. Die Interventionsbeseguns t26 militärischen Sicherungsbesegung 191
a) Zwed< rnd Ziel der Intervention . . . 726 1. Vahrung der Sicherheit der Besagarngstruppen 191
b) Begriff und Vesen der fntervention I27 2. Befriedigung der Besagungsbedürfnisse 192

6 ,7
ff1:
[.i.'
Er.
t

a) Unterbringung und Unierhgh der Besagungstruppen 193 \r. Befugnisse der Besagungsbehörden auf dem Gebiete
b ) Militärische Anlagen 193 iler Reparationen und Restitutionen 2I9
c ) Verkehrs- und Nachridrtenmittel 194 219
l. Der l-orgrifr auf Reparationen .
d ) Verbot ilei Ausnugung des Besagungsgebietes für
2. Grenze der Reparationspflicht 2IS
zivile Zwecke r94 . ). 2I9
3. Feststellung und BewertunS
e) Festsegung tler Besagungskosten 195 , - 220
1. Si&erung künftiger Reparationsleistungen
f) B e g r e n z u n g d e s R e q u i s i t i o n s r e c h t s j . , . 196 220
5. Lnzuläsdige Eingriffe
3 . Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung . 197 6. Lieferungen aus Iaufender Produktion 221
?.DerRepar4tionsausschuß .. '. 222
a) Polizeiliche Sicherungsmaßnahmeri . : ., . t97
B.DerRestitutionsanspruch .. : 222
b ) Belagerungszustand . 797
9. Das Restitutionsverfahren 223
Schug von Lebenl Freiheit und Redrtsiidrerheit 198
a ) Gerichtsbarkeit 198 VI. Streitsdrlichtung . 224
l;) V e r w a l t u n g ..,. 199
Änhang: Die Richtlinien der Londoner Konferenz für
III. Befugnisse der Besagungsbehörden kraft Seque- ein Besagungsstatut . 225
strätron 200
l. Die Sequestrationsgewah 200 r,
t

2. Regierungsgewalt 201
3. Geseggebungsgewalt 203
4. Justizhoheit 204
5. Verwaltungshoheit 206
6. Kompetenzverteilung nadr Beendigung der Seque- Abkürzungen
stration 208
DRZ. : Deutsche Rechtszeitschrift (Tübingen)
IV. Befugnisse derBesagungsbehörden kraft Intervention 2t0 HLKO. : Haager Landkriegsordnung
mnn. : Monatsschrift für Diutsdres Recht (Hamburg)
L Die Interventicinsgewalt 210
NJ. : Neue Justiz (Berlin)
2. Enrmilit'arisierung unil.Entnazifizierung . 2ll
'Wodrensdrrift
3. Bestrafung von Kriegs- und Menschlidrkeitsverbrectren NJur, = Neue Juristische (Mündren)
und Beseitigung vqn Diskriminierungen 2I3 SJZ. : S ü d d e u t s c h e 'J u r i s t e n z e i t u n g ( H e i d e l b e r g )
4. Demokratisierung 214
a) Prinzipien der Demokratie . . . 214
b) Grundsag der Verfassungsautonomie 215
c) Regierungsbilduirg und Regierungskontrolle . . .. 2t5
d) Regierunggtätigkeit 216
e) Frbiheit der Geseggebung 2t7
-des
f) Freiheit politisdren Leberis . :. . . 218

8-
VORBEMERKUNG

Düe in dieser Schrift entworfene Skizze iles deutsdJren


BeseEu-ugsre&tesist aus einem Rechtsgutachten erwach'
r+rn-das der Verfasser im" Sommer und Herbst 1947 - im
A,n-+&lu8 an die Münchener Krinferenz der Minister'
pri;identen - im Auftrage einer deutsphen Landesregie-
ru-ne an=gearbeitet hatte. Ihre ursprüngliche Konzeption
houte iiÄ daher auf der politischen Gesamtla$e .von\947
*j- Seit dieser Zeit haben sich die politischen VorauC''
fl4,runrtn in vers&iedqngr Hinsicht grundlegend ge'
fud*-rt- trn Äehrmaligen Überarbeitungen hat sich der
Ts{r,Ee+r bemüht, diesen veränderten loglussegungen
lry,cit Rechnung ztt Lrager.' als dies geboten sdrien. In'
l&**r durfte er bei eiirem derartig im Flusse der Ent-
ri*lung befindli&en Thema riicht hoffen, mit den.Er'
eEnissen jedes neuen Tages Sdrritt halten zu könnenl,
T*roünJtigerweise konnte das auch nicht das Ziel einer
visr"en&aftli&en Studie sein, wie sie hier beabsidrtigt
wiar.
flne *ährend der Drucklegung bekanntgervordenen Richt'
iläi*i*'nder Londoner Konferenz für ein Besa$ungsstatut
sind daher im Text nidrt berücksidrtigt. Der Verfasser
retuht daria keinen Mangel seiner Arbeit. E3 kam ihm
{n'aui nn. die völkerrechtlichen Grundlagen und Vor-
lnffirsur-!en und die möglichen Gestaltungsformen eines
'Dceagm-ng-.statuts
zu entwickeln, wie-sie sich dem Auge
dc* wli:en.&aftli&en Beobachters in Deutschland dar-
bieten. Der Leser. wiril selbst in ilerol-age sÖin, tlie hier
erarbeiteten Gesidhtspunkte und Maßstäbe mit den Vor-
schlägen und Richtlinien der Kopferenz von London zu

1l
;
'erg:lei&en und si& dabei ein Urteil darüber zu'bilden,
rie reit diese Vors&läge den v'ölkerrechtlichen Grund- lanil nbch nicht aufgegeben werden durfte' Nadrilem
-
diese Hoffnung -. jedqnfalls für eine nähere Zukunft
lagen des Besagungsrechtes und den berec{rtigtan Er-
warturrgen der betroffenen Bevölkerung entspre&en od.er mehr und mehr an realer Bedeutung eingebüßt hat, ist
ni&t entspredrei. Es darf angenommen werden, daß die die Form'des Besagungsstatuts,und zwar eines von den
ilrei westlichen Besagungsmädrten erlassenen Statuts,
hier vorgelegte Arbeit allen denjenigen eine praktisdre
stärter in denVordergrund gerückt' Prinzipiell wäre frei'
llilfe bietet, die sich mit den Londoner Vorschlägen aus-
li& auÄ in diesem begrenzteren Rahmen der drei'West'
einanderzusegen haben. Diese Auseinanderse!ung konntö
zonen noch die Form des Abkommens möglich' Sie würde
und wollte_der Verfa$ser dem Leser nicht abnehmen. Die
jeiloch dil Konstituierung des Dreizonengebietes al6
imAnhang gegäbenekurzeAnalyse desLondonerTextes
selbständiges Völkerrechtssubjekt und Staat i'oräus'
will daher.nicht mehr als ein lfiegweiser und ein Hilfs-
segen - eine Voraussebung, die vielen Deuischen aus
mittel für diese Auseinandelsegung sein.
wohlerwogenen Gründen als verhängnisvoll erscheint'
Einige erklärende Worte erf ordert derTitel dieser Schrifi, jeden'
Im Rahmen der folgenden lJntersu.chungen waren
Das Vort ,,Besagungsstatuto'kann in verschiedenerBe-
falls alle denkbaren Wege der Regelung des Besagungs-
deutung gebraucht werderr. In einem weiteren Sinne
reüts zu erörtern.
kann darunter jede-rechtsförmige Festlegung des Be,-
sagungsredrtes verstanddn werden, gleichviel; aüf wel-
chem Vege sie zustandekommt. In diesem Sinne ist der
dem Sprachgebrauchunserer Tqge vertraut gewordene
Ausdrudr im Titel dieser Schrifi gembint. - In einbm
engeren Sinne kann unter dem Begriff ,,BesaSungs-
sta.t.ut" jedoch audr lediglich eine solche redrtsförmige
Fesilegutrg des Besagungsrechtesverstanden werden, die
'Wege
ni&t auf dem vertraglicher Vereinbarung zu-
s'tandeget6mmenist, sondern vön den Besagungsmächten
,rstatuiert", d. h. aus eigener Machtvollkommenheit ein--
seitig erlassen worden ist. In diesern Sinne bildet ein
solch.es oktroyiertes Besalungsstatut den Gegenbegriff
zu einem vereinbarten,Besa!ungsabkommenoo.ImTexte.
,dieser Schrift ist der Ausdrud< in der Regel in diesem
engeren und präziseren Sinrie gebraudrt unil sind die
Begriffe,,Besa$ungsstatut'ound,Besagungsabkommen'o''
entspredrend unterschieden worden. Die-Form des Be-
sa6ungsabkommenEwar vor allem solange in Betracht zu
ziehen, als die Hoffnung auf eine baldige Bildung einer
provisorischen deutschen Regierung für ganz Deutsdr-

12 l3
I. Die Re&tsnatur des Besatzungsrechtes
Diese Ausgangslage ist auf beiden Seiten nicht imrner
richtig erkannt worderr. Auf eine durch völkerrechtliche
Gutachten gestübte Beschwerde iler Stadt Essen gegen
die von der britischen Militärregierung angekündigte
Zerstörung eines Teiles cler I(rupp-Verke in Essen ist
1. Die Rbdttlichkeit iles Besagungsregimes
im Auftrage des Generals Robertson erwidert worden,
die Kontrollkommission und die Zonenbefehlshaber
Trog der ,,bedingungslosenKapitulation.,, trog des voll-
stellten in jeder Hinsicht das auf redrtlicher Grundlage
ständigen politischen und militärischen Zusammenbruchs
erridrtete oberste Regierungsorgan in Deutschland dar.
des Reiches befindet sich das beseBte Deutschland seit
Vörtlich wurde im Änschluß daran erklärt: ,,Auf Grund
1945 nicht im Zustande der absoluten Rechtlosigkeit
der ihnen (d, h. den vier im I(ontrollrat vereinigten
gegenüber den Besagungsmädrten.
Zonenbefehlshabern) verliehenen obersten Gewalt gibt
Venngleich die Kapitulation: vom 8. Mai 1945 ,,bedin-
es keine Begrenzung ihrer Vollmachten, mit Ausnahme
gungqlos" war, d. h. dem unterlegenen Teil keinerlei
derjenigen, welche sie sich selbst segen.o'
vertraglidhe Zusicherungen hinsidrrlidr seiner künftigen
So zutreffend die rechtliche Grrrndlage betont wird, auf
Behandlung gab, wenn auch kein Waffenstillstandsver-
die sich die Tätigkeit der Besagungsbehördenstübt, so
trag gesülossen wurde, der etwa solche Bedingungen
rienig kann zugegeben werden, daß diese das Ausrnaß
eingeräumt hätte, so ergeben sich doch aus dem geschrie-
jhrer Rechte und Befugnisse nach freiem Belftben selbst
benen sowohl wie aus dem ungeschriebenen Völkerrecht
bestimmte Redhtssäge,welche die Stellung des Siegers t,estimmen könnten. Eine solche Auffassung, die im gel-
im besegten feindlichen Lande begrenzen und gewisse tenden Yölkerrecht keinen Anhaltspunkt findet, wird
Mindestrechte der BevölkerunE dieses Landes eewähr- zuneist mit der besonderen und einzigartigen Situation
leisten. Diese Rechtssägebestilmen die Ao.guigslage, begründet, welche durch die ,,bedingungsloseKapitula-
in der sich die Besagungsmächteund Deutsdrlanil bei tion" geschaffenworden sei' Zweifellos wircl die Beson'
der Errichtung eines genauer formulierten Instrumentes derheit der heutigen Lage Deutschlands dort verkannt,
des Besalungsrechtes befinden. Ein solches Instru- '.'., man auf deutscher Seite versucht, 'die Besa[ungs-
ment hätte also nicht so sehr neue Rechtssägezu be- ..a,,irte auf die Sdrranken der Befugnisse zu verweisen,
gründen, als vielmehr die vorgegebenen Rechtsgrund- '* t i'e die Haager Landkriegsordnung von 1907 (IILKO)
säge und Normen im Hinblick auf die konkrete Lage in i.: Le.;lenden Mac,htzieht. Kein Lebenssachverhaltje-
Deutschland anzuwenden,, zu formulieren und zu spe- j ,ir -.i .o neuartig und abnorm, daß er sich einer Er-
zialisieren. Die Aufgabe besteht also, prinzipiell ge-
:-:i=::: und Beurteilungdurch überlieferte Rechts'
sehen, nidrt darin; einen Zustand der Rechtlosigkeit
sr-:.d.sEe und Normen überhaupt entzöge' Die An'
durch eine Orilnung des Rechtes lbzulösen, ,ond".i di"
:.:Ll:e aber. Deutschland habe sich durch die ,,bedin-
bereits bestehende Rechtsordnung bewußt zu madren,
:*::.lo=e Kapitulation" aller Rechte und Rechtsschug-
zu festigen und nadr der Erfahrung der hinter uns lie-
r: -r:rLerrund jeder Rechtsfähigkeit überhaupt begeben,
genden Jahre der BeseEung fortzubilden.
: - r : r i r : - j e d e r j u r i s t i s c h e nB e g r ü n d u n g .

I6
17
'.

F:
-rj+:+:a-

il
2. Die Tragweite d,er ,,bedingungstosen Kapitulation, Tafienstillstaudes und 1919 beim Abschluß des Friedend'
$ertrages in ihrer Handlungsfreiheit gebunden waren.
Die dem Begriff der ,,bedingungslosen Kapilulation,o in Sie hatten sich durch einen Yorvertrag gebunden, der
der Auffassu4g der alliierten Stäatsmänner ursprüng- in OktoberiNovember 1918 in Form eines deutsch'ame'
Iich beigiemesseneBedeutung sdrloß solche weitgehen- rilanischen Notenwechsels zustande gekommen war und
den Konsequenzen kei'neswegs ein. der seinen Abschluß in der sogenannten Lansing'Note
Das':Sdrl4gwort,,bedingungslose Kapitulationoo stammt rom 5. November 1918 gefunden hatte, Dana& hatten
aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Parallelen zu der die -{lliierten das Programm der Vilson-Punkte als bin'
Situation von 1865 dürfen jedo& nur mir großer Vor- dende Grundlage der künftigen Friedensregelung ah-
'Weise
- sicht gezogen werden. Die Nordstaaten haben die Aus- zeptiert. In vielfach sehr wirksamer hat si& die
einandersegung als innerstaätlidren Bürgerkrieg auf- deuts&e Politik und Propaganda seit 1919 auf diese
gefaßt und demnactr nidrt nach völkerredrtli&en Regeln' re&tli&en Binilungen berufen und ihre Verlegung
abgewiilkelt. Auf der anderen Seite ist es juristisdr be- dur& bestimmte Maßnahmen der alliierten Politik und
deutungslos, wenn man versudtt, den hinter uns liegen- bestimmte Klauseln des Friedensvertrages gerigt' T94L
'Weltkrieg hatte man abermals ein Programm aufgestellt, das äußer-
den als internationalen Bürgerkrieg aufzu-
fassen.*Vgl.Zinn, Unconditional Surrender. NJur. 1947, li& gew-isse,Ahnlichkeiten mit dem Wilson-Programm
Seite 11.) aufr^-ies: die Atlantic Charter vom l'2. August 1941.
Qamit werden nur die klaren Begriffe des Völkerredrts, Eenn in der Folgezeit in Casablanca, Moskau grd Jalta
auf die sich die gege'lwärtige.Rechtsposition Deutsde- ron --bedingungsloser Kapitulatignoo gesprochen wurde,
lands gründet,.versdroben. DieÄlliierten ihrerseits haben :o sollte das im Rückblid< auf jenelrorgänge von l9l8/19
deutlich g;enugzu verstehen gegeben, daß sie keinesfalls berleuten: dieses Mal darf es beim Friedenssdrluß von
geneigt sind, einer soldren Konzeption"zu folgen und rornherein keinerlei rechtlidre Beschränkung der poli'
'Widerstands- tis&en Handlungsfreiheil der Alliierten gebe4, die
elwa die aktiven Träger der deutschen
hewegung aus der Gesamtverantwortlichkeit des deut- -{tlantic Charter darf nicht ilie gleiche Rolle spielen, wie
schen Volkes zu entlassen. 1919 die Vierzehn Punkte, Deutschland darf sich nicht
In das polifisü-juristische Vokabular unserer Zeit ist auf sie berufen dürfen, es muß militärisdr kapitulieren,
der Ausdrudr,,bedingungslose'Kapitulationoo durch den ohne daß ihm derartige Präliminar-Friedensbedingun'
Präsidenten Roosevelt auf der Konferenz von Casa- ren z,ngesi&ert sind, Diesen Sinn der ForTel ,,uncoh-
blänca im Jaäuar 1943 eingeführt worde4. Er taucht ditional surrenderoohat Churchill in seiner Unterhaus'
dann in d-er Viermädrte-Erklärung von Moskau vom Ok- mde ron 21. Februar 1944 erläutert, und Außenminister
tober 1943 und in späteren Konferenzbeschlüssen- z. B. Eden hat einen Tag später diese Worte des Premier'
tlenen von Jalta = wieder auf. ninirggr's no& einmal nachtlrücklidr unterstrichen, in-
Was mit dieser Formel zunächst gemeint war, geht sehr ' dem er erklärte: ..Iü stelle mit aller Deutlichkeit fest'
deutlich aus versc}iedenen Außqrungen alliierter Staats- daß ditise Erklärung Churdrills die Haltung der gesam-
männer aus jdner Zeit hervor. Man erinnerte sich daran, ten britiscüen Regierung wieilergibt. Eer Premiermini-
daß die Alliierten im Jahre l9l8 beim Abschluß des ster hat deutlich zu verstehen gegeben, daß Deutsdrland

l8 L9
nidrt beredrtigt ist, si& auf die Atlantic Charter zu be' famen des deutschen-Oberkommandos und hatten in
rufen, um die siegreichen Mächte zu hindern, territoriale Jie.er Eigenschaft einen atss&ließlich militärischen
Bereinigungen auf seine Kosten vorzunehmen. Es gibt ÜLor,:aheakt zu vollziehen. Durch den Akt vom 8'Mai
gewisse Teile äer Atlantic Charter, tlie sich in deutlidren lr{5 ergaben sich die deutschen Armeen - eine Über-
Worten sowohliauf die Sieger als auch auf die Besiegten :rrsrung politischer Machtbefugnisse oder gar der deut'
beziehen, so z. B. der Artikel 4. Dieser Artikel soll in s*.en Staatsgewalt und Souveränität schlechthin fand
vollem U-.fang zu Recht bestehen bleiben; aber wir :':üt statt.
können nicht zugeben, daß Deutschland die Anwendung
So insbesondere auch der schrtteizerischeVölkerredtts'
dieses Teils der Atlantic Charter oder irgend eines an-
lehrer G. Sauser-Hall (L'occupation d'e I'Allemagne
deren Teiles derselben als ein Recht beansprudren kann.
par les Puissances AIIiöes. S&'weiz. Jahrbuch f. inter-
Ich mache kein Hehl aus dem Ziel, d.as wir uns in die-
nat. Recht, Bd. IIIl1946, Seite 24 fr.):
ser Hinsidrt in der britischen Außenpolitik gested<t
haben.oo ..Il en rösulterait que DoeniS, en ordonnant Ia capi'
Damit ist der Sinn der ,,bedingungslosenKapitulation" tulation inconditionelle, n'autait pas agi en qualitö
eindeutig klargestellt: sie bedeutet militärische Kapi' de Führer de I'Allernagne, et que la capitulation au'
tulation ohne uertragliche Zusicherung bestimmter poli' rait une signification et une portöe purement mili'
tisrher Bedingungen, nidtt mehr und nidtt ueniger. taire. EIle ne serait pas celle de l'Etat allemand, du
Die unabhängig von besonderen vertraglichen Zusidre- Reiclr, mais celle ile ses armöes." Zu d,em Doltument
rungen bestehenden, auf dem' allgemeinen Völkerredrt t.on Reirns ünil Berlin oom 7. und' 8.Mat frqS neßt
beruhenden Rebhte und Pflichten des Kapitulierenden es: ,,Manifestern'en\ ce document n'a qu'un carac'
bleiben unherührt. Sie könnten überhaupt nur dann töre militaire, Il n'y est question que il'obligations
berührt werde.n, wenn die unterzeidhneten Unferhändler assum1es par le haut comrnandement allemand' et les
der deutschen Wehrmacht, Friedeburg, Keitel und forces armöes so&s .son contr0le. II ne cott'tient, pas
Stumpff, eine nicht nur militärische, sondern politische de clauses politiques. Il ne rögle pas möm.e l'ocbu'
Vollmacht gehabt hätten. Die Kapitulationsurkunde be- pation ile l'Allemagne par les Puissances AIIiöes.
ginnt jedoch ausdrücklich mit den Worten? daß die Cette occupation n'a donc aucune base conaenüo'
Endesunterzeichneten lediglich ,,im Namen des deut- nelle,oo
Ächen Oberkommandos handeln". Kapitulation, so definiert das bekannte Lehrbuch von
Es kann daher in diesem Zusa'mmenhang auch dahin- Hall-Higgins, ,,is an agreement under whidr a botly of
gestellt bleiben, ob der Großailmiral Dönig im Augen- troops or a naval force surrenders upon conditionsoo.
blidr der Kapitulation verfassungsrechtlich als Staats- r-{ Treatisö on International Law. 8th ed. 1924. p.665.)
oberhaupt des Deutschen Reiches und Chef einer völker- ..BedingungsloseKapitulationoo,so wäre jene Definition
redrtlich handlungsfähigen Regierung zu gelten hatte. zr ergänzen, ist genau der gleidre militärische Über'
Auch wenn dieses anzunehmen wäre, ist doch den deut- :abeakt,,without conditions",,d.h' ohne gleichzeitige
schen Unterhändlern von dieser Seite keine politisdre -{u=handlung von Bedingungen. Die Bedingungen, an
HandlunEsvollmactrt erteilt worden. Sie handelt'en im die bier gedacht ist, oindBedingungen militärischerArt:

20 2t
pitulation des Feindes befreit die siegreidrbn Mächte
freier Abzug, Freilassung von Offizieren auf Ehrenwort
in keiner Veise von ihrer Bindung an die Humanität
u. ä. Politische Bedingungen fallen aus .dem Rahmen
nnd son ihren Pflichten'als zivilisierte und christliche
einer soldren Kapitulation heraus. Insoweit, heißt es
bei Hall-Higgins, ,,als Kapitulationen Abkommen von Staaten." Niemand wird die zwingende Richtigkeit die-
'Wert
:e. Satzes und den praktischen dieses Bekennt'
strikt militärisdrem Charakter sind, sind Offiziere mit
ni=.es in Zweifel ziehen wollen. Gleichwohl gibt es
höherem oder abgesondertem Kommando nach einer
kei.rr riütiges Bilil von den Konsequenzen der bedin-
allgemeinen Regel befugt, solche einzugehen. Vertrag-
:ung:slosen Kapitulation, da es ilie gleichfalls fortbe-
liche Bestimmungen jedoch, welche die politische Ver-
fassung oder Verwaltung eines Landes oder eines Ortes ;tehende Bindung der Siegermächte an ilas Völkerrecht
berühren, oder Verpflichtungen irn Hinblick auf seine unerrvähnt läßt.
künftige Unabhängigkeit, können auch von einem Ober- In ähnlichem Sinne knüpfi das Urteil des amerikani'
kommandierenden nicht ohne besondere Vollmachten =ören \'fliYrt'är gendnts iur Nürrtber get Srrtit\ertprszeß s srrt
eingegangen werdenoo. 3. 4.Dezember L947 an die Tatsache der ,,bedingungs'
p.666: ,,In so lar as capitulations are agreements ol losen Übergabe und Besegung" Deutschlands tlie Fol'
a strictly military hind, olficers in superior or d,e- rerung, daß die Sieger an die Bestimmungen der Haa'
tached, command are as a general, rule competent to eer Landkriegsordnung gegenüber Deutsdrland nitht
enter int,o them. But stipulations affecting the politi- 3ebunden seien. Es gibt aber auch keine anderen völ'
cal constitution, or atlministration ol a country or kerrechtlichen Regeln an? an die ilie Alliierpn gebun'
place, or making engagerneits with respect to its tu- den wären, sondern begnügt sich damit, sie mit ,reiner
ture ind,öpendence, cannot be consented to eaen by kategorischen menschlichen PEicht weit größerer Reidr'
an officer cornmand,ing in chief utithout possession rr-eite" zu belasten. (Das Nürnberger Juristenurteil.
ol special powörs."
i-{llg.Teil.] Herausgegebenvom Zentraljustizamt für die'
Niemarid hat bisher behaupten können, daß Friedbburg, britische Zone. 1948. Seite 14 [Urteil Seite 9]). Dieses
Keitel und Stumpf ,,besondereVollmachtenooin diesem aus einer irrigen Deutung der ,,bedingungslosen Kapi
Sinne gehabt hätten.
tulation'o abgeleitete Ergebnis gibt kein zutreffendes Bild
Die daraus folgende beschränkte Tragweite der Kapitu-
r-on der Rechtslage.
lationserklärung als eines rein militärischen übergabe- volr
Die Siegermächte haben sich auf der Konfererrz
aktes, der nach Form und Inhalt sowie nach der Voll- 'Weltordnung
Ialta zu dem Ziele bekannt, ,,eine des
macht der Unterhändler gar nicht mehr sein konnte als
Re&ts zu sdhaffen, ilie ilem Frieden, der Sidrerheit und
dieses, ist häufig verkannt und entstellt worden.
dem allgemeinen Wohl der Menschheit gewirlmet ist'o'
Schon vor dem Zusammenbruch hatte sich ein politischer
Sprachgebrauch herausgebildet, der in den Begriff der \-on dieser Zielsegung her gesehen wäre es unverständ'

,,bedingungslosenKapitulation'o' Konsequenzen hinein- liü. wollten . sie Deutschland gegenüber ihre Binilung
legte, die ihm völkerrechtlich nicht ihnewohnen. Pre- an das Völkerrecht leugnen. Die ,,bedingungslose Kapi'
mierminister Churchill erklärte am 18. Januar 1945 im tulation'o Deutsdrlands befreit sie von dieser Binilung
Unterhaus: ,,Die Erzwingung der bedingungslosen Ka. ni&t.

23
22
FF-'"

'alle
Jede Redrtsordnung aber bringt für Beteilieten *r-orläufig" nichl sebildet werden. Doch sinrl ,,gewisse
gleidrzeitig Rechte ,und
Fflichten mii sich. Eine örd- geleitete deutsche Ver-
nung, die dem einen Partner ünbegrenzte Machtbäfug- _rentrale, von' Staatssekretären
raltungsämter von wesentlicher Bedeutung'o vorgesehen'
nisse, derir anderen keinerlei Rechtsschug einräumen
tA 9IV). ,,In der Periode iler Okkupation muß Deutsch'
wü;de, wäre keine Ordnung des Rechts,'sondern
eine land als ein einheitliches wirtschaftliches Ganzes be'
Herrschaft dernVillkür.
üa&tet werden'o (B 14).
Diese Grundsäge sind bisher in der Praxis nicht befolgt
worden. Doch bleiben sie bestimmend für die Einheit'
. 3. Die Einheiili&.heit iles Besag,ungsregimes li&keit des deutschen'Besabungsrechtes.
L=nter ,,Deutschland'o ist dabei das Gebiet zu Yerstehen'
Trog der Aufteilung Deutsdrlands in vier bzw. fünf
das durih die Reichsgrenzen hach dem Stande vom
militärisdre $eselungszonen besteht na& den Beschlüs-
3l.Dezember !937 un:sehlossenist. Späteren Gebiets-
, sen von Jalta und Potsdam ein einheitlidhes Besagungs. erweiterungen, aucle wenn sie allgemeine völkerredrt-
system für. Deutschland, das seine $pige irn Kontrollrat
li&e Anerkennung gefunden haben soilt"o, ist mit dem
hat. Auch die Rechtsgrundlagen der Besegung sind
ein- deutschen Zusammenbruch die rechtlidre Grundlage ent'
heitlich für gänz Deutsihland.
zogen worden - ein Vorgiang, aüf dessen rechtliche Pro'
Nach dem Plan für die endgültigd Niederwerfung
des blematik hier nidrt näher einzugehen ist. Jedenfalls
- gemeinsamen Feindes von Jalta (3._f f . Februar
1945) stehen a[e Gebiete innerhalb der Grenzen vo4g 31.-De-
,,rrerden die Truppen der drei Mächte, j"d" M""h; ;;; zember 193? seit ihrer militärischen Besegung durch ilie
sich_getrennt, .eine besondere Zäne Deutsdrlands.
be- alliieften Truppen unt-er Besagungsrecht.
selen. Nach dem FIan wurde eine koordinierte yerwäl-
Feststellung über die Besagungszonen in Deutsch,land,
tung und Kontrolle durch eine zentrale ,Kontrollkom_
toni; 5.Juni 1945 (Amtsbl. des Konir.Rntes. Ergän'
mission vorgesehen, die aus den Oberkommandierenden
zungsbl. Nr. 7, Seite 77): ,,Deutsch,Iand'wird inner'
der drei Mädrte bestehen und ihren Sig Beflin haben halb seiner Grenzen, wie sie am ST.Dezember 1937
soll. Es wurde übereinstimmung darüber"irretzieltoFrank.
bestand,en, lür Besagungszüeche in aier Zonen' auf'
reich durch die drei Mächte urif-zuforder.r, eine
Besat- geteih .,.* (1).
4rngszone zu übernehmen und als viertes Mitglied an De facto ausgenommen von der Anwendung des" Be.
der Kontrollkpmmission teilzunehmen, wenn es
diesen sagungsrechtessind-die Gebiete untet polnischer Ver-
. Wunsch haben sollte.oo
raltung östli& der Oder und Neiße sowie der an die
Das Potsdamer Abkommen vom Z. August 1945 bestimmt
Sowjet-Union übergebene Bezirk von Königsberg. Audr
demgemäß ,,die politischen und wirtschaftlichen prin_
das Saargebiet ist tatsädrlich aus dem Anwendungs-
zipien, die bei der Behandlung Deutschlands. .. ri&-
bereich des allgemeihen deuts&en, Besagungsrechtes
tunggebend sind".-Es bestimmt in Abschnitt A2:,""So-
teilweise herausgelöst worden.
rveit dies piaktisdr zu verwirklichen ist, muß tlie Be_
Diese de facto-Ausnahmen gehören zu den Punkten, in
handlung der Ber,ölkerung in ganz Deutschland
die denen das Potidamer Abkommen unbeadrtet blieb. Un'
gleidre sein." Eine zentrale deutsch-e Regierung
ooll ter völkerrechtlichen Gesichtspunkten gehören diese Ge'

24 25
biete nach wie vor zum besegten Deutseihland rind zurn L'nanneffend sinil il,ie Bernerlt'ungen Don Abend'roth'
Geltungsbereich des Besagungsre&tes. Einseitige Teil- \!= 1947, Seite 75, nach d'enen ,die Souaeränität
annektionen deutscher Gebiete rentbehren der völker- frber die Stad't Königsberg uiil ilas benachbarte Ge'
rechtlitihen Wirksamkeit. Die Potstlamer Konferenz hat biet unmittelbar auf die [Jnion der Souienepublihen
keine endgültigen territorialen Verfügungen getroffen, ikrtragen" u)orilen sei. Irrig sinil ilah'er audt' die
Sie hat die Gebiete östliü der Oder unil Neiße der ffiaßfolgerungen, ilie aus iler behdupteten Redt'ts'
Verwaltung des polnischen Staates unterstellt, zugleir:h güln:gkeit die ser G ebießüb erta gurl g ilen U nier gang
. jedoch festgestellt, ,,daß die endgültige Bestirnmung der
D antsdianils als V ölhen edr't ssubi eht ablei ten' Solche
polnischen Westgrenze bis zdr Friedenskonferenz vdr- -lrgumentation zäumt ilas Pleril beim Sdtwanze aut'
t*gt werden muß" (IX). Die Konferenzhat sich weiter- Hinsiütli& des Saargebietps sind bisher keinerlei Ver'
hin ,,im Prinzip mit dem Vorschlag der Sowjetregierirng fügungen oder Vereinbarungen von yölkerrechtlicher
einverstanden erklärt, die Stadt Königsberg und derr firksamkeit zustandö. gekommen. Sürile es nur wirt'
anliegenden Bezirk. .. an die Sowjetunion zu über- s&aftlid an Frankreich angesdrlossen, so bliebe es
gebenoo.Auch damit sollte keine enilgültige Verfügung ein Teil Deutschlands und der Geltung
$,tmt:re&tli&
getroffen sein. Vielmehr fügten der Präsident tler Ver.
dt+ Ee:agungsrechtes prinzipiell unterworfen'
.einigten Staatcn. und der britisdle Premierminister die PrrEtL.& rrird unter den gegebenen Umständen nidrt
ausdrückliche Erklärung hinzu, ,,daß sie bei der künf- d:rzn za denken sein, die polnisch verwalteten Gebiete,
tigen Regelung des Friedens diesen Vorschlag der Kon- d,ea Bezirk von I(önigsberg oder das Saarge.$iet in ein
ferenz unterstügen werdeo" (VI):
Bcs:gungsabkommen odör Besagungsstatut einzubezie-
Der amerihanisdte.Außenrninister Byrnes hat in seiner
hen- fn den beiden ersteren Fällen wäre das infolge
Stuttgarter Erklürung, aom 6. Septernber 7946 betont, der nahezu vollständigen Airstreibung und Dezimierung
ilaß iliese Gebiete ,,aorlöufig.iler Soujet-Union und, der deutsüen Bevölkerung auch weitgehenil gegen'
Polen zugewi.esetu'owurden. Hinsichtlich iles iler So- strndslos.
ujet'U,nion übergebenen Gebietes oon Königsberg höt-
ten sieh die Staatsmänner in Potsd,am ilahin geeinigt,
ilen sowj etischen'lVor schldg zur enil güIti gen ü b erta- [l. tr oraussetzungen und Formen einer Festlegung
gung d.ieses Bezirks bei ilen Friedensaerhanillungen
deb Besatzungsrechtes
-zu.unterstügen. Hinsidttlich iler unter polnisdre
Ver-
u)ahung gestelhen Gebiete hätten sie sich nicht d.ar- 7. Ist eine Fixierung ü6erhaupt möglich?
über geeinigt, ilie Abtretwng irgendeines bestimtnten
Gebietes zu unterstüg,en: ,,Die Vereinigten Staaten
' Arä ron deutsdrer Seite sinil Einwänile gegen ilie Be'
uerden eine Reoision ilieier Grenzen zugunsten Po.
s rehungen zur Fixierung des Besagungsrechtes erhoben
lens unterstüg,en; iler atnfung iles an Polen abzutre. rorden. Sie sinil mit redrtstheoretischen sowohl wie mit
tenden Gebietes kann jeiloeh erst entsdtied,en tnerdeno pra-ktisäen Erwägungen begründet worden.
usenn d.as enilgühige getoffen
Abhommen ilarüber [nter re&tstheoretisdren Gebichtspunkten etwa wird
utorden isi."
bchauptet, das erste Stadiud der alliierten lirtervenition

26 27
trage den Charakter einer kommissarisdren, nur durch
mrerteE:rri&tnng. und die kommissarische Diktatur wirtl
das Interventionsprogramm begrenzten Diktatur der
i:mü* rt,ü,tt==taatli&e Entwicklun g einbezo gen'")
Okkupationsmächte, die ,,erst vom Augenblick der von
Dr,S ar ei,nen ras&en Frieden nodr immer nidrt zu den'
ihnen festgestellten Friedensreife an in den zweiten
hnn :+l- du-rfte na& einer dreijährigen bitteren Erfah'
Absdrnitt vertraglidrer Friedensregelung und souveräner
rmu au-ü,qrZt-eifel stehen' Vieso eine Fixierung des
Durchführung des gesdrlossenen Vertrages übergehenoo
Dcsntul:ire&tes zur souveränen Diktatur oder zu einern
könne. Einq kommissaiische Diktatur aber ltenne keine
Zrult-tl'X pc,liti=&er Annektion führen soll, ist nicht er'
redrtsstaatlichen Kompete nzabgrenzttngen mit Rechts-
dÄtr:Ä. Etrensowenig leudrtet es ein, ilaß mit dem
titeln, Redrtsmitteln u. dgl.; das widerspreche ihrep
hterrentionsprogramm ,raudr in diesem ersten Stadiurn
Ifiesen. Ihre Verfassung sei bestimmt durch Anlaß und ausgeschlos'
ria =&ranhenloser Besagungsabsolutismus
Ziel, durch den Inhalt des Commissoriums. Das in den wodurch er ausgeschlossen
s*n- :ei tseite 207, N. f B);
veröffentlichten Konferenzprotokollen niedergelegte ;e:r :onn.r^-enn die Okkupationsmächte im Ilinblick auf
fnterventionsprogramm sei die ausreichende und erfor-
,ri:+ S,ürsnlien des Völkerrechts legibus solutus und nur
derliche Salung dieser Phase. Nur wer nidht an raschen
rl ije 4i=kretionäre Verfolgung ih(er Interventionsziele
Frieden denke, könne mehr fordern. Er verwandle da-
g'ril,nu-rCen:ind. bleibt unklar.
mit ipso facto die kommissarische in eine souveräne Dik-
Socnext,ilie Besegung über den Abschluß eines Friedens-
tatur, in einen Zustand politisdrer Annektion. Ein Be_
e*iLr{s hilaus andauern wird, wird ein fixiertes Be-
sflbungsstatut sei nur dann erforderlich und angemes_
rrym-sr-re,it - sei es als Bestandteil des FEi€densver'
sen, wenn der Friedensvertrag uns eine Iangfristige
trarse,{- +i es als besonderer Vertrag in der Art des
Dauerbesegung auferlegen sollte; es sei dann Teil die-
theislaadabkommens von 1919 - auch dann nodr not'
ses Vertrages. (So Steiniger, Das Besalungsstatut. NJ.,
rr'eudig sein. Damit ist jedoch in keiner Veise die Not.
1947, Seite 206f ,)
weniligkeit und Zwed<mäßigkeit einer alsbaldigen, de4
Diese Argumente haben keine überzeugungskraft. Es
Fri+denss&luß nicht abwartenden Formulierung des Be'
sollte unnötig sein, die methodische Unzulässigkeit des ß,rt,E.Eg:ireätesin Frage gestellt.
6egriffsjuristischen Zirkelschlusses auseinanderzuseBen,
B.r,1tut=amer sind die praktisdren Einwände, die gegen
die in der nicht näher geredrtfertigten Anwendung des
et:e j-:rnulierte Festlegung des Besagungsiechtes er'
Begriffes ,,kommissarische Diktaturoo auf die gegenwär-
h'oi:.e' o*erden. Sie berufen sida daraufo daß die poli-
tige Besagungsphase und der Ableitung rechtlicher
tiErie Entt-idilung in rasdrem Flusse sei, daß in vielen
Schlußfolgerungen au! diesem Begriff liegt. Darüber
gyll,,ilegtnden Fragen der Besagungspolitik scihonmehr'
hinaus aber wäre zu bemerken, daß es keineswegs im
{rdr es,tlcheidende Wendungen eingetreten seien - etwa
IMesen der kommissarischen Diktatur liegt - wenn man
io d+r Reparationsfrage -, und daß eine vorzeitige Fest-
diesen Begriff einnlal im Sinne seines Schörrfers ver-
lirg:ur--snur Elemmnisse gegenüber einer rasdlen Anpas'
wenden will -, daß sie ieder rechtli&eo Begrenzurrg
*ng der Besagungspraxis an günstige Entwid<lungs'
unzugänglich wäre. (Carl Schmitt, Die Diktatur. 2. Aufl. sÜDE!.entes&affen würde,
1928, Seite 239: ,,Seit der französischenRevolution enr-
E+ hqnn nidrt die Äufgahe dieser Untersuchung sein,
steht .,. der Belagerungszusta[d als redttlidr organi.
"i** Ge*-i&t sol&er Einwände abzuschägen.Sie müssen

28 29
\'

legtli& von den verahtwortiichen politischen fnstanzen. gung aller Beteiligten über den Schug und ilie Gewähr-
ents&ieden werden. Es sollte jedoch ni&t verhannt wer- leistung der grrrnillegenden Mensdrenreehte der Bevöl-
den, daß es sich bei der Regelung des.Eesagungsrechtes hernng anzustreben, als sich um eine Abgrenzung der
ni&t ui,n materielle Entscheidungen über das politische f,ompetenzen von Kqntrollrat,'Zonenbefehlshpbern und
Sdrid<sal Deutschlands, über die [Iöhe der Reparations- deuts&en Behörtlen zu bemühen. Auf der anderen Seite
leistungenund Besagungskostenoder über die Festsegung man nicht übersehen dürfen, ilaß bei einer Auf-
"*-iril
des Industrieniveaus handelt. Es geht vielmehr um ele- splitterung der vielen regelungsbedürftigen Einzelfragen
mentare Rechtsschug- und Verfahrensgrundsäge, die so d-ieYerhantllungsbereitschaft alldr Patteien rasch erlah-
lange von Be.deutung sein werden, wie die Besagung an- men und alrrt"h di" ersten Teilergebnisse verbiaudrt sein
dauett, Grundsäge, die weitmasdrig genug sind, um jeder-. könnte.
zeit.durdr spezielle Normen ergäizt werden zu können f,'ür die Zwe&e der vorliegenden Untersuchung kann
und die ihrem Wesen nach einen Mindeststandard für davon ausgegangenwerden, daß-eine systematisdre Ge'
die Behandlung der beseglen Gebiete darstellen, der -.amtkonzeption des Besagungsrechtes in beiden Fällen
seiner redrtli&en Struktur nadr nur eine Grenze naü edorderlich ist. Gerade auch im Falle schrittweiser Ein'
unten, nicht aber nach oben bildet. Es ist noch niemand relregelungen wäre es unumgänglidr, den Gesamtkom'
auf den Gedanken gekommen, etwa in der verfassungs- pler des Besagungsrechtes systematis& zu durchdenken
mäßig gewährleisteten Koalitionsfreiheit oder in ähn. rnd den inneren Zusammenhang der Einzelprobleme
lidren sozialen Grundrechten der Verfassungsurkunden miteinander re&tzeitig zu erkennen. €
ein Entwicklungshindernis im.,Hirrblid< auf eine Ver- !,6,r-eit daher im folgenden konkrete Vorsehläge für ilen
besserung der Rechtsprisition der Arbeiter oder Ange- Aufbau eines formulierten Besagungsrechtes gemacht
stellten in der Sozialordnung zu sehen. Ebensowenig verden, wollen iliese nicht unbedi#gt als ein Gesamt-
braucht eine soldre Wirkung- von der Festlegung und proglamm verstanden werden, daq nur in toto angenom'
Formulierung der elembntaren Grundsäge des Besat- uren oder abgelehnt werden könnte. Vielmehr würden
zungsredrtis besorgt zu werden. diese Yorschläge nadr Ansicht des Verfassers ihren Zwe&
roTlauf erfüllt haben, wenn sie zur l(lärung der zu ver-
folgenden großen Linie beitrügen und im Einzelfall als
2. Kodifihation oder Einzelre gelun g?
-4-nregungenfür die Regelung konkreter Teilfragen die'
nen r-ärden.
In einem gewissen Zridammenhang damit stebt die ['rage,
ob eine umfassende Kodifikation des Besa!üngsredrtes
im Bereiche des Möglichen liegt oder ob es erfolgver- 3. G esamtd.eutsdte oder Z onen'Regelung?
spiechender ist, sdrrittweise begrenzte Einzelregelungen
auf bestimmten Gebieten anzustreben, Dent:&lantl steht, wie eingangsfestgestellt, unter einem
Auch in dieser Frage ist das lelte Vort Sache der auf BesaSungsregime, das rechtli& eine Einheit bildet. Die
Zwed<mäßigkeitsabwägungen beruhenden politisdren Grurdsäge des BesaSungsrechtes finden g'leichermaßen
Entscheidung. Es ist gewiß aussichtsreidrer, eine Eini- eu.f alle Zonen Anwendung. Es gibt keine BesaEungs'

30 3l
zone, die nadr den grundlegenden Proklamationen und Drutschlanil verhpngnisvollen Konsequenzen einer sol-
Abbommen der Alliierten, insbesonderenadr dem Pote- ihen Entwid<lung besteht bei allen verantwortlich Den'
damer Abkommen, besonderen Grundsägen der Be- ktnden Einigkeit. Yielfaih besteht jedoch die Neigung'
handlung unterworfen wäre. ,ire.e Entwicklungsmöglichkeit bereits als vollendete
An diesem einheitlichen Redrtsdrarakter des Besagungs- Tatsacheanzusehen,vom Boden dieser VorausseBungen
regimes sollte unter allen Umständen festgehalten wer- :ras zu denken und to make the best of it'
den, wenn auch die Pr'axis der Besagungsmächte in den L,.mgegenüber kann nicht nachdrücklich genug daranf
einzelnen Zonen und die von ihnen befolgten Aus- hrnsewiesen werden, daß trog der unverkennbaren,
legungsgrundsäge unterschiedlich sein mögen. r'i-Benden Gewalt einer solchen Entwicklung ,Jer Zeit-
Die Festlegung und Formulierung des Besagungsredrtes l unkt noch nicht örreicht ist, in dem es erlaubt wäre,
sollte daher einheitlich für alle Zonen erfolgen und lon Zusammenbruch der Viermächtepolitik und ddn
demgemäß von allen vier Besagungsmächtenausgehen, Zerfall der Velt in eine östliche und eine westliche
Nur unter dieser Voraussegung kann das verbliebene Hälfte als unwiderruflich vollendete Tatsadre hinzu'
Rumpf-Deutschland iliesseits der Oiler-Neiße-Linie ein r:ehmen. Solange sowohl von ämerikanischer wie von
einheitlidres Rechtsgebiet bleiben. Würde man in jeder rr'rssischerSeite mit größter Sorgfalt vermieden wird,
Zone zr einer"Sonderregelung sc{rreiten,so müßte das Ents&eidungen zu treffen, die den Chatakter eines end'
notwendigerweise den weiteren Zefiall des Zusammen- r-riltigen Bruches tragen? solange von beiden Seiten
hangs der Zonen und Länder zur Folge haben. Nicht inmer wieder Versuche unternommen werdenr.den Fa-
nur die deutsche Rechtseinheit, sondern auch die Virt. Jen der Verhandlungen wieder aufzunehmen und fort-
schaftseinheit würde auf das empfindlichste getroffen nu.pinnen, solange wird es zumal keindm deutschen
werden. Die Frage der künftigen staatlichen Einheit Folitiker erlaubt sein, den Bruch als endgültig voll-
Deutschlands könnte durch solihe -Einzonen-Regelungen - : - r e na n z u s e h e n ,
verhängnisvoll präjudiziert werden, il:iolgedessen werden auch alle Überlegungen zu den
Nur eine Gesamtlösung auf Vierzonen-Basis könnte ins- Frr,blemen des Besagungsrechtesvon der Existenz des
besondere die dringliche F r age d.erZts tändigkeitsab gren- rentralen KontrollSystems auf Viermächtebasisund von
zung der obersten Besagungsbehörden im Yerhältnis zu- l.r Terbincllichkeit des PotsdamerAbkommens ausgehen
einander und zu den deutschen Behörden klären. Stel- ::Lijssen.Nur im Sinne einer Evenxualerwägung, deren
'Weise
lung und Befugnisse iles I(.ontrollrates könnten nur auf -{stualisierung in keiner wünschbar und die nach
solcher Gmndlage geregelt werden. Jede auf eine, zwei ::.=ten Kräften zu verhüten ist, darf die Situation ins
oder drei Zonen beschränkte Lösung bliebe lückenhaft -d,;re gefaßt werden, die sich im Falle eines Zusammen-
und müßte entscheidende organisa;orische Fragen des Lr:,}s der Viermächtekontrolle ergeben würden.
BesaEungsredrtesoffen lassen, Für das Besagungsrechtwäre in diesem Falle eine Drei-
Man kann gewiß im gegenwärtigen Augenblidi eine r-renregelung fiir Westdeutschland die zu erstrebende
solche Schlußfolgerung nicht mehr aussprechen, ohne L -.ung. Es läßt sich nicht vorhersagen, ob die westlichen
die Möglichkeit eines allgemeinen Zusamrnenbruchs der E,;.agungsmächtein einem solchen Falle im Verhältnis
Yiermächtepolitik ins Auge zu fassen. Über die für rroinander an der Geltune des Potsdamer Abkommens

32 33
festhalten würden. Formalredrtlich stünde döm nichts deutsäer Seite anzustrebende I.ösung müßte in diesem
entgegen, ila ein Kollektivveitrag durdh das Ausscheiden Falle ei-lre Dreizonenregelung sein, wobei davon auszu-
eines. Vertra*gspartners für das Verhältnis der übrigen rehen wäre, daß die in Jalta und Potsdam formulierten
Partner zueinander nicht hinfällig zu werden braudrt. Be.agungsziele heine Andärung erfahren, es sei denn im
Doch ist das Pdtsdamer Abkommen mit dem sclrwerwie- ! nns sinss dbbaus und einer Einschränhung dieser Ziele.
genden Mangel behaftet, ilaß eine dei weötlichen Be- Amszugehenwäre weiterhin von 'der Voraussegung, daß
sabungsmächte, nämlich Frankreich, ihm nieryals for- üie x-estlichen Besagun.gsmädhteauch für Vestdeirtsch-
mell beigetreten ist. Auch ein Rückgriff auf weiter zu- land an dem Gedanken eines gemeinsämen zentralen--
rückliegende Vereinbarungen, insbesondere auf die Be- Kontrollsystems festhalten. Als oberstes Organ dieses
schlüsse von Jalta vom Februar \945, könnte diesem f,ontrollsysterns käme entweder ein aus den drei Obert
Marigel nidrt abhelfen, da Frankreich auch an ihnen hefehlshabern bestehender Rumpfkontrdllrat in Betracht,
nicht beteiligt war. riern für den westdeutschen Bereich die Kompetelazert z:u-
Einige für das Besagungsrecht weäentliche Grundent- frelen. die nach der Erklärung vom 5. Juni 1945 auf den
scheidungen der B.eschlüssevonJalta und Potsdam, näm- B,erliner Yiermächte-Kontrollrat für Gesamtdeutschland
qlich die Entscheidung zugunsten der ddutsöhen Virt- ü-hertragen worden .sind, oder aber ein neues. gemein-
schaftseinheit während der Besagungszeit und die Prä- snnes Kontrollorgan, das.im Falle einer westdeutschen,
zisierung dbr Besagungsziele -. damit zugleich ihre Be: Zonenrerschmelzung aus der- Frankfurter Zweizonen-
grenzuiig (Entmilitarisierung, - .ero-altung oder doch nach ihrem Vorbild eStwidcelt
Entnazifizi.efung, Demo-
-
kratisierung, Reparationen rrs'w.) würden beim Hinfall u*rden könnte. ;
-:'dieeer,Yereiribärungenauch im Verhältnis der westlidren Pcrtitulare Regelungen des Besagungsrechtes für ein-
Alliierten zueinander ihrer formellen Grundlage beraubt. relne Zone., müßten dagegen vermiöden werden. Sie
Yon deutscher Seite wird we,nig dazu getan werden hätten notwendigerweide eineri weiteren Zerfall auch
,können, die Gültigkeit dieser Yereinbarungen aufrecht- dr: deutschen Westens zur Folge. Jede deutsche Lan-
zuerhalten. lmmerhin ist es nictrt unwichtig, sich zu d+*egierung sollte sich darüber Reihenschaft ablegen,
vergegenwärtigen; daß deutscherseits ein gewisses Inter- d.rE die verfassungsrechtlichen Nachteile einer Einzonen-
egsean ihrem Fortbestand gegeben ist, jetlenfalls soweit r*relung sdrwerer ins Gewidrt fallen könnten als die
die eben erwähnten Entscheidungen in Frage kommen. Torteile, die unter Umständen ilamit erkauft werden
'Die verhängnisvoilsten Entscheidungen von Potsdam Lönnten.
und Jalta sind vollzogene Tatsachein,an denön in abseh-
'
barcr Zeit nichts zu ändern ist. Um so rqesentlicher wärb 4. Tereinbarung oder Statut?
es, die vom deutschen Standpunkt aus günstigen Ent- -
qcheidungen dieser Beschlüsse am Leben zu erhalten. In Fiin Bs5sgungsrecht, das die im besegten Deutschland
weldrer Form daä geschehen könnte, ist eine politische hc-*tehende Rechtslage zu. fixieren und zu 3pezialisieren
Frage, die hier nicht beantwortet werden kann. h,aitte.könnte vom völkerredrtlichen Standpunkt aus ge-
Zusarh.menfassend bleibt für den Fall des Zusammen. ;*,hen prinzipiell nur durch eineVeröinbarung zwischen
bruchs der Viermächtepolitik festzirstellen: die von drn Besagungsmächten auf der einen Seite, ,gewissen

34 35
I
I
t
I -l

I'

r.
I
vertretnngsbere.:htigten deutscher- Ötganen -auf der an- *rmer -{-bkommen umschrieben sind. Soweit ihre Ent'
E
r-"
deren Seite entwickelt ,werden, nicht dagegen durdr
ein von den Besagungsmächterr einseitig oktroyiertes
n&eidungen demgemäß auf völkerrechtlicher Grunillage
üerohen" wurzelt diese Redrtsbasis dodr eben nicht in
f:
Fi'' Statut. der rertraglichen Übereinkunft, sondern in den erwähn-
{,. Ein solches Besagungsrecht enthielte gegenüber dem ten Sägen des allgemeinen' Völkerreüts. Es ist von
System des allgemeinen Völkerrechts ein spezielleres .Unterschiecl
rrunrlle gender Vidrtigkeit, diesen im Auge
Normengefüge sogenannten,,partikularen'o Völkerredtts ru behalten, Denn er hax z:ur Folge, daß die Potsdamer
(Sondervölkerreehts).'Wie das allgemeine Völkerrecht Signatare über ihre Befugnisse im beseSten Deutschland
auf -der gemeinsamen Rechtsüberzeugung (der ,,con- rliÄt nach freiem Ermessen verfügen konnterl, ilaß sie
scienbe publique") aller der -Völkerrechtsgemeinschaft -ietrmehr darauf beschränkt- waren, die Ziele ihrer Poli'
angehörigen zivilisierten Staaten und auf Verträgen Zwi- tih in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grund-
sdren ihnen (oder ihrer ganz überwiegenden Mehrzahl: säBen des Völkerrechti festzusegen und solche Redrts-
Grundsag der Quasi-Unanimität) beiuht, so kann parti- formen &är Besegung zu wählen, die nach allgemeinem
kulares Völkerrecht nur durch die gemeinsame Re&ts- I-ölkerrecht zulässig sind.
überzeugung oder durdr die vertragliche Übereinkunft
-{,as dieser Rechtslage {o1gt weiterhin, daß ilie Besat'
innerhalli eines e-ngeren Kreises von Staaten gebildet
rungsmächte rechtlich,nicht in der Lage sind,'über deri
werden, wobei alle, die es angeht, an dieser rechtsbil- rom allgemeinen Völkerredrt gebotenen Rahmen hin'
denilen Überzeugung oder an den rechtskonstitutiven aus einseitig die Spezialisierung unil Konkretisierung
Verträgen teilnehmen müssen (p,pacta tertiis nec nocent -'
des BesaSungsrechtesvbn sich aus zu regeln'
nec prosuhto'). Insbesondeie muß derjenige, zn dessen
Die aon R, Laui, Die Haager Lanilhriegsordnung,
Lasten solches Sondervölkerrecht geschaffen wird, seiner
2. Aufl. 1.947,Seite 60 ff., uertretene, in der deutschen
Bildung zugestimmt haben.
Lit er atur üb er wie gen d abg elehnt e T he se, D eu t schland
Die bisher einseitig von den Bebagungsmächten getrof-
sei einem durch ilie Allüerten uertraglidt' aereinbar'
fenen Entscheidungen, inshesondere auch das Potsdamer
ten Sondet, und AusnahmeaöIkerre&'t unterstellt wor'
Abkom.men vom 2. Augüst 1945, haben kein DCutsch- deri, ist in ihrer Absicht lanscheinen'd uielfadt rniß-
land.gegenüber wirksa*es Sondervölkerredrt erzeugen
rerstandei worden. Auch wenn man bemüht ist, diese
können. Sie sinil ihm gegenüber res inter alios acta, Absicht richtig zu uürd.igen, bleibi sie allerdings be'
Vereinbarungen, die nur die Signatare untereinander denklidt. Sie aerdecht,'ilaß die Potsdamer Entschei'
binden. Damit ist nidrt gesagt, daß die dort getroff,enen dungen ihre Rech,tsgrund'Iage nicht in einer uertrag'
Entscheidungen voin deutschen Standpun-kt aus gesehen
lichen Übereinhunft, sondern ntir in allgerneinen Sögen
jeder vö{<erree\tlichen Grundlage entbehrten und bloße
desV ölkerrech.ts fi,nden kötunen.Soueit siedurdt,solehe
Machtsprüehe seien. Es wird noch eingehender zu unter- 'gedecht
Säge nicht sind, entbehren sie Deutschland
suchen qein, wie,weit die Sieger auf Grund allgemeiner gegenüb ör der Rechtsaerbindlidtkeit.'W ür e eine Sieger'
Rechtssäge und Verfahrensregeln des Völkerredrts br- gruppe befugt, den ,Besiegten durch einseitige Ent'
mächtigt waren, solche Ziele ddr Besegung zu verfolgen sch.eidungeinem nadt' lreiem Ermessen gestalteten Aus'
unil sidr soldrer Formen zu bedienen" wie sie im Pots-
nahm,eredr'tzu unterwerten, so wöre das d'dsEnde d'es

36 37
Völherrechts, und, es hätte keinen Sinn, diesen Tat- üeltsicherheitsrat lahmlegen. Sowdit Deutsdrlanil als
bestand mit d,em Ausilruch ,,SonderuöIk.errechtoozu \-rrtragspartner mitr4tirken müßte, fiele tler Mangel eines
:-ör z anz Deutsdrlantl vertretungsb eredltigten Ahs chluß-
beschönigen,
Ein von den Okkupationsmächten einseitig erlassönes ,.rsans ins Gewic,ht.
Besagungsstatutkönnte daher Ieiliglich das ohnehin gel- :ollte sich'der Weg eines Besagungsabkommensinfolge
tende allgemeine Yölkerrecht wiederholen und hätte in- lie=er Schwierigkeiten vorerst als ungangbar erweisen,
soweit nur deklaratorisdre Bedeutung. Dagegen könnte ::-, l-äre tro! der oben erwähnten, vom Rechtsstand-
es das geltende allgemeine Yölkerrecht weder authen- p,unkt geltend zu machenden Vorbehalte der Weg iles
tisch interpretieren, noch spezialisieren, noch modifizie- ei-n.eitig erlassenenBesalungsstatuts nicht von der f[and
ren, erst recht aber nidrt aufheben oder ergänzen. Für rrn weisen. Die Schwierigkeiten der internen Einigung der
das beseSteLand und seine Bevölkerung hätte es keine Besagungsmächteuntereinander würden allerdings auch
-rechtlich bindende lGaft. Es könnte die durdr das all- -:r diesem Falle auftauchen, doch dürften sie geringer
gemeine Völkerrecht gewährten Redrte nicht entziehen, ,ein. als im Falle der Verhandlung über ein Besagungs-
beschränken oder abändern und könnte keine Pflichten at,kommen. Die Frage eines zum Vertragsschluß legiti
statutieren, die im allgemeinen Völkerrecht nicht vor- lderten Organs der deutschen Seite würde in diesem
geschriebensind, Lediglich ein Besagungsstatut,das der Falle nicht auftauchen' Die Meinungsversdriedenheiten
Bevölkerung und den Behörden des besegten Landes ier ]Iächte über gewisse damit zusammenhängende Fra'
eine günstigere Rechtsstellung einräumen würde, als sie :on der Einheit Deutschlands und seiner politischen
vom allgemeinen Völkerrecht vörgesdrrielen ist, könnte -dktionsfähigkeit brauchten in diesem Falle ke?n Hin'
völkerrechtliche Virksamkeit haben. Doch scheidet die- Jernis für eine Fixierung des Besagungsrechtes zu sein'
ser hypothetische Fall den gegebenen Umständen nach F= ließe sidr vorstellen, daß audr in diesem Falle die
aus. fn der gegenwärtigen deutschen Situation wären Itutsche Seite wenigstens gehört und gewisse Vor-
vielmehr Modifi kationen belastender Art unvermeiilli-"h. .Äläge und Anregungen berücksichtigt würtlen'
Aus diesem Grunde könnte eine Fixierung des Besat- Die Vorteile, die ein einseitig oktroyiertes Besagungs-
zungsrechtes, die für alle Beteiligten bindende Rechts- =tatut im Vergleidh zum gegenwärtigen, weitgehend un'
wirksamkeit hätte, nur in der Form eines Besagungs- ieregelten Zustand bieten würde, wären immer noch
abhomrnens eifolgen, dem Deutschland als vertraa- leträchtlich genug' um auch deutscherseitsGegenstand
schließender Teil zustimmen würde. :rn:tlicher Bemühungen sein zu sollen. Auch ein Be-
Die Schwierigkeiten, die einer I(odifikation des Besat- iagungsstatut, durch das sich die Okkupationsmächte
zungsrechts in der Form eines Abkommens zwischen den ,:llst redrtliche Bindungen auferlegen - mögen diese
Okkupationsmächten und Deutschland entgegenstehen, E-ndungen auch im einzelnen dem Mintleststandard des
sind natuigemäß beträdrtlidr. Soweit die Besagungs- i-l:emeinen Völkerrechts noch niiht genügen -, könnte
mächte gesamthänderisch damit befaßt werden rnüßten. r:f das öffentliche Leben und auf das Verhältnis zwi'
:üen Besagungsbehörden unil Bevölkerung in Deutsch'
stünden ihrer Einigung untereinander alle jene Gegen- 'Wirkung
-ard eine wohltätige und klärenile üben' Auch
säge und Spannungen efltgegen, die seit geraumer Zeit
den Kontrollrat, die Außenrninisterkonferenzen und den ein Besagungsre&t, das deutscherseits inhaltlich noch

39
38
nicht als vollbefliedigend erachtet werden kann, und 5, Die Partner eines Besagungsab]totnrnens
demgegenüber redrtliche Vorbehalte aufrechterhalten
werden müssen, ist der gegenwärtigen Lage vorzuzie- Felches auf alliierter Seite ilie Partner eines Besat'
hen, die im deutschen Volke in wachsendem Maße das r,rnesabkommeni sein müssen, ist durch die vorher-
beunruhigende Gefühl aufkommen Iäßt, rechtlos zu =.henden Erörterungen bereits klargestellt worden; es
sein. ," ären die vier Besagungsmächte,vertreten durch ihre
Vorauf es vor allen Dingen ankommt, ist eine klare -{ußenminister oder den l(ontrollrat. (Über die Not-
Abgrenzung der Zuständigkeiten und Verantwortlich- li.ung eines evtl, mit den drei westlichen Besagungs'
keiten und die Errichtung eines wirksamen Rechtsschug- mä&ten zu schließenden Dreizonenabkommens ist be-
systems, das in geordneten Verfahren die Möglichkeit reits unter II,3 das Erforderliche gesagt worden.)
bietet, die durch das Völkerrecht legitimierxen unyer- Für alie deutsche Seite käme, solange es eine deutsche
meidlichen Eingriffe in die Redrtssphäre des einzelnen Zentralregierung nicht gibt, nur die Gesamtheit der deut-
Deutsdren und der deutschen Behörilen von rechtlich .,äen LandesregierungenalsVertra gspartner irr Beträcht.
nicht geded<ten Übergriffen zu unterscheiden und Fehl- Diese hätte dabei nicht nur für die einzelnen Länder,
griffe in einer Atmosphäre sachlicher Erörterunge:n zu .ondern zugleich als Kollektivorgan treuhänderisch für
überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Diesen die noch fehlende deutscheZentralregierung aufzutreten
Dienst könnte notfalls auch ein einseitie erlassenesBe- rundzu handeln.
saBungsstatut leisten. I'gl. hierzu die Gesichtspunhteo die Schäqel tn sein'er
Bei den folgenden Überlegungen wird grundsäglich da- (Jntersuchung ,,Wer' uertritt die deutsche Seite beim
von ausgegangen,daß die Form des Besagungsabkom- Friedensschluß?", DRZ.1947, Seite 69 ft., enu'oichch
mens die erstrebenswertesteLösung wäre, daß zum min- hat, Die besonderbn Erf ordernisse, d'ie d,ort im Hin"
desten ein Verhandlungsanspruch mit diesem Ziele blich aul ilie Tragweite d,er im Friedensuertag zu
angemeldet werden sollte. Die für diesen Fall zu ent- regelndery Fragen lormuliert uterdbn, spielen für tlen
rvickelnden inhaltlichen Vorschlägekönnten jedoch beim Abschluß des Besasungsabhommens ltei,ne Rolle. Die'
ses ist seinern Wesen nadt, nur ein moilus uiaendi.
Scheitern der Verwirklichung dieses Anspruches auch als
Für den Fall der Notlösung in Form eines Dreizonen'
Vorschläge für den Inhalt eines Besagungsstatuts ver.
abkommens (siehe oben II,3) kämen demgemäß nur die
wertet werden.
rrestdeutsdrenLandesregieningen in Frage.
Beid,e Wege sinil mit geLoissen Vor- und Nachteilen
So'rteit das Besagungsabkommen die einzelnen Länder
aerknäpt't, Würde iler'Weg des Besag,ungsstututsbe-
als solche verpflichtet, müßte es nach Maßgabe der je-
sdtritten, so braudtte man aul ileupSeherSeite nicht
weiligen Verfassungsbestimmungendurch die Landtage
zu befürchten, geuisse Dntscheidungen unter' dem
,ler Länder ratifiziert we-rden'
Druck der heutigen Notlage d,urcJrein.e quasi-freiwil-
' -{usgeschlossenwäre dagegen die Mögliihkeit, daß der
lige Zustimnlu.ng zu sanhtionieren, d.ic lür die Zu- Kontrollrat oder die Gesamtheit der alliierten Regie-
hunft Deutschland.s aerhöngnisuoll odet, gar rlnerfiäg- rungen als vertragschließendes Organ der deutschen
lich wären, 'Wenngleich
Seite aufträten. ilie Besaggngsmächte nach

40 4L
der Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 die deutsche
1: ,fieserBestimmung wird festgestellt, daß die in jenem
Staatsgewalt mit allen Befugnissen der obersten Staats-
L :kument beurkundete militärische I(apitulation,,with-
organe übernommen haben, so könne4 sie doch in die-
:rt prejudice'o sei und für Deutschland als Ganzes er-
sem Falle keinen Gebrauch von diesen Befugnissen ma-
rttt rrerden solle: ,,by any general instrumenl of sur'
chen. Denn wie auch immer die Stellung des Kontroll-
:=r'der imposed by or on behalf of the Uniteil Nations'oo
rats rechtlidr zt qaalifi,zieren sein mag (darüber unten F:'llte man hieraus eine Zuständigkeit der heutigen
III, 3, c=e) - er ist jedenfalls immer auch zugleich Re- Teltsicherheitsorganisation zum Erlaß eines Besagungs'
präsentant der Besagungsmächteund Yertreter ihrer
!-iatuts für Deutschland herleiten, wie es Zinn versucht,
Interessen. Wollte er Deutschland beim Abschluß eines
.: rrürde eine solcheDeduktion sowohl auf alliierterwie
Besagungsabkommensyertreteil, so wäre das ein Fall
;,Lri deütscher Seite auf Einwänile stoßen, ilie nicht leicht
wegen offenbarer Interessenkollission unzulässigen Kon-
ru entkräften sind. Von alliierter Seite wirtl eingewandt
trahierens mit sich selbst. (Diesen GesichtsponL, h"b, ,.erden: wenn in einem Dokument vom B. Mai 1945 von
für den Fall des FriedensschlussesZinn, SJZ.1947, Sp. ll len ..Vereinten Nationenoodie Rede ist, dann ist damit
hervor.)
rr,At die erst im Juni 1945 auf der Konferenz von San
6. Die Zuständigheit zum ErIaß eines Besagungsstatuts Francisco gegründete W'eltsicherheitsorganisation ge-
uleint, sondern vielmehr die Kriegskoalition gegen
Da nadr den Grundsägen des allgemeinen Völkerredrts
Deutschland, die als erste diesen von Roosevelt erfun-
eine materielle Befugnis der Besagungsmädrte zum Er-
ienen Namen trug' Zwischen dieser Kriegsko5rlition und
laß eines für das besegte Land verbindlidren Besagungs-
ier heutigen Weltsidrerheitsorganisation besteht zwar
statuts an sich nicht besteht, kann es auch keine im all-
oin gewisser ideeller Zusammenhang, keineswegs aber
gemeinen Völherrecht begründete formelle Zuständig-
eine juristische Identität oder ein Verhältnis der Rechts'
keit in dieser Hinsicht geben. Auch das im Verhältnis
nachfolge, Der Mitgliederkreis der heutigen UN. ist ein
der Besagungsmächtezueinander gültige Yertragsrecht
hat über den Erlaß eines Besagungsstatutskeine Vor- :anz anderer, und es ist kaum anzunehmen, daß die
s&riften aufzuweisen. Der Erlaß eines Besagungsstatuts liriegführentlen Großmächte im Mai 1945 beabsichtig'
ist daher seinem Vesen nadr keine Ausübung einer völ- Ien. neutrale Staaten an den Entscheidungen über das
keriechtlichen Kompetenz, sondern ein politisdrer Sou- leutsche Besagungsregime zt beteiligen. Daß die ge'
veränitätsakt. Soweit es sidr um ein Vierzonenstatut plante Sicherheitsorganisation den Namen,,Vereinte
handelte, müßtä dieser Akt von allen vier Mächten aus- \ationenoo tragen würde, stand im Mai 1946 noch kei-
gehen. ne:l\'egs fest. Die fragliche Bestimmung bezieht siöh also
Demgegenüber hat jedoch der hessische Justizminister keineswegs auf diese Organisation, sondern vielmehr
Zinn die Auffassung vertreten, aus dem Artikel 4 des auf die Gesamtheit der gegen Deutsihlanal kriegführen-
Act of military suirender vom 8. Mai 1945 sei eine den verbündeten Staaten - so wie auch das Geseg Nr.3
Zuständigkeit der Vereinten Nationen zum Erlaß eines der US-Militärregierung den Ausdruck ,,Vereinte Natio'
'Wenn
Besagungsstatutsherzuleiten. (Zinn, Unconditional sur- nen" definiert. also in tler Kapitulationsurkundö
render. NJur. 1947, Seite 9 f., 13.) saqhliche Zustäniligkeit dieser Art vor'
iiberhaupt
"irr"

42 43
behalten war; dänn hödrstens zu$unsten dieser ,krieg- 5o rrünschenswert es sein mag, daß die heutigen Ver'
führenden Staatenkoalition, rinten Nationen (die UN.) mit der Regelung des deut'
Yon deutscherSeite aber wird bestritten werde.rn,daß r&en Besagungsreütes befaßt würden, so besteht doch
der Artil{el 4 der l(apitulationsurkunde überhaupt eine eine positivredrtlidr begründete Zustäniligkeit in dieser
sachliche Ermächtigung vorbehalte, auf die der Erlaß Hinsi&t niüt.
eiires Besagungsstatuts gestüBt werden könnte. Venn
der Akt vom 8. Mai :1945 lediglich militärische Bedeu-
l. Das Rheinland.abhomm.ön aon 1979 als Moitelt?
tung hatte und nadr der Vollmacht seiner Signatare und
nach den Umständen gar keine weitergehende Bedeu- -tb Yorbild eines Besagungsabkommens könnte in einem
tung haben konnte, so korinte er auch keine rechtswirk- cerr-issenMaße ilas Rheinlanilabkommen vom 28. Juni
same Ermächtigungsklausel von so hoher politischer 1919 (RGBI. f9f9 S.133? tr.) herangezogen.werden.Je'
Tragweite enrhalten. W'enn die Unterzeichne, t"4igüA doö dürfen einige gr-undlegende Unterschiede zwischen
die Vollmacht besaßen, einen militärischen übergatreakt ,clerpolitischen und rechtlichen.Lage von 1919 und der
zu'vollziehen, so konnten sie auch keiner anderweitigen ron 1945-1948 nieht verkalnt werden,Unterschiede,die
fnstanz weitergehende Befugnisse übertragen. Nemo :idr vor allenr aus der böilingung-slosenKapilulation, der
plus juris transferre potest quam ipse habet. Es ist viel_ totalen BeseSung Deutschlands, dem vollstän'Jigen Zt'
mehr anzunehmen, daß sieh die - inzwischen obsolet +ammenbrud-rder d6utschen Staatsorganisation und dem
gewordene = Klausel auf eine .nähere Regelung der mili- ichuldkonto des vergangenel Rägimes ergebeg
tärischen Kapitulationsbedinguugen be2og. Das Rheinlandabkommen bezog sich nur auf einen be'
.Mosler, Der Einfluß del Rechtsstellung Deutschlanils süränkten Teil des deutsdrerr Staatsgebietes. Die deut'
aul die Kriegnerbrerlrerprozesse:, SJZ.79112,Sp. J64 r&e Staatsgewalt blieb trog innerpolitischer Umwälzun'
!.,
sieht in d,er Berliner Erklärung aom S. Juni l94S dus gen bestehen und vermodrte sic} durch handlungsfähige
im Artiltel 4 der Kapitulationsurhu,nde aorb.ehaltene Regierungsorgäne geltend zu machen. Zweck der Beset-
ugeneral instrument ol surrenderoo. Dern ,t"ht e,nt. r ng war Biirgschaftsleistung für die Ausführung des
gegen, daß d,ie Berliner Erhlärung nicltt Friedensvertrages. Das damalige Besagungsabkommen
,,by or on
rurde nach Absdrluß unö auf der Grundlage des Frie-
densvertrages vdreinbart. Es regelte demnach den Tat'
bestand eine4 occupatio pacifica' (Ygl. im einzelnen
n. Heyland, Die Rechtsstellung der besegten Rhein-
lende. Handb. des Völkerrechts, II. Bd., 7'.Aht. f 923.)
Demgegenübör handelt es sich gegenwärtig darum, das
rnen. Hätte Artikel 4, nie Steiniger annirnmt, ror Abschluß eines Friedensvertrages gültige Besagungs'
o,spd_
. tere politische Regelungenoo aorbehalten wolleno.so redrt zu entwi&eln. Dabei besteht eine wesentliche
hätre er rechtlich heine Bedeutung giehabt. Denn eine S&rrierigkeit darin, daß das Besagungsabkommen ge-
spätere politische Regelung konnte iler Kapitulations- risse Fragen,-die zugleich Gegenstand des Friedensver'
aht g.ar nicht präjudizieren. trages sein müßten, voj$reifenil - wenn auü nur -mit

44 :45
provisorischer Virkung - zu regeln haben würde. Da
IIL Die gegenwärtige Redrts- und Yerfassungslage
solche vorgreifenden und provisorischen Regelungen Deutschlands
r'ölkerrechtlich oft von erheblicher präjudizierender Vir-
kung sind, ist die Verantwortung, weldhe die Landes-
regierungen beim Alischluß eines Besagungsabkommens 1. Die Fragestelht'ng: Besteht Deutschlanil als Staat?
auf sich nehmen, ungemein groß. Das Besagungsabkom- S&on die bisherigen Erwägungen lassen erkennen, daß
men würcle in mancher Hinsicht den Charakter eines die Fragen des Besagungsrechtesnicht unabhängig von
Präliminarfriedens haben. Die Hoffnung, daß jegige tiner eindeutigen Stellungnahme za det Grundfrage
Zugeständnisse im endgültigen Friedensvertrag zurück- racü der gegenwärtigen verfassungs' und völkerrecht'
genommen werden könnten, kann sich leicht als trüge- li&en Lage Deutschlands beantwortet werden können'
iisch brweisen. Auf der anderen Seite könnte durch ein Diese Grundfrage lautet:
Besagungsabkommen, das berechtigten deutsdren Rechts- Besteht noeh ein deutscher Staat äls völkerredrtlidre
ahsprü&en Rechnung trägt, die künftige Friedeusrege- nnd verfassungsrechtliche Einheit - oder ist das Reich
lung in einem günstigen Sinne vorbereitet werden. lurch Kapitulation, Zusammenbruch und anschließende
In einem bestimmten Sinne würde jedenfalls beim Ab- \euordnung untergegangen und in eine Vielheit yon
schluß eines Besagungsabkommensder heute gegebene adrtzehn selbständigen, mehr oder rninder ,souveräneno'
Rechtszustand an den damals unter denr Rheinlandab- Staatswesenzerfallen - oder gibt es gar in Deutschlanil
kommen hemschenden angerlähert : die Besegung Deutsch- .ine autonome Staatlichkeit überhaupt nicht4nehr, son-
lands würde aus einer einseitigen in eine vereinbarte dern nur noch ein System totaler Fremdherisdraft, allen-
Okkupation verwandelt. Als solche wäre sie keinesfalls ;alls mit der Aussicht auf spätere Neubegründung einer
mehr eine ,,occupatio bellica". Bei richtiger Vürdigung . elbständigen staatlichen Ordnung?
der SacJrlagekann sie als solche schon seit dern 8. Mai ,{ngesichts der schledrthin beispiellosen Art, in der sich
bzw. 5. Juni 1945 nicht mehr angesprochen werden. .-lie deutsche Kapitulation, der Zusammenbruch uncl die
(Vgl. unten IV, 1,4.) Sie würde dem Rechtszustandder
hisherige Neuordnung vollzogen haben, hat jeile dieser
occupatio pacifica stärker angenähert, der im vollen '1rei Meinungen in der staats- und völkerrechtlichen Dis-
Sinne allerdings erst mit dem Abschluß des Friedens- 'Wenn
kussion Verfechter gefunden. auc,h dieses viel-
vertrages erreicht ryürde. Das Ziel eines Besagungsab- ',Aichtige Problem hier nicht in seiner vollen wissen-
kommens könnte demnach in diäser Hinsicht geradezu :,äaftlichen Breite erörtert werden kann, so muß doch
dahin definiert werden, daß es die auf der einseitigen in dieser Grundfrage eine klare Stellung eingenommen
Macht der Sieger beruhende (wenn auch auf gewisse o"erden, wenn eine tragfähige Basis für eine rechtliche
völkerrechtliche Titel gestügte) Beselung durch eine auf Fixierulg des Besagungsregimes gewonnen werden
gegenseitigeVereinbarunggegründete Okkupation zu er- r oll.
segen hätte.
Die Beantwortung dieser Frage ist keineswegsvon ,,bloß
theoretischem'o fnteresse.. Sie ist vielmehr im echten
'Weise,
Sinne theoretisch bedeutsam, nämlidi in der daß
alle praktischen Ei4zelfragen legtlich von ihr bestimmt

46 47
und_beherrs&t werdeu. Sie ist im übrigen auch außer- rakter einer debellatid im Sinne des Völkerrechis an.
halb deb eigentlichen Besagungsrechtesvon größter Trag- Preußen war J807 Vollständig zusammengebrochen;aber
weite. Es genügt, daran zu erinnern, daß etwa die Frage r-r trat keine Debellation -ein. Zum objektiven Ztulatn-
der Fortgeltung der völkerredrtlidren Staatsverträge des menlruch muß vielmehr die Existenzaufgabe des Be-
Deutschen Reiches mit auslänilisüen Staaten von ihr. siegten oder die Existenzvernichtung durch den Sieger
abhängig ist. Unter diesem Gesichtspunkt hat sie, aus ai: zusätzliclies subjektives Moment hinzutreten;-damit
sehl praktischen dnlässen, bereits die Judikatur aus- .i& der volle. Tatbestand der debellatio ergibt.
Iändisdrer Gerichte beschäftigt. Staatsuntergang durirh Debellation kann demgemäß ver'
Vgl. die Entscheidung des Obergeridrts des Kantons =&iedeneFormen annefmen:
Züii& uom 7: Dezernber 1945, die si& mit der Frage Erstens. Ist der Ville des Siegers auf Vernichtung der
der Fortgeltung d,er Haager Konaention betr. d,as staatlichen Existenz des Gegners gerichtet, so steht es'
Zioilprozeßredtt uom 17.JuIi 1905 imVerhäItnis zui- ihm nach überlieferten und mindestens bis l9I4 nicht
selien Deutscltlanil und d.er Sdiweiz zu belassen hattb. bezrveifelten Grundsägen des Völkerrechts frei, nadr
' DRZ,1947, Seite 31ff.
rollendeter Niederkämpfung den gegnerischen Striat zu
anneklieren, d. h. seine Souveränität- zu übernehmen,
. 2.; Die militärische Niederwerfing sein Gebiet dem eigenen Staatsgeliiet einzugliedern,
(debetlatio)
=eine Bevölkeruug dem eigenen Staatsvolk zu inkorpo-
Deutsdtlands
rieten (debellatrio mit Annektion). +
- a) Der Die Annektion kahn auch in der Weise erfolgen, daß
Begriff äer debellatio
das Gebiet des besiegten Staates unter mehrere Sieger
Es ist mehrfach die Meinung vertreten worden, Deutsch- aufggteilt und jetles Teilgebiet vön dem entsprechenden
land befinde sich seit der bedingungslosen Kapirulation Siegerstaat annektiert wird;' sie kann weiterhin die
im Zustande der debellatio, d,h._der völligen kriege- Form der Kollektivannektion annehmen mit der Folge,
rischen Niederkämpfung und der daraus rebultierenden daß aus ilem Gebiet des besiegten Staates ein'Kondo-
Vernichtung seiner selbständigenstaatliehenExistenz. \Terri-
minium, d. h. ein gemeinschaftlich ,lieherrschtes
Der Begriff der delrellatio bezeiehnet in der Tai nicht torium der Sieger wird, Sie kann endlich auch darauf
nur einen tatsächlichen Zustand vollständicen militäri- beschränkt sein, dem Sieger nur die volle Verfügungs-
schen Zusammenbruchs und staatlich-poliiischer Des- eewalt'zu verschaffen, die ihn in die Lage versegt, so-
organisation, sondern darüber hinaus den- iechtlidren gleich zugunsten eines dritten Staates über'das eroberte
Zustand des Untergangs iler bisherigen Staatspersön- Gebiet zu verfügen.
lidrkeit. Damit diese .rechtliche .Folge eintrete, bedarf Liegt eine Annektion nicht in der Absicht des Siegers,
eS allerdings uicht nur eines objektiven Tatbestands, so wäre eine Auslöschung der gegnerisdren Staatsper'
sonclern darüber hinaus eines subjektiven Moments, sönlichkeit -allenfalls noch durdr effektive, ersaBlose
Nicht jede volldtändige militärische Niederlage zieht den Yernidrtung der politisehen Ordnung und staatlidren
Untergang der staatlichen Existenz des Besiegten nach Organisation des Beiiegten und ständige Aufrechterhal'
sidr; nirlt jeder totale Zusammenbruch nimmt den Cha- tun$ dieses Zustandes denkbar. Es ruäre besonders zu

48 49
prüfen, ob dieses eine völke.rrechtlich legitime Fqrm dei Zwm Teil i$ aus dieser Annuhme ein bedeutsamer
Staatsverriidrtung mittels Debellation darstellt. -idJu8 a majore ad,rninus gezogen worde,n: wenn tlie
'Wille
Zweiteins. Ist iler des Siegers nicht auf die Vör- Alliierten sdton beredttigt waren, so etu)a lautgte die
nichtung der staatlichen Existenz des Gegners geridrtet Fnlserung, Deutschland zu annelttieren, so ltonnteru
und enthält er sidr aller diesbezüglichenAkte, so kann tie aul jed,en Fall jed,e anilere, nicht s9 weitreichentle
gteitlhwohl Staatsuntergang ilurch Debellation eintreten, l'eriügung über seine Rechtslorm unil sein Schicksal
wenn nämlich der auf selbständige staatliche Existenz wefien. Vgl. z.B. Steiniger, NJ., 1947 Seite 748:
gerichtete politisdre Lebenswille im besiegten Lande er- *icäon aus iler Dönhregel, daß wer ilas Größere darf,
I oschen ist ( d ebeIl ati o mit ansdrli eß endem St aat sz er I all ). ,stdt arm Kleineren belugt ist (in maiore minus.),
Diese Form des Staatsuntergangeswäre gegeben, wenn
falgt, ilaß iie, il.ie äIIes h,|ätten annektieren könnenz
die politischen Energien in dem besiegten Volke nicht ridz ebensogut als politische Interaenienten beneh-
mehr ausreichten, um überhaupt ir.i5endeineForm effek- m,en konnten, so wie sie es getan kaben uryd,tttn.oe-
tiver Staatsgewalt zu organisieren. Sie wäre in anderer 'MDR.,
In ähnlidrer Weise leiter Jennings, 7948,
Weise aber auch dahri gegeben, wenn der politisüe Le- S,eite 6, die Belugnis zur Übernahrne der d.eutsthen
benswille des hesiegten Volkes zwar nicht total er.loscherr, StaatsgeTnaltdurch die Allüerten aus eiier tildr.n
aber auf Auflösung der'bisherigen staatlidhen Einheit] S&luSlolgerung her.
und Schaffurig einer Mehrheit selbständiger Teilstaaten So =elbstverständlidr diese Auffassung rron den Voraus-
gerichtet wfu e ( d ebellatio mit anschlie ß enile:r S taatszer. ffgungen des älteren' Völkerrechts 'her ist, S wenig
gliederüng). .dem
*hstverständlich ist sie dodr' auf Boden der heu-
Zwprüfen iit nunmehr, ob im Falle Deutschlands einer tigen Konzeptionen des Völkerrechts.
der soeben umschriebenen Tatbestände des staatsrmter- D,ar Redrt zur Ännektion auf Grund kriegerisdrer Er-
ga4gr durch Debellation gegeben ist, und weite"rhin, ob oö,erung hat in der neuesten Entwicklung des Völker-
das Völkerrecht über diese geläufigen Formen hinaus m,üts schon insoweit eine wesentliche Einschränkung
etwa weitere, neuartige Spielarten iler Debellation zu- rerfa-hren, als ein EroberungÄkrieg, der auf seiten des
lassen kann. Sli,egersunter. Verlegung bindender völkerrechtlicher
'f,rieesveihütungs. oder Kriegsädrtungsvorschriften; ins-
'Verstoß 'gegen
.b) Die Annektion im. heutigen Völkerredrt h,e:ondere unier das Kriegsveibot des
Briand-Kellogg-Paktes von 1928 geführt worden io",
Bevor die Frage geprüft._wird; ob im deutschen'Falle l,einen gültigen Tifel .zur Annektion des Besibgten zu
eine debellafib mit Annektion gegeben ist, bedarf es zu- lerleihen .rrermag.
nächst der Klärung einer nidrf unwichtigen Vorfrage. . , I' gl. Oppenheim-Lauterpach.t, International Law, I,
In allen Diskussionen über die heutige Rechtslage 5'h ed.7937, p.454: ,rln s.o lar as these initruments
Deutschlandsrwird als selbstver'ständliü unterstellt, daß ' I' ölherbundsagung und Kellogg-Paht) prohibit uar,
die alliierten Siegermächte beredrtigt waren, auf Grund rkey probably rend,er inualiil conquest on the part
der vollständigen Niederkämpfung Deutschland zu anek-. ai the state uhi.ch has resorted to alar contrary to its
tieren. üIigations.';

50 5l
F.',
Diese Einsdtänkung kann hier außei Betracht bleiben, hrzip, dararif aufgebaut. Gleidrwohl ist der Wilson'
weil der zweite .Veltkrieg auf seiten der Alliierten srien Formel in den Jahren nach Versailles keine all'
nicht untei Yerlelung solc,her Verpflichtungen geführt p:neine Anerkennung zuteil geworden.
worden ist. Sie ist jedoch nidrt die einzige Eniwicklung, TsI. Hall-Higgiits, International Law, p, 54 N. 2:
die im.Hinblick auf das Annektionsrecht zu verzeichnen -Th,e phrase is one ol'dangerous aaguiness as encou'
ist.. Schon im 19. Jahrhundert sind gegen das unbe' razing inord,inate nationalist claims, aid its applica'
schränkte Annektionsrecht auf Grund kriegerischer Er- tion, in ignoring economic conditionso has led to some
oberung imTer wieder Einwendungen erhoben worden, disastrous results." Oppenheitn'Lauterpadtto a. a. O'
welche die Zustimmung der von der .A'nnektion betrof- p.435: ,,But it is doubtlul w.kether the Law ol Nations
fenen Bevölkerung für rechtlidr notwen"dig erkläften. u:ill euer make it,a condition ol eaery cession that it
Diese insbesondere in der französischen Völkerrechts- mttst by ratified by a plebiscite.Th,e necessities ol inter-
lehre des 19. Jährhunderts öntwickelte sogenannte PIe' national policy may nou and' then' allon or eoen de'
biszitth.eorie hatte sich bis 1914 nicht durchzusegen ver- ntand such a plebiseite, but in some cases they will.
mocht. Am Ausgang des ersten Weltkrieges erhielten not allow it."
die in ihr verkörperten Grundkonzeptionen neue starke Wenneleich auch die Atlantic Charter in ihrem zweiten
'Wilsan
,Antriebe durch das von Präsident verkündete Fookie o".küod"t", daß die Alliierten ,,keine Gebiets'
oeränderungen (wünschen), die nicht mit den irei zum
,,Selbstliestimmungsrecht der V ölker".
D as Selbstbestimmungsr echt lie gt, innerh,alb d'er;,Vier- -{u.druck gebrachten Vünschen der betreffentlgn Völ'
zehn Punkte" (Kongreßreite'Wilsons aom S. Januiti her übereinstimmen", so bleibt doch zweifelhaft, ob da'
1918) den Punhten 6 bis 13 zugrunde' In d'er Kon- mit ein bindender Yölkerrechtssag und nicht bloß eine
greßreile aom TT.Februar ,1918 ham e's in den be' politisüe Maxime. zum Ausdruck gebracht werden
rühmten Sage zurn Ausdludt: ,,Völlt'er und Prouinzen ;ol I te.
dürlen nicht uerschachert uerden, als ob sie bloße ![an rvird daher nicht mit Sicherheit behaupten können,
'Waren ,{sß das Selbstbestirirmungsrecht der Völker in der For'
od.er Steine in einem Spiele uären, sei es audt'
ün dem großen, nun lür immer aerrulenei Spiele des mulierung Wilsons ein für alle Fälle bindender Sag, des
Gleiü,gewichts iler Krätte.ot Die grundlegende For- f,lr:itiven Völkerredrts, sei. Eines aber wiril man mit
mulierung enthielt bereits d'ie Mount Vernon'Red,e r:iißter Gewißheit behaupten können: es mag sein, daß
oam 4. Iuli 1978: ,,. . . the settlement ol eaery ques' riÄt jeile .Gebietsabtretung der Besiätigung durch ein
tion wlrcther ol territory, ol sou'ereignty, ol economic Flebiszit bedarf, um völkerrechtlidr wirksam zu werden;
-le: Recht eines ganzen Volkes aber, über sein poli'
arrangenent, or ol political relationsh'ip; upon the
bases ol the acceptance ol that settlernent by tlrc ti=ches Schicksal und seine staatlidre Zugehörigkeit mit'
people imrneiliately concerned'i' mentscheidbn, ist in einer Welt, die sich einmütig zu
Dieser Grundsag ist - mipdestens für die Friedensrege- der Idee der Denqokreitie bekennt, ein unverzirhtbarer
lung von 1918/19 - von allen damals kriegführelden rnnd grundlegendel Bestandteil der völken€chtlichen
t-rralnnng. Es hann daher aul detn Boden des heutilgen
Staaten engenonimen worden (Lansing-Note vom 5. No-
vember 1918). Der Yersailler Vertrag war, iedenfalls im \'öIherrethts heinen uie aath' immer begründeten Rechts'

53
52
titel geben, ilei es erläubte, ein großes Kuhuruolh ntit -{nnektierung Deutschlands" (ErgBl. Nr. I zum Amts-
selbstäniliger St aat stradi t i on gegen seinen W ill en j ed.er blatt des Kontrollrats, S. 7).
selbständi gen stadtlidren E xistenz I orm zu b er aub en. Zahlreiche andbie Erklärungen der Siegermächte haben
Die jüngste Geschichte w.eist gleichwohl eine Reihe von dem Sinne nach den gleichen Inhalt, angefangen von
Fällen auf,'in denen es zur Ausl[schung der staatlichen der Jalta-Deklaration vom lI. Februar'1945 - in der ge-
Selbständigkeit ganzei Völker gekomrnen ist. Das Dritte .agt wird, daß das deutsche Volk nicht vernichtet wer-
Reich hat etwa im Falle cler Tschechoslowakei oder Po- den solle - bis zum Potsdamer Abkömmen, das Deutsdr'
lers gegen jenes grundlegendö Prinzip verstoßen. Dieserr land als ein Rechtbsubjektvoraussegt, indem es von ihm
imperialistische Exzeß ist in der garazenWelt mit Em- die Erfüllung bestimmter Pflichten fordert; seine poli-
pörung verurteilt worden. Er ist so ungeeignet wie mrr tis&e Neugestaltung auf dömokratischer Grundlage an-
mö$lich,,die Existenz eines R.echtstitels 2u einer solchen kündigt und eine künftige Teilnahme eines friedlichen
Staatsvernichtung zu beweisen. Deutschlands am internationalen Leben ins Auge faßt'
-{lles dieses wäre sinnlos, wenn Döutschland auf Grund
c) Keine ilebellatio mit Annektibn einer Totalannektion aufgehört hätte zu besteheri''An
diesem Redrtsstandpunkt haben die Alliierten seit 1945
- Abgesehen von der grrrndsäglichen Frage, ob eine Aus-
Iöschung Deutschlands durdr debellatio mit anschließen- unzweifelhaft fesrgehalten, wie aueih immer die von
der Annektion des-gesamten deuts.chenStaatsgebietes ihnen verfolgtö Besagungspolitik mit ihren Wandlungen
völkerrechtlich überhaupt möglich wäre, kanir fm fol- und mancherlei Widersprüchen redrtlich zu qualifizieren
genden von der unbezweifelbaren Tatsache ausgegangen sein mag. Eine Außerung oiler konkludente Harrtllung,
werden, daß die .siegermächte von i945 eine solche die im Sinne eines auf Totalannektion gerichteten Sie'
Totalannektion weder gewollt nodr vollzogen halien. gerwillens gedeutet werden könnte, läßt sich nidrt nach'
'rreisen. Sie existiert hicht.
Es gibt keine Annektion ohne Annektionseikiärung, d.h.
ohne den deutlich durch Vorte oder rnindestens kon- M. V iralty ) L' adrni'nistration int ernationale' iI e I' Alle'
kludente Handlungen bekundeten Willen des Siegers rnagne du 8 rnai 7945 au 24 auril 1947'(1948) p'I?
zur Einverleibung des eroberten Gebietes. Die Alliier- sq q ;, unt er str eieht d,a s F ehi en ein es Annelt tion snill en s
ten, weit'davon entfernt, eine solch'e Annektionserklä- oil ,"it"o iler Alläerten, nimntt aber gleicltwihl on,
rung abzugeben, haben sic{r vielmehr eindeutig gegen iJaß der deutsdt'e Staat inlolge einer debellatio unter'
die Anlektion entschieden und haben diese Entschei- gegangen ist. Mit ilem allgemein onerhannten Grund'
dung ebenso eindeutig zum Ausdrudr gebracht. Aus der sa7, d.aß iler obiektioe Tatbestand d'er debellatio noch
großen Zahl 'tlafür maßgeblicher Aolieroogen braucht nicht ilen (Jntergang eines Staates zur Folge hat, se$t
nur ah die Berliner Viermächteerklärupg vom 5, Jqni er siehnidtt aiseinandör.
1945 erinnert zu werden. Im Anschluß an die dort aus.
-gesprochene d) Keine tlebellatio mit ansüließender Errichtung
Übernahme der d-eutschen Staatsgewalt
eines Kondoininiums
durch die Besalungsmächt-ewird festgestellt:,,Die über-
nahme der besagten Regierungsgewalt und Befugnis zu Ton den überkomme!en Begriffen des Völkerre&ts aus
den vorstehend genannten Zwecken bewirkt nicht die Eesehenist damit auch die Annahme eines von den Be-

54 DD
Erklärungen der Mächte nidrt statt-
sagungsmädrten auf ehemals deutschem Böden erridr. den ausdrücklichen
teten Kondominiums ausgesdrlossen, die Hans Kelsen pefanden und war nieht beabsidrtigt'
hält jedobh die überkommene Lehre tles Völker-
in seiner aufsehenerregenden Deutung dep Rechtslage k*tr."o
der Gebietshobeit eines
Deutsdrlands riach der bedingungslosprr Kapitulation re,rhts, wongch" der Ülrerguttg
auf ilen Sieger nür im Wege der
vertreten hat. detrellierten Staates
D er aielzitier t;. in D eut schlanil zunä ch.stanicieinenil
in d.en in'eisten FäIIen nur aus Bericlt'ten zueiter H.and
behannt gewordene uid d"h", uielfach unuollständig
oder nnißaerständLich uieilergegebene Redt'tsstand-
punhi Kelsens ist in zwei Aulsä7,en en'twicheh uard'eno
deren erster schon oor dem Zusarnmenbruch, im Oltto-
b., lg4h, oeröffentlich,i wurile, u:ährerudiler ztneite in
d,.ernZeitraum zuischen d,er Berliner: Erhlärung aorn
'Abhonmen
5. Juni 1945 und ilem Potsdarier aotn
2. August 7945 ersdtien. (,,T'he in.ternational legal
staius ol Gennany to be esmblished immeiliately
upon tertninaiion.bf the War", American lournal ol
,International Lato, VoI.38 Nr.4, October f944,'pp.
689 sqq. - ,,The legal status ol Gernlany according
to the l)eclaration of Berlin'., ebila. Vol- 39' July
1945, pp.518 sqq.) Audt' nach ilem Potsilamer Ab''
hommen hat Kelsen grundsä7lich an' seinen Thesen
festgehahen, uie sich aus einer uoln 7. August 1947
d,atierteno am T.September 194V oeröfrentlichten Zu-
schfift an d,ie ,,New Yorh Times" (agl. Menzel, Zur'
o ölh err e&'tlichen L a ge D eut sdtland's, Eur op a-Ar dtiu,
S' 1009) souie aus
t 2. Jg., 6.Folge, Dezembbr 1947'
einer Abhan'illung in der ,,Arnerican Political Science
Reuiew" (ab/edruckt in Heli 3/1948 iter ,,Berliner
HelteL', auszugsr'oeise im o,KurJe:r" Nr. 119 oom 26. Mai
1948) ergibt. gegnerischen Staat zurückübertragen
reorganisierten
oder ob er es an Dritte abtreten will'
De.nn die Errichtung eines Kondominiums, d. h. eitier
vom 5' Juni 1945 sei gleich-
Gemeinherrschaft mehrerer Mädrte auf einem ihrer ge- Die Berliner Erklärung
meinsamen Gebietshoheit unterworfenen Boden, hätte bedeutend, so fährt Kplsen fort, mit einer Willenskund'
nach diesen überkommenen Begriffen nur im Vegg einer gabe der Okkupationsmächte, daß' sie das deutsche
il dieser Weise ihrer' Souveräni{ät unter'
Annektion erfolgen können. Eine soldre aber hat naü Staatsgebiet

D'
56
stellten (S. 522). Das brauche nichr notwendig zur Folge IYanillung, 1947, S'eite I10. F' A. Manno' London,
haben, daß sich die Verfassung und die Rechtsordnung Deutschlands heutiger Status, 5J2.7947, Sp. 465ff.
der Okkupationsmächte automätisch auf das b"r"gt" Ernst J. Cohn, Loruilon, Zwn rechtlidten Problem
Gebiet erstredie und dessen Bevölkerung die Staats- Deutschlanil, MDR., 1947, Seite lB0. Steirt'iger, Aus'
angehörigkeit dieser Mädrte erwerbe. Das bisherige schließbarkeit des Rechtslneges bei Staatshaftungs'
Recht könne, soweit is nicht geändert werde, kraft aus- klagen durch neues Lanilesrecht? N J ', 1-947,Seite 147 ;
ilrücklicher oder stillschweigender übernahme (,,recep- ders., Das Besugungsst:atut, NJ", 1947. Seite 207.
-.-tioni') fortgelten. Da das deutsche
Staatsgebiet unter Menzel, Deutschland - ein Kondominium oder Ko'
die gemeinsameSouveränität (,,joined sovereignty,,) der impetium? Iahrb. f. inteinat. u. auslänil. öft. Recht
Besagungsmächte gestellt worden sei, habe man von Sonderilruclt' zur II. Hamburger Tagung dt. 'VöIher'
einem ,rKondominium" zu sprechen (wobei auf das Bei- redrtslehrer, April 1948)'Seite 43 fr.
spiel des preußisch-österreichisdren Kondominiums über Venn nidtt ausdrüchli&' so d'odt' iler Sadt'e nadt'
Schleswig-Holstein l864-1866, des britisdr-ägyptischen gegen Kelsen: LoeÄing, DRZ. 1946, Seite 129 ff' S&'lo'
über den Sudan seit IB9B, des britisdr-französischenüber chauei, DRZ. 1947, Seite 118 ft, u-Mangoldt, Grund'
die Neuen Hebriden seit 1914 und des österreichisch- sägliches zum Neuaufbau öiner ileutsch,en Staats'
ungarischen über Bosnien-Herzegowina 1909-1918 ver- gewalt, 7947. Laun, MDR., 1947, Seite 246 ff. Peters,
wieseri wird). NJ., 1947, Seite 2. R. Y. Jennings, MDR., 1948,
Die von Kelsen verfochtenen Thesen sind sowohl in Seite 3 ff. G. Sauser'Hall, Schweiz' Jahrbudt' f inter-
Deutschland wie auch im Ausland ganz überwiegend nationales Recht, Bd.III (1946), Seite 9-t3' Peter,
abgelehnt worden. Schueiz. Mon.Ilefte, 1946, Seite 8. Obergeridt't des
In Deutschland hat sie nur ilie Berliner Zeitung .,Der Kantons Zürich, DRZ- 1947, Seite 3l'
Tagesspiegelooaorbehahlos ahzeptiert. (Vgl. ilie Aus. Tatsächlich stehen diese Thesen sowohl zu den Grund-
gaben aorn 27. Januar, I7. Februar, 73. Februur und :ägen des Völkerrechts wie zu der Politik der Besa3ungs-
18. März 1947. Dagegen Laun, Die Zeit, 73. März und,, mächte im'Witlersprudr' Sie gewinnen auclr nicht dadurch
3. April 1947. Siehe auch Menzel, Europa-Archiu, ao Überzeugungskräft, das Kelsen in seiner lebten Stel-
1947, Seite 1011.) Mit gewissen Mod.ifiltationen haben lungnahme (Kurier Nr. 119/1948) darzulegen sucht, daß
sidr cliesen Thesen angeschlossenW. Abenilroth, Neue ilie .,Fiktion'o einer Fortexistenz des deutschen Staates
Justiz, Jg. 1, Nr.4l5 (April-Mai 1947) Seite 73 fr., nicüt ,,politisch vorteilhaft" sei, weil die Besa[ungs'
und E. Pollach (in einem bei Abendroth, Seite 83
mächte bei Annahme solcher Fortexistenz nur eine occu'
zitierten, in d,en Mitteilungen des Prüfungsaussdtus-
patio bellica nach den Regeln der HLKO' vorzunehmen
ses des S.tadtgerichts Berlin uerölJentlichten Rechts-
herechtigt seien. Kelsen verkennt, daß tlie Existenz
gutadrten oom 15. September 1945).
eines Staates im Sinne des Völlcerrechts keineswegs ilie
Gegen Kelsen: Zinn, Das staatsrechtliche Problem Existenz einer unabhängigen Regierung vorausseBtl
Deutschland, SJZ. 1947, Sp. J|. Geiler. Die gegen' \-ielmehr kennt das Völkerrecht mannigfae'he Formen
u:ärtige aöIkerrechtlidre Lage Deutschlands, lg47, oon Abhängigkeitsverhältnissen, die den Charakter des
Seite 7 fi. Arndt, DeutscJrlanils reehtlidte Lage, Die abhängigen Gemeinwesensals Staat und als Subjekt iles

58 59
Völkerrechts keineswegs notwendigerweise aufheben.
E. ilarf hier auf ilie durchaus überzeugenden Argu'
(Westlake, International Law, 1910 l2"d ed.], Vol. I,
::eute verwiesen werden, die F. A. Mann in seinem
p.21: ,,It is not necessaryfor a state to be independent
\-artrag vor der Grq.tius Society 'in London am 5' März
in order to be a state of fntelnational Law.o')
,i"fi entwickelt hat: l. Man müßte erwarten, ilaß ein
Der Staatsc*rarakter eines Gemeinwesens wird auch dann zum Aus-
Eeschluß von solcher Tragweite unzweideutig'Worte,
nicht beseitigt; wenn seine Staatsgewalt vorübergehend daß
trrud< gebracht worden wäre, z' B. durch die
ersagweise von einem oder niehreren fremden Staaten
'lre vier Mächte ,,alle Rechte und Herrschaftstitel über
ausgeübt wird - ein Tatbestand, der sich sowohl im
Deutschlando'(all rights and title over Germany) über-
Staatsrecht wie im Völkerredrt bei der vorübercehen-
r:,ehmen.Das ist nicht geschehen. 2' Die grundlegeriden
den ,,Sequestration" eines Landes ergeben kun*
Bes&lüsse der Krim-Konfetenz vom Februar 1945 ent'
Deutschland befindet sich, wie noch näher zu zeigen sein
halten keinen Hinweis, der auf die Absicht zum Erwerb
wird, zur Zeit im Zustande einer solchen Sequestration,'
;erritorialer Souveränität über Deutschland deutete'
durch die seine Staatsgewalt nicrht ausgelöscht, sondern
vorübergehend zur Ausübung von den Besagungsmächterr
übernommen worden ist (siehe unten IV, 3).
Es mag zunächst dahingestellt bleiben; ob der Sieger im
Falle einer ilebellatio die Gebietshoheit des eroberten
Landes ohne Annektion in der Weise erwerben kann,
Form für einen auf den Erwerb staatlicher Souveränität
wie Kelsen annimmt, nämlic.h ohne ihm den Redrts-
ebzielenden Akt. 4. Nach der Berliner Deklaration
status eines inkorporierten Gebietes zd geben und mit
r, nrde die oberste Gewalt nur für drei bestimmte Zwgcke
dem Vorbehalt, erst später eine endgültige Entschei- aller
übernommen, nämlich ,,um für die Einstellung
dung über sein Sdricksal treffen zu wollen. Hierüber
Feindseligkeiten von seiten der deutschen Streitkräfte
wird im Zusammenhang mit einer im deutschen Schrift-
Sorge zu tragen' zur Aufrechterhaltung iler Ordnunq in
tum neuerdings vertretenen Theorie etwas zu sagensein,
'Weiterentwid<lung Deulschland und zur Verwaltung des Landes, um die
die in des Kelsenschbn Gddanken-
ton Deutschland sogleich- zu erfüllendgn Forderungen
ganges einen neuen Begriff det ,,Subjugation" verfiitr
zu verkünden"; spätere Entscheidungen in bezug auf
und diesen der ,,Annektion" als weiteren selbständigen
Deutschlands Staius und seine Gebietsgrenzen bleiben
Gebietserwerbstitelgegenübergestellt(sieheunten III, e) .
oorbehalten. Diese Vorbehalte unterstreichen, daß tlie
Selbst wenn es einen solchen Rechtstitel gäbe, so könnie
-\lliierten eine begrenzte, vorläufige Regelung beabsidr'
er doih im Falle Deutschlands rrieht als vorliegend er-
tigen. 5. Die Übernahme territorialer Souveränität wäre
achtet werden, Denn die von den Alliierten verfolgte
eine so rückschrittliche Maßsahme, daß man für iliese
Politik untl die für das Besalungsregime konstitutiven
Annahme ganz eindeutige Beweise forder4 müßte'
Reehtsakte geberi keine ausreichenden Anhaltspunkte
Zw Etgänzrtng dieser Argumente kann weiterhin auf
dafür, daß ein Erwerb der Gebietshoheit über Deutsch-
,lie AusfüLrungen eines anderen englischen Juristen
*t Grund eines solchen Rechtstitels beabsichtigt
rerwiesen werden. R. Y. Iennings (Cambriilge) vertritt
#r1
die Auffassung, daß die Berliner Erklärung weder eine

60 6r
irü'o$r oacrpetio belliea im Sinne der HLI(O. begründet, 'd+r Kelsenschen Theben auffassen dürfcn, wenngleidr
nod eine vollständige Annektion bewirkt habe.
Sie sie siü nicht in allen Konsequenzen mit dieser ded<t.
zeige vielmehr, daß es noch einen. dritten Veg gebe;
S[it Kelsen und gegen die oben angeführten englischen
nämli& Regierung und Staat zu trennen und alle
Macht- J;"ri.ten gelangt sie jedenfalls zu dem Ergebnis, daß
*'-n deutscher Staat völkerrechtlich nicht mehr besteht. ,
f,r:e=eLehre bietet zugleich Gelegenheit, die bisher zu'
ruJrgestellte prinzipielle Seite der KelsenschenTheorie
ra erörtern und nachzuprüfen, ob das Völkerrecht b'eim
li,.,rliegen der objektiven Voraussegungen einör debel-
,"rio Übergang iler Gebietsholreit des- unterlege'
eigenen Staat'sgebiete, sondern im Namen eines fort- "i.r"r,
ltn Staates an den Sieger in einer anderen Rechtsform
bestehenden deutschen Staates zu regieren. Unter den
ii der der Annektion zulassen kann.
gegebenen Umständen hätten die Besagungsmächte
--inbjugatioao heißt wörtlich nichts anderes als ,,IJnter-
nidrt nur das Recht, sieh solche Machtbefugnisöe anzu-
werfung'.. Im Yöfkerredrt ist darunter in der Regel die
eignen, die über eine läufende Verwaltung des beseg-
,riar& kriegerische Überwältigung bewirkte Vernichtun g
ten Gebietes hinausgingen - es sei vielmehr sogar ihre
rue. Staates durch Totalannektion seines Gebietes nadr
Pflicht, so zu handeln, weil. sich.nur in ihrer Hand eine
*rllendeter Eroberung und Vernichirrng seiner militäri'
Regierungsgewalt befinde und sie daher, die Verant-
;üen Streitkräfte verstanden worden. +
wortung dafür tr'ügen, daß auch alle Regierungsauf- -War
i) pp"nheirn,International Law, t. II, and'
gaben wahrgenommön würden. 'Wolle man darauf
be. \eutrality, p. 277: ';extennination in war of one
stehen,' daß sich die Besegung in ilen Grenzen
der belligerent by another, trough annexation of the
HLKO. halte, so heiße das die Aufrechterhaltung eines
iormer's territor:y alter conquest the enemry lorces
Regierungsvakuums fordern. Dies könne
ooiögti"t hat'ing been annihilated.'o - ders., 6'h ed. 7940, p' 467:
rechters sein.
..subjugation tahes place only when' a belligerent,
Dieser Kennzeichnung der Rechtslage ist rlurchaus
zuzu_ e{ter haaing annihilaieil the lorces and conqucred
stimmen, Es wird zu zeigen sein, daß iliese. "
Lage ain tke territory of his aduersary, destroyed his existence
besten hit dem technischen Rechtsbegriff
d"" ,,5.qo"- 1,1annexing the conqwered territory.u'
sttationo' zu erfassen ist.
f,r*rngegenüberiÄt neuerdings ilie These aufgestellt wor-
fun- die Subjugation müsse'sich nicht notwendigerweise
. e) Keine debellatio mir ,,Subjugationoo - de. Form tler Annöktion vollziehen. Vährend ilie
Auektion die Einverleibung iles- Staatsgebietes und
Es ist in diesem Zusammenhang eine Auffassung
zu r.-enfalls des Staatsvolkes bedeute, bestehe auch die
überprüfen, welche die Rechtslage des besegten
Deutsch- $t;.glichkeit, daß sich der siegreidre Staat Iediglich der
Iand mit einer neuartigen Ausdeutung des
Beg4iffes , Steatsgewalt des Uriterlegenen bemächtige, von einer
,,subjugation" zu bestimmen sucht. lian wird diese F,r'verleibung seines Gebietes oder seiner Bevölkerung
Lehre als eine Veiterbildung und begriffliüe Zuspigung
rL:itr absehe.'Es wird empfohlen, den Terminus ,rSub-

62 63
jugationoo für dieserr Fall zu resbrvieren und in den reuesten Ereignisse aktuell gewordene Rechtsfigur des
1öll.errechts, bedarf einer genauen prü[ung. D",
Fällen vollständiger Einverleibung von,,Anhektionoo zu' U"-
sprechen; Zr eilner solchen Subjugation seien die,Sieger heber dieser Lehre wirft selbst die Frage auf, ,.ob und
1945 geschritten,:sie hätten die deutsche Staatsgewalt in rrelchen-Grelazelndie Subjugation sich mit den prin.
übernommen, ohn-e sich das deutsche Staatsgebiet ein- npien des gegenwärtigen Völkerrechts verträgt,. (Seite
zuverleiben oder das dcutsdre Volk zu inkoiporieren. 193). Er hält es für evident, daß sil sich,,als Dauer-
(So a: Kempski, Deutschland als Völkerrechtspröblem. rEltand nicht verteidigen läß1", daß sie vielmehr recht-
"I.
1i,ü ,,nur als Übergangserscheinung möglich" sei. Ihr
,,Merkur", I. Jg.'1947,Hef t 2. Seite I 88 ff.)
Die wichtigste Konsbquenz dieser Lehre liegt darin, daß Zn-e& sei es, ,,die Eigenstaatlichkeit wieder herzubtellen,
* J ; o e i n e n n e u e n S t a a t a l s V ö l k e r r e c h t s s u b j e k ta u f z u -
sie den Überga4g der deutschen Staatsgewalt auf die
Besagungsmädrte nicht als eine lediglich treuhändbrisdre bauen". Nur durch. den Zweck, ,,däs unterworfene Volk
nieder instandzqSegen,in die Völkerrechtsgemeinschaft
Sequestration der ihrer Substanz nach'deutsch bleiben-
den Staatshoheit auffaßt, sondern den deutschen Staat zurückzulcehren und seinen Staat neu aufzubauenl'.
als untergegangen ansieht. Die ehemalige deutschp rerde sie gerechtfertigt (Seite I9{).
'Wiederherstellung
Staatsgewalt ist ein Bestandteil der Staatshoheit der finen Vorgang, der auf der staat-
Besagungsmächte geworden. Für.ihre ges,amthänderische r;,ien Selbständigkeit abzielt, ausgeredrnet als,,subju-
gation" za bezeichnen, ist schon sprachlich im höchsten
Ausübung wird der von Kelsen vorgeschlagene Begriff
des Kondoniinats als unp4ssend abgelehnt, weil kein llaße unbefriedigend. Aber auch.sachlich ist -die Be-
gerpeinsames Staatsgebiet dpr B6iagungsm-ächte auf. eründung, mit der.die Einführung dieses neuen B*egriffes
deutschem Boden entstanden sei; statt dessen-wird der :: die Systematik des Yölkerrechts gerechtfertigt wer-
'Weise
d+n soll, in keiner überzeugend. Das institutio-
$egriff des Koimperiums herangezogen.
nelle Gefüge-des Yölkerrechts kann nicht.durch beliebie
Irn Sinne iler gebröuch'lidtenTerminologie des Völher'
+nundene konstruktive Figuren ad hoc -u*r--
rechts bezeichnet. der Ausdrach o,Kondominiunt"' eine "r*"it".t
'len. Es hat seinen griten Sinn; wenn das Völkerrecht
Gemeinherrschalt mehrerer Mächte über eigenes Ge'
*ire Subjugation in dem hier zur Erörterung stehenden
biet, .d.er Ausdruclt ,,Koimp'eriurn" dagegen eine Ge:
-irnne nicht kennt. Der durch das Völkerrecht eebotene
meinherrschaft aul lremdem Gebiet. Vgl. Vetdraß,
F+&tsscJrugberuht darauf, daß den Staaten bcstimmte,
ltonstruhtiaei
, VöIlterredtt, 7937, Seite 132' Die :-n=titutionellfest umrisseneBetätigungsformenzurWahl
Schnnierigkeiten, in uelche. die Lehre aon der Subiu-
ge=tellt sind. Es steht ihnen frei, die eine oder die an-
gation im oben entwichöhen Sinne führt, Iiegen aul
ntere Form zu wählerr, aber es steht ihnen licht frei,
der Hanil: ist iler tleutsdte Staat untergegangen'
andereiseits aber aurh heiru Konilorninium iler Be- üe einmatr gewählte Forrn beliebig zu rtrodifrzieren. Der
sagungsmächte entsiand'en, so ist die Frage, aul wes' rm f,riege siegteiüe Staat kann sich darauf beschrän-
sen Gebiet sie eigentlidt. ihre Herrschattsgewah be. Len. den unterlegenen'Staat nach den Regeln der occu-
tätigen, sduner zu beaitworten, u,atio bellica militärisdr zu besegen. Er kann, wenn die
\-oraussegungeneiner debellatio gegeben sind, zur An.
Die Behauptung, es handle sich bei der Subjugation um
eine bisher mehr oder weniger unbeachtbte, durch die n,eLlion schreiten. Er kann, soweit ein gültiger Inter-

64 65
ventionstitel gegeben ist, die inilitärische Besegung mit -tiridrten weitel, so müßten sie sich zur Vollannektion
einer politischen Intervention kombinieren. Aber er +.t-.&ließen, wobei allerdings die Frage aufzuwerfen
kann nicht nach den politischen Bedürfnissen des Augen- r äre. ob die staatliche Auslöschung eirres großen euro_
blicks zu einer verschleierten, unvollständigen .A.nnek- :räi=&en Kulturvolkes nicht gegen oberste naturrecht_
tion schreiten, die wesentliche Rechtsgarantien außer " &e Prinzipien des internationalen Lebens verstößt.
acht läßt, die. auch im Begriff der Arinektion nodr mit- I,,=r -{nnektionsbegriff des positiven Völkerrechts könnt
enfhalten sind. Die Zulässigkeit der Subjugation kann :r.ine rechtliche Verpflichrung des Annektierendei. den
nicht durch einen Schluß a maiori ad minus aus d'er Za- *iorporierten Staat zu irgendeinem
Zeitpunkt wieder
lässigkeit der Annektion gefolgert werden. Denn die ja eltlassen und neu zu konstituieren; es ist
schwer
Subjugation ist kein bloßes rnjnus, son'dern ein aliucl +-"zuseheir, woraus sich eine solche Verpflichtung bei
gegenüber der Annektion. So tief diese legtere auch in r"r Subjugation ergeben soll. Auf jeden l-all liest es im
das Leben eines bisher selbständigen Volkes eingreift, E : m e s s e nd e s ü b e r m ä c h l i g e n d e nS t a a t e s ,d e n Z e j t p u n k t
s'o bietet sie ihm doch ein Mindestmaß an Rechtsgardn- : . r \ e u k o n q t i t u i e r u n g , i l e s Ü b e r m ä c l r t i g t e nf e s t z u s e B e n
tien insoweit, als die Bevölkerung mit der Einverleihung rud die Bewährungsfrist auf Jahre oder Jahrzehnte zu
die Staatsangehörigkeit des annektierenden Staates er- : +messen.Auch unter diesem Blickwinkel ist allenfalls
u,irbt und darnit einen neuen Rechtsstatus erlangt. Das t-neAnnektion erträglich, die für dieZwischenzeit feste
Staatsgebiet wird Teil des Territoriums des Eroherers Fiecütsverhältnisseschafftonicht aber eiire Subjugation,
und erhält damit einen neuen Schug seiner Integritä..t ::e rromöglich auf Jahrzehnfe ein ganies VolJe seiner
gegenüber jeilem Dritten' Die Subjugation irn Sinne der ;lternationalen Staatsbürgerrechteberaubt.
bloßen Übernahme der Staatsgewalt dagegen nimmt der ll-nterwqrfungsformen solcher Art hat allenfalls,
ein pri-
Bevölkerung des unterjochten Staatesjeden Rechtsstatus r, itiles Kolonialvölkerrecht vergangener Zeiten gekannt.
und dem Territorium ieden sicheren Rechtsschug' Beide Itrie als Beispiele zur Stügung der Subjugationsrheorie
rqerden zum bloßen Objekt einer ihnen fremden Staats- Ltrangezogenen Fälle sind ohne Beweiskraft für diesen
gewalt. Zrrgck. im Falle der Völkerbundsmandate handelte
es
Ein legitimes Bedürfnis für eine solche Rechtskonstruk- .:,Ä um eine internationale Treuhandsehaft" die den
tion ist auch dann nicht gegeben?wenn man die außer- 1-[andatsmächtenteineswegs volle Souveränität und ver-
gewöhnlichen Zielsegungen berücksichtigt, weldre die :üetngsbefugnis, sondern lediglich eine unter der I(on-
Alliierten in Deutschland verfolgen. Da es.ihnen erklär- :rolle des Völkerbundes verbleibende Verwaltungsbefug-
termaßen nicht um die Vernichtung des deutschen Vol' -i= übef die Mandatsgebiete verschaffte;
im Falle Neu-
kes und Stäates äberhaupt geht, sondern um die Aus-
:'rndiands handelte es sich um eine Verwaltungszession,
rottung des Natio'nalsozialismus und lVlilitaris*us uid
i.e den britisöhen Kommissaren lediglich die Ausübung
um ,die Entwicklung einer demokratischen und dezen-
tralisierten Staatsstruktur, bieten ihnen die Rechtsfor- der ihrer Substanznach eigenständig gebliebenen Staats-
mön der politischen Intervention und der Sequestration :'rralt Neufundlands gestattete. Das von Hitler errich"
'dei deutschen Staatsgewirlt gelügend Eingriffsmöglich' :tte -,Generalgouvernementfür,die beseg,tenpolnischen
'k"it"o
zur Verwirklichung dieser Ziele. Gingen ihre iehiete", das allenfalls als Beispielsfall herarrgezoger.

66 Oi
werden könnte, rvird niemand als Präzeilenzfall be' f) Keine ilebellatio mit effektiver Vernichtung
werten wollen. Es könnte nur in einem negativen Sinne
als Beispielsfall herangezbgenwerden, insofern es zeigt, I.t die Debellation Deutschländs rveder durch anschlies-
.ende Annektion, noch durch Errichtung eines Kondo-
wie eine Subjugaticin in der Praxis aussieht.
rniniums oder durch ,,subjugation'o zur Staatsvernich-
Es ist. gewiß notwendig, die deutsche Situation mit
:ung im Sinne des Yölkerrechts vervollständigt worden,
unerschrockenem , Realismus zu sehen und die harte
.o bleibt schließlich noch die Möglichkeit zu prüfen, daß
Tflirklichkeit nicht mit ilem dürftigen Flitter pseudo' die debellatio von einern auf effektive, ersaglose Ver-
juristischer Konstruktionen zu verhüllen, wo sie dem nichtung des gegnerischen Staates getragenen Willen
Selbstbewußtsein einer einst bedeutenden lFation un' der Sieger begleitet wäre. Dabei wäre nicht nur der ex'
erträglich erscheint. Aber es bleibt notwendig, sich dem treme Fall einer totalen Devastation des deutschen
'Welt
Nihilismus'zu widersegen, der in der der großen !iedlungsgebietes und einer weitgehenderi Dezimierung
Mächte nur die Gewalt am Werke sieht, die nach ihrem der Bevölkerung durch Hunger, Seuchen und Anarchie
Belieben mit dem Besiegten untl Ohnmächtigen ver- insAuge zu fassen. Eine effektive, ersagloseAuslöschung
fahren kann und der es freisteht, durch Annektion oder des deutsdren Staates läge vielmehr auch dann schon
\ or, wenn Deutschland im Zustande eines Niemands'
Subjugation oder andere Formen der Unterjochung im
landes, dauernder politischer Desorganisation, Verfas-
Vechselspiel der Gewaltsamkeit fortzufahren' Die Sie'
.un gslosigkeit, Recht- und Frietllosigkeit gehalten würde'
ger haben wiederholt erklärt und haben im Nürnberger
Es läßt sich ein Zustand denken, in dem eih Volk in
Prozeß bekräftigt, daß das Läben der Völker auf das
einer Form aus der Rechtsgemeinschaft iler Nationen
Recht gegründet sein muß. Das ist ein Sag, der auch
ausgestoßen ist, die es ihm unr4öglich lnacht, sich als
- und geracle- für den Besiegten Geltung haben muß;
Staat zu orgarrisierenund als Rechtssubjekt aufzutreten'
denn das Recht des Siegers wird schwerlich gefährdet Ein Paria-Volk dieser Art wäre nur noch ,,Objekt"
oder umstritten sein. Dem Besiegten mag das von ihm fremder Rechte, indem es erwa zrrt Wiedergutmachung
- der Recht'
geübte Unrecht mit Härte vergolten werden \-ergangenen Unrechts ausgebeutet würde; es könnte
losigkeit iles Subjugierten kann er nicht preisgegeben nicht mehr Träger'eigener Rechte und daher auch kein
sein. Den Siegern standen mancherlei Arten des Vor- ..Staat"sein.
gehens gegen das besiegte Deutsc'hlandfrei' Diese eine Es braucht nicht weiter untersucht zu werden, ob dieses
aber war ihnen durch das Völkerrecht, ztt dern sie sich eine völkerrechtlich legitime Betätigung des Siegerwil'
lens wäre. Denn die Siegermächte haben sich in zahl-
bekannten und bekennen, verwehrt: die Vernichtung
reichen autoritativen und eindeutigen Außerungen ge-
des deutschen Staates ohne gleichzeitige Annektion' die
Subjugation, clie das deutsche Volk jedes völkerrechtlich sen die Unterstellung verwahrt, daß sie Deutschland in
-Weise
bestl*-baren Rechtsstatus überhaupt berauben würde .olcher in ein staatenloses Gebiet, in ein Nie'
I mit dem fragwürdigen Trost, daß ihm die Eigenstaat' mandsland, in ein bloßes Objekt fremder Herrschaft
lichkeit neu gewährt werden solle, wenn es ihrer künf' und Ausheutung oder in eine Zone der ,rverbrannten
tig als würilig erscheinen werde. Erde" verwandeln wollten, ,,We come as conquerors,

68 69
but not as oppressors',,hieß es in der proklamation Nr.
I teine ernstzunehmenden Anzeichen dafür, daß tler poli'
des Obersten Befehlshabers der Alliierten
Armeen. ,:.che Lebenswille des deutschen Volkes äbelhaupt ge-
Roosevelt und Stalin, Byrnes und Molotov.
Churchill. : rochen und daß es keiner staatlichen Selbstorganisation
und Bevin haben in wiederholten drastischen
und ein- .-,ehr fähig wäre. Die Entwicklung des politischen Le'
deutigen Vendungen eine solche Fried- und
Rechtlos- r rns in Deütschland in den drei Jahren der Besegung
legung Deutschlands abgelehnt, und auch das potsdamer
rat vielmehr deutlich erwiesen, daß trog einer get'issen
Abkommen Iäßt keinen Zweifel darüber, daß der I ethargie in manchen Schichten der Bevölkerung - die
Ville
/ der Sieger nicht
auf ein solchesZiel gerichtet ist. -iemand'en verrvundern kann - immer noch ein starker
Auch die Annahme einer debellatio mit anschließender
,rlitischer Lebenswille und Selbständigkeitsdrang r-or'
effektiver Vernichtung der deutschen Staatlichkeit muß
-'anden ist. Daß nach der beispiellosen Katastrophe von
daher als eine I(onstruktion, die dem in Deutschland
-y15 in verhältnismäßig kurzer Zeit ein funktionsfähi-
gegebenen Sachverhalt nicht entspricht, zurückgewiesen
:.r Yeru'altungsapparat, Länderregierungen auf parla-
werden. Es wäre in der Tat ein Hohn auf das Völker_
:r',entarischerBasis, große Parteien mit dem Bestreben
recht und eine Herausforderung des öffentlichen Gev,is-
rach einer gesamtdeutschen Organisation entstanden,
sens der Welt, r,enn ein - gleichviel unter welchen [Jm-
larf als keineswegs gering zu veranschlagendesZeichen
ständen besie$tes - Volk in die position eines bloßen
:Lir die Existenz eines politischen Lebenswillens gerver'
Objekts fremder Ge;walt gesroßen uncl hors la loi ge_
iit werden.
srellt würde. Es war daher nur selbstverständlich, daß r. ist clenn auch nirgends ernstlich behauptet,lvorden,
der Wille der Sieger, d. h. der Wi.lle einiger der größten .jaß clas deutsche Yolh die Fähigkeit zu siaatlicher
und zur Zeit bedeutendbten Nätionen der Velt nicht 'Wohl
S.lbstorganisation eingebüßt habe. aber ist be-
auf einen solchen Zustand gerichtet war.
lauptet worden, daß der Wille zu einem gesanrtdeut'
.,,.henStaatsverband-erlosdren sei. In einer juristisch-
g) I(eine debellatio mit Sraatszerfall ocler
::aatstheoretischen Formulierung ist von einer ,,Des'
Sta atszergliederung
ltegrationc' des Reiches gesprochenworden. Ein Staat,
Untergang des deutschen Staates durch Debellation .o besagt diese Lehre unter Verwendung des von Rudolf
l<önnte endlich auch in der Iffeise eingetreten sein, :Lnend geprägten Begriffs der ,,Inregration" (Verfas'
claß
der auf selbständige staatliche Existenz gerichtete poli. .,rng und Verfassungsredtt, lg29), bestehe nur solange
t i s c h eL e b e n s w i l l e d e s d e u t s c l , e nv o l k e s e r l o s c h e nw ä r e , -:r. Einheit, solange seine Bevölkerung sich politisch zur
daß der äußere Zuiammenbruch von eineni nicht mincler .laatlichen Einheit integriere, d. h' in ständiger Er-
katastrophalen inneren Zusammenbruch des deutschen reuerung und Beteuerung des Willens zur staatlichen
Staats- und Naiionalbewußtseins begleitet gewesenwäre Einheit und des Bewußtseins politisch-nationaler Zu-
und zu einer moralischen Selbstauflösungdes deut:schen i
.:nrnengehörigkeit an dem rechtliih-organisatorisqhen
S t a a t e sg e f ü h r t h ä t t e . Z,.rsammenhangdes Staatsverbandes f esthalte. Dieser
So tiefgehend auch die geistige und rnoralische-Erschüt- T-ille zur gesamtdeutschenstaatlichen Einheit sei mit
terung des deutschen Selbstbewußtseinsdurch die Kata- i-m Zusarirmenbruch des nationalsozialistischen Regi'
strophe des Kriegsausgangsger{esen ist, so gibt es cloch , es erloschen.Das Reidr habe sich in seine partikularen

70 7T
Staatsglieder dd'sintegriert, An die Stelle des,aufeelös- =,äeidung zugunsten der einzelstaatlichenLandessouve'
ten Reichsverbandes sei die Vielzahl der partikuiaren :äuität getroffen.
Staatsgebilde getreten, in denen sich die Bevölkerung -{uch die Besagungsmächte haben sich überwiegend
auf stammesmäßig-landschaftlicherGrundlage heute zu .icht im Sinne einer solchenZergliederung Deutschlands
neuen Einheiten integr-iere, (Walter G, Becker, Desinte- rn souveräne Teilstaaten ausgesprochen.Am stärksten
gration des Reiches. ,,Der Tagesspiegel,.vorn 18. März, rriderstrebt die Sowjetunion der staatlichen Desintegra-
7947.) tion Deutschlands. Aber auch die amerikanischen und
Es wäre dieses unter historischen Aspekten ein wahr- englischenPläne zielen nicht auf eine staatenbündische
haft paradoxer Vorgang, da die Integration des deut- Form der deutschen Föderation. Die Auflockerung cles
schen Volkes zur staatlichen Einheit im 19. Jahrhundert Reiches in einen Bundesstaat brauchte nicht die Ver'
gerade von den demokratischen und liberalen Kräften nichtung der deritschen Staatlichkeit zu bedeuten; sie
ausging, an die man heute anzuknüpfen sucht. Abge* ,.äre ein Verfassungswechsel,aber kein Wechsel der
sehen von dieser historischen Reminiszenz ist jedoch Staatsidentität. Jedenfalls könnten, wenn überhaupt,
festzustellen, daß solche Tendenzen zur Desintegration nur alle BesaSungsmächtegemeinsam durch einen kon-
der deutschen Einheit nach 1945 nur in einer verschwin- .titutiven Gesamtakt die ,"Dismembration" cles Reiches
dend kleinen Minorität der deutschen Bevölkerung auf- --ollziehen. So wenig wie durch das Erlöschen des Ein-
getreten sind. Das gesamtdeutscheStaats- und National- heitsbewußtseins und des Einheitswillens der Bevöl-
hewußtsein und die Idee der politischen Einheit Deutsch- kerung ist Deutschland durch einen solchen ausdrüd<-
lands sind im ganzen durchaus.lebendig geblieben. Vou lichen oder konkluclenten Gesamtakt tler SiÄfiermächte
den großen deu-tschen Parteien hat sich keine ei4zige in I? oder 18 souveräne oder quasi'souveräne Teilstaa-
zur Auflösung dieser Einheit bekannt. Es ist ganz ein- ten zerlegt worden. (Zutreffend Zinn, a' a' O', Sp' 11:
deutig erkennbar, daß ein solcher Standpunkt in der ..Der Sinn der Länder kann es deshalb nicht sein"
deutschen Bevölkerung keinen Rückhalt finden würde- Deutschland zerfallen zu lassen, sondern der deutschen
Auch die deutschen Landesverfassungengehen mit we- Souveränität wieder eigene Organe zu schaffen"')
und
nigen Ausnahmen von der selbstverständlichen Zrgehö- Die Überprüfung aller völkerreihtlich möglichen
rigkeit des Landes zu einem deutsdren Gesamtstaat aus, denkbaren Formen eines Staatsuntergangs als Folge'
der in der Regel als ,,deutscheBundesrepul]liko' bezeich- rrirkung einer militärischen Debellation ergibt demnach'
net wird. Dieser Gesamtstaat wird überwiegend nicht ,laß ein solcherSiaatsuntergangin Deutschlantl1945 nicht
als etwas künftig erst zu Errichtendes, sondern als eine =tattgefunden hat. Die von den deutschen Yölkerrechts-
bereits existente Größe aufgefaßt. Im Verhältnis zu die- lehrern auf ihrerHamburger Tagung am 16'i 17' 'A'prill947
ser deutschen Bundesrepublik nehmen die Länderver_ :etroffene Festsetllung, daß Deutschland ,,auch nadr der
fassungen nirgends die Souveränität für sich in An- bedingungslosenKapitulation der deutschenI[/ehrmacht
spruch - wie sie die Einzelstaaten im Deutschen Bund unil der Besegung ein Staat mit eigenen Staatsangehöri-
zweifellos besaßen. Auch die Verfassungen von Baden gen und ein Rechtssubjekt im Sinne des allgemeinen
und Bafern, die in dieser Hinsicht die srärksten Vor- l-ölkerrechts geblieben'oist, besteht daher zu Recht. Es
behalte aufweisen, haben'keineswess eine klare Ent- -.ird im folgenden zr zeigen sein, daß nicht nur negativ

72 73
dieTatbestandsmerkmaleeinesStaatsuntergangesfehlen, t orübergehen.d, die Aulgaben des deutschen
sondern auch positiv die Mindesterfordernissefür die A.u- Staates übernehmen mußten, daß das deutsche Vollt
nahme der rechtlichenFortexistenz des deutschcnStaates aber nadl, ausreichend,er Entrnilitarisierung und Ent-
vorhanden sind. nazifizierung seine eigenen Angelegenheiten üuf
tl emoltr atischer Grundlage uieder selbst u ahrneh.men
3. Der Fortbestand der deutschen Staatseinheit
solle: das amerihanische Volh wünsche. dem deutschen
a) Verfassungsiernichtung, aber.keine Staatsvernichtung 1 olhe die Regierung Deutschlands zurüchzugeben. -
Trog des Ztlsammenbruchesvon 1945 bestehr die staat- tbereinstimmend damit hat der souietische Außen'
Iiche Einheit Deutschlands fort. Diese Feststellung er- minister Mblotow aul der Pariser Kanlerenz am
gibt sich nicht nur negativ aus der Tatsache, daß eine 10. Juli 1946 erhlärt" die Attlgabe der Allüerten' be-
debellatio mit der Folge des Staatsuntergangs nicht stehe nicht darin. Deutschlan,d zu uernichten, sanclern
stattgefunden hat - sie liegt auch der Politik der Be- es in einen demohratischen Stuat zu aerwancleln'.
sagungsmächtezugrunde, die in ihren Erklärungen und Das Ziel der Siegerrnächteist demnach nicht, die Staat'
Handlungen den Fortbestand dieser Einheit vöraus- ..chkeit Deutschlands aufzuheben, sondern ihm eine
sege,n. :reue demokratische Verfassung zu geben. Der Zusam'
Grundlegend ist auch hier die Berliner Viermächteerklä- renbruch von 1945 hat nicht zur Sta-atsvernichtung,
rung vom 5. Juni 1945. Insbesondere der Sag der Frä- -,rndqrn nur zu einer Verfassungsvernichtung geführt.
ambel diesör Erklärung, daß .die vier alliierten Regie- Deutichland hat nicht aufgehört, ein Staat zu s-gin;aber
rungen ,,hiermit die oberste. Regierungsgewalt in e! ist qeit 1945 ohne gesamtstaatlicheVerfassung.
Deutschland (übernehmen), einschließlich aller-Befug- In der Snche R. u. Bottril, ex parte l(ilch'enmeister,
nisse der deutschen Regierung, des Oberkommandos der AII E. R, VoLI, 1946, p.635, hat das britische Foreigtt
Vehrmacht und der Regierungen, Yerw-altungen oder Of fice d.em Gericht gegenüber lestgestelh: Auf Grund
Behörden der Länder, Städte und Gemeinden", läßt er- der Berliner Erklärung uom 5. Juni 1945 ,,besteht
kennen, daß die Siegermächtedie l(ontinuität des deut- Deutschland. noch als Staat und besteht auch' eine
schen Staates zur Voraussegung ihres Besag,ungsregirnes tleutsch'e Staa'tsangehörigheit. Abet d'ie Regierung
gemacht haben. Nur unter dieser Vorarissegung, daß Deutschlands wird durch die Allüerte liontrollkom"
Deutschland als eine der Regierung bedürftige staatliche mission getührt."
Einheit fortbestand, war es sinnvoll, von der Übernahrne \ äre die durchgeführte Verfassungsvernichtung total
dqr ,,Befugnisse der deutschen Regierung'! zu sprechen. sewesen? so wäre es allerdings schwierig, den Fort'
Ebenso geht das Potsdanrer Abkommen davon aus, daß l,estand der deutschen Staatlichkeit nachzun'eisen.Denn
Deutschland als Einheit erhalten bleiben soll. Insbeson- ieder Staat bedarf eines Minimums an staatlicher Ord'
dere faßt es die Wiedereinsegung einer deutsche:nZen- nr.rng,um existent zu sein. Aber die-Verfassungsvernich-
tralregierung, rrenn auch erst für einen späteren feit- trlng von 1945 war keineswegs total in dem Sinne, daß
punkt, ins Auge. die deutscheVerfassungsordnung in allen ihren Bestand-
Außenminister Byrnes hat in seiner Stuttgartcr R.ecle teilen restlos ausgetilgt worden wäre. Die Yerfassurrgs-
uom 6. September 1946 auigeführt, d,aßdie vernichtung bezog sich nach dern Willen der Sieger auf
.Allüerten

74 1J
die rrationalsozialistischenund militärischen Elemente : ;.teit diese technisch-neutralen Verf assungselemente
der deutschen Staatsorganisation, d. h. auf den poli- -,,r akzessorischenGestaltungsformen nationalsozialisti'
tischen Verfassungskern des deutschen Staatssystems. . her Verfassungspolitik überlagert wurden, beschränkt
Da alle besteheirden Staatsorgane mit diesen national- .-Ä ihre Fortgeltung naturgemäß auf ihren ursprüng'
sozialistischenund militaristischen Elementen untrenn- , iren, erhaltenen I(ernbestandteil' Beispielsweise ist
bar verbunden waren, mußten sie in Ausführung dieses le Äufhebung der Landesstaatsangehörigkeit durdr
Willensentschlusseszunächstsämtlich beseitigt werden. iir Verordnung vom 5. Februar 1934 als ein Akt spe'
Es gibt aber in jedem Verfassungssystem eine große :{.ch nationalsozialistischen Unitarismus anzusehen'
Zahl von politisch neutralen Institutionen und Normen, ,ior mit der'Wietlerherstellung der Länderstaatlichkeit
von Einrichtungen und Vorschriften technischen Cha- --infällig geworden ist; gleichwohl gibt es, wie auch vor
rakters, die nicht durch die herrsdrende Ideologie kon- -i3-1, weiterhin eine deutsche Staatsangehörigkeit' für
stituiert sind,- sondern sich in der gleichen Veise auch ieren Verhältnis ru. Landesstaatsangehörigkeit die
110
in ganz anderen politisdren Systemen finden. Selbst das -.rrndsäge des GeseEesvon l9l3 und der Artikel
lfeirnarer Reichsverfassung maßgeblich sind' Insbqson-
totalitäre deutsche System von 1933-1945 wies solche
Elemente eines von der Parteiideologie sowohl wie von lere ist auch der Artikel 1I0 Abs' 2 heute nach wie vor
Rei-
,,militaristischen'o Traditionen unberührten, technischen ::r Kraft: .,Jeder Deutsche hat in jedem Lande des
,,äes die gleichen Rechte und Pflichten wie die Angehö'
Verf assungsrechtes auf . Die se technisch-neutrsletr, V er-
fassungselemente haben - .soweit sie nicht durch aus- rigen des Landes selbst'oo(Prinzip des gemeinsamen
drückliche Bestimmungen des I(ontrollrates aufgehoben , udigenats')
- abgesehen von
worden sind - ihre Geltung auch im u.nd.nach dem Zu- \rrclr das deutsche Recht im garrze:nist
sammenbrucll aan 1945 beuahrt. rleseBen spezifischnationalsozialistischer'oder militari-
auch diese
Zu diesen Elementen gehören vor allem jene Bestim- .tischer Prägung - in Geltung geblieben, und
Rechtsordnung ist in ihren fundamentalen Einrichtun'
mungen der Weimarer Yerfassung, die zwischen 1933
Ver'
und 1945 in Kraft geblieben waren und deren tech- :eu ein wesentlicher Bestandteil der staatlichen
Reichsgesege nic}t (u'ie
nisch-neutraler Charakter eben''dadurch dokumentiert ,".,orrgrordnung. Daß die alten
IBC6 der Fall war)
n'ird, daß auch der nationalsozialistisdre Staat sie ak- .. nach der Reichsauflösung von
zeptieren konnte, obwohl sie aus der von ihm erbittert rtir kraft einer Yerwandlung in partikulares Landes-
ist
bekämpl-ten demokratisch-liberalen Verfassung stamm- redrt, sondern als gesamtdeutschesRecht fortgelten'
dafür, daß es einen Rest'
ten. fnsbesondere zählen zu diesem Bereiche döutscher .in bedeutsames Zeichen
Deutsch'
Yerf assungskontinuität die Bestimmungen der'Weimarer t,estand verfassungsmäßigerGqsamtordnung in
Verfassung über die Kompetenzabgrenzungzwischen der .and nodr gibt.
Reichs-und Landesgeseggebung(darüber unten III, 4 a),
f erner die Grundzüge clesdeutschenStaatsangehörigkeits- b) Rechtsfähigkeit, aber keine lfantllungsfähigkeit
' rechtes nach Maßgabe des Artikels 110 der Veimarer
Reichsverfassungund des Reichs- und Staatsangehörig- Infolge der mit der militärischen Niederlage verknüpf'
keitsgesegesvom 22rJuli 19I3. ten partiellen Yerfassungsvernichtung, die nur die tech'

,7 t7

76
nisch-neutralen Verfassungselemente bei Bestand Ee_ -rt
ntndlun gsf ähi glt eit ein g ebüß t. (Y gl. 11echtsgut achten
lassen hat, entbehrt Deutschland a!lerdings seit l9_ID l" Kaiser-Vilhelm-Instituts für ausländ. u. internat.
der rechtlichen Villdns- und Handlungsfähigkeit, und ?rii-atredrt betr, dielvon der brit' Ifil.Reg. angeordneten
zwar im innerstaatiichen sowohl wie im zwischenstaat_ :{olzeinschläge in den Gebieten an .del holländischen
lichen Leben. Es hat keine eigene Regierung, keine -t:enze, im folgenden zitiert als Tübinger Rechtsgut-
eigene Geselgebung, Justiz, Verwaltung, keinen diplo- ::Lien, Seite B. E. Kaufmann, Deutschlands Rechtslage
matisch-konsularischenAlparat zur pflege der auswär- ' r n t e r d e r B e s a g u n g ,1 9 4 8 , S e i t e 3 ' S a u s e r - H a l l ,a ' a . O ' ,
tigen Beziehungen. Jedes gesamtdeutscheOrgan ist ver_ :eite 36, 54, 58. Obergericht Zld-Ädl,l)Rz. 1947' Seite 3I
schwunden; alle gesamtdeutschen Institutionen sind i , i s3 3 . )
aufgelöst. Insbesondere haben die für die deutsche Ein_ -indessenkann einö Staatlichkeit ohne Yerfassung und
heit so repräsentativen 'großen Reichsanstalten der '- andlungsfähige Organe von einem Yolke nur vorüber-
Reichsbank, der Reichspost und der Reidrsbahn ihren :ehend und nur unter der Voraussegung erträgen wer'
gesamtdeutschenZusammenhang verloren. len, rlaß der Wil!e zur staatlichen Einheit lebenclig
Manchen wird die Schlußfoigerung naheliegend erschei-
'daß i,leibt und alle Energien auf die Viederherstellung eines
nen, der behauptete Fortbestand der deutschen. :eordneten und normalen Verfassungszustandesgerich-
Staatseinheit - einer staatlichen Einheit ohne Verfas- iet sind. Wird die Verfassungslosigkeit zum Dauerzu'
sung, ohne Villens- uncl politische Handlungsfähigkeit, .tancl und gewöhnt sich das betroffene Yolk daran, sich
ohne Organe und Institutionen - eine bloße Fiktion sei.. ,larnit abzufinden, so verblaßt die staatliche Einheir in
der jede existentielle Grundlage fehle. Das Gervieht iler Tat zu einer Fiktion, die auch durch didfuristische
eines solchen Einwands ist nicht zu verkennen. Es ist Konstruktion einer fortbesTehenden Rechtspersönlich-
zwar rechtskonstruktiv möglich und notwendig, die keit keine Realität zu erlangen vermag.
Rechtsfähigkeit eines Staates von seiner Willens- und Es ist in die Verantwortung der Länderregierungen, der
Handlungsfähigkeit zu trennen, ähnlich wie diese Unrer_ rleutschen Parteien, wie aller Organe der öffentlichen
scheidung im Zivilrecht jedem Juristen geläufig ist. Es \Ieinung.gestellt, an der Überwindung des verfassungs-
ist auch erforderlich, zwischen der Staatlichkcit eines -osen Zustandes nach besten Kräften mitzuarbeiten'
Gemeinwesensüberhaupt und seiner konkreten Verfas- Ir.eine Not des Tages und kein Druck von außen kann
sungsform zu unterscheiden. Es ist juristisch nicht un- die in öffentlicher Funktion stehenden Repräsentanten
erlaubt, die Möglichkeit anzunehm*rr, d"ß ein Staat ties deutschen Volkes von dieser Verantrvortung be'
ohne Verfassung bestehe, wie der Zustand vorülier_ freien.
gehender Anarchie beweist, der in jeder Revolution
ebenso wie auch bei der totalen kriegerischen überwäl-
c) Die Übernahme der deutschen Staatsgewalt
tigung eines Staates fast zwangsläufig eintritt. Es ist
durch die Besagungsmächte
daher durchaus zutr.effend und juristisch korrekt, wenn
in bezug auf die gegenwärtige rechtliche Lage Deutsch- \ach tler klassischenLehre von den drei Elementen des
lands gesagt r.r'ird, es sei als eine staatliche Einheit zwar Staatsbegriffes gehören zum Wesen des Staates das
rechtslähig geblieben, habe aber seine Willens_ uftd' Staatsgebiet, das Staatsvolk und die Staatsgervalt.Die

no 79
Evidenz dieser traditionellen Lehre hat bisher jeder ;ren Regierungsgewalt an die Siegermächte vorzuneh-
I(ritik standgehalten. Auf die heutige Lage Deutsch. nen. Die legten deutschen Regierungsstellen haben
l a n d s a n g e w a n d t ,e r g i b t s i c h a u s i h r : ';re Aktionsfähigkeit verloren,
ohne ihre I(ompetenz-
Das deutsdre Staatsgebiet und der Zusammenhalt des L,,heit an eine andere Stelle delegiert zu haben (vgl.
deutschön Staatsaolkes sind durch den Zusämmenbruch .,L,enf,2). Demgemäß stellt die Berliner Erklärung als
von 1945 in ihrem Bestande gefährdet, aber nicht aus. l-orausseBung des Übernahmeaktes fest: ,,Es gibt in
gelöseht. Auch das dritte Element, die deutsche Staats- Deutschland keine zentrale Regierung oder Behörde,
geualt, besteht-fort. Aber diese deutsche Staatsgewalt tle fähig wäre, die Verantwortung für die Aufrecht-
hat seit dem Zusammenbruch, spätestensseit der Inhaf- orhaltung der Ordnung, für die Verwaltung des Landes
tierung der Regierung Dönig, keinen deutschen Träger rnd für dieAusführung derForderungen der siegreichen
mehr. I'Iächte zu übernehmen'o (Präambel, Abs.2).
Aul die utnstrittene ftechtsstellung der Regieru,ng Die deutsche Staatsgewalt ist zwar nicht der Substanz,
Dönig braucht in iliesem Zusammen,hang nicht ein- ," ohl aber der Ausübung nach auf die Besagungsmächte
gegangen zu werd,en. Die Rechtswirhsamheit der riLergegangen.Sie ist ihrem Wesen nach deutscheStaats-
Kapitalation ist jedenlalls aon der Legalitüt iliöser .elalt geblieben, aber sie wird von fremden Mächten
Ptegierung nicht unmittelbar abhöngig, uie aiellach ,iurch deren Organe ausgeübt. Es ist nicht unbedenk-
aigenomrnen wird, agl. Laun, Die Haager Land,lriegs- -icL, dieses eine Suspension der deutschen Staatsgewalt
ordnung, Seite 63. I(apitulationen ltönnen uon d,en nn nennen. (Vgl. Tübinger Redrtsgutachten, Stite 6,)
obersten militärisdten Beföhlshabern auf eigene Vei- :lrspendiert ist allein ihre Ä,usübung durch deutsche
antüortung abgeschlossen userden. Daß tlie Umter- t-,rgane,dagegen ist die Staatsgewalt als solche durchaus
zeichner d,es Kapitulationsslttes aom 7.l8.Mai 1945 -n Aktion, wenn auch durdr Vermittlung fremder Or-
Iegitimierte Vertreter der obersten rnilitärischen :ane. Es sind deutscheZuständigkeiten, nicht etwa bloß
I{ommand.ogewah in Deutschland Laaren) wird. nie- -.inhaltsgleiche fremdeooZuständigkeiten, die ausgeübt
mand bezweifeln. ,.erden. Denn nach dem klaren Wortlaut der Berliner
Sie ist vielmehr, wie die Berliner Erklärung vom 5. Juni Erklärung haben die Besagungsmächte ,,alle Befugnisse'o
1945 besagt, von den Besagungsmächtenübernornmen der deutschen Regierung usw., also ileren, Kornlteren-
und von ihnen auf ihre Kontrolloreane überxraEen :en, übernommen. Deutsche Rechte werden demnach
woiden. ,iurch fremde Organe ausgeübt.
Die deutsche Staatsgewalt ist nicht etwa von einer Anders beurteilt die Rechtslage in dieser Hinsicht
aktionsfähigen deutschen Regierung im Wege der Kapi- das Tübinger Rech,tsgutadtten, Seite 70, d.as zu dem
tulation rechtsgeschäftlich auf die Besagungsmächte Ergebnis kommt, die Allüerten übten. in Derttschla;il
übertragen worden. Der rein militärische Charakter der ihre eigene Sta&tsgeu)üIt aus, die uom Kantrollrat er-
Kapitulation sdrloß einen so weittragenden staatsrecht- Iassenen Redttssüge seien aussdtließlich eigene Lan-
lich-politischen Inhalt aus. Die militärischen Bevoll- clesgesegeder Alliierten, also gemeinsatnes allüertes
mächtigten, welche die Kapitulation vollzogen, besaßen Staatsredrt, das aul dem Sond,eroölkerrecht uon Jalta
ktiine Kompetenz, eine politische übergabe der deut- und, Potsdam beruhe. Die Streitfrage ist con erheb-

80 81
lidzer praktischer Tragueite, was sich alsbald zeigen. Dies gilt, wie nodt, zu zeigen sein wird, obgleich d.ie
muß, wenn die deutsche Staatsgeualt in die ltranil Kam.pfhandlungen beendet sind. Abgesehen aon eini-
deutscher Organe zurücltgegeben uird. Die hier uer-' gen Ausnahmen sind die allgemeinen Besagungsregeln,
tretene Auflassung lüßt im Gegensag zum Tübinger der HLKO. auch aul eine znischen I(rieg unil Frie-
Gutachten die Möglichlreit ofren, d,ie aom Kontrollrat rlen steltende militärische Siclterungsbesegung an-
aul Grunil der sequestrierten deu,tschenGeseggebungs- nendbar, wie sie in Deutsch.land gegenuärtig besteht.
hoheit erlassenen Gesege noch, im Rahmen eines Be- S i e h eu n t e n I V , 7 .
sagungsregirnes im Wege der autonomen tleutschen Daneben besigen sie andererseits die deutsche Staats-
Geseggebung zu reuidieren. - Wie hier das Ober- boheitin allen ihren Funktionen, die sie durch rlie Ber-
gerich;t Zürich, a.a.O. Seite 32; Peters, Seite 2ff"; liner Erklärung an sich genomrnen haben.
F. A. Mann, SlZ. 1947, Seite 477 : der Kontrollrat übt Cleichviel, wie man diese Staatsgewalt definieren will,
,d,ie Funktionen einer deutschen Regieru.ng aus, Er ob als Kompetenzhoheit oder als Souveränität oder wie
erlüßt deutsche Gesege. Die Akte seiner aollziehen- .onst (die offiziellen Erklärungen haben, r'as nicht be.
den Beamten sind Ahte des deutschen Staates". deutungslos sein dürfte, den Ausdruck ,,Souveränität"
Es liegt damit der Fall der völkerrechtlichen Sequestra- konsequent verrnieden) - der Kontrollrat übt diese deut-
tion d.er deutschen Staatsgewalt durch fremde Mächte .che Staatsgewalt ihrer galezelnFülle nach aus und besigt
vor. Die Rechtslageunterscheidet sich insoweit vollstän- insofern eine plenitudo potestatis. Daraus erklärt sich
dig von der des Jahres I9IB,.wo es zu einer Sequestra* cler Anspruch auf die unbedingte Gehorsamspflicht der
tion der deutschen Staatsgewalt durch die Sieger nicht deutschen Bevölkerung, der in der Berliner Erklärung
gekommen war. Sie unterscheidet sich ebenso vollstän- rnit den Vortdn umschrieben ist: ,,Alle deutschen Be-
dig von der des Jahres 1806, wo es zur Auflösung des hörden uird das deutsche Volk haben den Forderungen
Reiches und zum Untergang jeder gesamtdeutschen der alliierten Vertreter bedingungslos nachzukornmen
Staatsgewalt gekommen war. (Verfehlt insoweit Denne- und alle . . . Proklamationen, Befehle und Anordnungen
-Wesen und Anweisungen uneingeschränkt zu befolgen" (*A,r-
wig, Der Föderalismus, und Geschichte, 1947"
Seite 8 ff., der Parallelen zwischen den Vorgängen von iikel l3 b).
l806 und L945 at konstruieren sucht.) Diese Übernahme. der deutschen Staatshoheit eine
..Usurpation" zu nennen, d. h, ein Ergreifen der Rechts:
rnacht allein auf Grund tatsächlicher Gewalt (Seuffert,
Die Grundlagen der heutigen Verfassung Deutschlands
d) Die Doppelstellung der Kontrollorgane
nnd das Friedensproblern, Ztschr. f" d. ges, Staatswiss.,
Die Besagungsmächte, repräsentiert durch ihre Kon- 19,X8,Heft 1), ist nicht uniredenklich. Die totale Kapi-
trollorgane, nehmen dainit eine eigenartige rechtliche tulation Deutschlands hat den Siegerrnächtennicht nur
Doppelstellung ein: sie üben einerseits die militärische die faktische Gewalt über das deutsche Volk ein-
Besagungshoheit in Deutschland aus, die ihnen nach 3eräumt, sondern ihnen nach den Grundsägen des
überliefertem Völkerrecht in den Sdrranken der Haaser \'ölkerrechts auch die Verantwortung für Deutschland
Landkriegsordnung zusteht. auferlegt. Venn es nach dem Villen der Siegermächte

82 83
vorläufig keine eigenwüch\sige Zenftabegierung in .chen Volke noch gegenüber dem Ausland. (Insoweit
Deutschlantl und keine sonstigen eigenen Organe tler zutreffend das Tübinger Rechtsgutachten, Seite 7.)
-politischen Willensbildung und der Exekutive geben Als Inhaber der deutschen Regierungsgewalt sind' rlie
sollte. sq waren diese Mächte nicht nur berechtigt, BesaSungsmäch'te auch' in iler I'age, d.urch Abschluß
sondern auch verpflichtet, die deutsche Staatshoheit uon uöllt,errechtlichen Vertägen mit dritten Staaten
vorübergehend ersagweise in ihre eigene Hand zu neh- Deutschlanil mind,estens lür die Dauer d,esgegenwär-
men. Der Rechtstitel für die Übernahme der deutschen tigen Besagungsregimes unmittelbar zu berechtigen
Staatshoheit ilurch die Besagungsmächte ist insoweit die und, zu uerpflidtten. Nur im Verhähnis zu sieh' selbst
im Völkerrecht begründete Verantwortung des Siegers könnten sie Deutschland' uegen' des Vetbots des
für den Besiegten. (Vgl. die oben III, I c zitierten Aus' Selbstkontrahieiens nicht aertreten (siehe oben II,5).
führungen von Jennings, MDR., 1948, Seite 6') Es ist zu beachten, d.aß si&' die allüerten Regierwr,'
Mit der Erkenntnis dieser Doppelstellung der I(ontroll' gen ilie'Vertetungsbefugnis in ausuärtigen Ange'
organe als militärischer Okkupationsbehörden einerseits legenheiten Deutschlonds selbst aorbeltalten und sie
und Verwalter der deutschen Staatshoheit ändererseits nicht aul ilen Kontrollrat übertagen haben. Nach
sind allerdings noch nicht altreAspekte des Besagungs- dem Berliner Statement über das Kontrollaerfahren
rechtes erschöpft. Vielmehr ergeben sich weitere Beson' oom 5. Juni 1945( Amtsbl. des I(R., Erg.Bl. Nr.1,5.10 )
ilerheiten aus den ganz spezifischenZielen, die der heu- ist nur die oberste Gewalt ,o in Deutscih'land"'a'-tl den
tigen Besegung Deutschlands zugedacht sind: aus der Kontrollrat uh.d die Oberbef eltlsliaber übertLagen wor-
politischen Intervention zum Zwecke der Entmilitarisie' den. V gl. F. A. Mann, SIZ. 1947, Seite 469.
rung, Entnazifizierung und Dömokratisierung und aus Der Kontrollrat ist auch als Träger der deutschen
der wirtschaitlidren Exekution z:u:lr'Zwed<e iler Sicher' Staatshoheit ein interalliiertes Besagungsorgan; seine
stellung und Eintreibung der Reparationen' Llerrschaftsgewalt gründet legtlich in der fremden
Jedoch ist die hier gekennzeichnete Doppelfunktiorr tler Staatsgewalt, kraft deren die deutschen Regierungs-
I(ontrollorgane für den gesamten Aufbau des deutschen befugnisse übernommen wurden. Er übt kraft der eige-
Besagungsrechtes zunächst von grundlegender und ent- nen Souveränität der Besagungsmächtedie von diesen
scheidenderBedeutung und daher nähererUntersuchung übernommenen unil ihm übertragenen deutschen Sfaäts'
bedürftig. funktionen aus.
Der Kontrollrat als gegenwärtiger oberster Träger der Eine amtliche Feststellung des britischen' Foreign Of'
deutschen Staatshoheit ist kein deutsches Reichsorgan,
fice in iler Sache R. u, Bottril, etc pürte l(üchenmeister
das eine Art Yerweserschaft für die fehlende deutsche (1 I( 8.47), besagt, d,aß ,,die AIIüerte Kontrollhonr"
Zentralregierung ausübte. Er ist keine- provisorische mission die Stelle (ist), durch utel:dre d'ie Regierungs'
deutsche Regierung und er leitet seine Reihtsstellung geuah in Deutschland ausgeübt wird," (zitiert nach
nicht derivativ aus deutschern Rechte ab, so daß er im Cohn, MDR., J947, Seite 179). Gleichlautend die Er'
'W'ege
der Sukzession in die Rechtsstellung der frühererr klärung des Außenministers Beuin uom 20.IVIärz1945
deutschen Machthaber eingerückt wäre. Er ist kein Re' (Hansard., Parl. Debates, 8d.420, Seite 7856; zitiert
präsentant Deutschlands, weder gegenäber dem deut' nach Cohn, a. a. O.). Im Anschluß hieran gelangt

84: 85
F. A. Mann, SlZ. 1947 5p.477 zu der Feststellung: richtiger Erhenntnis der Doppellunhtion des Kan'
,,Innerhalb des Landesrechts äbt d,er l(ontrollrat d.ie trollrats Peters, NJ. 1947, Seite 4.
Funlttionen einer deutschen Regierung aus," Der heutigen Fragestellung nähern sich die Unter'
Es muß hierbei beachtet werden, daß die Frage nach ;tt ch,ungen N eumey er s, I nt ernationale s V erw altun g s'
der Rechtsnatur der von den alliierten Kontrollorganen recht, IV, 1936, Seite 539 ff. Seiner Auffassung, daß
in Deutschland ausgeübten Regierungsbefugnisseniöht auch im FaIIe einer Verwaltungszession die Verwal-
identisch ist mit der in früheren Besegungsfällen häufig tu.ngsmacht. elgene Staatsgewalt im uerwalteten Ge'
erörterten Streitfrage, welcher Art die Yerwaltungs- biet übe, kann jedoch nicht zugestimm't u)er.de'n.
befugnisse sind, weldre die Besagungsbehördenim Rah-
men einer normalen occupatio bellica ausüben. Die Be-
e) Die Treuhänderschaft der Kontrollorgane
sonderheit der heutigen Rechtslage Deutschlands liegt
in der Sequestration der deutschen Staatsgewalt und Die Doppelfunktion der alliierten I(ontrollorgane hat
der dädurch bewirkten eigentümlichen Doppelstellung :ur Folge, daß sie,bei der Betätigung ihrer verschieden'
der Besagungsmächteund ihrer Organe. ':rtigen Befugnisse auch versihiedenartigen völkerrecht'
'Während
Diese Doppelstellung uird nicht berücltsichtigt in der iichen Bindungen unterliegen. die militärische
Entscheidung des Obergerichts Zürich (1. K. 1. 12. Besagungshoheit,die der Verfolgung der ,,militärischen
1945; Schneiz. Jur. Zeitg. 1946; Seite 89 fr.; DRZ. \otwendigkeiten'o (n6cessit6esmilitaires) der Okkupa-
1947, Seite 31 fr.), die zu dem Ergebruis hommt, daß tionsmächte dient, in ihrem eigenen Interess& und nur
,,die Besagungsmöchte hralt VöIherrechts deutsclrc nit einer im Völkerrecht, insbesondcre in der HLKO'
Staatsgezoaltausüben'". Sie bleibt ebenso unberüch- f.rierten Rüd<sicht auf ilie deutscheBevöikerung auszu-
sichti g t b ei Schl o chau er, D eu t schland s u öIk eruechtli,che üben ist, ist die den I(ontrollorganen übertragene deut-
Stellung und ilie zultünltige Friedensregelung, DRZ. 'che Staatshoheit umgekehrt im Interesse der deutschen
1947, 5.118 fr., d,er zu dem entgegeftgese7tenErgeb- Beuölkerung, wenn auch zugleich mit Räcksicht auf die
nis gelangt. Nach seiner Aullassung übt det Kontoll- Ziele der Besegungspolitik wahrzunehmen. Man hat da-
rat seine Funhtian ,,als eine aLLsden Vertretern der Ler mit Recht die Rechtsstellung der Kontrollorgane
aier alläerten Mächte zusarlmengesegte gernischte a!s Träger der deutschen Staatsgewalt als Treuhänder-
Kommission lralt materiell übereinstimmender, aul :;haft bezeichnet.
aöIherrechtlichen Abkomm.en beruheniler Landes- So im Ans&,\u.ß an d.as Rechtsgutachten des Aberstett
rechte der aier Besagungsmächte.aus'.. Seine,4nord. Finanzgerichtshofes in München äber d.ie Weitergel-
nungen sind ,,nicht etua innerdeutsch,es Recht, son- tung aon Handelsuerträgen ntit dem Ausland, uom
dern Anweisungen der einzelnen oder uereinigten 5. April 1946 (Jahrb. f. internationales u. ausländ..
Besugungsmächte". Unzutreffend ist insbesondere öff. Recht, 1947, H. 7), uor allein Zinn, SJZ. 1947,
auch die Annahrne, die uom l(ontrollrat duszuübende Sp. 11; treffend hat sodann aul der Münchener Mini-
oberste Regierungsgewalt bestehe nttr ,,in einer Kon- sterpräsidenten-I{onferenz (6.-8. Juni 1947) Staats-
trollfunktion und nicht in einer eigenen Geseg- rat Schmid erklärt, der Besagungsznech nerdö ,1eils
gebungs- uncl Verwalnmgstätigheit.oo - Zutreffend irt im eigenen Intereise der Besagungsmüchte,teils aber

B6 87
in, einer Art aon Treultänderstellung d,urchge!ührt". :.sehen das Besagungsregime mindstens doppelgleisig
(Die d.eutsche Ministerpräsidenten-Konferenz, 7947, r't. indem neben der treuhäntlerisdren Ausübung der
Seite 94.) ZutrefJenil auch a, Mangaldt, Grundsög- i.errtschen Sta.atshoheit üie irn Eigenintetesse {et Sieger
liches zum Neuaulbau einer deutschen Staatsgeualt, ausgeübte spezifischeBesagungshoheit einherläuft' Die
1947, Seite 10. - Wenngleich in den sorustigen SteI- .pätet näher zu erörternden besonderen Besagungs-
lungnahmen, die Doppellunhtion der Kontollorga,ne zr, ecke untl die ilailurcl bedingten einschneidenden
nicht im,mer klar erhannt wird, so hat doch der Jlaßnahmen der alliierten Interventions- und Repara-
Grundsag ei,nei treuhänderischen Bindung d.er Be- tionspolitik machen das Bild noch vielgestaltiger und
sagun gsmächte u eithin Anerk ennun g gef und en, II er - nndurchsichtiger. Vielfältige Kollisionen waren und sind
aorzuheben Obergericht Zürich, DRZ. 1947, a. a. O. ,ier Natur der Sache nach unausbleiblich. Trogdem wäre
Sähe 33, sowie Sauser.Hall, a. a. O. in eingehend,er es verblendet, nicht zu erkennen und anzuerkennen,
Darlegung. VgI. lerner Tübinger Rechtsgutadtten, daß es zahlreiche Maßnahmen echter treuhäntlerischer
Seite 37: ,,ein aom objelttiuen \'ölltenecht begrün- Fürsorge der Besagungsmächte gegeben hat und daß
d,etes gemischtes Treuhandaerhältruis ex jure'o; Vott ,-ias Bewußtsein treuhänilerigcher Verantwortung bei
'Wachsen
einer T r euh ön il er st ell u n g d er B esa gun g smächt e spr i ch.t ihnen im ist.
auch ilie Eingabe des Vorstand,es der SPD, ootrx Jetlenfalls ist daran festzuhalten, daß die ohne Annek-
22. Dezember 1947 an den Kontrollrat (Grundsäge tion vollzogene Übernahme der deutschen Staatsgewalt
lür ein Besagungsstatut, B, I, 7), Auch Abenilroth, .'ölkerrechtlich nicht anders als auf der Grundlage einer
NJ. 1947, Seite 77, aersuchto,d.ieaon ihm akzeptierte Treuhänderschaft möglich war' So wie es fü? Deuts"h-
Theorie eines allüerten Kond,om.iniums mit iler uöl- land unausweichlich ist, daß es die mit der Übernahme
It,errechtlichen Institution der Mandate und trustee- der deutschen Staatsge'n'alt begrünilete Autorität und
ships in Beziehung zu se1en, muß aber uon seinetu Befehlsgewalt der Besagungsmächte anerkennt, so ist
V or au ssegun gen au s d en V or b ehalt maclLetb d er Z w eclr es für die Besagungsmächteunausweichlich, ilaß sie die
der trusteeship aerleilte nur den am Kond.omin{tt be- tölkerrechtlichen Konsequenzen dieser Übernahme zu
teiligten Mächtenuntereinander, nidrt aber dem deut* tragen haben. Diese Konsequenzen werden vor allem
sche.n V olhe einen a ölhen echtlichen An spruch. durch den Rechtsbegriff tler Treuhänclerschaft bestimmt'
Man darf in diesem Zusammenhang allerdings der Frage Die Rechtsfolgen der Treuhändersihaft liegen darin,
nicht ausweichen, ob die Intentionen, rron denen die daß die von den Besagungsmäihten übe'rnommenen
Sieger geleitet waren? als sie die deutsche Staatsgewalt tleuisihen Staatsfunktionen im Interesse der deutschen
übernahmen, und ob die Realitäten, die seit 1945 ent- Bevölkerung, nicht aber irach den n6cessit66s militaires
standen sind, die Rechtskonstruktion einer solchen auszuüb,1n sind. Damit wird es völkerrechtswiilrig; die
Treuhänderschaft zulassen. Die rechtliche Situation rleuts.cheStaatsgewalt zu benuben, um Deutschlancl im
wiril dadursh,kompliziert, daß nicht nur die Intentio- Iremden fnie.esse auszubeuten, die Grundsubstanz der
nen der Sieger und die in Deutschland entstandenen deutschen Ernährungswirtschaft, Rohstoffwirtschaf t oder
trtealitäten des Besafiungsregimes vielschichtig, wenn Industrie durch Raubbau, Desorganisation oder willkür-
nicht widersprüchlich sind, sondern daß auch juristisch iiche Demonrage zrt zerstören, das deutsche Verkehrs''

88 89
wesen zu dezimieren, das Verwaltungsleben lahmzu- ..elche die Sieger dem besiegten Lande vor formellem
legdn. Friedensschluß auferlegen. Dritte Staaten können den
Es ist vielmehr die Pflicht des Treuhänders, die Sub. .lliierten Mächten nicht das Recht zuerkennen, darüber
stanz des deutsdren Lebens zu erhalten, Wirtsdraft und rD entscheiden, welche Yon ihnen mit Deutschland ge'
Verkehr wieder in Gang zu segen, die Funktionsfähig- =,-hlossen6n Yerträgb in Kraft bleiben sollen. Die Be-
keit von Justiz und Verwaltung zu fördern, die inter- =rgungsmächte sind auf Grund des Treuhandverhält'
nationalen Rechts- und Wirtschaftsbeziehungen wieder- ri.ses gehalten, diese Verträge einzuhalten und auszu-
herzustellen, kurz: alles za I1an.um in Deutschland wie- ,ühren. Umgekehrt ist ihnen das Recht zuzubilligen,
der eine lebendige innere Ordnung, ein gesundesöffent- ,lieseVerträge unter Einhalrung der in ihnen möglicher'
liches Leben zu schaffen und das Land wieder in die ,'eisQenthaltenen Kündigungsklauseln aufzulösen"wenn
Gemeinschaft der Völker einzufügen, wie es die Pro. ,,lareAnwendung durch eine Militärregierung ihnen un-
klamationen von Jalta und Potsdam vorseherr. :ngebracht oder unmöglich erscheint (a.'a.O.Seite 63)'
Es ist Sache des Ermessens der Sieger, zu entscheiden, Die treuhänderisihe Wahrnehmung der deutschenStaats-
in welchem Tempo dieser Prozeß der Wiederherstellung hoheit durch die alliierten Kontrollorgane ist ein be-
sich vollziehen soll. Alle Maßnahmen jedoch, die darauf leutendes lndiz für den Fortbestand der deutschen
'Wiederherstellung
gerichtet wären, diese zu verhindern :taatlichkeit. In wichtigen Geseggebungsaktenhat der
oder zu verschleppen, wären mit den Rechtspflichten Kontrollrat diese treuhänderischeFunktion bisher wahr-
eines Treuhänders unvereinbar.' :enommen. Zugleich_ist offenkundig, daß - solange eine
Wichtige Rechtsfolgen vermag die TreuhänderschaIt '.lentsdre Zentralgewalt nicht besteht - nichts dem Fort-
rn'eiterhin im Hinblick auf die internationale Anerken- I estand der deutschen Staatseinheit nachteiliger ist als
nung der von den Besagungsmächten,befolgten Politik +ine fortschreitende Lähmung des Kontrollrates durch
zu äußern. Sauser-Hall gelangt in dieser Hinsicht zu runere Gegensäge seiner Mitglieder, und als die fort-
folgenden Grundsägen: Die von den Mächten erlassenen .r{rreitende Aushöhlung seiner I(ompeter'ze:n durch die
Bösagungsnormen können durch dritte Staaten nur an- L surpation seiner Aufgaben durch die Zonenbefehls'
erkannt werden, soweit sie im Interesse des Besegten haber und zonale oder territoriale deutsche Stellen.
erlassen sind. Dagegen können die eigenen fnteressen T-enn ein Besagungsabkommen oder Besagungsstatut
der Besagungsmächte nur durch den Ahschluß eines auf Viermächtebasis noch im Bereiche des Möglichen
Friedensvertragesbefriedigt werden, Soweit und solange iegt, müßte immerhin versucht werden, solchen Ent'
ein solcher nicht geschlossenist, sind die von den Be- -ricklungen zu steuern. Eine Fixierung der Kompeten'
sagungsmächten in ihrem eigerien Interesse ergriffenen ien des Kontrollrates im Rahmen eines allgemeinen
Maßnahmen Handlungen eines kriegerischen Okkupan- Instrumentes des Besagungsrechteskönnte in dieser
ten und in ihrer Wirkung auf das tatsädrlich von ihnen Elinsicht wertvolle Dienste leisten.
besegte Gebiet beschränkt. Namentlich könrien in Dritt-
Etaaten alle jene von den Besagungsmäc-hten f) Ko',trollrat und Zonenbefehlshaber
in Deutsch-
land erlassenenBestimmungen nicht anerkannt werden, Die nach der Berliner Erklärung vom 5..Iuni 1945 von
die vorweggenommene Friedensbedingunger darstellen, .ien Regierungen der vier Mäihte übernommene ,,oberste

90 9L
Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschländsoo soll nach irn Gewalt Gesege und Verordnungen mit Gesegeskraft
der am gleichen Tage getroffenen ,,Feststellung über :r erlassen. Dieser Befehl enthielt keinerlei ausdr'ück'
den I(ontrollmedranismusoo (Amtsblatt des Kontroll- --äe Begrenzung , der damit eingeräumten legislativen
rats, Ergänzungsblatt Nr.1 S. l0) ,,von den Oberbefehls- ),Iachtbefugnis,so daß die geseggebendenInstanzen der
habern der vier Mächte auf Anweisung ihrer Regienrn- : ttreffenden Länder, wollte man nur vom reinen Wort'
gen ausgeübtoowerden, und zwar ,rgerneinsamin allen :,,rt dieses Befehls ausgehen, in der Lage wären, sich
Deutschland als ein Ganzes betreffenden Ä.ngelegenhei- :-L'er gesamtdeutsches Recht, sei es altes Reichsrecht
tenoo.fm llinblick auf diese Angelegenheiten bilden die : ier neues, vom I(ontrollrat geseltes Recht, hinwegzu'
vier Oberbefehlshaberzusammen denKontrollrat, dessen ::3en. Die Übertragung einer soldren Befugnis se6t vor-
Entscheidungeneinstimmig getroffen werden müssen. ;ra.. daß die übertragende Instanz - in diesem Fall der
Unter Bezugnahme auf dieses ,,Abkommen über den ,irrjetische Zonenbefehlshaber - tlie gleichen Befugnisse
I(ontrollmechanismus" wiederholt das--Poisdamer Ab- :,ur sich selbst in Anspruch nimmt. Damit käme rl:'alazrr
kommen diese Regelung mit den Worten: die oberste ior Annahme einer Mehrzahl geseggebenderInstanzen,
Macht in Deutschland werde ausgeübt ,,von den als Mit- leren Zuständigkeiten sich gegenseitigüberlagerten und
gliedern des Kontrollrates fuirgierenden Oberbefehls- ,leren Anordnungen sich nach dem allgemeinen Prinzip
habern . . ., und zwar von jedem in seiner Okkupations- -\ posterior derogat legi priori gegenseitig außer Kraft
zone, gemäß den fnstruktionen der entsprechendenRe- --gen könnten'
gierung, sowie gemeinsam in den Fragen, die Deutsch- Eine solche Doppelzuständigkeit-müßte zwangsläufig zu
land als Ganzes betreffen" (A', l). ierartigen Schwierigkeiten und Kollisionen füFren, ilaß
Nadr seiner I(onstituierung hat der Kont6ollrat die tran vernünftigerweise nicht annehmen kann, die tTr-
Proklamation Nr. I vom 30. August 1945 erlassen, in heber der Berliner und Fotsdamer Erklärungen hätten
der abermals festgestellt wird: ,,Kraft der obersten Re: eine solche Regelung beabsichtigt.
gierungsgewalt und der Machtbefugnisse,die damit von Eine nicht näher ctbgegrenzte Doppelkompetenz
den vier. Regierungen übernommen wurden, ist der z.weier Organe kannte das Sagungsrecht des Völhet'
Kontrollrat eingeselt, und die oberste Machtgewalt in bund.es h'insich.tlidt' der .Zuständ,igheit uon VöLlter-
Angelegenheiten, die Deutschland als Ganzes angehen, bundrat und VöIh,erbunduersammlü'ng. Doch uird matt
dem Kdntrollrat übertragen worden'o (II). ilarin einen seltenen Ausnahm'efall sehen müssen' Im
Die Auslegung dieser weitgefaßten und nicht genau allgerneinen, tuird die Annah'rne, daß eine Doppel'
präzisierten Zustäniligkeitsregelung im Hinblick aqf die kompetenz gewollt sei, ganz schlüssiger Beweise be'
obersten Organe des Besagungsregimes hat Anlaß zu dür I en.
vielfachen Meinungsverschiedenheiten und praktischen Sorveit sich aus den Berliner und Potsdamer Erklärun-
Unzuträglichkeiten gegeben. Durch den Befehl Nr:. ll0 gen eine Überschneidung der Zuständigkeiten von I(on-
vorn 22. Oktober 1945 hat der Oberste Chef der Sowje- trollrat und Zonenbefehlshabern ergibt, ist nicht das
tischen Militäradministration den Ländern der sowje- \-orliegen einer Doppelkompetenz, sondern einet hon-
tisch besegten Zone das Recht übertragen, auf dem Ge- kurrierenilen Kompetenz anzunehmen. Beiile Begriffe
biete der Legislative, .der geric{rtlichen und vollziehen- sind streng zu unterscheiden. Ztm Wesen der lconkur-

92 93
rierenden I(ompetenz - wie sie im Rahmen des deut- ,-. Reichsredrt oder durch vom Kontrollrat neugeschaf-
schen Staatsrechtsetrva den Ländern im Verhältnis zum :.nes gesamtdeutschesRecht die Zustäniligkeit der Län-
Reich zustand - gehört eine unverbrüchliche Rangord- -er für diese Materie nachträglich ausgeschlossenwor'
nung, derzufolge die regionalen Gewalten eine be- len ist.
stimmte Zuständigkeit nur so lange benugen dürfen, -,,.e Zonenbefehlshaber nehmen demnach an der Seque'
als die Zentralgewalt von der ihr gegebenen gleichen :.ration der deutschen Staatsgewalt nur insoweit teil,
Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Sobatd da- = . es sich um die Sequestration der Landeskompetenzen
gegen die Zentralgewalt. ihre Kompetenz benugt hat, :andelt oder ihnen eine besondere Delegation seitens
wird die gleiche Kompetenz der regionalen Gewalten j=: Koritrollrates zuteil geworden ist. Da die alliierten
auf diesem Gebiet aufgehoben. l,Iächte offenbar selbst darauf bedacht waren, Deutsch-
Die Zonenbefehlshaber besigen im Verhäitnis zurn Kon- :nd als eine Einheit zu erhalten und es nicht in vier
trollrat eine solche Iionkurrierende I(ornpetenz, dererr ler fünf rechtlich und wirtschaftlich voneinander ge'
nähere inhaltliche Abgrenzung aus der Bestimmung ab- .reilnte Zonen zt zerlegen, muß ilie treuhänderische
zuleiten ist, daß dem Kontrollrat die Angelegenheiten -iusübung der gesamtdeutschenStaatsgewalt dem Kon-
übertragen sind, die Deutschland als Ganzes ängehen. .roilrat vorbehalten sein. Die gegenteilige Annahme
Die Berliner und Potsdamer Erklärungen segen hier -'ärile dazn führen, daß die Zonenbefehlshaber selbst
eine verfassungsrechtlicheUnteischeidung von gesamt- , der durch die von ihnen ermächtigten Landesgeseg'
deutschen und partikularen Zuständigkeiten voraus, die .eber in der Lage wären, über den Kopf des Kontroll-
nur dem überlieferten deutsclren Yerfassungsrecht ent- :rtes hinweg die Einheit iles deutschenbürgerliären und
nommen werden kann. Die Grundzüge der Kompetenz- Eandelsrechtei, des Straf- und Prozeßrechtesaufzuheben
abgrenzung zwischen Reiihs- und Landesgeseggebung, :rnd durih zonales oder territoriales Recht zu ersegen.
so wurde bereits festgestellt, haben als technisch-neu- D amit rr'ürden die VorausseBungenfür die wirtschaftliche
trales Yerfassungsrecht den mit dem Zusammenbruch :'.ird politische Einheit Deutschlands, wie sie das Pots-
verbundenen Umsturz ebenso überdauert, wie sie diir iamer Abkommen teils für die gegenwärtige Besegungs'
Revolution von 1933 und den nationalsozialistischen :,base,teils für ilie Zukunft ins Auge faßt, zerstört. f)ie
Unitarismus und Zentralismus im großen und sanzen . on den Alliierten ausdrücklich formulierten obersten
überdauert haben. Sesegungszieleverbieten daher eine solcheAnnahme.
Es ist daher davon auszugehen,daß den Zonenbefehls- Über die Konsequenzen, die sich neuerd'ings aus der
habern diejenigen legislativen Sachgebieteverschlossen Lahmlegung iles l(ontrollrats ergeben, siehe untert
sind, die früher zur aussdrließlichen Kompetenz des III, 4. c.
Reiches gehörten und die heute als gesamtdeutscheAn-
J. Die Stellung der Länder im gesamtdeutsdteruStsats'
gelegenheiten vom I(ontrolkar za regeln sind. Dagegen
uerband,
sind die Zonenbefehlshaber befugr, im Rahrnen der den
deutschen Ländern durch die Weimarer Verfassung zu- , a) Die Komperenzverteilung
gewiesenen konkurrierenden I(ompetenz zonales otler l-ieutschlandist troB des Zusammenbruchsvon 1945 eine
territoriales Recht zu segen, soweit nicht durch bestehen- =:aatlicheEinheit geblieben. Wie der Umsturz von 19I8,

94 95
so hai auch der in seiner Tragweite unvergleichlidr fol. gouerwnent may be establisheil as an interint rrleasure
genschwerere Zusammenbruch von 1945 die Identität by allieil authorig.ies or as d lasting lornr ol gouern'
und Kontinuität der deutschen Staatlichkeit doch -un. ment by the German people as a uhole.oo (Zit, nach
berührt gelassen, Zur Illustration dieses Sadrverhalts Seufjert, a. a. O.)
ist häufig ein Stalin zugesihriebenes Wort Titiert wor. Die sfaatsrechtlicheFolge des Fortbestehens eines deut-
den: ,,Die Hitler kommen und gehen; das deurscheVolk s&en Gesamtstaatesist insbesondere, daß bis zum Er-
und der deutsche Staat aber bleiben bestehen." laß einer rieuen deutschen Verfassung diejenigen Ele-
In den nöuen deutschenLandesverfassungenist zumeist mente des deutschen Verfassungsrechtes,die den Zie.
deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß sich ilie len der Besegung.,insbesonderb der Demokratisierung
Länder als Glieder eines noch bestehenden deutschen Deutschlands, nicht entgegenstehen, ihre Geltung be-
Gesamtstaatesbetrachten. rvahren (vgl. oben III,3, a). Das gilt vor allem für die
trIessen, Artikel 64: ,,Hessen ist ein Glied der deut- Yerteilung der Kompetenzen zwischen dem deutschen
schen R-epublik."'Württemberg-Baden, Artiltel 43: Gesamtstaet und den einzelnen Ländern.
,,Vürttemberg-Baden ist ein demohratischer und so- Grunilsäg,lich in diesem Sinne: Rechtsgutachten d'er
zialer Volksstaat. Er ist ein Glied der deutsihen Re- Leipziger Juristenfahultät, Seite 5. Laun, ReclltsgtLt-
publih." Württemberg-Hohenzollern ist nach Artihel l achten zu den Eingriflen in das Versicherungswp,sen
,,ein Glied, der deutschen Bundesrepublilt"', Baden in d,er östlichen Besagungszone. Versicherungswirt-
nach Artikel 50 o,ein Glied. d.er Gemeinschalt der schaft, Nr, 3 (JuIi 1946), Seite 5. Loening, Rechtsgut-
d,eutschen Lüntler',, Rheinland-Pfalz nach Artihel 74 achten, DRZ. 1946, Seire 132. Geiler, Die'fiegenwär-
ein,,Glied,staet Deutsclllandso'; Sachsen, Sachsen-r4n- tige aölherrechtlidte Lage Deutschlands, 7947, Seite
halt, T hürin gen, Mechlenbur g, Br andenbwrg b ezeich- 2f. - Peters, NJ.'1947, Seite 6, erk,!ärt, ilie Länd.er
nen sich, als ,,Glied der deutschen demoltratischen und Prouihzen dürlten das Bestehen eines dcutschen
Republik" (Artiltel I der entspr. Verfasswng). Nur die Staates nicht ignorieren. Jedem e.inzelnen Larud,esei
bayerische Verlassung sdgt in ,4rtihel 778: ,,Ba,yern eine Regelung untersagt, ilie si,nnaoll nur lür das ge-
uird einem hünf ti gen d.eut sdren demokratis chen Bu,n- sdmte stadtsrechtliche Gebilde Deutschland, oder lür
d esst aat b eitr e t en" . N ach Äu ß entn g en t'ühr en iI er b ay e- den eine Wirtschaltseinheit d.arstellenden deutschen
rischer Politilter sollte damit der Bestanil eines rleut- Staat gleichartig erfolgen ltönne. - Konhretb Maß-
schen Gesdmtstaates nicht geleugnet werd,en, VgI. stäbe zur Beurteilung dieser Frage lassen sich jedoch
Zinn, SJZ. 1947, Sp. 17. Seuftert. a.a.Ort. Hierztt nur auf der Gründlage des seit 1919 entwichehen
auch das Cenehmigungssfireiben d.es Generals Clay Verlassungsrechts getuinnen. - Nuclr, Steiniger, NJ.
zur bayerischen Verfassung: ,,The expressefl, uill to 7947, Seite 148, ist das Reich als Einheit erhalten,
join in a feileral German State must be interpreted, ,,mit ihrn seine zentripetale Rechtsordnung, mit ihr
as un instruction to the representatives ol Bauaria der Sag: Reichsrecht bricht Landrecht.'o Über d.ie Er-
who may later participate in an determination of the mäch.tigung des Obersten Chels der SUIAD. (Belehl
torm ol luture German gouernrnent, and not as a right Nr. 110) gelangt er jedoch prahtisdr zu dern Schlusse,
to reluse to pa,rticipate in Lolrdteter lorm of German daß die Land.esgeseggeber nur durch die Rüchsicht-

96 97
nahme aul den Vorrang der Regelungen und. Zustän-
der aller Zonenbefehlshaber. Gesamtdeutsches Recht
diglteiten iler allüerten Kontrollorgane beschränkt
Lricht daher nicht nur Landesrecht, sondern auch Zonen-
seien; ein generelles Verbot, altes Reidt.srecht anzu-
recht. Landesgesebekönnen demgemäß gesamtdeutsches
toti"n, bestehe nicht. - Gegen ilie Verbindlichleeit
Recht auch dann nicht tlurchbrechene wenn sie sich auf
der überltommenen l(ontpetenzregeln auch Seuffert,
tine Ermächtigung des Zonenbefehlshabersgründen.
d. d. o.
Die legislative Praxis der Länder und Zonenbefehls.
Alle Geseggebungsmaterien, die nach überliefertem
\aber hat sicl von diesen Grundsägen in wachsenrlem
deutschenVerfassungsrechtder Reichsgewalt zustanden,
]Iaße entfernt. Das gilt insbesondere von dem schon
sind auch heute der gesamtdeutschen Geseggebungs-
mehrfach erwähnten Befehl Nr. 110 des Obersten Chefs
hoheit vorbehalten. Dabei ist vor allem zu bedenken,
der SMAD. (über seine Bedeutung und Tragweite vgl.
daß diese Kompetenzregelung nicht etwa ein Ergebnis
Peters, NJ. 1947, Seite 5 ff. Steiniger, NJ. 1942, Seite
nationalsozialistischer Yerfassungspolitik war. Sie ent-
14e.)
stammt der durchaus föderativen Yerfassung von 1871,
Diese Entwicklung ist zweifellos durch die unzureichend
aus der sie mit einigen Abwandlungen in die Weimarer
cräzisierten Bestimmungen der Berliner und Potsdamer
Verfassung übernommen wurde. Sie war von jedem Uni-
Erklärungen bedingt. Es muß mit größtem
Nachdruck
tarismus und Zentralismus weit entfernt. Sie ist im
darauf hingewiesen werden, daß diese Entwicklung mit
Prinzip auch nach 1933 nicht beseitigt worden, wenn-
dem Sinn der beabsichtigten Regelung unvercinbar ist.
gleich die Länder durch das Neuaufbaugesegvom 30" Ja-
\fürde ihr nicht gesteuert werden, so müßte sie"gwangs-
nuar 1934 ihren Staatscharakter einbüßten. Doch wur-
1äufig zur fortschreitenden
Auflösung der deutschen
den ihnen ihre Hoheitsrechte sogleich zur Ausübung
Rechtseinheit führen. An das gesamtdeutsche Verant-
zurückäbertragen, und an dem sachlichenUmfang dieser rrortungsbewußtsein der Landesregierungen muß der
Rechte änderte sich nicht viel. Nachdem der Staats-
\ppell gerichtet werden, diese Grundsäge der verf,as-
charakter der Länder wiederhergestellt ist, ist die Ver-
.ungsmäßigen I(ompetenzverteilung gewissenhaft zu be-
teilung der Geseggebungskompetenzennadr Maßgabe
.rdrten. Durch eine genauere Entf altung und Präzisierung
der Veimarer Verfassung auch für das heutige Verhält-
ier in den grundlegenden Erklärungen von Berlin und
nis von Gesamtstaat und Einzelstaaten verbindlich.
Potsdam niedergelegten Grundsäge des l{ontrollsystems
Auch die Tatsache, daß die heutigen deutschen Länder
rn Form eines Besagungsabkommens oder Besagungs-
mit den Ländern der'Weirnarer Republik nicht durdrweg
.tatuts müßte versucht werden, alle
beteiligten, zur
identisch sinil, steht dem nicht entgegen. Auch eine
Redrtsegung befugten fnstanzen, tlie deutschen Länder-
territoriale Neugliederung, r-ie sie im Rahmen der
'rgane sowohl wie die zonalen Besagungsbehörden, zu
Reichsreformpläne der zwanziger Jahre ins Augi gefaßt
;enen Grundsägen zurückzuführen.
war, hätte diese Kompetenzverteilung nicht notwen-
Während d.er Druchleguttg dieser IJntersuchung ist d.er
digerweise zu berühren brauchen.
Kontr ollr at praktis ch I unlttionsun | ühi g gezoor den, und.
Die gesamtdeutscheGeseggebungskompetenzsteht dem
es bestght wenig Hoffnung, d.aß er u,.ied.er funktions-
Kontrollrat zu. Seine Kompetenzhoheit steht nicht nur
iähig uerden könnte. Jedo&. ist er bishör weder auf-
über derjenigen aller Einzelstaaten, sondern auch über
gehoben noch ist das d.urch ihn repräsentierte gemein-

98
99
sdnxeKontollsystem der Mä&.te lür ganz Deutsdtland Vgl. lür ilie Reidrsuerlassung uon I87l Laband, Das
beseitigt toorden. Solange die llesagungsmächte heine Staatsrecht d.es.Deutschen Reiches, 5. Aufl. Bd. II,
Klärung der Redt'tslage herbeifiihren, ntuß aul deut' 1911, Seite 123 f. - Für d,ie Weimarer Verlassung
scher Seite das oben dargestelhe Verhältni's der GeseS' Hensel im Handb. des Dewtschen Staatsrechts, Bd. {1,
g ebun g sltom p e t en z en aI s r echt suer.binil'Iidt' an g esehen Seite 32I: ,,Larudesrecht, d.as mit Reichsrecht unDer
werden. einbar ist, wird . . , in seiner Existenz t,ernichtet."
Diese Folge ergibt sich notwendigerweise aus der Rang-
ordnung der Rechtsquellen. Das hier vorliegende Pro-
b) Die Wahrung der Kompetenzregeln (Geltung und llem hat, was oft verkannt wirtl, mit der Lehre vom
Tragweite des Grundsages,,Reichsrecht bricht ..fehlerhaften Staatsaltt'o nichts zu tun, da diese sich
Landrecht")
ausschließlichmit der Fehlerhaftigkeit von Einzelakten
\-erwaltungsakten, Dienstbefehlen usw.) beschäftigt,
In erster Linie ist es naturgemäß Aufgabe des l(ontroll-
r,icht dagegen mit der Kollision von Rechtsnormen nie-
rates, jener für die deutsche Rechtseinheit verhängnis-
deren mit solchen höheren Ranges. Bei Kollisionen der
vollen zentrifugalen Entwicklurig zu wehren. Zt det
legteren Art tritt nicht nur ,,Vernichtbarkeit" im Sinne
vom Kontrollrat übernommenen Regierungsbefugnissen
der Grundsäge des Verwaltungsrechtes, sondern absolute
gehört auch die Reichsaufsicht, wie sie im Artikel 15
..\ichtigkeit" der kompetenzwidrigen Norm niederen
der Veimarer Yerfassung geregelt war, und wie sie in
Ranges ein. ,+
jeder föderativen Yerfassung'unentbehrlidr ist. Sie um'
Der Sag ,,Reichsrecht bricht Landrecht" (Ärtikel 13
sdrließt die Befugnis, darüber'zu wachen, daß die Lan-
-{bs. 1 der Weirnarer Verfassung) hat-te die praktische
desgeseggebungnicht in den Zuständigkeitsbereich der
Bedeutung, daß er die Gerichte verpflichtete, Landes-
gesamtstaatlichen Geseggebung eindringt. Dem Kon'
:esege, die gesamtdeutschemRedrt widersprachen, als
trollrat obliegt es daher, dafür besorgt zu sein, daß
absolut unwirksam zu behandeln. Sie durften von den
weder die Zonenbefehlshaber durch entsprechende Er'
llerichten auf Grund des insoweit seit 1871 ununter-
lasse oder Ermächtigungen noch ilie Landesregierungen
h rochen anerkannten richterlichen Prüf unesreöhtes nicht
in den dem Kontrollrat vorbehaltenen Bereich der Ge-
anget andt werden.
seggebung eingreifen. (Über tlas föderative Verfassungs'
Über das Recht der Gerichte zur Prülung oon Landes-
institut der Bundes- oder Reichsaufsicht grundlegend
geseyen auf ihre Vereinbarltei.t mit den Reichsgesegen
das bekannte Buch von Heinrich Triepel, Die Reichs-
siehe die Entscheidung des Reichsgerichts uom 7. No-
aufsicht. 1917.)
uember 1887 (Bolze, Praxis des Reichsgerichts i,n
Doch ist die sogenannte ,,Mängelrüge'o im Reichsauf'
Ziuilsachen,8d.2, Seite 2, Nr.5.) Daran ist seitdern
sichtverfahren nicht die einzige Möglichkeit, die Kom-
petenzwidrigkeit eines Landesgeseges geltend zrr rrTa' in ständiger Rechtsprechung lestgehalten wortLen.
-W'ie -\uch nach 1933 blieb der Sag ,,Reichsrecht bricht Land-
chen. schon unter der Verfassung von 1871, so galt
auch unter der'W-eimarer Yerfassung von I9I9 der Sag, rechtooselbstverständlich iri Kraft. Er ist jedoch, wie
daß ein in die Reichskompetenz eirigreifendes Landes' .eine Überlieferung beweist, kein Grundsag des uni
geseg absolut unwirksam sei. tarischen Zentralismus" sondern vielmehr ein notwen-

r00 101
diger Bestandteil eines föderativen Systems. Auch in Landrecht" im Sinne einer bloß relativen Unwirksam-
anderen Bundesstaaten, wie in den Vereinigten Staaten keit des kompetenzwidrigen Landesrechteswürde prak-
oder in der Schweiz, gelten entsprechende Klauseln. tisch zur Folge haben, daß gegenwärtig nur der Kon-
Gerade ein föderatives System,bedarf einer I(ollisions- trollrat solchesLandesrecht beanstanden und seine Auf-
'Widersprüche
norm, die zwischen Bundesrecht und Lan- hebung durch einen actus contrarius der Landesgeseg-
desrecht zur Entscheidung bringt. Soweit die Kompe- rebung veranlassenkönnte. Da im Kontrollrat jedes tler
tenz des Bundesrechtesreicht, muß in einem föderativen r ier Mitglieder ein absolutes Vetorecht besigt, besteht
System auch der Vorrang des Bundesrechtes vor dem keinerlei Gewähr dafür, daß von diesem Mittel in allen
partikularen Landesrecht gesichert werden. Absolute Fällen, in denen es um der deutschen Rechtseinheit rvil-
Unwirksamkeit des kompetenzwidrigen Territorialrech- Ien erforderlich wäre, Gebrauch gemacht würde. Das
tes, verbunden mit einer richterlichen Prüfungszustän. selbständigerichterliche Prüfungsrecht ist daher ein un-
digkeit, bieten eine wirksame Sicherung dieses Vor- entbehrliches Mittel, um die deutsche Rechtseinheit ge-
ranges. Es besteht kein Anlaß, von dieser traditionellen rade in der gegenwärtigen Situation einem kompetenz-
Sicherungsform des deutschen Bundesstaatsrechtsheute l idrigen Gebrauch der Landeslegislative gegenüber zu
abzugeheu. r-erteidigen.
Allerdings wird neuerdings die Auffassung vertreten, \'ährend die Annahme der absoluten Unwirksamkeit
daß im Gegensagzu der früher.unbezweifelten und auch eines kornpetenzwidrigen Landesgesegesdem bundes-
in dieser Arbeit festgehaltenen Interpretation des Sages .taatlichen Denken entspricht, ist die Lehrs von der
,,Reichsrechtbricht Landesrecht" gegenwärtig keine ab- relativen lJnwirksamkeit nur in einem eltrem staaten-
solute, sondern nur eine relatiae Unnirksatnheit hom- Lündischen System vertretbar. In der Tat galt dehn
petenztuidriger Landesgesege anzlonehmensei. (So Laun, auch im Deutschen Bund von 1815 eine solche ..relative
Die Zerreißung der Elektrizitätswirtschaft, Seite 1? [die L-n*'irksamkeit", d. h. der Bund konnte von einem Mit-
Arbeit hat mir nur im Manuskiipt vorgelegen].) =lied verlangen, daß dieses ein bundeswidriges Landes-
Damit wird jedoch der traditionell gefestigte Sinn des seseg äufhebe. Nur Iag der große Unterschied gegen-
Artikel 13 Abs. I Weimarer Reichsverfassungund mit über dem gegenwärtigen deutschen Zustand darin, daß
ihm die wesentlichste Stüge der deutschen Rechtsein- der Bund die Möglichkeit besaß, im Weigerungsfalle im
heit ohne zwingenden Grund preisgegeben. Die l-ehre \-ege der Bundesexekution gegen das säumige Land
von der relativen Unwirksamkeit kornpetenzwidriger .-orzugehen.Im Exekutionsverfahren konnte dann das
Landesgesege läuft praktisch auf die Leugnung. der Landesgesegi'on Bundeswegen aufgehoben werden.
richterlichen Prüfungszuständigkeit hinaus. Sie wider- Deutschland besigt solche exekutiven Mögllchkeiten ge-
streitet damit den verfassungspolitischenTendenzen der :enwärtig und wahrscheinlich noch auf lange Zeit hin
Gegenwart, die weithin darauf abtzielen, die Staats- nicht. Es fehlen ihm also wesentlicheElernente,die einen
gewalt einschließlich des Geseggebers der Kontrolle ..Staatenbund" funktionsfähig machen, Um so wichtiger
einer unabhängigen JlnstizzLrunterwerfen, um das Recht ist es, an einer Interpretation des Sages ,,Reichsrächt
gegen jeden politischen Mißbrauch der Staatsgewält zu irricht Landesrecht" festzuhalten, die mit den gegen-
schügen, Die Umbildung des Sages ,,Reichsrecht bricht rr-ärtig zur Verfügung stehenden Mitteln, närnlich mit

102 103
Hilfe einer unabhängigen Rechtspllege, realisiert werdön In einem demokratischen Staat kann ein Notverord-
Exekutiv'
kann. nungsrecht der Landesregierung, also eines
or*Jnr, nur solange bestehen, als keine geseggebende
\Io.-lksvertretung. Yorhanden ist, die die notwendigen
c) Das Notgeseggebungsrechtder Länder ]Iaßnahmen von sich aus ergreifen könnte'
Denn es ist
Verfassungsrechtes' daß
ein Grundsag demokratischen
Gewisse Eingriffe der Landesgeseggebung in die gesamt' beruhenden Organe
die auf unmittelbaren Volkswahlen
deutschen Geseggebungskompetenzensind mit einem als die nur
ein höheres Maß von Legitimität besigen'
Notaerordnungsredrt der Länd'er begründet worden. In Yertrauen der Legis-
inilirekt gewählten oder nur vom
der Tat wird man zugesiehen müssen, daß die Länder' Soweit daher in den
lative abf,ängigen Exekutivorgane'
und Provinzialregierungen? unter Umständen sogar die Verfassungen neben
deutschen Ländern auf Grund neuer
Gemeinden, in der Lage waren, zur .A'bwehr dringlicher ' die vom Yolk gewähl-
und über die Landesregierungen
Notfälle an Stelle des Reichsgeseggeberszu handeln,
ten Landtage getreten sind, istodas reichgesegvertre-
solange.dieser außer Funktion gese[t war, also in der durch
tende Notverordnungsrecht derLandesregierungen
Zeit zwisdten dem Zusammenbrudr und dem 5' Juni gebun gsredtt d'er
ein r eichsgese81)er tr erc;ile s N ot geseg
1945, dem Tage, an dem der Kontrollrat die Kompetenz
des Reichsgeseggebersübernahm. Ein öoldres Notver-
ordnungsrecht der Länder wird also für die erste tur'
bulente Zeit nach dem Zusammenbrudr jedenfalls anzu'
erkennen sein. Es umschließt'allerdings nur ein Recht
2u vorübergehenden Notmaßnahmen. und stellt keines-
wegs eine Kompetenz zur dauernden Normierung be-
stimmte r, dem Reichsgeseggebervorbehaltener:Materien
ilar. (Siehe auch Rechtigutadrten der Leipziger Juristdn'
fakultät. Seile 16. Peters, Seite 2 ff.)
Diq Yoraussegung eines solchen reidrsgesegvertretenden
Notverordnungsrechtes der Laiidesfegierungen ist, daß des
gebungsrecht der Länder, wenn die Voraussegungen
der Reichsgeseggeberund alle anderen Reidrsorgane
d.urch eine Verfassungsstörung außer Aktion geseBt sind
unil daß es zur Abwehr von Gefahren für die Allge'
meinheit notwendig ist, unverzüglich Maßnahmen auf
den der Reichskompetenz vorbehaltöneq Gebieten zu
ergreifen. In diesem Falle können die Lardesorgane be-
gemeinheit entstehen sollte, s.ind die Landtage als
die notwendigen Maßnahmen im Verordnungswege tref' -rechtigt
fen und dabei auch von dem geltenden Reichsrecht ab' anzusehen, die zur Abwehr'notwendigen Maß'
und zu
weichen, soweit dies zur Überwindung des Gefahren' o"h*"o imWege derNotgeseggebung zu treffen
diesem Zwecke in die Materien des Reichsrechtes einzu-
zustandes erforrierlich ist.

105
104
greifen. Sollte also z. B. der Kontrollrat durch beständige Staatsgebietesunter der Bezeichnong ,,b""rrp"tio bel-
Ausübung des Vetorechts seitens einer Besagungsmacht lica", d. h. kriegerische Besegung. Es versteht darrrnter
lahmgelegt werden oder seine Tätigkeit eiirstellen, so diö militärische Besegung einzelner Teile oder des Gan-
wäre ein Verfassungsnotstandeingetreten, der die Län_ zen eines fremden Staates im Verlaufe einer kriegeri-
der zwingen könnte, im Wege des Notgeseggehungs- .chen Auseinanderse6ungunter fortdauerndem Bestand
redrtes vorzugehen. Auch abgesehenvon diesem extre- seiner Eigenstaatlichkeit und Handlungsfähigkeit.
men Falle können sich Lagen'ergeben, in denen der \icht nur die staats- und völkerrechtliche Rechtsfähig-
Wegfall bisheriger Reichsorgane, Reichsanstalten und keit des besegten Staatesbleibt also in vollem Umfange
Reichskörperschaften die Länder zwingt, vorläufige bestehen: auch seine Willens- und Handlungsfähigkeit
Maßnahmen zt treffen, um die Wahrnehmung der en.t- bleibt grundsäglich erhalten, wenn sie auch faktisch
sprechenden Reichsaufgaben sicherzustellen.In solchen durch die Tatsache der Besegung gbwissen Schranken
'Wege
Fällen sind die Länder befugt, im der Notgeseg_ unterworfen ist. Die Staatsorganebleiben in Funktion;
gebung vorzugehen. Doch kommt ihren Maßnahmen auch im beseBten Gebiet segen sie ihre Tätigkeit fort,
* wie jedem Notakt - ein bloß provisorischer rrenn sie auch dort von der Befehlsgewalt der heimi-
Charakter
zu. Die Kompetenz des deutschen Gesamtstaateswird schen Regierung abgeschnitten und der Autorität der
in diesen Fällen nicht aufgehoben, sondern nur vor- Besagungsbehördenunterstellt sind. Daß im besegterl
übergehend durchbrochen Gebiet die Bindung an den eigenen Staat troE der
Die inzwischen zur Tatsache gewordene Eirustellunp. Okkupation fortdauert, ergibt sich u. a. daraus, daß von
der praktischenTötigkeit des Kontrollruts äußcrt ä|rn- Cen Bewohnern weder ein Treueid gegenüber dei'Be'
li&e Rüclnoirltungen auch au! clie ßechtsstellung der sagungsmachtnoch etrva Aussagen über die Streitkräfte
Zonenbetehlshaber: sie werden kralt ein.ei Notrecktes des eigenen Staates gefordert werden dürfen (Artikel
als legitimiert angesehen taerd,en müssen, aorüber- 14, 45 LKO.). Die Rechtsordnung des besegterr Staates
'gehend. Kompetenzen uahrzwnehrnen,
d,ie grundsüg- bleibt erhalten; seine Souveränität wird nicht besei
lich dern Konfiollrat aorbehalten Loaren. Nur au! diese tigt.
rechtliche Grundlage lassen sich z. B. dic Gesege zur -W-enngleich
der Normalfall einer occupatio bellica der
Drrchlührung iler W öhrungsr cf orm stägen. Fall einer Teilbesegung ist, so ist sie doch auch als
Totalbesegung möglich. Yoraussegung bleibt jedoch
stets, daß der,,Krieg" fortdauert, anderenfalls handelte
IV. Die Ziele der Besetzung Deutschlands und die es sich nicht mehr um eine .,kriegerischeoo Besegung.
Machtbefugnisse der Besatzungsmächte Diese Voraussegung betrifft nicht nur derr ,,Kriegszu-
stand" im Rechtssinne, sondern den tatsächlichen Fort'
' 1. Die rnilitürisdte Siclterungsbesegung zang der Feindseligkeiten unter Airwendung militäri"
'a) 'Wesen .drer Kampfmittel von beiden Seiten. Bei einer Total-
Das der occupatio bellica
besegung des Landes wäre dies nur in der Form der
Das überkommene Yölkerrecht kennt die im verlaufe Kriegführung von fremdem Boden her oder in der Form
eines Krieges bewirkte militärische Besegung fremden des Partisanenkrieges möglich' Bei totaler Niederwer-

r06 t07
fung des Gegners und vollständiger Beendigung der Kriege nur dann Anwendung, wenn die Kriegführen-
Feindseligkeiten hört die Besegung auf; eine ,,kriege- den sämtlich Ver-tragsparteien sind. Da die Sowjetünion
'Wortes
rischeooim prägnanten Sinne des zu sein. Gleidr- nicht zu den Vertragsparteien gehört, ergibt sich aus
gültig wäre es, ob die Feindseligkeiten durch einen dieser ,,Allbeteiliguigshlausel'0, daß die LKO. seit dem
Waffenstillstandsvertrag oder durch eine Kapitulations- 22. J:urri t94I nicht unmittelbar auf die Kriegshand'
erklärung oder stillschweigend durch die Gewalt der lungen angewandt werden konnte. Äuch für das Be'
Tatsädren beendigt werden. sagungsregime konnte sie insoweit nidrt unmittelbar
Zur' occupatio bellica allgemein: N -t,s,L'occupatiotr, maßgebend weiden, weder im Yerhältnis Deutschlands
de guerre. 1919. Flemming, Das Institut iler occupa- zur Sowjetunion noch ztt den übrigen Besagungs'
tio bellica nadt, modernem VöIherrecht, 1919. Hey- mächten.
mann, Besegungsrecht, 7920. Heyland, Occupatio beL Diese ihrei unmittelbaren Anwendung entgegenstehen'
Iica.'Wörterbudt des VöIkenechts (Stupp), II, 1925, den Hindernisse sind jedodr nur von formaler Bedeu-
Seite I54 1. Sauser-Hall, L'occupation d.e gueme et tung. Aus Absag III und YIII der Einleitung zum Haa-
Ies ilroits pria6s. Schweiz. Jahrbuü. f . internat. Ilecht, ger Abkommen ergibt sich vielmehr, daß die LKO.
I (1944), Seite 58 ff. keine grundsäg,liche Neuerung des Yölkerredrts dar'
stellt, sondern-nur eine ausdrückliche Formulierung der
b) Die Geltung der Haager Landkriegsordnung ohnehin gültigen Gesege und Gebräudre des Krieges
Seit langem hat das Völkerrecht bestimmte Regeln und enthält. Dort wo die LKO. nidrt unmittelbaSgilt - sei
Rechtsgewohnheiten entwickelt, durch welche die Be- es, weil sie keine ausilrücklidre Bestimmung getroffen
fugnisse einer Besagungsmacht gbgenüber den Behör- hat. sei es. weil sic in einem konkreten Kriegsfalle
den und der Bevölkörung des beseSten Gebietes wäh- rr.egen der ,,Allbeteiligungsklausel" nidrt zur Anwen'
rend der Dauer der occupatio bellica sowohl begründet dung gelangt -, besteht kein rechtfreier Räum, den der,
als auch begrenzt werden. Die Haager Landkriegsord. der die Macht hat, nach Willkür auszulüllen vermöchte.
nung in ihrer Fassung von 1907 (LKO.) stellt in ihren Yielmehr gilt hier nach der berühmten Martenssclten
Artikeln 42-56 die maßgebende'positivrechtliche Nor- Klausel des Haager Abkommens der Sag, daß ,,die Be'
mierung des Rechts der occupatio bellica dar. r-ölkerung und die l(rie[führenden unter ilem Schuge
Die ü'berwiegende Mehrzahl der Staaten hat die LKO. und der flerrschaft der Grundsäbe des Völkerrec,hts
latifiziert und als verbindliche Gruhdlage des Kriegs- bleiben, wie sie sich ergelien aus den unter gesitteten
und Besagungsrechtes anerkannt. Von den Gioßmäch- Yölkern feststehenden Gebräuchen, aus den Gesegen
ten der Gegenwart ist jedoch die Sowjetunion nicht un- iler Menschlichkeit und aus den Forderuagen des'öffent-
mittelbar an ihre Vorschriften gebunden, da sie sich mit lichen Gewisseusqo.Diese Grundsäg,e des Yölkerrechts;
dem zaristischen Rußland nicht identifiziert und des- die für alle kriegführenden Mächte ohne Rücksicht auf
halb die von diesem geleistete Unterschrift unter aiten die Ratifikation des Haager Abkommens kraft über'
Verträgen nidrt als für sich bindend betradrtet. positiven, objektiven Völkerrechts bintlenil sind, sind
Nun findet nach Artikel ?-des Haager Abkommens von nicht erschöpfend, aber docü lieispielhaft in der LKO.
1907, das die LKO. zum Gegenstand hat, diese in einem niedergelegt. Diese hat also eine doppelte Bedeutung:

108 109
sie ist,,Rechtsqrielleoound zugleich,,Rechtserkenntnis- Sowjetunion ist in diesem Sinne, d. h. nicht direkt,
quelle" - Rechtsquelle insofern, als sie für die an ihrem ohl aber indirel<t an die Grundsäge der LKO. (als
"
Abschluß beteiligten Mächte den Charakter eines sie Erkenntnisquelle für das allgemeine Gewohnheitsrecht)
verbindenden autoritativen Rechtssageshat - ,,Rechts- :ehunden.
erkenntnisquelle insofern, als ,sie für alle Glieder der
Völkerrechtsgemeinschaft einen Rückschluß auf das un- : r Rechtliche Bedeutung deutscher Zuwiderhandlungen
abhängig von ihr geltende überpositive. Yölkerrecht zu- i:t die Geltung der LKO. - in jenem eben beschrie-
läßt. (Vgl. Laun, Die Haager Landkriegsordnung, Seite :'enen mittelbaren Sinne - für den Verlauf und die un-
19,54.) :ritteibaren Folgen des zweiten Weltkrieges somit außer
In einem Kriege, in dem die LKO. auf Grund der All- Zleifel, so könnten ihrer AnwendbarX<eitim deutschen
beteiligungsklauseinicht direkt angewandt werden kann, : alle doch besondereHinderungsgründe entgegenstehen.
gelten daher doch die in ihr niedergelegten Grundsäge Insbesondere muß geprüft werden, ob die unbezweifel-
als Bestandteiie des alle Staaten verpflichtenJen allge- : ar vorliegenden deutschen Zuwiderhandlungen wäh-
meinen Völkerrechts. Es ist deshalb nicht unerlaubt, in :end des Krieges den Besagungsmädrten das Recht
einer abkürzenden juristischen Redeweise die Säge der :eben, sich ihrerseits von den Bindungen der LKO. im
LKO. in einem solchen Falle heranzuziehen, obwohl in \-erhältnis zu Deutschland und den Deutschen frei zu
Vahrheit nicht die LKO. selbst, sondern das aus dieser :lrachen.
Rechtserkenntnisquelle erschlosseneallgemeine Völker- Im Juli 1947 hat General Clay aul einer Pg:essehon-
recht zur Anwendung kommt. .
ferenz in Franklurt eine Aushunlt gegeben, die in
Es handelt sich bei diesen Erwägungen nicht um ge- diesem Sinne gedeutet werden hönnte, Au.l die Frage,
künstelte und gezwungene I(onstruktionen, sondern um inu;ieweit d,ie LKO. den Entscheidungön des Kon:
Annahrnen, die in der Praxis seit langem zugrunde ge- trollrotes zugrunde liege, antwortete der General, die
legt.werden. Das Internationale MiJitärtribunal in Nürn- Frage sei ,,unpassend'0.Die Deutsdten hötten selbst
berg hat demgemäß mit Recht eine solche Anwendbar- iahrelang die Haager l(onoetttion unbeachtet ge-
keit der Regeln der LKO. auf die deutsche Ifuiegfüh- lussen.(,,Der Rut", München, oom l5.,truli 1947).
rung und Besagungspolitik bejaht, und zwar im Yer- F. ist gewiß eiqe schwierige und peinliche Situation,
hältnis zu allen Gegnern Deutschlands,auch zur Sowjet- .:ch auf Rechte berufen zu müssen, die Deutschland
union. Schwere Strafen sind gegen die Nürnberger .*Jbst, als es noch im Vollbesig der Macht war, in schrof-
Angeklagten wegen Mißachtung dieser Regeln verhängt :.r Weise verleugnet hat. Gleichwohl können und dür-
worden, insbesondere auch wegen nachw.eislicher Ver- :'n diese Rechte nicht preisgegebenweiclen.
lelungen der Artilcel 42 ff. LKO. Es ist selbstverständ- lriift rnan die Rechtsfrage,ob die LKO. durch die deut-
lich, daß in dieser Feststellung des Urteils zugleich auch - iien Zuwiderhandlungen außer I(raft gesegt worden
das Anerkenntnis liegt, daß die LI(O. umgekehrt auch ,:. so ergibt sich: Durch den Rechtsverstoß einer Partei
für die Kriegführung wie für die Besagungspolitik der .-:en einen bestehenden Vertrag wird dieser niemals
Alliierten anwendbar ist, soweit nicht besondere Hin. , itomatisch außer Kraft gesegt. Rechtsverstößeseitens
dernisse dieser Anr.r-endungentgegenstehen. Auch die :,ier Partei können den Vertragspartner lediglich be-

tl0 III
redrtigen: erstens, Repressalien anzuwenden, zweitens, demnach in einem zeitlichen Zusammenhang mit der
den Rüd<tr.itt vom Vertrag auszuspr'echen.Beides erfor- rechtswidrigen Handlungsweise stehen, gegen die sie
dert eine ausdrückliche und klare Stellungnahme des .ich richten. Aus allen diesen Gründen ergibt sich, daß
Staates, der diese Rechte {ür sich in Anspruch nimmt' u:eder das Völherrecht überhaupt nodt. die Regeln der
Auch muß das-Recht zu Repressalien oder zum Rück- LKO. insgesamt l)on irgendeiner Besagungsmacht unter
tritt innerhalb einer angemessenen Frist .ausgeübt lver' Berufung aul ein Repressalienrecht gegenüber Deutsch-
den. land außer Anwendung gelassen wcrd.en können,
l. Repressalien. Die Änwendung des Repressalienrech- 2. Rücktrittsrecht. Ob die ständige und gröbliche Ver-
tes kann im allgemeinen nicht dazu führen, daß ein .egung eines Vertrages durch den einen Partner dem
Vertrag im ganzen ausgelösdrt wird. Die Röpressalie anderen das Recht gibt, vom Yertrage zurückzutreten,
besteht ihrer Rechtsnatur nach in der Erwitlerung einer . h. sich unabhängig vom Yorliegen oder Nichtvorliegen
konkreten Rechtsverlegung durch eine konkrete Gegen- einer Kündigungsklausel einseitig und fristlos vom Ver-
maßnahme des verlegten Staates.Denkbar wäre mithin, irage loszusagen, ist stark umstritten. Die Streitfrage
daß etwa die Sowjetunion bestimmte Verstöße der I'raudrt jedoch hier nicht entschieden zu werderr. Denn
deutschen Besagunlspolitik gegen die Haager Regeln =elbst wenn ein solches Rüdctrittsrecht mit der Folge
durch konkrete Gegenmaßnahmen erwidert hätte, wo' tinseitiger Lösringsmöglichkeit vom Vertrage anzuer-
bei sie ihrerseits die LKO. in bestimmten Punkten hätte aennen wäre. würde sich daraus doch für die Anwend-
außer acht lassen können. Eine solche Repressalie segt iarkeit der in den Haager Regeln niedergelegteg Grund-
eine Abmah4ung gegenüber dpm das Recht verlegenden .äge auf die heutige Lage in Deutschland nichts Gegen-
Gegner voraus. Sie hebt nicht'generell die völkerrecht' teiliges ergeben. Vürde man nämlich zugeben" daß ge-
lichen Bindungen dem Repiessaliengegner gegenüber -'isse unleugbareVerlegungen der Haager LKO. durch
auf. Die Verlegung einzelner Regeln oder Vertrags' Deutsdrland während des zweiten Weltkrieges den
bestimmungett kaott immer nur dazu führen, daß au& {lliierten ein Reicht gegeben hätten, von dem L9O7 ge-
der Verlegte einzehle Regeln oder Vertragsbestimmuh- . älossenen Abkommen betreffend die Gesege und Ge-
gen außer Anwendung läßt. Würde er den ganzen Ver- rräuche des Landkriegs zurückzutreten - wobei in die-
trag oder das Völkerredrt schlechthin dem Repressalien' .=m Zusammenhang dahingestellt bleiben kann, in wel-
gegner gegenüber außer Anwendung se$en, so würde .irem Maße etwa auch Deutschland während diesesKrie-
er das dem Repressalienrecht innewohnende Prinzip :'= berechtigten Grund gehabt hätte, über die Verlegung
der Verhältnismäßigkeit der Gegenmaßnahme verlegen i-r Haager Regeln seitens der Sieger Klage zu führen -,
und einen - völkerrechtlich unerlaubten - Repressalien' ., rr'äre doch ein Doppeltes zu bedenlcen: Erstens be-
exzeß begehen. - Die Repressalie ist ihrer Natur na& l,:rf ein Rücktritt vom Vertrag unbestrittenermaßerr
vor allem ein Zwangsmittel, das dazu bestimmt i6t, den i.r ausdrücklichenund formcllen Erklärung. Keine der
Gegner zu völkerrechtsgemäßem Verhälten zu veran' J..agungsmächte hat bisher Deutschland gegenüber den
lassen. Deshalb muß die Repressalie im allgemeinen -:iri&tritt vom Haager Abkommen erklärt. Gleichviel
eingestellt werden, wenn das völkerredrtswidrige Ver' 'ie man die Frist bemessen will, innerhalb deren eine
halten des Gegners aufgehört hat. Repressalien müssen . ,,che Erklärung abgegeben werden müßte - soviel ist

LI2 1t3
jedenfalls sicher, daß sie drei Jahre n-ach Beendigung der Menschlichkeit und den Forderungen des öfent-
der Feindseligkeiten abgelaufen ist. Eine Rücktritts- lichen Gewissens loszusagen. Da die LI(O, über ihre
erklärung könnte also heute nicht mehr rechtswirksam vertragliche Geltung hinaus heute nichts anderes als
ausgesprochen werden. Es ist aber völkerrechtlich un- eine Foimuligrung der allgemeinen Grundsäge des ob-
erlaubt, statt des formellen Rücktritts vom Vertrag ein- jektiv geltendenVölkerrechts darstellt, könnte ein Rück-
fach ilen Weg iler stillschweigenden Außeradrtlassung tritt rrom Häager Abkommen diese ihre übervertragliche
'Weserr
der Vertragspflichten zu wählen. Es liegt im Celtungskraft nicht mehr aufheben. Es wurde schon er-
jeder Rechtsordnung, daß auch dem des Rechtsbruches riähnt, da,ß die LKO. infolge der ,,Allbeteiligungsklau-
Beschuldigten gegenüber nur ganz bestimmte, rechtlich .el" iin zweiten Weltkrieg ohnehin nur die Bedeutung
umgrenzte Sanktionen, nicht aber alles Beliebige er- einer Rechtserkenntnisquelle besaß, daß die Geltung
laubt ist. Der des Rechtsbruches Beschuldigte ist nicht ihrer GrundsäEe im objektiven Völkerrecht wurzelte.
hors la loi gestellt, er verfällt nicht der Rechtlosigkeit, Ein Rücl<tritt vom Vertrag mit der Wirkung einer
sondern er ist bestimmten rechtlich erlaubten Gegen' -1ußerkraftseEungder Haager Regein r.r'ärealso rechts-
maßnahmen unterworfen. Dazu kann bei einer Yer' -ogisch gar nicht möglich gewesen. Die in Geltung ste-
tragsverlegung der - möglicherweise einseitig vollzieh- henden Regeln des objektiven Völkerrechts waren dern
bare - Rücktritt vom Vertrag gehören. Wählt der Ver' Rücktritt entzogen.
Iegte diese ihm offen stehende Sanktion nicht, so bleibt -\n die in den Regeln der LKO. niedergelegten Grund-
er an den Verlrag grundsä5iich auch gegenüber dem .äge des Völkerrechts sind also die Besagu4gsmächte
vertragverlegentlen Partner gehunden. - Zweitens würde - :ebunden. Sie haben das auch grundsäglich niemals ge-
ein Rücktritt vom Haager Abkommen zwar die Ver' ,Eugnet. Die vor der Kapitulation besegten deutschen
bindliihkeit der LKO. aufheben, soweit sie auf vertrag' lebietstöile sind zunächqtnach den Haager Regeln über
licher Vereinbarun$ der Signatare beruht. Mit dem iie occupatio bellica verwaltet worden. Erst nach der
W'egfall .der LKO' entstünde aber zwischen den Betei' \apitulation tauchte die Frage auf, ob diese Regeln
ligten kein rechtsfreier Raum, sondern es griffen dann ian gegebenen Sachverhalt noch ded<en oder ob nun-
- wie schon oben a-usgefährt - die allgemeinen Grund' *-ehr eine tatsächlicheLage entstanden war, die infolge
irer Besonderheit die Anwendung der LI(O. ausschloß,
säge des objektiven Völkerrechts ein, wie sie sidr aus
den unter gqsittetenYölkern feststehendenGebräuchen, .i,en weil sie nicht mehr den Tatbestand aufwies, der
den Gesegen tler Menschlichkeit untl den Forderungen - :'n diesei geregelt werden soll.
des öffentlichen Gewissens ergeben. Diese Grundsäge In tler nissensehattlichen Etörterun"g ist Doru (rlg-
binden die Beteiligten nicht kraft vertraglicher Veiein- Iischer Seite geltend gemach,tworden, di,e Regeln der
barung, sondcrn kraft objektiven Völkerredrts' Ein Haager Konuentionen seien unter den Bedingungen
Rücktritt wegen Vertragwerlegung ist aber nur Yon des m.od,ernen Krieges ueitgehend ueraltet wtd in-
einem Vertrag, nicht dagegen vom objektiven Völker- iolged,essenzum. Teil hlnfällig. VgI. H. A. Smith, The
recht möglich. Auch dem Rechtsbrecher gegenüber ist es Gotiernment ol occupied..territory, Brit. Yearboolt ol
völkerrechtlich nicht zulässig, sich von den unter gesit. [nternai. Lato, Vol. XXI (1944) P. ]51 sq. Demgegen-
teten Völkern geltenden Gebräuchen, von den Gesegen über stelh Sauser-Hall, a. a. O. p. 9 t, mit Recht iest,

r14 115
daß sich daraus zwar ilie Lückenhaftigheit, niclt't aber stand,es idhmeru an Kaulmanrb d. a. O. Seite 2, 6;
d,ie HinläUigkeit der LKO. ergebe. Ihre traditionellen Jennings, MDR., 1948, Seite 7; Sauser-Hall, p.32. -
Prinzipien behiehen uielmehr auclr unter den mader' Geht inan uon der Voraussegung aus, daß Deutsch.
nen Gegebenheiten ihren Wert, Iand als Staat nicht untergegangen ist, so hann d'er
u öIherrechtliche F riedenszustand, nur im. Einaerneh-
d) Wandlung der occupatio bellica zur militärischen men beid,er Kriegsteile uiederhergestel,It werden. Das
SicherungsbeseBung braucht nich,t unbedingt im Wege öines ausdrüch-
lichen Friedensuertrages zu geschehen; es ltann auch
Da die occupatio bellica im eigentlichen Sinne des
durch,,schlichte Einsrellung d,er Feintlseligkeiten"
Wrirtes nur bis zum Ende des ,,I(rieges'odauert, ergab
(F. A. Mann, $p.779) erfolgen, soweit darin ein lton'
sich mit der Kapitulation die Frage, welchen Rechts-
hludeites lriedennoitliges Verhalten beider Teile ge-
dharakter die Besegung Deutschlancls von diesem. Zeit' -Wiederaufnahme
sehen uerden kann. der iliplom'a-
punkt an t'rage.
tischen Beziehungen, die uielt'ach als Bedingung der
Es ist für diese Fragd nicht entscheidend, ob der Krieg
F rie d en sher st ellun g an g eseh en wir d ( a gl. Saw er' H all,
im Sinne des Völkerrechts beendet ist oder nicht.
p.32; Verdroß, Völltemecht, Seite 290), ist nur als
Das britische Foreign Olfice hat in Saclten R.u.Bot'
il'ie lndiz des Friedensmillens, aber nicht als untirngäng-
tril, ex parte l(üchenmeister (1947) 1K.8.47,
liche Voraussbgung des Friedensschlusses zu u)erten.
Feststellung getroffen: 0,3. Da der Kriegszustand mit
Im Falle Deutschlsnds kommr eine Viederherstellung
Deutschland ued'er duich einen Friedensoertrag noch
des Friedens au,f diesem Wege bisher nicht in Be'
d.urch eine Erklärung der Allüerten XIädt'te beendet
trächt, ueil Deu.tsdtland, inlolge seiner ltandlungs'
word'en ist, so befindet sich Seine Maiestät noch'irn
unlähiglteit gegenuärtig gar niiht in d'er Lage isto
Kriegszustanile mit Deutschland', obgleich - utie i.n
sich im Hinblick aul Krieg und' Frieden honleludent
der Erklärung anläßlich der .Übergabe aorgeselten
zu, aerhalten
worden ist - aIIe aktiuen Kriegshundlungen, eingestellt
word,en sind." (Zit. nach Cohi, MDR,- 1947, Seite Entscheiilen-äfür das-Bestehen eine-r occcupatio bellica
179.) Diese Erltlärung scheint dern Stan'dpunltt aller ..t nicht die völkerrechtliche Beendigung des Krieges,
:Lrndern die tatsächliche Einstellung der Kampfhand'
Besagungsmächte zu entsprechen, die aul nt'ehreren
Konferenzen die Möglichheiten der rechtlichen Been' -ungen. Verschiedene Bästimmungen der LKO. Iassen
di[ung iles Krieges, sei es durch einen Friedensaer' .rkennen, daß in dem dort geregelten Besagungsrecht
trag odei durdt, ein einseitiges Friedensstatut, er' iie Fortdauer der Feindseligkeiten oder jedenfalls ilie
örtert haben. - In der wissenschuftliclten Erörterung I'Iöglichkeit ihrer Wiederaufnahme vorausgesebtist (vgl.
g ehep ilie M einun g en au seinan d er. E n di gun g d es Kr ie gs' Lrtikel 44, 52, 53 LKO.). Seit dem B. Mai 1945, spä-
zustand,es nehmen an Kelsen, Am. Jaurnal, Vol.39 :istens seit dem 5..Juni 1945 hat die Besegung Deutsch-
(1945), p.519; F. A. Mann, 5J2.1947, Sp.4B0; Seuf' .nds daher nicht mehr den Charakter einer occupätio
'Ebensowenig
: ellica. kann sie jedoch im Sinne der
fert, a. a. O. Nach L;aun, Staats- u,nil VöIlterrecht i,n
Deutsdtland, MDR., 1947, Seite 246, gilt ,,Kriegsredtt :i,erlieferten Kategorien des Völkerrechts als occupatio
ohne Krieg". Fortbestehen deb formalen Kriegszu- ,acifica bezeichnet werden.

r16 lr7
Zwisdhen iler tatsäihlichen Einstellung der Feindselig- ,,Der Zeitraurn d.er alttiaen Feindseligheiten war
keiten und der Wiöderherstellung des Friedens im wahrscheinlich am 8. n[ai 1945 un,d nicht später als arm
vollen Sinne des Völkerrechts hat sich vielmelrr be- 5. Juni 1945 beendet. Es würde dairer lür d'ie ame.ri-
sagungsrechtlich eine Misch- und Übergangsform zwi- kanische Regierung nicht mögljch sein, einen Rechts-
schen occupatio belliöa und occupatio pacifica gebildet, anspruch aul deutsdres öftentliches Vermögen aul
in der sich Elemente beider Besagungsformen ver- dem Schlachtfeld, oder durch Aneignung aul Grunil
binden. des Artikels 53 der Haager Vorschrif'ten aon 1907
' nach ilem 5. Juni 1945 zu eruerben.oo
Al.s occupatio mixta nirrJ zumeist die sogenannte
Waffenstillstandsbesegung bezeichnet, ugl. Heyland \rerbindlich bleiben dagegen auch im Rahmen der
bei Strupp, Wörterbu.ch des Völhemechts, Bd. III, militärischen Sicherungsbesegu?galle diejenigen Yor-
.allen
Seite 315. Um eine soldte hand,elt es sich im deut- .chriften, welche die Grundsäge des allgemeinen,
schen Falle in Ermangelung eines detnentspredtenden Besagungsformen gemeinsamen Besagungsrechtes ent-
Vaftenstillstandsuertrages nicht. VSl. Sauser-Ilall, halten. In dieser Hinsicht ergibt sich ein zwingender
Seite 30. Schlüß a maiori ad minus: Wenn der Besagungsmacht
Der heutige Zwischenzustand einer occupatio post bel- .chon unter dem Regime der kriegerischen Besegung
lum, ante pacem ist dadurch gekennzeichnet, tläß iler bestimmte Sdrranken zum Schuge der Bevölker-ung des
Besagungszwecknicht mehr im Zusammenhang mit den beseBten Gebietes gezoger' sind, so bestehen diese
militärischen Operatiorren steht, f ür die das besegte Schranken erst recht nach Beendigung der leindselig-
Gebiet als Basis oder Etappe, als Rohstoffquelle oder l.:eiten im Rahmen einer militärischen Sicherüngsbeset-
Produktionsstätte dienen kdnnte. Der wesentlichste zung.
Zwed< der militärischen Besegung Deutschlands besteht Irrig sinil insoweit die Ausfilhrungen des amerikani-.
heute vielmehr in der militärischen Sicherung des errun' sthen Militärgerichtsholes NT.III in dem Urteil uom
genen Sieges. Die Beseg4rng ist daher als militärisdt'e 3.14.Dezember 7947 gegen Altstötter und Genossen
Sicherungsbesegung zu bbzeichnen. (luristenprozeß), Seite 8 ft. (Ilamburger Ausgabe
Daraus folgt jedoch nicht, daß die - in erster Linie Seite 14 ff.), wonadt die Regeln d,er LI(O. heine An'
allerdings für die occupatio bellica geschaffenen- Re- wendung finden, ,,sobald die Kriegführung beendet
geln der Haager LKO. sämtlich unanwendbar geworden ist, keine hämpfenile Armee mehr aorhanden ist
wären. Unanwendbar sind nur diejenigen Bestimmun- und, wie im Falle Deutschlands, Unterwerfu'ng auf
gen, die in spezifischerWeise der occupatio bellica zu- Grund militärisch.er tib,erwähigung eingetreten ist".
geordnet sind'und die. Fortdauer der l(4mpfhandlungen Verhannt ist hier zuteierlei: erstens, daß die LKO.
voraussegen.So besteht beispielsweiseim $ahmen einer neben den tür die occupatio bell,ica geltenden Vor'
militärischen Sicherungsbesegungnicht mehr das der schriften allgemeine Grundsäge enttrräh' die für alle
occupatio bellica eigentüüliche Eeutet'echr des Arti- Forrnen militärisdrer Besegungen uerbindlich sind;
kels 53 LI(O. zweitens, daß im Falle Deutsch.lands ztoar die objek'
'ge'
Derngernäß hat die OMGaS-Finance Diuision in einern tiuen V orausse7ungen einer d.ebellatio uielleicht
geben u)&ren, jedodt, irn aölherrechtlichen Sinne
. Rundschreiben oom lS. Noaernber 1946 testgestellt:

118 lle
glei&,uohl der aollstänl,ige. Tatbestand einer debel- enger, teils weiter als in den Haager Regeln üher die
latio mit d.er Folge des Staatsunteigangs nidtt uor- occupatio bellica vorgesehen.Sie sind enger insoweit, als
liegt. Siehe oben. III;3, mit dem tatsächlii:hen Aufhören der Feindseligkeiten ge-
wisse, durch aktuelle Kriegsnotweniligkeit bedingte Ein-
e) Weitergehende BesegungSzieleund ihr Verhältnis griffsrechteder Okkupanten hinfällig geworden sind (z'B'
zu deh Haager Regeln das Beuterecht, siehe oben IV, l,d); die allgemeinen
Dennoch läßt sich nicht verkennen, daß die Besagungs- SchuEnormen zugunsten der Bevölkerung gelten un-
mädrte tatsächlich Befugnisse für sich in Ansprrrch bedingter denn zuvor in der Phase der reinen occupatio
nehhen. die weit über den Rahmen der HLKO, hinaus- bellica.. Auf der anderen Seite gehen die Befugnisse der
gehen. Soweit ihre Kriegs- und Friedensziele in bezug Besagungsmächte und ihrer Organe ilber die in den
auf Deutschland überhaupt als völkerrechtlich legitim Haager Regeln vorgesehene Rechtsstellung wesentlich
'Wahrnehmung
zu erachten sinil (tlarüber siehe unten IV,2, a-c), wird hinaus; sie sind nicht auf tlie der einer
man ihnen solche Befugnisse auch nicht absprechen Besagungsmacht normalerweise obliegerrden Ordnungs'
können. aufgaben beschqänkt, soirdern erstrecken sicb auf alle
Derartige über den Rahmen einer normalen Besegung Gebiete des staatlichen Lebens uttd .ichtett sicth z' T'
hinausgehendeBefugnisse derAlliierten Iassensidr aller- auf eine tiefgreifende Umgestaltung der poiitischen und
dings nicht damit begründen, daß die Alliierten der rfirtschaftlichen Stniktur des besegten Landes'
deutschenRegierung mit den Erklärungen der Moskauer Gegen das obert ueruendete argumenturn.o' f ortiori
Konferenz 1943 die de-jure,-Anerkennung entzogen xoenilet sich ilaher z. B. Kaufmann, a. a'dlseite 7-9
hätten und das deutsche Staatsgebiet daher beim Ein- mit ilem Eintnanil, es handle sich im d'eutschen Falle
marsdr der Alliierten herrenlosesGebiet, res nullius, ge- um eine occupatio sui generis, ilie irn"Verg,l'eidt' zur
wesen sei (so Vir,ally, a. a. O., pp. 24 und 99). Erstens accupatio bellica kein plus oiler tninus, sondern ein
ist eine solche Entziehung der Anerkennung seitens der aliud d.arstöIle' Ob,gleich ich im Ergebnis weitgeltend
Alliierten niemals ausgesprochenworden. Zweitens hätte mit ihrn üb,ereinstimme, erscheint es mir angebrackt,
es sich, soweit überhaupt in Frage kommend, nur um die ilie Haager Regeln als Ausgan'gsbasisnicht ohie Not
Anerkennung als Regierung, nichf um die Anerkennung aufzugeben. Si'e enthahen ge'u)isseallgemeine Prinzi-
als Staat handeln können. Drittens wäre es ein juristisch pien, ilie lür ieite Art aon Besegung maßgeblich sind'
erstaunlicher Vorgang, wenn ein Staat einen anderen Die besondere Struktur des ileutschen Besagungs'
durch Entziehung der Anerkennung in eine res nullius rechtes liegt ilarin, daß die selv unf assenilen und' zu'
verwandeln und sich damit aller rechtlichen Bindungen gl ei ch u er sch'ied enar ii gen' B esa11ungszw eck'e z' T' eine
ihm gegenüber entledigen könnte! Erneiterung, zurn anderen TeiI eine Besch'ränhung
Wir befinden uns in der eigenartige und komplizierten iler Befugnisse des Ohhupanten mit sich bringen'
Situation, daß das konkrete, in Deutschland heute gel- So übereinstirnmend' das Rechtsgutachten des Institttts
tende Besabungsrecht nach beiden Richtungen hin Ab- für intern.ationales Recht und Politih an der Uniaer'
weichungen von den Regeln der HLKO. mit sich bringt: sität Bonn über die Frage, inwieweit die Besaqungs-
Die Rechteund BefugnissederBesagungsnächtesind teils m.äckte nach geheridem V öIkerrecht bere'chtigt sind, im

r20 I21,
P ria at ei gentum st ehend e inilu strielle P r o d.ukte und den. (Zutreffenil insoweit Schlochauer, DRZ. 1947,
Industrieanlagen u)egzunehrnen oder zu zerstören Seite 113 f.)
.(11. August 1947), im lolgenden zitiert als Bonner Nur Laien, denen d,ie Funlctionsgeseg,e des VöIlter-
Rechtsgutadtten, Seite B f. redtts nicht aertraut sind, hönnen demgeg.enüber mit
Die über die LHaager Regeln hinausgehenden Macht- ironisclm SÄepsis die Frage stellen, welche:n Unt,er-
befugnisse sind den Alliierten nicht etwa durch ein schied es müche, wenn die Zustimmung des Besiegten
zwischen ihnen vereinbartes, auf den Beschlüssenvon erlordert werde, ilie dieier angesichts der Machtuer-
Jalta u4d Potsdam beruhendes Partikular-Völkerrecht hähnisse doch nicht aerueigern hönne. In Wahrheit
zugewachsen, w.ie gelegentlich behauptet rvird. enthäh dieses Zustimmungserlordernis des VöIker-
So etüa Laun, Die Haager Landhriegsordntmg, rechts eine lteinesusegszu aerachtend.e Sihranhe, clie
Seite 62, allerdings mit einer Forrnulierung', ilie kci- ilem Belieben der siegreichen Macht gezogen ist. Schon
nen Zweifel daran läßt, daß der Verlasser d,iese die Notwendigheit, mit d,em Besiegten über seine Zu-
Verdrängung d.es allgerneinen durch ein partikulares stimmung zu uerhandeln und aul seiner Seite repräsen-
'Will.e
Völlterrecht nicht lür legitim häh: ,,Wenn d.er tatiae Persönlich.keiteruzu ftnd,en, die bereit sind, tlie
der Alläerten als tatsächlich geltend,espositiues Rech,t VerantT.oortanglür die Zustimmung zu tragen, ist ein
erfaßt werden soll, so bleibt nur eine einzige Grund- nicht zu unterschäSendes Hemmnis, daß ieder willhür'
lage übrig: die aul die physische Macht des Staates lichen Machtpolitik zum minilesten als retardierentles
gegründete Souuerünität,' w elche bei der. B eendi gun g Moment entgegenwirht.
eines Krieges als das Recht. iles Siegers, das Recht Die Frage ist jedoch, ob nicht durch die Macfrt der mit
des Stärheren ersdteint.'o dem totalen Zusammenbruch des Reiches 1945 geschaf'
W ei ter g ehen d oft efubar d as T übin ger R ech.tsgu t a chten, Ienen Tatsachen'bestimmte rechtliche Folgerungen un'
Seite 17 1., d.as einen soldten Vorbehalt gegenüber abweisbar geworden sind, die zwar nicht auf eine Auf-
iler Allgerneinaerbindlichkeit eines uon einer Sieger- hebung, wohl aber auf eine gewisse Modifikation der
gruppe geschaffenen Partililarrech,tes nicht zu,m Aus- Iiaager Regeln hinauslaufen, Die banale Formel von
druck bringt. der ,,normativen Kraft des Faktischenoosoll hier nicht
Demgegenüber muß auf den Elementargrundsag des herangezogenwerden, da sie allzuleicht im Sinne einer
Völkerrechts --verwiesen werden, daß, einseitige Be- Kapitulation des Redrts vor den faktischen llachtverhält-
schlüsse einer partikularen Mächtegruppe auch dann nissen mißverstanden wird. Dodr kann eines nicht über-
kein vom allgemeinen Völkerrecht abweichendes ,und .ehen werden: der totale Zusammenbruch Deutschlands
gegen den Besiegten wirksames Recht schaffen könneno hat eine Sachlage entstehen lassen, die in mancheh
wenn diese Mächtegruppe den totalen Sieg errun€ien Beziehungen mit den llaager Regeln nicht gemeistert
und alle Macht in ihren Ifänden hat. Nur mit Zustim. '*erden kann. Nicht die Macht der Sieger als solche,
mung des Besiegten, allenfalls auf Grund eines all. =ondern diej Macht der von ihnen geschaffenen Tat-
gemeinen Mandats der Völkerrechtsgemeinschaftkönnte =achen nötigt daza, bestimmte Sachbereiche des Be-
das allgemeing Völkerredrt, wie eÄ in der lfaager LI(O. :agungsregimesvon der Anwendung tler Elaager Regeln
normiert ist, durch ein Sondervölkerredtt ersegt wer. auszunehnleri.

I22 t23
Die uneingesdrränkte Anwendbarkeit der flaager Regeln
der Intervention für die Erridrtung biner demoLra'
seBt ein dreifadres voraus: erstens, daß die Verfassung
tischen Verfassung zu sorgen, ztueitens, bis zu ihrem
des besegten Staates noch besteht (oder alsbald durdr
Inkrafttreten die Funktionen der deutsdren Staats'
eine aus eigener Kraft unternommene Revolution um- 'Wege
gewalt im der Sequestration interimistisch wahr'
gestürzt und durch eine neue ersegt wird); zweitens, 'Wege
zunehmen, drittens, im der unmittelbaren Zwangs-
daß es auf Grund dieser Verfassung noch eigene oberste
vollstreckung die Erfüllung der deutschen Reparations'
Organe des besegten Landes gibt, durch die es seine
pflichten einzuleiten.
Willens. und-Handlungsfähigkeit betätigen kann; tlrir-
Dementspredrend sind im Gesamtsystem des fürDdutsch-'
tens, daß über etwaige I(riegsentschädigungen oder
Iand gültigen Besagungsrechtesmindestens vier ver-
Reparationen verhandelt und im Woge vertraglicher
schiedene Schichten zu unterscheiden, die sich z. T. über'
Yereinbarung Bestimmung' getroffen wird.
lagern und überschneiden und die jedenfalls nicht alle
Nur unter diesen drei Voraussegungen lassen sich die
den gleidren Norrüen unterworfen sind. Die Besegung
Befugnisse einer Besagungsmachtin der'Weise umgren-
ist - gleichsam in ihrer untersten Sdricht - eine mili-
zen, wie es in den Haager Regeln geschieht. Die in
tärische Siiherungsbesegung?die weitgehend von den
Deutschland gegenwärtig gegebeneLage weicht in allen
Yorsch?iften der HLI(O. regiert wird. Sie ist darüber
drei_ Punkten von dieser il den Haager Regeln vor-
hinaus eine Interventionsbesegung,eine Sequestrations-
ausgeseBtenNormalsituation ab: erstens) Deutsdrland
beselung und eine Reparationsbesegung,und für diese
hat (a.bgesehenvon gewissen technisch-neutralen Rest-
drei oberen Schichten des Besagungsrechtes$önnen die
bestandteilen) keine Verfassung; es gilt weder die Wei-
Regeln der HLKO. nur in besdrränktem Maße und
marer Verfassung nodr das Verfassungsrecht des Dritten
mit gewissen wesentlidlen Moilifikationen Anwendung
Reiches nodr die qreue Verfassung einer revolutionär
frnden.
konstituierten deutsdren Republik; ztoeitens, es hat
Das ist ein für Deutschland außerordentlich erschweren-
keine eigene funktionsfähige Regierung und ist infolge-
der Sachverhalt, der, wie man sieht, juristisch viel zu
dessen handlungsunfähig geworden; drittehs, es lastet
kompliziert ist, als daß er auf die einfadre Formel
- jedenfalls nach Auffassung der Sieger - auf ihm eine
Geltung oder Nicht;Geltung det Haager LKO. gebracht
wenn nicht dem Urnfang, so doch mindestens dem
rverden könnte. Äber es wäre juristisch ein Irrtum und
Rechtsgrund nach feststehende Reparationsschuld;
politisch eine Torheit, die Augen vor dieser llealität
Das in Deutschland bestehende Besagungsregime ist
der deutschen Lage zu verschließen.
durdr diese drei Faktoren bedingt und durch sie von
Die Aufgab.e-des Juristen liegt angesichts diesir Sadr-
einer regulären occupatio bellica unterschieden.Die Be-
lage in einem Doppälten: sich einmal Röchenschaft ab-
sagungsmächte haben es ntcht rnehr mit der militäri-
zulegen über die Rechtsgrundlagen dieses Besagungs-
schen Sicherung eines für die weitere Kriegführung
regimes der Intervention, Sequestration und Reparation,
wiclrtigen Territoriums, sie haben es auöh nicht rutr zum anderen die immanenten Schranken aufzudedren,
mit der militärischen Sicherung eines bereits errun- die demWirken der'Besagungsmächtedurch die Redrts-
genen Endsieges zu tun. Sie fühlen sich vielmehr dar- begriffe der Intervention, der Sequestration und der
'Wege
über hinaus berufen und berechtigt, ersten's, im
Reparaiion gezogen sincl. Denn damit, daß in diesen

t24 L25
.F

drei Sdrichten des Besagungsregimesdie Haager Regeln tiefer als alle anderen Maßnahmen der Besagungspolitik
weithin unanwendbar sind, ist nicht gesagt, daß hier getroffen.
überhaupt keine. Rechtsregeln bestünden unrl allein die Es stehi atßet Zweifel, daß Maßnahmen dieser Art im
einseitige Macht des Siegers triumphiere. Yoraussegung Rahmen einer nur von den Haager Regeln regierten
fär eine Fixierung des Besagungsrechtesin Form eines Besegung schlechthin unzulässig wären, Der Yersuch,
Abkommens oder Statuts ist daher vor allem die Er- bestimmte Maßnahmen dieser Art als ,"Strafeo'im Sinne
mittlung und Erläuterung der spezifischen Rechtsschran- des Artikeh 50 LKO. zt qlalifizieren und zu unter-
.ken, die der Besagungsmachtinnerhalb diesesdreifachen suchen, ob hier mit Recht eine ,,Kollektivstrafeoo gegen-
Bereichs gezogen sind. über der deutschen Bevölkerung auf Grund ihrer Mit-
rerantwortlichkeit für bestimmte Handlungen einzelner
2. Die InterxentionsbAsegu.ng 'r-erhängt worden sei, führt in die Irre. (Dieser, soweit
ich sehe, nirgends ernstlich unternommerre Legitima-
. a) Zweck und Ziel der Intervention
tionsversuch wird von Laun, Die Haager Landkriegs-
Die Politik der Besagungsmädrte in Deutschland ist, ordnung, Seite 38 ff., untersucht und mit Recht verwor-
wie schon in den Kriegszielproklamationen unzweldeutig fen.) Es handelt sich hier, anders als bei der militär-
angekündigt, von Anbeginn auf den Sturz der bis 1945 gerichtlichen Verfolgung von KriegsVerbrechern, nidrt
bestehenden militärisch-totalitären Verf assung Deutsch- um die ,,Bestrafung" von Delikten gegen das Völker-
Iands und auf eine, ,,endgültige Umgestaltung des poli. recht oder das nationale Strafredrt. Es handel$. sich viel-
tischen Lebens Deutschlands auf demokratischer Grund- mehr um eine Yerwendung der Besa$ungshoheit zurn
lage" (Potsdamer Abkommen, A 3 IY) unter weitgehen- Umsturz und Neuaufbau einer deutschen Yerfassung.
der,,Dezentralisation der politischen Strukturoo (ebd., 'Wesen
A 9) gerichtet. Zablreiahe Anordnungen unil Maß- b) Begriff und der fnterveirtion
, nahmen sind ergangen, die in diesem Sinne auf einen _ Eine solche Einmischung in die Verfassungsverhältnisse
IJmsturz und Neuaufbau der deutschen Verfassung ab- eines durch kriegerische Überwältigung gefügig gemach-
zielen. Unter ,,Verfassung'oist hierbei und im folgen- ten Staates n'ennt das Völkerrecht ,,Inieruen,tion".
den nicht nur ein System geschriebener Yerfassungs- Die Politik der Entmilitarisierung, Entnazifizierung und
normen und organisierter Verfassungsinstitutionen zu Demokratisierung zielt; weit über ihre materielle, orga-
verstehen, sondern darübCr hinaus das Gesamtsystern nisatorische, administrative und personalpolitische Be-
geistiger Prinzipien und vitaler Energien, das in einer deutung hinaus auf einen echten Verfassungsumsturz'
bestimmten politischen Ordnung Gestalt gewonnenhat, auf eine Umbildung der geistigen Grundlagen und eine
Im Rahmen dieser allgemeinen Zielsegung hat das \!'andlung der sozialen Hierarchie in Deutschland. Sie
Potsdarner Abkommen eine genauere Definition der in kommt in ihrer Virkung einer totalen Revolution gleich,
Aussicht genommenen Maßnahmen gegehen; sie lassen die weit tiefer geht, als die Umwälzungen, die das
sich unter den Stichworten Entmilitarisierung, Entnazi- deutscheVolk lB4B, l9lB oder 1933 erlebt hat.
fizierung und Demokratisierung zusammenfassen.Diese Eingriffe eines fremden Staates oder einer Staaten-
'
Maßnahmen haben das öffentliche Leben in Deutschland gruppe? die in dieser Weise auf eine revolutionäre An-

L26 L27
oder wegen der Dienste, die sie einem gestürzten Re-
derung der inneren Sturlctur des betroffenen Landes
als gime geleistet haben, Maßnahmen zur I(onfiskation des
gerichtet sind, sind staats- und völkerrechtlich
Interventior,"' zrr bezeichnen. Sie findenl Eigentums der Anhänger einer politischen Partei, zur
""revolutionäre
geistigen lJmerziehung der Bevölkerung und zur I)e-
ihre Entsprechung in,,restaurativen Inten-entionen",
montage der Industrie des Landes rnit dem Ziele d.er
die auf Erhaltung einer revolutionär bedrohten oder
Zerstörung seinesökonomisch-politischcnPotentials sind
auf Viederherstellung einer durch Umsturz beseitigten
rnit dem Besagungsrecht der Haager LI(O. schlechthin
Stastsordnung abzielen' Frankieich etwa ist während
unvereinbar,
d.er Koalitions- und Napoleonischen Kriege einer sol-
Kann die Gesamtheit dieser tiefgreifenden Maßnahmen,
chen restaurativeh Intervention ausgese$t gewesen, die
'Wiederherstellung die hier unter dem Begriff der Intervention zusammeu-
mit der des bourbonisdren I{önig-
gefaßt werden, nicht aus der spezifischenBesagungs-
tums endete.
hoheit im Sinne der HLKO. hergeleitet werden, so ist
Das europäische Völkerrecht hat seit dem Zusammen-
sie ebensowenig aus der treuhänderischen Sequestration
bruch der Heiligen Allianz das Prinzip der ,,Nidrt-
der deutschenStaatshoheit zu rechtfertigen. Mögen diess
Intervention" angenommen, nach dem es jedem Staate
llaßnahmen a:uchz. T. im eigenen - oder zum mindesten
völkerrechtlich verboten war, sich in die inneren An'
gelegenheiten eines anderen Staates einzumischen, ins- im wohlverstandenen eigenen - trnteresseDeutschlanCs
liegen, so ist das deutsche fnteresse bei ihnen doch nir-
besondere auf seine Verfassung einzuwirken, sei es im
revolutionären oder im reslaurativen Sinne. sends das bestimmende Motiv. Ein Teil dieser*Maßnah-
Lediglich die von der politischen scharf unterschiedene men widerstreitet offenkundig den deutsbhenfnteressen,
so z. B. die Demontage der deutschen Industrie, I'ie sie
humanitäre Intervention wurde vielfach als zulässig
zur ,,Entmilitarisierung'o im weitesten Sinne, d. h. zur
erachtet und in der Staatenpraxis in einer Reihe von
Fällen angewandt. Vie stark bei ilem Vorgehen gegen Ilerabsegung des deutschen Rüstungspotentials, in so
rreitem Umfange durchgeführt worden ist.
Deutschland die humanitären Motive gel{esen sind,
kann dahingestellt bleiben. Keinesfalls warerr sie aus'
sihlaggebend,Seinem wesentlichen I(erngehalt nach rtar c) Rechtsbasisder Intervention
der Interventionskrieg der Alliierten gegen I)eutsdr-
lanil nicht,humanitär, sondern politisch motiviert' Dochlväre es wenig realistisch, bei der Feststellung ste-
hen zu bleiben, daß Entmilitarisierung, Entnazifizie-
Das überkommene, von dem Prinzip der Nicht-Inter'
rung und Demokratisierung Deutschlands weder durch
vention beherrschteYölkerrecht bietet daher einer Inter-
'lie militärische Besagungshoheit n-och du.ch die treu-
ventionspolitik der Besag,ungsmächtekeine Grundlage'
Länderische Wahrnehmung der deutschen Staatsfunk-
Insbesondere ist in den auf diesem Yölkerrecht auf'
-Raum :ionen rechtlich gedeckt sind. Es ist offensichtlich nicht
gebauten Haager Regeln kein für eine solche
iie Absicht der Besagungsmächte,in eine Diskussion
Politik. Maßnahmen zum Ulrlsturz der bestehenden
Staats' und Regierungsform, .zur Ausschaltung oder gar "uf dieser Ebene einzutreten und ihre Interventions-
; olitik auf die Haager LI(O. oder auf die treuhände-
zur Internierung von Ileamten, Gelehrten, I(ünstlern
:r.che Ausübung der deutschenStaatshoheit zu stügen.
oder Industriellen wegen ihrer politischen Gesinnüng

tzg r29
Soweit ilie bisher abgegebenenpolitisihen Erhlärungen rahter, den der zweite Wekkrieg im weiteren Verlaul
der &ngenammen lt at. Zutr eIJend St eini g er, N I . 1942, Seit e
und Proklamationen, die eine nähere Bezeichnung
verrneiden' eine 206: ,,Rechtlüh muß genügen, daß im Lttule d,esztaei-
in Anspruch genommenen Rechtstitel
juristische Deutung zulassen,gründen die Alliierten ihre ten'W eltkrie ges j ed,enfalls der I nteru entionscharakter
Titel
Interventionspolitik offenbanauf den selbständigen in tlen Konlerenzprotohollen eindeutig heruargetre-
Entwicklung zu- ten und bei Beendigung des Krieges ausdrücltlidt
einer durch die neuere völkerrechtliche
gelassenen politischen Intervention' Es ist notrvendig' lesigehahen norilen ist."
'Wende
i'i"h äb", die säkuläre klär zu'werden' an der Der deutschelJmsturz von 1945 hat sich nicht als Staats-
das Völlcerrecht damit steht: das klassischePrinzip der streich oder Revolution, sondern als ein von außen aus-
llicht-Intbrvention rväre preisgegeben und ersegt durch gelöster fnterventionsumsturz vollzogen. Seitdem dient
zur Erhaltung der demo- die Besegung zu einem nicht geringen Teil der Festi-
ein Prinzip der Intervention 'Welt'
kratischen Homogenität der gung und Förderung der neuzuschaffenden demokra-
Ansä1trein d'ieser Rich'tung ueist die aölkemechtspoli- tischen Orclnung Deutschlands. Sie ist insoweit Inter-
auf' ße-
tiscki Entwichlung der rLeuer7n Zeit uielt'ach' v en t io nsbeseBung.
ist Dieser, qoweit ich sehe, aoru Zinn eingefülrten Cha-
santlers irn panameriltanischen Yölkerrechtskreis
uerzeichnen'
eine gdiisse Tenilenz in iliesem Sinne zu rahterisibrung haben sich eine Anzahl deutscher Auto-
t:g!'
Über ilas Prinzip d'er demohratisdt'en Legi'timitüt ren angeschlosser?,so insbesondere Geiler, a. a. O.
Guglielma Ferrero, Ma&t' 1946' Seite 18 l.; Arndt, Deutschlands rechtliche,rLage; Die
Anbeginn' so
Der zweite Weltkrieg hat, werm nicht von Wandlung, 1947, 2.Heft, Seite 110 (,,Die Eigenart
eines Interven- dieser Lage {Deutschland,sl ist erst ilurch ilie Beson-
doch in seinem Verlauf ilen Chirakter
a' auf einen innerpoli- ilerheit des l{rieges als eines Interaentionskrieges
tionskrieges angenommen, der u'
tischen IJmsturz in Deutschland abzielte' heraorgerulen, d.er sich nicht allein gegen die militä-
So insbesorud'ere Zinn, SIZ'1947, Sp'6: "l)er zweite rischen Streithrälte geridttet lrat, sondern gegen. die
Interuention' ein politische Struhtur des Staates unil ileshalb neben der
Wehhrieg (war) ied'enlalls auch eine
Ein'misclzungshrieg ge gen tlen N ationalsozialismus militärischen Besegung, der ,occupatio bellica' irn
"' 35'
a' a' O' Seite Sinne des traditionellen Völlrcnechts, zugleich zu
Gegen iliese '4ulf assung Sauser-Hall'
nennt' zu be- einer politischen Besegung mit bisher unbehannter
d.., ., eine ,,histotische [Jnwahrheit"
seien irt' ilen Krieg eingetre' st aat sr echtli cher B ed eu tun g | ü hr t e" ) ; T übin g er R echt s-
haupten, die Allüerten
und Einrichtungen' d'es Naziregi- gutachten,. Seite 75; K. Schmid, Der Maßstab iles Völ-
ten, urn ilie Gesege
Strebem'nudt kerrechts, Wirtschafts-Zeitung Nr. 45 t:om 7, Noaem-
mes zu beseitigen, Ohne ilas deutsche
'Weltherrschttft
hätten' sig nicht iLaran gedacht' gegen ber 1947. Seite 5.
rlasnationalsozialistischeRegimeaot'zugehen'wiesie Die einzelstaatlichen Verfassungen sind nicht nur Aus-
Interaen'
auch zwischen 1933 und 7939 an heinerlei iruck einer deutschen demokratischen Verf assqngs-
des Drit-
tion gegen ilie gese7,geberischenn[aßnahme'n :ervalt, ssndern zugleich das Erzeugnis der Interven-
- Dus mag zu'treffen' ronspolitik der Besagungsmächte. Ebenso wird eine
ten Reiclrcs geilttcht hätten'
nichts an dern in'teruentionistischen Cha' 1",ünftigedeutsche Gesamtverfassungin mehr oder min-
ünilert aber

130 r31
der ausgeprägtem Maße den Charakter einer Interven- Begriff der Demohratie Menschenrechte, I'reiheit unrJ
tionsverf assung haben. Gleichheit genügen; Dagegen enthält d,ieCharter eine
Ob diesesSystem von Interventionskrieg, fnterventions' ausdrückliche Anerltennung des Prinzips der Nicht-
umsturz? Interventionsverfassung und Interventions' lnteruention( Artihel2 Abs.7).\t gI. Grewe, Die Sagung
beselung, das dem klassischenVölkerrqcht, wie es min' iler Vereinten Nationen, 1947, Seite 27. Goadrich and
des;ens bis 1918 galt, nicht entspricht, auf Grund ber Hambro, Charter of the United l'{ations, Cgrnmentary
stimmter Wandlungen und Entwidclungen des Yölker- and Documents, 7946, pp.72 sqq.
rechts heute als rechtmäßig zu erachten ist - diese Beilenklich ist es auih, die Intervention der Besagungs-
Fräge ist nicht leicht zu beantworten. mächte ilurch die Annahme eines ."stummen Plebiszits"
Die These Steinigers, Nl.1947 Seite 206, nicht eine des deutschen Yolkes legitimieren zu wollen.
perfrlanente automatische Interuention, sondern nur Diesen Versuch unternimmt I(. Schmid a. a. O. X'lan
ein)e ltonhrete, oerabredete, entspreche der R'ealität könne mit gutem Grunde dauon spreclten, meint er,
des heutigen Völherlebens, gibt keine systenatisch daß das d,eutsche VoIh in, Ermangelung einer Regie'
belriedigende Anunort aul diese Ftage. Eine lton- rung, die es rechtens uertreten hönnte" durch eine
hrete, aerabredete Interaention, u)ie er sie im Kriegs' Art üon Akhlamgtion die Interoention der Besut"ungs'
pragranlm iler Allüerten oerhörpert sieht, Itöttnte mäch,te, zum Teil und im Grundsag xoenigstens, als
d,ocJrnur dann qls zulässig gelten, uenn das Völlter' rechtmäßig anzusehen bereit ist. (Wirtsch.-Zeitg, Dom
rech.t eine politische Interaention einzelner Mäch'te 7. Nouember 1947.) Es erübrigt sich, irgendwelclt'e
od.er Mächtegruppen zur Wahrung od'er Herstellung Prognosen. über den Ausgang eines tatsächlich durch-
der dernolratischen Hornogenität der Völherrechts- gelührten Plebiszits über diese Frage anzustellen. Es
gemeinschalt erlaubte. ist jedenlalls ofienku,ndig, daß die Annahme und
Ihre Bejahung würde voraussegen, ilaß sich seit dem Ausdeutung eines ,,stummen Plebiszits" an sich sch'ort
ersten Weltkrieg unter detn Einfluß des Völkerbundes, sehr fragnürdig, nährend der Anwesenlt'eit der inter'
des sonstigen Kriegsverhütungsrechtes,des Rriand-I(el- uenierenden Besa7ungsmächte und ihrer Truppen
logg-Paktes oder anderweitiger Friedensinstrumente aber uollends uon zw,eifelhaftem Vert wäre.
eine Art von föderativer Ordnung der Yölkerrechts' Die Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit der
gemeinschaft gebildet hätte, die Qs einer größeren Staa- Intervention wird hier und im folgenden offen gelassen.
tengmppe gestattete, gegen ein Mitglied, das durch Stö' Ihre Beantwortung r.r'äre nur auf der Grundlage einer
rung der demokratischen Homogenität iler Welt Un' eindringlichen Analyse der jüngsten Entwicklung und
frieden hervorruft, zum Interventionekrieg zu schreiten' des heutigen Standes der völkerrechtlichen Verfassung
Ob die völkerrechtliche Entwicklung der beitlen Zwi- des Staatensystemsmöglidi, einer IJntersuchung,welche
schenkriegsjahrzehnte eine solche Deutung zuläßt, ist die gesamte Entwicklung des Yölkerbundrechtes, des
zweif elhaft. Iiriegsveihütungsredrtes, des Kriegsächtungspaktesund
Die Charter d.er tlN. enthöh heine ausdrüchliche Ga' des Sicherheitssystemsder UN. einbeziehen müßte und
rdntie der deinohratischen Verfassungshomogenität daher den Rahmen dieier Arbeit sprengen würde. (Einige
der Mitgliedstaaten' es sei denn, man lasse lih d'en, Gesichtspunkte hierzu in meinem Aufsag ,,Das Sicher-

132 133
heitssystem der Vereinten Nationen"; '.1948,
SJZ, tet waren, zwingt dazu, die These von der aueschließ-
Sp.169tr.) lichen Geltung der Flaager I-I(O. einzuschränken. Die
Für die Zwecke dieser Arbeit genügt die Feststellung, deutsche Argurnentation gegen die rechtliche Zulässig'
daß die Ailiierteu die politische Intervention in Deutsch- keit der Intervention zu richten und geltend zu machen,
land als wesentlichesI(riegs- und Besagungszielbetrach- daß die LI(O. Maßnahmen solcher Art nicht zulasse,
ten? von dem sie die Verrvandlung Deutschlands in eine r'äre ein politisch aussichtsloses und jurisrisch fragwär-
demokratische und friedliebende Nation und tlie \rer- diges Unterfangen. Mängel und Fehlgriffe der lnter'-
hütung künftiger deutscher Aggressionen erwarten. Je- ventionspolitik müssen rnit politischen Argumenten he-
des von deutscher Seite vorgebrachte völkerrechtliche kämpft werden. Das Besagungsrecht kann gegen Inter'
Argument, das etwa unter Berufung auf das klassische ventionsrnaßnahmen als solche keinen SchuE bieten.
Interventionsverbot die Rechtmäßigkeit des Interven- Geht man von iler Yo"-aussegung aus, daß die BesetSung
tionskrieges und der Interventionsbesegung beqtreiten Deutschlands nicht nur ein militärisihes, sondern ein
wollte, müßte wirkungslos bleiben. Denn die Alliierten eminent verf assungspolitisches Faktum ist, das als
müßten ihr eigentli.chesKr.iegsziel preisgeben, rryenn sie -,Interventionsbesegung" zu definieren ist, so ist es von
sich dieseni Argument beugen wollten. Wie imrner man entscheidender Wichtigkeit, die irnmanenten Grenzen,
über die Frage der Verwandlung des bisherigen Yölker- die im Rechtsbegriff der Intervention selber liegen, zu
rechts in ein föderatives trnterventionssysterndenken entrvickeln. Durch diese Grenzen werden die Eingriffs-
mag - es müßte dabei zwischen positiviertem Völker- rechte dqr Besagungsmächte in bedeutsamer Weise be-
recht und rechtspolitischenIdeen jedenfalls scharf unter- schränkt.
schiedenwerden -. eine Erörterung der Grundfragen des 'Interyention ist nicht gleichbedeutend mit Annektion.
Besagungsrechtesmit den Okkupationsmächten selbgt Sie zielt nicht'auf die Schaffung eines Frotektorats,
würde unmöglich, wollte man gegen die Interventions- einer Suzeränität oder eines sonstigen ständigen Ab-
politik als solche grundsägliche Einrvendungen er- hängigkeitsverhältnisses. Ihr Zweck ist also nicht, den
I dern
heben. betroffenen Staat der Herrschäft, der Hegemonie,
d) Grenzen der Intervention bestimmenden Einfluß oiler der ständigen Kontrolle
der intervenierenden Macht zu unterwerfen. Sie ist viel-
Es liegt nahe zu fragen, ob nicht deutSdrerseits mit
rnehr ihrem Vesen-nach darauf gerichtet, in diesem
einer solchen de facto-Anerkennung der Interventions-
besegung ein gutes Recht aus der Hand gegeben wird, Staate als einer fortbestehenden, politisch.selbständigerr

indem darauf verzichtet wird, die Haager LKO, als ein- Einheit ein neuesr. autonbmes politisches System alufzlc.''

zige Quelle des Besagungsrechtesin Anspruih zu neh- r i c ht e n .


Eine monarchisch-restaurative Intervention muß die
men. Dieser Einwand ist durchaus ernst zu nehmen; er
ist gleichwohl nicht durchschlagend.Schon die Tatsarhe, Autonomie des von ihr eingesegten I(önigtums anerken-

daß die Besafungsmächte neben der eigentlichen mili nen; sonst wird sie eine monarchische Verfassung allen'

tärischen Sicherungsgewalt die deutsche Staatshoheit falls der äußeren Form nach. nicht aber ihrem ideellen

kraft Seqriestration ausäben und infolge des Wegfalls Gehalt nach hervorbringen. Eine demokratisch-revolu-
der deutschen Staatsorgane dazu auch -rechtlich verpflich- tionäre Iniervention muß dementsprechend die Auto-

t34 135
nomie der von ihr errichteten Volksherrschaft anerken- Solche Freiheit ist als Verlassungsautonomieund demo'
nen. Sorist wird allenfalls eine formal-fiktive, aber keine kratische Selbstregierung ztt bezeichnen' An der durch
lebendige, echte, existenzfähige Demokratie entstehen. dieseBegriffe umfaßten Sphäre findet die demokratische
Es liegt im Vesen einer demokratisehen Intervention, lntervention der Besagungsmächreihre Grenze. Es ist
daß sie im Narnen der Freiheit, der angeborenen Men- Sache der fntervenienten, dafür zu sorgen, tlaß in
schenrechte,der politischen Selbständigkeit und Selbst- Deutschland keine andere als eine demokratische Vet'
bestimmung des Volkes gegen Despotismus, Terror und fassung entstehe. Die intervenierenden Mächte können'
willkürliche Unterdrüd<ung auftritt. Jede demokratische ohne die selbstgeselte Aufgabe zu überschreiten, clem
Intervention ist ihrem Begriff nach darauf angelegt, deutdchen Yolke bestimmte fundarnentale MalJnahmen
das betroffene Volk in den Stand zu segen, sein Leben zur Demokra.tisiemng und politischen Säuberung (Ent'
in Freiheit selbst zu gestalten. Sie muß die Freiheit rnilitarisierung und Entnazifizien:.ng) auferlegen. Aber
demokratischer Selbstgdstaltungwollen, und zwar Frei- sie müssen, wollen sie jener Aufgabe treu bleiben, in
heit nicht nur gegenüber den alten Mächten der be- dem so geschaffenenRahmen Verfassungsautonomie ge'
kämpften Tyrannis, sondern Freiheit auch gegenüber rr'ähren und demokratische Selbstregierungermöglidren.
der interveniirenden Macht selbst. Anderenfalls würde trog aller Dernokralisierungs- und
Eine demokratisdie Intörvention zielt also auf demo- politischen Säuberungsmaßnahmen keine echte Demo'
hratisdre Autonomie. Es liegt in ihrem Wesen, 4"11 -sie kratie entstehen, und die Intervention würde durch sich
sich, nachdem sie die Freiheit demokratischer Selbst- s e l h s tu ' i d e r l e g t .
gestaltung geschaffenhat, selber überflüssig macht. Eine Wie auch immer die'Frage der völkerre"htfi'chen Legi-
Demokratig, die unter rlauerndem Interventionsdnrck timität der von den Siegermächtenin Anspruch genom'
stünde, wäre keine echte Demokratie, da ihr die Frei- menen demokratischen Intervention zu beurteilen sein
heit der Selbstgestaltungfehke. Die Intervention bleibt mag - solche Legitimität könnte jedenfalls nur solange
nur solange Intervention, als sie vorübergehendlunil be- und insoweit behauptet werden, als sich die Interven'
r"hiätrkt ist. Würde sie konstant und total, so hörte sie tion auf die Herstellung echten demokratischen l-ebens
auf, fntervention zu sein. Sie würde dann zu einer Ober- im Rahmen autonomer Verfassungsgestaltung richtet.
hoheit, zu einer Suzeränität, zu einem Protektorat, das Jeder Versuch, die deutsche Demokratie zurn bloßen
die überlegene Macht dem unterlegenen Staat gegen- Instrum-ent der imperialen Machtentfaltung in der Hand
über ausübte. AIle völkerrechtlichen Rechtfertigungs- eines oder mehrerer Siegerstaaten zu machen, würde
gründe, die für eine trntCrvention geltend gemacht wer- die Intervention ihres eigentlichen Sinnes berauben und
den könnten, #ü.detr damit ihrer G.uttdlage beraubt. rr-ürde sie in eine verschleierte und verdeckte Annek'
Freiheit demokratischer Selbstgestaltung bedeutet ins- tion verrtandeln, die der herrschenilen l\{aiht die Vor'
besonder.e,daß sich die demokratisdre Intervention dar- teile einer Annektion verschaffte, ohne ihr ilie völker'
auf besihränkt, die Voraussegungen echter politischer rechtlich damit verknüpften Pflichten aufzubürden. Die
Ifreiheit in einem Volke herzustellen, .daß sie aber die Rechtsbasis,die der Interventionsbesegung vom Begriff
verfassungsmäßigeAusgestaltung und die politische Be. der demokratischen Intervention her geschaffen werden
tätigung der Demokratie diesem Volke selbst überläßt. könnte, wäre dann zerstört.

136 l3?
Äile diese zunächst vielleicht begrifflich und theoretisch und friedlichenYölkern rlerWeltPla6 nehmen können."
anmutenden Erwägungen und Grenzziehungen sind von Die Politik der Besagungsmächte ist derngemäß von An.
höchster pralctischer Bedeutung, ebenso wie sie keines- begif,n auf schrittweise Errichtung eigenstäradiger demo'
r{egs aus bloßer Spekulation geboren sind, sondern zu- kratischer Ver.{assungen und Regierungsorgane gerichtet
gleich eine juristisch-systematischeSynthese der in den gewesen. Der dabei befolgten Richtlinie enisprechend,
Erklärungen und Proklamationen der Alliierten ver- tlaß der politisdre Aufbau von unter nach ohen erfolgen
wendeten und vorausgesegten Begriffe und Zielsegun- rnüsse, ist es zunächst zur Reorganisation der horrlmu'
gen darsteilen. nalen Verbände und Behörden und in weiterer Folge
Diese Erklärungen gehen durchaus von einem Interverr' zur Errichtung von Ländern, Landesverfassungen und
tionsbegriff aus, wie er soeben umrissen wurde. Die Landesregierungen gekommen. Darüber hinaus blieb
Atlantic Charter vom 12. August 194I, die mit der For- rnan zunächst infolge der sattsam bekannten politischen
derung nach ,"endgültiger Zerstörung der Nazityrannei" Schwierigkeiten in der Bildung deutscher Ein- und
die Interventionsp olitik'der Alliierten gegenüberDeutsch- Zwcizonen-Behörden steckeu und gelangte rricht einrnal
land eröffnete (Punkt 6), erkannte zugleich ,,das Recht lris zu den irm Potsdamer Abkommen vorgesehenen pro-
oller Yölker (an), die Regierungsform zu wählen7 unter visorischen zentralen Verwaltungsämtern (A 9 IV). Auf
der sie leben wollen'o (Funkt 3). Daß die Atlantic tler Ebene der gesamtdeutschen Staatsorganisalion stag'
Charter nach dem ausdrücklichen Villen ihrer Urheber niert die Einrichtung eigenständiger deutscher Verfas-
Deutschland keine Rechte und Ansprüche einräumen .ungs--und Regiemngsinstitutionen seit geraurner Zeit.
sollte; spielt' in diesem Zusamrrienhang keine Rolle. Immerhin wird im Hinblick auf diese Entwiciäng deut-
Venn die Atlantic Charter hier erwähnt wird, so nicht lich, daß eine besagungsrechtliche Fixierung der Inter-
zu dem Zweeke, urn ein durch sie begründetes Recht zu' r entionsgrenzen kein neuartiges Moment in die Be'
gunsten Deutschlands geltend zu machen, sondern ledig- saEungspolitik einführen würde, daß es sich vielmehr
lich, um das allgerneine Prinzip demohratischer Ver' auch in dieser Ilinsicht nur darum handelrr würde' ge-

fassungsautonomiezu erläutern, das die .A.tlanticChar- rrisse anerkannte Grundsäge der alliierren Besagungs-
ter in Iediglich deklaratorischer (nicht konstitutiver) poiitik zu unterstreichen, zu festigen und zur Sicherung
Form bekräftigt. Die Erkiärung von Jalta vom 3. bis sinr"ge-äßer lfandhabung jrrrisfisch zu f onnulieren'
ll.lrebruar 1945 hat dieses Prinzip noch einmal aus- Welche Konsequenzen sich dabei im einzelnen für die

drüdclich bestätigt (Punkt 5). Demgemäß heißt es im Festlegung der Interv'entionskompetenzen der Besat-

Vorspruch des Potsdamer Abkommens (III): ,,Die Ver- zungsbehörilen ergeben, wird noch ztt zeigen sein (siehe
hündeten haben die Absicht, dem deutschen Volkc die unten, Zweiter Teil, IY).
Möglichkeit zu geben, sich darauf vorzubereiten, weiter-
e) Verfassungsgarantie der Interventienten
hin die Umgestaltung seines Lebens auf demokratischer
'Werden
und friedlicher Grundlage zu verwirklichen. die \\'enn demokratische Intervention Freiheit der poli-
eigenen Anstrengungen'des deutschenVolkes unentwegt :ischen Selbstgestaltunl; bedeutet und sinngemäß die
auf die Erreichung dieses Zieles gerichtet sein, so wird \-erfa-ssungsautonomie und demokratische Selbstregie'
das deutsche Volk im Laufe der Zeit anter den freien rung des deutschen Volkes ermöglichen muß, so darf

138 139
man sich auf ileutscher Seite doch nichr verhehlen. daß ganda lietreiben (Artikel 17 des italienischen, Artikel 5
die Besagungsmächreeine sichere Gervähr dafür änstre- des rumänischen, Artikel 4 des bulgarisehen, Artikel I
ben, daß das deutsche Volk von dem ihm einzuräumen- des finnischen Friedensvertrages).
den Selbstgestdltungsrecht keinen solchen Gebrauch Venn die l{rtervention der Besagungsmächte an der
macht, der zu einer neueflichen Gef ährdung seiner Verfassungsautonomie des deutschen Voikes und der
dernokratischen und friedlichen Entwickhrng führen demokratischen Selbstregierungseiner wieder funktions-
könnte. Das Potsdamer Abkommen sagt in.dieser Hin- fähig gewordenen Organe ihre Grenze findet, so ist an-
sicht unmißverständlich: ..Der deutsche Militarismus dererseits selbstverständlich, daß die Verfassungsauto-
und Nazismus werden ausgerottet werden, und die Ver- nomie und Selbstregierung des deutschen Yolkes unter
bündeten w-erden im gegenseitigenEinvernehmen jetzt der noch andauernden Interventionsbesegung ihre
trnd künftighin auch andere Maßnahmen treffen, die Grenze findet an den allgemein anerkannten Grund-
notwendig sind, damit Deutschland nie wieder seine sägen demokratischer Verfassungsgestaltungund Regie-
Nachbarn oder die Aufrechterhaltung des Friedens in rungsweise, eine Grenze, die sich gegenwärtig aus dem
der ganzen Velt bedrohe" (III). Begriff und deir Zielen der Intervention ergibt und
Welcher Art die Sicherungen sein werden, die sich die durch das Besagungsredrt genauer festzulegen wäre,
Besagungsmächte in dieier" Hinsicht in einer endgül- während sie späterhin im Friedensvertrag zu definieren
tigen Friedensregelung ausbedingen werden, läßt sich und gegebenenfalls durch die Signatare desselben zu
noch nicht übersehen und bedarf an dieser Stelle auch garantieren wäre. (Über den konkreten Inhalt rrnd Um-
keiner Erörterung. Die Friedö4sverträge, die am 10. Fe- fang der Verfassungsgarantieder Besagungsmächtesiehe
bruar 1947 in Paris mit Italien und den ,,Satelliten'o unten, Zweiter Teil, IV.)
cler Achse, mit Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finn-
Iand geschlossenrvurden, haben einen V/eg gewählt, der 3. D ie Seque strationsb esegung
möglicherweiseauch'für Deurschlandin Betracht kommt
und der jedenfalls das Mindestmaß dessendarstellt, was a) Voraussegungen und Grundlagen der Sequestration
Deutschland gegenüber gefordert werden wird. Die poli- Die auf Beseitigung des Nationalsozialismus, Verfas'
tischen I(lauseln dieser Verträge verlangen übereinstim- sungsumsturz und tiefgreifende Urnbildung der poli-
mend die Sicherstellungder Menschenrechtcund Grund- tischen Struktur Deutschlands gerichtete Interventiorrs-
fteiheiten für alle Personen, ohne Unterschieil der politik derAlliierten hat im Frühjaht 1945 jene Situation
Rasse, des Geschlechts,der Sprache oder Religion (Ar- herbeigefährt, die in der Berliner Erklärung über clie
tikel 15 des italienischen, Artikel 3 Abs. I des rumä- l{iederlage f)eutschlands vorn 5. Juni 1945 zutreffend
nischen, Artikel 2 des bulgarischen, Artikel 6 des fin- mit den Worten gekennzeichnet wurde:,,Es gibt in
nischen Friedensvertrases), sowie die Unterdrückung Deutschland keine zentrale Regierung oder Behörde"
aller politischen, militärischen oder halbmilitärischen die fähig wäre, die Verantwortung für die Aufrecht-
Organisationen faschistischenCharakters, deren Ziel es erhaltung der Ordnung, für die Verwaltung des Landes
ist, das Yolk seiner demokratischen Rechte zu berauben und für die Ausführung der Forderungen der siegreichen
oder die eine den Vereinten Nationen feindliche Propa- I'Iächte zu übernehrnen." (Präambel, Abs. 2.)

140 1,1]
Ob diese Situation auch ohne die zielbewußte Interven- 1;*". Zwanges überwundenen Staates clurch die obsie-
tion der Alliierten eingetreten wärc, ist mindestens gende Macht zur vorübergehenden Ausübung im eigenen
zrveifelhaf t. Wäreir die Alliierten bereit gervesen,die Iamen, aber im Interesse des sequestrierten Staates.Sie
Existenz einer deutschen Regierung zu dulden, so r,äre dauert bis zur Wiedereinsegung eigenwüchsiger Organe
es wahrscheinlich selbst unter den chaotischen Bedin- des überwundenen Staates und bis zu deren Wieder-
gungen des militärischen und politischen Zusammen, ausstattung mit der vollen Staatsgewalt.
bruchs möglich gewesen, eine funktionsfähige cleutsche Eime systematisihe Behandlung der Sequestration itn
Regierung zu bilden, sei es durch Umbildung der Regie- natianülen und. internationalen öffentlichen Recltt"
rung Dönig, sei es auf dem Wege revolutionärer Neu- die in der Literatur immer nur beiläufig erudhnt wird.,
konstituierung. tehh bisher. Eine,aon mir angeregte Freibu'rger Disser-
Den Zielsegungen ihrer Interventionspolitik entspre- tütion aon B. Seyfahrt, Das Institut der Sequestration
chend waren die Alliierten jedoch entschlossen,zunächst i m V er w ahun gs:, S taat s- und V öIkerr echt ( 1948 ) unt er -
keine Neubildung einer deutschenRegierung zuzulassen. nimmt den Versuch, diese Lüclte zu schließen.
Mit dieser Entscheidung und zugleich auf Grund ihrer Sequestrationen in diesem Sinne kennt vor allem däs
f aktischen Machtstellung als siegreiche Okkupations- Redrt des Staatenbundes im Rahmen der Bundesirrter-
urächte übernahmen sie die völkerrechtliche Yerant- vention und -exekution. Ärtikel 19 der Verfassung des
wortlichkeit für das politische Vakuum, das durch ihr Norddeutschen Bundes von 1867 enthielt die Bestim-
Handeln in Deutschland entstanden wär. rnung: ,,Die Exekution kann bis zur Sbquestration des
Ob sie dieser Yerantwortung auch durch eine Total- betreffenden Landes und seiner Re$ierungsg?walt aus*
annektion Dentschlands hätten Rechnung tragen kön- gedehnt werden.ooDie Reichsverfassungvon lB71 ließ
nen, braucht an dieser Stelle nicht noch einmal unter. diesen Sag fallen, ohne in der Sache auf die Sequestra-
sucht zu werden. (Vgl. dazu oben III, 2, b.) Jedenfalls tionsbefugnisder Reichsgewaltverzichten zu wollen. (Vgl-
baben sie diesen Weg nicht beschritten, sondern haben Triepel, Die Reichsaufsicht, Seite 6?4) ' Auch die Weimarer
in der gleichen Erklärung vom 5. Juni 1945 festgestellt, Verfassung ließ in ihrem Artikel 48 Abs. f - ohne den
daß eine Annektion Deutschlandsnicht stattfinde. Unter Ausdruck zu gebrauchen- die Sequestration als äußerste
diesen Umständen lag es ihnen ob, auf andere Weise Form der Reichsexekution zu. (VgI. Anschüg, Die Yer'
-Wahrnehmung
für die der deutschen Staatsgewalt zu fassung des Dbütschen Reiches, Anrn. 5 zu Artikel 48.)
sorgen. Sie kamen dieser Verpflichtung nach, indem sie 1920und 1923 ist es zu entsprechendenMaßnahmen gegen
'Wege
irn der Sequestration die deutsche Staatsgewalt clie thüringischen Staaten und Sachsen,1932- wenn auch
zur Ausübung ü-bernahmen.Auf diese V/eise führte die uit fragwürdiger rechtlicher Begründung - gegen Preu-
Intervention notwendigerweise zur Sequestration. ßen gekommen.
Ilas Bundesverfassungsrechtder Vereinigten Staaten voB
b) Begriff und Wesen der Sequestration
. { . m e r j k ak e n n t z $ a r n i c h t e x p r e s s i sv e r b i s d e n B e g r i f f
Sequestration im Sinne des Staats- und Völketrechtes der Sequestration, wie auch die spezifischbundesrecht-
ist die Übernahme der Staatsgervalteines durch tr(rieg, lichen Institute der Bundesaufsicht und der Bundes-
Bunclesexekution oder andere Formen zlvischenstaat- erekr,r-tion ihm fremi! sind. GI-eichwohlstelrender Btrndes-

L42 143
gewalt im Rahmen des Art. l, sec.8, $ 15 Ausnahme- Ilauptmächte (1919-1923). Auch die Mandate des frü-
befugnisse zur Unterdrückung von ,,insurrectionsnu' zu heren Völkerbundes und die Treuhandgebiete der UN.
Gebote, die der Sache nach zu einer Sequestration der gehören in diesen Zusarnmenhang. Endlich rvird man
gliedstaatlichen Regierungsgewalt führen können, wie auch die durch die Newfoundland Act; 1933, .verfügte
insbesonderedie Praxis der sog. r,Rekonstruktions"-Zeit Suspendierung des Dominion-Status von Neufundland
nach 1867 gezeigt hat. (Triepel, Die Reichsaufsicht, und die Übernahme der Regierungsgewalt durch den
Seite 80. A. Mc Laughlin, Constitutional History of the königlichen Gouverneur und sechs von der Londoner
U.S., 1936, p. 662 sqq.) - Auch das Bundesrecht der Regierung bestellte I(ommissare als Yerwaltungszession
SchweizerischenEidgenossenschaftläßt der Sache nach zu definieren haben.
im Rahmen der Bundesexekution (deren Zulässigkeit Über die Pachtaerträge mit China ttgl. etwa Schön-
aus Art, BS Zitr. B gefolgert wird) sowie der ,,eidgenössi- born, Wörterbuch des VöIheruechts unil der Diplo.
schen fnterventionoo (Art. 16) eine Sequestration der matie, II, Seite 220ff. - Zur Panama-Kanalzone
kantonalen Regierungsp;ewaltzu. (Burckhardt, I(ommen- Hyile, International Law &,iefly as applied by the
tar der schweizerischenBundesverfassung,3. Aufl. 193I. United States, Vol.I" 1922, p.30.- Nath Artihel 45ft.
S e i t e6 8 4 f . ) cles Versailler Vertrages übertiug Deutsclilanil die
Soweit die Sequestration eline Einrichtung dcs staaten- Regierungsgewalt (,,gouernmen{' ) über das Saargebiet
bündischen (nicht nur des bundesstaatlichen) Yerfas. lür 15 Jahre auf d.en VöIlterbund, der sie durch ein
sungsiechtesist, begegnet sie bereits in einem Bereich, eigenes Organ, die Regierungshomtnission_ tür das
der herkömmlicherweise dem. Völkerrecht (nicht dem Saargebiet, ausübte. Die Souueränität Deutschlands
Staatsrecht) zugerechnet wird. Außerhalb des Bundes- äber dieses Gebiet uar nicht erloschen, sie uurde
rechtes kommt eine der Sequestration entsprechende 1934 nach Aulhebung der ihr aulerlegten Beschrän-
Rechtsfigur im Völkerrecht hauptsächlich in der Form Itungen uieder uoll nirhsam, die Einuohner behiel-
rier sog. ,,Verwaltungszessiono'vor, d. h. der vertraglich ten 'iuährend der gesamten Zeit ihre deu.tscheSraats.
vereinbarten Übernahme der Staatsgewalt zur vorüber' angehörigkeit. V gI. Schüching-Wehber g, Die Sagung
gehenden Ausübung. (Vgl. Verdroß, Völkerrecht, 1937, des Völherbundes, Bd. 1, 3. AulI. 1931, Seite 106 f.l. -
Seite 130.) Sie unterscheidet sich von der Sequestratibtr Über die Frage, uiem die Souaeränität über d,ie lJlan-
nur hinsichtlich der Rechtsgrundlage, nicht hinsichtlich datsgebiete des Völherbuntles 2ustand, gingen die
des Inhalts: sie beruht darauf, daß der fremdverwaltete Meinungen auseinander. VgI. im einzelnen Abend-
Staat - wenigstens formell - seine vertragliche Zustim- roth, Die aöllterrechtliche Stellung der B- und C-
mung zur Ausübung der Verwaltungsbefugnissegegeben Mandate, 1936. - Die Suspension des Neufundläntli-
hat. Beispiele für Verwaltungszessionen bieten die schen Dominion-Status erf olgte aul Ersuxhen rJesPar.
Pachtverträge der europäischen Mächte mit China, die laments u'on St. Joltns. Naclr Keith hantlehe es sich
Verträge der Vereinigten Staaten mit Panama über die rlabei ledigtich um ,,ce:ssationof exercise.... ol Do-
I(analzone (1903,!926,1936), die Yerwaltung des Saar- minion Status" (Consultation and Co-Aperation, in
gebiets durch den Yölkerbund (f919-1934) sowie die tlte British Commonwealth, ed. Palrner, 1934, p. Xlr ).
des Memelgebietes durch die Alliierten und Assoziiertcn YgL im einze.Inen Schüle, Neulundlund im Britischen

t44 t45
Wehreich, Ztschr. f. ausländ. öft. Recht u- Völker- voräussegt. Ver die Homogenität der Gemeinschaft
recht, Bd. lV Nr..4, 1934, Seite 858 ff. stört, kann nach dem Recht eines solchen ,,Ilundes,.
So r-erschiedenartig audr der politische Hintergrrnd durch ,,Intervention" in die allgemeine Ordnung zu-
clieser Beispielsfälle sein mag, so zeigen sie doch, daß rückgeführt werden. Ver sich gegen seine Bundespflich-
dem Yölkerrecht die Redrtsfigur einer Trennung von ten in gemeinschaftswidriger Weise vergeht, kann durch
Souveränität und Regieruirgsgewalt durchaus geläufig ,,Exekution" zur Erfüllung angehalten werden. Es ent-
ist; alle diese Fälle sind dadurch gekennzeiihnet, daß stehen von dieser Reclrtskonsiruktion aus.auf dem Boden
die RegieHmgsgewalt eines als Rechtssubjekl fortheste- des Yölkerrechts also Institutionen, die an die bekann-
henden Staates vorübergehend von {remdstaatlichen ten Einrichtungen der ,,Bundesintervention" und der
oder internationalen Organen zur Ausübung übernom- ,,Bundesexekution" angelehnt sind. Beitlen Einrichtun-
men wird; wobei die Ausübung im eigenen Namen, aber gen ist gemeinsam, daß die zu ihrir Vollziehung an-
in treuhäirderischer Bindung a! die Interessen tles be' gewandten Maßnahmen bis zur Sequestration des be.
troffenen Larides erfolgt. Es entspricht dem Wesen des troffenen Gliedstaates gesteigert werden köruren, (Vgl.
äberkommenen Yölkerrechts als eines auf Koordination den oben unter b) zitierten Artikel 19 der Norddeut-
untl Gleichberechtigung der Staaten aufgebauten Rech-
schen Bundesverf assung.)
tes, daß eine solche Übernahme der Staatsgewalt in der
Intervention und Sequestration stehen somit in einem
Regel auf vertraglicher Vereinbarung beruht, älso die
intimen Zusammenhang. Die Sequestration ist logisch
Form der Verwaltungszressiolanäimmt. Ein Völlierrecht'
und rechtlich wie auch dem geschichtlichen äblauf nadr
das sich föderativen Strukturforrnen annähert und die
politische Intervention zur \ffahrung der demokratischen eine Folge der Intervention. Weil durch Intervenlion
llornogenität der Yölkergemeinschaft zuläßt, muß irn die ehemaligen StaatsiirganeDeutschlands beseitigt wor-
gleichen Maße auch die Sequestration zulassen,die eine den waren, wurde die Sequestration der deutschen
clearakteristischeRechtsform föderativer Gemeinschafr Staatsgewaltdurch die Besa6ungsorganenotwendig. Dar-
ten ist. aus aber ergibt sich auch umgekehrt: Dfit der Beendi-
Venn die Völkerrechtsgemeinschaftim Laufe der neue- gung der fntervention muß auch die Sequestration ihr
sten Entwicklung gewisse Vesenszüge eines Bundes an- Ende finden. Sobald durch die Intervention neue deut.
genominen hat (was zrveifelhaft sein mag, in diesem Zu- sche Staatsorgane gebildet worden sind, besteht kein
sammenhang aber zunächst als zutreffend unterstellt Grund, die Sequestration aufrechtzuerhalten. Anderer-
werden kann), so ergibt sich daraus; daß die Staaten
seits besteht keine Notwendigkeit, die Sequestration bis
wie die Glieder jedes Bundes sich nicht mehr als Ge-
zur Beendigung der Intervgntion aufnechtzuerhalten.
bilde absolutdr Souveränität mit voller gegenseitiger 'Weise
Vielmehr ist ein Abbau der Intervöntion in der
Abilichtung und Undurchdringlichkeit (,'Impermeabili-
denklaar, daß die unmittelbaren Regierungsbefugnisse
tät") gegenübertreten, sondern irr .einem gemeinschaft-
lichen Zusarnmenhang stehen, der eine gewisse Elomo- an eigenwüchsige Staatsorgane zurürkfallen und der
ge)iitat der Glietler und die Erfüllung geu'isser Pflich- Intervenient sich auf bloße Auf sichts-und Kontrollbefue-
ten jedes einzelnen Staates gegenüber allen anderen nisse beschränkt.

r46 L47
c) Der Inhalt der Sequestrationsgewalt der deutschen Staatshoheit kann aber vernünftigerweise
nicht an diejenigen Bestimmungen der Haager LKO.
Die in der Berliner Erklärung - über die Niederlage gebunden sein, welche die fortdauerncle Handhabung
Deutschlands vom 5. Juni 1945 verkündete Übernahme der gleichen Staatshoheit durch eigenständige deutsche
der deutschen obersten Regierungsgewalt " (,,supreme Organe vorausseBen. AIs Treuhänder der deutschen
authority with respect to Gbrmany, including ail the Staatsgewalt haben die Besagungsmächtevielrnehr die
po\irerspossessedby the German Govelnrnent, the High gesamte Regierungs-, Geseggebungs-,Justiz- und aus-
Command and any state, municipal, or local govern' rvärtige Gewalt des deutschenStaatesäbernommerr. Ihre
ment or authority") ist als eine Sequestration in dem Machtvollkommenheit geht damit weit über alles das
soeben umsdrriebenen völkerrechtlichen Sinne des Be- hinaus, was die Artikel 42 ff, LI{O. als zulässig aner-
griffes zu verstehen. kennen.
Es liegt auf der Hand, daß sich eine solche im Rahmen Es wäre daher z. B. unsinnig, zu fordern, daß die Be,
einer militärischen Besegung durchgeführte Sequestra' sagungsmächte die deutsche Staatshoheit gemäß Ar-
tion nicht in allen Teilen auf der Grundlage der Haa' tikel 43 LKO., ,,soweit kein zwingendes Hindernis be-
ger Besegungsregelnbewegen kann. Zwar läßt die Se- steht, unter Beachtung der Landesgesege" auszuüben
q-uestration die Mehrzahl dieser Regeln unberührt' Es hätten. Die Besagungsmächtesind auf Grund der Se-
ist selbstverständlich,daß für den Sequestor das Verbot cluestrationvielme-hr im Vollbesig der cleutschenGeseg-
gilt, die Bevölkerung des besegten Gebietes zum Treu' gebungshoheit und können daher das deutgche Recht
(Ar-
eid gegenüber der Besagungsmacht zu zwingen nach ihrem Ermessen (im Rahmen gewisser gleich näher
tikel 45 LKO.), die Ehre und die Rechte der Familie, zu erörternder Schranken) geseggeherischumgestalten.
das Leben der Bürger und das Privateigentum sowie Sie können Staatsverträge mit unmittelbarer Wirkung
die religiösen Üb"rreug.r.tgen anzutasten (Artikel 46)' für und gegen Deutschland - jedenfalls für die Dauer
Plünderungerr zuzulassen (Artikel 47), I(ollektivstrafen des Sequestrationsverhältnisses- abschließen,woran in
auszüsprechen (Artikel 50), Leistungen über die Be- der LKO. zweifellos nicht gedacht ist. Sie können die
dürfnisse des Besagungsheereshinaus anzufordern (Ar' Verwaltung umgestalten und lenken und die Justiz
tikel 52) u. a. m. Der Sequestrationszweckfordert in reorgtrnisieren. Sie können alles anordrren, rlas in der
keiner Weise, tlaß von diesen und zahlreichen anderen J acht der eigenständigen deutschenStaatsorgane,deren
Schugvorschriften der Haager LI(O. abgewichen werden Funktionen sie lvahrnehmen, stünde.
müßte. Diese besondere, aul der selbstöndigen Bedeutung
Dagegen nötigt der Zwed< d'et Sequestration in anilerer des Instituts d,er Sequestrdti,onsbese7ung beru,ltende
Hinsicht dazu, den Boden der Haager Regeln zu ver- Lage nird überall d.ort überselten, u)o in der deut'
lassen. - Der Zwed< der durch die Berliner Erklärung schen Literatur die ausschließIiche Geltung cler IIaa'
angeordneten Sequestration besteht dai'in, Deutschland
'Wiliens' ger LKO. lür die gegenwärtige Beseguttg beh'auptet
für die Zeit, in der es über eigene Organe der uir'd, so etlua aor,, Schloehauer, a.a.O. Seite 120;
bildung und des Handelns nicht verfügt, eine voll funk- Budde, Gibt es noch eine deutsche Außenpolitih?
tionsfähige Staatsgewalt zu sichern. Die Vahrnehmung 1947" Seite 62" u. a.

148 r49
_/

d) Die Grenzen der Sequestrationsgewalt Feststellungen können nunmehr au{ der Grundlage des
Sequestrationsbegriffesnäher präzisiert werden.
Die Sequestrationsgewalt ist, wie oben errvähnt, auf Die spezifische Besagungshoheit einer militärischen
weiten Strecken an die Haager Regeln gebunden, so Okkufationsmacht ist, rtie sich aus Ahsag YI der Prä-
z. B. an die Artikel 45, 46, 47, 50, 52. Äber auch dort, ambel des lfaager Abkommens betr. die Gesege und
wo sie von den Haager Regeln abrveichen kann,, z, B. Gebräuche des l.andkrieges ergibt, von dem Vorbehalt
von dem Artikel 43, hat sie dennoch eine feste urrd der militärischen Interessen (,,nricessit6esmilitairest')
durchaus bestimmbare Grenze, Diese Grenze ist in be' b'eherrscht, die - den Yor'rang vor {en Interessen der
deutsamer Hinsicht sogar wesentlich enger getogen als Zivilbevölkerung des'besegtenGebietes haben. Die treu'
die der spezifischenBesagungshoheit (iler,,militärischen händerische SequestraLionder Staatsgewalt hat dagegen -
Sicherungsbesegung")gesegte Grenze. Sie liegt in dem den Interessen tler Bevölkerung des beseSten Gebietes
Begriff der Treuhänderschaft, der staats' und völker' zu dienen. Die von den Besagungsrnächtenübernom-
rechtlich untrennbar mit dem Begriff der Sequestration mene deutsche Geseggebungshoheit z. B. darf claher
verbunden ist. nicht dazu lienugt werden, urn machtpolitische oder an-
Die Veruendung des Treuhandbegri{Jes im Staats- dere spezifische Eigeninteressen der Besagungs-ächte
unil Völkerrech.t ist nicht neu, ugl. Michael, Öffent- auf cleutichem Boden zu verfolgen, sondern lediglich,
liche Treuhanil, 1948. Der Versailler Vertrdg über- um das deutsche Recht nach seinen eigenen inneren
trug die Regierungsgewah im Saargebiet demVölher' Notweniligkeiten und nach den Bedürfnisseq-des deut-
bund ',in the capacity ol trustee". Das Mandatsystern schen Volkes weiteräuentwickeln. Soweit die ,,n6cessi'
d.es Vö'Ikerbundes und das Treuhanil' (tustee ship-)' t6es militaires'o der Besagungsmächte bestirnmte Ein'
Systetn der UN. $eruhen auf iliesem Gedanltetu (wenn- griffe in das .deutsche Recht erforderlich machen, steht
gleich der französisdtei Tcxt der Völkerbu'nilsagung tlas Mittel der militärischen Ordonnanzen im Rahmen
und der [JN. Charter oon einetn ,,rögime de tutclle"
der Haager Regeln nt Gehote, niiht aber die seque-
spri&,t); mit Recht uird auch aul aeine AnwendL'ar'
strierte deutsche Geseggebungshoheit.
heit im Falle der Vernultung d'es Memelgebietes
Es mag schwierig erscheinen, diese Unterscheidung von
durch die Alläertett und Assozüerten Hauptmächte
Besagungshoheit nach Maßgabe der n6cessit6es mili-
( 1919-1923 ) und. im, Falle der Besegung Kubas durch
taires und treuhänderisch ausgeübter Sequestrations'
d,ie Vereinigtön Staaten (1898) lt'ingeu;iesen, so
hoheit nach Maßgabe der deutschen Interessen im kon'
E . K a u f m a n n , a , a . O . S e i t e 1 0 . S a u s e r - H a l l ,a . a ' G .
kreten Einzelfalle zü treffen" Es liegt jedoch auf der
Seite 36, nennt die gegenwörtige Besegurr'g Dewtsch'
lanils ,oune occupation fi'duciaire", die Militäruegie- Hand, daß eine Fül'le von lJnzuträglichkeiten, die sich
rung handelt 'wie ein ,,comitö de tuteurs' ou de^ tru- im bisherig'en Yerlaufe des Besagungsregimesergeben
s,ees". haben, darauf zurückzuführen ist, daß diese Unterschei-
Die Treuhänderschaft der alliierten Kontrollorgane ist dung nicht sorgfältig genug beachtet wurde. Es ist eine
beieits bei der Untersuchung ihrer Rechtsst'ellung er- zentrale Aufgabe des Besagungsrechtes,dies.e Unter'
örrert worden (olien III; 3, e). Die dorf getroffenen scheidunE in ihrer fundarnentalen Bedeutung klarzu-

t50 t5l
stellen und zur unverbrüchlichen Grundlage des Be- chen Mißbrauchs seiner Macht während des Krieges
saBungsregimes zu machen. schulilig gemacht hat, etwa in den Niederlanden oder
Zwar ist nicht zu verkennen, daß auch der Begriff der in Norwegen, wo es eine Art von Sequestration der
treuhänderischen Sequestration seine besondere Proble- Regierungsgewalt durchführte, ist im Nürnberger Pro-
mai.ik besigt. Wenn die sequestrierte deutsche Sraäts- zeß festgestellt worden und kann nicht bestritten wer-
gervalt auch im Interesse der deutschen Bevölkerung den. Schwere Strafen sind deswegen gegen die Sdrul-
auszuüben ist, so entscheiden nach der gegehenen Sach' digen verhängt worden. Daraus zu folgern, rlaß die
lage doch nicht deutsche Instanzen, sondern es entschei- Grenzen der treuhänderischen Sequestratiou für die in
den die Besagungsmächte darüber' was als im Interesse Deutschland waltenden Besagungsmächtenicht bestän-
des deutschen Yolkes liegend zu erachten ist. Darüber den, hieße das Yölkerrecht endgültig begraben.
können die Meinungen auseinandergehen, sowohl zwi- Eine Geseggebung,welche die wohlbegründeten sozialen
schen den Besagungsmächten und der deutschen Bevöl- Einrichtungen des besegten Landes aufhöbe, um seine
kerung als auch zwischen den Besagungsmächten uilter- Leistungsfähigkeit zu vermindern, stünde ebenso im
einander. Aber wenn es auch in das Ermessen der Be- Widerspruch zu denVerpflichtungen der Treuhänderschaf t
sagungsmächte gestellt ist, welche geseggeberischen, n'ie agrarpolitische Maßnahmen, welche die landwirt-
administrativen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen sihaftliche Ertragsfähigkeit des bese$ten Laneles erheb-
im wahren deutschen Interesse erforderlich sind, so hat lich zu beeinträchtigen suchten, um seine Abhängigkeit
doch jedes Ermessen seine unübersteigbaren Schranken' vom Weltmarkt zu steigern. Nicht anders stülde es mit
Ermessensmißbrauch und Ermessensübersdrreitung (d6- einer Schulgeseggebung,die be.wußt auf eine Senkung
tournement de pouvoir) sind verboten. Manche mögen des allgemeinen Bildungsniveaus abzielte, um das gei-
skeptisch über die Möglichkeit denken, ein solches Ver- stige Potential des besegten Landes zu verringern'
bot zu realisieren. Aber wenn die Welt sich aus der Mit solchen Beispielen soll nicht insinuiert welden, tlaß
Krise des Rechts, in die sie zu ihrem Verhängnis ge- die alliierten Besagungsmächteim lionkreten Faile der'
stürzt ist, erheben soll, so ist es notwendig, daß die artige Absichten verfolgten. Es soll an ihnen nur deut'
Mächtigen sowohl wie die Machtlosen dieses Yerbot der lich gemacht rverden, daß der Begriff des d6tournement
Willkür ernst nehmen und es nicht im doppelten Zynis- de pouvoir in staats- und völkerrechtlichen Treuhand-
mus der Über-acht und der Ohnmacht untergehen verhältnissen eine erhebliche Bedeutung besigt, indem
lassen. er der Virksamkeit des Sequestors gewisse' äußerste,
Ein ddtournement de pouvoir, urn diesen präzisen Be- rechtlich unübersteigbare Schranken segt.
griff der französischen Rechtslehre zu verwenden, liegt
bei einer treuhänderischen Sequestration der Staats- e) Beendigung der Sequestration
gewalt immer dann vor, wenn die Funktionen der seque-
strierten Staatshoheit dazu benugt werden, um die öko' Die Sequestrationder deutschenStaatsgewalthatte ihren
nomischen oder militärischen oder sonstige Mat'htirrter- Grund in der Tatsaöhe,elaßes nach dem Zusammenbruch
essen der Besagungsmächte auf Kosten dcs besegten von 1945 keine eigenständigen deutschen Staatsorgane
Landes zu befriedigen. Daß Deutschland sich eines sol- mehr Eab. Dieser Grund ist im Bereiche der Landes-

t52 153
staatsgewalt inzwischen hinfällig geworden. In allen mit den allgemeinen Richtlinien und Zielen der von
deutsdren Ländern bestehen funktionsfähige Landes. ihnen verfoigten Besagungspolitik sicherzustellen.
regierungen undLandtage, die 4uf demokratisdrem'Wege- ln der deutschen öffentlichkeit wächst das Yerlangen
durch Volkswahlen gebildet worden sind. Die weitere nach einer solchen Beschränkung. Ein Abkommen über
-\ufrechterhaltung der Sequestration ist daher völker- das Besagungsrechtwürde dern Rechnung tragen müssen.
lechtlich unbegründet. Tatsächlich ist in allen BesaBunga- In einer am 3. Mai 1948 in Rendsburg geldßten Ent-
zonen ein großer Teil der Regierungsgewalt von deut- schließung des ,,Deutschen Arbeitskreises", einer un-
sc{ren Landesorganen wieder übernommen worden. Auf abhän gigen Arb eits grupp e u on P er söruIichheiten r er -
l eiten Vorbehaltsgehieten besteht jedoch noch immer schiedenster Parteien und politischer R.ichtungen,
- in den verschiedenen Eesagungszonen in unterschied- wird z. B, in Punht 7 gefordert: ,,Die durch die ,,Vier-
lichem Ausmaße - eine unmittelbare Regierungsgewalt mächteerhlärung Dom 5. Juni 1945 übernornmene
der Militärregierungen. Sollte es zu einer Regelung deö d.eutsche Staotigewalt uird den aerl&ssungsrmälJigzu.
Besagungsrechtes kornmen, so müßte der Tatsache Rech- bildenden, deutschen Staatsorganen zuräcltgegeben.
lung getragen werden, daß die Aufrechterhaltung dieser D,amit uerden die deutschen Hoheitsretlnte aul dem
Iorbehaltsgebiete nicht rnehr gerechtfertigt ist. Gebiete der Geseggebung, Justiz und Veruultu.tt.g
Daß auf gesamtdeutscher Ebene noch keine eigenwüch- wie d erher g est elh. D azu g ehör en : Au ß enp oli tilt, Au ß en -
sigen deutschen Staatsorgane wieder haben gebildet lwndel und die tenitoriale Gliederung Deutsdzlands
rrerden können, hängt größtenteils mit den unüherwind- in Läntler. Die Zanengt-enzen sind nur nilitärische
baren Diffei'enzen der Besagungsmächtö untereinander D em ar lt atio n slinien."
zusamrnen, Die Londoner Konferenz der westlichen Be-
sagungsmächte und der Benelux-Staaten vom Ä.pril/Mai gsbese7un g
4. D i e u ir t schaf tlich e Sich er ur.t.
1948 hat sich mit der Frage eines deutsihen Gesamt-
Die Politik der Besagungsmächtein Deutschland weist
staates beschäftigt, dessen Machtbereich zunächst auf dib
eine Reihe von Maßnahmen auf, die weder der rnilitäri
Westzonen beschränkt sein müßte. Auf deutscher Seite
schen Sicherung des Sieges, noch der verfassungspoli"
wird niemand eine solche Lösung begrüßen wollen,
tischen lntervention, rroch endiich der treuhänderischen
rvelche die Zweiteilung Deutschlands bedeutete. Sollten
Sequestration der deutschen Staatsgewalt dienen; Maß-
sich die westlichen Besagungsmächte jedoch zu dieser
nahmen; die im wesentlichenunter der Bezeichnung,,fte'
Lösung entschließen und in diesem Rahmen die Bildung parationen'o und,,Restitutionenoo zusammengefaßt wer-
einer neuen Bundesregierung betreiben, so wird damit den. Es muß daher geprü{t werden, oh die Besegung
auch die vollständige Biendigung der Sequestration und Deutschlands noch einen vierten, auf selbständiger
die Rückgabe der vollen Regierungsg6walt an die deut- Rechtsgrundiageberuhenden'Wesenszrigaufweist, ob sie
schen Behörden verbunden sein müssen. Die Aufgaben zrrgleich eine Besegung z:urn Zwed<e der Sicherung der
der Besagungsbehörden würden sich dann in diesern Be- Realisierung gewisser wirtschaftlicher und finanzieller
reiche darauf beschränken, die Tätigkeit der deutschen Anspri.iche darstellt, welche die Alliierten Deutschland
Staatsorgane zu überwachen, urn deren Übereinstimmung gegenüber geltend machen.

r54 155
a) Der Begriff der ,,Reparation" und deJ ,,Restitution'u Reparationsbestirnmungen gestellten Artikel 231 ge'
stügt wurde, in dern es hieß: ,;Die Alliierten und Asso-
Jeder Staat", der sich eines völkerrechtlichen Unrechts ziierten Regierungen erklären und Deutschland erkennt
an, daß Deutschland und seine Yerbünderen Ür-
schuldig gemacht hat, ist verpflichtet, den dadurch ent- "lt
standenen Schaden wiedergutzurnachen.Ein solcher, irr heber für alle Verluste und Schädenverantn-oälich sind,
Begriff des völkerrechtlichen Delikts rvurzelnder Vie' die die Alliierten und Assoziierten Rögierungen und
dergutmachungsanspruc.hdes widerrechtlich geschädigten ihre Staatsangehörigeninfolge des ihnen durch den An'
Staates kann allgemein als ,,Reparationo' bezeichnet griff Deutschlands und seiner Yerbündeten aufgez.rvun'
l.erden" (Ygl. Oppenheim-Lauterpach, I, p.285: ,,The genen Krieges erlitten haben." Die hier statuierte Ver'
pr'incipal legal consequencesof an international delin- antwortlichkeit für alle dttch den Krieg verursachten
quency are reparation of the moral and material wrong Schäden ging weit über die im'Wilson-Prograrnm gefor-
done.o') derte Viedergutmachung von Einzelschäden der Zivil-
Solange das Yölkerrecht den Staaten das sog. ,,freie bevölkerung hinaus. Das gilt auch, soweit dem Art. 231
Kriegführungsrechtoozugestand. der Kricg also völker- eine juristischeBedeutung nicht eigentlich zukam uncl die
rechtlich nicht unerlaubt war. konnte der Krieg als sol- Wiedergutmadhungspflichtsich auf die in den Ätt.232ff .
cher auch keine allgemeine Reparationspflicht nach sich umschriebenenTatbeständebeschränkte.Auf die schwie'
ziehen. Bis zum eisten Veltkrieg kannten die Friedens- nigen rechtlichen Pr.obleme der damaligen Reparations-
verträge dah'er nur den Begriff d'et ,,Kriegsentschäd'i' frage kanir hier nicht rräher eingegangen werden. Fest'
gung", der sich von der ,,Repanationuodridurch unter- zuhalten ist jedenfalls, daß mit den Friedensf,erträgen
schied, daß sich der Sieger im Friedensvertrag einen von l9l9 der Begriff der l(riegsentschädigungverdrängt
prinzipiell rechtsgrundlosen Anspruch ausbedang, der' wurde durch den Begriff der Reparatiorr als eines delik-
lediglic,h kraft seiner faktischen Siegerstellung erhoben tischen Wiedergutrnachungsansprrrches für alle l(riegs'
würde. Alleinige Redrtsgrundlage dieser sogenannten schäden. . Jedoch wurden auch damals Reparations'
ansprüche erst nach-Äbschluß und auf der Grundlage
,,Kriegsentschädigungo"die ihrem We.sen nach weniger
eine Entschädigung als vielmehr eine Erfolgsprämie für einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Besiegten
den Sieger war, blieb das vertragliche Zugeständnis des geltend gemacht. Präliminarische Vereinbarungeri dar"
Besiegten. Erst nach erfolgter Regelung im Friedens- über enthielt bereits das Waffenstillstandsabkommen
vertrag konnte ein solcher Anspruch demgemäffzirr'Ent- vom 7. November l9l8.
stehung gelangen' Der Begriff der .,.Restirudan" berüfft Ansprüche an-
Durch die ,,Reparation" konnte die ,rKricgsentschädi- derer Art: Yermögenswerte, Sachen oder: Rechte, die
gungooerst in dem Augenblick verdrängt werden, in dem der Besiegte oder' einzelne seiner Staatsangehörigen
der Krieg als völkerrechtliches Unrecht gebrandmarkt rvährend des I(rieges aus dem Gebiete des späteren Sie'
war. Obgleich eine eindeutige völkerrechtliche Disquali gers zwangsweise entfernt und an sich gebracht haben,
fizierung dös Krieges l914 noch nicht bestand, begrün' sollen, soweit sie noch identifizierbar sind, in natura
dete der Yersailler Vertrag eine umfassende Repara- zurückerstattet werden. Restitutionspflichten dieser Art
rionsschuld Deutschlands, die auf den an die Spige iler haben auch ältere Friedensverträge festgesegt, rvenn im

r56 157
Verlaufe des I(rieges der zulegt Unterldgene zeitweilig getroffen. Es geht dÄvon aus, daß diese Fragen im. Frie.
Gebietsteile des Siegers besegt gehalten hatte. dertsvertrag geregelt werden. Yorgriffe auf künftige dn-
Vgl. Artikel XXIX des Pariser Friedens uon l8l4: sprüche r+erden nirgends autorisiert. Die von der Ber
,,Le gouuernement Frangois soengageö faire röstil.uer sagungsmacht etwa erhobenen -Abgaben,Zölle urrd Ge-
les obligations et autres titres qui. auroient ötö ,saisis bühren müssen dazu verwandt werden, ,,die Kosten der
dans les proainces occupöes par les arm.öes ou ad- \rerwaltung des besegten Gebietes in dem Umfange zu
ministrations Frangaises; et, dans les ccts ou'la resti- tragen? wie die gesegmäßige Regierung hierzu verpflidr-
'Werden
iution ne poumoit ötre effectuöe" ces obligations sont tet war'o (Artikel 48 LKO.). weitere finanzielle
et d.ermeurentanöantis.'o (Martens, Nouueau Recu",il. Auflagen erholen, ;,so darf dies nur zur Deckung der
des Traitös, t.II, 1818,'p.11 sq.) Bedürfnisse des Heeres oder der tr/erwaltung dieses Ge-
Auch Restitutionsansprüche gelangen nach bisherigem bietes gesclaehen'o(Artikel 49). Außerhalb dieser Be-
fugnisse und des der Besagungsmacht zur Verfügung
Yölkerreeht nicht automatisch zur Entstehung, sondern
stehenden Requisitions- und Beuterechtes läßt die trIaa-
beruhen auf vertraglicher Festsegung, durch die in der
ger LKO. keine willkürlichen Kriegskontributionen zu.
Regel der besiegte Staat verpflichtet wird, für die Rüd<-
Kann demnaeh der Yorgriff auf Reparationen, der in
erstattung der restitutionspflichtigen Vermögenswerte
der Völkerrechtsgeschichte ohne Beispiel ist, aus der
zu sorgen. Dgmgemäß enthielten sowohl der Waffenstill-
I{aager LI(O. zweifellos nicht gerechtfertigt werden, so
standsvertrag von l918 als auch der Versailler Friedens-
ist zu fragen, ob etwa unabhängig von der Ll(O" ein
v'ertrag Bestimmungen über den Umfang der Restitu-
Rechtstitel fär die Besagungsmächtebestehti%chon vor
tionspflicht und die Art der Erfüllune.
Abschluß des Friedensvertrages und ohne jede auch nur
präliminarische Vereinharung, Reparationen zugunsten
b) Die Frage der ,,Yorgriffe'o 'Weltkrieges
der Sieger des zweiten und ihrer Verbün-
Von den Vorausseguigen des bisherigen Völkerrechts deten zu fordern und die Leistung mit den ihnen zu
her gesehen stellen sich die von den Besag,ungsmächten Gebote stehenden Machtmitteln zu erzwingen.
durchgeführten Reparations- und Restitutionsmaßnah- Es wird gelegentlich behauptet, der Vorgriff auf Repa-
men als ,,Yorgriffeoo auf eine erst künftig entstehende rationen sei durch das vom allgemeinen Yölkerrecht ab-
Schuld d,ar. Zwei Fragen sind daher zu prüfen: ersrens, weichende Sondervölkerrecht der- Beschlüssevon Jalta
gibt es einen völlcerrechtlichen Titel, der solche Vor. und Potsdarn gerechtfertigt. In der Taf sehen die Be-
griffe'rechtfertigt? Zweitens, handell es sich, vom Boden schlüsseder ,,Großen Drei" eine deutsche Reparatiorrs-
des heutigen Völkerrechts aus gesehen, um Vorgriffe - Jrflicht vor, die unabhängig vom Abschluß eines Frie-
oder muß ötwa davon ausgegangenwerden, daß Repa- densvertragds bestehen und alsbald realisiert werden
rations- und Restitutionspflichten heutzutage bereits vor soll. In schiechthin ungemessenem und unkontrollier-
dem Zustandekommen einer friedensvertraglichen Rege- barem Umfang sind seit 1945 solche Vorgriffe auf Repd-
Iung automatisch zur Entstehung gelangen? rationen erfolgt, insbesonrlere auf dem Wege der De-
Das Besagungsrecht der Haager LI(O. hat über Kriegs- montage, der Vegnahme von Maschinen und. Einrich-
entschädigrrngenund Reparationen keine Bestimneung tungen, der Lieferungen aus vorhandenen Lagern, dern

158 r59
-tbtransport von Rohstoffen, insbesondere Holz und Vie man auch immer das Wesen des Völkerrechts defi-
Kohle, der Entziehung elektrischer Energie, der Be' nieren mag, es kann nicht durch einseitige Diktate
von
scülagnahmevon Patenten und Fabrikationsgeheimnis- Siegern, sondern nur durch Verträge ode. d.r.ch die ein_
sen. der Einziehung von Edelmetallen und Devisen, der deutige'lVandlung der allgemeinen Rechtsüberzeugung
Liquidation privater Vermögenswerte im Ausland usw' fortentwickelt werden. Insbesondere hat die bedin_
Richtunggebend hierfür ist ilie Pröklamation lt{r. 2 des gungslose Kapitulation Deutschlands nicht den Sinn,
Kontrollrates vom 20. September 1945 betr' zusäSliche daß alles, was aus einseiriger Machtvgllkommenheit der
an Deutschland gestellte Forderungen (Amtsbl. des Sieger über Deutschland verhängt wird, die blanko er-
Kontrollrates Ni. l, Seite 8 ff.). teilte deutscheZustimmung hätte und damit als völker-
Die besondere Problematik dieser Vorgriffe liegt unter rechtsgemäßanerkannt wäre. Vas Deutschland auf Gründ
anderem darin, daß häufig nicht deutlich ist, ob be- der Niederlage auferlegt wird, muß sich im Rahmen des
stimmte Leistungen als Reparationen angefordert wer' allgemeinenVölkerrechts halten - oder es muß durch Ver-
den oder auf welche arrderweitigen Rechtstitel sie ge- einbarungen, an denen Deutschlancl selbst durch eine
stügt werden, daß ferner keinerlei Klarheit über die berufeire Vertretung teilgenommen hat, gedeckt sein.
Bervertung und die Gutschrift von Reparalionsleistun- Es ist daher auch unmöglich, zu behaupten, daß Deutsch-
gen besteht. Schon diese Regellosigkeit des Verfahrens land mit der bedingungslosen Kapitulation nicht nur
läßt seine Rechtmäßigkeit als zweifelhaft erscheinen. seine künftige Reparationsschuld, sondern auch das
Nun muß als gewiß gelten, daß die Beschlüssevon Jalta Recht der Alliierten zum Vorgriff auf Repar4tionen
und Potsdam Rechtswirksamkeii ,nur zwischen ihren stillschweigend anerkannr habe. Die I(apitulariA war,
Partnern haben. Für Deutschlanil iind sie, wie zuLte|' wie oben dargelegt (I,2), ein Akt von ausschließlich
fend gesagt worden ist? res inter alios acta, d. h. ein' mi,litärisdrer Tragweite, und ihre Unterzeichner hatten
seitige Beschlüssevon faktisch tie{greifender Wirkung, keinerlei Vollmacht, politische, wirtschaftliche und fi-
aber ohne völkerrebhtlibhe Yerbindlichkeit. nanzielle Fragen, wie etwa das Reparationsproblem, zu
Vgl. tlas Tübinger Rdchtsgutacht'en Seite 75, das aott' erörtern. Die Alliierten haben am 7.1g.Mai 1945 und
ein er,,w ir t schaf-tlichery E x eltu ti on sbese8u n 8" sp r ich t, später Verhandlungdn mit politischen Vertretern
die aul das Partihularvölkenedt't uon Potsd.am ge' Deutschlands .abgelehnt. Sie haben Deutschland damit
gründet sei. Obwohl nun d'as Gutachten on einer außerstande gesegt, in der Reparationsfrage ausdrüek-
Stelle (Seite 72) heruorhebt, ilaß dieses Partililil{tr- ljch oder stillschweigendirgend etwas anzuerkennen. Ein
aölkerrecht lür Deutschland eine res intet alios acta verbindliches Sondervölherrecht kann daher in dieser
sei und daher ihm gegeiüber ueder beredttigende Frage nicht entstanden..sein.Die hier für die ungleich
noch t,erpflichtende Wirkung habe, wird im weiteren wichtigere Reparationsfrage angestellten Erwägungen
Zusammenhange uiederholt daubn gesprochen, daß treffen auch für die Frage der Restitutionen zu.
Deutschland' aus diesem Partihularaölkerrecht zur c) Automaiische Reparationssöhuid als Rechtsfolge
'
Zahlung aon Reparationen aerpflichtet sei (2. B' des Angriffskrieges?
Scite 2t), eine Schluß!olgerung-die nicht ohne rcei- Können Yorgriffe auf Reparationen weder auf tler
teres anerkannt werden kann. Grundlage der Haager LKO. noch derjenigen der Be-

160 r6I
sdrlüsse von Jalta und Potsdam gerechtfertigt werden, fallen die Kosten des Straluerlahrens ,Krieg, dem
so bleibt die oben aufgeworfene Frage zu beantworten, F ried,ensbrecher'zur Last."
ob es sich bei den Maßnahmen der Besagungsmädrte Gegen diese Argumentation könnten gewidrtige Ein-
wirklich um Vorgriffe oder nicht vielmehr um Realisib. wände erhoben werden, Bei der heutigen Struktur der
rung bereits bestehender, auf selbständigem Rechtstitel Völkerrechtsgemeinschaft ist die Definition des Ängriffs
beruhender Ansprüche hanrlelt. und die Entscheidung, wer als Angreifer zu gelten hat,
Daß die Beschlüssevon Jalta und Potsdam als Rechts- immer noch in einer heillosen Veise mit Sieg und Nie-
grundlagen bereits existenter Reparationsansprüche derlage verknüpft.
nich-t in Betracht kommen, braucht nach dem oben Ge- Vgl. Laun, Haager Landhriegsordnurug, Seite 2l:
sagten nidrt nocih einmal wiederholt zu werden. Dagegen o,Niernals gewinnt ein Staat einen Krieg, obuohl ,er
könnte die Auffassung vertreten werden, daß sich das der Schuädtere ist, nur darum, u)eil er irn Rechte ist,
Völkerrecht im llinblick auf Kriegsentschädigungen und sondern ausnahmslos gewinnt ein Staat einen Krieg
Reparationen seit dem Abschluß des Kellogg-Paktes und audt. dann, u)enn er im Unrdcht ist, nur darttm, weil
der damit erfolgten Disqualifizierung des Angriffskrie- er der Stärhere ist." - Ferner Grewe, I{ürnberg als
ges als völkerrechtlichen Delikts gewandelt habe, -und Redttsfrage, 794?, Seite 47,93; ders., Das Sicherheits-
zwar in dem Sinne, daß der besiegte Angreifer auf system d,er Vereinten Nalionen, SJZ. 1949, Sp.1Z6,
Grunil der Niederlage dem angegriffenen Sieger ipso Im Falle des ztweiten Weltkrieges Iiegen Recht und Un-
jure reparationspflichtig wird., ohne daß es einer aus- lecht klarer zutage als in anderen Fällen. Ahor es ist
problematisch, ein allgemeines völkerrechtliches System
drückli<ihen Regelung irn Wegä des Friedensvertrages
darauf zu gründen, daß in einem konkreten Falle die
oder anderweitiger Vereinbarung bedürfte. Die Repara-
Niederlage den dngreifer getroffen hat. Es gibt auch in
tionsschuld entstünde gomit durih die Verwirklichung
der neuesten Geschichte Beispiele genug für das ent-
des Unrechtstatbestandes,,Angriffskrieg" in Vgrbindung
gegengeseBteErgebnis. Völkerrechtliche Grundsäge kön-
mit dem Faktum der Niederlage. Der Redrtsgrund der
nen nicht ad hoc gebildet werden, sie segen $ielmehr
Haftung läge in der VertragsverleEung und dem völker-
die Möglichkeit ihrer ständigen und allgemeinen An-
rechtlichen Delikt, die beide zugleich in dem Aggres-
wendbarkeit voraus. Auch wenn es als selbstverständlich
sionsakt beschlossenwären. Deutschland wäre somit seit gelteh muß, daß Deutschland im Friedensverrrae die
dem Zusammenbruch aus Vertragsverlegung und Delikt Wiederggtmachung des von ihm angerichteten Schaderrs
zum Schadensersaggegenüber den Siegern und ihren den angegriffenen Staaten gegenüber zu übernehmen
Verbündeten verpfl ichtet. hat, wäre es demnach nicht unbedenklich, ein allgemei-
In ähnlidrer Weise argurn'entiert die Bremer Denk- nes Prinzip anzunehnien, wonach Aggression und Nie-
sclti| i,,Reparationen, Sozialproduht, Leb ensstandard. derlage automatisdr zur Reparation verpflichten. Diese
Versuch einer Wirtschaftsbilanz", (als Manuskript ge- Bedenken wären jedenfalls durchschlagend,wenn man
drucht; 1947) Anlage I: Die Reparationslrage im Völ- mit diesem Prinzip dem Sieger zugleich die Befugnis
kerredtt, Seite 77: ,,Wenn nunmehr der Angrifrslsrieg zusprechen wöllte, einseitig darüber zu entscheiden, in
als einVerbrech.en im Sinne ilesVölherrethts gilt, dann welchem Umfang und in welcher. Form Wiedergut-

r62 r63
des heitsdtarakter" dbr zu Reparationszweclten getrof-
maüung zu ieisten sei. Die einseitige Be*essuog
Gläubiger ist vielinehr lenen Maßnahmen untersnreicht, ,,Es ist ein. anerhann-
R"p"."tion."nspruchs durch den
rr""h Grundsägen des Rechts und der Ge- ter Grundsag des VöIkenechts, daß bei Meinungsuer-
"I"-"r.taren als dem sdtieilenheiten keine Partei einseitig bestimmen ltann,
rechtigkeit jetlenfalls insoweit ausgeschlossen'
eröffnet ist' eine unpar' was im Einzellall rechtens ist; tut sie es d.och, d'ann
Schuldner keine Möglichkeit
gegen eine' willkürliche und handeh sie aul die Gelahr hin, sidt. später einmal
teiische richterliche Instanz
mißbräuchliche Bemessung des Ansprudres anzurufen' ihren lrrtum nachweisen lassen zu müssen. Auch hier
tlie-
Unter Berücksichtigung und sorgfältiger Abwägung hat die LKO. lür ein Teilgebiet diesen GrundsaE zuni
sich tlie Frage der Reparations' Ausdruck gebracht, indem sie in ihrer Präambel sagt,
ser Gesichtspunkte läßt
wie
schuld nach tlem heutigen Stande iles Völkerredrts daß es lalsch sei; daß die in ihren Artikeln nicht.aor-
ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg gesehenen Fälle in Ermarugelung einer schriltlichen
folgt umgrenzen:
iles Verleqten' Abrede der nillkürlichen Beurteilung d.er nilitäri-
U"J*ü"aut einen Reparationsanspruch
selbst automatisch durch schen Belehlshaber überlassen bleiben'o dürfen. In
Oh di".", Reparationsanspruch
und Niederl-age entsteht oder ob es zu seiner Aruaend,ung d,er dieser Sonderbestimrnung der LKO.
Aggression
vertrag'
vollgültigen Begründung zusäElich noch einer zugru.nde liegenden allgerneinen Norm würd,en sich
ist zwei'
Ii"hen Ve.eiobarung mit dem Besiegten bedarf d,ie Besagungvnäch.te zweilellos sicherer im Rahmen
entschieden
felhaft. Die Fragb braucht jedoch hier nieht des Rech.ts bbwegen, wenni sie ;idt bemüh,t hätteno
Besagungs'
zu werden. Es kann vielmehr' ilie für die über Art, Umlang unil Einzelheiten der Repi"ations-
unterstellt werden' leisuingen und d.er Herabsegung der d,eutschen Frie-
mächte günstigere These als richtig
durch Aggres- d.enshapazität eine Vereinbarung mit d.eutschenStel- .
daß die Reparationspflicht automatisch
kommt' Auf jeilen len herbeizu{ü,hren, und es würe wahrsdteinlich auch,
sion und Niederlage ,ur E"tstehung
nur insoweit anirehmbar' als in ihrern eigänen Interesse, sicher aber irn Interesse
Fall aber ist diese These
mit iler Aggression die Repa' einer gedeihlichen Entwichlung Europas gut, wenn
davon auszugehen ist, ilaß
fesrsteht und sie dieses Versäumnis ruachholten." - Beilenlt.en.hier-
rationdsechuldnur d,em Rechtsgrunile nricä
verfolgbar wird - daß aber der Um- gegen äußert Kaufmann, a. a. O.. Seite 17: ,,Gewisse
mit der Niederlage
Modalitäten der Ert'ällung n;.r Vorleistungen u)aren audt, nach, dem Waffenstillstand
lang d,er Schultl untl ilie
,l.rr""h t".t."gliche Vereinbarung f estgelegt werden kön- t;on 1978 und aor iletn,Inkralttreten desVersaillerVer-
nen. Solarrge eine solchb Vereinbarung nicht zustanile trags ilurclt.geführt, und es ist, da die LKO. aul die
-ög"o ilie Sieger berechtigt sein' sichernde Besegung Deutsdrlands nur mit gewissen Einschrän-
kommt,
im Hinblick auf die künftige Erfüllung zu kungen- Anuendung findet, nicht einzusehen, wanrm
Maßnahmen
'W'ege erfol'
treffen. Im einseitiger Zwangsbeitreibung die möglidt.st schnelleVernirhlichung d.er uon Deutsch-
gende Vorgriffe auf die liünftige Reparationsschuld land anerhanhten Reparationssdtuld, ruach der bedin-
anerkannt
f,örrr."n völkerrechtlich niiht als zulässig gungslosen Kapitulation ausgesdtlossen sein soll, so-
werden: |ern sidt die Reparationsgläubiger ihrer gleidtzeitigen
'./-orn
' ln diesem Sinne auclt' K' Schrniil' Wirtsdt''-Zeit8' Stellun g als t euhänd erische V erw alt er D eut schland s
T.Nortember 7947, iler ilen rechtlichen "Vorläufig- bewußt bleiben. Gerad.e aus d.ieserVerantwortlichheit

164 r65
des Gericlttsholes unteruorlen werden hönnen, ge-
sind sie besonders in d.er Lage, die Grenzen iler Re'
hören Streitigkeiten über ,die Art oder den Umlang
parationslähigkeit zu erltennen.'o - Diesen Beilenhert
der für ilen Bruch einer internationalen Verpflichmng
I)ermag ich nicht' zu folgen. Die Vorleistungen uon
g eschul d e t en'W i ed er gu tm adtun go'( la natur e ou I' 6t en-
1978 beruhten doch eben aul uertraglidter Zustim'
due de. la r|paration due pour la rupture d'un en-
mun g D eut sehlands irn W aff enstiII st an d suer tr ag a o rn
gagement int ernational ).
17. Nouember 1918. Anerkannt ist die heutige Repa'
In Frage käme sowohl die Bildung eines besonderen
iationsschulil uon deutscher Seite nicht; sowbit sie
Reparationsschiedsgerichtesals auch die Befassung des
solcher Anerhennung bedart, nämlich im Hinblick aul
noch Internationalen Gerichtshofesmit der Repaiationsfrage.
ihre Höhe, enthäh neder die Kapitulation
'Aht
deutscher Organe ein,ö dern- Yon deutscher Seite wäre jede Lösung zu begrüßen,
irgendöin sonstiger
weldre die Entseheidung durch eine unparteiische In-
ent sprechende W illens erhlärun g. D ie treuhänilerisdt'e
stanz in einem geordneten Verfahren auf der Grund-
Birydung ist im BereicJte der Reparationsrnaßnahmert
lage sorgfältiger Prüfung aller für eine gerechte Ab.
m. E. nicht wirksam. Die Besagungsrnächte werd.en in
sdrägung des Reparationsansprucheswesentlichen Fak-
diesem Sektor ausschließlich im eigenen Interesse tätig.
toren verbürgte. Daß Deutschland dem Internationalen
Kommt eine Vereinbartrng nicht zustande, so ist es Sache
Gerichtshof nicht als Mitglied angehört, brauchte kein
einer unparteiischen schiedsgerichtlidren oder gericht-
Hindernis zu sein. Der Sicherheitsrat kann die Beilin.
lichen Instanz, Art und Umfang des Reparationsansprddrs.
gungen festse[en, unter denen der Gerichtshqf Nicht.
festzuse!en,
mitgliedern öffensteht (Artikel 35, Abs. Z d", Si?tot.;.
Die Bremer Denltsdrrilt erhlärt: ,,Reeht bleibt die
Ist es dem Sieger auch im Rahmen der jüngsten Ent-
Reparation nur dann, wenn der Um,fang nach der
rvicklung des Völkerredrts seit dem Abschluß des Kel.
Leistungsfähiglteit ber4essen uird., wenn Verlahren
logg-Paktes nidrt gestattet, einseitig über den Umfang
und Vo.Ilstre&ung nadi rechtlichen, Nornten aor sich
der Reparationen und die Art der Erfüllung zn enI-
gehen.o' ln d,iesernSinnö werd,en folgend,e Grunilsüqe
scheiden, erkennt es ihm keine einseitige Befugnis zum
tormuliert: 7. Der Schuldner muß gehört uerd'en.
Vorgriff auf Reparationsleistungen zu, so kann es auch
2. Unparteäsche Richter (2.8. die aN.) müssen ur-
nicht die Einrichtung einer besonderen Reparations.
teilen. 3. Ein Urteilssprudt muß erfolgen. Die VoIl-
besegung geben, die neben und unabhängig von den
streckung dart' nicht d,em Gutdünhen d,er Glüubiger
Schranken der Haager LKO. dern Okkupanten das Recht
überlassen 'werd,en.
gäbe, die Festsegung und Vollstreckung seiner Repa'
Eine solche Entscheidung würde eine ,,Rechtsstieitig-
rationsansprüche nach eigenem freien Ermessen zu
keit" (legal dispute, diff6rend d'ordre'juridique) betref-
regeln und zu vollziehen.
fen, die ihrer Natur nach justiziabel, il. h. einer geridrts-
förmigen Eniseheidung zugänglidr ist. Aniuerkennen ist lediglich eine uirtschaftli&.e Siche.
rungsbesegung,-dieüber den Rahmen der Haager LKO.
Zu den Rechtssireitiglteiten, die nach Artikel 36 des
Statuts des I nternationalen, Gerichtsltol es ( I nternatio- hinaus den Zweck verfolgt, durch einstweilige Siche-

nal Court ol lustice) d,urch Unterzeiihnung d,er rungsmaßnahmen eihe Vereitelung des festzusegenden

alrul6atiuhlauselooobligatorisdt iler G erich.tsbarheit -{nspruchs zu verhüten


,,F

r66 t67
d) Grenzen des Reparationsansprudres Bahnen eiries geregelten Verfahrens lenken unal einen
gewissen Ausgleich zwischen der alliierten Schadens'
Nadr allem, was geschehenist und im Vege der Demon- ersagforderung und der deutschen Leistungsfähigkeit
tagen immer nor:h geschieht, wäre ds sinnlos, wenn die eizielen zu können. Im Rahmen eines solchen Yorver-
deutschen Regierungen diesen Rechtsstandpunkt be- trages wären insbesonrlereaudr die Grenzen zu bestim-
nuben wollten, um die Einstellung der Reparationen men, die dem Vorgriff auf Reparationen von Rechts
bis zum Abschluß des Fr,i-edensvertrages oder gar die wegen gezogen sind.
Rüd<gängigmachungder bereits-erzwungenen Leistun- Die Minimalfordemngen, der deutschen Regierungen
ger. zv fordern. Reparationen müssen nach Lage der müßten ilabei in der Durcihsegung dreier Grundsäge be-
Dinge erbradrt werden. In gewissem Umfang liegt es stehen:
sogar im deutschen Interesse, daß der Eingriff in die Erstens, Des Grundsages der Substanzerhaltung. Repa-
deutsche Vermögenssubstanz, der unvermeidlich ist, rationseingriffe in die deutsche Wirtschaftssubstanz
schnell vor sich geht, damit bald Klarheit über das dürften nur in soldhem Umfange vorgenommen werden,
rvirtschaftliche Potential besteht, das für die Zukunft daß die Rohstoffbasis und Produktionskapazität erhal-
r erfügbar bleibt. ten bleibt, um den lebensnotwendigen Eigenbedarf der
Um so wichtiger ist es, darauf zu bestehen, daß Vor- deutschen Bevölkerung voll zu deiken. Kriegsichäden,
leistungen auf Reparationen ebenso wie deren endgül- Flüchtrlingselend und die Anfortlerungen auf deutschern
tige Festsegung einer vertraglichen Basis bedürfen. Es Boden stehender, zunächst in ilie Millionen-'gehender
"sinnloses,
rväre ein politisch rnoralisch nicht vertret- Besagungsheerehaben eine Notlage in Deutschland ge-
bares und juristisch zweifelhaftes Unterfangen, wollte schaffen, tlie jeder Reparationspolitik, die nicht Ver-
'
man die Reparationsforderung der Allii'erten dem nichtungspolitik sein will, für die nächste Zukunft ge-
Rechtsgrunde nach bestreiten. Mit allem I\achdmck aber wisse unabweisbare Schranken zieht. Soll, dem immer
kann und nnuß daran festgehalten werden, daß Um- nodh anhaltenden Verelendungsprozeß endlich Einhalt
fang und Modalitäten der Erfüllung nicht einseitig von geboten und ilie Bildung eines überdimensionalen
den Gläubigerstaaten bestimmt werdön können. Slums in Mitteleuiopa verhütet werden, so muß ins:
Vürde es gelingen, Yerhandlungen übei ein Besagungs- besondere eine Rohstoffbasis und Froduktionskapazität
abkomrnen einzuleiten, so könnte in diesem Rahmen in Deutschland erhalten bleiben, die es in den Stand
ein Vorvertrag über die Reparationsleistungen zu- sebt? die erforderliche Einfuhr von Lebensmitteln, Roh-
'der
stande kommen. Die einseitigen Forderungen Sie- stoffen, Halbfabrikaten ünd Maschinen zu finanzieren'
germächtre könnten auf die vom Völkerredrt verlangte Der Grundsag der Substanzerhaltung ergibt sich unmit-
vertragliche Grundlage gestellt werden. Eine solche telbar aus elementaren Grunflsägen des allgemeinen
Regelung könnte nur im beiderseitigen fnteresse liegen, Völkerrechts. Er ist eine Äusstrahlung des Grundrechts
Die Besagungsmächtewürden sich damit eine einwand- auf Existenz, das jedem Yolke zuzubilligen ist, das als
freie Rechtsgmndlage für ihre Reparationspolitik ver- rechtsfähiges Mitglied der Völkergemeinschaft angehört.
schaffen können. Für Deutschland bestünde eine Hoff- Nachdem clie Sieger von 1945 die Entscheidung g)etrof-
nung, die Reparationspolitik auf diese Veise in die fen haben, daß das deutsche Volk als solchet nieiht aus.

L68 769
gelös&t werden, sondern bestehenbleiben solle, daß es lingen im deutschen Restgebiet zusammengetrieben und
a.ls selbständige pditisdte Einheit in Zukunlt audr wie' gleidrzeitig das deutsdre Industri€potential in weitem
der hanilluirgsfähigseinen Plag ,,unter den freien und Maße zerstört r,yordenist. Solange aber das in Potsdam
-Welt'o
friedlichen Völkern der (Potsdamer Ahkommen, vorgesehene Existenzminimum nicht erreidrt ist, sind
'Wirtsdraftssub-
III, Präambel) einnehmen solle, muß ihm nach einem weitere Entnahmen aus ddr deutschen
obersten, ethisch fundierten Grun{gag des Völkerre&ts stanz weder mit den allgemeinen Grundsägen des Völ-
das Grundrecht auf Existenz zuerkannt werden. Daraus kerrechts noch mit den partikularen Abmadrungen der
ergibt sich die unabweisbare Folgerung, daß es völker. Siegermächid vereinbar. Die Leistung von Reparationen'
rechtlich unerlaubt wäre, Reparationansprüdre in einern durch Demontage muß daher für beendit erklärt werden.
Umfang und in einer Forni geltend zu, madren, die seine Zweitens. Besdt'ränhung der Entnahmen ant'sder laufen'
Existen2grundlage vernichten würden. d,en Produhtion. Nächst dem Grundsag der Substanz-
Das Tübinger Rechtsgutachten sudtt diese Forderung' erhaltung muß der damit in engem Zusammenhang
aul das Priruzip derTreuhand zu stügen (Seite 34): stehende Grundsag Anerkennung fintlen; daß Repara'
Diese Begründ.ung begegnet dem schon oben (c) aus- tionsentnahmen aus der laufenden Produktion nur so-
gesprorhenen Bedenhen, daß ilas I'reuhandprinzip im weit zulässig sein können, als der lebensnotwendigo
Bereich der Reparationspolitilt keine Antoendung fin- deuts&e Eigenbeilarf vorweg befriedigt ist. Dies ergibt
den hann. -'Dagegeh ueist K. SchTnid mit Re&p dar- sidr rechtlidr äus den gleichen Gesichtspunktön, die den
aut hin, da,ß Artik,el 52 LKO., nadt. dern d,ie aon den. Grundsag der Sirlistanzerhaltung fordern. Es ig zugleich
Besasungsheeren lür ihre Bedürlnisse angeford.erten ein Gebot der Vernunft, denn. produktive Leistungen
Natural- und Dienstleistungen irn Verhähnis zu den werden von einem Volke nur erwartet weräen können,
Hillsquellen des Landes stehen tnüssen, Ausfluß eines wenn seine eigenen Mindestbödürfnisse anerkannt wet-
allgemeinen, irumer unil in jeder Lage geltenden den. Es ist eine Binsenwahrlreit, daß die Leistungen eines
Rechtssages sei, der auch. aul dem Gebiete d,er Repa- Volkes für seine Nachbarn unil die übrige \ffelt um so
rationen uerbinillich sei (Wirtsdr.-Zeitg. uorn 7.No- bedeutender sind, je umfassender sein Eigenbedarf be-
aember' 1947). friedigt wird. Die Ergebnisse der Reparationspolitik
Reparationsforderungen solcheir Ausmaßes wären demj werden für die Besagungsmäc,hteum so geringer sein, je
nach völkerrechtlich nicht gedeckt. S'ie würden aber auch niedriger der Lebensstandard des deutschen Volkes ist.
den Grundsägen widersp.rechen,wblchö die Siegermächte Es wäre nicht nötig, diese simple Vahrheit auszuspre-
selbst als für sich verbindlich proklamiert haben. Das dren, wenn nicht die Besagungspolitik der ersten Jahre
Potsdamer Abkommen stellt dem deutschen Völke ein nadr dem deutschen Zusamniehbrudr so eklaiant gegen
Existenzminimum in Au-ssicht,das dem mittleren Lebens- sie verstoßen hätte.
'Wertanrechnung.
standard der europäisdren Völker (ohne Englanil und Drittens. Der Grund,sag iler aollen
die Sowjetunion) entspridrt (III, B, 15, b). Von die- Verfahrensmäßig ist es absolut unerläßlich, daß alle
sem mittleren Lebensstandaril ist das deutsche Volk Vorgriffe.auf Reparationen durdr elnen unparteiisch
noch weit entfernt. Es ist unabsehbar, wann es ihn je entscheidenden und daher notwendigerweise paritätisdr
n'ird erreiüen können, naijhaleft Millionen von Flüdrt' zusammengesegten Ausschuß' gebü-hrend bewertet und

170 I7I
auf Reparationskonto gutgeschriebenwerden. Es ist ein Redtte. AnrecÄ,te und lnteressen innerhalb Deutsch-
vom Standpunkt des Rechts aus schledrthin unhaltbarer lands, die irgendeiner der Vereinten Nationen oder
Zustand, daß die enormen Reparationseingriffe, die seit ihren Staatsangehörigen gehören oder ihnen bei
1945 stat_tfinden, entweder nur ganz unzuläriglic,h oder Kriegsausbruch od,er zu irgend,einem Zeitpu.nhte seit
überhaupt nicht bewertet und auf die deutsche Gesamt. Ausbrudt, des Krieges ztoisch.enDeutschland und der
sctruld infolgedessen ganz :unzwreichend angerechnet betreffend.en Nation od,er sdit der Besegung ilu,rdt,
werden. Deutschland. irgendeines Teiles ihrer Gebiete gehört
Irgendwann einmal wird die Rechnung der Sieger dem haben. Die ileutscken Behörd.en sind uerantwaril;dt
deutschen Volke präsentiert werden. Es wäre wider alle lür die Sicherstellung, Aufrechterhaltung und Ver-
Sittlichkeit und alles Recht, wenn die deutsche Gegen- hinderung aon Verschleuderung alles solchen Eigen-
rechnung in Gestalt der bereits erbrachten Vorleistun_ tums, solcher Guthaben, Rechte, Anrechte und Inter-
gen auf die Reparationsschuld dann nicht voll berück- essen und, lür die Übergabe derselben unaersehrt aul
.ichtigt und bewertet würde. Aultorderung der Allüerten Vertreter. Zu diesem
Für den Fall eines Besagungsabkornmensmüßte dafür Zwech müssen die deutschen Behörd,en alle Auskunlt
Sorge getragen werden, daß für alle Vorleistungen der erteilen und, nötige Hille leisten, die zur Auffi.ndung
\-ergangenen Jahre nachträglich der volle Vert fest- solchen Eigentums, soldter Guthaben, Redtte, An-
gestellt und die Buchung vorgenommen würde. In jedem rechte und Interissen erlorderlich sind,
Falle müßte darauf gedrungen werden - auch für den c) Alle Personen in Deutschlando in deren $esiE sich
Fall eines Besagungsstatutsmüßte diese Forderuna von derartiges Eigentum, d,erartige Rechte, Anrechte und.
deutscher Seite mit allem verfügbaren Nachdro"k" o".- Interessen befinden, sind., persönlich dafür uerant-
treten werden -, daß künftig keine Reparationsleistun- Loortlich, ilaß sie angemeldet und bis zur Übergabe in
gen mehr angefordert werden dürfen, deren Wert nicht tl er u or g eschri eben en W ei se sicher g est ell t u er d en,oo
gleichzeitig festgestellt und zur Anrechnuns eebracht Neben Restitutionsfordeiungen im eigentlichen Sinne
rvird. enthält diese Vorschrift auch die Forderung nach Wie-
derherstellung alles bei Kriegsausbruch in Deutschland
e) Regelung der Resiitutionen
befindlidren Feindeigentums. Ein völkerrechtlicher
Neben den Eingriffen der Besagungsmäc,hte,die unter Rechtstitel," arif den' sich diese Forderungen stügen
dem Rechtstitel der Reparation, der Requisition oder könnten, wird nicht angegeben.Soweit die betreffenden
des Beüterechts erfolgt sind, spielen als eine Gruppe Vermögenswerte ordnungsmäßig auf vertraglichem Wege
besonderer und rechtlich selbständiger Maßnahmen die erworben wurden, kann kein Zweifel daran bestehen,
sog. ,,Restitutioneno' eine niiht uneihebliche Rolle: daß der gegenwärtige deutsche Besiger ihr rechtmäßi-
Den Rahmen für diese Eingriffe gibt die Konrrollrats_ ger Eigentümer ist. Die Wegnahme solcher Vermögens-
proklamation Nr,2,Ziff.19b und c, in der es heißt: werte stellt daher einen Eingriff in das durch die all-
b) ,,Die deütsdien Behörden rnüssen sich gemeinen Grundsäge des Völkerrechts und die Vor'
lerner allen
solchen Anueisungen fügen, die die Allüerten Ver- schriften der Haager LKO. geschügte Privateigenturn
treter anordnen mi.t Bezug aul Eigenturn, Gwthabetu, dar.

t72 173
Die moralisdre Berechtigung der Forderung ,r"ÄR"lrt- trages zurückgegriffen werden. Die Rü&erstattungs-
tution solcher Vermögenswerte, die in Deutschland oder pflicht hinsichtlich früheren Feindvermögens ist danedr
in den von Deutschland bösegten Gebieten ihren frühe- eine völkerrechtliche Verpflichtung des italienis&eir
ren Eigöntümern durch Gewalt oder Zwang entzogen Staates, sie beruht nicht etwa auf einem als fortbeste-
rturden, unterliegt keinem Zweifel. Ipsoweit wäre es hend fingierten privatrechtlichen Eigentumsanspruch
eine selbstverständliche Aufgabe eines Friedensvertra- des früheren Inhabers.
ges, diese Foiderungen zu präzisieren und das .Ver- Durclt die Londoner Erliliirung der Allüerten aorl
fahren zu ihrer Durchfühiung festzulegen, wie es audr 5. Januar 1943 wurd.e zwar aon diesen das Recht in
im Versailler Vertrag (Artikel 2381239) und im Frie- Anspruclt, genomrlen uizd aorbehalten, ,,jede über-
densvertrag der Alliierten rrit Italien vom 10. Februar trügung oder Veräußerung üon Eigentum, Guthffien,
1947 (Artikel 75) geschehen ist. Als ebenso selbstver- Rechten und Anrechtei,n,uelcher Natur sie auclr seien,
ständlich wäre es hinzunehmen, daß die Alliierten be- lür nichtig zu erhlären, d,ie sich in, d.en uon ilen Re-
reits in def gegenwärtigen Phase der Besegung Maß- gierungen, mit d,enen. sie in Feinilseligkeiten begrif-
nahmen zur Siiherstellung der Objekte ihrer Restitu- len sirid, $eseSten oiler mitielbai oder unmittelbar
tionsforderungen ergriifen. kontr:ollierlten Gebieten befinilen oiler befunden.ha.
Ahnlich wie auf dem Gebiete der Reparationen geht bery, oder iliö im Besig, aon in den beteffenilen Ge-
die Politik der Besagurrgsmächte jedoch offenbar auch bieten. uohnhalten Personen (einschließlich der ju-
auf diesem Felde von der Voraussebung aus?,daß die ristischen Personen) sind oder geu)esen-sind.. Die
'Waniung
Restitutionsansprüche keiner näheren vertraglidren Fi- gegenwärtige gih auch, uenn solche Über-
xierung bedürfen, sondern sofort realisiert werden kön- trdgungen oder Veräußerungen unter der Forrn eines
nen. Es dürfte im jegigen Zeitpunkt,kaum nobh möglidr off ensichtlieherr.Raubes oder sdreinbar gesegmäßiger
und wohl auch nicht sinnvoll sein, in eine grundsäg- Geschäfte aorgenontnxen word,en sind., und selbst,
lidre Auseinandersegung zur Revision dieses Stand-
talls ang.egebEnuird., d.aß die besagten Übertragun-
punktes einzutreten. Iffas dagegen dringlich-erforilerlidr
gen oder Veräußerungen ohne jeilen Zuang getötigt
ist und im Rahmen einer besa[ungsrechtlidren Rege-
worden sind." Diese Erhlärung, d.eren aöllterrecht-
lung unbedingt erfol[en muß, ist eine klare Begrenzung
liche Wirkungen noch eingehender Prülung bed.ärf-
des Restitutionsbegriffes, eine saubere Trennung von
tdn, enthäh nur den Vorbehah einer entsprech,enden
Restitutionen und Reparationen, eine Bestandsaufnahme
Nidrtigkeitserhlärung, die jedoch niempls ausgespro.
der bereits unter dem Titel der Restitutiorr erbrac{r-
chen uorden ist. Audt, die im italienischen. Friedens-
ten Leistungen und eine Verrechnung derjenigen Lei-
stqngen, die von dem näher fixierten Restitutionsbegriff Dertrag ausgesprocheneAnnahme d,ieserLond,otter Er.
nicht gedeckt werden, auf Reparationskonto. hlörung durdt, die itälienische Regierung dürlte nicht
Von besonderer Bedeutung ist vor dllem zunächst eine den Sinn haben, daß die fraglichen Transalttionen
klar begrenzende Definitipn des Restitutionshegriffes. als zioilrechtlich niü,tig angesehen uterden sollen.
Als Vorbild dieser begrifflichen'Festlegung könnte da- Vergleiche hierzu die (mir uorerst nur im Monuskript
bei auf den Artikel 75 des italienisdren Friedensver- behannt geuordene) Arbeit aon W.Wilmanns über

174 l/5
Restitutionen, aul die audt in den tolgenden Aus- Reidrskreditkassenscheine vom allgemeinen volkswirt-
lührun gen zurü chgegrift en wir d. schaftlichen Siandpunkt ier besegien Länder gewesen
Der Restitutionsanspruch kann sich, wie,Artikel ?5 des sein mag, so stdht doch außer Zweifel, daß der Verkäu-
italienischen Friedensvertraggs einileutig formuliert, ier mit den erlösten deutschen Noten auf seinem hei-
nur auf id,entifizierbare Vermögensobjekte beziehen, die mischen Markte in der gleichen Weise einkaufbn konnte,
ihrem früheren Inhaber ,durch Gewalt oder Zwang"o als zahle er in heimisdren Noten, Dei Gesdrädiete diesös
entzogen wurden (,,all iilentifiable property at present Verfahrens war fraglos nicht der individuelle Verkäu-
iu Italy whidr was-removed by force or duress by any fer, sondern seine heimische Notenbank, bei der sich
of the Axis Powers from the territory of any of the diese Nofen sammelten und sich in ihren großen Gut-
Uniteil Nationsoo).Die Bestimmungen der Kontrollrats- haben bei deutsdren Banken und I(assen niederschlu-
proklamation Nr. 2 lassen diese schlechthin unerläßliche gen. Der Schaden, der dadurdr angerichtet wurde, ist
begriffliche Begrenzung vermissen. echter Kriegsschadenund Gegenstand der Reparations-
Das auch ilei Sidterstellung unil Realisierun,g aott refelung. Dieser Schaden kann nicht zrvischen einem
Restitutionsford.erungen dienende Ceseg Nr. 52 d'er ungeschädigtenVerkäufer und einem ebensowenig schä-
w est Ii dl,en B esa\un g sz on en h a t d er B eschla gnahmu n g digenden Käufer, für den die hingegebenen Noten
ztoar iur Vermögen unterworfen, ,,'das Gegenstand ebenso gutes Geld waren, wie alles andere, was er be-
aon Zwang, rech.tsuidriger Maßnahmen d.er Beschlag' saß, ausgeglichenwerden.oo(Wilmanns, Seite 19.)
nahrneo Besig,entziehung oder .Plünd'erung in Gebie' Auch hinsichtlich der FesrseSung einer Ausstjhlußfrist
ten innerhalb oder außerhalb Deutschlands gewesen' für die Geltendmachung von Restitutionsfordemngen
ist, glei&,gühig, ob dies aul Grurtil uon Geseggebung, und der rechtsförmigen Ausgestaltu4g des Restitutions-
uon Verfahren, die rechtlidte Formeru zu beacJt'ten verfahrens sollte dem Vorbild des italienischen Frie-
aorgabenooiler aul andereWeise geschehenist": (Ver- densvertrages gefolgt werden. Es ist nur eine elemen-
glei&.e DöIIe-Zweigert,Geseg Nr.52, Kommentar, 7947, täre Forderung der'Geredhtigkeit, daß die Stidrhalrig-
Seite38, 135fr.) Sptitere Artordnungen sind jedoch dar- keit angemeldeter Restitutionsansprüche in einem ge-
über wie,iler hinausgegangen und haben die Sperrbe' ordneten Verfahren von einem paritätisch zusammen-
stirnnlungen des Geseges Nr.52 nahezu bis äuni aollen gesegten Ausschuß nachgeprüft wird. (Vergleiche Ar-
Umlang de7 Ziffer 79,b,c Kontr.Prokl. Nr.2 erstrgcht. tikel 83 des italienischen Friedensvertrages,)
VgI. Wilmanns, Seite 14; DöIle-Zweigert, Seite 742 t. Käme es zu einem Besagungsabkommenr'das in solcher
Eine völkerrechtliche Legitimation für das Verlangen W'eise den Reparationen und Restitutionen eine klare
nach Rückerstattung auch sdlchen Feindvermögens, das vertragliche Basis'gäbe, so würde die Besegung inso-
nicht durch Gewalt td.er Zwang fortgenommen ist, kann weit über eine bloße,.wirtscliaftlidre Sicherungsbeset-
es nichi geben. Nicht stichhaltig'ist der,Einwand, ,,daß zung'o hinauswaqhsen und den Charakter einer usirt-
insbesondere Kaufverträge in ,sdrlechtem Geld', in schaftlichen Exekutionsbese\ung annehmen, die auf ge-
deutschen .Reichsmarknoten oder Reichskreditkassen- sicherter Redrtsgrundlage der Vollstreckung der wirt-
scheinen erfütlt wurden. So fragwürdig die Finanzie- süaftlichen und finanziellen ErsaEansprüche der Sie-
rung deutscher Käufe durch Reichsmarknoten und germächte dienen könnte.

176
177
und sie damit in den Rang ,,tölhemechtsbäf tiger
V. Die völkerrechtlich gewährleisteten Grundrechte
Grundledtteoo erhoben. Solange das Völkerrecht ein
des besetzten Landes und seiner Bevölkerung Redrt zwischen Staaten ist und die Individueh nur aus-
nahmsweisekraft ausdrücklicherDelegation als,,Völker-
rechtssubjekte" anerkennt? tragen diese Fundamental-
1. Gibt es besaEungskrältige Grundredt'te? redrte noch nicht den Charakter echtei ..internationaler
Menschenrechteoo,bleibt ihre Geltendmachung vielmehr
Die bisher skizzierte Systematik der verschiedenen
den Staaten vorbehalten, die im Rahmen ihrer völker-
Schichten des Besagungsredrtes - als eines Rechtes der
rechtlidren Zuständigkeit über die Wahrung dieser
militärischen und wirtscihaftlichen Sicherungsbesegung'
- Grundrechte wachen. Auf dieser Grundlage entwiekelte
der Interventions' und Sequestrationsbesegung nahm
sich im 19. Jahrhundert das Institut der ,,Humanitärs-
ihren Ausgangspunkt von einer Bestimmung der Macht-
intervention'o und im 20. Jahrhundert das. Recht des
befugnisse d,er Besugungsrnächte und suchte von hier
Sdruges der nationalen Minderheiten. Die völkerrecht-
aus zu einer redttlichen Grenzziehung zu kommen' Diese
Iiche Entrsicklung der Gegenwart weist starke Tenden-
Systematik würde jeilodr unvollkommen bleiben und
zeln zlor Anerkennung der Individuen als ursprünglicher
nicht alle wesentlichen Probleme erfassen, wenn sie
Völkerredrtssubjekte auf, eine Konzeption, die vielfach
nicht ergänzt würde durch eine Grenzziehung, die von
mit der Annahme echter internationaler Menschenredrte
gewissen unantastbaren Rechten d'es besegten I'sndes
verbunden wird, di-e ihren Trägern selbst die-oBefugnis
und, seiner BeuöIherung ausgeht'
geben würden, diese Rechte vor internationalen fn-
Das innerstaatlidre Verfassungsrecht aller Kulturvölker,
stanzen gelterid zu machen. In den Nürnberger Kriegs-
deren politische Organisation von clern Gedanken der
verbredrerprozessenhat diese Auffassung ihren bisher
Herrschaft des Redrtes (der ,,Rule of Law") bestimmt
stärksten und gewichtigsten Ausdruck gefunden.
ist, die also in einem ,,Rechtsstaat"leben, kennt gewisse
Es kann und braucht hier nicht die vielumstrittene,
der
orGrundrechte'odes einzelnen, die einen Bestandteil schwierige und mit weitreichenden Konscquenzen ver-
verf.assungsmäßigen Ordnung bilden und von allen Or'
knüpfte Frage entsdrieden zu werden, ob und'in wel-
ganen der Staatsgewalt einschließlich des Geseggebers
drem Umfang diese Ideen bereits Eiigang in das posi-
respektiert werden müssen. Innerhalb des großen Kfei'
tive, geltende Yölkerrecht unserer Zeit gefunden haben.
ses der traditionell oder verfassungsnormativ anerkann' (Vgl. dazu Partsch, Internationale Menschienrechte?Arch.
ten Grundrechte gibt es eine kleine Zahl fundamentaler
öff. R., 74.8d. 2. Heft, 1948.) Auch wenn man zu dem
Prinzipien, tlie als sdrlechthin unantastbar zu gelten
Ergebnis kommen müßte, daß die meisten Stäaten in-der
haben und auch von der verfassuirggebendenGewalt
Praxis noch nicht beteit sind, einer solchen Konzeption
nicht beseitigt werden können. Sie pflegen daher als
des Völkerrechts zu folgen, bliebe dodr auch auf dem
,,oer|assungshräftig" bezeichnet zu werden' Boden der traditionellen Auffassungen die Annahme
Die moderne Entwid<lung deo Völkerrechts hat mit gerechtf ertigt, daß es gewissevölkerrechtskräf tige Grund-
wachsender Entschiedenheit einige dieser verfassungs-
rechte des einzelnen gibt, die kein Staat eigenen oder
kräftigen Fundamentalredrte auch als unantastbare
fremden St.aatsangehörigen gegenüberverlegen darf .
Grundnormen der völkerreihtlichen Ordnung anerkannt

179
178
Daneben hat das Völkerrecht stets gewisse unverbrüch- Mitglietler der Völkerrechtsgemeinschaft diesen Regeln
liche Grundrechte der Staaten anerkannt, die als struk- unterworfen beiben, auch die Siegermächte gegenüber
turnotwendige Elemente der vöikerrechtlichen Ordnung den Besiegten. Es ist im Verlaufe des Nürnberger Pro.
für unentbehrlich gehalten wurden. Solange das Völker- zessesbesonders von seiten der Anhlage immer wieder
recht ex definitione als eine Rechtsordnung relativ selb- hervorgehoben worden, daß sich die Sieger selbst dem
srändiger, koordinierter Gemeinwesen aufgefaßt wurde, gleichen Recht unterwerfen müßten, das sie den Be-
galten gewisse,dieser Struktur entspredrende, die auto- siegten .gegenüber zur Anwendung brächten. In der
nome Existenz und Entscheidungsfreiheit dieser Rechts- Tat wird die Autorität des Urteils in entscheidendem
subjekte verbürgende Rechtssphärenals u'eserrsnotwen- Maße von dieser Yoraussegung abhängig sein.
dig mitgegeben. Es ist für Deutsche eine schwierige und peinlithe Auf-
Gibt es demnach Grundrechte der Einzehnenschen so- gabe, sich auf Grundrechte zu berufen, die das ver-
l.ohl wie der Staaten, die als völkerrechtskräftig im garigene deutsche Regime, solange es sich in der Rolle
internationalen Leben unverbrüchliche Geltung haben, des Siegers glaubte, nidrt einzuhalten bereit war.
so bervahren diese Grundrechte ihreri Bestand auch ge- Gleichwohl kann es niemandem erlaubt sein, diese
genüber einer Besagungsgewalt, die auf Grund völker- Rechte preiszugeben. Es ist eine Existenzfrage nicht
rechtlicher Titel in fremdim Lande tätig wird. Es gibt nur-für das deutsche Yolk, sondern für' eine rechtlich
also ,,besagungskräftige Grundreöhte'., die ihre Wirk- verfaßte Völkergemeinschaft überhaupt, daß der Kreis-
samkeit nicht aus irgendeiner innerstaatlichen Verfas- Iauf des Unrechts und der Gewalttätigkeit heendet
sung, sondern unmittelbar aus dem Völkerrecht her- wird. Ein Besagungsrecht, das nidrt vo'r allem ande-
leiten, und die demgemäß auch für die Okkupatioris- ren die Respektierung der Grundrechte, gewährleisteir
mächte und ihre administrativen, gerichtlichen und würde, müßte daher seinen Sinn verfehlen.
legislativen Organe von unantastbarer Gültigkeit sind.
Es kann niemand bestreiten, daß das DeutschlandIlitlers
diese Grundrechte der Staaten und der einzelnen viel' 2. Der Inhalt iler Grund.rechte
fach verlegt hat. Seine Führer sind dafür vor dem In' Diejenigen Grundrechte, ilie dem Völkerrecht als einer
ternationalen Militärtribunal in Nürnberg zur Rechen- Rechtsordnung der Gemeinschaft zivilisierter Nationen
schaft gezogen worden. Das Urteil, gleichviel wie seine immanent sind und die daher als ,,besagungskräftig"
Entscheidungsgrundlagen und seine Entscheidungs- bezeichnet werden können, bestehen einerseits in dem
gründe im einzelnen zu bewerten sind, hat keinen Grundrecht der Staaten auf Ehre, Existenz und Selbst-
Zweifel darüber gelassen,daß die elementaren Grund- bestimmung, andererseits in dem Grundrecht deb ein.
säge des Völkerrechts, rrngeachtet der vielen Verstöße, zelnen auf Leben, Freiheit und Rechtssicherheit (droit
denen sie ausgesegtwaren, nicht außer Kraft getreten ä la vie, ä la libert6, ä la l6galit6 - life, liberty and
sind, sondern ihre Geltung bewahrt häben. Der Sinn state).
rles Urteils besteht geräde darin, daß diesen Regeln Die Entscheidung der Siegermädrte, den deutschen
gegenübbr ihren Yerlegern Beachtung versdrafft weiden Staat als solchen nicht 2u vernichten, schließt die Ver-
soll. Das ist für die Zukunft nur möglich, wcnn alle pflichtung ein, dem bestehengebliebenen, zugleich aber

180 r81
tieren. Die MilRegVO. 23 aom 7. Januar l94B hat zurn
ge'rvandeltenund erneuerten deutschen Staat das Grund-
Schuge d.er persönlichen Freilteit gegen willkürliche
re&t auf Ehre, Existenz und Selbstbestimmung nicht Verlmftungen d,as behannte Habeas-corpus-Prinzip
dauernd vorzuenthalten. Eine dauernde politische Dis' d.er angelsächsisrhen Rechtsstaatstradition lür die
kriminieruhg wäre damit ebenso unvereinbar wie ilie amerik ani sche B esagun,gszone und, den -ameriltani schen
Aushöhlung der deutschen Existenzgrundlagen durch Sekior aon Berlin eingeführr. Die Armee-VO. Nr.96
untragbare Annektionen, Deniontagen, Konfiskationen aom 9. März 1948 hat darüber hinaus Vorschriften
und Reparationen, wie auch entllich die Yörenthaltung getrofren, die weitere Rechtsgarantiert bei Verhal-
des Rechts auf Selbstbestimmung, etwa durch willkür- tun gen, H aussuchungen und Bp schlagnahmun gen dur ch
liche Aussieillung von Millionen von Deutschen aus amerihanische Militärbeltörd,en aorsehen. - In der
ihrem alten Heimatbodtlh oder durch Unterbindung britischen B esattungszone ist das H abeas-corpus-Prin-
autonomer demokratischer Selbstgestaltung im staat' zip seit dem l. Januar 1947 durch die Mit.-RegVO,
lichen Bereich. Nr.68 und,72 in Kralt gese7t uorden. - Mit diesen
Die in Jalta und Potsdam, San Franzisko und Nürnberg Maßnahmen der angelsächsischen Besagungsmächte
feierlich verkündeten Reqhtsprinzipien verpflidrten die ist ein sehr wesentliclter und wertDoller Schritt zum.
Besagungsmächte zugleich" die allgemeinen und unr-er' Schug,edes Grundrechtes der persönlichen Freiheit in
äußerlichen Menschenrechte auch der deutschen Bevöl-
Deutschland getan worden, Ein allggmehtes deutsches
lrerung gegenüber zü wahren.
Besagungsrecht müßte in d,ieser Hinsicht uor allern
Die Formel Leben, Freiheit rind Rechtssicherheit um' die Erstre&ung d.ieser Prinzipien aul allt'Zonen
schließt den traditionellen I(atalog'der unveräußerlidren bringen.
intlivicluellen Menschenrechte: Schu! der persönlichen
Diese Menschenrechte sind nicht nur für die unter der
Freiheit gegen willkürliche Verhaftung' und Internie'
Autorität der Besagungsmädrte gesdhaffenendeutsdren
rung; Schug der religiösen Gewissens- und der welt'
Länderbehörden unantastbar, sie binden auch die Be-
anschaulichen Meinungsfreiheit gegen religiöse und gei-
sabungsbehörden selbst. Es ist ein zwingendes Gebot
stige Unterdrü.ckung; Schug des Eigentums gegen Plün'
des Völkerrechts, daß Eingriffe in Leben, Freiheit und
derung, willkürlidre Enteignung und Konfiskation; An- geseglich garantierte Rechte nur nach Maßgabe eindeu-
erkennung €iner staatsfreien Sphäre gegenüber einer
tiger Rechtsvorschriften und in einem gesegliih geregel-
allurnfassendendespotischenund totalitären Reglemen-
ten Verfahr.en erfolgen dürfen. Ein Besagurrgsregime
tierung des Lebens; Geyährleistung gese$inäßiger Ver'
fremder Mächte wird zwar niemals das volle Maß kon-
waltung und unabhängiger Justiz (,,due process of stitutioneller Ordnung und Freiheit verwirklichen kön-
law"),
nen, dessen sich freie Völker erfreuen. Es wäre jeiloch
D as Oberkornmanilo der amerihanischen Steitlt'räf te
irrig, zu glauben, daß ein Besagungsregime notwen-
in Europa hat itn Juni 1947 eine Direktit)e @n'alle
digerweise in den Formen der Diktätur ausgeübt wer-
Tiuppeneinheiten ausgegeben, d'urch, weldte die Sol'
den müßte. Das Völkerrecht verleiht einer Besagungs-
daten der Besagungsmadtt angelniesen wurden, die
madet keine ünbegrenzten diktatorischen Vollmachten.
in d,en L änd eru er f assun gen gar anti er t en staat sbür ger'
Soweit nicht der Besagungszweck bestimmte Eingriffe
lichen Rechtö der ileutsdt'en BeaöIherung zu respek'

183
tB2
und Einsdrränküngen der Frpiheit erfordelt und redrt' ..sidrispunkten operativen Krieg{ührung aufweisen. Auch
fertigt, bleiben die allgemeinbn Girrnilsäge rechtsstaat'' insoweit gibt es keine wesentlichen Interessen der Be-
li&er Ordnung verbinilli& sagungsmächte, die ni'cht uhter Achtung vor den Men'
sdrenrechten der Bevölkerung gewährt werden könnten.
N gtweniligkeiten" Da.mit fällt aber die einzigeEinschränkung, der dieMen-
3. Gr,undr.ei:liteunil,,militärisdte
schenrechte.während einer occupatio bellica untefliegen
Die Befugnis zu Eingriffen und Einschränkungen sol' - eben die Rücksicht auf die ,,n6cessit6es militaires" -
-einer Besagungsmadht nadr anerkannten im gegenwärtigen Stailium einer BeseBung post bellum,
cher Art sind
Grundsägen des Völkerrechts im Kriege unter dem Ge' ante pacem weg.. Es gibt keinen völkerrechtlichen Ge-
sidtspunkt d'er militärischen Notweniligkeiten (,,n6ces' si&ispunkt mehr, der es alt geteütfertigt erscheinen
sit6es militaiies") eingeräümt - ebenso wie das'Kriegs' lässen würde, die Besagungsgewalt ohne Rücksicht auf
recht dem Kribgführentlen die Böfugnis giht, in ilie die völkerrechtlich gewährleisteten Menscherireihtö iler
grundrechtlich geschligten Redrtsgüter des gegnerisdren detrtschdn Bevölkerung auszuüben.
Staates einz,ugreifen. und Kriägshandlungen durchzu-
führen, di" s"irr" Existenz, seine Ehre und seine Selbst'
bestimmung beeinträchtigen.'Willkürliche Eingriffe' in .
die Menschenrechte der Bevölkerung eihes besqgten Ge:
bietes, Eingriffe, tlie nidrt dur& unabweisbare militä-
risdrö Gründe gefordert sind, blei\en audr während der
Kampfhantllungen uni:ulässig, witi in der,Redhtspre'
drung der alliierten Militärgeridrte-in zahlreichen Kriegs'
verlrecherprozessen festgestellt worden ist'
Vie auch imme'r die Fnage dör Beendigung oder Fort-
dauei des.Kriegszusfandes im Siqne des Völkerreells
heute im Hinblick auf das Verhältnis zwisdren Deufsdr'
- der'faktisdre
land und deri Alliierten zu beurteilen ist
Kriegszustand idt seit der Kapitulation jeilenfalls be-
endet. Daraus folgt, ilaß es ;,militärisehe Noiwqndig-
.keiteno'
im Sinne der Haager'I'KO.,'tlie ein Außbracht'
lassen der elementaren Mensdrenredrte erheischen und
rechtfdrtigen könnten, nicht mehr gibt.' Die Aufgaben
der Besafiungsbehördbn sind wesentlic.hpolitischer, nicht
militärischer Natur. Soweit die Besagungstmppen noü
militärische Aufgaben zu erfüllen haben, handelt es sirJh
um reine Sicherungsaufgaben, die stark polizeili&en
Charakter tragen und keinerlei Zusammenhang mit Ge'

184 185
Nach Klarstellung der Rechtsgrunillagen.der Besegung
Deutschlands soll im folgenilen versudht werden, den
Inhalt des Besagungsrechtsin einer knappen systema-
tischen Skizze'zu umreißen. Es möge diBser Skizbe zu-
gute gehalten werilen, daß sie in einem Zeitpünkt ent'
worfen wurde, in dem das im Sommer 1945 in Berlin
Zweiter Teil: und Potsdam geschaffene, im Kontrollrat gipfehrde
Viermächteregime für Deutschlanil noch recht und
s"hle"ht funktionierte, und daß sie in einem Zeitpunkt
SYSTEMDESBESATZUNGSRECHTS
abgeschlossenwird, in dem'der lahmgelegte Kontrollrats-
mecihanis-us no& nicht durch ein neues SystgSnerse$t
worden ist. Auch in den folgenden Darlegungen wird
ilaher iler, Kontrollrat als orgänisatorischer Mittelpunkt
des Bösagungsregimes als existent angeirommen; diese
Arinahme dürfte dadurdr gereditfertigt sein, daß auch
für ilen Fall iles Aufhörens iler hisherigen Viermächte-
kontrolle ein gemeinsames zentrales l(ontroliorgan der
drei westlidren Besagungsmädrte nidrt entbehrt werden
kann. Es besteht kein recütlidier Hinderungsgrund, daß
die westlichen Besagungsmädrte die Funktionen und
Kompetenzen d.es Koqtrollrates in Zukunft allein aus-
üben. Die faktische Undurchsegbarkeit seiner Anord'
nungen ip der Ostzone braucht die Rechtslage nidrt zu
verändern, Auch ein Rumpfkotltrollrat kann'der Treu'
händer der,von den Besagungsmächtenübernommenen
deutschel- Gesamtstaatsgewalt bleiben. Würde er diese
Staatsgewalt--deutschen Organen zurüd<gebenr so wür-
den diese als Repräsentanten des deutschen Gesamt-
staates zu gellen haben.

187
L Die Organisationder Besatzungsbehörden geschehen. Doch wäre ein solcher Eingriff nur in Aus-
nahmefällen und mit vorübergehender Virku-ng zulässig,
1. Autbau Ein Bericht an den Kontrollrat wäre erforderlidr. da
'Wahrnehmung der Eingriff dessen Kompetenz berührt. Die gesamt-
]Iit der der Befugnisse der BesaEungs- deutsche,Geseggebungsgewalt steht allein dem Kontroll-
mächte in Deutschland waren bisher ein gemeinsames rat zrround die Zonenbefehlshaber müßten du.rch das
zentrales Kontrollorga n ( K ont r oIIr at ), ll;'ehrer e Z onen- Besagungsrecht auf diese Grenze ihrer Kompetenz aus-
belehlshaber und - für Berlin - eine AIIüerte tr(omman- drücklich hingewiesen werden. Eine eigene Geseg-
da.ntur betraut. Es sdrlossen sich - mit z. T. unterschied- gebungskompetenz besaßen die Zonenbefehlshaber nur
licher Bezeichnung - regionale Befehlshaber (Gouver- im Rahmen der konkurrierenden und der ausschließ-
n-eure)unil örtliche Befehlshaber (Kommandanten) an. lichen Landeskompetenz. Doch bedarf es auch in diesem
Das Besagungsrecht müßte den künftigen Aufbau des Rahmen ihrer legislativen Tätigkeit nidlt mehr, seit in
alliierten Kontrollregimes in großen Zügen umreißen allen l-ändern aktionsfähige geseggebendeOrgane ge-
und.dabei die Kompetenzbereichewie die Befehlsgewalt schaffen worden sind.
der Besagungsbehördenuntereinander f estlegen.Wesent- Grundsä6lich muß spätestens mit der Konstituierung
lich ist dabei insbesondere,daß der Kreis ausschließlidrer eine.r verfassunggbbenden Versammlung der Zeitpunkt
Zustäniligkeit des Kontrollrates bestirnmt und seine als gekommen erachtet werden, an dem die volle Geseg-
überlegene Befehls- und Rechtsegungsgewaltgegenüber gtibungsgewalt an clie geseggebendenKörpersch-aften des
den Zonenbefehlshabern sichergesiellt wird. deutschen Gesamtstaatesund der Länder zurüd<zugeben
Soweit infolge der Funktionsunfähigkeü des Vier- wäre. Mit diesem Augenblick würden die eben erwähn-
mädrtekontrollrates,von den Zonenbefehlshabern der ten Grundsäge gegenstandsloswerden, tla alsdann keine
britischen und amerikanischen Besagungszonb eine Zwei- unniittelbaren legislativen Eingriffe der BesaBungsmächte
zonenverwaltung geschaffen worden ist, bedarf diese der in die deutsche Rechtsordhung mehr in Betracht kämen.
Sanktionierung durch den Rumpfkontrollrat rrnd der Eine Einflußnahme der Besagungsmächtewäre dann nur
Erweiteryng und Konsolidierung arif Dreimär:htebasis. noch auf dem indirekten Vege des Yetos und der kon-
l trollierenden Einwirkung auf die deutschen Geseg-
2. V er t eilun g d er Geseggebun gshomp et enzen gebungsorgane denkbar. Die, für eine sachgemäße Yer-
Solange'die Sequestration der deutschen Staatsgewalt teilung der legislativen Kompetenzen maßgeblichen
aufrechterhalten wird, wäre klarzustellen, daß nur der Gtisichtspunkte müßten in diesem Falle in einer ent-
Kontrollrat die Fähigkeit be!sigt, gesamtdeutschesRecht spredrenden Ordnung der Kontrollzuständigkeiten Be'
imWege der Geseggebungaufzuheben oder ahzuändern. rücksichtigung finden. Darüber im einzelnen unten
Die Zorienbefehlshaber mögen im Rahrnen ihrer militä- III.3" b.
rischen Sicherrrngsaufgabengelegentlich vor der Notwen- '
3. Geseg,mäßigheit der Besagungsexeltutiue
digkeit stehen, das geltende Reidrsrecht zu suspendieren
oder zu durchbrechen. Das kann, wenn dieser Eingriff un- In gleichem Maße müßten aile lokalen, regionalen und
'abweisbarnotwendigist, im Rahmen derLKO. (Artikel4S) zonalen Besagungsbehördendaran erinnert werden, daß

188 189
ihre exekutiven Maßnahmen, soweit sie Eingriffe in Soweit es gegenwärtig nidrt möglidr ist, diese Grund-
Leben, Freiheit und Eigentum bedeuten, der Rechts- sägeim gesamtenDeutschlandzurAnwendung zubringen,
erundlage in einer Norm des Besagungsrechtsbetlürfen' müßten sie jedenfalls für die drei westiichen Besagungs-
Dabei genügen interne Dienstanordnungen nicht. R-echts- zonen gelten,
sidrerheit innerhalb des' Besagungsregimes wird nur
nöglich werden, wenn alle Eingriffe in Leben, Freiheit
und Eigentum ihre Rechtsgrundlagein allgemeinen, ver-
II. Befugnisse der Besatzungsbehörden im Rahmen
kündeten Ge6egenoder Verordnungen des Kontrollrates
oder - im Rahmen ihrer Zuständiekeit - der Zonen- der militärischen Sicherunesbesetzunc
befehlshaber besigen.
Die Besagungsmacht hat während der Dauer der Be-
4. Die Einheit des Besagungssysterns
seBung das Recht, alle Maßnahmen zu t.iffen, die durch
Es rnüßte" wenn auch nur in einer allgemeinen und pro' ilie,,militärischen Notwendigkeiten'o geforrlert werden,
grammatischen Form, ausgesprodren werden, daß ist dabei jeilodr an die Bestimmungen der LKO. ge-
Deutschland eine demokratische Bundesrepublik ist und bunden.
damit eine föderative politisdre Einheit dalstellt. Es Da der I(rieg als kämpferisdre Auseinandersegung tat-
müßte ferner klargestellt werden, daß es auch weitei'hin sächlich beendet ist, und eine Wiederaufnahme der
eine deutsch,e Staatsangehörigkeit gibt, und daß jeder Feinrlseligkeiten von deutscher Seite aus nicht.gur aller
deutsche Staatsangehörigein jedem Land die gleichen politischen und psychologisdren Voraussegungen, son-
politischen Rechte wie' die' Landes-Staatsangehörigen dern auch aller vitalen und materiellen Grundlagen ent-
hat (gemeinsamesIndigenat). behren würde, bestehen die ,,militärischen Notwendig-
Das Besagungsrecht müßte klarstellen, daß Deutsdrlanil keiten" nur mehr in der Vahrung der Sicherheit der
eine Virtschafts- und Verkehrseinheit sowie eine Wäh' Besagungstruppen (1), iler Befriedigung der Besaguirgs-
rungseinheit ist. Die Einheit des Eisenbahn- und Post' bedürfnisse (2) und der Sorge für die Aufrechterhal-
wesens wäre wiederherzustellen, eine mit ausreichenden tung der öffentlidren Ordnung (3).
'Wäh-
Befugnissen für alle Zonen ausgestattetezentrale
rungsbank zu erridrten. 7. Vahrung iler Sich.erh.eitd.ir Besagungstuppen
Zu sichern wäre die innerdeutsdre Verkehrsfreiheit
(Wegfall des Passiersdreinzwangs), die Freizügigkeit Die Besagungsmachthat das Recht, alle Maßnahmen zu
(Schranken nur "alg vorübergehende Notmaßnahmen) treffen, die erforderlich sind, um die Sicherheit der Be'
und die Freiheit der Berufswahl untl der Berufsnieder' sa$ungstruppen zu gewährleisten,
lassung (abgesehen von den gesegliclien Ausnahuren der Diese Befugnis umfaßt:
Gewerbeordnung und anderer gesamtdeutsdrer Gesege a) alle Maßnahmen zur Abwehr unmittelbarer Angriffe
sowie von den vorübergehenden Besdrränkungen des auf die Besagungsmacht als solche, insbesondere zur
gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Aus' Abwehr von Aufruhr, Sabotage, Widerstand und
nahmerechts). besägun gsfeindlidren Untergrundbewe gun gen ;

r90 191
b) alle Maßnahmen.zur Abwehr unmittelbarer Angriffe entgegen dem Artikel 52 LKO. die besegten Gebiete in
auf einZelne Angehörige der Besagungsmacht,ihres höherem Maße zu Leistungen herangezogenhaben, ,,als
Gefolges und ihrer in Deutschlanil befindlichen Fa- billigerweise von der Virtschaft des Landes zu erwar-
milienangehörigen, gleichviel, ob es sich um Angriffe tenoowar. Dieser Sag rnuß als ein objektives Element
aus politischen oder aus persönlichen Motiveri han' des Völkerrechts gelten und zieht als solches auch den
delt; Forderungen der Besagungsmächtein Deutschland eine
c) alle Maßnahmen zur Abwehr jeder böswilligen und rechtlich unübersteigbare Schranke.
wahrheitswidrigen öffentlichen I(ritik ari der Be. Unter diesem Generalvorbehalt ergeben sich folgende
sagungsmacht;.dagegen muß es erlaubt sein, Anord' Rechte der Besagungsmächte:
nungen und Aktionen der Besagungsmadrt, weldre
a) Uhterbringung und Unterhalt der BesaEungstruppen
die deutschen ltdchte oder die deutschen Interessen
- Die Besagungsmachtkann in Deutschland folgende Lei-
verlegeri, elner sadrlichen und währheitsgemäßen
öffe4tliclaen Erörterung it Presse, Rundfunk, Yer- stungen fordern':
samlniünlen usw. zu unterwerfenl I. die Unterbringung, den Unterhalt und die Kosten
d) al{. Maßnahmen zur Abwehr von Beleidigungen , der in Deutschland stationierten, für den Besat-
- gegenüber der Besagungsmachtim ganzen oder ihrer zungszwed< erf orderlichen Truppen;
einzelnen Angehörigen. II. die Unterbringung und den Unterhalt der Offiziere
Die vier Giuppen von Maßnahmen müssen sich ini Rah- und Beamten sowie des sonstigen Heerqsgefolges,
men der LKO. bewegen. Es ist daher z. B' untersa.gt,im nach Maßgabe des unabweisbaren Bedar{s;
Rahmen einer solcheri Abwehraktion Plünderungen vor' III. die Unterbringung der Besagungsbchöiden,
zunehmen (Artikel 47), Konfiskationen anzuordnen Die Anforderungen dürfen nicht weiter gehbn, als unter
(Artikel 46 Abs. 2) oder I(ollektivstrater, za verhängen Berücksichtigung der deutschen Raum-, Rohstoff-, Wa-
lArtikel 50). ren- und Lebensmittelnot der Virtschaft des Landes
billigerweise zugemutet werden kann. Solange in der
2. B elrieiligun g d,er B esagwr gsbedür lni sse
Lebensmittelversorgung das Existenzminimum unter-
Die Besagungsmacht hat das Recht, von iler Bevölke' schritten ist, dürfen Lebensmittel aus der deutschen
rung des,Uesegten Landes alle Leistungen zu fordern, Virtschaft nicht für die Besagungsbedürfnisse in An-
die notwendig sind, um die Bedürfnisse der Besagungs' spruch genommen werden.
truppen zu befrietligen, Tlrppen sind in der Regel in Kasernen unterzubringen,
'W'ohn-
Diese'Förderungen müssen jeiloch ,,im Verhäitnisse zu Behörden in Bürogebäuden. Ehemaliger privater
den Flilfsquellen des Landes stehenoo(Artikql 52 LKO.). raum isi, wenn irgend mögllch, seiner ursprünglichen
Sie dürfen also nur in einem solchen Maße in Anspruch Bestimmung zurückzugeben,
genommen werden, daß die ausreichende Yersorguug
b) Militärische Anlagen
der-Bövölkerung des beselten Landes nicht gefährdet
wird. Das Nürnberger Urteil hat es den deutschen An- Die Besagungsmadrt kann die Einräumung von Exer-
geklagten als Kriegsverbrechen angerechnet, daß sie zierplägen, Schießpläg en, Truppenübun gsplägen, Flu g-

L92 193
pläBen und ähnlicher für ilie militärische Ausbildung Gasthöfen, Ifotels und Sanatorien des beseSten
der Besagungstruppen erforilerlichen Anlagen ver' Landes unterzubringen und auf diese Veise Wohn-
langen. raum? Lebensmittel, Brennmaterial, Textilien,
Bei der Auswahl ist tunlichst nur solches Gelände in Schuhwerk usw. für rein zivile Zweake in Anspruch
Anspruch zu nehmen, das bereits von der deutschen zü nehmen;
'Wehrmacht
militärisch genubt wofden ist. Solange die III. darüber hinaus Wohnraum, Lebensmittel, Brenn-
deutsche Lebensmittelnot nicht behoben ist, darf lanil' material, Textilien, Schuhwerk usw. für Arbeits-
rvirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genugtes Gebiet kommandos, die sich aus Staatsangehörigen der
nicht für die Neuerrichtuüg militärischer Anlagen ge' Besalungsmacht zusammenseBen,anzufordern;
fordert werden. IV. direkte l-ieferungen von Lebensmitteln, Vieh, Roh-
stoffen, Brennmaterial, Textilien, Sdruhwerk und
c) Verkehrs- und'Nac,hrichtenmittel anderen Bedarfsgütern aus dem besegten Land in
das Heimatgebiet einer Besagungsmachtvorzuneh-
Die Besagungsmacht hat das Recht, die öffentlidren
men, soweit dies nicht im geordneten Reparations-
Yerkehrs- und Nachridrtenmittel des besegten Landes
verfahren (untenV) zugelassenist und entsprechende
für, ihre militärischep Zwe&e zu benu$en. Dabei ist
Abrechnung über Reparationskonto erfolgt;
möglichst weitgehende - Rücksicht auf die Bedürfnisse
V. soweit derartige unzulässigeAnforderungen erfolgt
des deutschen wirtschaftlichen Lebens zu nehmen'
sind, ist ihr Wert nachträglich festzusteltren und
entsprechende Gutschrift auf Reparationskonto zu
il) Verbot der Ausnugung des Besagungsgebietes
bewirken,
für zivile Zweeke
e) Festsegqng der Besagungskosten
Die Besagungsmächte haben nach den klaren Vorschrif-
ten der LKO. nidrt das Rec,ht, das besegte Land für ihre Die Besagungsltostensind, im Rahmen der finanzpoli
zivilen Bedürfnisse auszunugen. Nur die ,,Bedürfnisse tischen Möglichkeiten, von dem besegten Land zu
des Besagungsheöies" (,,les besoins de l'arm6e d'occu' tragen,
pation") dütfen aus dem besebten Lsnde befriedigt Die Gesamthöhe der Besagungsleistuitgensollten im Ein-
werden (Artikel 52). vernehmen mit den zuständigen deutschen Stellen für
Es besteht infolgedessen kein Recht: jedesJahrim rrorausfestgesegtwerden. Jedebeanspruchte
I. dieFamilien vonBesagungsangehörigeninDeutsch' Natural- undDienstleistung sollte auf die in dieserVeise
land unterzubringen,'Wohnungen und. Einrichtun- festgeselte Gesamthöhe der Besagungsleistungen an
gep für sie zu beanspruchen oder gar zu beschla$- gerechnet werden.
-nahmen, Lebensmittel, Brennmaterial, Textilien Die unerträglichen wirtschaftlichen und währungspoliti-
und andere Güter für sie aus dem beseSten Lande schen Folgen, die sich uos de. unkontrollierten Ausgabe
zu entnehmen; eigenen Besagungsgeldesdurch die verschiedenen Be-
II. erholungsbedürftige Kinder und Erwaüsene in sagungsmächteergeben, liegen auf der Hand. Es sollte
Kinder-, Erholungs' und Fremdenheimen oder daher ein Einverständnis darüber heieestellt werden"

L94 195
daß nach der Durchführung der Vährungsreform jede Besagungsbehördeeröffnet sein, die im Zusammenv-irken
t eitere Neuschöpfung von Besagungsgeld unterbleibt. mit einem bei ihr gebildeten paritätischen Requisitions-
ausschuß entscheidet.

f) Begrenzung des Requisitionsrechts


3. Au f r echt er haltun g d er öIJen tlic]t en O r d n.ung
Sorieit der echte Bedarf der Besagungsmachtreicht, hat
a) Polizeiliche Sidrerungsmaßnahmen
diese nach Artikel 52 LKO. ein Recht d.er Retluisition
(,.Anf orderung") , Im Interesse der militärischen Sicherheit der Besagungs-
Es liegt in der Natur der Sache, daß währenitr des eigent- macht liegt auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen
lichen I{rieges die Requisition vielfach im Wege der Ordnung in den Fällen, in denen die eingetretenen
dir ehten, Anl or derun g der Besagun gsbehörde gegenüber oder drohenden Störungen sich nicht unmittelbar gegen
dem betroffenen einzelnen erfolgt. Unter den befrie- die Besagungsmacht richten. Massendemonstrationen,
deten Yerhältnissen der nach Ende der I(amp{hand- Ausschreitungen,aufrührerischeUnternehmungen gegen
lungen eingetretenen militärischen Sicher-ungsbeseBung die eigene Regierung des besegten Ländes oder gegen
dagegen ist die direkte Anforderung entbehrlich. bestimmte wirtschaftliche oder soziale Gruppen, so-
Unmittelbare Requisitionen für Besagungszweckesind wie Störungen, die auf Naturkatastrophen, Ungliicks.
daher zu vermeiden und durch Anforderungbn bei den fälle usw. zurücftzuführen sind, können indirekt clie
deutschenRequisition säm t ern aa erseBen. Vorausse$un g militärische Sicherheit der Besagungstruppen beein-
ist, daß die Leistung für inilitärische, nicht für zivile trächtigen.
Zwed<e angefordert wird, und dafJ sie zur Befriedigung In solchen Fällen einer Störung oder Gefährdung der
des berechtigten militärischen Bedarfs notwendig ist. öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat die Besagungs-
Das Mittel der Requisition, das den Besattungsbehörden macht das Recht, die notwendigen polizeilichen Siche-
nur im Rahmen des Artikel 52 Haager Ltr(O. zu Gebote rungsmaßnahmert zü treffen, falls die Lage von den
steht, darf oi"ht d"rn benult werden, um auf diesem deutsöhen Polizeiorganen allejr'r nicht bewältigt werdlen
Umweg Reparationen eirrzutreiben. kann.
Soweit bei der Anforderung von Naturalleistungen eine
b) Belagerungszustand
Gebrauchsüberlassungzur Befriedigung der Besagungs-
bedürfnisie ausreicht, darf eine Übert.agung des Eigen- Nehmen die Störungen einen erheblichen Umfang an,
tums nicht verlangt wetden, es sei denn, daß der Be- so kann die Besagungsmächt den Belagerungsztr,sland.
troffene eine solche verlangt. (6tat de siöge, state of siege) werhängen. Das muß in
Dem deutschen Requisitionsamt sollte der Einwand zu' der Form einer Proklamation durch öffentlichen An-
stehen, daß die Anforderung unbilligerweise üher die schlag oder öffentliche Verlesung auf Straßen und PIät-
Leistungsfähigkeit der deuischen Virtschaft hinaus- zen geschehen.lm Falle der Verhängung des Belage-
gehe oder daß sie für de.n betroffenen einzelnen einen rungszuständes geht die zivile Gewalt der deutschen
unzumutbaren Notzustand hervorrufe. Wiril eine Eini- Behörilen auf die Militärbefehlshaber übef, und die
gung nicht erzielt, so sollte ein Rekurs an eine höhere Grundredrte der einzelnen gegenüber der Besagungs-

t96 797
ge$'alt werden vorübergehend außer Kraft gesegt' Nach zungsbehörden beschränkt. Die Unabhängigkeit des Ge-
B"s"itigung der Störung ist der Belagerungszustandals' ridrts, das Verbot rückwirkender Strafgesege, das Ver-
bald aufzuheben. bot der strafrechtlichen Analogie, die Säge nulla poena
Es wirrl hier übrigens der Nachteil ileutlich, der darin sine lege und ne bis in idem müssenbeachtet werden.'
liegt, ilaß es in Deutschland seit 19I8 kein formalisiertes
b) Verwaltung
Recht des Belageiungszustandesmehr gibt' Sonst könnte
gefordert werden, ilaß sich der von den Besagungs- I. Die administrative und exekutive Zuständigkeit der
-ä"hr"rr verhängte Belagerungszustandim Rahmen der Besagungsbehörden gegenüber der deutschdn Bevölke-
(Ygl'
eirtsprechendendeutschen Bestimmungen bewegt' rung ist seit der Wiederherstellung des deutschen Ver-
dazuArtikel l3 des"Rheinlandabkommens') waltungsapparates auf die Anforderung gegenüber den
die
Bei der jegt in Deutschland gegebenenLage haben deutschen Verwaltungsliehörden beschränkt.
Besagungsmächte im Falle iles Belagerungszustandes I[. Soweit noch ausnahmsweise selbständige Exekutiv-
im
alle Befugnisse, die sich kraft überpositiven Rechtes akte der Besagungsbehördenvorgenommen werden, be-
Falle des sogenannten Staatsnotstandes ergeben' dürfen sie der geseBlichen Grundlage im normierten
Besagungsrecht.Alle exekutiven Besagungsakte sollten
4. S&'ug aon Leben', Freiheit und Rechtssicherheit' einer Anf echtung im verwaltungsgerichtlichen Yerf ahren
vor besonder en A dmini stratiu geridt t shöfen unterlie gen,
be'
Vom Falle des Belagerungszustandes abgesehen' die bei den regionalen Militärbehörden zu bil{gn wären.
dürfen alle dingrifte der Besagüngsbehörilen in Leben'
Eine zweite Instanz wäre bei dem Zonenbefehlshaber zu
Frej:iheit uncl Rechtssicherheit der Beuölhet'ung des be' errichten.
se7ten Laruiles iler forrnellgeseglichen Crunillage' III. Auch direkte Requisitionen hätten diesemVerfahren
zu unterliegen, während für Anforderungen bei den
a) Gerichtsbarkeit
Requisitionsämtern das oben unter III 2 e geregelteYer-
I. Verhaltungen sind' nur auf Gruntl eines militär- fahren Plag greift.
gerichtlichen llaftbefehls wegen des dringenden Ver' Soweit direkte Requisitionen in Ausnahmefällen unver-
dachts einer gegen die Besagungsmacht gerichteten meidlich sind, bedarf es einer schriftlichen Ermächti-
strafbaren lfandlung zulässig' Der Yerhaftete
ist bin' gung der lokalen Besagungsbehörde,die dem zuständi-
nen 24 Stunden dem Richter des zuständigen l\Iilitär- gen deuischen Requisitionsamt alsbald in Abschrift
gerichts zur Vernehmung voi'zuführen' Dieser entschei- mitzuteilen ist. Unabhängig von der verwaltungsgericht-
iet über die Fortdauer der Haft, die nur bei
Ver- lichen Anfechtungsklage des Betroffenen müßte das Re-
dunkelungsgefahr oder Fluchtverdacht angeordnet wer- quisitionsamt das Recht haben, auch in diesem Falle
den darf. Einspruch gegen die Requ,isition bei der vorgesegten'
II. Die Straluerlolgung durch die Besagungsgeridrte ist Militärbehörde zu erheben, die im Zusammenwirken mit
auf I(riegsverbrechen, auf Vergehen gegen die Sicher- dem paritätischen Requisitionsausschußentscheidet.
heit uncl Ehre der Besägungstruppen und ihres Ge' IY. Konfiskationen dü.rfenunter keinen Umständen statt-
folges, sowie auf Vergehen gegen Normen der Besat' finden. Für Enteignungen isr, auch soweit Bedürfnisse

r98 L99
der Besagungsmacht befriedigt werden müssen, aus- tendö gemeinsame I(ontrollorgan dbr Besagungsmächte
schließlich das allgemeine deutsche Enteignungsrecht als Treuhänder die Funktionen der deutschen Gesamt-
maßgebend. Kontributionen oder sonstige Zwangsauf- staatsgewalt aus.
Iagen werden nicht erhoben, Kollektiustrafen. werden Die Zuständigkeit des Kontrollrats in dieser Eigel'
nicht verhängt. schaft umfaßt alle Aufgaben der Reiihsregierung, der
Y. Da das Beuterecht nur während des Krieges (im ReichsgeseEgebung,der Reichsjustizauf sicht und der
'Weimarer
Sinne der tatsächlichen kämpferischen Auseinanderset' Reichsverwaltung, wie sie durch die Yerfas'
zung) ausgeübt werden kann, dagegen ünter einer mili' sung geregelt waren.
tärischen Sidrerungsbesegungnicht mehr statthat, sind DieZonenbefehlshabär hahen innerhalb ihrerBesagungs-
alle seit dem B. Mai 1945 (bzw. dem 5. Juni 1945) vor' zone eine entsprechendeZuständigkeit im Rahmen der
genommenen Beschlagnahmungen von Einrichtungen, konkurrierenden und der ausschließlichenKompetenz
Vorräten, Wertbeständen und Geltl (Artikel 53 Haager der Landesstaatsgewalt'Sie sollten von dieserZustänilig-
LKO.) aufzuheben, soweit es sidr nicht um Waffen oder keit nur noch Gebrauch rnachen, solange und soweit
anderes Kriegsmaterial handelt. Die blockierten Gegen- bestimmte Mängel und Lücken im demokratischen Auf'
stände sind zurückzugeben. Soweit die.seit dem Ende bau cler tleutschen Landesverfassungen ilie volle Vahr-
der' I(ampfhandlungen beschlagnahmten Gegenstände nehmung der Landesstaatsgewalt durch die landeseige-
nicht zurückgegeben werden können, siird sie wert' nen Organe, insbesondere die Landesregieruiig und den
mäßig auf Reparationbkonto anzurechnen. Landtag, nicht gestatten. !.)
VL Das Benugungsredt't an allem öffentlichen Eigen' W'ie schon betont (siehe oben, Erster Teil, III S e; Zwei-
tum im besegten Lande (Artikel 55 ltraager LI(O.) ist ter Teil. I 2) kann es nach dreijähriger Besagungszeit
von der Bisagungsmacht unter Vahrung der Substanz keinen völkerrechtlibh stichhaltigen Grund für die Äuf-
der Güter und nach den Regeln des Nießbrauchs auszu' rechterhaltung der Sequestration der döutschen Staats-
üben. Für willkürlich durch Vorsag oder grobe Fahr' gewalt mehr geben. Es wäre daher zu wünschen, ilaß die
Iässigkeit hervorgerufene Schädenist Ersag in der Form im folgendep unternommene Skizzierung der Seque-
zu leisteno daß ein entsprechender Betrag auf Repara- strationsbefugnisse keine praktische Bedeutung mehr
tionskonto angerechnet wird. erlangen wird. Über die nach Aufhebung der Seque-
stration und Rückgabe der Herrschaftsbefugnisse an
deutsche Staatsorgane entstehende Lage siehe- unten
III. Befugnisse der Bqsatzungsbehörden III 5.

kraft Sequestration 2. R'egierungsgeuah

Als dem Inhaber der sequestrierten Regierungsgewalt


1. Die Sequestrationsgewah
obliegt dem Kontrollrat
Solange,keine deutsche Gesamtstaatsgewaltmit gouver' a) der Abschtuß aon Verträgen' mit auswärtigen Mäch-
nementaler, administrativer und legislativer Funktion ten, Diese Verträge werden von ihm'im Namen des
besteht, übt der I(ontrollrat.oder das an seine Stelle tre' deutschen Gesamtstaatesabgeschlossenund berechtigen

20r
und verpflichten für die Dauer der Besegung diesen muß - im Rahmen der fundamentalen Prinzipien der
u rrmittelbar. Dem-okratie - der deutschen Entscheidung überlassen
Der Kontrollrat hat arrf G.rrr.d seinerTreuhänderpflich- werden. Es hat mit der Demokratisierung Deutschlands
ten auch auf die Erneuerung der deutschen Handels- nichts zu tun, wenn in der einen Zone von der Besat-
beziehungen zum Ausland bedacht zu sein. Die lconsula- zungsmacht nach dem ihr geläufigen heimischen Muster
risdren Vertretungen Deutschlands im Ausland sollten die Sozialisierung der Grundindustrie gefordert und in
daher möglichst beschleunigt wieder hergestellt werden. der zweiten die privatkapitalistische Virtschaftsweise
b ) Kontrolle der deutschen Regierungstätiglteit. Der propagiert wird, oder wenn in einer dritten Zone die
Kontrollrat ist befugt, darüber zu wachen, daß die Tä. Verwaltung der Gemeinden durch ehrenamtliche Bür-
tigkeit der deutschen tänderregierungen und ebenso germeistei vorgeschriebenwird. Maßnahmen dieser Art
die der d.arüber hinaus gebildeten zentralen Verwal- stellen keine treuhänderische Sequestration dar, sonr
'
tungsstellen den Richtlinien der Besagungspolitik und dern Iaufen auf die Assimilation der einzelnen Zonen
den von den Besaguirgsmächten erlassenen Gesegen an den Verfassungs- und Yerwaltungsgzustand im Hei-
nicht zuwiderlaufen, insbesondere die Sicherheit der matstaat der Besagungsmacht hinaus. Diese über die
Besagungstruppen, die Demokratisierung des deutsdren Wahrung demokratischer Homogenität hinausgehende
öffentlichen Lebens und die Erfüllung der von Deutsch- zonale Assimilatioirsp olitih ist völkerrechtlich unter kei-
land übernonmmenen Yerpflichturigen nicht gefährdet. nem denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt.
Zu diesem Zwed< hat der I(ontrollrat das Recht auf Er-
rr
teilung aller von ihm geforderten. Auskünfte seitens 3. Geseggebungsgeuah
der deutschen Behörden, das Recht auf maßgebliche Nur die vom Kontrollrat erlassenengeseglichenAnord-
Anregungen und, bei Gefahr im Verzuge, das Recht nungen haben die Kraft von gesamtdeutschenGesegen.
zum Erlaß einstweiliger verbindlicher Anärdnungen" Wie alles bis 1945 erlasseneReichsrecht (soweit es nicht
EntsprechendeBefugnisse haben die Zonenbefehlshaber durch Kontrollratsbeschluß aufgehoben ist) dem zona-
im Rahmen ihrer Kompetenz gegenüber den Landes- len Recht wie dem Landesrecht vorgeht (,,Reichsrecht
regierungen und den sonstigen Zentralverwaltungsstel- bridrt Landrecht"), so haben auch die vorn I(ontrollrat
'Ien
ihrer Zone. selbst erlassenen Gesege den Vorrang vor allen Zonen-
c) Dagegen sind der Kontrollrat und die Zonenbefehls- und Landesgeseben-.
haber nicht befugt, über die Kontrolle der ngtwendigen " Gesege der Zonenbefehlshaber, sei es für ihre ganze
Bedingungen für die Siiherheit der Besagungstruppen, Zone, sei es nur für ein einzelnes Land in ihrer Zone,
die Demokratisierung Deutschlands und die Erfüllung sind - soweit es sich nicht um der militärischen Siche-
der deutschen Verpflichtungen hinaus Maßnahmen zu rrng dienende Ordonnanzen handelt - nur im Rahmen
treffen, die die Verpflanzung lremder Vert'assungs- der (konkurrierenden oder ausschließlichen) Landes-
und Verwaltungseinrichtungen nacl' Deutschland zum kompetenz zulässig.Da die Länder ausnahmsloswieder
Ziele haben. Die Organisation des deutschen Wirt- über willens- und handlungsfähige gesdggebendeOrgane
schaftslebens,des deutschen Bildungs- und Erziehungs- verfügen, besteht für eine ,rSequestrationooder Landes-
wesens, der Beamtenvorbildung und der Yerwaltung gese$gebungskompetenzkein zwingender Grund mehr.

202
Die Zonenbefehlshaber sinil daher nur noch dort be- Im übrigen ist die durch ilen Nationalsozialismus im
rec*rtigt, mit eigenen Gesegen an- Stelle der territoria,
Jahre 1935 vollzogene Überleitung der Justiz auf das
len geseggebendenOrgane einzugreifen, wo diese sich Reich durch die Yorgänge des Jahres 1945 rückgängig
außerstande zeiger., die notwendigen geseggeberischen gemacht worden. Die Länder besigen wieder eine eigene
-{nordnungen von sich aus treffen. Eine Beschränkung
Justizhoheit, die durch die Gerichte als landeseigene
der Geseggebungsgewaltder Länder durch eine ,,Vor, Oigane im Namen des Landes ausgeübt wird' Da die
behaltsliste'ozügunsten der Besagungsmachtist seit der Landesgerichte sich wieder in voller Funktion befinden,
Inkraftsegung der Landesverfassungen völkerrechtlich ist hier schonjegt kein Anlaß mehr gegeben,die Gerichts-
nicht mehr gerechtfertigt, da der Grund für die Seque- gewalt der Länder durch Sequestration seiteirs der Be-
stration insoweit entfallen ist. sabungsmächte zu beschränken. Yielmehr sollte folgen-
den Grundsägen Geltung verschafft werden:
4. Justizhoheit a) Ziailre&,tsstreitigheiten gehören auch dann wr ein
deutsches Gericht, wenn eine der Parteien Staatsange'
Als Träger der sequestrierten deutschen Justizhoheit hörige der Besagungsmachtoder eines andererr ehemals
sollte der I(ontrollrat, damit die deutsche Rechtseinheit feindlichen oder neutralen Staates ist. Leiliglich die
gewahrt wird, baldmöglichst ein oberstes deutsches Ca:- .dngehörigen der bewaffneten Macht des besegenden
riclrt wieder in Funktion setten.'Wie auch imrner man über Staates gelten als exterritorial und sind daher der deut'
die Gestalt des künftigen deutschenFöderalismusdenken schen Gerichtsbarkeit entzogen, sofern sie sich.!hr nicht
mag, es sollte außer Zweitel sein, daß die Vieder- freiwillig unterwerfen; Den Angehörigen der bewaff-
erstehung des deutschen Redrtes von der Erneuerung der neten Macht ste,henilie Angehörigen des lfeeresgefolges
deutschenRechtseinheit,daß diese aber von derVieder- gleich, also insbesonderealle in zivilem Dienstverhältnis-
herstellung der Einheit der Rechtsprechungabhängt. Es stehenderi Beamten und Angestellten der Okkupations-
ist nidrt unwichtig, sich daran zu erinnern, daß die ein- verwaltung, soweit sie nicht deutsche Staatsangehörige
heitliche Gerichtsbarkeit eine der großen liberalen For- sind, sowie die Familienangehörigen dieser Personen'
derungen an den Deutschen Brind gewesen ist, daß die gruppen.
bürgerlich-revolutionäre Verfassung der Frankfurter b) Der deutschen stratgerichtsbarheit sind alle Zuwider'
Nationalversammlung eines ihrer widrtigsten Stücke in handlungen deutscher Staatsangehöriger, Staatenloser
der Herstellung einer Reichsgerichtsbarkeithatte, und und Staatsangehörigerehemals neutraler Staaten gegen
daß die Herstellung einer einheitlichen Rechtsprechung deutschesRecht zu überlassen.
durch Begründung des Reichsgerichts im Jahre IBTB c) Die Unabhängigkeit der deutschen Rechtspflegewird
einer der großen Erfolge der liberalen parlamentari- anerkannt. Deutsche Richter können wegen ihrer richter-
schen Kräfte im I(ampf gegen den dynastischen Obrig- lichenTätigkeit von denBesagungsmächtennurdann zur,
keitsstaat gewesen ist. Mit gesundem Föderalismus ist Rechenschaft gezogen werden, wenn sie sich einer vor'
die Funktion eines obersten Bundesgerichtskeineswegs säglichen Rechtsbeugungzum Nachteil einer Besagungs'
unvereinbar, wie das Beispiel der Schweiz und der Ver- macht schuldig gemacht haben. Verden in einem Straf'
einigten Staaten zeigt. verf ahren die Interessen einer Besagungsmachtunmittel-

205
bar berührt, so kann die -regionale Militärbehörde die Anstalten und Körpersdraften voll funktionsfähig sind,
Sac{re,solange sie noch rechtshängigist, zurEntscheidung ist für eine Sequestration der Landesverwaltung durch
an ein Besagungsgerichtziehen. die Zonenbefehlshaber und die ihnen unterstellten Be-
d) Staatsangehörigeeiner Besagungsmachtkönnen als satJungsorganekein Raum mehr. Eine Yerwaltungskon-
Zeugen_vor deutschen Gerichten vernommen werden, trolle seitens der Besagungsbehördenkann sich lediglich
rrenn die vorgesegte.Dienststelle zustimmt. Die Za- auf diejenigen Maßnahmen der Landesdienststellen er-
stimmung ist zu erteilen, sofern nicht überwiegende In- stredcen, die die Sicherheit der Besagung, die Demo-
teressen der BesaSungsmachtentgegenstehen, kratisierung Deutschlands und die Erfüllung ileutscher
Verbindlichkeiten betreffen und insofern die Besat-
zungsinteressenunmittelbar berühren. Im Rahmen der
5, Verwaltungshoheit
genannten drei Ziele können die Besagungsbehörden
Zr d.dnKompetenzen des I(ontrollrates gehört auch die die Organ'e der Landesverwaltung um Auskunft ersu-
treuhänderische Wahrnehmung der Verwaltungshoheit chen, mit Anregungen versehen und bei Gefahr im Yer-
des Reiches. Es steht außer Frage, daß bei einem künf- zuge verbindliche Anordnungen an sie richten.
tigen föderativen Aufbau Deutschlands das Schwer- Solange die Besagung,sbehördendarüber hinaus eine
gewicht der Verwaltung bei den Ländern liegen wird. Kontrolle der deutschen Außenwirtschaft für sich be-
Die innere und die Kulturverwaltung wird wesentlioh anspruchen, Ausfuhr und Einfuhr also von ihnen ab-
Landessache sein. Aber es gibt daneben bedeutsame hängig ist und auf Grund der schweren Eingriffr in die
Yerwaltungszweige, die sinnvollerweise in der Hand deutsche'Wirtschaftssubstanzdie erforderliche Einfuhr
dei gesamtdeutschen Staatsgewalt vereini$t bleiben an Lebensmitteln und Rohstoffen aus eigener I(raft
müssen: Arbeitsverwaltung,'Wirtsdraftsverwaltung, Ver- nicht voll firranziert werden kann, wird eine gewisse
kehrsverwaltung, Energiewirtschaft und Finarrzwesen Kontrolle der deutschen Ernährungs- und Wirtschafts-
seien als Beispiele genannt. Vie die Kompetenzen hier verwaltung durch die Besagungsmächte nicht za yer-
im einzelnen zu verteilen wären, ist ein Problem für meiden sein. Doch müßte das Ziel der besagungsrecht-
sich. Doch wäre es Sache des I(ontrollrates, die Bedürf- lichen Regelung darin bestehen, die Voraussegungen
nisse der gesamtdeutschenVerwaltung in diesen Bcrei-
einer möglichst weitgehenrJ.en Verwahungsuulonomie
chen schon jegt mit größerer Energie wahrzunehrnen.
auch arrf diesen Gebielen zv erreichen.
Voraussegung dafür wäre die Beachtung der Grrind-
Solange Einzelakte der Besagungsbehördenauf den Ge-
säge des PotsdamerAbkommens. Aber es läge den deut-
'e-ines bieten der deutschen Yerwaltung nicht gänzlich ver-
schen Länderrelierungen ob, im Rahmen Besat-
mieden werden können, müssen sie sich, da sie eine
zungsabkommens dafür einzutreten, daß diejenigen
'Wirtschafts. Form der Ausübung deutscher Yerwaltungshoheit kraft
Fundamente einer deutschen und Yerkehrs-
einheit geschaffen würden, ohne die an einen deutschen Sequestration darstellen, im Rahmen des deutschen
IViederaufbau nicht zu defrken ist. Rechts halten. Dem rechtsstaatlichen Prinzip gemäß
Da in den Ländern das deutsche Verwaltungssystem unterliegen sie dem oben b. II 4) behandelten admini-
wieder hergestellt ist und die landeseigenen Beh8rden, strativeerichtlidren Yerf ahren.

206
6, Kompetenzuerteilung nach Beendigung der zungstruppen, den Bestand einer demokratischenStaats-
Sequestration ordnung, die Entmilitarisierung Deutschlands oder die
Erfüllung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen zu
Fürde die sequestrierte deutsche Regierungsgewalt gefährden. Das beanstandete Geseg wäre zusammen mit
grundsäglich an deutsihe Organe pirrückgegeben, so den von den Besagungsmächtenerhobenen Einwendun-
rrürden die Befugnisse der Besagungsmächtevon cliesern gen den deutschen geseggebenden Körperschalten ztt
-{ugenbliek an auf diejenigen Zuständigkeiten beschränkt erneuter Beschlußfassungvorzulegen.
'Wesen
sein, die sich aus dem der militärischen und wirt-
schaftlichen Sicherungsbesebungsowie der politischen b) VerwahunC
Interventionsbesegung ergeben. Die Vermutulng d"erZt-
ständigkeit würde dann stets zugunsten der deutschen Die den Besagungsmächten weiterhin einzuräumende
Behörden sprechen. Zuständigkeiten der Besagungs' Aufsicht über die deutschen Verwaltungsbehörden be-
hehörden bildeterl die Ausnahme und wären nur inso. dürfte einer Yerfahrensordnung, die etwa nach den fol-
rreit gegeben, als sie im Besagungsrecht ausdrücklich genäen Richtlinien aufgebaut sein müßte:
vorgesehenwären. Die oberste interalliierte Kontrollbehörde wäre befugt,
Im Bereiche der verschiedenen Staatsfunktionen-würde Verwaltungsentscheidungenzu beanstanden, die als' ge-
sich alsdann folgende Lage ergeben: eignet erschienen,die Sicherheit der Besagungstruppen,
die Entmilitarisierung Deutschlands oder die E;Jüllung
a) Gese$gebun$. seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen zu gefährden'
Die Beanstandungen wären bei den deutscher. Zenval-
Die unmittelbare Rechtse$ung der Besagungsmädrte behörden zu erheben. Kämen diese den Beanstandungen
rsäre auf Ordonnanzen beschränkt, welche die zur Ge- ni&t oder'nicht im erforderlidren Umfang oder in der
'rvährleistungder Sidrerheit, des Unterhalts und der Be' gebotenen Zeit nadr, so wäre die oberste interalliierte
dürfnisse der Besagungstruppen erfortlerlichen Anord' I(ontrollbehörde befugt, die zuständigen deutschenYer"
nungen beträfen. waltungsbehörden unmittelbar mit \fieisungen zu ver-
Im übrigen wären alle deutschenGesegeden Besagungs' sehen und erforderlichenfalls ihre Anordnungen durch
.behörden vorzulegen. Diesen wäre ein Vetorecht einzu' die zuständigen BesaEungsbehördenzu vollziehen (Er-
räumen, von dem innerhalb einesbestimmten Zeitraumes, saBvornahme).
etwa 14 oder 2f Tagen nach Yorlage, Gebrauch gemacht Die Aufsichtsbefugnisqeder regionalen Besagungsbehör'
werden könnte. Ln Hinblicl< auf Gesege der legislativen den (Ländergouverneure) bestünden in dem Becht, die
Zentralinstanzen dürfte dieses Vetorecht lettriglichder obersten deutschenLandesbehörden um Auskunft zu er-
obersteninteralliierten Kontrollbehörde, im Hinbli ck auf suchen,sie mit Anregungen zu versehen und bei Gefahr
Landesgesegekönnte es auch den Zonenbefehlshabern im Verzuge W-eisungenan sie zu erteilen.
oder Ländergouverneuren zustehen' Yon diesem Veto- Die duf sichtsbefugnisseder örtlichen Besagungsbehörden
recht dürfte nui Gebrauch gemadrt werclen, soweit ein (mit Einschluß der Distriktsbehörden) bestünden in dem
Geseg als geeignet erschiene, die Sicherheit der Besat' Rechte auf lauf ende fnf ormation über alle wichtiEenVer-

208
waltungsentsdr'eidungen. Soweit diese Instanzen Grurid sowie aus den positiven Elementen der eigentlichen
zur Beanstandung- solcher Entscheidungen zu haben Demokratisierung zusammen.
glaubten, hätten sie die Angelegenheit an die regionalen
Besagungsbehörden (Ljinilergguverneure) abzugebön. 2, Entmilitarisierung und Entnazifizierung
Alle diese Aufsichtsbefugnisse dürften nicht die ,selb- a) clie Erutmilitarisierung
stänilige verantwortli&e Tätigkeit der deutsdren Ver: umfaßt die Befugiris
waltungsbehörclenunmöglich machen., I . zrur Zerct'irtng militärischer Anlagen;
I I . zur Auflösung militärischer Yerbände und zur IJn-
'
c) Redt'tsPredwng terdrüdrung militärähnlicher Organisationeir;
III. zur Demontage der spezifischen Kriegsindustrie;
Die Zuständigkeit der Besagungsmäclte, wie sie obön iv. zur Konlrolle der verbleibenden Friedensindustrie,
unter II 4 a und III 4 umsduiehen ist, würde durch Be- auf ihre Beschäftigung mit ausschließlich friedli-
endigung der Sbquestration keine weitere Veränderung
cher Produktion.
erfahren. Angesi&ts des außerordentlichen lVlaßes von Kontr-oll-
möglichkeiten, die innerhalb der modernen Industrie-
organisation gegebqn sind, ist davon auszugehen, daß
IV. Befugnisse der Besatzungsbehörden in Zweifelsfällen die Kontrolle ausreicht und die De-
kraft fntervention montage überflüssig ist. Die Demontage hätte"also auf
ausgesprocheneKriegsindustrien besdrränkt werden so'l-
l. Die Interuentionsgewah len. Friedensindustrien, die auf Kriegsproduktion um,
gestellt werden können oder die im Kri-ege für die
Die Befugnisse Zur Demokratisierung Deutschlands ge' Kriegsprocluktion indirekt wesentlich sind, hätten nicht
hen in einem gewissen Maße über die Haager LKO. demontiert, sondern nur kontrolliert werden sollen.
hinaus, finilen ihre spezifisclie Schranke jedoch an Eine Demontage nur zu dem Zwed<, die deutsche In-
'Welt
dem Zwedk, zur Sidrerung der ,gegen eine Wie' dustriehapazität herabzirselen, ist durch den Zw-eck der
derholung der totalitären Aggression d,ie Voraussebun- ,,Entmilitarisierungoo Deutschlands nicht gerechtfertigt.
-
gen einer demokratischen Ordnung in Deutschländ zü Es fehlt ldafür auch jeder andere völkerrechtlich disku-
schaffen- table Grund. Das Besagungsrecht sollte daher von der
Es sinil daher alle Maßnahnen ausgeschlossen,wel&e sofortigen Einstellung aller Demontagen (abgesehen
die demokratisdre Selbstgestaltung in Deutschland auf von etwa noch bestehenden reinen Krieesindustrien)
die Dauer unmöglidr machen. arisgehen.
Die Interventionsgewalt se!,t sich aus den negativen Alle Demontagen von Fiiedensindustrien, die .völker-
Elementen der Entmilitaiisierung und der' Entnazifi' rechtlich nicht durch den Zweck der fntervention ge-
zierung, der Bestrafung von Kriegsverbrechen und Ver- rechtfertig.t werden können, sind mit entsprechenden
brec,hen gegen die Mensdrli&keit und der Beseitigung \(/erten auf Reiiarationskonto zu verbudren, gleichviel
rassieüer, religiöser und.politisdrer Diskriminierungen ob die Verke abgebaut oder gesprcngt worden sind.

2t0 2IL
b) Die Entnazifizierung damit begnügen, daß die Säuberung auf der Grundlage
umfaßt die Befugnisr von Gesegenerfolgt, die nach ihren Direktive! aufgebaut
I. zur Ausschaltung von Ahtivisten aus leitenden sind. Einzeleingriffe sollten in Zukunft vermieden wer-
öffentlichen Amtern und aus leitenden Wirtschafts- den. Allenfalls sollte eine Aufhebung deutscher Ent-
und Kulturpositionen; scheidungen in Fällen offenkundiger Rechtsbeugung
II. zur Ausmerzung des nationalsozialistischenGeistes statthaft sein.
''
aus den geltenden Gesegen, der Verwaltung und
der Rechtsprechung; 3. B estr aI un g u o n l(rie gs- un d II1'enschl i ih k ei t suer b r echen
III. zur Überwachung iler politischen Säuben:rng.
und Beseitigung Don Dishrimini erungen
Das Interesse der Besagungsmächtekann in diesem Be-
reich nur an der Sicherung gegenüber einer W'ieder- a) Die Bestrafung uon l(riegsuerbrechen und uon Vcr-
holung der totalitären Aggression, nicht in der Vergel- brechen gegen d,ie Menschli&heit
tung bestehen. umfaßt die Befugnis
Soweit kein konkretes Sichemngsbedürf nis nachr,r'eisbar f. zur Verfolgung von Straftaten, die r.r'ährend des
ist, sind die Eingriffe der Besagungsbehörden aufzu- Krieges im feindlichen Ausland oder gegen Ange-
heben und für die Zukunft nicht statthaft. Das gilt ins- hörige von Feindmächten seitens deutscher Staats-
besondere für die Internierungen. ,,Automatische Hafte' angehöriger unter Verlegung der Gesege und Ge-
für bestimmte Kategorien sollte .es drei Jahre nach dem bräuche der Kriegführung begangen wordea sind;
Zusammenbruch des"Nationalsozialismusnicht mehr ge' II. ztr Yerfolgung von Straftaten gegen Leib, Leben
ben. Die Zeit sollte ausgereichthaben, jeden Fall indi- oder Freiheit, die während des Krieges oder vor
viduell zu prüfen. Es muß jedenfalls bei der Festlegung ihm seitens deutscher oder fremder Staatsangehö.
des Besagungsrechtseine Frist gesegt werden, bis zu riger aus politischen Motiven unter Verlegung der
deren Ablauf in jedem Fall von fnternierung inil-ivi' Qesege der Menschlichkeit begangen worden sind.
duell zu entscheiden ist, ob Tatsachen bestehen, die Es ist anzustreben, daß die Aburteilung der Yerbrechen
im Interesse der Sicherheit der Besagungsmächteeine gegen die Menschlichkeit den deutschen:Gerichtenüber-
Fortsegung der Haft erforderlich machen' lassen wird, wenn die Täter und die Betroffenen Deut-
Die politische Säuberung sollte bei der Regelung des sche waren.
Besagungsrechts von allen Mitläuferfällen durch eine b) Die Beseitigung uon Dishriminieru.ngen rassischer,
gemeinsame Amnestie der Besagungsm.ächteentlastet religiöser und politischer Art aus d,er Zeit von 1933
werden. Ohne eine solche Bereinigung dieses Problems bis 1945 umfaßt
würde das Besagungsrecht seine wünschenswerte psy- I. die Rückgängigmathung von Konfiskationen;
chologische Virkung zu einem wesentlichen Teile ver- II. die Aufhebung von Ausbürgerungen;
fehlen. III. die Aufhebung diskriminierender Gerichtsurteile;
Nachdem dieVerantrvortlichkeit für die politische Säube- ,IV. die Entschädigung für Amtsenthebungen, für Ge-
rung grundsäglich deutschenOrganen übertragen worden schäftsschließungen, für den Entzug von Konzessio-
ist, sollten sich die Besagungsmächteauf diesem Gehiete nen, Approbationen usw.;

2t2 2r3
V. die Entschädigung für lfaft, für Gesundheits-'und 5. V erbindun g d emolr ati sclrcr unil | ö d er at i u er E lem ent e
Körperbesdhädigqng, sowie die der Angehörigen im - irn Gesamtstaat durch Kombination eines volks-
Todesfall. gewählten Pärlaments mit einem von den Ländern
Die Einwirkung der Besagun$smäc{rte sollte sich in die: bestellten Bündesorgan;
sem Bereich auf die Feststellung einer allgerneinen 6, Gewährleistung d.er allgem,einen Mensdtenrechüe und
Richtlinie beschränken und die Ausführung ilen deut- der staatsbürgerlidren Grundredrte.
sdren Behörtlen überlassen.
b) Grundsäg der' Verfassungsautonomie

4. Demohratisierung Das Besagungsrecht müßte, wenn in Deutschland eine


Iebensfähige Dämokratie entstehen soll, den Grundsag
a) Prinzipien der Demokratie
der Verlassungsautononie für den deutsdren Gesamt-
Das Paradoxe im Begriff der demokratischen fnterven- staat wie für die Länder anerkonnen. Im Rahmen der
tion liegt darin, daß durch sie ein Zwang zir Freiheit fundamentalen Grundregeln der Demokratie muß das
uusgeübt uerden soll. Wirklidr demokratische Freiheit deuttche Volk die Freiheit der politischen Selbstgestal-
'\ffege
wird auf diesem in Deutschland nur entstehen, tung erhalten. Oktroyierte Verfassungen, zumal wenn
-fremden
wenn die Intervention darauf beschränkt wird; einige sie von Mächten ausgehen, werden von einem
'Werk
wenige fundamentale Grundsäge des demokratischen Volke niemals als sein eigenes anerkannt werden;
Verf assungssysteriröfestzul egen. sie können daher audr niemals die GlundlaSb einer
Das Besagrrngsrecht müßte festlägen, was von dem Demokratie sein. Die .zum Teil beängstigende Gleich-
deutschen Verfassungssystem hn Einrichtungen der De' gültigkeit des deutschen Volkes gegenüber den bisher
mokratisierung gefordert wird. Bei allen Schwierigkei- erlassenen Landesverfassungen ist nicht zulegt darin
ten, festzustellen, was Dernokratie eigentlich bedeutet, begründet, daß man sie - ob zu Reüt oder zu Unredrt -
wäre die Intervention auf die Sicherung folgender Prin'' als Produkt fremden Willens ansieht und ni&t als For-
zipien zu beschränken: men demokratischer Selbstgestaltung, die sie sein wol-
Es mqß im deutschen Verfassungsleben bestehen: Ien, anerkennt. Demokratie ohn6 Verfassungsautonomie
l. Freiheit iler Parteibild.ung .und.iler politischen Oppo- ist unmflglich; alles 4ridere wäre nur eine pseudodemo-
sition; kratische Verschleierung eines oktroyiertet. Regimes,

2, treie glei&e'Wahlen zu Volksvertretungen für den das wenig Aussicht auf inneie $tabilität hätte.
Gesamtstaatund die Länder, sowie für entsprechende
Gemeindevertretungen : c) Regierungsbildung und Regierungskontrolle

J parlamentari*che Gesefigebwng wd paTlamentarische Es muß die Freiheit der demokratischen Regierungs'


Regierungsbildung fut Gesamtstaat und in den Län- bildung sowie die Freiheit der parlamentarischen Re-
dern; giciungskontrolle anerkannt werden. Es wäre keine
4. gesidterte Kompetenzabgrenzung zwisdten ilem Ge' Demokratisieruirg Deutschlands, wenn ilie' BesaSungs-
samtstuAt und den Länilern; mächte die Berufung' der Regierungsmitglieder von

2t4 2r5
ihrer Bestätigung abhängig machen oder gar die Be- den selbst gefällt werden, wird es in Deutschland keine
segung bestimmter Posten mit bestimmten Persönlich' demokratischen Staaten geben. Der Einrvand- Deuts&'
keiten oder Angehörigen bestimmter Richtungen ver' land sei noch nicht reif ztr Demokratie. sondern müsse
langen wollten. Vorgänge, wie sie sich bei der Besegung noch einem langdauernden Prozeß der L'merziehung
cles Berliner Oberbürgermeisterpostensvor der Öffettt- unterworfen werden, ist nicht durchschlagend.Zur De'
lichkeit abspielten, sind nur dazu angetan, die deutsche mokratie kann ein Volk nur durch Demokratie erzouen
Demokratie zu diskreditieren. Eingriffe in ilie Autono- werden.
mie der Regierungsbildung sinil nur gerechtfertigt, so-
e) Freiheit der Geseggebung
rveit deutsche Regierungsrnitglieder oder Regiörungs-
kandidaten durch ihre Tätigkeit erwiesenermaßen die Die vornehmste Funktion der Demokratie ist die Gesefi'
Sicherheit der Besagungsmächtegefährdet haben. Über gebung. Es muß daher, wenn irgend Deutschland ein
solche Anklagen wäre alsbald in öffentlichem Gerichts. demokratischer Staat werden soll, die Freiheit der deut-
verfahren zu entscheiden. Sachliche I(ritik an Besat' schen Geseggebung wiederhergestellt werden. Solange
zungsmäßnahmen gehört zu den unvermeidlichen Ob' keine deutsche Zentralgewalt und kein deutsches Par-
liegenheiten jedes deutsdren Regierungsmitgletles unil lament gebildet ist, ist die Sequestration der Reichs-
kann daher für sich allein niemals ein Grund zum Ein- zuständigkeiten durch den Kontrollrat unvermeidlich'
schreiten der Besagungsmachtsein. Die politische Kon- In den Ländern aber, wo demokratische Volksvertretun-
trolle der Regierung muß ausschließlichder Volksver' gen gebilclet sind, bestehl keinerlei Grund niehr, einen
tretung vorbehalten sein. Einlvirku'ngen der Besagungs- großen Teil der Geseggekrungszuständigkeiten für die
macht auf das Parlament, auch in' indirekter Form, Besagungsrnädrte zu resdrvieren.
müssen unterbleiben. Eine Beschrähkung der parlamen- Völkerrechtlich zulässig könnte eine solche Beschrän-
tarischen Diskussion wäre für das Ansehen der Demo' kung der Landesgeselgebung allenfalls auf dem Gebiet
kratie in Deutschland töillich. der eigentlichen Interväntion, also im Bereiche der
Maßnahmen zur Entmilitarisierung und Entnazifizie'
il) Regie..hgstätigkeit rung erscheinen. Auch hier genügt es, wenn die deut-
Die Freiheit der Regierungstätigkeit muß anerkannt schen Gesege dem Vetorecht der Besagungsbehörden
rverden. Venn in Deutschland eine echte Demokratie unterworfen werden. AIle übrigen Materien müssen der
entstehen soll" so muß den deutschen Regieruugsstellen demokratischen Gestaltung durch die deutschen Organe
die Freiheit eigener Innen- und Außenpolitik wieiler- überlassen bleiben.
gegeben werden. Der Krieg ist zu Ende, und an seine Es ist irisbesondere völkerrechtlich durch nichts gerecht'
Erneüerung von deutscher Seite ist nicht zu denken' fertigt, wenn die Materien des Wirtschaftsrechts der
Daher besteht kein Hinderungsgrund mehr, die neu' deutschen Gdseggebungsautonomie vorenthalten wer-
gebilcleten deutschen Landesregierungen mit allen den. Denn nach der Demontage der Kriegsindustriel
Funktionen auszustatten, die zu einer Regierung ge- ist das deutsche Rüstungspotential endgültig zerschla-
hören. Solange alle wichtigen Entscheidungen nicht von gen. Die großen Probleme der Virtschaftsgeseggebung
den Regierungen, sondern von den Besagungsbehör- - Sozialisierung, Kartellentflechtüng, Aktienrechtsre-

216
2r7
form, Betriebsrätegeseg - sind keine Fragen der Ent- V. Befugnisse der Besatzungsbehörden auf dem
militarisierung uird Entnazifrzientng mehr und müssen
Gebiete der Reparationen'und Restitutionen
daher nach den Grundsägen des Völkerrechts der deut-
s&en Geseggebungüberlasseribleiben. Zumeist handelt
I. Der Vorgrift auf Reparationen
es sich hier ohnedies um Materien gesamtdeutscher Ge-
seggebung, die den zonalen und territorialen Eingriffen Es ist davon auszugehen,daß der Umfang der deutsdren
entzogen bleiben müssen. Reparationspflicht und die Motlalitäten ihrer Erfüllung
erst in einem Frietlensvertrag festgestellt werden kön'
f) Freiheit des politischen Lebens nen. Im Rahmen eines Besagungsabkommens könnte
jeiloch vereinbart werden, daß sdron vor Abschluß des .
Wenn Deutschland eine Demokratie werden soll, so muß
Friedens'üertrages Vorleistungen auf die künftige Repa-
die Freiheit des politischen Lebens anerkannt werden.
rafionssihuld möglich sind, soweit die wirtschaftliche
Dazu gehört die Freiheit der Parteibildung, d.er geuerk-
Kraft Deutschlands solche Leistungen zuläßt.
s&altli&,en Organisation, d,es Vereins- und Versamm-
i
lu n gsu esens, so wi e d.es P r esse- un il Runil f unhu esens. D ie
2. Grenze der ReparationsPflicht
notwendigen Grenzen dieser politischen Freiheiten köir.
nen nur ilureh die deutschen Verfassungen und Einzel, Die Leistungsgrenze Deutsdrlands müßte dahin Iie'
gesebe bestimmt werden. Eine Üherwachung dieser stimmt werden, daß alle Anforderungen unzulässig sind,
Freiheiten durch die BesaEungsbehörden dürfte sidr le- die ilie wirtschaftliche Existenz Deutschlands qnter'den
'W'ahrung
diglich auf die der Sicherhbit der Besagungs- mittleren europäischen Lebensstandard sinken lassen
truppen sowie auf die I(ontrolle der Entmilitarisierung würden.
und Entnazifizierang beziehen. In der gesamten Presse-
und Schrifttumskontrolle wäre die Vorzensur abzuschaf- 3. Feststellung und' Bewertung
l;4
fen. Die Nadrzensur würde genügdn, um die berechtig.
Die Feitstellung und Bewertung aller Reparationslei-
ten Interessen der Besagungsbehörden zu wahre.n.
stung:en müßte Sache eines paritätischen Reparations-
Zensureingriffe wie alle sonstigen Freiheitsbeschrärrkun-.
ausschusseso evtl. unter Beteiligung neutralör Sae-hver-
gen seitens der Besagungsbehördenilürften hinfort nur
auf geseglicher Grundlage zulässig sein. Dem Betroffe- ständiger, sein. Von ihm wäre das Reparationskonto zu'
führen.
nen müßte die Anfechtungsklage vor den bei den Mili-
tärbehörden zu bildendeir Ädministrativeerichten offen- Die zahlreidren Entnahmen aus der deutschen Wirt'
-seit
schaft, die 1945 vorgenommen worden sind, wären
stehen,
wertmäßig auf Reparationskonto gutzuschr'eiben, gleich-
viel ob es sidl um Reparationen im forTellen Sinne
oder um völkerrechtlich unzulässige anderweitige Ein'
griffe hanilelt: Demontage von Friedensindustrien, An-
forderungen der Besagungsmacht überArtikel 52 HLKO.
hinaus, Plünderungsscliäden, unzulässige Beute (4"-

218 2I9
tikel 53 HLKO.), Konfiskationen privaten Eigentums,
b) die Demontage von Friedensindustrien;
auch von Patenten und Fabrikgeheimnis- c) die Vegnahme deutscher Patente, Fabrikationsge'
::;o::;ld"'" heimnisse usw.
Soweit solche unzulässigen Eingriffe stattgefunden ha'
4. Sicherung lt ün I ti ger Re p arationsleistun gen
ben und nidrt rückgängig gemacht werden können, muß
In jedem Falle wären zur Sidherung künftiger Repara- ihr voller Gegenwert unparteiisdr bestimmt uncl auf
tionsleistungen Maßnahmen zulässig, die Reparationskonto gutgebracht werden (s. oben Titr.3)'
a) der Verhinderung des überganges deutscher Werte
in fremde; insbesondere.in neutrale Hand, 6. Lieferungen aus lauleniler Produktion
b) der Sicherstellung deutscher Parente, Fabrikations-
Vom deutschen fnteresse aus ist die Lieferung aus lau'
geheimnisseusw.,
fender Produktion der Demontage selbstverstäntllich
c) der Sicherstellungdeutscher Produktionsanlagen und vorzuziehen.
Yorräte Im übrigen gilt für diese Lieferungen:
zu dienen bestimmt und geeignet sind.
Sie sind als Reparationsleistungen völkerrechtlic,h un-
zulässig, soweit der im Potsdamer Abkommen zuge'
5. Unzulässige Eingriff e
standene mittlere Lebensstandard der deutschen Bevöl-
Als unzulässig zu bezeichnen wären alle Eingriffe in die- kerung durch diese Leistungen beeinträchtigt wird. Da.
Grund substanz d er d,eut schen W irt schafr ( abgesehen von her dürfen Reparationsleistungen erst danq.,*efordert
der Demontage reiner Kriegsindustrien). Substanzein- werden, wenn die betreffenden Güter nicht notwendig
griffe sind keine Reparationen, sondern schädigen die sind, um im. Wege des Exports das deutsche Lebens-
Reparationskraft, Deutschlands, Der'W'ert demontierter minimum zu sichern, Solange die Versorgung der deut-
Anlagen und Maschinen ist im Yergleidr zu der Wert- schen Bevölkerung mit Lebensmitteln und Verbrauchs-
zerstörung und den Demontagekosten für den Empfän- gütern noch so weit vom Lebensminimum entfernt ist
ger minimal. Der Nugen für ihn wäre weit höher, wenn wie je!t, sind Reparationsleistungen ausgeschlossen,
die entsprechenden Anlagen für Reparationsrechnung wenn nach den Grundsägen des Völkörrechts verfahren
in Deutschland arbeiten könnten. Als wahres Ziel der wird.
Demontagen wird daher im deutschenVolke weitgehend Das glei-chewie für Lieferungen aus iaufender Produk-
nicht die Erlangung von Reparationen, sondern die tion gilt für alle Lieferungen von Rohstoffen (Kohle
Dezimierung der deutsdren Produktionskapazität - und und Holz), sowie von Enerlien (insbesondere Elektri-
zwar nicht aus Sicherheitsgründen,sondern aus vorbeu- zität). Das deutscheBestreben kann nur darauf gerichtet
gendem Konkurrenzkampf gegen die de.utsche Indu- sein, die Einstellung aller Holz-, I(ohle- und Energie-
strie - angesehen.Für Eingriffe aus solcher Motivation lieferungen auf Repdrationskonto zu erreichen, damit
gibt es keine völkerrechtliche Legitimation. tliese Grundstoffe und -kräfte in Deirtschland eingesegt
Zu solchen unzulässigen Eingriffen gehört werden können- Nur so kann die Export- urid Repara-
a) ilie Überführung von lJnternehmungen in clie'Hand tionsf ähigkeit Deutschlands hergestellt werden. Die
der Besagungsmacht(,,Sowjet-AG.oo) ; Fortse[ung der bisherigen, die deutsche Virtschafts'

220 22L
substanz aufzehrenilen Reparationspolitik wiril die Ex- und an seine Stelle tritt ein Reparationsansprudr. Soweit
port- und Reparationsfähigkeit Deutschlands bald gänz- für rückerstattungspflichtige und auch restituierbare
lich zum Erliegen bringen. Vermögenswerte eine Gegenleistung erbracht worden
In allen l'ällen, in denen bisher völkerrechtlich nidrt ist, sollte diese auf Reparationskonto zur Anrechnung
gedeckte Anforderungen aus laufender Produktion ge- gebracht werden. Dabei ist davon auszugehen,daß die
stellt worden sind, ist nachträgliche Gutschrift auf Re- zurückzugewährende Gegenleistung zunädrst dem Resti-
parationskonto zu bewirken. tutionspflichtigen, der diese Gegenleistung erbracht hat,
gebührt. Da der Anspruch aus Rüiftgewähr nach den
7. Der Reparationsausschuß Bestimmungen des I(ontrollratsgeseges Nr. 5 wie alles
deutsche Auslandsvermögen dem Reparationsanspruch
Die künftige Erfüllung der deutschen Reparationssc.huld
verfällt, sollte mindestens für seine gebührende Anrech-
muß als ein zweiseitiges Geschält gehandhabt werden,
nung Yorsorge getroffen werden.
rvie jede rechtliche Erfüllungshandlung. Ebenso muß
Alle bisher einseitig durchgeführten Restitutionen soll-
der Vorgriff auf Reparations.leistungen als zweiseitiges
ten ven gemischten Ausschüssen überprüft und, soweit
Geschäft organisiert werden. Es ist daher, wenn hier
sie völkerrechtlich durch den Restitutionsanspruch nidrt
überhaupt das Recht an die Stelle der einseitigen Macht
gedeckt sind, auf Reparationskonto verbucht werden.
treten soll, nqtwendig, die Abwid<lung aller Repara-
Das bei Kriegsausbruch in Deutschland befindliche Ei-
tionsleistungen paritätisdr zu organisieren. Über An-
gentum der Vereinten Nationen und ihrer $aatsange-
forderungen, Leistungen und Bewertung muß ein Re-
hörigen ist nicht Gegenstand einer Restitutionspflicht
parationsaussdruß entscheiden, in dem Deutschland mit
im eigentlichen Sinne. Über seine Wiederherstellung
Sig und Stimme vertieten ist.
müßten im Rahmen eines Friedensvertrages Vereinba-
rungen getroffeh werden.
8. Der Restitutionsanspruch

Die Rüd<erstattungspflicht (Restitutionspflicht im enge- 9. Das Restitutionsaerlahren


ren und eigentlichen Sinne) bezieht sich auf alles in Die Besagungsmächtehaben das Recht, alle Ermittlun-
Deutschland befindliche identifizierbare Eigentum, das ger' zrrr Auffindung rückgabepflichtigen Eigentums in
durch Gewalt oder Zwang aus einem von Deutschland Deutschland durchzuführen. Die deutschen Behörden
bese[ten Gebiet nach Deutschland verbracht wurde. sind verpflichtet, ihnen dabei Hilfe zu leisten. Die
Übertragungen und Veräußerungen, die auf ordnungs- Kosten des Ermittlungsverfahrens müssen von Deutsch-
'$(/ege
mäßigem vettraglichen getätigt wurden und hin- land getragen werden.
sidrtlidr derer der frühere Eigentümer nicht nachweisen Für die Anmeldung und Überprüfung von Restitutions-
kann, daß sie unter Anwendung von Gewalt od.etZwarlg ansprüdren sind gemischte l(ommissionen zu bestellen.
erfolgten, können keinen Restitutionsanspruch begrün- Die Anmeldung darf nur noch innerhalb einer festzu-
den, Soweit der restitutionspflichtige Gegenstand nicht seBenden Ausschlußfrist erfolgen, Dem Restitutionsbe-
mehr auffindbar ist und daher nicht in natura rüd<- rechtigten bzw. der ihn vertretenden Regierung liegt
erstattet werden kann, erlischt der Restitutionsanspruch es ob, den verlangten Gegenstand zu identifizieren und

222 223
den Eigentumsnachweis zu führen. Die deutschen Organe ANHAN G
tragen die Beweislast dafür, daß dieses Eigeirtum nicht
durch Gewalt oderZwang entfernt worden ist, Reparatur-
kosten und Rückführungskosten bis zur Grenze müssen
von deutscher Seite getragen werden. Über die Stich-
haltigkeit des Restitutionsansprudres und die Modali
Die Richtlinien der Londoner Konferenz
täten seiner Erfüllung hat die gemischte Kommission zu
entscheiden. für ein Besatzungsstatut

Den Ministerpräsidenten der Länder der westlichen Be'


YI. Streitschlichtung saBungszonensind am 1. Juti 1948 von den drei Militär'
gouverneuren, den Generälen Clay, Robertson und
Meinungsvelschiedenheiten über die Auslegung und An- Koenig, drei Dokumente übergeben worden, die ilen
wendung des Besagungsrechtes sollten in einem ge- Text der Richtlinien der Lohdoner Konferenz fär die
regelten Yerfahren zwischen alliieften und deutschen Bildung einer verfassunggebendenVersammlung (Dok'
Behörden eröitert werden. Die an diesem Erörterungs- No. l), für die Überprüfung der Ländergrenzen (Dok'
verfahren Beteiligten müßten auf der hödrsten Ebene No.2) und für ein Besabungsstatut (Dok. No' 3) ent-
die oberste interalliierte Kontrollbehörde einerseits und hielten, . -:j
die zuständigen gesamtdeutschenStaatsorganeanderer-
Dok. No. 3 lautet wie folgt:
seits, auf der darunter liegenden Ebene die regionale
Besagungsbehörde (Ländergouverneur) einerseits und
Re-
die zuständige deutsche Landesregierung andererseits ,,Die Schaffung einer verfassungsmäßigen deutschen
gierung maeht eine sorgfältige Definition der Beziehungen
sein. Ist in diesem Verfahren eine Einigung nicht zu er-
zwischen dieser Regierung und den Alliierten Behörden
zielen,so sollten die strittigen Fragen auf einem zwischen
'Wege notwendig.
beiden Seiten zu vereinbarentlen einem Schieds-
Nach Ansicht der Militärgouverneurö sollten diese Be'
verfahren unterbreitet werden.
ziehungen auf den folgenden allgemeinen Grundsägen
beruhen:

A. Die l{ilitärgouverneure werden den deutschen Regie-


rungen Befugnissb der Geseggebung, der Verwaltung
und der Rechtsprechung gewähren und sich solche Zu-
ständigkeiten vorbehalten, die nötig sind, urn die Er-
füllung tles grundsäglichen Zwecks der Besagung sicher'
zustellen.SolcheZustäntligkeiten sind diejenigen,welcha
nötig sind, urn dit Militärgouverneure in die Lage zu
seBen:

225
224
a) DeutscihlanilsauswärtigeBeziehungenvorläufig wahr.
hörden den Beschlüssenoder Anweisungen der Mili-
zunehmen und zu leiten.
tärgotiverneure Folge leisten.
b) Das Mindestmaß der notwendigen Kontrollen über
c) Sofern nicht anders bestimmt, in.sbesonderebezüglich
den deutschenAußenhandelund über innenpolitische
der Anwendung des vorgehenden Faragraphen b),
Richtlinien und Maßnahmen, die den Außenhandel
treten alle Gesege und Bestimmungen der födera-
nachteilig beeinflussen könnten, auszuüben, um zu
tiven Regierung ohne weiteres innerhalb von 2I Tagen
gewährleisten, daß die Verpflic,htungen, welche die
in Kraft, wenn sie nicht von den Militärgouverneuren
Besagungsmächte in bezug auf Deutschland ein-
verworfen werden.
gegangen sind, geachtet werden, und daß die für
Die Beobachtung, Beratung und Unterstü6ung der fötle-
Deutschland verfügbar gemachten Mittel zwed<mäßig
rativen Regierung und der Länderregierungen bezüglich
verwendet werden.
der Demokratisierung iles politischen Lebens, der sozia-
c) Vereinbarte oder noch zu vereinbarende Kontrollen,
len Beziehungen und der Erziehung werden eine beson-
wie zum Beispiel in bezug auf die Internationale
dere Verantwortlichkeit der Militärgouverneure sein.
Ruhrbehörde, Reparationen, Stand der Industrie, De-
Dies soll jedoch keine Beschränkung der diesen Regie'
kartellisierung, Abrüstung und Entmilitaris.ierung
rungen zugestandenen Vollmachten auf den Gebieten
und gewisse Formen wissenschaftlicher Forschung
der Geseggebung,Verwaltung und Rechtsprechung be-
auszuüben.
deuten.
il) Das Ansehen der Besalungsstreitkräfte zu schügen
Die Militärgouverneure ersuchendie Ministerpr$identen,
und sowohl ihre Sicherheit als'auch die Befriedigung
sich zu den vorstehenden Grundsägen zu äußern. Die
ihrer Bedürfnisse innerhalb bestirnmter zwischenden
Militärgouverneure werden daraufhin diese allgemeinen
Militärgouverneuren vereinbarten Grenzen 217 ge'
Grundsäge mit von ihnen etwa genehmigten Abänderun-
währleisten.
gen der verfassunggebenden Versammlung als Richt'
e) Die Beachtung der von ihnen gebilligten Verfassun'
linien für deren Yorbereilung der Verfassung über-
gefi z1r sichern.
mitteln und werden die von ihr etwa dazu vorgebrachten
B. Die Militärgouverneure werden ilie Ausübung ihrer Außerungen entgegennehmen.Wenn die Militärgouver-
vollen Machtbefugnissewieder aufnehrnen, falls ein Not- neure ihre Zustimmung zur Unterbreitung der Verfas-
stand die Sicherheit beilroht uqd um nötigenfalls die sung an ilie Länder ankündigen, werden sie gleichzeitig
Beachtung der Verfassungen und des Besagungsstatutes ein diese Grundsäge in ihrer enilgültig abgeänilerten
zu sichern. Form enthaltendes-Besagungsstatutveröffentlichen, da-
mit sich die Bevölkernng der Länder darüber im klaren
C. Die Militärgouverneure werden die oben erwähnten ist, daß sie die Verfassung im Rahmen diesesBesagungs-
I(ontrollen nach folgendem Verfahren ausüben: statütes annimmt."
a) Jede Verfassungsänderungist den Militärgouverneu-
ren zur Genehmigung vorzulegen. Die Analyse diesesTextes ergibt folgendes Bild:
b) Auf den in ilen Absägen a) zu e) in Paragraph A
l. Die Festlegung des Besagungsrechtessoll in der Form
obenerwähnten Gebieten werden die deutschen Be-
eines von den drei westlichen Besagungsmächten er-

226
227
lassenenStatutes erfolgen. Diesem Statut soll jedoch an' fährdettden Notstandes, sondern auch ,,um nötigenfalls
sdreinend im Vege eines Verfassungsplebiszitsindirekt die Beadrtung der Verfassungen und des Besagurrgs-
die Zustimmung der Bevölkerung des Dreizonengebietes statutes zu sichein'o(Dok. No' 3, B) können ilie Militär'
erteilt werden, die darauf hingewiesen wird, ,,daß sie die gouverneure die den deutschen Organen erteilten Voll-
Verf assung irn Rahmen dieses Besagungsstatuts an' machten widerrufen und ,,die Ausübung ihrer vollen
nimmto', - Sollte diese Deutung zutreffen, so würde eine Machtbefugnisse wieäer aufnehmen". Aus dieser For-
solche Lösung allerdings für die deutsche Seite eine mulierung wird ersichtlich, daß es sic{r nicht nrrr um das
Kumulierung der Nachteile der beiden möglichen Wege Rec*rt zur Verhängung des Belagerungszustandesbei Ge-
(des vereinbarten Abkommens bzw. des einseitig er- fährilung der Sidherheitder Besagungstruppen handelt,
lassenen Statuts) bedeuten: die Deutschen wären nicht das im Rahmen einer militärischen Sicherungsbesegung
Yerhandlungspartner und könnten ihre Gesichtspunkte selbstverständlich gegeben ist, sondern um die grund-
nicht in der Rolle und mit dem Gewicht eines solchen sägliche Auf rechterhaltung der Sequestrationsgewalt'
geltend machen. Gleichwohl sollen sie der von den Be-
- 3. Die rlen deutschen Organen zugedachten Befugnisse
sagungsmächtengetroffenen Regelung mäglicherweise
nach Anbringung gewisser Abänderungsvorschläge,für bind sowohl durch sachliche Vorbehaltsgebiete wie durch
deren Berücksichtigung jedoch keinerlei Gervähr be' den funktionellen Aufbau der Kontrollen und'Weisungs-
steht - zustimrnen und damit eineVerantwortlichkeit für befugnisse der Besagungsmächtebegrenzt'
diese Regelung übernehmen. a) Obgleich eine quasi-staatliche Organisatigg geplant
ist. bleib en die attun ärti gen An gelegenheiten ausschließ-
2. Der genaue Wortlaut des Textes nötigt zu der Fest- liches Yorbehaltsgebiet der Besagungsmächte(4, a)'
stellung, daß trotz der geplanten Konstituierung einer b) Auf dein Gebiete desAußenhandels iit,,ein Mindest'
quasi-staatlichen Organisation keine Beendigung der maß notwendiger Kontrollen" (A, b) vorgesehen' Aus
Sequestration ins Auge gefaßt ist. Die Militärgouver- Abschnitt C, b ergibt sich, daß diese Kontrollen nicht nur
neure werden vielmehr den deutschen Regierungen ge- eine zweckgebundeneAufsicht über die deutscheAußen-
wisse Befugnisse der Geseggebung, Verwalturig und handelsorganisation bedeuten, sondern den Besagungs-
Rechtsprechung l7gewähren". Nach dem Text rles Dok' mächten ein unmittelbares, durch keine Zweckbindung
No. 3 ist offensichtlich nicht daran getlabht, durch einen beschränktes Weisungsrecht geben. Da der Ausdruck
und
actus contrarius zur Berliner Erklärrrng vom 5' Juni 1945 ,,Kontrolle" (control, controle) im angelsä-drsischen
die damals von den Besa6ungsmächtenübernommene französischen Sprachgebrauch eine viel umfassendere
deutsche Regierungsgewalt auf dbutsche Organe zurück- Bedbutung hat, als im deutschen Spraohgebrauch,muß
zuübertragen. Die plenitudo potestatis verbleibt viel- nach dem Text sogar mit der Möglichkeit gerechnet w-er-
mehr bei den Besagungsmächten,die lediglich begrenzte den, daß die von den Besagungsmächtenselbst verwal-
Befugnisse den deutschen Organen delegieren. Die Zv teten Außenhandelsmonopolstellen (JEIA' officomex)
ständigkeitsvermutung würde auch künftig grundsä5lich ihre Tätiglceit fortsegen können.
zugunsten der Besagungsbehördensprechen' Nicht nur Da sich die hier vorgesehenen Kontrollen atcb' atf ,,innen'
im Falle eines die Sicherheit der Besagungstruppen ge' politische Richtlinien und Maßnahmen, clie den Außen-

228 229
handel nachteilig beeinflussenkönntenoo,erstrecken, ist näher umschrieben sind (Schug der Länderrechte, Exi-
den Besagungsmächtenweiterhin die umfassendsteEin- stenz einer angemessenenZentralinstanz,.Garantie der
r-irkungsmöglichkeit auf weite Gebiete der deutschen indiviiluellen Rechte und Freiheiten, Rüd<sichtnahme
Innenpolitik eröffnet. Die gesamte Wirtschafts-, Finanz- auf die künftige Wiederherstellung der deutschen Ein-
und Sozialpolitik, insbesondereetwa.Steuergese[gebung heit). Ein selbständiges politisches Leben, wie es eine
und Preis- und Lohngestaltung können unter dieser demokratische Verfassung vorausseBt, kann sich nur ent-
Klausel jederzeit als Vorbehaltsgebiet der Besagungs- falten, wenn sich die Verfassungsaufsichtder Besagungs-
behörden behandelt werden - mit der Folge, daß auf mächte auf diese Gruirdprinzipien beschränkt und sich
diesenGebieten nicht nur das legislativeYeto derMilitär- nicht auf ihre konkrete Ausgestaltung im einzelnen und
gouverneure nach C, c, sondern darüber hinaus ihre un- auf jede technischeYerfassungsnorrnerstreckt.
'Weisungsbefugnis f) Hinsichtlich der ,,Demokratisierung des politischen
mittelbare nadr C, b,gegeben ist.
c) Veitere ,,vereinbarte oder noch zu vereinbarende'1 Lebens, der sozialen Beziehungen und der Erziehung'o
Kontrollen sollen etwa in bezug auf die Internationale nehmen die Militärgouyerneure eine ,rbesondere V-er-
Ruhrbehörde, Reparationen, Industrierriveau, Dekartel- antwortlichkeit'o wahr, die sich praktisch in der ,,Be-
lierung, Abrüstung, Entmilitarisierung und,,gewisse obachtung, Beratung und Unterstüqung der föderativen
Formen" wissenschaftlicher Forschung geschaffen wer- Regierung und der Länderregierungennoauswirken soll
den. - Die Tragweite dieser Klausel ist deutscherseits (C,Abs.2). Es wäre sicherlichwünschenswert,wenn diese
nicht abzusehen. Be.i den Vereinbarungen ist offenbar an Zuständigkeiten in eine klare Rechtsform gebracht wür-
interalliierte Vereinbärungen gedacüt. Die'sachgebiete, den. Nicht-formalisierte Einwirkungsbefugnfise dieser
auf die sie sidr beziehen können, sind nicht erschöpfend, Art haben stets etwas Mißliches, wenn sie die Beziehun-
sondern nui exemplifikaiiv aufgezählt. Hinsichtlich der gen zwischen zwei Parteien betreffen, deren Kräfte so
Sac*rgebieteIndustrieniveau und Dekartellierung ist es ungleich verteilt sind, wie es hier der Fall ist. Klar um-
scrhrver,eine völkerrechtliche Redrtfertigung für eine rissene .dufbichtsbefugnissehätten den Vorzug, daß sie
unmittelbare Zuständigkeit der Besagungsbehördenzu' dem schwächerenTeil erlaubten, seinen Handlungsspiel-
finden. raum deutlich zu überblicken.
d) Daß sich die Besagungsmächtealle Zuständigkeiten
vorbehalten, welche das Ansehen und die Sicherheit der 4. Im Zusanmenhang mit den unter A umschriebenen
Besalungstruppen und die Befriedigung ihrer Bedürf- sachlichenYorbehaltsgebieten ist der funktionelle Auf-
nisse betreffen, ist eine Selbstverständlidrkeit, die nie- bau der Kontrollen und Veisungsbefugnisse der Be-
rnand in Zweifel ziehen wird. sagungsmächte,wie er sich aus B und C ergibt, bereits
e) Ebenfalls ist selbstverständlich, daß sich die Besat- mehrfach berührt worden. Ergänzend ist zu bemerken:
zungsmächteZuständigkeiten zur Sicherung dervon ihnen In der durdr das Besagungsstatutbestimmten Phase der
gebilli[4ten'Verf assungenvorbehalten. Indessen sollte ps Besegung war auf deutscher Seite die Einrichtung einer
eenügen, wenn sie die Aufrechterhaltung der grund- alliierten Auf sichtsverwaltung (supervision, surveillanee,
legenden Prinzipien einer demokratischen und födera- nicht control, contröle) erwartet worden. Dok. No. 3 ent-
tiven Verfassung kontrollierten, wie sie im Dok. No. 1 hält jedoch keine konlrrete rechtsförmige Ausgestaltung

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weitere Vollmachten dls bisher einzuräumen. Bei einer
einer solchen. Es sieh+ vielmehr auf weiten Gebieten die
Gesamtwürdigung seinesInhalts darf das nicht verkannt
Aufrechterhaltung einer,,Kontrolle'o mit direkt'er Wpi-
oder bagatellisiert werden. Wenn die Besagutgsrnächte
sungsgewalt vor (C;b). Soweit keine solche Weisungs-
diese Richtlinien von sieh aus in Kraft segen, werden
befugnis gegeben ist, greift das Vetorecht der Militär'
sie unter diesem Gesidrtspunkt sidrerlidr allgemein be'
gouverneuie ein (C, c).
grüßt werden
Ein solches Vetorecht wäre audr im Rahmen einer Auf-
Dagegen scheint der Inhalt der Richtlinien in der bis-
sichtsverwaltung anzuerkenneh. Die meisten deutschen
herigen Fassung nicht geeignet zu sein, jene lfoffnungen
Yorschlägefür ein Besagungsstatuthatten es vorgesehen-
und Eiwartungen zu erfüllen, die in Deutschland an den
Jedoch sollte die Ausübung des Yetorechtes auf die Wah'
Absehluß eines Besagungsabkornme.rs oder an den Erlaß
rung der Besagungszwedcegerichtet sein. Es sollte vor-r
eines die deuts&en Vorschläge berücksichtigenden Be-
ihm also nur Gebrauch gemacht u'erdön, wenn ein Gesefi,
sagungsstatuts geknüpft wurden. Zahbeidre wichtige
oder eine Bestimmung geeignet erschiene, die Sicherheit
Fragen, die Gegenstand eines soldren Statutes hätten
rler Besagungstruppen, den Besta4d einer demokra-
sein müssen, sind ungeregelt geblieben. Die rqichtigste
tisch-föderativen Staatsordnung, die Entmilitarisierung,
Foqderung aber: nämlich eine klare und in ihrer Trag'
Deutschlandsoder die Erfüllung seiner völkerrechtlichen
weite übersehbare Abgrenzung der Kompetenzen und
Yerpflichtungen zu gefährden.
Verantwortlichkeiten zwischen alliierten und tleutschen
Behörden ist durch die Formulierungen des Dok. No..3
5. Dok. No. 3 sagt nidrts über die Gewährleistung be-
noch nidrt erfüllt.
saBungskräftiger Grundrechte, übeg Reparationen und
Die Londoner Richtlinien sehen ilie Möglichkeit deutscher
Restitutionen und das bei ihrer Realisierung künftig zu
Abänderringsvorschläge vor. Es bleibt abzuwarten, wie-
beobachtendeVerfahren. Es sagt über die Grenzen der
weit die obenerwähnten Gesidrtspunkte auf diesemWege
Besagungsleistungen nur, daß die MilitärgouYerneure
no& Berüd<sichtigung finden können.
sicü unterein-ander darüber einigen werden. Über das bei
Requisitionen zu beobachtende Verfahren ist keinerlei
Bestimmung getroffen. Auch über dieViederherstellung
der deutschenGerichtsbarkeit in allen Angelegenheiten,
die nicht nach völkerrechtlicheri Grundsä5en den Militär-
eeridrten einer Besagungstruppe zu überlassen sind, ist
nidrts gesagt,ebensowenigsind Bestimmungen zurSiche-
rung der Unabhängigkeit der deutschen Rechtspflege
getroffen,

6. Das Dok. No. 3 der Lonilori"r-Richtlinien hedeutet in-


sorreit einen Fortschritt in der Entwicklung des Be-
=agungsrechtes,ald ihm offenbar der Wunsdr der Be-
sagungsmächtezugrundeliegt, den deutschön Behörden

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