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Giese: Remt und Remtswissensmaft

Sonderausgabe
anläßlich des 80. Geburtstags von
Professor Dr. Dr. h. c. Friedrich Giese
am 17. August 1962
Professor Dr. Dr. h. c. Friedrich Giese

Recht und Rechtswissenschaft

Einführung und Grundbegriffe

Neu bearbeitet von

Max Rehm und Erich Gerth

Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden


ISBN 978-3-663-03974-7 ISBN 978-3-663-05420-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-05420-7
Verlags-Nr. 770

Copyright by Betriebsroirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH,


Wiesbaden 1962
Softcover reprint ofthe hardcover 2nd edition 1962
Vorwort
Der Entschluß des Verlages und der beiden unterzeichneten Bearbeiter,
im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Neuauflage der "Einführung in die
Rechtswissenschaft" von Friedrich Giese der öffentlichkeit zu über-
geben, hat eine zweifache Ursache:
1. Der weit über die Grenzen seines deutschen Vaterlandes hinaus be-
kannte Frankfurter Rechtslehrer, Professor Dr. jur. Dr. rer. pol. h. c.
Friedrich Giese würde, wenn er noch lebte, am 17. August 1962 seinen
achtzigsten Geburtstag feiern können. Er war nach einer im Jahre
1910 begonnenen Privatdozenten tätigkeit im Jahre 1912 beamteter
a. o. Professor geworden, so daß das Jahr 1962 für ihn - außer
seinem achtzigsten Geburtstag - auch ein goldenes akademisches
Jubiläum bedeutet hätte.
Friedrich Giese war ein begnadeter akademischer Lehrer und For-
scher, seinen Schülern ein wissenschaftliches und menschliches Vor-
bild, vielen von ihnen darüber hinaus ein gütiger, väterlicher Freund.
Sein wissenschaftliches Lebenswerk umfaßt zahlreiche Gebiete der
Rechtswissenschaft. Seine Veröffentlichungen zeichnen sich durch
Vollständigkeit, übersichtlichkeit und Klarheit, durch knappe, ein-
prägsame Fassung, nicht zuletzt aber durch Gemeinverständlichkeit
der Darstellung aus. Wenn er im Vorwort zu seinem 1956 erschie-
nenen Lehrbuch des Staatsrechts erklärte: "Die Darstellung steht
im Zeichen der freilich unzeitgemäßen Parole: Warum kompliziert,
wenn's auch einfach geht?", und wenn er an gleicher Stelle weiter
bekannte: "Die etwaige Rüge zu starker Vereinfachung möchte der
Verfasser fast als Lob empfinden", so hat er damit die Vorzüge
aller seiner Werke gekennzeichnet, deren wissenschaftliche Akribie
durch die knappe Form der Darstellung nur noch deutlicher wird.
Mit der Neuauflage seiner insoweit typischen "Einführung" will
der Verlag das Andenken eines hochgeschätzten Autors ehren. Die
Bearbeiter der Neuauflage, beide ehemalige Schüler, der Links-
unterzeichnete auch ehemaliger Habilitand von Professor Giese,
haben die Betreuung der Neuauflage im Einvernehmen mit dem
Sohn des Verstorbenen, Dozent Dr. med. Dr. phil. Hans Giese, als
Aufgabe der Dankbarkeit übernommen. Sie hoffen, auf diese Weise
in bescheidenem Maße mit dazu beizutragen, daß das Werk ihres
unvergeßlichen Lehrers auch der jüngeren Generation weiter zu-
gänglich bleibt.
2. An größeren "Einführungen in die Rechtswissenschaft" besteht kein
Mangel. Auch Professor Giese hat häufig auf diese "Einführungen",
die sich in erster Linie an den werdenden Berufsjuristen wenden,
hingewiesen.
Die besondere Aufgabe der "Einführung" von Professor Giese er-
gibt sich aus ihrer Gemeinverständlichkeit, Klarheit und Kürze,
Eigenschaften, die das Werk außer für den Juristen auch für den
Laien wertvoll machen. So wird z. B. der Abiturient, der sich für
ein Studium entscheiden will, mit Nutzen zu ihm greifen können.
Auch die Studenten der Wirtschaftswissenschaften, die Hörer der
Verwaltungs akademien und andere Angehörige des öffentlichen
Dienstes, die sich als Nicht juristen über die Grundbegriffe des
Rechts und der Rechtswissenschaft unterrichten wollen, werden die
"Einführung" von Professor Giese mit Erfolg zu Rate ziehen kön-
nen. Das gleiche gilt für die Lehrer an höheren Lehranstalten, Be-
rufs- und Fachschulen wie auch für den interessierten, gebildeten
Laien schlechthin. Daß diese Vorzüge den nutzbaren Gebrauch durch
Juristen - auch solche mit beiden Staatsexamen! - nicht aus-
schließen, ist den Unterzeichneten häufig bestätigt worden, wobei
die Klage immer wieder dahin ging, daß die kurze und übersichtliche
"Einführung" von Professor Giese leider im Buchhandel nicht mehr
greifbar sei.
Verlag und Bearbeiter glauben daher, mit der Neuauflage einem be-
stehenden Bedürfnis entsprechen und damit gleichzeitig mithelfen
zu sollen, die Grundbegriffe des Rechts und der Rechtswissenschaft
weiteren interessierten Kreisen näherzubringen.
Seit der letzten Auflage der "Einführung" ist die Entwiddung auf
vielen der behandelten Gebiete erheblich vorangeschritten. Das brachte
für die Neubearbeitung gewisse Schwierigkeiten mit sich. Auf der
einen Seite kam es darauf an, nicht nur die Konzeption, sondern auch
den Wortlaut der Formulierungen von Professor Giese möglichst un-
verändert zu lassen. Auf der anderen Seite mußten neuere, aktuellere
Beispiele gefunden, neue Vorschriften eingefügt, veraltete und auf-
gehobene Vorschriften gestrichen werden. Das ist mit Behutsamkeit
und Pietät versucht worden.
Im Hinblick auf die erweiterte Zielsetzung und zur Unterscheidung
von anderen größeren "Einführungen in die Rechtswissenschaft" er-
scheint das Werk von Professor Giese jetzt unter dem Titel "Recht
und Rechtswissenschaft - Einführung und Grundbegriffe".
Die Bearbeiter sind der Meinung, daß Professor Giese, wenn er noch
lebte, diese Abweichungen billigen und gutheißen würde. Sie glauben,
insoweit in seinem Sinne gehandelt zu haben.
Verlag und Bearbeiter hoffen, daß die "Einführung" von Professor
Giese auch in ihrer jetzigen veränderten Gestalt eine freundliche Auf-
nahme finden und ihren Zweck erfüllen möge.
Stuttgart
Münster/Westf., im Frühjahr 1962

Dr. jur. habil. Dr. rer. pol. Max Rehm Erim Gerth
Direktor der Württ. Sparkassenschule Oberregierungsrat
Inhaltsverzeidmis
Einleitung
Seite
1. Kapitel: Das Arbeitsfeld 9

Erster Teil
Rechtsordnung
2. Kapitel: Remtsvorsmriften 17
A. Remtsinhalt . . . . . 17
B. Remtsregelung . . . . 23
3. Kapitel: Rechtsabgrenzung 26
A. Remt als Kulturersmeinung 26
B. Remtsnormen und andere Kulturnormen . 27
4. Kapitel: Remtsentstehung . . . . . . . . 32
A. Natürlimes und positives Remt . . . . 33
B. Ungeschriebenes oder Gewohnheitsremt . 36
C. Gesmriebenes oder gesetztes Remt . 38
5. Kapitel: Remtsanwendung . . . . . 43
A. Feststellung des Remtsfalles. . . 44
B. Feststellung der Remtsvorsmriften 45
C. Anwendung des Remts . . . . . 51

Zweiter Teil
Re ch tswi s s en schaft
6. Kapitel: Begriff und Wesen. . . . . . . . 55
A. Remtswissenschaft als Sonderwissensmaft 55
B. Aufgaben der Rechtswissensmaft 58
C. Methoden der Rechtswissensmaft 59
D. Wertung der Remtswissenschaft 61
7. Kapitel: Abgrenzung 62
A. Grenzwissensmaften 62
B. Hilfswissensmaften 67
8. Kapitel: Gliederung 70
A. öffentlimes Remt und Privatremt . 70
B. Die Disziplinen der Remtswissensmaft 74
Seite
Dritter Teil
Rechtszweige
9. Kapitel: öffentliches Recht - überblick 77
A. Staatsrecht (Verfassungsrecht) 77
B. Verwaltungsrecht 80
C. Kirchenrecht 83
D. Völkerrecht 86
E. Arbeitsrecht 89
10. Kapitel:
öffentliches Recht - Einzelgebiete des Verwaltungsrechts . 92
A. Allgemeines Verwaltungsrecht 92
B. Besonderes Verwaltungsrecht 102
11. Kapitel: Justizrecht 136
A. Strafrecht . 136
B. Strafprozeß . . 141
C. Zivilprozeß . . 146
D. Freiwillige Gerichtsbarkeit 152
12. Kapitel: Privatrecht . 154
A. Geschichte 154
B. Bürgerliches Recht 157
C. Handelsrecht 163

Rückblick und Ausblick 169


Nachruf . . . . 173
Literaturhinweise 177
Abkürzungsverzeichnis 189
Stichwortverzeichnis 193
Einleitung

Der Weg:
Wohin soll es nun gehn?
Wohin es Dir gefällt!
Wir sehn die kleine,
dann die große Welt.
Goethe, Faust I.

1. Kapitel

Das Arbeilsfeld
Die Rechtswissenschaft ist eine Geisteswissenschaft. Sie ist wie die
meisten anderen Geisteswissenschaften anschauungslos. Sie ist ferner
nach Gegenstand und Methode ziemlich unbekannt. Deshalb erscheint
es angezeigt. vorweg das Arbeitsgebiet dieser Wissenschaft an Bei-
spielen kurz aufzuzeigen.

A. Wo lebt und wirkt das Redll?


Nur in - aber in allen - menschlichen Verbänden. Ubi societas, ibi ius
est (Wo Gemeinschaft ist. da ist Recht). Jeder Verband hat eine Rechts-
ordnung. diese besteht aus Rechtsvorschriften. Es gibt Verbände für
das Individualinteresse der einzelnen (I) und Verbände für das Sozial-
interesse der Gesamtheit (IIl.

I. Private Verbände der "Kleinen Welt"


1. Ohne Gesamt-Rechtsfähigkeit: Ehe, Familie, Sippe (Verwandtschaft.
Schwägerschaft). Gesellschaft, nichtrechtsfähiger Verein. Erben-
gemeinschaft. Offene Handelsgesellschaft. Kommanditgesellschaft,
Reederei.
2. Mit Gesamt-Rechtsfähigkeit: Eingetragener Verein. Stiftung, Aktien-
gesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung. eingetragene Ge-
nossenschaft.
10 Einleitung

11. öffentlhhe Verbände der "Großen Welt"


1. Staat: Land, Reich, Staatenbund, Bundesstaat.
2. Innerhalb des Staates:
a) die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen;
b) insbesondere die Selbstverwaltungskörper: Kommunale [Gemein-
den, Gemeindeverbände, Zweckverbände), wirtschaftliche [Was-
sergenossenschaft, Handwerkskammer, Innung), soziale [Orts-
krankenkasse, Berufsgenossenschaft, Fürsorgeverband), kulturelle
[einige Hochschulen);
3. Außerhalb des Staates:
a) Kirchen und ihre Unterverbände, z. B. Bistum, Synodalverband;
b) Internationale Verbände: Zollverein, Dreibund, Völkerbund, Ver-
einte Nationen [UN).

B. Wen geht das Recht an?


I. Nur Lebewesen
Nicht tote Gegenstände - mögen sie auch rechts erheblich erscheinen wie
Gesetzestafeln, Gesetzbücher, Vertragsurkunden, Schuldscheine usw.
"Recht" lebt nicht in der Natur, sondern nur im Bewußtsein lebender
Wesen. "Naturgesetze" sind keine Rechtsgesetze.

11. Nur Mensmen


Wir gewahren zwar auch bei Tieren Gemeinschaften, Ordnungen, Re-
geln. Wir sprechen sogar von Storchenfamilie. Bienenvolk. Ameisen-
staat. Diese Ordnungen und Regeln beruhen aber auf Naturgesetz und
Instinkt, nicht auf bewußter Vorstellung und planvoller Gestaltung.
Nur die Menschen leben nach Regeln. die bewußtem Denken. Fühlen
und Wollen entspringen. So die heutige Auffassung; im Mittelalter gab
es auch Tierprozesse.

III. Nur gesellige Mensmen


1. Für den isolierten Menschen fehlen Rechtsbedürfnis, Rechtsanlaß.
Rechtsmöglichkeit. Robinson unterstand keiner Rechtsordnung. war
nicht an Rechtsvorschriften gebunden. besaß keine "Rechte". Für
ihn gab es nicht Eigentum. Aneignung. Fundunterschlagung, Wahl-
recht. Religionsfreiheit. Polizei- und Steuerpflicht. Auch der zweite
Mensch ließ nur ein Gewalt-. kein Rechtsverhältnis entstehen [Adam
und Eva im Paradies).
Das Arbeitsfeld 11

2. Anders erst beim geselligen Menschen. Jeder Mensch ist ein gesel-
liges Wesen, von natürlichem Geselligkeitstrieb erfüllt, daher Ver-
bänden zugehörig. Diese Verbandszugehörigkeit begründet Möglich-
keiten, Anlaß und Bedürfnis nach Ordnung für Lebensverhältnisse
der Verbandsgenossen, namentlich für den Ausgleich ihrer wider-
streitenden Interessen untereinander und mit der Gesamtheit. Die-
sen Ausgleich gewährleistet die Ordnung durch Regeln für das Ver-
halten der Verbandsmitglieder zueinander und zur Gesamtheit, aber
auch über Einrichtung und Wirksamkeit des Verbandes selbst, des-
sen Verbandsgewalt die Befolgung jener Regeln sichert.

IV. Nur freie Mensmen


1. Unfrei und nicht rechtsfähig waren die Sklaven. Die Unfreiheit war
eine Rechtseinrichtung u. a. des römischen und des altdeutschen
Rechts. Unfreie waren, mochten sie auch als Sachwerte pfleglich be-
handelt werden, rechtlich Sachen, Rechtsobjekte. Nur Freie waren
Personen, Rechtssubjekte. Nach heutigem Recht sind alle Menschen
frei, rechtsfähig, Rechtsträger. BGB § 1.
2. Frei sind nur roillensfreie Menschen. Der philosophische Streit zwi-
schen Deterministen und Indeterministen kann für das Gebiet des
Rechts nur in letzterem Sinne entschieden werden. Das Recht setzt
willensfreie Menschen voraus. Nur für Menschen, die nach Beweg-
gründen und selbständigem Entschluß handeln, ist das ge- und ver-
bietende Recht, vor allem das Strafrecht zu verstehen und zu remt-
fertigen. Der Determinismus würde die Strafbefugnis und über-
haupt die ganze Rechtsordnung untergraben. StGB § 51.

v. Alle Mensmen
1. Die Rechtsordnung spricht mit ihren Rechtsvorschriften jedermann
dauernd an und steht umgekehrt jedermann ständig zur Verfügung.
Das Recht begleitet den Menschen von der Geburt, ja von der Zeu-
gung an - nasciturus pro iam nato habetur (Der Erzeugte wird als
schon Geborener angesehen) - sein ganzes Leben hindurch bis zum
Tode, vereinzelt sogar darüber hinaus (Steuerpflicht). Die Vorschrif-
ten des Rechts wollen befolgt sein, können aber auch genutzt wer-
den.
2. Manche Menschen haben sich darüber hinaus berufsmäßig mit dem
Recht zu befassen. Dies kann geschehen:
a) nichtamtlich, sei es aus realen (Erwerbs-)Gründen - so als Jour-
nalist, Rechtsanwalt, Vermögensverwalter, Syndikus in Landwirt-
schaft, Handel, Gewerbe oder Industrie -, sei es aus idealen
12 Einleitung

Gründen mit nebenhergehender Möglichkeit (jedoch nicht großer


Wahrscheinlichkeitl des Erwerbs; so beim forschenden Privat-
gelehrten, beim wissenschaftlichen Schriftsteller.
b) amtlich
aal hauptberufliche Amtsträger wie Richter, Staatsanwälte, No-
tare, Gerichtsvollzieher, Justizbeamte, Verwaltungsbeamte,
Pfarrer (wenn verwaltend), Professoren (Recht erforschend
und lehrendl usw., oder
bb) nebenberufliche Amtsträger, wie Schiedsmann, N achlaßver-
walter, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter, Schöffe
usw.

C. Was regelt das Remt?


Nur rechtserhebliche Dinge. Aus der Fülle der Lebensverhältnisse der
Menschen und ihrer Verbände wird nur ein Ausschnitt vom Rechte er-
faßt. Doch ist die Grenze zwischen rechtlich unerheblichen und erheb-
lichen Vorgängen flüssig, so namentlich bei den Erscheinungen der
kleinen Welt des täglichen Lebens.

I. Kleine Welt
Ihre rechtserheblichen Vorgänge knüpfen an die Privatperson an; hier
reguliert, beschränkt und fördert das Recht die persönlichen Belange der
Privatperson im Verkehr mit anderen Privatpersonen.
1. Für jedermann erheblich ist das personenrechtliche Sein, das sachen-
redltliche Haben, das schuldrechtliche Sollen.
a) Rechtserhebliches Sein: Geburt, Altersstufen, Tod, Vereinsgrün-
dung, -mitgliedschaft, -vorstandschaft. Verlobung und Ehe-
schließung, Scheidung. Natürliche und künstliche Kindschaft. Vor-
mundschaft. Erben und Vermächtnisnehmer. (Relativ) unerheb-
lich: Altsein, Kranksein, Taubsein, Rauchersein, Blondsein, Bart-
tragen.
bl Rechtserhebliches Haben: Besitz und Eigentum. Recht an eigenen
und an fremden Sachen, Pfandrecht und Hypothek. Materielles
und immaterielles Güterrecht. Urheber- und Patentrecht. Erb-
rechtserwerb. Unerheblich: Bibliothekbesitz? Hundehalter?
c) Rechtserhebliches Sollen: Kraft Schuldverhältnissen wie Bahn-
fahrt (noch kleine Welt?), Gasthof und Wirtschaft, Zimmermiete,
Bücherkauf, Scheckbuch, Verlust und Auslobung. Deliktshaftung,
Zahnarzt, Krankenhaus. Unerheblich: Mitfahrt im Auto des
Freundes?
Das Arbeitsfeld 13

2. Wer dem Handelsstand angehört, unterliegt darin teils strengeren,


teils milderen Sondervorschriften. Beispiele: Einzelkaufmann und
Handelsgesellschaft. Geschäft und Firma. Guter Glaube, Bürgschaft.
Handelskauf, Frachtgeschäft, Seehandel.

11. übergänge
1. Einzelbeispiele:
In Normalzeiten: Rechtsgeschäfte nur kraft öffentlicher Beurkun-
dung. Behördliche Genehmigung. In Notzeiten: Kauf nur mit Bezug-
schein. Lebensmittel nur auf Karten. Zuzug nur mit Genehmigung.
Wohnungsbewirtschaftung. Bahnfahrt nur mit Erlaubnis.
2. Die Schwelle von der "Kleinen" zur "Großen" Welt wird besonders
deutlich bei der Tätigkeit der Gerichte. Hier offenbart sich ein dem
Einzelwillen übergeordneter Gesamtwille, ein dem Einzelinteresse
vorgehendes Gemeininteresse. So schon bei der nichtstreitigen Ge-
richtsbarkeit (z. B. Grundbuch-, Nachlaß-, Registersachen), stärker bei
der streitigen Zivil-, vollends bei der Straf- und Verwaltungsgerichts-
barkeit. Das Gerichtswesen gewährt Rechtsschutz: a) dem Bürger
gegen den Bürger, b) dem Staat gegen den Bürger, e) dem Bürger
gegen den Staat.
a) Bürger gegen Bürger:
Im Zivilprozeß werden von den bürgerlichen Gerichten (Zivil-
gerichten) bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (z. B. Vertragserfül-
lung, Schadensersatz, Ehescheidung) auf Betreiben des Klägers
mit hoheitlicher Wirkung für beide Parteien geprüft und ent-
schieden. An das Erkenntnisverfahren schließt sich erforderlichen-
falls das Vollstreckungsverfahren. Hierher gehört insoweit auch
das arbeitsgerichtliche Verfahren.
b) Staat gegen Bürger:
Im Strafprozeß wird auf Betreiben der Staatsanwaltschaft der
Strafanspruch des Staates gegen einen Bürger wegen einer straf-
baren Handlung vom zuständigen Strafgericht geprüft und ent-
schieden, sodann durch die Staatsanwaltschaft gemäß dem Urteil
vollzogen.
e) Bürger gegen Staat:
Im Verwaltungsprozeß bietet der Staat die Möglichkeit richter-
licher Nachprüfung und Entscheidung von Verwaltungsstreit-
sachen, d. h. von Fällen, in denen der Bürger sich durch Verwal-
tungsakte (z. B. Polizeiverfügung, Steuerbescheid, Konzessions-
versagung) in seinen Rechten verletzt glaubt. Zum Verwaltungs-
14 Einleitung

prozeß i. w. S. ist auch das Verfahren vor den Finanz- und den
Sozialgerichten zu rechnen, nicht aber das Verfahren vor den
Verfassungsgerichten des Bundes und der Länder.

111. GroBe Welt


Wir überschreiten nun die Schwelle und betreten die "Große Welt" der
öffentlichen Verbände, zuhöchst des Staates. Das Kennzeichen der
großen Welt ist der übergeordnete hoheitliche Wille des Verbandes
zwecks Wahrung der überragenden Gemeinschaftsinteressen der Ge-
samtheit aller Verbandsgenossen: Sozialwille, Sozialinteresse.
1. Das wichtigste politische Gemeinwesen ist der Staat. Staatlichkeit
war früher in Deutschland im Reich und in den Ländern (Bundes-
staat), zuletzt nur noch im Reich (Einheitsstaat), nach dem Zusam-
menbruch in den neuen Ländern, nunmehr auch in der Bundes-
republik Deutschland und in der "Deutschen Demokratischen Repu-
blik", nach herrschender Lehre auch im noch fortbestehenden Reich
verkörpert.
a) Verfassung ist formell das Grundgesetz, materiell die Grund-
ordnung des Staates.
Das Verfassungsrecht regelt:
die äußere Staatsform (ob einheitlicher oder zusammengesetzter
Staat),
die innere Staatsform (ob Monarchie oder Republik; im bisheri-
gen Deutschland in geschichtlicher Reihenfolge Fürstenstaat,
Freistaat, Führerstaat),
die Regierungsform (in historischer Folge Absolutismus, Kon-
stitutionalismus, Parlamentarismus),
die obersten Staatsorgane (Volksvertretung, Regierung, Staats-
oberhaupt),
das parlamentarische Wahlrecht (Mehrheits- oder Verhältnis-
wahl),
die obersten Staatsfunktionen (Gewalteinheit oder Gewalten-
teilung; Rechtsetzung, Rechtspflege und VollziehungJ,
das staatsrechtliche Verhältnis zwischen dem Staatsbürger und
dem Staatsverband (Staatsangehörigkeit, Grundrechte, Grund-
pflichten).
b) Verwaltung i. w. S. umfaßt auch die oberste Staatsleitung.
Das Verwaltungsrecht i. e. S. regelt die Organil!ation der voll-
ziehenden Gewalt, ihre Behörden und Beamten, ihre Aufgaben
und Befugnisse, nicht zum letzten ihr Verhältnis zu den Bürgern
Das Arbeitsfeld 15

und deren Pflichten und Rechte gegenüber der Verwaltung. Ver-


waltet wird nicht nur im Staat, sondern in allen dem Staate ein-
gegliederten und der Staatsgewalt nachgeordneten öffentlichen
Verbänden, deren wichtigste die Selbstverwaltungskörper sind.
e) Rechtspßege ist die grundsätzliche Aufgabe und hauptsächliche
Tätigkeit der Justiz, besonders der ordentlichen und besonderen
Gerichte. Auf die Dreiteilung in Zivil-, Straf- und Verwaltungs-
gerichtsbarkeit wurde bereits oben zu 11. hingewiesen.
2. Nur räumlich innerhalb des Staates, nimmt die Kirche als öffent-
licher Verband eigener Art eine Sonderstellung ein. Die Kirchen sind
in staats ähnlicher Weise organisiert; die katholische Kirche ist mit
dem Staat, eine evangelische Landeskirche mehr mit den Selbst-
verwaltungskörpern vergleichbar. Besondere Rechtsbeziehungen be-
stehen zwischen Staat und Kirche.
3. Außerhalb des Staates bildet die Völkerrechtsgemeinschaft, die
große Welt des internationalen Staatenverbandes, das höchste irdi-
sche Rechtsgebilde. Seine Ordnung beruht nicht auf überstaatlichem,
sondern auf außerstaatlichem, nämlich zwischenstaatlichem Recht.
Abschließend können wir mit der grundlegenden tatsächlichen Unter-
scheidung von kleiner und großer Welt auch schon die ebenso grund-
legende, im "Dritten Reich" zu Unrecht bekämpfte rechtliche Unter-
scheidung von privatem und öffentlichem Recht vorläufig am besten
veranschaulichen.
Erster Teil

Rechtsordnung
2. Kapitel

Rechtsvorschriften
Man unterscheide "recht" = richtig (Gegensatz "unrecht" = unrichtig)
als gemeingültiges Werturteil über menschliches Verhalten - und
"Recht" = Norm (Gegenteil: andere Kulturnormen) als Maßstab für
äußeres Verhalten menschlicher Verbandsgenossen. Dieser Rechts-
begriff umfaßt die Rechtsvorschrift (Recht im objektiven Sinne) und
die Rechtsbefugnis (Recht im subjektiven Sinne). Uns beschäftigt hier
nicht das metajuristische "recht", sondern das juristische "Recht", und
zwar zunächst nur das objektive Recht, später erst das subjektive Recht.
Merksatz: "Wer nicht wählt, handelt nicht recht, aber er verletzt nicht
das Recht, denn er braucht sein Recht nicht auszuüben". (Der Merksatz
trifft nicht für alle Länder zu; in einigen, z. B. in Belgien, den Nieder-
landen und mehreren Kantonen der Schweiz, ist die Wahlpflicht ge-
setzlich vorgeschrieben und somit Rechtspflicht.)

A. Remtsinhalt
Die in jedem menschlichen Verband, vor allem im Staat, wirksame
Rechtsordnung besteht aus einer Fülle einzelner Rechtsvorschriften.
Besondere Gruppen dieser Rechtsvorschriften wenden sich direkt an
die natürlichen und juristischen Personen, ihnen entweder Pflichten
auferlegend oder Berechtigungen zuerkennend. Hieraus ergibt sich die
Unterscheidung von Befehlsnormen und Gewährungsnormen. Daneben
steht als Sondergruppe ohne Beziehung zu Personen die der rechts-
erhebliche Vorgänge oder Zustände beschreibenden Aussagenormen.
So gliedern sich die gesamten Rechtsnormen in Aussagenormen, Be-
fehlsnormen und Gewährungsnormen. Aus letzteren ergeben sich auch
die subjektiven Rechte.
Daß dem einzelnen die Befehlsnormen am fühlbarsten sind, läßt be-
sonders der fremde Sprachgebrauch erkennen (ius von iussum [iubere
= befehlen, iussum = der Befehl], droit, diritto, derecho), wäI!rend das
deutsche Wort "Recht" umfassender auf die Vorstellung des Richt-
maßes hindeutet.

2 Giese, Remt
18 Rechtsordnung

I. Ausssgenormen
Urteilsnormen, Beschreibungen, Begriffsbestimmungen beziehen sich
auf ein "Sein", sie bieten Maßstäbe zur rechtlichen Messung rechts-
erheblicher Zustände oder Vorgänge. Darunter fallen namentlich:
1. Allgemeine Wendungen, bei denen überhaupt der normative Cha-
rakter zweifelhaft erscheint. Solche finden sich vornehmlich im
Staats- und Völkerrecht.
a) Beispiele aus dem Staatsrecht: Präambel der Reichsverfassung
1871. Vorspruch und Art. 181 der Reichsverfassung 1919. Vor-
sprüche der neuen Länderverfassungen und des Bonner Grund-
gesetzes (GG).
b) Beispiele aus dem Völkerrecht: Eingangsformeln älterer Staats-
verträge: "im Namen des Allmächtigen Gottes". Friedensvertrag
von Versailles 1919: Eingang und Art. 227.
Immerhin gestatten solche Wendungen rechtserhebliche Aufschlüsse
über Sinn und Tragweite nachfolgender Einzelvorschriften.
2. Programmatische Kundgebungen vor oder in (namentlich staatsrecht-
lichen) Gesetzen. Diese Äußerungen des Gesetzgebers tragen kaum
aktuellen, wohl aber direktiven Charakter, d. h. sie sind für die Aus-
legung der anschließenden Gesetzesvorschriften oder als Richtlinien
für die normative oder administrative Durchführung maßgeblich; da-
mit gewinnen diese Äußerungen mittelbar Bedeutung für die Beur-
teilung menschlichen Verhaltens.
Beispiele:
a) Reichsverfassung (RVerf) 1919 Art. 119, 121 f., 130, 142, 151,
157 f., 163 f.
b) Aus dem "Dritten Reich" die zahlreichen Vorsprüche, so z. B. zur
Deutschen Gemeindeordnung (DGO) von 1935, zum Reichsnatur-
schutzgesetz von 1935, zum Deutschen Beamtengesetz (DBG) von
1937.
3. Zweifellos Rechtsnormen sind die Legaldefinitionen; sie bilden für
die Behörden möglicherweise Befehlsnormen.
Beispiele: BGB §§ 1, 2, 90, 138, 194, 195, 1317, 1922. HGB §§ 1, 8.
ZPO § 1. Konkursordnung (KO) § 1. StGB § 211. Reichsversicherungs-
ordnung § 1. Reichsabgabenordnung (RAO) § 1. Weingesetz § 1. Tier-
schutzgesetz 1933 § 1. Maß- und Gewichtsgesetz 1935 § 1. Devisen-
gesetz 1938 §§ 4-6.
4. Unstreitig ist auch der Rechtsnormcharakter der Organisationsoor-
schriften über die Einrichtung der menschlichen Verbände, ihre
Rechtsvorschriften 19

Organe, deren Zusammensetzung und Zuständigkeit. Auch sie bilden


für die Bürger meist nur Aussagesätze, für die Behörden möglicher-
weise Befehlsnormen.
Beispiele: RVerf. 1919 Art. 11, 52. RVerf. 1871 Art. 6. Bonner GG
Art. 62.

11. Befehlsnormen
Diese haben ein Sollen oder Müssen zum Gegenstand. Sie begründen
rechts erhebliche Verpflichtungen. Sie fordern ein redttserheblidtes Ver-
halten, das in einem Tun, Dulden oder Unterlassen bestehen kann.
Auszuschalten sind hier die rechtsunerheblichen Befehle (Koche mit
Gas! Bade zu Hause!), selbst wenn der Imperativ von einer behörd-
lichen Stelle ausgeht (Nimm ein Postscheckkonto!) Zugehörig sind hier
nur die Befehle, die ein rechtserhebliches Verhalten fordern.
1. Ein Tun ordnen die Gebotsnormen an. Auf die Form kommt es nicht
an. Die Vorschrift kann als Aussagesatz formuliert sein. Vgl. RVerf.
1919 Art. 134. RNotopfergesetz 1919 § 1.
Adressaten der Gebotsvorschriften können sein:
a) Einzelpersonen.
Beispiele: BGB §§ 59, 242, 1353, 1360. HGB §§ 2, 38. ZPO § 91.
RAO §§ 166 ff. (Pflichten der Zensiten), 175 ff. (Pflichten Dritter).
Polizeiverordnungen.
b) Personenmehrheiten und juristische Personen.
Beispiel: Körperschaftsteuergesetz (KStG) §§ 1 ff.
e) öffentliche Verbände, Behörden.
Beispiele: RVerf. 1919 Art. 17, 42, 140. GerichtsVerfG §§ 146,156.
StPO § 218. Friedensvertrag 1919 Art. 180, 211, 228. RAO
§§ 188 ff.
2. Ein Dulden, daß etwas Rechtserhebliches geschieht, insbes. ein ande-
rer derartiges tut oder unterläßt, kann durch Befehlsnormen auf-
erlegt werden:
a) Privatpersonen, natürlichen wie juristischen; Beispiele: ZPO
§§ 739, 890. Duldung von rechtmäßigen Eingriffen in "Grund-
rechte", von Beschlagnahmen und Durchsuchungen bei Dritten,
von hoheitlichen Verwaltungsakten, z. B. des Finanzamts bei
Dritten.
b) öffentlichen Verbänden, Behörden. Beispiele: RVerf. 1919 Art.
151I2 • Friedensvertrag 1919 Art. 203 ff., 380, 428. Bonner GG
Art. 84 III, 91 H.

2*
20 Rechtsordnung

3. Ein Unterlassen verlangen die Verbotsnormen. Die Form ist uner-


heblich; die Vorschrift kann auch positiv formuliert sein: "Rechts
fahren! Reitweg!" Im Strafrecht erscheinen die Verbotsnormen in
Gestalt der genauen Beschreibung des" Tatbestandes".
Adressaten der Verbotsvorschriften können sein:
a) Privatpersonen, natürliche wie juristische; Beispiele: StGB und
Nebengesetze, Verwaltungsstrafrecht, z. B. Steuerstrafrecht, Poli-
zeiverordnungen, Gewerberechtliche Verbote (Sonntagsarbeit, Be-
schäftigung von Frauen und Kindern). Zölibat;
b) öffentliche Verbände, Staaten, Behörden; Verbot verfassungs-
und gesetzwidriger Verordnungen und Satzungen. Verbot der re-
formatio in peius bei Rechtsmitteln: Verböserung ins Schlimmere,
(Beispiel: Der Angeklagte hat in erster Instanz sechs Monate Ge-
fängnis erhalten. Er legt Berufung ein, weil er eine geringere
Strafe haben will. Das Berufungsgericht gibt ihm nunmehr eine
Strafe von zehn Monaten.) Verbot reichsrechtswidriger Landes-
gesetze: Besoldungssperrgesetz 1920. Finanzausgleichsgesetz. Pa-
riser Seerechtsdeklaration (Deklaration = Erklärung) 1856. Rote-
Kreuz-Konvention (übereinkunft). Haager Landkriegsordnung
1899,1907.

III. Gewährungsnormen
Diese bestimmen ein rechtserhebliches Können oder Dürfen. Sie ver-
leihen (anerkennen oder begründen) Fähigkeiten, Berechtigungen, Be-
fugnisse. Tatsächliches Können ist noch kein rechtliches Dürfen. Tat-
sächliche Möglichkeiten, vor allem natürliche Betätigungen wie Spazie-
rengehen, Baden, Essen, Trinken, Rauchen, Schlafen, Erfinden, Dichten,
Arbeiten, sind an sich nicht rechtserheblich, können es aber werden.
So zunächst, wenn sie in Sonderfällen verboten sind: Spaziergang im
Park, Rauchen im Walde, Rauchen im Nichtraucherabteil (warum nicht
auch umgekehrt?), Schlafen im Dienst, Baden in Ortschaften. So ferner,
wenn sie generell verboten und nur ausnahmsweise erlaubt sind: Pro-
hibition (Verhinderung) und Alkoholgenuß; Kunstschaffen im "Dritten
Reich" nur als Mitglied der der Reichskulturkammer angeschlossenen
Kammer. So endlich, wenn sie ausnahmsweise geboten sind, z. B. in
Strafanstalten, im Wehrdienst.
1. Befähigungsnormen sind solche Vorschriften, die bestimmte rechtlich
bedeutsame Fähigkeiten an- oder zuerkennen.
Stufen:
a) Rechtsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben.
RechtsDorschriften 21

Sie eignet allen natürlichen (BGB §§ 1, 6) und juristischen (BGB


§§ 21 ff.) Personen, letzteren vermöge Eintragung oder kraft Ver-
leihung.
b) Handlungsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, in rechtlich erheblicher
Weise zu handeln, und zwar:
aal zivilrechtlich - entweder durch rechtgemäßes rechtanwenden-
des Verhalten (Geschäftsfähigkeit, unbeschränkt ab 21. Le-
bensjahr oder kraft Volljährigkeitserklärung, beschränkt ab
7. Jahr) oder durch rechtswidriges Verhalten (Deliktsfähig-
keit, d. h. Verantwortlichkeit für unerlaubte Handlungen);
bb) strafrechtlich - durch kriminelle Verantwortlichkeit zufolge
Strafmündigkeit, welche beschränkt mit dem 14. Lebensjahr,
unbeschränkt mit dem 18. Lebensjahr eintritt;
cc) staatsrechtlich - die Stimm-, insbesondere Wahlfähigkeit,
heute ab 21. Lebensjahr, und die Wählbarkeit sowie Ämter-
fähigkeit, in der Regel mit höherem, gewöhnlich 25. Lebens-
jahr;
dd) völkerrechtlich - die Handlungs-, d. h. Geschäfts- und Delikts-
fähigkeit der Staaten, unbeschränkt der souveränen, be-
schränkt der sog. ..halbsouveränen " sowie der nicht-
souveränen.
c) Prozeßrechtlich entspricht die Parteifähigkeit der materiellen
Rechtsfähigkeit, die Prozeßfähigkeit (d. h. die Fähigkeit, selbst
oder durch Vertreter prozeßerheblich zu handeln) der materiellen
Geschäftsfähigkeit.
2. Berechtigungsnormen sind solche, die subjektive Rechte verleihen.
Aus der norma agendi (Vorschrift über ein Handeln) fließt die facul-
tas agendi (rechtliche Fähigkeit zum Handeln).
a) Voraussetzungen: Bestehen eines Rechtssubjekts (.. Person"),
Rechtserheblichkeit des Dürfens, objektiv-rechtliche Verleihung
der subjektiven Berechtigung, sei es unmittelbar ex lege (aus dem
Gesetz), sei es durch Staatsakt der Verwaltung oder Justiz. Kein
subjektives Recht ohne objektives Recht!
b) Wirkungen: Absolut das vom objektiven Recht unter Gewähr-
leistung rechtlichen Erfolges begründete rechts erhebliche Wollen-
dürfen, relativ - bei Konzentration des Wollendürfens auf eine
bestimmte Leistung einer bestimmten natürlichen oder jur. Per-
son oder eines öffentlichen Verbandes - der .. Anspruch".
c) Arten der "Rechte" bzw ... Ansprüche":
aal Privatrechtliche: Dingliche (an Sachen), persönliche (auf Lei-
stung, Schadenersatz usw.), familienrechtliche (z. B. BGB
22 Remtsordnung

§§ 1601 ff.), erbrechtliche (z. B. BGB § 2303), handelsrecht-


lime (z. B. HGB § 113). Legaldefinition (gesetzlich formulierte
Begriffsbestimmung) des Ansprums. BGB § 194.
bb) Strafremtlime: des Staates gegen den Verbremer.
ce) Prozeßrechtlime: Klage, Angriffs- und Verteidigungsmittel,
Armenremt, Remtsmittel, Vollstredmngsgegenklage; Remte
des Angeklagten, des Verteidigers, des Strafgefangenen.
dd) Staats- und verwaltungsremtlime (sog. subjektive öffent!.
Remte) : politisme, bürgerliche und "Grundremte" ; An-
sprüme der Beamten, insbes. "wohlerworbene Rechte". Vor-
rechte der Abgeordneten, Rechte der Gliedstaaten gegen den
Gesamtstaat, der Selbstverwaltungskörper gegen den Staat,
zwismen Staat und Kirme.
ee) Völkerrechtlime: "Grundremte" der Staaten, Ansprüche aus
Verträgen, aus Vertragsverletzungen. Mitgliedsremte im Völ-
kerbund, in den United Nations. Remte der Neutralen.
d) Ausübung der Remte, "Remtsbesitz" . Die tatsämliche Möglimkeit
der Ausübung eines subjektiven Remts, der Geltendmamung
eines Ansprums ist nicht nur durm den Besitz des Remts, son-
dern häufig nom durm das Bestehen weiterer faktismer Voraus-
setzungen, wie Vorzeigen des Ausweises, Vorlegung oder Aus-
händigung des Inhaberpapiers, Aufnahme in ein (Wähler-)Ver-
zeimnis u. ä. bedingt.
3. Befugnisnormen sind solche, welche das Berufensein der Organe
öffentlimer Verbände - wie Behörden, Körpersmaften, Anstalten
usw. - zu bestimmter amtlimer Tätigkeit festlegen. Es handelt sim
hier ni mt um die Ausübung von "Remten" von "Personen", sondern
um die Handhabung von "Zuständigkeiten" öffentlimer "Organe",
welme als solme der eigenen Rechtsfähigkeit ermangeln. In Betramt
kommen vor allem:
a) Befugnisse der obersten Staatsorgane: der Staatsoberhäupter, der
Regierungen, der Minister, der Volksvertretungen, der gesetzge-
benden Faktoren.
b) Befugnisse der Verroaltungsbehärden: der Polizei (Ordnungsbe-
hörden) zum Erlaß von Verordnungen und Verfügungen nebst
Strafverfügungen, anderseits zur Erteilung von Erlaubnissen; der
Finanzämter zum Erlaß von Steuerbesmeiden; der staatsauf-
simtlimen Maßnahmen gegenüber namgeordneten Staats stellen,
gegenüber Gemeinden und anderen Selbstverwaltungskörpern,
der eigenen Anordnungen der Selbstverwaltung; der kirmlimen
Anordnungen usw.
RechtsDorschriften 23

c) Befugnisse der Justiz: der Zivilgerichte zur Vernehmung, Vereidi-


gung, Urteilsfällung, Anordnung von Arrest, Haft, Offenbarungs-
eid; der Strafgerichte zur Verhaftung, Verurteilung; der Staats-
anwaltschaft zur Strafverfolgung und Strafvollstreckung.
d) Befugnisse der Organe internationaler Verbände: der Verwal-
tungsämter, der Schiedsgerichte, des Völkerbundes, der United
Nations.

B. Remtsregelung
Mit der potestas (Macht, Gewalt) des Rechts muß sich die auctoritas
(Ansehen) verbinden. Das Recht ist wirksam, wenn und weil es regel-
mäßig von äußerer und innerer Autorität getragen wird.

I. Die äußere Autorität


Sie beruht auf der Möglichkeit des unmittelbar oder mittelbar vom
Staat ausgehenden obrigkeitlichen Zwanges. Das Recht wird den Ver-
bandsgenossen von ihren Verbänden herrschaftlich gesetzt, in aller
Regel "vorgeschrieben". Der höchste und vollendetste Verband dieser
Art ist der Staat. Er direkt, die öffentlichen Verbände indirekt, erlassen
die Rechtsvorschriften und sichern ihre Befolgung durch zweckent-
sprechende Druckmittel, nötigenfalls durch obrigkeitlichen Zwang. Die
Justitia (Göttin der Gerechtigkeit) handhabt nicht nur die Waage, son-
dern auch das Schwert. Dabei lassen sich folgende Stufen hoheitlichen
Druckes unterscheiden:
1. Leges perfectissirnae (vollkommenste Gesetze), so könnte man die-
jenigen Vorschriften nennen, nach welchen sich die Voll ziehung un-
mittelbaren Zwanges durch staatliche Organe abspielt.
Beispiele: Richterlicher Zwang in der Sitzung gegen Angeklagte und
Zeugen. Tätigkeit des Gerichtsvollziehers. Strafvollzug in Strafan-
stalten. Zugriff der Polizei. Steuerbeitreibung, Gestellungsbefehl.
Zollvisitation. Wohnungsbeschlagnahme. Enteignungsvollzug. Bun-
des exekution. Völkerrechtliche Sanktionen.
2. Leges perfectae (vollkommene Gesetze), Vorschriften, hinter denen
bei nicht gütlicher Befolgung die Möglichkeit unmittelbaren Zwanges
steht.
Beispiele: Strafgesetze und Polizeiverordnungen, die Vorschriften
des BGB und des HGB angesichts der Klagbarkeit. Steuergesetze,
Verantwortlichkeit der Beamten, der Minister. Pflichten der Gemein-
den gegenüber dem Staat.
24 Rechtsordnung
----------------

3. Leges minus quam perfectae [weniger vollkommene Gesetzel, Vor-


schriften, hinter denen nur die Möglichkeit eines mittelbaren, aber
doch regelmäßig und normalerweise wirksamen Druckes steht.
Beispiele: Pflicht des Monarchen zur Ausfertigung der Gesetze.
Konstitutionelle Verantwortlichkeit des kaiserlichen Reichskanzlers.
Amtspflicht der Abgeordneten. Erfüllung kirchlicher Pflichten. Er-
füllung völkerrechtlicher Verträge, Beachtung völkerrechtlicher Vor-
schriften.
4. Leges imperfectae [unvollkommene Gesetze), Normierung aktiv un-
erzwingbarer, aber passiv rechtswirksam erfüllbarer Verpflichtungen.
Man spricht hier von natürlichen Verbindlichkeiten = obligationes
naturales.
Beispiele: Ansprüche aus Spiel, Wette, Ehevermittlung. Verjährte
Ansprüche. Keine Eheklage aus Verlöbnis [BGB § 1297). Nichtvoll-
streckbarkeit des Urteils auf Herstellung des ehelichen Lebens.

11. Die innere Autorität


Sie beruht auf der Verankerung des Rechts im Willen der Verbands-
angehörigen. Die Gewähr dafür ist die Anerkennung der Rechtsnormen
seitens der Rechtsgenossen selbst als nützlicher und gerechter Regeln.
Diese Anerkennung wird formell durch die Zustimmung einer Volks-
vertretung, noch besser des Volksganzen, materiell durch tunlichste
Verwirklichung der beiden Rechtsideale, der Zweckmäßigkeit und der
Gerechtigkeit, wenn nicht gewährleistet, so doch wesentlich gefördert.
1. Die Beteiligung der Rechtsgenossen bei der Rechtsbildung ist eine
uralte Einrichtung.
a) Sie besteht zunächst bei der Bildung des ungeschriebenen oder
Gewohnheitsrechtes; diese geschah von jeher durch die Rechts-
genossen selbst und kann schon begrifflich nicht anders geschehen.
bl Die Bildung des geschriebenen, insbesondere Gesetzesrechts er-
folgte im alten Rom durch die Komitien [kommt von comes
= Volksgenosse), in Germanien im allgemeinen Volksthing, im
Mittelalter unter Beteiligung wenigstens der Reichs- und Land-
stände. Sie geschieht seit Einführung des Konstitutionalismus
unter Mitwirkung einer hauptsächlich volksgewählten Volksver-
tretung, seit Errichtung und Wiederherstellung des freien Volks-
staates durch die ausnahmslos volksgewählte Volksvertretung,
möglicherweise durch das im "Volksentscheid" abstimmende Volk
selbst. Nur während der kurzen Episode des "NS-Führerstaates"
war diese Entwicklung unterbrochen worden. Das Bonner GG
kennt keinen Volksentscheid über Gesetze.
RechtsDorsdlriften 25

2. Die beste Gewähr für die Gestaltung eines vollkommenen, "richtigen 11


Rechts (Stammler) ist die Verwirklichung der Rechtsideale, vor allem
der Postulate der Zweckmäßigkeit und der Gerechtigkeit.
a) Zweckmäßiglwit. Das Recht soll den Lebensbedürfnissen des Ver-
bandes (Gemeinwohl) und der Verbandsgenossen (Individual-
wohl) seines Landes und seiner Zeit entsprechen. Es soll Gesamt-
und Einzelinteressen harmonisch ausgleichen, die Verbandsgewalt
stützen und stärken, dabei aber den Verbandsmitgliedern ein
Mindestmaß von Anteil an den Lebensgütern gewährleisten.
Wenn das Recht diesem Erfordernis nicht mehr entspricht, ist
es nur noch formales Recht, dessen Geltungskraft erschüttert ist,
dessen Sanierung und Erneuerung aber nur Aufgabe des Gesetz-
gebers sein kann. Je mehr das Recht hingegen jenem Erfordernis
entspricht, desto wirksamer bildet dies die Garantie für seine
Anerkennung, Wertschätzung und Befolgung.
b) Gerechtigkeit. Das Recht soll das Ideal der äußeren Gerechtigkeit
erfüllen. Augustinus: Remota itaque iustitia quid sunt regna nisi
magna latrocinia. (Ohne Gerechtigkeit sind die Staaten nichts an-
deres als große Räuberbandenl. Demgemäß hat das Recht jedem
das Seine (Suum cuiquel. nicht jedem das Gleiche, zuzuteilen.
"Völlige Gleichstellung der Menschen nach Geschlecht, Alter,
Bildung, Kräften, Beschäftigung wird nur von sinnlosem Neid
gefordert" (v. Ihering). Also jedem das Seine, aber ohne Ansehen
der Person, daher die Binde vor den Augen der abwägenden
Justitia. Erscheint die Forderung der Gerechtigkeit nicht erfüllt,
so gleitet das Recht zu bloß formaler Geltung ab: Summum ius
summa iniuria (höchstes Recht, höchste Ungerechtigkeit). Gleich-
wohl gilt solches Gesetz zunächst noch. Denn "Gesetz ist Erz
gewordene Gewalt, unbeugsam, ob sie zehnmal ungerecht". (Be-
stritten: Widerstandsrecht I). Nur der Gesetzgeber kann dies maß-
gebend beurteilen; nur er ist berechtigt, aber auch verpflichtet,
das Gesetz zu berichtigen. Hat er dieser moralisch-politischen
Pflicht entsprochen, so bildet die Wiederherstellung des "gerech-
ten" Gesetzes die beste Gewähr für seine innere Geltungskraft.
Beispiele: Dreiklassenwahlrecht. Grundsatz: "Mark gleich Mark."
Unzulängliche Aufwertung nach der Inflation. Nichtbestrafung des
"Diebstahls" herrenloser Sachen. Pflicht zur Beeidigung eines offen-
bar Meineidigen. Nichtproportionalität der Besteuerung. Rückwir-
kende Kraft von Strafgesetzen im "Dritten Reich". Bonner GG Art.
131. Bestrafung gleichgeschlechtlichen Verkehrs zwischen erwach-
senen Männern (§ 175 StGB) bei Straflosigkeit gleichen Verhaltens
unter Frauen. Schußwaffengebrauch durch Exekutivorgane der Poli-
26 Rechtsordnung

zei und des Zolls [außer bei Notstand oder Notwehr) trotz der
verfassungsrechtlichen Grundentscheidung des Art. 102 GG. Ver-
altete Vorschriften des Strafprozeßrechts.
Goethe. Faust I: .. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; Weh Dir,
daß Du ein Enkel bistI"

3. Kapitel

Remtsabgrenzung

A. Remt als KuIturersmeinung


Recht ist wesentlicher Bestandteil menschlicher Kultur. Recht und Staat
dürfen sogar als die grundlegenden Kulturfaktoren, welche alle übrigen
Kulturerscheinungen bedingen und fördern, bezeichnet werden. Beide
sind nicht so sehr durch die Form als durch die immanenten Kräfte
charakterisiert. Causa remota [causa = Grund, Ursache, remotus = ent-
fernt; causa remota = der tiefere Grund) des Rechts ist der menschliche
Geselligkeitstrieb; causae proximae [nächste Gründe = weitere Gründe)
sind Genußtrieb und Ordnungstrieb; das Ergebnis ist die Rechtsordnung.
I. Grundlagen
1. Die natürliche Entstehung menschlicher Verbände beruht auf dem
Geselligkeitstrieb. Der Mensch ist von Natur ein geselliges Wesen.
Er vereinigt sich mit anderen Menschen zu kleineren und größeren
Verbänden, zuhöchst dem Staat.
2. Die Verbände ermöglichen den Verbandsgenossen die Befriedigung
ihrer mancherlei Bedürfnisse. Grundlegend sind Genuß- und Ord-
nungstrieb.
a) Der Genußtrieb. Jedermann hat materielle und ideelle, sinnliche
und geistige Bedürfnisse. Ginge jeder auf deren restlose Befriedi-
gung aus, so tobte das bellum omnium contra omnes [Krieg aller
gegen alle). Die Erkenntnis seiner Unsinnigkeit führt zu einem
allgemeinen wechselseitigen Ausgleich. Mit dem Verzicht auf
volle Befriedigung aller Bedürfnisse wird der Vorteil der sicheren,
ungestörten Befriedigung eines Teiles der Bedürfnisse erkauft.
So entsteht (nicht historisch, sondern logisch betrachtet) unter
den Verbandsgenossen ein System von Schranken und Regeln
für den Genuß der Lebensgüter. Es bildet sich eine soziale Frie-
densordnung, deren Erhaltung und Förderung im Lebensinteresse
aller liegt.
Rechtsabgrenzung 27

b) Der Ordnungstrieb ist nicht nur theoretismer Erkenntnisdrang,


sondern zugleim praktism das Verlangen, durm Einfügung in
eine höhere Ordnung, durm Anerkennung der Verbandsgewalt
und durch Befolgung ihrer Anordnungen das Dasein im Verband
harmonism zu gestalten. Die Erhaltung der Ordnung und Har-
monie gewährleistet die Verbandsgewalt. So bildet sim unter
den Verbandsgenossen zugleim eine Vernunftordnung für die
äußeren Lebensverhältnisse.

11. Rechtsordnung
Aus Friedens- und Vernunftordnung erwämst die Rechtsordnung. Die
Erhaltung jener beiden Ordnungen ist durm die Abgrenzung der Indi-
vidualbereiche des Wollens und Handelns bedingt. Es werden Schran-
ken zwischen den Verbandsgenossen errimtet, um einerseits gegen-
seitige übergriffe auszusmließen, anderseits dem einzelnen ein Feld
freier Bewegung und ungestörten Genusses zu simern. Es werden
ferner Schranken gezogen, um die Gesamtinteressen zu sondern, dort
den Wirkungsbereich der Verbandsgewalt, hier den verbandsfreien
Wirkungsbereich der einzelnen abzustecken. Alle diese Smranken er-
halten ihre äußere Form in festen Regeln, in teils ge- und verbietenden,
teils an- und zuerkennenden Normen für das Verhalten der dem Ver-
band angehörenden, vor allem der im Staat vereinten Mensmen. Diese
Normen bilden das Recht, die durch sie verbürgte Verbandsordnung
ist die Rechtsordnung.
Ergebnis: Recht ist Verbandsordnung. Recht besteht aus einem System
von Normen zur nötigenfalls zwangsweisen Aufrechterhaltung der
Ordnung unter den Verbandsgenossen und im Verbande selbst; die
einzelnen Normen tragen teils beschreibenden, teils befehlenden, teils
gewährenden Charakter.

B. Rechtsnormen und andere Kulturnormen


"Nach ewigen, ehernen, großen Gesetzen müssen wir alle unseres
Daseins Kreise vollenden" (Goethe). So gibt es Gesetze der Logik für
das Denken, Gesetze der Ästhetik für das Fühlen, Sozialgesetze oder
Kulturgesetze für das Wollen. Diese Kulturgesetze umfassen die Nor-
men der Religion, der Moral, der Sitte, des Rechts. Diese vier Normen-
gruppen bildeten ursprünglich eine Einheit, haben sich aber allmählich
von einander gesondert. Eine Vergleichung des Rechts mit Religion,
Moral und Sitte ist dienlim, einerseits die wemselseitigen Beziehungen
aufzuzeigen, andererseits das Wesen des Rechts durm die Untersmiede
noch deutlicher hervortreten zu lassen.
28 Rechtsordnung

I. Remt und Religion


1. Begriff der Religion
Religion trägt von Haus aus vorstellenden, nicht vorschreibenden
Charakter. Der religiöse (nicht notwendig, aber zweckmäßig zugleich
"kirchliche") Mensch erkennt nicht bloß verstandesmäßig das Beste-
hen einer höheren Ordnung im Weltall, die von einem überirdischen
Geist, einer übersinnlichen Kraft erfüllt ist; ihm begründen auch
innere Erfahrung und seelisches Erleben den Glauben, "daß die
schöne Welt regiere ein hoher, weiser, nie begriffner Geist". Wie
nun auch der Mensch sich diesen Geist vorstellen mag, jedenfalls
verlangt seine Religiosität nach Gewinnung persönlicher Beziehungen
des Herzens zu diesem höchsten Wesen, das wir Gott nennen, und
demgemäß richtet er sein inneres Verhalten nach den Ge- und Ver-
boten ein. So wird dem gläubigen Menschen die Religion zur Quelle
von Normen, die als solche mit denen des Rechts vergleichbar sind.
2. Vergleim zmismen Remt und Religion
a) Ähnlimkeiten: Beide Normen gehen nicht vom Menschen selbst,
sondern von einer höheren Macht aus.
b) Unters miede - nach der Quelle: beim Recht irdische Verbände,
bei der Religion überirdische Macht (nicht die Kirche); - nach
dem Gegenstand: dort äußeres, hier inneres menschliches Ver-
halten (Kant: Religion müssen wir in uns, nicht außer uns
suchen); - nach dem Ziel: dort Erhaltung der Verbands ordnung,
hier Beziehungen zur Gottheit; - nach der Autorität: dort die
Verbandsgewalt, besonders des Staates und der Kirche, hier das
religiöse Gewissen.
3. Beziehungen zmismen Recht und Religion
a) Grundsätzlich Trennung, nicht Verschmelzung. Trennung bei der
durch eine tiefe Kluft. Religion: Liebe deinen Nächsten! Liebet
eure Feinde! Recht: Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist
nicht widerrechtlich (§ 227 BGB). Verschmelzung nur ganz aus-
nahmsweise, so in der katholischen Kirche. Ius divinum (gött-
liches Recht) und Dogma (Kirchenlehre), Verrechtlichung des Un-
fehlbarkeitsdogmas und Dogmatisierung des päpstlichen Primats
auf dem Vatikanischen Konzil 1870. Verschmelzung bestand in
älteren, primitiven Kulturepochen. Verbindung war das Kenn-
zeichen der sog. Gesetzesreligionen, so der indischen, der persi-
schen, des Islam, des alten Judentums. Solche Verbindung ist der
modernen Auffassung fremd.
b) Lediglich Parallelität beider Normen, wo solche scheinbar zusam-
mengehen. Auch hier laufen beide in Wirklichkeit getrennt neben-
Rechtsabgrenzung 29

einander her. Das Recht verbietet die äußere Tat, die Religion
die innere Gesinnung.
Beispiele: Einerseits StGB §§ 211 ff, 172, 154, anderseits Berg-
predigt, Evangel. Matthäi V 21 ff. Gebt dem Kaiser, was des
Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.
c) Doch besteht die Möglichkeit wechselseitiger Einwirkung. Solche
kann förderlich, mißbräuchlich und feindlich erfolgen.
Förderlich: Hohe Rechtskultur kann die religiöse Kultur eines
Landes heben. Die Religion gibt dem kirchlichen Recht, dessen
Seele sie ist, das Gepräge. Die Religion stärkt, vertieft und ver-
feinert möglicherweise die Handhabung, Geltung und Fortbildung
auch des staatlichen Rechts. Seid untertan der Obrigkeit! Gebt
dem Kaiser, was des Kaisers ist! Umgekehrt dient das Recht der
Religion unmittelbar durch Schutz religiöser, mittelbar durch
Schutz kirchlicher Güter und Interessen. Vgl. StGB §§ 166 ff.
Mißbräuchlich: Einerseits Ketzerprozesse mit Verwendung des
sog. bracchium saeculare (welt!. Arm); anderseits Gottesurteile,
Altar als Stütze des Throns, Anrufung der Gottheit im Kriege,
Berufung auf das Walten der Vorsehung.
Feindlich: Bekämpfung der Religion als solcher oder in Gestalt
der Kirche.
Beispiele: Verurteilung Christi, Christenverfolgungen, Franzö-
sische Revolution, Kulturkampf, Maßnahmen des .. Dritten Rei-
ches".

11. Recht und Moral


1. Begriff der Moral
.. Sittlich" und .. Unsittlich" sind Werturteile über menschliches Den-
ken, Fühlen und Wollen. Die Gesinnungen und Neigungen des
Menschen unterliegen Beurteilungen, Bewertungen, Anforderungen.
Wirken sich solche inneren Vorgänge äußerlich aus, so ist für das
moralische Urteil nur das Motiv maßgebend, das äußere Verhalten
höchstens als Indiz zur Erkennung des Motivs beachtlich. Entspre-
chend ist äußerer Druck weder nötig noch fähig, ein moralisch wert-
volles Verhalten zu erzielen. Kant: .. Nichts auf der Welt kann ohne
Einschränkung für gut gehalten werden als allein ein guter Wille."
2. VergleidI zwischen Recht und Moral
a) Xhnlichkeiten: Beide regeln menschliches Verhalten, betonen die
Gesetzmäßigkeit in der grundsätzlidI freien menschlichen Betäti-
gung, bilden somit die beiden Richtungen der .. Ethik".
30 Rechtsordnung

b) Unterschiede - nach der Quelle: Recht entstammt heteronom


[andersgesetzlich) dem menschlichen Verband, Moral autonom
[eigengesetzlich) dem menschlichen Innern; - nach dem Gegen-
stand: beim Recht das äußere Verhalten ["fürs Denken kann man
niemand henken"), bei der Moral die Gesinnung; - nach dem
Ziel: dort äußere Ordnung, hier innere Vollkommnung; nach der
Autorität: dort Verbandsgewalt, hier menschliches Gewissen und
sittliches Bewußtsein.
3. Beziehungen zwischen Recht und Moral
a) Grundsätzliche Trennung, in älteren Zeiten Verbindung, ja Ver-
schmelzung.
b) Höchstens Parallelität, d. h. Nebeneinandergehen - ganz oder
teilweise - der beiderseitigen Normen.
aal Deckung: Arglistige Täuschung. Widerrechtliche Drohung. Ver-
träge gegen die "Guten Sitten". Betrug, Erpressung, Untreue,
Unterhaltspflicht. Erbeinsetzung unter Bedingung des Nicht-
heiratens, des "Besitzes" eines unehelichen Kindes. Verträge
über religiöse Kindererziehung. Völkermoral und Völkerrecht.
bb) Moral verlangt mehr: Zahlung verjährter Schulden. Mißbilligt
anstößige Kleidung, sexuelle Taktlosigkeiten.
cc) Recht verlangt mehr: Ärztliche Tötung eines Unheilbaren im
"Dritten Reich" [formelle Rechtsnorm mit Unrechtscharakter).
c) Wechselseitige Einwirkung von Recht und Moral.
Förderlich: Die Moral beeinflußt das Recht; hohe Moral bürgt für
Rechtsgüte und Gesetzestreue, aus sittlichen Vorstellungen kön-
nen sich Rechtsnormen entwickeln. Das Recht nimmt auf Moral
durch Verwertung sittlicher Vorstellungen Rücksicht.
Beispiele: BGB §§ 138, 226, 826; EGBGB [Einführungsgesetz zum
BGB) Art. 30. Unmoral als Kündigungs-, Scheidungs-, Enterbungs-
grund. Strafbarkeit unmoralischen Verhaltens. RVerf. 1919 Art.
163. Das Sittengesetz im Forum internum der katholischen Kirche.
Friedensvertrag 1919 Art. 227. Umgekehrt kann das Recht die
Moral beeinflussen. Gute Gesetze heben die Volksmoral, schlechte
[auch zu scharfe) Steuergesetze verderben die Steuermoral [so
heute I).
Mißbräuchlidt: Denkbar ist, daß das Recht die Moral mißachtet.
Beispiele: Belohnung von Spitzeln, Beamtengesetz 1937 § 3 11.
Amtliche Aufforderung zur Denunziation. Zeugniszwang wegen
anvertrauter Vorgänge. Gesetzliches Verbot moralisch gebotenen
Tuns.
Rechtsabgrenzung 31

Feindlich: Es gibt anomale Fälle, in denen das Recht ge- oder ver-
bietet, was die Moral ver- oder gebietet.
Beispiel: Antigone. Staatsanwalt verwertet vertrauliche Mittei-
lungen. Meineid aus "Ritterlichkeit". Auslieferung von "Kriegs-
verbrechern" 1919. Verurteilung der formalen "Hochverräter" des
20. Juli 1944. - Summum ius summa iniuria!

III. Redtt und Sitte


1. Begriff der Sitte
Man versteht darunter das Normale, Herkömmliche, Konventionelle,
Gesellschaftsübliche. Es handelt sich dabei um Äußerlichkeiten wie
Erscheinung und Auftreten des Menschen (Kleidung, Gebärden,
Redeweise), äußeren Umgang mit anderen (Verkehrs- und Vergnü-
gungsformen), äußere Kulturgestaltung (Bau- und Kunststil). Die
Normen sind persönlich nach Schichten, Kreisen und Gruppen, zeit-
lich nach Kulturepochen, örtlich nach Völkern und Ländern verschie-
den. Sie bezwecken Glättung und Abrundung, Erleichterung und Ver-
feinerung des Zusammenlebens. Sie können in Zweckmäßigkeit und
Geschmack, aber auch in Laune und Gewinnsucht (Mode?) wurzeln.
Sie bilden sich gewöhnlich rein tatsächlich heraus, nehmen dann
Normcharakter an und beherrschen schließlich die Menschen.
Beispiele: Gruß-, Rauch- und Trinksitten. Mensur. Handelsbrauch.
Kirchliche Zeremonien. Diplomatische Gepflogenheiten. Seesignal-
kodex.
2. Vergleich zwischen Recht und Sitte
a) Ähnlichkeiten: Beide betreffen äußeres Verhalten des Menschen
und werden ihm von außen her "vorgeschrieben".
b) Unterschiede: Recht lebt im Verband, Sitte in der "Gesellschaft",
genauer in deren Schichten, Klassen, Ständen, Berufen. Recht
und Sitte erfassen je verschiedene äußere Lebensverhältnisse.
Recht ist meist geschrieben, Sitte stets ungeschrieben, hömstens
"aufgeschrieben" (Knigge, Umgang mit Menschen). Recht smützt
die Verbandsordnung, Sitte erleichtert und verfeinert die Um-
gangsformen. Recht gilt kraft Verbandsgewalt, Sitte kraft Mamt
der Gewohnheit und Druckes der Gesellsmaftsgruppen.
3. Beziehungen zwischen Recht und Sitte
a) Beide Normengruppen sind heute nicht mehr verbunden, sondern
grundsätzlich getrennt. Sitte geht weiter, verlangt mehr als Recht:
Gruß, Tracht, Körperpflege, Rendezvous, Sport, Ball; Ausstattung
der Tochter; Handels-, Gerimts-, Völker-Sitte. Doch können diese
Dinge vom Recht erfaßt werden.
32 Rechtsordnung

b) Bei übereinstimmung liegt nicht Deckung, sondern Parallelität


vor. So, wenn Anstands- zugleich Rechtsverletzung oder sitte-
gemäßes Verhalten zugleich Erfüllung von Rechtspflicht ist. Nor-
male Fälle: Schlechtes Benehmen als Kündigungsgrund, als Anlaß
zu disziplinarem oder ehrengerichtlichem Verfahren. Anstands-
verletzung als Beleidigung. Grober Unfug. Anomale Fälle: Mittel-
alterliche Kleiderordnungen für Adlige, Bürger, Bauern. Rechts-
normen über Kleidung und Haartracht. Tabakrauchen, Alkohol-
genuß.
c) Wechselseitige Einwirkung aufeinander
Förderlich: Recht ist durch Sitte beeinflußbar. Sitte als Vorstufe
des Rechts. So für Handels-, Justiz-, Völkerrecht. Persönlicher
Verkehr zwischen Staatshäuptern und Diplomaten. Recht nimmt
auf die Sitte vielfach Rücksicht. Verweisung auf "die auf den
Anstand zu nehmende Rücksicht" im BGB (§§ 534, 814, 2205),
auf die "Verkehrssitte" im BGB und HGB; der "wichtige" Grund
im BGB und HGB; Rechtserheblichkeit von Anstandsverletzungen
zivil- und strafrechtlich; Bedeutung der "Formen" im parlamen-
tarischen, diplomatischen und kirchlichen Bereich.
Mißbräuchlich: Wenn Recht Unsitte oder unnötig Sitte als Recht
gebietet, wenn solches Recht von der Sitte der Gesellschaft an-
geregt und durchgesetzt wird.
Feindlich: Gegensätze, Konflikte, Kämpfe, weil Recht ge- oder
verbietet, was Sitte ver- oder gebietet.
Beispiele: Das Duell (der Zweikampf) in früheren Zeiten, Gebot
der Sitte für Angehörige gehobener Gesellschaftsschichten (Offi-
ziere, Waffenstudenten), aber Verbot des Rechts (§§ 201 ff.
StGB). Vom Duell zu unterscheiden ist die studentische Bestim-
mungsmensur; sie ist nach Strafrecht und neuester Rechtspre-
chung nicht strafbar.

4. Kapitel

Rechtsentstehung
Ubi societas, ibi ius est (Wo eine Gemeinschaft ist, da ist Recht). In
jeder menschlichen Gemeinschaft lebt und wirkt die Friedens- und
Vernunftordnung, die als Rechtsordnung die äußeren Lebensverhält-
nisse der Verbandsgenossen untereinander und gegenüber ihrem Ver-
bande sowie des Verbandes selbst regelt. Die Geltungskraft der die
Rechtsentstehung 33

Rechtsordnung bildenden Rechtsvorschriften wird einerseits durch den


ihr innewohnenden Eigenwert, anderseits durch die Verbandsgewalt
und zuhöchst durch die Staatsgewalt gewährleistet.

A. Natürliches und positives Recht


Die Unvollkommenheiten des unmittelbar oder mittelbar staatlich ge-
setzten Rechtes [ius positivum) wed<en das Verlangen nach einem Ideal-
recht, an dem das positive Recht zu messen, nach dessen Vorbild die
unzulänglichen Vorschriften des positiven Rechtes zu ergänzen und zu
verbessern seien; dieses Idealrecht soll das natürliche oder Naturrecht
[ius naturale) sein.

I. Die Theorie des Naturrechts


1. Begriff
Man nimmt ein Recht an, das dem Wesen der menschlichen Natur
und den Anforderungen der menschlichen Vernunft entspricht, ins-
besondere die Postulate der Zwed<mäßigkeit, vor allem der Gerech-
tigkeit restlos erfüllt. Dieses Idealrecht soll ewig und unabänderlich
gelten, für alle Länder und für alle Zeiten maßgeblich sein. Diesem
Naturrecht soll das positiv gesetzte Recht überall und immer ent-
sprechen, nach seinem Vorbild soll es beim Vorhandensein von
Lüd<en zu ergänzen und notfalls sogar zu verbessern sein. Diesem
Naturrecht eigne also die überragende Kraft, unvollkommenes posi-
tives Recht zu korrigieren und gegebenenfalls zu ersetzen.
2. Die naturrechtliche Schule
Die Vorstellung eines Naturrechts ist namentlich im 17.-18. Jahr-
hundert von der Naturrechtlichen Schule entwid<elt und vertreten
worden. In dieser Schule trafen christlich-theologische mit griechisch-
philosophischen Gedankengängen zusammen. Die Leitidee war, an-
gesichts der damaligen Verworrenheit des positiven Rechts wieder
einen festen Rechtsboden zu gewinnen. Hauptvertreter der Lehre
waren: Hugo Grotius, Thomasius, Leibnitz, Pufendorff, Cocceji sowie
v. Kreittmayr, der den Ausspruch tat: "Dem Gesetze der Natur wohnt
die ganz besondere Eigenschaft der Unveränderlichkeit bei, derge-
stalt, daß Gott selbst nichts hieran ändern kann." Die Bewegung
beschränkte sich zunächst auf die Gelehrtenstuben, griff aber seit
Ende des 18. Jahrhunderts in die praktische Wirklichkeit über und
drängte auf die Reform des positiven Rechts nach dem zwingenden
Vorbilde des Naturrechts. Sie hat dabei viel Gutes gewirkt, nicht
nur theoretisch durch Vertiefung der juristischen Systematik, son-

3 Giese. Reiht
34 Rechtsordnung

dern auch praktisch durch erfolgreiche Bekämpfung aus dem Mittel-


alter überkommener Einrichtungen wie Hexenwahn, Foltergreuel,
Leibeigenschaft usw., aber auch noch neuzeitlicher mißbräuchlicher
Verschlechterungen der Rechtsordnung. Die "Naturrechtliche Schule"
mußte im 19. Jahrhundert vor der "Historischen Schule" das Feld
räumen, geriet aber keineswegs in Vergessenheit und ist neuestens
wieder zu wesentlicher Bedeutung gelangt.

11. Die Praxis des Naturrechts


1. Naturrechtsähnlichen Charakter trägt das von jeher im katholischen
Kirchenrecht grundlegende ius divinum naturale. Die katholisch-
kirchliche Rechtsordnung unterscheidet göttliches Recht (ius divinuml
und menschliches Recht (ius humanum). Ersteres zerfällt in die gött-
liche Offenbarung (ius divinum positivum) und die natürliche Offen-
barung (ius divinum naturale). Dieses Naturrecht bildet einen wesent-
lichen Bestandteil des katholisch-kirchlichen Rechtssystems.
2. In der französischen Revolution von 1789 gelangte das Naturrecht
erstmalig im weltlichen Rechtsbereich zu grundlegender Bedeutung.
Man griff aus dem anglo-amerikanischen Rechtsdenken die Lehre
von den angeborenen Menschenrechten auf und kodifizierte sie in
der berühmten DecIaration des droits et des libertes de l'homme
et du citoyen vom 26. August 1789. Man erklärte diese jedem Men-
schen von Natur aus angeborenen Rechte für unverletzlich und un-
entziehbar. Diese Menschenrechte der französischen Revolutions-
gesetzgebung sind in der französischen Verfassung der Vierten
Republik von 1946 wiederholt und bestätigt worden.
3. Daß es im 19. und 20. Jahrhundert um das Naturrecht immer stiller
wurde, erklärt sich nicht bloß aus dem Vorherrschen des sog. Remts-
positivismus, sondern rechtfertigte sich auch weitgehend durch die
Vollständigkeit und vor allem Werthaftigkeit des positiven staat-
lichen Gesetzgebungsrechtes. Deshalb spielte das Naturrecht in der
juristischen Praxis kaum mehr eine Rolle. Immerhin wurde noch ein
Notrecht angenommen, welches in ganz besonderen Notfällen ein
Abgehen von den für normale Verhältnisse maßgebenden Gesetzes-
vorschriften gestatten solle. Doch erlangte dieses Notrecht im inner-
staatlichen Recht kaum, wesentlich mehr im unvollkommenen zwi-
schenstaatlichen Recht (Völkerrechtl eine gewisse Bedeutung.
4. Erst der Mißbrauch des Rechtsgedankens und der Rechtsformen im
"Dritten Reich" sowie die nach dem Zusammenbruch durch die Zer-
splitterung, Unklarheit und Unsicherheit entstandene große Remts-
not haben die naturrechtliche Idee wieder belebt und die praktische
Rechtsentstehung 35

Berücksichtigung der naturrechtlichen Postulate stark gefördert. Die


Renaissance des Naturrechts macht sich nicht bloß in Deutschland,
sondern auch im Auslande und namentlich im internationalen Leben
so gebieterisch geltend, daß der positive Jurist an dieser Tatsache
nicht vorübergehen kann. So ist im deutschen Rechtsbereich das
Naturrecht nicht nur bei Erlaß der neuen Verfassungen - hier beson-
ders durch Einbeziehung der Menschenrechte in das System der
Grundrechte - wieder zu beachtlicher, sondern darüber hinaus in
der Spruchpraxis der Gerichte zu teilweise bedenklicher Bedeutung
gelangt.

111. Kritik des Naturrechts


1. Zunächst erhebt sich das materieIIe Bedenken, ob es überhaupt ein
örtlich unbegrenztes und zeitlich unwandelbares Recht geben könne,
da alles Recht doch die Aufgabe hat, den konkreten Bedürfnissen
eines bestimmten Ortes und einer bestimmten Zeit zu entsprechen.
Diese Erwägung veranlaßte in der Tat bisher weite Kreise, das
Naturrecht abzulehnen. Man bezeichnete es als unmöglich, daß die
Staaten des Altertums, des Mittelalters und der Neuzeit nach glei-
chem Recht oder auch nur gleichen Rechtsgrundsätzen lebten. Es sei
auch unmöglich, daß in China, Marokko, Kanada und Bayern die
gleichen Rechtsprinzipien in Kraft ständen. Man verwies auf den
Ausspruch des berühmten Romanisten Bernhard Windscheid: "Es
ist ein alter, nie ausgeträumter Traum der Menschheit, daß es ein
ewiges, festes, unwandelbares Recht gebe, dieses Recht sei das Recht
der Vernunft!" Gegenüber dieser Kritik ist freilich zu bedenken, daß
die naturrechtlichen Forderungen nicht auf die gesamte Rechtsord-
nung zu erstrecken, sondern auf einzelne grundlegende Wahrheiten
zu beschränken, überdies nur zur Korrektur offenbar Unvollkom-
menheiten der positiven Rechtsordnung zu verwenden sind.
2. Schwerer wiegt das formeIle Bedenken, daß der Anspruch des Natur-
rechts auf Ergänzung und Berichtigung des positiven Rechts mit dem
Staatsmonopol der obersten Rechtskontrolle unvereinbar sei, daß
vollends seine praktische Verwirklichung zu arger Rechtsunsicher-
heit, ja zur Untergrabung der Rechtsordnung führen könne. Diese
Bedenken sind durchaus begründet bei Bestehen einer vollkommenen,
den Erfordernissen der Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit entspre-
chenden Rechtsordnung. Wie aber, wenn das staatliche Recht diese
Voraussetzungen nicht erfüllt? Dann ergibt sich aus dem Naturrecht
zum mindesten die Rechtspflicht des Gesetzgebers, die Schäden ab-
zustellen. Wenn dies aber nicht geschehen oder zur Zeit technisch
unmöglich ist, erscheint die vorübergehende naturrechtliche Korrek-
36 Rechtsordnung

tur insoweit tragbar, als sie staatlichen Stellen, insbesondere den


Gerichten vorbehalten bleibt. Nur wäre es ein grober Mißbrauch,
wenn jeder einzelne Bürger unter Berufung auf das Naturrecht sich
seinen Pflichten entziehen oder Rechte anmaßen würde. Die beste
Lösung eines Widerspruchs zwischen natürlichem und positivem
Recht bleibt die Stellungnahme des Gesetzgebers, mag er naturrecht-
liche Vorschriften zu positiv-rechtlichen erheben (so die neuen Län-
derverfassungen), oder mag er den staatlichen Stellen die Berück-
sichtigung naturrechtlicher Erwägungen ausdrücklich freigeben.
Beispiele für letzteres: Das österreichische BGB 1811 verweist im
§ 7 auf "natürliche Rechtsgrundsätze". Der italienische Codice civile
nimmt im Art. 3 auf die "allg. Rechtsgrundsätze" Bezug. Nach RVerf.
1919 Art. 120 war die Erziehung der Kinder natürliches Recht der
Eltern. Ebenso Bonner GG Art. 6. Das RG über die Londoner Kon-
ferenz vom 30. August 1924, § 3 a, suchte die Bewohner der Rhein-
lande "im Genuß ihrer allgemeinen Menschenrechte" zu schützen.
Bonner GG Art. 1: "Das deutsche Volk bekennt sich zu unverletz-
lichen und unveräußerlichen Menschenrechten."

B. Ungesduiebenes oder Gewohnheitsrecht


Ungeschriebenes Recht - ius non scripturn - entsteht durch Rechts-
übung. Stoffquelle ist die unorganisierte Gesellschaft bzw. eine gesell-
schaftliche Gruppe. Kraftquelle ist die Macht des Herkommens und die
stillschweigende staatliche Zulassung.

I. Anwendungsgebiet
1. In den verschiedenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen,
beruflichen Gruppen im Staate können sich über rechtserhebliche
Fragen gewohnheitsrechtliche Normen bilden.
Beispiele:
a) aus dem Privat- und Prozeßrecht: Verkehrssitte wird zu Ver-
kehrsrecht, Handelsbrauch zu Handelsrecht, Gerichtsbrauch zu
Verfahrensrecht; internationales Privatrecht
b) aus dem öffentlichen Recht: Geltung landrechtlicher Vorschriften
im nichtlandrechtlichen Preußen, so des Allgemeinen Landrechts
(ALR) § 10, 11 17. Öffentlich-rechtliche Entschädigung. Gesetzes-
initiative des Kaisers gegenüber dem Bundesrat. Republikanischer
"Kronrat" in der Reichsrepublik. Aus Parlaments- und Regie-
rungs-Praxis kann Verfassungsrecht werden. Fraktionszwang?
Rechtsentstehung 37

2. Innerhalb der autonomen Verbände - der Körperschaften der kom-


munalen Selbstverwaltung und der wirtschaftlich-sozialen Eigenver-
waltung - kann durch sog. Observanz GewohnheitsreCht entstehen.
3. In den kirchlichen Verbänden ist ReChtsübung mögliCh, weniger in
der katholischen KirChe seit der Kodifikation (Gesamtaufzeichnung)
des KirChenrechts durch den Codex iuris canonici 1917, mehr in den
ev. LandeskirChen.
4. Im internationalen Leben war das Gewohnheitsrecht früher aus-
sChließliCh, ist es heute noCh weitgehend die Form der Rechtsbildung.
Beispiele: Pacta servanda sunt (Verträge müssen beaChtet werden -
Verträge sind heilig). Grundrechte der Staaten. Exterritorialität. Ge-
sandtschafts- und Konsularrecht. Beschränkungen der Kriegführung.

11. Rechtsnatur
1. Voraussetzungen. Die Wurzel ist auch hier das Rechtsbedürfnis. Es
führt in den verschiedenen gesellsChaftlichen Gruppen durch urwüCh-
siges Werden, nicht durch planmäßiges SChaffen zur ReChtsbildung.
Der Geltungsgrund ist die Macht der Gewohnheit, nicht die Gewalt
des Staates. Dabei müssen zwei Tatbestände verwirklicht sein:
a) objektiv eine Kette tatsächlichen, langdauernden, gleichförmigen
Verhaltens, wie wenn eine Norm gegeben und zu befolgen wäre;
b) subjektiv die überzeugung der Beteiligten, zu solchem Verhalten
reChtlich verpflichtet zu sein (opinio necessitatis); wenn diese
überzeugung, eine Norm als Rechtsnorm zu handhaben, fehlt
(Handelsbrauch, GerichtsbrauCh, Verwaltungspraxis, Völkersitte),
mangelt es an rechtsbildender Rechtsübung.
2. Wirkung ist die Erzeugung von Rechtsnormen (positiv: consuetudo
= Gewohnheit) oder die Änderung und Aufhebung von ReChtsnormen
[negativ: desuetudo). Entstandenes GewohnheitsreCht steht dem ge-
sChriebenen Recht an Geltungskraft gleich. Seine SChwäche bildet
niCht eine mindere Intensität, sondern die erschwerte Beweisbarkeit,
also geringere RechtssiCherheit. Der Staat kann die Rechtsübung ein-
schränken (Codex iuris canonici 5, 25 ff.), sogar verbieten (Sächs.
BGB 1863, § 28), aber auch ausdrücklich anerkennen [ZPO § 293).

111. Verhältnis von Rechtsübung und Rechtsetzung


1. ReChtsübung ist im allgemeinen älter als Rechtsetzung, ohne aber in
der gesChichtlichen Entwicklung von letzterer abgelöst worden zu
sein. Schon früh gab es einzelne geschriebene Rechtsnormen [lex
duodecim tabularum [Gesetz der XII Tafeln]), heute noch gibt es
zahlreiChe ungeschriebene Rechtsnormen (Völkerrecht).
38 Rechtsordnung

2. Gegenseitige Vorbereitung
a) Gewohnheitsrecht kann die Vorstufe gesetzten Rechtes sein. Ge-
wohnheitsrecht kann besonders über private Aufzeichnung zu
aufgeschriebenem, schließlich geschriebenem Recht werden. Bei-
spiele: Sachsenspiegel, Decretum Gratiani, Haager Landkriegs-
ordnung 1899/1907.
b) Ein gescheiterter Gesetzentwurf oder fremdstaatliches Recht kann
auf dem Wege der Rechtsübung Rechtsgeltung erlangen. Beispiele:
Rezeption des römischen Rechts in Deutschland. Brüsseler Land-
kriegsdeklaration 1874. Londoner Seekriegsdeklaration 1909.
3. Widersprüche zwischen Rechtsübung und Rechtsetzung. Solche sind
nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu lösen. Lex posterior
derogat priori (das spätere Recht ändert das frühere ab). Lex superior
derogat inferiori (das übergeordnete Recht geht dem untergeord-
neten vor; Bundesrecht im Bundesstaat).
a) Später gesetztes Recht geht früherer Rechtsübung vor; der Gesetz-
geber kann entstehendes oder entstandenes Gewohnheitsrecht
unterdrücken, aber auch bestätigen.
b) Späteres Gewohnheitsrecht geht früherem gesetzten Recht vor.
Gesetzesrecht kann durch Rechtsübung inhaltlich geändert oder
auch ganz beseitigt werden.

C. Geschriebenes oder gesetztes Recht


Bezeichnungen: ius scriptum, lex, Satzung, Gesetz. Vorzug: Deutlichkeit
und Dauerhaftigkeit. Nachteil: Gefahr der Erstarrung und Rückständig-
keit. "Es erben sich Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit
fort ... "

I. Staat und Remt


Beide Erscheinungen sind begrifflich zu unterscheiden, aber untrennbar
miteinander verbunden.
1. Kein Staat ohne Rechtt Ohne Rechtsordnung kann keine Staats-
ordnung werden und bleiben. Staat ist die rechtlich geordnete Ver-
bandseinheit eines Volkes. Es gibt keinen rechtlosen Staat, keinen
Staat vor dem Recht.
2. Kein Recht ohne Staatt Die Geltungskraft des Rechts ist auch durch
äußere Autorität bedingt. Ihr übergeordneter Wille schützt und er-
hält das Recht, indem er die Befolgung der Rechtsnormen sicherstellt.
Solche Autorität bietet jede hinlänglich organisierte Verbandsgewalt,
Rechtsentstehung 39

restlos und vollkommen die Staatsgewalt. Es gibt kein staatloses


Recht, kein Recht vor dem Staat bzw. staatsähnlichen Verband.
3. Mehrheit Don Staaten und Rechten. Nicht notwendig muß jedem
Staat ein Recht und jedem Recht ein Staat entsprechen.
a) Möglicherweise bestehen in einem Staat mehrere Rechtsordnun-
gen räumlich nebeneinander. So auf allen Rechtsgebieten mit
Ausnahme des Verfassungsrechts; ein Staat kann nicht teils
Monarchie, teils Republik sein (Gliedstaaten eines Bundesstaates
mit monarchischer Spitze können auch Staaten mit republikani-
scher Verfassung sein, so die Stadtstaaten Hamburg, Lübeck und
Bremen im Kaiserreich, vgl. Art. 1 und Art. 11 der RVerf. 1871,
anders Art. 17 Satz 1 RVerf. 1919 und Art. 28 Satz 1 GG). Da-
gegen können Privat-, Straf-, Verwaltungs-, Gemeinderecht usw.
nach Staatsteilen verschieden sein. Beispiele: Vielheit der ehe-
lichen Güterrechte in Deutschland vor 1900. Unterscheidung des
landrechtlichen, gemeinrechtlichen und französisch-rechtlichen Ge-
bietes im früheren Preußen. Verschiedenheit der Städte- und
Landgemeindeordnungen daselbst. Verschiedenheit des Landes-
rechts in den Landesteilen Baden und Württemberg des Landes
Baden-Württemberg.
b) Möglicherweise gilt eine Rechtsordnung für mehrere Staaten. So
in völkerrechtlichen Staatenverbänden, im Staatenbund, vorüber-
gehend im Vereinigten Wirtschaftsgebiet der anglo-amerikani-
schen Doppel-Zone. Allgemeine Deutsche Wechselordnung
(ADWO) 1847; Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
(ADHGB) 1861. Bisheriges Reichsrecht als übereinstimmendes
Landesrecht der neudeutschen Länder. Weltpostvereinsrecht.
4. Rechtsquellen. Wie der natürlichen Quelle die Materie des Wassers
entströmt, die Kraft des Wassers aber auf anderen Gegebenheiten
beruht, so entsprechend beim Recht. Wir unterscheiden:
a) Rechtsstoffquelle ist jeder organisierte Verband, zuhöchst der
Staat.
b) Rechtskraftquelle ist die öffentliche Verbandsgewalt, letztlich
originär die Staatsgewalt, neben ihr jedoch als heterogene (an-
dersartige) hoheitliche Gewalt die Kirchengewalt.
c) Rechtserkenntnisquellen sind Rechtsurkunden, Rechtsbücher, Ge-
setz- und Verordnungsblätter. Beispiele aus der Vorzeit: die
ägyptisch-babylonischen Papyri, die römischen zwölf Tafeln. Vgl.
Goethe, "Faust": "Was willst du böser Geist von mir? Erz? Mar-
mor? Pergament? Papier?"
40 Rechtsordnung

n. Unmittelbar-staatliche Rechtsetzung
Diese erfolgt entweder obrigkeitlich durch Gesetz und Verordnung oder
vereinbarlich durch Vertrag.
1. Obrigkeitlich durch Gesetz
Gesetz ist der erklärte Wille des Staates, daß eine Norm als Rechts-
norm gelten soll. Gesetzgebung ist die dahin lautende Erklärung
des Staatswillens durch die dazu berufenen Organe (gesetzgebende
Faktoren) in dem verfassungsgemäß bestimmten Verfahren (Weg der
Gesetzgebung).
a) Außer dem formellen Gesetz kennen Theorie und Praxis das
materielle Gesetz. Formelles Gesetz ist jeder legislative Akt ohne
Rücksicht auf seinen Inhalt. Materielles Gesetz ist jede Rechts-
norm ohne Rücksicht auf ihre Entstehungsform. Im allgemeinen
ist jedes formelle Gesetz zugleich materielles Gesetz. Doch be-
stehen Ausnahmen; es gibt einerseits formelle Gesetze ohne
Rechtsnorminhalt (Haushaltsplan, Amnestie), andererseits mate-
rielle Gesetze durch Akt der Exekutive (Rechtsverordnung,
Rechtssatzung) oder durch Justizakt (RVerf. 1919 Art. 13; Ent-
scheidungen der Verfassungsgerichtshöfe in den Ländern sowie
in der Bundesrepublik, gemäß Banner GG Art. 94 Abs. 2).
b) Die gesetzgebenden Faktoren bestimmt die Verfassung; sie sind
nach Staatsformen verschieden. Vgl. etwa ALR II 13 § 6. Preuß.
VerfUrk. 1850 Art. 62. RVerf. 1871 Art. 5, RVerf. 1919 Art. 68 ff.
Preuß. Verf. 1920 Art. 6, 29. Banner GG Art. 76 ff.
Im "NS-Staat" gab die Gesetze der "Führer" entweder allein
(Führererlaß) oder mit Reichsregierung oder Reichstag oder
Reichsvolk.
Nach den neuen deutschen Länderverfassungen beschließt die
Gesetze der Landtag, in Sonderfällen das Landesvolk, nach dem
Banner GG der Bundestag im Zusammenwirken mit dem Bundes-
rat.
e) Den Inhalt eines Gesetzes bildet - von den zu a) erwähnten Son-
derfällen abgesehen - die Aufstellung von Rechtsvorschriften,
welche für alle gelten, insbesondere für die Bürger verbindlich
sind, ihnen Pflichten oder Rechte geben können. Wenn ein Gesetz
den Rechtsbestand im ganzen, wenigstens für ein bestimmtes
Rechtsgebiet, mit der erkennbaren Tendenz erschöpfender Be-
handlung regelt, spricht man von "Kodifikation".
d) Die Form des Gesetzes, den Weg der Gesetzgebung, bestimmt die
Verfassung eines jeden Staates. Gewöhnlich spielt sich der Ge-
setzgebungsvorgang in fünf Stufen ab:
Rechtsentstehung 41
-----.-------------------------------------------------
Gesetzesvorschlag, Feststellung des Gesetzesinhalts, Erteilung
des Gesetzesbefehls (Sanktion), Ausfertigung und Verkündung.
(Hinweis auf die Gesetzblätter und auf das Problem des richter-
lichen Prüfungsrechtes. )
e) Im Bundesstaat ergibt sich aus der Gesetzgebungskompetenz so-
wohl der Gliedstaaten als auch des Gesamtstaates die Notwendig-
keit einer Abgrenzung der beiderseitigen Bereiche. In der Regel
spricht die Vermutung für die Zuständigkeit der Gliedstaaten.
Art. 70 GG. Wegen der überordnung des Bundes gehen aber die
Bundesgesetze den Landesgesetzen vor. Vgl. RVerf. Art. 13:
"Reichsrecht bricht Landesrecht"; Bonner GG Art. 31: "Bundes-
recht bricht Landesrecht." Das gilt selbstverständlich nur für ver-
fassungsmäßiges, im Rahmen der Bundeskompetenzen erlassenes
Bundesrecht.
2. Obrigkeitlich durch Verordnung
Hierbei ist die Exekutive zur Rechtsetzung berufen. Doch können
Regierungsorgane und Verwaltungsbehörden nur mit Ermächtigung
der gesetzgebenden Faktoren Rechtsvorschriften im Verordnungs-
wege geben, d. h. Rechtsverordnungen (Gegensatz: Verwaltungs-
verordnungen) erlassen. Eine Rechtsverordnung ist formell Regie-
rungs- oder Verwaltungsregelung, materiell Gesetz. Die wichtigsten
Arten der Rechtsverordnungen sind die Notverordnungen (provisori-
sche Gesetze), die gesetzvertretenden Verordnungen (so im "Dritten
Reich" die Verordnungen des Ministerrats für die Reichsverteidi-
gung), die Ausführungsverordnungen (sofern sich diese nicht ledig-
lich an den Staatsapparat wenden) und die Polizeiverordnungen.
Näheres über Organe, Inhalt und Form der Verordnungen bestim-
men die Verfassungen und Gesetze. Die "Führererlasse" im "Dritten
Reich" waren mangels einer legislativen Ermächtigung keine Rechts-
verordnungen im vorstehenden Sinne.
3. Vereinbarlich durch Vertrag
Beim Staatsvertrag erfolgt die Rechtsetzung auf der Grundlage der
Gleichordnung im Wege der Vereinbarung. Von solchen rechtsetzen-
den Staatsverträgen (Rechtsvereinbarungen) sind die rechtsgeschäft-
lichen (rechtsanwendenden) Staatsverträge als Verträge im engeren
Sinne wohl zu unterscheiden. Vereinbarungen können völkerrecht-
lich mit fremden Staaten, staatsrechtlich innerhalb eines Bundes-
staates, verwaltungsrechtlich zwischen Staat und Selbstverwaltungs-
körpern abgeschlossen werden. Näheres über Organe, Form und
Inhalt der Vereinbarungen bestimmen nächst dem Völkerrecht die
Verf assungen.
42 Rechtsordnung

III. Mittelbar-staatlime Remtsetzung


Diese geschieht mit staatlicher Ermächtigung und unter staatlicher Auf-
sicht durch die mit Autonomie ausgestatteten öffentlichen Verbände im
Staat. Auch hier kann hoheitliche und vereinbarliche Rechtsbildung
unterschieden werden.
1. Hoheitlich, wenngleich in Beschlußform, ergehen die Rechtssatzun-
gen persönliCher, örtliCher oder beruflicher Verbände. Ein mit Sat-
zungsbefugnis ausgestatteter Personalverband dieser Art war früher
in Deutschland der hohe Adel. Zu ihm gehörten die 1806 mediati-
sierten, die weiterhin depossedierten und die 1918 entthronten Dyna-
stien. Der Umkreis des hohen Adels stand also im Gegensatz
zum nie dem Adel durch die geschichtliche Entwicklung fest. Den
Gegenstand seiner Autonomie bildete vornehmlich Vermögens-,
Familien- und Erbrecht. Autonomie besitzen heute die örtlichen und
überörtlichen Verbände der kommunalen Selbstverwaltung [Gemein-
den, Gemeindeverbände, Zweckverbändel. sowie die beruflichen
Verbände der wirtsChaftlichen, sozialen oder kulturellen Eigenver-
waltung. Die Ausübung der Autonomie geschieht durch hoheitlichen
BesChluß der zuständigen Verbandsorgane, vielfach mit nachfolgen-
der staatsaufsiChtlicher Bestätigung.
2. Vertragliche Vereinbarungen rechtsetzenden Inhaltes können zu-
näChst zwisChen den vorbezeichneten örtlichen oder beruflichen Ver-
bänden untereinander, sodann aber auch zwischen an sich privat-
reChtliChen Gruppen abgeschlossen werden, denen der Staat eine
öffentliCh-reChtliChe Regelungsbefugnis zuerkannt hat. Das Haupt-
beispiel dafür stellten bis 1933 und stellen wieder seit 1945 die Tarif-
verträge dar, welche zwisChen den Gewerkschaften und den Arbeit-
geberverbänden abgeschlossen werden und verbindliche Vorschriften
für die Gestaltung der Einzelarbeitsverträge aufstellen.

IV. Außerstaatlime Remtsetzung


SolChe findet statt in der Kirche, zwischen Kirche und Staat, zwischen
Staaten der Völkerrechtsgemeinschaft. Im .. Dritten Reich" existierte
noCh eine eigenartige, angebliCh originäre, nichtstaatliche Rechtsbildungs-
befugnis der NSDAP.
1. Rechtsetzung in der Kirche
Vom einseitig staatliChen Standpunkt aus wäre nicht nur jede evan-
gelisChe Landeskirche, sondern auch die katholische Kirche als auto-
nomer Verband, daher ihre Regelung als autonome Satzung zu be-
trachten. Diese Annahme widerspricht aber jedenfalls für die katho-
Rechtsanroendung 43

lische Kirche der Wirklichkeit. Von ihrem Standpunkt aus gesehen


bildet die Kirche einen dem Staat gegenüber heterogenen Verband,
aber eine societas perfecta (vollkommene Gesellschaft) mit eigen-
ständiger Gewalt oder originärer Rechtsbildungsbefugnis. Organe,
Gegenstände und Formen der kirchlichen Rechtsbildung bestimmen
sich nach dem kirchlichen Verfassungsrecht.
Kirchliche Gesetzgebungsfaktoren: Papst, Bischöfe; Landeskirchentag
(Synodel. Landeskirchenrat (Konsistorium).
2. Rechtsetzung zwischen Kirche und Staat
Konkordate sind im Unterschied von kirchlich-staatlicher Parallel-
gesetzgebung (einerseits päpstliche Bullen, so 1821, anderseits staat-
liche Gesetze) rechtsetzende Verträge - Vereinbarungen - zwischen
Staat und Kirche, deren Rechtscharakter nicht unstreitig, deren
Rechtsverbindlichkeit aber unbestreitbar ist.
Vgl. die Konkordate von 1122, 1801, 1817, 1925, 1929, 1933.
3. Rechtsetzung zwischen Staaten
In Betracht kommen Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern der
Völkerrechtsgemeinschaft oder engerer Vereinigungen wie Völker-
bund, UN, Weltpostverein usw. Internationale Rechtsbildung -
neben der gewohnheitsrechtlichen Rechtsübung - geschieht in Form
des völkerrechtlichen Vertrages. Dieser bildet im Völkerrecht gleich-
zeitig die Rechtsform für die rechtsetzende Vereinbarung wie für das
rechtanwendende Rechtsgeschäft. Es handelt sich auch hier um
außerstaatliche, nicht innerstaatliche, noch weniger überstaatliche
Rechtsetzung; allerdings muß der zwischenstaatlichen Vereinbarung
die innerstaatliche Verankerung durch Gesetz oder Verordnung nach-
folgen. Die Bindung der Staaten an die allgemein anerkannten Re-
geln des Völkerrechts hat vielfach in neueren Verfassungen beson-
deren Ausdrud< gefunden; so in der Reichsverfassung 1919 Art. 4, in
den neuen Länderverfassungen und im Bonner GG Art. 25.

5. Kapitel

Rechtsanwendung
Alles Recht wird gebildet, um auf die rechtserheblichen Lebensverhält-
nisse der Menschen und der menschlichen Verbände Anwendung zu
finden. Den rechtsanwendenden Stellen erwächst eine dreifache Auf-
gabe:
44 Rechtsordnung

1. Feststellung des konkreten rechts erheblichen Sachverhalts (quaestio


facti, Frage nach dem Sachverhalt),
2. Feststellung der in concreto maßgeblichen abstrakten Rechtsvor-
schriften (quaestio iuris, Frage nach der Rechtsvorschrift),
3. Anwendung der abstrakten Rechtsnormen auf den konkreten Sach-
verhalt (subsumtio, Unterordnung).
Die Rechtsanwendung setzt somit die Klärung des Falles und die
Klärung des Rechtes voraus.

A. Feststellung des Rechtsfalles


Die Ermittlung und Klärung des konkreten rechtserheblichen Sachver-
halts ist Aufgabe des juristischen Praktikers (z. B. des Richters, des
Staatsanwalts, des Verwaltungsbeamten). Rechtlich erheblich sind Zu-
stände, Vorgänge, Willenshandlungen. Zur Ergänzung der sinnlichen
Wahrnehmungen und der logischen Folgerungen bietet das Recht einige
besondere Handhaben für die tatsächliche Feststellung.

I. Mamtmittel
Die Rechtsordnung gewährt ihren Trägern Machtmittel zur einwand-
freien Ermittlung rechtlich bedeutsamer Tatbestände.
Vgl. z. B. die Verfahrensvorschriften über Beweiserhebung und Beweis-
sicherung, über polizeiliche und steuerliche Ermittlungen.

1I. Remtlime Mittel


Die Rechtsordnung erleichtert die feststellende Tätigkeit der Behörden
durd!. Rechtsvermutungen und Fiktionen.
1. Rechtsvermutungen. Die Lehre unterscheidet Rechtsvermutungen
i. e. S. (z. B. BGB § 891) und Tatsachenvermutungen (z. B. BGB § 20).
Beide entheben der Notwendigkeit weiterer Ermittlung, gestatten
z. B. dem Richter die prüfungslose Hinnahme eines von der Partei
behaupteten Sachverhaltes. Allerdings ist Gegenbeweis durch den
Prozeßgegner zulässig. Nur in wenigen Fällen wirkt die Vermutung
so stark, daß der Gegenbeweis ausgeschlossen ist. Die widerlegbare
Vermutung wird als "praesumtio iuris", die unwiderlegbare als
"praesumtio iuris et de jure" bezeichnet.
Beispiele für widerlegbare Vermutungen: BGB §§ 18-20, 891, 1501.
Preß gesetz § 20 11. ZPO § 292.
Beispiele für unwiderlegbare Vermutungen: ZPO §§ 39, 269; KO
§ 108 11. Altersgrenze im Beamtenrecht.
Rechtsanroendung 45

2. Fiktionen. Es werden Tatsachen als vorhanden unterstellt, die mög-


licherweise gar nicht existieren. Das Gesetz verlangt z. B. vom Bür-
ger ein rechtliches Verhalten oder vom Richter eine rechtliche Be-
handlung, wie wenn ein bestimmter Sachverhalt verwirklicht wäre,
dessen Bestehen ungewiß oder dessen Nichtbestehen gewiß ist.
Beispiele: Badeordnung: "Das Betreten des Frauenbades ist Männern
verboten, der Badewärter gilt nach dieser Badeordnung als Frau."
BGB §§ 892, 1923. Ehegesetz § 11 Abs. 2. Fiktionstheorie bei juristi-
schen Personen.

B. Feststellung der Rechtsvorschriften


Eine solche ist in einer Reihe von Fällen erforderlich. Sie obliegt vor-
bereitend dem Theoretiker, abschließend dem rechtsanwendenden Prak-
tiker.

I. Feststellung des zeitlich, örtlim und artIim maßgebenden Remtes


1. Welches von mehreren zeitlich verschiedenen Rechten ist im kon-
kreten Fall anwendbar? Das Problem des intertemporalen Remtes
- z. B. des zwischenzeitlichen Privatrechtes, des zwischenzeitlichen
Strafrechtes - entsteht, wenn ein rechtserheblicher Sachverhalt sich
über eine Zeitspanne erstreckt, während welcher die maßgebende
Rechtsvorschrift sich ändert. Für diesen Fall gibt es besondere Nor-
men (.. übergangsrecht"l. welche darüber Aufschluß geben, ob der
Sachverhalt nach dem alten oder neuen Recht zu beurteilen ist. Ein
Sonderfall ist die sog. "rückwirkende Kraft" neuer Rechtsnormen;
solche ist niemals zu vermuten, sondern stets durch ausdrückliche
Anordnung bedingt, im Strafrecht der Kulturstaaten ausgeschlossen.
Beispiele: Ein Pacht- oder Ehe- oder Erbvertrag ist vor 1900 geschlos-
sen, ein Testament vor 1900 errichtet, der Beurteilungsfall tritt nach
dem 1. Januar 1900 ein. EGBGB Art. 153 ff., z. B. Art. 200, 214.
Ein Mord ist unter der Herrschaft früheren Strafrechts begangen, ge-
langt unter der Herrschaft neuen Strafrechts (nach der Abschaffung
der Todesstrafe) zur Aburteilung. StGB § 2 11: Grundsatz der An-
wendung der milderen Strafnorm.
2. Welches von mehreren örtlich verschiedenen Rechten ist auf einen
Sachverhalt anzuwenden? Das Problem des internationalen Rechts
(Lehre von der Statutenkollision) - z. B. des internationalen Privat-,
Straf-, Prozeß-, Verwaltungsrechts - entsteht, wenn irgend ein inter-
nationaler Tatbestand vorliegt. Für diesen Fall bestehen besondere
Vorschriften (.. Kollisionsnormen"), die darüber Aufschluß geben,
46 Rechtsordnung

nach welchem der mehreren in Betracht kommenden nationalen


Rechte der Sachverhalt zu beurteilen ist. Maßgeblich kann z. B. die
Staatsangehörigkeit der Beteiligten, der Ort des Geschäftsabschlus-
ses, der Erfüllungsort, die Belegenheit der Sache, die Rechtshängig-
keit im Prozesse sein. Das als maßgeblich ermittelte nationale Recht
ist so dann anzuwenden.
Beispiele: Ein Deutscher und ein Franzose schließen in Holland einen
Kaufvertrag über ein belgisches Grundstück. Ein Engländer heiratet
in Dänemark eine Russin. Ein Norweger testiert in Italien über sein
in Spanien belegenes Vermögen. Welches Gericht ist für die Klage
eines Schweizers gegen einen Bulgaren aus einem in Innsbruck ge-
schlossenen, in München zu erfüllenden Vertrage zuständig? Nach
welchem Recht ist ein Betrug, den ein Belgier in Deutschland zum
Schaden eines österreichers verübt, zu bestrafen? Nationale Kolli-
sionsnormen im EGBGB Art. 7 bis 31. Internationale Kollisionsnor-
men in den Haager Abkommen 1902/05.
3. Welches von mehreren artlich verschiedenen Rechten ist in concreto
(im Einzelfall) anzuwenden? Wenn ein Sachverhalt möglicherweise
nach einem Sonderrecht oder nach entweder dem einen oder dem
anderen zweier gegenständlich konkurrierender Rechte zu beurteilen
ist, muß zunächst die maßgebende Rechtsart festgestellt werden, um
sodann nach dieser zu entscheiden.
Beispiele: Bürgerliches oder Handelsrecht, Gemeines- oder Steuer-
strafrecht, Beamten- oder Arbeitsrecht, Staats- oder Kirchenrecht,
Reichs-, Bundes- oder Landesrecht?
Rechtsgrundsätze: Sonderrecht geht vor allgemeinem Recht, Völker-
recht, soweit anerkannt, vor nationalem Recht.

11. Feststellung des Bestehens, insbesondere der Echtheit und Rechts-


gültigkeit des zuständigen Rechts
1. Beim gesetzten Recht ist sorgsam zu prüfen, ob die Vorschrift echt,
verfassungsmäßig und noch gültig ist.
a) Echt-authentisch. Eine Unechtheit des Textes kann auf einem
Redaktionsfehler (die unrichtige Originalurkunde ist "richtig",
ihr Inhalt folglich unrichtig abgedruckt) oder auf einem Druck-
fehler (die richtige Originalurkunde ist unrichtig abgedruckt) be-
ruhen. Es bedarf dann, da der Abdruck im Gesetzblatt oder son-
stigen Verkündungsorgan für authentisch gilt, einer Berichtigung
an gleicher Stelle. Bis dahin gilt an und für sich der unrichtige
Text, doch dürfen offenbare Unrichtigkeiten korrigiert werden.
Rechtsanroendung 47

bl Verfassungsmäßig. Dem rechts anwendenden Praktiker war nach


der im Kaiserreich (übrigens auch im "Dritten Reich") herrschen-
den Lehre die Nachprüfung, ob ein Gesetz in den verfassungs-
mäßig vorgeschriebenen Formen der Gesetzgebung zustande ge-
kommen sei, entzogen; jedoch hat das Reichsgericht (RGZ 111,
320), das "richterliche Prüfungsrecht" bejaht. Dagegen wurde dem
Praktiker bisher schon und wird ihm auch heute das Recht zu-
erkannt, zu prüfen, ob eine Rechtsverordnung oder Satzung mit
dem formellen Gesetz, ob ein einfaches Gesetz mit der Verfas-
sung, ob Landesrecht mit dem Reichsrecht (heute mit dem Bun-
desrecht) vereinbar sei. Das Bonner GG hat die Entscheidung dem
Bundesverfassungsgericht (BVerfGl vorbehalten (Art. 100).
e) Noch geltend. Vor der Rechtsanwendung ist zu prüfen, ob die
Rechtsvorschrift noch in Kraft steht, ob sie nicht durch Zeit-
ablauf (bei befristeter Geltung) erloschen, durch anderweitige
Rechtsetzung oder Rechtsübung außer Kraft gesetzt oder gar
durch außerordentliche Ereignisse (Krieg, Umsturz) vernichtet
worden sei.
2. Beim Gewohnheitsrecht ist noch viel sorgsamer zu prüfen, ob durch
Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen ein Rechtsübungssatz
als entstanden anzunehmen, ob ein solcher nicht durch gegenteilige
Rechtsbildung ausdrücklich oder stillschweigend (desuetudo, das
Gegenteil von eonsuetudol wieder außer Kraft gesetzt ist.

III. Auslegung des Rechts


1. Gemeinsames. Vielfach ist noch eine Auslegung (Interpretation) un-
vollkommenen, d. h. lückenhaften oder unklaren Rechtes notwendig.
Auslegung ist sowohl theoretische Erwägung als auch praktische
Tätigkeit. Sie besteht im Auslegen des wahren, nicht im Unterlegen
des gewünschten Sinnes. Goethe, Faust I: "Im Auslegen seid frisch
und munter, legt ihr's nicht aus, so legt was unter."
Die Auslegung von Gesetzen darf auch nicht subjektiv = tendenziös
i. S. einer Weltanschauung oder Staatsauffassung -, sondern muß
objektiv = sachlich - erfolgen. Ersteres war im "Dritten Reich" nicht
nur zugelassen, sondern vorgeschrieben. Das Musterbeispiel dafür
bildete § 1 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober
1934: "Die Steuergesetze sind nach nationalsozialistischer Welt-
anschauung auszulegen."
Diese Rechtsvorschrift ist durch den Zusammenbruch der national-
sozialistischen Diktatur außer Geltung getreten. Zur völligen Klar-
stellung hat das Kontrollratsgesetz Nr. 12 vom 11. Februar 1946
48 Rechtsordnung

bestimmt: "Alle deutsmen Steuergesetze sind ohne Unterschied der


Rasse, des Glaubens, der Staatsangehörigkeit oder politischen Ein-
stellung anzuwenden. Alle gesetzlichen Bestimmungen, die mit die-
sem Grundsatz unvereinbar sind, werden aufgehoben, insbesondere
diejenigen, die vorschreiben, daß die deutschen Steuergesetze im
nationalsozialistischen Geiste zu verstehen und auszulegen sind." -
Vgl. auch Militärregierungsgesetz Nr. 1. "Die Auslegung oder An-
wendung des deutsmen Rechtes nach nationalsozialistischen Grund-
sätzen, gleimgültig, wann und wo dieselben kundgemacht wurden,
ist verboten."
Für die Auslegung von Rechtssätzen - entsprechend übrigens von
rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen - haben sich bestimmte Re-
geln ausgebildet. Dabei ist zu unterscheiden:
2. Auslegung von Rechtsvorschriften zwecks Anwendung auf den tat-
bestandsmäßigen Sachverhalt.
a) Oft muß smon der Wortlaut - bei verwickelter und unklarer Ge-
setzessprache, ebenso bei Verweisungen, Weiterverweisungen
und Rückverweisungen - ermittelt werden.
"Musterbeispiele" enthalten die §§ 881, 2316 Abs. 4 BGB. Unfug
der Verweisung auf kaum auffindbare ältere Vorschriften. Wel-
mes sind die als einem neuen Gesetz "entgegenstehend" außer
Kraft gesetzten Bestimmungen? Gesetzgeberische oder redaktio-
nelle Flüchtigkeiten in der Kriegs- und Nachkriegszeit und in der
Gegenwart.
b) Darüber hinaus ist der Wortsinn eines Gesetzes - ebenso gemäß
BGB § 133 einer Willenserklärung - zu ermitteln. In Betracht
kommt:
aal Grammatism-sprachlime Ermittlung aufgrund des klaren
oder geklärten Wortlautes.
bb) Logische Ermittlung des im Gesetz objektivierten Willens des
Gesetzgebers unter Berücksichtigung von Bedeutung, Zweck
und Ziel der Vorschrift, insbesondere in politischer, wirt-
schaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht.
ce) Historische Ermittlung des Willens des damaligen Gesetz-
gebers; Bedeutung der Präambeln und Vorsprüche, der Ent-
würfe, Denkschriften und Begründungen, sowie der parla-
mentarischen Verhandlungen und Regierungserklärungen.
c) Das Verhältnis zwischen Wortlaut und Wortsinn betrifft die aus-
dehnende oder einengende Auslegung.
aal Ausdehnende Auslegung (extensive Interpretation) ist unter
normalen Verhältnissen eines geordneten Kulturstaates bei
Rechtsanroendung 49

Ausnahmebestimmungen und vor allem im Strafrecht unzu-


lässig; Ausnahmen im "Dritten Reich" und in einigen Fremd-
staaten.
bb) Einengende Auslegung (restrictive Interpretation) ist ver-
bindlich für alle Ausnahmen von einer Regel, für alle Durch-
brechungen eines Grundsatzes.
Beispiele: Unter "Kindern" sind im Zweifel nur eheliche,
nicht auch uneheliche, nur natürliche, nicht auch adoptierte,
zu verstehen. Alle Ausnahmen der früheren Gewerbefreiheit
waren einengend auszulegen. Alle Durchbrechungen der ver-
fassungsmäßigen Grundrechte sind einengend auszulegen.
d) Authentische Auslegung. Maßgeblich können Rechtsvorschriften
durch die ausdrücklich oder stillschweigend rechtsbildende Stelle
selbst ausgelegt werden. Man unterscheidet Legalinterpretation
bei geschriebenem, Usual-Interpretation bei ungeschriebenem
Recht. Älteres Beispiel: RVerf. 1919, Art. 61 Abs. 2. Heute ent-
scheidet bei Streitigkeiten das BVerfG gemäß GG Art. 93 Abs. 1
Nr.1.
3. Auslegung von Rechtsvorschriften zwecks Anwendung auf andere
als die in der Vorschrift tatbestandsmäßig normierten Sachverhalte.
Solche Auslegung ist teils zulässig, teils unzulässig.
Analogie - sinngemäße Anwendung - besteht in der Anwendung
einer einen bestimmten Tatbestand regelnden Vorschrift auf einen
von ihr an und für sich nicht betroffenen, aber ähnlich liegenden
anderen Sachverhalt, weil die "ratio legis" (Grundgedanke des Ge-
setzes) auch letzteren deckt.
Beispiele: Erstreckung der Anfechtbarkeit wegen Irrtums über
Sachen auf Irrtum über Rechte. übertragbarkeit zivilprozessualer
Vorschriften auf den Verwaltungsprozeß? Anwendbarkeit der Blok-
kaderegeln auf Seesperre und U-Bootkrieg?
Analoge Anwendung ist ausgeschlossen bei Ausnahmebestimmun-
gen, bei Einschränkungsnormen sowie beim Strafrecht. Nullum cri-
men sine lege, nulla poena sine lege: Keine Handlung ist strafbar.
wenn das Gesetz dies nicht vorher. d. h. vor ihrer Begehung. be-
stimmt hat; keine Strafe ist verhängbar, die das Gesetz nicht vorher
bestimmt hat.
Beispiele: Der Diebstahlsparagraph ist nicht anwendbar auf herren-
lose Sachen. Die in RVerf. 1919 Art. 48 11 nicht genannten Grund-
rechte waren nicht suspendierbar.
4. Lücken in der Rechtsordnung
Ihre Schließung ist geboten. Wie kann sie erfolgen?

4 Giese, Redlt
50 Rechtsordnung

a) Tatbestand der "echten Lücken": Für einen rechts erheblichen


Sachverhalt ist keine Rechtsvorschrift vorhanden. die Ausfüllung
der Lücke mittels ausdehnender Auslegung oder im Wege der
Analogie versagt. (Gelingt solche Ausfüllung. so lag bloß eine
.. unechte Lücke" vor.)
b) Die Wirkung ist verschieden. je nachdem der Gesetzgeber die
.. echte Lücke" bewußt oder unbewußt gelassen hat.
Bewußt gelassene Lücken sollen der Regelung entbehren. sie
dürfen und können nicht geschlossen werden.
Unbewußt gelassene Lücken dürfen und sollen geschlossen wer-
den. Für die Art und Weise ihrer Ausfüllung gibt der Gesetz-
geber bisweilen Fingerzeige. Mangels solcher sind sie aus den
leitenden Grundgedanken der Rechtsordnung heraus (nicht will-
kürlich nach .. Rechtsgefühl" oder gar .. gesundem Volksempfin-
den") zu schließen; ferner geben dafür Handels- und Verkehrs-
brauch. Verwaltungs- und Gerichtspraxis. rechtswissenschaftliche
Forschungsergebnisse Anhaltspunkte.
Beispiele für legislative Fingerzeige: österreichisches BGB. 1811.
Schweizerisches Zivilgesetzbuch 1907 § 1: ..... so soll der Richter
nach der Regel entscheiden. die er als Gesetzgeber aufstellen
würde; er folgt dabei bewährter Lehre und überlieferung."
Prisenhofabkommen vom 18. Oktober 1907. Art. 7: ..... so ent-
scheidet das Gericht nach den allgemeinen Grundsätzen der Ge-
rechtigkeit und der Billigkeit."
5. Auslegung und Lückenergänzung nach logischen Gesichtspunkten
Methoden des logischen Schlußverfahrens:
a) a majore ad minus (vom Allgemeinen auf das Besondere).
b) a minore ad majus (vom Besonderen auf das Allgemeine),
c) argurnenturn e contrario (Umkehrschluß).
d) argurnenturn a fortiori (wenn schon Rechtsfolge A. dann erst recht
Rechtsfolge B).
e) argurnenturn ad absurdum (eine andere Regelung führt zu einem
unsinnigen Ergebnis).
f) Schluß vom Zweck auf das Mittel (z. B.: Wem die Gesetze ein
Recht zugestehen. dem geben sie auch die Mittel. dieses Recht
auszuüben. Vgl. § 89 EinlPrALR).
Zu den Methoden des logischen Schlußverfahrens gehören aum
Analogie und Induktion. Voraussetzung für die Anwendung dieses
Verfahrens ist in jedem Falle die Auslegungsfähigkeit bzw. die
Zulässigkeit einer Lückenergänzung (vgl. oben 2 - 4).
Rechtsanroendung 51

C. Anwendung des Rechts


Dem Theoretiker gebührt die Auslegung, dem Praktiker außerdem die
Anwendung des Rechts.

I. Anwendung durch jedermann


Jedermann wendet das Recht tagtäglich unausgesetzt an, bewußt und
unbewußt. Dabei setzt das Recht voraus, daß jeder es kenne. Lex vigi-
lantibus scriptum est: Das Recht ist für die Wachsamen geschrieben.
Ignorantia iuris nocet: Unkenntnis des Gesetzes schadet.
1. Man wendet das Recht an, indem man objektiv-rechtlich verliehene
"subjektive Rechte" - z. B. Zeugnisverweigerungsrecht, Wahlrecht,
Petitionsrecht - ausübt, wozu rechtlich (aber möglimerweise sozial,
wirtsmaftlim, politism) kein Zwang besteht; oder indem man von
objektivremtlim zuerkannten Fähigkeiten - z. B. Gesmäfts-, Testier-
fähigkeit - Gebraum mamt, was gleimfalls remtlim freisteht.
2. Man wendet das Remt aum an, indem man von den remtlim ge-
botenen Möglichkeiten Gebraum mamt.
a) Normaler Gebrauch - wobei die Remtsanwendung nimt Selbst-
zwed<:, sondern Mittel zur Erreimung eines außerordentlichen
wirtschaftlimen oder sozialen Zwed<:es ist - findet z. B. in folgen-
den Fällen statt:
Rechtsgeschäfte, Verträge, übereignung, Eheschließung, Erbein-
setzung, Vereinsgründung, Stiftung, Prokuraerteilung, Ausstel-
lung von Smed<: und Wechsel. Inansprumnahme von Behörden,
Benutzung von öffentlimen Anstalten: Schule, Krankenhaus,
Post, Eisenbahn, Gaswerk.
Das so gehandhabte Recht kann zwingend oder nachgiebig sein.
Dem zwingenden oder unabdingbaren Recht (ius cogens) können
sich die Beteiligten weder einseitig noch durm Vereinbarung, sei
es untereinander, sei es mit der Behörde, entziehen. Beim nach-
giebigen, nicht zwingenden, abdingbaren Recht (ius dispositivum)
gilt die Rechtsvorschrift nur, wenn ein anderweitig erklärter oder
mutmaßlicher Parteiwille nicht vorliegt.
Zwingend: Bei Obwalten eines öffentlimen Interesses, z. B.
Schriftlichkeit der Bürgschaftserklärung, Beurkundung des Schen-
kungsversprechens, Grundbumremt, Vormundsmaftsrecht; Tarife
der öffentlichen Verkehrsanstalten; Inhalt der arbeitsremtlichen
Tarifverträge.
Nachgiebig: Auslegungsvorschriften für Rechtsgeschäfte, BGB
§§ 186,270.

4'
52 Rechtsordnung

b) Anormaler Gebrauch, MißbrauCh des ReChts, "Umgehung des Ge-


setzes", agere in fraudem legis [unter MißaChtung des Gesetzes):
Scheingesmäfte und Scheinhandlungen, Verschleierungsgeschäfte.
Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürger-
lichen Rechts zur Umgehung der Steuerpflimt, StAnpG § 6.
3. Man wendet das Recht endlich an durch gesetzmäßiges Verhalten,
indem man die Gesetze entweder unmittelbar durch Erfüllung der
gesetzlichen, z. B. staatsbürgerlichen Pflimten, oder mittelbar durm
Erfüllung gesetzmäßig begründeter Verbindlimkeiten befolgt.

11. Anwendung durch die Organe des Staates


Damit gelangen wir zu der ungleich wichtigeren Anwendung des Rechtes
durm die Organe des Staates und der übrigen öffentlimen Verbände,
insbesondere der Selbstverwaltungskörper und der Kirchen.
1. Die gesetzgebenden Faktoren sind grundsätzlich zur Rechtsbildung,
nicht zur Rechtsanwendung berufen. Nur ausnahmsweise wenden sie
Remt an, so vor allem bei der alljährlichen Feststellung des Haus-
haltsplanes in der Form des Gesetzes.
2. Dagegen sind die Behörden nur ausnahmsweise zur Remtsbildung
[Erlaß von Remtsverordnungen, von autonomen Satzungen) berufen;
doch ist bei solcher Rechtsanwendung eine grundlegende Untersmei-
dung zwischen den Verwaltungsbehörden und den Justizbehörden
zu machen.
a) ReChtsanwendung durCh die Verwaltung. Alle Verwaltungstätig-
keit gliedert sich in die freischöpferische, gesetzlim ungebundene
Tätigkeit der "Regierung" und die gesetzlich gebundene rechts-
anwendende Tätigkeit der "Vollziehung".
aal Die Tätigkeit der "Regierung" obliegt den obersten Staats-
organen [z. B. Regierung und Staatshaupt). Die Regierungs-
stellen haben zu regieren, d. h. den Staatswillen nicht in der
Formulierung des Gesetzgebers zu vollziehen, sondern ihn
selbständig zu bilden und demgemäß zu betätigen. Eine
Rechtsanwendung kommt dabei nur insofern in Betracht, als
jene Stellen nicht gegen die Gesetze oder gar gegen die Ver-
fassung verstoßen dürfen.
bb) Die Tätigkeit der "Vollziehung" [z. B. durch die Polizei- oder
die Steuerbehörden) bedeutet Durchführung der Remtsvor-
smriften durch die Verwaltungs stellen. Wesentlim ist dieser
Remtsanwendung, daß sie nicht als Selbstzweck, sondern als
Mittel zum Zweck der Förderung des Gemeinwohls aufzu-
Remtsanroendung 53

fassen ist. Durch diese Tätigkeit sollen nidü die einzelnen


Paragraphen der Gesetze gehandhabt, sondern die durch die
Aufstellung dieser Paragraphen vom Gesetzgeber angestreb-
ten Ziele für das gemeine Beste verfolgt werden. Der Errei-
chung dieses Zieles dient einerseits die Einrichtung, daß die
Verwaltungs stellen außer an die zu vollziehenden Gesetzes-
vorschriften auch an die allgemeinen Verwaltungsnormen
und besonderen Dienstbefehle der vorgesetzten Behörden
gebunden sind, anderseits die Einrichtung, daß die Verwal-
tungsstellen in besonders weitem Ausmaße das sog. freie
Ermessen, natürlich nur im Rahmen der Gesetze, zu hand-
haben befugt und verpflichtet sind.
b) Rechtsanroendung durch die Justiz. In der Form der Justiz wird
auch eine Reihe von Verwaltungs aufgaben erfüllt, hauptsächlich
aber die Rechtspflege geübt. Auch die Zivil-, Straf- und Verwal-
tungsrechtspflege dient natürlich dem allgemeinen Wohl im Staat;
ihre besondere Eigenart und ihr spezifischer Daseinszweck ist
aber die Aufrechterhaltung der bestehenden Rechtsordnung. Die
Anwendung des Rechts ist hier nicht Mittel zu einem andern
Zwed<, sondern Selbstzroeck. Daraus ergeben sich wichtige Folge-
rungen.
aal Der Richter ist, anders als der vollziehende Verwaltungs-
beamte, nur an das Gesetz (gleich Rechtsnorm) gebunden,
nicht an Verwaltungsnormen und Dienstbefehle. Vgl. die
Verankerung dieses Grundsatzes in den alten und neuen
Verfassungen.
bb) Der Richter ist anderseits dem Gesetz unbedingt untertan,
also keineswegs befugt, davon abzugehen. Nur soweit das
Gesetz selbst ihm größere Bewegungsfreiheit einräumt - vgl.
z. B. BGB §§ 138, 157, 242, 826, 1300, 1333, 1568 -, darf, ja
muß er der Billigkeit und Angemessenheit Rechnung tragen
und das ius aequum (Billigkeitsrecht) im Gegensatz zum ius
strictum (strenges Rechtl handhaben, damit nicht die über-
spannung "fiat iustitia pereat mundus" (es geschehe Recht,
und wenn die Welt darüber zugrundegehen möge) wahr
werde. An diesem Grundsatz der Gesetzestreue des Richters
wird oft und wurde besonders im Dritten Reich gerüttelt.
Man forderte und fordert größere Selbständigkeit des Rich-
ters gegenüber dem Gesetz. Richtig ist, daß der Richter auch
die Interessenlage der Parteien beachten (Interessenjurispru-
denz), die wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigen (Recht
und Wirtschaft) und dem natürlichen Volksempfinden Rech-
54 Rechtsordnung

nung tragen soll (Volks-, nidlt Juristenrecht), aber befugt ist


er dazu nur im Rahmen des Gesetzes, nur intra legem. Abzu-
lehnen ist jedenfalls, daß der Ridlter zu korrigierender Ge-
setzesauslegung berufen sei, zwar befürwortet man heute
wieder eine Bindung des Ridlters an das sog. Naturredlt, dodl
leiden darunter allemal Gesetzestreue und Redltssidlerheit.
Die richtige Lösung besteht in der Änderung überalterter,
unzwed<mäßiger und ungeredlter Gesetze durdl den Gesetz-
geber selbst.
Zweiter Teil

Rechtswissenschaft
6. Kapitel

Begriff und Wesen


A. Rechtswissenschaft als Sonderwissenschaft
I. Wissenschaft
Die Kulturerscheinung "Recht" als Idee und als Realität kann praktisch
und theoretisch Gegenstand geistiger Betätigung sein: Rechtskunst und
Rechtswissenschaft.
1. Rechtskunst ist die vollendete Entfaltung praktischen Könnens auf
dem Gebiete des Rechts. So gibt es eine Kunst der Gesetzgebung,
der Rechtsanwendung, der Rechtsfindung, der Rechtsdarstellung. Das
Geistesprodukt des Gesetzgebers, des Staatsmannes, des Richters,
des Rechtsforschers, des Rechtslehrers kann nach Form und Inhalt
ein Kunstwerk sein. Schon die Römer kannten und schätzten die
Ars boni et aequi. Gegensatz: Technische Fertigkeit, Handwerks-
mäßigkeit, letztlich Pfuscherarbeit.
2. Rechtswissenschaft ist die Entfaltung theoretischer Geistesarbeit auf
dem Gebiete des Rechts.
a) Wissenschaft ist ein systematisches Erkennen erkennbarer Wahr-
heit. Sie entspringt dem Erkenntnisdrang und der Erkennens-
freude. Sie berücksichtigt auch Wahrscheinlichkeiten und Mög-
lichkeiten. Sie macht halt vor dem Bereich des Glaubens. Wissen-
schaft erstrebt nicht Quantität von Einzelwissen ("Bäume") -
sondern Qualität, d. h. wohlgefügtes systematisches Gesamt-
wissen ("Wald"); ihr genügt nicht planlose, gelegentliche, bruch-
stückweise Arbeit, sondern ihr dient nur eine umfassende und
wohldurchdachte Methode. Vgl. Hegel, Phänomenologie des Gei-
stes, Vorrede: Vom wissenschaftlichen Erkennen.
b) Rechtswissenschaft ist das systematische Erkennen der erkenn-
baren rechts erheblichen Dinge. Den Gegenstand bildet das ge-
samte Recht in Idee und Wirklichkeit, in Theorie und Praxis.
Sie sammelt zunächst die Einzelerscheinungen des Rechtslebens;
sie erschließt unter Vergleichung der rechtserheblichen Gegeben-
heiten und der diese regelnden Vorschriften durch Ermittlung
56 Rechtsroissenschaft

und Wertung der Ähnlichkeiten und Unterschiede die Zusammen-


hänge zwisChen ReChtstatsachen und Rechtsnormen; sie bereitet
damit die Erkenntnis des ganzen Rechtsgebäudes, das bessere
Verständnis für seine Einzelheiten als Teile des Ganzen, das
volle Verständnis für die Einzelheiten als solChe. So ermittelt
und klärt die ReChtswissenschaft die ReChtsbegriffe, ReChtsein-
richtungen, Rechtsgrundsätze und Rechtsprobleme.
Rechtsbegriffe - Definition mit Subsumtion - sind z. B. ReChts-
lage, ReChtsvorgang, ReChtshandlung, Rechtsgeschäft, Vertrag,
SChuldvertrag, gegenseitiger Vertrag, Veräußerungsvertrag, Kauf.
ReChtseinrichtungen (ReChtsinstitute) sind z. B. Monarchie und
Demokratie als Staatsform; Volksvertretung und Staatshaupt als
Organe, Finanzamt und Regierungspräsident als Behörden; Beam-
tentum, öffentliCher Dienst; offene Handelsgesellschaft, Gesell-
schaft mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaft, eingetragener
Verein.
Rechtsgrundsätze, die einer Rechtsordnung zugrunde liegen, be-
herrschen und meistern das Rechtssystem. Beispiele: demokrati-
sches Prinzip, Rechtsstaat, Selbstverwaltung; ius sanguinis (das
Recht des Blutes, der Abstammung) oder ius soli (das ReCht des
Bodens, des Staatshoheitsgebietes) ; Nichtrückwirkung der Straf-
gesetze; geschlossener Kreis der dinglichen Rechte, offener Kreis
der schuldreChtlichen Typen.
Rechtsprobleme geben Anlaß zur Kritik und führen zu Vorschlä-
gen de lege ferenda. Beispiele: Todesstrafe, Privat- oder Sozial-
eigentum, Sozialisierung, Staatserbrecht, Steuerbefreiungen, föde-
rative oder unitarische Gestaltung eines Bundesstaates, Verhältnis
zwischen Staat und Kirche, Verbindlichkeit des VölkerreChts für
Einzelpersonen, Internationale Gerichtsbarkeit, Kriegsächtung.

n. Geisteswissensmaft
1. Nach den Grundelementen "Natur" und "Kultur" unterscheidet man
Natur- und Geisteswissenschaften. Beide sind verschieden nach Ge-
genstand und Methode. Gemeinsam ist beiden die Ermittlung von
Wahrheiten, die Feststellung von Gesetzlichkeiten in den SChranken
der Erkennbarkeit.
2. Die Rechtswissenschaft ist eine Geisteswissenschaft. Ihr Gegenstand
ist abstrakt, aber wirklich. Ihre Methode ist nicht Experiment, son-
dern Nachdenken. Induktiv werden aus den rechtlichen Gegeben-
heiten - Zuständen, Vorgängen und Vorschriften - die rechtlichen
Begriffe, Grundsätze und Probleme abgeleitet; deduktiv wird aus
diesen Ergebnissen das rechtswissenschaftliche System konstruiert.
Begriff und Wesen 57

3. Die Rechtswissenschaft gehört zur Untergruppe der GeseIIschafts-


wissenschaften, deren Grundlage und Gegenstand die gesellige Natur
und die gesellige Vereinigung der Menschen ist. Zur allgemeinen
Gesellschaftswissenschaft (Soziologie) treten als besondere hinzu
die verschiedenen Wirtschaftswissenschaften und die Staatswissen-
schaften.

III. Famwissensmaft
1. Gemäß der historischen Entwicklung. Rechtswissenschaft war keine
Spezialwissenschaft bei den Griechen, wo Rechtsfragen nur beiläufig
bei philosophischen Betrachtungen oder bei politischen Maßnahmen
mitbehandelt wurden; ebensowenig bei den Germanen, wo die das
Recht handhabende und fortbildende Volksgemeinde einen Juristen-
stand überflüssig machte. Ausgebildet wurde die Rechtswissenschaft
als Sonderwissenschaft bei den Römern, die sich durch überragende
Rechtskultur und hervorragende Juristen auszeichneten, bei denen
sich eigene Rechtsforschung und eigene Rechtsschulen entwickelten.
Weiterhin gestaltete sich in Deutschland während des Mittelalters
- im Rahmen der Kirche und besonders nach der Rezeption des
römischen Rechts - die Rechtswissenschaft zur Fachwissenschaft;
zu ihrer Pflege entstanden Sonderabteilungen der Jurisprudenz an
den wissenschaftlichen Hochschulen, die bis zum Dritten Reich einen
glänzenden Aufschwung zu verzeichnen hatten. Vgl. das bedeut-
same Werk von Stintzing-Landsberg: Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, 1880.
2. Gemäß der gegenwärtigen Lage. Die Rechtswissenschaft verfügt über
besondere Pflanzstätten, besondere Forschung und Lehre, eigene
Fachpraktiker und eigene Methoden. Die rechtswissenschaftliche
Fachausbildung erfolgt hauptsächlich auf den Universitäten in den
entweder gesondert juristischen oder vereinigt rechts- und wirtschafts-
wissenschaftlichen Fakultäten. Mit quantitativer Beschränkung wer-
den aber auch auf anderen Hochschulen wichtige Rechtszweige
gelehrt; in Betracht kommen namentlich Handels-, Technische, Land-
wirtschaftliche Hochschulen, Berg- und Forst-Akademien usw. Mit
außerdem qualitativer Beschränkung, in vor allem gemeinverständ-
licher Weise, werden einzelne Rechtsgebiete, namentlich staatsrecht-
liche Fragen, in Gestalt der Staatsbürgerkunde auf allen Unterrichts-
anstalten - leider immer noch nicht in hinreichendem Ausmaß!
- mitberücksichtigt. Endlich bestehen Sondereinrichtungen für die
Fortbildung auf rechts- und wirtschaftswissenschaftlichem Gebiet.
So entstanden nach 1918 die hochschulähnlichen Verwaltungsakade-
mien oder Beamtenhochschulen zur Fortbildung der gehobenen Be-
58 Rechtswissenschaft
- - - - - - - - - ._-----.-----

amten, die im "Dritten Reich" in bedauerlicher Weise politisiert


wurden. Eine bemerkenswerte Neuschöpfung zur Ausbildung der
Anwärter auf den höheren Verwaltungsdienst ist die Hochschule
für Verwaltungswissenschaften in Speyer.

B. Aufgaben der Rechtswissenschaft

I. Theoretisme Aufgabe
Die Rechtswissenschaft dient dem menschlichen Erkenntnistrieb auf
dem Gebiete des Rechts. Sie hat zunächst die konkrete Rechtsordnung
und ihre einzelnen Vorschriften nach Inhalt und Tragweite zu unter-
suchen, dabei Zweck, Ursprung, Entwicklung und Gestaltung der recht-
lichen Einrichtungen und Normen zu ergründen. Sodann hat sie das
gesamte System des positiv geltenden Rechtes zu konstruieren und
darzustellen. Nicht zum letzten hat sie die Rechtsidee schlechthin zu
prüfen und zu klären. Diese theoretische Geistesarbeit bildet wissen-
schaftlich einen Selbstzweck der Rechtsforschung.

11. Praktisme Aufgabe


Die Rechtswissenschaft hat zugleim Vorarbeit zu leisten für die An-
wendung des Remts.
1. Die Rechtswissenschaft ist keine Rechtsquelle. Sie besitzt zwar die
innere Autorität der Wahrheit, ermangelt aber der äußeren Autorität
des hoheitlichen Rechtsdruckes. Wie der Naturwissensmaftler seinen
Stoff nicht erzeugt, sondern fertig vorfindet und nur die Gesetzlich-
keiten ermittelt und formuliert, so hat auch der Jurist den nicht
selbstgeschaffenen, sondern anderweit dargebotenen Remtsstoff
wissenschaftlich zu bearbeiten, grundsätzlim und systematism zu
erforsmen und zu formulieren. Ausnahmsweise kann aber aum die
Rechtswissenschaft, wenn der Gesetzgeber es so will, in Ergänzung
des positiven Rechts rechtssmöpferism tätig werden. Vgl. Schweize-
rismes ZivilGB § 1 ("Bewährte Lehre").
2. Um so größere Dienste leistet die Rechtswissenschaft vorbereitend
der Anwendung des bestehenden Rechtes. Ihre Tätigkeit schiebt sich
vermittelnd und fördernd zwismen Remtsbildung und Rechtshand-
habung ein. Windscheid hat diesen praktischen Zweck der Juris-
prudenz mit den smönen Worten gekennzeichnet: "Wir wissen, daß
die Remtswissenschaft dazu da ist, um mitzuwirken, daß ein Recht
vorhanden sei und ein Remt gesprochen werde, welches menschliche
Begriff und Wesen 59

Interessen und Bedürfnisse zu befriedigen imstande sei. Es ist schön,


sich im Äther reiner Erkenntnis zu wiegen, es ist schöner, für das
Wohl der Menschheit zu arbeiten."
So muß die Theorie dem Praktiker in Justiz, Verwaltung und Wirt-
schaft Vorarbeit leisten und möglichst abgeklärte Forschungsergeb-
nisse bereitstellen. Die Praxis aber sollte solche Hilfe, die der
Rechtsgelehrte dem Richter, dem Verwaltungsbeamten, dem Wirt-
schaftler, ja dem Abgeordneten und Regierungsmitglied zu bieten
vermag, nicht geringschätzen.

III. Politisdte Aufgabe


Rechtspolitisch beeinflußt die Rechtswissenschaft die Tätigkeit des Ge-
setzgebers. Wenn sie die Ergebnisse ihrer kritischen Wertung des
geltenden Rechts zu Vorschlägen seiner Verbesserung oder Erneuerung
verdichtet, so dient sie damit der praktischen Rechtsschöpfung. Deshalb
gehört es zu den Aufgaben des Rechtsgelehrten, Gesetzentwürfe zu
kritisieren und selbst neue Gesetze anzuregen. In diesem Sinne hat
die Theorie wertvolle Hilfe geleistet zur Vorbereitung und Vollendung
des Bürgerlichen Gesetzbuches, bei der Entstehung der Weimarer Ver-
fassung und bereits seit vielen Jahren für ein künftiges deutsches
Strafgesetzbuch. Solche rechtspolitische Wirksamkeit des Rechtstheo-
retikers erreicht ihren Höhepunkt, wenn er Gelegenheit hat, selbst an
den gesetzgeberischen Arbeiten als Abgeordneter oder Regierungsmit-
glied mitzuwirken. Beispiele: Aus der Zeit der Verfassungsgebung 1919:
Beyerle, Graf Dohna, Kahl, Radbruch, Sinzheimer. Aus der Zeit der
Verfassungsgebung 1948/49: Laforet, v. Mangoldt.

c. Methoden der Rechtswissenschaft


Für die rechtswissenschaftliche Tätigkeit sind neben der allgemeinen
wissenschaftlichen Arbeitsweise folgende besondere rechtswissenschaft-
liche Methoden maßgebend.

I. Die redttsgesdtidttlidte Methode


Ihre Besonderheit ist nicht der Gegenstand, sondern die Betrachtungs-
weise. Die Erforschung früherer Rechtszustände ist geschichtlich Selbst-
zweck, juristisch aber nur Mittel zum Zweck der vollkommenen Er-
kenntnis desjenigen Rechts, "das mit uns geboren ist". Der Rechts-
historiker verfolgt die Rechtszustände durch die einzelnen Entwick-
lungsepochen hindurch, er ermittelt die auf die Rechtsgestaltung ein-
wirkenden äußeren und inneren Einflüsse, er stellt die Entwicklungs-
60 Rechtswissenschaft

tendenzen fest, er zieht die Nutzanwendung für das Verständnis, die


Kritik und die Fortbildung des geltenden Rechts. Letzteres ist ihm das
Ergebnis historischen Werdens. Auch rechtlich sind wir "die Schuldner
vergangener Jahrhunderte".

11. Die remtsdogmatisme Methode


Sie betrachtet das Recht eines bestimmten Zeitpunktes, etwa der Gegen-
wart, und errichtet jenes rechtswissenschaftliche System, in welches die
einzelnen rechtlichen Normen, Einrichtungen, Grundsätze und Probleme
eingefügt werden. Zu diesem Zwecke gilt es zu interpretieren, zu kon-
struieren, zu systematisieren.
1. Sie beginnt mit der Auslegung der positiven, geltenden Rechtsvor-
schriften.
2. Sie schließt daran die logische Konstruktion der Rechtseinrichtungen
und Rechtsgrundsätze. Diese synthetische Tätigkeit muß sowohl das
Wesen als auch den Zweck der Rechtsnormen und Rechtsinstitute
ergründen, gleichzeitig "Begriffsjurisprudenz" (im guten Sinne) und
"teleologische" Jurisprudenz sein. Das Konstruktionsideal ist die
Gewinnung eines einheitlichen Zweckprinzips für die ganze Rechts-
ordnung.
3. Sie endet mit der Systematik des Rechts, mit der Erzielung des all-
umfassenden und harmonisch gefügten Rechtssystems, dessen Voll-
endung insbesondere durch den Ausgleich zwischen begrifflich-for-
maler und rechtsteleologischer Systematik bedingt ist.

111. Die remtsdynamisme Methode


Schon die beiden vorerwähnten Methoden werden die in den Formen
des Rechts sich auswirkenden lebendigen Kräfte mitberücksichtigen.
Deren besondere, ja vorzugsweise Betonung ist die Eigenart der Rechts-
dynamik. Ihr ist alles Recht bloß äußere Form für den wohlgeordneten
Ausgleich und das harmonische Zusammenwirken der in den mensch-
lichen Gruppen und Verbänden wirkenden, besonders sozialen, wirt-
schaftlichen und politischen Kräfte.
"Sieh, da entbrennen in feurigem Kampf die eifernden Kräfte,
Großes wirket ihr Streit, Größeres wirket ihr Bund."
Die Ermittlung dieser rechtserheblichen Kräfte, die Prüfung ihrer legis-
lativen Berücksichtigung, ihre Auswertung für die Auslegung der lex
lata (das verkündete Gesetz) und für die Gestaltung der lex ferenda
(das vorzubereitende Gesetz) bildet die wichtige Aufgabe der dyna-
mischen Methode der Rechtswissenschaft.
Begriff und Wesen 61

Beispiele: Bedeutung der politischen Kräfte für das Staats- und Völ-
kerrecht, der wirtschaftlichen Kräfte für das Handelsrecht und das Ver-
waltungsrecht (Wirtschaftsrechtl, der sozialen Kräfte für Arbeits-, Kir-
chen- und Sozialrecht.
Die einseitige Anwendung nur der historischen Methode wäre Ge-
schichte, die der konstruktiven Methode Begriffsjurisprudenz (im
schlechten Sinne des Positivismus), die der dynamischen Methode
Politik. Keine Methode ist allein seligmachend; nur die Verbindung
der drei Methoden stellt die vollkommene rechtswissenschaftliche Ar-
beitsweise dar.

D. Wertung der Rechtswissenschaft

I. Bei Künstlern und Didttern

Daß Recht und Rechtswissenschaft sich bei unseren Geistesgrößen, be-


sonders bei Dichtern, keiner sonderlichen Beliebtheit erfreuen, ist ver-
ständlich, aber tragbar. Jene lieben die Freiheit und hassen die Bindung;
sie fühlen sich durch Rechtsvorschriften und vor allem durch Rechts-
handhabung in ihrem Freiheitsdrang beengt, ja gefesselt; sie fordern
individuelle Behandlung; sie verpönen den typisierenden Formalismus
und leugnen den Selbstzweck der Rechtsnormen. Wer Belege hierfür
sucht, lese das anregende Buch von Georg Müller (Reichsgerichtsrat)
über Recht und Staat in unserer Dichtung, 1924. Vgl. auch die glückliche
Auslese bei Gustav Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft,
7.18. Auf!. 1929, S. 206 ff. Das Schulbeispiel aber stellt nach wie vor die
"teuflische" Kritik der Jurisprudenz in Goethes "Faust I" dar:

"Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.


Ich kann es Euch so sehr nicht übel nehmen,
Ich weiß, wie es um diese Lehre steht.
Es erben sich Gesetz und Rechte
Wie eine ewge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sim zum Geschlechte
und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage:
Weh Dir, daß Du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren,
von dem ist - leider! - nie die Frage."
62 Rechtswissenschaft

11. In der öffentlichen Meinung


Auch beim großen Publikum, beim "Mann auf der Straße" stehen
Rechtsvorschriften, Rechtspraxis, Rechtswissenschaft nicht eben in be-
sonderer Gunst. Auch das ist erklärlich, wenngleich bedauerlich.
1. Die Abneigung gegenüber den RechtsDorschriften beruht vornehmlich
auf der erdrückenden Menge der Ge- und Verbote (Höhepunkt "Drit-
tes Reich" - oder Gegenwart?), der abstrakten und auch sprachlich
oft kaum verständlichen Formulierung, sowie der bisweilen auch
inhaltlichen Unerfreulichkeit (Steuerrecht!)
2. Die Abneigung gegenüber der Rechtspraxis in den Bereichen der
Justiz und der Verwaltung ist gleichfalls verständlich.
a) Justiz. Man denke etwa an den verurteilten Beklagten oder den
abgewiesenen Kläger, an den (obwohl zu Recht) verurteilten An-
geklagten, an Zeugniszwang und Eidespflicht, an rechtswesent-
liche, aber unbeliebte Erscheinungen, wie Gerichtsvollzieher,
Gefängnisaufseher.
b) Verwaltung. Man denke an Polizeiverfügungen, Polizeizwang,
Steuerbescheide usw., überhaupt an die Wirksamkeit der "Büro-
kratie".
3. Die Abneigung gegenüber der Rechtswissenschaft erklärt sich aus der
Eigenart der juristischen Geistesarbeit. Diese mag dem Uneinge-
weihten formalistisch, spitzfindig, verschroben, weltfremd - kurz
als "Juristenrecht" statt als "Volksrecnt" erscheinen.

7. Kapitel

Abgrenzung
Das Wesen der Rechtswissenschaft gewinnt gleichfalls durch Abgren-
zung gegenüber anderen Wissenschaften an Klarheit. Keine Wissen-
schaft steht isoliert da. Alle Wissenschaften berühren sich, teils so,
daß sie gemeinsame Grenzgebiete besitzen, teils so, daß eine der
anderen als Hilfswissenschaft dienlich sein kann. Hiernach sind auch
für die Rechtswissenschaft Grenz- und Hilfswissenschaften zu unter-
scheiden.

A. Grenzwissenschaften
Als solche kommen namentlich Philosophie, Geschichte und Wirtschafts-
wissenschaften in Betracht.
Abgrenzung 63

I. Redltswissenschaft und Philosophie


1. Philosophie
Sie erachtet sich für die Königin der WissensChaften, jedenfalls für
die ZentralwissensChaft unter den GeisteswissensChaften. Philoso-
phie ist naCh Paulsen (Einleitung in die Philosophie, 26. Aufl. 1912,
S. 2, 33) i. w. S. "der Versuch, ein Ganzes von Vorstellungen und
Gedanken über Gestalt und Zusammenhang, über Sinn und Bedeu-
tung aller Dinge zu gewinnen", i. e. S. "der Inbegriff aller wissen-
sChaftliChen Erkenntnis", das einheitliChe System der alle Wissen-
sChaften umfassenden universitas scientiarum.
Goethe kennzeichnet im "Tasso" die Eigenart des Philosophen dahin:
"Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur;
Was die GeschiChte reiCht, das Leben gibt,
Sein Busen nimmt es gleich und willig auf;
Das weit Zerstreute sammelt sein Gemüt,
Und sein Gefühl belebt das Unbelebte."

Rückert charakterisiert ihn ähnliCh in seiner "Weisheit des Brah-


manen":
"Ein indischer Brahman, geboren auf der Flur,
der nichts gelesen als das Weda der Natur,
Hat viel gesehn, gedaCht, noch mehr geahnt, gefühlt,
Und mit Betrachtungen die Leidenschaft gekühlt;
SpriCht bald, was klar ihm ward, bald um siCh's klar zu machen.
Von ihn angehnden halb, halb niCht angehnden SaChen.
Er hat die Eigenschaft, nur Einzelnes zu sehn,
Doch alles Einzelne als Ganzes zu verstehn.
Woran er immer nur sieht schimmern einen Glanz,
Wird ein Betkügelchen in seinem Rosenkranz."

Mit diesen Zeilen beginnt der Frankfurter Rechtsphilosoph M. E.


Mayer sein abgeklärtes Buch über "ReChtsphilosophie" (2. Aufl.
1926). Sie veranlassen ihn, Philosophie kurz als "Weisheit" zu be-
zeichnen. Ph. ist Welt- und Lebensweisheit. "Ph. ist das Bestreben,
die Wirklichkeit als einheitliches Ganzes zu erfassen. Sie unter-
scheidet sich von den Wissenschaften durch die Aufgabe, nicht durCh
den Gegenstand."
"Der Philosoph wendet sich der Totalität des Seins zu, was nicht so
64 Rechtsmissenschaft

zu verstehen ist, als ob ihn sehr umfangreiche Gegenstände beson-


ders oder gar ausschließlidt interessieren müßten, vielmehr kann die
kleinste Einzelheit in den größten Zusammenhang gestellt werden,
und wo das gesdtieht, wird philosophiert."
2. Redttsphilosophie
Redttsphilosophie ist Rechtsweisheit. Sie besteht da, wo auf redtt-
lichem Gebiet philosophiert wird. Sie entsteht dadurch, daß man
das Recht als eine sich entwid<elte Kulturerscheinung betrachtet, daß
man vom Redtt als einem einheitlichen Ganzen eine Vorstellung zu
gewinnen versudtt. Sie gliedert sidt in Prinzipienlehre und Wertlehre.
Die juristisdte Prinzipienlehre erforscht das, was dem Redtte logisch
vorausgeht: seine Vorbedingungen, Urkräfte, Fundamente und Ele-
mente. Die Rechtswertlehre soll seinen Wert ergründen, die Idee
des Redtts klarstellen. Jene behandelt den Begriff des Rechts im Zu-
sammenhang mit Gesellschaft und Kultur, überhaupt mit den sozi-
alen Gewalten; diese handelt von der Idee und vom Ideal des
Redtts, erörtert seine Beziehungen zu Madtt und Gewalt, zu Geredt-
tigkeit und Freiheit, zu Humanität und Kultur (M. E. Mayer).
Recht ansdtaulidt ist auch nachstehender Vergleich, den der Mün-
steraner Redttsphilosoph Wilhelm Sauer in seiner tiefgründigen
"Juristischen Elementarlehre", 1944, anstellt: "Die Rechtsphilosophie
ist das gewaltige Hodtgebirge mit dem ewigen Schnee, der im
Sonnenrot funkelt und dem unkundigen Bergsteiger Gletsdterspal-
ten verded<t; von den hödtsten Spitzen eröffnen sich großartige
Fernblid<e in undurchforschte Gebiete. Dort nimmt das lebende Redtt
seinen Ursprung: die Bäche, Flüsse und Ströme durcheilen die Län-
der und sudten ihr Ende im Weltmeer des Völkerrechts, um dort
in dem Ganzen weiterzuleben."
3. Redttsroissensdtaft und Redttsphilosophie
Beide unterscheiden sich nidtt gegenständlich, sondern artlich. Die
Rechtsphilosophie erforsdtt die Vorbedingungen und Werte des
Redtts, während die Rechtswissenschaft Rechtsidee und Rechtsord-
nung als gegebene Größen hinnimmt. Die Rechtsphilosophie kennt
nidtt, wie die Redttswissensdtaft, auch ein praktisdtes und politi-
sdtes Ziel, sondern wiegt sidt im Äther der reinen isolierten Er-
kenntnis. Die redttsphilosophisdte ist im Gegensatz zur rechtswissen-
sdtaftlidten Forsdtung nie auf Einzelheiten, sondern ausschließlidt
auf das Ganze gerichtet. (M. E. Mayer: Rechtsphilosophie, 2. Auf!.
1926). Das Sdtwergewidtt der Rechtswissenschaft liegt im Wirklichen,
Konkreten, Positiven, das der Rechtsphilosophie im Gedachten, Vor-
gestellten, Abstrakten. Die Rechtswissensdtaft ist an Ort und Zeit
Abgrenzung 65

gebunden, die Rechtsphilosophie von beiden gelöst. Die Rechts-


wissenschaft baut auf dem bestehenden Recht auf; die Rechtsphilo-
sophie übt daran nach einem Idealmaßstab werturteilende Kritik,
ohne aber Änderungen vorzuschlagen oder gar zu betreiben -
solches gebührt der Rechtspolitik.

11. Rechtswissenschaft und Geschichte


1. Die Rechtswissenschaft hat auch mit der Geschichtswissenschaft einen
breiten und wichtigen Grenzstreifen gemeinsam. Sowohl zur allge-
meinen Weltgeschichte als auch zur Rechtswissenschaft - beiderseits
als wesentlicher Bestandteil - gehört die Rechtsgeschichte, deren
Gegenstände und Methoden gleichzeitig historisch und juristisch sind.
Doch bildet ihre Erforschung für den Geschichtswissenschaftler einen
Selbstzweck, für den Rechtswissenschaftler dagegen nur das Mittel
zwecks Erkenntnis des gegenwärtig geltenden Rechtes.
2. Die Bedeutung der Rechtsgeschichte ist nach den einzelnen Rechts-
zweigen verschieden.
a) Im Privatrecht, namentlich im bürgerlichen Recht sind die Zu-
sammenhänge zwischen einst und jetzt am engsten und am tief-
sten. Das heutige bürgerliche Recht Deutschlands ist hervorge-
gangen aus der Vereinigung zweier ganz versdJ.iedener Rechts-
systeme, nämlich aus der Verbindung des germanisch-fränkischen
Rechtes mit dem im späten Mittelalter auf dem Wege der soge-
nannten Rezeption eingedrungenen byzantinisch-römischen Recht
zum sogenannten "Gemeinen Recht". In der grundlegenden Kodi-
fikation des bürgerlichen Rechts, dem BGB, sind trotz dieser Ver-
schmelzung germanische und romanische Wurzeln erkennbar. Die
grundlegende Bedeutung der beiden Wurzelrechte für das wissen-
schaftliche Verständnis des heutigen bürgerlichen Rechts liegt auf
der Hand.
b) Auch beim Straf- und Prozeßrecht ist die volle rechtswissen-
schaftliche Erkenntnis durch historische Fundierung bedingt, deren
praktische Bedeutung jedoch ziemlich unerheblich ist.
c) Noch weniger ist im öffentlichen Recht ein weiteres geschicht-
liches Zurückgehen erforderlich. Rein wissenschaftliche· Zusam-
menhänge mit dem früheren (römischen, altdeutschen, mittelalter-
lichen) Recht sind anzuerkennen, praktische aber zu verneinen.
Bedeutsam für das Staats- und besonders Verwaltungsrecht ist
erst die Entwicklung der beginnenden Neuzeit, besonders in den
deutschen Territorien, so vor allem in Brandenburg-Preußen. Da-
gegen gründet sich das Kirchenrecht und sein Verständnis wie-

5 Giese, Recht
66 Rechtswissenschaft

derum auf einen bald zweitausendjährigen historischen Werde-


gang (Kirchliche Rechtsgeschichte, Kanonistik).
d) Keine geschichtliche Vergangenheit haben neu este Sonderzweige
des öffentlichen Rechts wie Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht und
Steuerrecht, kaum eine solche besitzt endlich das Völkerrecht.

111. Remtswissensmaft und Wirtsmaftswissensmaften


1. Die allgemeinen Beziehungen zwischen Recht und Wirtschaft, zwi-
schen Rechts- und Wirtschaftswissenschaft sind in neuerer Zeit
immer enger geworden.
a) Schon vor dem Kriege, vollends während des Krieges und nach
seiner Beendigung, regten sich unter der Parole "Recht und Wirt-
schaft" allenthalben einfluß- und erfolgreiche Bestrebungen, die
Rechtsordnung den wirtschaftlichen Forderungen anzupassen, bei
der Rechtsanwendung in Verwaltung und Justiz auf die wirt-
schaftlichen Bedürfnisse besondere Rücksicht zu nehmen, die
Ausbildung des juristischen Nachwuchses nicht einseitig rechts-
wissenschaftlich, sondern zugleich wirtschaftswissenschaftlich zu
gestalten, im praktischen Leben die wirtschaftlich interessierten
und orientierten Juristen ("Wirtschaftsjuristen") zu bevorzugen,
zugleich umgekehrt das Wirtschaftsleben durch das Rechtsleben
zu befruchten.
b) Mit der praktischen verband sich die wissensdwftliche Annähe-
rung und Verbindung. Es vereinigten sich beide Zweige der
Wissenschaft unterrichtsmäßig in den rechts- und wirtschafts-
wissenschaftlichen Fakultäten der deutschen Universitäten oder
in enger Arbeitsgemeinschaft zwischen der rechts- und der beson-
deren wirtschafts- (und sozial-)wissenschaftlichen Fakultät (Frank-
furt, Köln), besonders im rechts- und im wirtschaftswissenschaft-
lichen Prüfungswesen. Es entstand zugleich ein besonderes "Wirt-
schaftsrecht" , zwar nicht als abgesonderter Lehrzweig des Rechts
- obwohl es gewiß möglich wäre, die die spezifischen Fragen des
Wirtschaftslebens betreffenden, überall zerstreuten privat- und
öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu einem System des Wirt-
schaftsrechts zusammenzufassen -, sondern nur als besondere,
eine Abart der rechtsdynamischen Arbeitsweise darstellende For-
schungsmethode.
2. Die besonderen Beziehungen der Rechtswissenschaft zu den einzelnen
Wirtschaftswissenschaften.
a) Zur Volkswirtschaftslehre (Nationalökonomie). Als Grenzgebiete
sind hervorzuheben das Verwaltungsrecht, besonderer Teil: Die
Abgrenzung 67

einzelnen Verwaltungszweige [während der Allgem. Teil des


Verw.-Rechts eine ausgesprochene juristische Materie bildet), das
Finanz- und Steuerrecht gegenüber der Finanzwissenschaft. Hier
ergänzen sich Rechtswissenschaft als Normenlehre und National-
ökonomie bzw. Finanzwissenschaft als Kräftelehre zur restlosen
und richtigen Gesamterkenntnis des Stoffes. Solches gilt für die
Forschung, für die Lehre, für das Studium, für die Prüfungen
und für die spätere Praxis.
b) Zur Betriebswirtschaftslehre (früher: Privatwirtschaftslehre). Hier
sind als Grenzgebiete vor allem Handelsrecht, Bank- und Börsen-
recht und Arbeitsrecht zu nennen. Wie der Wirtschaftswissen-
schaftler die rechtlichen Formen kennen muß, so muß der Jurist
über ein Mindestmaß privatwirtschaftswissenschaftlicher Kennt-
nisse verfügen, um die Normen richtig auslegen und anwenden
zu können.
cl Zur Statistik Diese Sonderwissenschaft greift in alle Gebiete,
besonders des öffentlichen Rechts hinein. So gibt es eine Ver-
waltungs-, Finanz-, Lohn-, Gewerbe-, Handels-, Justiz-, Wahl-,
Kriminal-, Prozeß- usw. Statistik. Der Statistiker muß das ein-
schlägige Recht beherrschen, der Jurist sich der statistischen Er-
gebnisse als vielfach unentbehrlicher, jedenfalls förderlicher
Grundlage für Rechtsforschung und Rechtsanwendung bedienen.

B. Hllfswissenschaften
Jurisprudentia est divinarum atque humanarum rerum notitia. [Die
Rechtswissenschaft ist die Kenntnis der göttlichen und menschlichen
Angelegenheiten). Demgemäß müßte der Rechtspraktiker die Gesamt-
heit der menschlichen Lebensverhältnisse kennen, der Rechtstheoretiker
alle übrigen Wissenschaften beherrschen. Doch unser Wissen ist Stück-
werk; vollkommenes Wissen ist ein Ideal, dessen teilweise Erreichung
gleichwohl erstrebenswert bleibt. Dem Juristen tut ein Mindestmaß von
Kenntnissen auf folgenden, nach Fakultäten geordneten Wissensge-
bieten not.

I. Theologie
Fragen des Glaubens beschäftigen den Juristen nur ganz ausnahmsweise.
Beispiel: Eine umstrittene theologische Frage als Gegenstand einer Aus-
lobung und eines darüber entstandenen Rechtsstreits.
5*
68 Rechtswissenschaft

11. Medizin
1. Die Lehre vom gesunden Menschen ist rechts erheblich.
Beispiel: Tatbestand der Tötung, Körperverletzung, Abtreibung, Not-
zucht. BGB §§ 1, 1300, 1591 ff., 1923.
2. Die Lehre vom kranken Menschen ist noch wichtiger für das recht-
liche Verständnis.
a) der körperlich kranke Mensch: Krankheiten als Folgen von straf-
baren Handlungen (Strafbarkeit, Strafmaß), von Unfällen (Ent-
schädigung, Unfallversicherung); Feststellung des Zeitpunktes des
Todes (Rechtsfähigkeit, Erbfolge).
b) Der seelisch kranke Mensch: Bedeutung der Psychiatrie für den
Zivil-, Vormundschafts-, Strafrichter, welcher Fälle von Geistes-
krankheit oder -schwäche zu beurteilen hat. Problem der Renten-
neurose.

111. Geisleswissensdlaften i. e. S.
1. Philosophie ist nicht bloß Grenz-, sondern auch Hilfswissenschaft für
das gründliche, ausgereifte Erkennen der tieferen juristischen Pro-
bleme; ganz unentbehrlich sind Logik und Erkenntnislehre.
2. Geschichte - namentlich politische, Wirtschafts-, Religions- und
Kirchengeschichte - erschließt das Verständnis des gewordenen und
des geltenden Rechts und dient mit ihren Erfahrungstatsachen der
Fortbildung des Rechts.
3. Literatur-, Kunst- und Musikgeschichte spielen bei der rechtlichen,
besonders urheber-, polizei- und strafrechtlichen Wertung der ein-
schlägigen Werke eine grundlegende Rolle.
4. Sprachwissenschaften sind für das sprachliche, aber auch inhaltliche
Verständnis der Rechtsquellen unentbehrlich.
a) antike Sprachen: lateinisch (Corpus iuris civilis und Corpus iuris
canonici), griechisch, assyrisch-babylonisch;
b) lebende fremde Sprachen. besonders französisch, englisch, spa-
nisch und italienisch für rechtsvergleichende und völkerrechtliche
Forschungen;
c) die deutsche Sprache für richtiges und verständliches Deutsch in
Ausdruck, Satzbau und Stil bei der Rechtsetzung, der Abfassung
von behördlichen und rechtsgeschäftlichen Urkunden, bei der An-
fertigung wissenschaftlicher (vor allem Prüfungs-) Arbeiten, beim
Halten von Vorträgen und Ansprachen. Brandmarkung von
Sprachdummheiten: Platter Landbewohner, vierstöckiger Haus-
Abgrenzung 69

besitzer, ungeborene Lämmerfelle, reitende Artilleriekaserne.


Warnung vor Modewörtern wie: "unter Beweis stellen", "durch-
führen", "Einsatz"; auch heute wird noch manches "unter Beweis
gestellt" und fast alles "durchgeführt".

IV. Wirtschafts- und Sozialwissenschaften


1. Die Wirtschaftswissenschaften - Volkswirtschaftslehre einschließlich
Finanzwissenschaft, Betriebswirtschaftslehre, Statistik - vermitteln
die Erkenntnis der in den Formen des Rechts (z. B. Verwaltungs-,
Steuer-, Handelsrechts) wirksamen wirtschaftlichen Kräfte, deren
Kenntnis das volle Verstehen der einschlägigen Rechtserscheinungen
bedingt.
2. Die Sozialwissenschaften sind für das Verständnis wichtiger Rechts-
gebiete, wie allgemeine Rechtslehre, allgemeine Staatslehre. Wohl-
fahrtspflege, Sozialrecht und Arbeitsrecht grundlegend.

V. Naturwissenschaften
1. Mathematik beruht auf der gleichen formallogischen Denktechnik wie
Rechtswissenschaft; wer mathematisch geschult ist, wird sich auch
als Jurist schnell zurechtfinden, Wesentliches vom Unwesentlichen
zu sondern wissen, objektiv und selbständig zu urteilen verstehen.
2. Physik und Chemie - deren Naturgesetze sich in manchen Rechts-
fragen juristisch auswirken.
Beispiele: Physikalische und chemische Formeln in Verordnungen.
Fernsprecher und Rundfunk. Vergiftungsprozesse. Nahrungsmittel-
polizei. Gas und Giftverbote im Kriegsrecht.
3. Geologie und Geographie - deren Elemente auf die Rechtsgestaltung
und das Staatsleben von Einfluß sind.
4. Experimentelle Psychologie - durch welche das Verständnis für
manche familien-, straf-, staats- und völkerrechtlichen Vorgänge er-
schlossen wird.

VI. Technische Wissenschaften


Baukunst, Hoch- und Tiefbau, Physik und Chemie, Maschinenkunde
usw. vermitteln das volle Verständnis für die damit zusammenhängen-
den Rechtsfragen und Rechtseinrichtungen.
Beispiele: Beurteilung von Lieferungsverträgen, Bausachen, Gewerbe-
betrieben, Betriebsunfällen; Einrichtung einschlägiger staatlicher und
anderer öffentlicher Betriebe; entsprechender polizeilicher Schutz des
Publikums; StGB § 330.
70 Rechtswissenschaft

8. Kapitel

Gliederung
Aum die Remtswissensmaft gliedert sim gleim den übrigen Wissen-
smaften in einzelne Gebiete, Zweige, Fämer, Disziplinen. Für diese
Gliederung ist die Einteilung in öffentlimes und privates Remt nam
wie vor von grundlegender Bedeutung.

A. öffentliches Recht und Privatrecht


I. Gesdrldltlidle Entwiddung
Den viel erörterten, heute nom weithin umstrittenen, von manmen
sogar ganz geleugneten Unters mied zwismen öffentlimem und priva-
tem Remt kannten smon die Römer. Vgl. Corpus iuris civilis I: Insti-
tutiones, I, 1, 4:
"Huius studii duae sunt positiones, publicum et privatum. Publi-
cum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat, privatum, quod
ad singulorum utilitatem pertinet." (Dieses Studium umfaßt
zweierlei: das öffentlime Recht und das private Recht. Das öffent-
lime Remt bezieht sim auf den römismen Staat, das private Remt
bezieht sim auf den Nutzen der einzelnen.)
Dagegen war der Unterschied dem deutsmen Mittelalter, das alle Remts-
einrimtungen, aum Dinge wie Landherrschaft, Landesgebiet, Unter-
tanenpflimten privatrechtlich (richtiger: remtlich schlemthin) auffaßte,
unbekannt. Die Rechtsentwid<lung hat den Unterschied wieder stark
betont und zum obersten Einteilungsprinzip erhoben. Seit 1933 began-
nen die Grenzen allerdings wieder flüssig zu werden, ja vielfam zu
verschwimmen; so namentlim nam den Thesen des Nationalsozialis-
mus. Diese Auffassung muß seit dem Zusammenbrum des "Dritten
Reimes" als überwunden angesehen werden. Die Untersmeidung ist
keineswegs gegenstandslos, vielmehr heute wieder fundamental wimtig,
wenngleim die Ermittlung der maßgeblichen Untersmeidungsmerkmale
erheblime Smwierigkeiten bereitet.
Vgl. hierzu auch die treffenden Aussprüme des großen Germanisten
Dtto von Gierke: "Der Gegensatz ist als solmer unvermeidbar, aber er
darf sim nimt in kämpferismer Entgegensetzung, er muß sim in har-
monismer Ergänzung auswirken. In unserem öffentlimen Remt muß
ein Haum des naturremtlimen Freiheitstraumes wehen und unser Pri-
vatremt muß ein Tropfen sozialistismen öles durmsid<ern."
Gliederung 71

11. Wesentliche Untersdliedsmerkmale


1. Sozialinteresse - Individualinteresse
Schon die Römer unterschieden, wie oben vermerkt, öffentliches und
privates Recht nach ZweCk und Ziel. Heute noch bildet das Interesse
das wichtigste Kennzeichen des Unterschiedes. Jede Rechtsnorm, mag
sie unmittelbar oder mittelbar staatlich oder außerstaatlich, geschrie-
ben oder ungeschrieben, positiv oder natürlich sein, ist dazu be-
stimmt, menschliche Belange zu wahren, menschliche Güter zu
Rechtsgütern zu erheben. Nun gibt es zunächst Normen, die dem
Schutze individueller Rechtsgüter der einzelnen dienen, anderseits
solche, die zur Pflege sozialer Rechtsgüter der menschlichen Ver-
bände - zuhöchst des Staates, der Kirche, der Staatenverbände -
bestimmt sind. Vorschriften z. B. über rechtliche Fähigkeiten, recht-
liche Handlungen und Geschäfte, besonders Verträge, bürgerliche
und kaufmännische Gesellschaften, dingliche und obligatorische
Rechte, Familie und Erbgang sind vornehmlich dem Interesse der
Einzelpersonen zu dienen bestimmt. Vorschriften dagegen über
Rechte und Pflichten des Bürgers in Gemeinde und Staat, über zivil-
und strafgerichtlichen Schutz, über Einrichtung und Wirksamkeit
öffentlicher Dienststellen in Verwaltung und Justiz, über Gesetz-
gebung und Regierung bestehen um des Gemeininteresses sämtlicher
Verbandsgenossen, um des Eigeninteresses des Verbandes selber
willen, zum Besten von Volk und Staat. Mittelbar freilich befriedigen
die Normen der ersteren Gruppe auch das Sozialinteresse (z. B. Vor-
mundschaftswesen), die der letzteren Gruppe auch das Individual-
interesse (z. B. öffentliche Fürsorge und Sozialversicherung). Un-
mittelbar aber dienen jene Normen dem Einzelinteresse, diese dem
Gesamtinteresse; jene bilden das Privatrecht, diese das öffentliche
Recht.
2. Hoheitliche - Nichthoheitliche Tätigkeit
Wenn der Staat unmittelbar durch seine Organe oder mittelbar durch
die öffentlichen Körperschaften als "Staat", d. h. als Inhaber der
seinen Mitgliedern übergeordneten Verbandsgewalt auftritt, ist seine
(hoheitliche) Tätigkeit eine öffentlich-rechtliche Erscheinung. Dagegen
bildet nicht nur das rechtserhebliche Verhalten einer jeden natür-
lichen und juristischen Person, sondern auch das rechtserhebliche
Verhalten des nicht "hoheitlich", sondern wie eine juristische Privat-
person ("fiskalisch") auftretenden Staates oder sonstigen öffent-
lichen Verbandes einen nichthoheitlichen Vorgang, welcher der pri-
vaten Rechtsordnung zugehört. Im ersteren Falle ist das staatliche
Verhalten, insbesondere das bestehende Rechtsverhältnis als öffent-
lich-rechtlich nach öffentlichem Recht, letzterenfalls auch durch das
72 Rechtswissenschaft

staatlime Verhalten bzw. Rechtsverhältnis als privatrechtlim nam


Privatremt zu beurteilen. Eine Privatperson kann grundsätzlich ni mt
hoheitlim handeln, sie müßte denn, was ausnahmsweise möglim ist,
vom Staat zu öffentlimen Aufgaben berufen und dazu mit öffent-
lichen Befugnissen ausgestattet sein. Der Staat kann sowohl hoheit-
lim als aum nimthoheitlich auftreten. Hoheitlich verhält er sich
namentlim bei Regierung und Rechtsetzung, bei Rechtspflege und
Verwaltung. Dabei ist noch der wichtige Unterschied zu beachten,
daß solmes hoheitlime Verhalten als "obrigkeitlich" mit der Mög-
limkeit von Befehl und Zwang ausgestattet sein (z. B. Polizei, Finanz-
amt) oder aber als nicht obrigkeitlich der öffentlichen Pflege (z. B.
Wirtschaft und Verkehr, Fürsorge und Sozialversicherung) dienen
kann; auch im letzteren Falle handelt es sich wegen des Sozialinter-
esses um hoheitliche Wirksamkeit. Nichthoheitliche Betätigung des
Staates liegt nur dann vor, wenn diese individuell-fiskalischen Inter-
essen dient; Beispiele: Beteiligung des Staates und der Gemeinden
am Erwerbs- und Wirtschaftsleben. Grenzfälle sind solche erwerbs-
wirtschaftlichen Betriebe des Staates und der Gemeinden, welche
teils Erwerbszwecken, teils gemeinnützigen Zwecken dienen; Bei-
spiele: kommunale Versorgungsbetriebe, staatliche Theater, Wälder,
Bergwerke, die frühere preußische Porzellanmanufaktur. In der-
artigen Fällen bestimmt das vorwiegende Interesse die Unterord-
nung der Tätigkeit als hoheitlich unter das öffentliche Recht oder als
fiskalisch unter das Privatrecht.

III. Unwesentliche Unterscheidungsmerkmale


1. über- und Unterordnung - oder Gleichordnung
a) Die Regel ist, daß Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts auf
über- und Unterordnung der Beteiligten, solche des Privatrechts
auf Gleimordnung der Beteiligten beruhen.
Beispiele für ersteres: Regierung und Gesetzgebung, Justiz und
Verwaltung. Finanzamt und Steuerpflichtiger. Polizei und Polizei-
pflimtiger. Gefängnisaufseher und Sträfling. Lehrer und Schüler.
Beispiele für letzteres: Käufer und Verkäufer. Mieter und Ver-
mieter. Kaufmann und Kunde. Gesellschafter untereinander.
b) Ausnahmen bestehen aber dahin, daß gelegentlich im öffentlichen
Recht GleidlOrdnung, im Privatrecht über- und Unterordnung
vorkommt.
Beispiele für ersteres: Die Staaten im Völkerrecht, die deutschen
Länder untereinander, Abschluß von Staatsverträgen und Kon-
kordaten. Kommunale Zweckverbände, Tarifverträge.
Gliederung 73

Beispiele für letzteres: Eigentümer und Sklave. Unternehmer und


Arbeitnehmer. Eltern und Kinder, Vormund und Mündel, früher
auch Mann und Frau.
2. Zwingendes Recht - nachgiebiges Recht
a) Die Regel ist, daß öffentliches Recht zwingend (unabdingbar),
Privatrecht nachgiebig (änderbarl ist. Ius publicum pactis priva-
torum mutari nequit (öffentliches Recht kann nicht durch Ver-
einbarung Privater geändert werden.)
Beispiele für ersteres: Straf-, Polizei-, Steuerrecht. Gewerberecht.
Verkehrstarife.
Beispiele für letzteres: Fast alle Rechtsverhältnisse des Schuld-
rechts, des Handelsrechts, des Gesellschaftsrechts.
b) Ausnahmen bestehen aber in großem Umfang.
Nachgiebigkeit im öffentlichen Recht: Vertragsfreiheit zwischen
Gemeinden, zwischen Gemeinden und Staat, zwischen den Län-
dern, zwischen den Staaten im Völkerrecht.
Zwingendes Recht im Privatrecht: Formvorschriften. Nichtigkeit
und Anfechtbarkeit. Scheidungsgründe. Pflichtteilsrecht, Testa-
mentsformen. Firma, Prokura. Gründung von Handelsgesell-
schaften. Schutzvorschriften für Arbeitnehmer.

IV. Zusammenhänge und Verbindungen


1. Verschmelzung
Eine Vereinigung beider Rechtsgruppen - genauer: keine Unter-
scheidung zwischen beiden - bestand im deutschen Mittelalter. Alle
rechtserheblichen Vorgänge wurden rechtlich schlechthin (privat-
rechtlich) beurteilt. So erschien die Gebietshoheit als Obereigentum
am Grund und Boden, konnte der Landesherr das Gebiet vererben
und verpfänden, sogar Hoheitsrechte veräußern, anderseits Geld-
abgaben ("Bede-Vertrag") und militärische Dienste (Lehensvertragl
nur auf vertraglicher Grundlage fordern. Erst nach der Rezeption des
römischen Rechts kam die Unterscheidung zwischen privatem und
öffentlichem Recht auf. Die neuere Zeit verwischt die Grenzen wie-
der, so besonders im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht.
2. Trennung, aber Beeinflussung
Heute besteht Trennung, aber Beeinflussung zwischen beiden Rechts-
arten.
a) Wir finden privatrechtliche Gesichtspunkte im öffentlichen Recht,
teils zufolge Nachwirkens bzw. Wiederauflebens der mittelalter-
lichen Auffassung, besonders in der Verwaltung, teils zufolge
74 Rechtswissenschaft

Einführung der zivilistischen Konstruktionsweise im Staatsrecht,


teils zufolge zeitweiliger, heute freilich nur vereinzelter Verwei-
sung öffentlicher Streitsachen an die Zivilgerichte.
b) Wir finden neuerdings auch öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte
im Privatrecht, besonders seit dem ersten Weltkriege.
Beispiele: Im BGB Vereinsrecht, Beamtenhaftung (§ 839), Vor-
mundschaftsrecht, Nachlaßkontrolle; im HGB Handelsregister,
Eintragungszwang, Gesellschaftsgründung. Publizistische Durch-
dringung des Wohn- und Mietrechts, des Rechts der kaufmänni-
schen, gewerblichen und industriellen Unternehmungen. Kriegs-
wirtschaftsrecht und Nachkriegswirtschaftsrecht, Erhebung privat-
rechtlicher Grundsätze zu solchen des öffentlichen Rechts, so
RVerf. 1919, Art. 152 11.

3. Jenseits der Unterscheidung

Im Laufe der Zeit sind auf vormals entweder öffentlich-rechtlichem


oder privatrechtlichem Boden Rechtszweige erwachsen, die in der
Mitte zwischen dem öffentlichen und privaten Recht - richtiger:
abseits dieses Unterschiedes - stehen. Sie entstanden entweder da-
durch, daß auf privatrechtlichem Gebiete das Gemeininteresse über-
wiegend wurde, oder dadurch, daß öffentlich-rechtliche Gebiete
rechtskonstruktiv nach privatrechtlicher Methode gestaltet wurden.
Dahin gehört vor allem das Arbeitsrecht. Dahin gehören in gewissem
Sinne auch das Steuerrecht und die in sich geschlossenen Rechts-
gebiete des Wirtschaftsrechts. Vollends steht jenseits der überkom-
menen Unterscheidung nach wie vor das Kirchenrecht.

B. Die Disziplinen der Rechtswissenschaft

Die nächsten beiden Seiten enthalten übersichten über die Einzel-


gebiete des öffentlichen Rechts und des privaten Rechts. Die Einzel-
gebiete werden, soweit erforderlich, im dritten Teil ("Rechtszweige U
)

näher behandelt.
Gliederung 75

I. Gebiete des öffentlimen Remts


Gesetzgebung und
Regierung: Verwaltung: Rechtspflege:
Allgemeines Allgemeines Gerichtsverfassungs-
Staatsrecht Verwaltungsrecht recht, Berufsrecht aer

I
Allgemeine Lehren Allgemeine Lehren
Rechtspflegeberufe
(nicht kodifiziert) (Richter, Staatsanwälte,
(nicht kadifiziert) Rechtspfleger, Rechtsanwälte,
Verwaltungsorganisations- Natare usw.)
recht,
Besonderes Staatsrecht Verwa Itungsverfah ren srecht,
Recht des Verwaltungs-
Verfahrensrecht der
Verfassungs recht des Bundes zwangsverfahrens, ordentlichen Gerichte
und der Länder (Verfas- Recht des öffent\. Dienstes, (Zivilprazeßordnung, Straf-
sungsurkunden, Gesetze Kammunalrecht, prazeßordnung, Konkurs-
Ober Hoheitsgebiet, Staats· Recht der Körperschaften, ardnung, freiWillige
anQehörigkeit, Wehrpflicht, Anstalten und Stiftungen Gerichtsbarkeit)
zivilen Verteidigungsdienst, d. ö. R.
Wahlrecht, Staotsorgane, Verfassung und
Parteien, Wappen, Flaßgen, Verfahren der
Orden, Gesetzesbereinigung VerwaltungsQerichte
und .verkündung, Verfas- (Verwaltungsgenchts·
sungsschutz und Verfas· ordnung)
su ngsgerichtsbarkeit) Besonderes
Verwaltungsrecht Verfassung und
Verfahren der
Palizei- und Ordnungsrecht, Fi nanzgerichte
Völkerrecht Recht der Kunst, Wissen- (Reichsabgabenardnung,
Gewohnheitsrecht schaft, Erziehung und Volks· G. ü. d. Bundesfinanzhof,
und Verträge bildung, Schulrecht, Hoch· G. ü. Maßnahmen auf dem
schulrecht Gebiete der Finanzgerichts·
Gesundheitsrecht barkeit)
Recht der sozialen Fürsarge,
Supranationales Recht der Fürsorge für Flüchtlinge Verfassung und
Verträge über die
und Vertriebene, Recht der
Kriegsfolgenhilfe, Lasten·
Verfahren der
Eurapäische Integration aus~eichs. und Wiedergut·
Arbeitsgerichte
ma ungsrecht (Arbeitsgerichtsgesetz)
Verteidigungs- Sazialversicheruncß,'recht Verfassung und
Recht der Jugen ilfe und
abkommen Jugendwahlfahrt Verfahren der
Nordatlantikpakt, Abkom- Bau-, Wohnungs- und Sied· Sozialgerichte
men Ober die Statianierung lu~srecht, (Sozialgerichtsgesetz)
ausländischer Streitkräfte Re t der Raumardnung,
in der Bundesrepublik Feuerschutzrecht, Recht des Verfassung und
zivilen Bevölkerungsschutzes Verfahren des
Wi rtschaftsrecht
Abkommen über die Verkehrsrecht Bundespatentgerichts
Regelung der aus Krieg Landwirtschafts., Forst-, (G. v. 23. 3. 1961)
Jogd. und Fischereirecht,
und Besatzung entstan- Wasserrecht, Veterinärrecht, Verfassung und
denen Fragen Recht des Tier· und Natur- Verfahren der
schutzes Disziplinargerichte
Finanz- und Steuerrecht (Art. 96 Abs. ~ GG,
Sondergebiete : Disziplinargesetze des
Bundes und der Länder)
Arbeitsrecht Verwaltungsrecht der
(Tarifrecht, auswärtigen Verwaltung
lIetriebsverfassungsrecht)
Materielles Strafrecht
Verwaltungsrecht der (StGB und strafrechtliche
Kirchenrecht Landesverteidigung Nebengesetze)
76 Rechtswissenschaft

II. Gebiete des privaten Rechts


Sonderrecht für den
Gemeinrecht für alle Sondergebiete : Handelsstand
Bürgerliches Recht Recht der Wertpapiere Handels- und
Gesellschaftsrecht
Allgemeiner Teil
Urheber- und Erfinderschutz
des BGB Patentrecht, Urheberrecht, Pri vatvers icheru ngs recht
Verlagsrecht, Geschmacks-
muster-, Gebrauchsmuster-
Recht der und Warenzeichenrecht,
Bank- und Börsenrecht
Schuldverhältnisse Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb
0) allgemein
b) einzeln Schilfahrts- und Seerecht

Sachenrecht
Familienrecht
Erbrecht

Die Darstellung enthält nur die wichtigsten Disziplinen. Nicht berüd<:-


sichtigt werden konnten aus Gründen der übersichtlichkeit Rechtsge-
smichte, Remtsvergleimung, Fremdrechtsanwendung und Remtsphilo-
sophie.
Die Remtsmaterien des "Verwaltungsremts" sind so zahlreich, daß sie
nur beispielsweise aufgezählt werden konnten. In der Literatur werden
Materien, die hier als Teile des "Allgemeinen Verwaltungsremts" be-
handelt worden sind (z. B. das Remt des öffentlimen Dienstes und das
Kommunairemt) häufig dem "Besonderen Verwaltungsremt" zugerech-
net, während das Verfassungs- und Verfahrensrecht der Verwaltungs-
gerimte, der Finanzgerimte, der Arbeitsgerichte und der Sozialgerimte
- statt unter "Remtspflege" wie hier -, bei den entspremenden Remts-
zweigen des materiellen Rechts mitbehandelt wird. Entspremendes gilt
für das Verfahrensremt des Bundespatentgerichts und der Disziplinar-
gerimte des Bundes und der Länder.
Nimt berüd<:simtigt werden konnte mangels hinreichender Klärung das
sog. "Weltraumremt". Grundlegend für dieses werdende Recht dürften
die Ausführungen von Friedrich Klein, Zur Remtslage im Weltraum,
in der Festsmrift zum zehnjährigen Bestehen der Verwaltungsakademie
Detmold-Bad Meinberg, 1961, sein.
Dritter Teil

Rechtszweige
Bei der Kennzeichnung der verschiedenen Rechtsdisziplinen nach Be-
griff, Inhalt und Methode wird die Gliederung in öffentliches und pri-
vates Recht zugrunde gelegt. Das öffentliche Recht im weiteren Sinne
umfaßt auch das Arbeitsrecht und das Justizrecht, das öffentliche Recht
im engeren Sinne beschränkt sich auf Staatsrecht, Verwaltungsrecht,
Kirchenrecht und Völkerrecht.

9. Kapitel

öffentliches Recht
Staatsrecht - Verwaltungsrecht - Kirchenrecht - Völkerrecht -
Arbeitsrecht
A. Staatsrecht (Verfassungsrecht)
I. Begriff und Quellen
1. Staatliches Recht und Staatsrecht
Der Staat ist nicht bloß subjektiv eine Stoffquelle des Rechts (Staat-
liches Recht), sondern auch objektiv Gegenstand rechtlicher Regelung
(Staatsrecht). Staatsrecht ist dasjenige staatliche Recht, welches die
oberste Organisation, die obersten Funktionen sowie das Verhältnis
des Staates zu seinen Mitgliedern regelt.
2. Verfassungsrecht
Dem Staatsrecht gleichbedeutend ist das Verfassungsrecht im mate-
riellen Sinne, d. h. die Staatsgrundordnung. Verfassungsrecht im
formellen Sinne ist das Verfassungsgesetz = Verfassungsurkunde =
Staatsgrundgesetz. Jeder Staat hat eine Staatsgrundordnung, aber
nicht notwendig ein Staatsgrundgesetz. Staaten ohne Verfassungs-
urkunde: Großbritannien, .. Drittes Reich". Der moderne Staat hat
in der Regel ein Staatsgrundgesetz, welches die wichtigsten Gegen-
stände der Staatsgrundordnung regelt.
Beispiele: Bismarck'sche Reichsverfassung 1871, Weimarer Reichs-
verfassung 1919, Verfassungen der Gliedstaaten des Kaiserreichs,
der Länder der Reichsrepublik, der neuen deutschen Länder seit
1946. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom
23. Mai 1949.
78 Rechtszroeige

ß. Inhalt
1. Verfassungsgeschichte
a) Verfassungsentwid<lung im 17. und 18. Jahrhundert: Westfäli-
scher Frieden 1648; Abstieg und Ausklang des Heiligen Römi-
schen Reiches Deutscher Nation; Aufstieg und Ausbau der Terri-
torialstaaten wie Brandenburg-Preußen, Bayern, österreich.
b) Verfassungsentwid<lung im 19. Jahrhundert: Staatsrechtliche Ge-
staltung der Einzelstaaten, z. B. Preußen, Bayern, Hamburg usw.;
Obergang von der absoluten zur konstitutionellen Regierungs-
weise, Einrichtung der konstitutionellen Monarchie. Auswirkung
der Bundesstaatsgründung auf die Gliedstaaten.
Zusammenschluß der deutschen Einzelstaaten erst zum völker-
rechtlichen Staatenbund, dann zum staatsrechtlichen Bundesstaat.
Deutscher Zollverein 1834; Reichsgründungsversuch in der Frank-
furter Paulskirche 1848/49; Errichtung des Norddeutschen Bundes
1867, des Deutschen Reiches 1871; Einrichtungen und Wandlun-
gen des Kaiserreichs.
2. Allgemeines Staatsrecht
Im Gegensatz zur Allgemeinen Staatslehre, welche die allseitige
wissenschaftliche Erfassung des Staates zum Gegenstand hat, be-
schränkt sich das Allgemeine Staatsrecht auf die juristisme Erfas-
sung des Staates; es stellt dafür allgemeine Lehren auf, welche für
alle konkreten Staatsbildungen von grundlegender Bedeutung sind.
Zu diesen allgemeinen Lehren gehört namentlich:
a) Begriff und Wesen des Staates; übersicht über die verschiedenen
juristischen Erklärungsversuche der staatlichen Verbandseinheit.
Die relativ beste Theorie erklärt den Staat als (größte) Körper-
schaft des öffentlichen Rechts.
bl Staatselemente: Die Grundlagen eines jeden Staates sind das
Staatsgebiet (räumlicher Bereich), das Staatsvolk [Staatsange-
hörigkeit) und die Staatsgewalt (eigenständige. nicht notwendig
souveräne Gewalt).
cl Staatsorgane: Organbegriff und Organtheorie; oberste und nach-
geordnete Organe: parlamentarisches Wahlrecht.
d) Staatsfunktionen: Lehre von der Gewaltenteilung (Unterschei-
dung, Verteilung, Beeinflussung, Hemmung); der Exekutive (Re-
gierung und Vollziehung), der Justiz (Rechtspflege).
e) Staatsangehörigkeit: Rechtsverhältnis zwischen Staatsverband
und Staatsbürger; Entstehungs- und Endigungsgründe; wechsel-
seitige Pflichten und Rechte, Grundrechte.
f) Verfassungsformen sind äußerlim Monarchie und Republik,
Öffentliches Recht 79

innerlich Obrigkeitsstaat und Volksstaat; demgemäß unterschei-


det man echte und unechte Monarchie, echte und unechte Repu-
blik.
gl Staatsgefüge: Einheitsstaat und zusammengesetzte Staaten; Staa-
tenbund und Bundesstaat; föderativer und unitarischer Bundes-
staat. Beispiele: Deutschland, Schweiz, USA.
3. Besonderes Staatsrecht
Dieses betrachtet an Hand der allgemeinen Lehren die besonderen
Rechtsverhältnisse der konkreten Staatsbildungen, wie sie sich zeit-
lich und örtlich verschieden gestaltet haben.
a) Deutsmes Staatsremt
Staatsrecht des Bismarck'schen Kaiserreiches und seiner Glied-
staaten. Aufbau, Organisation, Funktionen, Staatsangehörigkeit;
Verhältnis zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten.
Staatsrecht der Reimsrepublik und ihrer Länder. Bundesstaat-
liche Struktur und innerstaatliche Einrichtungen. Gegensatz zwi-
smen dem geschriebenen Verfassungsrecht und den späteren
Verfassungswandlungen. Staatsrecht des "völkischen Führerstaa-
tes" im sogenannten "Dritten Reich". Beseitigung des Rechts-
staates und Aufrichtung des Machtstaates. Umbau der staatsrecht-
limen Organisation nach dem Führerprinzip; Verhältnis zwischen
Partei und Staat. Zusammenbruch des nationalsozialistischen
Systems und des bisherigen Reichsverbandes 1945.
Neubildung der Staatlichkeit. Staatsvolk, Staatseinrichtungen,
Staatstätigkeit, Verhältnis zwischen Landesregierungen und Mili-
tärregierung. Staats- und völkerrechtliche Stellung des Kontroll-
rates. Zweifel am Fortbestand der Staatlichkeit des Reiches.
Erneuerung des Bundesstaates in den drei Westzonen (Bundes-
republik Deutschland), staatsrechtliche Entwicklung in der so-
wjetischen Zone ("Deutsche Demokratische Republik"). Bonner
Grundgesetz (als vorläufige Verfassung Westdeutschlandsl, Saar-
land, Berlin, besetzte deutsche Ostgebiete.
b) Ausländisches Staatsrecht
Von besonderer Bedeutung ist auch das Staatsrecht auswärtiger
Mächte. In Betracht kommt vor allem die Gestaltung der Schwei-
zerischen Eidgenossenschaft, der Französischen Republik, des
Königreichs Großbritannien, der Vereinigten Staaten von Nord-
amerika sowie der UdSSR. Aus der staatsrechtlichen Betrachtung
dieser und anderer Fremdstaaten in Verbindung mit den deut-
schen Verhältnissen ergibt sich die wiederum für das Allgemeine
Staatsrecht äußerst fruchtbare Lehre der verfassungsmäßigen
Rechtsvergleichung.
80 Rechtszroeige

III. Methode
Der Eigenart der staatsrechtlichen Forschung und Lehre entspricht die
kombinierte historisch-dogma tisch-dynamische Methode.
1. Historisch:
Wertvoll ist die wissenschaftliche Erforschung der griechischen, be-
sonders der römischen, vollends der deutschen Verfassungs-
geschidlte, unentbehrlich für das Verständnis des geltenden Rechts
die Ermittlung und Auswertung der Zusammenhänge namentlich
zwischen dem Staatsrecht des Kaiserreichs und seiner monarchischen
Gliedstaaten mit dem der Reichsrepublik und ihrer Länder. Viele
Wurzeln sind geblieben, manche neuartig scheinende Einrichtungen
sind bloß aufgepfropft, grundlegende Probleme haben sich nur
äußerliCh verändert.
2. Dogmatisch:
An Stelle der besChreibenden [deskriptiven) ist längst die konstruk-
tive [dogmatische) Methode getreten. Allerdings bringt die juristische
DurChdringung des StaatsreChts die Gefahr der übertragung unan-
gebraChter zivilistisCher Denkweisen in das Gebiet des öffentlichen
ReChts mit sich. Daher muß die zivilistisch-juristische BetraChtungs-
weise beim StaatsreCht zur publizistisch-juristisChen Methode fort-
entwid<elt werden.
3. Dynamisch:
Mit ReCht berüd<sichtigt die neuere, schon vor dem ersten Weltkriege
aufgekommene und vollends nachher aufgeblühte dynamisChe For-
sChungs- und Lehrweise die in den Formen des Staatsrechts siCh aus-
wirkenden politischen Kräfte. Allerdings darf die dynamisChe Me-
thode nicht als die allein seligmachende angesehen und einseitig
angewendet werden; solches hieße das Staatsrecht durch die Politik
ersetzen. Aber zusätzlich zu den anderen Methoden gewährleistet
sie die vollständige Erfassung und richtige Deutung des ReChts-
gehalts sowohl der geschriebenen Verfassungsvorschriften als auch
der ungesChriebenen Normen des Staatsrechts wie der belangvollen
"Verfassungswandlungen ".

B. Verwaltungsremt
I. Begriff und Quellen
VerwaltungsreCht ist das SonderreCht der öffentlichen Verwaltung.
1. Verwaltung
Bei jedem öffentlichen Verband unterscheidet man Einrichtung [Ver-
fassung) und Wirksamkeit. Letztere gliedert sich in Rechtsbildung,
öffentliches Recht 81

Rechtspflege und Rechtsanwendung. Letztere ist teils Vollziehung.


d. h. Ausführung des gesetzgeberisch formulierten Staatswillens.
teils Regierung. d. h. eigenverantwortliche Bildung und zugleich Be-
tätigung des Staatswillens im Rahmen der erlassenen Gesetze. im
übrigen nach freiem Ermessen. Dabei ist die Rechtsanwendung für
die Verwaltung nicht wie die Rechtspflege für die Justiz Selbstzweck.
sondern Mittel zur Förderung der allgemeinen Staatszwecke. Auch
die Tätigkeit der staatlichen Finanzkontrolle (Rechnungshöfe des
Bundes und der Länder) ist Verwaltung (Verwaltung im .. ministerial-
freien Raum").
2. Verroaltungsrecht
Die Verwaltung verwendet teils natürliche. teils privatrechtliche. teils
öffentlich-rechtliche Mittel; nur die besondere Ordnung für letzteres
bildet das Verwaltungsrecht. Seine Vorschriften zerfallen in Rechts-
normen für Behörden und Bürgerschaft und in Verwaltungsnormen
nur für die Behörden. Die Rechtsnormen werden außer durch die
Gesetzgebung mit legislativer Ermächtigung ergänzend durch die
Verwaltung selbst erlassen. die Verwaltungsnormen bedürfen sol-
cher Ermächtigung nicht.
3. Verroaltungsrechtsquellen
Die verwaltungsrechtlichen Vorschriften wurden in der monarchi-
schen Epoche hauptsächlich von den Gliedstaaten erlassen. In der
Zeit der Republik nahm der reichsrechtliche Bestand ständig zu. Im
Dritten Reich gab es fast nur noch reichsrechtliche Vorschriften für
die Verwaltung. Nach dem Zusammenbruch entstand das Verwal-
tungsrecht. soweit nicht Kontrollrat und Militärregierungen Bestim-
mungen trafen. wieder in den deutschen Ländern. später im Ver-
einigten Wirtschaftsgebiet der Doppelzone; doch gilt noch ein großer
Bestand des von früher überkommenen Verwaltungsrechts des bis-
herigen Reiches. Dazu treten die Verwaltungsgesetze der Bundes-
republik Deutschland.
4. Deutsches Verroaltungsrecht
Dieses war bisher als praktisch-positives Recht das Reichsverwal-
tungsrecht und jedes einzelne deutsche Landesverwaltungsrecht. da-
gegen als theoretisch-wissenschaftliche Disziplin das aus sämtlichen
Landesrechten nebst dem Reichsrecht gewonnene Lehrsystem. Als
praktisch geltendes Recht ist es gegenwärtig das überkommene
Reichsrecht. das bisherige und das neue Länderrecht. das neue
Bundesrecht.
5. Verroaltungsroissenschaft
Aus der wissenschaftlichen Synthese des Verwaltungsrechts. der
allgemeinen Verwaltungslehre und der theoretischen Verwaltungs-

6 Giese, Remt
82 Rechtszmeige

politik ergibt sich die in Deutschland noch wenig ausgebildete Ver-


waltungswissenschaft.

11. Allgemeines Verwaltungsremt


1. Verroaltungsrechtsgeschichte
Die rechtsgeschichtliche Betrachtung der Verwaltung beschränkt sich
auf die Entwicklung in neuerer und neuester Zeit. Diese Entwid<:-
lung vollzog sich in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert zunächst
in den Einzelstaaten, sodann seit der Schaffung eines deutschen
Gesamtstaates im Kaiserreich, in der Reichsrepublik und im "Dritten
Reich ". Die wichtigsten Entwicklungsgänge werden in der neueren
Verfassungsgeschichte mitbehandelt, im übrigen bei den einzelnen
Instituten des Verwaltungsrechts berücksichtigt.
2. Verroaltungsgrundlagen
Es gilt zunächst, die Zusammenhänge zwischen Verfassung und Ver-
waltung, insbesondere die Abhängigkeit der Verwaltung von der
jeweiligen Verfassung kurz aufzuzeigen. Sodann ist der Begriff der
Verwaltung zu klären, vor allem ihre Abgrenzung von Rechtsbildung
und Rechtspflege vorzunehmen. Es ist ferner auf die verschiedenen
Arten der Verwaltung - verschieden namentlich nach den Verwal-
tungsträgern - hinzuweisen, endlich die Verwaltungsregelung dar-
zulegen.
3. Verroaltungsaufbau
Die Organisation der Verwaltung weist grundlegende Erscheinungen
- z. B. Körperschaften, Anstalten, Stiftungen, Ämter, Behörden -
und bestimmte Grundsätze - z. B. Dezentralisation, Dekonzentra-
tion - auf. Im Bundesstaat besteht für Gliedstaaten und Gesamt-
staat je ein besonderes Behördensystem, aber auch eine Verbindung
beider Systeme. Zu der staatlichen Verwaltung tritt die körperschaft-
liche Selbstverwaltung hinzu. Ihre wichtigste Erscheinungsform bil-
den die Gemeinden und Gemeindeverbände. Neben dieser Kommu-
nalverwaltung steht die berufsständische Selbstverwaltung und die
wirtschaftlich-soziale Eigenverwaltung.
4. Verroaltungsmittel
Es gibt persönliche, sachliche, organisatorische und finanzielle Mittel
zur Durchführung der Verwaltung. Dem entsprechen die Lehren vom
öffentlichen Dienst, von den öffentlichen Sachen, den öffentlichen
Anstalten, den öffentlichen Finanzen.
5. Verroaltungsfunktionen
Die wichtigsten Verwaltungsmaßnahmen sind die Verwaltungsakte;
diese führen zu den Sonderproblemen der Rechtskraft und der Feh-
öffentliches Recht 83

lerhaftigkeit. Der Sanktion der Verwaltungs akte dienen Verwaltungs-


zwang und Verwaltungsstrafe; der Zwang kann sich auch unmittel-
bar durch Sacherfassung äußern. Von größter Bedeutung ist der Ver-
waltungsrechtschutz; er gipfelt in der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Bei rechtswidriger Schädigung durch die Verwaltung wird das In-
stitut der Amtshaftung anwendbar, bei rechtgemäßer Schädigung das
Institut des Aufopferungsanspruches oder der öffentlich-rechtlichen
Entschädigung.

III. Besonderes Verwaltungsredll


Hier sind die einzelnen Verwaltungsgebiete, deren rechtliche Bedeutung
unterschiedlich ist, auf ihren Rechtsgehalt hin zu erörtern. Einige Ge-
biete sind rechtlich so bedeutsam, daß sie sich zu selbständigen Rechts-
disziplinen entwid<elt haben, so vor allem seit dem ersten Weltkriege
das Steuerrecht.

IV. Methode
1. Die unübersehbare Fülle schon des rechtlichen und vollends des
tatsächlichen Verwaltungs stoffes zwingt dazu, es nicht bei der bloß
beschreibenden Darstellung, wie es die frühere "Verroaltungslehre"
tat, bewenden zu lassen, sondern das ganze Gebiet juristisch zu
durchdringen, d. h. die Grundsätze, Grundeinrichtungen und Grund-
probleme zu ermitteln und zu einem juristischen System zu ver-
arbeiten. Das Verdienst bahnbrechender Arbeit in diesem Sinne
kommt namentlich atto Mayer zu.
2. Dabei genügt keineswegs die Betrachtung nur der rechtlichen For-
men, vielmehr muß mit der juristischen die dynamische Methode
verbunden werden. Diese erfordert gerade im Verwaltungsleben die
Berüd<sichtigung und Verwertung auch der hier wirksamen politi-
schen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kräfte.

c. Kirdlenrecht
I. Begriff und Quellen
Kirchenrecht ist das Sonderrecht der christlichen Religionsgesellschaften.
1. Kirche
Kirche im religiösen oder Lehrsinne ist die Gesamtheit der Bekenner
eines christlichen, insbesondere des römisch-katholischen, des evan-
gelischen, des griechisch-orthodoxen Glaubens. Kirche im Rechts-
sinne ist der organisierte Verband solcher Bekenner: die katholische

6'
84 Rechtszroeige

Weltkirche, die (vielen) evangelischen Landeskirchen, die ortho-


doxen Kirchen. Neben den christlichen (Kirchen) stehen die nicht-
christlichen Religionsgesellschaften, z. B. der Israeliten und der
Mohammedaner; auch diese sind Religionsgesellschaften, weil sie
auf bestimmter Bekenntnisgrundlage beruhen. Mangels einer solchen
liegt bloß ein religiöser Verein vor.
2. Kirche und Recht
Die Kirche ist als menschlicher Verband, nach katholischer Lehre als
göttliche Stiftung rechtlicher Regelung zugänglich und bedürftig.
Diese erfolgt vornehmlich durch die Kirche selbst, teilweise aber
auch durch den Staat. Aus dem Zusammenschluß des kirchlich-
konfessionellen mit dem staatlich-interkonfessionellen Recht er-
wächst das gesamte Recht für die Kirche, das Kirchenrecht (ius
ecclesiasticum). Jenes (kirchliches Recht) regelt die innerkirchlichen
Rechtsverhältnisse, letzteres die Beziehungen der Kirche zum Staat
und das beiden gemeinsame Rechtsgebiet (Staatskirchenrecht). Das
kirchliche Recht des Mittelalters griff weit über die kirchlichen Gren-
zen hinaus und ordnete auch weltliche Angelegenheiten der Kirche,
ja des Staates. Dieses sogenannte kanonische Recht fand seinen
Niederschlag im Corpus iuris canonici, an dessen Stelle 1917 der
Codex iuris canonici getreten ist.
3. Kirche und Staat
Beide Verbände haben von jeher räumlich, sachlich und persönlich
Berührungspunkte gehabt. Die Abgrenzung beider Bereiche und die
Grenzziehung zwischen beiden Mächten ist eines der größten (auch
rechtlichen) Probleme in Mittelalter und Neuzeit. Der Mangel eines
gemeinsamen oder gar höheren Rechtsbodens schließt eine genaue
und verbindliche Scheidung aus. Daher gibt, soweit nicht eine ver-
einbarliche Regelung gelingt, die jeweilige Machtverteilung den Aus-
schlag. Immerhin gestattet sie in Verbindung mit dem positiven
Recht die Aufstellung von kirchenpolitischen Systemen. Danach be-
stimmt sie auch, ob das kirchliche Recht als originäre Rechtsquelle
neben der staatlichen gelten kann oder nur kraft staatlicher Ermäch-
tigung, d. h. als autonomes Recht, wirksam ist.

11. Inhalt
1. Kirchenrechtsgeschichte
Ihre Forschung und Lehre hat als "Kanonistik" selbständige Be-
deutung neben Romanistik und Germanistik erlangt. Dabei werden
bestimmte Zeitabschnitte der rechtlichen Entwicklung unterschieden.
Im Anschluß an Stutz, Kirchenrecht, in D. Holtzendorf-Kohler, Enzy-
Öffentliches Recht 85

klopädie der Rechtswissenschaft. 5. Auf!., 1913 bis 1915. Bd. 5, ist


folgende Gliederung maßgeblich geworden:
a) Für die Geschichte des katholischen Kirchenrechts: die sechs
Perioden des Missionskirchenrechts der christlichen Frühzeit, des
römischen Kirchenrechts, des germanischen Kirchenrechts, des
kanonischen Rechts, des "katholischen" Kirchenrechts, des "vati-
kanischen" Kirchenrechts;
b) für die Geschichte des evangelischen Kirchenrechts: die vier Perio-
den der Reformation, der gesonderten Entwicklung des lutheri-
schen und des reformierten Kirchenrechts, der gemeinschaftlichen
Entwicklung des deutsch-evangelischen Kirchenrechts im 19. Jahr-
hundert, der neu esten Entwicklung der selbständigen Landes-
kirchen seit 1918.
2. Katholische Kirchenverfassung
Grundlegend sind der päpstliche Primat (Primat kommt vom lateini-
schen Wort primus: der Erste; Primat bedeutet oberste Entschei-
dungsbefugnis), die Potestas ordinis et iurisdictionis (Potestas = Ge-
walt, ordo = Weihe, Weihegewalt, iurisdictio = Regierungsgewalt),
füglieh die Hierarchia (Herrschaft) ordinis et iurisdictionis, der
Unterschied von Klerus und Laien. Die Organisation der katholischen
Kirche umfaßt das Papsttum, das Bischofturn, das Pfarramt, die
religiösen Genossenschaften.
3. Evangelische Kirchenverfassung
Grundlegend sind die Kirchengemeinden und die einzelnen Landes-
kirchen sowie ihr höherer Zusammenschluß zum Kirchenbund bzw.
zur Bundeskirche. Die Organisation war früher obrigkeitlich (landes-
herrliches Kirchenregiment, Konsistorial-Synodalverbände, Landes-
kirche). Geistliches Amt ist das Pfarramt.
4. Kirchliche Verwaltung
Diese bezieht sich auf weltliche und geistliche Angelegenheiten, auf
Verwaltung i. e. S. und Rechtspflege, auf Ämter, Vermögens- und
Verbandswesen. Die geistliche Verwaltung betrifft den Kultus, die
Sakramente, insbesondere das Ehewesen.
5. Staat und Kirche
Ihr Verhältnis wird entweder beiderseits selbständig oder vereinbar-
lich durch Konkordat geordnet. Die möglichen kirchenpolitischen
Systeme sind in historischer Folge:
a) Verbindung im Kirchenstaatsturn oder Staatskirchenturn,
b) kirchliche Selbständigkeit unter staatlicher Aufsicht,
c) Trennung von Staat und Kirche.
88 Rechtszroeige
-----------------~ ----~--~- ----~-

Die wichtigsten Einzelfragen des Staatskirchenrechts sind Bekennt-


nisfreiheit, Religionsgesellschaftsfreiheit, staatliche Ausstattung mit
privater und öffentlicher Rechtsfähigkeit, kirchliche Selbstverwal-
tung unter Staatsaufsicht, staatliche Anerkennung, Berücksichtigung
und Vergünstigung der Kirchen.

111. Methode

1. Die kirchenrechtliche Forschung und Lehre bedarf, wie die vor-


stehende übersicht hat erkennen lassen, besonders gründlicher ge-
smimtlimer Fundierung. Auf die hohe Bedeutung gerade der kirch-
lichen Rechtsgesdlidlte überzeugend aufmerksam gemacht zu haben,
ist das große Verdienst von Ulrich Stutz.
2. Sie bedarf ferner der eingehenden Berücksichtigung der bewegen-
den Kräfte des Kirmenrechts, besonders der Politik und Religion.
a) Das äußere dynamische Moment ist die Politik, sowohl diejenige
innerhalb der Kirchen wie die des Staates gegenüber den Kirmen.
Die Politik einerseits im großen des Papstes und der römischen
Kurie wie im kleinen der evangelischen Kirchenregierungen,
anderseits der Staatsregierungen in kirchlichen Angelegenheiten
erschließt erst das Verständnis für manche und volles Verständ-
nis für jede Norm des Kirchenrechts.
b) Das innere dynamische Moment ist die Religion. Sie bildet nor-
malerweise die Seele der Kirchen und auch ihres Rechts, welche
ihrerseits die berufenen Hüter der Religion sind. Gewiß darf
man die Dinge des Glaubens und die Gegenstände des (Kirchen)-
Rechts nicht verwechseln oder vermischen; da aber die religiösen
Wahrheiten die treibenden Kräfte für die Einrichtung der Kirchen
und für die Gestaltung ihres Rechts sind, hängt dessen restlose
Erkenntnis von ihrer Mitberücksichtigung ab.

D. Völkerrecht
I. Begriff und Quellen
1. Eigenart
Wie das Kirchenrecht, greift auch das Völkerrecht über den Staat
hinaus. Sein Feld ist die Welt. Aus der Interessen- und Kultur-
gemeinschaft der Völker erwächst zwischen den beteiligten Staaten
ein Verkehr und für ihn eine Ordnung. Diese internationale Rechts-
ordnung, welche das Verhalten, besonders die gegenseitigen Rechte
Öffentliches Recht 87

und Pflichten der Mitglieder einer Staatsgesellschaft bei Ausübung


der staatlichen Hoheitsrechte regelt, ist das Völkerrecht. Eine Völker-
rechtsgemeinschaft kann aus zwei, aus mehreren, aus allen Staaten
der Erde bestehen: partikuläres und allgemeines Völkerrecht. Das
Völkerrecht ist wirkliches, echtes, positives Recht, allerdings noch
jung - "spätgeborenes Kind der Zivilisation" - und noch unvoll-
kommen. Es fehlt ihm eine obrigkeitliche Rechtsetzung, eine wirk-
same Exekutive, eine vollkommene Justiz. Völkerrecht ist kein inner-
staatliches Recht [so die "Leugner"), kein überstaatliches Recht [so
die Utopisten), sondern zwischenstaatliches Recht; es wird durch
ausdrückliche Vereinbarung oder stillschweigende übung von Staa-
ten gebildet, bedarf aber einzelstaatlicher Verankerung, gilt kraft
Selbstbindung des - dann aber daran gebundenen - einzelnen
Staates. "Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte."
2. Quellen
Erst galt zwischen den Staaten nur Gewohnheitsrecht; dann kamen
Vereinbarungen über Einzelfragen [1780, 1815, 1856) auf, endlich
Vereinbarungen über ganze Materien, wie Schiedsgerichtsbarkeit und
Kriegsrecht: 1864, 1899, 1906, 1907, 1909, 1925 Locarno-Abkommen,
1928 Kellogg-Pakt, 1930 Young-Plan, 1945 UNo
3. Die Entwicklung einer Völkerrechtswissenschaft datiert seit 1625:
Hugo Grotius, de iure belli ac pacis libri tres [über das Recht des
Krieges und des Friedens, 3 Bücher).

11. Inhalt
Völkerrechtsträger sind grundsätzlich nur Staaten, ausnahmsweise auch
"Staatsfragmente" , wie Z. B. die Dominions des britischen Weltreichs
bis 1926.
1. Vollberechtigte Mitglieder einer Völkerrechtsgemeinschaft sind nur
anerkannte und souveräne Staaten, bei Staatenverbindungen je nach
der Konstruktion die Glieder oder der Verband. Neben der Voll-
besteht eine Halbsouveränität bei abhängigen Staaten. Souveräne
Staaten sind unbeschränkt rechts-, geschäfts- und delikts fähig.
2. Die natürlichen Grundlagen eines Staates - Gebiet und Volk - sind
auch völkerrechtlich erheblich: Beschränkungen und Wechsel der
Gebietshoheit; Staatservituten. Plebiszit und Option. Doppelbürger
und Staatenlose; Fremdenrecht.
3. Die Völkerrechtsorganisation besteht aus nationalen und internatio-
nalen Organen.
a) Nationale: Staatshaupt, Gesandte, Konsuln.
88 Rechtszweige

b) Internationale: Kongresse und Konferenzen, internationale Ge-


schäftsstellen und Ämter, internationale Gerichte. Organe des
Völkerbundes, der UNo
4. Das Friedensvölkerremt regelt Gegenstände und Formen des völker-
rechtlichen Verkehrs. Gegenstände sind gemeinsame wirtschaftliche,
soziale, kulturelle, justizielle Interessen. Formen sind völkerecht-
liche Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte, Verträge, Bündnisse.
Bei Rechts- und Vertragsverletzungen liegt ein völkerrechtliches De-
likt vor, aus welchem dem verletzenden Staat gegenüber die Delikts-
haftung geltend gemacht werden kann.
5. Das Kriegsvölkerremt zerfällt in Kriegsverhütungs- und Kriegfüh-
rungsrecht.
a) Kriegsverhütung: Vergleichs- und Vermittlungs-. Schieds- und Ge-
richtsverfahren.
b) Kriegführung ist rechtlich begrenzt und beschränkt. so für den
Land-. See- und Luftkrieg. Haager Landkriegsordnung, Rotes
Kreuz, Abkommen über Kriegsgefangene. Neutralität dritter Staa-
ten; Neutralitätsrecht im Verhältnis zu den Kriegführenden.

III. Methode
Als unvollkommenes, schwankendes und umstrittenes Recht erfordert
das Völkerrecht in Forschung und Lehre eine besonders sorgfältige
methodische Behandlung.
1. Eine sichere Grundlage dürfte beim Völkerrecht nur die positiv-
juristische Methode bilden. Sie besteht hier darin, daß die geschrie-
benen Völkerrechtsvorschriften und die aus klarer Staatenpraxis
deutlich erkennbaren ungeschriebenen Völkerrechtsnormen unter
scharfer kritischer Prüfung auf Geltung, Bereich und Inhalt zusam-
mengestellt, hieraus die wissenschaftlichen Grundsätze abstrahiert
und so die Grundeinrichtungen erkannt und geklärt werden. Andern-
falls läuft man Gefahr, mit Willkür und Phantasie ein angebliches
Recht zu fabrizieren, dessen die Wirklichkeit spottet.
2. Dabei darf natürlich keine der im Völkerleben und Staatenverkehr
wirksamen Kräfte und lebendigen Strömungen übersehen werden
und unberücksichtigt bleiben.
a) Solche Kräfte, die sorgsame Beachtung heischen, wirken in der
auswärtigen Politik der Staaten. besonders der Großmächte, in
der Taktik und Bürokratie der Diplomaten, in der Arbeitsweise
der internationalen Konferenzen und ständigen Organe früher
des Völkerbundes, heute der UNo
öffentliches Recht 89
--------

b) Solche Strömungen erblicken wir namentlich in den geistig-sitt-


lichen Bestrebungen und Betätigungen inoffizieller oder offiziöser
Art, wie Friedensbewegung (Pazifismus) und Kriegsächtung,
Atomgegnerschaft.
3. Die Auswertung solcher Kräfte und Strömungen für die Erkenntnis
der lex lata und für die Förderung der lex ferenda kann segensreich
sein, wenn sie sich nur vor der Verwechslung zwischen Kraft (Strö-
mung) und Rechtsnorm, aber auch vor wirklichkeitsfremden über-
spannungen hütet.

E. Arbeitsrecht
Nach dem Zusammenbruch galt es, die Spuren des nazistischen Systems
zu beseitigen und die freie Rechtslage der Arbeitnehmer und vor allem
ihrer Verbände [Gewerkschaften) wiederherzustellen. Dabei konnte
weitgehend an die Rechtsgestaltung aus der Zeit der Weimarer Repu-
blik angeknüpft werden.

I. Begriff und Regelung


1. Entroicli:1ung
Da das BGB den wirtschaftlich abhängigen Arbeitnehmer als solchen
nicht kennt, vielmehr auf wirtschaftlich freie Personen und auf den
Grundsatz der Vertragsfreiheit eingestellt ist, konnte es den beson-
deren Belangen der gewerblichen Arbeitnehmer nicht gerecht wer-
den. So entwickelten sich für den Berufsstand der Arbeitnehmer
schon zu Ende des 19. und mehr noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts
in steigendem Maße Spezialbestimmungen. Diese Entwicklung nahm
besonders nach dem ersten Weltkrieg einen immer rascheren Ver-
lauf. Es entstand für die Rechtsverhältnisse der abhängige Arbeit
leistenden Menschen ein geschlossenes Sonderrecht, die selbständige
Rechtsdisziplin .. Arbeitsrecht".
2. Gegenstand
Das Arbeitsrecht behandelt die Rechtsstellung der in .. abhängiger
Arbeit" stehenden Arbeitnehmer in der Gesamtheit der aus dem
Arbeitsverhältnis entspringenden Beziehungen, besonders im Ver-
hältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber (Arbeitsvertrag), zu den
Mitarbeitern (Arbeitsverfassungl, sowie zum Staat (Arbeitsschutz).
Das Arbeitsrecht erwuchs und besteht aus privatrechtlichen und
öffentlich-rechtlichen Elementen; beide sind aber dergestalt mitein-
ander verwoben und ineinander verwachsen, daß das Arbeitsrecht
90 Remtszroeige

im ganzen einen einheitlimen, und zwar öffentlich-rechtlichen Cha-


rakter trägt.
3. Regelung
Die arbeitsrechtlichen Vorsmriften werden teils obrigkeitlim, teils
autonom gebildet.
a) Obrigkeitlich regelt der Staat in den üblimen Formen von Gesetz
und Verordnung die grundlegenden arbeitsremtlimen Einrimtun-
gen. Ein einheitlimes Arbeitsgesetzbum, wie es schon die Wei-
marer Reichsverfassung in Art. 157 vorsah, steht immer nom
aus. Nam wie vor gilt eine kaum übersehbare und unerfreulim
wechselnde Fülle einzelner Bestimmungen.
b) Autonom wird das Arbeitsremt durch Gesamtvereinbarungen der
beiderseits beteiligten Verbände geordnet.
aal Durch "Tarifverträge" wird autonomes Berufsremt geschaf-
fen. Tarifverträge sind kollektive Arbeitsverträge, welche die
Bedingungen für den Abschluß der Einzelarbeitsverträge
rechtssatzmäßig festlegen. Die Vorschriften der Tarifver-
träge haben insoweit unabdingbare, normative Wirkung.
bb) Durch "Betriebsvereinbarungen" (z. B. Arbeitsordnungen)
wird autonomes Betriebsrecht für den Einzelbetrieb gebildet.

11. Remtsinhalt
1. Grundlagen
a) Die Arbeitnehmer einer Gruppe unterstehen dem Arbeitsrecht
dieser Gruppe. Arbeitnehmer ist, wer vertraglich, berufsmäßig,
aber für fremde Rechnung und entgeltlim unselbständige Arbeit
verrichtet. Man unterscheidet Arbeiter, Angestellte und leitende
Angestellte; Lehrlinge bilden eine Sondergruppe.
b) Die arbeitsremtlichen Behörden sind solche des Staates oder
der wirtschaftlich-sozialen Selbstverwaltung.
c) Der arbeitsrechtlime Rechtsschutz wird bei Rechtsstreitigkeiten
durch die besonderen Arbeitsgerichte geboten.
2. Arbeitsvertragsrecht
Der Arbeitsvertrag ist ein gegenseitiger schuldrechtlimer Vertrag, der
zwischen dem Mitglied einer arbeitsrechtlimen Berufsgruppe und
einem Arbeitgeber über die entgeltliche Leistung unselbständiger
Arbeit abgeschlossen wird.
Seiner Vorbereitung dienen besondere Einrichtungen zur Beschaf-
fung, Vermittlung, Verteilung, Erhaltung, Vermehrung von Arbeit.
Der Vertrag begründet für den Arbeitnehmer die Dienst-, Treu- und
öffentliches Recht 91

Haftpflicht, für den Arbeitgeber die Lohnzahlungs-, Urlaubsertei-


lungs-, Fürsorge- und Versicherungspflicht. Er endet mit Zeitablauf
oder durch Kündigung.
3. Arbeitsschutzrecht
Es gibt staatlichen Schutz durch die Gewerbeaufsichtsämter und
autonomen Schutz durch die Berufsgenossenschaften. Nach dem
Gegenstand unterscheidet man Betriebsschutz bezüglich der Betriebs-
mittel, Zeitschutz bezüglich der täglichen oder wöchentlichen Arbeits-
zeit, Vertragsschutz bezüglich Abschluß, Inhalt und Erfüllung des
Vertrages, insbesondere Kündigungsschutz durch Behörden und Ge-
richte. Sonderschutz gilt Jugendlichen und Frauen.
4. Betriebsverfassungsrecht
Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 enthält Vorschriften über
die Zusammensetzung und Geschäftsführung des Betriebsrates, den
Betriebsausschuß und die Aufgaben und Zuständigkeit der Betriebs-
versammlung. Der Betriebsrat hat auf allen betrieblichen und per-
sonellen Gebieten ein Mitwirkungsrecht, ferner ein Mitbestimmungs-
recht über
a) Arbeitszeit und Pausen,
b) Zeit und Ort der Lohnzahlung,
cl Urlaubsplanung,
d) Berufsausbildung,
e) Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen,
f) Ordnung des Betriebes,
gl Akkord- und Stüddohnsätze,
h) Entlohnungsgrundsätze und Entlohnungsmethoden,
i) NeueinsteIlungen,
k) Betriebsänderungen,
soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht.
Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesell-
schaft auf Aktien (ausgenommen bei Familiengesellschaften mit
weniger als 500 Arbeitnehmern) muß zu einem Drittel aus Arbeit-
nehmervertretern bestehen. Entsprechendes gilt für Gesellschaften
mit beschränkter Haftung, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit
und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Für Betriebe und
Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Ge-
meindeverbände und der sonstigen Körperschaften und Anstalten
des öffentlichen Rechts gelten die Personalvertretungsgesetze des
Bundes und der Länder. Das Betriebsverfassungsgesetz findet auf
sie keine Anwendung.
92 Red1 tszroeige
-------------------- ----------------------------
111. Methode
1. Die richtige Erkenntnis des Arbeitsrechts ist durch sorgsame Mitbe-
rücksichtigung des IDirtschafts- und sozialpolitischen Hintergrundes,
der hier wirkenden wirtschaftlichen und sozialen Kräfte, der dem
Arbeitnehmerstande eigentümlichen wirtschaftlichen und sozialen
Lebens- und Berufsverhältnisse sowie der grundlegenden Ideen der
freien Persönlichkeit und der sozialen Gemeinschaft bedingt. Arbeits-
recht ist in höchstem Maß Sozialrecht und nur als solches restlos
erfaßbar und richtig darstellbar.
2. Besondere Schwierigkeiten erwachsen aus der Unfertigkeit und Zer-
splitterung des arbeitsrechtlichen Stoffes; sie können nur durch
Konzentration auf die leitenden Grundgedanken und durch Heraus-
arbeitung der Grundeinrichtungen überwunden werden, bieten an-
derseits dem Forscher und Lehrer besonderen Anreiz. "Hier ist noch
unbebautes Land, hier ist noch Jugend und Sturmwind" (Hugo
Sinzheimer).

10. Kapitel

Öffentliches Recht
Exkurs: Einzelgebiete des Verwaltungsrechts

A. Allgemeines Verwaltungsrecht
I. Allgemeine Lehren
Die "allgemeinen Lehren" des Verwaltungs rechts befassen sich mit den
Quellen des Verwaltungsrechts, mit den Grundsätzen der Rechtsan-
wendung, mit dem Verwaltungsrechtsverhältnis und mit dem Ver-
waltungsakt. Sie sind bisher nicht kodifiziert. Die württembergismen
Entwürfe einer Verwaltungsrechtsordnung und eines Verwaltungsver-
fahrensgesetzes von 1931 waren ein Versum, auf Landesebene den
allgemeinen Teil des materiellen Verwaltungsrechts und dazu das
Verwaltungsorganisationsrecht, das Verwaltungsverfahrensrecht, das
Verwaltungsvollstreckungsrecht und das Recht der Verwaltungsge-
richtsbarkeit gesetzlich zu regeln. Sie sind nicht Gesetz geworden.
Gegenwärtig sind die "allgemeinen Lehren" eine Domäne der Lehr-
bücher des Verwaltungsrechts; ihre Fortentwicklung durch Rechtspre-
chung, Lehre und Forschung ist noch nimt abgeschlossen.
Öffentliches Recht 93

Versuche, schon heute einen umfassenden "allgemeinen Teil des


Verwaltungsrechts" zu kodifizieren, stoßen auf die Schwierigkeit, daß
die Einzelgesetze des "besonderen Verwaltungsrechts ", abgesehen von
der unterschiedlichen Konzeption der einzelnen Bundes- und Landes-
regelungen, auch erhebliche materielle und begriffliche Unterschiede
aufweisen. Die Kodifikation eines für Bund und Länder verbindlichen
materiellen allgemeinen Verwaltungsrechts ist auch insofern schwierig,
als dem Bundesgesetzgeber, anders als beispielsweise beim Verfahrens-
recht der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Art. 74 Ziff. 1 GG), insoweit die
Gesetzgebungszuständigkeit fehlt.

11. Verwaltungsorganisationsrecht
Zur staatlichen Verwaltungs organisation i. w. S. gehört die Verwaltung
des Staates (Bund und Länder) einschließlich der Verwaltungen der
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen d. ö. R. mit Ausnahme der
Kirchenverwaltung [Art. 140 GG i. Verb. mit Art. 137 RVerf. 1919). Das
Verwaltungsorganisationsrecht i. e. S. befaßt sich mit der Organisation
der Bundesverwaltung und der Länderverwaltungen. Die Grundsätze
für die Verwaltungsorganisation sind z. T. verfassungsrechtlich nieder-
gelegt [Grundgesetz: Art. 83 H., Länderverfassungen: Bayern = Art. 77,
Niedersachsen = Art. 43, Nordrhein-Westfalen = Art. 77, Schleswig-
Holstein = Art. 38, Baden-Württemberg = Art. 70).
Die Organisationsgewalt ist auch ohne besondere verfassungsrechtliche
Festlegung ipso iure Bestandteil der Staatsgewalt. Sie steht dort, wo
sie nicht durch Verfassungsvorschrift der Legislative zugewiesen ist,
der Exekutive [Regierung) zu. Organisationsnormen mit Außenwirkun-
gen bedürfen der Gesetzesform, jedoch genügt auch in diesen Fällen
die Form der gesetzermächtigten Rechtsverordnung, es sei denn, daß
verfassungsrechtlich ein formelles Gesetz ausdrücklich vorgeschrie-
ben ist.
Auch auf dem Gebiete der Verwaltungsorganisation besteht die Ver-
mutung der Länderzuständigkeit (Art. 30 GGJ. Der Bund hat jedoch
von seiner Befugnis, selbständige Bundesoberbehörden und neue bun-
desunmittelbare Körperschaften und Anstalten durch Bundesgesetz zu
errichten [Art. 87 Abs. 3 GGJ, in zunehmendem Maße Gebrauch gemacht.
Dabei ist er z. T. auf den Widerspruch der Länder gestoßen [z. B. bei
der Errichtung der Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" und des Bundes-
aufsichtsamtes für das Kreditwesen). In beiden Fällen wurde das
Bundesverfassungsgericht angerufen, die Entscheidung bezüglich der
Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" fiel für den Bund positiv aus, im
Falle des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen ist eine Entschei-
dung noch nicht ergangen. In diesem Zusammenhang ist auch die in
Rechtszroeige

privatrechtlicher Form erfolgte Gründung einer Bundesfernsehanstalt


zu erwähnen, die vom Bundesverfassungsgericht negativ für den Bund
entschieden wurde.
Die Bestrebungen der in den letzten Jahren - besonders in den Län-
dern - stark hervorgetretenen Verwaltungsreformbewegung, den Be-
hördenaufbau zu vereinfachen und die Zahl der Behörden zu ver-
mindern, haben bisher nur zu Teilerfolgen geführt.

111. Verwaltungsverfahrensredtt
Die einheitliche Bundeskompetenz, deren Fehlen eine Kodifikation des
allgemeinen Teiles des materiellen Verwaltungsrechts in der Gegen-
wart sehr erschwert [vgl. oben I), ist auch für ein Verroaltungsver-
fahrensredtt, das gleicherweise für Bundes- und Länderverwaltungen
gelten soll, nicht gegeben. Auf der anderen Seite sind aber mit dem
Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes von 1952 recht gute Erfah-
rungen gemacht worden; die Länder haben von der im § 1 Abs. 2
ausdrüddich erwähnten Möglichkeit, die Vorschriften des Gesetzes im
eigenen Gesetzgebungsbereich für anwendbar zu erklären, durchweg
Gebrauch gemacht.
Diese Erfahrungen könnten dazu ermutigen, einen Modellgesetzent-
wurf zu erarbeiten, der eine für das Verwaltungsverfahren der Bundes-
behörden und der Länderbehörden gleich brauchbare Regelung vorsieht.
Es ist anzunehmen, daß die Landesgesetzgeber bereit sein werden,
eine solche Lösung zu übernehmen, zumal im Verfahrensrecht kaum
Ansätze für politische Meinungsverschiedenheiten bestehen dürften.
An neue ren Gesetzen der Länder auf dem Gebiete des Verwaltungs-
verfahrensrechts sind zu erwähnen:
das Landesverwaltungsgesetz für Baden-Württemberg von 1955,
das nordrhein-westfälische Gesetz zur Neuordnung und Verein-
fachung der Verwaltung von 1957,
das Berliner Verwaltungsverfahrensgesetz und das Berliner allge-
meine Zuständigkeitsgesetz, beide von 1958.

IV. Redtt des VerwaItungszwangsverfabrens


Im Verwaltungszwangsverfahren erfolgt die Beitreibung öffentlich-
rechtlicher Geldforderungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden
und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Bundes- oder Landes-
aufsidtt unterstehenden Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen
d. ö. R. Den öffentlich-rechtlichen Geldforderungen stehen privatrecht-
liche Geldforderungen gleich, deren Beitreibung im Verwaltungszwangs-
Öffentliches Recht 95

verfahren ausdrüCklich gesetzlich zugelassen ist. Die Beitreibung erfolgt


durch VollstreCkungsbehörden des Bundes. der Länder sowie der Ge-
meinden oder Gemeindeverbände.
Im Wege des Verwaltungszwanges können auch Handlungen. Dul-
dungen oder Unterlassungen erzwungen werden. wenn ein Verwal-
tungsakt. der auf die Herausgabe einer Sache. die Vornahme. Dul-
dung oder Unterlassung einer Handlung gerichtet war, entweder un-
anfechtbar geworden ist (d. h. wegen Ablauf der Rechtsmittelfrist
mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann). wenn seine
sofortige Vollziehung besonders angeordnet worden ist. oder wenn
das eingelegte Rechtsmittel kraft ausdrüCklicher gesetzlicher Vorschrift
keine aufschiebende Wirkung hat. Verwaltungszwang kann auch ohne
vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden. wenn die so-
fortige Vollziehung zur Verhinderung strafbarer Handlungen oder zur
Abwehr drohender Gefahren notwendig ist. Zwangsmittel sind die
Ersatzvornahme. die Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeld
(ersatzweise die Festsetzung und VollstreCkung von Zwangshaft) und
der unmittelbare Zwang. Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf
Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel (z. B.
Fesselung) und durch Hieb- oder Schußwaffen.
Rechtsgrundlagen:
VerwaltungsvollstreCkungsgesetz des Bundes von 1953.
VerwaltungsvollstreCkungsgesetze der Länder.
Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher
Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes von 1961. dessen § 16
eine beamtenrechtliche Rahmenvorschrift i. S. des Art. 75 Ziff. 1 GG
enthält.

V. Remt des öffentlimen Dienstes


Das Recht des öffentlichen Dienstes umfaßt im weiteren Sinne
1. das Beamtenrecht,
2. diejenigen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts, die sowohl
für Beamte als auch für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen
Dienst und für sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes gelten,
also z. B.
a) das - inzwischen aufgehobene - Gesetz zur vorläufigen Rege-
lung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden
Personen von 1950 (vgl. insbes. §§ 1 und 6).
b) das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel
131 des GG fallenden Personen von 1951 (vgl. insbes. §§ 52, 53,
54. 55).
96 Rechtszroeige

c) das Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozia-


listischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes von
1951 (vgl. insbe. §§ 2, 20, 21),
d) die Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder, so-
weit sie Beamte, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst
erfassen,
3. Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts, die nur für Angestellte
und Arbeiter im öffentlichen Dienst gelten,
4. Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts über den berufsmäßigen
Wehrdienst - §§ 37 ff. des Soldatengesetzes von 1956,
5. die Richtergesetze des Bundes und der Länder.
Im engeren Sinne sind als "Recht des öffentlichen Dienstes" das in
seinen Anfängen bis in das 18. Jahrhundert zurückreichende "Beamten-
recht" und das in den letzten Jahrzehnten als Sonderrechtsgebiet ent-
standene "Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes" anzusehen. Nicht
zum "Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes" gehört das allgemeine
Arbeitsrecht und zwar auch insoweit, als dessen Vorschriften für die
Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes anzuwenden sind.
1. Beamtenrecht
a) Einrichtung und Grundsatz des Berufsbeamtenturns entstanden in
der Neuzeit. Der vormalige Fürstendiener wurde im 18. Jahr-
hundert zum Staatsdiener mit Rechtsgrundlage, Rechtsstellung,
persönlichen Rechten. (PrALR von 1794, Teil 11 Titel 10: "Von
den Rechten und Pflichten der Diener des Staats", bayerische
Hauptlandespragmatik für die Dienstverhältnisse der Staats-
diener von 1805, württembergische Dienstpragmatik von 1812).
Dieses Rechtsverhältnis wurde Dauerverhältnis und Lebensberuf.
So entstand eine Grundeinrichtung der Staats- und später auch
der Selbstverwaltung. Das Institut wurde durch den Sturz der
Monarchie vorübergehend gefährdet, vollends aber unter dem
nazistischen Regime - angeblich "wiederhergestellt", in Wirk-
lichkeit aber - schwer erschüttert. Nach dem Zusammenbruch
1945 waren dem Berufsbeamtenturn aus dem überhandnehmen
des arbeitsrechtlichen Angestelltenprinzips neue Gefahren er-
wachsen. Das Grundgesetz hat sich im Art. 33 Abs. 5 zum tradi-
tionellen Berufsbeamtenprinzip bekannt.
b) Beamtenbegriff: Beamter ist, wer zu einem öffentlich-rechtlichen
Verbande in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht
und kraft dieses Rechtsverhältnisses öffentliche Aufgaben mit
öffentlichen Befugnissen auszuüben verpflichtet oder berechtigt
ist. Nur öffentliche Verbände können Beamte einstellen. Doch
Öffentliches Recht 97

sind nicht alle öffentlichen Körperschaften dazu befähigt. Umge-


kehrt können beamtenfähige öffentliChe Verbände statt Beamte
auch Angestellte verwenden, vgl. jedoch Art. 33 Abs. 4 GGI
Man unterscheidet unmittelbare und mittelbare Staatsbeamte,
Verwaltungs- und Justizbeamte, Richter und nichtriChterliChe Be-
amte, Dauer- und Zeitbeamte, Berufs- und Ehrenbeamte. Die sog.
staatshaftungsrechtlichen und strafrechtliChen "Beamtenbegriffe"
sind "Amtsträgerbegriffe". Die Verwendung des Wortes "Beam-
ter" in den betr. Vorschriften beruht auf einer - heute längst
überholten - Verallgemeinerung des Begriffes "Beamter" (Privat-
beamter, Bankbeamter, Versicherungsbeamter usw.)
c) Begründet wird das Dienstverhältnis des Beamten durch Ernen-
nung. Die Ernennung ist kein öffentliCh-reChtliCher Vertrag, son-
dern ein einseitiger Staatshoheitsakt. Sie ist bedingt durCh eine
Urkunde, darin die Worte "unter Berufung in das Beamtenver-
hältnis" obligatorisch sind. An die Ernennung sChließt sich die
Amtsübertragung. Mit dem Beamtenverhältnis verbindet sich das
Amtsverhältnis. Die Ernennung setzt persönliche Eignung, vorge-
schriebene oder übliche Vorbildung und vorgängige Ausbildung
voraus.
Verändert wird das Dienstverhältnis durch WeChsel im Amtsver-
hältnis oder durCh Aufhören desselben.
Beendet wird das Dienstverhältnis bei sChweren kriminellen Be-
strafungen, durch Disziplinarerkenntnis, durch Dienstunfähigkeit
oder durCh Erreichung der Altersgrenze.
d) Beamtenpflichten: Grundlage und Grundpflicht ist die Treue.
Kernpflichten der Berufs- wie der Ehrenbeamten sind näChst der
Treuepflicht die Gehorsamspflicht, Dienstleistungspflicht, Amts-
versChwiegenheit sowie berufswürdiges Verhalten. Dazu treten
Einzelpflichten (Residenzpflicht, Arbeitszeit, Dienststunden) und
Sonderbeschränkungen (Genehmigung von Nebenämtern und
Nebenerwerb) .
e) Folgen der Pflichtverletzung: Dienstvergehen werden disziplina-
risch geahndet. In leichteren Fällen kann der Vorgesetzte War-
nung, Verweis und Geldbuße verhängen. In schwereren Fällen
wird das förmliche Strafverfahren vor den Dienststrafkammern
eingeleitet, deren Erkenntnis auf Kürzung der Bezüge, Strafver-
setzung und Strafabsetzung lauten kann. Das Dienststrafrecht ist
ein Teil des Beamtenrechts, nicht des gemeinen Strafrechts.
Privatrechtliche Folge der Pflichtverletzung ist die Erstattungs-
haftung des Beamten gegenüber dem Dienstherrn und die Amts-
haftung des dienstherrlichen Verbandes an Stelle des Beamten
7 Giese, Rem!
98 Rechtszroeige

gegenüber dem geschädigten Dritten. Verwirklicht das Dienstver-


gehen einen kriminellen Straftatbestand, so findet strafrechtliche
Verfolgung statt, bei welcher zwischen echten und unechten Be-
amtendelikten zu unterscheiden ist; doch liegt diese Strafver-
folgung außerhalb des Beamtenrechts.
fl Der Beamte übt nach außen hin "Funktionen" aus, hat aber
seinem Dienstherrn gegenüber Rechtsansprüche, denen Rechts-
verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen. Die materielIen
Rernte des Beamten sind Schutz- und Fürsorgerecht, Ehrenrechte,
Vermögensrechte; letztere sind auf Dienstbezüge, Versorgungs-
bezüge, Unfallfürsorge gerichtet. Die formeIle Geltendmarnung
der Rernte erfolgt vor den Verwaltungsgerichten.
2. Recht der BehärdenangesteIIten
Für die hoheitlich bestellten Beamten ist das Beamtenrecht, für die ver-
traglich angenommenen Behördenangestellten das "Arbeitsrecht des
öffentlichen Dienstes" maßgebend. Subsidiär gelten die Normen des
"Allgemeinen Arbeitsrechts". Die Tätigkeit der Behördenangestellten
erstreckt sich hauptsächlich auf wirtschaftliche und soziale Gebiete,
kann aber auch hoheitliche Maßnahmen umfassen (vgl. aber Art. 33
Abs.4 GG).

VI. Kommunalremt
Das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände (Kommunalrecht)
enthält die für die Gemeinden (Städte), Ämter, Landkreise, Land-
schaftsverbände (in Nordrhein-Westfalen), Bezirksverbände (in Bayern
und in der Pfalz), Landeskommunalverbände (Landeskommunalver-
band der Hohenzollernschen Lande im Lande Baden-Württemberg)
sowie die kommunalen Zweckverbände geltenden Vorschriften. Es
handelt sich überwiegend um nach dem Zusammenbruch entstandenes
neues Landesrecht (Gemeindeordnungen, Amtsordnungen, Landkreis-
ordnungen usw.), z. T. auch noch um früheres Reichsrecht, das als
Landesrecht weitergilt (Zweckverbandsgesetz von 1939, das in Nord-
rhein-Westfalen jetzt durch das Landesgesetz über kommunale Gemein-
schaftsarbeit von 1961 abgelöst worden ist). Der durch das nordrhein-
westfälische Landesgesetz von 1948 errichtete "Landesverband Lippe"
ist nicht bloß kommunaler Selbstverwaltungskörper höherer Ordnung,
sondern zugleich selbständige staatliche Verwaltungseinheit eigener
Art.
1. Im Gemeindeverfassungsrecht unterscheidet man
a) die Magistratsverfassung, bei der die Willens bildung durch über-
einstimmende Beschlüsse zweier Kollegialorgane, des Magistrats
Öffentliches Recht 99

(Gemeindevorstandes) und der Stadtverordnetenversammlung


(Gemeindevertretung). zustande kommt. Wenn der kollegiale Ge-
meindevorstand (Magistrat) nur zur Ausführung der Beschlüsse
der Gemeindevertretung sowie zur Erledigung der laufenden
Verwaltungsgeschäfte berufen ist. handelt es sich um eine "un-
echte Magistratsverfassung". Die Magistratsverfassung war vor-
herrschend im früheren Preußen. sie besteht in abgewandelter
Form noch in Hessen und Schleswig-Holstein.
b) die alte rheinische Bürgermeisterverfassung. Sie gilt wieder in
Rheinland/Pfalz. fakultativ in hessischen Gemeinden mit weniger
als 3000 Einwohnern und obligatorisch in den Landgemeinden
von Schleswig-Holstein. Verwaltungs organ ist der Bürgermeister.
der auch den Vorsitz in der Gemeindevertretung führt. Die Bei-
geordneten sind ihm nachgeordnet. Ein kollegiales Verwaltungs-
organ besteht nicht.
e) die süddeutsche Ratsverfassung. Sie gilt in Bayern. wo der Bür-
germeister Vorsitzender des Gemeinderats ist. der aus ehren-
amtlichen Mitgliedern besteht. die aber - in Gemeinden mit
mehr als 10000 Einwohnern - berufsmäßige Gemeindemtsmit-
glieder kooptieren können.
In Baden-Württemberg ist der Gemeinderat ebenfalls für die
Willensbildung der Gemeinde zuständig. In Gemeinden mit mehr
als 3000 Einwohnern kann durch die Hauptsatzung ein Bürgeraus-
schuß errichtet werden. dessen Vorsitzender - ebenso wie beim
Gemeinderat - der Bürgermeister ist. Der Bürgerausschuß tritt
dann als selbständiges zweites Gemeindeorgan neben den Ge-
meinderat. Die Beigeordneten sind dem Bürgermeister nachge-
ordnete Gemeindebeamte.
d) die "zweigleisige" nordrhein-westfälische Gemeindeverfassung" .
Der Rat ist allzuständig. kann aber bestimmte Angelegenheiten
auf Ausschüsse oder auf den Gemeindedirektor (Stadtdirektor.
Oberstadtdirektor) übertragen. Einfache Geschäfte der laufenden
Verwaltung gelten als auf den Gemeindedirektor übertragen. Der
Rat ist Dienstvorgesetzter des Gemeindedirektors. dieser ist
Dienstvorgesetzter der Beigeordneten und der sonstigen Ge-
meindebediensteten. Der Ratsvorsitzende führt die Bezeichnung
Bürgermeister (Oberbürgermeister).
e) die "dreigleisige" niedersächsische Gemeindeverfassung, nach der
der Rat Hauptorgan der Gemeinde ist. der Verwaltungsausschuß
im Rahmen der grundlegenden Beschlüsse des Rates die Ge-
meinde vertritt und verwaltet und der Gemeindedirektor die
Beschlüsse des Verwaltungsausschusses vorbereitet und ausführt.

7*
100 Remtszroeige

Die Gemeinden haben das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen


Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu
regeln (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Sie haben das Recht der Allzu-
ständigkeit (Universalität des Wirkungskreises), der Gebietshoheit,
der Autonomie (Ortsgesetzgebung - SatzungsrechtJ, der Finanz-
hoheit, der Personalhoheit und der beamtenrechtlichen Dienstherrn-
fähigkeit. Sie sind verpflichtet, staatliche Auftragsangelegenheiten
(in Nordrhein-Westfalen: Pflichtaufgaben nach Weisung) zu über-
nehmen und durchzuführen. Die Gemeinden unterliegen der Staats-
aufsicht; diese ist entweder allgemeine Rechtsaufsicht, Fachaufsicht
(in Auftragsangelegenheiten) oder Sonderaufsicht (auf besonderen
Verwaltungsgebieten, z. B. Forstaufsichtl. Die Befugnisse der Son-
de,raufsicht ergeben sich aus den betr. Sondergesetzen.
2. Die Amter (in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schieswig-Hol-
stein und im Saarland) sind Gemeindeverbände innerhalb eines
Landkreises, aber keine Gebietskörperschaften. Ihre Hauptaufgabe
ist die Durchführung der Auftragsangelegenheiten der amtsange-
hörigen Gemeinden.
3. Die Landkreise sind Gebietskörperschaften der Kreisinstanz. Organe
der Landkreise sind der Kreistag, der Kreisausschuß (in Baden-Würt-
temberg: Kreisrat) und der Landrat (in Nordrhein-Westfalen und
Niedersachsen: Oberkreisdirektor, die Bezeichnung "Landrat" führt
hier der Vorsitzende des Kreistages).
4. überkreisliche Kommunalverbände bestehen nur in einigen Ländern,
ihre Rechtsverhältnisse sind durch Sondergesetze geregelt (z. B.
Landschaftsverbandsordnung in Nordrhein-Westfalenl.
5. Die kommunalen Zweckverbände sind Gemeindeverbände, aber
keine Gebietskörperschaften. Sie werden für bestimmte Zwecke von
Gemeindeverbänden errichtet (Beispiel: Der Landkreis A und die
kreisangehörige Stadt B errichten einen Zweckverband zur Unter-
haltung einer Kreis- und Stadtsparkasse. Gewährträger dieser Spar-
kasse sind dann nicht die beiden Verbandsmitglieder, sondern der
Zweckverband als solcher.) Organe der Zweckverbände sind die
Verbandsversammlung und der Verbandsvorsteher.
6. Zum Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände (Kommunalrecht)
gehört auch das Kommunalwirtschaftsrecht (Recht der Vermögens-
und Schuldenwirtschaft, Rücklagenrecht, Recht der wirtschaftlichen
Betätigung, Eigenbetriebsrecht, Haushaltsrecht, Kassenrecht, Recht
der Rechnungslegung). Die Einzelvorschriften sind z. T. im Kom-
munalverfassungsrecht, z. T. in Sonderverordnungen (Gemeinde-
haushaltsverordnung, Rücklagenverordnung, Kassen- und Rechnungs-
verordnung, Eigenbetriebsverordnungj enthalten. Systematisch wird
Öffentliches Recht 101

man die Einzelregelungen des Kommunalwirtschaftsrechts dem Kom-


munalrecht zuzuordnen haben. Allerdings wird z. B. das Eigenbe-
triebsrecht als "Recht der Wirtschaftsbetätigung der öffentlichen
Hand" mitunter auch als Teil des "Wirtschaftsrechts" angesehen und
behandelt. Dagegen dürften die Vorschriften über die Prüfungspflicht
der Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand (5. Teil Kap. VIII der
NotVO vom 6. 10. 31, DurchfVO vom 30.3. 33) ihrer allgemeinen
Zielsetzung wegen nicht zum Kommunalrecht, sondern zum "Wirt-
schaftsrecht" zu rechnen sein. Zweifelhaft erscheint auch die Zuge-
hörigkeit des Rechtes der kommunalen Sparkassen zum Kommunal-
recht.
Das Kommunalbeamtenrecht und das Kommunalabgabenrecht wer-
den wegen ihrer engen Verflechtung mit dem Landesbeamtenrecht
und dem Recht der Abgaben und Steuern systematisch bei diesen
Rechtszweigen mitbehandelt.

VII. Recht der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des


öffentIic:hen Remts
Zu den juristischen Personen d. ö. R. gehören außer dem Staat (Bund,
Länder), den Gebietskörperschaften (Gemeinden, Gemeindeverbände)
und den öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften (Art. 140 GG i.
Verb. mit Art. 137 RVerf. 1919) eine Reihe von Körperschaften, An-
stalten und Stiftungen d. ö. R., die entweder der Bundesaufsicht (Art.
87 Abs. 2 und 3 GG) oder der Aufsicht des Landes, in dem sie ihren
Sitz haben, unterstehen. Eine zutreffende Sammelbezeichnung für diese
Gruppe "rechtsfähiger Verwaltungseinheiten" hat sich leider noch nicht
eingebürgert. Unklar sind gesetzliche Begriffsbildungen, die als Sam-
melbegriff für sämtliche juristischen Personen d. ö. R. den Begriff
"Körperschaft" (so: Art. 34 GG) oder gar als Sammelbegriff für die
oben gekennzeichneten "sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stif-
tungen d. ö. R." die Bezeichnung "Nichtgebietskörperschaften" (so: § 2
G 131) verwenden.
Die Errichtung von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen d. ö. R.
erfolgt durch Bundes- oder Landesgesetz, durch gesetzermächtigte
Rechtsverordnung oder durch einen auf gesetzlicher Grundlage erlasse-
nen Staatshoheitsakt.
Es zählen u. a.
a) zu den Körperschaften d. ö. R (außer den Gebietskörperschaften und
den Zweckverbänden)
die Wasser- und Bodenverbände,
die Deichgenossenschaften,
102 Remtszroeige

die Jagdgenossenschaften,
die Berufskammern (Ärzte-, Zahnärzte-, Apotheker-, Rechtsan-
walts-, Notar-, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskam-
mern, Landwirtschaftskammern, Wirtschaftsprüferkammern usw.)
b) zu den Anstalten d. ö. R.
die kommunalen Sparkassen,
die Landesbanken und Girozentralen,
die öffentlichen Feuer-, Lebens-, Unfall- und Haftpflichtversiche-
rungsanstalten
c) zu den Stiftungen d. ö. R.
die hannoversche Klosterkammer,
die Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" .
Die juristischen Personen d. ö. R. sind Träger hoheitlicher Gewalt, sie
sind zugleich rechtsfähig im Sinne des Privatrechts. Die Körperschaft
d. ö. R. ist ein Zusammenschluß von natürlichen oder juristischen Per-
sonen, die Anstalt d. ö. R. eine Zusammenfassung sächlicher und per-
sönlicher Mittel und die Stiftung d. ö. R. eine verselbständigte Ver-
mögensmasse. Sie dienen öffentlichen Zwecken und unterstehen der
Aufsicht des Staates (Bundesaufsicht oder Landesaufsichtl.
Außer den Anstalten d. ö. R. gibt es auch unselbständige nicht rechts-
fähige öffentliche Anstalten (z. B. die kommunalen Eigenbetriebe) und
nicht rechtsfähige (fiduziarische) Stiftungen. Nicht zu den Stiftungen
d. ö. R. gehören die durch einen gemeinnützigen Zweck gekennzeich-
neten rechtsfähigen öffentlichen Stiftungen im Sinne der §§ 80 ff. BGB.
Der Aufgaben- und Wirkungsbereich der Körperschaften, Anstalten
und Stiftungen d. ö. R. wird ausschließlich durch Gesetz und Satzung
bestimmt. Rechtsgeschäfte außerhalb dieses festgelegten Aufgaben- und
Wirkungskreises sind rechtsunwirksam.

B. Besonderes Verwaltungsrecht
I. Polizeiremt
Polizei ist materiell durch ihren Zweck, formell durch ihre Befugnisse
gekennzeichnet. Sie dient der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung.
§ 10 11 17 PrALR von 1794:
"Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe,
Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico,
oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr
zu treffen, ist das Amt der Polizey."
Öffentliches Recht 103

Ähnlich der "Code des delits et des peines" von 1795:


"La police est instituee pour maintenir l'ordre public, la liberte,
la propriete, la silrete individuelle."
Und § 14 des preuß. Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931:
"Die Polizeibehörden haben im Rahmen der geltenden Gesetze
die nach pflichtmäßigem Ermessen notwendigen Maßnahmen
zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Ge-
fahren abzuwenden, durch welche die öffentliche Sicherheit und
Ordnung bedroht wird."
Der materielle Polizeibegriff umfaßt die Funktionen der Gefahrenab-
wehr. der formelle Polizeibegriff die Gesamtheit der mit der Gefahren-
abwehr betrauten Staatseinrichtungen und der organisatorische Polizei-
begriff befaßt sich mit der eigentlichen Polizeiorganisation. Mittel der
Gefahrenabwehr sind Befehl und Zwang. die Einwirkung auf Personen
und Sachen. Die Polizei erfaßt polizeiwidriges Verhalten und polizei-
widrige Zustände. sie wendet sich regelmäßig gegen den "Störer".
ausnahmsweise auch gegen Unbeteiligte. Zu beachten ist der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Unter mehreren "Nichtstörern" ist
der sachlich und örtlich Nächste heranzuziehen. Ehe ein Unbeteiligter
herangezogen wird, muß die Polizei versuchen, die Gefahr mit eigenen
Mitteln zu beseitigen. Der heutige formelle und organisatorische Poli-
zeibegriff umfaßt in den Ländern der ehern. britischen und ehern.
amerikanischen Besatzungszone nur noch die Ordnungs- und Sicher-
heitspolizei i. e. S., d. i. die uniformierte Vollzugs- und Verkehrspolizei
und die Kriminalpolizei eins chI. der übergeordneten Behörden. Nicht
mehr unter den formellen und organisatorischen Polizeibegriff fallen
die Zweige der früheren "Verwaltungspolizei", die heutigen "ord-
nungsbehördlichen Aufgaben". Man spricht demzufolge nicht mehr
von Baupolizei, Gesundheitspolizei, Wegepolizei usw., sondern von
Bauaufsicht, Gesundheitsaufsicht, Wege aufsicht usw. Die Aufgaben der
Ordnungsbehörden werden von den Behörden der kommunalen Selbst-
verwaltung wahrgenommen.
Trotz der - in erster Linie von der amerikanischen und der britischen
Besatzungsmacht veranlaßten - "Entpolizeilichung" (!) ist das materi-
elle Ordnungsrecht seinem Rechtsgehalt nach Polizeirecht geblieben
und zwar auch in den Ländern, die besondere Ordnungsbehörden-
gesetze erlassen haben. wie z. B. Nordrhein-Westfalen.
Die polizeilichen Aufgaben des Bundes sind verhältnismäßig gering:
Art. 91 Abs. 2 GG regelt den Einsatz von Polizeikräften der Länder
durch die Bundesregierung. Durch Gesetz vom 8. März 1951 wurde
das Bundeskriminalamt und durch Gesetz vom 16. März 1951 der Bun-
desgrenzsdlUtz errichtet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beruht
104 Rechtszroeige

auf einem Gesetz vom 27. September 1950, es hat gemäß § 3 Abs. 2
dieses Gesetzes keine polizeilichen Befugnisse.
Die wichtigsten Polizeigesetze der Länder sind:
Baden-Württemberg: Polizeigesetz vom 21. 11. 1955
Bayern: Polizeiaufgabengesetz vom 16.10.1954, Polizeiorganisations-
gesetz vom 20. 10. 1954
Bremen: Polizeigesetz vom 5. 7. 1960
Hamburg: Polizeiverwaltungsgesetz vom 7. 11. 1947, Änd.Ges. vom 8. 7.
1952
Hessen: Polizeigesetz vom 10.11. 1954
Niedersachsen: Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom
21.3.1951
Nordrhein-Westfalen: Polizeiorganisationsgesetz vom 11. 8. 1953, Ord-
nungsbehördengesetz vom 16. 10. 1956, Preuß. Polizeiverwaltungsgesetz
i. d. Fassung vom 27. 11. 1953.
Rheinland-Pfalz: Polizeiverwaltungsgesetz vom 26. 3. 1954
Schlesroig-Holstein: Polizeigesetz vom 31. 3. 1951, Polizeiorganisations-
gesetz vom 22. 12. 1952.
Die Beamten der Sicherheits- und Vollzugspolizei sind Hilfsorgane der
Staatsanwaltschaft (§ 152 GVGJ. Sie können von der Staatsanwalt-
schaft bei der Ermittlung strafbarer Handlungen eingesetzt werden
und unterstehen hierbei den Weisungen der Staatsanwaltschaft (§ 161
StPO). Sie haben außerdem von Amts wegen strafbare Handlungen zu
erforschen (§ 163 StPO).

11. Remt der Kunst, Wissensmaft, Erziehung und Volksbildung; Schul-


remt; Presse-, Theater-, Film-, Fernseh- und Rundfunkremt

1. Allgemeines:
Eine gemeinübliche Sammelbezeichnung für die einzelnen Rechts-
gebiete, die sich mit der Kultur und dem Geistesleben befassen, hat
sich bisher nicht eingebürgert.
Nach Art. 5 Abs. 3 GG sind Kunst, Wissenschaft, Forschung und
Lehre "frei". Gegenstand dieser Freiheit sind das künstlerische
Schaffen und die künstlerischen Schöpfungen, das private wie das
amtliche, besonders akademische Forschen sowie dessen wissen-
schaftliche Ergebnisse, endlich die zu Lehr-, Aufklärungs- und Bil-
dungszwecken erfolgende private und öffentliche, namentlich aka-
demische, Veröffentlichung und Verbreitung künstlerischer und
wissenschaftlicher Arbeiten und Arbeitsergebnisse. Art. 5 Abs. 1 GG
Öffentliches Recht 105

gewährleistet die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstat-


tung durch Rundfunk und Film. Diese Gewährleistung gilt analog
auch für die erst neuerdings aktuell gewordene Fernsehberichter-
stattung, während Theater, Hörspiele, Spielfilme und Spielfolgen
im Fernsehen unter die Freiheit des künstlerischen Schaffens gemäß
Art. 5 Abs. 3 fallen.
Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die
Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Art. 74 Ziff. 13 GG)
und eine Rahmenkompetenz für die gesetzliche Regelung der Rechts-
verhältnisse der Presse und des Films (Art. 75 Ziff. 2 GG). Das
Schulwesen steht nach Art. 7 Abs. 1 GG unter der Aufsicht des
Staates. Der Bund hat jedoch insoweit keine Gesetzgebungsbe-
fugnis.
Die Länder sind bei der Schulgesetzgebung an die Grundsätze des
Artikels 7 GG gebunden, ferner an die Vorschriften der Länder-
verfassungen, die sich mit den öffentlichen und privaten Schulen,
den Volks-, Mittel-, Real-, Berufs-, Fach- und höheren Schulen, mit
Einzelfragen des Unterrichts und der Lehr- und Lernmittelfreiheit,
aber auch mit den Universitäten und Hochschulen, mit der Erwach-
senenbildung sowie der Förderung von Kunst und Wissenschaft
befassen.
2. Schulrecht:
Bis zur Reformation war das Schulwesen Aufgabe der Kirche. Erst
im 17. und 18. Jahrhundert wurde von Staats wegen die Schulpflicht
eingeführt (1634 in Hessen-Darmstadt, 1717 in Preußen, 1771 in
Bayern). Von den frühen schulrechtlichen Vorschriften Preußens
sind besonders die "Principia regulativa" von 1736 und das "Gene-
ral-Landschulreglement" von 1763 zu erwähnen. Eine Kodifikation
des gesamten Schulrechts für die preußischen Staaten erfolgte erst-
malig im 12. Titel des 2. Teiles des PrALR von 1794 "Von niederen
und höheren Schulen". § 1 II 12 ALR definiert den Begriff "Schule"
wie folgt: "Schulen ... sind Veranstaltungen des Staats, welche den
Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und Wissenschaften
zur Absicht haben." Privatschul- und Erziehungsanstalten waren
nach den §§ 3, 4 II 12 ALR und der Hausunterricht war nach den
§§ 7, 8 II 12 ALR zugelassen, jedoch der Aufsicht der Schulaufsichts-
behörde unterstellt. Die Unterstellung des öffentlichen und privaten
Schulwesens unter die Aufsicht des Staates wurde durch die preuß.
Verfassung von 1850 zum Verfassungsgrundsatz erhoben, sie war
Bestandteil der Reichsverfassung von 1919 (Art. 144) und ist Be-
standteil des Grundgesetzes (Art. 7 Abs. 1) geblieben. Die reichs-
rechtlichen Vorschriften über das Schulwesen (Grundschulgesetz
106 Rechtszroeige
----------------~--~ ._--_ ... - . _ - - - - - -

von 1920, Gesetz über religiöse Kindererziehung von 1921, Reichs-


schulpflichtgesetz von 1938) sind, soweit sie nach dem Zusammen-
bruch nicht geändert wurden, als Landesrecht weiter in Kraft ge-
blieben. Hinzu gekommen sind zahlreiche Landesgesetze, die von
den neuen deutschen Ländern erlassen worden sind (so z. B. in
Nordrhein-Westfalen: Schulordnungsgesetz von 1952, Schulverwal-
tungsgesetz von 1958, Schulfinanzgesetz von 1958).
Die äffentlidten Sdtulen sind in der Regel nicht-rechtsfähige öffent-
liche Anstalten des Schulträgers.
Streitig ist, ob das Recht der kommunalen Verwaltungssdtulen, die
z. T. auf öffentlich-rechtlicher, z. T. auf privatrechtlicher Grundlage
errichtet sind, dem Schulrecht oder dem Recht des öffentlichen Dien-
stes zuzurechnen ist. Gesetzliche Regelungen bestehen für das Ver-
waltungsschulwesen in Bayern (Gesetz von 1945) und in Hessen
(Gesetz von 1946).
3. Hodtsdtulredtt
Hochschulrecht ist nicht "Schulrecht" , sondern "Recht der Wissen-
schaft". Im alten Deutschen Reich gehörte die Verleihung des ius
doctorandi, d. h. die Verleihung des Rechtes an die Universitäten,
akademische Würden zu vergeben, zu den iura reservata exclusiva
des Kaisers, d. h. dieses Recht stand ausschließlich dem Kaiser zu,
der bei seiner Ausübung an die Zustimmung anderer, etwa der Kur-
fürsten oder des Reichstages, nicht gebunden war. Die erste deut-
sche Universität wurde 1348 durch Kaiser Karl IV in Prag gegründet.
Noch im 17. und 18. Jahrhundert bedurfte die Errichtung neuer Uni-
versitäten durch den Landesherrn eines kaiserlichen - in katholi-
schen Ländern [cuius regio, eius religion auch eines päpstlichen -
Stiftungsprivilegs.
Nach § 67 II 12 PrALR von 1794 haben die Universitäten "alle
Rechte privilegierter Korporationen". Ihre innere Verfassung sowie
die Rechte des Senats und des Rektors bei der Besorgung und Ver-
waltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten werden gemäß § 68
II 12 durch die Privilegien sowie durch die vom Staate genehmigten
Statuten der einzelnen Universitäten bestimmt. Die akademische
Gerichtsbarkeit und die Aufrechterhaltung der akademischen Dis-
ziplin und Polizeigewalt bei den Universitäten wurde durch die in
der preußischen Gesetzsammlung veröffentlichten Reglements von
1810 und 1819 unter Aufhebung der entsprechenden §§ des ALR
geregelt.
Ähnlich wie in Preußen - so noch 1928 beim Erlaß der Satzung für
die Universität Kiel - wurde auch in den anderen deutschen Län-
Öffentliches Recht 107
----------.-------------------------------------------
dern das Universitätsrecht durch oktroyierte Satzungen geregelt,
nur vereinzelt - so 1921 in Hamburg - erfolgte die Regelung in
Gesetzesform.
Nach dem Zusammenbruch haben mehrere deutsche Länder Hoch-
schulgesetze erlassen, so z. B. Hessen 1950 das Gesetz zur Errichtung
der Justus-Liebig-Hochschule, jetzt wieder Justus-Liebig-Universität,
in Gießen, Rheinland-Pfalz im gleichen Jahre das Gesetz über die
Errichtung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer
und 1961 das Gesetz über die Verfassung und Verwaltung der
Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.
Kennzeichnend für die akademische Verwaltung der Universitäten
durch Rektor, Senat, Dekane und Fakultäten ist die Autonomie und
die akademische Lehr- und Lernfreiheit. Daneben besteht die studen-
tische Selbstverwaltung und die staatliche Universitätsverwaltung
unter dem Universitätskurator.
Zur Zeit bestehen in der Bundesrepublik 18 Universitäten:
1. Freie Universität in Berlin,
2. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn,
3. Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen/Nürnberg,
4. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main,
5. Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg/Breisgau,
6 .Justus-Liebig-Universität in Gießen.
7. Georg-August-Universität in Göttingen,
8. Universität in Hamburg,
9. Ruprecht-Karl-Universität in Heidelberg,
10. Christian-Albrechts-Universität in Kiel,
11. Universität in Köln,
12. Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz,
13. Philipps-Universität in Marburg,
14. Ludwig-Maximilians-Universität in München,
15. Westfälische Wilhelms-Universität in Münster,
16. Universität des Saarlandes in Saarbrücken,
17. Eberhard-Karls-Universität in Tübingen,
18. Julius-Maximilians-Universität in Würzburg,
ferner 8 Technische Hochschulen (Aachen, Berlin, Braunschweig,
Darmstadt, Hannover, Karlsruhe, München, Stuttgart) und 5 weitere
Hochschulen mit Universitäts verfassung (Bergakademie Clausthal,
Medizinische Akademie Düsseldorf, Tierärztliche Hochschule Han-
nover, Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim, Wirtschaftshoch-
smule Mannheim).
Die Hochsmule für Sozialwissenschaften in Wilhelmshaven ist seit
1962 der Universität Göttingen als Fakultät eingegliedert.
108 Rechtszroeige

Eine Sonderstellung nimmt die Hochschule für Verwaltungs-


wissenschaften in Speyer ein. Sie dient der verwaltungswissen-
schaftlichen Ausbildung der Referendare im Rahmen ihres Vorbe-
reitungsdienstes, der akademischen Fortbildung der Assessoren und
der akademisch vorgebildeten Beamten des höheren Dienstes sowie
der verwaltungswissenschaftlichen Forschung.
Universitäten und Hochschulen mit Universitätsverfassung haben
das Promotions- und Habilitationsrecht. Dieses wird ebenso wie das
Vorschlagsrecht für die Berufung der Professoren von den einzelnen
Fakultäten ausgeübt. Habilitations- und Promotionsordnungen haben
den Charakter autonomer Satzungen.
Daneben bestehen in der Bundesrepublik eine Reihe von Kirchlichen,
Philosophisch-Theologischen, Kunst-, Musik- und Sporthochschulen,
ferner als selbständige Fakultät die Theologische Fakultät Trier,
letztere mit Promotionsrecht.
Geplant sind neue Universitäten im norddeutschen (Bremen) und
süddeutschen Raum (Konstanz) und im Ruhrgebiet (Bochum), ferner
mehrere neue techno Hochschulen (u. a. in Dortmund).
Keine echte Universitätsverfassung haben die Pädagogischen Aka-
demien (Hochschulen für Lehrerbildung).
Die Verwaltungs- und Wirtschafts akademien sind Einrichtungen zur
wissenschaftlichen Fortbildung der Beamten des gehobenen Dien-
stes auf privatrechtlicher Grundlage. Bei abgelegtem Prädikats-
examen kann ein Teil der Studienzeit auf ein etwaiges späteres
Universitätsstudium angerechnet werden.
4. Recht der Erwachsenenbildung
Die Förderung der Erwachsenenbildung ist in mehreren Länderver-
fassungen ausdrücklich vorgeschrieben (Bayern: Art. 139, Baden-
Württemberg: Art. 22, Nordrhein-Westfalen: Art. 17, Rheinland-
Pfalz: Art. 37, Schleswig-Holstein: Art. 7). Dazu gehören vor allem
die Volkshochschulen und die Volksbüchereien. Nordrhein-West-
falen hat 1953 ein besonderes Volkshochschulgesetz erlassen. Da-
nach kommen als Träger von Volkshochschulen und anderen Volks-
bildungseinrichtungen das Land, die Gemeinden und Gemeindever-
bände, die Kirchen und freie Vereinigungen in Frage. Eine Zuschuß-
gewährung aus Landesmitteln hat die staatliche Anerkennung der
Einrichtung zur Voraussetzung. Ein staatliches Aufsichtsrecht sieht
das Gesetz nicht vor.
5. Recht der Presse
Das Presserecht ist ein Sonderrecht, das neben öffentlich-rechtlichen
auch sozialrechtliche und privatrechtliche Elemente enthält. Das
Öffentliches Recht 109

Reichspressegesetz von 1874 ist mehrfach, zuletzt durch Art. 7 Ziff. 5


des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes von 1953 geändert worden. Nach
dem Zusammenbruch haben die Länder eigene Pressegesetze erlas-
sen, durch die Vorschriften des Reichspressegesetzes z. T. geändert,
z. T. außer Kraft gesetzt worden sind. Das Bundesverfassungsgericht
hat den § 4 des nordrhein-westf. Gesetzes über die Berufsausübung
von Verlegern, Verlagsleitern und Redakteuren von 1949 für nichtig
erklärt, da insoweit nach Artikel 18 letzter Satz des Grundgesetzes
das Bundesverfassungsgericht selbst zuständig ist (Bekanntmachung
des Bundesministers der Justiz vom 1. Dezember 1959 - BGBL I
S. 713). Von aktueller Bedeutung, wenn auch nicht von durchweg
praktischem Wert, ist noch immer die Berichtigungspflicht der ver-
antwortlichen Redakteure der Tageszeitungen und anderer periodi-
scher Druckschriften nach § 11 des Reichspressegesetzes.

6. Recht des Theaters und Lichtspieltheaters


Theater und Lichtspieltheater unterliegen zahlreichen gewerbe-,
feuer- und sicherheitspolizeilichen Vorschriften. Das Reichslichtspiel-
gesetz von 1934 wurde durch das Kontrollratsgesetz Nr. 60 auf-
gehoben. Bestritten ist die Weitergeltung des Reichstheatergeset-
zes von 1934, dessen § 9 den § 32 der Gewerbeordnung aufgehoben
hatte. Von einem selbständigen Rechtsgebiet "Theater- und Film-
recht" wird man heute kaum noch sprechen können, wenngleich die
Zahl der Rechtsvorschriften, die sich mit Theater und Film befassen,
recht erheblich ist. Das Abkommen der Länder über die Filmbewer-
tungsstelle Wiesbaden (GVBl NW 1957 S. 272, GVBI NW 1959 S. 91)
hat die steuerliche Behandlung und die Förderung guter Filme zum
Gegenstand. Die "freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft" übt
keine hoheitliche Tätigkeit aus.

7. Fernseh- und Rundfunkrecht


Rundfunk und Fernsehen gehören im sendetechnischen Bereich zum
Fernmeldewesen im Sinne des Art. 73 Ziff. 7 GG und damit in den
Bereich des Verkehrsrechts. Rechtsgrundlage ist das Fernmelde-
anlagengesetz von 1928. Die Bundespost regelt die technische Ver-
waltung der Sendeanlagen und die Beziehungen zu den Rundfunk-
und Fernsehteilnehmern. Sie hat beim Abschluß von Verträgen über
die Benutzung der Sendeanlagen ausschließlich sendetechnische Ge-
sichtspunkte zu berücksichtigen. Das Verhältnis zwischen Bundes-
post und Fernseh- und Rundfunkteilnehmern beruht auf einem
öffentlich-rechtlichen Vertrag, durch den der Empfang gegen Zahlung
einer öffentlich-rechtlichen Gebühr gestattet wird. Die Rundfunk-
110 Rechtszroeige

genehmigung (FernsehgenehmigungJ ist antragsbedingt; sie stellt die


Annahme eines Vertrags angebots dar.
Die Veranstaltung von Fernseh- und Rundfunksendungen ist eine
öffentliche Aufgabe. Eine ausschließliche Bundeskompetenz für die-
sen Bereich besteht nicht. Der Bund kann die Veranstaltung von
Fernseh- und Rundfunksendungen auch nicht dadurch zu einem
Bundesmonopol machen, daß er eine von ihm beherrschte Gesell-
schaft des Privatrechts zur alleinigen Trägerin von Fernseh- oder
Rundfunksendungen erklärt.
Die gesetzliche Regelung der Veranstaltung von Fernseh- und Rund-
funksendungen muß den Grundsätzen der Artikel 5 Abs. 1 und 30
des Grundgesetzes Rechnung tragen.
Das bekannte "Fernsehurteil" des BVerfG vom 28. Februar 1961
(NJW 1961 S. 547 ff) gibt eine Reihe von Hinweisen für die verfas-
sungskonforme Regelung des Rechtes der Veranstaltung von Fern-
seh- und Rundfunksendungen. Als Träger kommen hiernach sowohl
juristische Personen d. ö. R, als auch solche des Privatrechts in
Frage, wobei erstere höchstens einer beschränkten staatlichen
Rechtsaufsicht unterworfen sein dürfen. Das Prinzip, nach dem die
bestehenden Rundfunkanstalten aufgebaut sind, wird ausdrücklich
als geeignet anerkannt. Als Grundsatz aller derartiger Regelungen
stellt das BVerfG heraus, daß Rundfunk und Fernsehen als Instru-
mente der Meinungsbildung weder dem Staat (Bund oder Ländern),
noch einer wirtschaftlichen Gruppe ausgeliefert sein dürfen.
An gesetzlichen Regelungen sind zu erwähnen:
Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts
von 1960;
die Rundfunkgesetze der Länder (z. B. das nordrh.-westf. Gesetz
über den Westdeutschen Rundfunk Köln von 1954, das Berliner Ge-
setz über die Errichtung des Senders Freies Berlin von 1953, das Ge-
setz über den Hessischen Rundfunk von 1948 u. a. m.); die Staats-
verträge der Länder. u. a. der Staatsvertrag über die Errichtung der
Anstalt d. ö. R "Zweites Deutsches Fernsehen" (GVBl NW 1961
S.269).

111. Gesundheitsredtt
Das Recht der Volksgesundheit hat sich als Spezialgebiet aus dem
allgemeinen Polizeirecht entwickelt. besitzt in den nach dem Dreißig-
jährigen Kriege erlassenen landesherrlichen Medizinalordnungen aber
auch spezielle Vorläufer.
öffentliches Recht 111

In Preußen wurde 1725 für jedes Kammerdepartement ein Collegium


medicum zur Handhabung der Medizinalpolizei und zur Prüfung der
Medizinalpersonen errichtet. über ihnen stand das Ober-Collegium
medicum zu Berlin. Daneben bestand seit 1719 in Berlin das besondere
Collegium sanitas, dessen Aufgabe die Bekämpfung von Seuchen und
ansteckenden Krankheiten war. Obrigkeitliche Medizinalpersonen der
Kreis- und Lokalinstanz waren die Kreis- und Stadtphysici. Auf das
Collegium medicum und das Collegium sanitas geht die bis in die
Gegenwart übliche Unterscheidung der Gesundheitspolizei in Sanitäts-
polizei und Medizinalpolizei zurück.
Das PrALR von 1794 enthielt im 6. Abschnitt des 8. Titels des Teiles II
(§§ 456 ffJ eingehende Vorschriften über das Apothekenwesen. Nach
der rev. Apothekerordnung von 1801 wurde das Approbationspatent
für Apotheker vom Ober-Collegio Medico et Sanitas erteilt. Von Be-
deutung für die geschichtliche Entwicklung des Gesundheitsrechts ist
das preuß. Regulativ über die sanitätspolizeilichen Vorschriften von
1835, das Impfgesetz von 1874, das Nahrungsmittelgesetz von 1879
und das Reichsseuchengesetz von 1900, das gemäß § 85 des Bundes-
seuchengesetzes von 1961 am 31. Dezember 1961 außer Kraft getreten
ist.
Der Bund hat gemäß Art. 74 Ziff. 19 und 20 die konkurrierende Gesetz-
gebungskompetenz für Maßnahmen gegen gemeingefährliche und über-
tragbare Krankheiten, für die Zulassung zu ärztlichen und anderen
Heilberufen und zum Heilgewerbe, für den Verkehr mit Arznei-, Heil-
und Betäubungsmitteln und Giften sowie für Schutzmaßnahmen beim
Verkehr mit Lebens- und Genußmitteln.
Von dieser Befugnis hat er in erheblichem Maße Gebrauch gemacht,
so daß das Gesundheitsrecht heute - wenn auch durchaus berechtigt I -
eine sehr umfangreiche Rechtsmaterie darstellt.
Durch Gesetz von 1952 ist das Bundesgesundheitsamt als selbständige
Bundesoberbehörde errichtet worden. Nach dem Reichsgesetz über die
Vereinheitlichung des Gesundheitswesens von 1934 sollten die Gesund-
heitsämter grundsätzlich von staatlichen Amtsärzten geleitet werden,
jedoch sah § 4 Abs. 2 vor, daß an Stelle staatlicher Gesundheitsämter
auch kommunale Gesundheitsämter mit den entsprechenden Aufgaben
betraut werden können. Aufgrund der Landesgesetzgebung bestehen
heute kommunale Gesundheitsämter u. a. in Hessen, Nordrhein-West-
falen und Schleswig-Holstein, während die staatlichen Gesundheits-
ämter u. a. in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz be-
stehen geblieben sind.
Der Bund verfügt über ein eigenes Bundesgesundheitsministerium,
während die entsprechenden Aufgaben in den Ländern zum Teil von
112 Rechtszroeige

den Innenministerien. zum Teil von den Sozialministerien wahrgenom-


men werden. Zum Gesundheitsrecht zählen rechtssystematisch auch
die Vorschriften über das Leichen- und Bestattungswesen. einschließ-
lich der Feuerbestattung. das Hebammenwesen sowie das Berufsrecht
der Gesundheitsberufe (Bundesärzteordnung von 1961. Gesetz über
die Ausübung der Zahnheilkunde von 1952. Gesetz über das Apotheken-
wesen von 1960 u. a. m.). Neben zahlreichen bundes- und landesrecht-
lichen Vorschriften gelten ebenso zahlreiche Vorschriften des ehe-
maligen Reichsrechts und des alten Länderrechts weiter.

IV. Remt der Fürsorge ("Sozialhilfe") und Kriegsfolgenhilfe


1. Die soziale Fürsorge für Hilfsbedürftige war ursprünglich reine
Armenpflege. Sie lag in den Händen der Kirche. seit der Reformation
in zunehmendem Maße auch in den Händen der Gemeinden. Mit der
Armenpflege befaßten sich auch die Reichspolizeiverordnungen von
1530. 1548 und 1577.
§ 1 11 19 PrALR von 1794 bestimmte:
.. Dem Staate kommt es zu. für die Ernährung und Verpfle-
gung derjenigen Bürger zu sorgen. die sich ihren Unterhalt
nicht selbst verschaffen. und denselben auch von anderen
Privatpersonen. welche nach besonderen Gesetzen dazu ver-
pflichtet sind. nicht erhalten können."
Nach § 10 11 19 mußten Stadt- und Dorfgemein(d)en für die Ernäh-
rung ihrer verarmten Mitglieder und Einwohner sorgen.
Schärfer abgegrenzt wurde die gemeindliche Unterstützungspflicht
im preuß. Armenpflegegesetz von 1842. das den sog. .. Unterstüt-
zungswohnsitz" zur Grundlage der gemeindlichen Verpflichtung
machte. Den gleichen Grundgedanken hatte das Unterstützungs-
wohnsitzgesetz des norddeutschen Bundes von 1870. das nach der
Reichsgründung Reichsgesetz wurde. aber nicht im ganzen Reichs-
gebiet Geltung hatte (in Bayern galt es erst ab 1916).
Das Prinzip des Unterstützungswohnsitzes wurde in der Reichs-
fürsorgepflichtverordnung von 1924 aufgegeben. An die Stelle des
längeren Aufenthaltes (Unterstützungswohnsitzesl trat jetzt der ge-
wöhnliche Aufenthalt als Voraussetzung der Unterstützungsgewäh-
rung.
Immerhin wurde auch jetzt kein subjektiv-öffentliches Recht auf
Fürsorge anerkannt. (Ein subjektiv-öffentliches Recht enthält einen
Anspruch. In der durch die Neuregelung begründeten Verpflichtung
der Fürsorgebehörden wurde lediglich ein sich zugunsten der Für-
sorgebedürftigen auswirkendes sog. "Reflexrecht" [Peters. Lehrbuch
öffentliches Recht 113

der Verwaltung, 1949, S. 433] gesehen, das keinen Rechtsanspruch


und auch nach Einführung der verwaltungs gerichtlichen General-
klausel kein Klagerecht beinhaltete.)
Diese Auffassung wurde erst durch die Rechtsprechung beseitigt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte in seiner grundlegenden Ent-
scheidung vom 24. 6. 1954 (BVerwGE 1, S. 159 ff [162]) hierzu aus:
"Demnach widerspräche es dem Verfassungsrecht, den früher
zur Auslegung des Fürsorgerechts dienenden Grundsatz bei-
zubehalten.
Die den Grundgedanken der Verfassung entsprechende Aus-
legung des Fürsorgerechts hat vielmehr das Ergebnis:
Soweit das Gesetz dem Träger der Fürsorge zugunsten des
Bedürftigen Pflichten auferlegt, hat der Bedürftige entspre-
chende Rechte und kann daher gegen ihre Verletzung den
Schutz der Verwaltungsgerichte anrufen."
§ 4 des Bundessozialhilfegesetzes von 1961, durch das die Vor-
schriften des bisherigen Fürsorgerechts aufgehoben worden sind,
trägt diesen Grundsätzen Rechnung. Es erweitert Fürsorgerechte und
-pflichten durch "Hilfe in besonderen Fällen".
2. Das Recht der Kriegsfolgenhilfe umfaßt zwar auch fürsorgerische
Leistungen des Staates i. w. S. Es wird jedoch sehr stark von Ent-
schädigungsgedanken ("Versorgungsredlt") beeinflußt und verleiht
den Berechtigten in der Regel Ansprüche auf bestimmte Leistungen.
Es wird daher mit Recht als selbständiges Rechtsgebiet behandelt.
Hierzu gehören u. a.
a) das Heimkehrergesetz von 1950, das Hilfsmaßnahmen für Heim-
kehrer aus Kriegsgefangenschaft und Internierung begründet,
b) das Notaufnahmegesetz von 1950, das die Aufnahme deutscher
Staatsangehöriger und deutscher Volkszugehöriger aus der so-
wjetischen Besatzungszone in der Bundesrepublik regelt,
c) das Lastenausgleichsgesetz von 1952, das den Ausgleich von
Schäden und Verlusten aus Vertreibungen und Zerstörungen der
Kriegs- und Nachkriegszeit sowie die Milderung von Härten aus
der Neuordnung des Geldwesens zum Gegenstand hat,
d) das Bundesvertriebenengesetz von 1953,
e) das Bundesevakuiertengesetz von 1953,
f) das Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung der Opfer der
nationalsozialistischen Verfolgung von 1953,
g) das Bundesversorgungsgesetz in der Neufassung von 1956, das
die Versorgung der während einer militärischen oder militär-
ähnlichen Dienstverrichtung gesundheitlich geschädigten Wehr-

8 Giese, Recht
114 Rechtszroeige

macht angehörigen (Soldaten, Wehrmachtbeamten, Volkssturm-


angehörigen, Wehrmacht- und Luftwaffenhelfer usw.) und ihrer
Hinterbliebenen regelt,
hJ das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz von 1956.
Das Wiedergutmachungsrecht der Angehörigen des öffentlichen
Dienstes gehört rechts systematisch zum Recht des öffentlichen
Dienstes.
Die Durchführung dieser Gesetze obliegt z. T. besonderen Behörden,
z. B. bei der Kriegsopferversorgung und beim Lastenausgleich, z. T.
besonderen Dienststellen der Landesbehörden (Wiedergutmachung)
oder der Landes- und Kommunalbehörden (Vertriebenenämter).

V. Sozialversicherungsrecht
1. Die öffentliche Sozialoersimerung dient der Vorsorge bei Arbeitern
und Angestellten. Sie ist im modernen Staat eine grundsätzlich obli-
gatorisme Einrichtung. Maßgebend ist der Grundgedanke der Eigen-
beteiligung durch Beitragsleistungen. Die Bezüge der Sozialversiche-
rung stehen dem Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit zu. Die Or-
ganisation ist entweder eine bezirkliche oder eine berufsgenossen-
schaftliche. Behörden sind die Versicherungsämter und die Ober-
versicherungsämter; ferner das Bundesversicherungsamt (G. von
1956); Versicherungsanstalten auf Bundesebene sind die Bundes-
versicherungsanstalt für Angestellte und die Bundesanstalt für Ar-
beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.
2. Die einzelnen Versicherungszroeige gliedern sich wie folgt:
die Krankenversicherung (Träger: Ortskrankenkassen, Ersatzkassen
usw.J,
die Unfallversicherung gegen Betriebsunfälle (Träger: Berufsgenos-
senschaften),
die Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung (Träger: Versiche-
rungsanstalten),
Die Angestelltenversicherung ist eine besondere Invaliden- und Hin-
terbliebenenversicherung der Angestellten.
Dazu tritt die Knappschaftsversicherung der bergmännischen Arbeit-
nehmer.
Bei Arbeitslosigkeit greift entweder Fürsorge oder Versicherung ein.
Die wichtigsten Rechtsquellen sind die Reichsversicherungsordnung,
das Angestelltenversicherungsgesetz, das Reichsknappschaftsgesetz,
das Arbeitslosenversicherungsgesetz (G. ü. Arbeitsvermittlung und
Arbeitslosenversicherung), alle mit zahlreichen Novellen.
öffentliches Recht 115

Die Reformarbeiten auf dem Gebiete der Sozialversicherung sind


noch nicht abgeschlossen.

VI. Remt der Jugendhilfe und Jugendwohlfahrt


Das Grundgesetz erwähnt den Schutz der Jugend u. a. im Art. 5 Abs. 2
und im Art. 11 Abs. 2. Es befaßt sich ferner im Art. 6 mit dem Schutze
der Familie, der Mütter und der unehelichen Kinder. Eine ausdrückliche
Kompetenzvorschrift für das Gebiet der Jugendhilfe und Jugendroohl-
fahrt enthält weder Art. 73 noch Art. 74 oder 75 GG. Die Bundes-
konpetenz beruht insoweit vielmehr auf Art. 74 Ziff. 7 GG, der die
konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für das Gebiet der
öffentlichen Fürsorge festlegt. Gleichwohl wird man das Recht der
Jugendhilfe und Jugendwohlfahrt als besonderes Rechtsgebiet ansehen
können, zumal es zwar in enger Beziehung zum Recht der öffentlichen
Fürsorge ["Sozialhilfe") steht, aber in erster Linie von erzieherischen
Gesichtspunkten ausgeht.
Das Reichsgesetz über die Jugendwohlfahrt von 1922 ist nach mehr-
fachen Änderungen, zuletzt durch Gesetz vom 11. August 1961, am
gleichen Tage in einer Neufassung als "Gesetz für Jugendwohlfahrt"
bekanntgegeben worden.
Jugendwohlfahrtsbehörden sind die Jugendämter und Landesjugend-
ämter. In größeren Ländern können mehrere Landesjugendämter er-
richtet werden. Oberste Landesjugendwohlfahrtsbehörden sind die
Sozialministerien der Länder. Innerhalb der Bundesregierung ist in
Fragen der Jugendhilfe und Jugendwohlfahrt der Bundesminister für
Familien- und Jugendfragen federführend.
Das JWG behandelt den Schutz der Pflegekinder, ferner die Stellung
der Jugendämter im Vormundschaftswesen, bei der freiwilligen Er-
ziehungshilfe, bei der Fürsorgeerziehung, bei der Heimaufsicht und
bei der Jugendgerichtshilfe.
In diesem Zusammenhang zu erwähnen, wenn auch nicht zum Recht
der Jugendhilfe und Jugendwohlfahrt gehörend, sind die staatlichen
Maßnahmen zur Familienförderung [G. ü. Kindergeld und Familien-
ausgleichskassen von 1954 mit späteren Ergänzungen und Änderungen).

VII. Bauremt, Wohnungs- und Siedlungsremt, Remt der Raumordnung

1. "Baurecht" enthält bereits der Sachsenspiegel: "Wie na ein markit


deme anderen sin solle. Wie man buwen muze ane des riches orlop."
(Landrecht LXVI, 3.) Baurechtliche Vorschriften enthält auch der
8. Titel des 1. Teiles des PrALR (§§ 36 ff) von 1794.
8*
116 Rec:htszroeige

Baurecht war früher im wesentlichen Baupolizeirecht. Sämtliche


deutschen Länder der Weimarer Republik (außer Preußen und Thü-
ringen) hatten Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts ein-
heitliche Landesbauordnungen für ihr gesamtes Landesgebiet er-
lassen. Entwürfe eines preuß. Städtebaugesetzes (1926), eines
Reichsstädtebaugesetzes (1931) und eines Deutschen Baugesetz-
buches (1942) sind nicht über das Entwurfsstadium hinausgekom-
men.
Der Bund hat nach Art. 74 Ziff. 14 GG die konkurrierende Kompe-
tenz für das Recht der Enteignung und nach Art. 74 Ziff. 18 die
gleiche Befugnis für die Regelung des Grundstücksverkehrs, des
Bodenrechtes und des Wohnungs-, Siedlungs- und Heimstätten-
wesens, ferner nach Art. 75 Ziff. 4 die Rahmenkompetenz für die
Bodenverteilung und die Raumordnung.
Nach dem Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts vom
16. Juni 1954 (NJW 1954 S. 1474 ff) ist der Bundesgesetzgeber be-
fugt, das Recht der städtebaulichen Planung, der Baulandumlegung,
der Zusammenlegung, des Bodenverkehrs, der Erschließung und der
Bodenbewertung (nicht dagegen das Baupolizeirecht, für dessen
Regelung die Länder weiter zuständig sind) durch Bundesgesetz zu
regeln. Dies ist durch das Bundesbaugesetz vom 23. Juni 1960 ge-
schehen. Daneben gelten die Bauordnungen der Länder, die z. T. in
den letzten Jahren neugefaßt worden sind (eine Landesbauordnung
für Nordrhein-Westfalen liegt dem Landtag vor).
Der Förderung des Wohnungsbaues dienen die Wohnungsbaugesetze
des Bundes und der Länder sowie die zahlreichen Rechts- und Ver-
waltungsverordnungen.
2. Das Recht der Wohnungszroangsroirtschaft, das im Kriege und in
den ersten Nachkriegsjahren eine überragende Rolle spielte, ist im
Abbau begriffen (vgl. Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangs-
wirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht vom 23. Juni
1960 - BGEl I S. 389 ff).
3. Das Recht der Siedlung und des Kleingartenroesens wird auch heute
noch weitgehend durch ehem. reichsrechtliche Vorschriften be-
herrscht. Das Reichssiedlungsgesetz von 1919 verpflichtete die Län-
der zur Errichtung gemeinnütziger Siedlungsunternehmen, zur
Schaffung neuer Siedlerstellen und zur Hebung vorhandener Klein-
siedlungen. Für die Förderung der Kleinsiedlung gelten jetzt die
§§ 57 ff des 2. Wohnungsbaugesetzes von 1956.
Die kleingärtnerische Nutzung von Pachtgrundstücken ist Gegen-
stand der Kleingärten- und Pachtlandordnung von 1919. Während
das Kleingartenwesen in der Zeit vor der Währungsreform über-
öffentliches Red1t 117

wiegend von ernährungspolitischen Aspekten beherrscht war, ist


heute der Gedanke der Förderung der Volksgesundheit und Heimat-
verbundenheit hierbei mehr in den Vordergrund getreten.
4. Auf dem Gebiete der Raumordnung sind von Bedeutung das oben
erwähnte Bundesbaugesetz sowie die Landesplanungsgesetze der
Länder (Bayern = 21. 12. 57, Schleswig-Holstein = 5. 7. 61, Nord-
rhein-Westfalen = 7. 5. 62). Richtungweisend für spätere Verbands-
gründungen war vielfach die Tätigkeit des Siedlungsverbandes
Ruhrkohlenbezirk (preuß. Gesetz vom 5. 5. 1920 i. d. Fassung des
nordrh.-westf. Gesetzes vom 3. 6. 1958).

VIII. Recht des Feuerschutzes, Katastrophenschutzes und des zivilen


BevölkerungssdlUtzes
1. Feuerschutz und Katastrophenschutz
Die Notwendigkeit eines Schutzes gegen Feuersgefahren bestand
schon in den Anfängen menschlicher Siedlungstätigkeit. Als im 15.
Jahrhundert zahlreiche Feuersbrünste die eng und leicht gebauten
deutschen Städte heimsuchten, sahen sich die Ortsobrigkeiten ge-
zwungen, die nachbarschaftliche Hilfeleistung durch Brandordnungen
zu regeln. Später traten Vorschriften über Feuerlöschgeräte (Feuer-
eimer, Feuerpatschen usw.) hinzu. Im 16. und 17. Jahrhundert fin-
den wir bereits landesherrliche Feuerordnungen (z. B. die Feuer-
ordnung des Herzogs Johann von Sachsen von 1521, die Feuerord-
nung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg von 1672).
In Preußen blieb die Regelung des Feuerschutzes bis in das 19. Jahr-
hundert hinein den für einzelne Landesteile erlassenen Feuerlösch-
ordnungen überlassen (Feuerlöschreglement für das platte Land in
Schlesien von 1765, Feuerpolizeiordnung für die Städte der Kur-
und Neumark von 1832 u. a. m. (vgl. die Aufzählung in der amtl.
Samml. der Entsch. d. kgl. preuß. OVG, Bd. 38, S. 183/184). Nach
§ 37 Ziff. 12 u. 13 Tit. 7 Theil II des PrALR von 1794 war die Ein-
richtung des Feuerlöschwesens Aufgabe der Gemeinden, die über-
wachung der Einrichtungen und der Löscharbeiten oblag jedoch der
Polizei. Auch das preuß. Ges. Ü. d. Feuerlöschwesen von 1933 hielt
daran fest, daß die Feuerwehren im Auftrage der Ortspolizeibehör-
den tätig werden. Das Reichsges. Ü. d. Feuerlöschwesen von 1938
und seine DVOen von 1939 erweiterten den Aufgabenkreis der zur
Feuerschutzpolizei umgestalteten Feuerwehren auf die Gefahren-
abwehr schlechthin und nannten die Bekämpfung von Schaden-
feuern nur beispielsweise. Den Charakter als "Feuerschutzpolizei"
verloren die Feuerwehren im Zuge der "Entpolizeilichung" wieder
(vgl. oben "Polizei- und Ordnungsrecht"). Das formelle und mate-
118 Remtszroeige

rielle Remt der Feuerwehren wurde in den Ländern neu geregelt.


Nam dem nordrh.-westf. Ges. von 1958 sind die Gemeinden ver-
pflimtet, zur Bekämpfung von Smadenfeuern sowie zur Hilfelei-
stung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen, die durch
Naturereignisse, Explosionen und ähnlime Vorkommnisse ver-
urs amt werden, leistungsfähige Feuerwehren [Berufs-, freiwillige,
Pflimtfeuerwehren) und einen geordneten Krankentransport- und
Rettungsdienst zu unterhalten. Gemeinden mit mehr als 100000 Ein-
wohnern müssen Berufsfeuerwehren aus hauptamtlimen Kräften
einrimten. Die Landkreise unterhalten die notwendigen gemein-
samen Einrimtungen auf Kreisebene. Das Land unterhält Landes-
feuerwehrschulen und zentrale Einrimtungen zur Verbesserung des
Feuersmutzes. Es trifft die zur Verhütung und Beseitigung öffent-
limer Notstände erforderlimen zentralen Maßnahmen.
Für den Einsatz bei Katastrophen [Notständen großen Umfanges)
bestehen keine besonderen gesetzlichen Vorsmriften. Der Einsatz
erfolgt in diesen Fällen in Zusammenarbeit mit den Dienststellen
der Polizei, des Roten Kreuzes, der Bundesbahn, Bundespost, Bun-
deswehr usw. Die Einsatzleitung obliegt in den kreisfreien Städten
den Oberstadtdirektoren, in den Landkreisen den Oberkreisdirek-
toren, bei Katastrophen, die über deren Bereich hinausgehen, den
Regierungspräsidenten.
2. Ziviler Bevölkerungsschutz
Der zivile Bevölkerungssmutz [Luftschutz, Smutz gegen Atomgefah-
ren) ist Aufgabe des Bundes. Die notwendigen Maßnahmen werden
durm das Bundesamt für den zivilen Bevölkerungssmutz [G. v. 5. 12.
58), durm den Bundesluftschutzverband [G. v. 9. 10. 57) und im
Auftrage des Bundes durm die Länder durchgeführt. Die örtlichen
Aufgaben des zivilen Luftsmutzes obliegen den Gemeinden [Luft-
smutzorten). Mehrere Gemeinden können durch die zuständige
Landesbehörde zu einem Luftschutzgebiet zusammengesmlossen
werden.
Grundlegend ist das Gesetz über Maßnahmen zum Smutz der Zivil-
bevölkerung vom 9. Oktober 1957, dessen §§ 22 ff aum Vorsmriften
über bauliche Luftsmutzmaßnahmen enthalten.

IX. Wirtschaftsredll
Zu Anfang des Jahrhunderts wurde es üblim, die wirtsmaftlim bedeut-
samen Probleme der verschiedenen Rechtsgebiete unter besonderer Be-
rücksichtigung der wirtsmaftlichen Interessenlage zu betramten. Hier-
aus ergab sim allmählim ein Zusammenschluß, den man entweder
Öffentliches Recht 119

quantitativ als besonderes Rechtsgebiet oder qualitativ als besondere


Rechtsmethode auffassen konnte. Welche Betrachtung die richtige ist.
ist immer noch nicht abschließend geklärt. GleiChwohl dürfte sChon die
wirtschaftliChe Orientierung der in Betracht kommenden Einzelfragen
es reChtfertigen. hier von einem Sondergebiet zu spreChen.
Wirtschaftsrecht ist das Sonderrecht der Wirtschaft. Es dürfte aber zu
eng sein. darunter nur den Unternehmerstand zu begreifen; gewiß
spielt er im WirtschaftsreCht die Hauptrolle. weshalb auch während
des Dritten Reichs die Vorlesung über Wirtschaftsrecht mit dem Schlag-
wort "Unternehmer" bezeichnet wurde. Doch behandelt das heutige
Wirtschaftsrecht die besondere wirtschaftliche Rechtslage nicht etwa
einer persönlich bestimmten Gruppe. sondern eines sachlich bestimm-
ten BereiChes. J. W. Hedemann "Deutsches Wirtschaftsrecht" (Berlin
1939) geht bei der Abgrenzung des Stoffes aus "von den Lebenskräften.
die auf allen Gebieten wirtschaftlicher Betätigung am Werke sind. bei
den Kaufleuten ebensogut wie bei den Handwerkern. bei den Land-
wirten ebensogut wie bei den Fabrikbesitzern. bei den kleinen Einzel-
handelsbetrieben ebensogut wie bei den großen mächtigen Konzernen".
In Anlehnung an die Systematik des Grundgesetzes hat sich ein enge-
rer Begriff des "Wirtschaftsrechts" entwickelt. der neben den im
Art. 74 Ziff. 11 GG beispielhaft genannten Zweigen wirtschaftlicher Be-
tätigung auch die im Art. 73 Ziff. 4 und 5 und in Art. 74 Ziff. 15. 16
genannten Rechtsgebiete umfaßt. Dieses WirtsChaftsrecht i. e. S. um-
faßt niCht die mitunter auch als "Recht der Urproduktion" bezeiChneten
Gebiete des Landwirtschafts-. Forst-. Jagd-. Fischerei-. Wasserrechts
usw .. die nach dieser Systematik als eigenes Rechtsgebiet zu behandeln
sind.
Zum Wirtschaftsrecht in diesem Sinne zählen:
1. AIIgemeines Gemerberemt
Gemerbearten sind
a) Handwerk und Industrie.
b) Handel und Nebengewerbe
(Bank-. Verlags-. Makler-. Reklamebetriebe).
e) Versicherungsgewerbe.
d) Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe.
e) Verkehrsgewerbe (Speditionen. Reisebüros ete.).
f) die Leistung von gewerblichen Diensten persönlicher Art.
Gemerbliche Betriebsformen sind
a) der stehende Gewerbebetrieb.
b) das Wandergewerbe.
e) der Marktverkehr.
120 Remtszroeige

Rechtsgrundlagen: Gewerbeordnung (von 1869 mit zahlreichen


Änderungen); Gaststättengesetz; Gesetz über den Verkehr mit un-
edlen Metallen; VO über das SChornsteinfegerwesen u. a. m.
Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gewerbefreiheit beruht
auf Art. 12 GG Art. 12 Abs. 1 Satz 1 spriCht von dem ReCht, "Be-
ruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen". Da zwar
niCht jeder Beruf = Gewerbe, wohl aber jedes Gewerbe = Beruf
ist, liegt in dieser Formulierung gleichzeitig eine verfassungsreCht-
liChe Normierung der Gewerbefreiheit, wie sie tatsächliCh in
DeutsChland schon seit dem 19. Jahrhundert besteht.
2. Recht des Handwerks (insbesondere die Handwerksordnung von
1953 nebst DurChführungsverordnungen).
Die Gewerbebetriebe, die handwerksmäßig betrieben werden kön-
nen, sind in der Anlage Azur Handwerksordnung enumerativ
aufgeführt. Der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehen-
des Gewerbe ist von der Eintragung in die Handwerksrolle ab-
hängig. Die HO regelt ferner die Befugnis zum Halten und An-
lernen von Lehrlingen und enthält Vorschriften über die faChliche
Organisation (Innungen und Innungsverbände) sowie die zwischen-
berufliChe Organisation des Handwerks (Kreishandwerkerschaften
und Handwerkskammern).
3. Recht des Handels (insbesondere das G. ü. d. Berufsausübung im
Einzelhandel von 1957).
WesentliCh: Grundsatz der Erlaubnispflicht, der SaChkunde und der
Zuverlässigkeit. Bedürfnisprüfung entfällt. übersetzung ist kein
Grund für Versagung der Erlaubnis.
4. Ein besonderes Recht der Industrie, ähnliCh dem Spezialrecht des
Handwerks und des Handels, existiert nicht.
5. Das Recht der gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Interessenvertre-
tungen des Handels und der Industrie ist im Gesetz zur vorläufigen
Regelung des ReChts der Industrie- und Handelskammern von 1956
enthalten.
6. Recht des Bergbaus
Nur teilweise [z. B. in den Vorschriften über die Rechtsnatur der
Verleihung, die Zuständigkeit für Verleihung und Versagung, die
Rechtsmittel und die Organisation der Bergbehörden) öffentliches
Recht, sonst Privatrecht. Das Bergrecht ist noch durchweg landes-
reChtliCh geregelt [Preuß. allg. Berggesetz von 1865, BayerisChes
Berggesetz von 1910 usw.).
öffentliches Recht 121

7. Recht der Energiewirtschaft


Es regelt die Energieversorgung (Gas- und Elektrizitätsversorgung).
Die Energiewirtschaft untersteht einer besonderen Staatsaufsicht.
Energieanlagen sind Anlagen, die der Erzeugung, Fortleitung oder
Abgabe von Elektrizität oder Gas dienen. Energieversorgungsunter-
nehmen sind alle Unternehmen (ohne Rücksicht auf die Rechts-
form), die die Versorgung mit Energie betreiben oder Energiever-
sorgungsbetriebe verwalten. Es besteht eine allgemeine Anschluß-
und Versorgungspflicht (§ 6 EWG).
Rechtsgrundlage: Energiewirtschaftsgesetz (EWG) von 1935 mit
zahlreichen Durchführungsverordnungen, deren Gültigkeit z. T. be-
stritten ist.
8. Recht des Bank- und Börsenwesens
a) Börsengesetz von 1908 mit zahlreichen Änderungen,
b) Gesetz über die Bundesbank von 1957,
c) Bankdepotgesetz von 1937,
d) Gesetz über die Lastenausgleichsbank von 1954,
e) Kreditwesengesetz von 1961.
Die Kompetenz des Bundes für das Bankwesen nach Art. 74 Ziff.
11 GG umfaßt die Errichtung und Organisation von Bankinstituten
des Bundesrechts, einschließlich des Rechtes der wirtschaftlichen
Betätigung dieser Bankinstitute. Soweit es sich um öffentlich-recht-
liche Bankinstitute, die der Landesaufsicht unterstehen, oder um
Bankinstitute des Privatrechts handelt, beschränkt sich diese Kom-
petenz auf die Regelung des Rechtes der wirtschaftlichen Betätigung
und der Beaufsichtigung unter kreditwirtschaftlichen Gesichtspunk-
ten. Bundesrechtliche Regelungen der Organisation der der Landes-
aufsicht unterstehenden öffentlich-rechtlichen Bankinstitute wären
durch die Kompetenz nach Art. 74 Ziff. 11 nicht gedeckt. Dies gilt
auch für das Recht der kommunalen Sparkassen, das im übrigen
landesrechtlich geregelt ist.
9. Recht des privaten Versicherungswesens
Im Versicherungswesen unterscheidet man die Privotversicherung
und die Sozialversicherung. Der Unterschied liegt jedoch nicht in
der Rechtsform der Versicherungsträger, denn Versicherungsträger
der Privatversicherung (Feuer-, Lebens-, Unfall-, Haftpflichtversiche-
rung usw.) können sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-
rechtliche Versicherungsunternehmen sein. Entscheidend sind viel-
mehr die unterschiedlichen Grundlagen des Versicherungsverhält-
nisses. Während Beitrags- und Versicherungsleistungen in der
122 Rechtszroeige

Privatversimerung auf dem privatremtlimen Versimerungsvertrag


beruhen und die Beitragsleistungen nam dem Risiko bemessen
werden, sind die Beitrags- und Rentenleistungen in der Sozialver-
simerung gesetzlim geregelt und die Beiträge werden nimt nam
dem Risiko, sondern nach der Leistungsfähigkeit in öffentlim-recht-
limer Form festgesetzt.
In der Privatversimerung unterscheidet man die Personen-, Sam-
und Vermögensversicherung.
Die Kompetenz des Bundes nam Art. 74 Ziff. 11 umfaßt die Rege-
lung der wirtsmaftlimen Betätigung und der Beaufsimtigung der
Privatversicherung.
Grundlegend sind das Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten
Versimerungsunternehmen und Bausparkassen von 1931, ferner
das Gesetz über die Befugnisse der Versicherungsaufsimtsbehör-
den von 1934 und das Gesetz über die Errimtung eines Bundes-
aufsimtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen von 1951.
Das Gesetz über den Versicherungsvertrag von 1908 gehört in den
Bereich des Privatremts (vgl. oben "Gebiete des privaten Remts").
10. Währungsrecht
Das geltende Währungsrecht hat seine Grundlagen in den ersten,
zweiten, dritten und vierten Gesetzen zur Neuordnung des Geld-
wesens (Währungsgesetz, Emissionsgesetz, Umstellungsgesetz und
Festkontogesetz), ferner in den hierzu erlassenen Durchführungs-
verordnungen (Bankenverordnung, Versicherungsverordnung, Bau-
sparkassenverordnung usw.l. die im gleichen Wortlaut von der
amerikanismen, der britischen und der französischen Besatzungs-
mRmt erlassen worden sind. Stichtag der Währungsreform war
der 21. Juni 1948.
Für das Währungsrecht ist die ausschließliche Kompetenz des
Bundes nach Art. 73 Ziff. 4 GG gegeben.
11. Preisremt
Die Aufgaben der Dienststellen der Preis bildung und Preisüber-
wachung sind in letzter Zeit sehr zurückgetreten. Das Preisgesetz
des Vereinigten Wirtsmaftsgebietes von 1948 ist wiederholt, zu-
letzt durm Bundesgesetz vom 29. März 1951 bis zum InkrafUreten
eines neuen Preisgesetzes verlängert worden. Das materielle Preis-
remt wird weitgehend durch Rechtsverordnungen des Bundesmini-
sters für Wirtschaft bestimmt (vgl. hierzu die Entsmeidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 1958 - BGBl. I 1959
S.48).
öffentliches Recht 123

Von allgemeiner Bedeutung für das Preisrecht ist der Begriff der
Preisüberhöhung. Eine strafbare Preisüberhöhung liegt vor, wenn
jemand "vorsätzlich in befugter oder unbefugter Betätigung in
einem Beruf oder Gewerbe für Gegenstände oder Leistungen des
lebenswichtigen Bedarfs Entgelte fordert, verspricht, vereinbart,
annimmt oder gewährt, die infolge einer Beschränkung des Wett-
bewerbs oder infolge der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Macht-
stellung oder einer Mangellage unangemessen hoch sind" (§ 2a des
Wirtschaftsstrafgesetzes von 1954, eingefügt durch das Änd.Ges.
von 1956).
12. Kartellrecht
Das geltende Kartellrecht ist enthalten im Gesetz gegen Wettbe-
werbsbeschränkungen von 1957. Kartellbehörden sind der Bundes-
minister für Wirtschaft, das Bundeskartellamt und die nach Landes-
recht zuständigen obersten Landesbehörden.
13. Remt der mirtschaftlimen Betätigung der öffentlimen Hand
Ein geschlossenes "Recht der wirtschaftlichen Betätigung der öffent-
lichen Hand" existiert nicht. Die betreffenden Vorschriften sind im
Haushalts- und Wirtschaftsrecht des Bundes, der Länder sowie der
Gemeinden und Gemeindeverbände enthalten (z. B. § 48 Reichs-
haushaltsordnung, §§ 86 ff. des preuß. Gemeindefinanzgesetzes,
ff 69 ff. der Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen und die
diesen §§ entsprechenden Vorschriften der Gemeindeordnungen
der übrigen Länder). Sie sind aus Gründen des Sachzusammen-
hangs auch dort zu behandeln. (Kommunalrecht, Haushalts- und
Wirtschaftsrecht des Bundes und der Länder.) Das Organisations-
recht solcher wirtschaftlicher Unternehmen gehört, wenn es sich
um juristische Personen des Privatrechts handelt, zum Privatrecht,
wenn es sich um juristische Personen des öffentlichen Rechts han-
delt, zum Recht der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts. Das Eigenbetriebsrecht gehört rechtssystema-
tisch zum Kommunalrecht, zumal es sich bei den Eigenbetrieben
um rechtlich unselbständige Anstalten handelt. Dagegen gehört das
Recht der kommunalen Sparkassen, die rechtsfähige Anstalten des
öffentlichen Rechts sind, ebenso wie das Recht der öffentlich-remt-
lichen Privatversicherungsunternehmen und Banken zum Recht der
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen d. ö. R. Zum Recht der
wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand gehören nur die-
jenigen Vorschriften, die für die öffentliche wirtschaftliche Betäti-
gung allgemein gelten, wie z. B. die Prüfungsvorschriften über die
Pflichtprüfung der Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand (vgI.
oben unter "Kommunalrecht").
124 Remtszroeige

X. Verkehrsredtt
.. Verkehr" in dem sie zu behandelnden Sinne ist die Beförderung von
Personen, Gütern und Nachrichten auf dem Lande, zu Wasser und in
der Luft. Demgemäß befaßt sich das Verkehrsrecht mit den Bedingun-
gen, Einrichtungen, Mitteln und Voraussetzungen für die Durchführung
des Verkehrs.
Der Bund hat gemäß Art. 73 GG die ausschließliche Gesetzgebung über
die Schiffahrtsverträge (Ziff. 5), die Bundeseisenbahnen (Ziff. 6), den
Luftverkehr (Ziff. 6) und das Post- und Fernmeldewesen (Ziff. 7). Er
hat gemäß Art. 74 GG die konkurrierende Kompetenz für die Hochsee-
und Küstenschiffahrt, die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetter-
dienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienen-
den Binnenwasserstraßen (Ziff. 21), ferner für den Straßenverkehr, das
Kraftfahrwesen und den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen
des Fernverkehrs (Ziff. 22) sowie die nicht bundeseigenen Schienen-
bahnen (Ziff. 23) mit Ausnahme der Bergbahnen, die in die ausschließ-
liche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen.
Bei der folgenden Darstellung können die Normen des Verkehrsstraf-
rechts und des Verkehrsprivatrechts unberücksichtigt bleiben.
Zum öffentlichen Recht des Verkehrs sind nach heutiger Auffassung
zu zählen:
1. Straßen- und Wegerecht
Das Straßen- und Wegerecht ist z. T. noch heute von Vorschriften
beherrscht, die nicht für den Bereich des einzelnen Landes, sondern
nur für bestimmte Landesteile geIten. Für die Bundesautobahnen
und die Bundesfernstraßen gilt das Bundesfernstraßengesetz von
1953. An neueren Wege- und Straßengesetzen der Länder sind zu
nennen: das Hamburger Wegegesetz von 1961, das bayerische
Straßen- und Wegegesetz von 1958 und das nordrhein- westfälische
Landesstraßengesetz von 1961, das Landstraßen, Kreisstraßen, Ge-
meindestraßen und sonstige öffentliche Straßen unterscheidet, und
dessen § 68 neben anderen Vorschriften allein 17 wegerechtliche
Regelungen aufhebt, darunter solche von 1554 und 1558 für das
Herzogtum Jülich-Berg, von 1768 für das Herzogtum Kleve und von
1807 für das Herzogtum Westfalen.
öffentliche Wege und Straßen entstehen durch Widmung. Sie kön-
nen bei wegfallendem Bedürfnis wieder eingezogen werden.
Das Gesetz über die vermögensrechtIichen Verhältnisse der Bundes-
autobahnen und der Bundesstraßen des Fernverkehrs von 1951
regelt den übergang der bisherigen Reichsautobahnen und Reichs-
straßen auf den Bund.
Öffentliches Recht 125

2. Straßenverkehrsrecht
Mit dem Güternahverkehr und dem Güterfernverkehr auf den Stra-
ßen befaßt sich das Güterkraftverkehrsgesetz von 1952 i. d. F. von
1957 und 1959. Der Güterfernverkehr ist genehmigungspflichtig. Der
gewerbsmäßige Güternahverkehr ist erlaubnispflichtig. Genehmi-
gungspflichtig ist auch der Güterliniennahverkehr. Die überwachung
des Güterfernverkehrs ist Aufgabe der Bundesanstalt für den Güter-
fernverkehr in Köln.
Die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen
mit Straßenbahnen, Oberleitungsomnibussen und mit Kraftfahrzeu-
gen ist Gegenstand des Personenbeförderungsgesetzes von 1961.
Personenbeförderungsunternehmen bedürfen der Genehmigung. Ge-
nehmigungspflichtig ist auch der Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahr-
zeugen außerhalb des Linienverkehrs, d. h. der Verkehr mit Kraft-
droschken (Taxen), der Ausflugsverkehr und der Verkehr mit Miet-
omnibussen und Mietwagen.
Wichtigste Quelle des Straßenverkehrssicherheits- und -ordnungs-
rechts ist das Straßenverkehrsgesetz von 1952, geändert 1957. Nach
§ 2 StVG ist das Führen von Kraftfahrzeugen grundsätzlich erlaubnis-
pflichtig. Die Straßenverkehrszulassungsordnung von 1956 (mehrfach
geändert und ergänzt) regelt die Zulassung von Personen und Kraft-
fahrzeugen. Das Kraftfahrbundesamt in Flensburg (G. von 1951)
führt die Zentralkartei über Versagungen und Entziehungen der
Fahrerlaubnis, über ausgesprochene Verbote des Führens von Kraft-
fahrzeugen und über verkehrs strafrechtliche Verurteilungen ("Ver-
kehrssünderkartei"). Grundregel für das Verhalten im Straßenver-
kehr ist: "Jeder Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr hat sich
so zu verhalten, daß kein anderer gefährdet, geschädigt, oder mehr,
als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt
wird" (§ 1 der Straßenverkehrsordnung in der Fassung vom 29. März
1956 - BGBL I S. 328).
3. Recht der Eisenbahnen
Es umfaßt die Vorschriften für sämtliche Eisenbahnen und die
Sondervorschriften für die Bundesbahn.
a) Das allgemeine Eisenbahngesetz von 1951 ist die Grundlage für
die Regelung der Verkehrsordnung und der Bau- und Betriebs-
ordnung. Als "Eisenbahnen" gelten die Schienenbahnen mit Aus-
nahme der Straßenbahnen, der Bergbahnen und der "sonstigen
Bahnen besonderer Bauart".
b) Das Gesetz über Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs
von Bahnunternehmungen des öffentlichen Verkehrs von 1934
126 Rechtszroeige

i. d. F. von 1951 macht die Einschränkung oder Stillegung von


Bahnunternehmen von der Genehmigung der Landesverkehrs-
behörde abhängig.
e) Die Rechtsverhältnisse der Bundesbahn werden geregelt durch
das Bundesbahngesetz von 1951. Das Bundeseisenbahnvermögen
ist Sondervermögen des Bundes. Obwohl die Bundesbahn ohne
eigene Rechtspersönlichkeit ist, verfügt sie über eine eigene Ver-
fassung und über eigene Organe (Verwaltungsrat und Vorstand).
Innerhalb der Bundesregierung ist in Bundesbahnangelegenheiten
der Bundesverkehrsminister federführend.
4. Post- und Fernmelderecht
Die Verwaltung des Post- und Fernmeldewesens in der Bundesrepu-
blik ist Aufgabe der Bundespost, deren Rechtsverhältnisse durch das
Gesetz über die Verwaltung der Deutschen Bundespost von 1953
geregelt werden. Das Bundespostvermögen ist ebenso wie das Bun-
desbahnvermögen "Sondervermögen mit eigener Wirtschafts- und
Rechnungsführung". Eigene Organe hat die Bundespost nicht. Es
besteht zwar ein Postverwaltungsrat, dessen Aufgaben sich jedoch
von denen des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn unter-
scheiden. Die oberste Leitung der Bundespost obliegt dem Bundes-
postminister unmittelbar.
Das Gesetz über das Postwesen von 1871 regelt das Beförderungs-
recht der Post und enthält Vorschriften über das Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnis. Die Postordnung von 1929, das Postscheck-
gesetz von 1914 und die Postsparkassenordnung von 1938 befassen
sich mit den einzelnen Betriebszweigen. Das Fernmelderecht ist
geregelt im Fernmeldeanlagengesetz von 1928, im Gesetz über den
Amateurfunk von 1949 und im Telegraphenwegegesetz von 1899, die
Telefonbenutzung in der Fernsprechordnung von 1939, das Tele-
graphenwesen in der Telegraphenordnung von 1926. Das Verhältnis
zwischen Bundespost und Postbenutzern gehört dem öffentlichen
Recht an. Für die Benutzung ist eine öffentlich-rechtliche Gebühr zu
entrichten. Demgegenüber ist das Eisenbahnbeförderungsentgelt nach
herrschender Ansicht ein privatrechtliches Entgelt.
5. Recht der Binnenschiffahrt
Das Gesetz über die vermägensrechtIichen Verhältnisse der Bundes-
wasserstraßen von 1951 regelt den übergang der bisherigen Reichs-
wasserstraßen auf den Bund.
Das Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiete der
Binnenschiffahrt von 1956 bezeichnet als Aufgaben des Bundes
a) die Förderung der Binnenflotte und des Binnenschiffsverkehrs,
Öffentliches Recht 127

b) die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des
Verkehrs auf den Bundeswasserstraßen,
e) die Schiffsvermessung auf den Bundeswasserstraßen.
Das Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr von 1953
befaßt sich u. a. mit den Frachten. Der Betriebssicherheit der Fahr-
zeuge dienen die Binnenschiffs-Untersuchungsordnung von 1956, die
va über die überwachung der Schiffssicherheit auf Bundeswasser-
straßen von 1956 und die Eichordnung für Binnenschiffe von 1928.
Der Ordnung des Schiffahrtsverkehrs dient die Binnenschiffahrts-
straßenordnung von 1954 und die Rheinschiffahrtsordnung vom
gleichen Jahre. Grundregel für das Verhalten der Schiffsführer ist,
daß sie alle Vorsichtsmaßregeln treffen müssen, welche die allge-
meine Sorgfaltspflicht und die berufliche übung gebieten, um gegen-
seitige Besch.ädigungen der Fahrzeuge, Behinderungen der Schiffahrt
und Beschädigungen der Ufer und Wasserstraßen zu vermeiden.
6. Recht der Seeschiffahrt
Grundlegend ist das Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem
Gebiet der Seeschiffahrt von 1950. Es bezeichnet als solche die Förde-
rung der Handelsflotte und - neben den beteiligten Ländern - die
Vorsorge für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Seehäfen. Das
Flaggenrechtsgesetz von 1951 regelt die Flaggenführung, das Gesetz
über die Küstenschiffahrt von 1957 die entgeltliche Beförderung von
Fahrgästen und Gütern zwischen Orten des Bundesgebiets auf dem
Seeweg. Für die Untersuchung von Seeunfällen gilt das Gesetz von
1935. Zuständig sind die Seeämter und das Bundesoberseeamt.
Das Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik zum internationalen
Schiffssicherheitsvertrag von 1953 bildet die Grundlage für die Ver-
ordnungen über Sicherheitseinrichtungen für Fahrgast- und Fracht-
schiffe, über die Funkausrüstung der Schiffe, über die Beförderung
gefährlicher Güter mit Seeschiffen, sämtlich von 1955. Durch Gesetz
von 1954 wurde ferner das Seelotswesen bundeseinheitlich geregelt.
Die Vorschriften über die Binnenschiffahrt, Küstenschiffahrt und
Seeschiffahrt sind überwiegend im Teil II des Bundesgesetzblatts
veröffentlicht.
7. Recht des Luftverkehrs
Maßgebend ist das Luftverkehrsgesetz in der Neufassung von 1959.
Wie Kraftfahrzeuge und Schiffe unterliegen auch Luftfahrzeuge
(Flugzeuge, Hubschrauber, Luftschiffe, Frei- und Fesselballone ete.)
der Kontrolle auf Verkehrssicherheit. Dem Führerschein (bei Kraft-
fahrzeugen), dem Schifferpatent (bei der Binnenschiffahrt) und dem
Kapitänspatent (bei der Seeschiffahrt) entspricht der Luftfahrer-
128 Rechtszroeige

schein. Der Straßenverkehrszulassungsordnung entspricht die Luft-


verkehrsverordnung von 1936 mit zahlreichen Änderungsverord-
nungen.
Die Aufgaben des Luftfahrt-Bundesamtes sind durch Gesetz von
1954 geregelt.

XI. Landwirtschafts-, Forst-, Jagd- und Fischereirecht, Wasserrecht,


Veterinärrecht, Recht des Tier-, Pfanzen- und Naturschutzes
1. Landwirtsdtaftsredtt
Landwirtschaft im weiteren Sinne ist "die Ausnutzung der Frucht-
barkeit des Bodens zur Gewinnung organischer, d. i. pflanzlicher und
tierischer Erzeugnisse sowie die unmittelbare Verwertung dieser
Erzeugnisse einschl. der erzeugten Pflanzen und Tiere selbst"
(Molitor, Landwirtschaftsrecht, 1928). In diesem Sinne sind auch der
Weinbau und die Forstwirtschaft als "Landwirtschaft" anzusehen.
Grundlegend waren in Preußen die §§ 8,9 11 7 des PrALR von 1794:
§ 8: Ein jeder Landmann ist die Cultur seines Grundstücks, auch
zur Unterstützung der gemeinen Nothdurft, wirthschaftlich zu
betreiben schuldig.
§ 9: Er kann also dazu von dem Staate auch durch Zwangsmittel
genöthigt, und bei beharrlicher Vernachlässigung, sein Grund-
stück an einen Andern zu überlassen, angehalten werden.
Der Grundgedanke des § 8 11 7 ALR kehrt im Art. 14 Abs. 2 GG
wieder, allerdings bezogen auf das Eigentum schlechthin. Dort heißt
es: "Eigentum verpflidttet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle
der Allgemeinheit dienen."
Redttsgeschichtlich sind für das Gebiet des Landwirtschaftsrechts
die Reformen des Freiherrn vom Stein ebenso von Bedeutung wie
die Erbhof- und Reichsnährstandsgesetzgebung des NS-Staates. Das
heutige Landwirtschaftsrecht ist weniger Zwangsrecht, als Recht der
Förderung und wirtschaftlichen Fürsorge (Grüner Plan). Der Bund
hat gemäß Art. 74 GG die konkurrierende Zuständigkeit für die
Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, die Siche-
rung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaft-
licher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei (Ziff. 17), für
den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht und das landwirtschaftliche
Pachtwesen (Ziff. 18), für Schutzmaßnahmen gegen Tierkrankheiten,
für die Zulassung zu den veterinärärztlichen Berufen (Ziff. 19), für
den Schutz beim Verkehr mit Futtermitteln und mit land- und forst-
wirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut sowie für den Schutz der
Bäume und Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge (Ziff. 20).
Öffentliches Recht 129
---- ~ ... --~--~--_ _
... ..

Der Förderung der Landwirtschaft mit den Mitteln der Wirtschafts-


und Agrarpolitik, insbesondere der Handels-, Steuer-, Kredit- und
Preispolitik, dient das Landwirtschaftsgesetz von 1955. Es bildet die
Grundlage für den sogen. "Grünen Plan". Das landwirtschaftliche
Pachtwesen ist Gegenstand des Landpachtgesetzes von 1952. Die
Zusammenlegung und wirtschaftliche Gestaltung des zersplitterten
und unwirtschaftlich geformten ländlichen Grundbesitzes wird ge-
regelt im Flurbereinigungsgesetz von 1953, das an die Stelle des
Umlegungsgesetzes von 1936, der Reichsumlegungsordnung von 1937
und einiger nach dem Zusammenbruch erlassener landes rechtlicher
Vorschriften getreten ist. Die Länder haben Ausführungsgesetze zum
Flurbereinigungsgesetz erlassen. In Nordrhein-Westfalen z. B. sind
an Stelle der früheren Kulturämter jetzt die Ämter für Flurbereini-
gung und Siedlung, an Stelle der früheren Landeskulturämter jetzt
die Landesämter für Flurbereinigung und Siedlung zuständig. Die
Ablösung der gewohnheitsrechtlichen Weide-, Holz-, Streu- und
Torfnutzungen und die Teilung von Grundstücken im gemeinsamen
Eigentum ist landesrechtlich geregelt. In Preußen galt die Gemein-
heitsteilungsordnung von 1821. An die Stelle dieser und weiterer
46 älterer Vorschriften ist jetzt in Nordrhein-Westfalen das Gemein-
heitsteilungsgesetz von 1961 getreten. Die Förderung des landwirt-
schaftlichen Genossenschaftswesens, insbesondere des genossen-
schaftlichen Personalkredits, ist Aufgabe der Deutschen Genossen-
schaftskasse (Anstalt d. ö. R - Gesetz von 1949 i. d. F. von 1957),
die zugleich auch für den gewerblichen Sektor zuständig ist. Für
den Agrarkredit ist ferner zuständig die Landwirtschaftliche Renten-
banK (§ 10 des Ges. zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Ent-
schuldung von 1952). Als berufsständische Organisationen der Land-
wirtschaft (Körperschaften d. ö. R) bestehen in den Ländern (außer
Baden-Württemberg und Bayern) die LandwirtschaftsKammern. Ihre
Aufgaben und ihre Organisation sind durch Landesgesetze und Sat-
zungen geregelt.
Innerhalb der Landesregierungen sind in Fragen der Landwirtschaft
federführend die Landesministerien für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten (in Rheinland-Pfalz führt das betr. Ministerium den
Zusatz "Weinbau"), innerhalb der Bundesregierung das Bundes-
ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
2. Forstrecht
Innerhalb der staatlichen Aufgaben auf dem Gebiete des Forst-
wesens ist zu unterscheiden zwischen
a) der Verwaltung des staatlichen Forstvermögens,
b) der Staatsaufsicht über den sog. "Körperschaftswald",

9 Glese, Recht
130 Rechtszroeige
--------- ------------------- - - -

e) den Aufgaben des Forstschutzes,


d) der Bildung und Beaufsichtigung von Waldwirtschaftsgemein-
schaften, Forstverbänden und Waldgenossenschaften.
Es handelt sich überwiegend um landesrechtliche Regelungen, die
z. T. sogar nur für einzelne Landesteile gelten (preuß. Haubergord-
nung für den Kreis Siegen von 1879 - GS S. 228 -, preuß. VO über
die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten ge-
hörigen Forsten in den Provinzen Sachsen, Westfalen, Kleve-Berg
und Niederrhein von 1816 - GS 1817 S. 57 -). Nach dem Zusammen-
bruch sind erlassen das hessische Forstgesetz von 1954, das nord-
rhein-westfälische Gesetz zum Schutze des Waldes von 1950, das
Forstgesetz von Rheinland-Pfalz von 1950.
3. Jagdrecht
Das sog. "Jagdregal" ging als königliches Recht auf die Fränkische
Zeit zurück, die Jagdausübung wurde später landesherrliches Recht
und im 17. Jahrhundert ein Vorrecht des Adels. Durch Gesetz vom
31. Oktober 1848 wurde in Preußen der alte germanisch-deutsche
Rechtssatz, daß die Jagd lediglich ein Ausfluß des Eigentumsrechts
sei, wiederhergestellt, die Ausübung blieb allerdings weiter gewissen
Beschränkungen unterworfen.
"Jagdrecht" im subjektiven Sinne ist die ausschließliche Befugnis,
auf einem bestimmten Gebiet wildlebende jagdbare Tiere zu hegen,
die Jagd auf diese auszuüben und sie sich als Jagdbeute anzueignen
(§ 1 des Bundesjagdgesetzes i. d. Fass. von 1961, ähnlich schon § 30
II 16 PrALR von 1794). Das Bundesjagdgesetz ist ein "Rahmen-
gesetz" i. S. des Art. 75 Ziff. 3 GG. Dazu haben die einzelnen Länder
eigene Jagdgesetze erlassen. Oberste Jagdbehörden der Länder sind
die Landesministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,
untere Jagdbehörden die Kreisjagdämter der Landkreise und kreis-
freien Städte. Die Ausübung der Jagd ist nur Jagdscheininhabern
gestattet. Eigenjagdbezirke müssen eine nutzbare Größe von wenig-
stens 75 ha haben. Die Verwaltung der gemeinschaftlichen Jagd-
bezirke obliegt den Jagdgenossenschaften (Körperschaften d. ö. R)
Die Nutzung gemeinschaftlicher Jagdbezirke erfolgt in der Regel
durch Verpachtung.
4. Fischereirecht
Das Recht der Fischerei ist überwiegend landesrechtlich geregelt.
(Bayerisches Fischereigesetz von 1908, Preuß. Fischereigesetz von
1916, das noch in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schles-
wig-Holstein gilt.) Gegenstand des Fischereirechts sind Fische und
andere nutzbare Wassertiere (Krebse, Austern, Muscheln ete.). Die
Öffentliches Recht 181

Ausübung des Fischereirec::hts ist nur Fischereisc::heininhabern ge-


stattet. Mehrere Fischereiberec::htigte können zu einer Fisc::hereige-
nossensc::haft zusammengeschlossen werden. Fisc::hereiaufsic::htsbe-
hör den sind die örtlichen Ordnungsbehörden. Der Fischereischutz
auf See ist Aufgabe des Bundes (§ 1 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom
22.11. 1950 - BGBL I S. 767J.
5. Wasserremt
§ 38 11 15 PrALR bestimmte: "Die Nutzungen solc::her Ströme, die
von Natur schiffbar sind, gehören zu den Regalien des Staats." Nur
schiffbare Flüsse wurden als im Eigentum des Staates befindlic::h
angesehen, alle anderen fließenden Gewässer dagegen als Privat-
eigentum. Nach § 44 11 15 war "der Gebrauch des Flußwassers aus
öffentlichen Strömen durc::h Schöpfen, Baden und Tränken einem
j eden unverwehrt".
Grundlegend für das heutige Wasserrec::ht ist das als Rahmengesetz
gemäß Art. 75 Ziff. 4 GG erlassene Wasserhaushaltsgesetz von 1957.
Es gilt für oberirdisc::he Gewässer und für das Grundwasser. Die
Länder können kleinere Gewässer und Heilquellen von den Bestim-
mungen des Bundesgesetzes ausnehmen. Eine Benutzung der Gewäs-
ser bedarf der Erlaubnis oder Bewilligung. Grundsätzlich darf jedoc::h
jeder oberirdische Gewässer in einem Umfang benutzen, wie dies
nach Landesrec::ht als "Gemeingebrauc::h" gestattet ist. Ohne Erlaub-
nis oder Bewilligung darf ferner Grundwasser für Zwecke des Haus-
haltes oder eines landwirtschaftlichen Hofbetriebes gefördert und
entnommen werden. Die Unterhaltung von Gewässern obliegt, sofern
sie nicht Aufgabe von Gebietskörperschaften, Wasser- und Boden-
verbänden oder gemeindlichen Zweckverbänden ist, den Eigen-
tümern der Gewässer, den Anliegern oder solchen Grundstückseigen-
tümern, die aus der Unterhaltung Vorteile haben oder die die Unter-
haltung erschweren. Das Gesetz enthält ferner Vorschriften über die
Reinhaltung der Gewässer, über wasserwirtsc::haftliche Rahmenpläne
und über die Wasserbücher.
Ergänzend zu beac::hten sind die Ausführungsgesetze der Länder,
darunter das nordrhein-westfälisc::he Wassergesetz von 1962, das
außer der Wiesenordnung für den Kreis Siegen von 1846 auc::h
die preußischen und lippischen Quellenschutzgesetze von 1908 und
1926 und das preußisc::he Wassergesetz von 1913 aufhebt. Oberste
Wasserbehörde in Nordrhein-Westfalen ist der Landesminister für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, obere Wasserbehörden sind
die Regierungspräsidenten, untere Wasserbehörden die Landkreise
und die kreisfreien Städte, örtliche Wasserbehörden die Ämter und
amtsfreien Gemeinden (Städte).

9*
132 Rechtszroeige

Das Remt der Wasser- und Bodenverbände ist in der - in Einzel-


vorschriften durch die Neuordnung der staatsrechtlichen Verhältnisse
überholten - Wasserverbandverordnung von 1937 geregelt, die als
Rechtsverordnung aufgrund der Ermächtigung des Wasserverband-
gesetzes von 1937 durch den damaligen Reichsminister für Ernäh-
rung und Landwirtsmaft erlassen worden ist. Die Ausfüllung der
durch den Wegfall von NS-Bestandteilen entstandenen Lücken durch
die Rechts- und Verwaltungspraxis ist zwar möglich [so BVerwGE 3,
S. 6), beide Vorschriften - Gesetz wie Verordnung - sind aber nach
ihrer Diktion Fremdkörper im Normengefüge des heutigen Staates.
Sie sollten daher durch entsprechende Neufassungen ersetzt werden.
[Es ist interessant, wie modern und rechtsstaatlich dagegen viele
Vorschriften des Preuß. Allg. Landrechts von 1794 anmuten!)
6. Veterinärremt, Remt der Tierzumt, des Tiersmutzes, Viehseumen-
und Fleismbesmauremt, Tierkörperbeseitigung
Mit der Förderung der Tierzumt befaßt sich das Tierzuchtgesetz des
Vereinigten Wirtschaftsgebietes von 1949; vgl. dazu auch die Aus-
führungsgesetze der Länder. Den Tiersmutz behandelt das Tier-
schutzgesetz von 1933, geändert durch G. vom 18. 8. 1961. Fast un-
übersehbar ist die Zahl der Rechtsvorschriften auf dem Gebiete
der Tierseumenbekämpfung [Viehseuchengesetz von 1909 mit zahl-
reichen Änderungen, zuletzt durch Gesetz vom 2.1.1955, Rechts-
verordnungen, Ausführungsgesetze, Anordnungen usw.l. Den Ver-
kehr mit Vieh und Fleisch behandelt das Vieh- und Fleischgesetz
von 1951, die amtliche Fleischbeschau das Fleischbeschaugesetz in
der Fassung von 1940, geändert 1960. Das Berufsrecht der Tierärzte
ist geregelt in der Tierärzteordnung von 1936. Sanitären Zwecken,
insbesondere der Bekämpfung der Verbreitung von Seuchen, dient
das Tierkörperbeseitigungsgesetz von 1939. [Vgl. auch die preuß.
Gesetze von 1868 und 1902 betr. den Schlachthauszwang, das Milch-
gesetz von 1930 u. a. m.)
7. Naturschutzrecht
Gemäß Art. 75 Ziff. 3 GG hat der Bund eine Rahmenkompetenz für
das Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Er hat von
dieser Kompetenz bisher noch nicht Gebrauch gemacht. Dem Schutz
von Pflanzen und wildlebenden nicht jagdbaren Tieren, deren Erhal-
tung wegen ihrer Seltenheit, Schönheit oder Eigenart im allgemeinen
Interesse liegt, sowie der Erhaltung von Naturdenkmälern und Natur-
schutzgebieten dient weiterhin das Naturschutzgesetz von 1935,
dessen Einzelvorschriften allerdings umstritten sind.
öffentliches Recht 133

XII. Finanz- und Steuerrecht


Das Finanzrecht regelt Subjekte und Objekte des öffentlichen Ver-
mögens, Aktiv- und Passiv-Vermögen, Einnahmen und Ausgaben der
öffentlichen Verbände, nicht zum letzten den Haushaltsplan nebst Rech-
nungslegung und Entlastung, sowie die Finanzkontrolle.
Von grundlegender Bedeutung sind im Bundesstaat die Verteilung der
Steuerquellen auf Bund und Länder, in jedem Staat die Verteilung der
Steuerquellen auf Staat und Selbstverwaltungskörper. Hieraus erwächst
das Problem des äußeren und inneren Finanzausgleichs. Zur Verteilung
der Steuerquellen in der Bundesrepublik vgl. GG Art. 106, 107. Wäh-
rend das Kaiserreich die Steuerbehörden einzelstaatlich organisiert
hatte, erfolgte zu Beginn der Reichsrepublik die "Verreich"-lichung der
Steuerbehörden in der Erzberger'schen Finanzreform. Heute steht der
steuerliche Behördenapparat wieder den Ländern, seit dem Bonner GG
dem Bunde und den Ländern zu (vgl. GG Art. 108).
Das Steuerrecht beschäftigt sich mit allen öffentlichen Abgaben. Diese
zerfallen in entgeltliche Abgaben (Gebühren und Beiträge) und unent-
geltliche, d. h. nicht durch öffentliche Gegenleistung bedingte Abgaben
(Steuernl. Die Gesamtheit der Steuern gliedert sich rechtlich in Besitz-
steuern, Verkehrsteuern, Verbrauchsteuern und Zölle. Die wichtigsten
Besitzsteuern sind Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Erbschaft-
steuer. Als Verkehrsteuern verdienen Umsatz-, Grunderwerb-, Kapital-
verkehrsteuer hervorgehoben zu werden. Verbrauchsteuern ruhen auf
Genußmitteln oder anderen Bedarfsgegenständen. Zölle belasten die
Einfuhr von Waren.
1. Finanzrecht
Das Wort "Finanzen" hat im Laufe der Jahrhunderte seine Bedeutung
mehrfach geändert (vgl. die ausführliche Darstellung bei Lotz, Fi-
nanzwissenschaft, 2. Aufl., 1931, Verlag J. C. B. Mohr, Tübingen,
S. 1 ff.l. Das Finanzrecht i. m. S. umfaßt das Haushalts-, Kassen-
und Rechnungswesen des Bundes, der Länder, der Gemeinden
und Gemeindeverbände sowie der sonstigen Körperschaften, An-
stalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, einschließlich der Ver-
mögensverwaltung und -verbuchung, der Wirtschaftsführung der Be-
triebe der öffentlichen Hand, der Rechnungslegung und -entlastung
sowie der Finanzkontrolle, das Finanzrecht i. e. S. nur die entspechen-
den Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder. Grundlegend ist
noch immer die Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922,
(RGBl. II 1923 S. 17) die gemäß Art. 123, 124 GG für den Bund als
Bundesrecht weitergilt. Sie gilt gemäß Art. 123 GG auch für die
Länder, allerdings als Landesrecht; ihre Vorschriften stehen insofern
134 Rechtszroeige

zur Disposition der Landesgesetzgeber. Das Reichsgesetz vom 17. 6.


1936 (RGBI. 11 S. 209), das die Reichshaushaltsordnung für die
Länder als verbindlich erklärte, ist durch die Neuordnung der staats-
rechtlichen Verhältnisse gegenstandslos geworden (vg!. Art. 109 GG).
Die Anwendung der Reichshaushaltsordnung wird durch die Länder
in den jeweiligen Haushaltsgesetzen z. T. ausdrüddich angeordnet,
z. T. vorausgesetzt (z. B. § 10 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes 1950 für
Nordrhein-Westfalen - GVBl.NW 1950 S. 140), falls nichts gesagt
ist, wird die Reichshaushaltsordnung in der jeweiligen Bundesfas-
sung angewendet (vgl. ViaIon, Haushaltsrecht, 2. Auf!., 1959, Verlag
Franz Vahlen, Berlin-Frankfurt a. M., S. 1117, der diese Handhabung
als "rechtlich zweifelhaft", aber .. praktisch" [I] bezeichnet). Als Aus-
führungsvorschrift bedeutsam sind die Reichswirtschaftsbestimmun-
gen von 1929. Das Finanzrecht der Gemeinden und Gemeindever-
bände ist im .. Kommunalrecht" geregelt und zweckmäßig auch dort
zu behandeln. Zum Finanzrecht des Bundes und der Länder gehört
auch das "Redtt der Finanzkontrolle" (Verfassungsvorschriften und
Gesetze über den Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe der
Länder). Die Tätigkeit der Rechnungshöfe ist nicht Ausübung einer
.. vierten oder fünften Gewalt" im Sinne der Gewaltenteilungslehre,
sondern Exekutive (Verwaltung im ministerialfreien Raum).
2. Finanzausgleich
Der vertikale Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist im
Artikel 106 GG in seiner durch das Finanzverfassungsgesetz vom
23.12.1955 und das Änderungsgesetz vom 24. 12. 1956 geänderten
Fassung, der horizontale Finanzausgleich innerhalb der Länder im
Art. 107 GG in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom
23. 12. 1955 enthalten.
Der Finanzausgleich zwischen dem einzelnen Lande und seinen
Gemeinden und Gemeindeverbänden erfolgt durch die Landesgesetz-
gebung.
3. Finanzverfassung
Das Problem der Finanzverfassung umfaßt die aus den erwähnten
Vorschriften im Zusammenhang mit anderen finanzrechtlichen Vor-
schriften des Grundgesetzes (Art. 108 ff.) erwachsenden Fragen,
darunter auch die Verwaltung der Bundessteuern durch die Landes-
finanzbehörden.
4. Steuerrecht
Das formelle und das materielle Steuerrecht gehört zu den Rechts-
gebieten, die selbst für den Kundigen kaum noch zu überschauen
sind. Die kürzliche Feststellung des Vorsitzenden des Bundes der
öffentliches Recht 135

Steuerbeamten, ein Steuerbeamter habe sich mit 6215 Paragraphen


in 40 Gesetzen, 67 Rechtsverordnungen und 72 Verwaltungsverord-
nungen zu befassen, ergreift nur ein Teilgebiet.
Grundlegend für das formelle Steuerrecht sind noch immer die
Reichsabgabenordnung von 1919, das Steueranpassungsgesetz von
1934, das Steuersäumnisgesetz von 1934 und das Reichsbewertungs-
gesetz von 1934, alle mehrfach geändert, die in der jeweiligen Bun-
desfassung (bedenklich 1 vgl. oben Reichshaushaltsordnung) auch bei
öffentlich-rechtlichen Abgaben, die der Gesetzgebung der Länder
unterliegen, angewendet werden. Ferner die Kommunalabgaben-
gesetze der Länder (Bayern: 20. 7. 1938, Rheinland-Pfalz: 8. 11. 1954,
preuß. Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893).
Das materielle Steuerrecht ist in unzähligen Einzelgesetzen und Vor-
schriften geregelt (z. B. das Einkommensteuerremt in der jeweils
geltenden Jahresfassung [I] des Einkommensteuergesetzes). Durm
die Unübersimtlichkeit und die ständigen Änderungen wird die
wissenschaftlime Behandlung dieses Remtsgebiets außerordentlich
erschwert. Allein zum § 7c EStG existiert eine sehr umfangreiche
Literatur und zwar nicht nur in Aufsatzform, sondern sogar in der
Form spezieller Kommentare.
Im Gegensatz zum Gemeindefinanzrecht wird das "Gemeindesteuer-
recht" rimtigerweise im Rahmen des allgemeinen Steuerrechts mit-
behandelt.

XIII. Remt der auswärtigen Verwaltung


Die "auswärtigen Angelegenheiten" gehören nach Art. 73 Ziff. 1 GG
zur ausschließlimen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das vom
Auswärtigen Amt anzuwendende Recht ist überwiegend Völkerrecht
(Gewohnheitsrecht und Vertragsrecht) und Staatsrecht. Für die aus-
wärtige Verwaltung gelten - wie für alle Bundesverwaltungen - die
Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts. Zum besonderen Ver-
waltungsrecht der auswärtigen Verwaltung gehört das Konsulargesetz
vom 8. 11. 1867, geändert durm Gesetz vom 16. 12. 1950, ferner das
Gesetz zur Vereinfamung des Beurkundungs- und Beglaubigungsver-
fahrens vom 14. 5.1936. Das Recht des auswärtigen Dienstes gehört
rechtssystematism zum "Recht des öffentlichen Dienstes".

XIV. Remt der Wehrpflimt und Landesverteidigung


Nach Art. 73 Ziff. 1 GG in der Fassung des Ergänzungsgesetzes vom
26. 3. 1954 (BGBl I S. 45) hat der Bund die aussmließliche Regelungs-
befugnis für das Remt der Verteidigung einsml. der Wehrpflicht und
des Schutzes der Zivilbevölkerung. Die allgemeine Wehrpflimt wurde
136 Remtszroeige

durch das Wehrpflichtgesetz vom 21. 7. 1956 eingeführt. Die Rechts-


stellung der Soldaten ist im Soldatengesetz vom 19. 3. 1956 geregelt.
Für Klagen aus dem Wehrdienstverhältnis und Rechtsstreitigkeiten aus
der Ausführung des Wehrpflichtgesetzes ist der Verwaltungsrechtsweg
zuständig (§ 59 Soldatengesetz, § 32 Wehrpflichtgesetz). Die Bundes-
wehrverwaltung wird nach Art. 87b GG, eingefügt durch das Ergän-
zungsgesetz vom 19. 3. 1956, als bundeseigene Verwaltung mit eigenem
Verwaltungsunterbau geführt. Sie untersteht dem Bundesminister für
Verteidigung, der nach Art. 65a GG, eingefügt durch Ges. vom 19.3.
1956, auch die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte hat.
Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls- und
Kommandogewalt auf den Bundeskanzler über. Die Feststellung, daß
der Verteidigungsfall eingetreten ist, trifft nach Art. 59a GG der Bun-
destag, sie wird durch den Bundespräsidenten verkündet. Der Absatz 2
des Art. 59a GG regelt die Feststellung des Verteidigungsfalles bei
Behinderung des Bundestages. Ein Friedensschluß erfolgt nach Art. 59a
Abs. 4 GG durch Bundesgesetz.
Das Recht der Wehrpflicht und Landesverteidigung ist teils Staatsrecht,
teils besonderes Verwaltungsrecht.
Zum Verwaltungsrecht der Landesverteidigung gehören auch das Ge-
setz über die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung von 1957
und das Bundesleistungsgesetz von 1956.

11. Kapitel

Justizrecht
A. Strafrecht
I. Begriff und Wesen; Quellen
1. Grundlagen
Das Strafrecht bezweckt die Erhaltung der Ordnung in den öffent-
lichen Verbänden, besonders im Staat, und den Schutz der für jene
Ordnung wesentlichen Rechtsgüter der Gesamtheit wie des einzelnen
durch das besondere Mittel der "Strafe" als schärfster Reaktion
gegen Rechtsbrüche. Die Strafe trifft jedoch nicht den Rechtsbruch,
sondern den Rechtsbrecher, der durch bestimmtes Verhalten mit be-
stimmtem Erfolg die Rechtsordnung verletzt hat. Das (objektive)
Strafrecht bestimmt die Voraussetzungen (Verbrechen) und den Inhalt
(Strafe) der staatlichen (subjektiven) Strafbefugnis. Es bestimmt und
begrenzt den strafrechtserheblichen äußeren Bruch der Rechtsord-
nung durch zurechenbares menschliches Verhalten. Es stellt daher
]ustizrecht 137

ein System einzelner, festumrissener Deliktstypen auf und schließt


Gewohnheitsrecht, Analogie und schon ausdehnende Auslegung zur
Begründung der Strafbarkeit menschlichen Verhaltens aus. Die Straf-
reChtssätze haben normierende und gewährleistende Funktion; sie
stellen Entscheidungsnormen für die Organe der StrafreChtspflege,
Verhaltensnormen für die Bürger auf. Sie gewährleisten dem Staat
und dem Bürger den Schutz bestimmter öffentlicher und privater
Interessen, bilden aber auch für den Verbrecher die magna Charta
des Rechtsstaates: Nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege.
2. Wesen der Strafe
Wer straft? Nur der Staat; denn Bestrafung ist im Gegensatz zur
Privatbuße ein Hoheitsakt.
Warum wird gestraft? Man unterscheidet absolute, philosophisch
begründete und relative, erfahrungsmäßig begründete Strafrechts-
theorien. Doch lassen sich beide Arten miteinander vereinbaren und
verbinden. Absolute oder Vergeltungstheorien: Quia peccatum est
(weil gefehlt worden ist). Dahin gehören die Theorien der göttlichen
Vergeltung, der Talion, der logischen Negation des Verbrechens.
Relative oder AbsChreckungstheorien: Ne peccetur (damit nicht ge-
fehlt werde). So die Theorien der General- und Spezialprävention,
der Sicherung, der Besserung.
Wofür wird gestraft? Für bestimmtes objektives, äußeres Verhalten
des Menschen, nicht für subjektives, inneres Verhalten wie Charak-
ter, Gesinnung; doch kann diese bei der Strafzumessung eine Rolle
spielen.
Wer wird gestraft? Der zurechnungsfähige EinzelmensCh. Societas
delinquere non potest: Eine Gemeinschaft kann keine strafbare
Handlung begehen. Doch kennt das SteuerstrafreCht und das kanoni-
sche Strafrecht, allerneuestens auch das Völkerrecht, Ausnahmen.
Worin besteht die Strafe? In der Zufügung eines übels. Den Gegen-
satz bilden: SChadenausgleichung, UnsChädlichmachung, sichernde
Maßnahme, Zwangsgeld, Konventional"strafe".
3. StrafrechtsqueIIen
Reichsstrafgesetzbuch 1871 nebst Novellen und Strafnebengesetzen,
z. B. JugendgeriChtsgesetz. LandesreChtliChe Strafnebengesetze. Lan-
desrecht ist - auch heute noch - ausgeschlossen, soweit im Reichs-
strafgesetzbuch dieselbe "Materie" erkennbar erschöpfend- oder mit
solcher Tendenz geregelt ist. Das kanonische (katholisch-kirchliche)
Strafrecht des codex iuris canonici (Buch V) ist ohne bürgerliche
Wirkung.
Die seit Jahrzehnten schwebende Strafrechtsform ist immer noch
nicht abgeschlossen.
138 Rechtszroeige

11. Allgemeine Lehren


Die Strafremtsnormen bestimmen einerseits die Strafvoraussetzungen
(Tatbestand), anderseits die Strafwirkung (Strafdrohung). Das Straf-
remt umfaßt demgemäß die Lehre vom Verbremen und die Lehre von
der Strafe.
1. Lehre vom Verbremen
Verbremen i. w. S. ist jedes tatbestandsmäßige, rechtswidrige, smuld-
hafte Verhalten. Die Verbrechen i. w. S. zerfallen in Verbrechen i. e. S.,
Vergehen und übertretungen; maßgebend ist die Strafdrohung.
a) Verhalten
aal Tun. Tatbestand: Willensbetätigung (bewußt gewolltes kör-
perlimes Verhalten) mit Erfolg (Veränderung in der Außen-
welt) in ursämlimem Zusammenhang.
bb) Unterlassen: Echtes Unterlassungs delikt, wenn ein Handeln
gesetzlim geboten war; unemtes Unterlassungs delikt, wenn
das Handeln gesetzlich verboten ist.
b) Tatbestandsmäßigkeit, d. h. das Verhalten ist unter einen gesetz-
lim bestimmt formulierten Tatbestand ohne ausdehnende Aus-
legung oder Analogie subsumierbar.
c) Rechtsroidrigkeit, d. h. remtlich unerlaubt; Unterlassen nur dann,
wenn Remtspflicht zum Handeln bestand.
d) Verschulden: Innerer, seelischer Tatbestand. Grundsätzlim besteht
Smuld-, ni mt Erfolgshaftung. Versmulden setzt Zuremnungs-
fähigkeit und Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus.
aal Zuremnungsfähigkeit: Fähigkeit freier Bestimmung des Wil-
lens. Gegensatz: Zuremnungsunfähigkeit (keine Bestrafung)
und geminderte Zurechnungsfähigkeit (geringere Strafzumes-
sung). Zuremnungsunfähig sind: Kinder, Geistesgestörte, Be-
wußtlose, relativ: Jugendlime und Taubstumme.
bb) Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Vorsatz ist nam der Willens-
theorie das Wissen der Tatumstände, verbunden mit Ein-
willigung der Verwirklimung; nach der Vorstellungstheorie
die Kenntnis der Tatumstände und die Voraussimt des Er-
folges. Bedeutung des Irrtums: Tatsachenirrtum ist beamtIim,
Re&tsirrtum grundsätzlim nicht.
Fahrlässigkeit: Der Täter hätte den voraussehbaren Erfolg
bei gehöriger Aufmerksamkeit vermeiden können.
d) Strafausschließungsgründe
Unremtsausschließungsgründe (Remtfertigungsgründe) sind Not-
wehr, Selbsthilfe, Zümtigungsrecht, Amtsgewalt, behördlime Er-
laubnis, möglimerweise Einwilligung.
Justizrernt 139

Schuldausschließungsgrund (Entschuldigungsgrund) ist Notstand.


Persönliche Strafausschließungsgründe sind Abgeordnetenmandat,
Verwandtschaft und Ehe, Notwehrexzeß, Exterritorialität.
Strafaufhebungsgründe sind Verjährung, Begnadigung, bedingte
Strafaussetzung, bedingter Straferlaß, Rehabilitation, tätige Reue.
e) Strafausdehnungsgründe
aal Versuch ist teilweise Verwirklichung des Tatbestandes, mehr
als Vorbereitung, weniger als Vollendung.
bb) Teilnahme ist bewußte Mitwirkung. Arten: Mittäterschaft
(wenn aktiv unbewußt: Mehrtäterschaft; wenn passiv unbe-
wußt: Mittelbare Täterschaft), Anstiftung zu einem begange-
nen Verbrechen i. w. S., Beihilfe zu einem begangenen Ver-
brechen i. e. S. oder zu einem Vergehen.
f) Verbrechenseinheit und -mehrheit
aal Mehrheit - Realkonkurrenz -: mehrere Handlungen, mehrere
Tatbestände, ein Urteil, eine Gesamt-Strafe.
bb) Einheit - Idealkonkurrenz - (eine Handlung, mehrere gleich-
wertige Tatbestände); Gesetzeskonkurrenz (eine Handlung,
mehrere ungleichwertige Tatbestände); fortgesetztes Verbre-
chen [eine Handlung, ein Tatbestand kraft objektiver Zusam-
menfassung); Gesamtverbrechen [eine Handlung, ein Tatbe-
stand kraft subjektiver Zusammenfassung).
2. Lehre von der Strafe
a) Strafarten: Strafen am Leben [Todesstrafe, im Gebiet der Bun-
desrepublik abgeschafft durch GG Art. 102), an der Freiheit
[Zuchthaus, Gefängnis, Haft), am Vermögen [Geldstrafe, Verfall-
erklärung), an der Ehre [Aberkennung der bürgerlichen Ehren-
rechte) ;
Hauptstrafen sind selbständig verhängbar, Nebenstrafen nur zu-
sätzlich [akzessorisch). Erziehungsmaßnahmen und Buße sind
keine Strafen.
b) Straffestsetzung: Man unterscheidet: Strafzumessung [bei Be-
messung innerhalb des Rahmens spielen Strafschärfungs- und
Strafmilderungsgründe eine Rolle); Strafänderung (Änderung des
Strafrahmens wegen Vorliegens von Straferhöhungs- und Straf-
minderungsgründen) ; Strafumwandlung [z. B. von Geld- in Frei-
heitsstrafe und umgekehrt); Strafanrechnung [z. B. der Unter-
suchungshaft).
140 Rechtszroeige

III. Die einzelnen Straftatbestände


1. Gegen den Staat
a) Gegen den Bestand des Staates ("politische Verbrechen"),
aal Gegen den eigenen Staat, gegen seinen Bestand (Hoch- und
Landesverrat) oder seine Staatsform (Republikschutz).
bb) Gegen Bestand, Hoheitszeichen, Staatshaupt, Gesandte "be-
freundeter" Staaten.
b) Gegen die Organe der Staatsgewalt
aal Parlament: Delikte gegen Wahl- und Stimmrechtsvorschriften.
bb) Verwaltungs- und Justizbehörden: Ungehorsam (Aufwiege-
lung, Auflauf), Widersetzlichkeit (Widerstand, Nötigung, Auf-
ruhr, Meuterei, Gefangenenbefreiung); Mißachtung (Amtsan-
maßung, Arrestbruch).
c) Gegen die Funktionen der Staatsgewalt.
aal Verwaltung: öffentliche Ordnung (Grober Unfug, unterlas-
sene Nothilfe, Bettelei und Landstreichereil. Vereins- und
Versammlungswesen (Geheimbündelei, staatsfeindliche Ver-
bindungen, Sprengung von Versammlungen), Pressewesen
(Pressedelikte ), Finanzwesen (Steuerstrafrecht).
bb) Rechtspflege: Meineid und Falscheid, falsche Anschuldigung,
Nichtanzeige, Begünstigung.
cc) öffentlicher Dienst: Verbrechen und Vergehen im Amt,
eigentliche und uneigentliche "Beamtendelikte".
2. Gegen die GesellsChaft
a) Gegen Religion, Religionsgesellschaften, Totenruhe und Gräber-
frieden.
b) Gegen die Sittlichkeit.
Ehebetrug, Ehebruch, Bigamie; verbotener Geschlechtsverkehr und
Unzucht; Kuppelei, Zuhälterei; unzüchtige Schriften;
c) Gegen den äußeren Frieden im Staat. Haus- und Landfriedens-
bruch, Landzwang, bewaffneter Haufe, Aufreizung zum Klassen-
kampf, Kanzelmißbrauch.
d) Gegen die Sicherheit im geschäftlichen Verkehr. Münz- und Geld-
delikte, Urkundendelikte, Warenfälschung.
e) Gemeingefährliche Verbrechen, Brandstiftung, Sprengstoffdelikte,
Oberschwemmung, Transportgefährdung usw.
3. Gegen Rechtsgüter des einzelnen
a) Gegen die Person
aal Leben: Mord und Tötung, Abtreibung.
]ustizrecht 141

bb) Körper: Körperverletzung, Vergiftung, Aussetzung, Zwei-


kampf [dazu gehört nicht die studentische Mensur), Rauf-
handel.
ce) Freiheit: Nötigung, Bedrohung, Freiheitsberaubung, Men-
schen-, Sklaven-, Kinder-, Frauenraub.
dd) Ehre: Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Kreditge-
fährdung, Beschimpfung Verstorbener.
b) Gegen das Vermögen.
aal In Betracht kommen Delikte an Sachen, z. B. Diebstahl, Unter-
schlagung, Raub, Beschädigung.
bb) an Rechten, d. h. gegen Aneignungs-, Urheber- und Erfinder-,
Forderungsrechte, Privatgeheimnisse.
ce) am Vermögen schlechthin: Betrug, Erpressung, Ausbeutung,
Wucher, Hehlerei, Partiererei, Untreue usw.

IV. Methoden
1. Die juristisch-dogmatische Methode ist grundlegend, doch wird sie
beim Strafrecht durch dessen erwähnte Haupteigenart der Notwen-
digkeit festumgrenzter Tatbestände dahin modifiziert, daß die
Verwendung von ausdehnender Auslegung, Analogie und Gewohn-
heitsrecht zur Begründung von Strafbarkeit ausgeschlossen ist.
2. Auch die dynamische Methode spielt im Strafrecht eine große Rolle;
sie besteht hier in der Berücksichtigung
a) einerseits der inneren [psychologischen und psychopathischen)
und äußeren [sozialen und wirtschaftlichen) Beweggründe des
Täters für sein Verhalten.
b) anderseits der kriminalpolitischen Gesichtspunkte bei der Aus-
legung und Anwendung des bestehenden Strafrechts und bei der
Gestaltung neuen Strafrechts.
3. Endlich wirken sich die verschiedenen Strafrechtstheorien über ihre
erkenntnistheoretische Bedeutung hinaus auch praktisch bei der
Strafrechtsanwendung und bei der Strafgesetzgebung aus.

B. Strafprozeß
I. Begriff und Quellen
1. Unter Strafprozeß versteht man das rechtlich geordnete gerichtliche
Verfahren zur Festsetzung der Strafe für ein nach den Strafgesetzen
strafbares menschliches Verhalten. Anders als im Zivilrecht schließt
142 Rechtszroeige
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sich im Strafrecht grundsätzlich an jede Tat, sofern der Täter gefaßt
wird, der Prozeß an. Auf die gerichtliche Straffestsetzung folgt die
administrative Strafvollstreckung. Anders als im Zivilprozeß bildet
nach dem Erkenntnisverfahren das Vollstreckungsverfahren den
grundsätzlich notwendig eintretenden zweiten Teil der Strafjustiz.
Das Strafprozeßrecht umfaßt im weiteren Sinne auch das Vollzugs-,
im engeren Sinne nur das Erkenntnisverfahren.
2. Remtlime Regelung
a) Das Erkenntnisverfahren regelt die Strafprozeßordnung (StPO).
Eine Ergänzung zur StPO bildet das Jugendgerichtsgesetz.
b) Der Strafvollzug richtet sich nach einigen reichsrechtlichen Rechts-
und Verwaltungsvorschriften, im übrigen noch weitgehend nach
bisherigem Landesrecht und neuem Länderrecht.

11. Strafbehörden
1. Die Strafgerimte sind durchweg staatlich; sie gliedern sich in ordent-
liche, besondere und Ausnahmegerichte. Unter "Gericht" wird ver-
waltungsmäßig die Gerichtsbehörde, rechtspflegemäßig der dort ge-
bildete Spruchkörper - Kollegium oder Einzelrichter - verstanden.
Die Kollegien bestehen entweder ganz aus Berufsrichtern oder ge-
mischt aus Berufs- und Laienrichtern. Der Einzelrichter ist stets
Berufsrichter.
a) Ordentlime Gerimte waren in Deutschland bisher Amts-, Land-,
Oberlandesgerichte und das Reichsgericht; dazu traten als oberste
Landesgerichte in Preußen das Kammergericht, in Bayern das
Oberste Landesgericht. Das Reichsgericht in Leipzig bestand von
1877 bis 1945 als reichs eigene Revisionsinstanz. Amts-, Land-
und Oberlandesgerichte waren erst durch die Justizreform des
Dritten Reiches Reichseinrichtungen geworden; sie wurden seit
dem Zusammenbruch nach vorübergehender Stillegung als Län-
dereinrichtungen erneuert. Am 8. 10. 1950 wurde der an die Stelle
des früheren Reichsgerichts getretene Bundesgerichtshof (BGH)
in Karlsruhe eröffnet.
Spruchkörper sind:
aal beim Amtsgericht der Amtsrichter allein oder das aus Amts-
richter und Schöffen zusammengesetzte Schöffengericht. (Das
Institut der Schöffen war im Dritten Reich beseitigt.)
bb) beim Landgericht, abgesehen vom Untersuchungsrichter - die
beschließende Strafkammer, die erkennende Strafkammer
(diese anfänglich und im Dritten Reich ohne Schöffen; in der
Weimarer Republik und jetzt wieder mit Schöffen), sowie
]ustizrecJlt 143

das Schwurgericht. Bei letzterem bestand vor 1924 eine Tei-


lung in Richterbank und Geschworenenbank. Durch die Re-
form von 1924 wurden beide Bänke vereinigt, erhielten also
die Schwurgerichte den Charakter von großen Schöffenge-
richten. In dieser Gestalt besteht das während des Dritten
Reichs abgeschaffte Schwurgericht wieder.
ce) beim Oberlandesgericht die Strafsenate, nur mit Berufsrich-
tern besetzt.
dd) beim vormaligen Reichsgericht bestanden die Strafsenate
gleichfalls nur aus Berufsrichtern, ebenso heute beim BGH.
b) Besondere Strafgerim.te waren im Kaiserreich und in der Reichs-
republik entweder reichsrechtlich bestellt oder reichsrechtlich zu-
gelassen. Besondere Strafgerichte der ersteren Gruppe waren die
Konsulargerichte, die Militärgerichte und vor allem die Jugend-
gerichte. Besondere Strafgerichte der zweiten Gruppe waren
namentlich die von den Ländern bestellten Strompolizeigerichte.
Die im Dritten Reich geschaffenen "Sondergerichte" bei den
Landgerichten, sowie der sogenannte "Volksgerichtshof" waren
Ausnahmegerichte (wenn überhaupt echte Gerichte). Nach dem
Bonner GG Art. 101 sind Ausnahmegerichte verboten.
e) Ausnahmegerim.te, d. h. solche Strafgerichte, deren Einrichtung
oder Zuständigkeit erst nach einer begangenen Straftat begründet
wird, gab es vor dem "Dritten Reich" in höchst seltenen Aus-
nahmefällen; ihre Wirksamkeit ist nach rechts staatlicher Justiz-
auffassung nicht zu rechtfertigen.
2. Das Institut der Staatsanroaltsm.aft ist französischen Ursprungs. In
Deutschland bildete und bildet die Staatsanwaltschaft eine Justiz-
behörde, die den Gerichten angegliedert, aber nicht mit richterlicher
Unabhängigkeit ausgestattet ist, sondern den Weisungen der vor-
gesetzten Stellen, zuhöchst des }ustizministers, Folge zu leisten hat.
Die Staatsanwaltschaft dient den ZweCken der Strafverfolgung und
der StrafvollstreCkung, beides mit Unterstützung durch die Kriminal-
polizei. Früher galt ausnahmslos, heute gilt nur noch grundsätzlich
das Legalitätsprinzip, wonach die Staatsanwaltschaft nach einer
strafbaren Handlung tätig zu werden verpflichtet ist; den Gegensatz
bildet das Opportunitätsprinzip.
Die Reichsanwaltschaft beim Reichsgericht unterstand dem Ober-
reichsanwalt. Weiterhin leitet die Staatsanwaltschaft bei den Ober-
landesgerichten der Generalstaatsanwalt, bei den Landgerichten der
Oberstaatsanwalt, bei den Amtsgerichten der Erste Amtsanwalt.
Anhangsweise sei darauf hingewiesen, daß zwar den Strafgerichten
144 Rechtszroeige

prinzipiell das Justizmonopol zusteht, die Gesetzgebung aber in


weitem Ausmaß auch Verwaltungsbehörden entweder eine Beteili-
gung an der Strafverfolgung oder ein selbständiges Straffestset-
zungsrecht zuerkannt hat.
Beispiele: Polizeistrafrecht, Finanzstrafrecht, Verkehrsstrafrecht,
Wirtschaftsstrafrecht, hier besonders Ordnungsstrafrecht.

111. Strafverfahren
1. Verfahrensgrundsätze
a) Offizialbetrieb, d. h. Strafverfolgung von Amts wegen;
Ausnahmen: Antragsdelikte, Privatklage.
b) Akkusatorische Form, d. h. Zweiparteiensystem: einerseits der
Staatsanwalt als öffentlicher Ankläger, anderseits der Beschul-
digte (Angeschuldigte, Angeklagte) nebst seinem notwendigen
oder fakultativen Verteidiger.
c) Inquisitionsprinzip, d. h. es wird von Amts wegen die materielle
Wahrheit erforscht.
d) Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch das erkennende
Gericht unter Ausschluß gesetzlicher Beweistheorien.
e) Für die Hauptverhandlung gilt öffentlichkeit, Mündlichkeit, Un-
mitelbarkeit und Konzentration.
2. Gang des ordentlichen Verfahrens
a) Das Ermittlungsverfahren gegen den "Beschuldigten" führt die
Staatsanwaltschaft mit Hilfe der Polizei, nötigenfalls des Rich-
ters. Sondermaßnahmen dabei sind Beschlagnahme und Durch-
suchung, vorläufige Festnahme und Verhaftung, letztere nur auf-
grund schriftlichen richterlichen Haftbefehls. Das Ermittlungsver-
fahren endet mit formloser Einstellung oder Erhebung der öffent-
lichen Klage, letzteres durch Antrag entweder auf Hauptverfahren
(c) oder auf Voruntersuchung (b).
b) Die gerichtliche Voruntersuchung gegen den "Angeschuldigten"
durch den Untersuchungsrichter ist teils obligatorisch, teils fakul-
tativ. Nach ihrem Abschluß beantragt die Staatsanwaltschaft ent-
weder Außerverfolgungsetzen oder vorläufige Einstellung oder
Hauptverfahren. über diesen Antrag beschließt die Strafkammer.
c) Das Hauptverfahren gegen den "Angeklagten" gipfelt in der
Hauptverhandlung, deren Inhalt genau vorgeschrieben ist.
Ergebnis: Formalurteil (Einstellung) oder Sachurteil (Verurteilung
oder Freisprechung). Das Strafurteil wirkt deklaratorisch bezüg-
lich der Tat, konstitutiv bezüglich der Strafe, imperativ bezüglich
der Vollstred<ung.
Justizrecht 145

d) Rechtsmittelverfahren
aal Ordentliche Rechtsmittel sind:
Berufung (gegen Urteile; Nachprüfung de facto und de jure,
d. h. Nachprüfung des festgestellten Sachverhaltes und des
angewendeten Rechtes.
Revision (gegen Urteile; Nachprüfung de jure, d. h. Nachprü-
fung der angewendeten Rechtsvorschrift auf den als bindend
festgestellten Sachverhalt.
Beschwerde (gegen andere Entscheidungen).
bb) Außerordentliches Rechtsmittel ist ausnahmsweise die "Wie-
deraufnahme" eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlos-
senen Verfahrens.
3. Besondere Verfahrensarten
a) Eine Beteiligung des Verletzten kann stattfinden durch
aal Privatklage (statt der öffentlichen Klage) bei Antragsdelikten,
wie Beleidigung, Körperverletzung usw.,
bb) Nebenklage (neben der öffentlichen Klage) in denselben
Fällen,
cc) Bußklage bei übler Nachrede, Verleumdung, Körperverlet-
zung, unlauterem Wettbewerb.
b) Summarische Verfahren: Sofortige Hauptverhandlung vor Amts-
richter oder Schöffengericht; amtsrichterlicher Strafbefehl; Ver-
fahren gegen Abwesende.
c) Jugendgerichtsverfahren mit Milderungen und Vereinfachungen.
d) Militärstrafverfahren unter Anpassung an die Bedürfnisse der
militärischen Disziplin.
IV. Strafvollzug
Grundlage: Rechtskräftiges und vollstreckbares strafgerichtliches Urteil.
1. Organe:
a) Staatsanwaltschaft.
b) Strafanstaltsbehörden.
2. Verfahren:
a) Die Todesstrafe wurde vollstreckt durch intramurane (nicht öffent-
liche) Enthauptung, nicht an Schwangeren und Geisteskranken,
im "Dritten Reich" vielfach durch Erhängen. Nach GG Art 102 ist
die Todesstrafe abgeschafft.
b) Freiheitsstrafen: Einzelvorschriften im StGB, im übrigen landes-
rechtliche Regelung; gemeinsame Grundsätze z. B. über Unter-
bringung, Behandlung, Verhalten, Disziplin, Beschwerde, Beur-
laubung, Entlassung usw.
c) Geldstrafen. Vollstreckung gemäß der Zivilprozeßordnung.

10 Giese, Remt
146 Rechtszroeige

C. Zivilprozeß
I. Begriff und Quellen
1. Wesen
Zivilprozeß ist das rechtlich geordnete gerichtliche Verfahren zur
Prüfung, Feststellung und Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche.
Die Geltendmachung solcher Ansprüche erfolgte einstmals vielfach
mittels Selbsthilfe, heute grundsätzlich mittels Staatshilfe. Diese tritt
nur auf Anrufung ein, wirkt dann aber obrigkeitlich. Auch die Zivil-
justiz ist ein Hoheitsrecht des Staates. Doch nimmt der Staat die
Stellung eines unparteiischen Dritten ein. Das Staatsinteresse besteht
nicht am einzelnen Prozeß, sondern am Dasein und Wirken der
ganzen Ziviljustiz. Deshalb und wegen des obrigkeitlichen Charak-
ters ist der Zivilprozeß eine Einrichtung des öffentlichen Rechtes.
2. Gliederung
Das Zivilprozeßrecht regelt Einrichtung (Verfassung und Wirksam-
keit [Verfahren] der Zivilgerichte, Beziehungen zwischen Gericht und
Parteien, sowie Beziehungen der Parteien untereinander und zu
Dritten ["Prozeßverhältnis"]l. Das gerichtliche Verfahren gliedert sich
in Erkenntnis- und Vollzugsverfahren; letzteres tritt nur bei Nicht-
erfüllung des Urteils ein. Neben der Einzelvollstred<ung steht die
Gesamtvollstred<ung, das Konkursverfahren.
3. Regelung
Grundlegende Gesetze: Gerichtsverfassungsgesetz, Zivilprozeßord-
nung, Zwangsversteigerungsgesetz, Konkursordnung.

11. GeridItsverfas8ung
1. Allgemeines
Die Tätigkeit der Zivilgerichte gründet sich nicht auf die Verein-
barung der Parteien (Schiedsgerichtsbarkeit), sondern auf die Autori-
tät des Staates (echte Gerichtsbarkeit). Die Zivilgerichte sind nicht
kommunale (vereinzelte Ausnahmen), kirchliche (GVG § 15 III) oder
gar private (GVG § 15 11), sondern staatliche Stellen (GVG § 15 I).
Sie zerfallen in ordentliche und besondere Gerichte. Unter Gericht
wird einerseits die Justizbehörde, anderseits der Spruchkörper (Kol-
legium oder Einzelrichter) verstanden. Die Einzelrichter sind stets,
die Mitglieder von Kollegien überwiegend Berufsrichter; eine Aus-
nahme bilden besonders die Handelsrichter und die Beisitzer der
Arbeitsgerichte.
2. Die ordentlichen Zivilgerichte
Zivilgerichte waren früher Amts-, Land-, Oberlandesgerichte und
das Reichsgericht; letzteres besteht seit 1945 nicht mehr. Das GG
Justizrecht 147

sieht zur Wahrung der Rechtseinheit ein Oberstes Bundesgericht vor


(Art. 95). Eine Änderung des Art. 95 dahingehend, daß an die Stelle
des OBG ein gemeinsamer Senat der oberen Bundesgerichte treten
soll, ist beabsichtigt.
Spruchkörper sind:
a) beim Amtsgericht: der Amtsrichter als Einzelrichter;
b) beim Landgericht: die Zivilkammern in der Besetzung mit drei
Richtern als 1. oder 2. Instanz, ferner die Kammern für Handels-
sachen mit Zuständigkeit für gewisse .. Handelssachen" in der
Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei Handelsrichtern;
e) beim Oberlandesgericht: die Zivilsenate in der Besetzung mit drei
Berufsrichtern.
d) Beim Reichsgericht bestanden gleichfalls Zivilsenate, besetzt mit
fünf Berufsrichtern. Eine Besonderheit war die Entscheidung der
Vereinigten Zivilsenate oder sämtlicher Senate (Plenum) zur Wah-
rung der Rechtseinheit. Entsprechende Einrichtungen bestehen
beim Bundesgerichtshof.
3. Besondere Zivilgerichte waren Konsulargerichte, Prisengerichte (im
Kriege), Stromgerichte (Rhein- und Elbschiffahrts-), süddeutsche Ge-
meindegerichte und vor allem Arbeitsgerichte. Letztere sind auch
heute wieder in Tätigkeit.
4. Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft bei Zivilsachen kommt für
Ehe-, Entmündigungs- und Kindschaftssachen in Betracht; weiter-
gehend bestand sie im .. Dritten Reich".
III. Erkenntnisverfahren
1. Die Parteien - Kläger und Beklagter - sind die Subjekte des Prozeß-
rechtsverhältnisses. Ihre Stellung entsteht mit Erhebung der Klage,
d. h. mit Zustellung der Klageschrift. Möglich ist eine Mehrzahl von
Parteien (Streitgenossenschaft) und eine Beteiligung Dritter am Pro-
zeß (Neben- und Hauptintervention, Streitverkündung).
a) Parteifähigkeit ist die Fähigkeit, zu klagen und verklagt zu wer-
den; sie entspricht der Rechtsfähigkeit, eignet daher allen natür-
lichen und juristischen Personen, passiv auch nichtrechtsfähigen
Vereinen.
b) Prozeßfähigkeit ist die Fähigkeit, selbst oder durch Vertreter
prozeßrechtserheblich zu handeln; sie entspricht der Geschäfts-
fähigkeit, eignet daher jeder Person, die sich durch Verträge ver-
pflichten kann.
e) Verhandlungsfähigkeit besitzt, soweit Anwaltszwang besteht
(vom Landgericht aufwärts), nur der beim Gericht zugelassene
Anwalt, sonst jeder Prozeßfähige. Prozeßbevollmächtigter kann

10*
148 Rechtszroeige

im "Anwaltsprozeß" nur ein beim Gericht zugelassener Rechts-


anwalt (freier Beruf, jedoch gewisse Bindungen; Qualifikation
und Zulassung; Anwaltskammer), im "Parteiprozeß" jeder Pro-
zeßfähige sein.
2. Die Verfahrensgrundsätze beruhen auf den beiden Prinzipien des
rechtlichen Gehörs (audiatur et altera pars [auch der andere Teil
möge gehört werden]) und der rechtlichen Ordnung.
a) Verhandlungsmaxime: Die Parteien beschaffen den Prozeßstoff,
ihre Anträge bestimmen Inhalt und Umfang des Gerichtsschutzes,
ihre Behauptungen und Beweise die Grundlagen für die Entschei-
dung. Unbestrittene Behauptungen sind als wahr zu unterstellen:
Prinzip der formellen Wahrheit. Jedoch besteht richterliche Frage-
pflicht zwecks Aufklärung.
b) Parteibetrieb besteht noch grundsätzlich, ist aber seit 1924 erheb-
lich zurückgedrängt worden.
Parteibetrieb beläßt den Parteien die Herrschaft, wie über den
Beginn, so auch über den Fortgang des Prozesses.
Amtsbetrieb durch das Gericht bestand in früheren Zeiten und
besteht neuerdings wieder für das amtsgerichtliche Verfahren.
e) Besondere Grundsätze für die mündliche Verhandlung.
Mündlichkeit: Ausnahmen zugelassen, z. B. Entscheidung "nach
Lage der Akten". Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme; Aus-
nahme ist die Beweisaufnahme durch den vorbereitenden Einzel-
richter, den "beauftragten" oder den "ersuchten" Richter. öffent-
lichkeit besteht fast restlos für die Parteien (Ausnahme: Beratung
und Abstimmung), grundsätzlich auch für das Publikum (Aus-
nahme: "Ausschluß der Öffentlichkeit").
3. Das ordentliche Verfahren verläuft regelmäßig mit mündlicher Ver-
handlung und Urteil.
a) Erhebung der Klage. Das amtsgerichtliche Verfahren wird mit
dem Antrag auf "Güteverfahren" eingeleitet. Im übrigen beginnt
das Verfahren mit Erhebung der Klage durch Zustellung der
Klageschrift. Inhalt: Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
Gegenstand, Grund (Klagetatsachen) und Antrag; Ladung zum
richterlich zu bestimmenden Termin. Der Klageantrag kann auf
Verurteilung zu einer Leistung, auf Feststellung eines Rechtsver-
hältnisses oder auf Gestaltung eines Rechtsverhältnisses gerichtet
sein. Wirkung der Klageerhebung ist Rechtshängigkeit mit pro-
zessualischen (z. B. grundsätzliches Verbot der Klageänderung)
und materiellrechtlichen Folgen (z. B. Zinspflicht, Verjährungs-
unterbrechung).
]ustizrecht 149

b) Einlassung des Beklagten


aal Passives Verhalten rechtfertigt das Versäumnisverfahren mit
Versäumnisurteil; umgekehrt kann ein solches gegen den aus-
bleibenden Kläger ergehen.
bb) Aktives Verhalten gegenüber der Klage:
Ohne Einlassung zur Sache bestreitet der Beklagte das Vor-
liegen der Prozeßvoraussetzungen. Solche "prozeßhindernden
Einreden" sind z. B. die der Unzulässigkeit des Rechtsweges,
der Unzuständigkeit des Gerichts, der rechtskräftig entschie-
denen Sache.
Die Einlassung zur Sache kann in einem Abweisungsantrag
oder in einer Anerkenntnis bestehen. Beim Antrag auf Sach-
abweisung können vorgebracht werden:
Klageleugnung, d. h. Bestreiten der tatsächlichen Behauptun-
gen des Klägers;
Einreden i. w. S. (BGB: "Einwendungen"), d. i. Verneinung
der Wirksamkeit der vom Kläger behaupteten Tatsachen; in
Betracht kommen Einredetatsachen (z. B. Zahlung, Erlaß, Aus-
fall der Bedingung, Ablauf der Frist) oder Einrederechte (Ein-
reden i. S. des bürgerlichen Rechts) wie z. B. Verjährung.
Zurückbehaltung, Wandlung, Minderung. Rechtliche Gegen-
ausführungen unter Zugeben der Klagetatsachen.
Beim Anerkenntnis der Begründetheit des Anspruches des
Klägers (Gegenstand eines solchen "Anerkenntnisses" seitens
des Beklagten sind die Rechtsfolgen, nicht die Tatsachenl
kann der Kläger den Erlaß eines "Anerkenntnisurteils" bean-
tragen.
c) Die richterlichen Handhabungen bestehen in der Prozeßleitung,
in der Entgegennahme der Prozeßhandlungen der Parteien (Tat-
sachenbehauptungen, Angriffs- und Verteidigungsmittel, Anträge)
sowie der Beweisanträge der Parteien (Beweislastproblem; Be-
weismittel: Augenschein, Zeugen, Sachverständige, Urkunden,
Eid; Beweisanordnung mittels Beweisbeschlusses (früher "be-
dingten" Urteilsl, schließlich in der Entscheidung durch Urteil.
Man unterscheidet einerseits Versäumnis-, Anerkenntnis-, je nach
der Klage Ganz- (Ganzerledigung) oder Teil- (Teilerledigung),
End- oder Zwischen- (über Einzelfrage) Urteil; anderseits je nach
dem Klagebegehren Leistungs-, Feststellungs-, Gestaltungsurteil.
Ein Urteil besteht inhaltlich aus der Formel (Tenor), dem "Tat-
bestand" und den Entscheidungsgründen. Ein Urteil erlangt for-
melle Rechtskraft (kein Rechtsmittel mehr zulässig) und materielle
Rechtskraft (maßgebliche Feststellung des Rechtsverhältnisses).
150 Rechtszroeige

d) Die Rechtsmittel
aal Ordentliche Rechtsmittel sind Berufung, Revision, Be-
schwerde; diese Begriffe wie im Strafprozeß.
bb) Außerordentliches Rechtsmittel ist die Wiederaufnahme eines
rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens mittels Nichtigkeits-
oder Restitutionsklage.
4. Besondere Verfahrensarten
a) Der Vermeidung des ordentlichen Verfahrens dient das schieds-
gerichtliche Verfahren aufgrund privaten Schiedsvertrags durch
Schiedsrichter mittels Schiedsspruches.
b) Der beschleunigten summarischen Erledigung eines Rechtsstreites
dienen Urkunden- und Wechselprozeß sowie Mahnverfahren:
Zahlungsbefehl, dagegen Widerspruch; sonst Vollstreckungsbe-
fehl, dagegen Einspruch.
e) Der sofortigen Sicherung gefährdeter Ansprüche dienen Arrest
und einstweilige Verfügung.
d) Gegenständlich besondere Verfahrensarten sind Ehe-, Kind-
schafts- und Entmündigungssachen, ferner Aufgebotsverfahren
zwecks Todeserklärung, zwecks Ausschlusses von Rechten, zwecks
Kraftloserklärung von Urkunden.

IV. Vollstred<ung
Zwangsvollstreckung ist das auf Betreiben eines Gläubigers gegen
seinen Schuldner mit staatlicher Hilfe durchgeführte Zwangsverfahren
zur Befriedigung eines Anspruches oder zur Duldung einer Handlung.
1. Voraussetzungen sind materiell der Vollstreckungstitel- z. B. rechts-
kräftiges Leistungsurteil, Vollstreckungsbefehl im Mahnverfahren,
vollstreckbare Urkunde -, formell die Vollstreckungsklausel (voll-
streckbare Ausfertigung des Titels).
2. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen
a) in das bewegliche Vermögen: Pfändung von Mobilien durch den
Gerichtsvollzieher; Pfändung von Rechten durch gerichtlichen
Pfändungs- und Oberweisungsbeschluß.
b) in das unbewegliche Vermögen: durch das Amtsgericht mittels
Zwangsversteigerung (Eigentumsentziehung) oder Zwangsver-
waltung (Befriedigung aus den Erträgnissen) oder Zwangseintra-
gung (einer Sicherungshypothek).
3. Zwangsvollstreckung zwecks anderer Leistungen: Vollzug bei be-
stimmten oder vertretbaren Sachen durch Wegnahme und Ober-
]ustizrecht 151

eignung, in anderen Fällen durCh Ersatzvornahme, Beugezwang,


direkten Zwang.
4. Hilfsmittel der Zwangsvollstreckung sind riChterlich auferlegter
Offenbarungseid und richterliCh angeordnete Zivilhaft.
5. Remtsbehelfe gegenüber der Zwangsvollstred.<nng
a) für den Schuldner: Vollstreckungsgegenklage gegen den zu voll-
streckenden AnspruCh, Erinnerung gegen die Vollstreckungs-
klausel (vgl. § 732 ZPO), Erinnerung und gegebenenfalls so-
fortige Beschwerde gegen die Durchführung der Vollstreckung
(vgl. §§ 766 und 793 ZPO).
b) für Dritte: Erinnerung gegen ordnungswidriges Verfahren, Wider-
spruChsklage (Exekutionsintervention) gegen Eingriff in ReChte
Dritter. Anspruch eines Pfandgläubigers auf vorzugsweise Be-
friedigung aus dem Pfanderlös.

V. Konkurs
Beim KonkursreCht mischt siCh Verfahrensrecht mit materiellem ReCht.
1. Begriff
Konkurs ist das gesetzliCh geordnete geriChtliChe Verfahren zur
gleichmäßigen anteiligen Befriedigung einer Mehrheit von Gläubi-
gern eines zahlungsunfähigen oder überschuldeten (Gemein)-Schuld-
ners. Es dient hauptsächlich dem Schutz der Gläubiger vor ungleicher
Behandlung (par conditio creditorum [gleiche Bedingungen für alle
Gläubiger]). Das Konkursverfahren ist ein solches der streitigen,
nicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
2. Organe
a) Konkursgericht ist das Amtsgericht; es überwacht die Gesetz- und
Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens;
b) der Konkursverwalter, meist ein ReChtsanwalt oder Kaufmann,
wird vom Konkursgericht zur Abwicklung des Verfahrens bestellt;
c) die (obligatorische) Gläubigerversammlung nimmt die gemein-
schaftliChen Gläubigerinteressen wahr;
d) der (fakultative) Gläubigerausschuß unterstützt und überwacht
den Verwalter.
3. Konkursmasse
a) Die Aktivmasse umfaßt das gesamte pfändbare Vermögen, das
dem Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung gehört.
Es vermindert siCh 1.) durch Aussonderung fremden Eigentums,
2.) durCh abgesonderte Befriedigung der Pfand- und ähnlich be-
vorzugter Gläubiger aus den ihnen haftenden Gegenständen,
152 Rechtszroeige

3.) durch Aufrechnung, 4.) durch Masseverbindlichkeiten.


Es vermehrt sich durch erfolgreiche Konkursanfechtung seitens
des Verwalters.
Anhangsweise sei hier auf die Möglichkeit der Anfechtung von
Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb eines Konkurs-
verfahrens gemäß dem sogenannten "Anfechtungsgesetz" hin-
gewiesen.
b) Die Passiv masse bilden die Konkursforderungen, d. h. die klag-
baren obligatorischen Ansprüche der Gläubiger auf vermögens-
werte Gegenstände, insbesondere wiederkehrende Leistungen. Es
gibt fünf Klassen von aus sozialen oder fiskalischen Gründen
bevorrechtigten Konkursforderungen; im übrigen werden die For-
derungen anteilsweise und gleichmäßig aus der Masse befriedigt.
4. Konkursverfahren
a) Eröffnungsbeschluß des Konkursgerichts. Voraussetzung: Zah-
lungsunfähigkeit oder überschuldung. Wirkung: Die Verwaltung
und Verfügung sowie die Abwicklung schwebender Verträge und
Prozesse übernimmt der Konkursverwalter.
b) Durchführung des Verfahrens durch Liquidation der Aktivmasse,
Feststellung der Forderungen, Verteilung der Masse unter die
Gläubiger.
e) Beendigung des Verfahrens entweder durch "Einstellung" man-
gels Masse oder durch "Aufhebung" nach Durchführung des Ver-
fahrens oder zufolge "Zwangsvergleichs" - welcher unter Ver-
meidung der Liquidation dem Gemeinschuldner gewisse Vergün-
stigungen, den Gläubigern gewisse Vorteile bietet.
5. Vergleidzsverfahren
Der Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners, die
durch den Konkurs zerstört würde, dient seit 1916 ein besonderes
Verfahren, das als Vergleichsverfahren bezeichnet wird. Es tritt in
gewissen Fällen an die Stelle des Konkursverfahrens. Unter den im
Gesetz bestimmten Voraussetzungen findet eine überleitung des
Vergleichs- in das Konkursverfahren statt.

D. Freiwßlige Gerichtsbarkeit
J. Begriff
"Freiwillige Gerichtsbarkeit" (Gegensatz: streitige Gerichtsbarkeit) ist
die übersetzung von iurisdietio voluntaria (Gegensatz: litigiosal. Dieser
Ausdruck und Gegensatz ist aber irreführend.
Tustizrecht 153

1. Unwesentliche Unterschiede zwischen streitiger und freiwilliger Ge-


richtsbarkeit:
a) Der Gegensatz "Streit" und "Nichtstreit" spielt allerdings eine
erhebliche, aber keine ausschlaggebende Rolle; denn es gibt auch
im Prozeßrecht unstreitige Vorgänge [z. B. Versäumnis, Aner-
kenntnis, Geständnis), auch in der "freiwilligen Gerichtsbarkeit"
Streit und Zwang [z. B. gerichtliche Anordnungen, Beschwerde
dagegen), allerdings betreffen Streit und Zwang hier das Ver-
hältnis der Bürger [Parteien) untereinander.
b) Auch der Unterschied des Zwecks - beim Prozeß die Aufrecht-
erhaltung des Rechts und der Rechte, bei der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit die Gestaltung und Sicherung von Rechten - ist be-
achtlich, aber nicht ausschlaggebend. Das letztere Merkmal paßt
z. B. für Vormundschaftssachen nur teilweise.
2. Der wesentliche Unterschied zwischen streitiger und freiwilliger
Gerichtsbarkeit besteht darin, daß jene der Rechtspflege durch ho-
heitliche Feststellung und Durchsetzung, letztere der Sicherstellung
und überwachung einer dauernden Verwaltung in Rechtssachen
dient. Freiwillige Gerichtsbarkeit ist formell Justiz, allerdings zwang-
loser, bewegungsfreier, fürsorglicher, volkstümlicher als die streitige
Justiz, materiell dagegen Verwaltung, allerdings im Gegensatz zur
sonstigen Verwaltung eine solche, die mit den einer VerwaItungs-
tätigkeit bedürftigen Rechtsangelegenheiten zusammenhängt.

11. Gegenstände
1. Urkundswesen. Beurkundung von Rechtsgeschäften, Beglaubigung
von Unterschriften. Behörden: Gerichte und Notare. [Vgl. BGB, HGB,
GrundbuchO.)
2. Personenstandswesen. Geburts-, Heirats- und Sterberegister. Be-
hörde: Standesamt. [Vgl. Personenstandsgesetz, Neufassung von
1957.)
3. Registerwesen im übrigen. Handels-, Genossenschafts-, Vereins-, Gü-
terrechts-, Schiffs-, Geschmacksmusterregister, Gebrauchsmusterrolle,
Patentrolle. [Vgl. FreiwGerG, BGB, HGB, GenG usw.)
4. Grundbuchwesen. Grundbuchämter, in Norddeutschland die Amts-
gerichte. Einrichtung des Grundbuchs. Eintragungen. Antragsprinzip.
Formvorschriften. öffentlicher Glaube. Charakteristisch sind pein-
liche Gründlichkeit und strenge richterliche Haftung. (Vgl. GBO und
BGB m.)
5. Vormundschaftswesen. Es umfaßt i. e. S. die reinen Vormundschafts-
und Pflegeschaftssachen, i. w. S. auch andere familienrechtliche An-
154 Rechtszroeige

gelegenheiten wie Ehesachen, Elternsachen, Adoption, Fürsorge-


erziehung, religiöse Kindererziehung. (Vgl. FreiwGerG und BGB IV.)
6. Namlaßmesen. Mitwirkung des Amtsgerichts bei Ausschlagung der
Erbschaft, bei Errichtung, Eröffnung und Vollstreckung von letzt-
willigen Verfügungen, Nachlaßfürsorge, Nachlaßverwaltung, Erb-
scheinerteilung, Inventarerrichtung, Erbenauseinandersetzung. (Vgl.
FreiwGerG und BGB V.)

111. Verfahren
1. Behörden der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind vor allem die ordent-
lichen Gerichte und die Notare - beide Stellen vielfach, so im bis
herigen Preußen, wahlweise; ferner Standesbeamte, Postbeamte,
Konsuln.
2. Verfahren. Offizialprinzip und Amtsbetrieb; keine obligatorische
mündliche Verhandlung. Die Entscheidungen sind formfrei, bedürfen
aber der Bekanntgabe; sie sind mit Beschwerde anfechtbar.

12. Kapitel

Privatrecht
Man unterscheidet allgemeines Privatrecht für alle Bürger (Bürgerliches
Recht) und besonderes Privatrecht für Kaufleute und Handelsgesell-
schaften (Handelsrecht).

A. Geschichte
Bürgerlimes Recht ist das Privatrecht für jedermann im Staate ohne
Rücksicht auf Stand oder Beruf. Das deutsche bürgerliche Recht ist aus
zwei verschiedenen Wurzeln erwachsen: aus dem römischen und aus
dem altdeutschen Recht.

I. Römismes Remt
Das Remt des Römischen Weltreiches gelangte im Mittelalter durch den
eigenartigen Rechtsvorgang der "Rezeption" nach Deutschland. Die Re-
zeption vollzog sich zwischen Mitte des 15. und Mitte des 16. Jahr-
hunderts. Ihren Gegenstand bildete das spätnachklassische (byzantini-
sche) römische Recht in der Gestalt, wie es im Mittelalter in Bologna
und an anderen Rechtsschulen Italiens gelehrt wurde. Seinen schrift-
Priootrecht 155

lichen Niederschlag hatte dieses Recht im Corpus iuris civilis gefunden.


Dieses große Quellenwerk besteht aus den Institutionen [533; Lehr-
buch zur Einführung), den Digesten oder Pandekten [533; Zusammen-
fassung von Bruchstücken aus den Schriften der klassischen Juristen),
dem Codex [534; Sammlung von ergänzenden kaiserlichen Verordnun-
gen) und den Novellen [535 bis 565; ebenso). Gleichzeitig wurden das
Corpus iuris canonici und die das langobardische Lehnrecht enthalten-
den Libri feudorum rezipiert. Der in den größeren Zusammenhang der
Renaissance einzustellende Vorgang der Rezeption vollzog sich ge-
wohnheitsrechtlich, vor allem durch die Theorie der in Bologna studie-
renden Deutschen und durch die Praxis der deutschen Gerichte. Er er-
klärt sich namentlich daraus, daß das einheimische deutsche Recht un-
geschrieben, wenig bekannt, schwer feststellbar, zudem zersplittert und
schwierig zu handhaben, das fremde römische Recht dagegen geschrie-
ben, einheitlich, kultiviert, leicht zu ermitteln und bequem anzuwenden
war; überdies war es dem Kaiser als das Recht seiner römischen Vor-
gänger, den Landesherren als ein auf starke und straffe Staatsgewalt
zugeschnittenes, daher Autorität gewährleistendes Recht sehr will-
kommen.

11. Deutsmes Remt


Das in Deutschland vor der Rezeption geltende Recht war einfach, ja
primitiv, aber anschaulich und volkstümlich. Das germanische Recht
lebte im Volksbewußtsein; es wurde gewohnheitlich im Wege der
Rechtsprechung erhalten und fortgebildet; bezeichnend waren seine
Zusammenhänge mit Sittlichkeit und Religion. Im Frankenreich trat zu
der unmerklichen. stammesverschiedenen Entwicklung des Volksrechts
die bewußte, ausdrückliche Fortbildung durch das für das ganze
Reich einheitliche Königsrecht. Im deutschen Mittelalter waren vor
allem die verschiedenen Rechtskreise charakteristisch. Vom Landrecht
hoben sich, es ausschließend, Stadt- und Hofrechte, es teilweise ver-
drängend, Lehn- und Dienstrecht ab. In der Kurfürstenzeit ergab sich
eine noch weitergehende Differenzierung solcher Rechtskreise. Damit
wuchs ständig die Zersplitterung, Unübersichtlichkeit und Unsicherheit.
Den einzigen Lichtblick gewährten die Aufzeichnungen im Sachsen-
spiegel und Schwabenspiegel des 13. Jahrhunderts.

III. Gemeines Remt


Das römische Recht wurde in Deutschland zwar auf den meisten Rechts-
gebieten rezipiert, sollte aber nur subsidiär [hilfsweise) gelten. Gleich-
wohl überwog es bald über das heimisme Recht, das dem fremden
Eindringling nicht widerstehen konnte. So siegte zugleich das geschrie-
156 Rechtszweige

bene Juristenrecht über das ungeschriebene Volksrecht. Später erst trat


eine gewisse Reaktion zugunsten des weithin verdrängten deutschen
Rechts ein. Schließlich gelang eine allmähliche Angleichung, ja eine
gewisse Verschmelzung zwischen beiden Rechten. Das Ergebnis dieses
Prozesses bildete das "Gemeine Recht" des späten Mittelalters. Der
unbefriedigende Zustand der Nichtaufzeichnung dieses Mischrechts ver-
langte nach einer Kodifikation. Da das Reich versagte, fiel die Aufgabe
den Reichsterritorien zu. Zuerst entstanden in den Städten die "Re-
formationen", später in den Ländern die "Landrechte". Das Gemeine
Recht wurde durch sie anfänglich bloß ergänzt, bald aber abgelöst, d. h.
mehr oder minder umfassend kodifiziert. Berühmte Beispiele sind: All-
gemeines Landrecht für Preußen 1794, Code civil 1804, Badisches Land-
recht 1809, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für österreich 1811,
Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch 1863.

IV. Bürgerlimes Gesetzbum


Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGBl brachte die gesamtdeutsche Rechts-
einheit auf zivilrechtlichem Gebiete. Während des ganzen 19. Jahrhun-
derts verliefen die Kodifikationsbestrebungen im bürgerlichen Recht
(anders im Handelsrecht) erfolglos. Die Reichsverfassung 1871 begrün-
dete ursprünglich die Reichszuständigkeit nur für (Handelsrecht und)
Schuldrecht. Erst die lex Lasker (1873) erstreckte die Reichskompetenz
auf das gesamte bürgerliche Recht. Daraufhin entstand nach 22jähriger
Arbeit - nicht als Geistesprodukt eines einzigen Kopfes (wie das
schweizerische ZGB 1907: Eugen Huber), sondern als das "anonyme Er-
zeugnis kollektiver Kommissionsarbeit" (Radbruch) - das BGB. Es
wurde ausgefertigt am 18. August 1896 und trat in Kraft am 1. Januar
1900. Seine 2385 Paragraphen führen eine gelehrte und abstrakte
Sprache; sie sind weder anschaulich noch volkstümlich, reden Juristen-,
aber kein Volksdeutsch. Gleichwohl war das Ergebnis von überragen-
der Bedeutung. Die Aufzeichnung des ganzen Zivilrechts war gelungen
bis auf einige Reste, d. h. Vorbehalte zugunsten teils des Reichsrechts
(EGBGB Art. 32 ff), teils des Landesrechts (EGBGB Art. 55 ff: "Ver-
lustliste der deutschen Rechtseinheit"). Das BGB hat die beiden histo-
rischen Stämme des auf deutschem Boden geltenden Rechts endgültig
vereinigt, aber die Teile vielfach noch erkennbar gelassen; so ist das
Sachenrecht und das Familienrecht überwiegend deutsch, das Schuld-
recht vorwiegend römisch, das Erbrecht dagegen eine eigenartige, nicht
durchweg gelungene Mischung.
PrilJatrecht 157

B. Bürgerliches Recht
Einteilungsprinzip: Personen, Vermögen, Familie.
1. Personenrecht: Recht der natürlichen und juristischen Personen;
2. Vermägensrecht: Beziehung der Personen zu den Vermögensgütern,
a) unmittelbar-dinglich: Sachenrecht nebst Urheberrecht,
b) mittelbar durch andere Personen: Schuldrecht;
3. Familienrecht: Ausgestaltung
a) des Personenrechts (Ehe, Familie, Verwandtschaft),
b) des Vermögensrechts (Eheliches Güterrecht, Erbrecht).

Erstes Buch: Allgemeiner Teil (§§ 1 - 240)


Es enthält das Personenrecht und die allgemeinen Lehren des Privat-
rechts, die gleicherweise für die weiteren Bücher des BGB, für das bür-
gerliche Recht überhaupt, ja für das Privatrecht überhaupt, maßgebend
sind.
1. Rechtssubjekte: Rechtsfähig, d. h. mögliche Inhaber von subjektiven
Rechten und von Pflichten sind natürliche Personen (Menschen) und
juristische Personen; letztere teilt das BGB in Vereine, Stiftungen
und juristische Personen des öffentlichen Rechts.
2. Rechtsobjekte oder Gegenstände heißen solche Güter, die rechtlicher
Beherrschung durch die Rechtssubjekte zugänglich sind. Körperliche
Rechtsobjekte heißen Sachen. Unkörperliche Gegenstände sind be-
sonders die Rechte.
3. Rechtsverhältnisse, d. h. Beziehungen zwischen Personen unterein-
ander und zwischen Personen und Sachen, entstehen durch recht-
mäßiges oder durch rechtswidriges Verhalten. Das rechtmäßige
Handeln pflegt man als Rechtshandlung zu bezeichnen. Von den
Rechtshandlungen schlechthin hebt sich die wichtige Gruppe der
Rechtsgeschäfte ab.
a) Die Lehre von den Rechtsgeschäften bildet das Kernstüd<: des
"Allgemeinen Teils". Unter Rechtsgeschäften versteht man Tat-
bestände, zu denen (möglicherweise neben anderen Elementen)
Willenserklärungen gehören, die auf Gestaltung (Begründung,
Änderung, Aufhebung) von Rechtsverhältnissen gerichtet sind.
Persönliche Voraussetzung ist die Geschäftsfähigkeit. Das Gesetz
kennt Fälle von Geschäftsunfähigkeit und solche von beschränk-
ter Geschäftsfähigkeit. Ein Rechtsgeschäft kommt durch mangel-
freie Erklärung eines mangelfreien Willens zustande. Mängel in
Wille oder Erklärung begründen teils Nichtigkeit, teils Anfecht-
158 Rechtszroeige

barkeit des Geschäfts. Es gibt einseitige und zweiseitige Rechts-


gesmäfte (Verträge). Besonders geregelt ist die Beifügung einer
Bedingung oder Zeitbestimmung, die Erklärung durch einen Ver-
treter (mit oder ohne Vertretungs macht) , die Zustimmung eines
Dritten, die vorgängig als Einwilligung, nachträglich als Geneh-
migung bezeichnet wird.
b) Das unerlaubte Verhalten dafür verantwortlicher ("deliktsfähi-
ger") Personen ist im Zweiten Buch des BGB behandelt. Eine
Haftung aus unerlaubter Handlung ist regelmäßig durch Ver-
schulden bedingt. Verschulden kann in vorsätzlichem oder grob-
oder leimtfahrlässigem Verhalten bestehen.
c) Eine wichtige rechts erhebliche Tatsache ist die Zeit und der Zeit-
ablauf. Demgemäß enthält der Allgemeine Teil noch Vorschriften
über Fristen, Termine, Verjährung.
4. Die Durmsetzung der subjektiven Rechte ist im Allgemeinen Teil
ni mt geregelt, sondern dem Zivilprozeß überlassen. Neben dem
grundsätzlimen Staatssmutz bestehen nur noch Reste von Selbst-
smutz. Darüber trifft das BGB unter den Stichworten "Ausübung
der Remte, Selbstverteidigung, Selbsthilfe" einige Bestimmungen.

Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 241 - 853)


Smuldverhältnis ist ein Rechtsverhältnis zwischen Personen, nicht
zwismen Person und Sache. Es begründet ein iuris vinculum (Band des
Remtes) zwischen Personen ohne Beziehung zu Sachgütern. Es ge-
währt nur persönliche Ansprüche, keine unmittelbar-dinglime Sach-
herrschaft. Es berechtigt den Gläubiger und verpflichtet den Schuldner
zu einer bestimmten Leistung, verbindet aber mit dem Leistensollen
("Smuld") das Einstehenmüssen ("Haftung"). Das zweite Buch des
BGB gliedert sim in sieben Abschnitte. Davon lassen sich die ersten
sems Absmnitte als allgemeiner Teil des Schuldrechts bezeichnen, wäh-
rend der 7. den besonderen Teil des Schuldrechts enthält. Der allge-
meine Teil stellt gewissermaßen, aber nur für die Schuldverhältnisse,
die Fortsetzung des ersten Buches des BGB dar.
1. Der Allgemeine Teil des SmuldrecrIts behandelt zunächst den Inhalt
der Smuldverhältnisse schlechthin, insbesondere die Verpflichtung
zur Leistung (namentlim Einfluß von "Treu und Glauben" und Ver-
kehrssitte; Schuld und Haftung; Lehre vom Schadenersatz; Inhalt,
Ort und Zeit der Leistung; Unmöglichkeit der Leistung; Schuldner-
verzug; Rechtshängigkeit) und den Verzug des Gläubigers. Sonder-
vorschriften betreffen die Schuldverhältnisse aus Verträgen, nämlim
Begründung und Inhalt des Vertrages, die Lehre vom gegenseitigen
Privatrecht 159

Vertrag [Leistungsverweigerung, Unmöglichkeit, Verzug), das Lei-


stungsversprechen an Dritte, die Draufgabe und Vertragsstrafe, den
Rücktritt vom Vertrag. Ein Schuldverhältnis erlischt durch Erfüllung
oder Annahme an Erfüllungsstatt, durch Hinterlegung, durm Auf-
rechnung, durch Erlaß. Ein Schuldverhältnis kann seinen Gläubiger
durch Forderungsübertragung, seinen Schuldner durch Schuldüber-
nahme wechseln. Möglich ist eine Mehrheit von Schuldnern oder von
Gläubigern. Bei der Gestaltung des Inhalts der Schuldverhältnisse
sind die Beteiligten, von gewissen Schranken abgesehen, frei: Grund-
satz der Vertragsfreiheit.
2. Der Besondere Teil des Schuldrechts ist im BGB [Abschnitt 7, Titel 1
bis 25) nicht ganz erschöpfend geregelt. Das BGB normiert nur .. ein-
zelne Schuldverhältnisse"; andere sind durch Sondergesetze geord-
net; wieder andere können zufolge des Grundsatzes der Vertrags-
freiheit durch Parteivereinbarung gestaltet werden.
a) Das BGB kennt folgende Einzeltypen von Schuldverhältnissen:
Kauf und Tausch, Schenkung; Miete und Pacht, Leihe; Darlehen,
Leibrente; Dienstvertrag, Werkvertrag; Mäklervertrag, Aus-
lobung, Auftrag, auftraglose Geschäftsführung, Verwahrung,
Gastwirtsvertrag; Gesellschaft und Gemeinschaft; Spiel, Wette,
Bürgschaft, Vergleich; Schuldversprechen und Schuldanerkennt-
nis, Anweisung, Inhaberschuldverschreibung; ungerechtfertigte
Bereicherung, unerlaubte Handlungen.
b) In anderen Gesetzen sind namentlich kaufähnliche Geschäfte,
Verlagsvertrag, Lotterie- und Ausspielvertrag, Versicherungs-
vertrag u. a. geregelt.

Drittes Bum: Sachenrecht [§§ 854 - 1296)


Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände. Das
Sachenrecht verleiht einer Person eine unmittelbare dingliche Rechts-
macht über Sachen.
1. Vom Eigentum unterscheidet sich der Besitz als selbständiges Remt;
die tatsächliche, unmittelbare oder mittelbare Sachherrschaft genießt
als solche einen eigenen, wenn auch nur einstweiligen Rechtsschutz.
2. Besitz ist Minderrecht, Eigentum ist Vollrecht. Eigentum gewährt die
grundsätzlich schrankenlose dinglime Sachherrschaft über Immo-
bilien oder Mobilien. Für Immobiliar- und Mobiliareigentum gelten
die Grundsätze der Publizität [Grundbum, Besitz) und des guten
Glaubens. Verschieden sind dagegen die Erwerbs- und Verlust-
gründe geordnet. Das BGB stellt zunächst allgemeine Vorsmriften
über Rechte an Grundstücken auf; ihr volles Verständnis ist durm
160 Rechtszroeige

die Verbindung mit dem Grundbuchrecht bedingt. Es normiert so-


dann das Eigentum nach Inhalt und Schranken. nach Erwerb und
Verlust einerseits bei Grundstücken. anderseits bei beweglichen
Sachen (übertragung; Ersitzung; Verbindung. Vermischung. Ver-
arbeitung; Erzeugniserwerb; Aneignung; Fund). endlich nach den
daraus entspringenden Ansprüchen. Einen besonderen Fall bildet
das Miteigentum.
3. Von dinglichen Rechten an fremden Sachen. vereinzelt auch an Rech-
ten. kennt und regelt das BGB:
a) als Nutzungsrechte: Erbbaurecht und Dienstbarkeiten: Grund-
dienstbarkeiten. Nießbrauch. beschränkte persönliche Dienstbar-
keiten;
b) als Warterecht: das dingliche Vorkaufsrecht;
c) als Wertrechte: die Reallast. die Hypothek nebst Grund- und
Rentenschuld. das Pfandrecht an beweglichen Sachen und an
Rechten.
d) über die Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken
erging ein besonderes Gesetz (1940).
4. Das Recht an unkörperlichen Gegenständen. Immaterialgüterrecht
oder auch "geistiges Eigentum" genannt. ist nicht im BGB. sondern
in Spezialgesetzen behandelt. Man unterscheidet Urheber- und Er-
finderrecht.
a) Urheberrecht gliedert sich in literarisches Urheberrecht an Schöp-
fungen der Literatur und Tonkunst (RG 1901/1910). künstleri-
sches Urheberrecht an Schöpfungen der bildenden Künste und
der Photographie (RG 1907). kunstgewerbliches Urheberrecht an
sogenannten Geschmacksmustern (RG 1876).
b) Erfinderrecht. Dieses zerfällt in Patentrecht an .. Patenten" gemäß
RPatentG 1936 (Neufassung 1961) und Gebrauchsmusterrecht an
.. Gebrauchsmustern" gemäß RG 1936 (Neufassung 1961).
5. Eigene Gesetze behandeln das Bergrecht. das Erbpachtrecht und das
Erbbaurecht.

Viertes Bum: Familienremt (§§ 1297 - 1921)


Das Gebiet der Ehe und Familie ist dem Recht nur bedingt und be-
schränkt zugänglich. Es wird von ihm nur teilweise erfaßt und mit
großer Zurückhaltung geordnet.
1. Das Recht der Ehe beruht auf den Grundsätzen der Einehe (Mono-
gamie) und der .. bürgerlichen" - im Gegensatz zur .. kirchlichen" -
Ehe. Das BGB regelt nur die weltliche Seite der Ehe und läßt die
Privatrecht 161

kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe unberührt. Seine


Bestimmungen über die Ehe lassen sich in Ehepersonenrecht und
Ehegüterrecht gliedern. Ersteres umfaßt die Lehren vom Verlöbnis.
von der Eingehung der Ehe. ihrer Nichtigkeit und Anfechtbarkeit
wegen Ehehindernissen. von den persönlichen Wirkungen der Ehe
und von der Aufhebung. insbesondere der Scheidung der Ehe. Die-
ses Ehepersonenrecht erfuhr eine zusammenhängende Neuregelung
durch das Ehegesetz von 1938, an dessen Stelle das Ehegesetz des
Kontrollrates von 1946 getreten ist. Dieses wurde durch das Fami-
lienrechtsänderungsgesetz von 1961 erneut geändert.
Von besonderer Wichtigkeit ist die jetzige Fassung des § 48 Abs. 2
EheG: "Hat der Ehegatte, der die Scheidung begehrt. die Zerrüttung
ganz oder überwiegend verschuldet, so darf die Ehe gegen den
Widerspruch des anderen Ehegatten nicht geschieden werden. es sei
denn, daß dem widersprechenden Ehegatten die Bindung an die Ehe
und eine zumutbare Bereitschaft fehlen, die Ehe fortzusetzen."
Durch das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 wurde das Entschei-
dungsrecht des Ehemannes in gemeinschaftlichen Angelegenheiten
(§ 1354 BGB) beseitigt. Die Ehefrau führt den Familiennamen des
Ehemannes, ist jedoch berechtigt, diesem ihren Mädchennamen hin-
zuzufügen (§ 1355 n. F.). Die Ehegatten sind einander verpflichtet.
durch Arbeit und Einsatz ihres Vermögens die Familie angemessen
zu unterhalten (§ 1360 Satz 1 n. F.). Die Ehegatten leben im Güter-
stand der Zugewinngemeinschaft, soweit nicht durch Ehevertrag
etwas anderes vereinbart wird (§ 1363 Abs. 1 n. F.). Jeder Ehegatte
verwaltet sein Vermögen selbständig (§ 1364 n. F.), ist darin jedoch
nach Maßgabe der §§ 1365 ff. n. F. beschränkt. Gütertrennung tritt
ein, sofern die Ehegatten den gesetzlichen Güterstand ausschließen
oder aufheben, sofern sich aus dem Ehevertrag nichts anderes er-
gibt (§ 1414 n. F.). Falls Gütergemeinschaft vereinbart wird, gelten
die Vorschriften der §§ 1416 ff. n. F.
2. Das Verroandtschaftsrecht umfaßt die Vorschriften über die eheliche
Abstammung, die Unterhaltspflicht. die Rechtsstellung der ehelichen
Kinder, der Kinder aus nichtigen Ehen sowie der unehelichen Kinder,
die Legitimation letzterer, die Annahme an Kindes Statt.
3. Eine Vormundschaft wird über Minderjährige mangels elterlicher
Gewalt und über entmündigte Volljährige geführt; sie begründet
eine Fürsorge für Person und Vermögen des Mündels. Der Ergän-
zung der elterlichen Gewalt oder der Unterstützung Gebrechlicher
oder der Sicherung von Vermögensansprüchen dient die eine zweck-
beschränkte Fürsorge gewährende "Pflegschaft".

11 Glese, Remt
162 Rechtszroeige

Fünftes Budt: Erbredtt (§§ 1922 - 2385)


Seinen Gegenstand bildet das Schicksal der menschlichen Güter nam
dem Tode. Sein Grundprinzip ist die letztwillige Verfügungsfreiheit.
1. Die Erbfolge kann auf Gesetz oder auf letztwilliger Verfügung be-
ruhen. Die gesetzliche Erbfolge der Verwandten und des Ehegatten
ist genau festgelegt. Die gewillkürte Erbfolge gründet sich auf (ein-
seitiges) Testament oder (zweiseitigen) Erbvertrag. Beide Remts-
gesmäfte sind nam Subjekt, Inhalt und Wirkung eingehend geregelt;
dom wurden die bisherigen Bestimmungen des BGB durm das
Testamentsgesetz von 1938 ersetzt. Von den Vorschriften der §§
2064 - 3202 BGB blieben nur in Kraft: §§ 2065 - 2086, 2087 - 2228,
2268 - 2271, 2278 - 2299 und 2301 - 2302 BGB. Durch das Gesetz
zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit von 1953 wurde der
§ 2064 BGB in alter Fassung wiederhergestellt und die §§ 2229-2267,
2272 - 2277 sowie der § 2300 - z. T. in neuer Fassung - wieder ein-
gefügt. Die wimtigste Smranke für die Errichtung von Testamenten
und Erbverträgen bildet das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge, der
Eltern und des Ehegatten. Dieses Recht entfällt jedoch, wie über-
haupt das Erbremt, bei Erbunwürdigkeit und Erbverzimt.
2. Die Erbfolge i. w. S. kann Gesamt- und Einzelnachfolge sein.
a) Eine Gesamtfolge in die Rechtsstellung des Erblassers tritt nur
der "Erbe" als Universalsuccessor an (Universalsuccession =
Gesamtremtsnachfolge). Der Erbe rückt in die Stellung des Erb-
lassers hinsimtlim dessen Vermögen ein, in universum ius de-
functi succedit. Erben sind kraft gesetzlimer Erbfolge die Ver-
wandten und der Ehegatte, letztlich der Fiskus; kraft gewillkür-
ter Erbfolge die eingesetzten Erben, möglicherweise ein Ersatz-
erbe oder ein Namerbe.
b) Eine Einzelfolge treten Vermächtnisnehmer und Pflimtteilsberem-
tigte an; solche Singularsuccessoren haben kein unmittelbares
Erbrecht i. e. S., sondern nur einen persönlimen obligatorismen
Ansprum gegen den Erben: Der vermachte Gegenstand muß dem
Vermämtnisnehmer usw. erst vom Erben übereignet werden.
3. Die Rechtsstellung des Erben. Der Anfall der Erbschaft erfolgt un-
beschadet des Ausschlagungsremts. In der Smwebezeit greift die
Fürsorge des Nachlaßgerichts ein. Nam Annahme der Erbschaft ist
ein Hauptproblem die Haftung des Erben für die Namlaßverbind-
limkeiten. Der Erbe hat diese grundsätzlich zu erfüllen. Das Gesetz
sieht aber die Möglimkeit vor, die Haftung auf die Erbsmaft zu be-
smränken durch Aufgebot der Nachlaßgläubiger, Nachlaßverwaltung,
Namlaßkonkurs. Besonders geregelt ist die Haftung von Miterben
Privatrecht 163

(ErbengemeinschaftJ für die Nachlaßverbindlichkeiten vor und nach


der Auseinandersetzung. Das Erbrecht ist Drittbesitzern gegenüber
durch den "Erbschaftsanspruch" geschützt. Dem Nachweis des Erb-
rechts dient der auf Antrag vom Nachlaßgericht ausgestellte "Erb-
schein".

C. Handelsrecht
I. Begriff und Quellen
1. Handelsrecht ist das Sonderprioatrecht für den Handelsstand. Han-
del ist die auf Güterumsatz gerichtete gewerbliche Tätigkeit. Das
Bedürfnis nach Sonderregeln besteht auch in anderen Zweigen der
Wirtschaft, namentlich in der Industrie. Darum beschränkt sich der
Geltungsbereich des Handelsrechts nicht auf den Handelsstand, son-
dern erfaßt z. T. auch die rechtlichen Verhältnisse der Industrie. Das
Handelsrecht umfaßt i. w. S. öffentlich-rechtliche und privatrechtliche
Vorschriften. Jene gehören in das Verwaltungsrecht, diese stellen
die Sonderdisziplin des Handelsrechts i. e. S. dar. Dieses Handels-
recht bildet einen Rechtszweig eigner Prägung, aber doch kein ge-
schlossenes Rechtssystem; denn subsidiär sind die Rechtsverhält-
nisse auch der Kaufleute und der Handelsgesellschaften nach dem
allgemeinen Privatrecht, dem bürgerlichen Recht, zu beurteilen.
2. Regelung
In gewissem Sinne war schon das römische ius gentium als Sonder-
recht für den Verkehr der römischen mit fremden Kaufleuten Han-
delsrecht. Das römische Recht kannte zwei Arten des Rechtes: ius
civile, das nur für römische Bürger (civis) galt, und ius gentium
(Recht der fremden Leute, fremden Völker), das für Nichtrömer und
Römer galt. In größerem Umfange entstand im Mittelalter ein eigenes
Standesrecht der Kaufmannschaft und der kaufmännischen Gilden.
In der Neuzeit war das Gebiet des Handels das erste, auf dem, wenn
auch nur in Gestalt übereinstimmenden Landesrechts, Rechtseinheit
in Deutschland erzielt wurde: Allgemeine Deutsche Wechselordnung
1849, Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch 1861. Nach der
Bundesstaatsgründung (1867/71) wurden diese gleichlautenden, auch
in österreich geltenden Landesgesetze für Deutschland einheitliches
Bundes- bzw. Reichsrecht. Die Reichskompetenz zur Regelung des
Handelsrechts bestand, anders als im bürgerlichen Recht, von An-
fang an. Das BGB machte eine Neubearbeitung des Handelsrechts
notwendig. Das neue HGB vom 10. Mai 1897, in Kraft seit 1. Januar
1900, ist nicht mehr so sehr Sonderrecht der Handelsgeschäfte als
vielmehr des Handelsstandes. Auch das Handelsrecht ist im BGB nur

11*
164 Rechtszroeige

hauptsächlich kodifiziert, außerdem ist es in einer Reihe von han-


deIsrechtlichen Nebengesetzen (z. B. für Aktiengesellschaften, Gesell-
schaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, Binnenschiff-
fahrt) geregelt. Neben das geschriebene tritt das Handelsgewohn-
heitsrecht, das wiederum vom bloßen Handelsbrauch (Handelssitte)
zu unterscheiden ist.

11. Inhalt
1. Kaufleute und ihr Hilfspersonal
a) Kaufmann ist, wer selbständig ein Handelsgewerbe betreibt. Es
gibt Kaufleute kraft Gesetzes (die ein sog. Grundhandelsgeschäft,
z. B. Warenumsatz, betreiben) und Kaufleute kraft Eintragung
(obligatorisch wegen kaufmännischer Betriebsweise des Gewer-
bes, faktultativ wegen Betriebs eines Nebengewerbes neben
Land- oder Forstwirtschaft), kürzer ausgedrückt: Muß-, Kann-
und Sollkaufleute. Die Eintragung erfolgt im Handelsregister, das
beim Amtsgericht geführt wird. Sie hat nach dem vorigen ent-
weder rechtsfeststellende oder rechtsbegründende Wirkung. Neben
den "Vollkaufleuten" kennt das Gesetz "Minderkaufleute"; dazu
gehören Handwerker und sonstige Kleingewerbetreibende. Auch
Frauen oder Kinder können "Kaufmann" sein. Das Handelsunter-
nehmen eines Kaufmanns als Ganzes ist das kaufmännische Ge-
schäft. Der Name, unter dem ein Vollkaufmann sein Geschäft be-
treibt, heißt "Firma".
b) Das Hilfspersonal des Kaufmanns
Handlungsgehilfe ist, wer im Handelsgewerbe eines Kaufmanns
zwecks Leistung kaufmännischer Dienste entgeltlich angestellt ist.
Handlungsbevollmächtigter ist, wer von einem Kaufmann eine
Vollmacht zum Abschluß einer Mehrheit von Geschäften erhalten
hat. Eine besonders weitgehende Handlungsvollmacht verleiht
die Prokura. Handelsvertreter (Handlungsagent) ist ein selb-
ständiger Kaufmann, der ständig damit betraut ist, für das Han-
delsgewerbe eines anderen Kaufmanns Geschäfte zu vermit-
teln oder in dessen Namen abzuschließen. Handelsmäkler ist
der Kaufmann, der gewerbsmäßig Geschäfte über Gegenstände
des Handelsverkehrs für andere vermittelt, ohne, wie der Han-
delsvertreter, von einem Kaufmann hiermit ständig betraut zu
sein.
2. Handelsgesellsmaften
Sie fallen grundsätzlich unter die Gesellschaftstypen des BGB; ihre
Rechtsverhältnisse bestimmen sich aber primär nach Handels-, sub-
sidiär nach bürgerlichem Recht. Die "Stille Gesellschaft" ist zwar
Privatrecht 165

z. T. im HGB geregelt, nimmt aber insofern eine Sonderstellung ein,


als der Gesetzgeber sie nicht als Handelsgesellschaft angesehen wis-
sen will, so daß für letztere allgemein geltende Vorschriften auf
sie keine Anwendung finden.
a) Handelsgesellschaften ohne Rechtsfähigkeit, mit Gesamthand-
verhältnis.
aal Bei der offenen HandelsgeseIlschaft haftet jeder Gesell-
schafter für die im Geschäftsbetriebe entstehenden Ver-
bindlichkeiten unbeschränkt.
bb) Bei der KommanditgeseIlschaft ist die Haftung der Komman-
ditisten auf die Vermögens einlage beschränkt, die der Kom-
plementäre dagegen unbeschränkt.
b) Handelsgesellschaften mit Rechtsfähigkeit (Kapitalgesellschaften).
aal Die AktiengeseIlschaft (AG), deren umfassende Neuordnung
das Aktiengesetz von 1937 (inzwischen mehrfach geändert)
brachte, ist die auf ein in Kapitalanteile (Aktien) zerlegtes
Grundkapital gegründete rechtsfähige Kapitalgesellschaft,
deren Mitglieder (Aktionäre) sämtlich mit Einlagen beteiligt
sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten zu haften.
Eine Nachschußpflicht der Aktionäre über ihre Einlagen hin-
aus besteht nicht. Die Vertretung nach außen hat der Vor-
stand unter gewisser Kontrolle des Aufsichtsrats und der
mindestens jährlich einmal zusammentretenden Generalver-
sammlung der Aktionäre.
bb) Die gleichfalls im Aktiengesetz geregelte KommanditgeseIl-
smaft auf Aktien (KGaA] ist auch eine rechtsfähige Kapital-
gesellschaft, doch haftet bei ihr mindestens ein Mitglied un-
beschränkt, während die übrigen Gesellschafter nur mit Ein-
lagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sind.
ce) Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sind
wieder sämtliche Mitglieder mit "Gesch.äftsanteilen" am
Stammkapital beteiligt, ohne persönlich zu haften. (GmbHG
von 1892 mit mehrfachen Änderungen.)
dd) Ermerbs- und Wirtschaftsgenossensmaften sind rechtsfähige,
auf Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mit-
glieder mittels gemeinsamen Geschäftsbetriebs gerichtete
Handelsgesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl
mit zwei möglichen Haftungsweisen: mit unbeschränkter Haft-
pflicht (eGmuH), oder mit beschränkter Haftpflicht (eGmbH).
(GenG von 1889 mit mehrfachen Änderungen.)
166 Rechtszroeige

3. Handelsverkehr
a) Gegenstände des Handelsverkehrs sind Waren (bewegliche Sa-
chen) und Wertpapiere (Rekta-, Order- und Inhaberpapiere). Der
Schutz des gutgläubigen Erwerbs und die Sicherung durch gesetz-
liches Pfandrecht und durch Zurückbehaltungsrecht reichen im
Handelsrecht weiter als im bürgerlichen Recht.
b) Handelsgeschäfte sind sämtliche Geschäfte, die ein Kaufmann im
Betrieb seines Handelsgewerbes vornimmt. Man unterscheidet
Grundhandelsgeschäfte (HGB § 1) und Nebenhandelsgeschäfte,
ein- und zweiseitige Handelsgeschäfte. Wichtigstes Auslegungs-
mittel ist die Handelssitte (Usance). Von den Formvorschriften des
BGB bestehen einige Ausnahmen, so für die Bürgschaft. Auch für
Abschluß, Inhalt und Erfüllung der Handelsgeschäfte gelten
einige Abweichungen vom BGB. Typische Handelsgeschäfte sind
z. B. Handelskauf, Kredit- und Zahlungsgeschäfte, Börsen-
geschäfte, Kommissions-, Speditions-, Lager- und Frachtgeschäfte,
Güter- und Personenbeförderung.
4. Schiffahrt: See- und Binnenschiffahrtshandel
a) Das Seehandelsrecht umfaßt die privatrechtlichen Sondervor-
schriften [insbesondere Frachtrecht) über die Handelsschiffahrt
zur See. Vgl. HGB IV.
b) Das Binnenschiffahrtshandelsrecht enthält die besonderen Be-
stimmungen über die Handelsschiffahrt auf Binnengewässern.
Vgl. RG betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnen-
schiffahrt (1895/98) und RG betreffend die privatrechtlichen Ver-
hältnisse der Flößerei (1895).
c) Einzelheiten: Besondere Begriffe des Schiffahrtsrechts sind
Schiff, Schiffer, Reeder [Schiffseigner), Reederei; besondere Ge-
schäfte sind See- und Binnenfrachtgeschäft und Seeversicherung;
ferner haben Havarie, Zusammenstoß sowie Bergung und Hilfe-
leistung in Seenot eine besondere Regelung gefunden.

111. WemseI und Smed<


Wechsel- und Scheckrecht - genauer: Recht der Wertpapiere - steht
zwischen Handels- und bürgerlichem Recht; es ist nach der rechtlichen
Gestaltung handelsrechtliche Materie, nach der praktischen Anwendung
dagegen nicht Sonderrecht der Kaufleute, sondern Gemeinrecht aller
Bürger.
1. Wemsel. Rechtsquelle: Wechselgesetz 1933.
a) Begriff. Der Wechsel ist das .. Papiergeld der Kaufleute". Der
PrilJatrecht 167

Wechsel (die Trattel wird vom Aussteller (Trassanten) auf den


Bezogenen (Trassaten) ausgestellt ("gezogen") und dem Empfän-
ger (Remittentenl ausgehändigt ("begeben"), welcher dadurch
berechtigt und ermächtigt wird, die Wechselsumme sofort oder
am Verfalltage gegen Aushändigung des Wechsels zu erheben.
Der Wechsel ist ein geborenes, rechtsförmliches Orderpapier, das
die abstrakte Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegen-
stand hat. Wesentliche Merkmale des Wechsels sind: Bezeich-
nung als "Wechsel" sowie Angabe von Geldsumme, Remittent,
Zahlungszeit, Aussteller, Datum, Bezogenem, Zahlungsort.
b) Einzelheiten. Neben dem gezogenen Wechsel (Tratte) gibt es den
eigenen (Sola-lWechsel. Der Aussteller verspricht bei ersterem
Zahlung durch einen Dritten, bei letzterem Selbstzahlung. Die
Wechselfähigkeit entspricht der Geschäftsfähigkeit. Der Wechsel
ist durch "Indossament" übertragbar. Die schriftliche Annahme
des Wechsels durch den Bezogenen heißt "Akzept". Mangels
Zahlung wird der Wechsel "protestiert". Der nicht befriedigte
Wechselgläubiger nimmt "Regreß". Für das gerichtliche Verfah-
ren besteht eine summarische Prozeßart, der "Wechselprozeß".
2. Scheck. Rechtsquelle: Sched<gesetz 1933.
Der Sched< dient nicht, wie der Wechsel, zugleich dem Kredit-, son-
dern ausschließlich dem Zahlungszweck Er ist demgemäß viel ein-
facher als der Wechsel gestaltet. Seine wesentlichen Merkmale sind:
Bezeichnung als "Sched<", Zahlungsanweisung, Ort und Datum der
Ausstellung, Unterschrift des Ausstellers. Er setzt das Vorhanden-
sein eines Guthabens bei einer dritten Person, in der Regel bei einer
Bank, voraus; der Vertrag mit der Bank kommt durch Aushändigung
des Sched<buches zustande. Akzept ist ausgeschlossen, Indossament
zulässig. Der Sched< ist bei Sicht an den namentlich Benannten oder
den überbringer zahlbar. "Verrechnungs"sched<s werden nicht aus-
bezahlt, sondern gutgeschrieben.
Rüd<blid< und Ausblid<

I. Situation des Remts und der RemtswisseDsmaft


Die Geschichte der Rechtsentwicklung ist schon in Normalzeiten von
hohem Lehrwert. Das gilt in besonderem Maße für die Rechtsentwick-
lung seit 1945. Dem totalen Justitium (Stillstand der Rechtspflege) und
dem absoluten Ruhezustand auf allen Gebieten juristischer Tätigkeit
im Zeitpunkt des Zusammenbruchs folgte sehr schnell die Wiederbe-
lebung unter - freilich nicht immer förderlicher - Einwirkung der
Besatzungsmächte. Heute gehört das Besatzungsregime der Vergangen-
heit an. Es gibt kaum ein Gebiet des öffentlichen oder privaten Rechts.
das die stürmische Rechtsentwicklung der letzten siebzehn Jahre ganz
ohne Veränderungen überstanden hat. Die Veränderungen waren be-
sonders groß beim besonderen Staatsrecht und beim Verwaltungsrecht.
weniger umfangreich beim bürgerlichen Recht. beim Strafrecht und
beim Verfahrensrecht der ordentlichen Gerichte. Neue Zweige der
Rechtspflege sind entstanden. Konstant geblieben ist dagegen im
wesentlichen das Kirchenrecht. Auch die Rechtsentwicklung beim Völ-
kerrecht hat nicht die Ausmaße erreicht. die etwa zur Zeit des sog.
.. Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses" erwartet wurde.
Einzelne Rechtszweige des besonderen Verwaltungsrechts. wie z.B.
das Steuerrecht. haben den Rahmen des überschaubaren völlig ge-
sprengt. Andere. wie z. B. das Polizeirecht. waren einer allmählichen.
aber stetigen Atomisierung (Zertrümmerung in kleinste Teilchen) unter-
worfen.
So weist die Darstellung der einzelnen Disziplinen der Rechtswissen-
schaft ein Bild auf. das sich gegenüber der Auflage von 1950 die-
ser Schrift völlig verändert hat. Die Sentenz .. Verfassungsrecht ver-
geht. Verwaltungsrecht besteht" (Otto Mayer) ist durch die heutige
Charakterisierung des Verwaltungsrechts als .. konkretisiertes Ver-
fassungsrecht" (Fritz Werner) und die darin enthaltene Feststellung
der Schicksalsverbundenheit beider Rechtsgebiete zur historischen Re-
miniszenz geworden.
Die Tätigkeit der Legislative war anfänglich überwiegend auf die
Beseitigung sozialer Notstände als Folgeerscheinungen des Krieges und
der Nachkriegszeit gerichtet. Parallel liefen die gesetzgeberischen Maß-
nahmen zur Wiederherstellung der Rechtseinheit. zur Ausschaltung der
NS-Normen und zur Anpassung des geltenden Rechts an die Grund-
sätze der neuen Verfassungsordnung. Dabei hat die Qualität der
Gesetzgebung mit der Produktivität nicht immer Schritt gehalten.
170 Rückblick und Ausblick

Es ist zu hoffen, daß die politische Entwicklung es künftig dem Gesetz-


geber erlaubt, die großen notwendigen Rechtsreformen (Strafrechts-
reform, Reform des Strafprozeßredlts und der Gerichtsverfassung,
Aktienrechtsreform u. a. m.) ohne Zeitdruck zu beraten und zu verab-
schieden. Auch auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts, dessen Hyper-
trophie von allen Seiten beklagt wird, ist die Neufassung einzelner
Vorschriften aus der NS-Zeit und von vorher eine nicht zu umgehende
Zukunftsaufgabe. Im Mittelpunkt aller legislativen Arbeit sollte jedoch
das Bestreben stehen, zu einer Konzentration des geltenden Rechts zu
gelangen.
Die rechtswissenschaftliche Lehre und Forschung wird durch die gegen-
wärtige überfüllung der Universitäten und die dadurch bedingte über-
beanspruchung der akademischen Lehrkräfte sehr behindert. Sie hat
gleichwohl inzwischen wieder einen Stand erreicht, der den besten
Zeiten der Weimarer Republik und der Monarchie gleichkommt.

11. Zur Situation der deutschen Juristen


Die deutschen Juristen waren schon im "Dritten Reich", aber auch nach
dessen Zusammenbruch häufig der Kritik ausgesetzt. Der heftig ge-
führte Kampf gegen das "Juristenmonopol" in der öffentlichen Ver-
waltung ist inzwischen beendet. Es spricht nicht für einen Sieg der
Juristen, wenn die öffentliche Verwaltung seither vielfach, z. T. sogar
regelmäßig, dazu übergegangen ist, Führungspositionen mit "Außen-
seitern" - in der Kommunalverwaltung häufig auch mit Aufstiegs-
beamten - zu besetzen und den Fachjuristen die LaufbahnsteIlen zu
überlassen. Die Legislativorgane, die die gesetzlichen Voraussetzungen
hierfür schufen, haben offenbar nicht an das alte preußische "Suum
cuique" gedacht. Daß der Jurist aufgrund seiner Vorbildung und Grund-
einstellung zu den Dingen gerade auch innerhalb der öffentlichen Ver-
waltung in erster Linie zu Führungsaufgaben berufen ist, ist Erfah-
rungstatsache und bedarf keiner weiteren Begründung. Das schließt
nicht aus, daß in besonderen Ausnahmefällen auch hervorragend be-
gabte Außenseiter und Aufstiegsbeamte diese Befähigung haben kön-
nen.
Leider ist der heute zur Verfügung stehende Juristennachwuchs weit
zahlreicher, als der Bedarf in Justiz, Verwaltung, Wirtschaft und
freien Berufen (Anwalt, Notar) insgesamt. Das sollte dem, der Rechts-
wissenschaften zu studieren beabsichtigt, zu denken geben. Bei der
starken Konkurrenz der Gegenwart kann nur der wirklich befähigte
Jurist damit rechnen, angemessene Tätigkeits- und Aufstiegsmöglich-
keiten zu finden.
Rückblick und Ausblick 171

Noch immer ist die berufliche Beschäftigung mit dem Recht und der
Rechtswissenschaft eine ehrenvolle Aufgabe. Das wird bei gleichblei-
benden staatsrechtlichen Verhältnissen auch weiter so sein. Die Arbeit
am Recht erfordert den ganzen Menschen. Notwendige Eigenschaften
des Juristen sind u. a. logisches Denken. Einfühlungsvermögen. Men-
schenfreundlichkeit. Bescheidenheit und Sauberkeit im persönlichen
Bereich. aber auch Zivilcourage und. nicht zuletzt. eine gewisse Auf-
geschlossenheit für die Vorgänge des täglichen und praktischen Lebens.
Der Nicht jurist. der sich mit Vorschriften des geltenden Rechts zu
befassen hat. ist häufig weit eher als der Fachjurist geneigt. sich an
den Buchstaben des Gesetzes zu klammern. auch wenn das Ergebnis
bei näherer Betrachtung wenig sinnvoll erscheint. Mit den Grundzügen
der Rechtsanwendung sollte sich daher auch der Nicht jurist vertraut
machen.
Aufgabe allen Rechts ist und bleibt es. dem sich ständig wandelnden
Leben zu dienen. Das sollte bei aller gebotenen Akribie in der Aus-
legung und Anwendung des geltenden Rechts jeder bedenken. der sich
beruflich oder außerberuflich mit dem Recht zu beschäftigen hat.

Am Ziel: Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,


Und grün des Lebens goldner Baum.
Goethe, Faust I
Nachruf von Prof. Dr. jur. Friedrich Klein
in der ,,]uristenzeitung" 1958 S. 378/379,
wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung
des Verfassers, des Verlages und der Schriftleitung

Friedrich Giese t
Wiederum hat sich die schon nicht mehr große Zahl derjenigen Ange-
hörigen der vorigen Generation, die das öffentliche Recht wissenschaft-
lich vertreten haben, um eine bekannte und berühmte Persönlichkeit
vermindert: Am 25. April d. J. ist der emer. o. Ö. Professor für Staats-,
Verwaltungs-, Völker- und Kirchenrecht an den Universitäten Frank-
furt/Main und Mainz und Konsistorialrat a. D. Dr. jur. Dr. rer. pol. h. c.
Friedrich Giese nach einem reich erfüllten Leben im 76. Lebensjahr
mitten aus der Arbeit heraus in die Ewigkeit eingegangen. In einer
ergreifenden Trauerfeier in der Friedhofskapelle in Königstein im
Taunus und bei der anschließenden Beisetzung in seinem Wohnort
Falkenstein im Taunus haben seine ihm zutiefst verbundenen Ange-
hörigen sowie zahlreiche Freunde, Kollegen und Schüler am Nachmittag
des 29. April d. J. für immer von ihm Abschied genommen.
Aus Anlaß des 70. Geburtstages von Friedrich Giese am 17. August 1952
hat die Juristenzeitung (1952 S. 541) seiner mit einem Glüd<wunsch
aus der Feder meines hiesigen Fakultätskollegen Hans ]. Wolff gedacht,
der vom Sommer 1933 bis Sommer 1935 nominell Frankfurter Fakul-
tätskollege des Verstorbenen war und sich im weiteren Sinne ebenfalls
zu dessen Schülern rechnet. In dieser Glüd<wunschadresse sind Gieses
Werdegang und sein wissenschaftliches Werk dargestellt. Aus dem-
selben Anlaß habe ich selbst in der von mir redigierten und heraus-
gegebenen Festschrift (Frankfurt/Main, Kommentator-Verlag 1953) in
gleicher Weise den Jubilar gewürdigt (S. 251- 256) und habe dort
auch seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammengestellt
(S. 257/58).
An dieser Stelle sollen die bisherigen Äußerungen ihm eng vertraut
Gewesener um zwei Punkte nach der beruflichen und persönlichen
Seite hin ergänzt werden.
Friedrich Giese hat von sich selbst bekannt, er sei und bleibe positiver
Jurist. Diese Aussage ist in dem klaren und einfachen Sinne zu nehmen,
in dem Giese auch Richard Thoma als "Positivisten" gesehen hat, daß
es nämlich "die erste und unerläßliche Aufgabe des Juristen" sei, "eine
Dogmatik des positiven Rechts zu liefern, die mit ihren sekundären
Aufgaben historischer Ableitung, soziologischer Klärung, politischer
174 Narnruf

Kritik und rechtsphilosophischer Würdigung nicht konfundiert werden


darf" (JZ 1957 S. 589). Gieses Bekenntnis zum Positivismus ist also
nichts weiter als die gerade heutzutage zu beherzigende Aussage, daß
der genauen Feststellung und der exakten Auslegung des geltenden
Rechts der logische - nicht der wertmäßige - Vorrang vor seiner ge-
schichtlichen Ableitung, soziologischen Klärung und rechtsphilosophi-
schen Würdigung zukomme; in ihm wird Albert Haenels Forderung in
anderem Gewande wieder lebendig, die Wissenschaft vom Staatsrecht
dürfe "die mannigfachen Widersprüche und Unfertigkeiten des deut-
schen Verfassungsrechts nicht verdecken, denn damit werden nur zu
leicht die Keime und Ansätze verdeckt, die einer reiferen Ausgestal-
tung der organischen und konstitutionellen Grundlagen des Reiches
entgegenstreben". Von der spezifischen methodologischen Forderung
des Positivismus, insbesondere des Positivismus der Labandschen
Schule - die dogmatische Arbeit sei "eine rein logische Tätigkeit" -
welche die freilich unabdingbaren formalen Voraussetzungen wissen-
schaftlichen Arbeitens mit dessen sachlichen Inhalten verwechselt, hat
sich Friedrich Giese dagegen eindeutig abgesetzt. Das wird nicht nur
durch seine obige Äußerung und andere mündliche und schriftliche
Beiträge zu methodologischen Fragen, sondern vor allem durch sein
juristisches Lebenswerk eindeutig bezeugt.
Als seinem ehemaligen akademischen Schüler, langjährigen [von 1931
bis 1936) wissenschaftlichen Assistenten, Doktoranden und Habilitan-
den, Frankfurter Fakultätskollegen von 1940 bis 1942 und persön-
lichen Freund hat sich mir Friedrich Giese weit über den Rahmen des
üblichen Lehrer-Schüler-Verhältnisses hinaus in immer beglückender
Offenheit und bezaubernder Menschlichkeit aufgeschlossen. Dank einem
regen schriftlichen Gedankenaustausch, der vor allem seit 1936 durch
unser von da an - mit Ausnahme unserer gemeinsamen akademischen
Lehrtätigkeit an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität - örtlich ge-
trenntes berufliches Wirken ausgelöst und bedingt war, besitze ich
neben zahlreichen Dokumenten seines scharfen Verstandes und seiner
geschliffenen Sprache noch so manches kostbare handschriftliche Zeug-
nis seines immer gleichmäßig heiteren und liebenswürdigen Gemüts.
Bei der Durchsicht dieser Dinge aus Anlaß seines Heimganges ist mir
ein Brief aus seiner Feder in die Hände gekommen, den er mir vor
etwa zwei Jahren schrieb und der die ganze Bescheidenheit und doch
zugleich Größe dieses Mannes stärker noch als so manche andere seiner
sonstigen derartigen Bekundungen aufzeigt. Darin schrieb er mir, daß
er sich dessen sehr wohl bewußt sei, daß seine Stärke als akademischer
Lehrer und Forscher immer mehr im Lehren als im Forschen gelegen
habe. Gewiß: Giese war ein akademischer Lehrer, und zwar im besten
Sinne des Wortes und in nur selten anzutreffender Vollendung! Er war
Nachruf 175

jedoCh niCht nur dies; sein umfangreiChes und fruChtbares wissensChaft-


liCh-publizistisChes Wirken läßt jenes wiedergegebene Selbstbekennt-
nis als allzu besCheiden ersCheinen. Allein sChon sein in aCht Auflagen
ersChienener und bestens bewährter Kommentar zur Weimarer ReiChs-
verfassung beweist eindeutig das Gegenteil.
So dürfen denn zur Gesamtwürdigung des MensChen und Juristen
Friedrim Giese mit voller BereChtigung die Worte hierher gesetzt wer-
den, die er selbst noch im vorigen Jahre seinem FaChkollegen Rimard
Thoma zum Abschied widmete:
"Er war kein ,Beamter', er war ein echter Professor in ForsChung und
Lehre, aber noch viel mehr, nämlich ein großer, gesChlossener MensCh.
Er war äußerlich schliCht und besCheiden, aber hilfreiCh und gütig,
überragend begabt, ethisCh vollendet durCh strengste RechtliChkeit, un-
beirrbares ReChtswollen, unentwegt gradlinige Haltung, die nie auf-
hörte, sich selbst treu zu sein".
Prof. Dr. FriedriCh Klein, Münster/Westf.
Literaturhinweise

Ein LiteraturverzeidulJis, das alle behandelten Rechtsgebiete einigermaßen


ausreichend berücksimtigen wollte, würde zwangsläufig den Charakter einer
juristismen Bibliographie annehmen müssen und damit den Rahmen dieser
Smrift sprengen. Professor Giese selbst hatte der letzten Auflage lediglim
eine kurzgehaltene Literaturauswahl (auf einer Druckseite) beigegeben. Die
Bearbeiter glauben darüber hinaus einige beispielhafte Hinweise geben zu
sollen, die eine weitergehende Orientierung ermöglichen. Diese Hinweise
erheben weder Ans<prum auf Vollständigkeit, nom ist mit ihnen ein Wert-
urteil hinsichtlim der erwähnten oder nicht erwähnten Literatur verbunden.
Als andeutender Rahmen bedürfen die namstehenden Hinweise der Aus-
füllung und Vertiefung in eigener Initiative· dessen, der sim eingehender
mit dem einen oder anderen Einzelgebiet befassen will. Sie können und
sollen insoweit eigene Literaturnamforsmungen nimt ersetzen, sondern
lediglim dazu anregen. Weitere Literaturangaben sind dem Textteil dieser
Smrift und den Smrifttumsverzeichnissen der nachstehend aufgeführten
Werke und Aufsätze zu entnehmen.

A. Literatur zum ersten und zweiten Teil


Bierling, Juristisme Prinzipienlehre, 5 Bde., 1894-1917, Neudruck 1961
Engism, Einführung in das juristisme Denken, 2. Aufl., 1959
Emge, Einführung in die Remtsphilosophie, 1955
Klug, Juristisme Logik, 2. Auf!., 1958
Larenz, Methodenlehre de'r Rechtswissensmaft, 1960
Merkei, Juris,tisme Enzyklopädie, 6. Aufl., 1920
Nawiasky, Allgemeine Remtslehre, 2. Aun., 1948
Sauer, Juristisme Methodenlehre, 1940
Sauer, Einführung in die Redlts<philosophie, 1954
Wolf, Erik, Große Remtsdenker der deutsmen Geistesgesmim'te, 3. Aufl.,
1951
Wolf, Karl, Die Gesetzessprame, 1952
ferner die Lehrbümer der deutsmen Remtsges'mimte
von Conrad (2. Aufl., 1962), Fehr (4. Auf!., 1948), Mitteis-Lieberim (6. Aufl.,
1960), v. Smwerin-Thieme (4. Auf!., 1950)
sowie das Lehrbum der Privatremts'gesmichte der Neuzeit von Wieacke'r
(1952). außerdem Giese, Preußische Re·mtsgescl1idJJte (1920) und Deutsme
Staats- und Remtsgesmichte (1947),
endlim die Lehrbümer der römischen Remtsgesmichte von Dulckeit (2. Aun.,
1957), Kunkel (3. Auf!., 1960) und des römism.en Privatremts' von Jörs-
Kunkel-Wenger (3. Aufl., 1949) und Kas'er (1960)

12 Glese, Reiht
178 Literaturhinroeise

B. Literatur zum dritten Teil


I. Allgemeines Staatsrecht und Allgemeine Staatslehre
Giese, Allgemeines Staatsrecht, 1948
Jellinek, Allgemeine Staatslehre, Neudrmk 1980
Küchenthoff, Allgemeine Staatslehre, 4. Aufl., 1960
Laun, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., 1961
Nawiasky, Allgemeine Staatslehre, 4 Bde., 1945-1958

11. Deutsches Staatsrecht


Anschütz-Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 2 Bde., 193011932,
Neudrud< 1961
Giese, Staatsrecht, 3. Aufl., 1956
Klein, Neues deutsmes Verfassungsre·cht, 1949
Maunz, Deutsches Staats·recht, 10. Aufl., 1961
Schlochauer, Öffentliches Recht, 1957
ferner die Kommentare von Giese-Schund< (5. Aufl., 1960) und von v. Man-
goldt-Klein (2. Aufl., 1957 ff.) zum Grundges·etz sowie die Kommentare zu
den Verfassungen der Länder der Bundesrepublik.
Speziell zur Entstehung der Bundesrepublik und zum Inkrafttreten des
Grundgesetzes: Giese, Bundesstaatsgründung einst und jetzt, Festschrift
zum zehnjährigen Bestehen der Hochschule für Verwaltungswissenschaften
in Speyer, 1957, S. 63 ff.
Darauf aufbauend und zu den Einzelfragen ausführlich Stellung nehmend:
Armin Danco, Die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland und das In-
krafttreten des Grundge·setzes, Münsteraner rechts,wissenschaftliche. Disser-
tation, 1961, mit umfangreichem Literaturverzeichnis.

111. Allgemeines Verwaltungsrecht


Forsthoff, Lehrbuch des Ve·rwaltungsrechts, 8. Aufl., 1961
Giese, Allgemeines Verwaltuntgsrecht, 3. Aufl., 1952
Landmann~Giers-Proksch, Allgemeines' Verwaltungs'recht, 2. Aufl., 1960
v. Turegg, Lehrbuch des. Verwaltungs rechts, 3. Aufl., 1956
Wolff, Hans J., Verwaltungs'recht I, 4. Aufl., 1961
Speziell zur Verwaltungswis·senschaft: Bed<er, Stand und Aufgaben der
Verwaltungswissenschaft, Festls1chrift für Friedrich Giese, 1952, S. 9 ff. mit
zahlreichen Literaturangaben

IV. Besonderes Verwaltungsrecht


Bochalli, Besonderes Verwaltungsrecht, 2 Bde., 1958/1959
Ksoll, Besonderes Verwaltungs·recht, 2. Aufl., 1961
Literaturhinroeise 179

V. Kirchenrecht
Koeniger-Giese, Grundzüge des katholismen Kirmenremb, 3. Aun., 1949
Mikat, Kirmenremt, 1961
Wolf, Erik, Ordnung der Kirche, Lehr- und Handbum des Kirchenremts, 1960

VI. Völkerrecht
Sauer, System des Völkerremts', 1952
Sauer, Grundlehre des, Völkerremts, 3. Aun., 1955
Verdross, Völkerremt, 4. Aun., 1959

VII. Arbeitsrecht
Hueck-Nipperdey, Grundriß des Arbeitsrechts, 1960
Hueck-Nipperdey, Lehrbum des Arbeitsrechts, 2 Bde., 6. Aun., 1957/1959
Kaskel-Dersm, Arbeitsrecht, 5. AufI. , 1957
Nikism, Arbeitsremt, 3 Bde., 1955/1959
ferner die Kommentare zum Betriebs'verfassungs'remt
von Dietz (3. Aun., 1960) und Fitting-Kraegeloh (5. AufI. , 1960)
und zum Arbeits'gerichtsgesetz von Dersm-Volkmar (6. Aun., 1955) und
Dietz-Nikism (1957)

VIII. Einzelgebiete des Verwaltungsrechts


1. Allgemeine Lehren
Lehrbümer des allgemeinen Verwaltungsremts

2. Verroaltungsorganisationsrecht
Forsthoff, Verwaltungsorganisation, Heft 18 der Smriftenreihe "Die Ver-
waltung", 1950 ff.
Gerth, Probleme der Verwaltungs'reform, Heft 10/1956 der Zeitschrift "Der
öffentliche Dienst"
Gerth, Die juristis,chen Personen d. ö. R., ihre Organe und ihxe Behörden,
Heft 22/1959 der Zeitschrift "Die öffentlime Verwaltung"

3. Verroaltungsverfahrensrecht
Koehle,r, Probleme einer bundesgesetzlimen Regelung des Verwaltungs-
verfahrens, Heft 16/1960 der Zeitsmrift "Die öffentliche Verwaltung"
Rietdorf, Ober die Zweckmäßigkeit der Kodifizierung von Teilgebieten des
allgemeinen Verwaltungs'rechts in einem Verwaltungsverfahrens'gesetz, Heft
16/1960 der Zeitsmrift "Die öffentlime Verwaltung"

4. Recht des Verroaltungszroangsverfahrens


Die Kommentare zu den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und
dei' Länder

12'
180 Literaturhinroeise

5. Recht des öffentlichen Dienstes


Heyland, Das Berufsbeamtentum im neuen demokratischen Staat, 1949
Heyland, Das Recht der Beamten, Heft 21 der Schriftenreihe "Die Verwal-
tung", 1950 ff.
Wacke, Grundlagen des öffentlichen Dienstrechts, 1957
Wacke, Das Recht der Ang'estellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst,
Heft 20 der Schdftenreihe "Die Verwaltung, 1950 ff.
Die Kommentare zum Bundesbeamtengesetz (Anders, Fischbach, Bochalli,
Grabendorff, Plog-Wiedow usw.) und zu den Beamtengesetzen der Lände'r,
zum Besoldungs,ges,etz des Bundes und zu den Besoldungs'gesetzen der
Länder, ferner die Kommentare zu den Personal vertretungs gesetzen und zu
den Disziplinarordnungen des Bundes und der Länder.
Kommentare zum Bundes'angestelltentarif und zu den Nebengebieten des
öffentlichen Dienstrechts (Laufbahn-, Reisekosten-, Umzugs,kosten~, Bei-
hilfenrecht usw.)
Kommentare zum G 131 und zum Wiede,rgutmachungsgesetz für den öffent-
lichen Dienst.

6. Kommunalrecht
Pagenkopf, Einführung in die Kommunalwissenschaft, 2. Aufl., 1960
Peters" Handbuch der kommunalen Wissens·chaft und Praxis, 3 Bae., 1956 bis
1959
beide mit umfangreichen Literaturangaben
Kirsten, Gemeindefinanzen, 1954
Ruberg, Gemeindewirtschaftsbetriebe, 1955
Zeiss, Das Eigenbetriebsrecht, 2. Aufl., 1962
ferner die Kommentare zu den Kommunalverfassungsgesetzen und zum
Gemeindewirtschaftsrecht der Länder

7. Recht der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen d. Ö. R.


Die Lehrbücher des allgemeinen Verwaltungsrechts;
feerner: Gerth, Name, Sitz und Siegelführung der juristischen Personen
d. ö. R, Heft 6/1959 der Zeitsdlrift "Der öffentliche Dienst"

8. Polizei- und Ordnungsrecht


Drews-Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 7. Auf!., 1961
ferner die Kommentare zu den Polizeigesetzen und Ordnungsbehörden-
gesetzen der Länder

9. Schulrecht
Heckei, Deutsmes Privatschulrecht, 1955
Heckel-Seipp, Schulrechtskunde, 2. Auf!., 1960
ferner die Kommentare zu den Schulgesetzen der Länder;
Gerth, Die Kommunalen Verwaltungs schulen, Heft 11/1961 der "Zeitsmrift
für Beamtenrecht"
Literaturhinroeise 181

10. Hochschulrecht
Anrich, Die Idee der deutschen Universität und die Reform der deutschen
Universitäten, 1960
Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 1956

11. Presse-, Theater-, Film-, Fernseh- und Rundfunkrecht


Berthold-v. HartIieb, Filmrecht, 1957
Löffler, Presserecht, 1955
Löffler, Selbstkontrolle von Press:e, Funk und Film, 1960
Krüger, Der Rundfunk im Verfassungsgefüge, 1960
Peters, Die Rechtslage von Rundfunk und Fems'ehen, 1961

12. Gesundheitsrecht
Koch, Gesundheits,verwaltung, Heft 34 der Schriftenreihe "Die Verwaltung",
1950 ff.
Koch-Daelen, Das Gesundheitswesen in der Bundes'republik Deutschland,
1954
Cremer, Grundlagen der ärztlich,en Rechts- und Berufskunde, 1962
Kuhns', Das g,esamte Recht der Heilberufe, 1958
ferner die zahlreichen Kommentare und Spezialwerke zum Ärzte-, Zahn-
ärzte-, Apotheker-, Arznei-, Lebensmittel- und Genußmittelrecht

13. Sozialhilfe
fehle, Fürsorgerecht, 3. Aun., 1958
Keese, Öffentlich·e Fürsorge, 5. Aun., 1957
ferner die z. T. noch in der Vorbereitung befindlichen Kommentare zum
Bundessozialhilfegesetz

14. Kriegsfolgenhilfe
Die zahlreichen Kommentare zu den einzelnen Re,chtsgebieten (Lastenaus-
gleich, Bundesvertriebenengesetz, Bundesversorgungsgesetz usw.)

15. Sozialoersicherungsrecht
Wegne'r, Sozialversicherung, Heft 35 der Schriftenreihe "Die Ve'rwaltung ",
1950 ff.
Dapprich-May, Das sozialge'fichtliche Verfahren, 1959
ferner die zahlreichen Kommentare zur Reichsversicherungsordnung, zu den
einzelnen Versiche'rungszweigen und zum Sozialgerichtsges'etz

16. Jugendhilfe und Jugendroohlfahrt


Potrykus, Jugendwohlfahrtsgesetz, 1953
Potrykus, Jugendgerichtsgesetz, 4. Auf1., 1955
ferner die z. T. noch in der Vorbereitung befindlichen Kommentare zum
neuen Jugendwohlfahrtsgesetz
182 Literaturhinweise

17. Baurecht
Wandersleb, Wörterbuch des Städtebaues, Wohnungs- und Siedlungs-
wesens, 3 Bde., 1959
ferner die Kommentare zum Bundesbaugesetz und zu den Bauordnungen
der Länder sowie zu den Einzelgebieien des Miet-, Wohnungs- und Grund-
stücksrechts

18. Recht des Feuerschutzes


Mang, Das Recht der Feuerwehren in Bayern, 10. Aun., 1958
Pütz, Gesetz über den Feuerschutz im Lande Nordrhein-Westfalen, 1951
ferner die Kommentare zu den Feuerwehrgesetzen der übrigen Länder

19. Wirtschaftsrecht
Huber, Wirts'chafts,verwaltungsrecht, 2 Bde., 2. Aun., 1953/1954

20. Gewerberecht
Boldt-Steffens, Gewerbeordnung, 1955
Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung, 2 Bde., 11. AufI. , 1956

21. Bergrecht
Reuss-Grotefend-Dapprich, Allg'emeines Berggesetz, 11. AufI., 1959

22. Energiewirtschaftsrecht
Eiser-Riederer-Sieder, Energiewirtschaftsrecht, 2. Aufl., 1958

23. Recht des Bank- und Börsenwesens


a) Bankwesen
Beck, Gesetz über die Deutsche Bundesbank, 1959
b) Börsenwesen
Meyer-Bremer, Börsengesetz, 4. Aun., 1956
c) Kreditwesen (Bankenaufsicht)
Szagunn-Neumann, Kommentar zum Gesetz über das Kreditwesen, 1961,
und andere (z. T. noch in Vorbereitung)
d) Sparkassenrecht
Gerth-Danco, Das Sparkassenrecht in Nordrhein-Westfalen, 2 Bde., 1958/
1959
Illig, Das Recht der bayerischen Sparkassen, 1958
Perdelwitz-Fabricius-Kleiner, Das preußische Sparkassenrecht, Neudruck
1955 der 2. Aufl., 1937
Schlierbach, Kommentar zum Ressischen Sparkassengesetz, 1958

24. Recht des privaten Versicherungswesens (Versicherungsaufsicht)


Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, 2. AufI. , 1957
Literaturhinroeise 183

25. Währungsrecht
Harmening-Duden, Die Wäh:rungsgesetze, 1949

26. Verkehrsrecht
Krehs, Verkehrsrecht und Verkehrswirtsdtaft, 1960
[grundle'gende Darstellung mit umfangreimen Literaturangaben)
Germe,rshausen-Seydel-Mars'mall, Wegeremt und Wegeverwaltung in der
Bundes,republik Deutsmland, 2 Bde., 1961
ferner die speziellen Kommentare und Monographien zum Straßenverkehrs-
remt, Eisenbahnrecht, Post- und Fernmelderemt, zum Remt der See- und
Binnenschiffahrt und zum Luftverkehrsremt

27. Landroirtschaftsrecht
Nonhoff-Steiger-He'inrim, Das deutsche Agrarrecht, 1950 ff.
Puvogel, Der Weg zum Landwirtschaftsgesetz, 1957
ferner die Kommentare zu den Einzelgehieten

28. Forstrecht
Braunmühl-Rittel, Landesfoi'stges,etz Rheinland-Pfalz, 1952
Herbold, Die Ve1rwaltung des Gemeindewaldes in Nordrhein-Westfalen, 1961

29. Jagdrecht
Mitzsmke-Smäfer, Bundesjagdgesetz, 2. AufI. , 1957
sowie die Kommentare zu den Jagdgesetzen der Länder

30. Fischereirecht
Delius, Das preußisme Fischereigesetz, 2. Aufl., 1929

31. Wasserrecht
Dornheim, Das' Remt der Wasser- und Bodenverbände, 1961
Wüsthoff, Einfüh:rung in das' deutsme Wasserremt, 1961
ferner die Kommentare zum Wassei'haushaltsgesetz des Bundes und zu den
Wassergesetzen der Länder

32. Veterinärrecht
Hellim-Stäriko, Die deutsche Tierseuchengesetzgebung, 2. Auf1., 1953
s'owie die Kommentare zu den übrigen Einzelgesetzen

33. Naturschutzrecht
Lorz, Natursmutz-, Tie-rschutz- und Jagdremt, Fismerei- und Kulturpflanzen-
schutz, 1961
184 Literaturhinweise

34. Finanzrecht
Viaion. öffentliche Finanzwirtschaft, 1956
Viaion. Haushaltsrecht. 2. Aun .• 1959
Klein. Von der föderativen zur stärker unitarischen Gestaltung de's Finanz-
wesens in der Bundesrepublik Deutschland. Festschrift für Friedrich Giese.
1952. S. 61 ff.
Oeftering-v. Schmiedeberg. Zur Frage des institutionellen oder funktionellen
Haushalts'. Fes,tschrift zum 10jährigen Bestehen der Hochschule für Ver-
waItungswissenschaften in Speyer. 1957. S. 241 ff.

35. Finanzausgleich
Pagenkopf. Peters und Kirsten (vgI. oben unte'r VIII, 6)
Viaion (vgI. oben unter VIII. 34)

36. Finanzkontrolle
v. Dungern. Die Finanzkontrolle im Staat und in den Gemeinden. 1933
(in Einzelfragen. u. a. in den Ausführungen zur Finanzkontrolle im kommu-
nalen Bereich. übe'rholt. abe,r noch immer sehr lesenswert!)
Dahlgrün. Die staatliche Finanzkontrolle. Fes,ts'chrift zum 10jährigen Be-
stehen der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. 1957.
S.227

37. Steuerrecht
Bühler. Grundriß des Steuerrechts. 2 Bde .• 1958/1959, ferner die Kommentare
und Monographien zur Reichsabgabenordnung, zum Steue,ranpassungsges,etz
und zu den einzelnen Steuerarten, zum Rechtsmittelverfahren und zum
Steuerstrafverfahren

38. Recht der auswärtigen Verwaltung


Ohlendorf-Lottig. Konsularrecht, 1960

39. Recht der Wehrpflicht und Landesoerteidigung


Reinfried. Die Grundlagen der Bundeswehrverwaltung, 1958
ferner die Kommentare zum Soldatengesetz. zum Wehrpflichtgesetz. zum
Gesetz über den zivilen Ersatzdienst. zum Landbeschaffungsgesetz und zum
Bundesleistungsgesetz

IX. Strafremt
Baumann, Grundbegriffe und System des Strafrechts. 1962
Maurach. Deutsches Strafrecht. Allgemeiner Teil. 2. Aun .• 1958
Maurach. Deutsches Strafrecht. Besonderer Teil. 3. Auf1.. 1959
Mezger. Strafrecht. Allgemeiner Teil, 8. Aun., 1958
Mezger. Strafrecht, Besondere'r Teil. 6. Aun .• 1958
Literaturhinroeise 185

Sauer. System des Strafrechts. 1954


Sauer. Allgemeine Strafrechtslehre. 1955
ferner die Kommentare von Schönke-Schröder (9. Aun .• 1959)
und Schwarz (22. Aun .• 1959) zum StGB

X. StrafprozeBredlt
Kern. Strafverfahrensrecht. 5. Aun .• 1959
Peters,. K.. StTafprozeß. 1952
ferne·r die Kommentare von Löwe-Rosenberg (20. Aun .• 1958)
und Schwarz (22. Aun .• 1960) zur StPO

XI. Gerichtsverfassungsrecht
Kern. Gerichtsverfassungsrecht. 3. Aun .• 1959

XII. ZivilprozeBredlt
Bernhardt. Grundriß des Zivilprozeßremts. 2. Aun .• 1951
Lent. Zivilprozeßrecht. 9. Aun .• 1959
ferner die Kommentare von Baumbach-Lauterbam (25. Aun .• 1958)
und Stein-Jonas-Schönke-Pohle (18. Aun .• 1958) zur ZPO

XIII. VerwaItungsprozeBrecht
Ule. Verwaltungsprozeßrecht. 2. Aun .• 1981
ferner die Kommentare von Koehler. Klinger. Redeker-v. Oertzen. Schund<-
de Clerd<. Ule u. a. zur Verwaltungsgerichtsordnung

XIV. Verfassungsgerichtsbarkeit
Geiger. Gesetz über das, Bundesverfassungsgericht. 1952
Giese-Schund<:-Winkier. Verfas'sungsremtsprechung in der Bundesrepublik.
1958 ff.

XV. Zwangsvollstreckung und Konkurs, Vergleichsverfahren


Lent. ZwangsvoUs·tred<ungs~ und Konkursrem't. 8. Aun .• 1960
Schrader. Konkurs- und Vergleimsverfahren. 2. Aun .• 1959

XVI. Freiwillige Gerichtsbarkeit


Lent. Freiwillige Gerichtsbarkeit. 3. Auf1.. 1958
ferner die Kommentare zum Personenstandsgesetz und zur Grundbuch-
ordnung
186 Literoturhinroeise

XVII. Bürgerlimes Red1t


Enneccerus-Kipp-Wolff, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts:
Band I (zwei Halbbände): Allgemeine Lehren, Personen, Rechtsobje'kte, Ent-
stehung, Untergang und Veränderung der Rechte, Ans'prüche und Einreden,
Ausübung und Sicherung der Rechte, 15. Bearbeitung von Nipperdey, 1959/
1960
Band II: Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearbeitung von H. Lehmann, 1958
Band III: Sachenrecht, 10. Bearbeitung von M. Wolff und L. Raiser, 1957
Band IV: Familienrecht, 8. Bearbeitung von W. Müller-Freienfels (in Vor-
bereitung)
Band V: Erbrecht, 11. Bearbedtung von Coing, 1960
ferner die Lehrbüche'r von Lange (5. Auf1., 1961) und Lehmann (12. Aun.,
1960) zum Allgemeinen Teil des BGB, die Lehrbücher des Schuldrechts, von
Esser (2. AufI. , 1960) und Larenz (4. Aun., 1960), die Lehrbücher des Sachen-
rechts von Lent (8. Aun., 1960) und Wes1ermann (4. AufI. , 1960), des Fami-
lienrechts von Beitzke (9. AufI., 1960) und des Erbrechts von Bartholomey-
czik (5. Aufl., 1961) sowie Westermann, Grundbegriffe des BGB, 2. Auf1., 1962,
endlich die Kommentare zum BGB von Achilles-Greif (21. Aufl., 1958),
Ermann-Göke (2. AufI. , 1958), Palandt (18. AufI., 1959), Staudinger (11. Aufl.,
1954 ff.) u. a.

XVIII. Handels- und Gesellsmaftsremt, Wertpapierremt


v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. AufI., 1958
Schumann, HandelsIrecht, 2 Bde., 1954
Hueck, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., 1960
Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, 1955
sowie die Kommentare zum HGB, zum Aktiengesetz, zum G.m.b.H.-Gesetz,
zum Genossenschaftsgesetz, zum Scheckges,etz und zum Wechselgesetz

XIX. Urheber- und Erfindersmutz


Bernhardt, Lehrbuch des deuts'chen Patentrechts, 1957
Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 2. AufI. , 1960
FurIer, Das Geschmacksmustergesetz, 2. Aun., 1956
Zeller, Gebrauchsmusterrecht, 2. Auf1., 1952

C. Literatur zur Strafremtsreform


Entwurf eines Strafgesetzbuche's, Text und amtliche Begründung" Bundes-
tagsdrucksache Nr. 2150 de'r 3. Wahlperiode
Middendorff, Todesstrafe - Ja oder Nein?, 1962
Mannheim, Deutsche Strafrechtsreform in englischer Sim,t, 1960
und zahlreiche Aufsätze in den juristischen Fachzeits,chriften
Schlegel, Körper und Seele, Konstitutionslehre für Ärzte, Juristen, Päd-
agogen und Theolo.gen, 1957, darin insbesondere: Konstitution und Krimi-
nalität, S. 159 ff.
Literaturhinroeise 187

D. Zur Ausbildung und zum Beruf der deutsmen Juristen


Bader, Die deutschen Juristen, 1947 (eine kritische Betrachtung aus de·r Sicht
der Zeit nach dem Zusammenbruch, noch heute sehr lesenswert!)
Liermann, Also ward ich ein Juriste ... , 1959 (Briefe an einen angehenden
Juristen vom Abitur bis zum Assessorexamen, humorvoll und anregend,
sehr lesenswertI)
Schneider, Studienplan für den Rechtsstudenten, 1958

Eine weitere FundqueUe zu den Einzelgebieten des dritten Teils sind die in
der Schriftenreihe "Die Verwaltung" (Herausgeber: Friedrich Giese, 1950 ff.)
eilithaltenen Einzeldars·teUungen zahlreicher Rechtsgebiete, ebenso ist das
Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis (Herausgeber: Hans
Peters, 1956 -1959) über das Kommunalrecht hinaus Fundquelle' für zahl-
reiche andere Gebiete des Verwaltungsrechts,. Schließlich wird noch auf die
Bibliographie zum öffentlichen Recht (Herausgeber: H. Schneider, 1960) hin-
gewiesen, die allerdings' in erste'r Linie für ausländische Interessenten ge-
dacht ist und nur Hinweise auf die wichtigsten Buchveröffentlichungen (z. T.
auch ältere Literatur} enthält.
Zahlreiche wichtige Veröffentlichungen sind in den Fachzeits'chriften (NJW,
JZ, MDR, DöV, DVBl. usw.) enthalten.
Abkürzungsverzeichnis

Abs. Abs,atz
ADHGB Allgemeines Deutsches HandelS:gesetzbuch
ADWO Allgemeine Deutsche Wechselordnung
AG Aktiengesellsdlaft
allg. allgeme,ine(s-j
ALR Allgemeines Landrecht
Änd.Ges. Änderungsgese,tz
Art. Artikel
Aufl. Auflage

Bd. Band
bezw. beziehungsweise
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGH Bundesgerimtshof
BVerfG Bundesverfas'sungs'gericht
BVerwGE Entsche'idungen des' Bundesverwaltungsgerichts

DBG Deutsches Beamtengesetz


DGO Deutsche Gemeindeordnung
d.h. das heißt
d.i. das ist
d. J. dieses Jahres
d.ö.R. des öffentlichen Rechts
DVO/DurchfVO Durchführungsverordnung

EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch


e. G.m. b.H. eingetragene Genossenschaft mit beschränkter
Haftpflicht
ehern. ehemals, ehemalige(r)
EinlPrALR Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht
einschl. einschließlich
Entsch. Entscheidung
EStG Einkommensteuergesetz
etc. et cetera
ev. evangelisch
Evangel. Evangelium
EWG Energiewirtschaftsgesetz

ff. und folgende


FreiwGerG Gesetz über di'e freiwillige Gerichtsbarkeit
190 Abkürzungsoerzeimnis

G./Ges. Gesetz
GBO Grundbuchordnung
GenG Genossenschaftsges'etz
GG Grundge,s'etz
G.m.b.H. Gesellschaft mit besduänkter Haftung
GS Preußische Gesetzsammlung
G.Ü. Gesetz über .. .
G.v. Gesetz vom .. .
GVBl.NW Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land
Nordrhein-Westfalen
GVG Gerichbverfassungsgesetz

HGB Handelsges'etzbuch
HO Handwerksordnung

i. d. F. in der Fassung
i. e. S. im engeren Sinne
insbes. insbesondere
i. S. im Sinne
i. Verb. in Verbindung
i. w. S. im weiteren Sinne

jur. juristisch( e)
JWG Jugendwohlfahrts'gesetz
JZ Juristenzeitung

Kap. Kapitel
KG Kommanditges'ellschaft
KGaA Kommanditges,ellsmaft auf Aktien
kgl. königlich
KO Konkursordnung

n.F. neuer Fassung


NJW Neue Juristische Wochenschrift
nordrh.-westf. nordrhein-westfälisch( es]
NotVO Notverordnung
Nr. Nummer
NS Nationalsozialismus
ns nationalsozialistism(e)
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

OBG Oberstes Bunde'sgericht


OVG Oberverwaltungsgericht

PrALR Preußische,s Allgemeines Landrecht


preuß. preußisch( er)
Abkürzungsoerzeichnis 191

RAO Reichs,abgabenordnung
RG Reichsgericht (auch Reichsgesetz)
RGBl. Reichsgesetzblatt
RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RVerf Reichsverfassung
RVO Reichsversicherungsordnung

S. Seite
Samml. Sammlung
sog. sogenannt( er)
StAnpG Steueranpassungsgesetz
StGB Strafge'setzbuch
StPO Strafprozeßordnung
StVG Straßenverkehrsgesetz

Tit. Titel

u. a. unter anderem
u. ä. und ähnlich(e)
u.a.m. und andere mehr
ü. d. über das
UN United Nations
usw. und so weiter

Verf. Verfassung
vgl. vergleiche
VO Verordnung

weltl. weltlich( er)

z.B. zum Beispiel


Ziff. Ziffer
ZPO Zivilprozeßordnung
z. T. zum Teil
Stiehwortverzeichnis

Abgaben 133 Beleidigung 141


Adel 42 BergreCht 120, 180
Agere in fraudem legis 52 BeriChtigungspfliCht des Gesetzgebers
AkademisChe Freiheit 107 25, 35, 54
AkkusatorisChe Form 144 BerufsreCht der Gesundheitsberufe 112
AktienreCht 165 - der ReChtspflegeberufe 75
AktienreChtsreform 170 - des Handels 120
Allgemeines StaatsreCht 75, 78 - des Handwerks 120
Allgemeines VerwaltungsreCht 75, Berufung 145, 150
92 ff. BesatzungsreCht 47, 48, 122
Allgemeiner Teil des BGB 76, 157, 158 Besatzungsregime 169
Allzuständigkeit 100 Besonderes Staatsremt 75, 79
Amt, Ämter 100 Besonderes VerwaltungsreCht 75, 83,
a maiore ad minus 50 102 ff.
a minore ad maius 50 Besitz 159
Analogie 49, 138 BetriebsverfassungsreCht 91
AnspruCh 21 Betrug 141
Anstalten d. ö. R. 101, 102 Binnenschiffahrt 126
Anwaltszwang 147 Bundesbahn 126
ArbeitsreCht 75, 89 ff. Bundespost 126
ArbeitsreCht des öffentl. Dienstes 96, Bundeskompetenz 41
98 Bundeseigene Verwaltung 93
ArbeitssChutzreCht 91 BundesreCht briCht LandesreCht 41
ArbeitsvertragsreCht 90 Bundesstaat 41
Argumentum ad absurdum 50 BürgerliChes GesetzbuCh, Entstehungs-
- e contrario 50 gesChiChte 156
- a fortiori 50 BürgerliChes ReCht 76, 156, 157
Arten der ReChte 21, 22 Bürgermeisterverfassung 99
Audiator et altera pars 148
Aufgaben des ReChts und der Code civil 156
ReChtswissensChaft 58, 59, 171 Corpus iuris canonici 155
Auslegung von ReChtssätzen 47, 48 Corpus iuris civilis 155
AusnahmegeriChte 143
Aussagenormen 17, 18 Derogation 38, 47
Ausübung der ReChte 22 Determinismus 11
Autonomie 42, 100, 107 Diebstahl 141
Autonome Satzungen 42, 52, 100, 108 Dreigleisigkeit der Gemeindever-
Autorität des ReChts 23 ff., 38 fassung 99
Duell 32, 141
Bank- und Börsenrecht 121
BaureCht 115, 116 EChtheit von ReChtsvorsChriften 46
BeamtenreCht 96 ff. Ehegesetz 161
-, Delikte 98, 140 EhereCht 160, 161
-, PfliChten 97 Eigentum 159
Befähigungsnormen 20, 21 EisenbahnreCht 125
Befehlsnormen 17, 19, 20 EnergiewirtsmaftsreCht 121
Befugnisnormen 22, 23 ErbreCht 162
BereChtigungsnormen 21, 22 ErfinderreCht 160
194 Sticbroortverzeicbnis

Ermittlungsverfahren 144 Gewohnheitsredtt 24, 36 ff., 47


Erpressung 141 -, Derogationswirkung des 37
Erwadtsenenbildung 108 -, Verbot der Bildung von 37
Exekutive 52 -, Voraussetzungen der Bildung von 37
Extensive Interpretation 48 - im Kirdtenredtt 37
Exterritorialität 139 - im Privatredtt 36
- im Prozeßredtt 36
Fahrlässigkeit 138 - im Staatsredtt 36, 79
Familienredtt 160, 161 - im Verwaltungsredtt 36
Fernmelderedtt 126 - im Völkerredtt 37, 87
Fernsehredtt 109, 110 Gleidtberedttigungsgesetz 161
Feuersdtutzredtt 117 Gleidtgesdtledttlidter Verkehr 25
Fiktionen 45 Grundbudtwesen 153
Filmredtt 109 Grüner Plan 128, 129
Finanzausgleidt 134 Gute Sitten 30
Finanzhoheit 100
Finanzkontrolle 81, 134
Finanzredtt 133 Habilitationsredtt 108
Finanzverfassung 134 Handelsgesellschaften 164, 165
Fisdtereiredtt 130 Handelsredtt 76, 163 ff.
Formalgeltung 25 -, Begriff 163
Forstredtt 129 -, Entstehungsgeschichte 163
Freiheit 11 Handlungsfähigkeit 21
Freiwillige Geridttsbarkeit 75, 152 ff. Handwerksordnung 120
Fürsorgeredtt 112, 113 Hauptverfahren 144
Historisdte Schule 34
Hochschulredtt 106
Gebiete des öffentlidten Redtts Hochverrat 140
(Obersidtt) 75
Gebiete des Privatredtts
(Obersidtt) 76 Idealkonkurrenz 139
Gebietskörpersdtaften 100, 101 Indeterminismus 11
Gemeinredtt für alle 76 Individualinteresse 9, 71
Genossensdtaften 9, 165 Induktion 50
Genußtrieb 26 Inquisitionsprinzip 144
Geredttigkeit 25 Internationales Recht 45
Geridtte 13, 14, 75, 142, 143, 146, 147, Internationale Kollisionsnormen 46
152, 153 Internationale Verbände 10
Geridttsverfassung 146 Interpretation 47 ff.
Gesamtredttsfähigkeit 9 Iura reservata exclusiva 106
Gesdtäftsfähigkeit 21, 157 Ius 17
Geselligkeitstrieb 11, 26 - aequum 53
Gesellsdtaften 9, 164 ff. - civile 163
Gesetz - cogens 51, 73
-, Begriff 40 - dispositivum 51, 73
-, formelles 40 - divinum 34
-, materielles 40 - doctorandi 106
Gesetzgebende Faktoren 40, 52 - gentium 163
Gesetzgebung 40 ff. - humanum 34
Gesetzgebung und Regierung 75 - naturale 33
Gesetzgebungskompetenz 41 - non scriptum 36
Gesundheitsredtt 110 ff. - positivum 33
Gewährungsnormen 17 - publicum 73
Gewaltverhältnis 10 - scriptum 38
Gewerberedtt 119, 120 - strictum 53
Stichroortverzeimnis 195

Jagdrecht 130 Magistratsverfassung 98, 99


Jugendhilfe und Jugendwohlfahrt 115 Meineid 140
Juristische Personen 9, 10, 101, 102, Menschenrecht 34
157, 165 Mensur 32, 141
Juristenmonopol 170 Methoden der Forschung und Lehre
Justitium 169 80, 83, 86, 88, 92, 141
Justiz 53 Methoden der Rechtswissenschaft
Justizrecht 136 ff. 59 ff.
Moral 29, 30, 31
Kartellrecht 123 Mord 140
Katastrophenschutz 118
Kaufmannsbegriff 164
Kirche 10, 15, 83 Nachgiebiges Recht 73
Kirchenrecht 63 ff. Nachlaßwesen 154
Kirchenrechtsgeschichte 84 Nationale Kollisionsnormen 46
Kirchenverfassung 85 Naturgesetze 10
Kirchliche Gesetzgebung 42, 43 Naturrecht 33 ff.
Kirchliche Verwaltung 85 -, Begriff 33
Kirche und Staat 85 - und Gerichte 36, 54
Kodifikation 40 - und Menschenrechte 34, 35
Kollisionsnormen 45 - und Notrecht 34
Kommunalrecht 98 ff. - und Rechtspositivismus 34
Kommunales Wirtschaftsrecht 100, 123 - und staatliche Rechtsetzung 35
Kommunales Abgabenrecht 101, 135 - und Vernunftrecht 35
Kommunalbeamtenrecht 96, 101 - und Völkerrecht 34
Konkordat 43, 85 Naturrechtliche Grundsätze als
Konkurs 151, 152 positives Recht 36
Konsularrecht 135 Naturrechtliche Schule 33, 34
Konvention 31 -, Theorie 33
Körperverletzung 141 -, Praxis 34
Körperschaften d. ö. R. 101, 102 -, Kritik 35
Kriegsfolgenhilfe 113 Naturschutz 132
Kultur- und Geistesleben 104 ff. Nichtgebietskörperschaften 101
Notstand 139
Notwehr 138
Land, Länder 10, 79 Nullum crimen sine lege 49, 137
Landesverrat 140 Nulla poena sine lege 49, 137
Landesverteidigung 135, 136
Landkreise 100
Landschaftsverbände 100 Oberstes Bundesgericht 147
Landwirtschaftsrecht 128, 129 Oberste Staatsorgane 52
Legaldefinitionen 18 Observanz 37
Legalinterpretation 49 Öffentlicher Dienst 95 ff.
Legislativorgane 40, 52 öffentliches Recht 75, 77 ff.
Lex (Leges) öffentliches Recht und Privatrecht 15,
- perfectae 23 70 ff.
- perfectissimae 23 ÖffentI.-rechtI. Anstalten 10, 102
- minus quam perfectae 24 ÖffentI.-rechtI. Körperschaften 10, 101
- imperfectae 24 ÖffentI.-rechtl. Stiftungen 10, 102
- posterior derogat priori 38 Öffent!. Verbände 10
- superior derogat inferiori 38, 41 Offizialbetrieb 144
- specialis derogat generali 46 Ordnungsbehörden 103
Luftverkehrsrecht 127, 128 Ordnungsbetrieb 27
Lüd<en 49 Organisationsgewalt 93
Lüd<enausfüllung 50 Organisationsvorschriften 18, 19
196 Stichroortoerzeidmis

Parteifähigkeit 21, 147 Remtsabgrenzung 26 ff.


Patentgerimt 75 Remtsanlaß 10
Patentremt 76, 160 Remtsanwendung 11, 12, 43 ff., 51 ff.
Personalhoheit 100 Remtsbedürfnis 10, 37
Personenremtlimes Sein 12 Rechtsbefugnis 17
Personenstandsgesetz 153 Remtsbegriff 17
Personenstandswesen 153 Remtsbildung 24, 36
Pflimtprüfung der Wirtsmaftsbetriebe Remtserkenntnisquellen 39
der öffentlimen Hand 101, 123 Remtsentstehung 32 ff., 36
Politisme Verbremen 140 Remtserheblimkeit 12, 44
Polizeiremt 102 ff. Remtsfähigkeit 9, 11, 20, 21, 147
Polizeigesetze des Bundes 103 Remtsgesetze 10
Polizeigesetze der Länder 104 Remtshängigkeit 148
Post- und Fernmelderemt 126 Remtsideale 25
Praesumtio iuris 44 Remtsinhalt 17
Praesumtio iuris et de iure 44 Remtskunst 55
Preis re mt 122, 123 Remtslehrer 12
Presseremt 108 Remtsmittel 145, 150
Privatremt 154 ff. Remtsmöglimkeit 10
Privatremt und öffentlimes Remt 15, Remtsnormen
70 ff., 75, 78 - als Kulturnormen 27
Privatsphäre 12 - mit Unremtsmarakter 30
Private Verbände 9 Rechtobjekte 11
Privatversimerung 78, 121, 122, 159 Remtsordnung(en) 9, 10, 11, 17 ff., 27,
Programmatisme Kundgebungen 18 38, 39
Promotionsremt 108 Remtspflege 15, 75
Prozeßleitung 149 Remtspflimt 17
Prozeßfähigkeit 21, 147 Rechtspositivismus 34
Prozeßvoraussetzungen 149 Rechtsquellen 39
Prüfung der Gültigkeit von Remtsvor- Rechtssatzungen 42, 52
smriften 46, 47 Rechtssmutz 13, 14
Remtsetzung 23, 37, 40, 42
Quaestio facti 44 - durm Exekutive 41
Quaestio iuris 44 - durm Legislative 40
Remtsetzende Staatsverträge 41
Rangfolge der Remtsnormen 38 Remtsgesmäftlime Staatsverträge 41
Ratsverfassung 99 Remtsübung 37
Raumordnung 117 Remtsverhältnis 10
Realkonkurrenz 139 Remtsvermutungen 44
Remt 17 RemtsverorJinungen 41, 52
-, deutsmes 155 Remtsvorsmriften 9, 17 ff.
-, gemeines 155 Remtswidrigkeit 138
-, römismes 154 Remtswissensmaft 55 ff.
- als Kulturersmeinung 26 - als Famwissensmaft 57
- als Kulturnorm 17, 27 - als Geisteswissensmaft 9, 56
- als System von Normen 27 - als Sonderwissensmaft 55, 56
- als Verbandsordnung 27 - und Dimtung 61
- im objektiven Sinne 17 - und Gesmimte 65, 68
- im subjektiven Sinne 17 - und Gesetzgebung 59
- und Konvention 31, 32 - und Medizin 68
- und Moral 29 ff. - und Naturwissensmaften 69
- und Religion 28, 29 - und Philosophie 63
- und Sitte 31, 32 - und Remtsphilosophie 64
- und Staat 38 ff. - und Spramwissensmaften 68
Stichroortoerzeichnis 197

Rechtswissenschaft Statutenkollision 45
- und Sozialwissenschaften 69 Steuerrecht 134, 135
- und technische Wissenschaften 69 Stiftungen d. ö. R. 101, 102
- und Theologie 67 Stiftungen 102, 157
- und Wirtschaftswissenschaften 66 Strafarten 139
Reflexrecht 112 Strafausschließungsgründe 138
Regierung und Vollziehung 52 Strafbehörden 142
Registerwesen 153 Straffestsetzung 139
Republik 78 Strafgerichte 142
Republikanische Gliedstaaten Strafprozeß 13, 141 ff.
monarchischer Bundesstaaten 39 Strafrecht 136 ff.
Revision 145 Strafrechts quellen 137
Restriktive Interpretation 49 Strafrechts reform 137, 170
Rezeption 38, 155 Strafrechts theorien 137
Römisches Recht 154 Straftatbestände 140, 141
Rüd<wirkende Kraft 45 Strafumwandlung 139
Rundfunkrecht 109, 110 Strafverfahren 144
Strafvollzug 145
Sachenrecht 159 Strafvollzugsbehörden 145
Sachenrechtliches Haben 12 Straßengesetze 124
Sched<recht 167 Straßenverkehrsrecht 125
Schiffahrt 166 Subjektives Recht 17, 112
Schuldrecht 158, 159 Subsumtion 44
Schuldverhältnis 158
Schuldrechtliches Sollen 12 Tarifverträge 42
Schulrecht 105, 106 Tatbestandsmäßigkeit 138, 141
Schußwaffengebrauch 25, 26, 95 Tatsachenvermutungen 44
Seeschiffahrt 127 Technische Hochschulen 107
Selbstverwaltungskörperschaften 10, Theaterrecht 109
15, 98, ff. Tierschutz 132
Siedlungsrecht 116 Tierzucht 132
Sitte 31
Sklaven 11
Sozialhilfe 112 übergangsrecht 45
Sozialinteresse 9, 14, 71 Umgehung des Gesetzes 52
Sozialversicherungsrecht 114 Unfreiheit 11
Sparkassenrecht 101, 121 Universalität des Wirkungskreises 100
Staat 10, 14, 15, 77 Universitäten 107
- und Kirche 85 Unwiderlegbare Vermutungen 44
- und Recht 38 ff. Unzucht 140
Staatenbund 10, 39, 78 Urheberrecht 76, 160
Staatliche Rechtsetzung 40 ff. Urkundswesen 153
Staatsangehörigkeit 78 Urteilsnormen 18
Staatsanwaltschaft 143, 147 Usualinterpretation 49
Staats elemente 78
Staatslehre 78 Veraltete Vorschriften 25
Staats funktionen 78 Verbands ordnung 27
Staatsorgane 78 Vereine 9, 157
Staatsordnung als Rechtsordnung 38 Verfahrensgrundsätze 144, 148
Staatsverträge 41 Verfassung 14
Staatsrecht 77 ff. Verfassungsrecht 14, 75, 77 ff.
-, allgemeines 75, 78 Verfassungsgeschichte 78
-, besonderes 75, 79 Verfassungs- und Verfahrensrecht der
-, ausländisches 79 Gerichte (übersicht) 75
198 Stichroortoerzeichnis

Verfassungsmäßigkeit von Remts- Völkerrechts ordnung 15


vorsmriften 47 Völkerremtsorganisation 87, 88
- von Bundesremt 41 Völkerremtlime Verträge 43
Verfassungsgerimtsbarkeit 14, 75 Vollstreckung 150
Vergleimsverfahren 152 Vormundsmaft 161
Verkehrs re mt 124 ff. Vormundsmaftswesen 153
Verkehrssitte 32 Vorsatz 138
Vermutung der Länderzuständigkeit 93 Voruntersuchung 144
Versmiedenheit des Landesremts in
einzelnen Landesteilen 39 Wahl re mt 17, 75, 78
Versorgungsremt 113 Wahlpflimt 17
Verwaltung 14, 52, 75, 80 Wasserrecht 131
Verwaltungsorganisation 93 Währungs recht 122
VerwaItungsprozeß 13, 14, 75
Verwaltungsremt 14, 15, 75, 81 ff., Wechselrecht 166
92 ff. Wegerecht 124
-, allgemeines 75, 82, 92, ff. Wehrpflimt 75, 135, 136
-, besonderes 75, 83, 102 ff. Weltraumrecht 76
-, deutsmes 81 Wertpapierrecht 76
- als konkretisiertes Verfassungsremt Widerlegbare Vermutungen 44
169 Widerstandsremt 25
- der auswärtigen Verwaltung 75, 135 Wiederaufnahme 145
- der Landesverteidigung 75, 135 Willensfreiheit 11
Wirtsmaftliche Betätigung der
Verwaltungsakademien 108 öffentlimen Hand 123
Verwaltungsaufbau 82 Wirtsmaftsremt 66, 118 ff.
VerwaItungsfunktionen 82 Wohnungsrecht 116
Verwaltungsmittel 82 Wissensmaft 104, 106
Verwaltungsremtsgeschimte 82
Verwaltungs reformen 94
Verwaltungssmulen 106 Zeitablauf von Rechtsvorsmriften 47
Verwaltungsverfahren 94 Ziviler Bevölkerungssmutz 118
Verwaltungsverordnungen 41, 81 Zivilgerimte 146, 147
Verwaltungsvollstreckung 95 Zivilprozeß 13, 146 ff.
Verwaltungszwangsverfahren 94,95 Zurechnungsfähigkeit 138
Verwaltungswissenschaften 81, 82 Zwangsvollstreckung 94, 95, 150, 151
Verwandtsmaftsremt 161 Zweigleisigkeit der Gemeinde-
Veterinärremt 132 verfassung 99
Völkerrecht 15, 43, 75, 86 ff. Zweckmäßigkeit 25
- und nationales Remt 46 Zweckverbände 100
Völkerremtsgemeinsmaft 15, 87 Zwingendes Recht 73

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