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A. J. B.

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KOHLHAMMER
A. J. B. HIGGINS

MENSCHENSOHN-STUDIEN
Menschensohn-Studien

FRANZ DELITZSCH-VORLESUNGEN 1961

von

A. J. B. HIGGINS

W. KOHLHAMMER VERLAG
STUTTGART BERLIN KÖLN MAINZ
Franz Delitzsch-Vorlesungen
an der Universität Münster
herausgegeben von Karl Heinrich Rengstorf

Franz Delitzsch
(:18:13-:1890)

hat es sich in einem langen und reichgesegneten Leben als Gelehrter und als
unvergessener Lehrer der Kirche im besonderen zum Ziel gesetzt, der wahr-
heitsgemäßen Kenntnis des Judent{!ms unter den Christen und der wahrheits-
gemäßen Kenntnis des Christentums unter den Juden zu dienen. Um dieses
Zieles willen begründete er :1886 in Leipzig das später nach ihm benannte
Institutum Judaicum, das jetzt in Münster (Westf.) arbeitet.

Die jährlichen Franz Delitzsch-Vorlesungen


sind dazu bestimmt, in Verbindung mit dem Institutum Judaicum Delit:zi-
schianum das Anliegen Delitzschs auch in einer breiteren Öffentlichkeit
lebendig zu erhalten und fruchtbar zu machen.

Alle Rechte vorbehalten


© 1.965W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Drude Verlag und Druckerei Manz AG, Dillingen/Donau, 1.965
7:11.07
Vorwort

Seit diese Vorlesungen gehalten wurden, sind zum gleichen Thema mehrere wich-
tige Arbeiten erschienen. Auf einige konnte ich in den Anmerkungen eingehen,
darunter auf das ausgezeichnete Buch von F. Hahn, Christologische Hoheitstitel
(:196J). Die Nachträge am Schluß der Arbeit beschäftigen sich mit einschlägigen
Artikeln, die nach dem Beginn des Druckes erschienen sind.
Für mancherlei Hilfe bei der Herstellung des deutschen Textes und bei der Kor-
rektur habe ich dem Herausgeber Professor D. Karl Heinrich Rengstorf und seinem
Assistenten Pastor Arnulf Baumann zu danken. Das Stellen- und das Autoren-
register wurden freundlicherweise von stud. theol. Gerold Halm in Münster her-
gestellt.

Leeds, Juli :1965 A. J. B. Higgins


Inhalt

Vorwort ... 5
Vorbemerkung 7

1. Die Menschensohn-Christologie außerhalb des vierten Evangeliums 9


1. Die synoptischen Evangelien 9
2. Andere Stellen im Neuen Testament . 11

a) Stellen mit der Form „Menschensohn" 11


Anhang: Der nachneutestamentliche Menschensohn 16
b) Stellen mit der Form Mensch"
11 17
II. Der Menschensohn im vierten Evangelium 21

1. Sprüche synoptischer Art . .


2. Sprüche nicht-synoptischer Art

III. Schlußfolgerungen 49
IV. Nachträge 52
Register
1. Abkürzungen 55
2. Bibelstellen 55
3. Außerkanonisches Schrifttum . 57
4. Autoren ........ . 57
Vorbemerkung

Diese Arbeit hat den Menschensohn im vierten Evangelium zum Gegenstand, und
zwar sowohl unmittelbar wie mittelbar. Das Hauptmotiv in den Menschensohn-
sprüchen dieses Evangeliums ist die Erhöhung und Verherrlichung des Menschen-
sohnes. Nach E. Schweizer ist das Typische bei Johannes, daß der auf Erden wir-
kende Menschensohn im Brennpunkt des Interesses steht. Schweizer schreibt 1 :
„Wieder fragt sich, ob nicht diese in vielem schon fortgeschrittene, aber selbständige
Tradition ein neuer Hinweis darauf ist, daß der auf Erden wandelnde Menschensohn,
der einst erhöht werden und im Gericht auftreten wird, seine letzte Wurzel in der
Verkündigung Jesu hat."
Für Schweizer sind diejenigen synoptischen Menschensohnsprüche authentisch, die
sich auf Jesu Tätigkeit auf Erden beziehen. Die johanneische Überlieferung bestätigt
nach ihm die ursprüngliche Verknüpfung des Menschensohnes mit der Erhöhung.
Das beinahe gänzliche Fehlen dieser Auffassung in den synoptischen Evangelien
erkläre sich daraus, daß sie durch andere Auffassungen ersetzt worden sei, die das
vierte Evangelium (und die ausschlaggebende Stelle in Apg. 7, 56) nicht so beeinflußt
hätten wie Mk. 14, 62, wo gleichfalls nur die Erhöhung Jesu als Menschensohn be-
schrieben wird. Schweizer führt als analogen Fall an, daß die ursprüngliche Form
der Auferstehungsgeschichten, wie sie in 1. Kor. 15, 5 ff. vorliege, aus der syn-
optischen Oberlieferung so gut wie verschwunden sei. Die Erscheinungen vor Jakobus
und den fünfhundert Brüdern seien nicht mehr erwähnt, während jene vor den
Zwölf und die vor allen Aposteln, obwohl noch erkennbar, drastisch umgestaltet
worden seien. Der Grund dafür sei, daß der ursprüngliche Glaube an das Oster-
geschehen als Erhöhung Jesu zur Herrlichkeit im Interesse einer dramatischeren und
eingehenderen Darstellung unterdrückt wurde. Die ausführlichen Weissagungen
über Passion und Auferstehung hätten die Erwähnung der Erniedrigung, der Ver-
werfung, der Verurteilung zum Tode und der endgültigen Rechtfertigung verdrängt.
Nun ist es zwar richtig, daß das vierte Evangelium die synoptischen Evangelien be-
stätigt; aber es ist doch wohl nicht ganz so, wie Schweizer denkt. Meine eigene Be-

1 Menschensohn, 20.3.

7
urteilung der Menschensohnsprüche in den synoptischen Evangelien unterscheidet
sich beträchtlich von der seinen.
Die Bedeutung des Menschensohnes bei Johannes ist auch von 0. Cullmann 2 er.,.
örtert worden. Er mißt der Tatsache große Bedeutung bei, daß - obwohl die Be-
zeichnung „Menschensohn" bei den Synoptikern dreimal so häufig vorkommt wie
bei Johannes (Parallelstellen nicht mitgezählt) - sie bei Johannes viel gewichtiger ist
als bei den Synoptikern. Letztere wiederholten nur Jesu eigene Worte, wie sie in der
Oberlieferung stehen. Bei Johannes aber sei „Menschensohn" eine wahre und echte
Christologie, wie durch den Gebrauch dieses Wortes an entscheidenden Stellen be-
wiesen werde 3, und sie übertreffe an Bedeutung sogar die Logos-Christologie. Cull-
mann schreibt über Johannes: ,,Daß er, wie die Synoptiker, die Übersetzung utoi;1:oü
avitQroJtouund nicht das einfache &vitQcoJtoi;wählt, wie Paulus es tut, weist anderer-
seits darauf hin, daß er an diesem Punkte wenigstens eine mit den Synoptikern
gemeinsame Tradition kennt, die das im technischen Sinn gebrauchte bar nascha auf
diese besondere Weise durch die griechische Übersetzung vom allgemeinen Sinn zu
unterscheiden trachtet."
Genügt es aber, daraus zu folgern, was sicher stimmt, daß der Menschensohn die
„christologische Grundauffassung" 4 des vierten Evangelisten ist? Ist der Unterschied
zwischen Johannes und den Synoptikern im großen und ganzen der gleiche wie der
zwischen der Interpretation einer Auffassung in der von Jesus stammenden Tradition
auf der einen Seite und der Erhaltung der Tradition auf der anderen? Oder sind diese
Faktoren auch umgekehrt anwendbar? Das ist die Frage, die nun behandelt werden
soll.

2 Christologie, 186-193.
a Ebd. :190. über die Gedankenverbindung: esoterischer Judaismus - Jesus - Hellenisten -
viertes Evangelium, siehe Cullmann in Expository Tirnes 7:1 (1959), 8-:12; 39-43.
4 Christologie, 192. Bornkamm, Jesus von Nazareth 2 (1957), :161, meint, daß er bei Jo-

hannes sowohl christologisch wie historisch im Hintergrund bleibt.

8
1. DIE MENSCHENSOHN-CHRISTOLOGIE
AUSSERHALB DES VIERTEN EVANGELIUMS

1. Die synoptischen Evangelien

Welche Stellung man auch in bezug auf die synoptischen Menschensohn-Sprüche


einnehmen mag 1 - einige unter ihnen sind sicher sekundär, d. h. Gemeindebildungen.
Dabei geht es manchmal um christologisches, begrifflich auf den Menschensohn be-
zogenes Denken und nicht nur darum, daß die Bezeichnung lediglich als Ersatzname
für Jesus eingesetzt wird, was seine Berechtigung darin findet, daß Jesus sie für sich
selbst gebraucht hat. Es ist unlogisch 1a, in Verbindung mit der Annahme, daß das
Urchristentum keine Menschensohn-Christologie hatte, weiter anzunehmen, daß
diese Bezeichnung Jesus nicht hätte zugeschrieben werden können, es sei denn, er
habe sie für sich selbst gebraucht. Es gibt andere Möglichkeiten der Erklärung,
darunter auch diejenige, daß Jesus diese Benennung zwar gebraucht, sich jedoch nicht
eindeutig auch selbst mit dem Menschensohn identifiziert habe. Die nachösterliche
Gemeinde wäre dann durch Jesu eigenen Gebrauch des Terminus auf diese Christo-
logie gebracht worden, obwohl er ihn nicht unmittelbar auf sich selbst angewandt
hätte, ähnlich wie die Gottessohn-Christologie aus seinem Bewußtsein von Gott dem
Vater entstand, ohne daß er sich selbst jemals Sohn oder Sohn Gottes nannte.
In den synoptischen Evangelien geht es nicht nur darum, daß „Menschensohn" zu
einem anderen Namen für Jesus wird, wie es z.B. in Mt. 1.6,1.3 der Fall ist, wo es
sich notwendigerweise um einen anderen Ausdruck: für die erste Person Singularis

1 Siehe T. W. Manson, The Teaching of Jesus2 (1935), und „The Son of Man in Daniel,
Enoch and the Gospels", Studies in the Gospels and Epistles, herausgegeben von M. Bladt
(1962), 123-145; meinen Aufsatz, ,,Son of Man-Forschung since ,The Teaching of Jesus"',
New Testament Essays: Studies in Memory of T. W. Manson, herausgegeben von A. J. B.
Higgins (1959), 119-135; E. Sjöberg, Der verborgene Menschensohn in den Evangelien
(1955); Cullmann, Christologie, 138-198; Ph. Vielhauer, ,,Gottesreich und Menschensohn
in der Verkündigung Jesu", Festschrift für Günther Dehn, herausgegeben von W. Schnee-
melcher (1957), 51-79, und seinen Aufsatz in Zeitschrift für Theologie und Kirche 60
(1963), 133-177; Schweizer, Menschensohn, auch „The Son of Man", JBL 79 (1960),
119-129; Erniedrigung und Erhöhung bei Jesus und seinen Nachfolgern 2 (1962), 33-52,
65-71; ,,The Son of Man again", New Testament Studies 9 (1963), 256-261; H. E. Tödt,
Der Menschensohn in der synoptischen Überlieferung (1959); F. Hahn, Christologische
Hoheitstitel (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testamentes
83, 1963); mein Buch, Jesus and the Son of Man (1964).
1a Siehe dazu J.M. Robinson, A New Quest of the Historical Jesus (1959), 102 f.

9
handeln muß, weil Mt. 1.6, 1.5 Jesu Frage „Wer sagt denn ihr, daß ich sei?" Mk. 8, 29
genau wiedergibt. Diese Frage läßt sich nicht als Beweis dafür anführen, daß Jesus
den Begriff Menschensohn auf sich selbst angewandt hat. In der ersten Prophezeiung
der Passion läßt Matthäus zudem jede Erwähnung des Menschensohnes beiseite
(Mt. 1.6, 21.; Mk. 8, 31.).
Daß der Titel Menschensohn aber auch christologisch verstanden wurde und nicht
nur als bloßer Ersatz für „ich", erweist sich an seiner Verwendung in Parallelen zu
Stellen bei Markus, wo er fehlt. Mk. 9, 1. lautet: ,,Wahrlich, ich sage euch: Es stehen
etliche hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis daß sie sehen das Reich Gottes
mit Kraft kommen"; dafür steht bei Matthäus (1.6, 28): ,,Wahrlich, ich sage euch:
Es stehen etliche hier, die nicht schmecken werden den Tod, bis daß sie des Menschen
Sohn kommen sehen in seinem Reich". Jesus hat sich nicht für den Menschensohn
ausgegeben, sondern das Reich Gottes verkündigt. Wiederum ist es Matthäus, der
mit dem Hinweis auf das nahende Passa eine Andeutung der bevorstehenden Kreu-
zigung des Menschensohnes verbindet (Mt. 26, 2; Mk. 1.4, 1.). Er schafft somit eine
Aussage Jesu, die sich bei Markus nicht findet. Auf der anderen Seite lautet Lk.
6, 22 (Q), die letzte Seligpreisung: ,,Selig seid ihr, so euch die Menschen hassen
und absondern und euch schelten und euren Namen als einen bösen verwerfen um
des Menschensohnes willen." Mt. 5, 1.1. heißt es: ,,Selig, seid ihr, wenn euch die Men-
schen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles wider euch,
so sie daran lügen." Daß Lukas, ebenso wie Matthäus, an der Menschensohn-Christo-
logie Interesse hat, wird auch durch den unabhängigen Spruch Lk. 24, 7 bewiesen.
Hier zeigt sich, daß in mehr als einem Kreis „Menschensohn" als christologischer
Ausdruck und nicht bloß als eine Bezeichnung für Jesus verstanden wurde. Trotz-
dem ist es Matthäus, der eine besondere Vorliebe für den Ausdruck hat. Ich möchte
hier vor allem auf die Konzeptionen des Matthäus von den Engeln des Menschen-
sohnes (1.3, 41.; 1.6, 27; 24, 31.) 2, vom Reich des Menschensohnes (1.3, 41.; 1.6, 28)
und vom Throne des Menschensohnes (1.9, 28; 25, 31.) hinweisen. Die letzte kann
man begreifen als Versuch einer Übertragung der Stelle im .Kerygma, die sich auf
die Erfüllung des Versprechens an David in der Auferstehung Christi bezieht, in den
Begriffsbereich der Erhöhung des Menschensohnes (Apg. 2, 30) 3 . Aber unter dem
Einfluß der zeitgenössischen jüdischen Vorstellungen, welche uns aus dem 1.. Henoch-
buch bekannt sind 4, ist bei Matthäus diese Konzeption besonders mit der von der

2 Die Parallelen zu den beiden letzten Stellen (Mk. 8,.38; Lk. 9,26 und Mk. 1.3,27) haben
,,Engel", auch Mt. 25, .31.
3 Vgl. die weitreichende christologische Anwendung von Ps. 110, 1 im Neuen Testament:
Apg. 2, 24 f.; Hehr. 1, 1.3usw.
4 Zum Thron des Menschensohnes vgl. 1. Hen. 69, 27. 29; 62, 5, des Erwählten 45, .3; 55, 4;
61, 8; 62, 2. 3. Das Reich des Menschensohnes ist leicht ableitbar von Dan. 7, 1.3 f.; aber

1.0
Funktion des Menschensohnes als eschatologischer Richter verbunden worden.
Matthäus' christologischer Gebrauch des Terminus „Menschensohn" ist am deut-
lichsten in der Beschreibung des jüngsten Gerichts (Mt. 25, 31. ff.) zu erkennen, wo
die beiden Gruppen derjenigen, die gerichtet werden, den Menschensohn als Herrn
erkennen (25, 37. 44) 5 , wie es im frühen christlichen Bekenntnis zur Herrschaft
Christi der Fall war.

2. Andere Stellen im Neuen Testament

a) Stellen mit der Form „Menschensohn°


aa) Zunächst bedarf unserer Aufmerksamkeit ein Satz aus dem Bericht über das
Stephanus-Martyrium, Apg. 7, 56: ,,Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Men-
schensohn zur Rechten Gottes stehen." Dieser Satz bildet das einzige Beispiel für das
Vorkommen des Menschensohn-Titels im Neuen Testament außerhalb der Evange-
lien im Munde eines anderen als Jesus selbst, noch dazu in seiner vollen Form oULO\;
'tOU &vO(lro:rtou.
Was ist zu ihm zu sagen?
E. Lohmeyer 6 hat für die Menschensohn-Christologie galiläischen Ursprung postu-
liert. Dieser These ist widersprochen worden, weil der Menschensohn-Titel (oder der
Kyrios-Name) keine andere Christologie impliziere als die des Messias, die Loh-
meyer doch der Jerusalemer Gemeinde zuweist 7, und weil sich Christologien über-
haupt nicht geographisch differenzieren lassen 8 • 0. Cullmann nimmt an, die Stelle
Apg. 7, 56 sei nicht nur aus dem Grunde wichtig, weil Stephanus den Ausdruck
Menschensohn wirklich gebraucht haben mag, sondern auch, weil er ein Hellenist
war 9. Die Hellenisten hatten nach ihm die gleiche Denkweise wie Jesus, der selbst die
Quelle dieser Christologie sei, insofern er den Ausdruck für sich selbst gebrauche.
Es handelt sich hier um eine ganze Reihe von Phänomenen, die unter sich zusammen-
hängen, wie esoterisches Judentum (1.. Henochbuch, die Qumran-Sekte 10), Jesus, die
Hellenisten, das vierte Evangelium, der Hebräerbrief 11• Aber da fehlt einiges. Wäh-

der Gedanke, daß der Menschensohn von Engeln begleitet ist, ist nicht jüdisch (vgl. Str.-B.
I, 973). Vgl. '.L Thess. 3, 13; 2. Thess, 1, 7.
5 Vgl. F. V. Filson, The Gospel according to St. Matthew (1960), 266-268.
6 E. Lohmeyer, Galiläa und Jerusalem (1936). Vgl. auch F. C. Grant, The Gospel of the
Kingdom (1940), 54; The Interpreter's Bible 7 (1951), 641, 849.
7 R. Buhmann, Theologie des Neuen Testaments (19,1,8),53 f.; E. Percy, Die Botschaft Jesu
(1953), 244, Anm.
8 Cullmann, Christologie, 168.
9 Ebd. 158, Anm. 3.
10 Vgl. Cullmann in: The Serails and the New Testament, hrsg. von K. Stendahl (1958),
18 ff.
11 Cullmann, Christologie, 186 ff., sowie Anm. 3 der Vorbemerkung.

1.1.
rend man nämlich mit Recht sagen kann, daß die Kritik am Tempel und an seinem
Kult und der Widerstand gegen beides alle Glieder dieser Reihe verbinden, bildet das
1. Henochbuch eine. Ausnahme. Die Qumran-Texte erwähnen den Menschensohn
überhaupt nicht.
In anderem -Zusammenhang habe ich vertreten, daß, wenn der von Stephanus er-
blickte Menschensohn zur Rechten Gottes als Fürsprecher stand, die Stelle von ganz
außergewöhnlicher Wichtigkeit sei, da sie eine explizite Formulierung der fürbitten-
den, aber nicht notwendigerweise priesterlichen Funktion des Menschensohnes ent-
halte 12• Diese Schlußfolgerung ist unabhängig von der gänzlich sekundären Frage,
ob Stephanus diesen Glauben wirklich hatte. Wenn Lukas nicht selbst für die Worte
verantwortlich ist, die Stephanus in den Mund gelegt sind, dann belegt diese Stelle
die Existenz einer Menschensohn-Christologie für eine sehr frühe Zeit 13 • Ich glaube
jedoch nicht, daß sich in Stephanus' Vision Jesu eigene Ansicht über sich selbst als
Menschensohn spiegelt, sondern daß sie mit Jesu Interpretation der Vorstellung vom
erhöhten Menschensohn als himmlischer Fürsprecher zusammenhängt, einem der
wenigen Ergebnisse seiner Beschäftigung mit diesem Thema, über das, wie an-
genommen werden darf, die synoptischen Evangelien zuverlässige Information ent-
halten. Sicherlich bringt Stephanus' Vision etwas Neues: die genaue Identifizierung
Jesu mit dem Menschensohn. Wenn der Protomärtyrer dargestellt werden sollte, als
er eine Vision des Menschensohnes hatte, so konnte es sich in dieser notwendiger-
weise nur um eine Vision des Menschensohnes in himmlischer Herrlichkeit handeln.
Es ist bedeutsam, daß das einzige neutestamentliche Beispiel für ö uto; 1:ouävOgco:rcou
außerhalb der Evangelien genau von dieser Art ist.
Gibt es nun etwa einen Zusammenhang zwischen Stephanus' Vision des Men:..
schensohnes und dem Wort Jesu Lk. 22, 69: ,,Darum von nun an wird des Menschen
Sohn sitzen zur rechten Hand der Kraft Gottes"? Angenommen, Lukas basiere hier
auf Mk. 14, 62 - ist Apg. 7, 56 von daher beeinflußt, so daß es erlaubt wäre, den
Ursprung bei Lukas zu suchen? Die eigentliche Schwierigkeit, die sich hier meldet, ist,
daß in der Apostelgeschichte der Menschensohn immer stehend, aber niemals sitzend
geschaut wird 14 • Die geläufige Erklärung, der Menschensohn erhebe sich eben, um

12 Canadian Journal of Theology 6 (1960), 209 (,,The Old Testament and Some Aspects
of New Testament Christology": 200-210; auch (in verbesserter Fassung) in Promise and
Fulfilment: Essays presented to Professor S. H. Hooke, herausgegeben von F. F. Bruce
(1963), 128-141; vgl. auch W. L. Knox, The Acts of the Apostles (1948), 77; Cullmann,
Christologie, 188. H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit (1954), 147, Anm. 2, verneint die
Möglichkeit, eine besondere Menschensohn-Christologie in Apg. 7, 56 festzustellen.
13 Vgl. Schweizer, Menschensohn, 202, Anm. 60.
14 In Vers 55 deutet der Singular „der Himmel" neben dem Plural „die Himmel" in Vers 56
auf die Möglichkeit hin, daß Lukas für die Worte Stephanus' eine semitische Quelle be-
nutzt hat (vgl. E. Haenchen, Die Apostelgeschichte 12 (1959), 243, Anm. 3.

12
seinen Zeugen zu begrüßen; reicht nicht aus 16, es sei denn, man nähme weiter an,
dies geschehe, um ihn zu rechtfertigen 16 • Man hat vermutet, daß der Menschensohn
ursprünglich überhaupt als vor Gott stehend gedacht wurde, d. h. wie·· die für-
bittenden Engel 17• Aber das ist nicht zu beweisen. Auch führt es nicht weiter, wenn
man EO"twi:a(,,stehend") auf eine Beschreibung der bloß körperlichen Stellung re-
duziert ~8 • Weiter ist vorgeschlagen worden, den Worten des Stephanus eine um-
fassendere eschatologische Bedeutung beizulegen, sofern man ihn einfach eine pro-
leptische Vision der Parusie haben ließ 19 • Jedoch kann die Stelle das Gewicht einer
solchen Auslegung nicht tragen. Es wird also dabei bleiben müssen, daß sowohl
Apg. 71 56 als auch Lk. 22, 69 der verherrlichte Menschensohn weder mit der Parusie
noch ausdrücklich mit einer fürbittenden Funktion in Beziehung steht.
Trotz gewisser Gemeinsamkeiten sollte also keine der beiden Stellen die andere
beeinflußt haben. Das fehlen jeglicher Erwähnung vom Kommen des Menschen-
sohnes in Lukas' Version von Mk. 14, 62 ist der Tatsache zuzuschreiben, daß Lukas
dazu neigt, die Eschatologie seiner Quellen abzuschwächen. Dies ist aber bei Ste-
phanus' Vision gerade nicht der Fall, und man sollte deshalb keinesfalls versuchen,
ihr eine auf die Parusie hinweisende Tendenz zuzusprechen, die sie doch nicht besitzt.
Ein solcher Hinweis fehlt also mit Recht, weil er nicht zur Sache gehört. Andererseits
ist die Auffassung vom Menschensohn als Fürbitter oder Fürsprecher vorhanden,
wenn auch implizit. Jesus sitzt nicht wie der Richter; er steht. Wie die anderen Für-
bitter, die Engel, steht er da, um seine Sache zu vertreten. Im Unterschiede zu den
Engeln, an deren Stelle er getreten ist, steht er jedoch nicht vor Gott 00, sondern zu
seiner Rechten, entsprechend dem testimonium Ps. 110, 1, und dies eben deshalb,
weil er der Menschensohn ist.
Somit besteht die Vision des Stephanus in einer Identifizierung Jesu mit dem
Menschensohn, über den Jesus selbst gesagt hatte: ,,Wer mich bekennet vor den
Menschen, den wird auch des· Menschen Sohn bekennen vor den Engeln Gottes." 21

15 Ebensowenig können wir dem Vorschlag von E. M. Sidebottom, The Christ of the Fourth
Gospel (1961), 76, zustimmen, das Stehen erkläre sich durch die Aufforderung an den
Menschensohn in Ez. 2, auf seinen Füßen zu stehen.
16 C. S. C. Williams, The Acts of the Apostles (1957), 112. Zur Rechtfertigungstheorie siehe
auch C. F. D. Moule in Studiorum Novi Testamenti Societas, Bulletin 3 (1952), 46 f.
1.7 Dan. 7, 13 LXX, xat ot nageo"tT]x6,:e~itagi'jaav a1hqi. Vgl. H. E. Tödt, Der Menschensohn
in der synoptischen Überlieferung (1959), 274.
16 C. H. Dodd, According to the Scriptures (1952), 35, Anm. 1.
19 H. P. Owen, ,,Stephen's Vision in Acts VII, 55-56", New Testament Studies 1 (1955),
224-226, meint, daß der Menschensohn hier Christus sei, der in naher Zukunft wieder-
kehren werde; daher sei er auferstanden.
20 Vgl. 1. Hen. 89, 76; 99, 3; 104, 1.
21 eµ1tgocr01wund Evromov, hier in Lk. 12, 8 f. als Synonyme gebraucht, könnten die mehr
allgemeine Bedeutung von „in Gegenwart von" haben statt von „vor". Jedenfalls ist in

13
Dies spricht gegen die Ansicht, daß Apg. 7, 56 in keinerlei Beziehung zu dem syn-
optischen Menschensohn steht 22 , obwohl der Gedanke der Parusie nicht erscheint,
weil er, wie bereits festgestellt, für die Situation ohne Belang ist. Stephanus' Vision
hat ihre Bedeutung darin, daß der Menschensohn nicht nur dargestellt wird als der
zur Rechten Gottes Erhöhte, sondern auch in der Rolle des Fürsprechers für die-
jenigen, die sich zu ihm bekennen. Dies ist der Beweis einer lebendigen Christologie.
Im übrigen besteht eine weitgehende Ähnlichkeit mit der Zukunftsvision von dem
sich öffnenden Himmel und dem Menschensohn in Joh. :1,5:1. Aber darüber wird
noch zu sprechen sein.
bb) Wir kommen nun zu Hehr. 2, 6: ,,Was ist der Mensch, daß du sein gedenkest
und des Menschen Sohn, daß du auf ihn achtest?" (vgl. Ps. 8, 5).
Es läßt sich nicht gut behaupten, daß die Menschensohn-Christologie im Hebräer-
brief ebenso beherrschend ist wie die Gottessohn-Christologie (:1, 8; 4, :14; 6, 6;
71 3; :10, 29); denn sie kommt nur einmal vor und sogar da nur in dem mitgeteilten
Zitat aus Ps. 8. Aber der Brief läßt doch hinreichend erkennen, daß sein Verfasser
mit ihr vollkommen vertraut war 23 und daß er voraussetzte, auch seine Leser wür-
den sie kennen. Selbstverständlich ist das für die richtige Beurteilung von Hehr. 2, 6
von einiger Bedeutung. Hier erscheint das dem Menschensohn gegebene Versprechen
der Herrschaft als in Jesus als dem Menschensohn (utos &vil-eco,t0u) erfüllt, in jenem
Jesus, den wir „durchs Leiden des Todes mit Preis und Ehre gekrönt" sehen. Wir
haben hier dieselbe Konzeption wie in der Vision des Stephanus vor uns: Jesu
Erhöhung als Menschensohn. Es lohnt sich im übrigen, darauf zu achten: Nicht nur
der Verfasser des Hebräerbriefes benutzt Ps. 8, um diesen Glauben auszudrücken.
Paulus bedient sich seinerseits :1. Kor. :15, 25-27 des 7. Verses des 8. Psalms (,,alles
hast du unter seine Füße getan"), indem er ihn mit dem bekannten testimonium
Ps. :1:10,:1 verbindet. Der Verfasser des Hebräerbriefes aber interpretiert den Psalm
christologisdt, wie es seiner Absicht, Christus als Menschensohn mit den Engeln zu
kontrastieren, am besten entspricht, wie er denn schon im ersten Kapitel Christus als
Gottessohn den Engeln gegenübergestellt hat 24 •
Im Hebräerbrief sind die Christologien des Gottessohnes und des Hohenpriesters
durch eine Interpretation von Ps. 2, 7 und Ps. :1:10, 4 verknüpft (Hehr. 5, 5 f.). Dabei
zeigt sich die Vorherrschaft der Gottessohn-Christologie, u. a. schon im ersten An-
fang des Briefes: ,,... hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den
Sohn" (:1, 2) sowie am ersten Zitat aus der Schrift: ,,Du bist mein Sohn, heute habe

diesem echten Logion der Gebrauch von Ps. 110, 1 durch die Kirche im Sinne von „zur
rechten Hand" nicht gegenwärtig, wie es etwa Apg. 7, 56 der Fall ist.
22 Tödt, a.a.O., 276.
23 Vgl. 0. Michel, Der Brief an die Hebräer10 (1957), 71.
24 Ober den jüdisch-messianischen Gebrauch von Ps. 8 siehe Mowinckel, 357.

:14
ich dich gezeugt" (1, 5 aus Ps. 2., 7). Man darf vermuten, daß es die Auffassung vom
Menschensohn ist, die das Verbindungsglied zwischen den beiden Christologien ab-
gibt. Gott redete eben „durch den Sohn", und der Menschensohn, der für kurze Zeit
niedriger als die Engel gewesen ist, ist daher der prä-existente Menschensohn. Die
Rolle des Menschensohnes als Fürsprecher wird zur Rolle des erhöhten Jesus als des
priesterlichen Fürbitters ausgestaltet (7, 2.5). Die Hohepriester-Christologie 25 erweist
sich so als Ergebnis des Nachdenkens über den Glauben an die Erhöhung Jesu, des
Menschensohnes, in die himmlische Welt. Indes liegt ihr eigentlicher Ursprung in
Jesu eigener Lehre über den Menschensohn als Fürsprecher 26 •
Dies alles ist ein beträchtlicher Fortschritt gegenüber Stephanus' Vision in der
Apostelgeschichte. Doch ist die gedankliche Entfaltung logisch und klar, und im
Grunde wird dasselbe betont: Der Menschensohn wird zur himmlischen Herrlichkeit
erhöht und rechtfertigt die Seinen. Obwohl der Verfasser des Hebräerbriefes die
echte Menschlichkeit Jesu unterstreicht, gebraucht er nie den Terminus „Menschen-
sohn" in diesem Zusammenhang, sondern nur, wenn er Ps. 8 zitiert, um sein Thema
„Erhöhung nach der Erniedrigung" zu veranschaulichen. Dies alles aber hat er auf
der Grundlage der Präexistenz dargelegt mit dem Ergebnis, daß sich die Vorstellung
vom Menschensohn bei ihm nicht mehr innerhalb der von den Synoptikern und auch
von Stephanus angenommenen Grenzen fassen läßt und so der johanneischen An-
schauung von dem präexistenten Menschensohn und der von dem ävltQom:o(;bei
Paulus ähnlich wird 27 •
cc) Ein drittes Vorkommen ist: Off. 1, 13; 14, 14: ,,Einen, der war eines Menschen
Sohne gleich"; ,,einer, der gleich war eines Menschen Sohn".
Beide Stellen enthalten Anspielungen auf Dan. 7, 13. Der seltsame Ausdruck
28 gleicht der Wendung ö ULO\;
Öµowv ulov &vil-Qconou i:ou &vil-Qronouin den Evangelien
und in Apg. 7, 56. Die Offenbarung behält jedoch die eigentümliche apokalyptische
Form „eines Menschen Sohne gleich" bei, die die Evangelien haben fallen lassen 29 •
Wie in der Apostelgeschichte (7, 56) wird hier der Menschensohn in einer Vision und
deshalb als in Herrlichkeit regierend (1, 13) gesehen, aber auch als Richter, der

25 Vgl. auch Joh. 17, 19; Röm. 5, 2; Eph. 2, 18; 5, 2; 1. Petr. 2, 24; 3, 18; 1. Joh. 2, 1.
26 Mehr darüber siehe in meinem in Anm. 12 erwähnten Artikel.
27 Vgl. J. Hering, L'epztre aux Hebreux (1954), 31.
28 Als exakte Reproduktion des Aramäischen erklärt von C. C. Torrey, The Apocalypse of
John (1958), 96. Die Variante utcpin einigen Manuskripten, einschließlich C in beiden
Stellen, ist offensichtlich eine Korrektur; siehe T. Holtz, Die Christologie der Apokalypse
des Johannes (Texte und Untersuchungen 85 [1962]), 118, Anm. 1.
29 R. H. Charles, The Revelation of St. John II (1920), 20; vgl. I (1920), 27. Bezüglich der
wesentlichen Übereinstimmung mit dem Menschensohn in der jüdischen Apokalypse, vgl.
Mowinckel, 358.

15
auf Erden erntet 30 • Wie in Stephanus' Vision wird dabei die Erhöhung Christi zum
Menschensohn vorausgesetzt. Dagegen werden die Erniedrigung und das Leiden,
die der Erhöhung vorausgingen, nicht mit der Gestaltdes Menschensohnes verknüpft,
eine mittelbare Verknüpfung in 1., 7 ausgenommen: ,,Siehe, er kommt mit den Wol-
ken, und es werden ihn sehen alle Augen un:d die ihn zerstochen haben, und werden
heulen al1e Geschlechter der Erde." 31 Vielmehr sind sie verknüpft mit dem geschlach-
teten Lamme, das den Sieg gewinnt. Es wäre erstaunlich gewesen, wenn der Seher
überhaupt keinen Gebrauch von dem apokalyptischen danielischen Menschensohn
gemacht hätte. Angesichts anderer naher gedanklicher und ausdrucksmäßiger .Be-
ziehungen zwischen den beiden Büchern kann allerdings die Gegenwart der Gestalt
des Menschensohnes in beiden johanneischen Schriften - in der Apokalypse und im
Evangelium - kaum zufällig sein, wie sehr sich ihr Inhalt auch unterscheidet. Sie
läßt jedenfalls ein lebendiges Interesse an der Menschensohn-Christologie als solcher
vermuten.

Anhang: Der nachneutestamentliche Menschensohn

Daß der Terminus „Menschensohn" als ausgesprochen apokalyptischer Titel er-


halten geblieben ist, ist natürlich für das jüdische Christentum zu erwarten 32 •
Anderswo verliert er dagegen fast gänzlich seinen ursprünglichen Sinn und wird
gebraucht, nicht um die Göttlichkeit Jesu, sondern um seine Menschlichkeit zu be-
schreiben 33 • So erscheint im Hebräerevangelium der auferstandene Herr dem Jako-
bus und sagt zu ihm: ,,Mein Bruder, iß dein Brot; denn der Menschensohn ist auf-
erstanden von denen, die schlafen." 34 Da es der auferstandene Christus ist, der
spricht, haben wir hier das Ergebnis einer eigenartigen Entwicklung des Sprach-
gebrauchs in den kanonischen Evangelien vor uns, in denen es der historische Jesus
ist, der den Titel gebraucht. Hier nehmen seine Worte nämlich die Form einer Er-
füllung der synoptischen Weissagungen von der Auferstehung des Menschensohnes
an. Obwohl im vierten Evangelium der irdische Jesus wie in den synoptischen Evan-
gelien formal von sich als dem Menschensohn spricht, so ist er im. vierten Evangelium
zugleich der ewige Christus, der Menschensohn, der nicht nur herabgekommen ist,

30 Offb. :14,:14ff.
31 Hinsichtlich der Verbindung von Dan. 7, :13 mit Sach. u, :ro ff. siehe Mt. 24, 30 sowie
Joh. :19,37 (Sach. u, :ro).
32 Vgl. H. J. Schoeps, Theologie und Geschichte des Judenchristentums (:1949), 78-82.
33 Vgl. H. Lietzmann, Der Menschensohn (:1896), 69-80; E. A. Abbott, Notes on New
Testament Criticism (= Diatessarica VII :1907), 2:14-229; E. Stauffer, Theologie des
Neuen Testaments 4 (:1948),Anm. 800, 838; J. M. Robinson, A New Quest of the Historical
Jesus (:1959),:ro2, Anm. 2.
34 Hieronymus, De viris illustribus 2: ,,Frater mi, comede panem tuum, quia resurrexit Filius
hominis a dormientibus."

16
sondern der auch dorthin zurückgegangen ist, von wo er gekommen ist (Joh. 3, 13).
Diese im Hebräerevangelium nicht sehr geringe Ähnlichkeit mit dem vierten Evan-
gelium ist darüber hinaus Zeichen einer Entwicklung - wenn auch auf anderem
Wege - von den kanonischen Evangelien weg in gleicher Richtung, wie sie die
allgemeine Tendenz erkennen läßt und wie sie sich darstellt in den Stellen der
Apostelgeschichte, des Hebräerbriefes und der Offenbarung, die wir untersucht
haben - eine Tendenz, die dahin führt, den Gebrauch der Menschensohn-Titulatur
immer mehr auf den auferstandenen, gerechtfertigten und erhöhten Christus ein-
zuschränken.
Eine weitere Stelle steht in dem Bericht vom Martyrium des Jakobus, der von
Hegesipp (ca. 180) überliefert worden ist 35. In seiner Antwort an die Schriftgelehrten
und Pharisäer sagt Jakobus: ,,Warum fragt ihr mich nach dem Menschensohn? Er
sitzt im Himmel zur Rechten der großen Macht, und er wird auf den Wolken des
Himmels kommen." Anscheinend hat diese Stelle Jesu Antwort an den Hohen-
priester zum Vorbild 36 und bildet zugleich ein judenchristliches Gegenstück zu der
Aussage des Stephanus. Es ist fraglich, ob hier eine echte Tradition bewahrt worden
ist. Auf jeden Fall ist die gegenwärtige Form der Geschichte auch unter Berücksichti-
gung der Passionsschilderung des Lukas zustandegekommen; denn Jakobus erbittet
in derselben Weise Verzeihung für seine Feinde wie Jesus (Lk. 23, 34). Indes handelt
es sich hier wie bei der Frage, ob Jakobus oder Stephanus oder beide wirklich eine
Menschensohn-Christologie vertreten haben, um eine Nebenfrage. Wichtig ist an
beiden Stellen, wie auch immer sie literarisch zu beurteilen sind, .lediglich, daß sie
Jakobus in den Mittelpunkt rücken und daß beide die Erhaltung der Menschensohn-
Christologie bis weit in das zweite Jahrhundert hinein bezeugen 37 •

b) Stellen mit der Form „Mensch"


Neben den Evangelisten ist Paulus der einzige neutestamentliche Autor, der eine
konsequente und gründliche Menschensohn-Christologie aufweist 38 •
Nach einer weitverbreiteten Ansicht widerspricht Paulus 1. Kor. 15, 45-49 einer
jüdischen Lehre von den beiden Adamen, die in gewissem Sinne der gleicht, die uns

as Eusebius, H. E. II, 23.


36 Mehr in der Sprache des Matthäus (Mt. 26, 64) als des Markus (Mk. 1.4,62): ex.öe;uöv
-riis µEj'llAT)Slluvaµeros ..... EJtL"tCÖV
VEcpeÄwv.
17 Vgl. M. Simon, St. Stephen and the Hellenists (1.958), 71.-74: Der Titel Menschensohn
war eine Art terminus technicus in der Urgemeinde, der den „erhöhten und eschato-
logischen Christus" beschrieb (74).
38 Siehe besonders Cullmann, Christologie, 1.69-1.86, dessen Ordnung ich bei der Behand•
lung der einzelnen Abschnitte folge. Vgl. A. M. Hunter, Paul and his Predecessors2 (1.961.)
1

86 f., der bemerkt, daß in seiner Bezugnahme auf Ps. 8, 6 in 1.. Kor. 1.5,27 „the title Son
of Man trembles on Paul' s lips".
von Philo her bekannt ist. Für Philo gibt es zwei Adame: Der in Gen. 1.,27 genannte
Adam ist der himmlische Mensch, zum Bilde Gottes geschaffen; der in Gen. 2, 7
gemeinte dagegen ist das historische erste Glied des Menschengeschlechtes und als
solches irdischen Ursprungs im Unterschied vom himmlischen Ursprung des anderen
Menschen 39 • Jedoch machte die Fleischwerdung Christi, der von Paulus als Men-
schensohn, als „der zweite Mensch vom Himmel" aufgefaßt wird, diese doppelte
Adam-Lehre für ihn vollkommen unhaltbar. Paulus sieht daher in beiden Genesis-
Stellen eine Beziehung auf den ersten Menschen. Es gibt tatsächlich auch einen zwei-
ten Menschen; er ist indes der letzte Adam (o fox,cn;o~'AMµ), der eschatologische
Menschensohn, und er kommt vom Himmel herab.
Röm. 5, 1.2 ff. ist ähnlich zu interpretieren. Obwohl Paulus den Namen Adam hier
nicht direkt auf Christus anwendet, ist Adam das Bild „dessen, der zukünftig war"
(V. 1.4). Jesus Christus als „der eine Mensch", der das Leben brachte, wird dem einen
Menschen gegenübergestellt, dessen Sünde allen den Tod eintrug (V. 1.5. 1.7).
Nun erhebt sich folgende Frage: Wenn man zugibt, daß Paulus mit der Men-
schensohn-Christologie vertraut war, jedoch die Worte „Adam" und „Mensch"
benutzte - sind dann etwa diese ersatzweisen Bezeichnungen seine eigene Erfindung?
Bei der Wahl der Terminologie in 1.. Kor. 1.51 45 ff. wurde Paulus, so könnte man
sagen, durch die jüdische Lehre bestimmt, die er zu widerlegen versuchte, und sie
spiegelt sich auch in der gerade eben besprochenen Stelle des Römerbriefes wider.
Das heißt aber nicht unbedingt, daß Paulus der erste war, der den Terminus
„Mensch" in diesem Sinne gebrauchte, und daß er ihn deshalb benutzte, weil er sich
besser eignete als der Terminus „Menschensohn", um den Unterschied zwischen
Adam und Christus hervorzuheben (1..Kor. 1.5, 21. f.) 40 •
Es ist nicht nötig, hier auf die verschiedenen Ansichten über den christologischen
Hymnus Phil. 2, 5-1.1. einzugehen. Unter ihnen sind jedoch zwei, die unvereinbar
sind. F. W. Beare 41 stimmt der Meinung zu, nach der der Hymnus nicht Paulus'
eigene Komposition ist. Aber er ist für ihn auch nicht vorpaulinisch. Er sieht in ihm
vielmehr einen Hymnus, der unter paulinischem Einfluß, in paulinischen Kreisen,
verfaßt wurde und auf den Menschen vom Himmel zielt (1.. Kor. 1.51 47), der „arm
(ward) um euretwillen" (2. Kor. 8, 9).
Der Hymnus ist eine christliche Form des himmlischen Mensch-Erlöser-Mythos,
und darum ist auch sein geistiger Hintergrund vorherrschend hellenistisch und syn-
kretistisch. So angesehen, kann nach meiner Meinung der Hymnus keinen Beitrag
zur Erkenntnis christologischen Gedankengutes vor Paulus liefern.

39 Philo, Legum allegoria I, .31 f.; De opificio mundi, 1.34 ff.


40 Vielleicht war dieser Gegensatz selbst vor-paulinisch; vgl. A. M. Hunter, a.a.O., 12.3.
41 The Epistle to the Philippians (1959), 74 ff.
Auf der andern Seite hält E. Lohmeyer den Hymnus für die Übersetzung eines
aramäischen Originals und beurteilt insbesondere die Worte „als ein Mensch" in
Vers 7 als Wiedergabe des aramäischen k 0~ar nasch, ,,als des Menschen Sohn" 42 •
Das, worüber nun zu entscheiden ist, ist die Art der Verbindung zwischen Phil.
2, 5-11 und den beiden anderen Stellen. Es ist kaum glaubhaft, daß eine etwaige
Abhängigkeit auf der Seite des christologischen Hymnus zu suchen ist. Vielmehr
ist dieser im Lichte von 1. Kor. 15, 45 ff. und von Röm. 5 1 12 ff. zu interpretieren 43 •
Wahrscheinlich formte Paulus in Phil. 2, 5-11 die griechische Form eines aramäi-
schen Hymnus um, gab ihn aber nicht unbedingt wörtlich wieder. Wenn der Ge-
danke des Hymnus, der zweite Adam sei das getreue Ebenbild Gottes, sein Gehorsam
kontrastiere mit dem Ungehorsam des ersten Menschen und er verbinde in sich
Gottesknecht und Menschensohn, als spezifisch paulinisch erscheint, so könnte das
teilweise auf die ihm zuteil gewordene Umformung zurückgehen, die eindeutig in
der Hinzufügung der Worte „ja zum Tode am Kreuz" in V. 8 hervortritt, die außer-
halb der rhythmischen Struktur stehen, aber hauptsächlich auf den Einfluß, den der
Hymnus seinerseits auf die Gedanken des Paulus ausgeübt hat 44 • Es ließe sich viel-
leicht vorschlagen, daß es die griechische Form des aramäischen Hymnus war, die
Paulus für die Gegenüberstellung von Christus als dem „Menschen" und Adam das
passende Wort eingab. Es ist andererseits kaum glaubhaft, daß es Paulus selbst war,
der als erster „Menschensohn" durch „Mensch" ersetzte, so gewichtig die Vorstellung
in seinem Denken auch ist. Der Austausch dieser termini muß ziemlich früh statt-
gefunden haben, und das neue Wort muß „Menschensohn" ersetzt haben, ein Wort,
das nur dem Munde Jesu in den Evangelien vorbehalten war.
Ein etwas jüngeres Beispiel findet sich 1. Tim. 2, 5 f.: ,,Denn es ist ein Gott und
ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Jesus Christus, der
sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung." Dies ist eine hellenistische Umbildung
der ursprünglichen semitischen Form des Spruches „denn auch des Menschen Sohn

42 Die Ergebnisse seiner früheren Studien unter dem Titel: Kyrios Jesus. Eine Untersuchung
zu Phil. 2, 5-11 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-
hist. Klasse 1928, hier über den Menschensohn, 39 f., 68) sind zusammengefaßt in Der
Brief an die Philipper (1930), 90 ff. (95 über diese besondere Stelle). Nach J. Jeremias ist
die Hymne „vorpaulinisches Traditionsgut" (ThWNT V, 703 f., 708 f.). Vgl. C. F. D.
Moule in Studiorum Novi Testamenti Societas, Bulletin 3 (1952), 49. Lohmeyers Erklärung
wird jedoch von den meisten Kritikern nicht akzeptiert (vgl. Holtz, a.a.O., 16, Anm. 3).
' 3 Vgl. Cullmann, Christologie, 179 f. Cullmann betont im Gegensatz zu E. Käsemann die
Unsicherheit eines direkten Einflusses des gnostischen Erlösermythos und stellt als früheste
Beziehung die Geschichte von der Erschaffung des Menschen in der Genesis fest.
u Vgl. P. Bonnard, L'epztre de Saint Paul aux Philippiens (1950), 48, der meint, die pau-
linische und die johanneische Christologie entwickelten Gedanken des Hymnus. V. Tay-
lor, The Person of Christ in New Testament Teaching (1958), 63, stimmt Bonnard zu, läßt
aber die Frage eines vorpaulinischen Autors des Hymnus offen.

19
ist gekommen, (nicht daß er sich dienen lasse, sondern) daß er (diene und) gebe sein
Leben zur Bezahlung für viele" (Mk. 1.0,45), und zwar eine Umbildung in einem
außerhalb der Evangelien stehenden Text.
Man möchte meinen, dies alles zeige, daß die Menschensohn-Christologie für eine
längere Periode, nämlich während der neutestamentlichen Zeit und noch darüber
hinaus, starken Einfluß ausgeübt habe. Es ist sicher nicht so, daß die Kirche keine
Menschensohn-Theologie besaß; denn diese liegt sowohl in ihrem ursprünglichen
Terminus als auch in dessen Umbildung „Mensch" vor 45 • Es wäre also nicht über-
raschend, wenn sie die Ur-Christologie wäre, weil sie auf Jesus zurückgeht. Doch
müssen wir genau sagen, was wir damit meinen. So ließe sich behaupten, daß auch
die (Gottes-)Sohn-Christologie in Jesu eigener Auffassung von Gott als Vater
(,,Abba"), d. h. in seinem einmaligen Bewußtsein von sich als Sohn Gottes, ver-
wurzelt sei und daß die Hohepriester-Christologie, die charakteristisch für den
Hebräerbrief, aber nicht ganz und gar auf ihn beschränkt ist, von Jesu Auffassung
des Menschensohnes als Fürsprecher oder Fürbitter herkomme. In beiden Fällen ver-
bietet radikale Interpretation, wie sie die Gemeinde, von dem Vorgegebenen aus-
gehend, zusätzlich unternommen hat, die naheliegende Schlußfolgerung, daß Jesus
tatsächlich von sich selbst als dem (Gottes-)Sohn oder dem Hohenpriester sprach.
Gilt dasselbe für den „Menschensohn"? Eines ist sicher: Jesus sprach in seiner Lehre
viel vom Menschensohn. Aber auch das andere läßt sich nicht leugnen: Er sprach
von dem in Herrlichkeit erhöhten Menschensohn zur Rechten Gottes als Vermittler
und Fürbitter, der künftig als Mittler des Gerichtes kommt. Aber meinte er sich selbst,
wenn er das tat? Haben wir vielleicht die Möglichkeit, mit Hilfe des Johannes-
evangeliums eine Antwort auf diese Frage zu erarbeiten? Wenden wir uns also den
Menschensohnworten dieses Evangeliums zu!

45 J. A. T. Robinson, Jesus and His Coming (1957), 57, Anm. 2, erledigt die Sache zu
summarisch.

20
II. DER MENSCHENSOHN IM VIERTEN EVANGELIUM

Der nunmehr abgeschlossene kurze überblick über den Menschensohn als leben-
digen christologischen Begriff innerhalb und außerhalb der synoptischen Evangelien
ist eine unentbehrliche Vorarbeit für die Beschäftigung mit dem johanneischen Men-
schensohn; denn dieser kann nicht von dem Menschensohn, wie er in den anderen
neutestamentlichen Schriften erscheint, isoliert werden.
Das vierte Evangelium ist ein wahres und echtes Evangelium. Es gehört zu jener
religiösen Literaturgattung der Evangelien, die von der Kirche geschaffen wurde.
Damit soll nicht nur etwas Selbstverständliches gesagt werden. Vielmehr ist das auch
als Warnung gedacht gegenüber jeder Tendenz, das vierte Evangelium als eine
theologische Abhandlung anzusehen, die nur mehr oder weniger erfolgreich als
Evangelium verkleidet ist. Es kann nicht genug betont werden: Das Johannesevange-
lium ist vor allem andern und in erster Linie ein Evangelium im Sinne dieses
Wortes. Darum ist auch zu erwarten, daß es den andern Evangelien in vielen Zügen
gleicht, dies einschließlich der Tatsache, daß der Menschensohn-Titel Jesus zu-
geschrieben wird. Der Menschensohn bei Johannes ist allerdings von eigener Art.
Einerseits gleicht er der synoptischen Gestalt; andererseits unterscheidet er sich von
ihr. Dies ist allerdings nicht nur auf das ausgeprägte interpretierende Element
zurückzuführen, das für Johannes charakteristisch ist, sondern auch auf dessen Ver-
wendung anderer Quellen. Vor allem aber läßt sich nirgends deutlich erkennen, daß
der vierte Evangelist seinerseits auch nur einen einzigen der synoptischen Menschen-
sohn-Sprüche verwendet hat.
Ich habe schon auf die Ähnlichkeit zwischen dem Menschensohn im vierten Evan-
gelium und dem in der Apostelgeschichte, im Hebräerbrief, in der Offenbarung und
im Hebräerevangelium hingewiesen. Aber es bestehen auch Ähnlichkeiten zwischen
ihm und der hellenistischen Vorstellung vom himmlischen Menschen (ävitQcoito~).
Hier wird allerdings ein wesentlicher Unterschied gegenüber den synoptischen Evan-
gelien sichtbar. So weist mit besonderem Bezug auf :1.Kor. :15C. H. Dodd darauf hin,
daß Paulus den Terminus „Mensch" in Zusammenhang mit sogenannten testimonia
gebraucht, mit denen sich anderswo der Ausdruck „Menschensohn" verbindet 1 .

1 Interpretation, 243.

2:1
Das vierte Evangelium nennt Jesus häufig „Mensch" 2 • Allerdings scheint sich da-
mit nur in zwei Fällen eine regelrechte christologische Vorstellung zu verbinden. Zu
nennen ist zuerst 10, 33: ,,Um des guten Werkes willen steinigen wir dich nicht,
sondern um der Gotteslästerung willen und daß du ein Mensch bist und machst dich
selbst zu Gott" ; denn hier geht es darum, daß die Juden nicht einsehen, wie es die
Leser tun, daß „der Mensch" wirklich Gott oder der himmlische Mensch ist. Das
gleiche gilt für 19, 5 : ,,Sehet, welch ein Mensch!" 3
Abgesehen von diesen beiden Stellen gebraucht das vierte Evangelium den Aus-
druck „Menschensohn" wie die andern Evangelien, nämlich im Munde Jesu selbst.
In dieser Hinsicht steht das Johannesevangelium auf derselben Linie der Tradition
wie die synoptische Überlieferung. Häufig werden aber dem johanneischen Menschen-
sohn Wesenszüge verliehen, die von Haus aus dem himmlischen Menschen zu eigen
sind. So muß die Frage aufgeworfen werden: Wieweit beruht die Gestalt, die so
zustande kommt, auf Umwandlung, und inwiefern beinhaltet sie noch Elemente alter
Tradition? Und weiter: Vermag sie, zum Verständnis des Problems „Jesus und der
Menschensohn" beizutragen?
Es ist nicht ganz leicht, die Menschensohn-Sprüche im Johannesevangelium zu
klassifizieren. Die Arbeit von S. Schulz 4 ist nicht, wie man dem Titel des Buches
entnehmen könnte, dem Menschensohn als solchem oder dem Menschensohn allein
gewidmet: sie bemüht sich, die Zusammenhänge zwischen den vier Begriffen Men-
schensohn, Sohn, Paraklet und „Wiederkehr" (14, 3: ,,so will ich wiederkommen")
herauszuarbeiten, Begriffen, die nach Schulz alle vom apokalyptischen Menschen-
sohn herzuleiten sind. Schulz' Methode der Themageschichte ist nachdrücklich kriti-
siert worden 5 • Aber die Ergebnisse seiner Beschäftigung mit den Menschensohn-
Sprüchen sind wichtig. Er rechnet folgende Stellen einer vorjohanneischen Tradition
zu: 1, 51; 3, 13-15; 5, 27-29; 6, 27. 53; 13, 31 f. In den übrigen Stellen (6, 62;
8, 28; 12, 23. 34) sind nach ihm nur noch ,,Traditionssplitter" der Menschensohn-
Tradition erhalten, und diese habe der Evangelist aus den früher genannten Stellen
3, 13; 3, 14 und 13, 31 f. entnommen und in anderen Zusammenhängen benutzt 6.
Wenn die Sprüche jedoch auf die gleiche Weise wie die synoptischen Sprüche klassi-
fiziert werden, so ergeben sich folgende Gruppen:

2 Vgl. E. M. Sidebottom, The Christ of the Fourth Gospel (1961), 96.


3 Barrett, John, 450, findet hierin eine deutliche Spur des Mythos vom himmlischen Men-
schen im johanneischen Menschensohn.
4 Untersuchungen zur Menschensohn-Christologie im Johannesevangelium (1957), in der
Folge zitiert als „Schulz".
5 J. M. Robinson, JBL 78 (1959), 247-252.
6 &vaßalvELV6, 62 (3, 13); u~oüv 8, 28; 12, 34 (3, 14); öol;6.~ELV 12, 23 (13, 3tf.), Schulz,
122f.

22
A. Sprüche über die Wirksamkeit des Menschensohnes auf Erden: keine.
B. Sprüche über das Leiden des Menschensohnes: 3, 1.4* f.; 6, 53; 8, 28*; 1.2, 23*;
1.2, 34*; 1.3, 31.*.
C. Sprüche über die Herrlichkeit des Menschensohnes: 1.,51.; 3, 1.3; 3, 1.4*f.; 5, 27;
6, 27; 6, 62; 8, 28*; 1.2, 23*; 1.2, 34*; 1.3, 31.* f.
Ein Spruch (9, 35) steht außerhalb dieser Gruppen 7 : Jesus findet den Blindgebo-
renen, den er geheilt hat, und fragt ihn: ,,Glaubst du an den Menschensohn?" 8 Hier
spricht die Kirche durch den irdischen Jesus, der, entsprechend dem für Johannes
typischen Anachronismus, gleichzeitig der Christus der Herrlichkeit, der erhöhte und
gerechtfertigte Menschensohn, der Herr ist. Jesu Frage und des Blinden Antwort:
„Herr, ich glaube" (Vers 38) spiegeln das urchristliche Bekenntnis wider: ,,Jesus
ist Herr." 9 Darin liegt ein Hinweis darauf, daß der Menschensohn das Ur- und
Haupt-Christologumenon des Evangelisten ist, ein Eindruck, der noch dadurch ver-
stärkt wird, daß die Hauptaussagen des Kerygmas, die Jesus betreffen, bei Johannes
mit Hilfe der Menschensohn-Terminologie gemacht werden. Die Fleischwerdung
wird als Herabkommen des Menschensohnes beschrieben (3, 1.3), sein Tod als sein
Erhöhtwerden (1'.ni,oüaOm 3, 1.4; 8, 28; 1.2, 34) oder als sein Verherrlichtwerden
(öo;uteo{J-m 1.2, 23; 1.3, 31. f.), seine Himmelfahrt als seine Wiederkehr oder sein
Hinauffahren in den Himmel (3, 1.3; 6, 62), wobei die Verben 'Ö'ljJoüv und öo;uteiv,
die auch die Passion bezeichnen, einen weiteren Dienst tun 10, und schließlich Jesus
als Richter erscheint, sofern er der Menschensohn ist (5, 27).
Das völlige fehlen von Sprüchen über das Wirken des Menschensohnes auf Erden
im Stande der Niedrigkeit als Mensch unter Menschen ist besonders bemerkenswert.
Es entspricht allerdings dem Fehlen eines solchen Spruches in der ursprünglichen
synoptischen Tradition, also einer Sachlage, der man, wie ich meine, beim gegen-
wärtigen Stande der Dinge bedenkenlos zustimmen kann.
Sprüche, die sich auf das Leiden, den Tod und die Auferstehung des Menschen-
sohnes beziehen, sind bei den Synoptikern fast ausschließlich nur durch Markus
erhalten. Sie sind ohne Verbindung mit den Sprüchen, die auf die zukünftige Tätig-
keit des erhöhten Menschensohnes oder auf seine Parusie hinweisen. Vom Leiden

7 „Der Menschensohn" ist eine andere Lesart in 5, 19 (D f 13 2145 d, für das erste ö ul6~)
und 5, 25 (KS 28 al); aber es ist nicht genügend belegt, um als gesichert gelten zu können.
Siehe auch den Zusatz zu 6, 56 in D (a ff 2).
8 Diese Lesart ist so gut belegt (P66P75 BDW pc sys sa ac2 fam), daß sie, verglichen mit „dem
Sohn Gottes" im textus receptus, für den sie kaum ein Ersatz sein dürfte, sicher korrekt
ist. Es ist deshalb nicht richtig zu bestreiten, daß „Menschensohn" jemals ein „Bekenntnis-
Titel" sein könnte, wie es H. Conzelmann in Die Religion in Geschichte und Gegenwart3
III (1959), 631, vertritt: ,,Als Menschensohn wird J. nicht angerufen, sondern erwartet."
9 Apg. 2, 36; Röm. 10, 9; 1. Kor. 12, 3; Phil. 2, 11.
10 In den Stellen mit Stern in B und C oben.

23
und von der Herrlichkeit ist in zwei ganz verschiedenen Kategorien von Menschen-
sohn-Sprüchen die Rede. Das vierte Evangelium enthält jedoch keinerlei Menschen-
sohn-Sprüche, die es einzig und allein mit dem Leiden zu tun haben 11• Das Leiden
und die Verherrlichung des Menschensohnes sind hier ein und dasselbe. Man könnte
auch sagen, das Leiden sei hier in der Herrlichkeit einbezogen. Wenn es die ein-
schlägigen Sprüche in ihrer großen Mehrzahl hier auf die eine oder auf die andere
Weise mit der Herrlichkeit des Menschensohnes zu tun haben, so entspricht das dem,
daß alle synoptischen Quellen (Markus, Q, L, M) in Übereinstimmung miteinander
derartige Sprüche haben, was bei den anderen Gruppen nicht der Fall ist. Obwohl
'Ö'l'ouvneben „erhöhen" noch eine weitere Bedeutung hat, nämlich „zu Tode brin-
gen", so liegen doch bei ihm der Ausgangspunkt und das Schwergewicht in der
Vorstellung der Erhöhung. Schließlich läßt sich ohne weiteres sagen, daß kein ein-
ziger der hier gemeinten Sprüche nicht auch einen Bezug auf den zukünftigen Status
und das Wirken des Menschensohnes in der Herrlichkeit hat. Selbst Joh. 6, 53 bildet
keine Ausnahme; denn das Fleisch, das gegessen, und das Blut, das getrunken werden
soll, eignen gerade dem himmlischen Menschensohn, obwohl dieser in der Rück-
schau hier in der Person des historischen Jesus spricht.
Soweit ergibt sich also eine schlagende Bestätigung der Verhältnisse in den syn-
optischen Evangelien, darüber hinaus aber auch ein durch theologische Erwägungen
bedingter Fortschritt. Möglicherweise wiederholt sich sogar das Fehlen einer aus-
drücklichen Identifizierung des Menschensohnes mit Jesus, also das Kennzeichen der
authentischen synoptischen Sprüche (1, 51; 6, 27). Indes zeigt 9, 35, daß diese Identi-
fizierung sonst als Glaubensartikel gilt: Jesus und der zum Herrsein erhöhte
Menschensohn sind ein und dasselbe. Der wichtigste bei Johannes fehlende Zug
betrifft die Parusie des Menschensohnes. Diese Vorstellung liegt außerhalb der Ge-
dankenwelt des vierten Evangeliums. Der Menschensohn ist für dieses auf die Erde
herabgekommen und wieder dahin aufgefahren, woher er kam, bzw. er wurde
hinaufgenommen oder verherrlicht. So kann es ein „zweites Kommen" nicht geben 12 •
Es ist auch möglich, die Sprüche ihrem Inhalt nach in zwei Hauptgruppen ein-
zuteilen: in Sprüche mit synoptischen Zügen und in solche mit Zügen, die dem
synoptischen Menschensohn fremd sind. Man könnte die so gebildeten Gruppen
auch „Sprüche synoptischer Art" und „Sprüche nicht-synoptischer Art" nennen.

11 Außer vielleicht implizit in 6, 53. Aber selbst hier ist es eigentlich der verherrlichte
Menschensohn, der spricht. Johannes spricht nie von der „Auferstehung" des Menschen-
sohnes.
12 Es gibt allerdings eine Entsprechung bei Johannes (mxÄ.LVl\1xoµm 14, 3; ilQxoµm .tQo<;
uµai; 14, 18. 28; llroc; EQxoµm 21, 22 f.); aber sie hängt nicht mit seinem Begriff des
Menschensohnes zusammen, weil der Evangelist hier nid:tt seine Menschensohn-Quelle
benutzt. Das Gegenstück ist Ö\jJE<JOE µE (16, 16. 17. 19). Vgl. Hehr. 9, 28 ö XQL<J'to<;
... EX
ÖEU'tEQOU )CWQL<;aµaQ'ttai; öcpO~<Jll'tllL.

24
Diese Art der Klassifizierung eignet sich für unseren Zweck am besten. Wir werden
dabei feststellen können, in welchem Ausmaß die synoptischen Vorstellungen durch
nicht-synoptische beeinflußt sind 13 •

1. Sprüche synoptischer Art: 1, 51; 3, 14 f.; S, 27; 8, 28; 12, 34

1) /oh. 1, 51: ,,Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Von nun an werdet ihr den Him-
mel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren auf des Menschen
•Sohn." 14
Wir wollen zunächst Übereinstimmungen mit synoptischen Sprüchen zusammen-
stellen.
a) In dem Spruch selbst, wie auch immer er sich jetzt in den Text einfügen mag,
liegt keine förmliche Identifizierung des Menschensohnes mit Jesus vor.
b). Von den 25 johanneischen Sprüchen, die mit „Amen, Amen" 15 anfangen, sind
nur unser Spruch und 6, 53 zugleich Menschensohn-Sprüche. Andererseits gibt es nur
drei synoptische Menschensohn-Sprüche, die mit „Amen" beginnen. Sie stehen alle
bei Matthäus. Zwei von ihnen (Mt. 10, 23; 16, 28) 16 beziehen sich auf das Kommen
des Menschensohnes, während der dritte (Mt. 19, 28) von seinem Sitzen auf dem
Throne der Herrlichkeit spricht. D. h.: Diese synoptischen Sprüche sind sämtlich
ebenso wie Johannes 1 1 51 auf die künftige Herrlichkeit des Menschensohnes aus-
gerichtet, und sie sind alle eschatologisch.
c) Die Erwähnung des offenen Himmels erinnert an Stephanus' Vision, zu der sich
der Himmel öffnet und die den Menschensohn sehen läßt, wie er zur Rechten Gottes
steht (Apg. 7, 55 f.). Dagegen erinnert der Spruch weniger an Mk. 14, 62: ,,Ihr wer-
det sehen des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand der Kraft."
d) Der Menschensohn wird in Begleitung von Engeln erblickt, wie es auch in einer
Anzahl von synoptischen Sprüchen der Fall ist: Mk. 8, 38 (Parallelen: Mt. 161 27;
Lk. 9, 26); Mk. 13, 27 (Parallele: Mt. 24, 31); Mt. 13, 41; 25, 31 17 •
Indes spricht nur das vierte Evangelium (3, 13; 6, 62) davon, daß der Menschen-
sohn selbst auffährt und herabsteigt. Welcher Sinn auch immer mit dem Gebrauch

13 Der Begriff „synoptisch" meint natürlich nicht alle synoptischen Angaben über den Men-
schensohn, sondern nur solche besonderen Angaben, die zum Verständnis des Problems
,,Jesus und der Menschensohn" beitragen.
14 Siehe H. Windisch, Angelophanien um den Menschensohn auf Erden, ZNW 30 (1931),
215-2.33: ein eingeschobenes Fragment der Menschensohn-Mythologie, das unvereinbar
mit der Logos-Christologie ist. ·
15 Vgl. B. Noaru:, Zur johanneisdien Tradition (1954), 65 f.
16 Redaktionelle Veränderung von Markus 9, 1 durch Matthäus.
17 In Lk. 12, 8 f. sind „die Engel Gottes" eine Paraphrase für Gott.

25
dieser beiden Verben an den genannten Stellen verbunden ist - in :1,5:1 scheint die
Vorstellung von den hinauf- und herabsteigenden Engeln Gottes in bestimmten
Zusammenhang mit der Vorstellung von dem Menschensohn zu stehen, der zur
Rechten der Kraft sitzt und mit den Wolken des Himmels kommt. Es ist sicher nicht
ohne Bedeutung, daß dies der einzige nicht-synoptische Zug in unserem Spruch ist.
Es ist anerkannt, daß das eigentliche Problem dieses Spruches an der Vorstellung
von den hinauf- und herabsteigenden Engeln hängt. Auch wird vielfach angenom-
men, daß ein Zusammenhang mit der Exegese von Gen. 28, :1218 in Gen. r. 68, :18
besteht, auf die C. F. Burney 19 und andere 20, die ihm hierin gefolgt sind, hingewie-
sen haben. Diese Exegese wird R. Jannai, einem Arnoräer der ersten Generation,
zugeschrieben, der lehrte, in Gen. 28, :12 sei das hebräische bo am Schluß des Verses
nicht auf die Leiter, sondern auf Jakob zu beziehen. Der Midrasch fährt fort, indem
er das „Bild" Jakobs im Himmel erwähnt, daß die Engel „in die Höhe stiegen
und sein Bild ( rJip~~= dx6vwv) betrachteten und hinabstiegen und ihn schla-
fend fanden". Es besteht also ein ständiger Verkehr zwischen dem irdischen Jakob
und seinem himmlischen Gegenstück. Es ist nicht ganz klar, was damit gemeint
ist, vor allem, weil „herauf- und auf Jakob hinabsteigen" im Sinne von „sie nahmen
herauf und brachten auf ihn hinab" ausgelegt wird. Es bleibt die Frage, worauf sich
das bezieht bzw. welches Objekt hier einzusetzen ist. Man hat vorgeschlagen, ge-
dacht sei eben an das „Bild" Jakobs, den himmlischen Menschen 2 1 • Wenn Johannes'
Gedanken sich auf dieser Linie bewegten, dann dürften wir annehmen, hier sei ge-
meint, der Menschensohn sei, indem er hier an Jakobs Stelle trete, gleichzeitig im
Himmel und auf Erden und es bestehe eine Verbindung zwischen der Vorstellung
des himmlischen Menschen und der der Fleischwerdung 22 • Diese Schau würde in
vielem der johanneischen Denkweise gemäß sein; aber sie spielt an unserer Stelle
sicher keine zentrale Rolle. Während sie ohne jede Frage gewisse Anklänge an die
Geschichte von Jakob und der Leiter in Gen. 28 enthält, lassen sich also nachdrück-

18 Die Sprache von Joh. 1, 51 ähnelt sehr LXX: ot i1.yy1:}..0L ,oü Oi,oü avEßmvov 1ml xa.1:E-
ßmvov üc' a.u,ij~ (d. h. die xA.tµa.;).
19 The Aramaic Origin of the Fourth Gospel (1922), 116 f.
20 H. Odeberg, The Fourth Gospel (1929), .3.3f.; Dodd, Interpretation, 245; vgl. Barrett,
John, 156.
21 Bumey, a.a.O., 116 f.
22 Vgl. Barrett, John, 156. Odeberg, a.a.O., 40, der allen johanneischen Stellen über den
Menschensohn einen umfassenden Sinn gibt, erklärt Joh. 1, 51 so, daß hier den Gläubigen
die Vereinigung mit der himmlischen Welt versprochen wird, die in dem Symbol der auf-
und absteigenden Engel ausgedrückt wird. Ich halte diese mystische Interpretation für
unrichtig und meine, daß der Menschensohn bei Johannes, ebenso wie bei den Syn-
optikern, keine kollektive Bedeutung hat; vgl. R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes
( 1 94 1 ), 74.
liehe Bedenken gegen die Meinung Burneys u. a. erheben, nach der hier der Haupt-
gedanke von Joh. :1,5:1liege.
R. Jannai lebte im 3. Jahrhundert. Es liegt also außerhalb des Möglichen, daß
der Evangelist unmittelbare Kenntnis von seiner Interpretation dieser Stelle haben
konnte. Natürlich ist es denkbar, daß es diese Interpretation schon sehr viel früher
gab, und dann hätte sie auch dem Evangelisten bekannt sein können. Indes bedarf
es einer solchen Annahme für das Verständnis von Joh. :1,5:1 keineswegs.
In den synoptischen Evangelien sind die Engel als eine Art Gefolge, bestehend
aus Begleitern und Dienern, mit dem Menschensohn verbunden 23 • Hier ist es der
Menschensohn, dem die ganze, ungeteilte Aufmerksamkeit gilt. Abgesehen davon
bezweifelt M. Black, daß das Bild der hinauf- und auf den Menschensohn herab-
steigenden Engel „is one that the Semitic mind would entertain". Nach ihm be-
inhaltet das Bild zudem „ the heavens opened and angels from above and
beneath converging on the Son of Man, the central Figure" 24.Daß dies stimmt, wird
durch die Reihenfolge dessen, was geschieht, erhärtet. Erst muß der Himmel ge-
öffnet sein; dann kann die Vision geschaut werden, wie es auch bei Stephanus war.
Es handelt sich also um eine himmlische Vision des Menschensohns in der Herrlich-
keit, begleitet von den Engeln 2-0. Mit anderen Worten: Joh. :1,5:1 hat es mit der
Erhöhung des Menschensohnes zu himmlischer Herrlichkeit zu tun und bedient sich
dabei im Grunde der gleichen Momente wie die synoptische Tradition 26 •
Es führt auf ein Mißverständnis hinaus, wenn man die oben zitierte midraschische
Interpretation von Gen. 28, :12 aus dem 3. Jahrhundert in Joh. :1,5:1 hineinträgt,
um dem Jakob-Israel-Menschensohn-Motiv zentrale Bedeutung zu sichern. Die Be-
nutzung der Genesis-Stelle ist zweitrangig, sowohl was ihr Gewicht betrifft, als auch,
was ihr Alter angeht 27 • Nur die hinauf- und herabsteigenden Engel spielen eine

23 C. C. Torrey, The Four Gospels, 186, 318 überträgt Joh. 1, 51 als „im Dienste des Men-
schensohnes".
24 M. Black, An Aramaic Approach to the Gospels and Acts 2 (1954), 85, bringt Beweise
dafür bei, daß das aramäische 'al (entsprechend EJtLin Joh. 1, 51) ,,in Richtung auf"
(towards) heißt, und zwar als Äquivalent von hebräisch el. Aber selbst EJtLkann sowohl
,,in Richtung auf" wie auch „auf" (upon) heißen.
25 So ist es nicht der irdische Menschensohn, der Jakob-Israel ersetzt, obwohl Schweizer
glaubt, daß er gemeint sei (Menschensohn, 203, Anm. 63). Immerhin gibt Schweizer zu,
daß der Menschensohn mit dem Vater vereinigt, ,,gewissermaßen schon inthronisiert ist".
G. Quispel, Nathanael und der Menschensohn (Joh. 1, 51), ZNW 47 (1956), 281-283,
spricht von einer christlichen Adaption der esoterischen jüdischen Spekulation über
Ez. 1, 26.
26 Man beachte den Gebrauch von lhp1,m'}mhier und in Mk. 13, 26 (Par.: Mt. 24, 30; Luk.
21, 27); 14, 62 (Par.: Mt. 26, 64); Lk. 17, 22; vgl. Hahn, 40, Anm.
27 W. Michaelis, Joh. 1, 51, Gen. 28, 12 und das Menschensohn-Problem, Theologische Lite-
raturzeitung, 85 (1960), 561-578, versucht zu zeigen, daß die Stelle in der Genesis Joh.
1, 51 überhaupt nicht beeinflußt hat. Schweizer (Theologische Literaturzeitung, 86 [1961]

27
Rolle. Während dies durchaus auf die Septuaginta zurückgehen könnte, läßt sich
auch eine aramäische Vorstufe jedenfalls nicht ganz ausschließen. Der Zweck dieser
Entlehnung ist unter allen Umständen, die Hauptfigur, eben den Menschensohn, in
den Vordergrund zu rücken. Die gegenwärtige Form des Spruches ergibt sich aus dem
Zusammenhang, in den er eingefügt ist. Es ist schwierig zu entscheiden, ob Vers 50
vom Evangelisten zu dem Bericht über das Bekenntnis Nathanaels hinzugefügt ist,
das ursprünglich mit der begeisterten Erklärung abschloß: ,,Du bist der König
Israels", oder ob es als Verbindungsglied zwischen jenem und Vers 51 dienen soll.
Wie schon oft bemerkt ist, besteht eine gewisse Spannung zwischen o'ljlE0-0Eund
dem µEltco,ou,cov o'lj)n in Vers 50. Weiterhin scheint xat ÄEyELaii,0 am Anfang von
Vers 51 ganz überflüssig zu sein, weil es immer noch Nathanael ist, der angeredet
wird. Diese Schwierigkeiten verschwinden, wenn man annimmt, daß Vers 51 ein
von Haus aus selbständiger Spruch ist, der dem Kontext, in den ihn der Evangelist
eingefügt hat, angepaßt worden ist 28 • Er wird, offensichtlich ganz überflüssigerweise,
mit den Worten „und spricht zu ihm" angeführt, und zwar deshalb, weil es sich um
ein Wort von besonderer Bedeutung handelt; er beginnt ja auch mit „Amen, Amen".
Der einzige nicht-synoptische Zug, die hinauf- und herabsteigenden Engel, enthält
nur einen indirekten Bezug auf die Erzählung der Genesis, und wenn er einbezogen
ist, so handelt es sich um die wichtigste Einzelheit einer Bearbeitung einer früheren
Form des Spruches, um ihn mit dem Kontext zu verbinden und vor allem mit dem
Bekenntnis, das in dem Ruf gipfelt: ,,Du bist der König Israels!" Israel = Jakob wird
nun durch das neue Haupt eines neuen Israel ersetzt, durch den Menschensohn. Hin-
ter diesem Spruch verbirgt sich also ein johanneisches Gegenstück zu Mk. 14, 62, wo
Jesus zugibt, daß er der Messias ist, der Sohn des Hochgelobten, um dann fort-
zufahren: ,,Und ihr werdet sehen des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand der
Kraft und kommen mit des Himmels Wolken." Dementsprechend hört Jesus bei
Johannes Nathanaels Bekenntnis, daß er der Sohn Gottes ist, der König Israels.
Nathanael und die anderen werden aber ein noch etwas viel Größeres sehen, nämlich
den Menschensohn (vgl. dazu das „ihr werdet sehen", Mk. :14, 62 in Jesu Worten
an den Hohenpriester).
2) Joh. 3, 14 f.: ,,Und wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muß

169) akzeptiert das und nimmt seinerseits an, diese Stelle gebe wahrscheinlich in fragmen-
tarischer Form eine besondere Tradition der Identifizierung von Jesus dem Menschensohn
mit dem neuen Jakob-Israel wieder.
28 Der Plural uµi:v anstelle von oot, das an dieser Stelle passender wäre, zusammen mit
o'ljJscrOsmag auf eine unvollständige Adaption des Spruches von einer anderen Quelle
her an diesen jetzigen Zusammenhang zurückgehen. Vgl. E. C. Broome, The Sources of
the Fourth Gospel, JBL 63 (1944), 109 f. Aber dies ist unwahrscheinlicher als der ur-
sprüngliche Plural in diesem Spruch.
des Menschen Sohn erhöht werden, auf daß alle, die glauben (nicht verloren werden,
sondern) in ihm das ewige Leben haben."
In der jetzigen Fassung bildet der ganze Abschnitt 3, 13-15 eine Einheit. Vers 13
begreift mit ein, daß allein der eine, der in den Himmel hinaufgefahren ist, von wo
er herabgekommen war, fähig ist, die himmlischen Dinge zu verkündigen. Vers 15
nimmt .daneben mit seinem Hinweis darauf, daß das ewige Leben nur für den
Glaubenden bereitliegt, schon die beinahe gleiche Ausdrucksweise von Vers 16 vor-
weg, mit dem er logisch durch ya.Q verknüpft ist 29 • Indes sind beide Sprüche -
Vers 13 und 14 - vollkommen verständlich, auch wenn man sie sowohl aus ihrem
gegenwärtigen Zusammenhang löst als auch voneinander trennt. Was sie zusammen-
gebracht hat, ist offenbar, daß sie sich beide auf den Menschensohn beziehen, ferner
der offenkundige gleichartige Gebrauch von &.vaßalvELVund 'Ü'lj)ooitijvm. Aber die
Verwendung der beiden Verben &.vaßa[vELVund -xa,aßa[vELV im Blick auf den Men-
schensohn erweist den Spruch in Vers 13 als nicht-synoptisch, während Vers 14 zwei
Züge aufweist, die seine Kategorisierung als synoptisch rechtfertigen.
Lki wird in den synoptischen Evangelien gebraucht, um zum Ausdruck zu bringen,
daß die Passion und die Auferstehung des Menschensohnes auf göttlicher, in der
Schrift bekundeter Notwendigkeit beruhen 30 • Dem vierten Evangelisten ist diese
Bedeutung von ÖEt völlig vertraut 31 • Es ist bei ihm mit der Vorstellung verbunden,
daß die Geschichte von Moses und der ehernen Schlange eine Vorhersage des Erhöht-
werdens des Menschensohnes enthält.
Das Verbum 'Ü'lj)ouvwird allerdings Num. 21, 8 f. nicht gebraucht 32. Man könnte
daher vermuten, der Evangelist selbst habe es eingeführt, zumal er „glauben" und
„ewiges Leben" aus dem folgenden Verse in Vers 15 übernommen habe und beide
Verse ohnehin von ihm stammten. Das kann jedoch nicht sein.
'Ü'lj)ouvwird im vierten Evangelium nur in Verbindung mit dem Menschensohn
gebraucht (8, 28; 12, 34). 12, 32 bildet einen besonderen Fall. 8, 28 und 12, 34 ge-
hören zu den Stellen, in denen Schulz nur Fragmente des Menschensohn-Komplexes
findet. In 8, 28 (,,Wenn ihr des Menschen Sohn erhöhen werdet, dann werdet ihr
erkennen, daß ich es sei") muß 'Ü'lj)ouveine primäre Beziehung zur Kreuzigung haben,
weil es im Aktiv für Menschen als Handelnde gebraucht wird. 12, 34 wiederholt,
was schon 3, 14 steht: ÖEL'Ü'lj)ooitijvm ,ov u[ov ,ou &.vitQCOJtOU.
Der Rückbezug auf
12, 32 (,,Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir

29 In Vers 15 gehören die Worte evc:r1hipEXTIzusammen; denn Johannes gebraucht JtLO„tEUELV


nicht mit ev.T. W. Manson, JTS 46 (1945), 130, akzeptierte die subachmimische Version
als korrekten Text. Dieser setzt manurov et; au,;ov EVau,;ip e:x:n
~ro11vatcovLOv
voraus.
30 Mk. 8, 31; Lk. 17, 25; Mt. 26, 54; Joh. 20, 9.
31 Vgl. 12, 34; W. Grundmann, ThWNT II, 24 f.
32 LXX hat EO'"tl')O'llV au,;ov enl.ariµeiou.

29
ziehen") sowie die Deutung, die mit diesem Ausspruch Jesu verbunden wird (,,Das
sagte er aber, zu deuten, welches Todes er sterben würde"), zeigen erneut, daß 1J'4'0ÜV
vor allem anderen auf die Kreuzigung abzielt. Der maßgebende Text für die Ver-
bindung von 1J'4'0ÜV mit dem Menschensohn ist jedoch 3, 14. Diese Verbindung ist
nicht das Werk des Evangelisten, sondern sie war schon in seiner Quelle vorhan-
den 33. Dies wird nicht nur dadurch erwiesen, daß er es unterläßt, das Verbum zu
gebrauchen - außer mit Bezug auf den Menschensohn -, sondern auch durch eine
frühe kerygmatische Verwendung in nichtjohanneischen Kreisen, wenn es darum
geht, die Erhöhung Jesu zu beschreiben.
Apg. 2, 33: ,,Nun er durch die Rechte Gottes erhöht ist (u'l'coi}d~)"; Apg. 5, 31:
„Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht (Ü'1'C0<1Ev) zu einem Fürsten und
Heiland." Es ist möglich, daß die Bedeutung des Wortes an diesen Stellen auf dem
aramäischen Verbum z~f und seinem Gebrauch in der urchristlichen Verkündigung
beruht. Auf jeden Fall gehört Phil. 2, 9 „darum hat ihn auch Gott erhöht" (u:rtEQ-
hierher. Wenn Paulus in Phil. 2, 5 ff. wirklich einen älteren aramäischen
1J'4'C0<1Ev)
christologischen Hymnus umgeformt hat und wenn, wie es Lohmeyer vorgeschlagen
hat 34,eo~Üvi}QcoJto~in Vers 7 das aramäische ke~arnascha wiedergibt, dann liegt hier
eine bemerkenswerte Parallele zu Joh. 3, 14 vor. Es ist zu erwarten, wenn die Bedeu-
tung von 1J'4'0ÜV Joh. 3, 14 frühem Gebrauch in der christlichen Verkündigung ent-
spricht, daß dies Wort in erster Linie die Erhöhung zur Rechten Gottes meint 35 • Aber
unsere Stelle enthält Komplikationen, die in den andern genannten Stellen nicht
vorkommen, und so müssen noch andere Faktoren erwogen werden.
Es läßt sich nicht bezweifeln, daß 1J'4'coi}ijvm
in Joh. 3, 14, obwohl es zunächst eine
„Erhöhung" im Auge hat, auch „gekreuzigt werden" bedeutet 36 • Darauf deutet der
Gebrauch von öd hin.
Es wird vielfach angenommen, die doppelte Bedeutung von u'l'coi}ijvm leite sich
von dem palästinensischen, aramäischen Verbum izde~ef her, das in einer von dem

33 Schulz, 107, Anm. 6; 108.


34 Siehe oben I, Anm. 42.
35 Vgl. Dodd, Interpretation, 375 f. Man glaubt, daß Jes. 52, 13 auf die Wahl dieses Wortes
eingewirkt haben könne, weil dieser Vers auf die Erhöhung und Verherrlichung des
Gottesknechtes anspielt (u1j!rofr1]airrmxat l\ot;aa01]0'Ei:m). l\ot;a.tnv wird in Joh. 12, 23
und 13, 31 f. in bezug auf den Menschensohn gebraucht. Es ist wie Mt;a ein besonders
bevorzugtes Wort des Johannes; aber es ist nicht, wie 'Ö1j)oüv,auf den Menschensohn
beschränkt. Im übrigen Neuen Testament wird es in Beziehung auf Jesus überraschend
wenig gebraucht (Apg. 3, 13; Hehr. 5, 5). Ich glaube nicht, daß Jes. 52, 13 in dieser Hin-
sicht so bedeutungsvoll war, wie es Thüsing, 36, kürzlich so nachdrücklich betonte.
36 Aber es wäre nicht richtig, es einzig auf diese Bedeutung zu beschränken, so wie es J. H.
Bernard, The Gospel according to St. John I (1928), 112 ff., tut.

30
Evangelisten benutzten aramäischen Quelle gestanden habe 37 • Da jedoch keine von
den vermuteten aramäischen Vorlagen für die schon zitierten nicht-johanneischen
Beispiele für den Gebrauch von v'lj!w{}ijvmsowohl die Bedeutung „gekreuzigt werden"
als auch „erhöht werden" enthalten haben kann, muß es sich um eine Quelle oder
Tradition von ganz besonderer Art gehandelt haben, die zudem durch besondere
Motive bestimmt war 38 • Der Einfluß von Num. 21., 8 f. auf die Formulierung von
Joh. 3 1 1.4 f. ist, chronologisch angesehen, sekundär. Wenn zwischen dem Aufrichten
der ehernen Schlange mittels eines Pfahles und dem Anschlagen Jesu an das Kreuz
in der Vorstellung des Evangelisten oder eines Vorgängers von ihm eine gewisse
Ähnlichkeit besteht, so heißt das noch nicht, daß die Schlange das Sinnbild Christi
wäre 39 • Der Vergleichspunkt ist vielmehr damit gegeben, daß das Aufrichten der
Schlange und die Genesung, die denen zuteil wird, die auf die Schlange blicken, als
eine Prophezeiung der Erhöhung des Menschensohnes und der Verleihung des ewigen
Lebens an jene erscheinen, die an ihn glauben. Diese Auslegung mag auf der erbau-
lichen Anwendung der Geschichte von Mose und der Schlange auf die Erhöhung
Christi durch einen Prediger noch im aramäischen Stadium der Überlieferung
zurückgehen, während die zweifache Bedeutung von v'lj!w{}ijvm von dem aramäischen
Verbum izd ~ef herkommt. Zur Wahl dieses Wortes mit seiner doppelten Bedeu-
0

tung in diesem Zusammenhang kam es jedoch schon auf einer früheren Stufe der
Tradition. Sie enthielt einen Spruch: ,,Der Menschensohn muß erhöht werden", der
in dem doppelten Sinne zu verstehen war, er müsse gekreuzigt und er müsse erhöht
werden. Schon die vorjohanneische Verbindung des Menschensohnes mit dem ur-
sprünglichen Gebrauch des Wortes für die Erhöhung Jesu bedingte seine zweifache
Bedeutung. Der Spruch „Der Menschensohn muß erhöht werden" bildet so auch eine
johanneische Parallele zu den synoptischen Voraussagen von der Passion und der
Auferstehung des Menschensohnes. Das Passiv v'lj!w{}ijvmentspricht dem ursprüng-
lichen Gebrauch (Apg. 2, 33) darin, daß es in erster Linie „der Menschensohn muß
durch Gott erhöht werden" bedeutet; Gott ist das Subjekt des Vorgangs auch in

37 G. Kittel, ZNW 35 (1936), 282-285; M. Black, a.a.O., 103; Barrett, John, 9. Thüsing, 36 1
bezweifelt die Richtigkeit dieser Annahme; vgl. Hahn 53, Anm. 2; J. Dupont, Essais sur
la christologie de saint Jean (1951), 259 f., Anm. 6, findet in keinem der johanneischen
Sprüche eine doppelte Bedeutung.
38 Die griechischen Beispiele, die Thüsing, 37, und andere aus Artemidorus (2. Jhdt.) bei-
bringen, sind nicht sehr hilfreich, weil das Verbum u'ljloüv selbst nicht gebraucht wird.
39 Wie bei späteren christlichen Autoren z.B. Bam. 12, 5; Justin, Apol. I, 60; Trypho,

94,112; Tertullian, Adv. Marc. III, 18. Die Geschichte war auch bei den jüdischen Exegeten
besonders beliebt; vgl. H. Odeberg, The Fourth Gospel (1929), 98-113. Das vierte Evan-
gelium überliefert die früheste christliche Exegese. über ihr Alter, ihre palästinische Her-
kunft und über eine entgegengesetzte jüdische Exegese vgl. T. W. Manson, JTS 46 (1945),
129 ff.

31.
Apg. 5, 31; Phil. 2, 9. Aber gleichzeitig ist der Gedanke an leiden und Sterben des
Menschensohnes in dem Wort miteingeschlossen.
Das logion stellt sich also als eine johanneische oder vielmehr eine vorjohan-
neische Fassung des urchristlichen Glaubens an die Erhöhung Jesu zur Rechten Gottes
dar, andererseits zugleich als Fassung des Glaubens, daß es zu dieser nach Gottes-
Willen und gemäß der Schrift durch das Erleiden des Kreuzestodes durch Jesus kam.
Im letzteren Sinne ist u'ljloo-6-ijvm genau gleichbedeutend mit o"taUQoo{}ijvm in lk.
24, .7. Natürlich beruht die Erwähnung der Kreuzigung auf späterer Tendenz. Es ist
jedoch durchaus möglich, daß oi:o.uQoo:Orjvm und u'ljloo-6-ijvm
letzten Endes Über-
setzungsvarianten desselben aramäischen Verbums sind. Wenn das stimmt, dann ist
zwar Lukas' Wiedergabe sprachlich korrekt, erweist sich aber, genau betrachtet, doch
als eine nachträgliche Abweichung von der Bedeutung von izd 0 ~ef in der urkirch-
lichen Verkündigung; denn dort bezeichnete dieses aramäische Wort die Erhöhung
Jesu, während die johanneische Wiedergabe sowohl den ursprünglichen Sinn als
auch die zweite Bedeutung bewahrt hat, die das Wort in Aramäisch sprechenden
Kreisen gewann, wo fortentwickelte theologische Reflexion es mit dem Menschensohn
in Verbindung gebracht hatte.
3) Joh.5, 27: ,, ... und hat ihm Macht gegeben, auch das Gericht zu halten, darum
daß er des Menschen Sohn ist."
Man könnte meinen, daß der Abschnitt 5, 27-29 in sich geschlossen war, bevor
er durch den Evangelisten an seinen jetzigen Platz gelangte~. Er ist sowohl von dem
Vorhergehenden, in dem das Subjekt der Sohn ist, deutlich abgegrenzt, wie auch von
Vers 30, wo Jesus in der ersten Person spricht 41 • Während Vers 27 aber nur in
el;ouo[o.v llöooxev42 eine johanneische Eigenart aufweist und die anderen beiden Be-
standteile des Verses (xQLO'LV 43 und uto~ ä.v{}Qoo:n:ou)
:n:otei:v sonst bei Johannes nicht
vorkommen, enthalten die Verse 28 f. mehrere johanneische Stileigentümlichkeiten 44
und erinnern nicht, wie Vers 27, an Dan. 7, 13 f., sondern an Dan. 12,2 45 • Die
letzten beiden Verse des Abschnittes machen den Eindruck, als seien sie vom Evan-
gelisten selbst komponiert. Die Worte „alle, die in den Gräbern sind, werden seine
Stimme hören" sind nach dem Vorbilde von Vers 25 geformt, wo es heißt: ,,Die
Toten werden die Stimme des Sohnes Gottes hören", und die Worte „zur Auf-
erstehung des Lebens" erinnern an „die werden leben" im gleichen Verse. Die beiden

~ So Schulz, 1:1+
41 Der Satz ou Mvaµm tych itoiEiv a.it' tµau,;oü ouöev ist genau Vers 19 nachgebildet.
C! 1, 12; 17, 2.
43 Z.B. Gen. 18, 19. 25; Deut. 10, 18; Jes.1, 24; 1. Makk. 6, 22.
44 Mri{hxuµo.tE-rE (vgl. 3, 7) 1. Joh. 3, 13; EQ')(.E'tlXL
WQCI.4, 21. 23; 12, 23; 16, 2. 25. 32; WQCI.
EV 4, 52 f. (vgl. 5, 25); itoisiv und itQO.O'crstv,vgl. 3, 20 f.; E. Ruckstuhl, Die literarische
Einheit des Johannesevangeliums (1951), 161.
45 Vgl. Schulz, 113.

32
Verse sind eine Weiterführung von Vers 27. Er allein ist als einer Tradition oder
einer Quelle entnommen anzusehen.
Dieser Spruch vom Menschensohn unterscheidet sich nun von allen anderen in
diesem Evangelium dadurch, daß er den griechischen Ausdruck für Menschensohn
ohne Artikel gebraucht: utoi; uv-OQoon:ou. Nach der Erklärung von Schulz ist diese
Form kein terminus technicus, wie er in den Bilderreden des Henoch-Buches vor-
kommt, sondern unmittelbar von Dan. 7, 13 f. abhängig, wo „einer wie eines Men-
schen Sohn" den Tieren gegenübergestellt wird. Dies, so betont Schulz, weise auf das
Alter des Spruches hin, sofern nämlich der Name „Menschensohn" hier noch nicht
eine Bezeichnung für Jesus geworden sei, sondern irgendwo zwischen der spät-
jüdischen und der christlichen Menschensohn-Tradition liege 46 •
Es ist jedoch fraglich, ob Joh. 5, 27 in dieser besonderen Hinsicht 47 unmittelbar
von Dan. 7, 13 abhängt, wo &i;uioi; uv-OQoon:ou (LXX, 0), ,,einer wie eines Menschen
Sohn", steht und „eine menschenähnliche Gestalt" bedeutet, eine Gestalt, die wie
ein Mensch aussieht, aber in Wirklichkeit göttlich ist. Wenn man dem Fehlen des
Artikels an unserer Stelle volles Gewicht zugestehen wollte, so wäre die Bedeutung
,,ein Menschensohn" bzw. ,,ein menschliches Wesen" denkbar. Es ist aber unwahr-
scheinlich, daß das gemeint ist.
Der Ausdruck utoi; uv-OQoon:ouan unserer Stelle ist nicht nur im vierten Evangelium,
sondern auch im übrigen Neuen Testament einmalig. Auch Hebr. 2, 6 bildet nicht
eigentlich eine Ausnahme. Der Verfasser des Hebräerbriefes hat eine Menschensohn-
Christologie; aber er zieht in diesem Zusammenhang nicht Dan. 7 heran, sondern
Ps. 8, und die Wendung utoi; uv-OQoon:ou verwendet er nur in seinem Zitat aus diesem
Psalm. Wenn er den Ausdruck aufnimmt, so nicht so sehr, um die Menschlichkeit
Jesu als solche auszudrücken, als vielmehr um deutlich zu machen, wie sich Erniedri-
gung und Erhöhung bei Jesus darstellen.
Es besteht kein zwingender Grund anzunehmen, daß die W~ndung uioi; uv-OQoon:ou
in Joh. 5, 27 nicht „derMenschensohn" bedeuten soll, und zwar in Übereinstimmung
mit der Regel, daß Prädikatsnomina, die einem Verbum vorangehen und dem Sinn
nach einen Artikel haben sollten, diesen gewöhnlich verlieren 48 , so wie -Owuut6i; in
Mt. 27, 54 tatsächlich „der Gottessohn" heißen wird. Darüber hinaus ist es sehr
wahrscheinlich, daß utoi; uv-OQoon:ou nicht nur vom Griechischen her zu erklären ist.

46 Schulz, 111-113.
41 Trotz der Ähnlichkeit der Sprache (Dan. 7, 14 LXX: ,ml tö6ih1 au-cq> t!;oucrta), ist
t!;ouofav ilöonu,vjohanneisch (s. Anm. 42).
4s Vgl. C. F. D. Moule, An Idiom-Book of New Testament Greek 2 (1959), 115 f. Eine
Analogie zu dem artikellosen Gebrauch von -&Eo~und x.ugw~ als Eigenname (R. Bult-
mann, Das Evangelium des Johannes [1941] 196, Anm. 3) ist weniger wahrscheinlich,
weil dies dann das einzige Beispiel sein würde.

33
Es ist durchaus möglich, daß es sich hier um die Wiedergabe des hebräischen status
constructus handelt, wie er im aramäischen Text von Dan. 7, 13 (keE_arenasch) ge-
braucht wird und gelegentlich in Übersetzungen wie Jt'VEiiµaxue(ou (Lk. 4, 18) und
äyyEt..o; xueiou (Lk. 1, 11) nachwirkt 49 • In unserem Falle würde das bedeuten, daß
der Ausdruck bei Johannes als Übersetzung des aramäischen bar nascha, ,,des Men-
schen Sohn", anzusehen ist.
Wir haben schon früher auf die Möglichkeit hingewiesen, daß in dem christolo-
gischen Hymnus Phil. 2, 5 ff. der Ausdruck „wie ein Mensch" (co; ävitQcoJto;;
Phil. 2, 7) die aramäische Wendung in Dan. 7, 13 wiedergibt und daß dies der Aus-
gangspunkt für Paulus ist, wenn er das bloße ävitQCOJto; auf Christus anwendet, das
als Ersatz für eine ältere Bildung „der Menschensohn" anzusehen ist, mit der die
Evangelientradition sich bekannt zeigt. Der Ausdruck in Joh. 5, 27 kann als
Analogon zu dem paulinischen Wort angesehen werden, aber auch als älter als
dieses, ja sogar als der normale Ausdruck für „der Menschensohn" in den Evangelien,
weil in ihm der hebräische status constructus völlig korrekt wiedergegeben ist, und
zwar in folgender Weise: co; uto; &vitQOOJtO'U - uto; &vitQWJtO'U(Joh. 5, 27) ö uto;
toii &vitQooJtou(Dan. 7, 13 keE_arenasch)co; ävitQCOJto;
- (o) ävitQCOJto;(Paulus).
In Joh. 5, 27 ist der Menschensohntitel noch genauer bestimmt als in seiner
üblichen Form. Der Menschensohn ist dazu da, um zu richten, einfach weil er der
Menschensohn ist. Das schließt die Vorstellung aus, daß Jesus als Mensch richtet 5°.
In dieser Beziehung ist der Spruch ein Spruch synoptischer Art; denn in den syn-
optischen Evangelien ist der Menschensohn Richter 51 • Aber nirgends findet sich in
ihnen eine präzise Aussage der Art, wie sie bei Johannes vorliegt, daß er nämlich
gerade als Menschensohn richten werde. Hier besteht völlige Übereinstimmung mit
der spätjüdischen Apokalyptik 62. Indes wird so nur explizit, was in den synoptischen
Evangelien implizit vorhanden ist.

49 Vgl. Moule, a.a.O., 117,177.


60 Es stimmt daher nicht, daß „contrary to current opinion, the meaning of John 5. 27 is
that Jesus judges by virtue of his manhood", wie E. M. Sidebottom, a.a.O. (in Anm. 2),
93, meint. Vgl. auch B. F. Westcott, The Gospel according to St. John (1882), 87 f.; G. H.
C. Macgregor, The Gospel of John (1936), 179; M.-J. Lagrange, Evangile selon saint
Jearl8 (1948), 148; A. Schlatter, Der Evangelist Johannes (1948), 152. Barrett, John, 218,
bemerkt: ,,lt seems (also) wholly improbable that precisely at this place, where
judgement - the characteristic function of the apocalyptic Son of man - is in mind, John
would turn his back on the common Christian (and his own) usage."
51 Möglicherweise ist auch der Menschensohn-Richter in Apg. 10, 42 und 17, 31 un-
ausgesprochen mitenthalten; vgl. A. M. Hunter, Paul and his Predecessors 2 (1961), 86,
·Anm.3.
62 „Die Summe des Gerichts wurde ihm, dem Menschensohn, übergeben" - so 1. Hen. 69, 27.

Vgl. auch 61, 8-63, 12, wo der Auserwählte oder der Menschensohn Richter ist. Sonst ist
im jüdischen Denken Gott selbst der Richter.

34
Wenn nun Johannes in der Konzeption des Menschensohns als Richter mit den
Synoptikern grundsätzlich übereinstimmt, so trifft das nicht auch für die Formulie-
rung zu. Die Wendung 'KQLOW in Joh. 5, 27 begegnet sonst im Neuen Testament
JtoLELV
nur noch Judas 15: ,,Siehe, der Herr kommt mit vielen tausend Heiligen, Gericht zu
halten über alle (JtoLijcrm'KQLOWxo.ta Jtavtcov)". Es ist bedeutsam, daß dieser Aus-
druck nur an jener Stelle im Neuen Testament vorkommt, die 1. Henoch 1, 9 auf-
nimmt, einen Vers aus Henochs Vision des letzten Gerichtes. Es kommt hinzu, daß
1. Henoch auf semitischem Boden entstanden ist und daß die Kapitel 1-5 wahr-
scheinlich hebräisch abgefaßt wurden 53 • Das alles ist geeignet, die Annahme zu
stützen, daß der Menschensohn-Titel in Joh. 5, 27 seiner Form nach semitischen Ur-
sprungs und daß der Spruch als ganzer von hohem Alter ist.
So fasse ich, wie folgt, zusammen: Joh. 5, 27 ist ein von Haus aus selbständiger
vorjohanneischer Spruch aus einem Überlieferungskomplex, der es mit dem Men-
schensohn zu tun hatte. Der Evangelist hat ihn dem Zusammenhang, in den er ihn
eingefügt hat, so angepaßt, daß „Sohn" zum Subjekt und „Menschensohn" zum
Objekt geworden ist: Dem Sohn hat der Vater alle richterliche Gewalt gegeben
(Vers 22), weil er auch der Menschensohn ist.
4) ]oh. 8, 28: ,,Wenn ihr des Menschen Sohn erhöhen werdet, dann werdet ihr
erkennen, daß ich es sei."
5) ]oh. 12, 34: ,,... und wie sagst du denn: Des Menschen Sohn muß erhöht
werden? Wer ist dieser Menschensohn?" 54
Obwohl diese beiden Sprüche wie 3, 14 den Menschensohn mit dem Verbum
injJouvin Verbindung bringen, erwecken sie nicht den Eindruck, als seien sie einer
besonderen Tradition entnommen.
8, 28: Weil das Verbum „erhöhen" hier im Aktiv gebraucht ist (Öto.v 1J'ljJ0><T'Y)tE)
und die Handelnden die Feinde Jesu sind, kann die Grundbedeutung nur „kreuzigen"
sein. Aber die folgenden Worte „dann werdet ihr erkennen, daß ich es sei" deuten
doch an, daß hier auch die Vorstellung von der Erhöhung in der Nähe ist, also die
Urbedeutung des Verbums in 3, 14, das in dieser Hinsicht, wie wir gesehen haben,
dem Gebrauch des griechischen v'lj!ouvebenso wie seiner aramäischen Grundlage in
der urchristlichen Verkündigung folgt. 8, 28 ist von dem Evangelisten selbst kom-
poniert.
Der Schluß des Spruchs „dann werdet ihr erkennen, daß ich es sei" soll offen-
sichtlich der Meinung Ausdruck geben, die Erkenntnis, wer Jesus sei, werde sich
daraus ergeben, daß „sie" ihn an das Kreuz erhöhen, und zwar in einem Akt, bei

53 R. H. Charles, The Book of Enoch2 (1912), LVII f.


54 Die Auslassung der Worte tl,; fotLv ovto,; ö ulo,; to'Ü uvitQCOJtou
in P76 ist wahrscheinlich
als Haplographie und nicht als echte Textvariante zu beurteilen. P75 läßt in diesem Vers
auch ÖtLvor ÖEi: weg.

35
dem „sie" zwar die Handelnden sind, dessen eigentliche, tiefe Bedeutung ihnen selbst
als Tätern aber unverkennbar bleibt. Thüsing hat nachgewiesen 55 , daß die Wotte
„ihr werdet erkennen" nicht bedeuten können „ihr werdet zu eurem Nachteil (oder
zu spät) erkennen", sondern daß sie die Zusage des Heiles für diejenigen Juden ent-
halten, die auf Grund der Erhöhung des Menschensohnes zum Glauben kommen
werden, weil ytvcocrx.Etvim vierten Evangelium nur einen positiven Sinn hat. Das
Gegenteil wird in Vers 24 ausgedrückt: ,,Denn so ihr nicht glaubet, daß ich es sei,
so werdet ihr sterben in euren Sünden." Bedeutet aber „daß ich es sei" in beiden
Versen dasselbe? Wenn es so ist, dann ist lyco ELµL,wie oft bei Johannes, auch hier
eine „Theophanie-Formel", die dem ani hu entspricht 56 , in dem sich Gott im Alten
Testament zu sich selbst bekennt. ,,Ich bin es" könnte aber genausogut „ich bin der
Menschensohn" meinen, also die Antwort auf die Frage „Wer bist du?" in Vers 25
beantworten. Für diese Annahme kann man sich darauf berufen, daß in Vers 26
die Tätigkeit des Richtens erscheint, eine Funktion, die ja auch zu den Funktionen
des Menschensohnes gehört. Interpretiert man so, so ergibt sich weitgehende Über-
einstimmung mit 3, 14 f., da nach dieser Stelle der Menschensohn erhöht werden
muß, um Glauben zu erwecken. In 8, 28 ist das Wissen um seinen wahren Status
als der erhöhte Menschensohn die Wirkung seiner Erhöhung. Der Spruch ist vom
Evangelisten nach dem Muster des der Überlieferung entnommenen Spruches 3, 14
geformt, der es mit der Notwendigkeit der Erhöhung des Menschensohnes zu tun
hat. Sowohl der Zusatz zu 3, 14 in Vers 15 als auch 8, 28 entspringen der Vorliebe des
Evangelisten für die Menschensohn-Christologie und der Hingabe, mit der er es
immer wieder als unerläßlich hinstellt, an Jesus als an den Menschensohn zu
glauben 57 •
12, 34: Jesus sagt im Zusammenhang dieses Verses nicht, daß der Menschensohn
erhöht werden müsse. Er erwähnt den Menschensohn nicht. Man hat darum vor-
geschlagen, den Vers so umzustellen, daß er auf 8, 28 f. folgt 58 , wo Jesus vom
Menschensohn spricht, ohne allerdings auch zu sagen: ,,Der Menschensohn muß
erhöht werden." Aber das wäre auch ganz unnötig. Der Evangelist hat nämlich die
Feststellung, der Menschensohn müsse erhöht werden, jenem Spruch aus seiner
Quelle entnommen, den er in 3, 14 eingefügt hat; denn die hier zur Diskussion
stehende Stelle gehört wie 8, 28 zu einer sekundären Gruppe von Sprüchen. Jesu
Wort in Vers 32 „wenn ich erhöht werde" ist durch den Gebrauch des Verbums in
Vers 34 nahegelegt und nimmt es vorweg. Primär haben die beiden Stellen wie in
8, 28 die Kreuzigung im Auge. Das geht aus Vers 33 hervor: ,,Das sagte er aber, zu

55 S. die gesamte Textdiskussion bei Thüsing, 15-22.


56 E. Stauffer, Jesus: Gestalt und Geschichte(1957), 130 ff., (140 f., 143); Barrett, John, 282 f.
57 Joh. 9, 35.
58 Buhmann, a.a.O. (in Anm. 48), 269, Anm. 7.
deuten, welches Todes er sterben würde 11, ein Wort, das von ·den Hörern als reiner
Widerspruch zur Lehre der Schrift aufgefaßt wird, wonach der Messias ewig bleibt 5 9 •
Deshalb fragen sie verständnislos: ,,Wer ist dieser Menschensohn? 11 Sie möchten
wissen: Was für ein Menschensohn ist dieser? Menschensohn und Messias sind
Äquivalente. Eine Kreuzigung des Menschensohnes ist ein Stein des Anstoßes 60 •
Indes schließt, wie in 8, 28, das Ans-Kreuz-emporgehobenwerden des Menschen-
sohnes die Vorstellung der Erhöhung mit ein. Wenn der Evangelist bemerkt, Jesus
_habe so gesprochen, um anzudeuten, ,,welches Todes er sterben würde", so ist der
tiefere Sinn, den seine Leser erfassen sollten, der, daß, wie sie wußten, dieser Tod
der rettende Tod am Kreuz war 61 ; denn durch ihn würde Jesus alle, nämlich alle
diejenigen, die glaubten, zu sich ziehen. So liegt hier die gleiche Grundanschauung
vor wie 8, 28, obwohl sie ziemlich unterschiedlich ausgedrückt ist: ,,Wenn ihr des
Menschen Sohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, daß ich es ..sei." Der
Nachdruck liegt dort darauf, daß die Feinde des Menschensohns ihn an das Kreuz
erhöhen und daß dies sie dazu bringen wird (nicht nur zu glauben, sondern) zu wis-
sen, daß· er wirklich der Menschensohn ist. Hier dagegen wird seine Erhöhung fort
von der Erde stärker betont 62:dadurch, daß er alle, nämlich alle diejenigen, die glau-
ben, zu sich ans Kreuz zieht, bringt er sie auch zu seiner Herrlichkeit. ,,Alle 11 in
:12, 32 ist einschränkend im Sinne von „alle diejenigen, die glauben" zu verstehen
und läuft im Grunde auf dasselbe hinaus wie „dann werdet ihr erkennen" in 8, 28.
Beide Aussagen wollen im Lichte der Worte „auf daß alle, die an ihn glauben" usw.
(3, 15) gelesen werden, die der Evangelist als Zusatz zu dem Spruch aus der Men-
schensohn-Quelle „der Menschensohn muß erhöht werden" hinzugefügt hat 63 •
In dieser Gruppe von Sprüchen finden sich verhältnismäßig wenig Gedanken nicht-
synoptischer Art. 1, 51; 3, 14 und 5, 27 bewahren sehr altes Material und gehen zum
Teil auf die Aramäisch sprechende Kirche zurück. Dies wird besonders deutlich in den
beiden letztgenannten Sprüchen. Demgegenüber sind 8, 28 und 12, 34 nur von
sekundärer Bedeutung, weil sie nicht direkt aus der Tradition stammen, sondern von
dem Evangelisten um den Kern von 3, 14 „also muß der Menschensohn erhöht wer-

59 Vgl. Ez. 37, 25; C. F. Bumey, The Aramaic Origin of the Fourth Gospel (1922), 120.
60 Vgl. 1. Kor. 1, 23.
61 Thüsing, 24: ,,von weldier Heilsbedeutung sein Tod sein werde".
62 Vgl. Thüsing, 24-26: ,,Dadurch, daß der Gekreuzigte ex ·dj~ yij~ erhöht ist, ist der Ein-
heitspunkt gegeben, der das Ziehen ans Kreuz und in die Herrlichkeit zusammenschauen
läßt" (26).
63 Es fot zu beachten, daß das Gericht des Menschensohnes (5, 27. 29 f.) an allen drei Stellen

mit seinem Erhöhtwerden verbunden ist. Das Prinzip des Gerichtes hängt vom Glauben
bzw. vom Unglauben ab (3, 17-19). Es gibt auch eine Erwähnung des Richtens vor
8, 28. Jesus sagt, unmittelbar bevor er von seiner Erhöhung spricht: ,,Jetzt geht das Ge-
richt über die Welt" (12, y1).

37
den" aufgebaut worden sind. Wir dürfen annehmen, daß die ersten drei Sprüche
dieser Gruppe hinsichtlich der Passion, der Erhöhung, der Herrlichkeit und des Ge-
richts des Menschensohnes johanneische Parallelen zur synoptischen Tradition sind.
Gehen wir nun zur zweiten Kategorie johanneischer Menschensohn-Sprüche über,
so zeigen sich deutlichere Zeichen nicht-synoptischer Gedanken. Daher ist nun zu
fragen, wie weit deren Existenz etwa auf zweitrangige Tradition oder auf den Evan-
gelisten zurückweist.

2. Sprüche nicht-synoptischer Art:


3, 13; 6, 27; 6, 53; 6, 62; 12, 23; 13, 31 f.

1) Joh.3, 13: ,,Und niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel hernieder-
gekommen ist, nämlich des Menschen Sohn."
Dieser Spruch wird für sich behandelt, weil er im Gegensatz zum nächsten Vers
nicht von synoptischer Art ist. Obwohl es stimmt, daß der Menschensohn im vierten
Evangelium Züge trägt, die an die verschiedenen Ausprägungen des himmlischen
Menschen in der geistigen Welt des Hellenismus erinnern 64, liegt die Hauptquelle,
wie bei den synoptischen Evangelien, doch im Urchristentum. Was vom Herabkom-
men und Hinauffahren des Menschensohnes an unserer Stelle gesagt ist, hat keinerlei
Ähnlichkeit mit dem, was in den synoptischen Evangelien steht. Das Verbum xam-
ßa[veLv begegnet zur Bezeichnung des Vorgangs der Inkarnation bei Johannes nur
im 6. Kapitel (Verse 33, 38, 41, 42, 50, 51, 58). Aber dieser Sprachgebrauch be-
schränkt sich keineswegs auf das Johannesevangelium.
Da ist zum Beispiel Eph. 4, 8-1.0:,,Darum heißt es: ,Er ist aufgefahren in die
Höhe und hat das Gefängnis gefangen geführt und hat den Menschen Gaben ge-
geben.' Daß er aber aufgefahren ist, was ist's, denn daß er zuvor ist hinunter-
gefahren in die untersten Örter der Erde? Der hinuntergefahren ist, das ist derselbe,
der aufgefahren ist über alle Himmel, auf daß er alles erfüllte." Es ist nicht sicher
auszumachen, ob das Hinunterfahren in die untersten Örter der Erde auf ein
Hinunterfahren in die niedrigeren Regionen oder ganz einfach ein Hinunterfahren
auf die Erde ist. Auf jeden Fall liegt der Nachdruck bei der Auffahrt Christi in den
Himmel, die es ihm ermöglichte, den Menschen Gaben auszuteilen. Auch Joh. 3, 13
liegt die Betonung auf dem Hinauffahren des Menschensohnes in den Himmel. In
beiden Stellen kann derjenige, der hinauffährt, nur der sein, der hinabfährt. In Joh.

64 Besonders bei Philo und in den Hermetischen Schriften. Dodd, Interpretation, erörtert
diese .Ähnlichkeiten im einzelnen und betont besonders den archetypischen Menschen im
Poimandres.
3, 13 aber steht der Gedanke an die Hinauffahrt des Menschensohnes einfach deshalb
im Vordergrunde, weil es ihm sonst nicht möglich gewesen wäre, die himmlischen
Dinge zu offenbaren. Daß Christus in den Himmel aufgefahren ist, ist auch in Röm.
10, 6 f. mitgesetzt: ,,Sprich nicht in deinem Herzen: ,Wer will hinauf gen Himmel

fahren?' Das ist nichts anderes, denn Christum herabholen. Oder: ,Wer will hinab
· in die Tiefe fahren?' Das ist nichts anderes, denn Christum von den Toten holen."
Einen positiven Beweis dafür, daß das johanneische &vaßa[veLv auch sonst in der
urchristlichen Verkündigung im Zusammenhang mit dem Hinauffahren Jesu zu
himmlischer Herrlichkeit gebraucht worden ist, liefert Apg. 2, 34 f.: ,,Denn David
ist nicht gen Himmel gefahren (ofüc.&veß'lJd~ 1:ov~ ouQavov~). Er spricht aber: Der
Herr hat gesagt zu meinem Herrn: ,Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich deine
Feinde lege zum Schemel deiner Füße!'" Es war eben nicht David, der in den Him-
mel hinauffuhr, sondern - das steht zwischen den Zeilen - Jesus, der zur Rechten
Gottes erhöht wurde (u'ljJW~E[~:Vers 33), um zum Herrn und Christus gemacht zu
werden (Vers 36). Wir haben schon vorher gesehen, daß u'ljlouv in Joh. 3, 14 vom
ursprünglichen Sprachgebrauch abgeleitet worden ist, für den Apg. 2, 33 ein Beispiel
bietet. Im vorhergehenden Spruch (Joh. 3, 13) reflektiert &vaßa[vELV ebenfalls ur-
sprünglichen Sprachgebrauch, wofür wiederum Apg. 2, 34 ein Beispiel ist. Aber nur
im vierten Evangelium steht (siehe unten zu 6, 62), daß der Menschensohn auffährt.
An einer Stelle (Joh. 20, 17) wird das Wort zweimal gebraucht; dabei spricht Jesus
in der ersten Person. Die Analogie zu dem Gebrauch von u'ljlouv, wie er früher dar-
gelegt worden ist, ist auffallend. Nur einmal kommt dieser Ausdruck in Worten Jesu
in der ersten Person vor (Joh. 12, 32), und dort liegt sein Erscheinen nahe, weil er
kurz darauf wiederum gebraucht wird (Vers 34). Es ist der auferstandene, aber noch
nicht aufgefahrene Jesus, der sagt: ,,Ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Va-
ter" (Joh. 20, 17). Dies hängt von der Verbindung des Wortes „auffahren" mit dem
Menschensohn in den beiden anderen Stellen ab. Von diesen ist 3, 13 unmittelbar
einer Quelle entnommen; denn es ist an einen Menschensohn gedacht, der schon in
den Himmel aufgefahren ist. Wir machen also Anzeichen dafür aus, daß in der
Sprache der Verkündigung ein anderer Terminus, nämlich &vaßa[vELV, genau wie
u'ljlouv mit dem Menschensohn in einer Oberlieferung, die nur vom vierten Evange-
lium benutzt worden ist, verbunden wurde. Diese johanneische Tradition spricht
jedoch nicht von der Himmelfahrt als Ereignis (vgl. Apg. 11 9-11), sondern vom
Hinaufsteigen in die himmlische Herrlichkeit als einer theologischen Tatsache 65 •

65 Vgl. Thüsi:ng, 274: ,, ,Den Menschensohn aufsteigen sehen' (6, 62) ist wohl ... gleich-
bedeutend einem ,an seine Thronbesteigung glauben'."
Über die Beziehung zwischen {}Ecogei:v und Glauben (6, 62, cf. 64; 6, 40; 12, 44 f.) s. W.
Michaelis, ThWNT V, 362. Bedeutungsvoll ist hier Hebr. 4, 14, obwohl die Sache hier

39
Aber dieser Gebrauch von &.vaßatvnv ist ganz unsynoptisch 66, anders als der von
fnpouv, das 3, :14 und :12,34 (,,der Menschensohn muß erhöht werden") gebraucht
wird - in einem Zusammenhang, der auch als eine johanneische Parallele zu den
synoptischen Voraussagen der Passion und der Auferstehung des Menschensohnes
angesehen werden darf. Es wurde besonders auf Lk. 24, 7 aufmerksam gemacht: ,,Der
Menschensohn muß gekreuzigt werden."
. 2) ]oh. 6, 27: ,,Wirket nicht Speise, die vergänglich ist, sondern die da bleibt in
das ewige Leben, welche euch des Menschen Sohn geben wird."
3) ]oh. 6, 53: ,,Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleisch
des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch."
Beide Sprüche sind einem Überlieferungsstück entnommen, aber einem von beson-
derer Art, weil die Vorstellung eines Menschensohnes, der sowohl der Nahrungs-
spender als auch selbst die Nahrung (Fleisch und Blut) ist, hier singulär ist. Mög-
licherweise wurde das erste durch die bekannte jüdische Zuversicht nahegelegt, im
messianischen Zeitalter würde das Manna wieder herabgebracht werden (2. Baruch
29, 8) bzw. der Messias würde es wieder herabbringen, wie Moses es tat 67 ; denn die
Erwähnung von unvergänglicher Speise führt weiter zur Erwähnung des Manna
(Verse 3:1 und 49).
Auf den ersten Blick scheint sich :1. Hen. 62, :14 eine treffende Parallele zu finden:
,,Der Herr der Geister wird über ihnen wohnen,
und sie werden mit jenem Menschensohn essen
und sich niederlegen und erheben bis in alle Ewigkeit."
Im günstigsten Fall kann aber nur von einer teilweisen Parallele die Rede sein.
Der Menschensohn ist hier nämlich nicht der Spender der Speise, und noch weniger
ist er sie selbst. Der Gehalt der beiden Sprüche, bei deren Betrachtung wir stehen,
stammt aus der johanneischen Christologie. Dabei ist nicht nur an die Christologie
des Evangelisten selbst zu denken, sondern auch an die Christologie der ihm zur
Verfügung stehenden Quelle. Wenn der „Menschensohn" das grundlegende johan-
neische Christologurnenon ist, dann muß man sogar erwarten, daß Jesus, wenn er
als der Spender der Speise des ewigen Lebens erscheint, diese Funktion als der
Menschensohn ausführt. Wie auch mehrfach sonst, so ist der Evangelist indes hier
von einer längst vorhandenen Menschensohn-Tradition abhängig. Diese kann wie-
derum ihrerseits nur der besondere Zweig einer Tradition gewesen sein, die mit der

wohl anders ausgedrückt ist. Jesus ist der große Hohepriester, der „gen Himmel gefahren
ist" (vgl. auch 9, :11 f.).
66 Es gibt keine synoptische Stelle über die „Himmelfahrt" außer Lk. 24, 51: xat &ve<pEQE't'O
et; 'tOV o'ÖQav6v(bei~* Da b eff 2 j l sys ausgelassen). Vgl. noch Mk. 16, 19.
67 Str-B II, 481; H. Odeberg, The Fourth Gospel (1929), 242 f.; E. C. Hoskyns, The Fourth
Gospel2 (1950), 293 f.; Dodd, Interpretation, 335 ff.

40
Eucharistie verbunden war. Das trifft für die beiden hier besprochenen Sprüche aus
Joh. 6 zu. Allerdings scheinen sie auf den ersten Blick so verschieden zu sein, daß
man kaum erkennen kann, wieso sie beide zu derselben Quelle gehört haben sollen.
Bekanntlich hat diese Schwierigkeit manche Gelehrte dazu geführt, die Verse 51 c
.(,,Und das Brot, das ich für das Leben der Welt geben werde, ist mein Fleisch") -
58 als eine zusätzliche eucharistische Deutung 68 der Rede Jesu über das Brot des
Lebens seitens des Redaktors anzusehen, während sie doch selbst von ihrem Beginn
in Vers 26 an bis hin zu Vers 51 b das, was Jesus über sich selbst als das Brot des
Lebens (Verse 35, 48) sagt, in dem Sinne auffaßt, daß es sich auf ihn als Lehrer
beziehe.
Tatsächlich bilden die beiden Sprüche, die alles andere als im Widerspruch zu-
einander und unvereinbar sind, den Rahmen der ganzen Rede, und ebenso ist der
Übergang, den der Evangelist durch ihre Komponierung geschaffen hat, völlig
durchsichtig. Die Identifizierung Jesu mit dem Brote des Lebens (Vers 35, in Vers 48
wiederholt) ergibt sich aus der „orakelhaften Zweideutigkeit" 69 von Vers 33 70 , der
entweder „das Brot Gottes ist dasjenige (Brot), das vom Himmel herabkommt"
bedeuten kann oder „das Brot Gottes ist derjenige, der vom Himmel herabkommt".
ferner weist, wie Dodd zeigt 71, die Wendung ö xa,aßa[vcov auf 3, 13 zurück: ,,Und
niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel herniedergekommen ist, nämlich
des Menschen Sohn." Es ist diese Rückbeziehung auf .einen anderen Spruch über
das Herabkommen des Menschensohnes vom Himmel, einen Spruch, der aus beson-
derer Überlieferung stammt, die es dem Evangelisten ermöglicht, einen Übergang
von 6, 27 zu 6, 53 zu schaffen. So ergibt sich folgender Zusammenhang:
3, 13: Der Menschensohn ist vom Himmel herabgekommen;
6, 27: Der Menschensohn gibt unvergängliche Speise;
6, 53: Der Menschensohn selbst ist die Speise.
Natürlich hat sich Jesus schon selbst das Brot des Lebens genannt (Verse 35, 48);
so ist diese überraschende Erklärung schon etwas vorbereitet. Aber die eigentliche
Vorbereitung liegt in der Feststellung: ,,Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel ge-
kommen" in Vers 51., einer noch weitergehenderen Annäherung an 3, 13 (beide Male
heißt es: ö ex wu ouQavou xa,aßu;). Wahrscheinlich stammen beide Sprüche 6, 27
und 6, 53 und nicht nur der letztere aus einer vorjohanneischen eucharistischen

68 Vgl. Schulz, 1.15, Anm. 11. Ruckstuhl, a.a.O., 220-271, bringt allerdings überzeugende
Argumente für den johanneischen Stil dieses Abschnitts bei. Vgl. auch J. Jeremias, Die
Abendmahlsworte Jesu3 (1960), 101, der früher, 2 1949, 59, die Ansicht vertreten hatte, der
Abschnitt sei redigiert worden.
69 Dodd, I-nterpretation, 337: ,,Oracular ambiguity".
70 'O YO.Qur;ii:oc;,:oii 1'tEOÜ EC1'tL'V
Ö xcmxßatvcov EX ,:oii our;iavoii.
71 Ebd.
Rede 72 , und das läßt darauf schließen, daß diese ältere Homilie sich nicht auf die
Verse 53-58 beschränken läßt 73 , sondern daß die beiden genannten Sprüche schon
ihren Anfang bzw. ihren Höhepunkt bildeten, wie es auch bei der von dem Evan-
gelisten geschaffenen Rede der Fall ist74 • Vers 51 c (,,Und das Brot, das ich für das
Leben der Welt geben werde, ist mein Fleisch") ist eine johanneische Umschreibung
des ersten Einsetzungswortes 75 ; sie wurde durch den Spruch über das Fleisch und
das Blut des Menschensohnes in Vers 53 angeregt.
Unter allen johanneischen Menschensohn-Sprüchen sind diese beiden am aus-
geprägtesten von nicht-synoptischem Charakter. Das Eindringen des Menschensohn-
Begriffes in einen eucharistischen Zusammenhang innerhalb der homiletischen Tra-
dition, wie es sich in ihnen darbietet, ist etwas radikal Neues. Es wird aber verständ-
lich, wenn man das Gewicht bedenkt, das für den Evangelisten die Menschensohn-
Christologie besaß, die er in der Überlieferung vorfand und die noch dadurch betont
wird, daß der zweite Spruch (6, 53) nun mit Jesu feierlicher Einführungsformel ver-
sehen ist: ,,Wahrlich, wahrlich ich sage euch." In dieser Überlieferung, die der Ge-
meinde, zu der der Evangelist gehörte, wohlbekannt war, wurden die Hauptstücke
des Jesus-Kerygmas in der Menschensohn-Terminologie wiedergegeben 76 • Wenn
ferner in 6, 53 der Menschensohn eindeutig Jesus ist, so deshalb, weil sich für die
Hörer der Homilie mit ihr die Erinnerung an die Frage verbindet, die sie vor der
Taufe zu beantworten gehabt hatten: ,,Glaubst du an den Menschensohn?" (9, 35).
Jesus ist der Gegenstand des Bekenntnisses, sofern er der Menschensohn ist. Die bei-
den zusammengehörigen Sprüche 6, 27 und 6, 53 drücken den eucharistischen Glauben
der Kirche aus, wie er sich in den Worten des gekreuzigten, erhöhten und verherr-
lichten Menschensohnes äußert.
4) ]oh. 6, 62: ,,Wie, wenn ihr denn sehen werdet des Menschen Sohn auffahren
dahin, da er zuvor war?"
Hier wendet sich Jesus an einige von seinen Jüngern. Die „harte Rede", woran
sie Anstoß genommen hatten (6, 60), bezieht sich in erster Linie, wenn auch nicht
ausschließlich 77 , auf den Hauptabschnitt der vorangegangenen Rede, die Verse 51 c,

12 Vgl. Schulz, 11.6,Anm. 3.


73 Wie bei Jeremias, a.a.O. (1960) (s. Anm. 68), 101,102, 130.
74 B. Gärtner, John 6 and the Jewish Passover, Coniectanea Neotestamentica 17 (1959), 24,
Anm. 26-29, hat die enge Verbindung zwischen den Versen 51c-58 und dem voran-
gehenden Abschnitt der Rede betont. Dabei hat er die Ähnlichkeit zwischen der ganzen
Rede und der jüdischen Passa-Haggada herausgestellt unter besonderem Hinweis auf die
vier Fragen (Verse 28, 30, f., 42, 52), die mit denen in der Haggada korrespondieren und
deren letzte auch in dem besprochenen Abschnitt (Verse 51c-58) vorkommt.
75 Vgl. Bernard, a.a.O. (s. Anm. 36), CLXX ff.; Dodd, Interpretation, 338; Jeremias, a.a.O.
(1960), 101 f. .
76 Siehe oben S. 23.
77 Vgl. Thüsing, 261 f.

42
53-58, gegen deren einleitende These (Vers 5:1 c) schon „die Juden" Einspruch er-
hoben hatten (6, 52). Die beiden folgenden Feststellungen zunächst über das
Hinauffahren des Menschensohnes und dann über den Geist (,,Der Geist ist's, der
da lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich rede, die sind
Geist und sind Leben. Aber es sind etliche unter euch, die glauben nicht") machen ·
deutlich, wie seine Worte verstanden werden sollen: Es ist an geistliches Essen
gedacht, und demgemäß ist der Menschensohn nicht Jesus von Nazareth, sondern
der Menschensohn, der vorn Himmel herabkam und dorthin zurückkehrte.
Folgende Überlegungen erweisen den sekundären Charakter dieses Spruches gegen-
über 3, :13:
a) In 3, :13 bezieht sich &vaßa(veivnur auf das Hinauffahren des Menschensohnes.
Dagegen muß in 6, 62 rniteinbegriffen sein, daß dies Hinauffahren zu himmlischer
Herrlichkeit auf Grund seines Todes erfolgt, der zugleich seine Erhöhung ist. Streng
genommen ist diese Bedeutung jedoch sekundär und stammt aus 3, :14 mit seinem
u'lj)witrjvm,einem Spruch, der ursprünglich von dem vorhergehenden Spruch un-
abhängig war, mit dem ihn der Evangelist verknüpft hat. Diese Schau hat ihre Be-
gründung in dem einzigen weiteren Vorkommen von &vaßa(veiv mit theologischer
Bedeutung im vierten Evangelium. Es handelt sich um 20, :17. Hier sagt der gekreu-
zigte und auferstandene Jesus: ,,Denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem
Vater." Damit stellt er fest, daß die Vollendung des Weges, der für ihn mit der
Kreuzigung begonnen und sich in seiner Auferweckung fortgesetzt hat, noch vor
ihm liegt, und zwar in seiner Erhöhung zu Gott als seinem Vater.
b) Die Worte „da er zuvor war" (6, 62) spielen auf das Herabkommen des
Menschensohnes vorn Himmel an (3, :13).
c) Der in 6, 62 in die Zukunft gerichtete Blick ist sekundär gegenüber dem rück-
schauenden der früheren Stelle 3, :13. Stammt diese aus der dem Evangelisten zur
Verfügung stehenden Überlieferung, so hören wir ihn in 6, 62 selbst. Dabei bedient
er sich der Vorstellung der Hinauffahrt in der Überlieferung ganz analog dem, daß
der Blick auch in 20, :17 in die Zukunft geht.
d) Schließlich ist da ein enger Parallelismus zwischen 6, 62 und 7, 38 f.: ,,Wer an
mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen
Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, welchen empfangen sollten, die
an ihn glaubten; denn der heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht
verklärt."
Im einzelnen sieht das so aus:
6, 62: Die Auffahrt zum Himmel liegt 7, 39: Jesus ist noch nicht verherrlicht
noch in der Zukunft (vgl. 20, :17: oünw (ouöenw EÖo;acritTJ).
yaQ &vaßeßrpm).

43
6, 63: Zum Wirken des Geistes wird es 7, 39: Die Begabung mit dem Geist liegt
nach der Hinauffahrt des Menschen- noch in der Zukunft; zu ihr wird es
sohnes kommen. kommen, nachdem Jesus verherrlicht ist.
6, 64 a: Zunächst bedarf es des Glau- 7, 38: Glaube an Jesus ist unerläßlich
bens (ELO'LV E; vµii:Jv1:LVE<;OLO'IJ:rttO''tE'U- (omcri:Euwvetc;eµe... )
OU(JLV).

Es dürfte schwerlich zu weit gegriffen sein, wenn man meint, in 6, 62-64 a liege
eine andere, auf den Menschensohn bezogene Version von 71 38 f. vor. Haben wir
früher den Einfluß von 3, 13 ( 11 Und niemand fährt gen Himmel, denn der vom
Himmel herniedergekommen ist, nämlich des Menschen Sohn") in der eucharistischen
Rede, in Kapitel 6 festgestellt (Verse 33, 51) 1 so erkennen wir ihn jetzt auch in der
Auslegung dieser Rede, die ihren Sinn zu erschließen bemüht ist.
5) /oh. 12, 23: 11 Die Zeit ist gekommen, daß des Menschen Sohn verklärt werde."
Verklären, verherrlichen, ehren" (öo;a~nv)78 ist ein typisch johanneisches Wort.
11

Im Gegensatz zu dem Wort „erhöhen" (v'ljloiiv), das der Evangelist für den Men-
schensohn reserviert hat, gebraucht er II verklären" auch in anderen Zusammen-
hängen. Jesus sagt, daß der Vater verherrlicht wird (14, 13; 15 1 8), daß der Vater
(8, 54) oder der Geist der Wahrheit (16, 14) ihn verherrlicht und daß der Gottessohn
durch die Krankheit des Lazarus verherrlicht wird (11, 4). An anderen Stellen schließt
das Wort jedoch den Bezug auf das Sterben ein, und zwar so, daß Jesus das Subjekt
ist, gleichgültig, ob es sich um Bemerkungen des Evangelisten (7, 39; 12, 16) handelt
oder um Worte, die wie 17 1 1 Jesus selbst in den Mund gelegt werden. Die Vor-
stellung, im Tode Jesu komme es zur Verherrlichung seiner Person und des Vaters
(17 1 1) 1 ist so sehr in sich geschlossen, daß der Evangelist sogar Jesu Prophezeiung,
Petrus werde gekreuzigt werden, in dieser Weise interpretiert: Das sagte er aber,
11

zu deuten, mit welchem Tode er Gott preisen würde" (21, 19). 79 Sowohl 12, 23 als
auch 13, 31 f., wo Jesus beide Male von der Verherrlichung des Menschensohnes
spricht, hat öo;a~ELVdiese doppelte Bedeutung. Insofern ähnelt es v'ljlouv. Aber da
ist auch ein bemerkenswerter Unterschied. öo;a~ELVhat keinen Bezug auf die Art des
Todes; bei v'ljlouv liegt ein solcher Bezug vor. Das hängt damit zusammen, daß
v'ljloiiv das aramäische Wort wiedergibt, das sowohl den Vorgang der Erhöhung als
auch den der Kreuzigung bezeichnet. Demgegenüber fehlt öo;a~ELVein entsprechender
Hintergrund. Dieser Unterschied legt die Annahme nahe, daß der Gebrauch von
öo';a~ELV im vierten Evangelium sekundär ist.

7s über den Gedanken der Verklärung s-iehe W. Grossouw, La glorification du Christ dans
le quatrieme evangile, in L'Evangile de Jean (RecherchesBibliques 3; 1958), 131-145.
79 Tou,:o llE ELJtEv01']µatvmv notqi itav6.i:qi öo~6.crn i:ov fü6v. Vgl. auch 12, 33: i:oiho öe
!!1'.eyevcr11µatvcov
rcotqiitavo.i:Cfli\µe1'.1'.Ev
anoitvficrxELV.

44
Wie utiJouv so scheint indes auch öosatew zur Sprache des urchristlichen Kerygmas
gehört zu haben. So heißt es Apg. 3, 13: ,,Der Gott Abrahams und Isaaks und
Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verklärt (eöo;acrev)." Da-
neben ist Hebr. 5, 5 f. zu stellen: ,,Also auch Christus hat sich nicht selbst in die
Ehre gesetzt, daß er Hoherpriester würde, sondern der zu ihm gesagt hat: Du bist
mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Wie er auch am andern Ort spricht: Du bist
ein Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks." Gewiß, es war üblich,
Msa für den herrlichen Dienst zu gebrauchen, der Sache des Hohenpriesters war 80 •
Aber hier ist der Sprachgebrauch nicht in dieser Weise eingeschränkt. Auch Lk.
24, 26 ist zu beachten: ,,Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlich-
keit (öosa) eingehen?" Man könnte hier geradezu von einer lukanischen Form der
Idee der Verherrlichung sprechen.
Im Zusammenhang der Besprechung von Joh. 3, 14 wurde früher vertreten, dieser
vorjohanneische Spruch habe sich schon in seiner aramäischen Urform sowohl wie
in der ältesten Verkündigung von Jesus auf die Erhöhung als auch auf den Kreuzes-
tod des Menschensohnes bezogen; der doppelte Sinn von Üt!Jouvkönne daher nicht als
Erfindung des Evangelisten gelten, vielmehr habe er den Ausdruck dort, wo er ihn
sonst noch benutzt, weiterentwickelt. Aber öosateLV kann weder dieselbe Geschichte
noch auch eine zweite Bedeutung im vorjohanneischen Sprachgebrauch gehabt haben.
Die Ähnlichkeit zwischen Joh. 3, 14 und Lk. 24, 26, Worten, die beide auf ein
durch Gott selbst so geordnetes Muß hinweisen, wird durch den nicht weniger
bedeutsamen Unterschied aufgewogen, daß in Joh. 3, 14 in ÜtiJouvein einziges Ver-
bum die beiden Vorstellungen vom Leiden bzw. vom Tode und von der Verherr-
lichung umfaßt, für die Lukas je einen besonderen Ausdruck hat (nacrx.ew neben
d~ .~v öo;av).
8L<1EQ)(.8<1ttm
Joh. 12, 23 ist spezifisch johanneisch 81 • Der folgende Vers 24, der durch das dop-
pelte Amen eingeleitet wird, weist auf Vers 23 zurück und erklärt ihn im Sinne
einer Anspielung auf Jesu Sterben. Es ist nicht unmöglich, daß die beiden johan-
neischen Stellen, die öosatetv auf den Menschensohn anwenden, aus einer getrenn-
ten Schicht einer Menschensohn-Tradition stammen. Viel wahrscheinlicher ist jedoch,
daß der Evangelist den älteren Gebrauch dieses Wortes für die Verherrlichung Jesu
aufgenommen hat und daß er selbst es ist, der ihm die zweite Bedeutung, die auf das
Sterben des Todes geht, mit Bezug auf den Menschensohn, beigelegt hat, und zwar
in Analogie zu ÜtiJouv.Sein Gebrauch des Verbums in Zusammenhängen, die das

80 Sirach 45, 2.3: ,mt «l>LVEE~ uto~ 'EÄEa~(l!_) 't'!_)L'tO~ Et~ M;av; 2. Makk. 14, 7: 'tT)V l't!_)O-
j'OVLXT)V M;av, ÄEj'OOV M 'tT)V U!_):)CLE!_)OOO"UVT)V.
Vgl. J. Hering, L'ephre aux Hebreux (1954),
52.
81 Die ersten vier Worte, ,,verklären" und vgl. Anm. 44.

45
Menschensohn-Thema nicht behandeln, ist durchaus geeignet, eine Stütze für diese
These abzugeben 82 •
Endlich kann Joh. :12, 23 im Gegensatz zu Joh. 3, :14 nicht als Spruch von syn-
optischem Charakter bestimmt werden; denn es gibt nicht einen einzigen syn-
optischen Spruch, der sich auf die Verherrlichung des Menschensohnes bezieht.
6) ]oh. 13, 31 f.: ,,Nun ist des Menschen Sohn verklärt, und Gott ist verklärt in
ihm. Ist Gott verklärt in ihm, so wird ihn Gott auch verklären in sich selbst und
wird ihn bald verklären."
Würden diese Verse im Text fehlen, so würde das keinen Bruch im Gedankengang
zur Folge haben. Sie könnten deshalb sehr wohl ursprüngliche Einzelsprüche sein,
die hier eingefügt wurden. Man hat sogar vermutet, daß sich in ihnen ein vor-
johanneischer Hymnus auf den Menschensohn erhalten hat 83 • Auf die rhythmische
Struktur der Verse ist oft hingewiesen worden; aber dieser Zug kann auch über-
betont werden, und er wird ohnehin stark abgeschwächt, wenn die Worte „ist Gott
verklärt in ihm" (Vers 32 a) nicht zum ursprünglichen Text gehören. Auch der Ver-
gleich der hier begegnenden Vorstellungen mit anderen im Evangelium ist der An-
nahme eines vorjohanneischen Ursprungs für diese Stelle ebenso wenig günstig, wie
es bei der zuletzt besprochenen der Fall war. Dort, Joh. :12, 23, hat, wie gezeigt wer-
den konnte, der Evangelist den früheren Sprachgebrauch von öoi;atetv für die Ver-
herrlichung Jesu aufgenommen und ihm, in Analogie zu 'Ö'ljJOÜV, eine zweite Bedeu-
tung gegeben. :13, 3:1 f. liegt diese doppelte Bedeutung von öoi;atetv jedoch nur bei
dessen erstem Vorkommen am Versanfang vor: ,,Nun ist des Menschen Sohn ver-
klärt!" Hier liegt das Gewicht des „nun" (vüv) 84 • Die Worte „Die Zeit ist gekom-
men" in :12, 23 sind nicht ganz dasselbe wie dies „nun". In 13, 3:1 ist die entschei-
dende Stunde nicht nur herangekommen, steht also nicht nur unmittelbar bevor - sie
ist nun da, und der Menschensohn ist bereits verklärt. Jesus spricht als der Men-
schensohn zurückblickend von seinem Tode, der seine Verklärung ist. Nicht nur
ist er verklärt worden; Gott ist in ihm verklärt worden. Dies ist genau derselbe
Gedanke wie in :17, 1: ,,Vater, die Stunde ist da, daß du deinen Sohn verklärest, auf
daß dich dein Sohn auch verkläre", nur daß Jesus hier in die Zukunft blickt. ,,Die
Stunde ist gekommen" (vgl. :12, 23) für die Verklärung des Sohnes. Die Formen im

82 So wie bei u'ljloiiv(siehe Anm. 35) ist es unwahrscheinlich, daß der johanneische Gebrauch
von öo;6.~eLVdurch Jes. 52, 13 (LXX) nahegelegt wurde. Dies gilt trotz der Anspielung
auf Jes. 52, 13 in Apg. 3, 13 ({;ö6;acrnv ,:ov mxi:öa m'ii:oii 'I'Y]croiiv).Jedoch bot sich die
Analogie an durch die Tatsache, daß die beiden Verben praktisch synonym sind: Jes.
52, 13; Test. Joseph 10, 3: u'ljloi:'IGatöo;6.~ei.
83 Schulz, 121 f., findet eine jüdisch-christliche Adaption der Verklärung des Auserwählten
(= des Menschensohnes) durch den Herrn der Geister in 1. Hen. 51, 3.
84 Gegensatz oumo: 7, 39.
Futurum in 13, 32 85 kennzeichnen ohne Frage einen Aspekt der Verklärung des
Menschensohnes, der in der Vergangenheitsform des vorhergehenden Verses nicht
eingeschlossen ist. Verklärung ist hier noch um einiges mehr als das Sterben des
Menschensohnes im Gehorsam bis zum Ende. Wir müssen hier wieder Kapitel 17
zum Vergleich heranziehen: ,,Ich habe dich verklärt auf Erden und vollendet das
Werk, das du mir gegeben hast, daß ich es tun sollte" (17, 4). Während das hier
gemeinte Werk die gesamte Wirksamkeit Jesu umfaßt, wird es in der Passion voll-
endet86. Dies ist gleichbedeutend mit dem, was 13, 31 steht: ,,... und Gott ist ver-
klärt in ihm." Ähnlich bildet 17, 5: ,,Und nun verkläre du mich, Vater, bei dir selbst
mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war", eine Parallele zu 13, 32:
,, ... so wird ihn Gott auch verklären in sich selbst und wird ihn bald verklären." 67
Der einzige neue Zug im Vergleich mit 17, 1. 4 f. ist die Feststellung ,,... und (Gott)
wird ihn bald verklären". Dies nachdrückliche „und ... bald" wird aber durch das
viiv Ello~ao{h] (13, 31) gefordert. Wenn das nun eingetreten ist, so kann das, was
noch verbleibt, um die Verklärung zu vollenden, nicht mehr lange auf sich warten
lassen, sondern muß sofort eintreten 68 • Dies ist die Auferstehung, und zwar nicht nur
an sich, sondern als Erhöhung zu unvergleichlicher Herrlichkeit in der Gegenwart
Gottes 89. Alles dies steht in uneingeschränkter Übereinstimmung mit dem urchrist-
lichen Bekenntnis: ,,Gott hat seinen Knecht Jesus verklärt!" (Apg. 3, 13) 90 •
Was also in Kapitel 17 über den Sohn gesagt wird, wird in unserer Stelle über
den Menschensohn gesagt. Hier wie dort wird der Sohn (oder der Menschensohn)
nicht nur selbst verklärt, sondern seine Verklärung schließt auch die des Vaters (oder
Gottes) mit ein. In 13, 31 f. liegt eine Komposition des Evangelisten vor, in der die
Vorstellung der Verklärung mit dem Menschensohn verbunden wird und ihren
Ausdruck in einer sozusagen poetischen Form zum Zweck der feierlichen Vorberei-
tung auf die Abschiedsreden gefunden hat. Jesus spricht zum letzten Mal in diesem
Evangelium als der Menschensohn. Auf diese Art und Weise sucht der Evangelist

85 Der erste Satz von 13, 32 (Et ö -0Eo; töol;aa-!}T)EV aui-0) wird von P66~ BDW it sys
weggelassen, wahrscheinlich mit Recht (vgl. Barrett, John, 376). Lagrange, a.a.O., (in
Anm. 50), 365 f., gibt zu, daß gute Gründe für die Weglassung bestehen, entscheidet sich
aber für Homoioteleuton als Grund; denn es sei nicht einzusehen, warum die Worte
hätten hinzugefügt werden sollen (vgl. auch Thüsing, 235). Sollte eine Hinzufügung vor-
liegen, könnte darin ein Versuch stecken, eine Verbindung zwischen den beiden Gruppen
des Aorists und des Futurums zu schaffen.
86 Mit 17, 4 (btt i-ij; yij;), vgl. 12, 32 (bt i-ij; yij;).
87 Daß evmh0 beabsichtigt ist, ist klar. über die Bedeutung vgl. 17, 5: naga crwui-4'>.
88 EMu~ ist daher das gleiche wie vuvin 17, 5.
89 Vgl. Lagrange, a.a.O., 367; H. Strathmann, Das Evangelium nach Johannes (1955), 204 f.
96 Auch beim vierten Evangelisten läßt diese Verklärung keine Parusie erwarten. Die
Gottesknecht-Christologie ist bei Johannes ebenfalls in die Menschensohn-Christologie
miteingeschlossen; vgl. C. H. Dodd, According to the Scriptures (1952), 92 f.

47
seinen Lesern die zentrale Bedeutung der Passion zugänglich zu machen, die dar-
zustellen er sich anschickt.
Die zweite Gruppe von Menschensohn-Sprüchen, deren Besprechung nun ab-
geschlossen ist, hebt sich als.o ganz deutlich von der anderen ab. Das soll nicht
heißen, daß es nicht auch Ähnlichkeit zwischen beiden Gruppen gäbe. Obwohl in-
des die Vorstellung vom Hinauf- und Herabkommen in 3, :13 offensichtlich aii die
hinauf- und herabsteigenden Engel in :1,5:1 erinnert, scheint es sich da und dort
eher um verschiedene Arten einer Verbindung des Menschensohnes mit dieser Vor-
stellung in zwei selbständigen Schichten der vorjohanneischen Tradition zu handeln.
Aber die Textstellen gleichen sich doch darin, daß es hier wie dort um die himmlische
Herrlichkeit des Menschensohnes geht. 6, 27 und 6, 53 drücken indes Vorstellungen
aus, die in der synoptischen Gruppe vollständig fehlen. Von den restlichen Stellen
stammt der Spruch 6, 62, den der Evangelist auf dem älteren Spruch 3, :13 aufgebaut
hat, nicht aus überliefertem Material. Dasselbe gilt für die beiden Sprüche über die
Verherrlichung des Menschensohnes :12, 23 und :13,3:1f. Beide sind das Ergebnis der
Arbeit des Evangelisten, der dem Ausdruck öo;at1nv in Analogie zu u'lj)oüvdoppelte
Bedeutung beigelegt hat.
III. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Ein übergreifen nicht-synoptischer Vorstellungen auf synoptische fällt nicht sehr


ins Gewicht. In der Kategorie der Sprüche synoptischen Charakters laufen die nicht-
synoptischen Züge, nämlich das Hinauf- und Herabsteigen der Engel (1, 51) und die
Verknüpfung der Idee der Erhöhung mit dem Menschensohn (3, 14), mehr auf eine
stärker~ Hervorhebung des Menschensohn-Titels hinaus, als daß sie ein wesentlich
verändertes Bild ergäben. Die Sprüche der zweiten Kategorie zeigen größere Ab-
weichungen von der synoptischen Überlieferung. Das heißt jedoch nicht, daß dieser
Zweig der Überlieferung notwendigerweise von geringem Wert ist. In beiden Grup-
pen .hat der Evangelist seine Hand im Spiel gehabt, und zwar so weitgehend, daß
er selbst Sprüche verfaßt hat, einmal nach dem Muster von Sprüchen, die er in
seiner Tradition vorfand- 8, 28; 12, 34 basieren auf 3, 14; 6, 62 basiert auf 3, 13 -
und zum anderen als Analogiebildungen zu einem älteren Spruch unter Verwendung
andersartiger Terminologie (12, 23; 13, 31 f.). Nicht nur jüdische Apokalyptik, son-
dern auch die geistige Welt des Hellenismus ist in der Umwelt, aus der die Sprüche
stammen, wirksam gewesen. Das ist am deutlichsten bei dem Spruch 3, 13; denn
hier trägt der Menschensohn, der vom Himmel herabkam, weitgehend die Züge des
„Menschen vom Himmel" in 1. Kor. 15, 47. Nichtsdestoweniger bildet sogar hier
eher frühchristlicher Sprachgebrauch den eigentlichen Hintergrund, als daß aus dem
Hellenismus übernommene Vorstellungen zum Zuge gekommen wären. Anderer- .
seits besagt die Tatsache, daß die zwei Sprüche, die den Menschensohn und die
Eucharistie zusammenbringen, ohne jede Parallele sind, nicht, daß die Gruppe, der
sie angehören, minderen Wertes ist, sondern lediglich, daß in ihnen die „johan-
neische" Färbung das Bild beherrschend bestimmt 1 •

1 Diese Schlußfolgerungen ergeben sich aus Erwägungen über die Struktur der Sprüche und
unterscheiden sich an wichtigen Stellen von denen von Schulz. Schulz, 123, schreibt die
Sprüche der johanneischen Tradition drei literarischen Gattungen zu: Midrasch (1, 51;
3, 13-15; 5, 27-29), Homilie (6, 27. 53) und Hymnus (13, 31 f.). Von diesen ist nur die
Homilie annehmbar. Den sogenannten Hymnus habe ich dem Evangelisten selbst zu-
geschrieben. In 1, 51 ist Gen. 28, 12 nur sekundär, vielleicht sogar nicht einmal vorhanden.
Die Bezugnahme auf die Geschichte von Mose und der Schlange (Num. 21, 8 f.) in 3, 14
kam erst in einem späteren Stadium der Formulierung des Spruches zustande; in 5, 27-29

49
In einigen Fällen (1, 51; 3, 14) sind Sprüche erweitert worden, um sie dem Zu-
sammenhang anzupassen. Es handelt sich um von Haus aus selbständige Einheiten,
die in einer offenbar zufälligen Weise verstreut waren, aber nur im ersten Teil des
Evangeliums (Kapitel 1-13) vorkommen. Die Art der Verteilung ist weniger wich-
tig als die Tatsache, daß sie, wenn man sie für sich zusammennimmt und dabei
völlig von der Komposition des Evangelisten absieht (6, 62; 8, 28; 12, 23; 12, 34;
13, 31 f.), von der Fleischwerdung (3, 13), dem Tode (3, 14), der Himmelfahrt
(3, 13), der Erhöhung (3, 14) und den richterlichen Funktionen (5, 27) des Men-
schensohnes handeln. Man kann Art und Umfang der Quelle, von der wir nur diese
Fragmente besitzen, nur vermuten.
Es läßt sich nicht behaupten, daß die Oberlieferung, die im vierten Evangelium
verarbeitet worden ist, neues Licht auf das Problem Jesu und des Menschensohnes
werfe. Aber sie stützt die Anschauung, daß die grundlegende Christologie der Ur-
gemeinde Menschensohn-Christologie war. Vielleicht war diese Christologie nir-
gends so hoch geschätzt wie in den johanneischen Gemeinden, die sie auch in den
eucharistischen Gottesdienst einführten. Auch ist hier, völlig anders als in den
synoptischen Evangelien, der Menschensohn präexistent 2 wie der „Logos" des Pro-
logs des Johannesevangeliums und wie der Jesus im paulinischen Kerygma (Phil.
2, 6). Darüber hinaus stimmt die johanneische Tradition, obwohl sie keinen sicheren
Beitrag zur Lösung des Problems „Jesus und der Menschensohn" zu leisten vermag,
mit den übrigen evangelischen Oberlieferungen darin überein, daß sie keinen ein-
deutigen Beleg dafür bietet, daß Jesus - sei es hinsichtlich seines irdischen Wirkens,
sei es im Blick auf seine bevorstehende Passion - von sich selbst als dem Menschen-
sohn gesprochen hat. Die überlieferten johanneischen Menschensohn-Sprüche haben
in unterschiedlicher Terminologie den erhöhten und verherrlichten Menschensohn
zum Gegenstand. Dieser Aspekt wurzelt in Jesu eigener Lehre. Daneben darf die
Vorstellung von der Parusie - obwohl sie weniger im Vordergrunde steht, als viel-
fach angenommen wird - doch nicht ausschließlich nur als Äußerung eines urchrist-
lichen Glaubens abgetan werden, der ohne jede Grundlage in Jesu Lehre ist. Der
Unterschied zwischen Johannes und den synoptischen Evangelien in dieser Hinsicht
besteht darin, daß die Herrlichkeit des Menschensohnes hier nirgends mit der Parusie,
sondern wie in der ältesten Verkündigung mit seiner Erhöhung zur Rechten Gottes
verbunden wird - dies allerdings in Verbindung mit der weiteren wichtigen Beson-
derheit, daß die Erhöhung nicht nur die Folge, sondern geradezu ein Teil seiner
Passion ist und daß seine Herrlichkeit mit der präexistenten Herrlichkeit des prä-

ist nur der erste Vers aus der Tradition entnommen. Vgl. Hahn, 40, Anm.: Schulz hat alle
die johanneischen Menschensohnaussagen „zu rasch der gemeinsamen Thematradition
einer judenchristlichen Gemeinde zugeschrieben".
2 Joh. J, 13; 6, 62; vgl. Mowinckel, 447 f.

50
existenten Menschensohnes identisch ist, die er bei seiner Rückkehr von der Erde
zum Himmel wiederannimmt (Joh. 17, 5; vgl. 12, 41).
Es darf als gesichert gelten, daß die johanneische Menschensohn-Überlieferung
palästinischen Ursprungs ist. Das stimmt durchaus zu anderen Zügen des vierten
Evangeliums, die ebenfalls die Vermutung nahelegen, daß der vierte Evangelist
Zugang zu verläßlichen historischen Quellen hatte 3.
Die Menschensohn-Tradition, die der vierte Evangelist aufgenommen und ver-
arbeitet hat, ist ein bemerkenswertes Phänomen. Die Kreise, in denen sie sich bildete,
hatten die Menschensohn-Christologie derart entwickelt, daß sie die Kluft zu über-
brücken vermochten, die in Jesu eigener Verkündigung zwischen seinen Hinweisen
auf seine Passion und seine Auferstehung und seinen Anspielungen auf den Men-
schensohn als den himmlischen Zeugen und eschatologischen Richter klaffte, wie das
bei den Synoptikern klar zutage tritt. Natürlich glaubt die Kirche auch in den syn-
optischen Evangelien an Jesus als den gerechtfertigten und erhöhten Menschensohn.
Aber die johanneische Form der Überlieferung schildert doch Jesus sozusagen als
den, der selbst die eben erwähnte Kluft überbrückt hat, indem er von seiner eigenen
Erhöhung als Menschensohn sprach. Insofern formuliert der johanneische Jesus selbst
den Glauben der Kirche an ihn als den Menschensohn, in dem allein Errettung und
Heil zu finden ist.

8 Siehe mein Buch, The Historicity of the Fourth Gospel (1960); C. H. Dodd, Historical
Tradition in the Fourth Gospel (1963).
IV. NACHTRÄGE

1. Zu Apg. 7, 56 vgl. C. K. Barrett, Stephen and the Son of Man, Apophoreta,


Festschriftfür Ernst Haenchen (1964), 32-38. Barrett hält die Erwähnung des Titels
Menschensohn an dieser Stelle für einen Bestandteil der lukanischen Überarbeitung
der urchristlichen Eschatologie. Da die endgültige Parusie sich verzögert, sieht Lukas
den Tod des einzelnen als ein eoxm:ovan. ,,So würde der Tod eines jeden Christen
durch das gekennzeichnet sein, was man eine private und persönliche Parusie des
Menschensohns nennen könnte. Was in einem universalen Sinn .erst am letzten
Tage geschehen sollte, ereignete sich, auf den einzelnen bezogen, wenn ein Christ
den letzten Tag seines Lebens erreichte" (S. 35). Barrett findet weitere Belege für
diese Auffassung in Lk. 23, 43, wo an die Stelle der allgemeinen Auferstehung der
unmittelbare Eingang des einzelnen in die Gegenwart Christi in der himmlischen
Welt gesetzt wird, in Joh. 14, 3, wo eine ähnliche „Individualisierung der Escha-
tologie" begegnet, und schon im Judentum, in der Umformung der prophetischen
Hoffnung in eine individuelle Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode. Diese These
erklärt jedoch nicht, weshalb Lukas sich dafür entschied, Stephanus gerade in diesem
Zusammenhang den Titel Menschensohn verwenden zu lassen, obwohl er selbst
unmittelbar zuvor sagt, daß Stephanus Jesus zur rechten Hand Gottes stehen sah.
Es ist daher nach wie vor vorzuziehen, das Wort des Stephanus nicht Lukas zu-
zuschreiben, sondern einer Überlieferung, in der die Menschensohnchristologie
lebendig war.
G. D. Kilpatrick hat in der TheologischenZeitschrift 21 (1965), 209 zu Apg. 7, 56
auf die Variante -Oeoüin P74 aufmerksam gemacht, die in der 25. Auflage (1963) des
Novum Testamentum Graece ed. Nestle-Aland angeführt ist. Als weitere Zeugen
für diese Variante nennt er die Minuskel 614, zwei Mss der bohairischen und die
altgeorgische Obersetzung. Er hält die Variante für alt und tritt für ihre mutmaßliche
Richtigkeit ein, mit der Begründung, daß der Verfasser der Apostelgeschichte
keineswegs ebenso große Hemmungen wie die Abschreiber zu haben brauchte, das-
selbe Wort in einem Abschnitt mehrmals zu wiederholen. Dadurch wird nach ihm
die Unterscheidung zwischen der Christologie der Evangelien und derjenigen des
übrigen Neuen Testamentes noch deutlicher. Nach meiner Meinung ist es wahr-
scheinlich, daß für die Variante „der Sohn Gottes" ein früher Abschreiber ver-
antwortlich ist, der wußte, daß der Titel ö uto; i:oü civtl'(>co,cou
auf die Worte Jesu in
den Evangelien beschränkt ist, und dem er deshalb im Munde des Stephanus un-
passend erschien. Dies sdieint mir der Annahme vorzuziehen zu sein, daß der Titel
Menschensohn unter dem Einfluß irgendeiner anderen Stelle, insbesondere Lk.
22, 69, von einem Schreiber nachträglich eingefügt wurde.
2. In seiner wichtigen Arbeit über die Menschensohnsprüche im vierten Evan-
gelium: Der Menschensohn im Johannesevangelium, New Testament Studies 11
(1965), 123-137, äußert R. Schnackenburg ebenfalls Bedenken gegenüber den
literarischen Gattungen von Schulz (Midrasch, Homilie und Hymnus; vgl. meine
Ausführungen oben III, Anm. 1).
Bezüglich der Auffassung, daß die Vorstellung vom Menschensohn durch den
Urmensch-Mythos beeinflußt sei, schreibt Schnackenburg: ,,Für Johannes gewinnt
diese Sicht insofern Bedeutung, als man neben den ausgesprochenen Menschensohn-
Logien die gleiche Anschauung auch hinter weiteren Stellen des vierten Evangeliums
vermutet, in denen der Ausdruck nicht unmittelbar fällt" (S. 125). Eine Unter-
suchung derjenigen Stellen im vierten Evangelium, in denen Jesus äv-ftQro,co;genannt
wird (4, 29; 5, 12; 7, 46; 8, 40; 9, 11. 16. 24; 10, 33; 11, 47. 50; 18, 14. 17. 29;
19, 5) führt nach ihm zu der Schlußfolgerung: ,,So kann man nur mit Gewalt
hinter der häufigen Ausdrucksweise (ö) ävOQro,co; für Jesus eine tiefsinnige An-
spielung auf den uto; i:oü civ-ftQco,cou
postulieren" (S. 128). Als einzige Ausnahme
erkennt er 19, 5 an (töou Ö äv-ftQro,co;):,,Man könnte in der Ecce-homo-Szene höch-
stens einen direkten Bezug auf den ,Menschensohn' erkennen, insofern dieser Titel
auch den Messias im joh. Sinn bezeichnet (vgl. XII. 34); aber keineswegs ist Jesus
damit als der prototypische ,Mensch' im Sinne eines ,Anthropos-Mythus' gemeint"
(S. 127). Mit Recht wendet er sich auch gegen den Vorschlag von Dodd (Interpreta-
tion, 245, 411), in Ps. 80, 14-17 (LXX 79, 15-18) die Quelle des Bildwortes vom
Weinstock in Johannes 14 zu sehen und Weinstock und Menschensohn für einander
entsprechende Vorstellungen zu halten (vgl. mein Buch Jesus and the San of Man
[1964], 16, Anm. 2).
Schnackenburg prüft die Berührungen zwischen den johanneischen und den syn-
optischen Menschensohnsprüchen und kommt zu dem richtigen Schluß, ,,daß die
joh. Menschensohn-Logien keine unmittelbaren Beziehungen zu der 3. Gruppe 1
der synoptischen Menschensohn-Texte, nämlich den Gegenwartsaussagen, erkennen
lassen .... Sprachlich und inhaltlich fehlt in den joh. Logien jeglicher Kontakt mit
jenen synoptischen Sprüchen, die davon künden, daß der Menschensohn Macht hat,
auf Erden Sünden zu vergeben (Mk. 11, 10), daß er der Herr des Sabbats ist (Mk.
11, 28), daß er nichts hat, wohin er sein Haupt lege (Lk. 9, 58) usw." (S. 131).

1 Sie entsprichtmeiner Gruppe A, vgl. oben II, 23.

53
Schnackenburg läßt offen, ob es sich hier um theologische Weiterbildung durch
den Evangelisten handelt oder ob es bereits vor ihm geprägtes Material des
„johanneischen" Typs gab. ,,Man muß sich für die Möglichkeit offenhalten, daß die
von ihm gebotene Theologie schon stark in dem Milieu und den Gemeinden ent-
wickelt wurde, in denen er lebte" (S. 132). Ich stimme weitgehend zu, würde jedoch
lieber nicht wie Schnackenburg von einer „theologischen Weiterentwicklung syn-
optischer Logien und Gedanken" sprechen, da dies voraussetzen würde, daß der
vierte Evangelist die synoptischen Evangelien kannte und benutzte. Nach einer viel
überzeugenderen Auffassung lassen sich im vierten Evangelium zwei Hauptstränge
der Überlieferung nachweisen, deren einer sich häufig mit dem uns aus den Syn-
optikern bekannten Material berührt, wenn er auch nicht identisch mit ihm ist,
während der andere sich davon deutlich unterscheidet (vgl. mein Buch The Historicity
of the Fourth Gospel [1960]; C. H. Dodd, Historical Tradition in the Fourth Gospel
[19631). Jedenfalls gibt es keinen eindeutigen Beweis dafür, daß der vierte Evan-
gelist irgendeinen der synoptischen Menschensohn-Sprüche benutzt hat.
Schnackenburg bespricht auch das Verhältnis der Menschensohn-Sprüche zum
Erlöser-Mythos. Im Blick darauf, daß das Herab- und Hinaufsteigen des Menschen-
sohns der hervorstechende Zug in den johanneischen Sprüchen ist, stellt er die
Frage, ob die Quelle dafür etwa der Anthropos- oder Urmensch-Mythos sei. Neuere
Forschungen mahnen in dieser Hinsicht zur Zurückhaltung. Nach Schnackenburgs
Meinung ist „wenigstens der nächste Anknüpfungspunkt für den Evangelisten die
urkirchliche, schon vorgefundene Christologie; sie veranlaßt ihn, auch die Menschen-
sohn-Worte in den gemeinsamen christologischen Rahmen hineinzustellen" (S. 136).
Wenn das Herab- und Hinaufsteigen des Menschensohnes an den Anthropos-
Mythos erinnert, so ist das „nur eine Anpassung in der Aussageform, keine Ent-
lehnung des Gedankens selbst" (S. 137).

54
REGISTER

1. Abkürzungen

Barrett, John C. K. Barrett, The Gospel according to St. John (1955)


Cullmann, Christologie 0. Cullmann, Die Christologie des Neuen Testaments (1957)
Dodd, Interpretation C. H. Dodd, The Interpretation of the Fourth Gospel (1953)
Mowind<el S. Mowinckel, He That Cometh (1956)
Schulz S. Schulz, Untersuchungen zur Menschensohn-Christologie im
Johannesevangelium (1957)
Schweizer, Menschensohn E. Schweizer, ,,Der Menschensohn" ZNW 50 (1959), 185-209
Thüsing W. Thüsing, Die Erhöhung und Verherrlichung Jesu im
Johannesevangelium (1960)
Str-B H. L. Strack und P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament
aus Talmud und Midrasch (1922-1928)
ThWNT Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament (herausgege-
ben von G. Kittel und G. Friedrich, 1933 ff.)
JBL Journal of Biblical Literature
JTS Journal of Theological Studies
ZNW Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft

2. Bibelstellen
1. Altes Testament
GENESIS PSALMEN 2: 1315
1,27:18 2, 7: 14, 15 37,25:37 59

2,7:18 8, 5: 14
18, 19: 3243 8, 6: 1736 DANIEL
18, 25: 32 43 8,7:14
7, 13: 104, 13 17, 1631,
28, 12: 26, 27, 2r 7, 49 1 80,14-17:53
110, 1: 103, 13, 1421 3 2,33
7, 14: 33 47
NUMERI JESAJA 12,2:32
21, 8 f.: 29, 31,49 1 1, 24: 3243
52, 13: 3035,4682 SACHARJA
DEUTERONOMIUM EZECHIEL 12, 10: 16 31
10, 18: 3243 1, 26: 2725 12, 10 ff.: 1631

II. Neues Testament


MATTHÄUS 16,21:10 25, 31: 10,10 2, 25
5,:a: 10 16, 27: 10, 25 25, 31 ff.: 11
10, 23: 25 16, 28: 10, 25 25,37:11
13, 41: 10, 25 19, 28: 10, 25 25,44:11
16, 13: 9 24, 30: 1631,2726 26,2:10
16, 15: 10 24, 3:1: :10, 25 26, 54: 2930

55
26, 64: 17 86, 2rB 4, 52 f.: 32 44 11,4: 44
27,54:33 5,12:53 11 ,47:53
5, 1 9: 237 11, 50: 53
MARKUS
5, 25:23 7,32 12,16:44
8,29:10 5, 27: 23, 25, 32, 33, 34, 12, 23: 22,22 6, 23, 30311, 32 44 ,
8,31:10,2930 34 50, 35, 37, 37 63, 50 38, 44, 45, 46, 48, 49, 50
8, 3 8:1c>2,25 5, 27 ff.: 22, 32, 49 1 12,24:45
9, 1: 10, 2516 5, 29 f.: 3763 12,31:3763
11,10:53 5, 30: 32, 3763 12 , 3 2 : 29, 36, 37, 39, 4786
11,28:53 6,26:41 12 , 33: 36, 44, 4479
13, 26: 2fl 6 6, 27: 22, 23, 24, 38, 40, 41, 12,34: 22, 226 , 23, 25, 29,
13, 27: 10 2 , 25 42,48 2931, 35, 36, 37, 39, 40, 49,
14, 1: 10 6,31:40 50
14, 62: 7, 12, 13, 17 36, 25, 6, 33: 38, 41, 44 12,41:51
2fl 6, 28 6,35: 41 12, 44 f.: 3965
16, 19: 4066 6,38:38 13,31: 23
LUKAS 6, 40: 3965 13, 31 f.: 22, 22j!, 23, 30 311,
6,41:38 38, 44, 46, 47, 48, 49, 50
6, 22: 10
6,42: 38 13, 32 : 46, 47, 4785
9 , 26: 1c>2,25 14, 3: 22, 52
6, 48: 41
9,58: 53 14, 13:44
12, 8 f.: 1321,2517 6,49:40
6,50:38 14, 18: 2412
17, 22: 2726
6, 51 : 38, 41, 42, 43, 44 14, 28: 2412
17, 25: 2930
6, 52: 43 15,8:44
21, 27: 2726
6, 53: 22, 23, 24, 2411 , 25, 16, 2: 32 44
22, 69: 12, 13
38, 40, 41, 42, 43, 48 16, 14: 44
23,34: 1 7 16, 16: 2412
23, 43: 52 6, 53-58: 42, 43
6, 56: 237 16, 17: 2412
24, 7: 10, 32, 40 16, 19: 2412
24,26:45 6, 58: 38, 41
6,60:42 16, 25: 32 44
24, 51: 4066
6, 62: 22, 226, 23, 25, 38, 39, 16, 32: 32 44
JOHANNES 39 65 , 42, 43, 44, 48, 49, 17, 1 :44,46,47
1,12:32 42 50,50 2 17, 2: 3242
1,50:28 6, 63: 44 17, 4: 47, 47 86
1, 51: 14, 22,.23, 24, 25, 26, 6, 64: 39 65 , 44 17, 5: 47, 4?88 , 51
2618, 27, 2727, 28, 37, 48, 7,38: 43,44 17, 19: 1525
49,49 1, 50 7,39:43,44 18, 14: 53
3,7:32 44 7,46:53 18,17:53
3, 13: 17, 22, 226, 23, 25, 29, 8, 24: 36 18, 29: 53
38, 39, 40, 43, 44, 48, 49, 8,25:36 19,5: 22,53
50,502 8, 26: 36 19, 37: 16 31
3, 14: 22, 226, 23, 25, 28, 29, 8, 28: 22, 226 , 23, 25, 29, 20, 9: 2930
30, 31, 35, 36, 37, 39, 40, 35, 36, 37, 37 63 , 49, 50 20 , 1 7=39, 43
43, 45, 46, 49, 491, 50 8,4o: 53 21,19:44
3, 15: 22, 25, 28, 29, 2929, 8,54:44 21, 22 f.: 2412
31, 36, 37 9, 11 :53
3,16:29 9, 11 f.: 40 65 APOSTELGESCHICHTE
3, 17- 19: 37 63 9, 1 6: 53 1,9-11:39
3, 20 f.: 3244 9,24:53 2, 24 f.: 10 3
4, 21: 32 44 9, 35: 23, 24, 36 57, 42 2,30:10
4, 23: 32 44 9,38:23 2, 33: 30, 31, 39
4, 2 9: 53 10, 33: 22, 53 2,34:39
2,34 f.: 39 EPHESER 1.JOHANNES
2,36:239 2, 18: 15 26 2, 1: 1525
3, 13: 30 35, 45, 46 82, 47 4, 8-10: 38 3, 13: 3 241
5,31:30,32 5, 2: 1525
7, 55: 1214 HEBRÄER
7, 55 f.: 25 1, 2: 14
PHILIPPER
7, 56: 7, 11, 12 12, 13, 14, 1,5: 15
1421, 15, 52 2,6:50 1,8: 14
2,9:30,32 1, 13: 10 3
RÖMER 2, 5-11: 18, 19, 19 42, 30 2, 6: 14, 33
5, 2: 1525 2, 11: 23 9 4, 14: 14, 39 65
5, 12 ff.: 18, 19 5, 5: 14, 30 35, 45
w,6 f.: 39 1. THESSALONICHER 6, 6: 14
10, 9: 239 3, 13: 114 7,3: 14
7, 25: 14
1. KORINTHER 9, 28: 2412
2. THESSALONICHER
1, 23: 3760 10, 29: 14
12,3: 239 1, 7: 11 4
JUDAS
15, 21 f.: 18
15, 25-27: 14 1. TIMOTHEUS 1 5: 35
15, 27: 1739 2, 5 f.: 19 OFFENBARUNG
15,45-49:17,18,19
15, 47: 18, 49 1, 7: 16
1.PETRUS 1, 13: 15
2. KORINTHER 2, 24: 1~ 5 14,14: 15
8, 9: 18 3, 18: 15, 25 14, 14 ff.: 16, 30

3. Außer kanonisches Schrifttum


JESUS SIRACH 1.HENOCH 62,5: 10 4
45, 23: 45 80 1 ,9: 35 62,14: 40
45,3: 10 4 69,27: 104,3452
1. MAKKABÄER 69, 29: 10 4
51, 3: 4083
6, 22: 32 43 55, 4: 10 4 89, 76: 1320
2. MAKKABÄER 61, 8: 10 4 99, 3: 1 320
61, 8-63: 3452 104, 1: 1320
14, 7: 45 80
61, 12: 34 52
2.BARUCH 62, 2: 10 4 BARNABASBRIEF
29,8:40 62, 3: 10 4 12, 5: 3134

4. Autoren
ABBOTT,E. A. 16 33 B0NNARD,P. 19 44 CULLMANN, 0. 8, 83, 11, 118,
ARTEMIDORUS 3138 BROOME,E. C. 28 28 1110, 1111, 1212, 1736, 1943
BARRETT,C. K. 22 3, 26 20 , BRUCE,F. F. 12 12 DEHN, G. 91
2622, 3137, 3450, 3656, 4?85, BULTMANN, R. 11 7, 2622, 33 48 , Dooo C. H. 13 18, 21, 262°,
3658 3035, 3864, 4067, 41, 4169,
52 BURNEY,C. F. 26, 2621, 27, 42 75, 47 90, 51 3 , 53, 54
BEARE,F. w. 18 3759 DuPONT, J. 3137
BERNARD,J. H. 30 36, 42 75 CHARLES,R. H. 15 29, 35 53 EUSEBIUS17 35
BLACK,M. 9 1, 27, 27 24 , 3137 CONZELMANN, H. 12 12, 238 FILSON,F. V. 11 5

57
GÄRTNER, B. 4274 LOHMEYER, E. 11, 116, 19, 30 SCHWEIZER, E. 7, 91, 1213,.
GRANT, F. C. 11 6 MACGREGOR, G. H. C. 34 50 2725, 2727
GROSSOUW, W. 4478 MANSON, T. W. 91, 2929 , 31 39 SIOEBOTTOM, E. M. 13 16, 22 2,
GRUNDMANN, W. 2931 MICHAELIS, W. 2?27, 39 6• 3450
HAENCHEN, E. 1214 MICHEL, 0. 1423 SIMON, M. 1?37
HAHN, F. 91, 2726, 3187, 501 MOWINCKEL, S. 1424, 1529 , 502 SJÖBERG, E. 9 1
HEGESIPP 17 MouLE, C. F. D. 1316, 19 42, STAUFFER, E. 1633, 3656
HERING, J.1527 33 48, 34 49 STRACK-BILLERBECK 40 67
HIERONYMUS 1634 NoAcK, B. 2515 STRATHMANN, H. 4789
HIGGINS, A. J. B. 91, 513 , 53, ÜDEBERG, H. 2620, 3139 , 4067 TAYLOR, V. 1944
54 ÜWEN, H. P. 13 19 TERTULLIAN 31 39
HoLTZ, T. 1528 , 1942 PERCY, E. 11 7 THÜSING, w. 3035, 31 37, 31 88,
HOSKYNS, E. C. 40 67 PHILO 18, 1839 , 38 64 36, 36•5, 3761, 3762, 3966,
HUNTER, A. M. 1?38 , 1840, QUISPEL, G. 2725 4277, 4786
3451 ROBINSON, J. A. T. 20 45 TöoT, H. E. 9 1, 13 17, 1422
}EREMIAS, J. 1942, 41 68, 4278, ROBINSON, J. M. 91, 1683, 22• TORREY, C. C. 1528, 2723
4275 RuCKSTUHL, E. 32 44, 41 68 VIELHAUER, PH. 91
JusTIN 31 39 SCHLATTER, A. 3450 WESTCOTT, B. F. 3450
KÄSEMANN, E. 1943 SCHNACKENBURG, R. 53, 54 WILLIAMS, C. S. C. 13 16
KILPATRICK, G. D. 52 SCHNEEMELCHER, W. 91 WINDISCH, H. 25 14
KITTEL, G. 31 87 SCHOEPS, H. J. 1632
KNox, W. L. 12 12 SCHULZ, s. 22, 224 , 226, 30 33,
LAGRANGE, M.-J. 34 50, 4789 32 40, 32 45 , 33, 33 46, 41 68 ,
LIETZMANN, H. 1688 4272, 4683, 491, 53
Franz-Delitzsch-Vorlesungen
Herausgegeben vom Institutum Judaicum Delitzschianum, Münster/Westfalen

Wilhelm Maurer
Kircheund Synagoge
Motive und Formen der Auseinandersetzung der Kirche mit dem Judentum im Laufe der Geschichte
1953. 136 Seiten und eine Tafel (D.-V. 1951). Kartoniert DM 12.-
,,Eine Darstellung der Stellung der Kirche zur Synagoge durch die Jahrhunderte geht alle an, die selbst-
kritisch auf die Kirche und ihre Geschichte sehen." Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung

Joachim Jeremias
Jesu Verheißungfür die Völker
2. Auflage 1959. 69 Seiten (D.-V. 1953). Kartoniert DM 7.80
,,Die Studie ist geeignet, unsere Nüchternheit bei Beurteilung der christlichen Missionsarbeit zu fördern.
Verf. gründet uns fest auf Jesu Wort und führt uns in die zentralen Zusammenhänge von AT und NT ein."
Lutherisches Missionsbuch

Leo Baeck
Von Moses Mendelssohnzu Franz Rosenzweig
Typen jüdischen Selbstverständnisses in den letzten beiden Jahrhunderten
1958. 64 Seiten. 6 Fototafeln (D.-V. 1955). Broschiert DM 7.50
,,Diese vier Vorlesungen gelten Moses Mendelssohn, Moses Heß, Walter Rathenau und Franz Rosenzweig.
Sie dienen nicht nur ,der Erinnerung an das einstige deutsche Judentum und seine große geistige Ge-
schichte', sondern sie stellen auch ein letztes Vermächtnis des greisen Rabbiners Leo Baeck dar, der selber
als letztes Glied in die Reihe der von ihm dargestellten Männer gehört." Theologische Literaturzeitung

Erwin Rosenthal
GriechischesErbein der jüdischenReligionsphilosophiedes Mittelalters
1960. IIO Seiten (D.-V. 1957). Kartoniert DM 15.-
In der Frage des höchsten, Gutes, der menschlichen Glückseligkeit, haben sich Judentum, Christentum und
Islam im Mittelalter getroffen und sich in gleicher Weise mit dem Griechentum auseinandergesetzt.

Paul Kahle
Der hebräische Bibeltextseit Franz Delitzsch
r961. 98 Seiten. 20 Tafeln (D.-V. r958). Ka1toniert DM 19.50
,Wie kaum eine andere Darstellung macht dieses Buch den großen Wandel deutlich, der sich für die Pro-
blemlage hinsichtlich des hebräischen Bibeltextes seit Delitzsch - genauer: seit der Jahrhundertwende -
vollzogen hat." Zeitschr. f. d. Alttest. Wissenschaft

P. A. H. de Boer
Gedenken und Gedächtnis in der Welt des AT
1962. 76 Seiten (D.-V. r960). Kartoniert DM 18.-
„Wenn man dem Verfasser auf seinem Weg durch Bibel und außerbiblisches Schrifttum gefolgt ist, wird
man ihm in der Herausstellung der Grundbedeutung von ,zkr' recht geben müssen. Die sorgfältige Arbeit
hat dem Verstehen der alttestamentlichen Sprache und damit dem Verstehen des Alten Testaments selbst
einen wertvollen Dienst geleistet." Franziskanische Studien

B. Blumenkranz
Juden und Judentumin der mittelalterlichenKunst
c965. 88 Seiten mit 98 Abbildungen auf Kunstdnui<papier (D.-V. 1963). Ka,toniert DM 18.-
Es geht B. nicht um die Frage nach der Stellung der Juden zu, mittelalterlichen Kunst, sondern um die
Vorstellung von Juden und fudentum in der Kunst des Mittelalters - ein Problem, das hier in der kunst-
wissenschaftlichen Forschung erstmals angefaßt und mit geistesgeschichtlicher Methode durchdacht wird.
Die Schrift ist ein wesentlicher Beitrag zur Kunstgeschichte und zur geistig-religiösen Auseinandersetzung
im Mittelalter.
Studia Delitzschiana
Abhandlungen und Texte aus dem Institutum Judaicum Delitzschianum, Münster/Westfalen
Herausgegeben von Karl Heinrich Rengstorf
Band r:
Franz Freiherr von Hammerstein
Das Messiasproblembei MartinBuher
1958. II9 Seiten. Englisdt brosdtiert DM 8.40
Band 2:
Walter Sulzbach
Die zwei Wurzeln und Formendes Judenhasses
2. Auflage 1960. 55 Seiten. Englisch broschiert DM 5.40
Band 3:
Bernhard Brilling
Geschichte der Juden in Breslauvon 1454-1702
r960. IIO Seiten. Englisch brosdtiert DM 9.-
Band 4:
Hugo Duensing
Verzeichnisder Personennamenund der geographischen Namen in der Mischna
1960. 48 Seiten. Englisch brosdJ.iert DM 8.40
Band 5:
Karl Heinrich Rengstorf
Hirbe.!,Qumranund die Bibliothekvom Toten Meer
1961. 8r Seiten. Englisdt broschiert DM 9.30
„Es wäre sehr zu wünschen, daß nach den mancherlei und gelegentlich nicht unbedingt nötigen deutschen
Ausgaben ausländischer Qumran-Literatur diese selbständige und mutige deutsche Arbeit ihren Weg auch
in das fremdsprachige Ausland nehmen möge. Sie würde der deutschen Theologie keine Unehre machen."
Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung
Band 6:
Reinhold Mayer
Christentumund Judentumin der Schau Leo Baecks
1961. 145 Seiten. Englisch broschiert DM 13.50
Band 7:
Ernst Hammerschmidt
Stellung und Bedeutungdes Sabbats in Äthiopien
r963. XV und 82 Seiten. Englisch broschiert DM 18.-
Band 8:
Siegfried Riemer
Philosemitismusim deutschenevangelischen Kirchenlieddes Barock
r963. 83 Seiten. Englisch broschiert DM 9.60
R. behandelt die Frage, wie weit im Raum der evangelischen Kirche der Barockzeit Kräfte vorhanden
gewesen sind, die über die allgemeinen Ansichten ihrer Zeit hinaus ein freundschaftliches Verhältnis zu
den Juden anstrebten. Für die Untersuchung dieser Frage steht ein fast unerschöpfliches Material zur Ver-
fügung: die Gesangbücher der damaligen Zeit. Der Reiz des Buches liegt darin, daß hier ein wesentliches
theologisches Problem nicht nur theoretisch erörtert, sondern an konkreten Beispielen aufgehellt wird.
Band 9:
John Toland
Gründe für die Einbürgerungder Juden in Großbritannienund Irland
übersetzt und mit einer Einleitung herausgegeben von Herbert Mainusch
1965. III Seiten. Englisch broschiert etwa DM 15.-
1714 ist in England anonym eine Schrift erschienen, als deren Verfasser bald der bekannte Deist J. Toland
nachgewiesen werden konnte. Die Schrift ist heute verschollen; nur die Existenz zweier Exemplare ist be-
kannt. Und doch ist ihr Inhalt in unseren Tagen von geradezu erregender Aktualität, so daß ein Neudruck
ein dringendes Desiderat der Wissenschaft ist. Die Neuausgabe bringt neben dem englischen Text eine
Obersetzung mit Erklärungen und eine Einführung.

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