Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Siegfried Matthes
Mineralogie
Eine Einführung in die spezielle Mineralogie,
Petrologie und Lagerstättenkunde
Martin Okrusch
Siegfried Matthes
Mineralogie
Eine Einführung in die spezielle Mineralogie,
Petrologie und Lagerstättenkunde
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der
Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der
Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speiche-
rung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.
Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den
Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtgesetzes der Bundesrepublik Deutsch-
land vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergü-
tungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtgesetzes.
Ganz wesentliche Erweiterungen erfuhr der Teil III des Buches. Neben notwendigen
Ergänzungen in den Kapiteln „Aufbau des Erdinnern“, „Meteorite“ sowie „Aufbau und
Stoffbestand des Mondes“ wurde dem Geochemie-Kapitel ein Abschnitt über die Ent-
stehung der chemischen Elemente angefügt. Außerdem kamen zwei ganz neue Kapitel
„Unser Planetensystem“ und „Die Entstehung unseres Sonnensystems“ hinzu, in de-
nen ich versucht habe, die faszinierenden Erkenntnisse, welche die Naturwissenschaf-
ten zu diesen Themenkreisen gewonnen haben, in aller gebotenen Kürze vorzustellen.
Der Astrophysiker Karl Mannheim hat diese Texte kritisch durchgelesen und an vie-
len Stellen wertvolle Ergänzungen eingefügt. Zwar unterliegt es keinem Zweifel, dass
wir diesen Erkenntnisgewinn in erster Linie astrophysikalischen Beobachtungen,
Messdaten und Theorien verdanken. Trotzdem haben wir in den letzten Jahren so viel
Neues über die geologisch-petrographische Beschaffenheit und den inneren Aufbau
der erdähnlichen Planeten, der Asteroiden sowie der Riesen-Gas- und Eisplaneten und
ihrer Monde erfahren, dass eine Darstellung im Rahmen dieses Mineralogie-Lehrbu-
ches gerechtfertigt, ja zwingend notwendig erscheint. Interplanetarische Staubteilchen,
deren mineralogische Zusammensetzung wir heute schon gut kennen, dokumentie-
ren die Frühgeschichte unseres Sonnensystems, während interstellare, circumstellare
und präsolare Staubteilchen in eine noch fernere Vergangenheit zurückweisen.
Angesichts der thematischen Breite dieses Lehrbuches war es wiederum zwingend
geboten, kompetente Kollegen um kritische Durchsicht einzelner Kapitel oder Text-
abschnitte zu bitten. Hierfür bin ich Hans Ulrich Bambauer (Münster/Ostbevern), Herbert
Kroll (Münster), Joachim Lorenz (Karlstein am Main), Karl Mannheim (Würzburg), Klaus
Mezger (Münster) und Ekkehart Tillmanns (Wien) zu großem Dank verpflichtet. Sehr
genossen habe ich vielseitige, anregende Diskussionen mit meinem Amtsnachfolger
Hartwig Frimmel (Würzburg). Darüber hinaus danke ich meinen Würzburger Kollegen
Eckard Amelingmeier, Anna Cord, Dorthée Kleinschrot, Reiner Klemd, Nikola Koglin,
Uli Schüssler, Volker von Seckendorff, Thomas Will und Armin Zeh sowie Klaus Bente
(Leipzig), Adi Bischof (Münster), Walter Borchardt-Ott (Münster/Altenberge), Paolo Forti
(Bologna), Klaus Keil (Honolulu), Armin Kirfel (Bonn), Reinhard Kögler (Wunsiedel),
Joachim Lorenz (Karlstein am Main), Bruce Marsh (Baltimore), Pete Mouginis-Mark
(Honolulu), Lutz Nasdala (Wien), Cees Passchier (Mainz), Hans-Peter Schertl (Bochum),
Esther Schmädicke (Erlangen) und Wolfgang Siebel (Tübingen) für wertvolle Anregun-
gen und hilfreiche Diskussionen, für Abbildungsvorlagen und sonstige Hilfen.
Ein besonderer Dank gilt wiederum Klaus-Peter Kelber (Würzburg) für die schö-
nen Farbfotos sowie für die mühevolle Gestaltung der neuen Abbildungen, die ganz
wesentlich zur Attraktivität dieser neuen Auflage beitragen. Franz Schwabenländer
(Würzburg) danke ich für seine Hilfe bei vielfältigen Computer-Problemen. Den Ver-
antwortlichen im Springer Verlag Dr. Chris Bendall, Janett Sterrit-Brunner und Dr.
Wolfgang Witschel sei für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit herz-
lich gedankt. Mein besonderer Dank gilt Armin Stasch (Bayreuth), der das Layout des
Buches wieder mit großem Können und Einfühlungsvermögen gestaltet hat.
Schließlich möchte ich meiner Frau wiederum ein ganz herzliches Dankeschön sa-
gen, die mir eine unverzichtbare Hilfe beim Korrekturlesen war. Sie hat der verstärk-
ten Arbeitsbelastung im letzten Jahr stets liebevolles Verständnis entgegen gebracht.
Ihr widme ich dieses Werk.
Ich hoffe, dass auch die 8. Auflage des „Matthes“ vielen Studierenden der Geowis-
senschaften ein nützlicher Begleiter sein wird, der ihnen Freude an Mineralen und
Gesteinen vermittelt und ihnen hilft, gesteins- und lagerstättenbildende Prozesse im
Zusammenhang mit der globalen Tektonik unserer Erde und der erdähnlichen Plane-
ten zu verstehen. Ich würde mich freuen, wenn es meinen Kollegen bei der Vorberei-
tung ihrer Lehrveranstaltungen gute Dienste leistet. Schließlich wünsche ich mir, dass
das Buch neue Freunde unter den Mineraliensammlern findet, die an einem tieferen
Eindringen in mineralogische Sachverhalte und Probleme interessiert sind.
Bereits drei Jahre nach ihrem Erscheinen war die 6. Auflage des „Matthes“ vergriffen
und der Verlag drängte auf die Vorbereitung einer Neuauflage. Das bot die Gelegenheit,
den Inhalt des Lehrbuchs gründlich zu überarbeiten und an den modernen Wissens-
stand anzupassen. Die bewährte Gliederung in die Hauptteile „Spezielle Mineralogie“,
„Petrologie und Lagerstättenkunde“ sowie „Stoffbestand und Bau von Erde und Mond“
blieb dabei erhalten. Allerdings schien es angezeigt, einige sehr umfangreiche Kapitel
aufzuteilen, so dass das Buch jetzt aus 30 Kapiteln besteht. Die „Mineralogie“ wurde
an vielen Stellen inhaltlich erweitert; zahlreiche neue Abbildungen kamen hinzu; dem
stehen Streichungen veralteter Passagen und Straffungen des Textes gegenüber.
Das einführende Kapitel enthält jetzt Erklärungen zu wichtigen kristallographi-
schen Grundbegriffen wie Kristallklasse, Bravais-Gitter und Miller’sche Indizes, die
für das Verständnis der Mineralbeschreibungen in Teil I notwendig sind; auch die Ein-
führung zur Petrographie wurde etwas ausführlicher gestaltet. Die spezielle Mineralo-
gie wurde, soweit erforderlich, aktualisiert, wobei kristallstrukturelle Gesichtspunkte
und die technische Verwendung von mineralischen Rohstoffen stärkere Beachtung
fanden. Darüber hinaus mussten einige wichtige Minerale, z. B. der Perowskit, zusätz-
lich aufgenommen werden. Wesentliche Erweiterungen erfuhren die Kapitel zum Vul-
kanismus und Plutonismus, zur Petrologie der Magmatite sowie zur Lagerstättenkunde.
Es war an der Zeit, vom Niggli-Schema der magmatischen Erzlagerstätten, das uns
Älteren vertraut und lieb geworden war, aber nicht mehr gültig ist, Abschied zu neh-
men. Dadurch war es notwendig, die theoretischen Grundlagen der pegmatitischen
und hydrothermalen Lagerstättenbildung neu darzustellen, obwohl gerade hier noch
viele Fragen offen sind. Im Einklang mit der internationalen Lagerstättenforschung
musste die pneumatolytische Phase aufgegeben werden. Bei der Beschreibung einzel-
ner Lagerstättentypen wurden Lagerstätten von weltwirtschaftlicher Bedeutung stär-
ker herausgestellt. Im Kapitel über Sedimente und Sedimentgesteine erfuhren die Kar-
bonatgesteine, die wichtigen sedimentären Erzlagerstätten und die marinen Evaporite
eine ausführlichere Darstellung. In den Kapiteln über Gesteinsmetamorphose wurde
Wert darauf gelegt, die theoretischen Grundlagen der metamorphen Gefügeprägung
und der metamorphen Mineralgleichgewichte etwas eingehender zu behandeln. Völ-
lig neu gestaltet und erweitert wurden die Kapitel zum Aufbau des Erdinnern, zum
Aufbau und Stoffbestand des Mondes sowie über Meteorite. Ein neues Kapitel zur Ein-
führung in die Geochemie einschließlich der Isotopen-Geochemie rundet die neue
Auflage des „Matthes“ ab.
Auch bei der Neugestaltung des Werkes sollte dem ursprünglichen Ansatz von
Siegfried Matthes, ein Lehrbuch für das Grundstudium in Mineralogie zu schreiben,
gefolgt werden, wobei allerdings der Text an einigen Stellen über diese Anforderun-
gen hinausgeht. Für Geowissenschaftler anderer Vertiefungsrichtungen wie Sedimen-
tologie, Ingenieurgeologie, Hydrogeologie, Paläontologie oder Geophysik sowie für
Kristallographen und Materialwissenschaftler reicht der behandelte Stoff auch für das
Hauptstudium aus. Es bleibt zu wünschen, dass der „Matthes“ vielen Geowissen-
schaftlern in ihrem beruflichen Leben, aber auch mineralbegeisterten Laien als Nach-
schlagewerk gute Dienste tut. Voraussetzungen für ein erfolgreiches Arbeiten mit die-
X Vorwort zur 7. Auflage
Das vorliegende Buch ist eine Einführung in die Mineralogie, Petrologie und Lager-
stättenkunde auf genetischer Grundlage. Es widmet sich dem speziellen Teil des Fa-
ches, wobei Grundkenntnisse aus dem allgemeinen Teil – der allgemeinen Mineralo-
gie und der Kristallographie – vorausgesetzt werden. Darüber hinaus sind neben geo-
logischen Kenntnissen Grundlagen der allgemeinen, anorganischen und physikali-
schen Chemie an vielen Stellen sehr nützlich.
Im einleitenden Teil werden wichtige Begriffe erläutert und definiert. Im Teil I
folgte eine Auswahl der häufigsten Minerale in übersichtlicher Form und in Anleh-
nung an die Systematik von H. Strunz. Teil II ist der Petrologie und Lagerstätten-
kunde gewidmet. Er gliedert sich: A in die magmatische Abfolge mit Systematik und
Genese der magma-tischen Gesteine einschließlich der Mineral- und Lagerstätten-
bildung, die mit magmatischen Vorgängen im Zusammenhang steht, B in die sedi-
mentäre Abfolge mit den Verwitterungsprodukten, Sedimenten und Sedimentgestei-
nen einschließlich der Mineral- und Lagerstättenbildung, C die Gesteinsmetamor-
phose einschließlich der Ultrametamorphose und der Metasomatose. Ein abschlie-
ßender Teil III widmet sich dem Stoffbestand von Erde und Mond und in einem kur-
zen Abschnitt auch den Meteoriten. Den einschlägigen experimentellen Zustandsdi-
agrammen – Ein-, Zwei- und Drei-Komponentensystemen – wird der ihnen ihrer
Bedeutung nach zukommende Raum gewährt. An allen möglichen Stellen finden sich
Hinweise auf die technisch-wirtschaftliche Bedeutung der Minerale, Gesteine und
Lagerstätten als Rohstoffe.
Das Buch ist aus Vorlesungen und Übungen hervorgegangen, die der Verfasser im
Laufe der Zeit seit 1950 an den Universitäten Frankfurt (M) und Würzburg durchge-
führt hat. So ist der Inhalt des Buches in erster Linie den Bedürfnissen des Unterrichts
an Universitäten und Hochschulen angepasst. Getroffene Auswahl und Umfang des
Stoffes dieses speziellen Teiles des Faches entsprechen nach Ansicht des Verfassers
weitgehend dem Lehrauftrag für das Grundstudium in Mineralogie. Für Studierende
der Geologie und andere Studierende, die Mineralogie als Neben- bzw. Beifach wäh-
len, dürfte das Buch auch bei den Anforderungen im Hauptstudium (Aufbaustudium)
hilfreich sein. In allen Fällen kann es in Verbindung und zur Ergänzung von Vorlesun-
gen und Übungen genutzt werden. Für das Weiterstudium und als Quellennachweis
ist am Schluss des Buches ein Verzeichnis wichtiger Lehrbücher und Monographien
aufgenommen worden. Das Buch richtet sich auch an diejenigen, die dem Fach Inter-
esse entgegenbringen, um sich Grundkenntnisse zu erwerben oder es beruflich als
Informationsquelle zu nützen. Verlag und Verfasser möchten glauben, dass das vorlie-
gende Buch innerhalb des deutschsprachigen Schrifttums eine derzeit spürbare Lücke
schließen hilft.
Die Kristallbilder sind dem Atlas der Kristallformen von V. Goldschmidt, die Kris-
tallstrukturen großenteils dem Strukturbericht entnommen und umgezeichnet wor-
den. Die meisten Diagramme und Strichzeichnungen stammen aus dem zitierten
Schrifttum, teilweise vereinfacht, andere ergänzt. Die Zahl der Autotypien wurde mit
Rücksicht auf die Preisgestaltung des Buches niedrig gehalten.
XII Vorwort zur 1. Auflage
Bei der Fertigung des Buches erfuhr ich aus dem hiesigen Institut mannigfaltige
Hilfe. Herr Prof. Martin Okrusch übernahm die kritische Durchsicht des Manuskrip-
tes. Seine Ratschläge wurden als substantielle Verbesserungen dankbar anerkannt.
Darüber hinaus gewährte er mir freundliche Hilfe beim Lesen der Korrektur. Herr
Klaus Mezger vom hiesigen Institut unterstützte mich bei der Fertigung des Registers.
Herr Klaus-Peter Kelber hat sich mit der sorgfältigen Ausführung der Zeichnungen
und allen Mineralfotos große Verdienste um das Buch erworben. Die Originalauf-
nahmen zu den Abbildungen 145 und 146 stellte Herr Prof. K. R. Mehnert, Berlin,
freundlicherweise zum Abdruck zur Verfügung. Die Fotos der Abb. 92 und 93 stam-
men vom Verfasser. Meine Tochter Heike hatte die lästige Aufgabe der Reinschrift des
Manuskriptes übernommen. Allen sei für die gewährte Hilfe herzlich gedankt!
Schließlich habe ich dem Verlag für die jederzeit vertrauensvolle Zusammenar-
beit, die Ausstattung des Buches und dessen erschwinglichen Preis zu danken, Herrn
Dr. Konrad F. Springer für sein stets förderndes Interesse und Herrn Dr. Dieter Hohm
für Mühewaltung und Umsicht während dieser Zusammenarbeit.
Teil I
Spezielle Mineralogie – Eine Auswahl wichtiger Minerale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2 Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.1 Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.2 Metalloide (Halbmetalle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.3 Nichtmetalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4 Halogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
9 Silikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
9.1 Inselsilikate (Nesosilikate) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
9.2 Gruppensilikate (Sorosilikate) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
9.3 Ringsilikate (Cyclosilicate) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
9.4 Ketten- und Doppelkettensilikate (Inosilikate) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
9.4.1 Pyroxen-Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
9.4.2 Pyroxenoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
9.4.3 Amphibol-Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
9.5 Schichtsilikate (Phyllosilikate) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
9.5.1 Pyrophyllit-Talk-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
9.5.2 Glimmer-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
9.5.3 Hydroglimmer-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
9.5.4 Sprödglimmer-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
9.5.5 Chlorit-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
9.5.6 Serpentin-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
9.5.7 Tonmineral-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
9.5.8 Apophyllit-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
9.6 Gerüstsilikate (Tektosilikate) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
9.6.1 SiO2-Minerale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
9.6.2 Feldspat-Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
9.6.3 Feldspatoide (Foide, Feldspatvertreter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
9.6.4 Skapolith-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Inhaltsverzeichnis XV
Teil II
Petrologie und Lagerstättenkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
12 Vulkanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
12.1 Effusive Förderung: Lavaströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
12.2 Extrusive Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
12.3 Explosive Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
12.4 Gemischte Förderung: Stratovulkane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
12.5 Vulkanische Dampftätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
13 Plutonismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
13.1 Die Tiefenfortsetzung von Vulkanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
13.2 Formen plutonischer und subvulkanischer Intrusivkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
13.3 Innerer Aufbau und Platznahme von Plutonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
13.3.1 Interngefüge von Plutonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
13.3.2 Mechanismen der Platznahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
13.3.3 Layered Intrusions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
20 Pegmatite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
20.1 Theoretische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
20.2 Geologisches Auftreten und Petrographie von Pegmatiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
20.3 Pegmatite als Rohstoffträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
20.4 Genetische Klassifikation der Pegmatite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
Teil III
Stoffbestand und Bau von Erde und Mond – unser Planetensystem . . . . . . . . . . 475
29 Meteorite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
29.1 Fallphänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
29.2 Häufigkeit von Meteoriten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508
29.3 Haupttypen der Meteorite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508
29.3.1 Undiffenzierte Steinmeteorite: Chondrite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508
29.3.2 Differenzierte Steinmeteorite: Achondrite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513
29.3.3 Stein-Eisen-Meteorite (differenziert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516
29.3.4 Eisenmeteorite (differenziert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517
29.4 Tektite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520
Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
A.1 Übersicht wichtiger Ionenradien und der Ionenkoordination
gegenüber O2– . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
A.2 Berechnung von Mineralformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
A.3 Lernschema der subalkalinen Magmatite
und der Alkali-Magmatite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595
Abdruckgenehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596
Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
1
Einführung und Grundbegriffe
1.1
Minerale
1.2
Kristalle
1.3
Mineralarten und
Mineralvarietäten
1.4
Vorkommen der Minerale,
speziell als Bestandteile
der Erdkruste
1.5
Gesteine
1.6
Mineral- und
Erzlagerstätten
1.7
Abgrenzung der
gesteinsbildenden
Vorgänge
1.8
Mineralogische
Wissenschaften und ihre
Anwendungsgebiete in
Technik, Industrie und
Bergbau
1.9
Biomineralisation und
medizinische Mineralogie
1.10
Bestimmung von
Mineralen mit einfachen
Hilfsmitteln
2 1 · Einführung und Grundbegriffe
1.1 1.1 den. Der synthetische Quarz ist zwar physikalisch und
Minerale chemisch mit dem natürlichen Quarz identisch, jedoch
als Kunstprodukt im Sinn der obigen Definition kein Mi-
Mineralogie bedeutet wörtlich Lehre vom Mineral. neral. Man spricht allerdings von Mineralsynthese und
meint die künstliche Herstellung eines Minerals mit al-
Der Begriff Mineral ist erst im ausgehenden Mittelalter len ihm zukommenden Eigenschaften. Es ist auch üblich,
geprägt worden. Er geht auf das mittellateinische mina z. B. einen künstlich hergestellten Smaragd von Edelstein-
= Schacht (minare = Bergbau treiben) zurück. Im Altertum, qualität als synthetischen Edelstein zu bezeichnen.
z. B. bei den Griechen und Römern, hat man nur von Stei- In ihrer weit überwiegenden Mehrzahl sind Minerale
nen gesprochen. Es sind besonders die durch Glanz, Farbe durch anorganische Vorgänge gebildet worden. Darüber
und Härte ausgezeichneten Schmucksteine, denen man hinaus gibt es aber auch wichtige biogene Prozesse, durch
schon in vorgriechischer Zeit bei allen Kulturvölkern beson- die Minerale in oder unter Mitwirkung von Organismen
dere Beachtung schenkte. Das Steinbuch des Artistoteles entstehen können. So bauen Calcit, Aragonit und Opal Ske-
bringt bereits eine Fülle von Beobachtungen und Tatsachen. lette oder Schalen von Mikroorganismen und Invertebra-
ten (Wirbellosen) auf; Apatit ist ein wesentlicher Bestand-
Minerale sind chemisch einheitliche, natürliche Bestand- teil von Knochen und Zähnen der Wirbeltiere; elementarer
teile der Erde und anderer Himmelskörper (Mond, Mete- Schwefel, Pyrit und andere Sulfidminerale können durch
oriten, erdähnliche Planeten unseres und anderer Son- Reduktion unter dem Einfluss von Bakterien entstehen.
nensysteme). Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind Minerale bilden die Gemengteile von Gesteinen und
Minerale anorganisch, fest und kristallisiert (Abb. 1.1). bauen als solche wesentliche Teile der Erde, des Mondes
Das Mineral, Plural: die Minerale oder gleichfalls und der erdähnlichen Planeten auf. Derzeit zugänglich
gebräuchlich die Mineralien (verwendet in Minera- sind uns die kontinentale Erdkruste, Serien von Bohr-
liensammlung oder Mineralienbörse etc.). kernen der ozeanischen Kruste und untergeordnet Frag-
mente des oberen Erdmantels. Wir müssen aber anneh-
Diese sehr allgemein gehaltene Mineraldefinition wird men, dass der gesamte Erdmantel, der bis zu einer Tiefe
im Folgenden schrittweise erläutert: von 2 900 km reicht, sowie der innere Erdkern (unterhalb
einer Tiefe von etwa 5 100 km) aus Mineralen bestehen,
Minerale sind natürliche Produkte über die allerdings nur theoretische oder hypothetische
Vorstellungen existieren. Analoge Überlegungen gelten
Das bedeutet, sie sind durch natürliche Vorgänge und für den Mond, die erdähnlichen Planeten Merkur, Venus,
ohne Einflussnahme des Menschen entstanden. Ein künst- Mars und dessen Satelliten sowie für die Asteroiden, klei-
lich im Laboratorium hergestellter Quarz z. B. wird als ne planetenähnliche Körper, welche die Sonne zwischen
synthetischer Quarz vom natürlichen Mineral unterschie- der Mars- und Jupiterbahn umkreisen. Proben der Mond-
Abb. 1.1.
Kristallgruppe von Quarz, Vari-
etät Bergkristall, Arkansas/USA.
Etwa natürliche Größe. (Foto:
K.-P. Kelber)
1.1 · Minerale 3
kruste wurden durch die Apollo-Missionen der NASA der Eigenschaften aufweisen. Man bezeichnet allgemein Ma-
wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich gemacht; terie als physikalisch und chemisch homogen, wenn beim
Meteorite sind Bruchstücke aus dem Asteroidengürtel, die Fortschreiten in einer Richtung immer wieder dieselben
gelegentlich auf die Erde fallen (Kap. 29, S. 505 ff), selte- physikalischen und chemischen Verhältnisse (Eigenschaf-
ner von der Oberfläche des Mars und des Mondes. ten) angetroffen werden und wenn sich diese gleichen
Eigenschaften auch mindestens in parallelen Richtungen
Minerale sind physikalisch und chemisch homogene wiederholen. Alles andere wäre heterogen.
(einheitliche) Festkörper und meist kristallisiert (Abb. 1.1) Die chemische Homogenität besteht darin, dass jedes
Mineral eine ganz bestimmte oder in festgelegten Gren-
Als homogener Körper lässt sich jedes Mineral auf me- zen schwankende stoffliche Zusammensetzung aufweist.
chanischem Weg in (theoretisch) beliebig viele Teile zer- Diese lässt sich mit einer individuellen chemischen For-
legen, die alle die gleichen physikalischen und chemischen mel ausdrücken.
Tabelle 1.1.
Chemische Einteilung der
Minerale. (Vereinfacht nach
Strunz 1982)
4 1 · Einführung und Grundbegriffe
Die weitaus überwiegende Zahl der Minerale sind anor- heterogenen Zusammensetzung und ihres variablen Che-
ganische Verbindungen (Tabelle 1.1). Nur sehr wenige Mi- mismus nicht zu den Mineralen. Sie werden den vulkani-
nerale stellen organische Verbindungen dar, wie beispiels- schen Gesteinen zugeordnet. Opal entwickelt wie alle
weise das Calciumoxalat Whewellit CaC2O4 · H2O, das amorph gebildeten Minerale im freien Raum unter dem
Benzensalz Mellit Al2C6(COO)6 · 16H2O oder der Kohlen- Einfluss der Oberflächenspannung traubig-nierige Formen
wasserstoff Fichtelit C19H34. Untergeordnet treten auch che- und niemals durch ebene Flächen begrenzte Polyeder
mische Elemente auf. Öfter sind es einfache chemische Ver- (Kristallformen).
bindungen mit ganz bestimmter Zusammensetzung, wie
In den amerikanischen Lehrbüchern wird der Begriff mineral häu-
z. B. Quarz SiO2. Zahlreiche Minerale sind dagegen Misch-
fig auf kristallisierte Minerale beschränkt, während die nicht-kris-
kristalle, in denen ein einfacher oder gekoppelter Ersatz von tallisierten Minerale wie Opal oder ged. Quecksilber als mineraloids
von Kationen oder Anionen stattfindet, z. B. Mg2+ Fe2+ (Mineraloide) bezeichnet werden. Diese Abgrenzung ist im deut-
beim Olivin mit den Endgliedern Forsterit Mg2[SiO4] und schen Sprachraum nicht eingeführt.
Fayalith Fe2[SiO4] oder Na+Si4+ Ca2+Al3+ beim Plagio- Bernstein, ein fossiles Harz von Nadel- und Laubbäumen
klas mit den Endgliedern Albit Na[AlSi3O8] und Anorthit besonders des Tertiärs, ist ein amorphes Gemenge aus oxidierten
Harzsäuren und Harzalkoholen mit der durchschnittlichen Zusam-
Ca[Al2Si2O8]. Bei Mischkristallen können Veränderungen mensetzung 78 Gew.-% C, 9.9 % H, 11.7 % O, 0.42 % S. Der Begriff
der Druck-Temperatur-Bedingungen während des Wachs- Bernstein entspricht demnach nicht der Mineraldefinition.
tums zu chemischem Zonarbau führen oder es kommt bei Nichts mit Mineralen zu tun haben Begriffe wie Mineralwas-
der Abkühlung zu nachträglicher Entmischung einer che- ser, Mineralöl, Mineralsalze in den Nahrungsmitteln etc. Bei die-
mischen Verbindung aus einem ursprünglich homogenen sen Bezeichnungen geht es lediglich um eine Herausstellung von
Wirtkristall. Der Mineralbegriff schließt solche Inhomoge- Naturprodukten. Gelegentlich wird der Mineralbegriff aus völli-
ger Unkenntnis fälschlich für chemische Elemente bzw. Ionen ein-
nitäten mit ein. gesetzt wie z.B. in dem Artikel „Superstar der Küche, die Tomate“
Reader’s Digest, 1991, Nr. 5: „Sie … enthält die Vitamine A, B, C
Eine Aussage darüber, ob die Forderung der Homogenität einer
und E sowie Mineralien (darunter Eisen, Kalzium und Kalium).“
Mineralprobe erfüllt ist, stößt beim Mineralbestimmen nach äuße-
ren Kennzeichen immer wieder auf Schwierigkeiten, weil eine sol-
1.2 che Entscheidung wesentlich von der Bezugsskala abhängt. So kann 1.2
eine Probe mit bloßem Auge betrachtet durchaus homogen erschei- Kristalle
nen, während sie sich unter dem Polarisationsmikroskop bei stär-
kerer Vergrößerung als uneinheitlich erweist. In Wirklichkeit liegt Kristalle (grch. κρύσταλλοσ = Eis, übertragen auf den
ein mikroskopisch feines Verwachsungsaggregat aus zahlreichen
Mineralkörnern oder Mineralfasern vor. In vielen Fällen erweisen
Bergkristall; Abb. 1.1) sind feste, homogene, anisotrope
sich mikroskopisch homogene Minerale unter dem Elektronenmik- Körper mit dreidimensional periodischer Anordnung
roskop oder durch Röntgen-Beugungsanalyse als heterogen. ihrer chemischen Bausteine (Atome, Ionen, Moleküle).
Minerale sind in aller Regel Festkörper Der Kristallbegriff greift weit über die Mineralwelt hin-
aus; er umfasst ebenso alle kristallinen Substanzen, die
Die einzige Ausnahme bildet gediegenes (ged.) Quecksil- im Labor und in technischen Betrieben künstlich gezüch-
ber (elementares Hg), das bei Atmosphärendruck einen tet oder durch Massenkristallisation hergestellt werden.
Schmelzpunkt von –38,89 °C aufweist, sich also bei gewöhn- In einer Kristallstruktur sind die Atome, Ionen oder
licher Temperatur in flüssigem Zustand befindet. (Wasser Molekülgruppen periodisch zu Raumgittern angeordnet,
zählt nicht zu den Mineralen, wohl aber natürliches Eis.) d. h. in bestimmten Richtungen treten sie immer wieder
Minerale sind meist kristallisierte Festkörper (Einkristal- in gleichen Abständen auf (Translationsabstände der Git-
le), deren Bausteine (Atome, Ionen, Ionenkomplexe), unge- terpunkte; Abb. 1.2). Jeder Kristall, d. h. auch jedes kris-
achtet zahlreicher Baufehler und Unregelmäßigkeiten, drei- tallisierte Mineral zeichnet sich durch einen ihm eige-
dimensional periodisch geordnet sind. (Der Kristallbegriff nen, geometrisch definierten Feinbau aus.
wird weiter unten detailliert erläutert.) Demgegenüber be- Als Ergebnis dieses Gitterbaus sind Kristalle homo-
finden sich nur wenige Minerale im amorphen, d. h. nicht- gen, d. h. sie sind physikalisch und chemisch einheitlich
kristallisierten Zustand. Ihr Feinbau ist dann geometrisch aufgebaut. Der Begriff der Homogenität lässt sich noch
ungeordnet. Zu ihnen gehören als bekanntester Vertreter schärfer fassen, wenn man die vektoriellen, d. h. die rich-
der Opal SiO2 · nH2O oder auch das seltene natürliche Kie- tungsabhängigen physikalischen Eigenschaften wie Här-
selglas SiO2 (Lechatelierit), das in der Natur als Bindemittel te, Kohäsion, Wärmeleitfähigkeit, elekrische Leitfähigkeit,
zusammengeschmolzener Sandkörper vorkommt und sei- Lichtbrechung und Doppelbrechung betrachtet. Ein Kör-
ne Entstehung einem Blitzschlag verdankt. Es wurde auch per ist homogen, wenn er in parallelen Richtungen glei-
in mehreren Meteoritenkratern, den Einschlagstellen von ches Verhalten zeigt. Aus der Feinstruktur von Kristal-
großen Meteoriten auf der Erdoberfläche, vorgefunden. Die len ergibt sich weiter ihre Anisotropie, die bedeutet, dass
vulkanischen Gläser (Obsidian) zählen wegen ihrer häufig die vektoriellen physikalischen Eigenschaften in unter-
1.2 · Kristalle 5
Abb. 1.5.
Kristallverzerrungen beim Quarz.
a–d Kopfbilder, e–f Parallelpro-
jektionen. (Aus Ramdohr u.
Strunz 1978)
ableiten. Eine Kristallform ist eine Menge äquivalenter *2/m2/m2/m (mmm), rh.-dipyramidal: Drei ⊥ aufei-
Flächen, die durch eine oder mehrere Symmetrie-Ope- nander stehende Spiegelebenen; als Schnittlinien dieser
rationen ineinander überführt werden. Kristallklassen Ebenen ergeben sich drei 2-zählige Drehachsen parallel
mit wichtigen Mineralbeispielen sind durch einen Stern a, b und c. Zahlreiche Mineralbeispiele wie Topas (S. 127),
(*) gekennzeichnet. Für Minerale, die sonst im Text nicht Andalusit (S. 126), Sillimanit (S. 126), Olivin (S. 122),
erscheinen, wird die chemische Formel angegeben. Ein Orthopyroxene (S. 138f), Orthoamphibole (S. 142),
tieferes Eindringen in die Materie erfordert das Studium Anhydrit (S. 109), Baryt (S. 108), Aragonit (S. 99).
einschlägiger Lehrbücher der Kristallographie (Kleber
et al. 1998; Borchardt-Ott 2008). Tetragonales Kristallsystem:
a1 = a2 ≠ c, α = β = γ = 90°
Triklines Kristallystem:
a ≠ b ≠ c, α ≠ β ≠ γ Hauptachse c ist eine 4-zählige Drehachse oder Drehin-
(= bedeutet gleichwertig, ≠ ungleichwertig bez. der Symmetrie) versionsachse; ⊥ dazu stehen die beiden Nebenachsen a1
und a2.
Es ist zu beachten, dass sich diese Notierung auf den allgemeins-
ten Fall bezieht; in seltenen Fällen können auch im triklinen Sys- 4, tetr.-pyramidal: 4-zählige Drehachse in c. Einziges
tem einmal gleich lange Achsen, z. B. a = b, oder gleiche Winkel,
Mineralbeispiel: Pinnoit Mg[B2O(OH)6].
z. B. α = γ auftreten. Entscheidend für das Kristallsystem ist näm-
lich die Kombination von vorhandenen Symmetrie-Elementen, die –
4 , tetr.-disphenoidisch: 4-zählige Drehinversions-
eine bestimmte Metrik des Kristallgitters erzwingt. So weist der achse in c. Beispiel: das Meteoriten-Mineral Schrei-
Spielwürfel mit a = b = c und α = β = γ nicht kubische, sondern bersit (Fe,Ni,Co)3P.
trikline Symmetrie auf, weil er keinerlei Symmetrie-Elemente be- 4/m, tetr.-dipyramidal: 4-zählige Drehachse in c, ⊥
sitzt. Analoges gilt für die anderen nichtkubischen Kristallsysteme.
darauf eine Spiegelebene. Beispiele: Scheelit (S. 113),
Skapolith-Gruppe (S. 175), Tief-Leucit (S. 173).
1, trkl.-pedial: Asymmetrie. Beispiel: Aramayoit 4mm, ditetr.-pyramidal: Die 4-zählige Drehachse in c
Ag(Sb,Bi)S2. wird kombiniert mit zwei Spiegelebenen ⊥ a1 und a2;
*1, trkl.-pinakoidal: Symmetriezentrum. Wichtige daraus resultieren weitere Spiegelebenen ⊥ zu den
Minerale als Beispiele: Plagioklas (S. 168), Mikroklin Winkelhalbierenden zwischen a 1 und a2. Beispiel:
(S. 172), Kyanit (S. 17, 126f). Diaboleit Pb2Cu(OH)4Cl2.
–2m, tetr.-skalenoedrisch: Die 4-zählige Drehinver-
*4
Monoklines Kristallsystem: sionsachse c ist Schnittlinie zweier ⊥ aufeinander ste-
a ≠ b ≠ c, α = γ = 90°, β > 90° hender Spiegelebenen; deren Winkelhalbierende die
beiden 2-zählige Nebenachsen a1 und a2 bilden. Wich-
2, mkl.-sphenoidisch: Eine 2-zählige Drehachse // b. tige Beispiele: Chalkopyrit (Kupferkies, S. 66), Stan-
Beispiele: Klinotobermorit Ca 5[Si 3O 8OH] 2 · 2H 2O, nin (Zinnkies) Cu2FeSnS4, Melilith (S. 129f).
Rohrzucker C12H22O11 als wirtschaftlich wichtiges 422, tetr.-trapezoedrisch: ⊥ zur 4-zähligen Drehach-
technisches Produkt. se c stehen 2 + 2 2-zählige Nebenachsen // a1 und a2
m, mkl.-domatisch: Eine Spiegelebene ⊥ b. Als Bei- bzw. // zu deren Winkelhalbierenden. Beispiel: Tief-
spiel diene der Zeolith Skolezit Ca[Al2Si3O10] · 3H2O. Cristobalit (S. 162).
*2/m, mkl.-prismatisch: Eine 2-zählige Drehachse, ⊥ *4/m2/m2/m (4/mmm), ditetr.-dipyramidal: ⊥ zur
darauf eine Spiegelebene. Zahlreiche wichtige Mine- 4-zähligen Drehachse c steht eine Spiegelebene; in der
ralbeispiele wie Sanidin und Orthoklas (S. 168), Kli- 4-zähligen Achse schneiden sich 2 + 2 Spiegelebenen,
nopyroxene (S. 189), Klinoamphibole (S. 144), Glim- die ⊥ a1 und a2 bzw. ⊥ zu deren Winkelhalbierenden
mer (S. 148ff), Titanit (S. 129f), Gips (S. 140). stehen; daraus resultieren 2 + 2 2-zählige Drehach-
sen // a1 und a2 bzw. // zu deren Winkelhalbierenden.
(Ortho-)rhombisches Kristallsystem: Mehrere Mineralbeispiele wie Kassiterit (Zinnstein,
a ≠ b ≠ c, α = β = γ = 90° S. 89), Rutil (S. 88), Anatas (S. 88), Stishovit (S. 162),
Zirkon (S. 122f), Vesuvian (S. 132).
mm2, rh.-pyramidal: Eine 2-zählige Drehachse // c
mit zwei Spiegelebenen, die ⊥ aufeinander stehen und Trigonales Kristallsystem:
sich in der 2-zähligen Drehachse schneiden. Beispiele: a1 = a2 = a3 ≠ c, α = β = 90°, γ = 120°
Hemimorphit (Kieselzinkerz) Zn4[(OH)2/Si2O7] · H2O,
Bournonit CuPb[SbS3], Enargit (S. 67). Hauptachse c ist eine 3-zählige Drehachse oder Dreh-
222, rh.-disphenoidisch: Drei 2-zählige Drehachsen inversionsachse; ⊥ dazu stehen drei Nebenachsen a1, a2
parallel a, b und c, die ⊥ aufeinander stehen. Beispiel: und a3. Es besteht eine enge Verwandschaft zum hexago-
Epsomit Mg[SO4] · 7H2O nalen System.
8 1 · Einführung und Grundbegriffe
Die Bezeichnung der Kristallflächen im Kristall- zeichnung der Flächenlagen verwendet man die Indizes
polyeder und der entsprechenden Netzebenen in der (hkl), (hk0), (h0l) und (0kl) (Abb. 1.7). Für das trigonale
Kristallstruktur erfolgt über die Miller’schen Indizes. und hexagonale System gelten die viergliedrigen Bravais-
Auf Grund der Kristallstrukturbestimmung mittels Indizes (hkil), wobei i = –(h + k) ist, z. B. (1010) für eine
Röntgenbeugung wird eine Einheitsfläche gewählt, die Prismenfläche beim Quarz. Bezieht sich die Indizierung
auf dem Achsenkreuz des jeweiligen Kristallsys- nicht nur auf eine einzelne Fläche, sondern auf die ge-
tems Achsenabschnitte erzeugt (Abb. 1.2). Setzt man samte Form, d. h. auf die Gemeinschaft äquivalenter
den Achsenabschnitt auf der b-Achse = 1, so ergibt Flächen, die durch eine oder mehrere Symmetrie-
sich ein Achsenverhältnis, das für jede Kristallart Operationen ineinander überführt werden, so setzt
charakteristisch ist, z. B. beim orthorhombischen Topas man die Miller- oder Bravais-Indizes in geschweifte
a : b : c = 0,528 : 1 : 0,955. Diesem entspricht das Verhältnis Klammern, also z. B. {1010} für das hexagonale Prisma
der Gitterkonstanten der entsprechenden Kristallstruktur, beim Quarz.
die durch Röntgenbeugung ermittelt werden (vgl.
Als Zone bezeichnet man eine Schar von Kristallflächen (h1k1l1),
Abschn. 1.2.2 Kristallstruktur), z. B. für die Topasstruktur
(h2k2l2), (h3k3l3), die sich in parallelen Kanten schneiden; Flächen,
ao = 4,65 Å, b o = 8,80 Å, c o = 8,40 Å (1 Å = 10 –8 cm); die einer Zone angehören, sind tautozonal. Das Zonensymbol [uvw]
a o : b o : c o = 4,65 : 8,80 : 8,40 = 0,528 : 1 : 0,955. Für die wird in eckige Klammern gesetzt. Für die Indizierung von Zonen
Miller’schen Indizes wählt man nun die reziproken gilt die Zonengleichung hu + kv + lw = 0, aus der sich z. B. ablei-
Achsenabschnitte der einzelnen Flächen und macht die- ten lässt, dass die tetragonalen Prismenflächen (100), (010), (100)
se ganzzahlig und teilerfremd, wobei die Einheitsfläche und (010) alle zur Zone [001] gehören, die // der c-Achse verläuft.
Demgegenüber gehören zwar die Flächen (100) und (100) zur Zone
mit (111) indiziert wird (Abb. 1.7). Eine Fläche, die nur [010], die parallel zur b-Aschse verläuft, nicht aber (010 und (010).
die a-Achse schneidet, also parallel zu b und c läuft bzw.
diese im Unendlichen schneidet, hätte die Achsenab- Für ein vertieftes Verständnis dieser kristallographi-
schnitte 1∞∞, reziprok gerechnet (100). Analog dazu ha- schen Indizierungen sind das Durcharbeiten von geeig-
ben Flächen, die nur die b- oder die c-Achse schneiden, neten Kristallographie-Lehrbüchern (z. B. Kleber et al.
die Indizes (010) bzw. (001) (Abb. 1.7). Flächen parallel c, 1998; Bochardt-Ott 2008) und die Teilnahme an kristallo-
die a und b im gleichen Achsenabschnitt schneiden graphischen Anfängerübungen unbedingt erforderlich.
(immer bezogen auf das jeweilige Achsenverhältnis,
das durch die Einheitsfläche definiert ist!) haben den 1.2.2
Index (110); Flächen, die a im einfachen, b im doppelten Kristallstruktur
Achsenabschnitt schneiden, hätten die Achsenab-
schnitte 12∞, was – reziprok genommen und ganzzahlig Bravais-Gitter
gemacht – den Index (210) ergibt. Negative Achsenab-
schnitte werden durch einen Strich (–) über der entspre- Wir hatten bereits darauf hingewiesen, dass zwischen
chenden Ziffer gekennzeichnet. Zur allgemeinen Kenn- äußerer Kristallgestalt und innerer Kristallstruktur eine
Abb. 1.7.
Die Miller’schen Indizes für
wichtige Flächenlagen in einem
rhombischen Achsenkreuz. Un-
ter den allgemeinen Flächen-
lagen (hkl) wird eine als Ein-
heitsfläche (111) gewählt
10 1 · Einführung und Grundbegriffe
Abb. 1.8.
Die 14 Translationsgruppen
der Kristalle (Bravais-Gitter)
und ihre Symmetrien. (Nach
Ramdohr u. Strunz 1978)
1.2 · Kristalle 11
nach einer Drehung von 60° verschoben wird, beträgt τ /6; Kristallstruktur-Bestimmung mit Röntgenstrahlen
erfolgt die Translation in Richtung der c-Achse wäre dieser
Betrag 1⁄6 c0. Abbildung 1.9b zeigt die Schraubenachsen 31 Wie aus Abb. 1.2 ersichtlich ist, ordnen sich die Atome,
und 32, bei denen jeweils nach Drehung um 120° ein Gitter- Ionen oder Molekülgruppen in einer Kristallstruktur zu
punkt in Richtung der c-Achse um die Translationsbeträge Netzebenen an, die sich in bestimmten Abständen perio-
Ç c0 und À c0 verschoben wird. Man erkennt sofort, dass disch wiederholen. Die Translationsbeträge längs der
sich beide Schraubenachsen spiegelbildlich (enantiomorph) kristallographischen Achsen a, b und c bezeichnet man
zueinander verhalten: durch 31 entsteht eine linksgewun- als Gitterkonstanten a0, b0, c0; sie bilden miteinander die
dene, durch 32 eine rechtsgewundene Schraubung. Ein wich- Winkel α , β , γ . Die Netzebenenabstände und Gitter-
tiges Beispiel für einen enantiomorphen Kristall ist der konstanten der meisten anorganischen Kristalle liegen im
Quarz, wobei die Bezeichnung Links- und Rechtsquarz aus Bereich von einigen Ångström bis einigen Zehner
der Kristallmorphologie abgeleitet wurde (vgl. Abb. 9.44b,c, Ångström (1 Å = 10–8 cm). In der Annahme, dass die Wel-
S. 159), zu einer Zeit, als noch keine Kristallstruktur-Bestim- lenlänge der Röntgenstrahlen in der gleichen Größenord-
mungen möglich waren. Merke: Linksquarz hat die nung liegt, führte der deutsche Physiker Max von Laue
Schraubenachse 32, Rechtsquarz die Schraubenachse 31! (1879–1960) zu ihrer quantitativen Bestimmung gemein-
Kombiniert man eine Spiegelebene mit der Translati- sam mit W. Friedrich und P. Knipping (1912) Beugungs-
on um eine halbe Gitterkonstante a0 /2, b0 /2 oder c0 /2 in experimente mit Röntgenstrahlen durch. Dabei wurden
Richtung der a-, b- oder c-Achse so erhält man die Kristalle als Beugungsgitter benutzt, ähnlich wie man
Gleitspiegelebenen a, b oder c (Abb. 1.10). Das Symbol n optische Gitter zur Bestimmung der Wellenlänge des
bezeichnet eine Gleitspiegelebene mit Gleitkomponenten sichtbaren Lichtes verwendet.
in diagonaler Lage, d. h. (a0 + b 0) / 2, (a 0 + c 0) 2 oder Durchstrahlt man einen Kristall mit einem Röntgen-
(b0 + c0)/ 2; mit d bezeichnete Gleitspiegelebenen haben strahl, so wird dieser Primärstrahl an den Netzebenen
Gleitkomponenten (a0 + b0)/4, (a0 + c0)4 oder (b0 + c0)/4. des Kristalls in verschiedene Richtungen abgebeugt und
Auf mathematischem Wege konnten E. Fedorow (1853– es kommt zu Interferenz-Erscheinungen. Die abgebeugten
1919) und A. Schoenflies (1853–1928) zeigen, dass man durch Wellen können auf einer Fotoplatte aufgefangen wer-
Kombination der 14 Translationsgruppen mit allen denk- den und erzeugen dort einen Schwärzungsfleck, den
baren Symmetrieoperationen wie Drehung, Spiegelung, Inver- Interferenzfleck. Das dabei entstehende Laue-Diagramm
sion, Drehinversion, Schraubung und Gleitspiegelung 230 un- lässt die Symmetrie des Kristalls erkennen unter der
terschiedliche Möglichkeiten erhält, die 230 Raumgruppen. Voraussetzung, dass der Kristall orientiert, d. h. beispiels-
weise parallel zu einer Drehachse durchstrahlt wurde
Als Raumgruppe bezeichnet man die Gesamtheit al- (Abb. 1.11). Damit war die Grundlage dafür gelegt, dass
ler Symmetrieoperationen in einer Kristallstruktur man mittels Röntgenbeugung
oder eine Gruppe von Symmetrieoperationen unter
Einschluss der Gitter-Translation. die Symmetrie,
die Raumgruppe,
Die Raumgruppen-Symbole nach Hermann-Mauguin und die Feinstruktur
enthalten den Typ des Bravais-Gitters P, I, C, R und die Symme-
trie-Elemente, z. B. P1 in der Kristallklasse 1, P2/m, P21/m, von Kristallen bestimmen kann. Die Beziehung zwischen
C2/m, P2/c, P21/c, C2/c in der Kristallklasse 2/m etc. Bei- der Wellenlänge der Röntgenstrahlung λ , dem Netzebenen-
spiele sind P312 und P322 beim Tiefquarz, P6222 und P6422
beim Hochquarz (Abb, 9.42, S. 156), C2/m beim Sanidin und
P1 bei den Plagioklasen (Abb. 9.49, S. 166).
Abstand d und dem Beugungswinkel (Glanzwinkel) θ wur- wobei n eine ganze Zahl, die „Ordnung der Interferenz“
de von dem englischen Physiker W. H. Bragg (1862–1942) ist. Diese wichtigen Grundgleichung sagt aus, dass nur
und seinem Sohn W. L. Bragg (1890–1971) in einer einfa- dann Beugung an einer bestimmt Netzebenenschar (hkl)
chen Gleichung formuliert, der Bragg’schen Gleichung: im Kristall auftritt, wenn bei festgelegter Wellenlänge auch
ein bestimmter Glanzwinkel vorliegt. Röntgenstrahl-In-
nλ = 2d sinθ [1.1] terferenzen sind also zu erwarten, wenn
Abb. 1.13.
a Röntgen-Pulveraufnahme von
Halit (Steinsalz, NaCl).
b Röntgen-Pulverdiffraktogramm
von Quarz
1.2 · Kristalle 13
Als Beispiel diene die Diamantstruktur (Abb. 2.11, schirmt. In den Metallstrukturen streben die kugel-
S. 55). Die äußerste Schale des Kohlenstoff-Atoms ist förmig gedachten Atomrümpfe dichteste Kugelpackun-
mit 2s22p2-Elektronen besetzt. Im angeregten Zustand gen mit jeweils 12 nächsten Nachbarn an, d. h. sie sind
befindet sich jedoch je ein Elektron im 2s-Orbital und [12]-koordiniert. Dabei lassen sich zwei unterschiedli-
in den 2px-, 2py-, 2pz-Orbitalen. Daraus entstehen vier che Arten von Stapelfolgen der atomaren Schichten un-
neue sp3-Hybrid-Orbitale, die nach den Ecken eines terscheiden, nämlich 123123 … bei der kubisch dichtes-
Tetraeders hin ausgerichtet sind (Abb. 1.15). Jedes C- ten Kugelpackung und 121212 … bei der hexagonal dich-
Atom kann also maximal vier C-Atome an sich bin- testen Kugelpackung (Abb. 2.1a,b, S. 48). Die physi-
den, was zu einer Struktur mit Tetraeder- oder [4]- kalischen Eigenschaften der meisten Metalle, Metall-
Koordination führt. Auch bei der Atombindung wird Legierungen, Metallsulfide und Metalloxide sind durch
Edelgas-Konfiguration angestrebt; jedoch führt die den dominierenden oder zumindest beachtlichen An-
Paarung der Valenzelektronen dazu, dass sich die teil an metallischer Bindung bedingt, so insbesondere
Außenhüllen der Atome überlappen (Abb. 1.16), wie das opake Verhalten im Durchlicht und das starke
man an der Elektronendichte-Verteilung erkennt Reflexionsvermögen im Auflicht.
(Abb. 1.14b). Das Modell der starren, sich berühren- Van-der-Waals-Bindung
den Kugeln ist daher nicht mehr anwendbar, und man Die Van-der-Waals-Bindungskräfte sind im Vergleich
sollte eher mit einem Kalotten-Modell arbeiten. Die mit den bisher behandelten Bindungsarten nur relativ
Atombindung beim Diamanten ist außerordentlich stark, schwach. Sie beruhen auf Restvalenzen, die entstehen,
was seine extrem große Härte erklärt (Tabelle 1.2, S. 17). wenn in einer an sich elektrostatisch neutralen Grup-
Die weitaus überwiegende Zahl der Minerale stellt pe von Atomen, Ionen oder Molekülen die Ladungs-
chemische Verbindungen dar, die aus mehreren Atom- verteilung ungleichmäßig ist, so dass der Schwerpunkt
arten bestehen. Dementsprechend treten rein homöo- der positiven und der negativen Ladungen nicht zu-
polare Bindungen nur selten auf, sondern es dominie- sammenfällt. Zwischen solchen Dipolen ist eine elek-
ren Mischbindungen mit einem mehr oder weniger trostatische Anziehung möglich, jedoch nimmt Wech-
großen heteropolaren Anteil (Abb. 1.16). Bei den auch selwirkungs-Energie mit der 6. Potenz des Abstandes
in dünnen Schnitten undurchsichtigen (opaken) Erz- ab, d. h. die Bindungsstärke K ist ∼1/d 6. Ein wichtiges
mineralen ist meist auch ein metallischer Bindungs- Beispiel für die Van-der-Waals-Bindung ist die Graphit-
anteil vorhanden. struktur. Wie Abb. 2.11c (S. 55) erkennen lässt, baut
Metallbindung sich diese aus Schichten von kovalent gebundenen
Im Gegensatz zur Ionen- und zur Atombindung sind C-Atomen auf, die jeweils in planarer Anordnung von
bei den Metallen die äußeren Valenzelektronen nicht drei C umgeben, also [3]-koordiniert sind, während sich
lokalisiert, sondern bilden – anschaulich gesprochen das 4. C-Atom sich in weitem Abstand in der darüber-
– eine negativ geladene Elektronenwolke, die sich mit bzw. darunter liegenden Schicht befindet. Daher beste-
einer gewissen Aufenthaltswahrscheinlichkeit zwi- hen zwischen den einzelnen Schichten nur schwache
schen den positiv geladenen Atomrümpfen (das sind Van-der-Waals-Kräfte, was die blättchenförmige Spalt-
keine Ionen!) bewegt und diese voneinander ab- barkeit und die extrem geringe Härte des Graphits er-
klär. Van-der-Waals-Bindungen spielen auch in vielen
Abb. 1.15. Schichtsilikaten eine Rolle, so besonders im Pyrophyllit
Die vier sp3-Orbitale in der Dia- und im Talk (Abschn. 9.5.1, S. 147f, Tabelle 1.2).
mantstruktur lassen tetraederi-
sche Anordnung erkennen.
(Nach Borchardt-Ott 2002) Einige wichtige Begriffe der Kristallchemie
Isotypie
Abb. 1.16.
Übergang zwischen Ionenbin-
dung und Atombindung nach
Fajans. (Aus Kleber et al. 1998)
1.2 · Kristalle 15
verkippt. Demgegenüber erfordert die Hochquarz- noch Unterschiede nach der Stapelfolge: Der hexa-
Tridymit-Umwandlung bei 870 °C (1 bar) ein Auf- gonale Graphit-2H weist eine Zweier-, der trigona-
brechen der Bindungen zwischen den [SiO4]-Tetra- le Graphit-3R eine Dreierperiode auf. Diesen spe-
edern und einen Neuaufbau der Struktur in Form ziellen Fall der Polymorphie, der auch bei den
von Sechserringen (vgl. auch Abschn. 9.6.1, S. 155ff). Schichtsilikaten (Abschn. 9.5, S. 145ff) eine wichti-
Zwei weitere wichtige Möglichkeiten für polymor- ge Rolle spielt, bezeichnet man als Polytypie.
phe Umwandlungen in zweiter Koordination sind
(c) Transformationen durch Ordnungs-Unordnungs- 1.2.4
Vorgänge, die z. B. bei den Feldspäten eine wichtige Kristallphysik
Rolle spielen (vgl. Abschn. 9.6.2, S. 164ff ), und
(d) Transformationen durch Änderung des Bin- Härte und Kohäsion
dungscharakters, wie das bei der Umwandlung
Graphit Diamant der Fall ist. Bei der Schicht- Viele Minerale weisen eine deutliche Anisotropie der Härte
struktur des Graphits kennen wir darüber hinaus auf und zeigen als Ausdruck einer anisotropen Verteilung
der Kohäsionseigenschaften eine ausgeprägte Spaltbar-
keit. So besitzt z. B. das Mineral Fluorit (Flussspat) CaF2
auf der Würfelfläche {100} eine größere Härte als auf der
Oktaederfläche {111}; beim Halit (Steinsalz) NaCl ist das
nicht der Fall. Halit spaltet parallel zu den Würfelflächen,
Fluorit parallel zu den Oktaederflächen (Abb. 1.19). Eine
extrem große Anisotropie der Härte weist der Kyanit
Al2[O/SiO4] (Disthen: grch. δις = doppelt, σθένος = Festig-
keit) auf, der in Längsrichtung die Mohs-Härte 4-4½, senk-
recht dazu dagegen 6–7 hat (Abb. 1.20).
Als Härte bezeichnet man den Widerstand, den ein Fest-
körper mechanischen Eingriffen entgegensetzt. Die Härte-
skala von Friedrich Mohs (1773–1839) beruht auf der Ritz-
härte von 10 Standardmineralen, wobei das jeweils höher
stehende vom darunter stehenden geritzt wird (Tabelle 1.2).
Materialien bis Härte 2 werden vom Fingernagel, bis 5 vom
Messer, bis 6 von einer Feile oder einer Stahlnadel geritzt;
Materialien ab Härte 6 ritzen Fensterglas. Die Mohs-Skala
ist also eine Relativskala. Quantitativ kann man die Härte
dagegen mit einem Mikrohärteprüfer bestimmen, bei dem
an der Frontlinse eines Mikroskop-Objektivs eine kleine
Diamant-Pyramide montiert ist. Die damit bestimmte Ein-
drucks- oder Mikrohärte entspricht dem Druck, der auf die
Mineraloberfläche ausgeübt wurde, um einen definierten
Eindruck zu erzeugen; sie nimmt bei den Standard-Mine-
ralen der Mohs-Skala nichtlinear und in ungleichen Sprün-
gen zu (Tabelle 1.2).
Elektrische Eigenschaften
– Bei metallischen Leitern verläuft die Fermi-Kante naus erzeugen die „Löcher“, die durch den Verlust
genau durch das Leitungsband; dieses ist also von Elektronen im Valenzband zurückbleiben, ei-
teilweise aufgefüllt, teilweise leer. Aus einem ange- nen zusätzlichen Leitungseffekt, die p-Leitung. Die
legten elektrischen Feld können die Elektronen des zahlreichen Möglichkeiten, mit denen man die elek-
Leitungsbandes Energie aufnehmen, werden be- tronischen Eigenschaften von Halbleitern steuern
schleunigt und können die eng benachbarten, kann, führen zu ihrer vielfältigen technischen Nut-
nächsthöheren Energieniveaus auffüllen. Die ge- zung in praktisch allen Bereichen der elektroni-
richtete Komponente der Elektronenbewegung, die schen Hardware. Dabei arbeitet man zum einen mit
daraus resultiert, erzeugt den elektrischen Strom. hochreinen Halbleitersubstanzen, zum anderen
– Bei Isolatoren ist das Valenzband vollkommen ge- aber mit Halbleitern, die gezielt mit Fremdatomen
füllt, das Leitungsband dagegen leer. Zwischen dotiert wurden. So kann die geringe Eigenleitfähig-
beiden befindet sich eine breite „verbotene Zone“ keit von reinem Silicium und reinen Germanium
von mehreren Elektronenvolt. Da sämtliche erreich- durch den Einbau der fünfwertigen Elemente P
baren Energieniveaus schon besetzt sind, ist es den oder As in die Si- bzw. Ge-Struktur erheblich ge-
Elektronen nicht möglich, aus dem angelegten elek- steigert werden, wozu schon eine geringe Dotierung
trischen Feld Bewegungsenergie aufzunehmen: eine ausreicht. Atomare Zentren, die durch den Einbau
elektrische Leitung findet nicht statt. Allerdings ist von Fremdatomen entstehen, werden als Donato-
als Folge von Störstellen eine geringe Ionenleitung ren bezeichnet, wenn sie Elektronen an das Lei-
möglich. Bei erhöhter Temperatur, insbesondere in tungsband abgeben, als Akzeptoren wenn sie Elek-
der Nähe des Schmelzpunktes, nimmt die Leitfähig- tronen aus dem Valenzband aufnehmen und
keit von Isolatoren zu. dadurch bewegliche Löcher erzeugen.
– Bei Halbleitern ist die verbotene Zone zwischen
Valenzband und Leitungsband relativ schmal; sie Piezoelektrizität. Durch den piezoelektrischen Effekt wird
variiert zwischen 0,1 und 3 eV. Unterschiedliche bei gerichteter mechanischer Beanspruchung wie Druck
Mechanismen, so z. B. thermische Anregung, kön- oder Zug eine ungleichen Verteilung der elektrischen
nen bewirken, dass Elektronen in das Leitungsband Ladungen erzeugt, ein Vorgang, der umkehrbar ist: Beim
gehoben werden und so eine gewisse elektrische Anlegen eines elektrischen Wechselfeldes kommt es zur
Leitfähigkeit, die n-Leitung, bewirken. Darüber hi- pulsierenden Kompression und Dilatation, so dass me-
chanische Schwingungen entstehen. Piezoeffekte können
nur dann auftreten, wenn die Druck- bzw. Zugrichtung
parallel zu einer polaren Achse erfolgt, wenn also Rich-
tung und Gegenrichtung strukturell und physikalisch
ungleichwertig sind. Das ist bei den zweizähligen
Achsen a1, a2 und a3 des Quarzes (Kristallklasse 32) der
Fall (Abb. 1.23), weswegen reine, unverzwillingte Quarz-
Kristalle vielfältige Anwendung als Schwing- und Steuer-
quarze finden (Abschn. 9.6.1, S. 162). Diese werden heute
meist großtechnisch gezüchtet, da bei den natürlichen
Bergkristallen die zweizähligen Achsen ihren polaren
Charakter meist durch Verzwilligung eingebüßt haben.
Piezoeffekte zeigen auch die Minerale Turmalin (Kristall-
Abb. 1.22. Das Bändermodell zur Erklärung von a metallischen Leitern,
klasse 3m; Abschn. 9.3, S. 135) und Sphalerit ZnS (Kris-
b Halbleitern und c Isolatoren. E Energie der Elektronenzustände; VB Va- tall-klasse 43m) sowie die Kristalle der D- und L-Wein-
lenzband; LB Leitungsband, EF Fermi-Kante. (Nach Kleber et al. 1998) säure C4H6O6 (Kristallklasse 2).
Abb. 1.23.
Piezoelektrischer Effekt beim
Quarz. a Schnittlage der Quarz-
platte im Quarzkristall; b Quarz-
platte mit den polaren Achsen a1,
a2 und a3; c Piezo-Effekt, erzeugt
durch Druck in Richtung einer
polaren Achse, hier a1. (Nach
Borchardt-Ott 2008)
1.2 · Kristalle 19
Pyroelektrizität. Beim pyroelektrischen Effekt führt eine möglichst weitgehende doppelte Besetzung als Tief-Spin-
thermische Behandlung zu einer elektrischen Aufladung an Bedingung bezeichnet. Dementsprechend haben Mn2+ und
den polaren Enden eines Kristalls. So werden beim Erhit- Fe3+ je fünf ungepaarte 3d-Elektronen mit parallelem
zen von Turmalin der Bereich der positiven c-Achse posi- Spin: 5 µB. Fe0 und Fe2+ haben je sechs 3d-Elektronen, davon
tiv, der Bereich der negativen c-Achse negativ aufgeladen; zwei gepaarte mit antiparallelem Spin und vier ungepaarte
bei der Abkühlung kehrt sich die Aufladung um. Dieser Ef- mit parallelem Spin: 4 µB; darüber hinaus verfügt Fe0 noch
fekt resultiert aus der Tatsache, dass Turmalin ein perma- über zwei gepaarte 4s-Elektronen mit antiparallelem Spin.
nentes elektrisches Dipolmoment besitzt, dessen Stärke von Ti3+ hat ein 3d-Elektron und dementsprechend 1 µB, wäh-
der Temperatur abhängt. Es stellt einen Vektor dar, dessen rend Ti4+ keine 3d-Elektronen und somit kein magnetisches
Lage sich bei Einwirkung von Symmetrie-Operationen nicht Moment besitzt (Tabelle 1.3).
verändern darf. Daher sind nur diejenigen Kristallarten Für das magnetische Verhalten von Kristallen ist die
pyroelektrisch, die lediglich eine Drehachse oder eine Verteilung von paramagnetischen Atomen oder Ionen in
Spiegelebene parallel zu einer Drehachse aufweisen; das gilt der Kristallstruktur von ausschlaggebender Bedeutung.
für die Kristallklassen 2, 3, 4, 6, mm2, 3m, 4mm und 6mm.
In paramagnetischen Kristallen sind die paramagne-
Magnetische Eigenschaften tischen Atome mit ihren Spins und damit mit ihren
magnetischen Momenten statistisch verteilt und he-
Ein Elektron in einem Atom oder Ion verfügt über ein ben sich gegenseitig auf. Somit resultiert im Mittel kein
magnetisches Moment, das aus seinem Spin und/oder sei- magnetisches Moment.
ner Kreisbewegung resultiert. Bei den sog. Übergangs- Als ferrromagnetisch bezeichnet man demgegenüber
elementen Eisen und Titan, die in Mineralen häufig auftre- Kristallarten wie α -Eisen oder Magnetit Fe2+Fe3+ 2 O4,
ten, spielt der Spin die Hauptrolle. Die magnetischen Mo- bei denen zwischen benachbarten Fe-Atomen eine
mente von zwei Elektronen mit antiparallelem Spin heben Austauschbeziehung besteht in der Weise, dass die
sich gegenseitig auf. Daher haben Atome und Ionen mit magnetischen Momente in jeder Kristall-Domäne pa-
gepaarten Elektronen – über alle Elektronen summiert – rallel angeordnet sind. Daraus resultiert ein hohes
kein magnetisches Moment; sie werden als diamagnetisch magnetisches Moment und damit eine große magne-
bezeichnet, ebenso die Kristalle, die aus solchen atomaren tische Massensuszeptibilität.
Bausteinen aufgebaut sind. Demgegenüber besitzen Atome Es gibt aber auch Kristallarten, die aus zwei ferromag-
und Ionen mit einem oder mehreren ungepaarten Elektro- netischen Teilstrukturen bestehen, in denen die
nen im Mittel ein magnetisches Moment; sie sind parama- ungepaarten Elektronen jeweils antiparallele Spin-
gnetisch. Das magnetische Moment eines ungepaarten Elek- richtung aufweisen. Bei antiferromagnetischen Kris-
trons ist ein Bohr’sches Magneton µB = 0,9274 · 10–20 emu tallen heben sich die magnetischen Momente dieser
(Elektromagnetische Einheiten). Die meisten paramagne- Teilstrukturen genau auf, so dass im Mittel kein mag-
tischen Substanzen besitzen nur ein ungepaartes Elektron netisches Moment resultiert.
und haben dementsprechend nur das magnetische Moment Demgegenüber heben sich bei ferrimagnetischen Kris-
von 1 µB. Jedoch neigen gerade die Übergangsmetalle mit tallen die magnetischen Momente in den Teilstrukturen
den Ordnungszahlen 21–30 dazu, die fünf Plätze des 3d- nicht genau auf, weil ihre antiparallelen Momente nicht
Niveaus jeweils nur mit einem einzigen Elektron aufzufül- genau gleich groß sind, ihre Spinrichtung nicht exakt
len und erst dann, wenn alle diese Plätze einfach besetzt antiparallel ist oder weil Strukturdefekte oder Verunreini-
sind, ein zweites Elektron einzubauen (Tabelle 1.3). Die ein- gungen in der Struktur auftreten. Über die gesamte Struk-
fache Besetzung der fünf 3d-Plätze wird als Hoch-Spin-, die tur gemittelt ergibt sich somit ein magnetisches Moment.
Tabelle 1.3.
Elektronen-Konfigurationen für
Eisen und Titan
20 1 · Einführung und Grundbegriffe
Ferro- und ferrimagnetische Kristalle besitzen eine Die Lichtquanten- oder Korpuskular-Theorie erklärt
charakteristische Temperatur, bei der sie paramagnetisch die Wechselwirkung von Licht und Materie im Bereich
werden. Oberhalb dieses Curie-Punktes, der z. B. für Ma- von Atomen und Molekülen in einer Kristallstruktur
gnetit bei 578 °C liegt, werden die thermischen Schwin- quantenphysikalisch. Danach besteht Licht aus Photo-
gungen in der Kristallstruktur so groß, dass die Paralleli- nen, d. h. Korpuskeln der Masse 0, die sich wie Geschos-
tät der atomaren Magnete verloren geht. Ebenso gehen se von einem Materiepunkt zum andern bewegen.
antiferromagnetische Strukturen beim Néel-Punkt in Die Wellentheorie betrachtet Licht als Strahlungs-En-
den paramagnetischen Zustand über. So ist Ilmenit ergie, die in Form von elektromagnetischen Wellen von
Fe2+Ti4+O3 bei Zimmertemperatur paramagnetisch, wird einem Materiepunkt zum anderen wandern. Die opti-
aber bei tieferer Temperatur antiferromagnetisch. Für schen Erscheinungen, die man beim Mikroskopieren
geomagnetische Messungen und ihre Interpretation im Dünnschliff oder Anschliff beobachtet, lassen sich
ist der Curie-Punkt von großer praktischer Bedeutung mit der Wellentheorie beschreiben, wo man je nach
(vgl. Abschn. 5.2, S. 84). Fragestellung zwei verschiedene Modelle anwendet:
– Das Strahlenmodell beschreibt mit geometrischen
Kristalloptik Methoden die Ausbreitung der Lichtstrahlen im
Raum, ihre Brechung und Reflexion sowie den Strah-
Die optischen Eigenschaften im polarisierten Licht sind lengang in optischen Systemen, z. B. im Mikroskop
von größter Bedeutung für die Bestimmung von Minera- (Strahlenoptik).
len in Gesteinen und Erzlagerstätten, aber auch von – Das Wellenmodell fasst das Licht als Transversal-
kristallinen Phasen in technischen Produkten. Kristalle, welle auf, die beim Durchgang durch Kristalle ge-
die in Dünnschliffen von ca. 25 µm (= 0,025 mm) Dicke beugt und polarisiert wird, wobei es zu Interferenz-
durchsichtig oder durchscheinend sind, werden im Durch- Erscheinungen kommt (Wellenoptik).
licht untersucht, opake Kristalle dagegen in polierten An-
oder Dünnschliffen im reflektierten Auflicht. Durch mi- Das sichtbare Licht stellt nur einen begrenzten Aus-
kroskopische Untersuchungen können die Ausschei- schnitt aus einem kontinuierlichen Spektrum elektroma-
dungsfolge von Mineralen sowie ihre Gleichgewichts- und gnetischer Strahlung dar. Es umfasst einen Wellenlängen-
Reaktionsgefüge beurteilt werden; solche Beobachtungen bereich von 400–800 nm (1 nm = 10–7 cm), in dem die von
liefern wesentliche Anhaltspunkte für die Rekonstrukti- J. Fraunhofer (1787–1826) im Sonnenspektrum gefunde-
on gesteins- und lagerstättenbildender Prozesse. nen Spektrallinien enthalten sind. Nach dem Wellen-
In diesem Lehrbuch können lediglich die Grundzüge modell besteht weißes Licht aus einem Bündel von un-
der Polarisations-Mikroskopie behandelt werden. Für das endlich vielen Wellen unterschiedlicher Wellenlänge λ ,
eingehende Studium der kristalloptischen Methoden ver- die mit unterschiedlicher Amplitude A schwingen. Die
weisen wir auf die einschlägigen Lehrbücher und Nach- Lichtintensität (= Helligkeit) ist proportional zu A2. Zwi-
schlagewerke. Eine knappe Einführung in die Methoden schen der Frequenz f, d. h. der Zahl der Wellenzyklen pro
der Durchlicht-Mikroskopie geben Müller u. Raith (1976); Sekunde (in Hz), der Lichtgeschwindigkeit v und der Wel-
für eine vertiefte Behandlung verweisen wir auf Wahl- lenlänge λ besteht der folgende einfache Zusammenhang:
strom (1979) und Nesse (2004); die Bücher von Tröger
et al. (1967, 1982) sowie Pichler u. Schmitt-Riegraf (1993) [1.4]
sind für die praktische Mikroskopie von Gesteinen zu
empfehlen. Die methodischen Grundlagen der Auflicht- Abgesehen von einigen Ausnahmen bleibt die Frequenz
Mikroskopie werden in dem klassischen Werk von einer Lichtwelle konstant, unabhängig davon, welches Me-
Schneiderhöhn (1952) behandelt; neuere Darstellungen dium sie durchdringt. Da sich beim Eintritt von einem Me-
stammen z. B. von Craig u. Vaughan (1981) und Mücke dium in ein anderes die Lichtgeschwindigkeit v ändert, muss
(1989). Für das praktische auflichtmikroskopische Arbei- sich auch die Wellenlänge ändern: in optisch dichteren
ten ist das Standardwerk von Ramdohr (1975) unerläss- Medien, z. B. in Kristallen oder in Glas, ist v und damit auch
lich; hilfreich sind die Bildkartei der Erzmikroskopie von λ geringer als in einem optisch dünneren Medium, z. B. in
Maucher u. Rehwald (1961–1973) sowie die Bestimmungs- Luft (Abb. 1.24). Für den Durchgang von Lichtwellen durch
tabellen von Schneiderhöhn (1952) und Schouten (1962). Materie sind folgende Begriffe wichtig (Abb. 1.25a):
Grundlagen Die Wellenfront ist die Fläche, die ähnliche Punkte be-
nachbarter Wellen verbindet.
Die Natur des Lichts und seine Wechselwirkung mit Ma- Die Wellennormale ist die Fortpflanzungsrichtung der
terie können bekanntlich durch zwei unterschiedliche Welle; sie steht senkrecht auf der Wellenfront.
physikalische Theorien beschrieben werden, die sich ge- Der Lichtstrahl ist die Richtung, in der sich die Licht-
genseitig ergänzen: energie fortpflanzt.
1.2 · Kristalle 21
[1.5]
Abb. 1.28. Beziehungen zwischen Kristallbau und optischer Indikatrix. a Orthorhombische Kristalle: Die Achsen der optischen Indikatrix X, Y und Z
fallen mit den Kristallachsen a, b und c zusammen; im vorliegenden Beispiel ist a // Y, b // X und c // Z. In Schnitten nach ab und ac herrscht gerade,
in Schnitten nach ab gerade oder symmetrische Auslöschung. b Monokline Kristalle: Die optische Indikatrix ist einfach geneigt, b fällt mit einer
der Indikatrix-Achsen zusammen, in diesem Fall mit Y (= nβ ); die Auslöschungsschiefe sind: c/Z = +15°, a/X = –5°. c Trikline Kristalle: Die optische
Indikatrix ist zweifach geneigt, a, b und c fallen nicht mit X, Y oder Z zusammen. Die optische Achsenebene XZ ist grau angelegt. (Nach Nesse 2004)
24 1 · Einführung und Grundbegriffe
Abb. 1.29.
Calcit, Mexiko. Der Spaltkörper
nach {1011} besitzt als „Doppel-
spat“ optische Qualität; seine
hohe Doppelbrechung (∆ = 0,1719)
ist durch die Verdoppelung der
Schrift schon mit bloßem Auge
erkennbar. Mineralogisches Mu-
seum der Universität Würzburg.
(Foto: K.-P. Kelber)
Auslöschungsschiefe
[1.8]
Auslöschungsschiefen Z/c = +15° und X/a = –5°. Demge- gelernt. Um festzustellen, ob ein Mineral optisch ein-
genüber herrscht in einem Schnitt // (100) stets gerade achsig oder zweiachsig ist, muss man dagegen den
Auslöschung, ebenso wie das bei rhombischen (Abb. 1.28a) konoskopischen Strahlengang verwenden. Bei diesem er-
und selbstverständlich auch bei optisch einachsigen Kris- zeugt man einen Strahlenkegel großer Öffnung, der ei-
tallen der Fall ist. Bezüglich der Flächen {110} herrscht sym- nen Punkt des Kristalls in möglichst vielen Richtungen
metrische Auslöschung, da z. B. beim monoklinen Kristall durchsetzt. Dafür verwendet man ein Objektiv starker
in Abb. 1.28b die Ebene XZ den Spaltwinkel halbiert. Das Vergrößerung (45fach oder 50fach) und damit großer
ist beispielsweise bei Pyroxenen und Amphibolen der Fall, Apertur, eine Kondensorlinse zur entsprechenden Erhö-
bei denen {110} und {110}wichtige Spaltrisse darstellen hung der Beleuchtungsapertur und die Amici-Betrand’sche
(Abb. 9.27, 9.28, S. 136). Die Auslöschungsschiefe lässt sich Hilfslinse oberhalb des Analysators. Zum näheren Ver-
allerdings nur dann messen, wenn die kristallogra- ständnis der konoskopisches Methode muss auf die Lehr-
phischen Richtungen durch Kristallflächen, Spaltrisse bücher der Kristalloptik verwiesen werden.
oder Zwillingsgrenzen eindeutig definiert sind. Für die konoskopische Untersuchung eines optisch ein-
achsigen Minerals sucht man ein Korn aus, das möglichst
Hilfsplättchen genau senkrecht zur optischen Achse geschnitten ist, das
also im orthoskopischen Strahlengang bei +Nic möglichst
Um festzustellen, in welcher Richtung eines Kristalls der dunkel erscheint. Dann erkennt man als typisches Inter-
größere oder der kleinere Brechungsindex, d. h. nγ’ oder ferenzbild ein schwarzes Kreuz, die Isogyren, die den vier
nα’ liegen, verwendet man z. B. ein Hilfsplättchen aus Auslöschungsrichtungen entsprechen (Abb. 1.33a). In den
Quarz oder Gips, kurz Gipsplättchen genannt. Dieses weist vier Sektoren zwischen den Balken dieses Kreuzes, also
genau den Gangunterschied von 551 nm, entsprechend in Diagonalstellung, sieht man farbige Kreis-Segmente,
dem Rot 1. Ordnung auf und wird in Diagonalstellung mit nach außen hin zunehmenden Interferenzfarben
zwischen dem Dünnschliff und dem Analysator in den (Abb. 1.33a). Die Zahl der Farbringe, der Isochromaten,
Strahlengang eingeschoben. Fällt nγ des Gipsplättchens hängt vom Gangunterschied, d. h. von der Dicke des Kris-
mit nγ’ des Minerals zusammen, so addieren sich die Gang- talls und von seiner Doppelbrechung ab: In normaler Dünn-
unterschiede, fällt es dagegen mit nα’ des Minerals zusam- schliffdicke von 25 µm sind das beim Quarz (∆nmax = 0,009)
men, so subtrahieren sie sich (Abb. 1.32). So verändert nur wenige Ringe, beim Calcit (∆nmax = 0,172) dagegen
sich das Grau 1. Ordnung bei Quarz mit ∆nmax = 0,009 bei sehr viele. Die Bestimmung des optischen Charakters ist
Additionsstellung in das Blau 2. Ordnung, bei Sub- mit einem Gipsplättchen möglich: optisch positive Kris-
traktionsstellung dagegen in das Gelb 1. Ordnung. Mit- talle zeigen im rechten oberen Quadranten steigende,
hilfe des Gipsplättchens lässt sich auch feststellen, ob nγ optisch negative Kristalle dagegen fallende Interferenz-
oder nα // der längsten Achse von stängeligen Kristallen farben (Abb. 1.33c). In Schnitten schräg zur optischen
orientiert sind. Man spricht dann von positiver bzw. ne- Achse steht das Achsenkreuz nicht genau in der Mitte des
gativer Hauptzone oder Elongation (Abb. 1.32). Man be- Gesichtsfeldes; es wandert beim Drehen des Mikroskop-
achte, dass diese nicht notwendiger Weise mit dem posi- tisches auf einer Kreisbahn, deren Durchmesser um so
tiven oder negativen optischen Charakter identisch ist. größer ist, je stärker die optische Achse geneigt ist. Bei
besonders schiefer Schnittlage erkennt man lediglich den
Konoskopische Achsenbilder horizontalen und den vertikalen Balken des Kreuzes, die
parallel zu den Schwingungsrichtungen von Polarisator
Bisher haben wir das Verhalten von doppelbrechenden und Analysator durch das Gesichtsfeld wandern.
Kristallen im orthoskopischen Strahlengang kennen Bei optisch zweiachsigen Mineralen sucht man eine
Schnittlage möglichst nahe der spitzen Bisektrix des
Achsenwinkels, erkennbar an relativ geringen Interferenz-
farben. Die Isogyren, die den Auslöschungsrichtungen
entsprechen, bilden in Diagonalstellung (Abb. 1.33b links)
Hyperbeln, in deren Scheitelpunkten die optischen Ach-
sen ausstechen; beim Drehen verändern sich die Hyper-
beln, bis in Normalstellung ein Kreuz erscheint, das aber
nicht mit dem Kreuz für optisch einachsige Kristalle zu
verwechseln ist (Abb. 1.33b rechts). Der jeweilige Verlauf
der Isochromaten ist aus Abb. 1.33b zu entnehmen. In
Schnitten genau ⊥ zur optischen Achse, die man bei or-
Abb. 1.32. Bestimmung des Charakters der Hauptzone mithilfe des
Gipsplättchens Rot I. a Subtraktion: nα liegt // der längsten Achse des
thoskopischer Betrachtung an vollständiger Auslöschung
Kristalls: negative Hauptzone. b nγ liegt // der längsten Achse des bei +Nic erkennt, verläuft der Scheitelpunkt einer der beiden
Kristalls: positive Hauptzone. (Nach Müller u. Raith 1976) Hyperbeln genau durch das Fadenkreuz des Okulars,
1.2 · Kristalle 27
Abb. 1.33.
Konoskopische Interferenzbilder
a für optisch einachsige, b für
optisch zweiachsige Kristalle
(links in Diagonalstellung, rechts
in Normalstellung). c, d, e Be-
stimmung des optischen Cha-
rakters mithilfe des Gipsplätt-
chens Rot I (links: optisch posi-
tiv, rechts: optisch negativ): c op-
tisch einachsiger Kristall, ⊥ zur
optischen Achse geschnitten;
d optisch zweiachsig, ⊥ zu einer
spitzen Bisektrix geschnitten;
e optisch zweiachsig, ⊥ zur opti-
schen Achse geschnitten.
(Vereinfacht nach Müller
u. Raith 1976)
während die zweite Hyperbel nicht sichtbar ist (Abb. 1.33e). tisch einachsige Minerale häufig dichroitisch, optisch
Aus Abb. 1.33d und e kann man entnehmen, wie man zweiachsige pleochroitisch. Im folgenden geben wir zwei
mittels des Gipsplättchens den optischen Charakter von Beispiele für mögliche Absorptions-Schemata:
zweiachsigen Kristallen ermittelt.
Turmalin (Varietät Schörl):
Eigenfarbe X (blaugrau) << Z (olivbraun)
Hornblende:
Beim Durchgang des Lichtes durch einen Kristall vermin- X (hell gelbgrün) < Y (gelbgrün) ≈ Z (olivgrün)
dert sich in der Regel die Amplitude der Lichtwelle: es
kommt zur Absorption. Diese erfolgt für die unterschied- Grundzüge der Auflichtmikroskopie
lichen Wellenlängen des sichtbaren Lichts selektiv, d. h.
in der Weise, dass eine oder mehrere Wellenlängen voll- Bei stark absorbierenden, metallisch oder halbmetallisch
ständig absorbiert, andere dagegen durchgelassen wer- glänzenden Kristallen, die schon in Schichtdicken von 0,01
den. Dadurch entsteht die Eigenfarbe, die ein wichtiges oder 0,001 mm völlig undurchsichtig (opak) sind, kön-
Erkennungsmerkmal für Minerale darstellt. nen die bekannten Gesetze der Durchlicht-Mikroskopie
Die Stärke der Absorption hängt von der Dicke des auch nicht annäherungsweise angewandt werden.
Kristalls und von seiner chemischen Zusammensetzung Neben den Brechungsindizes spielt hier der Absorptions-
ab, wobei Atome wie Fe, Mn, Ti, Cr, V eine wichtige Rolle Koeffizient eine erhebliche, z. T. sogar die beherrschende
spielen. Fe-freie Minerale, darunter auch die Feldspäte und Rolle. In durchsichtigen Kristallen pflanzen sich die Licht-
Quarz, sind in Dünnschliffdicke farblos, während Fe-rei- wellen homogen fort, so dass die Amplituden längs der
chere, wie z. B. Amphibole, Biotit, Chlorit, Turmalin und Wellenfront gleich sind (Abb. 1.25). Demgegenüber ver-
Epidot, mehr oder weniger intensiv gefärbt sind. Bei op- hält sich die Fortpflanzung des Lichtes in stark absorbie-
tisch isotropen Mineralen ist die Eigenfarbe in jeder renden (opaken) Kristallen inhomogen: Schon nach kur-
Schnittlage gleich. Dagegen verändert sie sich bei den zer Weglänge wird soviel Licht absorbiert, dass die Flä-
optisch anisotropen Mineralen in Abhängigkeit von der chen gleicher Amplitude nicht mehr mit der Wellenfront
Orientierung, da sich auch die Absorption von Licht un- zusammenfallen. In opaken Kristallen lassen sich die äu-
terschiedlicher Wellenlänge anisotrop verhält. Die größ- ßerst komplexen optischen Verhältnisse nicht mehr mit
ten Unterschiede in der Eigenfarbe und/oder in der Farb- einer einfachen Indikatrix beschreiben, sondern man muss
intensität sind in Richtung der Indikatrix-Achsen X, Y mit einer komplexen Indikatrix arbeiten. Diese besteht aus
und Z erkennbar. Dementsprechend verhalten sich op- zwei Schalen, die n-Schale für die Brechungsindizes, die
28 1 · Einführung und Grundbegriffe
k-Schale für den Absorptions-Koeffizienten, die sich bei Bei optisch anisotropen Kristallen, die jeweils zwei
optisch zweiachsigen Kristallen durchdringen. Extremwerte für n und k haben, gibt es zwei Extremwer-
te des Reflexionsvermögens:
Bei optisch isotropen (kubischen) Kristallen bilden diese Schalen
zwei konzentrische Kugeln, wobei bei schiefem Lichteinfall der
Brechungsindex nicht konstant ist, sondern vom Einfallswinkel [1.11a]
abhängt.
Bei optisch einachsigen (trigonalen, tetragonalen, hexagonalen)
Kristallen gibt es zwei Rotationsflächen mit gemeinsamer, aber ver-
schieden langer Achse, die nur mäßig, aber erkennbar von der Form [1.11b]
des Rotations-Ellipsoids abweichen; es gibt jeweils zwei Haupt-
werte für n und k; man kann ordentliche und außerordentliche
Welle, positiven und negativen optischen Charakter unterscheiden. Die Differenz R1 – R2 ist der Reflexionspleochroismus,
Bei optisch zweiachsigen (orthorhombischen, monoklinen, tri- auch Bireflexion genannt; er ist besonders stark bei Opak-
klinen) Kristallen lassen sich drei Haupt-Brechungsindizes und mineralen mit Schichtstruktur wie beim Graphit C und
drei Haupt-Absorptions-Koeffizienten voneinander unterschei- Molybdänit MoS 2. Da die Stärke des Reflexionspleo-
den, wobei die Hauptrichtungen für die n- und k-Schale im All-
chroismus nicht nur durch die Richtungsabhängigkeit der
gemeinen nicht mehr zusammenfallen. Deshalb kann man auch
nicht mehr von einem Charakter der Doppelbrechung sprechen. Absorption, sondern auch stark von der Höhe der Dop-
Die Form der n- und k-Schale, die sich durchdringen, weicht stark pelbrechung bestimmt wird, zeigen ganz durchsichtige,
von der Ellipsoidform ab; die Hauptrichtungen jeder Schale ste- aber hochdoppelbrechende Karbonate wie Calcit Ca[CO3]
hen nicht mehr senkrecht aufeinander. Nur in den Richtungen, im Auflicht einen sehr starken Reflexionspleochroismus.
die den optischen Achsen bei durchsichtigen Kristallen entspre-
Insgesamt sind die Farben, die man in opaken Mine-
chen würden, pflanzen sich zwei linear polarisierte Wellen glei-
cher Geschwindigkeit, aber unterschiedlicher Absorption fort. ralen im Auflicht beobachtet, sehr viel zarter als bei ge-
Anstelle der optischen Achsen gibt es zwei Windungsachsen, längs färbten Mineralen im Durchlicht und die Farbunter-
denen sich nur eine zirkular polarisierte Welle fortpflanzt. In al- schiede sind geringer. Darüber hinaus wechselt der Farb-
len anderen Richtungen ist das Licht elliptisch polarisiert. und Reflexionseindruck sehr stark mit der unmittelba-
ren Umgebung. So wirkt Chalkopyrit CuFeS 2 gegen
Anisotropie-Effekte bei gekreuzten Polarisatoren Sphalerit ZnS rein hellgelb, gegen ged. Gold jedoch trüb,
matt und schmutzig olivgrün. Das hellste Mineral be-
Entsprechend der komplizierten optischen Verhältnisse stimmt den Helligkeits-Eindruck! Die Erzmikroskopie
werden im Auflicht bei +Nic keine Interferenzfarben, son- erfordert daher sehr viel Übung; das gilt besonders für
dern Mischfarben erzeugt, die keine Auskunft über die die Bestimmung von Opakmineralen die isoliert in Sili-
Stärke der Doppelbrechung geben. Man kann nicht vor- kat- oder Karbonatgesteinen liegen.
aussagen, wo lebhafte oder nur graue oder weiße Farbtö- Verwendet man bei der Auflicht-Mikroskopie ein
ne auftreten, und man kann keine Hilfsplättchen anwen- Immersions-Objektiv, fügt man also zwischen dem
den, um den optischen Charakter zu bestimmen. Erzanschliff und der Frontlinse des Objektivs anstelle
von Luft (n = 1) einen Tropfen Immersionsöl, z. B. mit
Reflexionsvermögen und Eigenfarbe dem Brechungsindex 1,515 ein, so verändern sich die
Gleichungen (1.11a,b) folgendermaßen:
Das Reflexionsvermögen für auffallendes Licht ist das
Verhältnis des reflektierten Anteils JR zur gesamten ein-
[1.12a]
fallenden Lichtintensität und wird in % angegeben:
[1.9] [1.12b]
Das Reflexionsvermögen ist vom Brechungsindex n Wie man anhand dieser Gleichungen leicht zeigen kann,
und dem Absorptionskoeffizienten k abhängig. Für op- führt die Verwendung von Ölimmersion zu einer starken
tisch isotrope Kristalle gilt Abnahme des Reflexionsvermögens. Dadurch vertiefen sich
die Farben, die Farbunterschiede werden deutlicher und der
[1.10] Reflexionspleochroismus verstärkt sich. Bei sehr starker
Dispersion des Reflexionsvermögens kann sich sogar die
Farbe ändern, wenn man Immersionsflüssigkeiten un-
Da das Reflexionsvermögen sehr stark von der Güte der Anschliff- terschiedlicher Lichtbrechung verwendet. So ist Covellin
Politur abhängt, ist seine quantitative Bestimmung mittels einer
Fotozelle keine triviale Angelegenheit. Sie erfordert die Messung von (Kupferindig) CuS in Luft tiefblau, in Wasser violettblau,
Vergleichsstandards, die unter den gleichen Bedingungen wie die in Zedernholzöl rotviolett, in Mono-Bromnaphtalin
Probe geschliffen und poliert wurden. scharlachrot und in Jodmethylen orangerot.
1.4 · Vorkommen der Minerale, speziell als Bestandteile der Erdkruste 29
Schleifhärte
Geoden und Mandeln sind Mineralmassen, die rund- gleichen oder verschiedener Mineralarten. Schön kris-
liche Hohlräume im Gestein vollständig oder teilweise tallisierte Mineralaggregate bzw. Kristalldrusen von kom-
ausfüllen. Nicht selten enthalten sie im Innern eine Kris- merziellem oder Liebhaberwert werden Mineralstufen
talldruse, so die bekannten Achatmandeln eine Amethyst- genannt (Abb. 1.1).
druse. Die „Kristallkeller“ aus den Schweizer Alpen sind
1.5 ausgeweitete Zerrklüfte mit bis zu metergroßen Indivi- 1.5
duen von Bergkristall oder Rauchquarz. Auch Gips- Gesteine
höhlen enthalten mitunter große und schön ausgebilde-
te Kristalle von Gips (Abb. 7.6, S. 111). Gesteine (Abb. 1.34) sind Mineralaggregate, die
Gesteinsbildende Minerale (Abb. 1.34) haben sich bei räumlich ausgedehnte, selbständige geologische
ihrem Wachstum, wenn sie gleichzeitig gewachsen sind, Körper bilden und wesentliche Teile der Erde, des
gegenseitig behindert. Sie weisen deshalb meist eine zu- Mondes und der erdähnlichen Planeten aufbauen.
fällige, kornartige Begrenzung auf. Eine solche Mine- Der Gesteinsbegriff umfasst darüber hinaus die re-
ralausbildung im Gestein wird als xenomorph (grch. lativ seltenen natürlichen Gläser.
ξένος = fremd, µορϕή = Gestalt) bezeichnet. In anderen
Fällen sind gesteinsbildende Minerale dennoch von ebe- Im Unterschied zum Mineral sind Gesteine physika-
nen Flächen begrenzt. Ihre Form wird dann als idiomorph lisch und chemisch heterogene Naturkörper. Die Erfah-
(grch. ίδιος = eigen) bezeichnet. Idiomorph ausgebildete rung zeigt, dass die verschiedenen Minerale nicht in al-
Minerale treten besonders als sog. Einsprenglinge in vul- len denkbaren Kombinationen und Mengenverhältnissen
kanischen Gesteinen oder als sog. Porphyroblasten in me- gesteinsbildend auftreten. Auswahlprinzipien sind wirk-
tamorphen Gesteinen auf. Im 1. Fall handelt es sich um sam, und einige Kombinationen sind vorherrschend. Ge-
Frühausscheidungen aus einer Schmelze, im 2. Fall um steine treten in selbständigen, zusammenhängenden, ge-
Minerale mit überdurchschnittlichem Größenwachstum. ologisch kartier- und profilierbaren Körpern auf. Wir
Mikrokristalline Minerale lassen sich lediglich unter dem wissen heute, dass die Erde bis in eine Tiefe von 2 900 km
Mikroskop, kryptokristalline unter dem Elektronenmik- aus Gesteinen besteht. Gesteine der Erdkruste sind uns
roskop oder durch Röntgenbeugung identifizieren. durch geologische Aufschlüsse übertage und untertage
Als Mineralaggregate bezeichnet man beliebige, auch (Bergwerke, Tunnel) sowie durch Tiefbohrungen bekannt;
räumlich eng begrenzte natürliche Assoziationen der Gesteine des oberen Erdmantels werden durch tektoni-
Abb. 1.34.
Hypidiomorph-körniges
Gefüge eines Granits, ty-
pisch für Tiefengesteine
(Plutonite). Die Minera-
le haben sich bei ihrem
Wachstum gegenseitig
behindert: Plagioklas
(weiß), Kalifeldspat, teil-
weise idiomorph ausge-
bildet (rosa), Quarz, meist
xenomorph, (grau), Biotit
(schwarz). Reichenbach
(Dzierz· oniów), Nieder-
schlesien, Polen
(Foto: K.-P. Kelber)
1.5 · Gesteine 31
1.5.1
Mineralinhalt
Die Art der in einem Gestein auftretenden Minerale
In ihrer überwiegenden Mehrzahl bestehen Gesteine aus hängt also einerseits von der chemischen Pauschal-
anorganischen, festen, kristallisierten Mineralen einer zusammensetzung des Gesteins, andererseits jedoch von
oder verschiedener Arten. Die meisten Gesteine sind poly- Druck, Temperatur und anderen äußeren Zustands-
mineralisch, wie z. B. Granit, der sich aus Quarz, Kalifeld- bedingungen ab, die bei der Gesteinsbildung herrschten.
spat, Plagioklas und Biotit zusammensetzt. Demgegen- Diese Beziehungen lassen sich durch Methoden der
über sind monomineralische Gesteine wie Quarzit, (fast) Thermodynamik, einer wichtigen Arbeitsrichtung der
ausschließlich aus Quarz, oder Marmor, im wesentlichen Physikalischen Chemie, modellieren.
aus Calcit bestehend, viel seltener. Auch Gletschereis, das
z. Zt. schätzungsweise 10 % der Erdoberfläche mit einem 1.5.3
Gesamtvolumen von ca. 32 Millionen km3 einnimmt, ist Gefüge
ein monomineralisches Gestein. Man unterscheidet
Hauptgemengteile und Nebengemengteile (Akzessorien). Das Gefüge (engl. fabric) von Gesteinen umfasst folgen-
Letztere treten nur in untergeordneter Menge auf und sind de, nicht scharf gegeneinander abzugrenzende Begriffe:
für die Gesteinsklassifikation unwesentlich. Sie können Struktur, Textur, Absonderung.
aber für die Bildungsbedingungen eines metamorphen
Gesteins oder für die Herkunft eines Sedimentgesteins Struktur
(Schwerminerale) sehr charakteristisch sein oder wich-
tige Altersinformationen liefern (z. B. Zirkon). Neben Unter Struktur (engl. texture oder microstructure) ver-
Mineralen können natürliche Gläser, organische Fest- steht man die Art des Aufbaus aus den Einzelkomponen-
substanzen, Flüssigkeiten (Erdöl, Wasser) und Gase (Erd- ten, wie sie sich im Handstück oder unter dem Mikros-
gas, Luft) am Aufbau von Gesteinen beteiligt sein. Von den kop beobachten lässt. Die Strukturbeziehungen in ei-
ca. 4 000 gut definierten Mineralarten sind nur etwa 250 nem Gestein hängen wesentlich von der Art ab, in der
gesteinsbildend, davon über 90 % Silicium-Verbindungen, sich die Temperatur, der Druck und andere Zustands-
d. h. Silikate und Quarz. Die häufigsten Minerale der Erd- größen sowie die chemische Zusammensetzung eines
kruste sind in Tabelle 1.5 zusammengestellt. Gesteins im zeitlichen Verlauf der Gesteinsbildung ver-
ändern. Diese Beziehungen lassen sich mit den Metho-
1.5.2 den der Reaktionskinetik, einer wichtigen Arbeits-
Beziehungen zwischen chemischer Zusammensetzung richtung der Physikalischen Chemie, modellieren.
und Mineralinhalt: Heteromorphie von Gesteinen
Die Struktur eines Gesteins wird durch folgende Ei-
Gesteine gleicher chemischer Zusammensetzung können völ- genschaften beschrieben:
lig verschiedene Mineralbestände haben. Diese wichtige Tat-
sache lässt sich durch unterschiedliche Bildungsbedingungen Grad der Kristallinität.
von Gesteinen bei geologischen Prozessen erklären; sie wird
uns daher immer wieder beschäftigen. Zunächst seien eini- holokristallin = vollständig kristallisiert, z. B. Granit
ge Beispiele für die Heteromorphie von Gesteinen genannt: (Abb. 1.34),
32 1 · Einführung und Grundbegriffe
hypokristallin = teils aus kristallisierten Mineralen, Art der Raumerfüllung im Gestein (Porosität).
teils aus Gesteinsglas bestehend, z. B. Rhyolith,
hyalin = glasig = ganz oder im wesentlichen aus Ge- kompakt: Tiefengesteine, z. B. Granit, Gabbro, meta-
steinsglas bestehend, z. B. Obsidian, das allerdings weit- morphe Gesteine, z. B. Gneis, Amphibolit;
gehend sekundär entglast sein kann unter Bildung von blasig: viele vulkanische Gesteine, wobei die Blasen
Skelett-Kristallen (Mikrolithen), z. B. beim Pechstein. oft mit Mineraldrusen oder Mandeln gefüllt sind, z. B.
Melaphyr-Mandelstein (S. 205);
Korngestalt. Nach der vollständigen, weniger vollständi- zellig oder gar schwammig: poröse Basaltlaven;
gen und fehlenden Ausbildung von Kristallflächen unter- schaumig: Bims.
scheidet man idiomorphe → panidiomorphe → hypidio-
morphe → xenomorphe Minerale. Räumliche Verteilung der Gefügeelemente (Verteilungsgefüge).
Viele Gesteine sind statistisch gesehen (nicht physikalisch!)
Korngröße. Für magmatische und metamorphe Gesteine homogen, d. h. in großen Bereichen eines Gesteinskörpers,
hat sich eine einfache Korngrößeneinteilung bewährt, die z. B. eines Granitplutons treten pro Volumeneinheit immer
sich gut im Gelände anwenden lässt: die gleichen Minerale in etwa gleichen Mengenverhält-
nissen auf (Abb. 1.34). Demgegenüber gibt es auch aus-
grobkörnig > 5 mm mittlerer Korndurchmesser, gesprochen heterogene Gesteinskörper, z. B. mit sphäroliti-
mittelkörnig 5 – 1 mm, schem Gefüge = Kugelgefüge beim Orbiculit, Lagengefüge bei
feinkörnig 1 – 0,1 mm, vielen Sedimentgesteinen und Metamorphiten, Schlieren-
dicht < 0,1 mm (d. h. auch mit der Lupe gefüge beim Migmatit (Abb. 24.27, 24.28, S. 414), Schollen-
nicht mehr auflösbar). gefüge, z. B. bei Fremdgesteinseinschlüssen im Granit.
konkordanten Verband (lat. concordantia = Einmütig- Abtragung, ehe das jüngere Schichtpaket auf der Ero-
keit), z. B. in einer kontinuierlich, d. h. ohne Unter- sionsfläche abgelagert wird, entsteht eine Winkel-
brechungen sedimentierten Folge von Sandsteinen und diskordanz (engl. angular unconformity). Ein klas-
Tonsteinen, und sisches Beispiel ist der Aufschluss Siccar Point in Schott-
diskordanten Verband (lat. discordantia = Widerspruch), land, wo steilgestellte Grauwacken und Tonsteine des
bei dem zwei Gesteinsserien abweichende Lagerung Silurs von flach lagernden Sandsteinen des Devons
aufweisen. Diese dokumentiert, dass zwischen der (Upper Old Red) überdeckt werden (Abb. 1.35). Auch der
Bildung der beiden Gesteinsserien mindestens ein Kontakt zwischen kristallinem Grundgebirge, bestehend
geologisches Ereignis stattfand. Dafür gibt es mehrere aus verfalteten und metamorphen Gesteinsserien mit
Möglichkeiten: Wenn das ältere Schichtpaket von dem eingeschalteten Tiefengesteinen und überlagerndem
darüber liegenden jüngeren lediglich durch eine un- unmetamorphem Deckgebirge, ist eine typische Diskor-
regelmäßig gewellte Erosionsfläche getrennt ist, spricht danz (Abb. 1.36). Wenn magmatische Schmelzen in Form
man von Erosionsdiskordanz (engl. disconformity). Ist von Gängen oder Tiefengesteins-Körpern ihr Neben-
dagegen das ältere Schichtpaket durch ein tektonisches gestein durchsetzen, entstehen ebenfalls diskordante
Ereignis verkippt worden und unterliegt danach der Kontaktverhältnisse (Abb. 1.37; 13.7, S. 236).
Abb. 1.35.
Winkeldiskordanz am Siccar Point,
Berwickshire, Schottland. Steil-
gestellte, ca. 430 Millionen Jahre
(430 Ma) alte Grauwacken und
Tonsteine des Silurs werden von
flach lagernden, ca. 370 Ma alten
Sandsteinen des Devons (Upper
Old Red) überdeckt. Diese weisen
infolge tektonischer Verkippung
eine schwache Neigung auf. Der
schottische Privatgelehrte James
Hutton (1726–1797) erkannte, dass
die Ablagerung der silurischen
Schichten, ihre Steilstellung, Her-
aushebung und Erosion sowie die
erneute Meeresbedeckung und
die Ablagerung der devonischen
Schichten einen sehr langen Zeit-
raum erfordert. Er führte damit
den Zeitbegriff in die Geologie ein:
„What can we require, nothing but
time.“ (Foto: M. Okrusch)
Abb. 1.36.
Der Fischfluss-Canyon im Süden
Namibias erschließt die Diskor-
danz zwischen steilstehenden
Gneisen des ca. 1 200 Ma alten
Namaqua-Komplexes und den
flachlagernden, ca. 600–580 Ma
alten Sandsteinen und Kalkstei-
nen der unteren Nama-Gruppe.
(Foto: J. A. Lorenz)
34 1 · Einführung und Grundbegriffe
Abb. 1.37.
Drei unterschiedliche Generatio-
nen von magmatischen Gängen
unterschiedlicher Zusammenset-
zung in einem Migmatit. 1. Dunk-
le Basalt-Gänge (Dolerit), 2. weiße
Pegmatit-Gänge, 3. rosa Aplit-
Gänge (vgl. Kap. 11). Der Migma-
tit entstand durch teilweise Auf-
schmelzung während der Kollision
von West- und Ost-Gondwana bei
der panafrikanischen Orogenese.
Juttulhogget, Dronning Maud Land,
Ostantarktika. Der rote Pfeil weist
auf den kartierenden Geologen
hin, der als Maßstab dient!
(Foto: H. Frimmel)
Ausführlichere Darstellungen sind Lehrbüchern der Reihe wirtschaftlicher, verkehrsgeographischer und po-
allgemeinen Geologie zu entnehmen (z. B. Press u. Siever litischer Randbedingungen ab, nicht zuletzt vom Welt-
2003). marktpreis. Auch bei nutzbaren Gesteinen, Salzen und
fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas spricht
Man sollte sich daran gewöhnen, bei der Geländearbeit man von Lagerstätten.
Gesteinsverbände und Gesteine systematisch in folgen- Nach technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten las-
der Reihenfolge anzusprechen: Verbandsverhältnisse sen sich Erze in folgende Gruppen einteilen:
→ Absonderung → texturelle Merkmale → struktu-
relle Merkmale → Mineralbestand (soweit im Hand- Erze der Eisenmetalle (Eisen und die sog. Stahlveredler):
stück erkennbar). Fe, Mn, Ni, Co, Cr, V, Ti, Mo, Re, W, Nb, Ta, Zr, Hf, Te.
Erze der Nichteisenmetalle (sog. Buntmetalle, engl. base
metals): Cu, Pb, Zn, Cd, Sn, Hg, As, Sb, Bi, Ga, In, Tl, Si, Ge.
1.6 1.6 Erze der Leichtmetalle: Al, Mg, Be.
Mineral- und Erzlagerstätten Erze der Edelmetalle: Au, Ag, Pt und Pt-Metalle Ru, Rh,
Pd, Os, Ir.
Als Minerallagerstätte bezeichnet man eine natürli- Erze der Lanthaniden (Seltenerd-Elemente).
che, räumlich begrenzte Konzentration von Mine- Erze der Actiniden (Kernbrennstoffe), insbesondere
ralen in und auf der Erdkruste. Erzlagerstätten sind Uran (U) und Thorium (Th) sowie des Radiums.
die natürlichen Fundorte von Erzen in und auf der
Erdkruste einschließlich des Ozeanbodens. 1.7
Abgrenzung der gesteinsbildenden Vorgänge
Erze sind Mineralaggregate oder Gesteine aus Erz-
mineralen, in denen Metalle oder Metallverbindun- Nach unserem heutigen Kenntnisstand, der sich im Lau-
gen oder auch Kernbrennstoffe (mit Uran oder Tho- fe von 250 Jahren geowissenschaftlicher Forschung ent-
rium) konzentriert sind. Die metallhaltigen Mine- wickelt hat, kommen für die Gesteinsbildung magmati-
rale nennt man Erzminerale. Verwertbare Minerale, sche, metamorphe und sedimentäre Prozesse in Frage:
die keine metallischen Elemente enthalten, werden
als Nichterze bezeichnet. Magmatische Prozesse (Magmatismus): Erstarrung von
Magmen (Silikat-Schmelzen, seltener auch Sulfid- oder
Bei genügender Konzentration von Mineralen oder Karbonat-Schmelzen) bei Abkühlung von sehr hohen
Erzen entstehen nutzbare (bauwürdige) Lagerstätten, vo- Temperaturen durch Kristallisation von Mineralen oder
rausgesetzt die Rohstoffe lassen sich technisch und wirt- durch Unterkühlung zu Gesteinsgläsern. Dabei entste-
schaftlich gewinnen. Die Bauwürdigkeit hängt von einer hen magmatische Gesteine (Magmatite).
1.8 · Mineralogische Wissenschaften und ihre Anwendungsgebiete in Technik, Industrie und Bergbau 35
trologie und die physikalisch-chemisch orientierte theo- Archäometrie. Die Archäometrie untersucht archäologi-
retische Petrologie. Mit ihrer Hoch- und Höchstdruck- sche Funde mit naturwissenschaftlichen Methoden. So
forschung besitzt die experimentelle Petrologie Bezie- werden Objekte aus Naturstein, Metall, Glas und Kera-
hungen zur Festkörperphysik und zur Werkstoffkunde. mik mit mineralogischen und geochemischen Analysen-
Die Gesteinskunde hat auch eine angewandte Richtung, methoden charakterisiert mit dem Ziel, das Herkunfts-
die technische Gesteinskunde. Das dem Gestein analoge gebiet der Rohstoffe einzugrenzen und Vorstellungen
technische Produkt wird in der Industrie meistens als über (prä)historische technologische Verfahren zu ge-
Stein bezeichnet. winnen. Diese Arbeiten finden zunehmend das Interes-
se in der klassischen Archäologie und der Vor- und Früh-
Geochemie. Die Geochemie (Chemie der Erde) erforscht geschichte.
die Gesetz- und Regelmäßigkeiten der chemischen Ele-
1.9 mente und Isotope und deren Verteilung in den Minera- 1.9
len und Gesteinen, darüber hinaus auch in Naturpro- Biomineralisation und medizinische Mineralogie
dukten organischer Abkunft (organische Geochemie). (unter Mitwirkung von Joachim A. Lorenz)
Ein wichtiges Forschungsgebiet ist die Isotopengeo-
chemie. Dazu gehört auch die radiometrische (isotopi- Wie wir gesehen haben, entstehen Minerale nicht nur
sche) Altersbestimmung, mit der das Bildungsalter von durch anorganische gesteinsbildende Prozesse, sondern
Mineralen und Gesteinen der Erde und des Mondes so- sie können sich auch im belebten Organismus durch
wie von Meteoriten ermittelt wird. Anwendungsgebiete biologische Vorgänge bilden; diese Vorgänge bezeich-
der Geochemie sind geochemische Prospektion (die Su- net man als Biomineralisation (Dove et al. 2003). Mine-
che nach Lagerstätten mit Hilfe geochemischer Metho- ralisiertes Gewebe spielt in Form von Stützgeweben,
den) und, auf dem Gebiet des Umweltschutzes, die Exoskeletten und Endoskeletten eine entscheidende
Feststellung von Spuren anorganischer Schadstoffe wie Rolle bei der Entwicklung von tierischen und pflanz-
Cadmium, Quecksilber, Blei u. a. im Boden, in Deponien lichen Organismen. Darüber hinaus dienen primär oder
und in Gewässern. sekundär, z. B. bei der Diagenese (Abschn. 23.2.10,
S. 362f, 23.3.5, S. 368f ) kristallisierte Minerale als
Lagerstättenkunde. Die Lagerstättenkunde widmet sich Versteinerungsmittel. Die durch Biomineralisation
der regionalen Verbreitung, dem stofflichen Inhalt so- fossilisierten Tiere und Pflanzen stellen unverzichtbare
wie der Auffindung (Prospektion und Exploration) und Dokumente für die Rekonstruktion der biologischen
Bewertung von natürlichen Rohstoffen (Erze, Steine und Evolution und der Geschichte unserer Erde dar. Aus
Erden, Industrieminerale, Energierohstoffe). Sie versucht, den Fossilresten kann man auf das relative Alter von
lagerstättenbildende Prozesse zu rekonstruieren und zu Sedimentgesteinen, auf ihre Bildungsbedingungen und
modellieren. Die angewandte Lagerstättenkunde befasst deren zeitliche und räumliche Veränderungen schließen.
sich praxisorientiert mit Lagerstätten und darüber hin- Darüber hinaus können isotopische Methoden dazu bei-
aus mit den technischen und wirtschaftlichen Bedingun- tragen, das Klima zum Zeitpunkt der biogenen Mine-
gen ihrer bergmännischen Gewinnung, ihrer Aufberei- ralbildung sowie Veränderungen der Klimabedingungen
tung und Weiterverarbeitung aus geowissenschaftlicher über längere oder kürzere Zeiträume, ja sogar im jahres-
Sicht (z. B. Schächter 2008). Die mineralischen Rohstoffe zeitlichen Wechsel zu rekonstruieren. Diese Forschungs-
bilden einen Schwerpunkt in fast jeder industriellen ergebnisse liefern wichtige Argumente bei der aktuellen
Wirtschaft. Grundlagenfächer der Lagerstättenkunde Diskussion um den Klimawandel.
sind neben Mineralogie, Petrologie und Geochemie Die Mechanismen von Biomineralisations-Vorgän-
insbesondere Geologie und Geophysik. gen im menschlichen und tierischen Körper, ihre Stö-
rungen und ihre pathologischen Entartungen sowie
Technische Mineralogie. Nicht nur in der Lagerstättenkunde die Reaktion des Organismus auf mineralische Stäube
besitzt die Mineralogie technisch wichtige Anwendungs- und Gifte sind Gegenstand der medizinischen Minera-
gebiete. Solche finden sich neben dem Bergbau, dem Hüt- logie, einer interdisziplinären Forschungsrichtung im
tenwesen, den Industrien der Steine und Erden insbeson- Grenzgebiet zwischen Mineralogie, Biochemie und
dere in der keramischen Industrie, der Industrie feuer- Medizin (Sahai u. Schonen 2006, Sahai 2007). Darüber
fester Erzeugnisse, der Zementindustrie, der Baustoff- hinaus können wir aus den natürlichen Vorgängen der
industrie, der optischen Industrie, der Glasindustrie, der Biomineralisation viel über das Verhalten von anorgani-
Schleifmittel- und Hartstoffindustrie, der Hightech-Kera- schen Materialien bei der Regeneration des menschli-
mik, der industriellen Kristallzüchtung und der Industrie chen Knochengerüstes (Jones et al. 2007) und die knö-
der Schmuck- und Edelsteine, um nur die wichtigsten tech- cherne Integration von Endoprothesen und Implantaten
nischen Einsatzmöglichkeiten zu nennen. im menschlichen Körper lernen.
1.9 · Biomineralisation und medizinische Mineralogie 37
on der Kristallflächen von COM am Epithel der Nieren- gewebe führen, noch immer nicht eindeutig geklärt
kanälchen entscheidend für das Wachstum von Nieren- (Fubini u. Fenoglio 2007). Für die Silikose-Erkrankung
steinen sein. Andererseits wird die Bildung stabiler Kris- ist nur der lungengängige Anteil des Quarzstaubes ver-
tall-Aggregate und damit das Wachstum von Nierenstei- antwortlich, der im Lungengewebe deponiert werden
nen durch Anwesenheit von COD behindert. kann. Er ist mit dem bloßen Auge nicht mehr sichtbar, da
sein aerodynamischer Durchmesser bei <10 µm mit ei-
Pathologische Mineralstäube nem Schwerpunkt bei ca. 2,5 µm liegt.
Das Phänomen der „Staublunge“ als Ausdruck für die Bei der heute aktuellen Feinstaub-Problematik, einem wichtigen
Gegenstand der europäischen Politik, wird vorausgesetzt, dass Fein-
Toxizität von Mineralstäuben war schon im Altertum be- staub per definitionem schädlich ist, d. h. ohne Rücksicht auf seine
kannt. So beschreibt der griechische Arzt Hippokrates Natur bzw. seine Herkunft, was sicher nicht richtig ist. Für die Fein-
(ca. 460–375 v. Chr.), dass Bergleute in Erzgruben Schwie- staub-Richtlinie, die seit 2005 auch in deutschen Städten und Gemein-
rigkeiten beim Atmen haben, und der römische Schrift- den gilt, wurde als Grenzwert ein Tagesmittelwert von 50 µg PM10 (d. h.
steller Plinius d. Ä. (23–79 n. Chr.) erwähnt Methoden, mit für eine Partikelfraktion mit einem aerodynamischer Durchmesser
um 10 µm) eingeführt, der maximal an 35 Tagen im Jahr überschrit-
denen sich Bergleute vor dem Einatmen von Stäuben ten werden darf. Wie Untersuchungen mittels elektronenmikroskopi-
schützen können. Der deutsche Bergbauexperte Georg scher und mineralogischer Verfahren zeigen, ist Feinstaub jedoch sehr
Agricola (1494–1555) beschäftigt sich in seinem Standard- unterschiedlich zusammen gesetzt. So besteht z. B. im Rhein-Main-
werk „De Re Metallica“ eingehend mit der Gefährlichkeit Gebiet der urbane Staub dieser Größenklasse nur zu etwa 10 % aus
von Stäuben, die durch den Bergbau freigesetzt werden. Rußpartikeln, aber es dominieren mineralische und biologische Par-
tikel natürlichen Ursprungs, wie zum Beispiel Altsalz aus der Nord-
Er beschreibt, wie diese in die Luftröhren und Lungen
see, das bei Nord- und Nordwest-Wetterlagen bis zu 50 % ausmachen
eindringen, das Atmen erschweren und durch ihre kor- kann. Diese Staubanteile lassen sich nicht verändern, schon gar nicht
rosiven Eigenschaften die Lungen buchstäblich „auffres- durch Einschränkungen des Verkehrs, so dass die bisherigen Maß-
sen“. Nach seiner Schilderung waren im Bergbaugebiet nahmen als „blinder Aktionismus“ zu bezeichnen sind (Weinbruch
der Karpaten Frauen mit bis zu sieben Männern verhei- et al. 2006). Vermeidbar wären dagegen andere menschliche Aktivi-
ratet, da diese nacheinander an Staublunge verstarben. täten, wie z. B. dass Abbrennen von Silvesterfeuerwerken mit ihren
toxischen Stäuben durch die farbgebenden Salze, deren Emission zur
Pathologische Mineralstäube sind in ihrer Zusammen- ersten jährlichen Überschreitung des Grenzwertes führen.
setzung sehr vielfältig; doch spielen SiO2-Minerale und
Mineral-Fasern die weitaus wichtigste Rolle. Entscheidend Unter den zahlreichen Arten von Mineralfasern, die
für die Toxizität der Mineralstäube sind die mikro- vom Menschen eingeatmet werden, sind nur einige to-
morphologischen Eigenschaften der einzelnen Staub- xisch, und zwar in erster Linie die natürlichen Mineral-
partikel und die Reaktivität ihrer Oberflächen. Diese wird fasern die man als Asbeste bezeichnet. Von diesen gehö-
erhöht durch scharfe Kristallkanten und Bruchflächen, ren die meisten zur Amphibol-Familie (Abschn. 9.4.3,
durch Oberflächendefekte, schlecht koordinierte Ionen S. 145), darunter der Amosit (Grunerit), der Krokydolith
und freie Radikale (Fubini u. Fenoglio 2007). Wichtig ist (Magnesio-Riebeckit), der Anthophyllit-Asbest sowie
auch die Biodurabilität der unterschiedlichen Staub- Tremolit- und Aktinolith-Asbest (Fubini u. Fenoglio 2007).
partikel: Einige Mineralstäube lösen sich relativ schnell Demgegenüber gehört der Chrysotilasbest zur Serpen-
im Körper auf, z. B. der Gips; andere bleiben wesentlich tin-Gruppe (Abschn. 9.5.6, S. 152).
länger stabil und sind deswegen erheblich gesundheits- Asbeste erzeugen die Asbestose, eine Lungenerkrankung,
schädlicher, z. B. Quarzstaub. So werden Steinmetze bei welche die Lungenfunktion schwächt und oft tödlich ver-
der Bearbeitung von quarzhaltigen Gesteinen ohne Atem- läuft; als Spätfolgen kann es zum Lungenkrebs kommen.
schutz lungenkrank, was als Steinhauerkrankheit be- Nach heutiger Kenntnis spielt die Faserform für die toxi-
schrieben wurde. Darüber hinaus kann eine hohe, lang- sche Wirkung von Asbesten eine wichtige Rolle; besonders
jährige Belastung durch Quarzstaub zu einer verstärkten gefährlich sind die so genannten WHO-Fasern mit einem
abrasiven Wirkung bei den Zähnen führen und als Berufs- Durchmesser von <3 µm, einer Länge von >5 µm und ei-
krankheit anerkannt werden. nem Verhältnis Länge/Durchmesser von >3:1 (Albracht u.
Das Krankheitsbild der Silikose ist seit langem bekannt. Schwerdtfeger 1991). Demgegenüber werden kürzere Fa-
Es wird besonders durch Quarz, fallweise auch durch die sern durch eine bestimmte Zellart, die Alveolar-Makro-
Hochtemperatur-Modifikationen Tridymit und Cristobalit phagen (AM) häufiger in der Lunge eingekapselt und vom
ausgelöst (Abschn. 9.6.1, S. 162), während die Hochdruck- Körper ausgeschieden (Fubini u. Fenoglio 2007). Wichtige
Modifikationen Coesit und Stishovit oder amorphes SiO2 Faktoren für die Toxizität der Astbestfasern sind auch ihre
kaum eine gesundheitsschädigende Rolle spielen. Seit den chemische Zusammensetzung, ihr Reaktionsvermögen
1950er Jahren wurden die Silikose und andere Quarz- und ihre Biodurabilität (Fubini u. Fenoglio 2007; Nolan
staubbedingte Erkrankungen wie Lungenkrebs eingehend et al. 2001). Wegen seines hohen Risikopotentials wird der
erforscht, doch sind bis jetzt die Mechanismen, die zur technische Einsatz von Asbest in vielen westlichen Län-
toxischen Reaktion der SiO2-Partikel mit dem Lungen- dern stark eingeschränkt; insbesondere in der Europäi-
40 1 · Einführung und Grundbegriffe
schen Union ist er ganz verboten. Andererseits wird in man – wenn nötig – durch geeignete Maßnahmen begeg-
vielen Entwicklungsländern Asbest immer noch produ- nen muss. Ein berühmtes Negativbeispiel aus der Vergan-
ziert und technisch genutzt, von einigen Ländern, z. B. genheit ist der „Giftbach“ von Reichenstein (ZÝoty Stok)
Kanada, Indien und Russland, auch exportiert. in Schlesien, durch den für viele Jahrzehnte die Abwässer
Weitere faserförmige Minerale mit gesundheitsschädlichen Eigen-
einer Gold-Arsen-Lagerstätte abflossen. Der Rio Tinto in
schaften sind das Kettensilikat Balangeroit, der Zeolith Erionit so- Spanien erhielt seinen Namen wegen der farbigen Me-
wie die Schichtsilikate Halloysit (S. 153), Palygorskit und Sepiolith. talloxide, die aus den Abwässern der in seinem Einzugs-
Gesetzliche Regelungen für die Verwendung dieser Minerale stehen gebiet liegenden, größten Kupfererzlagerstätte Europas
bislang noch aus (Hawthorne et al. 2007). Auch künstliche Mineral- stammen (vgl. Abschn. 21.5.2, S. 333). Selbstverständlich
fasern (KMF), wie z. B. Wollastonit-Fasern (S. 141), die im Feuerfest-
sollten beim Abbau und bei der Verhüttung von Erzen
bereich eingesetzt werden, haben sich als gesundheitsschädlich er-
wiesen. Bei ihrer Produktion wird heute darauf geachtet, dass kriti- mit toxischen Komponenten besondere Sicherheits-
sche Längen-/Durchmesser-Verhältnisse vermieden werden oder die maßnahmen beachtet werden, was jedoch gerade in Ent-
Fasern in einer Trägersubstanz gebunden sind. Weiter steuert man wicklungs- und Schwellenländern oft nicht der Fall ist.
die chemische Zusammensetzung so, dass die Beständigkeit im So werden As-reiche australische Erze in Tsumeb (Nami-
menschlichen Gewebe gering ist. Bei natürlichen und künstlichen bia) verhüttet, weil hier die Vorgaben zur Luftreinhaltung
Mineralfasern soll der Kanzerogenitäts-Index Ki ≥ 40 liegen , was
man am RAL-Gütezeichen erkennen kann. unter dem australischen Niveau liegen.
Zahlreiche Minerale enthalten als Haupt- oder Neben- Einige Minerale sind starke radioaktive Strahler. Hierzu
komponenten Schwermetalle, die toxische Wirkungen auf gehören in erster Linie Uraninit (Uranpecherz, Pech-
den menschlichen und tierischen Organismen ausüben. blende) UO2 bis U3O8, und andere Uran-Minerale sowie
Hierzu gehören insbesondere Arsen, z. B. im Arsenopyrit Thorianit ThO2, die ionisierende Strahlen emittieren. Als
FeAsS oder im Tennantit Cu12[S/As4S12], Blei im Galenit Reinelemente geben sie nur α -Strahlen ab und sind da-
(Bleiglanz) PbS, Quecksilber im Cinnabarit (Zinnober) her infolge der sehr langen Halbwertszeit nur schwache
HgS und Cadmium, das häufig als Nebenelement im Strahler; jedoch erzeugen die kurzlebigen Tochterisotope
Sphalerit (Zinkblende) ZnS eingebaut ist. Gebunden als der Zerfallsreihen α - und β -Strahlen. Insbesondere das
Sulfide sind diese Metalle im Organismus kaum löslich kurzlebige 226Ra ist als starker α - und γ -Strahler für die
und somit ungiftig. Daher konnten trotz der Giftigkeit Strahlenbelastung durch Uranerze und deren Abfälle ver-
von Quecksilber und Blei im alten Ägypten Zinnober und antwortlich. Für den Abbau und die Verhüttung insbe-
Bleiglanz zur Herstellung von Schminken benutzt wer- sondere von reichen Uran- und Thorium-Erzen sind da-
den. Die Verwendung von Zinnober als roter Farbstoff war her erhöhte Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Die Sa-
bis ins 19. Jahrhundert üblich, so dass man diesen in al- nierung von stillgelegten Uran-Bergwerken, ihrer Ab-
ten Briefmarkenstempeln zerstörungsfrei, z. B. mittels raumhalden und ihrer gesammelten Aufbereitungsab-
Röntgenbeugung, nachweisen und damit die Echtheit die- gänge (engl. tailings) erfordern eine hohen finanziellen
ser Briefmarken belegen kann. Erst die Zerstörung der Aufwand, wie er derzeit in den Bergbaugebieten von Aue-
Sulfid-Minerale durch natürliche Verwitterungsprozesse Niederschlema (Erzgebirge) und Ronneburg (Thüringen)
oder technische Verhüttungsverfahren führt zur Freisetzung geleistet wird. Die hohen Strahlungsdosen beruhen hier
der Schwermetalle. Deren Transport erfolgt dann meist auf dem Umstand, dass in der damaligen DDR zwar das
mit dem Abgasstrom in die Luft, so dass diese Stoffe ein- Uran gewonnen und in die UdSSR exportiert wurde, nicht
geatmet werden und sich in dieser Form als besonders aber das Radium. Es gelangte vielmehr auf die Abraum-
toxisch erweisen (Merian 1991). Wirklich giftige Minera- halden und bereitet dort Probleme, weil es u. a. die harte
le sind selten, so insbesondere ged. Quecksilber Hg, Gammastrahlung emittiert und darüber hinaus das radi-
Arsenolith und Claudetit (As2O3) sowie Witherit BaCO3; aktives Zerfallsprodukt mehrer Radium-Isotope, das Edel-
andere sind nur als gesundheitsschädlich einzustufen wie gas Radon (besonders 222Rn) in die Luft abgibt. Die Heil-
z. B. Chalkanthit Cu[SO4] · 5H2O. quellen in Bad Kreuznach, Bad Schlema, Bad Brambach
Lagerstätten, in denen Erzminerale von toxischen und St. Joachimsthal (Jachymov, Böhmen) enthalten
Schwermetallen angereichert sind, und ihre weitere Um- hauptsächlich Radon, aber nur Spuren von Radium selbst.
gebung stellen geochemische Anomalien dar, in denen die Man bezeichnet sie daher korrekt als Radonbäder.
Gehalte an toxischen Komponenten die heute zulässigen
Die toxische Wirkung von Radium wurde erstmals durch den New
Grenzwerte weit überschreiten und oft auch ins Grund-
Yorker Zahnarzt Theodor Blum erkannt. Er beschrieb den sog.
wasser gelangen. Abgänge von Grubenwässern, geother- Radium-Kiefer bei Patientinnen, die als Ziffernblatt-Malerinnen mit
mischen Kraftwerken und Halden des Bergbaus können Ra-haltiger Leuchtfarbe in Kontakt kamen, da sie ständig den Pinsel
ein Gefahrenpotential für die Bevölkerung darstellen, dem mit der Zungenspitze befeuchteten.
1.9 · Biomineralisation und medizinische Mineralogie 41
Manche Gesteine, die U- und Th-haltige Minerale, ge und könnte bestenfalls auf Autosuggestion (Placebo-
wenn auch nur in geringer Menge führen, geben konti- Effekt) beruhen. Ein schöner Rauchquarz-Kristall
nuierlich eine natürliche Strahlungsdosis ab, welche die gibt im Kontakt mit dem menschlichen Köper keine Sub-
zulässigen Grenzwerte deutlich überschreitet. Hinzu stanzen ab und erleidet keinerlei Veränderung; die Strah-
kommen Belastungen aus der Inhalation des freiwer- lung, die er angeblich aussendet, ist physikalisch nicht
dendem Radon (222Rn); wenn dieses während der Inha- nachweisbar.
lation zerfällt, verbleiben die nicht gasförmigen Tochter- Eine solche „Strahlung“ müsste ähnliche Eigenschaf-
produkte in der Lunge und führen hier zu gesundheitli- ten wie die physikalisch nachweisbaren Strahlenarten ha-
chen Schäden. So beruht die sog. Schneeberger Krankheit ben, so dass auch für sie ein Abstandsgesetz gelten.
auf der Inhalation von Radon in Verbindung mit Quarz- Darüber hinaus sollte die Heilwirkung dieser „Strahlen“
Feinstaub, wobei sich die schädigenden Wirkungen po- von der Größe der emittierenden Steine abhängig sein,
tenzieren. Erhöhte Radon-Konzentrationen finden sich weil große Stücke stärker strahlen müssten als kleine.
z. B. in Kellerräumen und in Erdgeschossen von Häusern, Schließlich sollte es Interferenzen mit anderen Minera-
die aus Granit gebaut sind (z. B. im Fichtelgebirge). len geben, was zu chaotischen Verhältnissen in der frei-
en Natur oder in Mineraliensammlungen führen würde.
„Heilsteine“? Dies hätte auch zur Folge, dass in Mineral-Lagerstätten
sehr hohe „Strahlungsdosen“ nachweisbar sein sollten –
Im Zuge der modernen Esoterik-Welle wurden vor- wenn es nicht auch eine Eigenabsorption gibt. Auch ein
wissenschaftliche Anschauungen aus der Antike und dem „energetisches Aufladen“ von „verbrauchten“ Steinen in
Mittelalter wieder belebt, nach denen Minerale Heilwir- der Sonne – wie bei dem Phänomen der Phosphoreszenz
kung auf den menschlichen Organismus ausüben sollen. – kann nicht erklären, was das Mineral einst im Erd-
Als prominentes Beispiel für diese Vorstellungen seien innern ohne Sonne an „Strahlung“ aufgenommen haben
die medizinischen Schriften der Benedikterinnen- soll, die das Sonnenlicht wieder einbringen kann.
Äbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179) erwähnt. In
der immer mehr anschwellenden Literatur zur „Stein- Ins Reich der Phantasie gehören Aussagen wie „Als Stein mit gro-
ßer innerer Spannung wirkt Rauchquarz geradezu spannungs-
heilkunde“ werden detaillierte Empfehlungen zum Ein- lösend. Er ist der klassische Anti-Streß-Stein, der bei Streßsymp-
satz von Mineralen, seltener auch von Gesteinen für die tomen hilft und die innere Neigung zu Streß vermindert. Rauch-
Heilung ganz spezifischer Krankheiten oder zur Steige- quarz erhöht die Belastbarkeit und hilft Widerstände zu überwin-
rung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens ge- den. Auch körperlich baut Rauchquarz Spannungen ab. Er lindert
geben. Einige dieser Publikation versuchen durchaus, dadurch Schmerzen und löst Krämpfe. Besonders hilfreich ist er
bei Rückenbeschwerden. Weiterhin macht Rauchquarz unempfind-
dem interessierten Leser die Grundzüge der Mineralo- licher gegen Strahleneinflüsse und lindert Strahlenschäden. Er
gie und Petrologie nahe zu bringen. Die angebliche Heil- stärkt die Nerven.“ (M. Gienger 1997: Lexikon der Heilsteine).
wirkung von Mineralen wird auf vielfältige Ursachen wie
Kristallstruktur, chemische Zusammensetzung, Farbe, ja Sind die oben beschriebenen Wirkungen bestenfalls
sogar auf die geologischen Bildungsbedingungen oder Folge einer Mischung aus Placebo-Effekt und Freude an
die Form des künstlichen Schliffes zurück geführt; je- schönen Steinen zu werten, so kann die neue Praxis,
doch bleiben die Autoren eine rationale Begründung für Mineralpulver aus Korund, Diamant oder Quarz für das
die angebliche Wirkungsweise schuldig. Statt dessen wer- Einlegen ins Wasser oder gar für eine orale Aufnahme
den Querverbindungen zur Astrologie, zur chinesischen anzubieten, teilweise zu gefährlich Folgen führen. Wenn
Medizin, zur indischen Chakren-Lehre und zu einer Art jemand z. B. Malachit-Pulver in größerer Menge zu
Halbwissen-Physik gezogen. sich nimmt, überschwemmt er den Körper mit dem
Wie wir gesehen haben, können bestimmte Minerale Schwermetall Kupfer, das in der Form des Kupfer-
durchaus auf den menschlichen oder tierischen Orga- karbonat im Magen sicher nicht stabil ist und durch
nismus einwirken, und zwar häufig mit negativer, die Magensäure zumindest teilweise aufgelöst wird.
teilweise aber auch mit positiver Wirkung. Das ist aber Pulver aus Quarz (hier wertsteigernd als Bergkristall,
nur möglich, wenn die Minerale in feiner Verteilung oder Rosenquarz oder Amethyst bezeichnet) werden im
in Lösung vom Körper aufgenommen werden und mit Internet, auf Mineralienbörsen und in Heilsteinläden
dem körpereigenen Gewebe reagieren können, oder offen angeboten, u. a. um diese in Öle und Salben einzu-
wenn Minerale und Gesteine eine hohe Dosis an natürli- arbeiten. Diese Pulver sind eindeutig als gesundheits-
cher radioaktiver Strahlung abgeben, wie das z. B. bei schädlich zu bezeichnen.
Uran-haltigen Graniten der Fall ist. Diese Voraussetzun- Zusammenfassend muss man feststellen, dass der Han-
gen sind jedoch bei den als „Heilstein“ empfohlenen del mit angeblichen „Heilsteinen“ in jeder Form reine Ge-
Mineralen nicht erfüllt. Ihre angebliche Heilwirkung schäftemacherei ist und als Scharlatanerie schärfstens
entbehrt daher jeder naturwissenschaftlichen Grundla- abgelehnt werden muss.
42 1 · Einführung und Grundbegriffe
Bleil U, von Dobeneck T (2006) Das Magnetfeld der Erde. In: Wefer Nolan RP, Langer AM, Ross M, Wicks FJ, Martin RF (eds) (2001)
G (Hrsg) Expedition Erde – Wissenswertes und Spannendes aus Health effects of chrysotile asbestos: contribution of science to
den Geowissenschaften, 2. Aufl. Geo Union, Alfred Wegener Stif- risk-management decisions. Canad Mineral Spec Publ 5, 304 p
tung, S 78–87 Reitner J (1997) Stromatolithe und andere Mikrobialithe. In:
Broz ME, Cook RF, Whitney DL (2006) Microhardness, toughness, and Steininger FF, Maronde D (Hrsg) Städte unter Wasser – 2 Milli-
modulus of Mohs’ scale minerals. Am Mineral 91:135–142 arden Jahre. Kleine Senckenberg-Reihe 24, Senckenberg, Frank-
Dullo W-Chr, Henriet JP (eds) (2007) Special Issue: Carbonate furt am Main, 186 S
Mounds on the NW European Margin: a window into Earth His- Ronov AB, Yaroshevsky AA (1969) Chemical composition of the
tory. Internat J Earth Sci 96:1–213 Earth’s crust. In: Hart PJ (ed) The Earth’s crust and upper mantle.
Friedrich W, Knipping P, Laue M (1912) Interferenz-Erscheinun- American Geophysical Union, Washington DC, pp 37–62
gen bei Röntgenstrahlen. Sitzungsber Kgl Bayer Akad Wiss von Denffer D, Ehrendorfer F, Mägdefrau K, Ziegler H (2002) Stras-
1912:303–322 burger Lehrbuch der Botanik für Hochschulen, 35. Aufl. Else-
Hawthorne FC, Oberti R, Della Ventura G, Mottana A (2007) Amphi- vier/Spektrum, Heidelberg Amsterdam
boles: crystal chemistry, occurrence, and health issues. Rev Mi- Weinbruch S, Ebert M, Vester B (2006) Feinstaubexposition in ur-
neral Geochem 67, 545 p banen Ballungsräumen: Ergebnisse der Elektronenmikroskopie.
Hermann C (Hrsg) (1935) Internationale Tabellen zur Bestimmung GMIT Geowissenschaftliche Mitteilungen 24, Juni 2006, S 8–14
von Kristallstrukturen, Bd. 1. Borntraeger, Berlin Wesson JA, Ward MD (2007) Pathological biomineralization of kidney
McNamara K (2004) Stromatolithes. Western Australian Museum, stones. Elements 3:415–421
Perth, Australia, 29 p Wimmenauer W (1992) Zwischen Feuer und Wasser. Gestalten
Merian E (ed) (1991) Metals and their compounds in the environment und Prozesse im Mineralreich. Urachhaus Johannes Mayer,
occurence, analysis and biological relevance. VCH, Weinheim Stuttgart
I
Teil I
Spezielle Mineralogie
Eine Auswahl wichtiger Minerale
Beispiele:
Ca5[(F,Cl,OH)/(PO4)3] (Apatit) oder
(Mg,Fe)7[(OH)2/Si8O22] (Anthophyllit).
Bei der Auflistung der physikalischen Eigenschaften der Minerale wird die
Härte grundsätzlich nach der nichtlinearen relativen Härteskala von Mohs, die
Dichte in Gramm pro Kubikzentimeter (g cm–3) angegeben. Mengenangaben
erfolgen in Gewichtsprozent (%, Gew.-%), Volumenprozent (Vol.-%) oder Mole-
kularprozent (Mol.-%). Die Nummerierung für chemische Mineralreaktion (in
runden Klammern) und für physikalische Formeln [in eckigen Klammern] er-
folgt kapitelweise.
2
Elemente
2.1 Im elementaren Zustand treten in der Natur etwa 20 chemische Elemente auf.
Metalle Darunter befinden sich gediegene (ged.) Metalle, Metalloide (Halbmetalle) und
Nichtmetalle. Die Metalle sind meistens legiert: Sie neigen zur Mischkristallbildung,
2.2 z. B. (Au, Ag). Die wichtigsten Vertreter sind in Tabelle 2.1 zusammengestellt.
Metalloide (Halbmetalle)
Tabelle 2.1.
2.3 In der Natur elementar auftre-
tende chemische Elemente
Nichtmetalle
48 2 · Elemente
Kupfer, Cu
Vorkommen. Ged. Cu tritt relativ verbreitet, jedoch meis- Dichte 9,6–12, rein 10,5
tens nur in kleinen Mengen auf, so innerhalb der Verwit- Schmelzpunkt 960 °C
terungszone von Kupferlagerstätten. Die hydrothermale Farbe, Glanz silberweißer Metallglanz nur auf fri-
Verdrängungslagerstätte auf der Keweenaw-Halbinsel im scher Bruchfläche, meistens gelblich
Oberen See (Michigan, USA) lieferte stattliche Stufen von bis bräunlich angelaufen durch Über-
ged. Cu, die bis >20 t Gewicht erreichten und früher mit zug von Silbersulfid; Reflexionsvermö-
Hammer und Meißel zerkleinert wurden; sie befinden sich gen von reinem Ag ca. 95 % des einge-
in vielen Mineraliensammlungen (Abb. 2.2). strahlten Lichtes
Strich silberweiß bis gelblich, metallglänzend
Wirtschaftliche Bedeutung. Als Kupfererz ist ged. Cu von
geringerer wirtschaftlicher Bedeutung, Haupterzmine- Struktur. Kubisch-flächenzentriert (Abb. 1.8).
rale sind Kupfersulfide.
Chemismus. Ged. Ag ist häufig mit Au, gelegentlich mit
Silber, Ag Hg, Cu und Bi legiert.
Ausbildung und Kristallformen. Kristallklasse 4/m32/m, Vorkommen. In der sekundär entstandenen sog. Zemen-
ged. Silber (engl. native silver) kommt meistens in draht-, tationszone sehr vieler Ag-führender Lagerstätten kann es
haar- oder moosförmigen bis dendritischen Aggregaten lokal zu großen Anreicherungen von ged. Ag kommen.
vor. Bekannt sind die prächtigen „Silberlocken“ (Abb. 2.3),
die nach einer Oktaederkante [110], der dichtest besetz- Bedeutung. Im Gegensatz zu ged. Au spielt ged. Ag als Erz-
ten Gittergeraden, ihr bevorzugtes Wachstum entwickelt mineral in den Silberlagerstätten nur lokal eine Rolle.
haben. Wohlausgebildete kubische Kriställchen sind re-
lativ selten. Gelegentliche Zwillinge sind nach ihrer Die wichtigsten Ag-Erzminerale sind einfache oder komplexe Sul-
Zwillingsebene (111) plattenförmig verzerrt. fide, wie Argentit (Silberglanz) Ag2S oder Freibergit (ein Ag-haltiges
Fahlerz) (Ag,Cu)10(Fe,Zn)2[(Sb,As)4S13], die als sog. Silberträger
häufig Einschlüsse im Galenit (Bleiglanz) PbS bilden. Galenit ist
Physikalische Eigenschaften. das wichtigste Silbererz! Auch Ag-Selenide und -Telluride können
Spaltbarkeit fehlt für die Ag-Gewinnung Bedeutung haben.
Bruch hakig, plastisch verformbar
Härte 2½–3 Gold, Au
Abb. 2.3. Ged. Silber mit typisch lockenförmigem Wachstum, Kongs- Abb. 2.4. Ged. Gold. a Oktaeder mit typisch gekrümmter Oberflä-
berg, Norwegen. Etwa natürliche Größe. Mineralogisches Museum che, b mit dendritischem (skelettförmigem) Wachstum. (Aus Klein
der Universität Würzburg. (Foto K.-P. Kelber) u. Hurlbut 1985)
50 2 · Elemente
glänzend. Mit D = 13,6 hat es eine sehr hohe Dichte. Hg Kristallisation von basaltischen Schmelzen aus deren
ist giftig und kann im Spurenbereich in der Natur als reichlichem Fe-Gehalt. Auch bei der Kristallisation der
Schadstoff auftreten! Mondbasalte ist häufig ged. Fe als akzessorischer Ge-
Ged. Hg kommt in kleinen Tropfen in der Verwitte- mengteil gebildet worden, da der Mond keine sauerstoff-
rungszone von Zinnober-Lagerstätten (Cinnabarit, haltige Atmosphäre besitzt und daher reduzierende Be-
Zinnober HgS) vor. Gegenüber Cinnabarit ist es als dingungen herrschen. Der Erdkern besteht aus Fe-Ni-
Quecksilber-Erzmineral unbedeutend. Als natürliches Legierungen, ähnlich der chemischen Zusammensetzung
Amalgam ist Hg mit Ag oder Au legiert. von Eisenmeteoriten (Abschn. 27.4, S. 493ff).
Abb. 2.6.
Kosmisches Nickeleisen (Fe, Ni).
Eisenmeteorit (Oktaedrit) von
Joe Wright Mountain, Arkansas,
USA, gefunden 1884. Auf der ge-
sägten, polierten und angeätz-
ten Platte erkennt man die cha-
rakteristischen Widmannstät-
ten-Figuren. Sperriges Gerüst
aus Kamacit (Balkeneisen) mit
schmalen Rändern von Taenit
(Bandeisen), in den Lücken
Plessit (Fülleisen). Mineralogi-
sches Museum der Universität
Würzburg. (Foto: K.-P. Kelber)
52 2 · Elemente
Platin, Pt
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit fehlt
Bruch hakig, dehnbar
Härte 4–4½, härter als Minerale der Gold-
Gruppe
Dichte 15–19 in Abhängigkeit vom legierten
Fe-Gehalt
Schmelzpunkt 1 769 °C
Farbe, Glanz stahlgrau, metallisch glänzend, oxi-
diert nicht an der Luft
Strich silberweiß
Existenz dieser käfigförmigen Kohlenstoffmoleküle war Durch Lösungsvorgänge gerundete Flächen, Ätzer-
bereits 1970 von dem japanischen Chemiker Eiji Oosawa scheinungen (Abb. 2.10) und Streifung der Flächen sind
theoretisch vorhergesagt worden, aber erst Kroto et al. charakteristisch. Auch verzerrte und linsenförmig
(1985) machten sie als Fullerene international bekannt. Sie gerundete Kristalle sind nicht selten. Zwillingsver-
bestehen aus Netzen von Sechsecken und Fünfecken mit wachsungen nach (111), dem Spinellgesetz, sind häufig;
60, 70, 76, 80, 82, 84, 86, 90 und mehr C-Atomen, wobei Mo- gewöhnlich abgeflacht nach (111).
leküle, in denen keine Fünfecke aneinandergrenzen, am sta-
bilsten sind. Ohne die Verwendung von Graphen als Physikalische Eigenschaften.
Vorstufe lassen sich Fullerene durch Verdampfung von Spaltbarkeit {111} vollkommen; sie ermöglicht die
Graphit unter reduziertem Druck in einer Schutzgas- erste Stufe der Diamant-Bearbeitung, die
Atmosphäre (Argon, Helium) oder aber durch Extraktion Teilung
aus speziell präpariertem Ruß technisch herstellen. Das Bruch muschelig, spröde
weitaus am besten bekannte Fulleren hat die Zusammen- Härte 10, härtestes Mineral (Standardmineral der
setzung C60. Es wurde ebenso wie das C70 in natürlichem Mohs-Skala), aber deutliche Unterschiede
Graphit, in Impakt-Kratern (Abschn. 29.1, S. 507) und auf den verschiedenen Flächen und in den
– zusammen mit natürlichem Kieselglas (Lechatelierit) – verschiedenen Richtungen auf einer Fläche
in Blitzröhren (Abschn. 9.6.1, S. 163) gefunden. In Zukunft (Anisotropie der Härte), wobei die Härte
könnten Fullerene als Katalysatoren, Schmiermittel, bei der auf (111) > (110) ≥ (100) ist. Dadurch wird
Diamant-Synthese, als Halbleiter und Supraleiter verwen- erst das Schleifen von Diamant möglich
det werden, während für Graphen eine technische Nutzung, Dichte 3,52
z. B. für Bauelemente von Einzelelektronen-Transistoren Lichtbrechung nD = 2,419 (gelbes Licht λ D = 589,0 nm)
oder von Verbundwerkstoffen in Frage kommt. sehr hoch; dabei starke Dispersion des
Lichts (Farbenzerstreuung): für rotes
Diamant, C Licht (λ C = 656,3 nm): nC = 2,410, für vio-
lettes Licht (λ F = 396,8 nm): nF = 2,454,
Diamant ist die Hochdruckmodifikation des Kohlenstoffs, Dispersionszahl nF – nC = 0,044; dadurch
die unter den Bedingungen der Erdoberfläche nur meta- entsteht das geschätzte Feuer der ge-
stabil existiert. Allerdings verhindert eine hohe Aktivie- schliffenen Steine
rungsenergie die Umwandlung in die stabile C-Modifi- Farbe, Glanz die wertvollsten Steine sind völlig farblos
kation Graphit. („rein weiß“) oder zeigen einen leicht bläu-
lichen Farbstich („River“: blauweiß), ande-
Ausbildung und Kristallformen. Kristallklasse 4/m32/m.
Wachstumsformen meistens Oktaeder, daneben Rhom-
bendodekaeder, Hexakisoktaeder und Würfel, andere
Formen nicht ganz so häufig (Abb. 2.9).
re sind sehr häufig schwach getönt, gelblich, seines Stabilitätsfeldes nur in Erdtiefen von mindestens
grau oder grünlich. Reine, intensive Far- 140–170 km, also im Erdmantel, bilden (Stachel et al.
ben wie bei dem berühmten blauen Hope- 2005; Abschn. 27.3, S. 486f). Einige Diamanten stammen
Diamanten (Abb. 2.14) sind sehr selten. nachweislich aus dem Unteren Erdmantel, aus Tiefen von
Gelbliche und grünliche Farbtöne sind etwa 700 km (Abb. 27.15)! Trotz seines metastabilen
durch geringe Gehalte an Stickstoff (max. Zustands ist Diamant überaus resistent gegen Verwit-
0,28 Gew.-%), blaue durch Spuren von Bor terungseinflüsse und überdauert mechanischen Trans-
verursacht. Reine Diamanten sind durch- port. Aufgrund seiner hohe Dichte kann er daher in Fluss-
sichtig, einschlussreiche dagegen nur und Strandsanden in Form von Diamant-Seifen sekun-
durchscheinend oder undurchsichtig. Der där angereichert werden, z. B. in den bedeutenden La-
charakteristische hohe Glanz des Diaman- gerstätten der Namib-Wüste und im Offshore-Bereich
ten wird als Diamantglanz bezeichnet. Die Namibias.
Wärmeleitfähigkeit ist sehr hoch, daher Viele Fundstellen von Diamant sind bekannt gewor-
fühlen sich Diamanten kalt an den, aber nur wenige sind als Lagerstätten bemerkens-
wert. Seit ältesten Zeiten sind Diamanten in Indien ge-
Struktur. In der Diamantstruktur sind 2 flächenzentrier- funden worden; im 18. Jahrhundert wurden Vorkommen
te kubische Gitter mit den Atomkoordinaten 000 und in Brasilien, 1869 in Südafrika, 1908 in Südwestafrika
¼ ¼ ¼ ineinandergestellt (Abb. 2.11a). Jedes C-Atom ist (heute Namibia) und 1955 im ostsibirischen Jakutien
von 4 Nachbaratomen tetraedrisch umgeben, die unter- (Gruben Mir, Udachnaja und Jubilejnaja) entdeckt. Die
einander starke homöopolare Bindungskräfte aufwei- seit 1970 aufgefundenen primären Lagerstätten in West-
sen. Geometrisch bestehen // (111) dichtest mit Atomen australien, Südaustralien (Orrorroo nördlich Adelaide)
besetzte, in sich gewellte Schichten mit C-C-Abständen und New South Wales ließen Australien in kurzer Zeit zum
von 1,54 Å (Abb. 2.11b). Zwischen diesen dichtest besetz- wichtigsten Diamant-Produzenten aufsteigen. Die Argyle
ten Netzebenen nach {111} besteht jeweils nur eine C-C- Mine im Norden von West-Australien, die erst 1979 be-
Bindung pro Atom. So ist es verständlich, dass die Ok- kannt wurde, ist derzeit die größte Diamantmine der Erde.
taederflächen die besten Spaltflächen des Diamanten sind. In den letzten Jahren sind die wichtigen Diamant-Lager-
Ein Vergleich mit der Graphitstruktur ergibt sich aus der stätten Akluilâc, Lac de Gras und Snap Lake im Norden
Gegenüberstellung in Abb. 2.11b und c. [0001] in der Kanadas entdeckt worden. Weitere Diamant-Vorkommen
Graphitstruktur entspricht [111] in der Diamantstruktur. von weltwirtschaftlicher Bedeutung sind Guaniamo in
Venezuela, São Luiz und São Francisco in Brasilien,
Vorkommen. Auf primärer Lagerstätte findet sich Diamant Kankan in Guinea, Orapa und Jwaneng in Botswana so-
als akzessorischer Gemengteil in Kimberliten (Abb. 2.10) wie Monastery, Kimberley, Koffiefontein, Jagersfontein,
und Lamproiten, d. h. in Gesteinen, die in sehr tief- Premier and Venetia in Südafrika (Levinson 1998; Harlow
reichenden Vulkanen auftreten. Sie füllen als Schlot- and Davies 2004; Gurney et al. 2005; Abb. 2.12). Im Jahr
breccien vulkanische Durchschlagsröhren (Diatreme, 2006 kamen 99,9 % der Weltförderung an Rohdiamant in
engl. pipes), die nach unten zu in massive Kimberlit- oder Höhe von ca. 171 Mio. Karat (= 34 t) aus 8 Ländern: Russ-
Lamproit-Gänge übergehen (Abb. 12.13, S. 224). Wie land, Botswana, Australien, Kongo, Südafrika, Kanada,
aus Abb. 2.15 hervorgeht, kann sich Diamant innerhalb Angola und Namibia.
Abb. 2.11. a Struktur von Diamant, b, c Beziehung der Diamantstruktur (b) zur Graphitstruktur (c), Erläuterungen s. Text
56 2 · Elemente
Abb. 2.12.
Die wichtigsten primären Dia-
mant-Vorkommen der Erde.
Schwarze Rauten: Schmuck-
und Industrie-Diamanten aus
Kimberliten und Lamproiten;
rote Rauten: Mikrodiamanten in
Ultra-Hochdruck-Metamor-
phiten. C.A.R.: Republik Kongo.
Archaische Kratone: >2,5 Ga;
altproterozoische Kratone:
2,5–1,6 Ga; jungproterozoische
Gesteinskomplexe: 1,6–0,8 Ga;
phanerozoische Gesteinskom-
plexe: <0,8 Ga. (Modifiziert nach
Harlow und Davies 2005)
Die Gewichtseinheit von Edelsteinen, das metrische Karat = 200 mg, fläche, sondern durch Impakt-Prozesse auf dem jeweili-
leitet sich von den Früchten des Johannesbrotbaumes Ceratonia gen Meteoriten-Mutterkörper, wie erstmals Ringwood
siliqua ab, die im Schnitt 197 mg wiegen und früher von Edel-
(1960) erkannt hatte (vgl. Harlow und Davies 2005).
steinhändlern zum Wiegen von Diamanten und Gold verwendet
wurden. Daneben findet man häufig winzige, nur einige Nanome-
ter (10–7 cm) große Diamanten (Nanodiamanten). Wie die
Auch in Krustengesteinen, die im Zuge von Kontinent- Isotopen-Signaturen von Edelgasen, die in diesen Dia-
Kontinent-Kollisionen tief versenkt wurden und eine manten eingeschlossen sind, belegen, entstanden sie
Ultrahochdruck-Metamorphose erlebten (Abschn. 24.2.5, zumindest teilweise schon präsolar, d. h. vor der Entste-
S. 399, Abschn. 26.3.9, S. 471), haben sich bisweilen winzi- hung und damit außerhalb unseres Sonnensystems, z. B.
ge Diamant-Kriställchen (Mikrodiamanten) gebildet bei der Explosion von Supernovae (Huss 2005; vgl. Tabel-
(Ogasawara 2005), z. B. im Erzgebirge, in der westlichen le 32.1, S. 584.).
Gneisregion Norwegens, im Kokchetav-Massiv Sibiriens,
in Qaidam und Dabie Shan in China und auf der indone- Wirtschaftliche Bedeutung. Diamant, wohl der begehr-
sischen Insel Sulawesi, früher Celebes (Abb. 2.12). teste aller Edelsteine, wird am häufigsten in der Brillant-
Gelegentlich findet man Diamant auch in Meteoriten- form geschliffen (Abb. 2.13, 2.14). Durch Größenver-
kratern, in denen er sich beim Impakt unter den hohen hältnis, Anzahl und Winkel der Facetten wird mit dem
Drücken der Schockwellen-Metamorphose (Abschn. 24.2.3, Brillantschliff ein Maximum an Wirkung erreicht. Der
S. 392) aus Graphit in Kristallingesteinen gebildet hat. So seither größte Diamant wurde im Jahre 1905 in der Pre-
wurden im Nördlinger Ries bereits 1977 durch russische mier-Mine bei Pretoria gefunden. Er wog 3 106 Karat,
Forscher Diamanten entdeckt; daneben treten auch das sind 621 g, und erhielt den Namen Cullinan (Abb. 2.14).
Lonsdaleit, eine hexagonale Kohlenstoff-Modifikation mit Aus ihm wurden 105 Steine geschliffen, von denen der
Diamant-ähnlicher Kristallstruktur sowie Moissanit SiC größte (530,2 Karat) im Zepter der britischen Kron-
auf (El Goresy et al. 2001, 2003; Schmitt et al. 2005). juwelen gefasst ist. Seit der Antike wurden schätzungs-
Darüber hinaus wurde im Ries- und im Popigai-Krater weise 3,4 Milliarden Karat (= 680 t) Diamant gefördert. Der
(Sibirien) eine neue kubische C-Modifikation entdeckt, Gesamtwert der Jahresproduktion von schleifwürdigen
die sich durch extrem große Härte und Dichte (2.49) aus-
zeichnet (El Goresy et al. 2003).
Von besonderem Interesse ist das Auftreten von Dia-
manten in Meteoriten, das erstmals von Foote (1891) im
Eisenmeteoriten von Canyon Diablo (Arizona) beobach-
tet wurde. Viele dieser Diamanten entstanden durch
Schockwellen-Metamorphose (Abschn. 24.2.3, S. 392)
aus Graphit, und zwar nicht – wie früher angenommen
wurde – beim Aufprall von Meteoriten auf die Erdober- Abb. 2.13. Brillantschliff: a Seitenansicht; b Oberseite; c Unterseite
2.3 · Nichtmetalle 57
Abb. 2.16.
α -Schwefel: a–c Kristalle mit
rhombisch-bipyramidalem
Habitus; d mit disphenoidisch
verzerrtem Habitus
Hemley RJ, Chen Y-C, Yan C-S (2005) Growing diamond crystals Ernst WG (1976) Petrologic phase equilibria. Freeman, San Francisco
by chemical vapor deposition. Elements 1:105–108 Fehr T, Hochleitner R, Weiss S (1995) Sensationell: natürliche Pla-
Huss GR (2005) Meteoritic nanodioamonds: Messengers from the tin-Kristalle aus Sibirien. Lapis 20(10):44–46
stars. Elements 1:97–100 Foote AE (1891) A new locality for meteoritic iron with a preliminary
Mungall JE, Meurer WP (2004) Platinum group elememts: notice on the discovery of diamonds in the iron. Amer J Sci 42:
Petrology, geochemistry, mineralogy. Canad Mineral 42:241–694 413–417
Ogasawara (2005) Microdiamonds in ultrahigh-pressure meta- Klein C, Hurlbutt Jr. CS (1985) Manual of mineralogy (after James
morphic rocks. Elements 1:91–96 D. Dana). 20th edn. Wiley, New York
Stachel T, Brey GP, Harris JW (2005) Inclusions in sublithospheric Kroto HW, Heath JR, O’Brien SC, Curl RF, Smalley RE (1985)
diamonds: Glimpses of deep Earth. Elements 1:73–78 C60: Buckminsterfullerene. Nature 318:162–163
Medenbach O, Wilk H (1977) Zauberwelt der Mineralien. Sigloch
Zitierte Literatur edition. Künzelsau Thalwil Salzburg
Ramdohr P, Strunz H (1978) Klockmanns Lehrbuch der Mineralo-
Cabri LJ, Harris DC, Weiser TW (1996) The mineralogy and distri- gie, 16. Aufl. Enke, Stuttgart
bution of platinum group minerals (PGM) in placer deposits of Ringwood AE (1960) The Novo Urei meteorite. Geochim Cosmochim
the world. Explor Mining Geol 5:73–167 Acta 20:1–2
El Goresy A, Gillet P, Chen M, Kunstler F, Graup G, Stähle V (2001) In situ Schmitt RT, Lapke C, Kenkmann T, Stöffler D (1999) Impaktdia-
discovery of shock-induced graphite-diamond phase transition manten aus dem Nördlinger Ries. Ber Dt Mineral Ges, Eur J
in gneisses from the Ries crater, Germany. Am Mineral 86:611–621 Mineral 12 Beih 1:187
El Goresy A, Dubrovinsky LS, Gillet P, Mostefaoui S, Graup G, Drako- Schmitt RT, Lapke C, Lingemann CM, Siebenschock M, Stöffler D
poulos M, Simionovici AS, Swamy V, Masaitis VL (2003) A novel cubic, (2005) Distribution and origin of impact diamonds in the
transparent and superhard polymorph of carbon from the Ries and Ries Crater, Germany. In: Kenkmann T, Hörz F, Deutsch H (eds)
Popigai craters: Implications to understanding dynamic-induced na- Large meteorite impacts III. Geol Soc America Spec Paper 384:
tural high-pressure phase transitions in the carbon system. LPSC 34 1–16
El Goresy A, Dubrovinsky LS, Gillet P, Mostefaoui S, Graup G, Shcheka GG, Lehman B, Gierth E, Gömann K, Wallianos A (2004)
Drakopoulos M, Simionovici AS, Swamy V, Masaitis VL (2003) A Macrocrystals of Pt-Fe alloy from the Kondyor PGE placer deposit,
new natural, superhard transparent polymorph of carbon from Khabarovskiy Kray, Russia: Trace element content, mineral
the Popigai impact crater, Russia. CR Geoscience 335:889–898 inclusions and reaction assemblages. Canad Mineral 42:601–617
3
Sulfide, Arsenide
und komplexe Sulfide (Sulfosalze)
3.1 Zu dieser Mineralklasse gehört die größte Anzahl der Erzminerale. Viele von ih-
Metall-Sulfide mit nen sind opak, d. h. sie sind auch in Dünnschliffen von 20–30 µm Dicke undurch-
M : S > 1 : 1 (meist 2 : 1) sichtig; sie besitzen Metallglanz mit unterschiedlichem Farbton. Nichtopake sul-
fidische Erzminerale sind in dünnen Schichten durchscheinend, besitzen eine sehr
3.2 hohe Lichtbrechung und zeigen z. T. Diamantglanz. Alle geben auf rauher Por-
Metall-Sulfide und zellanplatte einen diagnostisch verwertbaren Strich bei der Mineralbestimmung
-Arsenide mit M : S ≈ 1 : 1 nach äußeren Kennzeichen.
In den Kristallstrukturen der Sulfide herrschen Mischbindungen zwischen me-
3.3 tallischen, heteropolaren und homöopolaren Bindungskräften vor. Insbesondere
Metall-Sulfide, bei den auftretenden Schichtstrukturen trifft man auch Van-der-Waals-Bindungs-
-Sulfarsenide und kräfte an.
-Arsenide mit M : S ≤ 1 : 2 Die Unterteilung erfolgt nach Gruppen mit abnehmendem Metall-Nichtmetall-
Verhältnis (Strunz u. Nickel 2001):
3.4
Arsen-Sulfide 1. Metall-Sulfide etc. mit Metall (M) : Schwefel (S) > 1 : 1 (meist 2 : 1)
2. Metall-Sulfide etc. mit M : S = 1 : 1
3.5 3. Metall-Sulfide etc. mit M : S < 1 : 1
Komplexe Metall-Sulfide 4. Arsen-Sulfide
(Sulfosalze) 5. Komplexe Metall-Sulfide (Sulfosalze)
Ausbildung. Kristallformen sind relativ selten entwickelt, Struktur. Hoch-Bornit hat eine Kristallstruktur ähnlich
gewöhnlich in kompakten Massen. Sphalerit. Diese geht unterhalb ca. 265 °C in die metastabi-
le kubische Struktur des intermediären Bornits über, der
Physikalische Eigenschaften. sich unterhalb ca. 200 °C in die stabile Tieftemperaturform
Spaltbarkeit undeutlich nach {110} umwandelt. Tief-Bornit ist nicht – wie früher angenommen
Bruch muschelig – tetragonal, sondern rhombisch 2/m2/m2/m. In seinem
Härte 2½–3 Feinbau weist er komplexe Überstrukturen auf; Struktur-
Dichte 5,5–5,8 defekte lassen große Variationen im Cu : Fe : S-Verhältnis zu.
Farbe, Glanz bleigrau auf frischem Bruch, Metall-
glanz, an der Luft matt und schwarz Chemismus. Zusammensetzung schwankt durch Löslichkeit
anlaufend für Cu2S; etwas weniger für CuFeS2. Bornit weist innerhalb
Strich grauschwarz, metallisch glänzend des Systems Cu-Fe-S ausgedehnte Mischkristallbildung auf.
Struktur und Chemismus. Chalkosin ist dimorph, <103 °C Vorkommen. Vorwiegend hydrothermal gebildetes Erz-
monoklin, >103 °C hexagonal. Es gibt mehrere ähnlich mineral, sekundär in der Zementationszone und sedimen-
zusammengesetzte Minerale, deren komplizierte Bezie- tär als Imprägnation. Bornit verwittert leicht unter zwi-
hungen bis jetzt nur teilweise geklärt sind. schenzeitlicher Bildung von Chalkosin und Covellin CuS
Erwähnt sei hier der kubische Digenit, bei tiefen Tem- zu Azurit und Malachit.
peraturen etwa Cu9S5; oberhalb ca. 75 °C ausgedehnte
Mischkristallreihe von Cu7S4 bis Cu2S. Bedeutung. Bornit ist ein wichtiges Cu-Erzmineral.
Vorkommen. Primäres, hydrothermal gebildetes Erzmine- Argentit und Akanthit (Silberglanz), Ag2S
ral, sekundär in der Zementationszone von Kupferlager-
stätten. Chalkosin verwittert leicht unter Bildung von Ausbildung. Kristalle von Argentit zeigen kubische For-
Cuprit Cu2O, mitunter ged. Kupfer und letztlich zu Cu- men, häufig dominiert die würfelige Tracht. Meist derb
Hydrokarbonaten wie Azurit und Malachit. und massig, als sog. Silberschwärze pulverig. Gelegent-
lich pseudomorph nach ged. Silber.
Bedeutung. Chalkosin und Digenit sind sehr wichtige Cu-
Erzminerale. Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit fehlt
Bornit (Buntkupferkies), Cu5FeS4 Bruch geschmeidig, mit dem Messer schneid-
bar; aus Silberglanz wurden in frühe-
Ausbildung. Kristallformen sind seltener, bisweilen Aggre- rer Zeit Münzen geprägt
gate verzerrter Würfel, meist als massiges Erz. Härte 2–2½
Dichte 7,3
Physikalische Eigenschaften. Farbe, Glanz auf frischer Schnittfläche bleigrauer
Spaltbarkeit selten deutlich Metallglanz, unter Verwitterungsein-
Bruch muschelig fluss matter Überzug und schwarz an-
Härte 3 laufend, schließlich pulveriger Zerfall
Dichte 4,9–5,1 Strich dunkelbleigrau, metallisch glänzend
Tabelle 3.1.
Metall-Sulfide mit M : S > 1 : 1
3.2 · Metall-Sulfide und -Arsenide mit M : S ≈ 1 : 1 63
Struktur. Argentit kristallisiert kubisch flächenzentriert ist nahe 1 : 1; gewöhnlich enthält Pentlandit auch
und entsteht unter höherer Temperatur, bei Abkühlung etwas Co.
Umwandlung in den monoklinen Akanthit.
Vorkommen. Zusammen mit Pyrrhotin meistens als liquid-
Vorkommen. Primäres, hydrothermal gebildetes Erz- magmatische Ausscheidung, z. B. in der bedeutenden
mineral; als Einschluss im Galenit PbS; sekundär in der Nickellagerstätte von Sudbury, Ontario, Kanada.
Zementationszone.
Bedeutung. Pentlandit ist das wichtigste Ni-Erzmineral.
Bedeutung. Wichtiges Ag-Erzmineral, auch als wesentli-
cher Silberträger im Galenit. Nickel als metallischer Rohstoff. Ni ist in erster Linie ein wich-
tiger Stahlveredler. Nickelstahl enthält 2½–3½ % Ni, dabei
Pentlandit, (Ni, Fe)9S8 erhöht Ni die Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit des
Stahls.Verwendung als Legierungsmetall in Form von Hoch-
Ausbildung. Gewöhnlich bildet Pentlandit Körner oder temperaturwerkstoffen in der Kraftwerkstechnik, im Turbi-
flammenförmige Entmischungslamellen im Pyrrhotin, nen- und im chemischen Apparatebau sowie in der Galva-
kommt aber auch in körnigen Aggregaten zusammen mit notechnik, als Münzmetall, Nickelüberzug, Katalysator etc.
diesem vor (Abb. 19.7, S. 304).
3.2 3.2
Physikalische Eigenschaften. Metall-Sulfide und -Arsenide mit M : S ≈ 1 : 1
Spaltbarkeit deutlich nach {111}
Bruch spröde Galenit (Bleiglanz), PbS
Härte 3½–4
Dichte 4,6–5 Ausbildung. Kristallklasse 4/m32/m, häufig gut ausgebil-
Farbe, Glanz bronzegelb, Metallglanz dete Kristalle bis zu beträchtlicher Größe aus zahlreichen
Strich schwarz Fundorten; als Kristallformen (Abb. 3.1, 3.2) herrschen
vor: {100} und {111} allein oder in Kombination (als sog.
Unterscheidende Eigenschaft. Im Unterschied zu Pyrrhotin Kubooktaeder), daneben das Rhombendodekaeder {110}
nicht magnetisch. und das Trisoktaeder {221} und andere Formen. Gewöhn-
lich körnig oder spätig, oft feinkörnige bis dichte Erze
Struktur und Chemismus. Pentlandit hat eine Spinell- bildend, bisweilen stark deformiert und gestriemt (sog.
struktur (Abb. 5.2, S. 83). Das Verhältnis von Fe : Ni Bleischweif), Gleitzwillinge.
Tabelle 3.2.
Metall-Sulfide und -Arsenide
mit M : S ≈ 1 : 1
Abb. 3.1.
Galenit, verbreitete Flächenkombi-
nationen; a Kubooktaeder: Kombi-
nation Würfel {100} und Oktaeder
{111}; b Würfel {100}, Oktaeder
{111}, vorherrschend c, d verschie-
dene Kombinationen aus Würfel
{100}, Oktaeder {111}, Rhomben-
dodekaeder {110}, Trisoktaeder
{221} und Ikositetraeder {322}
64 3 · Sulfide, Arsenide und komplexe Sulfide (Sulfosalze)
Abb. 3.6.
Kristallstruktur von Sphalerit
Ausbildung. Kristallklasse 42m, bei den Kristallformen ist Bedeutung. Chalkopyrit ist nach Chalkosin das wirt-
das tetragonale Bisphenoid vorherrschend, häufig kom- schaftlich wichtigste Cu-Erzmineral.
biniert mit dem negativen Bisphenoid und dem tetrago-
nalen Skalenoeder (Abb. 3.7). Gewöhnlich Zwillings- Abb. 3.8.
verwachsungen nach (111) und stark verzerrte Kristalle. Kristallstruktur von
Chalkopyrit
Meist kommt Chalkopyrit in derben bis feinkörnigen
Massen vor.
Ausbildung. Kristallklasse mm2, rhombisch (pseudohexago- Ausbildung. Äußere Kristallform 6/m2/m2/m, die hexago-
nal), die prismatischen Kristalle sind nach c gestreckt und nale Hochtemperaturmodifikation ist oberhalb ~300 °C
vertikal gestreift, auch tafelig nach (001); Drillinge. Gewöhn- stabil. Ausgebildete Kristalle sind nicht sehr häufig, so als
lich derb in strahligen oder spätig-körnigen Aggregaten. 6-seitige Tafeln aus Basispinakoid {0001} und schmalem
Prisma, vielfach rosettenförmig oder buchstapelartig
Physikalische Eigenschaften. angeordnet (Abb. 3.9). Meistens jedoch derb und einge-
Spaltbarkeit {110} vollkommen, {100} und {010} deut- sprengt, körnig bis blättrig.
lich
Bruch uneben, spröde Physikalische Eigenschaften.
Härte 3½ Spaltbarkeit nach (0001) und {1120} in grobkör-
Dichte 4,5 nigen Stücken deutlich
Farbe, Glanz grau bis grauschwarz, blendeartiger Bruch muschelig, spröde
Glanz, opak Härte 4
Strich schwarz Dichte 4,6–4,7
Farbe, Glanz hell bronzefarben, mattbraun anlau-
Struktur. Die Kristallstruktur ist derjenigen des Wurtzits fend, Metallglanz
ähnlich, wobei ¾ des Zn durch Cu und ¼ durch As ersetzt Strich grauschwarz
sind; dadurch kommt es zur Erniedrigung der Symmetrie. Weitere Eigenschaft meist ferromagnetisch
Chemismus. As kann bis zu 6 % durch Sb ersetzt sein, et- Struktur. Die Kristallstruktur des Pyrrhotins entspricht
was Fe und Zn sind gewöhnlich eingebaut. dem NiAs-Typ mit S auf den As-Positionen und Fe auf den
Ni-Plätzen. Dabei besitzt Pyrrhotin meist einen Unterschuss
Vorkommen. Auf hydrothermalen Gängen, als Verdrän- an Fe relativ zu S, wobei die Zusammensetzung zwischen
gung und Imprägnation.
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit nach {1010} und (0001) nur bisweilen
erkennbar
Bruch muschelig, spröde
Härte 5–5½
Dichte 7,8
Farbe, Glanz hell kupferrot, dunkler anlaufend, Me-
tallglanz, opak
Strich bräunlichschwarz
Bedeutung. Der Pentlandit-führende Pyrrhotin ist ein Verwendung von Quecksilber. Legierungsmetall, haupt-
sehr wichtiges Ni-Erz. Reiner Pyrrhotin ist kein Eisenerz- sächlich als Zinn-Kupfer-Edelmetall (Ag,Au)-Amalgam
mineral, wird aber gelegentlich zur Herstellung von Ei- in der Zahntechnik, für verschiedene Chemikalien und
senvitriol oder Polierrot verwendet. in physikalischen Geräten.
Ausbildung. Kristallklasse 32, bildet nur selten deutliche Struktur. Die Kristallstruktur weist Doppelketten // c ent-
rhomboedrische bis dicktafelige Kristalle, meist derb- sprechend der Streckung der Kristalle auf.
körnige bis dichte oder erdige Massen in Imprägnationen.
Vorkommen. In hydrothermalen Gängen.
Abb. 3.10.
Stibnit, nadelförmig nach c gestreckte Flächenkombination Bedeutung. Stibnit ist das wichtigste Sb-Erzmineral.
3.3 · Metall-Sulfide, -Sulfarsenide und -Arsenide mit M : S ≤ 1 : 2 69
Tabelle 3.3.
Metallische Sulfide, Sulfarsenide
und Arsenide mit M : S ≤ 1 : 2
Verwendung. Antimon als Legierungsmetall, besonders in sowie zur Herstellung hochwarmfester Legierungen ver-
Blei- und Zinn-Legierungen, z. B. in Letternmetall, wendet. Molybdänit wird wegen seiner geringen Härte
Schrot- und Lötzinn, als Hartblei, Zusatz von Akkumu- und vollkommenen Spaltbarkeit als Trockenschmier-
latorenblei; reinstes Sb in der Halbleiter-Technik. stoff und in zusammengesetzten Schmierstoffen eingesetzt.
Ausbildung. Kristallklasse 6/m2/m2/m, hexagonale, un- Ausbildung. Kristallklasse kubisch disdodekaedrisch 2/m3,
vollkommen ausgebildete Tafeln, meistens in krumm- formenreich und auch in gut ausgebildeten Kristallen weit
blättrigen, schuppigen Aggregaten. verbreitet. Als häufigste Form treten auf: Würfel {100},
Pentagondodekaeder {210}, Oktaeder {111} und Disdo-
Physikalische Eigenschaften. dekaeder {321}, häufig auch miteinander kombiniert
Spaltbarkeit sehr vollkommen nach (0001), sehr (Abb. 3.11, 3.12). Die Würfelflächen des Pyrits sind meist
biegsame, unelastische Spaltblättchen gestreift, was die niedriger symmetrische Kristallklasse
Härte 1–1½, sehr gering (2-zählige statt 4-zähliger Drehachse a) andeutet. Es han-
Dichte 4,7–4,8 delt sich um eine Wachstumsstreifung (sog. Kombinati-
Farbe, Glanz bleigrau, Metallglanz onsstreifung) im aufeinanderfolgenden Wechsel von Wür-
Strich dunkelgrau fel- und Pentagondodekaederfläche. Durchkreuzungs-
Weitere Eigenschaft fühlt sich fettig an und färbt ab Zwillinge sind nicht selten („Eisernes Kreuz“). Als Ge-
mengteil von Erzen ist Pyrit meist wegen gegenseitiger
Struktur. Hexagonale Schichtstruktur mit // (0001) ver- Wachstumsbehinderung körnig ausgebildet.
laufenden MoS2-Schichten, die in sich valenzmäßig ab-
gesättigt sind. Zwischen den Schichten schwache Van-der-
Waals-Bindungskräfte, woraus sich die vollkommene
Spaltbarkeit nach (0001) erklärt.
Verwendung. Molybdän ist ein wichtiger Stahlveredler Abb. 3.11. Kristalltrachten bei Pyrit; a Würfel mit Kombinationsstrei-
fung; b Pentagondodekaeder {210}; c Kombination Pentagondodeka-
(Molybdänstahl), legiert in Gusseisen, Verwendung in der
eder {210} und Würfel {100}; d, e Kombination Oktaeder {111} mit Pen-
Elektrotechnik. Wegen seines hohen Schmelzpunkts wird tagondodekaeder {210}; f Durchdringungszwilling mit [001] als Zwil-
Mo als Reaktormetall und Baustoff in der Raketentechnik lingsachse
70 3 · Sulfide, Arsenide und komplexe Sulfide (Sulfosalze)
Abb. 3.13.
Kristallstruktur von Pyrit
(s. Text)
Chemismus. Arsenopyrit zeigt häufig Abweichungen im Vorkommen. Bisweilen auf hydrothermalen Gängen und
Verhältnis As : S gegenüber der theoretischen Formel. metasomatischen Verdrängungs-Lagerstätten (Skarnerze).
Darüber hinaus kann Fe durch Co oder Ni diadoch er-
setzt sein. Ähnlich wie Pyrit enthält Arsenopyrit nicht Bedeutung. Wichtiges Co-Erzmineral.
selten Einschlüsse von ged. Au.
Verwendung von Kobalt. Legierungsmetall (Hochtempe-
Vorkommen. Verbreitet in hydrothermalen Gängen. raturlegierungen), Metallurgie: Stahlveredler (Bestand-
teil verschleißfester Werkzeugstähle), im Chemiebereich
Bedeutung. Arsenopyrit ist das wichtigste As-Erzmineral. (Farben, Pigmente, Glasuren, Katalysatoren).
72 3 · Sulfide, Arsenide und komplexe Sulfide (Sulfosalze)
Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m, Kristalle prisma- Ausbildung. Rhombisch, kleine Kristalle, unter dem Erz-
tisch entwickelt, meistens körnige bis stängelige Aggre- mikroskop feiner Lamellenbau und zudem verzwillingt.
gate, derbe Massen. Keine sternförmigen Drillinge wie bei Safflorit.
Chemismus. Das Fe/As-Verhältnis schwankt gegenüber Ausbildung. Kristallklasse 2/m3, Kristallformen: Würfel,
der idealen chemischen Formel. Häufig Gehalte an S, Sb, Oktaeder, seltener Rhombendodekaeder und Pentagon-
Co und Ni. Goldgehalte gehen auf winzige Einschlüsse dodekaeder {210} sowie deren Kombinationen. Meistens
zurück. massig in dichtem bis körnigem Erz.
Tabelle 3.4.
Arsen-Sulfide
Tabelle 3.5.
Wichtige Sulfosalze
Weiterführende Literatur
Abb. 3.18. Kristalltrachten bei Fahlerz; a Kombination Tetraeder {111}
mit Tristetraeder {211}; b Tristetraeder {211}; c Kombination zweier Anthony JW, Bideaux RA et al. (1990) Handbook of mineralogy,
Tetraeder {111} und {111} mit dem Würfel {100} (nur als schmale vol I: Elements, sulfides, sulfosalts. Mineral Data Publ, Tucson,
diagonale Leisten erkennbar!) Arizona
Ramdohr P, Strunz H (1978) Klockmanns Lehrbuch der Mineralo-
gie, 16. Aufl. Enke, Stuttgart
zudem Bi das Sb diadoch ersetzen. Fe ist immer anwe-
Ribbe PH (ed) (1974) Sulfide mineralogy. Min Soc America Short
send und kann bis zu 13 %, Zn maximal 8 % erreichen. Course Notes, vol 1, Chelsea Michigan
Der nicht seltene Silbergehalt kann 2–4 %, im Freibergit Strunz H, Nickel EH (2001) Strunz mineralogical tables, 9th edn.
bis 18 % betragen. Hg kann im Schwazit bis zu 17 % aus- Schweizerbart, Stuttgart
machen, der so ein wichtiges Hg-Erzmineral darstellt. Vaughan DJ (ed) (2006) Sulfide mineralogy. Rev Mineral Geochem 61
4
Halogenide
Die Minerale dieser Klasse enthalten in ihren Strukturen große elektronegativ gela-
dene Halogenionen Cl–, F–, Br– und J–. Diese sind mit ebenfalls relativ großen Kat-
ionen von niedriger Wertigkeit koordiniert; der Bindungscharakter ist bevorzugt
–
heteropolar. Ihre Strukturen besitzen z. T. die höchstmögliche Symmetrie 4/m32/m,
so die Minerale Halit, Sylvin und Fluorit. Die Minerale dieser Klasse sind farblos
oder allochromatisch, d. h. durch Fremdionen oder Fremdeinschlüsse gefärbt. Sie
besitzen eine geringe Dichte, niedrige Lichtbrechung, einen relativ schwachen
Glanz und sind teilweise leicht in Wasser löslich.
Tabelle 4.1.
Die wichtigsten Halogenide
78 4 · Halogenide
Sylvin, KCl
Chemismus. In den Salzlagerstätten enthält Sylvin nur sehr Dadurch wird ein Teil des Ca2+ zu me-
wenig Na. Jedoch können Sylvin und Halit als Sublimati- tallischem Ca reduziert, das in kolloida-
onsprodukt an Kraterrändern von Vulkanen bei Bildungs- ler Verteilung als farbgebendes Pigment
temperaturen über 500 °C eine lückenlose Mischkristall- wirkt. F– wird zu F2-Gas oxidiert, das
reihe bilden. Cl– im Sylvin kann bis zu 0,5 % durch Br– beim Zerschlagen dieser Fluorite ent-
ersetzt sein. Der Einbau von Rb oder Cs anstelle von K weicht, z. B. beim sog. Stinkspat von Wöl-
geht über Spuren nicht hinaus. sendorf in der bayerischen Oberpfalz
Glanz Glasglanz, durchscheinend bis durch-
Vorkommen. In Evaporiten und als Sublimationspro- sichtig
dukt von Vulkanen. Sylvinit ist ein Gestein aus Sylvin und
Halit. Struktur. Die Ca2+-Ionen bilden einen flächenzentrier-
ten Würfel, dessen Achtelwürfel durch die F –-Ionen
Wirtschaftliche Bedeutung. Sylvin als Gemengteil von Kalisal- zentriert sind, d. h. diese bilden einen einfachen Würfel
zen ist Ausgangsprodukt für ein hochwertiges Kalidünger- von halber Kantenlänge (Abb. 4.5). Ca2+ ist dabei wür-
salz; er ist Rohstoff in der chemischen Industrie zur Her- felförmig von 8 F– und F– tetraedrisch von 4 Ca2+ um-
stellung von Kaliverbindungen und bei der Glasherstellung. geben. Die vollkommene Spaltbarkeit nach {111} ver-
läuft // zu den Netzebenen, die nur mit einer Ionenart
Fluorit (Flussspat), CaF2 besetzt sind.
Ausbildung. Kristallklasse 4/m32/m, gut ausgebildete kubi- Chemismus. In Yttrofluorit und Cerfluorit wird Ca2+ teil-
sche Kristalle sind häufig, vorwiegend Würfel {100}, weise durch Y3+ bzw. Ce3+ ersetzt, wobei der Ladungs-
(Abb. 4.3, 4.4) bisweilen kombiniert mit {111}, {110}, ausgleich durch zusätzlichen Einbau von der F– auf freie
Tetrakishexaeder und Hexakisoktaeder, seltener {111} oder Gitterplätze erreicht wird; man spricht daher von Addi-
{110} allein, weiterhin {100} als Durchdringungszwillinge tions-Baufehlern.
nach (111) (Abb. 4.3). Zonarbau. Derb in spätigen bis fein-
körnigen, auch farbig gebänderten Aggregaten.
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {111} vollkommen
Härte 4 (Standardmineral der Mohs-Skala)
Dichte 3,0–3,5
Farbe fast in allen Farben vorkommend, ins-
besondere grün, violett, gelb, farblos,
auch schwarzviolett. Meist sind die Far-
ben blass. Farbursache unterschiedlich:
entweder durch Spurenelemente, Bau-
fehler in der Struktur oder radioaktive
Einwirkung. Viele Fluorite zeigen im
UV-Licht eine starke Fluoreszenz, be-
dingt durch den Eintritt von geringen
Mengen an Seltenerd-Elementen in die
Struktur anstelle des Ca2+. Die tiefblau-
en bis schwarz-violetten Fluorite verdan-
ken ihre Farbe der radioaktiven Strah-
lung eingewachsener Uranminerale.
Abb. 4.3.
Fluorit-Würfel {100}, Durch-
dringungszwilling nach (111)
Abb. 4.4. Fluorit mit würfeliger Tracht {100}. Grube Clara, Schwarz-
wald. Bildbreite 2 cm. Mineralogisches Museum der Universität
Würzburg. (Foto: K.-P. Kelber)
80 4 · Halogenide
5.1 In der Klasse der Oxide bildet der Sauerstoff Verbindungen mit ein, zwei oder meh-
M2O-Verbindungen reren Metallen. In ihren Kristallstrukturen liegen im Unterschied zu den Sulfiden
jeweils annähernd Ionenbindungen mit teilweise Übergängen zur homöopolaren
5.2 Bindung vor.
M3O4-Verbindungen Durch Unterschiede in ihrem Metall-Sauerstoff-Verhältnis M : O zeichnen sich
mehrere Verbindungstypen ab, wie M2O, MO, M2O3 und MO2. Neben diesen ein-
5.3 fachen Oxiden gibt es kompliziertere oxidische Verbindungen mit zwei oder
M2O3-Verbindungen mehreren Metallionen wie X[4]Y2[6]O4, die als Spinelltyp bezeichnet werden. Im
gewöhnlichen Spinell besetzt Mg2+ die tetraedrisch koordinierte Position von X
5.4 und Al3+ die oktaedrisch koordinierte Position von Y, im Magnetit (Fe3O4) neh-
MO2-Verbindungen men (Fe2+, Fe3+) die Position von X und (Fe3+, Fe2+) die Position von Y ein. Die
wichtigsten Vertreter der Oxide sind in Tabelle 5.1 aufgeführt.
5.5
Hydroxide
Tabelle 5.1.
Wichtige Vertreter der Oxide und
Hydroxide. In der Natur sind Me-
tallgehalte durch den Einbau von
Fremdionen oder mechanische
Beimengungen meist geringer als
die hier angegebenen theoreti-
schen Werte
82 5 · Oxide und Hydroxide
Bedeutung. Cuprit ist weit verbreitet, jedoch nur lokal ein Vorkommen. Chrysoberyll kommt in Al-reichen Pegma-
wichtiges Cu-Erzmineral. titen und in metasomatisch veränderten Karbonat-
Gesteinen (Skarnen) vor; Alexandrit bildet sich zusam-
5.2 5.2 men mit Smaragd (S. 133) in sog. Blackwalls, d. h. in
M3O4-Verbindungen fast reinen Biotitschiefern, die sich durch metasoma-
tischen Stoffaustausch im Kontaktbereich von Serpen-
Chrysoberyll, BeAl2O4 tiniten mit Graniten, Granitgneisen oder Pegmatiten bil-
den (Abschn. 24.6.1, S. 419f), z. B. an der Tokowoja im
Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m, Kristalle dick- Ural (Russland).
tafelig nach der Fläche {010}, die meist eine deutliche
Streifung aufweist; daneben {010}, {001}, {101}, {012}; Bedeutung. Chrysoberyll-Katzenauge und Alexandrit
{111} ist oft groß entwickelt. Habitus und Flächenwinkel sind geschätzte Edelsteine.
sind ähnlich wie bei Olivin (S. 122). Zwillinge häufig nach
{103} mit einem Winkel nahe 60°. Spinell-Gruppe
Durchdringen sich drei Zwillinge dieser Art, so können
scheinbar hexagonale Dipyramiden entstehen (Abb. 5.1). Eine große Zahl von Oxid-Mineralen, einige Sulfide (z. B.
Linneit Co3S4) und zahlreiche Kunstprodukte kristal-
lisieren in der Spinellstruktur. Diese ist sehr flexibel und
kann mindestens 30 verschiedene Elemente mit Wertig-
keiten von +1 bis +6 als Kationen aufnehmen. Kennzeich-
nend für die Spinellstruktur ist eine kubisch-dichteste
Kugelpackung der O-Ionen. In einer solchen existieren
(bezogen auf 32 Sauerstoffe) insgesamt 64 tetraedrische
und 32 oktaedrische Lücken, von denen in der Spinell-
struktur jedoch nur 8 Tetraeder- und 16 Oktaeder-
Lücken besetzt sind (Abb. 5.2). Bei den Normal-Spinel-
a b len mit dem Formeltyp X[4]Y[6]2O4 werden die 8 Tetra-
Abb. 5.1. Durchwachsungsdrillinge von a Chrysoberyll von Esperito
ederplätze von 2-wertigen, die 16 Oktaederplätze von
Santo (Brasilien) und b Alexandrit von Novello Claims (Simbabwe). 3-wertigen Kationen besetzt; natürliche Beispiele sind
Sammlung Professor Dr. H. Bank (Idar-Oberstein). (Foto: K.-P. Kelber) Chromit Fe2+Cr3+ 2+ 3+
2 O4, Magnesiochromit Mg Cr2 O4 und
5.2 · M3O4-Verbindungen 83
Aluminatspinelle
Hercynit Fe2+Al3+
2 O4. Bei den natürlichen Invers-Spinel- Physikalische Eigenschaften.
len mit dem Formeltyp Y[4][X[6]Y[6]]O4 dagegen wer- Spaltbarkeit nach {111} kaum deutlich
den die Tetraederplätze meist von 3-wertigen Kationen, Bruch muschelig
die Oktaederplätze von 2- und 3-wertigen Kationen be- Härte 7½–8
setzt, z. B. Magnetit Fe3+[Fe2+Fe3+]O4, Magnesioferrit Dichte 3,8–4,1
Fe3+[Mg2+Fe3+]O4 und Jacobsit Fe3+[Mn2+Fe3+]O4; der in- Farbe, Glanz in vielen Farben durchsichtig bis durch-
verse Ulvöspinell hat die Strukturformel Fe2+[Ti4+Fe2+]O4. scheinend, hiernach Varietäten: Edler
Spinell, besonders rot mit Spuren von Cr,
Der Antispinell-Strukturcharakter von Magnetit lässt sich aus
aber auch blau oder grün. Hercynit
seinem magnetischen Moment (Abschn. 1.2.4, S. 19f) ableiten,
dass (reduziert auf den absoluten Nullpunkt = 0 K) 4,07 µB be- (FeAl2O4) und Pleonast, ein Mischkris-
trägt. Wäre Magnetit ein Normalspinell mit der Strukturformel tall der Zusammensetzung (Mg,Fe2+)
Fe2+Fe23+O4, so wären die Tetraederplätze mit 8 Fe2+ besetzt, deren (Al,Fe3+)2O4, schwarz, in dünnen Split-
magnetische Momente sich zu 8 × 4 µB = 32 µB addierten; für die tern grün durchscheinend. Picotit (Chrom-
16 mit Fe3+ besetzten Oktaederplätze ergäben sich 16 × 5 µB = 80 µB spinell) (Fe 2+ , Mg) (Al,Cr,Fe 3+ ) 2 O 4 ,
mit entgegengesetzter Spinrichtung. Aus der Differenz würde
sich ein gesamtes magnetisches Moment von 48 µB oder – bezo- schwarz, in dünnen Splittern bräunlich
gen auf 4 Sauerstoffe – 6 µB, d. h. ein viel zu hoher Wert errechnen. durchscheinend; meist Glasglanz
Fasst man dagegen Magnetit als Inversspinell mit der Struktur-
formel Fe3+[Fe2+Fe3+]O4 auf, so erhält man für die Tetraederplätze Vorkommen. Überwiegend in metamorphen Gesteinen,
8 × 5 µB = 40 µB, für die Oktaederplätze 8 × 4 µB + 8 × 5 µB = 72 µB. sekundäre Anreicherung in Seifen.
Als Differenz erhält man dann einen theoretischen Wert von
32 µB bzw. 4 µB, der dem gemessenen magnetischen Moment sehr
nahe kommt. Bedeutung. Der tiefrot gefärbte edle Spinell ist ein wert-
voller Edelstein. Nach dem Schmelztropf-Verfahren des
Viele Spinelle sind wahrscheinlich Übergangstypen französischen Chemiker Verneuil lassen sich birnenför-
zwischen der normalen und der inversen Kationen- mige Spinell-Einkristalle in allen Farben synthetisieren.
verteilung, so ist Spinell MgAl2O4 zu etwa ¿ ein In-
vers-Spinell. Im Folgenden werden daher nur die ver- Magnetit (Magneteisenerz), Fe3O4
einfachten Mineralformeln angegeben. Als 2-wertige
Kationen können sich in den natürlichen Spinellen Ausbildung. Die kubischen Kristalle weisen vorwiegend
Mg2+, Fe2+, Zn2+ oder Mn2+, als 3-wertige Kationen Al3+, Oktaeder {111} auf, seltener {110} oder die Kombination
Fe 3+ , Mn 3+ oder Cr3+ gegenseitig diadoch ersetzen. zwischen beiden. Zwillinge nach dem Spinellgesetz. Im
Dabei besteht eine vollkommene Mischbarkeit zwischen Übrigen meist als derb-körniges Erz, daneben akzesso-
den 2-wertigen, eine nur wenig vollkommene zwischen rischer Gemengteil in verschiedenen Gesteinen. Martit
den 3-wertigen Kationen. Die vielfältige Diadochie ist eine Pseudomorphose von Hämatit nach Magnetit.
84 5 · Oxide und Hydroxide
Abb. 5.4.
Flächenkombination von Korund:
Dipyramiden {2241}, {2243}, Rhom-
boeder {1011}, Basispinakoid {0001}
Vorkommen. Akzessorisch besonders in Pegmatiten, als Pro- auf. Solche tonhaltigen erdigen Massen bezeichnet man als
dukt der Kontakt- und Regionalmetamorphose von Gestei- Rötel, früher als Farberde verwendet.
nen mit extremem Al-Überschuss, insbesondere von Bau-
xiten: Smirgel. Edle Varietäten in metamorphen Kalksteinen Physikalische Eigenschaften.
und Dolomiten, seltener auch in Gneisen (Abb. 5.3). Wirt- Spaltbarkeit die Ablösung nach {0001} infolge Trans-
schaftlich wichtiger ist das Vorkommen in Edelsteinseifen, lation wird besonders bei dünntafelig-
in denen Rubin und Saphir wegen ihrer Härte und Verwit- blättrigem Hämatit (nicht ganz glück-
terungsbeständigkeit sekundär angereichert werden. lich auch als Eisenglimmer bezeichnet)
angetroffen. Ablösung auch nach Gleit-
Korund als Rohstoff und Edelstein. Korund findet wegen zwillingsebenen // {1012}
seiner großen Härte Verwendung als Schleifmittel (Ko- Bruch muschelig, spröde
rundschleifscheiben, Schleifpulver, Smirgelpapier). Die Härte 5½–6½
edlen Varietäten Rubin und Saphir sind wertvolle Edel- Dichte 5,2
steine. Anstelle des natürlichen Korunds wird heute Farbe, Glanz in dünnen Blättchen rot durchscheinend,
körniger Korund durch elektrisches Schmelzen ton- als rot färbendes Pigment zahlreicher
erdereicher Gesteine, insbesondere von Bauxit, herge- Minerale und Gesteine; Kristalle rötlich-
stellt. Allerdings wird Korund schon seit einiger Zeit grau bis eisenschwarz, mitunter bunte
zunehmend durch das härtere Carborundum, SiC, er- Anlauffarben; Kristalle und Kristallaggre-
setzt. Rubin und Saphir werden mit allen Eigenschaften gate besitzen Metallglanz und sind opak,
natürlicher Steine seit langem nach dem Schmelztropf- die dichten und erdig-zerreiblichen Mas-
verfahren von Verneuil synthetisch hergestellt. Dabei sen sind rot gefärbt und unmetallisch
entstehen birnenförmige Einkristalle bis zu etwa 6–8 cm Strich auch der schwarze Kristall besitzt stets
Länge. Die Jahresproduktion liegt bei etwa 900 t. Industri- einen kirschroten, bei beginnender
ell hergestellte Korunde finden nicht nur in der Schmuck- Umwandlung in Limonit auch rotbrau-
industrie Verwendung, sondern z. B. als Rubin-Laser. nen Strich
Struktur und Chemismus. Gleicher Strukturtyp wie Korund unbeschränkt. Bei langsamer Abkühlung bilden sich im
mit Fe-O3-Fe-Baueinheiten (Abb. 5.5a,b) bei fehlender Ilmenit Entmischungslamellen von Hämatit // (0001).
Mischkristallbildung zwischen beiden Mineralen. Lücken-
lose Mischkristallreihe mit Ilmenit bei hohen Temperatu- Vorkommen. Als Differentiationsprodukt basischer mag-
ren >950 °C, bei Temperaturerniedrigung Entmischung matischer Gesteine, akzessorisch in vielen magmatischen
von Ilmenit-Lamellen. Geringe Gehalte an Mg, Mn und Ti. und metamorphen Gesteinen, sekundär als Ilmenitsand
an zahlreichen Meeresküsten.
Vorkommen. In hydrothermalen Gängen, metasomatisch an
Kalksteine gebunden (z. B. Insel Elba), als Hauptgemengt- Bedeutung. Ilmenit ist ein wichtiges Ti-Erzmineral.
eil in gebänderten Eisensteinen (Jaspilit und Itabirit), als
Nebengemengteil in metamorphen, seltener auch magma- Titan als metallischer Rohstoff. Ti-haltige Spezialstähle und
tischen Gesteinen, als vulkanisches Exhalationsprodukt, auf Legierungen mit Fe (Ferrotitan) für Flugzeugbau und
alpinen Klüften. Sekundär aus Magnetit (Martit); durch Ver- Raumfahrt. Herstellung von Titanweiß, eine Farbe von
witterungsvorgänge langsamer Übergang in Limonit. außergewöhnlicher Deckkraft, sowie von Glasuren. Als
Eisenerz sind Ilmenit-führende Erze nicht geschätzt, weil
Bedeutung. Als Roteisenerz bzw. Roteisenstein wichtiges Titan die Schlacke bei der Verhüttung des Erzes sehr vis-
Eisenerz zur Gewinnung von Stahl und Gusseisen, Ver- kos macht.
wendung von Roteisen als Pigment, Polierrot und roter
Ockerfarbe; Rötel ist ein Gemenge aus Ton und Hämatit, Perowskit, CaTiO3
bei Naturvölkern zur Körperbemalung, in der Kunst zum
Zeichnen verwendet. Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m, aber nur wenig
von der kubischen Symmetrie abweichend, würfelige, ok-
Ilmenit (Titaneisenerz), FeTiO3 taedrische oder skelettförmig verzweigte Kristalle
Ausbildung. Kristallklasse 4/m2/m2/m, die tetragonalen Künstliche Herstellung. Industriell hergestellter Rutil ist
Kristalle besitzen dicksäuligen, stängeligen oder nadeli- ein hochwertiges Farbpigment (Titanweiß). Rutil-Einkris-
gen Habitus (haarförmige Rutileinlagerungen im Quarz); talle werden nach dem Verneuil-Verfahren in Form von
Vertikalprismen mit Längsstreifung und Dipyramiden, Schmelzbirnen gezüchtet und wegen ihrer diamant-
charakteristische Kniezwillinge mit der Zwillingsebene ähnlichen optischen Eigenschaften (hohe Lichtbrechung
(101), Drillinge und Viellinge. Bisweilen kompakte Aggre- und Dispersion) als Diamant-Ersatz verwendet (Titania,
gate und Körner. Titania Night Stone), auch blau oder gelb gefärbt.
Mn als metallischer Rohstoff. Vor allem Stahlveredler (Spie- Uraninit (Uranpecherz, Pechblende), UO2 bis U3O8
geleisen und Ferromangan), Legierungsmetall mit an-
deren Metallen, Entschwefelung im Eisenhüttenprozess, Ausbildung. Kristallklasse 4/m32/m, {111} auch mit {100}
Rohstoff in der chemischen Industrie und der Elektro- und {110} kombiniert als Uraninit; jedoch sind gut aus-
industrie (Trockenelemente), Entfärben von Glas. gebildete Kristalle selten. Gewöhnlich derb, oft mit
traubig-nieriger, stark glänzender Oberfläche als Uran-
Manganate mit Tunnelstrukturen pecherz.
Bedeutung. Natürliche und technisch hergestellte Man- In der etwa 2 Ga alten Uranlagerstätte in Gabun (Westafrika) liefen
ganate und andere Oxide mit Tunnelstrukturen haben spontan nukleare Kettenreaktionen ab, die zu einem Zerfall von 235U
durch Neutroneneinfang führten (Meshik 2006). Dabei wirkte ein-
eine beachtliche Mikroporosität, die technisch nutzbar
strömendes Grundwasser als Moderator, ähnlich wie in einem tech-
ist (Pasero 2005): nischen Leichtwasser-Reaktor. Durch Analyse der Xenon-Isotopie
konnte der komplexe Zerfallsprozess, der über hunderttausende von
So wurde SYNROC, eine synthetische Verbindung der Jahren im Zweistundentakt ablief, im Detail rekonstruiert werden.
Zusammensetzung BaAl2Ti6O18 mit Hollandit-Struk- Die freiwerdende Energie bei der Kernspaltung führte zur Erhitzung
und zur Verdampfung des Wassers, wodurch der Prozess nach 30 Mi-
tur, zur Immobilisierung von radioaktivem Cäsium
nuten zum Stillstand kam; nach 1½ Stunden war genügend Wasser
verwendet (Ringwood et al. 1979). nachgeströmt, um den Prozess erneut in Gang zu setzen. Die Durch-
Manganoxide, z. B. Kryptomelan, könnten zur Dekon- schnittsleistung dieses natürlichen Kernreaktors betrug vermutlich
taminierung von Grubenwässern und industriellen weniger als 100 kW.
Abwässern eingesetzt werden, um Schwermetall-
Kationen wie Co2+, Zn2+ und Cd2+ zu absorbieren. Struktur. Die Kristallstruktur des Uraninits entspricht
Durch photokatalytische Oxidation (z. B. Birnessit, dem Fluorittyp (Abb. 4.5). Durch den radioaktiven Ein-
Todorokit) könnten Böden verbessert und Umwelt- fluss ist die strukturelle Anordnung jedoch meist weit-
schäden behoben werden. gehend zerstört.
Auch das Ionenaustauschvermögen von Manganaten
und anderen Oxiden mit Tunnelstrukturen ist vielfäl- Chemismus. Uraninit kristallisiert zunächst als UO 2,
tig nutzbar. wird jedoch stets teilweise aufoxidiert, so dass seine tat-
5.5 · Hydroxide 91
Gewinnung und Verwendung des Urans Bedeutung. Bauxit ist der wichtigste Rohstoff für die
Gewinnung von Al-Metall, ferner für die Herstellung
Bemerkenswert ist, dass Uranpechblende, die früher von synthetischem Korund und von Spezialkeramik.
bei der Silbergewinnung anfiel, noch vor der Entdeckung
des Radiums zur Herstellung von Uranfarben ver-
wendet wurde. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts
nutzte man die Uranabgänge nach Verarbeitung dieser
Erze zu Radium-Präparaten noch immer zum gleichen
Zweck! Erst nach dem 2. Weltkrieg erlangte das Uran
im Zusammenhang mit der Gewinnung und Nutz-
barmachung der Kernenergie eine besondere welt-
wirtschaftliche Bedeutung. Selbst dann, wenn die
Nutzung der Kernenergie in den kommenden Jahr-
zehnten stark zunehmen sollte, stehen weltweit genü-
gend Vorräte zur Verfügung, um den Uranbedarf für
die nächsten 100 Jahre zu decken (Macfarlane und
Miller 2007). Die Verwendung der Uranoxide zur
Herstellung von Leuchtfarben und zu fluoreszieren-
dem Glas spielt nur noch eine begrenzte Rolle. Wegen
seiner hohen Dichte wird abgereichertes Uran als Ge-
gengewicht in Flugzeugen und Hochleistungssegel-
booten eingesetzt, außerdem als panzerbrechende
Munition. Abb. 5.11. Struktur von Gibbsit: Sechserringe aus kantenverknüpften
Das bei der Verhüttung von Uranerzen gewonnene Al(OH)6-Oktaedern bilden Schichten // (001). (Nach Strunz und
Radium wird v. a. in der Medizin verwendet. Nickel 2001)
92 5 · Oxide und Hydroxide
Struktur. Unendliche Doppelketten von Al(O,OH)6-Okta- Vorkommen. Goethit und Lepidokrokit (s. unten) sind ty-
edern //c, die unter sich durch Wasserstoff-Brücken- pische Verwitterungsbildungen; sie treten insbesondere
bindungen miteinander verknüpft sind (Abb. 5.12). im „Eisernen Hut“ von primären Sulfiderz-Lagerstätten
auf, daneben bilden sie marin-sedimentäre Eisenerze
Vorkommen. Bestandteil von Bauxit und Laterit, auch in (Minette), Bohnerze, Raseneisenerze, See-Erze.
niedriggradigen metamorphen Bauxiten (Diasporite). Limonit ist eine Sammelbezeichnung für amorphe bis
kryptokristalline Gemenge von Goethit und Lepidokro-
Bedeutung. Bauxit als Al-Erz, Diasporit als Schleif- und kit, meist auch etwas Hämatit mit wechselnden Wasser-
Poliermittel. gehalten; häufig sind amorphe Kieselsäure, Phosphate,
Tonminerale und organische Zersetzungsprodukte be-
Goethit (Nadeleisenerz), α -FeOOH teiligt. Der Eisengehalt erreicht meist nur 30–40 %.
Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m, die prismatisch- Bedeutung. Eisenerz, jedoch meist arme Lagerstätten.
nadelförmigen Kristalle sind nach c gestreckt, mit Längs-
streifung und häufig kugelig-strahlige Aggregate bildend, Lepidokrokit (Rubinglimmer), γ -FeOOH
als Brauner Glaskopf mit spiegelglatter Oberfläche, trau-
big-nierige, zapfenförmige und stalaktitähnliche Formen Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m, dünne Täfelchen
mit radialstrahligem Gefüge. In anderen Fällen derbe, nach {010}, bisweilen auch divergent-blättrig angeordnet.
dichte und poröse oder pulverartige Massen bildend.
Pseudomorphosen nach verschiedenen Eisenmineralen. Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit (010) vollkommen, angedeutet nach
Physikalische Eigenschaften. (100), (001)
Spaltbarkeit {010} vollkommen Härte 5
Bruch muschelig Dichte 4,0
Härte 5–5½ Farbe, Glanz in Splittern rot bis gelbrot durchschei-
Dichte 4,5 im Mittel nend, lebhafter metallischer Glanz
Farbe, Glanz schwarzbraun bis lichtgelb, halbme- Strich bräunlichgelb bis orangebraun
tallisch auch seidenglänzend, daneben Viele Eigenschaften sind denen des Goethits sehr ähnlich.
Abb. 5.12.
Struktur von Diaspor α -AlOOH
und Goethit α -FeOOH, Projekti-
onen a auf (100), b auf (001).
Kantenverknüpfte Al(O,OH)6-
bzw. Fe(O,OH)6-Oktaeder bilden
Doppelketten // der c-Achse,
die versetzt miteinander durch
Van-der-Waals-Kräfte verbun-
den sind. (Nach Strunz und
Nickel 2001)
Literatur 93
Bedeutung. S. oben
Weiterführende Literatur
Zitierte Literatur
Abb. 5.13. Struktur von Böhmit γ -AlOOH und Lepidokrokit γ -FeOOH.
Kantenverknüpfte Al(O,OH) 6- bzw. Fe(O,OH)6-Oktaeder bilden Lindsley DL (1976) The crystal chemistry and structure of oxide
Doppelschichten // (010). (Nach Strunz und Nickel 2001) minerals as exemplified by the Fe-Ti oxides. In Rumble III D,
ed (1976) Oxide minerals. Rev Mineral 3:L1–L88
Meshik AP (2006) Natürliche Kernreaktoren. Spektrum der Wis-
Struktur. Lepidokrokit kristallisiert in der Struktur von
senschaft, Juni 2006, S 85–90
Böhmit γ -AlOOH; die FeO6-Oktaeder sind zu Doppelschich- Ringwood AE, Kesson SE, Ware NG, Hibberson WO, Major A (1979)
ten // (010) angeordnet, die untereinander durch Wasser- The SYNROC process: A geochemical approach to nuclear waste
stoff-Brückenbindungen verknüpft werden (Abb. 5.13). immobilization. Geochem J 13:141–165
6
Karbonate, Nitrate und Borate
6.1 Chemisch sind die Karbonate Salze der Kohlensäure H2CO3. Strukturell ist ihnen ein
Calcit-Gruppe, inselartiger Anionenkomplex [CO3]2– gemeinsam. Die zugehörigen Kationen kön-
– nen dabei einen kleineren oder einen größeren Ionenradius besitzen als das Ca2+
32/m
mit 1,08 Å. Die Karbonate mit einem kleineren Kation wie z. B. Mg2+, Zn2+, Fe2+ oder
6.2 Mn2+ kristallisieren ditrigonal-skalenoedrisch wie Calcit CaCO3 und haben Calcit-Struk-
Aragonit-Gruppe, tur (Abb. 6.1). Demgegenüber kristallisieren die Karbonate mit größeren Kationen
2/m2/m2/m wie Sr2+, Pb2+ oder Ba2+ mit einem Radius >1,08 Å rhombisch, und die Strukturen
ihrer Karbonate entsprechen derjenigen des Aragonits CaCO3. In der orthorhom-
6.3 bischen Aragonit-Struktur haben diese größeren Kationen 9 O als nächste Nachbarn
Dolomit-Gruppe anstatt 6 O; es steht ihnen ein entsprechend größerer Raum in der Struktur zur Ver-
fügung. Die hexagonale Vaterit-Struktur besteht aus Schichten von dicht gepackten
6.4 [CO3]-Gruppen ⊥ (0001), die mit Schichten von [8]-koordiniertem Ca wechsellagern.
Azurit-Malachit-Gruppe Die Trimorphie des CaCO3, das in der Calcit-, Aragonit- oder Vaterit-Struktur kristalli-
sieren kann, erklärt sich wesentlich aus der mittleren Größe des Ca2+ und seinem
6.5 mittleren Raumbedarf.
Nitrate Bei den komplizierten Strukturen der Azurit-Malachit-Gruppe ist in sehr verein-
fachter Beschreibung das Cu2+ oktaedrisch gegenüber O2– und (OH)– koordiniert.
6.6 Diese oktaedrischen Einheiten sind kettenförmig aneinandergereiht; es besteht über
Borate O-Brücken seitlich eine Verknüpfung mit den (CO3)-Gruppen.
Tabelle 6.1.
Wasserfreie und wasserhaltige
Karbonate. Ionenradien nach
Whittacker u. Muntus 1970
96 6 · Karbonate, Nitrate und Borate
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {1011} vollkommen, {0112} Gleitfläche
Härte 3 (Standardmineral der Mohs-Skala)
Dichte 2,7
Farbe, Glanz, op-
tisches Verhalten meist farblos, milchigweiß, durchschei-
Abb. 6.2. Tracht und Habitus bei Calcit. a Ditrigonales Skalenoeder nend bis klar durchsichtig, durch orga-
{2131} kombiniert mit Rhomboeder {1011}; b hexagonales Prisma nische Einschlüsse braun bis schwarz;
{1010} kombiniert mit ditrigonalem Skalenoeder {3251} und Rhom- Perlmutterglanz. Optisch rein als Islän-
boeder {0112}; c hexagonales Prisma {1010} kombiniert mit Rhom- discher Doppelspat (Abb. 1.29, S. 24),
boeder {0112}; d Rhomboeder {0112} kombiniert mit hexagonalem
Prisma {1010}; e das Basispinakoid {0001} dominiert stark gegenüber
sehr starke negative Doppelbrechung
Prisma und Skalenoeder; f Spaltrhomboeder mit polysynthetischer Wichtiges Erkennungsmerkmal: Calcit löst sich leicht in
Druckzwillingslamellierung verursacht durch Gleitung nach (0112) kalten verdünnten Säuren unter heftigem Brausen.
–
6.1 · Calcit-Gruppe, 32/m 97
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {1011} vollkommen
Härte 3½–4
Dichte 3,7–3,9
Farbe, Glanz lichtgraugelb, mit zunehmendem Oxida-
tionseinfluss gelblich bis gelbbraun und
schließlich dunkelbraun, dabei bunt an-
laufend; Glas- bis Perlmuttglanz, durch-
scheinend bis undurchsichtig
Abb. 6.5. Rhodochrosit mit Quarz, Pasto Bueno, Peru. Bildbreite 3,8 cm.
Struktur. Isotyp mit Calcit. Mineralogisches Museum der Universität Würzburg. (Foto: K.-P. Kelber)
6.2 · Aragonit-Gruppe, 2/m2/m2/m 99
Abb. 6.7.
Aragonit: Drilling nach (110)
mit pseudohexagonaler Sym-
metrie
Abb. 6.6. Fragmente aus der Struktur von a Calcit, projiziert auf (0001)
und b Aragonit projiziert auf (001). [CO3]2–: hellblaue Dreiecke, Ca2+:
dunkelblaue Kugeln. Beim Calcit ist Ca von sechs, beim Aragonit von
neun Sauerstoffen umgeben. (Nach Strunz und Nickel 2001)
100 6 · Karbonate, Nitrate und Borate
Chemismus. CaCO3, diadocher Ersatz des Ca2+ besonders Eine weitere, metastabile CaCO3-Modifikation ist der
durch Sr2+, auch Pb2+. hexagonale Vaterit, der sich bei niedrigen Temperaturen
aus wässerigen Lösungen ausscheidet und auch fossil-
Bildungsbedingungen und Vorkommen. Aragonit ist viel bildend auftritt.
seltener als Calcit und nur begrenzt gesteinsbildend. We-
gen seiner etwas dichteren Struktur als Calcit ist Arago- Strontianit, Sr[CO3]
nit die Hochdruckmodifikation von CaCO3, d. h. im Ver-
gleich zu Calcit liegt sein Stabilitätsfeld im Bereich hö- Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m, Kristalle wie Ara-
herer Drücke und niedrigerer Temperaturen, wobei die gonit nadelig oder dünnstängelig und oft büschelig grup-
Gleichgewichtskurve der Reaktion piert, Zwillingsbildungen wie Aragonit. Verbreiteter sind
stängelige und körnige Aggregate.
Aragonit Calcit (6.1)
Physikalische Eigenschaften.
etwa durch die Punkte 5 kbar/ 180 °C, 7 kbar/ 300 °C und Spaltbarkeit {110} deutlich
9 kbar/ 400 °C verläuft (Abb. 6.8). Stabil entsteht Arago- Bruch muschelig
nit daher unter den Bedingungen der Hochdruckmeta- Härte 3½–4
morphose, insbesondere in Subduktionszonen, in denen Dichte 3,8, deutlich höher als bei Aragonit
ein ungewöhnlich niedriger geothermischer Gradient Farbe, Glanz farblos oder durch Spurengehalte sehr
herrscht (Abschn. 24.2.5, S. 398, Abschn. 26.3.8, S. 467ff). schwach gefärbt; auf Kristallfächen
Obwohl Aragonit bei niedrigen Drücken, insbeson- Glas-, auf Bruchflächen Fettglanz,
dere bei Bedingungen der Erdoberfläche nicht stabil ist, durchsichtig bis durchscheinend
entsteht er doch metastabil in Hohlräumen vulkanischer
Gesteine, setzt sich als Bestandteil von Sinterkrusten oder Struktur. Isotyp mit Aragonit.
als Sprudelstein aus Thermalwässern oder Geysiren ab;
er bildet sich organogen als Perlmuttschicht natürlicher Chemismus. Stets wird Sr durch Ca diadoch ersetzt, maxi-
Perlen und der Schalen von Muscheln, Schnecken, Am- mal enthält Strontianit ca. 25 Mol.-% CaCO3-Komponente.
moniten, Korallen, Schwämmen und Algen, z. T. zu-
sammen mit Calcit. Bei Anwesenheit eines Lösungsmit- Vorkommen. Als Kluftfüllung in Kalksteinen oder Kalk-
tels oder längerem Reiben im Mörser geht Aragonit lang- mergeln, aus Gehalten des Nebengesteins stammend (La-
sam in die stabile Form Calcit über; bei Erhöhung der teralsekretion); gelegentlich in hydrothermalen Lager-
Temperatur auf 400 °C (bei P = 1 bar) dagegen sehr stätten und in Karbonatiten.
schnell. Diese Umwandlung ist monotrop, d. h. sie ist
nicht umkehrbar. Aragonit wandelt sich jedoch nicht in Technische Verwendung. In der Pyrotechnik, früher Bedeu-
Calcit um, wenn seine Struktur durch Sr-Einbau stabili- tung bei der Zuckergewinnung, Glas- und Keramik-
siert wird. industrie, Gewinnung des Metalls Strontium.
Abb. 6.9.
Cerussit: pseudohexago-
naler Drilling nach (110)
Witherit, Ba[CO3]
Physikalische Eigenschaften.
Ähnlich denen von Aragonit und Strontianit.
Spaltbarkeit {010} deutlich
Bruch muschelig, spröde
Härte 3½
Dichte 4,3, höher als diejenige von Aragonit
und Strontianit, jedoch niedriger als
Abb. 6.11. Das isobare Temperatur-Konzentrations-Diagramm mit der
die von Cerussit Mischungslücke im System Calcit–Dolomit. Der CO2-Druck ist nied-
Farbe, Glanz farblos, weiß, gelblich; Glasglanz, auf rig, etwa 50 bar, jedoch ausreichend, um eine Dekarbonatisierung
Bruchflächen Fettglanz zu verhindern. (Mod. nach Goldsmith u. Heard 1961)
Bedeutung. Im Mittelalter als Farbe für Gemälde verwendet. Niter (Kalisalpeter), K[NO3]
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {100} vollkommen, Bruch muschelig
Härte 2–2½
Dichte 1,7
Farbe, Glanz farblos, weiß, grau, gelb; Fettglanz;
durchscheinend; überzieht sich mit
einer trüben Rinde von Tincalconit
Na2[B4O5(OH)4] · 3H2O
Geschmack süßlich-alkalisch
Löslichkeit löst sich rasch in H2O
Ausbildung. Kristallklasse 2/m, z. T. in sehr großen Kris- Abb. 6.13. Ausschnitte aus Boratstrukturen; a Colemanit: Borat-Ket-
tallen, in grobspätigen Aggregaten. ten // der c-Achse, b-Achse horizontal; b Borax: Projektion auf (010),
c-Achse vertikal; c Borax: Projektion auf (100), c-Achse vertikal, dunk-
le Kreise: H2O; d Kernit: Projektion auf (001), Borat-Ketten // der b-
Physikalische Eigenschaften. Achse. Legende für a, b und d: [BO3OH]-Tetraeder: blau, [BO2OH]-
Spaltbarkeit {001} und {100} vollkommen, z. T. fa- Dreiecke: grün, Kationen Ca oder Na: rote Kugeln. (a, b und d nach
seriger Bruch Strunz und Nickel 2001; c nach Klein und Hurlbutt 1985)
Literatur 105
7.1 Bei den Kristallstrukturen der wasserfreien Sulfate bildet der Anionenkomplex
Sulfate [SO4]2– mit S im Mittelpunkt ein leicht verzerrtes Tetraeder, an dessen Ecken sich
4 O befinden. Der [SO4]-Komplex wird durch starke homöopolare Bindungskräf-
7.2 te zusammengehalten, während die Bindungen zwischen [SO4] und den Katio-
Chromate nen ausgesprochen heteropolar sind. Bei den Kristallstrukturen von Baryt,
Coelestin und Anglesit mit ihren relativ großen Kationen Ba2+, Sr2+ und Pb2+ bil-
7.3 den 12 O die nächsten Nachbarn in etwas verschiedenen Abständen. Dagegen
Molybdate ist das kleinere Ca2+ bei Anhydrit nur von 8 O-Nachbarn umgeben, die fast gleich
und Wolframate weit entfernt sind. Der Anionenkomplex ist dabei weniger verzerrt. Daraus erklä-
ren sich geometrische Unterschiede in der Anhydrit-Struktur gegenüber Baryt.
Man kann die rhombische Anhydrit-Struktur – wie auch die rhombischen Struk-
turen der Baryt-Gruppe – als deformierte NaCl-Struktur beschreiben, dessen Na-
Ionen durch Ca-Ionen und die Cl-Ionen durch SO4-Tetraeder ersetzt sind.
Gips als wasserhaltiges Sulfat besitzt in seiner Kristallstruktur [SO4]2–-Schich-
ten // (010) mit starker Bindung zu Ca2+. Diese Schichtenfolge wird seitlich durch
Schichten von H2O-Molekülen begrenzt. Die Bindung zwischen den H2O-Mole-
külen nach Art von Van-der-Waals-Kräften ist schwach. Das erklärt die vorzügli-
che Spaltbarkeit des Gipses nach {010}.
Tabelle 7.1.
Die wichtigsten in der Na-
tur vorkommenden Sulfate
108 7 · Sulfate, Chromate, Molybdate, Wolframate
Abb. 7.3. Ausschnitt aus der Baryt-Struktur projiziert auf (010). Man
Abb. 7.2. Barytrosen auf Cerussit, Mibladen, Marokko. Bildbreite erkennt [10]-koordinierte [BaO10]-Polyeder (gelb), die über vier
ca. 10 cm. Mineralogisches Museum der Universität Würzburg. Ecken und drei Kanten mit [SO4]-Tetraedern (blau) verknüpft sind.
(Foto: K.-P. Kelber) (Aus Strunz und Nickel 2001)
7.1 · Sulfate 109
Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m; die kleinen, jedoch Ausbildung. Kristallklasse 2/m; die oft großen monokli-
oft gut ausgebildeten Kristalle sind vorwiegend tafelig, nen Kristalle sind häufig tafelig ausgebildet nach dem
flächenreich und oft einzeln aufgewachsen, langprisma- seitlichen Pinakoid {010} (Abb. 7.4a,b), nicht ganz so oft
tischer Habitus ist seltener, Kristallformen sind denen prismatische (seltener nadelförmige) Entwicklung nach c,
des Baryts ähnlich. Derbe Krusten auf Galenit neben gut ausgebildete Kristalldrusen oder Kristallrasen inner-
Cerussit sind sekundär aus ersterem gebildet. halb von Höhlen (sog. Gipshöhlen: Abb. 7.6).
Nicht selten Zwillinge: Bei den sog. (echten) Schwalben-
Physikalische Eigenschaften. schwanzzwillingen (Abb. 7.4c) ist (100) Zwillings- und Ver-
Spaltbarkeit {001} vollkommen, {210} weniger deutlich wachsungsebene, während es bei den sog. Montmartre-
Bruch muschelig Zwillingen (Abb. 7.4d) aus dem Ton am Montmartre bei
Härte 3 Paris die Ebene (001) ist. Montmartre-Zwillinge mit stets
Dichte 6,3, auffallend hoch unterdrücktem Vertikalprisma sind meist linsenförmig
Farbe, Glanz farblos bis zart gefärbt; Diamantglanz, gekrümmt. Nicht selten auch Durchdringungszwillinge.
durchsichtig bis durchscheinend Derbe Massen von Gips sind feinkörnig bis spätig, als
Fasergips spaltenfüllend. Rein weißer, feinkörniger Gips
Chemismus. Bleigehalt 68,3%, mitunter erhebliche Ba-Gehalte. wird als Alabaster bezeichnet.
110 7 · Sulfate, Chromate, Molybdate, Wolframate
Abb. 7.6.
Riesenkristalle von Gips (Selenit) in der Gipshöhle Cueva de los
Cristales in der Naica-Mine von Santo Domingo, Chihuahua, Mexi-
ko. Sie zeigen den typischen Mondscheinglanz, nach dem die Varie-
tät Selenit ihren Namen erhalten hat. (Foto: Javier Trueba, Madrid,
mit Genehmigung von Contacto/Agentur Focus, Hamburg)
112 7 · Sulfate, Chromate, Molybdate, Wolframate
7.2 7.2
Chromate
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit nach {110}, ziemlich vollkommen
Bruch uneben bis muschelig
Härte 2½
Dichte 5,9–6,1
Farbe, Glanz rot, gelblichrot, orange (Abb. 7.8);
Strich gelborange; diamant- bis harz-
artiger, bisweilen fettiger Glanz
7.3 Tabelle 7.2. Die wichtigsten Chromate, Molybdate und Wolframatea 7.3
Molybdate und Wolframate
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit nach {101}, ziemlich deutlich Struktur. Die Kristallstruktur des Scheelits ist tetragonal-
Bruch muschelig, spröde innenzentriert und entspricht einer verzerrten Zirkon-
Härte 3 Struktur. Sie besteht aus isolierten, in c-Richtung leicht
Dichte 6,7–6,9 abgeflachten [WO4]4–-Tetraedern, die über O-Ca-O-Brü-
Farbe, Glanz gelb oder orangegelb, selten olivgrün, cken miteinander zu einem 3-dimensionalen Gerüst ver-
braun oder farblos; durchsichtig bis knüpft sind. Ca2+ ist gegenüber O [8]-koordiniert. In
durchscheinend; Diamant- bis Harz- Richtung der c-Achse liegen Schraubenachsen mit un-
glanz; terschiedlichem Drehsinn.
Härte 4–4½ stahl), es zeichnet sich durch einen extrem hohen Schmelz-
Dichte 6,7–7,5, sehr hoch, zunehmend mit hö- punkt aus (T = 3 410 °C), deshalb wird es als Faden (Ein-
herem Fe-Gehalt (d. h. höherem Ferbe- kristall) in Glühbirnen verwendet; Wolframkarbid (Widia)
ritanteil) hat fast die Härte von Diamant und dient u. a. der Her-
Farbe, Glanz schwarz; blendeartiger Glanz stellung von Spezialbohrkronen; zum Färben von Glas
Strich braun bis braunschwarz mit zuneh- und Porzellan, in der Raketentechnik.
mendem Fe-Gehalt
Weiterführende Literatur
Chemismus. Wolframit bildet eine vollständige Mischkris-
tallreihe zwischen den beiden Endgliedern FeWO4 (Fer- Alpers CN, Jambor JL, Nordstrom DK (eds) (2000) Sulfate minerals
berit) und MnWO4 (Hübnerit). Die fast reinen Endglieder – crystallography, geochemistry and environmental sigificance.
Rev Mineral Geochem 40
kommen weniger häufig vor. Chang LLY, Howie RA, Zussman J (1996) Rock-forming minerals.
Vol 5B, 2nd edn. Non-silicates: Sulphates, carbonates, phosphates,
Struktur. Da in der Wolframit-Struktur W – ebenso wie halides. Longmans, Harlow, Essex, UK
Fe und Mn – in [6]-Koordination auftritt, wird Wolfra- Ramdohr P, Strunz H (1978) Klockmanns Lehrbuch der Mineralo-
mit jetzt den 1 : 2-Oxiden (XO2) und nicht mehr den Wol- gie, 16. Aufl. Enke, Stuttgart
Strunz H, Nickel EH (2001) Strunz Mineralogical Tables, 9th edn.
framaten zugeordnet (Strunz u. Nickel 2001). Schweizerbart, Stuttgart
Tabelle 8.1.
Phosphate, Arsenate,
Vanadate
116 8 · Phosphate, Arsenate, Vanadate
Härte 3½–4
Dichte 6,7–7,0
Farbe, Glanz meist grün (durch Spuren von Cu:
„Grünbleierz“), braun („Braunbleierz“)
oder gelb, grau oder farblos, seltener
orangerot; auf Kristallflächen Dia-
mant-, auf Bruchflächen Fettglanz,
durchscheinend
9.1 Die dominierende Rolle der natürlichen Silikate (einschließlich Quarz) besteht darin,
Inselsilikate dass sie mit einem Anteil von etwas über 90 Vol.-% am stofflichen Aufbau der Erd-
(Nesosilikate) kruste beteiligt sind (Tabelle 1.5, S. 29). Darüber hinaus besitzen sie eine überra-
gende technische und wirtschaftliche Bedeutung als mineralische Rohstoffe.
9.2
Gruppensilikate
(Sorosilikate)
9.3
Ringsilikate
(Cyclosilicate)
9.4
Ketten- und
Doppelkettensilikate
(Inosilikate)
9.5
Schichtsilikate
(Phyllosilikate)
9.6
Gerüstsilikate
(Tektosilikate)
Abb. 9.1. Die Bauprinzipien der Silikatstrukturen. a Inselsilikate, b Gruppensilikate, c–e Ringsilikate:
c Dreierringe, d Viererringe, e Sechserringe; f Kettensilikate, g Doppelkettensilikate, h Schichtsilikate,
i Gerüstsilikate (Sodalith-Käfig)
120 9 · Silikate
Ketten- und Doppelkettensilikate (Inosilikate, engl. nachbarten Tetraedern verknüpft. Jedem Si sind
auch chain silicates) mit eindimensional unendli- damit nur 4 halbe O zugeordnet. Daraus ergibt sich
chen Tetraederketten oder Tetraederdoppelketten, für das dreidimensionale Gerüst die Formel SiO2,
wobei jedes Si 2 seiner O mit den in der Kettenrich- identisch mit der Formel des Siliciumdioxids
tung benachbarten Si teilt. Das Verhältnis Si : O wird Quarz, einer elektrostatisch abgesättigten Struktur.
damit ebenso wie bei der Ringbildung 1 : 3. Bei dem Gerüstsilikate im eigentlichen Sinne sind nur mög-
wichtigsten Vertreter, der Pyroxen-Familie, liegt eine lich, wenn ein Teil des Si4+ durch Al3+ ersetzt ist.
eindimensionale Verknüpfung von Tetraederver- Dadurch erhält die Struktur eine negative Ladung,
bänden der Zusammensetzung [Si2O6]4– vor. zu deren Absättigung der Einbau von Kationen not-
Beispiele: Hypersthen (Mg,Fe)[6] 2 [Si2O6] oder Diop- wendig ist. Da das dreidimensionale Gerüst stark
sid Ca[8]Mg[6][Si2O6]. aufgelockert ist, haben in den großen Hohlräumen
Bei den unendlichen Doppelketten sind 2 ein- große Kationen wie K+, Na+, Ca2+ etc. Platz. Es
fache Ketten von SiO4-Tetraedern seitlich mitein- kommt zur Bildung von Alumosilikaten, wie z. B.
ander über 1 Brückensauerstoff verbunden. Damit den Feldspäten oder Feldspatvertretern.
hat gegenüber der einfachen Kette jedes 2. Tetrae- In manchen Fällen sind in das lockere Gerüst
der ein weiteres O mit einem Tetraeder der Nach- noch große fremde Anionen (wie Cl–, SO2– 4 etc.)
barkette gemeinsam. Daher besitzt die Doppelkette oder selbständige Wassermoleküle eingebaut.
die Zusammensetzung [Si4O11]6– als strukturelle Die Wassermoleküle sind in den betreffenden Sili-
Grundeinheit. katen besonders locker gebunden. Sie entweichen
Die silikatische Doppelkette enthält freie Hohl- bei Temperaturerhöhung leicht aus der Struktur,
räume, in die (OH)–- und F–-Ionen eintreten kön- ohne dass diese zusammenbricht. In mit Wasser-
nen. Diese Anionen sind nicht an Si-Ionen gebun- dampf gesättigter Atmosphäre wird das Wasser
den, stellen vielmehr sog. Anionen 2. Stellung dar. wieder aufgenommen und eingebaut. Diese was-
Beispiele: Amphibol-Familie mit Anthophyl- serreichen Gerüstsilikate gehören zu der umfang-
lit (Mg,Fe) 7[6] [(OH) 2 /(Si 8 O 22 )] oder Tremolit reichen, technisch wichtigen Mineralgruppe der
Ca[8] [6]
2 Mg5 [(OH,F)2/(Si8O22)]. Zeolithe.
Schichtsilikate (Phyllosilikate, engl. auch sheet sili- Die lockere Packung der Gerüstsilikate führt zu
cates) mit zweidimensional unendlichen Tetraeder- relativ niedriger Dichte und zu relativ niedrigen
schichten. Hier treten infolge weiterer Polymerisa- Werten von Licht- und Doppelbrechung der betref-
tion [SiO4]-Tetraederketten in unbegrenzter Anzahl fenden Minerale.
zu zweidimensionalen Schichten zusammen. Jedes
[SiO4]-Tetraeder besitzt drei Brückensauerstoffe zu
benachbarten Tetraedern. Das Si : O-Verhältnis 9.1 9.1
wird damit zu 2 : 5 oder [Si2O5]2– bzw. [Si4O10]4–. Inselsilikate (Nesosilikate)
Auch die silikatischen Schichten enthalten wie
die Doppelketten freie Hohlräume, in die (OH)–- Tabelle 9.1. Wichtige Inselsilikate
und F–-Ionen eintreten können.
Beispiele:
– Pyrophyllit Al2[(OH)2/Si4O10]
– Talk Mg3[(OH)2/Si4O10]
– Muscovit K+{Al2[(OH)2/AlSi3O10]}–
– Phlogopit K+{Mg3[(OH,F)2/AlSi3O10]}–
Bei den Glimmern Muscovit und Phlogopit sind
¼ der Si[4]-Plätze im Kristallgitter durch Al[4] er-
setzt. Damit ist der innerhalb der geschweiften
Klammer befindliche Komplex einfach negativ ge-
laden und der elektrostatische Valenzausgleich kann
durch Eintritt von K+ erfolgen. Die Formel des Mus-
covits wird aus der Pyrophyllit-Formel, diejenige
des Phlogopits aus der Talk-Formel abgeleitet.
Gerüstsilikate (Tektosilikate, engl. auch framework
silicates). In diesen Silikatstrukturen sind die
[SiO4]-Tetraeder über sämtliche vier Ecken mit be-
122 9 · Silikate
Olivin, (Mg,Fe)2[SiO4]
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {010} deutlich
Bruch muschelig
Härte 6½–7
Dichte 3,2 (Forsterit) bis 4,3 (Fayalit)
Farbe, Glanz olivgrün, auch gelblichbraun bis rot-
braun (abhängig vom Fayalit-Gehalt),
Glasglanz auf Kristallflächen, Fett-
glanz auf Bruchflächen, durchsichtig
bis durchscheinend Abb. 9.3. Schema der Olivin-Struktur (Endglied Forsterit) // a in die
(100)-Ebene projiziert. Zwischen den inselartigen SiO4-Tetraedern
Struktur. Die Olivinstruktur kann man als eine // (100) (Si ist nicht eingezeichnet) liegt Mg[6] innerhalb der oktaedrischen
angenähert hexagonal dichte Kugelpackung der Sauer- Lücken, d. h. dass Mg jeweils 6 O als nächste Nachbarn besitzt.
stoffe beschreiben (Abb. 9.3). Dabei befindet sich Si in (Nach Bragg u. Bragg, aus Evans 1976)
den kleineren tetraedrischen Lücken zwischen 4 O. Die
Mg- bzw. Fe2+-Ionen nehmen die etwas größeren oktaed- cherem Kern. Hauptgemengteil in den Gesteinen des
rischen Lücken mit 6 O als nächste Nachbarn ein. Oberen Erdmantels, Gemengteil von Meteoriten, insbe-
Unter sehr hohen Drücken, etwa ab 50 kbar, geht die sondere Chondriten. Olivin wandelt sich unter Wasser-
Olivinstruktur in die noch dichter gepackte Spinell- aufnahme sekundär in Serpentin um.
struktur über (Abschn. 27.3.3, S. 491).
Olivin als Rohstoff. Dunite, das sind fast monomineralische,
Chemismus. Olivin bildet eine lückenlose Mischkristallrei- aus Forsterit-reichem Olivin bestehende Gesteine, sind ein
he zwischen den beiden Endgliedern Forsterit Mg2SiO4 wichtiger Rohstoff zur Herstellung feuerfester Forsterit-
und Fayalit Fe2SiO4 (Abb. 16.14, S. 269f). In dem gewöhnli- Ziegel. Chrysolith oder Peridot sind klare, olivgrün gefärb-
chen gesteinsbildenden Olivin überwiegt stets Forsterit te Olivin-Kristalle, die als Edelstein geschätzt werden.
mit 90–70 Mol.-% gegenüber Fayalit. Charakteristisch ist ein
geringer diadocher Einbau von Ni2+ anstelle von Mg2+, auch Zirkon, Zr[SiO4]
von Mn2+ anstelle von Fe2+, letzteres besonders in den
Fayalit-reichen Olivinen. Ausbildung. Kristallklasse 4/m2/m2/m, die kurzsäuligen,
meist eingewachsenen Kristalle weisen häufig eine einfa-
Vorkommen. Olivin ist ein wichtiges gesteinsbildendes che Kombination des tetragonalen Prismas {100} oder {110}
Mineral in ultramafischen Gesteinen, nicht selten auch mit der tetragonalen Dipyramide {101} auf; aber auch {101}
in Basalten als zonar gebaute Einsprenglinge mit Mg-rei- allein oder flächenreichere Kristalle kommen vor (Abb. 9.4,
Abb. 9.5. Zirkon-Kristall mit zwei verschiedenen tetragonalen Abb. 9.6. Mikrofoto eines Zirkon-Kristalls aus einem Leukogranit
Dipyramiden {101} und {301} im Pegmatit. Hunza-Tal, Kaschmir. nahe Dannemora, Adirondack Mountains, Staat New York (Nasdala
Bildbreite ca. 2 cm. Mineralogisches Museum der Universität Würz- et al. 2005). Schnitt parallel der c-Achse, Länge des Kristalls 360 µm
burg. (Foto: K.-P. Kelber) (= 0,36 mm), Dicke des Dünnschliffs 30 µm, gekreuzte Polarisato-
ren (+Nic.). Der Kristall zeigt größtenteils primären Zonarbau und
9.5); unter dem Mikroskop ist oft Zonarbau zu erkennen weist moderate Strahlenschädigung auf, erkennbar an einer deutli-
chen Verringerung der Doppelbrechung mit Interferenzfarben
(Abb. 9.6). Häufig tritt Zirkon auch in Form loser abgeroll-
2. Ordnung. Demgegenüber zeigt der rundliche, Uran-arme Kern hohe
ter Körner auf sekundärer Lagerstätte auf (Zirkon-Seifen). Interferenzfarben (rosarot 3. Ordnung), wie sie für Zirkon ohne nen-
Kristalltracht und Kristallhabitus des Zirkons hängen emp- nenswerte Strukturschäden typisch sind. (Foto: Lutz Nasdala, Wien)
findlich von den Entstehungsbedingungen ab.
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {100} unvollkommen
Bruch muschelig
Härte 7½
Dichte 4,7 (relativ hoch)
Farbe, Glanz gewöhnlich braun, auch farblos, gelb,
orangerot, seltener grün; Diamant-
oder Fettglanz, undurchsichtig bis
durchscheinend, bei Edelsteinqualität
auch durchsichtig
strahlengeschädigt (Abb. 9.6) oder sogar weitgehend zer- Altersbestimmung. Wegen seines Th- und U-Gehalts wird
stört: das Mineral ist in einen sog. metamikten Zustand über- Zirkon schon seit langem zur isotopischen Altersbestim-
geführt. Dadurch nehmen Dichte und Härte merklich ab. mung von magmatischen und metamorphen Gesteinen
genutzt, insbesondere mit der Uran-Blei-Methode (Ab-
Chemismus. Das Zirkonium in der Kristallstruktur wird stets schn. 31.5.3, S. 574f). Die Datierung von Zirkonen, die
bis zu einem gewissen Grad durch Hf, Th und U diadoch als Schwermineral in Sedimentgesteinen vorkommen,
ersetzt. Hafnium wurde zuerst im Jahre 1922 im Zirkon auf- kann Altersinformationen über das Abtragungsgebiet lie-
gefunden. Darüber hinaus enthält Zirkon ein breites Spek- fern, aus dem diese Zirkone stammen, und so wichtige
trum an Spurenelementen, u. a. Seltene Erden und P. Hinweise für die plattentektonische Rekonstruktion al-
ter Kratone und Orogene geben. Wesentliche methodi-
Vorkommen. Als verbreiteter akzessorischer Gemengteil sche Fortschritte in der Isotopenanalytik erlauben heu-
tritt Zirkon in mikroskopisch kleinen Kriställchen in vie- te die Datierung von einzelnen Zirkon-Kristallen und
len magmatischen und metamorphen Gesteinen auf, am sogar die ortsauflösende Altersbestimmung unterschied-
häufigsten in Nephelinsyeniten und Pegmatiten, in letz- licher Wachstumsstadien in zonar gebauten Einzel-
teren auch in größeren Kristallen und lagerstättenkund- zirkonen (Harley und Kelly 2007).
lich bedeutsamer Anreicherung. Verbreitet als Schwer-
mineral in Sanden und klastischen Sedimentgesteinen, Granat-Gruppe, X2+ 3+
3 Y2 [SiO4]3
angereichert in Seifen, auch Edelsteinseifen. Die sog.
pleochroitischen Höfe um mikroskopisch kleine Zirkon- In dieser Strukturformel sind in natürlichen Granaten
einschlüsse, vorzugsweise im Glimmer, gehen auf die ra- die Positionen folgendermaßen besetzt:
dioaktive Einwirkung von Th und U zurück.
X2+ = Mg, Fe2+, Mn2+, Ca
Bedeutung als mineralischer Rohstoff. Zirkon ist ein wichtiger Y3+ = Al[6], Fe3+, Cr3+, V3+
mineralischer Rohstoff, so zur Gewinnung der Elemente Zr
und Hf und von Zr-Verbindungen. Zr findet Verwendung Endglieder der sog. Pyralspit-Reihe sind:
als Legierungsmetall (Ferrozirkon) und Reaktormaterial.
Zirkon-Niob-Legierungen werden als Supraleiter genutzt; Pyrop Mg3Al2[SiO4]3
Gläser aus Zr-(und Hf-)Fluoriden haben eine extrem hohe Almandin Fe3Al2[SiO4]3
Durchlässigkeit im Infrarot und finden daher in der Glas- Spessartin Mn3Al2[SiO4]3
faser-Technik Verwendung. Zirkon zersetzt sich erst bei ca.
1 660 °C zu ZrO2 (Zirkonia) und SiO2; Zirkonia hat einen Endglieder der sog. Ugrandit-Reihe sind:
Schmelzpunkt von ca. 2 700 °C! Daher stellen schlickerge-
gossene Ziegelsteine aus polykristallinem Zirkon oder Tie- Uwarowit Ca3Cr2[SiO4]3
gelmaterial aus Zirkonia mechanisch widerstandsfähige, Grossular Ca3Al2[SiO4]3
säurebeständige und hochfeuerfeste Werkstoffe dar. Poröse, Andradit Ca3Fe2[SiO4]3
ZrO2-basierte Keramik bildet hervorragende Wärmeisola-
toren; in Behältern aus Zirkonia können Hochtemperatur- Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Endglieder
gläser und Metalle, z. B. Platin, geschmolzen werden. Andere von Granat synthetisiert worden, die – wenn überhaupt
Verbindungen des Zirkoniums werden zu Glasuren in der – in der Natur nur eine sehr begrenzte Bedeutung besit-
keramischen Industrie und in der Glasindustrie verwendet. zen, aber z. T. technisch wichtig sind.
Durchsichtige, schön gefärbte Zirkone sind geschätzte Edel-
steine, z. B. der bräunlich- bis rotorange gefärbte Hyazinth. Ausbildung. Kristallklasse 4/m32/m, kubische Kristalle
Auch grün gefärbte Zirkone sind bekannt, während intensiv überwiegend Rhombendodekaeder {110}, auch Ikosite-
blau gefärbter, geschliffener Zirkon fast stets durch Brennen traeder {211} und deren Kombinationen (Abb. 9.8), sel-
künstlich verändert wurde. Hauptförderländer für Zirkon tener auch in Kombination mit {hkl}, vorwiegend im
von Edelsteinqualität sind derzeit Australien, Kambodscha, Gestein eingewachsen, auch in gerundeten Körnern und
Myanmar (Burma), Sri Lanka und Thailand (Watson 2007). Kornaggregaten, Zonarbau ist häufig.
Abb. 9.8.
Granat, unterschiedliche Flä-
chenkombinationen
9.1 · Inselsilikate (Nesosilikate) 125
Struktur. Sie baut sich aus alternierenden, eckenverknüpf- Zu dieser trimorphen Gruppe gehören die Minerale
ten YO6-Oktaedern und [SiO4]-Tetraedern auf, die gewin- Sillimanit, Andalusit und Kyanit (Disthen). Sillimanit
kelte Ketten // den drei Würfelkanten der Einheitszelle Al[6]Al[4][O/SiO4] und Andalusit Al[6]Al[5][O/SiO4] kris-
bilden. Dadurch entsteht ein dreidimensionales Gerüst tallisieren rhombisch, Kyanit Al[6]Al[6][O/SiO4] triklin.
mit pseudokubischen Lücken, in denen die [8]-koordi- Die wechselnden Koordinationsverhältnisse des Al bei
nierten X2+-Kationen sitzen (Abb. 9.9). diesen drei Aluminiumsilikaten sind in Strukturunter-
Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass schieden begründet. Vergleichbar sind bei ihnen die
die Bildung mancher Granate durch hohe bis sehr hohe über gemeinsame Kanten verknüpften [AlO6]-Oktaeder
Drücke begünstigt wird. Das gilt besonders für die Pyrop- // zur c-Achse. Im Übrigen ist die Struktur von Kyanit
reichen Granate, die auch unter P-T-Bedingungen des dichter gepackt als diejenige der beiden anderen Modi-
oberen Erdmantels existenzfähig sind. fikationen (Abb. 9.10a–c). Diese Kristallstrukturen er-
klären die Spaltbarkeiten nach {010} beim Sillimanit,
{110} beim Andalusit sowie {100} und {010} beim Kyanit,
außerdem die Anisotropie der Härte beim Kyanit (vgl.
Abb. 1.20, S. 17). Die Stabilitätsbeziehungen der Al2SiO5-
Minerale sind im P-T-Diagramm Abb. 25.2 (S. 427)
dargestellt. Andalusit mit der geringsten Dichte ist auf
die niedrigsten Drücke beschränkt. Er geht bei Druck-
steigerung in Abhängigkeit von der Temperatur in die
jeweils dichtere Phase über, entweder in Kyanit oder in
Sillimanit. Sillimanit ist die stabile Hochtemperatur-Mo-
difikation unter den drei polymorphen Mineralphasen.
Er geht bei starker Zunahme des Drucks in Kyanit über.
Alle drei Al2SiO5-Phasen können nur bei einer ganz
bestimmten Druck-Temperatur-Kombination stabil
nebeneinander bestehen, am sog. Tripelpunkt bei etwa
4 kbar und 500 °C. Al-Silikate geben wichtige Hinwei-
Abb. 9.9. Granat-Struktur, Ebene // {100}. Eckenverknüpfte [SiO4]-
se für die Druck-Temperatur-Bedingungen, unter de-
Tetraeder (blau), [AlO6]-Oktaeder (gelb) und verzerrte X[8]-Hexae-
der (grün). Sauerstoffe: rosa Kugeln. (Aus Zoltai u. Stout 1985) nen ein metamorphes Gestein gebildet wurde.
126 9 · Silikate
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {010}, die Prismen besitzen eine Quer-
absonderung
Härte 6½
Dichte 3,2
Farbe, Glanz weiß, gelblichweiß, grau, bräunlich oder
grünlich; Glasglanz, faserige Aggregate
mit Seidenglanz, durchscheinend
Andalusit, Al[6]Al[5][O/SiO4]
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {110} mitunter deutlich
Bruch uneben, muschelig
Härte 7½
Dichte 3,2
Farbe, Glanz grau, rötlich, dunkelrosa oder bräun-
lich; Glasglanz
Verbreitet Zwillingsbildung nach (100). Eingewachsen und {112} und das Basispinakoid {001}. Häufig auch in
in metamorphen Gesteinen. stängeligen Aggregaten (Varietät Pyknit) oder körnig.
Topas, Al2[F2/SiO4]
Staurolith, Fe2Al9[O6(O,OH)2/(SiO4)4]
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {010} bisweilen deutlich
Bruch uneben, muschelig
Härte 7–7½
Dichte 3,7–3,8
Struktur. Die relativ komplizierte Kristallstruktur besitzt eine Ausbildung. Kristallklasse 2/m, überwiegend tafelige, pris-
annähernd kubisch dichteste Kugelpackung, in der Al ok- matische, keilförmige (Varietät Sphen von grch. σϕήν
taedrisch, Si und – ungewöhnlicherweise! – auch Fe2+ = Keil), in magmatischen Gesteinen häufig Briefkuvert-
tetraedrisch koordiniert sind. Sehr vereinfacht lässt sich die förmige Kristalle mit monoklinen Prismen {111} sowie
Struktur durch 8 Einheiten der Kyanit-Struktur mit abwech- den Pinakoiden {100}, {001} und {102} (Abb. 9.16).
selnd zwischengelagerten Fe2AlO3(OH)-Schichten // (100)
beschreiben. Die nicht selten auftretenden Parallelver- Physikalische Eigenschaften.
wachsungen zwischen Staurolith (010) und Kyanit (100) mit Spaltbarkeit {110}, auch {111}, bisweilen deutlich
gemeinsamer c-Achse sind auf diese Weise erklärbar. Bruch muschelig, spröde
Härte 5–5½
Chemismus. In der oben aufgeführten chemischen For- Dichte 3,4–3,6
mel des Stauroliths kann Fe2+ durch Mg und Al durch Farbe, Glanz gelbgrün bis grün in der Varietät Sphen
Fe3+ bis zu einigen Prozenten ersetzt sein. Auch Mn2+ und alpiner Klüfte, braun bis dunkelbraun
Zn2+ können Fe2+ bis zu einem gewissen Grad ersetzen. in Titaniten magmatischer Gesteine;
starker Harz- bis Glasglanz
Vorkommen. Charakteristischer Gemengteil Fe- und Al-rei-
cher metamorpher Sedimentgesteine (Metapelite), häufig Struktur. Die Struktur baut sich aus isolierten [SiO4]-
neben almandinbetontem Granat und Biotit. Sekundär als Tetraedern auf, die durch [CaO7]-Polyeder und [TiO6]-
Schwermineral in Sanden und Sandsteinen. Oktaeder verknüpft werden.
Chloritoid, (Fe,Mg,Mn)Al2[O/(OH)2/SiO4] Chemismus. Ca kann diadoch durch Y (bis hin zum Yttro-
titanit), Ce und andere Seltenerd-Elemente, Ti durch Al,
Ausbildung. Kristallklasse 2/m oder 1, sechsseitige Tafeln, Fe3+, Nb und Ta ersetzt werden.
meist aus polysynthetischen Zwillingslamellen beste-
hend, die übereinander geschichtet sind, sehr einfache Vorkommen. Verbreiteter akzessorischer Gemengteil in Mag-
Kristallformen, oft in radialstrahligen Aggregaten. matiten, besonders in Dioriten, Syeniten und Nephelinsye-
niten, sowie in Metamorphiten, besonders Amphiboliten.
Physikalische Eigenschaften. Die Varietät Sphen kommt auf alpinen Klüften vor.
Spaltbarkeit {001} vollkommen
Härte 6½ Wirtschaftliche Bedeutung. Gelegentlich zu Edelsteinen
Dichte 3,5–3,8 verschleifbar.
Farbe, Glanz dunkelgrün bis schwarz, in dünnen
Plättchen grasgrün; Glasglanz 9.2 9.2
Gruppensilikate (Sorosilikate)
Struktur. Dicht gepackte Oktaederschichten mit den Zu-
sammensetzungen Al(O,OH)6 und Fe(O,OH)6 wechsel- Melilith-Reihe: Gehlenit, Ca2Al[4][Al[4]SiO7] –
lagern // (001) und werden durch isolierte [SiO4]-Tetra- Åkermanit, Ca2Mg[4][Si2O7]
eder verknüpft.
Ausbildung. Kristallklasse 42m, kurzsäulige, dicktafelige
Chemismus. Al kann teilweise durch Fe3+, Fe2+ durch Mg oder quaderartige Kristalle, im Gestein eingewachsen
ersetzt werden, insbesondere bei steigenden Bildungs- oder in Hohlräumen aufgewachsen.
drücken (Mg-Chloritoid); Ottrelith ist ein Mn-reicher
Chloritoid. Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {001} oft deutlich, gelegentlich {110}
Vorkommen. Charakteristischer Gemengteil Fe- und Al- Härte 5–6
reicher metamorpher Sedimentgesteine (Metapelite), Dichte 2,9–3,0
entsteht bei niedrigeren Metamorphose-Temperaturen Farbe, Glanz farblos, häufiger gelb, braun; auf fri-
als Staurolith. schem Bruch Fettglanz
130 9 · Silikate
Tabelle 9.2.
Wichtige Gruppensilikate
Struktur. Die Kristallstruktur von Epidot enthält als Anionen- und sollte besser vermieden werden. Beim theoretischen Ferri-
gerüst sowohl inselförmig angeordnete [SiO4]-Tetraeder als epidot-Endglied (mit Al: Fe3+ = 1:2) befindet sich Fe3+ auf den
auch isolierte [Si2O7]-Gruppen. Drei verschiedene, kanten- M1- und M3-Plätzen; Zusätzlich bestehen zahlreiche weitere
verknüpfte Oktaeder-Gruppen [Al,Fe3+O6] bilden Ketten Möglichkeiten für den Einbau fremder Kationen mit pas-
// der b-Achse, von denen die M1-M3-Ketten gewinkelt, die sendem Ionenradius (Armbruster et al. 2006). So wird beim
M2-Ketten gerade sind (Abb. 9.18b,c). Diese Ketten sind Piemontit das Al auf der M3-Position durch Mn3+ ersetzt.
mit den beiden inselförmigen Gruppen zu einem drei-
dimensionalen Gerüst verbunden (Abb. 9.18a). Die großen, Weitere mögliche Fremdionen sind V3+ auf M1 und Fe3+ auf M3 beim
Vanadoepidot, V3+ auf M3 beim Mukhinit, Cr 3+ auf M3 beim
[8]-koordinierten Ca2+-Ionen nehmen unterschiedlich ge-
Tawmawit bzw. C3+ auf M1 und M3 beim Chromotawmawit sowie
formte Lücken der Struktur ein, die mit A1 und A2 bezeich- Mn3+ auf M1 und M3 beim Manganipiemontit.
net werden, wobei der Ca–O-Abstand variiert.
Die großen Lücken in der Epidot-Struktur mit den Positio-
Chemismus. „Epidot“ ist Gruppenname für die vollständige nen A1 und A2 sind bei den meisten Vertretern der Epidot-
Mischkristallreihe zwischen den (theoretischen) Endglie- Gruppe mit Ca2+ besetzt. Dieses kann teilweise durch Sr2+
dern Klinozoisit (mit Al:Fe3+ = 3:0) und Epidot (mit Al : Fe3+ und Pb2+ auf A2 oder durch Mn2+ auf A1 ersetzt werden.
= 2 : 1). Im Klinozoisit-Endglied sind also alle Oktaederpo- Beim Allanit (Orthit) werden auf der A2-Position Ce3+ und
sitionen mit Al besetzt, während im Epidot-Endglied die M3- andere dreiwertige Seltenerd-Elemente anstelle von Ca2+
Position Fe3+ enthält. Mischkristalle mit <40 Mol.-% Epidot- eingebaut. Der Ladungsausgleich erfolgt über einen gekop-
Endglied werden als Klinozoisit, solche mit >40 Mol.-% Epi- pelten Ersatz Ca2+Al3+ Ce3+Fe2+, bei dem Al3+ gegen Fe2+
dot-Endglied als Epidot bezeichnet. Der Name „Pistazit“ für auf der M3-Position ausgetauscht wird.
Fe-reichen Epidot ist international nicht mehr gebräuchlich
Auch hier gibt es weitere gekoppelte Substitutionsmöglichkeiten
durch Mg2+ und Mn2+ auf M3, z. T. kombiniert mit Mn3+, Fe3+, V3+
und/oder Cr3+ oder auch Mg2+, Fe2+ und/oder Mn2+ auf M1.
Zoisit, Ca2Al3[(O/OH)/SiO4/Si2O7]
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {100} vollkommen
Bruch uneben
Härte 6
Dichte 3,2–3,4
Farbe, Glanz grau, braungrau, grünlich, die Mn-
haltige Varietät Thulit ist rosa. Tansa-
nit ist ein blauer Zoisit, der als Edel-
stein verschliffen wird; Glasglanz, auf
(100) z. T. Perlmuttglanz
Abb. 9.18. Struktur von Klinozoisit. a Projektion auf (010). Kanten-
verknüpfte [Al,Fe3+O6]-Oktaeder (gelb) bilden Ketten // der b-Achse, Struktur. Ähnlich Epidot.
wobei die M1- und M3-Oktaeder (b) gewinkelt, die M3-Oktaeder (c)
gerade sind (kleine offene Kreise: H+-Ionen). Diese Ketten werden
durch isolierte [SiO4]-Tetraeder (blau) und [Si2O7]-Gruppen (rot) zu
Chemismus. Nur geringer Einbau von Fe3+ und Mn3+.
einem Gerüst (a) verbunden, in dessen A1- und A2-Lücken das große
Ca2+-Ion sitzt (große blaue Kugeln). (Nach Armbruster et al. 2006) Vorkommen. In metamorphen Gesteinen, z. B. in Eklogiten.
132 9 · Silikate
Vesuvian, Ca19Al10(Mg,Fe)3[(OH,F)10/(SiO4)10/(Si2O7)4]
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit kaum erkennbar
Bruch muschelig-splittrig
Härte 6–7
Dichte 3,3–3,5, abhängig vom variierenden
Chemismus
Farbe, Glanz am häufigsten verschiedene Gelb-,
Braun- oder Grüntöne; an Kanten oft
durchscheinend, Glas- bis Fettglanz
Abb. 9.21.
Beryll: a einfache Tracht;
b mit zusätzlichen hexa-
gonalen Dipyramiden
Vorkommen. In Oxidationszonen von Cu-Lagerstätten. Abb. 9.23. Turmalin: a Vertikalstreifung und Rundung im Schnitt
⊥ der c-Achse; b, c polare Ausbildung der Kristalle mit verschiede-
Verwendung. Gelegentlich als Schmuckstein verschliffen. nen trigonalen Pyramiden als Endbegrenzung
9.3 · Ringsilikate (Cyclosilicate) 135
Alkali-Turmaline
Ca-Turmaline
Leerstellen-Turmaline
Abb. 9.25. Scheingerundete Kristalle von Turmalin mit ausgeprägtem
Zonarbau in einem Pegmatit von Omaruru, Namibia. Bildbreite 3 cm. Die theoretischen Endglieder der Turmalin-Gruppe
Mineralogisches Museum der Universität Würzburg. (Foto: K.-P. Kelber) sind in Tabelle 9.4 zusammengestellt.
136 9 · Silikate
Farbvarietäten. Der tiefschwarze, Fe-reiche Turmalin wird (Abb. 9.24) und der rosarote bis rote Rubellit, der Mn-,
als Schörl bezeichnet; betont Mg-reich ist der braune bis Li- und Cs-haltig ist; nicht so häufig kommt der blaue
grünlichbraune Dravit; der viele Farben zeigende Elbait Indigolith vor; selten gibt es auch farblosen Turmalin.
enthält Li; Turmalin-Varietäten von Edelsteinqualität
sind neben dem Elbait der grüne, Cr-haltige Verdelith Vorkommen. Turmalin ist häufiger akzessorischer Ge-
mengteil in Pegmatiten oder hochhydrothermal beein-
Tabelle 9.4. Besetzung der X-, Y-, Z-, V und W-Position in den theo- flussten Graniten, hier auch Drusenmineral. Als mikros-
retischen Endgliedern der Turmalin-Gruppe nach Hawthorne und kopischer Gemengteil in den verschiedensten Gesteinen
Henry (1999)
sehr verbreitet; auch als detritisches Schwermineral und
als Mineralneubildung in Sedimenten.
9.4 9.4
Ketten- und Doppelkettensilikate (Inosilikate)
Zu den Ketten- und Doppelkettensilikaten gehören
zwei wichtige Gruppen von gesteinsbildenden Mine-
ralen:
Pyroxene und
Amphibole.
Abb. 9.27.
Pyroxen, Schnitt ⊥ [001] mit
angedeuteter Spaltbarkeit nach
{110}. Rechts daneben die enge
Beziehung zur Pyroxen-Struktur
mit ihren relativ schwächeren
seitlichen Bindungskräften zwi-
schen den [SiO3]-Ketten, die // c
verlaufen. Spaltwinkel 87° bzw. 93°
Abb. 9.28.
Amphibol, Schnitt ⊥ [001] mit
vollkommener Spaltbarkeit nach
{110}. Rechts daneben die enge
Beziehung zur Amphibol-Struk-
tur mit ihren relativ schwäche-
ren seitlichen Bindungskräften
zwischen den [Si4O11]-Doppel-
ketten, die // c verlaufen. Spalt-
winkel 124° bzw. 56°
9.4 · Ketten- und Doppelkettensilikate (Inosilikate) 137
9.4.1
Pyroxen-Familie
Der Chemismus der Pyroxene (Abb. 9.29a,b) kann
durch die allgemeine Formel X[8]Y[6][Z2O6] ausge- Abb. 9.29. Nomenklatur von a Ca-Mg-Fe-Klinopyroxenen, b Ortho-
drückt werden. Die Position von X können die folgen- pyroxenen und c Mischkristallen zwische Jadeit (Jd), Ägirin (Äg) und
Ca-Mg-Fe-Klinopyroxenen (Quad) nach Morimoto et al. (1988). Ja-
den Kationen einnehmen: Na+, Ca2+, Fe2+, Mg2+, Mn2+,
deit und Omphacit treten in hochdruckmetamorphen Gesteinen auf
die Position von Y: Fe2+, Mg2+, Mn2+, Zn2+, Fe3+, Al3+, (Abschn. 24.3.1, S. 405, 26.3.8, S. 467ff, 26.3.9, S. 469ff)
Cr3+, V3+ und Ti4+, die Position von Z: im wesentlichen
Si4+ und Al3+. Viele Klinopyroxene können in erster ionen, im Diopsid Mg2+, im Jadeit Al3+, sind demgegen-
Näherung als Glieder des 4-Komponenten-Systems über [6]-koordiniert. Als Beispiel ist in Abb. 9.30 die
CaMgSi2O6–CaFeSi2O6–Mg2Si2O6–Fe2Si2O6 („Pyroxen- Jadeit-Struktur dargestellt. Man erkennt unendliche,
Trapez“) betrachtet werden (Abb. 9.29a,b). Die mono- parallele Ketten von eckenverknüpften [SiO4]-Tetrae-
klinen Pyroxen-Mischkristallreihe Mg2Si2O6–Fe2Si2O6 dern und kantenverknüpften [AlO6]-Oktaedern, die
(Klinoenstatit-Klinoferrosilit) ist in irdischen Gesteinen beide in Richtung der c-Achse verlaufen und über Ecken
ungewöhnlich. Pigeonit tritt nur unter niedrigen Drü- miteinander verbunden sind. Das große Na+-Kation
cken auf (vgl. hierzu auch den pseudobinären Schnitt sitzt in den Lücken der Struktur. Klinopyroxene, bei de-
Protoenstatit-Diopsid bei 1 bar Druck; Abb. 16.16, S. 271). nen die X- und Y-Positionen durch verschieden große
Ca2Si2O6 (Wo) kommt als Wollastonit in der Natur vor, Kationen besetzt sind, haben monokline Symmetrie.
wird jedoch nicht zu den Pyroxenen gerechnet, son- Demgegenüber sind in den rhombischen Orthopyro-
dern zu den Pyroxenoiden (Abschn. 9.4.2, S. 141f). xenen, z. B. im Hypersthen, die Kationenpositionen an-
Die Kristallstruktur der Pyroxen-Gruppe zeichnet nähernd gleich groß, und deshalb besteht hier aus-
sich durch [SiO3]2–- bzw. [Si2O6]4–-Ketten // zur c-Ach- schließlich [6]-Koordination (X = Y) und die Symme-
se aus (Abb. 9.1, S. 119). Diese Einfachketten werden trie wird höher. Diese Symmetrieerhöhung wird durch
seitlich abgesättigt durch die Kationen X und Y. Die grö- eine Art submikroskopischer Verzwillingung // (100)
ßeren X-Kationen, bei Diopsid z. B. Ca2+, beim Jadeit unter Verdoppelung der Elementarzelle hervorgerufen.
Na+, besitzen etwas schwächere Bindungskräfte und Die monoklinen Formen der Reihe Klinoenstatit –
sind gegenüber O [8]-koordiniert. Die kleineren Y-Kat- Klinohypersthen sind in der Natur recht selten.
138 9 · Silikate
Mg-Fe-Pyroxene
Tabelle 9.5.
Wichtige Pyroxene
9.4 · Ketten- und Doppelkettensilikate (Inosilikate) 139
Ca-Pyroxene
Ägirin (Akmit), NaFe3+[Si2O6] Verwendung. Schön gefärbte Jade ist ein geschätzter
Schmuckstein und wird zur Fertigung kunstgewerblicher
Ausbildung. Kristallklasse 2/m, nadelige Kristalle mit stei- Gegenstände verwendet. Wegen seiner hervorragenden me-
len Endflächen als Begrenzung (Abb. 9.31b). Häufig chanischen Eigenschaften war Jade in prähistorischer Zeit
büschelige Aggregate. begehrter Rohstoff zur Fertigung von Waffen und Gerät.
9.4 · Ketten- und Doppelkettensilikate (Inosilikate) 141
Spodumen, LiAl[Si2O6]
Physikalische Eigenschaften.
Härte 6½–7
Dichte 3,0–3,2
Farbe farblos, weiß, hellgrau, rosa, gelblich,
grün; oft getrübt, aber auch wasserklar
Die allgemeine chemische Formel der Pyroxenoide ist Chemismus. Wollastonit kann beachtliche Gehalte an Mg,
M[SiO3] oder ein Vielfaches davon, mit M überwiegend Fe und Mn aufweisen.
Ca, Mg, Fe und Mn. Wie die Pyroxene weisen die Pyroxe-
noide unendliche Einfachketten von [SiO4]-Tetraedern Vorkommen. Typisches Mineral kontaktmetamorpher kie-
auf, doch sind die Identitätsabstände in Richtung der seliger Kalksteine, wo es insbesondere nach der Reaktion
c-Achse größer. Nach der Systematik von Liebau (1959,
1985) bilden die [SiO4]-Tetrader in den Pyroxenen Zwei- Calcit + Quarz Wollastonit + CO2 (9.2)
er-Einfachketten, in den Pyroxenoiden dagegen Dreier-
Einfachketten (z. B. Wollastonit), Fünfer-Einfachketten entsteht: Wollastonit-Marmore. Pseudowollastonit in
(z. B. Rhodonit) und Siebener-Einfachketten (z. B. beim pyrometamorph überprägten vulkanischen Auswürflingen.
Mondmineral Pyroxferroit (Ca,Fe) 7[Si7O21]; vgl.
Abb. 9.33). Daraus ergeben sich auch jeweils unterschied- Verwendung. Als keramischer Werkstoff, Füllstoff in Kunst-
liche Anordnungen der [6]-koordinierten Kationen. stoffen, Farben, Klebstoffen, Isolierstoffen, Baueelementen
und als Asbest-Ersatz (Schmelzpunkt 1 540 °C).
Wollastonit, Ca3[Si3O9], vereinfacht Ca[SiO3]
Rhodonit, (Mn,Ca,Fe)5[Si5O15]
Ausbildung. Wollastonit tritt in unterschiedlichen Modi-
fikationen auf. Tieftemperatur-Formen sind der trikline Ausbildung. Kristallklasse 1; prismatische oder tafelige
Wollastonit-Tc (Kristallklasse 1)und der monokline Kristalle selten, meist in derben, rosafarbenen bis fleisch-
Wollastonit-2M (Parawollastonit, 2/m); über 1 150 °C tritt roten Massen, die von schwarzen Manganoxid-Adern
der trikline Pseudowollastonit (Cyclowollastonit) auf, der durchzogen werden.
aus Dreierringen [Si3O9] aufgebaut ist. Selten in Form
tafeliger oder nadeliger Kristalle, meist in derben, fein- Physikalische Eigenschaften.
faserigen, strahligen oder stängeligen Aggregaten. Spaltbarkeit {100} und {001} vollkommen
Härte 5½–6½
Physikalische Eigenschaften. Dichte 3,4–3,7
Spaltbarkeit {100} und {001} vollkommen Farbe, Glanz lichtfleischrot, rosenrot, braunrot; Glas-
Härte 4½–5 glanz, auf Spaltflächen perlmutterartig
142 9 · Silikate
Chemismus. Mischkristalle mit wechselnden Gehalten an phibole der Cummingtonit-Grunerit-Reihe, mit voll-
Mn >> Ca > Fe2+ >
< Mg. ständiger Mischbarkeit zwischen den fast reinen Mg-
und Fe-Endgliedern. Eine lückenlose Mischkristall-
Vorkommen. Überwiegend in metamorphen Mangan-La- reihe gibt es auch zwischen den reinen Endgliedern Tre-
gerstätten. molit und Ferroaktinolith; am verbreitetsten ist der Ak-
tinolith, der etwa in der Mitte zwischen den beiden
Verwendung. Verarbeitung zu Schmucksteinen und kunst- Endgliedern liegt. Zwischen den rhombischen bzw.
gewerblichen Gegenständen. monoklinen Mg-Fe-Amphibolen einerseits und der
Reihe Tremolit – Ferroaktinolith andererseits besteht
9.4.3 eine große Mischungslücke. Aus diesem Grund kön-
Amphibol-Familie nen z. B. Anthophyllit oder Cummingtonit (oder beide)
im gleichen Gestein neben Tremolit im Gleichgewicht
Der Chemismus der Amphibole kann durch die allge- auftreten.
meine Formel A0–1B2C5[(OH,F)2/T8O22] ausgedrückt
werden. Die einzelnen Plätze in der Struktur können Mg-Fe-Amphibole
durch folgende Kationen eingenommen werden:
Anthophyllit – Ferroanthophyllit, (Mg,Fe)7[(OH)2/Si8O22]
A = Na+, seltener K+,
B = Na+, Ca2+, Mg2+, Fe2+, Mn2+ Gedrit – Ferrogedrit, (Mg,Fe)5Al2[(OH)2/Al2Si6O22]
C = Mg2+, Fe2+, Mn2+, Al3+, Fe3+, Ti4+
T = Si4+, Al3+ Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m; stängelig bis na-
delförmig, häufig büschelig gruppiert, faserig als Antho-
Dabei ist der Ersatz von Al3+ durch Fe3+ sowie zwischen phyllitasbest.
Ti4+ und den anderen Ionen der Y-Position begrenzt,
ebenso der Ersatz von Si4+ durch Al3+. Physikalische Eigenschaften.
Wie bei der Pyroxen-Gruppe ist bei den Amphi- Spaltbarkeit {210} vollkommen, oft Querabsonde-
bolen die monokline Symmetrie am häufigsten. Bei rung der Stängel
den rhombischen Orthoamphibolen sind wie bei den Härte 5½–6
entsprechenden Pyroxenen in der Struktur alle Kat- Dichte 2,9–3,2; Gedrit 2,9–3,6
ionenplätze [6]-koordiniert. In den Klinoamphibolen Farbe, Glanz gelbgrau bis gelbbraun oder nelken-
ist das Verhältnis der [6]-:[8]-koordinierten Gitter- braun, je nach Fe-Gehalt; mit bronze-
plätze 5:2, in den Klinopyroxenen 2: 2. Im Unterschied farbenem Schiller
zur Pyroxenstruktur besteht jeweils in der Mitte der
6-zähligen Ringe der Doppelketten eine Lücke für die Vorkommen. In Mg-reichen metamorphen Gesteinen, z. B.
Aufnahme eines relativ großen 1-wertigen Anions in Anthophyllit-Cordierit-Gneisen.
2. Stellung wie (OH) und F; die großen A-Gitterplätze
werden ganz oder teilweise mit Na in [10]- oder [12]- Cummingtonit – Grunerit, (Mg,Fe)7[(OH)2/Si8O22]
Koordination besetzt, bleiben aber auch häufig als
Leerstelle unbesetzt (). In Abb. 9.36 ist die Struk- Ausbildung. Kristallklasse 2/m; faserig-nadelige Ausbil-
tur eines monoklinen Ca-Amphibols beispielhaft dung, oft radialstrahlig-büschelig gruppiert.
dargestellt und erläutert.
Physikalische Eigenschaften.
In Analogie zur Pyroxen-Gruppe können die Amphi- Spaltbarkeit {110} gut
bole in die folgenden Reihen aufgeteilt werden. Ihre No- Härte 4–6
menklatur ist der Arbeit von Leake et al. (1997) zu ent- Dichte 3,0–3,6 (je nach Fe-Gehalt)
nehmen. Farbe, Glanz lichtgrün bis graugrün, beige, bräun-
Die rhombischen Mg-Fe-Amphibole bilden eine lü- lich; seidenartig glänzend
ckenlose Mischkristallreihe, die vom fast reinen Antho-
phyllit (Mg)7[(OH)2/Si8O22] bis zum Ferroanthophyllit Vorkommen. In metamorphen Gesteinen; Grunerit tritt
mit maximal etwa 65 Mol.-% Fe7[(OH)2/Si8O22]-Kom- zusammen mit Hämatit oder Magnetit sowie Quarz in
ponente reicht. In der rhombischen Gedrit – Ferroge- gebänderten Eisensteinen auf.
drit-Reihe wird (Mg,Fe2+)[6]Si[4] teilweise gegen Al[6]Al[4]
ausgetauscht (Tschermak-Substitution). Ohne Über- Verwendung. Feinfaseriger Grunerit (Amosit) wird gele-
gang bestehen daneben die monoklinen Mg-Fe-Am- gentlich als Asbest verarbeitet.
9.4 · Ketten- und Doppelkettensilikate (Inosilikate) 143
Tabelle 9.6.
Wichtige Amphibol-Endglieder
Abb. 9.34.
Amphibole, unter-
schiedliche Flä-
chenkombinatio-
nen: a Aktinolith;
b, c Hornblende,
wobei Bild c um
90° gegenüber b
um die c-Achse
gedreht ist
Hornblende,
(Na,K)0–1(Ca,Na)2(Mg,Fe2+,Fe3+,Al)5[(OH,F)2/(Si,Al)2Si6O22]
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {110} vollkommen, viel besser als bei
Augit, zudem größerer Winkel des
Spaltkörpers: 124°
Härte 5–6 Abb. 9.36. Kristallstruktur eines Ca-Amphibols, projiziert auf (100).
Die Doppelkette aus eckenverknüpften [(Si,Al)O4]-Tetraedern (blau)
Dichte 3,0–3,5 bildet sechszählige Ringe, in denen die großen A-Kationen Na+ und
Farbe, Glanz gemeine Hornblende: grün, dunkelgrün K+ (rote Kugeln) in [10]-Koordination sitzen. In den kanten-
bis dunkelbraun; basaltische Hornblen- verknüpften Oktaedern (gelb) sind die C-Kationen mit O und (OH)
de: tiefschwarz; Glasglanz bis blendear- [6]-koordiniert; dabei lassen sich drei verschieden große Positio-
tiger, halbmetallischer Glanz auf Kristall- nen M1, M2 und M3 unterscheiden, in denen die C-Kationen je nach
ihrer Größe bevorzugt eingebaut werden (linke Seite abgedeckt). Auf
und Spaltflächen, kantendurchscheinend den [8]-koordinierten Gitterplätzen M4 sitzen bei den Ca- und Na-
Strich farblos Amphibolen hauptsächlich die großen B-Kationen Ca2+ und Na+
(rote Kugeln). (Nach Sueno et al. 1973 aus Deer et al. 1997)
Chemismus. Komplizierte und stark variierende Zusammen-
setzung mit wechselnden Ionenverhältnissen insbesonde- Vorkommen. Hornblende ist der wichtigste und am meis-
re von Ca/Na, Mg/Fe2+, Al[6]/Fe3+, Al[4]/Si und OH/F. Nach ten verbreitete gesteinsbildende Amphibol. Sie kommt
der chemischen Zusammensetzung mehrere Namen für sowohl in Magmatiten, z. B. in Dioriten, Syeniten, Basal-
Varietäten: Die tiefschwarze basaltische Hornblende zeich- ten und Andesiten, als auch in Metamorphiten, insbeson-
net sich insbesondere durch höhere Gehalte an Fe3+ und Ti dere in Amphiboliten und Hornblendegneisen vor. Uralit
gegenüber der gemeinen Hornblende aus. ist eine feinfaserige Hornblende, die sich sekundär aus
9.5 · Schichtsilikate (Phyllosilikate) 145
Augit bildet und diesen unter Erhaltung seiner äußeren Vorkommen. Dunkler Gemengteil in magmatischen Gestei-
Kristallform ersetzt (Pseudomorphose). nen mit Na-Vormacht, besonders Alkaligraniten, mitunter
auch in metamorphen Gesteinen. Krokydolith kommt als
Na-Amphibole matt grünlichblaue bis tintenblaue Kluftfüllung vor.
Abb. 9.37.
Kristallstrukturen der Schicht-
silikate, Übersicht. In den ge-
wählten Schnittlagen bilden die
kristallographischen Achsen b
und c einen rechten Winkel. (Mod.
nach Searle u. Grimshaw 1959)
miteinander. Es kommt zu einer regelmäßigen, sand- trioktaedrisch bezeichnet. Werden nur À der vorhan-
wichartigen Wechselfolge Tetraederschicht – Oktaeder- denen oktaedrischen Plätze durch dreiwertige Katio-
schicht – Tetraederschicht. Zu diesem Strukturtyp ge- nen besetzt, so spricht man von einer dioktaedrischen
hören Talk, Pyrophyllit und die Glimmer. Besetzung (Abb. 9.37). Die Dreierschichten sind in
Bei Talk Mg3[(OH)2/Si4O10] ist jedes Mg2+ von 4 O sich abgesättigt und werden untereinander nur durch
und 2 (OH) in [6]-Koordination umgeben. Wird Mg2+ schwache Van-der-Waals-Kräfte zusammengehalten;
durch Al3+ ersetzt wie im Pyrophyllit Al2[(OH)2/Si4O10], deswegen sind Pyrophyllit und Talk fein zerreiblich.
so ist der elektrostatische Valenzausgleich dadurch Glimmer besitzen Dreischichtstrukturen, in denen
gewährleistet, dass jeder dritte Kationenplatz unbe- in den Tetraederschichten einzelne Si durch Al[4] er-
setzt bleibt. Werden alle Oktaederzentren durch zwei- setzt werden; maximal ist das bis zur Hälfte der Si-
wertige Kationen besetzt, so wird die Besetzung als Atome möglich. Damit reichen die Ladungen von
9.5 · Schichtsilikate (Phyllosilikate) 147
Mg2+ bzw. Al3+ nicht mehr aus, um die Schichten ab- Verwendung. Ähnlich Talk, v. a. aber als Feuerfest-Material,
zusättigen. Als Ladungsausgleich treten dann zwi- oft in Kombination mit Zirkon, z. B. Pyrophyllit-Zirkon-
schen die Dreischichtenpakete große Kationen ein wie Pfannensteine für die Stahlindustrie, ferner Isolations-Ke-
K+, Na+ oder auch Ca2+. Ihre Bindungskräfte sind bei ramiken, Wandfliesen, als Füllstoff für Papier, Kunststof-
den großen niedrigwertigen Kationen und der hohen fe, Kautschuk und Seifen, als Trägerstoffe für Insektizide.
Koordinationszahl [12] nur relativ schwach.
Talk, Mg3[(OH)2/Si4O10]
Wird in der Struktur von Pyrophyllit Al2[(OH)2/Si4O10]
¼ der Si4+-Positionen durch Al3+ ersetzt und das so Ausbildung. Kristallklasse meist 2/m, daneben auch tri-
entstandene Ladungsdefizit durch Eintritt von K + kline und rhombische Polytypen; Kristalle mit 6-seitiger
zwischen seine Schichtpakete ausgeglichen, so ergibt (pseudohexagonaler) Begrenzung sind relativ selten,
sich die Muscovit-Struktur entsprechend der Formel: meist in schuppig-blättrigen Aggregaten, Talk massig-
K+{Al2[(OH)2/AlSi3O10]}–. Aus der Struktur des Talks erhält dicht als Speckstein (Steatit).
man auf die gleiche Weise diejenige des Phlogopits
K+{Mg 3[(OH) 2/AlSi 3O 10 ]} –. Muscovit ist durch seine Physikalische Eigenschaften.
À-Besetzung der oktaedrischen Plätze dioktaedrisch, Spaltbarkeit {001} vollkommen, Spaltblättchen sind
während die Glimmer Phlogopit und Biotit K{(Mg,Fe2+)3 biegsam, jedoch nicht elastisch
[(OH)2/AlSi3O10]} zu den trioktaedrischen Glimmern zählen. Härte 1 (Standardmineral der Mohs-Skala),
Die relativ starken Bindungskräfte Si-O (und Al-O) inner- fühlt sich fettig an
halb einer Tetraederschicht und die enge Bindung zur Okta- Dichte 2,7
ederschicht erklären die sehr vollkommene Spaltbarkeit nach Farbe zart grün, grau oder silberweiß
der Basis {001} zwischen den Schichtpaketen bei fast allen Glanz Perlmutterglanz, durchscheinend
Schichtsilikaten. Charakteristisch für diese Mineralgruppe
ist das Auftreten von Polytypen unterschiedlicher Symme- Struktur. Trioktaedrisches Dreischichtsilikat (Abb. 9.37).
trie bei der gleichen Mineralart, die sich meist nur röntgeno- Die Schichtpakete sind in sich abgesättigt und werden un-
graphisch unterscheiden lassen; so treten u.a. monokline tereinander lediglich durch schwache Van der Waals’sche
(2M1, 1M), trikline (Tc) und trigonale (3T) Polytypen auf. Restkräfte gebunden. Daraus erklärt sich die vollkomme-
ne Spaltbarkeit nach {001}.
9.5.1
Pyrophyllit-Talk-Gruppe Chemismus. Geringer Einbau von Fe und Al.
Tabelle 9.7.
Wichtige Schichtsilikate
K+ kann in geringem Maß durch Na+, Rb+ oder Cs+, Al[6] wachsen; meist in einzelnen unregelmäßig begrenzten
durch Mg2+, Fe2+, Fe3+ u. a. ersetzt werden; bei den Anio- Blättchen oder in schuppigen Aggregaten im Gestein ein-
nen 2. Stellung kann (OH)– durch F– vertreten sein. Ge- gewachsen. Häufig Zwillingsbildung mit (001) als Ver-
koppelte Substitution Mg[6]Si[4] Al[6]Al[4] im Phengit. wachsungsebene.
Grüner Cr-haltiger Muscovit heißt Fuchsit.
Physikalische Eigenschaften.
Vorkommen. Muscovit ist ein sehr verbreitetes Mineral in Spaltbarkeit {001} sehr vollkommen
Metamorphiten wie Phylliten, Glimmerschiefern und Härte 2½–3
Gneisen, in Magmatiten, z. B. mit Biotit in sog. Zwei- Dichte 2,8–3,2
glimmergraniten, auch in Sandsteinen. Sericit ist häufig Farbe, Glanz dunkelgrün, bräunlichgrün, hellbraun,
sekundäres Umwandlungsprodukt, z. B. von Feldspäten. dunkelbraun bis schwarzbraun. Perl-
mutterglanz auf den Spaltflächen
Verwendung als Rohstoff. Wegen seiner guten Wärme- und
Elektro-Isolation wird Muscovit technisch genutzt. Chemismus. Gegenüber Phlogopit ist ein Teil des Mg2+
durch Fe2+ sowie durch Fe3+, Al[6] und Ti4+ ersetzt; zum
Paragonit, NaAl2[(OH)2/AlSi3O10] Ladungsausgleich wird in der Tetraederschicht teilweise
Al[4] anstelle von Si eingebaut. Biotite bilden eine lücken-
Makroskopisch und mikroskopisch dem Muscovit sehr lose Mischkristallreihe zwischen Phlogopit und den
ähnlicher Hellglimmer; beide lassen sich nur röntgeno- Fe-reichen Endgliedern Annit KFe32+[(OH)2/AlSi3O10]
graphisch oder durch Analytik mit der Elektronenstrahl- bzw. Siderophyllit K(Fe2+,Fe3+,Al)3[(OH)2/(Si,Al)4O10].
Mikrosonde unterscheiden; daher wurde Paragonit als Schwarzbraun gefärbte, Fe-reiche Biotite werden als
gesteinsbildendes Mineral vielfach übersehen. Er tritt Lepidomelan bezeichnet.
nicht selten in schwach- bis mittelgradig metamorphen,
Al-reichen Gesteinen (Metapeliten) auf. Vorkommen. Biotit ist ein sehr verbreitetes gesteinsbil-
dendes Mineral, das in Magmatiten, so z. B. Graniten, Gra-
Phlogopit, KMg3[(OH,F)2/AlSi3O10] nodioriten und deren Pegmatiten, und auch in Meta-
morphiten, z. B. Glimmerschiefern und Gneisen, auftritt.
Ausbildung und Eigenschaften. Kristallklasse 2/m beim
häufigen 2M1-Phlogopit, nicht selten in prismatischen Lepidolith, K(Li,Al)2,5–3[(F,OH)2/(Si,Al)4O10]
Kristallen mit pseudohexagonaler Begrenzung; er neigt und Zinnwaldit, K(Fe2+,Al,Li,)3[(OH,F)2/(Si,Al)4O10]
zur Ausbildung größerer Kristalle.
Struktur und Chemismus. Wegen seines geringen Ionenra-
Physikalische Eigenschaften. dius sitzt Li+ nicht auf den Zwischengitterplätzen in [12]-
Spaltbarkeit {001} sehr vollkommen Koordination, sondern ersetzt das [6]-koordinierte Al3+
Härte Härte 2½–3 in den Oktaederschichten. Bei einem Li : Al-Verhältnis
Dichte 2,75–3,0 von 1 : 1 ergäbe sich ein vollständiger Ladungsausgleich
Farbe gelbbraun bis grünlichgelb, auch fast farblos und eine ideale trioktaedrische Besetzung.
Tatsächlich variiert das Li : Al-Verhältnis sehr stark,
Chemismus. Phlogopit im engeren Sinne ist das Mg-Endglied so dass der Ladungsausgleich über eine entsprechende
einer lückenlosen Mischkristallreihe mit Biotit, wobei Mg2+ Variation im Si : Al-Verhältnis in der Tetraederschicht
durch Fe2+ ersetzt wird; dagegen ist die Mischkristallbildung oder durch Leerstellen in der Oktaederschicht erfolgen
mit Muscovit außerordentlich begrenzt; häufig Ersatz des muss; Es besteht somit ein Übergang zur dioktaedrischen
(OH) durch F, bis hin zum Fluorphlogopit mit F > (OH). Besetzung.
Vorkommen. In Mg-reichen Magmatiten wie Kimberlit und Ausbildung. Kristallklasse 2/m bei den 2M- und 1M-Poly-
Lamproit, den Trägergesteinen der Diamanten sowie in typen, trigonal (32) beim 3T-Polytyp. Lepidolith meist
Metamorphiten wie Phlogopitschiefern und Phlogopitmar- als Blättchen oder Schüppchen, z. T. in halbkugeligen Ag-
moren. Phlogopit ist noch im oberen Erdmantel stabil. gregaten; schöne Kristalle sind selten. Dagegen bildet
Zinnwaldit tafelige Kristalle mit 6-seitigem Umriss, meist
Technische Verwendung. Wie Muscovit. fächerförmig gruppiert und aufgewachsen.
Farbe, Glanz Lepidolith: weiß bis blass rosarot oder Ausbildung. Meist keine wohlausgebildeten Kristalle,
pfirsichblütenfarben; Perlmutterglanz auf schuppige oder blättrige Aggregate.
den Spaltflächen; die Färbung wird durch
einen geringen Gehalt an Mn2+ verur- Physikalische Eigenschaften. Wegen des Einbaus von Ca2+
sacht; Zinnwaldit: blassviolett, silbergrau, anstelle von K+ oder Na+ werden die Zwischenschicht-
gelblich, bräunlich, auch fast schwarz Bindungen verstärkt, während der Ersatz von Si4+ durch
(„Rabenglimmer“); Perlmuttglanz Al3+[4] die Bindungen innerhalb der Tetraederschicht
schwächt. Deswegen ist die Spaltbarkeit nach {001} et-
Vorkommen. Lepidolith tritt zusammen mit anderen Li- was weniger vollkommen als bei Muscovit; die Spalt-
haltigen Mineralen in Pegmatiten auf; Zinnwaldit bildet blättchen sind spröde und zerbrechlich: Sprödglimmer.
sich unter hochhydrothermalen Bedingungen neben
Zinnstein, Topas, Fluorit und Quarz. Härte 3½–4½
Dichte 3,0–3,1
Technische Verwendung. Gewinnung des Leichtmetalls Li- Farbe, Glanz weiß, rötlichweiß, perlgrau; starker
thium für Speziallegierungen; zur Herstellung von Li-Sal- Perlmutterglanz, durchscheinend
zen, pyrotechnischen Artikeln und Spezialgläsern.
Chemismus. CaAl[4] kann z. T. durch NaSi[4], Al[6] durch
9.5.3 Fe und Mg ersetzt werden.
Hydroglimmer-Gruppe
Vorkommen. Gemengteil in Ca-Al-reichen metamorphen
Illit, (K,H3O)Al2[(H2O,OH)2/(Si,Al4)O10] Gesteinen, z. B. in metamorphen Bauxiten (Smirgel).
Von den zahlreichen trioktaedrischen Sprödglim-
Struktur. Illit (Hydromuscovit) ist ein dioktaedrisches, mern sei an dieser Stelle nur der monokline Clintonit
(seltener) trioktaedrisches Dreischichtsilikat mit CaMg2(Al,Mg)[(OH)2/(Si,Al)4O10] genannt.
glimmerähnlicher Struktur, ein Hydroglimmer, bei dem
K+ teilweise durch H3O+ ersetzt ist. Vorherrschend ist der 9.5.5
1M-, seltener der 2M1-Polytyp. Chlorit-Gruppe
Ausbildung. Häufig ist Illit sehr feinkörnig (<20 µm) Die Chloritstruktur besteht aus Vierschicht-Paketen, in
ausgebildet oder erreicht sogar kolloidale Dimensio- denen sich eine talkähnliche Schicht aus Tetraeder-Ok-
nen (<2 µm) und wird dann zu den Tonmineralen ge- taeder-Tetraeder-Einheiten und eine brucitähnliche Zwi-
rechnet (S. 152). schenschicht aus [(Mg,Fe)(O,OH)6)]- oder [Al(O,OH)6]-
Oktaedern abwechseln (Abb. 9.37). Als einfachstes End-
Vorkommen. Illite sind wichtiger Bestandteil von Böden, glied ergäbe sich die Formel Mg3[(OH)2/Si4O10] · Mg3(OH)6,
Tiefsee-Sedimenten (roter Tiefseeton), Ziegeleitonen, die jedoch kein Chlorit ist, sondern für die Serpentin-Grup-
Mergeln, Tonsteinen, Grauwacken, aber auch von bereits pe gilt. In den meisten Chloriten ist Mg in der talk- und in
schwach metamorphen Gesteinen wie Tonschiefern. Die der brucitähnlichen Schicht teilweise durch Al, Fe2+ und Fe3+
weit verbreiteten dioktaedrischen Illite entstammen wahr- ersetzt. Außerdem ersetzt Al[4] teilweise Si. So besteht ein
scheinlich der Verwitterung von Muscovit oder von Kali- breites Spektrum von Mischkristall-Zusammensetzungen,
feldspäten. Andererseits kann Illit auch aus Montmoril- die eigene Varietätennamen erhalten haben. Seit Bayliss
lonit durch Kaliaufnahme entstehen. Darüber hinaus bil- (1975) werden jedoch alle Mg-reichen Chlorite mit Mg > Fe
det sich Illit in Alterationszonen um heiße Quellen sowie als Klinochlor, die Fe-reichen als Chamosit bezeichnet.
verbreitet bei der Diagenese und niedrigstgradiger Meta- Daneben gibt es noch chloritähnliche Schichtsilikate, in
morphose von tonigen Sedimenten; dabei rekristallisiert denen eine dioktaedrische pyrophyllitähnliche Schicht mit
er unterschiedlich stark; die sog. Illit-Kristallinität gilt als einer trioktaedrisch brucitähnlichen Schicht wechsellagert,
Maß für die temperaturabhängige Kornvergröberung des z. B. Sudoit (Al,Fe)2[(OH)2/(Si,Al)4O10] · Mg2Al(OH)6 und
Illits im Grenzbereich Diagenese/Metamorphose. Cookeit Al2[(OH)2/AlSi3O10] · LiAl2(OH)6.
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {001} sehr vollkommen, die Spalt-
blättchen sind biegsam, jedoch nicht
elastisch wie diejenigen von Glimmer
Härte 2–3
Dichte je nach Zusammensetzung sehr varia-
bel 2,6–3,0
Farbe grün in wechselnden Tönen, selten fast
farblos oder auch fast schwarz, durch
Spurenelemente mitunter abweichen-
de Färbung
Abb. 9.38. a Schematische Darstellung einer möglichen Krümmung der
Vorkommen. Wichtiges gesteinsbildendes Mineral in Schichten in der Chrysotil-Struktur; b nach elektronenmikroskopi-
meist niedriggradigen metamorphen Gesteinen, z. B. scher Aufnahme eines Chrysotil-Röllchens, schematisch, c schemati-
Grünschiefer; sekundäres Umwandlungsprodukt aus sche Darstellung der Antigorit-Struktur. (a, c nach Klein u. Hurlbut 1985)
Biotit, Granat, Pyroxen oder Amphibol in Metamorphi-
ten und Magmatiten; Kluft- und Drusenmineral. Lizardit, Antigorit (Blätterserpentin),
Chamosite (Thuringite) sind Fe2+-Fe3+-reiche Chlo- Chrysotil (Faserserpentin)
rite, die in manchen marinen Eisenerzen vorkommen.
Ausbildung. Serpentin bildet meist völlig dichte Aggrega-
9.5.6 te; mikroskopisch blättrig oder schuppig, beim Chrysotil
Serpentin-Gruppe, Mg6[(OH)8/Si4O10] faserig; gut ausgebildete Kristalle sind sehr selten. Die un-
terschiedlichen Polytypen lassen sich nur durch Röntgen-
Zu dieser Gruppe gehören mehrere Strukturvarietäten. beugung und das Elektronenmikroskop identifizieren.
Am verbreitetsten sind Lizardit (monoklin m, trigonal 3
oder 3m, hexagonal 6 oder 6mm), Antigorit (Blätter- Physikalische Eigenschaften. Alle drei Serpentin-Minerale
serpentin, monoklin) und Chrysotil (Faserserpentin, mo- zeigen ähnliche Eigenschaften und sind daher selbst mi-
noklin 2/m, orthorombisch mm2). Serpentine haben eine kroskopisch nur schwierig und mit großer Übung zu un-
Zweischichtstruktur, bestehend aus einer Tetraederschicht terscheiden.
und einer brucitähnlichen Oktaederschicht. Diese Struk-
tureinheit ist elektrostatisch abgesättigt, so dass von Kohäsion Spaltbarkeit nach {001} bei Lizardit und
Struktureinheit zu Struktureinheit nur schwache Bindun- Antigorit makroskopisch kaum sichtbar;
gen nach Art der Van-der-Waals-Restkräfte bestehen. Die auch die faserige Teilbarkeit bei Chrysotil
pseudohexagonal angeordneten [SiO4]-Tetraeder zeigen ist oft undeutlich; demgegenüber zeigen
alle in die gleiche Richtung; in den brucitähnlichen Okta- die äußerst biegsamen Fasern des Chry-
ederschichten sind jeweils 3 (OH) durch 2 Spitzen-Sau- sotil-Asbests weitest gehende mechani-
erstoffe ersetzt. sche Teilbarkeit. Serpentingesteine (Ser-
Im Vergleich etwa zum Al in der Kaolinit-Struktur pentinite) haben splittrigen bis musche-
(Abb. 9.37) ist das Mg etwas größer, so dass die Oktaeder- ligen Bruch, sind mild und politurfähig
schicht der Serpentin-Minerale etwas aufgeweitet ist. Härte 3–4, bisweilen härter durch Verkieselung
Dadurch passen die Gitterabstände zwischen Oktaeder- Dichte 2,5–2,6
und Tetraederschicht nicht genau aufeinander. Diese me- Farbe, Glanz vorherrschend grün in allen Abstufun-
trische Unstimmigkeit („misfit“) führt bei Chrysotil zu gen, aber auch blassgelb oder weiß,
einer Krümmung und Einrollung der beiden Schichten, durch Spurenelemente mitunter abwei-
wobei sich die Tetraederschicht auf der Innen- und die chende Färbung; feinverteilter Magne-
Oktaederschicht auf der Außenseite der Chrysotilröllchen tit färbt Serpentinite grau, schwarz oder
befindet (Abb. 9.38b). Die Chrysotilröllchen erscheinen braun, seltener rötliche Färbung durch
makroskopisch als Fasern mit rund 200 Å Durchmesser feinverteilten Hämatit; oft sind Serpen-
(Abb. 9.38c). Beim Antigorit (Blätterserpentin) wird der tinite geadert und farbig geflammt;
Misfit dadurch ausgeglichen, dass die Doppelschichten Chrysotil-Asbest zeigt Seidenglanz
sich aus Modulen aufbauen, die jeweils nach 8 [SiO4]-
Tetraedern in die Gegenrichtung umklappen; dadurch Vorkommen. Nach Wicks u. O’Hanley (1988) ist Lizardit
entsteht eine wellenartige, „modulierte“ Struktur der das bei weitem häufigste Serpentin-Mineral, gefolgt von
blättchenförmigen Kristalle (Abb. 9.38c). Im Gegensatz Antigorit und Chrysotil. Lizardit, z. T. auch Antigorit, bil-
dazu weist Lizardit eine ebene 1 : 1-Schichtstruktur auf. den sich bei der niedriggradigen Metamorphose von
152 9 · Silikate
Kaolinit, Al4[(OH)8/Si4O10]
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {001} vollkommen, Spaltblättchen bieg-
sam, feste Tone und Kaoline haben er-
Abb. 9.39. Kaolinit mit pseudohexagonalem Umriß der Blättchen.
dig-muscheligen Bruch
Größe: ~1 µm ∅, Aufnahme mit dem Elektronenmikroskop. Kao- Härte 1
lin von Zettlitz bei Karlsbad (Karlovy Vary), Böhmen Dichte 2,1–2,6
9.5 · Schichtsilikate (Phyllosilikate) 153
zur Tierpflege, als Trägermaterial für Insektizide und Pes- mengesetzt sind. Die häufigsten Wechsellagerungs-Struk-
tizide, als Bohrspülmittel bei Tiefbohrungen, z. B. in der turen bestehen aus Illit- und Montmorillonit-Lagen, die
Erdölindustrie, zur Abdichtung von Schadstoffdeponien. in regelmäßiger oder unregelmäßiger Folge in der c-Rich-
tung gestapelt sind. Regelmäßige Wechsellagerungs-
Vermiculit, ~Mg2(Mg,Fe3+,Al)[(OH)2/(Si,Al)4O10] · Mg0,35(H2O)4 minerale sind teilweise mit eigenen Namen bezeichnet
worden.
Struktur und Zusammensetzung. Vermiculit ist ein komplex
zusammengesetztes, trioktaedrisches Schichtsilikat, das 9.5.8
geordnete Struktur mit monokliner Symmetrie (2/m), aber Apophyllit-Gruppe
auch völlig ungeordnete Struktur aufweisen kann. Viel-
fältige Substitutionen führen in den Oktaeder- und Tetra- Apophyllit, KCa4[(F,OH)/(Si4O10)2] · 8H2O
eder-Schichten zu einem Ladungsdefizit, das durch die
leicht austauschbaren Kationen der Zwischenschicht aus- Struktur. Apophyllit hat eine ungewöhnliche Einschicht-
geglichen wird. Durch den Einbau von H2O-Molekülen struktur. Sie besteht aus 4- und 8-zähligen Ringen von
zwischen den Silikat-Schichten ist Vermiculit quellfähig. [SiO4]-Tetraedern, die über ihre Ecken zu Schichten // (001)
verknüpft werden und durch die großen Kationen Ca, Na
Ausbildung. In submikroskopisch feinkörnigen Aggrega- und K miteinander verbunden sind (Abb. 9.40). Neben dem
ten (Teilchengröße <2 µm), aber auch als gröbere Blätt- F können auch (OH)-Gruppen eingebaut werden.
chen, Flocken, Platten und Tafeln (bis >10 cm groß).
Chemische Zusammensetzung. Das F/(OH)-Verhältnis
Physikalische Eigenschaften. wechselt mit den Endgliedern Fluorapophyllit und
Härte ~1½ Hydroxyapophyllit. Daneben gibt es noch den Natro-
Dichte 2,2–2,6 apophyllit NaCa4[F/(Si4O10)2] · 8H2O.
Farbe, Glanz bronze- bis gelblichbraun oder
grünlich bis tiefgrün; perlmutt- Ausbildung. Kristallklase 4/m2/m2/m, Natroapophyllit
bis bronzeglänzend 2/m2/m2/m; die Kristalle sind fast stets aufgewachsen und
besondere Eigenschaft Vermiculit bläht sich bei raschem zeigen häufig eine Kombination von {110} und {101}, z. T.
Erhitzen auf >850 °C z. T. würm- mit {001} und {210}; der Habitus kann dipyramidal, prisma-
chenförmig (daher der Name!) tisch, tafelig (Abb. 9.61, S. 178) oder würfelig sein. Oft bil-
bis auf das 30-fache seines Aus- det Apophyllit blätterige, schalige oder körnige Aggregate.
gangsvolumens auf: expandierter
Vermiculit Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit (001) vollkommen
Vorkommen. Vermiculit entsteht vorwiegend durch Ab- Bruch uneben, spröde
bau von Phlogopit oder Biotit infolge von Verwitterung Härte 4½–5
und/oder durch Einwirkung zirkulierender Grundwässer Dichte 2,3–2,4
und/oder von hydrothermalen Lösungen. Mehr als 90 %
der Weltförderung kommen aus den USA und Südafrika
(Palabora, Transvaal).
Wechsellagerungs-Tonminerale
Farbe, Glanz farblos, weiß, rötlich- oder gelblichweiß, Die wechselnde gegenseitige Verdrehung der zusammen-
rosenrot, lichtgrünlich, (Abb. 9.60, 9.61) hängenden SiO4-Tetraeder ergibt bei unterschiedlicher
bräunlich; ausgezeichneter Perlmutt- Symmetrie eine verschiedengradig aufgelockerte Kristall-
glanz mit eigentümlichem, charakteristi- struktur. Bei der relativ lockeren Quarz-Struktur (Abb. 9.41)
schem Lichtschein (daher der veraltete bilden die SiO4-Tetraeder zusammenhängende, rechts- oder
Name„Ichthiophalm“ =Fischaugenstein) linkssinnig gewundene Spiralen in der kristallographischen
Bes. Eigenschaft Beim Erhitzen entweicht die Hälfte des c-Richtung (Abb. 9.42). Die Identitätsperiode der Kette be-
Wassers kontinuierlich; der Rest geht bei steht aus 3 Tetraedern. Dichte (Tabelle 9.8) und Licht-
250 °C verloren; vor dem Lötrohr blät- brechung nβ von Tridymit 1,47, Quarz 1,55 und Coesit 1,59
tert Apophyllit auf (grch. αποϕυ′ λλειν sind ein zahlenmäßiger Ausdruck der unterschiedlichen
= abblättern) und schmilzt unter Aufblä- Packungsdichte der Strukturen.
hen zu einem weißen Glas Da die SiO2-Strukturen elektrostatisch abgesättigt sind,
können – abgesehen von Spurenelementen – keine wei-
Vorkommen. Vorwiegend in Blasenräumen von Basalten teren Kationen eingebaut werden, obwohl in den weit-
und ähnlichen Vulkaniten, oft zusammen mit Zeolithen
(Abb. 9.60, 9.61), Calcit u. a., seltener als Drusenmineral
in Graniten; als Kluftfüllung in Syeniten, metamorphen
Gesteinen und Erzlagerstätten.
9.6 9.6
Gerüstsilikate (Tektosilikate)
9.6.1
SiO2-Minerale
Kristallstrukturen
In Tabelle 9.8 sind die wichtigsten kristallisierten und
amorphen Modifikationen des SiO2 aufgeführt, die aus
der Natur und als Syntheseprodukte bekannt sind. In
Abb. 9.41. Dieses Modell zeigt die relativ lockere Sauerstoffpackung
ihren Kristallstrukturen haben Quarz, Tridymit, Cristo- des Quarzes (die Kugeln entsprechen dem Sauerstoff). Prismen- und
balit und Coesit gemeinsam, dass sie aus [SiO4]-Tetra- Rhomboederflächen sind angedeutet. In den winzigen tetraedri-
edern aufgebaut sind, die ein dreidimensional zusam- schen Lücken zwischen 4 Sauerstoffkugeln befindet sich das kleine Si.
menhängendes Gerüst bilden. Damit gehört jedes O Die unregelmäßige Absonderung des muscheligen Bruchs des Quar-
zes verläuft innerhalb der relativ großen Lücken zwischen den ge-
zu 2 Si und es entfallen auf jedes Si-Ion nur  Sauer-
ringsten Bindungskräften der Struktur. (Original im Mineralogi-
stoff-Ionen, woraus sich die Formel SiO2 ergibt. schen Museum, Universität Würzburg, Entwurf E. Eberhard)
156 9 · Silikate
Abb. 9.42.
Die Strukturen von trigonalem
Tiefquarz (a) und hexagonalem
Hochquarz (b) projiziert auf die
(0001)-Ebene senkrecht zur mor-
phologischen c-Achse, die als 3-
bzw. 6 zählige Schraubenachse
ausgebildet ist. Anstelle der
[SiO4]-Tetraeder sind lediglich
die Si-Atome in unterschiedli-
chen Niveaus eingezeichnet.
Der strukturelle Übergang von
Hoch- zu Tiefquarz beruht auf
einer Einwinkelung der Si-O-Si-
Bindungsrichtungen. (Nach
Strunz 1982)
Tabelle 9.8. SiO2-Minerale des SiO2 sind nur sechs stabil und im Druck-Temperatur-
Diagramm (P-T-Diagramm) (Abb. 9.43) dargestellt. Bei ei-
nem Druck von 1 bar (≈ 1000 hPa) und einer Temperatur
von 573 °C wandelt sich der trigonal-trapezoedrische Tief-
quarz (32) unter Erhaltung seiner äußeren Kristallform und
ohne Verzögerung in den strukturell sehr ähnlichen hexa-
gonal-trapezoedrischen Hochquarz (622) um, und zwar
reversibel. Diese Transformation ist displaziv, denn die
Symmetrieänderung wird lediglich durch eine geringe
Verkippung der [SiO4]-Tetraeder erreicht, deren Kanten
beim Hochquarz genau senkrecht zur c-Achse stehen, beim
Tiefquarz aber leicht geneigt sind (Abb. 1.18, S. 16). Der Um-
wandlungsvorgang erfolgt daher ohne Energieverlust oder
Energiegewinn: er ist enantiotrop.
maschigen Tetraeder-Gerüsten dafür genügend Raum Bei 1 bar Druck und weiterer Wärmezufuhr wandelt
wäre. Erst der teilweise Ersatz von Si4+[4] durch Al3+[4] er- sich der Hochquarz bei 870 °C rekonstruktiv in Tridy-
zeugt negative Ladungen, die durch Einbau von 1- oder mit um, und zwar in die hexagonale Modifikation Hoch-
2-wertigen Kationen neutralisiert werden, wie z. B. beim Tridymit (Abb. 1.18); bei 1 470 °C geht dieser in die ku-
Kalifeldspat K+[AlSi3O10]– oder Anorthit Ca2+[Al2Si2O8]2–. bische Modifikation Hoch-Cristobalit über. Die Übergän-
In der Struktur der Hochdruckmodifikation Coesit ist ge in Hoch-Tridymit und Hoch-Cristobalit machen ein
das Si gegenüber O wie bei den übrigen SiO2-Modifikati- Aufbrechen der Tetraederverbände erforderlich. Wegen
onen noch tetraedrisch, im Stishovit hingegen höher, ok- der starken Verzögerung dieser Umwandlung kann
taedrisch koordiniert, wobei die [SiO6]-Oktaeder teilweise Hochquarz in den Stabilitätsfeldern von Tridymit und
kantenverknüpft sind und Ketten // c bilden: Stishovit hat Cristobalit metastabil erhalten bleiben und bei rund
die gleiche Struktur wie Rutil TiO2 (Abb. 5.9, S. 88). Die 1 730 °C unmittelbar zum Schmelzen gebracht werden
damit verbundene dichtere Packung kommt in der noch (Abb. 9.43). Die Umwandlung von Hochquarz in Tridy-
höheren Dichte von 4,35 und dem hohen Brechungs- mit kann jedoch ohne Verzögerung erfolgen, wenn
index nβ = 1,81 besonders zum Ausdruck. Fremdionen zugegeben werden, wie z. B. Alkali-Ionen.
Die beiden Hochtemperaturphasen Tridymit und
Die Phasenbeziehungen im Einstoffsystem SiO2 Cristobalit sind auf relativ niedrige Drücke beschränkt.
Hoch- und Tiefquarz dagegen haben sehr große Existenz-
Die Stabilitätsfelder der SiO2-Modifikationen sind bis zu felder, die weite P-T-Bereiche innerhalb der Erdkruste
Drücken von weit über 100 kbar (= 10 GPa) experimen- und Teile des obersten Erdmantels umfassen. Das ist ei-
tell erforscht. Von den aus der Natur und von Synthese- ner der Gründe, weshalb Quarz zu den am meisten ver-
produkten her bekannten kristallinen Modifikationen breiteten Mineralen der Erdkruste zählt. Demgegenüber
9.6 · Gerüstsilikate (Tektosilikate) 157
Tiefquarz, SiO2
lektrizität verlorengehen. Die wichtigsten unter den zahl- häufig an Amethysten brasilianischer Fundpunkte auf.
reichen Zwillingsgesetzen des Quarzes sind: Dauphinéer- und Brasilianer-Gesetz können auch zu-
sammen am selben Quarzkristall vorkommen; solche
Dauphinéer- oder Schweizer-Gesetz (Abb. 9.44e): Vierlinge haben scheinbar hexagonale Symmetrie.
Zwei gleichgroße Rechtsquarz- oder Linksquarz- Japaner-Gesetz (Abb. 9.44g):
kristalle (RR oder LL) mit c als Zwillingsachse sind Dieses seltene Gesetz entsteht durch Verwachsung
gegeneinander um 60° gedreht und miteinander par- zweier Kristalle mit fast rechtwinkelig (84° 33') zuein-
allel verwachsen. Damit unterscheiden sie sich, wie alle ander geneigten c-Achsen.
sog. Ergänzungszwillinge, äußerlich nur bei genauerem
Hinsehen von einfachen Kristallen. Es kommen näm- Häufiger als in gut ausgebildeten Kristallen liegt Tief-
lich dabei die Prismenflächen der beiden verzwilling- quarz in körnigen Verwachsungsaggregaten vor, wobei
ten Individuen zur Deckung, und die Flächen des po- die Individuen infolge Wachstumsbehinderung ihre
sitiven Rhomboeders des einen fallen mit den Flächen Kristallform nicht ausbilden konnten.
des negativen Rhomboeders des anderen Individuums
zusammen. Gewundene Verwachsungsnähte auf den Physikalische Eigenschaften.
Prismen- und Rhomboederflächen, die eine Verzwilli- Spaltbarkeit fehlt bis auf selten beobachtete Aus-
gung anzeigen, sind nur erkennbar, wenn man die Quarz- nahmen
kristalle mit Flusssäure anätzt. Solche Zwillingsnähte Bruch muschelig
sollten nicht mit den etwa // c verlaufenden Suturen des Härte 7 (Standardmineral der Mohs-Skala),
Makromosaikbaus verwechselt werden, der für gewöhn- die große Härte und die fast fehlende
liche Bergkristalle typisch ist. Nur wenn die kleinen Spaltbarkeit erklären sich aus den all-
Trapezoeder- und/oder Dipyramidenflächen entwickelt seitig starken Si-O-Bindungen der
sind, lässt sich entscheiden, ob RR oder LL vorliegt. Quarzstruktur
Das Dauphinéer-Gesetz ist oft an den Bergkristallen Dichte 2,65
und Rauchquarzen der Westalpen gut ausgebildet. Farbe reiner Quarz ist farblos wie die Varie-
Brasilianer-Gesetz (Abb. 9.44f): tät Bergkristall; die wichtigsten gefärb-
Ein Rechts- und ein Linksquarzkristall (RL) gleicher ten Varietäten sind unten aufgeführt
Größe durchdringen sich symmetrisch mit (1120) als Glanz Glasglanz auf den Prismenflächen, Fett-
Symmetrieebene, wobei die positiven Rhomboederflä- glanz auf den muscheligen Bruchflä-
chen des einen mit den positiven Rhomboederflächen chen, durchscheinend bis durchsichtig
des anderen Individuums zusammenfallen. Allerdings Lichtbrechung nε = 1,5442, nω = 1,5533 (Na-Licht)
sind die kritischen Trapezoederflächen, die drei mal
paarweise – jeweils links und rechts über einer Pris- Varietäten des Tiefquarzes. Man unterscheidet nach Far-
menkante – auftreten sollten, in der Realität kaum be, Ausbildung, Transparenz und anderen Eigenschaften
jemals gut sichtbar, so dass Abb. 9.44f nur als Prinzip- zahlreiche Varietäten des Tiefquarzes. Nur die makro-
skizze zu verstehen ist! Brasilianer Zwillinge treten kristallinen Varietäten treten in Kristallformen auf. Die
Abb. 9.44.
Tiefquarz. a Zwillingskristall mit
Zwillingsnähten und Querstrei-
fung; b Linksquarz; c Rechtsquarz;
d stark verzerrter Quarzkristall;
e Dauphinéer Zwilling (LL);
f Brasilianer Zwilling (RL);
g Japaner Zwilling; h Hochquarz
9.6 · Gerüstsilikate (Tektosilikate) 159
mikrokristallinen Varietäten bilden derbe, dichtkörnige Bergkristall (Abb. 1.1, S. 2): farblos, wasserklar durch-
oder dichtfasrige Massen, die muschelig brechen. sichtige und stets von Kristallflächen begrenzte Vari-
Nach ihrer Internstruktur lassen sich bei Quarzkristallen etät, von Millimeter- bis zu Metergröße, meist auf Klüf-
grundsätzlich zwei Typen unterscheiden (Bambauer et al. ten oder in Hohlräumen vorkommende Kristallgrup-
1961, 1962): pen, in Drusen oder als Kristallrasen auf einer Gesteins-
unterlage aufsitzend.
Gewöhnliche Quarze zeigen einen radialen Mosaikbau Rauchquarz: rauchbraun, durchsichtig bis durchschei-
aus makroskopisch sichtbaren Kristalldomänen. Häu- nend (Abb. 10.1, S. 182). Vorkommen ähnlich denen
fig sind vertikale Suturen ≈ // c erkennbar, welche die des Bergkristalls, jedoch seltener. Es handelt sich aus-
horizontale Streifung auf den Prismenflächen {1010} schließlich um gewöhnliche Quarze. Ursache der Fär-
durchschneiden. Dieser Typ tritt vor allem bei Dauphi- bung sind Defektelektronenstellen (Punktdefekte), die
née-Zwillingen auf, z. B. beim größten Teil der alpinen infolge natürlicher radioaktiver γ -Strahlung (auch
Kluftquarze. Höhenstrahlung) aus Al-Li- und Al-(OH)-Farbzentren
Lamellenquarze bestehen aus einem konzentrischen entstehen. Dabei nimmt die Tendenz zur Rauchquarz-
Fachwerk aus niedrig-symmetrischen Lamellen und bildung mit zunehmendem Anteil an Li-Al-Farbzent-
sind daher optisch anomal 2-achsig. Die Lamellen- ren zu (Guzzo et al. 1997). In alpinen Klüften bildet
systeme sind auf den Kristallflächen nicht sichtbar. Rauchquarz Kristalle, die über 200 kg Gewicht errei-
Bevorzugt beobachtet man diesen Typ bei Brasilianer- chen können; auch in Pegmatiten kommt Rauchquarz
Zwillingen; er wurde nur bei einem kleinen Teil der vor, z. B. im Fichtelgebirge, im Bayerischen Wald und
alpinen Kluftquarze gefunden. in Brasilien, ebenso in Graniten, z. B. dem Kirchberger
Granit im Vogtland. Schwarzer oder fast schwarzer
Die mannigfaltigen Farben von Quarzkristallen sind Rauchquarz wird als Morion bezeichnet. Die Farbe geht
meist durch Fremdionen bedingt, deren Mengenanteil in beim Glühen zurück. Auch in der Natur dürfte es Quar-
Lamellenquarzen wesentlich höher als in gewöhnlichen ze – z. B. in Graniten – geben, die ursprünglich dunkel
Quarzen ist, jedoch 0,1 Gew.-% nur selten überschreitet gefärbt waren, aber durch natürliches Aufheizen auf
(Lehmann und Bambauer 1973; Jung 1992; Rossman 1994). ca. 100–200 °C wieder farblos wurden (King et al. 1987).
Die Spurenelemente sind nicht gleichmäßig in einem Kris- Citrin: zitronengelb, durchsichtig bis durchscheinend.
tall verteilt, sondern in bestimmten Wachstums-Sektoren Die Farbe entsteht durch natürliche ionisierende Be-
– und innerhalb dieser auch zonar – unterschiedlich stark strahlung von Rauchquarz, die in der Struktur Bau-
angereichert, wobei in der Regel {1011} > {0111} > {1010} fehler erzeugen. Weitaus häufiger werden jedoch
gilt (Bambauer 1961). Die Folge ist eine zonare Farb- künstlich bestrahlter oder auf 300 °C erhitzter Rauch-
verteilung in vielen Quarzen. Die Fremdionen besetzen quarz oder thermisch behandelter Amethyst als „Cit-
entweder Gitterplätze des Si in der Quarzstruktur oder rin“ auf dem Edelsteinmarkt angeboten. Manche Ame-
Zwischengitterplätze in den Kanälen // c. Wird ein Si4+- thyste enthalten Zonen von orange-braun gefärbtem
Gitterplatz durch ein Kation geringerer Wertigkeit, z. B. natürlichem Citrin, dessen Farbe durch Fe3+-Farb-
Al3+ oder Fe3+ ersetzt, so erfolgt der Ladungsausgleich durch zentren bedingt ist. Beispiele sind aus Hyderabad (In-
ein Kation auf einem benachbarten Zwischengitterplatz, dien), Minas Gerais und Mato Grosso (Brasilien) so-
z. B. durch Li+, d. h. durch die Substitution Si4+ Al3+Li+ wie – besonders schön – aus der Anahí-Mine in Boli-
bzw. Fe3+Li+. Eine weitere Möglichkeit ist der Ersatz von O2– vien bekannt (Schultz-Güttler 2008).
durch (OH)–, z. B. Si4+O2– Al3+(OH)– bzw. Fe3+(OH)–. Amethyst: violett durchscheinend, bisweilen violette
Diese Art des Ladungsausgleichs spielt eine wesentliche Farbe fleckig-trüb, auch mit zonarer oder streifiger
Rolle bei „feuchten“ Quarzen, die aus hydrothermalen Farbverteilung; prächtige Kristalldrusen in Hohlräu-
Klüften oder Drusen stammen; demgegenüber dominie- men vulkanischer Gesteine auf Achat aufsitzend, sog.
ren in den „trockenen“ Pegmatit-Quarzen die Al-Li-Farb- Geoden, besonders spektakulär in Brasilien (Abb. 9.45).
zentren (Guzzo et al. 1997). Außer der Eigenfärbung durch Ursache der violetten Färbung sind Farbzentren von
den Einbau von Ionen der Übergangsmetalle, z. B. Fe oder Fe3+-Li und Fe3+-OH auf den Tetraederplätzen oder
Mn, können Farbzentren durch ionisierende Strahlung Einlagerung von Fe2+/Fe3+ in den Kanälen der Quarz-
entstehen. In synthetischen Quarzkristallen lassen sich struktur, die durch Gammastrahlung aktiviert werden.
die meisten der natürlichen Quarzfarben erzeugen, Dabei wird das Eisen auf den ungewöhnlichen vier-
darüber hinaus aber noch weitere, in der Natur bisher wertigen Valenzzustand Fe4+ aufoxidiert (Lehmann
nicht gefundene Farben (Lehmann und Bambauer 1973). und Moore 1966; vgl. Rossmann 1994). Durch Bren-
Seltener sind die Farben bei makrokristallinem Quarz nen von Amethyst erzeugter citrinfarbener Quarz wird
durch feinste Ausscheidung von fremden Mineralen be- im Edelsteinhandel oft fälschlich und irreführend als
dingt. Nach der Farbe lassen sich folgende makrokristal- „Goldtopas“ oder „Madeiratopas“ bezeichnet, eine
line Varietäten unterscheiden: Bezeichnung, die nach der Internationalen Nomenkla-
160 9 · Silikate
sehr ähnlich. Als Hochquarz gebildeter Quarz unterschei- Achat und seine Varietäten dienen zur Herstellung von
det sich durch seine Kristalltracht. Bei ihr tritt in gedrun- Schmuck, Gemmen, Kameen und kunstgewerblichen
genen Kristallen die hexagonale Dipyramide {1011} allein Gegenständen; dafür wird Achat oft künstlich gefärbt.
oder kombiniert mit schmalem, hexagonalem Prisma {1010} Wegen seiner großen Zähigkeit dient Achat auch als Roh-
auf (Abb. 9.44h). Bekannt ist das Vorkommen des Hoch- stoff für die Fabrikation von Lagersteinen in der fein-
quarzes als sog. Quarz-Dihexaeder-Einsprenglinge in mechanischen und Uhren-Industrie, von Kugelmühlen,
vulkanischen Gesteinen wie Rhyolithen bzw. Quarzpor- Reibschalen und Pistillen sowie für Poliersteine.
phyren. Diese Einsprenglinge sind als Hochquarz bei ei-
ner Temperatur >573 °C auskristallisiert. Bei ihrer Ab- Tridymit und Cristobalit, SiO2
kühlung erfolgte die enantiotrope Umwandlung in eine
Paramorphose, die aus Domänen mit Tiefquarzstruktur Hoch-Tridymit bildet kleine 6-seitig begrenzte grauweiße
besteht, jedoch unter Erhaltung der äußeren Kristallform. Täfelchen der Kristallklasse 6/m2/m2/m, vorwiegend zu
Dabei kommt es zu sprunghafter, wenn auch relativ ge- Drillingen gruppiert in fächerförmiger Anordnung. Hoch-
ringer Änderung verschiedener physikalischer Eigen- Cristobalit hat die Kristallklasse 4/m32/m und erscheint in
schaften. winzigen hellen oktaedrischen Kriställchen. Beide kommen
in Blasenräumen vulkanischer Gesteine vor. Cristobalit ist
Quarz als Rohstoff z. B. auch aus der Grundmasse von Trachyten beschrieben
worden. Beide Minerale sind Bestandteil vieler Opale (s. u.).
Quarz ist ein wichtiger Rohstoff für die Herstellung von
Glas, speziell auch von Quarzglas, einem Spezialglas, das Moganit, SiO2
aus reinem SiO2 besteht. Quarz findet Verwendung in der
keramischen Industrie, der Feuerfestindustrie (Silikastei- Dieses mikrokristalline SiO2-Mineral mit der Kristall-
ne), der Baustoffindustrie (Silikatbeton). Quarz dient klasse 2/m wurde von Flörke et al. (1984) in einem
außerdem der Herstellung von Siliciumcarbid (Carbo- Ignimbrit-Strom von Mogan (Gran Canaria) entdeckt. Es
rundum, SiC) in der Schleifmittelindustrie; er ist als Roh- kommt sehr häufig als untergeordneter Bestandteil von
stoff an verschiedenen Erzeugnissen der chemischen Achaten vor; mit zunehmendem Alter wird Moganit
Industrie beteiligt, z. B. bei der Herstellung von Siliko- allerdings immer mehr in mikrokristallinen Quarz um-
nen (Schmiermittel, hydraulische Flüssigkeiten, Lack- gewandelt, so dass er in präsilurischen Achaten (älter als
grundlage etc.), von Silikagel (Verwendung als Absorp- ca. 445 Ma) nicht mehr nachgewiesen werden konnte
tionsmittel, zum Trocknen von Gasen etc.). Schließlich (Moxon und Rios 2004). Die Moganit-Struktur besteht aus
dient reiner Quarz zur Züchtung von Silicium-Einkristal- alternierenden Lagen von Links- und Rechtsquarz, die
len (Reinstsilicium) für die Solarindustrie und die // (1010) angeordnet sind und ein dreidimensionales
Halbleiterindustrie (Herstellung von Transistoren etc.); Gerüst aus eckenverknüpften [SiO4]-Tetraedern bilden
die Jahresproduktionen liegen bei 39 000 t mit stark stei- (Miehe und Graetsch 1992).
gender Tendenz bzw. 12 000 t (Ackermann 2008). Edle
Varietäten des Quarzes sind als Schmuck- oder Edelstein Coesit und Stishovit, SiO2
geschätzt, wie Amethyst, Rauchquarz, Citrin, Rosenquarz,
Chrysopras, Achat oder Onyx. Hochwertige und reine Die Hochdruckmodifikationen Coesit (Kristallklasse 2/m)
Quarzkristalle finden Verwendung in der optischen In- und Stishovit (4/m2/m2/m) bilden sich bei der Schock-
dustrie, als Piezoquarze zur Steuerung elektrischer wellen-Metamorphose beim Einschlag großer Meteoriten
Schwingungen (z. B. in der Quarzuhr) und in der Elek- (Abschn. 24.2.3, S. 392); sie treten daher in Meteoriten-
troakustik bei der Erzeugung von Ultraschall (als Wand- kratern, so im Nördlinger Ries, als mikroskopischer Ge-
ler in Mikrophonen, Lautsprechern und Ultraschall- mengteil zusammen mit Kieselglas auf. In nichtgeschockten
geräten), als Steuerquarze zur genauen Abstimmung der krustalen Gesteinen wurde Coesit erstmals in einem
Frequenz von Rundfunkwellen etc. Da die Vorräte an Pyropquarzit des Dora-Maira-Massivs in den italieni-
hochwertigen, insbesondere unverzwillingten Quarz- schen Alpen entdeckt (Chopin 1984). Nach diesem sen-
kristallen praktisch erschöpft sind, werden in der Tech- sationellen Fund wird Coesit jetzt immer häufiger in
nik nur noch künstliche Quarzkristalle verwendet. Diese Gesteinen gefunden, die eine Ultrahochdruck-Metamor-
werden in großen Hochdruckautoklaven bei Drucken von phose als Ergebnis von kontinentalen Kollisionen erlebt
1 000–1 700 bar und Temperaturen von 350–400 °C aus haben (Abschn. 26.3.9, S. 471f), so in Eklogiten West-
alkalischer wässeriger Lösung gezüchtet (Hydrothermal- norwegens, des Erzgebirges, der Westalpen und des Dabie
synthese), wobei Bruchstücke von reinem natürlichen Shan (China). Da die Peridotite des oberen Erdmantels
Quarz den Bodenkörper bilden; die Wachstumsgeschwin- kein freies SiO2 haben, kann in ihnen kein Coesit vor-
digkeit beträgt ca. 1,3 mm pro Tag. Die derzeitige Jahres- kommen. Wohl aber wird er gelegentlich in Eklogiten
produktion liegt bei ca. 1 000 t. gefunden, die in den Erdmantel versenkt und durch tief-
9.6 · Gerüstsilikate (Tektosilikate) 163
Gemeiner Opal: Mit verschiedener unreiner Färbung, Quarz oder in Tief-Cristobalit. Durch seine Eigenschaf-
derb und wachsglänzend, kantendurchscheinend bis ten wie enorme Saugfähigkeit und Wärmedämmung
undurchsichtig; hoher Gehalt an nichtflüchtigen Ver- findet Kieselgur vielseitige technische Verwendung.
unreinigungen.
Holzopal: Unter Wahrung der Struktur des Holzes von 9.6.2
gelber bis braunroter Opalsubstanz durchsetztes Holz, Feldspat-Familie (Tabelle 9.9)
meist von Baumstämmen; häufig erfolgt Übergang in (unter Mitwirkung von Hans-Ulrich Bambauer und Herbert Kroll)
Jaspis bzw. Chalcedon. Neuerdings wurde die Beteili-
gung von Hoch-Tridymit festgestellt. Kristallstruktur und Phasenbeziehungen bei den Feldspäten
Kieselgur, Tripel: Lockere, feinporöse Massen oder Ge-
steine aus Opalsubstanz, vorwiegend aus Opalpanzern Mit einer Beteiligung von über 50 Vol.-% sind die
von Diatomeen oder Radiolarien bestehend, teilweise Feldspäte die häufigste Mineralguppe der Erdkrus-
nachträglich umkristallisiert in kryptokristallinen te. Im Erdmantel fehlen Feldspäte völlig.
Tabelle 9.9.
Die wichtigsten Gerüstsilikate
(SiO2-Minerale s. Tabelle 9.8)
9.6 · Gerüstsilikate (Tektosilikate) 165
Abb. 9.47.
Mischkristallbildung im ternä- a b
ren Feldspatsystem bei a 900 °C
und b 600 °C. a Nomenklatur der
Hochtemperatur-Alkalifeldspäte
und der Plagioklas-Reihe. Bei
rund 900 °C gibt es zwischen Or
und Ab keine Mischungslücke.
b Unterhalb 600 °C (bei 1 bar
Druck) beginnt sich eine Mi-
schungslücke zu öffnen, wobei
es zu perthitischer und antiper-
thitischer Entmischung kommt.
Auch die ternäre Mischungs-
lücke des Systems vergrößert
sich. Wie im Text ausgeführt,
stellen „Orthoklas“ und „Na-
Orthoklas“ metastabile Para-
morphosen mit monokliner Mor-
phologie dar, die bei der Um-
wandlung von (K,Na)-Sanidin zu
Mikroklin entstanden sind. (Mod.
nach Deer et al. 1963)
Abb. 9.50.
Mikrofoto eines Kalifeldspats
mit typischer lamellarer Entmi-
schung (Mesoperthit), neben
Korund (hohes Relief, gelbliche
Interferenzfarben) und Phlogopit
(bunte Interferenzfarben). Ko-
rundgneis von Morogoro (Tan-
sania). Gekreuzte Polarisatoren
(+Nic.), Bildbreite ca. 1 mm
(Foto: M. Okrusch)
der Temperatur immer mehr. Bei ≈460 °C liegen z. B. Or- Aufnahme von K+ anstelle von Na+ sehr begrenzt. Sie
armer Albit neben Ab-armem Mikroklin und unterhalb wächst etwas stärker an im Übergangsgebiet Plagioklas–
200 °C praktisch die reinen Endglieder nebeneinander vor. Alkalifeldspat (Abb. 9.47, 9.48). Bei hohen Temperaturen zei-
Kühlt man einen bei hoher Temperatur gebildeten, gen die Plagioklase (mit Ausnahme von Anorthit) eine un-
homogenen Alkalifeldspat-Mischkristall unterhalb des geordnete Al,Si-Verteilung, die bei rascher Abkühlung
Solvus ab, so beginnt er durch Diffusion von Na+ und K+ metastabil erhalten bleibt, während es bei langsamer Ab-
im Kristall zu entmischen. Je nach seiner Zusammenset- kühlung zur Al,Si-Ordnung kommt. Ausdruck dieses
zung unterscheidet man zwei Fälle (Abb. 9.47b): strukturellen Verhaltens ist die Hoch- und Tieftemperatur-
Optik der Plagioklase, die schon lange bekannt ist. Bei tie-
bei perthitischer Entmischung scheiden sich K-haltige feren Temperaturen treten innerhalb der Plagioklasreihe
Albitlamellen innerhalb eines Na-haltigen Kalifeld- drei Mischungslücken auf. Am bekanntesten ist die
spat-Wirtskristalls aus; Peristerit-Lücke im Grenzbereich Albit–Oligoklas (An2–16).
bei antiperthischer Entmischung scheiden sich Lamel-
len von Na-haltigem Kalifeldspat innerhalb eines Kristallmorphologie und physikalische Eigenschaften
Wirtskristalls von K-haltigem Albit aus; der Feldspäte
als Mesoperthit bezeichnet man einen entmischten
Alkalifeldspat, bei dem Albit und Kalifeldspat etwa zu Symmetrie. Feldspäte sind monoklin (2/m) oder tri-
gleichen Anteilen nebeneinander vorkommen (Abb. 9.50) klin (1). Monokline Symmetrie ist bisher nur bei Alkali-
feldspäten, Ba-Feldspäten und sehr Na-reichen Plagio-
Beide Lamellensysteme sind in ihrem Wirtkristall klasen festgestellt worden (Monalbit; Abb. 9.51). Bei Or-
nach (801) orientiert. Je nach der Größenordnung z. B. thoklas und z. T. bei Anorthoklas (Abb. 9.47a) ergibt sich
der perthitischen Lamellen spricht man von die monokline Symmetrie aus submikroskopisch feiner
Verzwillingung trikliner Domänen.
Makroperthit (makroskopisch sichtbar),
Mikroperthit (höchstens mikroskopisch sichtbar, Tracht und Habitus. Tracht und Habitus (Abb. 9.52, 9.54)
Abb. 9.50) oder sind von den jeweiligen Bildungsbedingungen abhängig.
Kryptoperthit (nur mit Röntgenbeugung oder dem Für die Tracht spielen insbesondere die Formen {010},
Elektronenmikroskop erkennbar). {001}, {101}, {201}, {110} bzw. {110} oder auch {111} bzw.
{111} und {021} bzw. {021} eine große Rolle. Der Habitus
Bei rascher Unterkühlung kann die Entmischung un- der Feldspatkristalle ist dünn- bis dicktafelig nach {010}
terdrückt werden. oder gestreckt nach der a-Achse mit gleichbetonter Ent-
Die Plagioklase können in erster Näherung als Glie- wicklung von {001} und {010}.
der des Zweistoffsystems NaAlSi3O8 (Ab)–CaAl2Si2O8 (An)
betrachtet werden (vgl. auch das Schmelzdiagramm Zwillingsbildungen. Sie sind bei den Feldspäten außeror-
Abb. 16.4, S. 259). Sie bilden bei höheren Temperaturen dentlich verbreitet (Tabelle 9.10), wobei die Zwillingsachse
eine lückenlose Mischkristallreihe mit gekoppelter Sub- jeweils eine Kristallkante (z. B. die a- oder c-Achse:
stitution Na+Si4+ Ca 2+Al3+. Demgegenüber ist die Kantengesetz), die Normale auf einer Kristallfläche (z. B.
Abb. 9.52.
Die Trachten und der Habitus
sowie die Zwillingsbildung
bei Alkalifeldspat sind alle von
primärem Sanidin abzuleiten;
a tafelig nach {010}, typisch für
vulkanisch gebildeten Sanidin;
b dicktafelig nach {010}, typisch
für Orthoklas; c Karlsbader Zwil-
ling; d gestreckt nach der a-Ach-
se; e Bavenoer Zwilling; f Mane-
bacher Zwilling (b–f typisch für
Orthoklas und Mikroklin); g Bei-
spiel für Adular-Tracht; h Bei-
spiel für Anorthoklas-Tracht
als „Rhombenfeldspat“
9.6 · Gerüstsilikate (Tektosilikate) 169
Tabelle 9.10.
Die wichtigsten Zwillings-
gesetze der Plagioklase
⊥ (010): Normalengesetz) oder die Normale auf einer führt zu einer „monoklinen“ „Aggregat-
Kristallkante (Kantennormalengesetz) sein kann. Man un- spaltbarkeit“. Bei den triklinen Feldspat-
terscheidet nach Zahl und Anordnung der Zwillingsindi- kristallen weicht der Winkel nur wenig von
viduen einfache (häufig bei Orthoklas) und polysyntheti- 90° ab, bei Mikroklin-Einkristallen würde
sche Zwillinge (in der Regel bei Plagioklas und bei Mikro- er nur ca. 30', bei den Plagioklasen maxi-
klin; Abb. 9.53). Häufig beobachtet man aber auch kompli- mal 4–5° in Abhängigkeit vom An-Gehalt
zierte Zwillingsstöcke mit einfacher oder polysynthetischer betragen.
Wiederholung, bei denen oft verschiedene Zwillings- Härte 6 (Standardmineral der Mohs-Skala), also
gesetze kombiniert auftreten. Neben den Makrozwillin- relativ groß, bedingt durch die starke,
gen können die Ausmaße der einzelnen Zwillingsindi- nach allen Seiten hin wirkenden (Al,Si)-
viduen bis zu Abmessungen weniger Elementarzellen O-Bindungen in der Kristallstruktur
hinabreichen. Das Karlsbader, Manebacher und Bavenoer Dichte Relativ gering, bedingt durch die lockere
Gesetz bilden sich nur primär beim Kristallwachstum Gerüststruktur; Alkalifeldspäte 2,5–2,6,
(Wachstumszwillinge). Das Albit- und Periklin-Gesetz Plagioklase 2,6–2,8, je nach An-Gehalt
können beim Kristallwachstum, durch Deformation Farbe, Glanz Fast durchweg hell: weiß, grau, gelblich,
(Deformations-Zwillinge bei den Plagioklasen) oder grünlich oder hellrosa, auch rot durch
auch bei der polymorphen Umwandlung (Transforma- mikroskopisch bis submikroskopisch fei-
tionszwillinge) entstehen. Wichtigstes Beispiel hierfür ist ne Einlagerungen von Hämatit; die Spalt-
das Mikroklin-Gesetz: die monokline Morphologie des flächen besitzen häufig Perlmuttglanz
umgewandelten Sanidins wird von mikroskopisch feinen
Bereichen aus triklinem Tief-Mikroklin ausgefüllt, die Alkalifeldspat-Reihe, (K,Na)[AlSi3O8]
–
nach dem Albit- und dem Periklin-Gesetz polysynthetisch (Kristallklasse 2/m oder 1)
angeordnet sind (Abb. 9.53). Dabei wird beim Albit-Ge-
setz die Spiegelebene des Sanidins (2/m) als Zwillings- (K,Na)-Sanidin
ebene, beim Periklin-Gesetz die zweizähligen Achse des
Sanidins als Zwillingsachse übernommen. Das Albit- Sanidin ist die monokline Hochform von Alkalifeldspat
Gesetz ist vermutlich das am häufigsten auftretende (2/m), unter Gleichgewichtsbedingungen auch Hoch-
Zwillingsgesetze in der Natur. temperaturform, als Hoch-Sanidin weitgehend (nicht
maximal!) Al,Si ungeordnet, als Tief-Sanidin im Rahmen
Physikalische Eigenschaften. der Symmetrie 2/m etwas geordnet. Dabei besteht eine
Spaltbarkeit: Im Wesentlichen nach {001} (vollkommen) vollständige Mischungsreihe zwischen Sanidin und Mon-
und {010} (meist nur deutlich), durch et- albit. Die Mischkristalle sind in der Natur durch rasche
was weniger starke Bindungen in der Kris- Abkühlung metastabil als (K,Na)-Sanidin in frisch aus-
tallstruktur angelegt. Die beiden Spalt- sehenden, relativ jungen Vulkaniten und deren Tuffen
ebenen schneiden sich in der a-Achse, und erhalten und sind dann häufig dünntafelig nach {010}
zwar bei den monoklinen Feldspäten (Sani- entwickelt (Abb. 9.52a). Wasserklare Durchsichtigkeit
din) unter einem Winkel von 90°. Das gilt spricht für fehlende Entmischung, Trübung deutet u. a.
auch für die Paramorphosen (Orthoklas das Vorliegen von Kryptoperthiten an. Sanidin kann sich
und Mikroklin) mit monokliner Morpho- auch metastabil im Stabilitätsbereich des Mikroklins bil-
logie: die feine Mikroklinverzwillingung den (z. B. Adular). Insgesamt lassen sich die bei Ortho-
170 9 · Silikate
klas und Mikroklin erwähnten Wachstumszwillinge nach nach dem Mikroklin-Gesetz verwachsen sind. In einem ein-
dem Karlsbader, Bavenoer und Manebacher Gesetz auf zelnen K-Feldspat können mehr oder weniger mikrosko-
primären Sanidin zurückführen (Abb. 9.52c,e,f). pisch homogen erscheinende Orthoklas-Bereiche in Be-
reiche mit mikroskopisch erkennbarer Mikroklingitterung
(K,Na)-Orthoklas übergehen. Derartige Orthoklase liegen sehr häufig als
Mikroperthite vor. Wachstumszwillinge (des ehemaligen
(K,Na)-Orthoklase sind Paramorphosen mit monokliner Sanidins) nach dem Karlsbad-, dem Baveno- oder dem
Morphologie (2/m), die metastabile Produkte der Um- Manebach-Gesetz sind häufig zu beobachten. Orthoklas
wandlung von (K,Na)-Sanidin auf dem Weg zum Tief- gehört demzufolge nicht ins Zustandsdiagramm der
Mikroklin darstellen, also kinetisch gestrandete Zwi- Alkalifeldspäte (Bambauer et al. 1989).
schenzustände repräsentieren. Daher sind sie gemein- Orthoklase können dicktafelig nach {010} (Abb. 9.52b)
glänzend und für das Auge leicht getrübt (selten) bis oder nach a gestreckt (Abb. 9.52d) oder kurzprismatisch
meistens undurchsichtig. Solche Orthoklase sind mikro- nach dem Vertikalprisma {110} (Abb. 9.55) entwickelt
skopisch weitgehend inhomogen und bestehen aus über- sein. Verzwillingung nach dem Karlsbader Gesetz
wiegend submikroskopischen Domänen verschiedener (Abb. 9.52c) mit c als Zwillingsachse bzw. (100) als
Größe mit trikliner Al,Si-Verteilung. Diese Domänen sind Zwillingsebene und (010) als unregelmäßige Verwach-
nur mit dem Transmissions-Elektronenmikroskop (TEM) sungsebene sind verbreitet. Etwas weniger häufig ist die
auflösbar; soweit sie eine gewisse Größe erreicht haben, Verzwillingung nach dem Bavenoer Gesetz mit Zwillings-
erkennt man ein recht variables Erscheinungsbild: Dieses und Verwachsungsebene (021) oder (021) (Abb. 9.52e),
reicht von schlecht definierten, unregelmäßigen Bereichen noch seltener das Manebacher Gesetz mit (001) als Zwil-
mit ∅ von etwa 100–1 000 Å bis zu solchen, die nahe lings- und Verwachsungsebene (Abb. 9.52f), wobei die
∅ ≈ 1 µm sich der mikroskopischen Auflösung nähern und Kristalle nach a gestreckt sind. Orthoklas kommt ge-
ähnlich dem mikroskopischen Bild von Mikroklin (s. u.) wöhnlich in körnigspätigen Kristallen als Hauptgemeng-
teil in vielen hellen Plutoniten vor, wobei er häufig idio-
morphe bis panidiomorphe Einsprenglinge bildet.
Mikroklin
ist und ein mikroskopisches Identfizierungsmerkmal des Bedeutung von Orthoklas und Mikroklin als Rohstoff. Beide
Mikroklins darstellt (Abb. 9.53). Orthoklas und Mikroklin Minerale sind wichtige Rohstoffe in der Keramikindus-
– wie hier beschrieben – sind Produkte des gleichen Um- trie (Porzellan, Glasuren), der Glasindustrie und für die
wandlungsvorgangs und somit nicht streng zu trennen. Herstellung von Email.
Mikroklin-Perthite sind neben Orthoklas die verbrei- Die Varietät Mondstein ist ein milchig getrübter Kali-
teten Kali- bzw. Alkalifeldspäte in Plutoniten. In großen feldspat mit kryptoperthitischer Entmischung. Bei sei-
bis riesengroßen Individuen ist Mikroklin der Haupt- ner Verwendung als Edelstein ist sein bläulich-wogen-
gemengteil der meisten Pegmatite. In deren Hohlräumen der Lichtschein geschätzt, der bei gewölbt geschliffener
kommen auch gut ausgebildete Individuen vor, wie der Oberfläche (Cabochon) hervortritt.
relativ seltene blaugrüne Amazonit (Abb. 9.54)
Im sog. Schriftgranit (Abb. 20.3, S. 310) werden Adular
Mikroklin-Individuen orientiert von Quarzstängeln
durchwachsen. Dieses Gefüge wird meist durch simulta- Dieser Kalifeldspat besitzt in der Regel mononokline
ne Kristallisation von Quarz und Kalifeldspat aus einer Kristallformen mit der besonderen Adulartracht durch
H2O-reichen Restschmelze erklärt. Mikroklin ist der Vorherrschen von {110} und {101} und Fehlen oder weit-
verbreitetste Alkalifeldspat in metamorphen Gesteinen; gehendes Zurücktreten von {010} (Abb. 9.52g). Adular
Mesoperthite, d. h. Alkalifeldspäte die sich ungefähr zu kommt in alpinen Klüften vor, wo er metastabil, d. h. Al,Si-
gleichen Teilen aus Mikroklin- und Albit-Lamellen auf- ungeordnet bei relativ niedrigen Temperaturen gewachsen
bauen (Abb. 9.50), sind typisch für die hochmetamorphen ist. Folglich enthalten Adulare nur sehr wenig Ab-Kompo-
Granulite. Mikroklin findet sich darüber hinaus im Det- nente. Adulare können eine sehr eigene innere Ausbildung
ritus klastischer Sedimentgesteine, so besonders in zeigen, die dem Orthoklas ähnlich sein kann. In einem
Arkosen, ist aber auch als primäre (sog. authigene) Bil- sehr charakteristischen Lamellengefüge können Adulare
dung in Sedimentgesteinen anzutreffen. kontinuierliche Übergänge zwischen strukturellen Sanidin-
und Mikroklin-Zuständen aufweisen, und es gibt sogar
Beispiele von Tief-Mikroklin mit der charakteristischen
Zwillingsgitterung (Bambauer und Laves 1960).
Anorthoklas
Oligoklas, An10–An30
Tabelle 9.11.
Tief-Albit und Anorthit
9.6 · Gerüstsilikate (Tektosilikate) 173
felig nach {010} entwickelt und kommen als Drusen- sichtige oder durchscheinende, auf
mineral in Ca-reichen vulkanischen Auswürflingen und den muscheligen Bruchflächen ölig
basaltischen Tuffen vor, als ein relativ seltener Gemeng- glänzende Varietät Eläolith, die ma-
teil in stark unterkieselten Ca-reichen magmatischen Ge- kroskopisch dem Quarz ähnelt
steinen sowie in mittel- bis hochgradig metamorphen
Kalken und Kalkmergeln (Silikatmarmore, Kalksilikat- Struktur und Chemismus. Kantenverknüpfte [SiO4]- und
Gesteine). [AlO4]-Tetraeder bilden Sechserringe, die durch an-
dere Tetraeder zu einem Gerüst verknüpft sind. Da das
9.6.3 Si : Al-Verhältnis genau 1 : 1 ist, sind Si und Al in der Struk-
Feldspatoide (Foide, Feldspatvertreter) tur geordnet (Al-Vermeidungsprinzip). Na+ kann bis zu
etwa ¼ durch K+ ersetzt werden. Besonders deutlich wird
Die Feldspatoide unterscheiden sich durch ihren der SiO2-Unterschuss des Feldspatvertreters, wenn man
geringeren SiO2-Gehalt von den Alkalifeldspäten. Sie die Oxidformeln von Nephelin Na2O · Al2O3 · 2SiO2 und
können nicht im Gleichgewicht mit Quarz auftreten, Albit Na2O · Al2O3 · 6SiO2 miteinander vergleicht.
da sich sonst die entsprechenden Feldspäte bilden
würden. Feldspatoide kristallisieren aus alkalireichen, Vorkommen. Nephelin ist ein wichtiges Mineral in SiO2-
SiO2-armen silikatischen Schmelzen. untersättigten magmatischen Gesteinen mit Na-Vor-
macht. Im Unterschied zu Leucit tritt Nephelin nicht nur
in Vulkaniten, z. B. in Phonolithen, Nephelintephriten,
Feldspatoide ohne tetraederfremde Anionen Nephelinbasaniten und Nepheliniten auf, sondern auch
häufig in Plutoniten wie Nephelinsyeniten und deren Peg-
Nephelin, (Na,K)[AlSiO4] matiten, gelegentlich sogar in metamorphen Gesteinen.
Ausbildung. Kristallklasse 6, die kleinen kurzprismati- Nephelin als Rohstoff. Als Feldspatersatz in der kerami-
schen Kristalle haben gewöhnlich nur das hexagonale schen Industrie. Nephelin-reiche magmatische Gesteine
Prisma {1010} und das Basispinakoid {0001} entwickelt, der Kola-Halbinsel sind wichtiger Rohstoff für die Ge-
seltener auch {1011} und {1120}. Diese Kristalle lassen winnung von Aluminium in Russland.
ihre niedrige hexagonal-pyramidale Symmetrie durch
ihre asymmetrischen Ätzfiguren auf den Flächen des Leucit, K[AlSi2O6]
hexagonalen Prismas erkennen (Abb. 9.56a), sonst nur
durch einen röntgenographischen Nachweis. Nephelin ist Wie man schon aus dem Vergleich der Struktur-, besser noch
meist im Gestein eingewachsen. der Oxidformeln erkennt, ist Leucit (K2O · Al2O3 · 4SiO2)
gegenüber Kalifeldspat (K2O · Al2O3 · 6SiO2) unterkieselt.
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit {1010} unvollkommen Struktur. In der Leucit-Struktur befinden sich die K-Io-
Bruch muschelig nen in den weiten Hohlräumen des lockeren Gerüsts aus
Härte 5½–6 allseitig verknüpften (Al,Si)O4-Tetraedern, die 4-, 6-, 8-
Dichte 2,6 und 12-zählige Ringe bilden. K+ besitzt gegenüber O [12]-
Farbe grau, grünlich oder rötlich Koordination; es kann nur in geringem Maße durch Na+
Glanz Auf Kristallflächen Glasglanz, auf ersetzt werden. Der kubische Hoch-Leucit (Kristallklasse
Bruchflächen Fettglanz; Durch Entmi- 4/m32/m), ist bei Temperaturen >605 °C beständig; er
schung der K[AlSiO 4]-Komponente wandelt sich bei Temperaturerniedrigung in den tetra-
(Kalsilit) entsteht die trübe, undurch- gonalen Tief-Leucit (4/m) um, wobei die kubischen
Kristallformen äußerlich erhalten bleiben.
9.6.4 9.6.5
Skapolith-Gruppe Zeolith-Familie
Skapolithe sind feldspatähliche Gerüstsilikate mit Zeolithe sind Gerüstsilikate mit besonders weitma-
den tetraederfremden Anionen Cl– – auch F–, (OH)– schig angelegten Strukturen, großen Hohlräumen
– sowie [CO3]2– und [SO4]2–. Sie bilden eine lücken- oder Kanälen (Abb. 9.58). In diesen Zwischenräumen
lose Mischkristallreihe zwischen den Endgliedern. befinden sich große Kationen (Na+, Ca2+, K+, auch
Ba2+ und Sr2+) und besonders auch H2O-Moleküle,
Marialith, Na8[Cl2/(AlSi3O8)6] und Mejonit, als Zeolithwasser bezeichnet. Eine lockere Bindung
Ca8[CO3/(Al2Si2O8)6] bzw. Sulfat-Mejonit, Ca8[SO4/(Al2Si2O8)6] macht die Kationen austauschbar. Das Zeolithwasser
kann schon bei mäßigem Erhitzen stufenweise aus-
Ausbildung. Kristallklasse 4/m; aufgewachsene Kristalle bil- getrieben werden, ohne dass das Alumosilikatgerüst
den gedrungene, seltener langgestreckte tetragonale Pris- zusammenbricht (Name „Kochstein“ von grch. ζέω
men mit dominierendem {100}, ferner {110}, {111} und = sieden). Bedeutsam ist, dass die Zeolithe verlore-
{101}; das Auftreten der selteneren Formen {121} oder {210} nes Wasser wieder aufnehmen können.
oder von Ätzfiguren deutet an, dass Skapolith nicht zur
höchstsymmetrischen tetragonalen Kristallklasse gehört; Viele Zeolithe haben sehr komplexe chemische Formeln,
meist aber findet man Skapolith eingewachsen im Gestein. über die nicht immer Einigkeit besteht (Coombs et al. 1998;
Bish u. Ming 2001). Wir geben die Zeolith-Formeln nach
Physikalische Eigenschaften. Armbruster u. Gunter (2001) an, jedoch z. T. in stark ver-
Spaltbarkeit {110} vollkommen, {100} deutlich; einfachter Form. Bei Zeolith-Mischkristallen wird das
Bruch muschelig, spröde jeweils vorherrschende Alkali- oder Erdalkali-Ion hinter
Härte 5–6 dem Namen angegeben, z. B. Heulandit-Ca, Stilbit-Na.
Dichte 2,5–2,8, je nach Marialith/(Sulfat-) Die lockeren Strukturen der Zeolithe wirken sich auch
Mejonit-Verhältnis auf physikalische Eigenschaften aus. So liegen Härte
Farbe, Glanz farblos oder weiß, mit Glasglanz bis (3½–5½), Dichte (2,0–2,4) und Lichtbrechung (1,48–1,50)
Fettglanz; durch Zersetzung und/oder deutlich niedriger als bei den Feldspäten. Die Kristalle
Hämatit-Entmischung grau, grünlich, sind meist farblos oder weiß, höchstens durch Beimen-
rötlich, ja ziegelrot, trübe gungen zart gefärbt.
Auch in ihrem Auftreten in der Natur haben Zeolithe
Struktur. Lockere Gerüststruktur mit Viererringen aus viel Gemeinsames. Ihre häufig gut ausgebildeten Kristalle
[(Si,Al)O4]-Tetraedern, die // c zu Kanälen angeordnet füllen Hohlräume oder Klüfte meist innerhalb magmati-
sind; in den kleineren Hohlräumen sitzen die Kationen scher, besonders jungvulkanischer Gesteine, so in Basalten
Na+ und Ca2+, in den größeren die tetraederfremden An- und Phonolithen. In winzigen Kriställchen bilden Zeolithe
ionen Cl–, [CO3]2– und [SO4]2–. Umwandlungsprodukte von Gesteinsgläsern und vulkani-
schen Tuffen, so besonders auf dem Ozeanboden und in kon-
Vorkommen. In (auto-)metasomatisch umgewandelten tinentalen Salzseen. Einige Zeolithe, insbesondere Laumo-
Gesteinen, z. B. Gabbros; in Metamorphiten, z. B. in Ska- ntit und Heulandit, sind kritische Minerale der Diagenese
polithgneisen und Granuliten; auf alpinen Klüften. und der niedrigstgradigen Metamorphose (Zeolithfazies).
Abb. 9.58.
Kristallstrukturen von Zeolithen.
a Kette aus [SiO4]-Tetraedern
(einfarbig) und [AlO4]-Tetrae-
dern (schraffiert) von Faserzeo-
lithen, z. B. Natrolith. b Blick in
Kettenrichtung // c. c Chabasit-
Käfig. d Faujasit-Käfig. (Nach
Gottardi u. Galli 1985)
176 9 · Silikate
Unter den zahlreichen Zeolithen seien nur die wichtigs- Abb. 9.59. Kristalltrachten, Zwillinge und Viellinge bei Zeolithen.
a Einkristall von Natrolith; b Bündel von Durchkreuzungszwillin-
ten angeführt. Nach äußeren Kennzeichen wurde die gen von Stilbit (Desmin); c Chabasit, Durchkreuzungszwilling nach
Zeolith-Familie in folgende Gruppen eingeteilt: (0001); d Phillipsit, zwei Zwillinge durchkreuzen sich unter Erlan-
gen einer pseudotetragonalen Symmetrie
Faserzeolithe
Blätterzeolithe den. Dadurch entstehen große Kanäle, in denen Na+-Io-
Würfelzeolithe nen und H2O-Moleküle sitzen.
Natürlich ist die Morphologie jeweils strukturell be- Mesolith, Na2Ca2[Al6Si9O30] · 8H2O
gründet.
Dieser häufige Faserzeolith (Abb. 9.60) hat die gleiche
Natrolith, Na2[Al2Si3O10] · 2H2O Kristallklasse mm2 sowie ähnliche Ausbildung, physika-
lische Eigenschaften und Struktur wie Natrolith.
Ausbildung. Faserzeolith der Kristallklasse mm2, in lang-
prismatisch-nadeligen (Abb. 9.59a) und haarförmigen Thomsonit, NaCa2[Al5Si5O20] · 6H2O
Kristallen, meist zu Büscheln oder radialstrahlig bis
kugelig gruppiert, dabei sind die einzelnen Kristalle // c Ausbildung. Kristallklasse 2/m2/m2/m; Kristalle relativ
gestreift. selten, meist fächerförmige oder kugelige Aggregate.
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit: {010} und {100} vollkommen, spröde
Härte 3–3½
Dichte 2,3
Glanz Glasglanz, auf Spaltflächen Perlmutt-
glanz; jedoch zersetzt sich Laumontit
an der Luft unter H 2O-Verlust und
wird bald matt, trübe und bröckelig
Physikalische Eigenschaften.
Spaltbarkeit: {010} sehr vollkommen, Bruch uneben,
spröde
Härte 3½–4
Dichte 2,2
Farbe, Glanz farblos, weiß, gelblich, rosa, durch ein-
gelagerte Hämatit-Schüppchen auch
ziegelrot; Perlmuttglanz auf Kristall-
und Spaltflächen {010}, sonst Glas-
glanz; durchscheinend
Ausbildung. Kristallklasse 2/m, meist in charakteristischen Abb. 9.61. Büschelige Kristallgruppen von Stilbit (weiß) und Apo-
garbenförmigen Büscheln (Abb. 9.59b, 9.61), die als Durch- phyllit (hellgrün), Poona, Indien. Bildbreite 6 cm. Mineralogisches
kreuzungs-Zwillinge monokliner Einzelkristalle zu deuten Museum der Universität Würzburg. (Foto: K.-P. Kelber)
sind, nicht ganz so häufig in stängelig-strahligen Gruppie-
rungen. tion mit kanten- und eckenabstumpfenden Flächen wie
{0112} oder {0221}. Häufig Durchkreuzungs-Zwillinge
Physikalische Eigenschaften. nach (0001) (Abb. 9.59c), wobei die Ecken des einen Indi-
Spaltbarkeit {010} vollkommen viduums über die Flächen des anderen Individuums vor-
Härte 3½–4 springen.
Dichte 2,1–2,2
Farbe, Glanz farblos oder zart gefärbt; auf Spaltflächen Physikalische Eigenschaften.
Perlmuttglanz; durchscheinend bis durch- Spaltbarkeit {1011} bisweilen deutlich, sonst musche-
sichtig liger Bruch
Härte 4½
Struktur und Chemismus. Die gleichen Baueinheiten wie Dichte 2,1
beim Heulandit sind zu einem Gerüst verknüpft, die Ka- Farbe, Glanz farblos oder weiß, seltener zart gefärbt;
näle aus Zehnerringen // der a- und Achterringen // der Glasglanz, durchsichtig bis durchschei-
c-Achse enthalten. Die Formel ist vereinfacht (Bish u. Ming nend
2001); Ca2+ kann durch 2 Na+ und 2 K+ ersetzt werden.
Struktur. Typisches Element der Gerüststruktur ist der
Chabasit, (Ca0,5,Na,K)4[Al4Si8O24] · 12H2O langgestreckte Chabasit-Käfig, bestehend aus 2 Sechser-,
6 Achter- und 12 + 6 Viererringen (Abb. 9.58c). Beim
Ausbildung. Würfelzeolith der Kristallklasse 32/m, in Faujasit Na20Ca12[Al60Si132O384]2 · 235H2O (!) (Kristall-
würfelähnlichen Rhomboedern mit Polkantenwinkel von klasse 4/m32/m) sind Sodalith-Käfige über Sechserringe
85° 14'. Kristallformen {1011} allein oder in Kombina- zu einer kubischen Gerüststruktur verknüpft (Abb. 9.58d).
Literatur 179
Weiterführende Literatur Mottana A, Sassi FP, Thompson Jr JB, Guggenheim S (2002) Micas:
Crystal chemistry and metamorphic petrology. Rev Mineral
Allgemein Geochem 46
Velde B (1992) Introduction to clay minerals. Chapman & Hall, London
Anthony, JW, Bideaux RA, Bladh KW, Nichols MC (1995) Handbook
of mineralogy, vol II: Silica, silicates, Part 1 and 2. Mineral Data Gerüstsilikate
Publ, Tucson, Arizona
Ferraris G, Merlino S (eds) (2005) Micro- and mesoporous mineral Bambauer HU (1966) Feldspat-Familie. In: Tröger WE (Hrsg) Opti-
phases. Rev Mineral 36 sche Bestimmungen der gesteinsbildenden Minerale, Teil 2, Text-
Klein C, Hurlbut Jr CS (1985) Manual of mineralogy (after James band. Nägele & Obermiller, Stuttgart
D. Dana). 20th edn. Wiley, New York Bambauer HU (1988) Feldspäte – Ein Abriß. Neues Jahrb Mineral
Liebau F (1985) Structural chemistry of silicates, structure, bonding, Abh 158:117–138
and classification. Springer, Berlin Heidelberg New York Bish DL, Ming DW (eds) (2001) Natural zeolites: Occurrence,
Strunz H (1982) Mineralogische Tabellen, 8. Aufl. Akademische properties, applications. Rev Mineral Geochem 45
Verlagsgesellschaft Geest & Portig, Leipzig Coombs DS (Chairman) et al. (1998) Recommended nomenclature
Strunz H, Nickel EH (2001) Strunz Mineralogical Tables, 9th edn. for zeolite minerals: Report of the subcommittee on zeolites of
Schweizerbart, Stuttgart the International Mineralogical Association, Comission on New
Minerals and Mineral Names. Eur J Mineral 10:1037–1081
Insel-, Gruppen- und Ringsilikate Deer WA, Howie RA, Zussman J (1963) Rock forming minerals,
vol 4, Framework silicates. Longmans, London
Armbruster T (Chairman), et al. (2006) Recommended nomencla- Deer WA, Howie RA, Zussman J (2001) Rock forming minerals,
ture of epidote-group minerals. Eur J Mineral 18:551–567 vol. 4A, Framework silicates: Feldspars. 2nd edn. Geol Soc, London
Deer WA, Howie RA, Zussman J (1982) Rock-forming minerals, vol 1A, Gottardi G, Galli E (1985) Natural zeolites. Springer, Berlin Heidel-
2nd edn, Ortho silicates. Longman, London berg New York Tokyo
Deer WA, Howie RA, Zussman J (1986) Rock-forming minerals, Graetsch H (1994) Structural characteristics of opaline and micro-
vol 1B, 2nd edn, Disilicates and ring silicates. Longman, Harlow, crystalline silica minerals. Rev Mineral 29:209–232
Essex, UK Heaney PJ, Prewitt CT, Gibbs GV (eds) (1994) Silica – physical behavior,
Grew ES (ed) (2002) Beryllium – Mineralogy, petrology, geochemistry. geochemistry and materials applications. Rev Mineral 29
Rev Mineral Geochem 50 Jung L (1992) High purity natural quartz. Quartz Technology, Inc.,
Grew ES, Anovitz LM (eds) (1996) Boron – Mineralogy, petrology Liberty Corner, New Jersey
and geochemistry. Rev Mineral 33 Mumpton FA (ed) (1977) Mineralogy and geology of natural zeolites.
Hanchar JM, Hoskin PWO (2003) Zircon. Rev Mineral Geochem 53 Rev Mineral 4
Harley SL, Kelly NM (2007) Zircon – Tiny but timely. Elements 3:13–18 Ribbe PH (ed) (1983) Feldspar mineralogy. Rev Mineral 2, 2nd edn
Hawthorne FC, Henry DJ (1999) Classification of minerals from the Rossman GR (1994) Colored varieties of the silica minerals. Rev
tourmaline group. Eur J Mineral 11:201–215 Mineral 29:433–467
Kerrick DM (ed) (1990) The Al2SiO5 polymorphs. Rev Mineral 22 Rykart R (1989) Quarz-Monographie. Ott, Thun, Schweiz
Liebscher A, Franz G (2004) Epidotes. Rev Mineral Geochem 56 Smith JV (1974) Feldspar minerals, vol 1 and 2. Springer, Berlin
Ribbe PH (ed) (1982) Ortho-silicates. Rev Mineral 5 Heidelberg
Smith JV, Brown WL (1988) Feldspar minerals, vol 1, 2nd edn. Sprin-
Kettensilikate ger, Berlin Heidelberg
Deer WA, Howie RA, Zussman J (1978) Rock-forming minerals, Zitierte Literatur
vol 2A, 2nd edn, Single-chain silicates. Longman, London
Deer WA, Howie RA, Zussman J (1997) Rock-forming minerals, Ackermann L (2008) Die Entwicklung der Kristallzüchtung – vom
vol 2B, 2nd edn, Double-chain silicates. Geol Soc, London Verneuil-Verfahren bis zu den heutigen High-Tech-Methoden.
Hawthorne FC, Oberti R, Della Ventura G, Mottana A (eds) (2007) Unpubl. Vortrag Gemmologisches Symposium zum 80. Geburts-
Amphiboles: Crystal chemistry, occurrrence, and health issues. tag von Hermann Bank, Idar-Oberstein, 24./25.05. 2008
Rev Mineral Geochem 67 Armbruster T, Gunter ME (2001) Crystal structures of natural
Prewitt CT (ed) (1980) Pyroxenes. Rev Mineral 7 zeolites. In: Bish DI, Ming DW (eds) Natural zeolites: Occurence,
Veblen DR (ed) (1981) Amphiboles and other hydrous pyriboles – properties, applications. Rev Mineral Geochem 45:1–67
Mineralogy. Rev Mineral 9A Bachheimer JP (1980) An anomaly in the β -phase near the α β
Veblen DR, Ribbe PH (eds) (1982) Amphiboles: petrology and ex- transition of quartz. J Phys Lett 41:L559–L561
perimental phase relations. Rev Mineral 9B Bambauer HU (1961) Spurenelementgehalte und γ -Farbzentren in
Quarzen aus Zerrklüften der Schweizer Alpen. Schweiz Mineral
Schichtsilikate Petrogr Mitt 41:335–369
Bambauer HU, Laves F (1960) Zum Adularproblem. Schweiz Min Petr
Bailey SW (ed) (1984) Micas. Rev Mineral 13 Mitt 40:177–205
Bailey SW (ed) (1988) Hydrous phyllosilicates (exclusive of micas). Bambauer HU, Lehmann G (1969) Farbe und Farbveränderungen
Rev Mineral 19 von Quarzen. Z Dt Gemmol Ges, Sonderheft 3:41–49
Deer WA, Howie RA, Zussman J (1962) Rock-forming minerals, Bambauer HU, Brunner GO, Laves F (1961) Beobachtungen über
vol 3, Sheet silicates. Longman, London Lamellenbau an Bergkristallen. Z Krist 116:173–181
Heim D (1990) Tone und Tonminerale. Enke, Stuttgart Bambauer HU, Brunner GO, Laves F (1962) Wassersoff-Gehalte in Quar-
Jasmund K, Lagaly G (Hrsg) (1993) Tonminerale und Tone. Stein- zen aus Zerrklüften der Schweizer Alpen und die Deutung ihrer re-
kopff, Darmstadt gionalen Abhängigkeit. Schweiz Mineral Petrogr Mitt 42:121–236
180 9 · Silikate
Bambauer HU, Krause C, Kroll H (1989) TEM-investigation of the Leake BE (Chairman) et al. (1997) Nomenclature of amphiboles.
sanidine/microcline transition across metamorphic zones: The Report of the Subcommittee on Amphiboles of the Internatio-
K-feldspar varieties. Eur J Mineral 1:47–58, Erratum 1:605 nal Mineralogical Association, Commission on New Minerals
Bambauer HU, Bernotat W, Breit U, Kroll H (2005) Perthitic alkali and Mineral Names. Eur J Mineral 9:623–651
feldspar as indicator mineral in the Central Swiss Alps. Dip and Lehmann G, Bambauer HU (1973) Quarzkristalle und ihre Farben.
extension of the surface of the microcline/sanidine transition Angew Chem 85:281–289
isograd. Eur J Mineral 17:69–80, Erratum 17:944 Lehmann G, Moore WJ (1966) Color center in amethyst quartz.
Bayliss P (1975) Nomenclature of trioctahedral chlorites. Canad Science 152:1061–1062
Mineral 13:178–180 Liebau F (1959) Über die Kristallstruktur des Pyroxmangits
Bolton HC, Bursill LA, McLaren AC, Turner RG (1966) On the origin (Mn,Fe,Ca,Mg)SiO3. Acta Cryst 12:177–181
of the colour of labradorite. Phys Stat Sol 18:221–230 Meagher EP (1980) Silicate garnets. In: Ribbe PH (ed) Orthosilicates.
Bragg WL, West J (1926) The structure of beryl, Be3Al2Si6O18. Proc Rev Mineral Geochem 45:25–66
Roy Soc London, A, 111:691–714 Miehe G, Graetsch H (1992) Crystal structure of moganite: A new
Carpenter MA (1994) Subsolidus phase relations of the plagioclase structure type for silica. Eur J Mineral 4:693–706
feldspar solid solution. In: Parsons I (ed) Feldspars and their Morimoto N (Chairman) et al. (1988) Nomencature of pyroxenes.
reactions. Kluwer, Dordrecht Boston London, p 221–269 Subcommittee on Pyroxenes, Commission on New Minerals and
Chopin C (1984) Coesite and pure pyrope in high-grade blueschists Mineral Names, Int. Mineral. Assoc. Am Mineral 73:1123–1133
of the western Alps: A first record and some consequences. Moxon T, Rios S (2004) Moganite and water content as a function of
Contrib Mineral Petrol 86:107–118 age in agate: An XRD and thermogravimetric study. Eur J Mine-
Clarke DB, Dorais M, Barbarin B, et al. (2005) Occurrence and origin ral 16:269–278
of andalusite in peraluminous felsic igneous rocks. J Petrol Nasdala L, Hanchar JM, Whitehouse MJ, Kronz A (2005) Long-term
46:441–472 stability of alpha particle damage in natural zircon. Chem Geol
El Goresy A, Dera P, Sharp TG, Prewitt CT, Chen M, Dubrovinsky L, 220:83–103
Wobenka B, Boctor NZ, Hemley RJ (2008) Seifertite, a dense Ramdohr P, Strunz H (1978) Klockmanns Lehrbuch der Mineralo-
orthorhombic polymorph of silica from the Martian meteorites gie, 16 Aufl. Enke, Stuttgart
Shergotty and Zagami. Eur J Mineral 20:523–528 Raz U, Girsperger S, Thompson AB (2003) Direct observations of a
Evans RC (1976) Einführung in die Kristallchemie. de Gruyter, double phase transition during the low high transformation in
Berlin New York quartz single crystals to 700 °C and 0.6 Gpa. Schweiz Mineral
Flörke OW, Flörke U, Giese U (1984) Moganite – A new micro- Petrogr Mitt 83:173–182
crystalline silica-mineral. Neues Jahrb Mineral Abhandl 149: Ribbe PH (1983a) The chemistry, structure and nomenclature of feld-
325–336 spars. In: Ribbe PH (ed) Feldspar mineralogy. Rev Mineral 2:1–20
Flörke OW, Graetsch H, Miehe G (1985) Die nicht- und mikrokristal- Ribbe PH (1983b) Exsolution textures in ternary and plagioclase
linen SiO2-Minerale – Struktur, Gefüge und Eigenschaften. Mitt feldspars; interference colors. In: Ribbe PH (ed) Feldspar
Österr Mineral Ges 130:103–108 mineralogy. Rev Mineral 2(2nd ed):241–270
Guzzo PL, Iwasaki F, Iwasaki H (1997) Al-related centers in relation to Ribbe PH, Gibbs GV (1971) The crystal structure of topaz and its
γ -irradation – Response in natural quartz. Phys Chem Minerals relation to physical properties. Amer Mineral 56:24–30
24:254–263 Rickwood, PC (1981) The largest crystals. Am Mineral 66:885–907
Henn U (2008) Einschlüsse als Farbursache in Quarz. Unpubl. Vor- Schreyer W (1976) Hochdruckforschung in der modernen Gesteins-
trag Gemmologisches Symposium zum 80. Geburtstag von Her- kunde. Rhein Westf Akad, Westdeutscher Verlag, Opladen, Vor-
mann Bank, Idar-Oberstein, 24./25.05. 2008 träge N259
Hume LA, Rimstidt JD (1992) The biodurability of chrysotile Schulz-Güttler R, Henn U, Milisenda CC (2008) Grüne Quarze – Farb-
asbestos in human lungs. Amer Mineral 77:1125–1128 ursachen und Behandlung. Z Dt Gemmol Ges 57:63–74
King BC, Blackburn WH, Dennen WH (1987) Inferences drawn from Searle AB, Grimshaw RW (1959) The chemistry and physics of clays,
clear and smoky quartz in granitic rocks. Neues Jahrb Mineral 3rd edn. Ernest Benn, London
Abhandl 156:325–341 Seel F, Schäfer G, Güttler H-J, Simon G (1974) Das Geheimnis des
Kroll H (1973) Estimation of the Al,Si distribution of feldspars from Lapis lazuli. Chemie in unserer Zeit 8:65–71
lattice translations Tr110 and Tr110 I. Alkali feldspars. Contrib Sueno S, Cameron M, Papike JJ, Prewitt CT (1973) The high temperature
Mineral Petrol 39:141–156 crystal chemistry of tremolite. Amer Mineral 58:649–664
Kroll H, Bambauer HU (1981) Diffusive and displacive transformation Swamy V, Saxena SK, Sundmann B, Zhang J (1994) A thermo-dynamic
in plagioclase and ternary feldspar series. Amer Mineral 66: assessment of silica phase diagram. J Geophys Res 99:11787–11794
763–769 Watson EB (2007) Zircon in technology and everyday life. Elements 3:52
Kroll H, Bambauer HU, Schirmer U (1980) The high albite–monalbite Werner AJ, Hochella MF, Guthry Jr GD, Hardy JA, Aust AE, Rimstedt
and analbite–monalbite transitions. Amer Mineral 65:1192–1211 JD (1995) Asbestiform riebeckite (crocidolite) dissolution in
Kroll H, Krause C, Voll G (1991) Disordering, re-ordering and un- the presence of Fe chelators: Implications for mineral-induced
mixing in alkalifeldspars from contact-metamorphosed quart- disease. Am Mineral 80:1093–1103
zites. In: Voll G, Töpel J, Pattison DRM, Seifert F (eds) Equi- Wicks FJ, O’Hanley DS (1988) Serpentine minerals: Structure and petro-
librium and kinetics in contact-metamorphism: The Ballachu- logy. In Bailey SW (ed) Hydrous phyllosilicates (exclusive of micas).
lish igneous complex and its aureole. Springer, Heidelberg, Rev Mineral 19:91–167
p 267–296 Yagi T, Akimoto S (1976) Direct determination of coesite-stishovite
Landmesser M (1994) Zur Entstehung von Kieselhölzern. extraLapis 7, transition by in situ X-ray measurements. Tectonophysics
Versteinertes Holz, p 49–79, München 35:259–270
Laves F (1960) Al/Si-Verteilungen, Phasen-Transformationen und Zoltai T, Stout JM (1984) Mineralogy – Concepts and principles.
Namen der Alkalifeldspäte. Z Krist 113:265–296 Burgess, Minneapolis, Minnesota
10
Flüssigkeitseinschlüsse in Mineralen
Reiner Klemd
Während des Wachstums oder der Rekristallisation von Mineralen können ne-
ben kristallinen Körpern auch Flüssigkeiten eingeschlossen werden. Flüssigkeits-
einschlüsse (engl. fluid inclusions) werden oft übersehen, da sie mit einem Durch-
messer von normalerweise <1 µm–0,1 mm sehr klein sind. In vielen Fällen sind
sie <0,01 mm. Größere Einschlüsse bis zu mehreren Millimetern sind selten. Die
ersten Arbeiten über Flüssigkeitseinschlüsse erschienen bereits vor über 130 Jah-
ren. Nach 1900 erlebte diese Forschungsrichtung einen schnellen Aufschwung.
Wichtige Ergebnisse der jüngsten Forschung (bis 1984) wurden von Roedder
(1984) zusammengefasst. Ein ausführlicher Abriss wird in den Lehrbüchern von
Roedder (1984), Shepherd et al. (1985) und Leeder et al. (1987) gegeben. Das Ziel
der Untersuchung von Flüssigkeitseinschlüssen ist die Ermittlung von physikali-
schen Daten wie Temperatur, Druck, Dichte und Zusammensetzung der Flüssig-
keiten. Diese Daten ermöglichen Rückschlüsse auf die Bildungsbedingungen ih-
rer Wirtminerale.
182 10 · Flüssigkeitseinschlüsse in Mineralen
Das Einschlussvolumen beträgt normalerweise weniger als In den Mineralen gibt es mehrere Generationen von
1 % des Gesamtvolumens des Wirtkristalls, selten bis zu 5 %. Flüssigkeitseinschlüssen:
Die Form der Flüssigkeitseinschlüsse kann einer negativen
Kristallform des kristallographischen Aufbaus des Wirt- Primäre Flüssigkeitseinschlüsse entstehen während
kristalls entsprechen; jedoch weitaus häufiger ist sie rund, des Wachstums eines Minerals. Häufig befinden sie
oval oder unregelmäßig ausgebildet (Abb. 10.1, 10.2a). Die sich auf Wachstumszonen der Minerale (Abb. 10.3a,b).
Einschlussfüllung besteht oft aus einer Flüssigkeit und Sekundäre Einschlüsse bilden sich dagegen erst
einer Gasblase, die sich durch Volumenkontraktion der nach der Kristallisation des Wirtminerals. Sie sind an
Flüssigkeit beim Abkühlen des Gesteins gebildet hat. Die verheilte Risse oder Brüche im Mineral gebunden
Flüssigkeit ist normalerweise eine wässerige Lösung, in (Abb. 10.2a).
der Salze gelöst sind. In den meisten Fällen handelt es Als pseudosekundär werden Flüssigkeitseinschlüsse be-
sich um Na-, K-, Ca-, Mg-, Fe-Chloride; von anderen Sal- zeichnet, die zwar während des Wachstums des Wirt-
zen wird seltener berichtet. Häufig beobachtet werden kristalls gebildet wurden, aber häufig Eigenschaften
Einschlüsse von reinem CO2 oder CO2-H2O, während rei- der sekundären Einschlüsse aufweisen (Abb. 10.3a,b).
ne CH4-Einschlüsse seltener sind. CO2 und CH4 können Niemals kreuzen sie allerdings die Korngrenzen ihrer
sowohl als Gas als auch als Flüssigkeit eingeschlossen Wirtminerale im Gegensatz zu den sekundären Ein-
werden. Verhältnismäßig häufig werden sog. Tochtermi- schlüssen.
nerale in den Flüssigkeitseinschlüssen beobachtet, die in
den Einschlüssen während der Abkühlungsphase aus den Primäre und pseudosekundäre Flüssigkeitseinschlüs-
übersättigten Lösungen auskristallisieren. Kristalle da- se repräsentieren die physikalisch-chemischen Bedin-
gegen, die während der Bildung des Flüssigkeitsein- gungen zur Zeit der Entstehung des Wirtminerals. Da
schlusses eingeschlossen wurden, bezeichnet man als sekundäre Einschlüsse erst nach der Kristallisation des
Festeinschlüsse (solid inclusions) (Abb. 10.2b). In eini- Wirtminerals gefangen werden, spiegeln sie spätere Ein-
gen sehr schnell erstarrten magmatischen Gesteinen wird flüsse auf das Mineral bzw. auf das Gestein wider. Um
von Silikatglas-Einschlüssen berichtet, die auch Schmelz- Aussagen über die Entwicklungsgeschichte eines Mine-
einschlüsse oder magmatische Einschlüsse genannt wer- rals treffen zu können, ist deshalb eine Unterscheidung
den. Alle Arten dieser Flüssigkeitseinschlüsse haben ge- der verschiedenen Einschlusstypen, die oft nebeneinan-
meinsam, dass sie abgeschlossene und stofflich selbstän- der vorkommen, unerlässlich. Das häufigste Wirtmineral
dige Körper sind, die während der Entstehung des Wirt- für Flüssigkeitseinschlüsse ist Quarz, aber auch in Mine-
kristalls und/oder der nachfolgenden Prozesse, denen das ralen wie Granat, Kyanit, Pyroxen, Karbonat und Apatit
Wirtmineral ausgesetzt war, entstanden sind. sind Flüssigkeitseinschlüsse beobachtet worden.
Abb. 10.1.
Rauchquarz-Kristall von Wett-
ringen (Mittelfranken) mit farb-
loser Zone, die zahlreiche Flüs-
sigkeitseinschlüsse enthält.
a Maßstab 5 cm; b vergrößerter
Auschnitt, Bildbreite 1,5 cm;
c stark vergrößerter Ausschnitt,
Bildbreite 0.5 cm. Sammlung
K. Wiedmann (Crailsheim).
(Foto: K.-P. Kelber)
10 · Flüssigkeitseinschlüsse in Mineralen 183
Abb. 10.2.
Einschlüsse in Mineralen.
a Mikrofoto von sekundären,
oval und unregelmäßig begrenz-
ten Ein- und Mehrphasenein-
schlüssen in magmatischem
Quarz von Varkenskraal (Süd-
afrika). Vergrößerung 630fach;
b Ovaler Flüssigkeitseinschluss
mit Mineraleinschlüssen und
Tochtermineralen in magmati-
schem Quarz von Varkenskraal,
Muscovit (m) und Calcit (c). Auf-
nahme mit dem Raster-Elektro-
nenmikroskop (REM), Maßstab:
1 µm. (Aus Shepherd et al. 1985)
Abb. 10.4. P-T-Diagramm mit den Isochoren für reines H2O. Weiterhin
Abb. 10.3. Einschlüsse in Mineralen. Prinzipskizze zur Anordnung pri- wird das Verhalten von zwei verschiedenen Einschlüssen A und B, die
märer (P), sekundärer (S) und pseudosekundärer (PS) Flüssigkeitsein- unterschiedliche Dichten besitzen, während des Aufheizungsvorgangs
schlüsse in Quarz und Fluorit. a Quarz, Schnitt parallel zur c-Achse; mit dem Heiz-Kühl-Tisch dargestellt (Pfeile). Obwohl die Einschlüsse
b Fluorit, Schnitt parallel zur Würfelfläche. (Aus Shepherd et al. 1985) dieselbe Homogenisierungstemperatur (TH) besitzen, ergeben sich aus
den unterschiedlichen Dichten unterschiedliche Einschließungs-
temperaturen (TT) und die Homogenisierung findet entweder in die
ten berücksichtigt werden, was nicht selten mit erhebli- flüssige (A) oder in die gasförmige Phase (B) statt. Die Dichten entlang
chen Schwierigkeiten verbunden ist. Sind z. B. die Punk- der Isobaren sind in g cm–3 angegeben; k. P. bezeichnet den kritischen
te 2 und 3 nicht oder nur teilweise erfüllt, so spricht man Punkt auf der Dampfdruckkurve. (Mod. nach Shepherd et al. 1985)
von einer Reäquilibrierung der Einschlüsse, was beson-
ders durch die retrograde Überprägung von hochgradi- (Einschluss B). Hierbei wird die Gasblase während des
gen metamorphen Gesteinen wie Eklogiten und Granu- Heizvorgangs entweder immer kleiner, bis sie schließ-
liten beachtet werden muss. Solche Reäquilibrierungen lich verschwindet, oder sie wird immer größer, bis der
treten v. a. in Quarz auf und sind häufig nur bei genauer Flüssigkeitssaum aufgezehrt ist. Bei TH beginnt die Iso-
struktureller und mikrothermometischer Bearbeitung chore auf der Siedekurve ihre Fortsetzung in das homo-
der Flüssigkeitseinschlüsse erkennbar (Klemd et al. gene Zustandsfeld, je nach Dichte entweder in das flüs-
1995). Bei vielen anderen geologischen Vorgängen, wie sige oder gasförmige Feld (Abb. 10.4). Kann nun T oder
bei der Bildung von hydrothermalen Erzlagerstätten oder P durch eine unabhängige Temperatur- oder Druckab-
Erdöllagerstätten, der Diagenese von Sedimenten sowie schätzung bestimmt werden, so wird der P-T-Bereich der
magmatischen und gering- bis mittelgradigen metamor- Bildungsbedingungen des Flüssigkeitseinschlusses
phen Prozessen, sind diese Voraussetzungen jedoch er- anhand des Schnittpunkts mit der Isochore ermittelt.
füllt. In solchen Fällen kann man normalerweise bei der Wurde der Einschluss jedoch als Zweiphaseneinschluss
Untersuchung von Flüssigkeitseinschlüssen vorausset- entlang der Siedekurve eingeschlossen, so ist die Homo-
zen, dass das unter Laborbedingungen beobachtete Vo- genisierungstemperatur gleich der Bildungstemperatur.
lumen und damit die Dichte des Einschlusses den Weiterhin können die Einschlussbedingungen ermittelt
Bildungsbedingungen entspricht. Daher kann, bei be- werden, wenn das Wirtmineral chemisch unterschiedli-
kannter Zusammensetzung des Einschlussinhalts (s. che Flüssigkeitseinschlüsse enthält, die gleichzeitig ein-
unten), eine Isochore, d. h. eine Linie konstanten Volu- gefangen worden sind. Da die H2O-Isochoren im Dia-
mens in einem P-T-Diagramm konstruiert werden gramm steiler als z. B. die CO2-Isochoren verlaufen, müs-
(Abb. 10.4). In einem geschlossenen System bleibt der sen sie sich schneiden und geben somit die Einschlie-
Einschlussinhalt erhalten; deshalb bewahrt der Ein- ßungsbedingungen der Flüssigkeitseinschlüsse wieder.
schluss neben dem konstanten Volumen auch seine Dich-
te aus dem Bildungsbereich. Hieraus folgt, dass der Ein- Zusammensetzung
schluss an einem bestimmten P-T-Punkt (TT) der Iso-
chore eingefangen worden sein muss. Die Dichte des Ein- Die Zusammensetzung von Flüssigkeitseinschlüssen
schlussinhalts wird während eines experimentellen Heiz- wird häufig anhand von kryometrischen Messungen be-
vorgangs durch Homogenisierung der verschiedenen stimmt. So hat reines H2O einen Gefrierpunkt bei 0 °C,
Phasen der Flüssigkeitseinschlüsse bestimmt. So homo- während in der Natur vorkommende H2O-reiche Flüs-
genisiert die Gasblase eines Zweiphaseneinschlusses, der sigkeiten normalerweise gelöste Salze enthalten und da-
aus einer Flüssigkeit und einer Gasblase besteht, bei der her niedrigere Gefrierpunkte besitzen. Die durch den
Homogenisierungstemperatur TH (Abb. 10.4) entweder Kühlvorgang ermittelten Gefrierpunktserniedrigungen
in die flüssige Phase (Einschluss A) oder in die Gasphase erlauben die Bestimmung der mengenmäßig vorwiegen-
10 · Flüssigkeitseinschlüsse in Mineralen 185
den, in der Flüssigkeit gelösten Salze und ihren Gehalt. chungsmethoden wie thermodynamische Modellie-
Die so ermittelte Konzentration oder Salinität der Lö- rungen und die Analyse stabiler Isotopen zu erhal-
sung wird in Gew.-% NaCl äquivalent angegeben. Die ten; denn ausschließlich Flüssigkeitseinschluss-Unter-
Konzentration und die Art der Zusammensetzung einer suchungen vermitteln einen direkten Einblick in die ge-
Lösung geben Informationen über die Genese der be- naue chemische Zusammensetzung von mineralbil-
treffenden Flüssigkeit. Weiterhin lassen sich unterschied- denden Lösungen.
liche Flüssigkeiten leicht anhand ihrer unterschiedlichen
Gefrierpunkte (z. B. CO 2 = –56,6 °C; CH 4 = –82,1 °C, Weiterführende Literatur
N2 = –209,6 °C) unterscheiden. Mit der kryometrischen
Methode des Heiz-Kühl-Tisches können also die Haupt- Klemd R (1989) Flüssigkeits-Einschlüsse (Hinweise auf die Bil-
dungsbedingungen von Lagerstätten). Geowissenschaften 6:
bestandteile einer Flüssigkeit an deren physikalisch-
182–186
chemischen Eigenschaften bestimmt werden. Die Kryo- Leeder O, Thomas R, Klemm W (1987) Einschlüsse in Mineralien.
metrie umfasst alle Einschlussuntersuchungen unter Enke, Stuttgart
dem Mikroskop, die mit Hilfe eines speziellen kryome- Roedder E (1984) Fluid inclusions. Rev Mineral 12
trischen Tisches (Kühltisch, Gefriertisch, Kühlkammer Shepherd TJ, Rankin AH, Alderton DHM (1985) A practical guide
u. ä.) ausgeführt werden. Für eine genauere Bestimmung to fluid inclusion studies. Blackie, Glasgow-London
des Einschlussgehalts sind aufwendigere Methoden wie
Ultramikroanalyse, Lasermikroanalyse oder Raman- Zitierte Literatur
Spektroskopie notwendig. Die auf diese Art gewonne-
Klemd R, Bröcker M, Schramm J (1995) Characterisation of
nen Erkenntnisse, insbesondere über die genaue che- amphibole-facies fluids of Variscan eclogites from the
mische Zusammensetzung der Flüssigkeitseinschlüs- Orlica-Snieznik dome (Sudetes, SW Poland). Chem Geol
se, sind nicht oder nur schwer durch andere Untersu- 119:101–113
II
Teil II
Petrologie und
Lagerstättenkunde
Zur Systematik der Gesteine
Wie ein Blick auf geologische Karten, z. B. auf die von Mitteleuropa, eindrucks-
voll zeigt, besteht die oberflächennahe Erdkruste überwiegend aus Sediment-
gesteinen und nicht verfestigten Sedimenten. Das gleiche gilt für die Ozean-
böden, wie durch zahlreiche Bohrungen zur Gewinnung von Erdöl oder zu rein
wissenschaftlichen Zwecken belegt wurde. Demgegenüber dominieren in tie-
feren Bereichen der Erdkruste magmatische und metamorphe Gesteine. Unter
den Ozeanböden sind es fast ausschließlich Basalte und Gabbros, während in
der kontinentalen Erdkruste Granite und Granodiorite sowie daraus gebildete
Metamorphite vorherrschen. Kenntnisse über die Zusammensetzung der Erd-
kruste gewinnen wir aus Bergwerken, Tunneln und Tiefbohrungen. So erreich-
te die geowissenschaftliche Tiefbohrung auf der Kola-Halbinsel (Russland) eine
Endteufe von 12 260 m, die kontinentale Tiefbohrung der Bundesrepublik
Deutschland (KTB) bei Windischeschenbach in der Oberpfalz (Bayern) kam bei
9 101 m zum Stehen. Auf indirektem Wege vermitteln tektonisch gehobene und
tiefgreifend abgetragene Krustenbereiche Aufschlüsse über den Aufbau der
Erdkruste (s. Kap. 27, S. 480ff ).
Die folgende Tabelle gibt eine Abschätzung der Häufigkeit von Gesteinen in
der Erdkruste in Vol.-%:
Tabelle II.1.
Häufigkeit von Gesteinen in
der Erdkruste (nach Ronov
u. Yaroshevsky 1969)
11
Magmatische Gesteine (Magmatite)
11.1 Magmatische Gesteine (Magmatite, Eruptivgesteine, engl. igneous rocks) sind (im
Einteilung Wesentlichen) Kristallisationsprodukte aus einer natürlichen glutheißen silika-
und Klassifikation tischen Schmelze, dem Magma. Gelegentlich kommen auch karbonatische,
der magmatischen oxidische oder sulfidische Magmen in der Natur vor.
Gesteine An aktiven Vulkanen kann man die Förderung magmatischer Schmelzen in
eindrucksvoller Weise direkt beobachten. Bei der effusiven Förderung fließen re-
11.2 lativ dünnflüssige Laven an der Erdoberfläche oder auf dem Meeresboden aus;
Petrographie bei der extrusiven Förderung werden sie als zäher Brei heraus gedrückt. In beiden
der Magmatite Fällen werden vulkanische Gase, insbesondere H2O, CO2 und Schwefeldämpfe
freigesetzt. Diese heftigen Entgasungen belegen, dass in den Magmen des Erd-
innern leichtflüchtige Komponenten gelöst sind. Effusiv und extrusiv geförderte
Laven erstarren rasch zu feinkörnigen vulkanischen Gesteinen, z. T. sogar zu vul-
kanischen Gläsern wie Obsidian oder Pechstein. Erreichen die leichtflüchtigen
Komponenten einen gewissen Mengenanteil, so kommt es zur Blasenbildung
und Fragmentierung des Magmas. Die Folge ist der explosive Vulkanismus, bei
dem flüssige Lavateile in die Atmosphäre ausgeworfen werden und ganz oder
teilweise im Flug erstarren. Es werden vulkanische Fragmente – neben erstarrter
Lava auch Gesteinsbruchstücke und Einzelminerale – unterschiedlicher Größen-
ordnung sedimentiert, die von vulkanischen Schlacken bis zu vulkanischen
Aschen reichen. Häufig kommt es zur Bildung mächtiger Schichten von vulkani-
scher Asche, die diagenetisch zu vulkanischem Tuff verfestigt wird. Ablagerungen
von vulkanischen Glutwolken und Glutlawinen bezeichnet man als Schmelztuffe
oder Ignimbrite. Diese, aus vulkanischem Lockermaterial bestehenden Ablage-
rungen werden unter dem Begriff pyroklastische Gesteine (Pyroklastite) zusam-
mengefasst; unverfestigte Pyroklastite jeder Art und Korngröße bezeichnet man
als Tephra. Stratovulkane (Schichtvulkane) sind durch eine vielfältige Wechsel-
lagerung von Laven und Tuffen gekennzeichnet; sie enthalten außerdem Gänge
(engl. dikes), die diese Schichtenfolge diskordant durchsetzen oder als Lagergänge
(engl. sills) nahezu konkordant zwischen den Schichten liegen. Diese Beobach-
tung zeigt, dass magmatische Schmelzen in das Vulkangebäude intrudiert sind.
Erreichen Magmen nicht die Erdoberfläche oder den Meeresboden, sondern
bleiben in größerer Erdtiefe stecken, so wird ihre Entgasung durch die Gesteins-
bedeckung verhindert. Der oft recht heterogene silikatische Schmelzbrei, das
Magma, in dem neben viel gelöstem Gas auch bereits Kristalle oder Kristall-
aggregate abgeschieden sind, kristallisiert in der Tiefe unter Bildung mittel- bis
grobkörniger Plutonite (Tiefengesteine), z. B. als Granit. An der Existenz der flüs-
sigen Lava, dem Ausgangsprodukt vulkanischer Gesteine, besteht kein Zweifel.
Auch sind alle Laven nachweislich aus der Tiefe gefördert worden. Demgegen-
über kann die Existenz von Magmen in der Tiefe nur indirekt aus ihren
Kristallisationsprodukten, den Plutoniten, erschlossen werden, die heute durch
Abtragung an der Erdoberfläche freigelegt sind: Noch niemand hat je das Mag-
190 11 · Magmatische Gesteine (Magmatite)
ma der Tiefe gesehen; auch konnten bislang weder direkte noch indirekte Mes-
sungen mit Hilfe von Instrumenten vorgenommen werden, die seine Substanz
oder das Ausmaß seiner Existenz betreffen.
Trotzdem wird die Existenz von magmatischen Schmelzen im Erdinnern durch
zahlreiche Beobachtungen gestützt. So sichern lokale Zusammenhänge mit ak-
tiven Vulkanen das Vorhandensein von basaltischen Magma-Kammern in nicht
allzu großer Tiefe innerhalb der Erdkruste, so z. B. unter der Insel Hawaii oder der
Insel Vulcano. Plutone weisen häufig diskordante Kontakte mit ihrem Neben-
gestein auf und enthalten Xenolithe (Nebengesteins-Schollen). Durch den ther-
mischen Einfluss des kristallisierenden Magmas wird das Nebengestein kontakt-
metamorph verändert: es entstehen Kontakthöfe. Durch Experimente an natürli-
chen Gesteinen oder in stark vereinfachten Modellsystemen bei hohen Tempe-
raturen und Drücken kann das Aufschmelzverhalten von Gesteinen und die Kris-
tallisation von magmatischen Schmelzen modelliert werden.
Vulkanite. Sie bilden sich im Zuge vulkanischer Ereignisse Subvulkanische Gesteine (Ganggesteine). Sie sind als magma-
an der Erdoberfläche (subaerisch) oder am Meeresboden tische Gänge (Dikes) und Lagergänge (Sills), aber auch in
(submarin), gelegentlich auch unter Gletschern. Effusiv Form von Stöcken in oberflächennahen (hypabyssischen bzw.
und extrusiv geförderte vulkanische Laven weisen häu- subvulkanischen) Bereichen der Erdkruste intrudiert; sie
fig Fließgefüge auf; sie sind oft kompakt, in vielen Fällen können auch als Bestandteil von Vulkanbauten auftreten.
aber auch blasig (Mandelstein), zellig, schwammig oder Subvulkanische Gesteine sind stets kompakt und holokris-
sogar schaumig (Bims). Ihre Struktur ist häufig porphy- tallin; sie weisen häufig ein porphyrisches Gefüge auf, wo-
risch mit Einsprenglingen in einer feinkristallinen bis bei die Grundmasse fein- bis mittelkörnig ausgebildet ist
dichten Grundmasse, die granular oder filzig, z. T. auch (Plutonit-Porphyre). Dunkle, meist porphyrische Gangge-
kryptokristallin entwickelt sein kann (Abb. 11.7a,b, 11.8a, steine heißen Lamprophyre, helle, feinkörnige Ganggesteine
11.10a,b, 11.11b). Häufig ist die Grundmasse sogar hy- Aplite und helle, sehr grobkörnige Ganggesteine Pegmatite.
11.1 · Einteilung und Klassifikation der magmatischen Gesteine 191
Plutonite. Sie entstehen durch Kristallisation von magmati- Bas u. Streckeisen 1991; Woolley et al. 1996). Dabei hat
schen Schmelzen in der Tiefe und bilden in der Erdkruste man der Einteilung der magmatischen Gesteine nach ih-
geologische Körper unterschiedlicher Form und Größe: rem Mineralbestand den Vorzug gegeben. Diese Empfeh-
Plutone. Batholithe sind plutonische Massen, deren Ober- lungen betreffen Vulkanite, Plutonite und Lamprophyre
flächenanschnitt mehr als 100 km2 beträgt; sie sind durch (dunkle Ganggesteine) neben speziellen Randgruppen.
multiple Magmenintrusionen entstanden, setzen sich also Soweit möglich, erfolgt die Klassifikation der Vulkanite
aus mehreren Plutonen zusammen. Plutonite sind stets und Plutonite auf der Basis des modalen Mineralbestandes
kompakt und holokristallin; sie zeigen bisweilen Fließ- (Modus, Modalbestand), d. h. dem prozentualen Anteil der
gefüge. Typisch ist ein gleichkörniges, mittel- bis grobkör- in einem Gestein vorhandenen Minerale (in Vol.-%). Die-
niges Gefüge mit hypidiomorpher Ausbildung der Gemeng- ser wird durch ein Punktzählverfahren unter dem Mikro-
teile. Daneben treten auch porphyrische bzw. porphyrartige skop mittels einer Hilfsapparatur, dem Pointcounter, quan-
Varietäten auf, wobei allerdings die Großkristalle häufig Ein- titativ bestimmt oder – einfacher – halbquantitativ abge-
schlüsse anderer Minerale enthalten, also relativ spät kris- schätzt. Bei vulkanischen Gläsern oder bei Vulkaniten mit
tallisiert sind und demnach keine früh ausgeschiedenen einem gewissen Glasanteil ist das natürlich nicht möglich;
Einsprenglinge darstellen. auch bei Vulkaniten mit mikro- bis kryptokristalliner
Grundmasse lässt sich der Modalbestand nicht bestimmen,
Dreidimensionale Gefügeanalyse. In neuerer Zeit gewinnt da viele Mineralkörner wegen ihrer Kleinheit nicht iden-
die 3D-Analyse von Gesteinsgefügen zunehmend an Be- tifizierbar sind oder in verschiedenen Ebenen des 20–30 µm
deutung, wofür grundsätzlich zwei Gruppen von Metho- dicken Dünnschliffs liegen. Umgekehrt bieten auch sehr
den zur Anwendung kommen (Jerram und Higgins 2007): grobkörnige Plutonite Schwierigkeiten bei der Bestim-
mung ihres Modalbestands. So kann man leicht abschät-
Zweidimensionale Gefügeanalyse von parallelen zen, dass in einem Dünnschliff von 20 × 30 mm Fläche bei
Gesteinsschnitten. Hierfür wird ein Gesteinsblock ent- einem Gestein mit mittlerem Korndurchmesser von 5 mm
weder schrittweise abgeschliffen oder – besser – durch nur etwa 20–25 Körner auftreten. Das ist für eine hinrei-
parallele Schnitte in Scheiben zerlegt, aus denen sich chende statistische Genauigkeit zu wenig, so dass für eine
dann Dünnschliffe herstellen lassen. Gesteinsprobe mehrere Dünnschliffe ausgezählt werden
Dreidimensionale Computer-Tomographie (CT), wie sie müssen. In all diesen Fällen wird man die chemische Zu-
z. B. in der Medizin seit längerem Anwendung findet. sammensetzung heranziehen und aus ihr einen künstli-
Ein Gesteinsblock wird mit Röntgen-, Synchrotron-, chen Mineralbestand, die Norm, errechnen (s. unten).
Gamma- oder Elektronenstrahlen oder auch mit sicht- Grundlage der Klassifikation der Magmatite sind
barem Licht durchstrahlt, wodurch man sequentielle 5 Mineralgruppen, zu denen die wichtigsten gesteinsbil-
2D-Bilder erzeugt, die zu einem virtuellen 3D-Bild ver- denden Minerale der Magmatite gehören:
einigt werden.
Felsische (helle) Minerale
11.1.2 Q Quarz (und andere SiO2Minerale)
Klassifikation nach dem Mineralbestand A Alkalifeldspäte (Sanidin, Orthoklas, Mikroklin,
Perthite, Anorthoklas, Albit bis zu einem An-Ge-
Eine detaillierte Einteilung (Klassifikation, Systema- halt von 5 Mol.-%)
tik) der magmatischen Gesteine (Magmatite) wird P Plagioklas (An05–100)
nach dem Mineralbestand, dem Chemismus oder F Feldspatoide (Foide, Feldspatvertreter: Leucit, Ne-
nach beiden Kriterien vorgenommen. Wegen der phelin, Sodalith, Nosean, Hauyn u. a.)
Bedeutung der Feldspäte basiert jede mineralogische Mafische (dunkle) Minerale, Mafite:
Systematik wesentlich auf der Art und der Menge M Glimmer, Amphibole, Pyroxene, Olivin u. a. sowie
des Feldspats. Dabei ergibt sich als Regel: Je größer die opaken Minerale (z. B. Magnetit, Ilmenit) und
der prozentuale Anteil von SiO2 in einem magmati- weitere Akzessorien (z. B. Zirkon, Titanit, Apatit)
schen Gestein ist, um so größer ist der Anteil an Al-
kalifeldspat und um so größer der Albit-Gehalt im Unterscheidung nach dem gesamten Mengenanteil der
Plagioklas, dafür um so kleiner der Anteil an dunk- Mafite (M):
len Gemengteilen (Mafiten).
Hololeukokrate Magmatite: <10 Vol.-% Mafite
Aufbauend auf Vorschlägen von Streckeisen (1967) Leukokrate Magmatite: 10 –35 Vol.-% Mafite
wurde die mineralogische Klassifikation der magmati- Mesokrate Magmatite: 35 –65 Vol.-% Mafite
schen Gesteine (igneous rocks) durch die International Melanokrate Magmatite: 65 –90 Vol.-% Mafite
Union of Geological Sciences (IUGS) verbindlich gere- Holomelanokrate
gelt (z. B. Streckeisen 1974, 1976, 1980; Le Maitre 1989; Le (ultramafische) Magmatite: >90 Vol.-% Mafite
192 11 · Magmatische Gesteine (Magmatite)
Abb. 11.1. IUGS-Klassifikation der Plutonite und Vulkanite im Doppeldreieck Q–A–P–F nach dem modalen Mineralbestand. Erläute-
rungen im Text. Früher gebräuchliche Bezeichnungen in Klammern. Gesteinsnamen der Felder 6–10' in Tabelle 11.1. (Nach Streckeisen
1974, 1980; Le Maitre 1989; Le Bas u. Streckeisen 1991)
Alle magmatischen Gesteine mit M < 90 Vol.-% – und weise Sammelnamen für eine größere Gesteinsgruppe. So
das ist der weitaus überwiegende Teil – werden nach den ist bei der Sammelbezeichnungen Alkalifeldspat-Granit,
im Gestein anwesenden hellen (felsischen) Gemengtei- -Syenit, -Rhyolith, -Trachyt der jeweilige Alkalifeldspat zu
len klassifiziert. Dabei werden die Modalbestände in spezifizieren, z. B. Mikroklin-Granit, Albit-Rhyolith.
das Doppeldreieck Q–A–P–F projiziert, und zwar jeweils Die dunklen Gemengteile (Mafite) werden bei der
für Plutonite und Vulkanite gesondert (Abb. 11.1 und IUGS-Klassifikation zunächst vernachlässigt; sie kön-
Tabelle 11.1). Bei Quarz-führenden Gesteinen werden nen aber zur näheren Kennzeichnung eines Gesteins
die Molprozente Q + A + P = 100, bei Foid-führenden dienen, z. B. Hornblendegranit. Bei mafischen Pluto-
Gesteinen A + P + F = 100 gesetzt und diese Mengen- niten der Gabbro-Gruppe (Feld 10 in Abb. 11.1) wer-
verhältnisse in das obere bzw. untere Dreieck eingetra- den Gesteine aus Klinopyroxen (Cpx) + Plagioklas als
gen. Diese Anordnung ist möglich, weil in einem Gestein Gabbro, solche aus Orthopyroxen (Opx) + Plagioklas
Quarz und Feldspatoide nicht im Gleichgewicht nebenei- als Norit und solche aus Olivin (Ol) + Plagioklas als
nander auftreten können. Die Magmatite des mittleren Troktolith bezeichnet (Abb. 11.2b,c); Gesteine aus
Gürtels führen als helle Gemengteile im Wesentlichen nur Ol + Cpx / Opx + Plag heißen Olivin-Gabbros bzw. Oli-
Feldspäte. Chemisch ausgedrückt befinden sich im obe- vin-Norite, Gesteine aus Opx + Cpx + Plag nennt man
ren Dreieck mit freiem Quarz SiO2-übersättigte, im mitt- Gabbro-Norite. Anorthosite (nach „Anorthose“, der al-
leren Streifen SiO2-gesättigte und im unteren Dreieck mit ten französischen Bezeichnung für Plagioklas) bestehen
Feldspatoiden SiO2-untersättigte Gesteine. Die in die zu >90 Vol.-% aus Plagioklas (Abb. 11.2b). Die eben-
Doppeldreiecke eingebrachten Gesteinsnamen sind teil- falls im Feld 10 liegenden Diorite bestehen meist aus
11.1 · Einteilung und Klassifikation der magmatischen Gesteine 193
– Pegmatit ist durch ein sehr grobkörniges Gefüge chemischen Zusammensetzung charakteristi-
ausgezeichnet, bestehend aus Kalifeldspat + Albit sche Merkmale aufweisen. Im Vergleich zu Ba-
(seltener Oligoklas) + Quarz + Muscovit ± Biotit; salten bzw. Doleriten zeigen sie höhere Gehalte an
Alkalipegmatite enthalten Nephelin anstelle von K2O oder K2O + Na2O (bezogen auf den jeweiligen
Quarz sowie sehr verschiedene Akzessorien. Ty- SiO2-Gehalt) und besitzen hohe Gehalte an sel-
pisch sind graphische Verwachsungen zwischen teneren Elementen wie Cr, Ni, Ba, Sr, Rb, P, H2O
Kalifeldspat und Quarz im sog. Schriftgranit u. a. Sie führen oft kleinere Einsprenglinge von
(Abb. 20.3, S. 310). Biotit, Hornblende, Klinopyroxen (Diopsid bis
Dunkle Ganggesteine Augit) und Olivin (serpentinisiert). Die hellen
– Dolerite sind mittelkörnige Ganggesteine basal- Gemengteile Alkalifeldspat, Plagioklas und häufig
tischer Zusammensetzung. Sie weisen häufig ophi- etwas Quarz kommen niemals als Einsprenglinge
tisches oder subophitisches Gefüge auf, bei dem vor. Die wichtigsten Lamprophyre sind in Tabel-
sich Leisten von Plagioklas sperrig verschränken le 11.2 aufgeführt.
und von größeren xenomorphen Augitkristallen
vollständig oder teilweise umwachsen werden Neben den aufgeführten Kalkalkali-Lamprophyren
(Abb. 16.9, S. 263). gibt es Alkali-Lamprophyre: Camptonit führt neben Feld-
– Lamprophyre sind mesokrate bis melanokrate späten auch Foide als helle Gemengteile, Monchiquit ent-
Ganggesteine, die nicht einfach Äquivalente von hält eine glasige Grundmasse und Foide, Alnöit ist ultra-
häufigen Plutoniten oder Vulkaniten darstellen, mafisch. Als dunkle Gemengteile enthalten diese Alkali-
sondern in ihrem Mineralbestand und ihrer lamprophyre Na-Amphibol, Titanaugit, Biotit und Oli-
vin; der ultramafische Alnöit enthält besonders auch
Tabelle 11.2. Wichtigte Lamprophyre Melilith.
11.1.3
Chemismus und CIPW-Norm
Tabelle 11.3.
Chemische Durchschnitts-
Zusammensetzungen (Oxide,
Gew.-%) einer Auswahl wich-
tiger Plutonite. H2O+ bezeichnet
Wasser, das in den Mineralen –
meist in Form von (OH)-Grup-
pen – chemisch gebunden,
also nicht adsorbiert ist
(Nach Nockolds 1954)
11.1 · Einteilung und Klassifikation der magmatischen Gesteine 195
Den weitaus höchsten Wert besitzt in den meisten gehören zu den beiden häufigsten Magmatitgruppen, der
magmatischen Gesteinen SiO2. Er liegt, wenn man von Basalt- und der Granit-Granodiorit-Gruppe. Bei den am
extremen Zusammensetzungen absieht, zwischen 40 und meisten verbreiteten Magmatiten liegt der Al2O3-Wert
75 % (Tabelle 11.3, 11.4). Dabei sind 2 Häufigkeits- zwischen 10 und 20 %, MgO zwischen 0,3 und 30 %, FeO
maxima bei 52,5 und 73,0 % SiO2 festgestellt worden. Sie (einschl. Fe2O3) zwischen 4 und 12 %, CaO zwischen 0,5
und 12 %, K2O zwischen 0,2 und 6,0 % und Na2O zwi-
Tabelle 11.4. Chemische Durchschnitts-Zusammensetzungen (Oxide, schen 0,5 und 9 %. Alle anderen Oxide haben kleinere
Gew.-%) einer Auswahl wichtiger Vulkanite. (Nach Nockolds 1954) Werte oder sind nur in sehr geringen Mengen vorhan-
den. Ihre Variationsbreite hält sich bei den gewöhnlichen
Magmatittypen in Grenzen.
Nur wenige, relativ seltene Magmatite können extre-
mere chemische Zusammensetzungen aufweisen als die
in den Tabellen 11.3 und 11.4 aufgeführten, so z. B. die
Karbonatite, eine interessante Gesteinsgruppe, die über-
wiegend aus Karbonaten zusammengesetzt ist. Bei ih-
nen kann CO2 31,8 % erreichen, während SiO2 mitunter
kaum über einen Spurengehalt hinausgeht. Diese Ge-
steinsgruppe besitzt auch sonst einen ungewöhnlichen
Chemismus, indem sie z. B. hohe Konzentrationen an
relativ seltenen Elementen enthält.
Die Zuordnung der chemischen Hauptelemente inner-
halb der verschiedenen Magmatite ist nicht zufällig. So
haben magmatische Gesteine z. B. mit hohem SiO2-Wert
gleichzeitig auch relativ hohe Alkaliwerte, jedoch relativ
niedrige CaO- und MgO-Werte und umgekehrt. Deshalb
bietet sich auch der Gesteinschemismus als Grundlage für
eine Klassifikation der magmatischen Gesteine an, wofür
es zahlreiche Möglichkeiten gibt. Für eine Klassifikation
vulkanischer Gesteine, bei denen sich der modale Mineral-
Abb. 11.3.
Chemische Klassifikation der Vul-
kanite im Diagramm Na2O + K2O
gegen SiO2 nach Le Bas et al.
(1992). q = normativer Quarz,
ol = normativer Olivin
196 11 · Magmatische Gesteine (Magmatite)
bestand nicht bestimmen lässt, empfiehlt die IUGS das Eine SiO2-Übersättigung tritt durch normatives Q, die-
TAS-Diagramm (TAS = Total Alkali vs. Silica) nach Le Bas jenige von Al2O3 gegenüber (K2O + Na2O) und CaO durch
et al. (1986, 1992), in dem Gew.-% (Na2O + K2O) gegen normatives C hervor (links oben in Tabelle 11.6).
Gew.-% SiO2 aufgetragen ist (Abb. 11.3). Mit beginnender, noch recht schwacher SiO2-Unter-
Der Chemismus ermöglicht so auch eine Erfassung sättigung wird zunächst ein Teil des hy durch das (un-
der hyalinen und hypokristallinen Vulkanite. Darüber terkieselte) ol ersetzt. Verfolgen wir die Entwicklung in
hinaus hat eine chemische Gesteinsklassifikation auch vertikaler Richtung in Tabelle 11.6 weiter, so wird mit et-
noch weitere Vorteile: Durch die modernen instrumen- was stärkerer Untersättigung ein Teil des ab durch ne er-
tellen Analysemethoden, insbesondere Röntgenfluores- setzt. Wird die SiO2-Untersättigung noch größer, so wird
zenz-Spektroskopie (XRF) und induktiv gekoppelte Plas- ab durch ne, or teilweise oder vollständig durch lc ersetzt.
ma-Spektroskopie (ICP), lassen sich Gesteinsanalysen Bei einer Al2O3-Übersättigung gegenüber den Alkali-
viel rascher durchführen als Modalanalysen. Außerdem en und CaO, also im Fall Al2O3 > (K2O + Na2O + CaO),
gehen sie von einer deutlich größeren Probenmenge aus tritt normativ C auf. Das bedeutet jedoch nicht, dass Ko-
(i. Allg. ca. 2 kg) als die Modalanalyse eines Dünnschliffs, rund im modalen Mineralbestand des Gesteins enthal-
sind also repräsentativer. Deswegen beobachtet man in ten sein muss; vielmehr enthalten C-normative Gestei-
jüngster Zeit eine Hinwendung zu geochemischen Ge- ne andere Al-reiche Minerale, insbesondere Muscovit
steinsklassifikationen. Allerdings ist zu bedenken, dass K2O · 3Al2O3 · 6SiO2 · 2H2O. Nimmt der Aluminium-Über-
wegen der Heteromorphie der Gesteine sich aus der che- schuss (in Tabelle 11.6 nach rechts) weiter ab, indem Al2O3
mischen Zusammensetzung eines Gesteins nicht zwangs- nur noch >(K2O + Na2O), jedoch <(K2O + Na2O + CaO) ist,
läufig auch sein Mineralbestand ergibt; deshalb sind die dann tritt normativ kein C mehr auf. Es erscheint zusätz-
Bestimmung des Mineralinhalts und – soweit möglich – lich di neben hy und/oder ol, während an noch immer
eine zumindest halbquantitative Abschätzung des Modal- vorhanden ist. Die Präsenz des Al2O3-Gehalts im Gestein
bestandes unverzichtbar.
Zu den ältesten und am besten ausgearbeiteten che- Tabelle 11.5. Standardminerale der CIPW-Norm
mischen Klassifikationen der magmatischen Gesteine
zählt das CIPW-System (benannt nach den 4 amerikani-
schen Petrologen Cross, Iddings, Pirsson und Washing-
ton). Diesem System liegt die CIPW-Norm zugrunde, ein
normativer Mineralbestand, der nach bestimmten Regeln
errechnet wird (z. B. Wimmenauer 1985, S. 23 f.). Die
CIPW-Norm besteht aus einer Anzahl von sog. Standard-
mineralen (Tabelle 11.5), deren Anteil in Gew.-% ange-
geben wird. Mit ihnen werden Stoffgruppen der chemi-
schen Analyse zusammengefasst und damit der komple-
xe Magmatit-Chemismus anschaulicher gemacht. Unter-
schiede zum Modalbestand ergeben sich zwangsläufig,
weil die meisten Standardminerale vereinfachte End-
glieder der tatsächlichen Mineralgemengteile darstellen
und (OH)-haltige Standardminerale nicht vorgesehen
sind. So geht z. B. das in den Glimmern enthaltene K+ in
das Standardmineral Kalifeldspat (or) ein. In Magmati-
ten mit zwei Feldspäten verteilt sich der Anteil des
Standardminerals Albit (ab) auf Plagioklas und Alkali-
feldspat. Deshalb ist eine Darstellung der CIPW-Norm-
Minerale im Doppeldreieck Q–A–P–F nicht ohne weite-
res möglich.
Die CIPW-Norm spielt zum Vergleich chemischer Ei-
genschaften von magmatischen Gesteinen eine wichtige
Rolle. So können die Sättigungsgrade an SiO2 oder das
Verhältnis von Al2O3 gegenüber den Alkalien (K2O + Na2O)
und CaO besser beurteilt, verglichen und eingestuft wer-
den. Die Auswirkungen auf den normativen Mineral-
bestand durch Kombination verschiedener Sättigungs-
bzw. Untersättigungsgrade von SiO2 und Al2O3 sind in
Tabelle 11.6 ausgeführt:
11.2 · Petrographie der Magmatite 197
Tabelle 11.6.
Auswirkungen von SiO2- und
Al2O3-Übersättigung, -Sätti-
gung und -Untersättigung
auf die CIPW-Norm
wäre modal neben Plagioklas durch Biotit oder/und Am- 11.2 11.2
phibol angezeigt. Wird schließlich Al2O3 < (K2O + Na2O) Petrographie der Magmatite
(rechte vertikale Reihe in Tabelle 11.6), so tritt wegen der
geringen Gehalte an Al2O3 kein an mehr auf und ein Na2O- Auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung
Überschuss führt zu ac; wegen des CaO-Überschusses ver- werden die magmatischen Gesteine grundsätzlich in
größert sich die Menge an di, teilweise auf Kosten von hy. Alkali-Magmatite und subalkaline Magmatite ein-
Für den modalen Mineralbestand des betreffenden Ge- geteilt. Bezogen auf den gleichen SiO2-Wert besit-
steins bedeutet dies das Auftreten von Na-Pyroxen und/ zen die Alkali-Magmatite höhere (K2O + Na2O)-Ge-
oder Na-Amphibol. Die Umrechnungsregeln der CIPW- halte als die subalkalinen Magmatite, wie das in
Norm schließen entsprechend Tabelle 11.6 aus, dass fol- Abb. 15.2 (S. 248) am Beispiel der Hawai-Basalte do-
gende Normminerale zusammen auftreten können: kumentiert wird. Bei den subalkalinen Magmatiten
ist Mol.-% (K2O + Na2O) < Al2O3.
Q mit ol, ne, lc Auf Grund geochemischer Kriterien lassen sich
hy mit ne, lc diese beiden Hauptgruppen weiter untergliedern,
C mit di, ac wobei diese Einteilung nicht nur formale sondern
an mit ac durchaus auch genetische Bedeutung haben kann.
Man spricht dann von magmatischen Reihen oder
Eine modifizierte, computergerechte Form der CIPW-Norm, die Serien. In der folgenden Übersicht sind auch die
Standard Igneous Norm (SIN), wurde von Verma et al. (2003) erar- englischen Begriffe zum Vergleich mit aufgeführt:
beitet.
1. Alkali-Magmatite, Alkali-Serie (engl. alkaline
Die chemische Zusammensetzung von magmatischen rock suite, alkaline magma series)
Gesteinen spiegelt genetische Prozesse bei der Bildung a) Na-betont (sodic)
und Weiterentwicklung von Magmen im Kontext der b) K-betont (potassic)
Plattentektonik wider. Wichtige Hinweise bieten die Ge- c) K-reich (high-K)
halte an Haupt- und Spurenelementen, insbesondere 2. Subalkaline Magmatite, (engl. subalkaline rock
auch an Seltenerd-Elementen, die stabilen Isotope von suite, subalkaline magma series)
Sauerstoff und Schwefel sowie radiogene Isotopen- a) Kalkalkali-Magmatite, Kalkalkali-Serie (calc-
systeme (Rb-Sr, Sm-Nd). Auf diese Fragen soll am Bei- alkaline rock suite, calcalkaline magma series)
spiel der wichtigen Gesteinsgruppe Basalt (Kap. 17, – K-arm (low-K type)
S. 279ff) und Granit (Kap. 18, S. 285ff) sowie im Kap. 31 – medium-K type
(S. 549ff) näher eingegangen werden. – K-reich (high K-type)
198 11 · Magmatische Gesteine (Magmatite)
b) Tholeiit-Serie (tholeiitic rock suite, tholeiitic der beiden Individuen erkennbar). Plagioklas (An ≤ 30)
magma series) unterscheidet sich durch seine feine polysynthetische
Zwillingslamellierung auf den Spaltflächen (Albit- und
Die Abgrenzung zwischen der Kalkalkali- und der Periklingesetz) vom Orthoklas oder Mikroklin. Quarz,
Tholeiit-Reihe erfolgt anhand des AFM-Dreiecks rauchgrau, ist an seinem muscheligen Bruch mit Fettglanz
(Abb. 15.3, S. 248). immer kenntlich. Dunkler (mafischer) Gemengteil ist fast
stets Biotit (braun, dunkel- bis schwarzbraun, auch dun-
kelgrün), bis zu 10 Vol.-% am Mineralbestand beteiligt.
Hinweis: Früher, insbesondere in der deutschen Literatur, wurden Häufig tritt neben Biotit auch Muscovit auf, der zu den
die subalkalinen Magmatite in ihrer Gesamtheit als Kalkalkali- mafischen Gemengteilen gerechnet wird (Zweiglimmer-
Magmatite bezeichnet. granite). Hinzu kommt gelegentlich grüne bis bräunliche
Hornblende neben Biotit oder allein (Hornblendegranit).
Die geochemischen Unterschiede zwischen den Blassgrüner Augit ist seltener (Augitgranit). Die akzesso-
beiden Hauptgruppen spiegeln sich im Modal- rischen Gemengteile treten nur teilweise makroskopisch
bestand der einzelnen Gesteinstypen wider. Bei den hervor: Es beteiligen sich Zirkon, Titanit, Apatit (im We-
leukokraten Alkali-Magmatiten sind Alkalifeldspäte sentlichen Fluorapatit) und die opaken Minerale Magne-
oft die einzige Feldspatart. In den mesokraten und tit, Ilmenit, häufig auch Pyrit und andere.
melanokraten Alkali-Magmatiten kommt An-reicher
Plagioklas hinzu. Feldspatoide sind typisch, insbe- Gefüge. Das Gefüge des Granits ist gewöhnlich richtungs-
sondere Nephelin in Na-betonten, Leucit in K-beton- los körnig ausgebildet; es gibt aber auch Granite, die
ten und K-reichen Alkali-Magmatiten. Zwangsläu- Fließregelung zeigen. Plagioklas und die dunklen Ge-
fig fehlen jedoch Foide in den leukokraten Vertre- mengteile weisen teilweise ebene Begrenzung durch Flä-
tern, wenn diese Quarz führen. Charakteristische chen auf, sind also hypidiomorph, die Akzessorien z. T.
mafische Gemengteile in Alkali-Magmatiten sind auch idiomorph. Im Unterschied zu ihnen sind die Kör-
Na-Pyroxene und Na-Amphibole neben dunklem, ner von Kalifeldspat meist, die von Quarz immer unre-
Fe-reichem Biotit (Lepidomelan). Die subalkalinen gelmäßig begrenzt, also xenomorph ausgebildet. Diese
Magmatite unterscheiden sich von den Alkali-Mag- Kombination führt zu dem sog. hypidiomorph-körnigen
matiten durch das völlige Fehlen von Anorthoklas, Gefüge des Granits, aber auch anderer Plutonite. In sol-
Feldspatoiden, Na-Pyroxenen und Na-Amphibolen. chen Gefügen ist angenähert eine Ausscheidungsfolge der
Gemengteile aus dem granitischen Magma erkennbar,
Wegen ihrer weitaus größeren Verbreitung wer- auch als Rosenbusch-Regel bezeichnet. Daneben gibt es
den zunächst die subalkalinen Magmatite beschrie- in weiter Verbreitung Granite, deren Gefüge dieser Regel
ben, danach erst die Alkali-Magmatite. nicht genügt, weil es durch spät- bis nachmagmatische
Rekristallisation von Mineralen, sog. Endoblastese, be-
11.2.1 einflusst ist. Durch diesen Vorgang entstehen Groß-
Subalkaline Magmatite (Abb. 11.1, 11.2 und Tafel A.1) kristalle von Kalifeldspat, die verbreitet Einschlüsse von
Plagioklas enthalten. Bei solchen Kalifeldspat-End-
Sulbalkaline Plutonite oblasten, die nicht mit echten Einsprenglingen verwech-
selt werden dürfen, ist häufig eine Kristallgestalt ange-
Granit deutet. Man spricht in diesem Falle von einem porphyr-
artigen Gefüge des Granits. Beim Rapakivi-Gefüge, be-
Helles (leukokrates), mittel- bis grobkörniges, meist mas- nannt nach dem Rapakivi-Granit in Süd-Finnland, wer-
siges Gestein, das in seinem Modalbestand das große den rundliche, einige Zentimeter große Kristalle von
Feld 3 im Q–A–P-Dreieck einnimmt (Abb. 11.1). Bei Be- Kalifeldspat durch einen Mantel von Oligoklas-Körnern
darf kann man eine weitere Einteilung in Syenogranite umgeben; diese Feldspat-Aggregate liegen in einer mittel-
mit A > P und Monzogranite mit A ≈ P vornehmen. körnigen Grundmasse (Abb. 11.4).
Abb. 11.4. Rapakivi-Gefüge in einem Syenit von Ylämaa, Finnland. Diorit (Abb. 11.5b)
Rundliche Einsprenglinge von Kalifeldspat (rosa, mit zahlreichen
Einschlüssen von Amphibol), umgeben von einem Mantel von
Oligoklas-Körnern (grünlichgrau) in einer mittelkörnigen Grund- Graugrünes, meist mittelkörniges, mesokrates Gestein
masse aus Kalifeldspat, Oligoklas und Amphibol. (Foto: K.-P. Kelber) von massiger Ausbildung.
menanteils von Plagioklas nimmt auch der Gehalt an Mineralbestand. Heller Gemengteil ist Plagioklas (An30–50),
dunklen Gemengteilen, wie Biotit und/oder Hornblen- während Kfs, die <10 Vol.-% der Feldspäte ausmachen, und
de, seltener Augit, zu. Da fließende Übergänge zu Granit Quarz, der <5 Vol.-% der hellen Gemengteile ausmacht, oft
bestehen, ist eine makroskopische Zuordnung zwischen auch ganz fehlen. Quarzreichere Diorite werden als Quarz-
Granit oder Granodiorit am Handstück nicht immer ein- diorite bezeichnet. Dunkler Gemengteil ist gewöhnlich
deutig möglich. eine dunkelgrüne Hornblende, daneben auch Biotit, der
im Glimmerdiorit vorherrscht, Augitdiorit ist seltener. Ak-
Vorkommen. Granit und Granodiorit sind die häufigsten zessorien wie bei Granit und Granodiorit, Titanit ist sehr
Plutonite. Größere Granitplutone befinden sich im häufig, Zirkon tritt zurück.
Grundgebirge Mitteleuropas, besonders im Harz, Oden-
wald, Schwarzwald, den Vogesen, im Thüringer Wald, Gefüge. Hypidiomorph-körnig.
Fichtelgebirge, dem Oberpfälzer und Bayerischen Wald,
Böhmerwald, dem Österreichischen Waldviertel, im Erz- Vorkommen. Größere Dioritkörper finden sich in Mit-
gebirge, Iser- und Riesengebirge, dem Lausitzer Gebirge teleuropa besonders im Thüringer Wald, Bayerischen
und in den Alpen. Wald, Vorspessart, Odenwald, Schwarzwald und in den
Vogesen.
Technische Verwendung für Granit und Granodiorit. Das bei
den meisten Granitplutonen anzutreffende Kluftsystem Verwendung. Wie Granit und Granodiorit.
ist für die Gewinnung von Werk- und Pflastersteinen al-
ler Art von großer Bedeutung. Durch seine Dickbankig- Gabbro (Abb. 11.2b,c, S. 193, Abb. 11.6a)
keit lassen sich häufig große Blöcke gewinnen, die als
Ornamentsteine, Grabdenkmäler oder für die Monumen- Melanokrates bis mesokrates, mittel- bis grobkörniges,
talarchitektur geeignet sind oder zu Fassaden- und meist massiges Gestein.
200 11 · Magmatische Gesteine (Magmatite)
11.2 · Petrographie der Magmatite 201
Mineralbestand und Varietäten. Plagioklas (An50–90) in Zur Gabbro-Gruppe rechnen auch: Troktolith (Fo-
dicktafeligen Körnern, oft mit makroskopisch sichtba- rellenstein), bestehend aus Plagioklas (An70–90) und
ren Zwillingsstreifen nach dem Albit- und Periklingesetz, (serpentinisiertem) Olivin als wesentliche Gemeng-
Klinopyroxen (Diopsid bis Augit), mitunter mit bräunli- teile.
chem Schiller auf den Absonderungsflächen nach (100)
(Diallag). Gabbros mit Orthopyroxen (Bronzit bis Hy- Anorthosit
persthen) anstelle von Klinopyroxen werden als Norit be-
zeichnet, solche mit Klinopyroxen + Orthopyroxen als Anorthosit ist ein hololeukokrates Gestein, das überwie-
Gabbronorit, mit Olivin als Olivingabbro bzw. Olivinnorit gend aus Plagioklas (An20–90) besteht und fast keine mafi-
(Abb. 11.2b,c); als weitere Mafite können magmatisch ge- schen Gemengteile enthält; Anorthosite kommen zusam-
bildete, braune Hornblende und/oder brauner Biotit auf- men mit Gabbros in Layered Intrusions vor oder bilden eige-
treten: Hornblendegabbro, Biotit-Hornblende-Gabbro, ne Massive von großer Ausdehnung, z. B. den Kunene-Kom-
Biotitgabbro; Quarzgabbros enthalten einen Quarz-An- plex in Süd-Angola und Nord-Namibia und den Lac-Saint-
teil von 5–20 Vol.-% der hellen Gemengteile; Gabbrodiorit Jean-Komplex in Quebec (Kanada) Anorthosite sind häu-
ist ein Übergangsglied zum Diorit mit Plagioklas um fig mit Charnockiten (Abschn. 24.3.1, S. 404) assoziiert.
An50.
Akzessorien sind besonders Apatit, Ilmenit oder Ti- Peridotit (Abb. 11.2a, Abb. 11.6b)
tanomagnetit, nicht selten Pyrrhotin (Magnetkies), Py-
rit und etwas Chalkopyrit (Kupferkies). Häufig sind die Holomelanokrates (ultramafisches) Gestein, mittel- bis
Pyroxene sekundär (spätmagmatisch) in Gemenge von grobkörnig, auch sekundär dichtkörnig durch Serpenti-
Aktinolith umgewandelt (Uralitisierung). nisierung (vorwiegend) des Olivins.
Gefüge. Hypidiomorph-körnig; häufig Kumulatgefüge Mineralbestand. Olivin (Ol, teilweise in Serpentin umge-
(s. unten). wandelt), Orthopyroxen (Enstatit, Bronzit oder Hyper-
sthen) und/oder Klinopyroxen (diopsidischer Augit), bis-
Vorkommen. Gabbros und Norite bilden schichtige Intru- weilen Hornblende oder wenig Phlogopit, akzessorisch
sivmassen (Layered Intrusions) von oft riesiger Ausdeh- Chromspinell (Picotit), Chromit, Magnetit.
nung (Abb. 13.5, 13.6, S. 235). Magmatische Schichtung
entsteht durch das Absinken schwerer Olivin- und Pyro- Varietäten (Abb. 11.2a). Dunit fast nur aus Ol bestehend,
xen-Kristalle in der Schmelze, die sich lagig zu sog. Ku- Harzburgit mit Ol + Opx (Hypersthen), Wehrlit mit
mulaten anreichern (Abb. 19.2, S. 299). Die wichtigsten Ol + Cpx (diopsidischer Augit), Lherzolith mit Ol + Opx
Beispiele sind Bushveld (Südafrika), Sudbury (Ontario, (Bronzit) + Cpx (Abb. 11.6b).
Kanada), Stillwater (Montana, USA), Skaergaard (Grön- Hornblendeperidotit mit Hornblende neben oder anstelle
land, Abb. 13.6). Layered Intrusions sind Träger wichti- von Pyroxen, Granatperidotit mit Pyrop-reichem Granat.
ger Erzlagerstätten von Ni, Pt-Metallen, Cr und Ti
(Kap. 19). In Mitteleuropa finden sich kleinere Gabbro- Vorkommen. Zum Beispiel im Odenwald, Schwarzwald,
Plutone im Harz, Odenwald, Schwarzwald, Bayerischen Harz (Bad Harzburg), in den Vogesen, Pyrenäen (Lherz),
Wald und in den Sudeten. in Südspanien (Ronda), in den Südalpen (Ivreazone), in
Gabbros bauen die untere ozeanische Erdkruste in einer Mittelnorwegen (Åheim), Zypern (Troodos-Masiv),
Mächtigkeit von einigen Kilometern auf (Abb. 27.7, S. 481). Oman, Neuseeland; als Fremdeinschlüsse (Xenolithe) in
basaltischen Gesteinen.
Technische Verwendung. Gabbro wird wegen seiner hohen
Druckfestigkeit bevorzugt zu Straßen- und Bahnschotter Subalkaline Vulkanite
und Splitt verwendet.
Wegen ihres feinen Korns ist eine makroskopische Be-
stimmung sehr erschwert oder undurchführbar. Eine
Abb. 11.5. Mikrofotos von Plutoniten. a Granodiorit, Steinbruch am gewisse Orientierung können bei porphyrischem Gefü-
Lindberg, Intrusivgebiet von Fürstenstein, Bayerischer Wald. Haupt-
gemengteile: Plagioklas (mit polysynthetischer Verzwilligung nach
ge die Einsprenglinge geben.
dem Albit-Gesetz sowie ausgeprägtem Zonarbau), Kalifeldspat (ex-
trem xenomorph, z. B. Mitte links), Quarz und Biotit (braun). Ge- Rhyolith (Liparit) (Abb. 11.7a)
kreuzte Polarisatoren (+Nic.). Bildbreite ca. 3 mm. b Quarzdiorit,
Märkerwald, östlich Bensheim, Odenwald. Hauptgemengteile: Pla- Leukokrates, dicht- bis feinkörniges Gestein mit gele-
gioklas (polysynthetische Zwillinge nach dem Albit- und Periklin-
gentlichen Einsprenglingen, bisweilen glasig. Der Che-
Gesetz sowie Zonarbau, Anorthit-reiche Zonen stark serizitisiert),
Hornblende (verzwillingt, links oben), Biotit (rechts unten) und mismus entspricht dem von Alkalifeldspat-Graniten und
Quarz. +Nic. Bildbreite ca. 4 mm. (Fotos: K.-P. Kelber) Syeno-Graniten.
202 11 · Magmatische Gesteine (Magmatite)
11.2 · Petrographie der Magmatite 203
häufig ophitisches Gefüge aufweist (Abb. 16.9, S. 263). dicht- bis feinkörnig, auch porphyrisch ausgebildet. Besonders die
Basaltmandelstein: Durch entweichendes Gas aus erkal- dicht- bis feinkörnigen Varietäten zeigen mikroskopisch ein sog.
Intersertalgefüge. Dabei ist zwischen den sich leicht berührenden
tender Basaltlava entsteht eine blasenreiche Randzone, Plagioklas-Leisten zersetzte Glassubstanz vorhanden. Bekannt sind
die zu blasigem Gefüge führt. Solche Blasenhohlräume die Melaphyrmandelsteine, z. B. im permischen Vulkangebiet des Saar-
werden spätvulkanisch sekundär durch Absätze von Cal- Nahe-Beckens, mit Hohlraumfüllungen von Chalcedon bzw. Achat.
cit oder Chlorit, bisweilen auch durch Opal, Chalcedon
oder Achat, stellenweise mit schönen Kristalldrusen von Technische Verwendung basaltischer Gesteine. Wegen ihrer
Amethyst oder mit Zeolithen gefüllt. hohen Druckfestigkeit als Schotter und Splitt.
Mineralbestand. Alkalifeldspat (Orthoklas- oder Mikro- Mineralbestand. Orthoklas- oder Mikroklinperthit, auch
klinperthit), sehr wenig Plagioklas, Quarz, eisenreicher, Anorthoklas, nur wenig Plagioklas, eisenreicher Bio-
schwarzbrauner Biotit (Lepidomelan) oder Natronamphi- tit (Lepidomelan), Natronamphibol (z. B. Riebeckit),
bol (z. B. Riebeckit) und/oder Natronpyroxen (Ägirin) in Natronpyroxen (Ägirin, Ägirinaugit), auch als Säume
Prismen oder Körnern. Akzessorien: Zirkon, Apatit und um Diopsid. Akzessorien: honiggelber Titanit, Apatit,
Zirkon.
Die Varietät Larvikit enthält etwa 90 % Anorthoklas
Abb. 11.8. Mikrofotos von Vulkaniten mit porphyrischem Gefüge und sowie wenig Titanaugit ± Biotit (Lepidomelan). Anor-
deutlicher Fließregelung. a Olivintholeiit, Großer Ararat, Türkei. Ein- thoklas, kenntlich an seinen spitz-rautenförmigen Quer-
sprenglinge von Plagioklas (mit leistenförmigem Habitus, polysynthe-
tisch verzwillingt) und Olivin (mit bunten Interferenzfarben) in einer
schnitten, zeigt z. T. blauschillerndes Farbenspiel, was auf
feinkristallinen Grundmasse aus Plagioklas, Augit und Magnetit. +Nic. antiperthitische Entmischung der Or-Komponente zu-
Bildbreite ca. 5 mm. b Pechstein, Hlinik, Ungarn, mit perlitischem Ge- rückgeht; da der verbleibende Wirtkristall ein Oligo-
füge. Es dominiert die glasige (hyaline) Grundmasse; diese zeigt rund- klas ist, kann man die Larvikite auch zu den Monzoni-
liche und bogenförmige Kontraktionsrisse, auf denen sich bevorzugt ten stellen.
feinkristalline Entglasungsprodukte gebildet haben. Wenige Ein-
sprenglinge von Plagioklas (farblos), Biotit (rötlichbraun, deutliche
Spaltbarkeit) basaltischer Hornblende (olivbraun, Mitte) und Opak- Vorkommen. Zwischen Oslo und dem Langesundfjord in
mineralen. Bildbreite ca. 5 mm. 1 Nic. (Fotos: K.-P. Kelber) Südnorwegen.
Abb. 11.9.
Mikrofoto von Komatiit mit typi-
schem Spinifex-Gefüge, benannt
nach einer spitzen Grasart in
Australien. Zwischen meist ske-
lettförmigen Olivinkristallen, die
merklich serpentisiert sind, be-
findet sich Glasmatrix (im Bild
schwarz), die nadelförmige Kris-
tällchen von Augit als Entgla-
sungsprodukte enthält (sichtbar
besonders am oberen Bildrand).
Spinifex-Gefüge entsteht durch
schnelle Erstarrung einer ehe-
mals heißen, stark unterkühlten
Schmelze. Komatiitlava, Timmins,
Ontario, Kanada. +Nic. Bildbreite
ca. 12 mm. (Foto: K.-P. Kelber)
208 11 · Magmatische Gesteine (Magmatite)
Technische Verwendung. Bekannt als geschliffener Orna- Vorkommen. Beispiele: Oslogebiet in Südnorwegen, Kola-
mentstein zur Verblendung von Fassaden und zum In- halbinsel, Karpatenraum, Mittelschweden, Serra de
nenausbau, für Grabsteine. Monchique in Portugal. Bekannt ist der subvulkanische
Shonkinit vom Katzenbuckel im Odenwald.
Monzonit
Technische Verwendung. In Kanada und den USA werden
Mesokrater, hypidiomorph-körniger Plutonit mit Kali- ausgedehnte Nephelinsyenit-Vorkommen in großem
Vormacht. Umfang wirtschaftlich genutzt. Sie bilden einen wichti-
gen Rohstoff für die Glasherstellung. In der Keramik wird
Mineralbestand. Übergang aus Alkalisyenit durch Zunahme das Gestein häufig als Ersatz für Feldspat verwendet.
des Plagioklas-Anteils mit höherem An-Gehalt (An40–60),
gleichlaufende Zunahme des Gehalts an mafischen Ge- Foidmonzodiorit und Foidmonzogabbro (Essexit)
mengteilen, vorzugsweise Biotit.
Meso- bis melanokrates, hypidiomorph-körniges Ge-
Vorkommen. Monzonigebiet und Predazzo in Südtirol, stein. (Feld 13 in Abb. 11.1).
Meißener Massiv in der Elbtalzone Sachsens.
Mineralbestand. Plagioklas (An40–60, mehr oder weniger
Nephelinsyenit idiomorph ausgebildet) > Alkalifeldspat (Na-Orthoklas-
oder Na-Mikroklinperthit, oft als Saum um Plagioklas
In stärker unterkieselten Alkalisyenit treten neben Alkali- oder Zwickelfülle), Foide. Als dunkler Gemengteil über-
feldspat auch Feldspatoide als wesentliche Gemengteile wiegt Pyroxen (diopsidischer Augit, Titanaugit und/oder
auf. Nehmen die Gehalte auf >10 Vol.-% der hellen Ge- Ägirinaugit), daneben Fe-reiche Hornblende oder Biotit.
mengteile zu, spricht man von Foidsyeniten Am häufigs- Olivin, wenn vorhanden, ist meistens in Serpentin umge-
ten sind Nephelinsyenite. Das Synonym Foyait wird in wandelt. Akzessorien sind Apatit, Titanit und opake Fe-
der IUGS-Nomenklatur nicht mehr verwendet. Ti-Oxide. Foid-führende Plutonite mit geringem oder feh-
lendem Alkalifeldspat heißen Foiddiorite und Foidgabbros
Mineralbestand. Alkalifeldspäte wie Orthoklas- oder (Theralithe; Feld 14 in Abb. 11.1)
Mikroklinperthit oder Anorthoklas; auch Albit kann
auftreten. Nephelin (Varietät Eläolith) ist durch Ent- Vorkommen. Beispiele: Kaiserstuhl, Böhmisches Mittelge-
mischung der Kalsilit-Komponente grau oder durch birge, Südnorwegen.
Einschlüsse von Hämatit rötlich gefärbt, zeigt musche-
ligen Bruch und Fettglanz (makroskopisch dem Quarz Foidolite
ähnlich); er ist xenomorph ausgebildet, seltener idio-
morph durch Wachstumsflächen begrenzt. Seine se- Plutonite, deren Foidanteil 60–100 Vol.-% der hellen Ge-
kundäre Umwandlung in ein Haufwerk von Zeolith ist mengteile beträgt (Feld 15 in Abb. 11.1). Als Beispiel sei
verbreitet. Neben Nephelin tritt sehr häufig als Foid der melanokrate Ijolith genannt, bestehend aus Nephe-
blassfarbener bis tiefblauer Sodalith auf, idiomorph nach lin, Ägirinaugit, ±Biotit sowie akzessorischem Apatit und
{110} oder als Zwickelfülle; mit seinem modalen Vor- Titanit.
herrschen Übergang in Sodalithsyenit; auch Nosean kann
vorhanden sein. Ganz selten tritt in Plutoniten Pseu- Alkali-Vulkanite
doleucit auf, ein Gemenge aus Kalifeldspat + Nephelin,
pseudomorph nach idiomorphem Leucit {211}. Als Trachyt
mafische Gemengteile finden sich hellgrüner bis farb-
loser Diopsid, dunkelfarbiger Ägirin in dünnen, oft Leukokrates, dicht- oder feinkörniges, auch porphyri-
büschelig gruppierten Nädelchen; Ägirinaugit bildet sches Gestein, holokristallin, auch hypokristallin. Vulka-
demgegenüber eher gedrungene Kristalle mit zonarer nit-Äquivalent des Alkalisyenits.
Umwachsung eines Diopsidkerns; auch Titanaugit
kommt vor. Der Amphibol ist wiederum ein Natron- Mineralbestand. Einsprenglinge: Na-Sanidin oder Anor-
amphibol (z. B. Arfvedsonit); oft tritt dunkelbrauner thoklas, auch Plagioklas (An20–30, gelegentlich höher), in
Biotit (Lepidomelan) hinzu. Akzessorien sind vorzugs- einzelnen Varietäten Feldspatoide, Na-Pyroxen, auch di-
weise Minerale mit Seltenen Erden sowie zahlreiche Ti- opsidischer Augit und/oder Na-Amphibol (z. B. Riebeckit),
und Zr-haltige Silikate. Biotit. Die Grundmasse besteht aus fluidal angeordneten
Shonkinit ist ein melanokrater Nephelinsyenit Leisten von Na-Sanidin, Na-Pyroxen (Ägirin) neben diop-
(M > 60 Vol.-%). sidischem Augit, Na-Amphibol, zuweilen Biotit, auch Glas-
11.2 · Petrographie der Magmatite 209
substanz. Akzessorien sind Apatit, Titanit, Magnetit, Zirkon, Gefüge und Mineralbestand. Ähnlich den Olivin-Tholeiiten
nicht selten auch etwas Quarz, Tridymit oder Cristobalit. und Tholeiitbasalten.
Daneben gibt es glasreiche Trachyte bis zu Trachytgläsern
(Obsidian), ebenso Trachyt-Bimssteine. Vorkommen. Das Auftreten von Alkali-(Olivin-) basalten
neben Tholeiiten ist charakteristisch für ozeanische Inseln,
Vorkommen. Beispiele: Drachenfels im Siebengebirge, z. B. Hawaii. Sie treten jedoch auch innerhalb von konti-
Westerwald, Böhmisches Mittelgebirge, Auvergne in nentalen, nichtorogenen Regionen auf, so in intrakonti-
Zentralfrankreich, Insel Ischia, Phlegräische Felder bei nentalen Grabenzonen (rift valleys), z. B. im Ostafrika-
Neapel, Kanarische Inseln, Azoren. nischen Grabensystem, im Oslogebiet, im Rheintalgraben
und den hessischen Gräben (Westerwald, Vogelsberg), in
Phonolith (Abb. 11.10a) der Eifel sowie in der Basin and Range Province (USA).
Im weiteren Sinne gehören zu den Alkalibasalten die
Grau bis grünliches oder bräunliches, dicht- bis feinkör- Varietäten:
niges, auch porphyrisches Gestein. Als Einsprenglinge
treten makroskopisch mitunter hervor: Na-Sanidin, Hawaiit: Plagioklas (An30–50), Augit, Olivin, ±Foide
Nosean oder Hauyn, Nephelin oder Leucit in idiomorph (meist in Feld 9' und 10' in Abb. 11.1);
ausgebildeten Kristallen. Daraus ergeben sich verschie- Mugearit: Plagioklas (An10–30), Augit, ±Olivin, ±Foide
dene Varietäten. Phonolith ist das Vulkanit-Äquivalent (meist in Feld 9 und 9');
des Foidsyenits. Das Gestein sondert häufig in dünnen Trachybasalt: mit geringen Mengen an Alkalifeldspat
Platten ab, die beim Anschlagen klingen („Klingstein“ (meist Sanidin) neben vorherrschendem Plagioklas (Über-
von grch. ϕωνή = Klang). gang zum Latit), Augit bis Ägirinaugit, Olivin ± Foide.
Mineralbestand. Na-Sanidin, auch Anorthoklas, Nephelin Tephrit und Basanit (Tabelle 11.7)
und andere Feldspatoide, besonders Leucit oder Nosean.
Mafische Gemengteile sind Ägirin, Ägirinaugit und/oder Melanokrate, SiO2-untersättigte Gesteine (Feld 14 in
Na-Amphibol, bisweilen auch Melanit, ein Ti-haltiger Abb. 11.1) mit dicht- bis feinkörnigem, auch porphyri-
Andradit-Granat. Die Grundmasse enthält selten etwas schem Gefüge; gröbere Varianten werden wie bei den
Glas. Fluidalgefüge durch annähernd parallel angeord- Tholeiiten als Dolerite bezeichnet.
nete Leistchen von Sanidin ähnlich dem Trachyt. In Bla-
senräumen häufig viele Arten von Zeolithen (Natrolith, Mineralbestand. Stets Plagioklas (An50–70) und Foide,
Chabasit u. a.). Der Phonolith i. e. S. führt als Foid Nephe- dunkle Gemengteile sind Titanaugit, diopsidischer Au-
lin; herrscht ein anderes Foid vor, so spricht man von: git, auch Amphibol. Einsprenglinge bilden Plagioklas,
Leucitphonolith, Sodalithphonolith, Noseanphonolith Leucit und Pyroxen, in den Basaniten auch Olivin. Die
(Abb. 11.10a). Übergang zu Trachyt ist verbreitet. Phono- Grundmasse enthält mitunter auch geringe Mengen von
lith kann auch als Phonolithbimsstein entwickelt sein. Glas. Akzessorien: besonders Magnetit und Apatit.
Limburgit ist ein Nephelinbasanit mit glasiger Grund-
Vorkommen. Beispiele. Laacher See-Gebiet (Eifel), Rhön, masse und Einsprenglingen von Titanaugit, Olivin und
Kaiserstuhl, Hegau, Böhmisches Mittelgebirge, Auvergne Titanomagnetit (Abb. 11.10b).
(Französisches Zentralmassiv), Kanarische Inseln.
Vorkommen. Beispiele: Laacher-See-Gebiet (Eifel), Rhön,
Alkalibasalte und Alkali-Olivinbasalte Kaiserstuhl, Thüringen, Böhmisches Mittelgebirge,
Auvergne, Kanarische Inseln und Inseln des mittel-
Alkalibasalte (mit normativem ol < 5 %) und Alkali- atlantischen Rückens; Leucittephrit bzw. Leucitbasanit
Olivinbasalte (mit ol > 5 %) sind durch einen höheren speziell im Kaiserstuhl, Laacher-See-Gebiet, Duppauer
Gehalt an Alkalien, meistens Na, relativ zu Al und Si ge- Gebirge (Nordböhmen), Monte Somma und Vesuv,
kennzeichnet; dadurch treten normative, z. T. auch mo- Roccamonfina in Mittelitalien.
dale Gehalte an Nephelin auf, wobei allerdings ne < 5 %
bleibt (Feld 10' in Abb. 11.1). Bei höheren normativen Tabelle 11.7. Tephrite und Basanite
und modalen Foid-Gehalten spricht man von Tephriten
und Basaniten (s. unten). Im Basalttetraeder von Yoder
u. Tilley (1962) liegen die darstellenden Punkte der Al-
kali-Olivinbasalte links von der kritischen Ebene der
SiO2-Untersättigung, diejenigen der Olivintholeiite da-
gegen rechts dieser Ebene (Abb. 16.21, S. 276).
210 11 · Magmatische Gesteine (Magmatite)
11.2 · Petrographie der Magmatite 211
Abb. 11.10. Mikrofotos von Alkalivulkaniten, mit porphyrischem Siderit) und die seltenen Natrokarbonatite (mit Na-K-
Gefüge. a Leucit-Nosean-Phonolith, Rieden, Laacher-See-Gebiet, Ca-Karbonaten).
Eifel. Einsprenglinge: Leucit (farblos, z. T. mit Ikositetraeder-
Umriss), Nosean (grau mit braunem Rand) und Ägirinaugit
(grünlich bis bräunlich); feinkristalline Grundmasse aus Alkali- Vorkommen. Vor allem in Alkaligesteinskomplexen,
feldspat, Nephelin, Leucit, Nosean und Ägirinaugit. 1 Nic. Bildbreite besonders in Ringkomplexen, häufig innerhalb von in-
ca. 5 mm. b Limburgit (Hyalo-Nephelinbasanit), Limberg bei trakontinentalen Riftzonen; Fen-Distrikt (Südnor-
Sasbach, Kaiserstuhl. Einsprenglinge: Titanaugit (mit Zonar- und wegen), Insel Alnö (Mittelschweden), Kola-Halbinsel
Sektorenbau, z. T. verzwillingt) und Olivin (weitgehend in
bräunlichen Iddingsit umgewandelt, ein feinstkörniges Gemenge (Russland), Kaiserstuhl, Palabora (Südafrika), Namibia,
aus Montmorillonit, Chlorit, Goethit, Hämatit u. a.); hypokristal- im ostafrikanischen Grabensystem, wo u. a. der Oldoinyo
line Grundmasse aus Plagioklas, Nephelin, Augit, Magnetit und Lengai (Tansania) als aktiver Natrokarbonatit-Vulkan
Gesteinsglas. +Nic. Bildbreite ca. 5 mm. (Fotos: K.-P. Kelber) auftritt.
12.1 Der Vulkanismus ist für Geologen und Petrologen von besonderem Interesse, da
Effusive Förderung: er einer der wenigen geologischen Prozesse ist, die sich unmittelbar beobach-
Lavaströme ten lassen. Vulkane sind geologische Gebilde, die durch den Ausbruch von mag-
matischen Schmelzen und/oder Gasen aus dem Erdinnern an die Erdoberfläche
12.2 oder auf den Meeresboden entstehen. Als Vulkane im geographischen Sinne
Extrusive Förderung bezeichnet man die Hügel oder Berge, die durch Anhäufung von vulkanischem
Gesteinsmaterial gebildet wurden.
12.3 Es gibt heute nahezu 800 aktive Vulkane, davon einige mit Dauertätigkeit, wie
Explosive Förderung der Stromboli (Äolische Inseln), der Ätna (Sizilien), der Kilauea (Hawaii). Der Izalco
in El Salvador befand sich als„Leuchtturm des Pazifik“ von 1770 bis 1957 in Dauer-
12.4 tätigkeit. Wie Abb. 12.1 zeigt, konzentrieren sich die jungen und aktiven Vulkane
Gemischte Förderung: auf die tektonisch mobilen Zonen der Erde, die gleichzeitig durch große
Stratovulkane Erdbebenhäufigkeit gekennzeichnet sind. Dieses sind die divergenten Platten-
ränder (mittelozeanische Rücken), die konvergenten Plattenränder (Subduktions-
12.5 zonen), die intrakontinentalen Riftzonen und schließlich die Gebiete über sog.
Vulkanische Plumes oder Hot Spots (Abschn. 17.1, S. 280), insbesondere ozeanische Inseln wie
Dampftätigkeit Hawaii. Für die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten ist es eine Existenzfrage
zu wissen, ob ein Vulkan wirklich erloschen ist oder ob der Vulkanismus nur ruht.
So galt der Vorläufervulkan des Vesuv, der Monte Somma, lange Zeit als erloschen,
bis er im Jahre 79 n. Chr. wieder einen verheerenden Ausbruch erlebte.
Nach einer Abschätzung von Bottinga et al. (1983) werden auf der Erde in jeder
Sekunde etwa 1 300 t Lava gefördert, der weitaus größte Anteil davon submarin.
216
12 · Vulkanismus
Abb. 12.1. Vulkanismus und Plattentektonik. Globale Verteilung aktiver und ruhender Vulkane und die wichtigsten Lithosphärenplatten. Man erkennt eine eindrucksvolle Konzentration der
vulkanischen Aktivität an den konvergenten Plattenrändern oberhalb von Subduktionszonen (konvergierende Pfeile). Von den zahlreichen Vulkanen an divergenten Plattenrändern, insbeson-
dere mittelozeanischen Rücken (divergente Pfeile) sind nur solche dargestellt, die aus dem Meeresspiegel herausragen. Für den rezenten Hot-Spot-Vulkanismus im ozeanischen und kontinen-
talen Intraplattenbereich gibt es nur wenige, aber prominente Beispiele. (Aus Schmincke 2000)
12.1 · Effusive Förderung: Lavaströme 217
12.1 wurden beim Ausbruch der Laki-Spalte auf Island kurz- 12.1
Effusive Förderung: Lavaströme zeitig schätzungsweise 7 200–8 700 m3 / s gefördert
(Thordarsson und Self 1993). Zum Vergleich: der Rhein
Der überwiegende Teil der effusiv geförderten Laven bei Köln führt normalerweise 2 000 m3 / s!
ist dünnflüssig und heiß (Abb. 12.2, 12.3) und besitzt
basaltische Zusammensetzung (mit 40–60 % SiO2).
Solche Laven können – auch auf flach geneigten Hän- Heiße, dünnflüssige und gasarme Laven werden inter-
gen – mehr als 150 km weit fließen, wobei der indivi- national als Pahoehoe-Laven (sprich pah’-ho-ih-ho-ih) be-
duelle Strom oft nur Dicken von wenigen Metern er- zeichnet, ein Ausdruck, der zunächst auf Hawaii verwen-
reicht. Demgegenüber sind viskosere Laven naturge- det wurde. Bei konstanter Fließgeschwindigkeit bildet sich
mäß viel weniger geeignet, große Entfernungen zu- eine Haut mit glatter oder gestriemter Oberfläche: Fladen-
rückzulegen; sie können daher nur auf steilen Hängen lava (Abb. 12.3); bei Beschleunigung der Fließbewegung
fließen. Deswegen bilden SiO2-reichere rhyolithische wird die Erstarrungshaut in Schollen zerbrochen: Schollen-
Laven viel seltener Ströme, wie z. B. der berühmte lava; Störungen des Fließvorgangs bei noch nicht ganz
Obsidianstrom von Rocche Rosse auf Lipari. Effusive erstarrter Haut führen zur Bildung von Seil- oder Strick-
Lavaförderung kann große Ausmaße annehmen; so lava (Abb. 12.3, 12.4). Mit abnehmender Temperatur ei-
nes Lavastroms geht Pahoehoe-Laven in Aa-Lava (sprich
ah-ah’) oder Brockenlava über, die wegen ihrer höheren
Viskosität langsamer fließt. Oft spielt auch eine steigende
Verformungsrate, z. B. beim Fließen über einen steilen
Hang eine zusätzliche Rolle. Der Lavastrom beginnt zu
„klumpen“; an seiner Oberseite bilden sich zackige bis
rundliche, z. T. aufgeblähte Schlacken, die von der Stirn
des Lavastroms herunterfallen und von diesem überfah-
ren werden. So entsteht die typische Zonierung von Aa-
Strömen: Top- und Basis-Breccien, randliche Schlacken-
wälle und ein massives Zentrum (Schmincke 2000). Beim
Abkühlen mächtigerer, kompakter Lavaströme tritt ein
Volumenverlust ein. Dieser wird über ein System von po-
lygonalen Klüften ausgeglichen, die senkrecht zur Ab-
kühlungsfläche stehen: Säulenbasalte (Abb. 12.5).
Abb. 12.2. Ausbruch des Ätna im Jahr 1975. Man erkennt den täti-
Bei submariner Förderung von Pahoehoe-Lava ent-
gen Krater mit strombolianischer Tätigkeit und den daraus aus- stehen typische kissen-, genauer gesagt schlauchartige
fließenden Pahoehoe-Lavastrom. (Foto: M. Pfleghaar, Heidenheim) Formen: Pillowlaven. Entscheidend für ihre Bildung ist
Abb. 12.3.
Pahoehoe-Lava vom 16. Juli 1991,
Kilauea, Insel Hawaii, nahe der
Mündung in den Pazifischen
Ozean. Die glutflüssige Lava ist
von einer dünnen Erstarrungs-
haut überzogen, die teils glatt,
teils gerunzelt ist: Fladen- und
Stricklava. (Foto: Pete Mouginis-
Mark, University of Hawaii)
218 12 · Vulkanismus
Abb. 12.4. Seillava von 1858, Vesuv. (Foto M. Okrusch) Abb. 12.7. Basaltpillow aus einem submarinen Lavastroms eines
Vorläufer-Vulkan des Ätna. Burgfelsen von Aci Castello (Sizilien).
Man beachte den Bergschuh als Größenvergleich. (Foto M. O.)
Diese Vorgänge finden in erster Linie im Bereich der mittel- Lavadome wachsen durch Nachrücken des hochviskosen
ozeanischen Rücken statt, wo ozeanische Kruste ständig neu Magmas von innen heraus oder durch Stapelung kurzer,
gebildet und durch das Sea-Floor-Spreading von diesen di- viskoser Lavaströme; ihre erstarrende Oberfläche wird
vergenten (konstruktiven) Plattengrenzen mit Geschwin- rissig und es entsteht eine brecciöse Außenzone, ein Agglo-
digkeiten von einigen Zentimetern pro Jahr wegbewegt merat. Wenn Lavadome an geneigten Hängen im heißen,
wird. Die Vulkane der mittelozeanischen Rücken bestehen nur oberflächlich erstarrten Zustand abreißen (Abb. 12.9),
zu einem großen Teil aus Strömen von Pillowlaven (Abb. können katastrophale Glutlawinen abgehen. Beispiele
21.8d, S. 330); sie sind aus verzweigten Lavaschläuchen auf- von Staukuppen sind der Puy de Dôme (Auvergne) sowie
gebaut, deren Größe von der Basis nach oben abnimmt. Tief- der Lassen Peak (Kalifornien), der Mount Saint Helens
bohrungen haben jedoch gezeigt, dass in diese Pillowlaven (Washington) und andere junge Vulkane der nordwest-
häufig mehrere Meter mächtige, kompakte Lavadecken ein- amerikanischen Vulkankette, die bei der Subduktion der
220 12 · Vulkanismus
12.3 12.3
Explosive Förderung
Abb. 12.9. Schematische Querschnitte von Lavadomen mit angedeu-
teten Fließlinien bzw. Rissen und Agglomeraten der Randzonen Explosive Vulkanausbrüche gehören zu den verhee-
(punktiert). Links: Dom auf annähernd flachem Gelände, a beim
Lavaaufstieg, b nach Zurücksinken der Lava in den Schlot; rechts:
rendsten geologischen Ereignissen, die in der Mensch-
Dom auf geneigtem Hang, c Anfangsstadium, d Abreißen und Ab- heitsgeschichte gewaltige Opfer gefordert haben: Tam-
fließen des Doms. (Mod. nach MacDonald 1972) bora (Indonesien) 1815: 93 000 Tote, Krakatau (Indone-
sien) 1883: 36 000 Tote, Montagne Pelée (Martinique,
Kleine Antillen) 1902: 29 000 Tote. Auch in der Menge
des geförderten Materials ist der explosive Vulkanis-
mus von größter Bedeutung und wird nur noch von
submarinen Effusionen übertroffen. An Land machen
Pyroklastika über 90 % der vulkanischen Förderungen
in historischer Zeit aus (Sapper 1927).
Gemisch aus Partikeln und Gas durch Expansion der Bei einer Förderung von 1010 kg beträgt der VEI also 3.
magmatischen Gase stark, z. T. auf Überschallgeschwin- Beispiele sind in Tabelle 12.1 aufgeführt. Einen ver-
digkeit beschleunigt und steigt auf. gleichbaren Index für die Magnitude der vulkanischen
Nach Sparks (1986) gliedern sich Eruptionssäulen in Förderung kann man auch bei effusiver Vulkantätigkeit
zwei Bereiche: In der Gasschubregion wird das Gemisch angeben.
mit Geschwindigkeiten zwischen 100 und 600 m/s eini- Im Folgenden werden die wichtigsten Typen des ex-
ge 100 m bis wenige Kilometer hoch in die Atmosphäre plosiven Vulkanismus beschrieben (Schmincke 2000).
geschossen; dabei verliert es durch Ausfallen großer
Pyroklasten und durch Ansaugen von kalter Luft rasch Hawaiianische Tätigkeit: Lavafontänen
an Dichte. Dadurch erweitert sich der scharf gebündelte
Gasschubteil blumenkohlartig zur konvektiven Erupti- Wie bereits erwähnt, ist die effusive Vulkantätigkeit häu-
onssäule. Diese ist heißer als die umgebende Luft und fig mit der Bildung von Lavafontänen oder Lavavor-
erhält deswegen Auftrieb; sie kann daher bis in Höhen hängen verknüpft, die bis zu 500 m hoch werden kön-
von über 50 km aufsteigen. Wenn sie Luftschichten glei- nen; es wird also Lava explosiv in die Luft geschleudert
cher Dichte erreicht, breitet sie sich schirmartig aus
(Abb. 12.11). Falls jedoch der Gasschubteil oder Teile
davon sich nicht mit genügend Luft mischen, um die
Gesamtdichte unter die Dichte der Atmosphäre zu brin-
gen, kann die gesamte Eruptionssäule oder Randbereiche
davon kollabieren: Es entstehen absteigende Glutlawinen,
aus denen Aschenwolken aufsteigen (Abb. 12.11).
Die Intensität des explosiven Vulkanismus lässt sich
nach Walker (1973) durch zwei Parameter klassifizieren:
Der vulkanische Explosivitäts-Index (VEI) ist durch die Abb. 12.11. Schematische Darstellung eines pyroklastischen Systems:
Masse an gefördertem Material definiert, wobei nach Pyle Magmasäule mit nach oben zunehmender Blasenbildung, Fragmen-
tierungsniveau und Umkippen in ein System aus Partikeln und Gas;
(2000) folgende Gleichung gilt: Eruptionssäule mit Gasschubregion, konvektivem Hauptteil und
Schirmregion; absteigende Glutlawine mit aufsteigenden Asche-
VEI = log10 der geförderten Pyroklastika in kg – 7 [12.1] wolken. (Mod. nach Schmincke 1986, Abb. 9.1; 2000, Abb. 10.1)
Tabelle 12.1. Beispiele für den vulkanischen Explosivitäts-Index (VEI). (Aus Miller und Wark 2008)
222 12 · Vulkanismus
Abb. 12.12.
Lavafontäne vom 13. August
1984, Pu’u-O’o-Krater, Hawaii.
(Foto: Pete Mouginis-Mark,
University of Hawaii)
Ereignisse in vorgeschichtlicher Zeit sind die Ausbrüche des Laacher- 2. Glutlawinen (pyroklastische Blockströme) vom Typ des
See-Vulkans (Eifel) ca. 10 900 v. Chr. und der Vulkan-Insel Santorin Mt. Pelée (1902) entstehen, wenn hochviskose, meist
(Kykladen) ca. 1 400 v. Chr., bei der die dortige minoische Zivilisati-
andesitische oder dacitische Magmen domartig aus
on weitgehend zerstört wurde. Eine der verheerendsten vulkanischen
Katastrophen der jüngeren Geschichte war der Ausbruch des dem Rand eines Krater herausgedrückt werden, abbre-
Krakatau (Indonesien); seine erste Explosion wurde im Umkreis von chen und als Gemisch aus heißen Blöcken und Aschen
150 km, die zweite auf 7 % der Erdoberfläche gehört; durch die aus- zu Tal gehen. Die Staukuppe Mt. Pelée, die am 5. April
gelöste Flutwelle wurden 36 000 Menschen getötet. Noch verheeren- 1902 entstanden war, lieferte zwischen dem 8. April und
der war die Eruption des Tambora-Vulkans auf den kleinen Sunda-
dem 9. Juni mehrfach Glutlawinen, die durch das Tal
Inseln (Indonesien), die 1815 erfolgte und 50 000 Menschenleben
forderte (VEI = 7). In jüngster Zeit hat die plinianische Eruption der Rivière blanche abgingen. Spektakuläre Beispiele
des Mount Saint Helens (Washington) am 18. Mai 1980 großes öf- von Glutlawinen lieferte der Merapi (Java), besonders
fentliches und wissenschaftliches Interesse erregt und eine intensi- bei seinen letzten Ausbrüchen von 1994 und 1998.
ve interdisziplinäre Erforschung des explosiven Vulkanismus ver- 3. Begleitet werden pyroklastische Ströme von base
anlasst (vgl. Schmincke 2000). Durch die Explosion wurde ein Lava- surges, d. h. Schockwellen aus hochverdünnten
dom zerstört, der seit dem 17. April 1980 kontinuierlich angewach-
sen war. Der vulkanische Explosivitäts-Index VEI lag bei 5. Lediglich
Aschenströmen, die sich mit hoher Geschwindigkeit
aufgrund der dünnen Besiedelung des Gebiets konnte eine große über Berg und Tal bewegen. Im Falle des Mt.-Pelée-
Katastrophe vermieden werden: jedoch lag die Zahl der Todesopfer Ausbruchs übersprangen sie die Talflanken der Rivière
immerhin noch bei 80. Demgegenüber kamen 1982 beim pliniani- blanche und rasten mit enorm hoher Geschwindig-
schen Ausbruch des El Chichón (Mexiko) etwa 2 000 Menschen um. keit hangabwärts auf die Stadt St. Pierre zu, die bereits
Große öffentliche Aufmerksamkeit gewann der Ausbruch des
am 8. April 1902 vollständig zerstört wurde. Dabei
Pinatubo (Luzon, Philippinen) im Jahr 1991, bei dem pro Sekunde
ca. 200 000 m3 Pyroklastika gefördert wurden; daraus entwickel- musste der Tod von 28 000 Menschen beklagt werden;
ten sich gewaltige Schlammströme (Lahars, s.u.; vgl. Newhall und nur zwei Strafgefangene überlebten in ihrem Verlies.
Punongbayan 1996).
Supereruptionen und Supervulkane
Pyroklastische Ströme, Glutwolken und Glutlawinen
Als Supereruptionen bezeichnet man explosive Vulkan-
Pyroklastische Ströme gehören zu den verheerendsten ausbrüche, bei denen innerhalb relativ kurzer Zeit riesi-
vulkanischen Phänomenen. Sie bestehen aus einer glut- ge Mengen von >1015 kg, entsprechend >1 000 km3, vul-
heißen Suspension von Festpartikeln in einem vulkani- kanischer Lockerprodukte durch Aschenfälle und pyro-
schen Gas, die sich – ähnlich wie eine schwere Flüssig- klastische Ströme gefördert wurden (VEI ≥ 8). Vulkane,
keit – mit großer Geschwindigkeit am Boden ausbreitet. in denen zumindest eine Supereruption stattfand, wer-
Für Menschen in ihrem Wirkungsbereich gibt es keine den als Supervulkane bezeichnet (Miller und Wark 2008),
Rettung. Der Festanteil besteht aus Glas- und Bims-Frag- von denen bisher nahezu 50 bekannt sind, und zwar aus-
menten unterschiedlicher Korngröße, Kristallen und schließlich in Bereichen von dicker kontinentaler Erd-
Gesteinsblöcken. Den pyroklastischen Strömen eilen kruste. Solche außergewöhnlich großen Ereignisse kom-
heiße, aschenarme Druck- oder Schockwellen (base men nur alle 10 000 bis 100 000 Jahre vor und sind aus
surges) voraus, die sich ringförmig mit 100–400 km / h historischer Zeit nicht bekannt (Tabelle 12.1). So fand die
ausbreiten, ähnlich wie das bei Atomexplosionen beob- Supereruption des Yellowstone-Vulkans (Wyoming) vor
achtet wurde. Sie haben verheerende Auswirkungen. Mit 2 Millionen in einem kontinentalen Intraplatten-Bereich
Schmincke (2000) können wir heute drei Typen von über einem Hot Spot statt. Die Supereruption des Long-
pyroklastischen Strömen unterscheiden: Valley-Vulkans (Kalifornien) erfolgte vor 760 000 Jahren
in einem Krustenbereich mit Dehnungstektonik. Dem-
1. Bei hochexplosiven plinianischen Eruptionen bilden gegenüber waren die Supereruptionen des Toba-Vulkans
sich, wie Abb. 12.11 zeigt, materialreiche pyroklasti- (Sumatra) vor 74 000 und des Taupo-Vulkans (Neusee-
sche Ströme, die überwiegend aus Bimsaschen beste- land) vor 26 500 Jahren an konvergente Plattenränder in
hen und als gröbere Festpartikel Glasscherben, Bims- Bereichen oberhalb von Subduktionszonen gebunden.
lapilli (s. unten), Kristalle und Gesteinsbruchstücke
Durch die Taupo-Supereruption wurden Ignimbrit-Ablagerungen
führen. Sie werden fast immer aus großen Calderen in einer Ausdehnung von >20 000 km2 gefördert, während die
gefördert, die infolge des Massenverlusts einbrechen. Aschenfall-Ablagerungen – soweit sie >10 cm mächtig sind – sich
Es entstehen ausgedehnte, mächtige Decken von in einem Bereich von 10 Mill. km2 nachweisen lassen, dünnere
Ignimbrit, die Täler auffüllen, also Geländeunter- Aschenschichten sind noch in einem erheblich größeren Areal er-
schiede ausgleichen. Ignimbrite zeigen keine Schich- kennbar. Die Aschenwolke des Toba-Vulkans nahm wahrscheinlich
ein Gebiet ein, dass im Norden fast bis zum Himalaya, im Westen bis
tung, sind aber häufig chemisch zoniert und spiegeln zum Horn von Afrika, im Südwesten nahezu bis Madagaskar, im
so die kompositionelle Zonierung der sich leerenden Südosten bis nahe an die australische Westküste und im Nordosten
Magmenkammer wider. bis an die Philippinen reichte.
224 12 · Vulkanismus
Die enormen Massendefizite im Erdinnern, die durch 25 000 Menschenleben kostete, und zwar überwiegend
solche vulkanischen Megaereignisse in kürzester Zeit ent- durch Lahars. Warnungen vor der Gefährlichkeit des schnee-
stehen, müssen durch Einbrüche riesiger Calderen aus- bedeckten Vulkans wurden von den Behörden nicht beach-
geglichen werden, die Durchmesser von fast 100 km er- tet. Demgegenüber waren beim Ausbruch des Pinatubo
reichen können. Daher fehlen in Supervulkanen die typi- (Luzon, Philippinen) 1991 nur etwa 350 Tote zu beklagen,
schen Oberflächenformen gewöhnlicher Vulkanbauten weil die Behörden auf Grund der Warnungen von Wissen-
(Miller und Wark 2008). schaftlern die Bevölkerung aus den Tälern, in denen die
Wie auch sonst beim explosiven Vulkanismus besit- zahlreichen Lahars abgingen, rechtzeitig evakuierte.
zen die Magmen der Supervulkane ein großes Explosiv-
potential. Dieses ist bedingt durch einen hohen Gehalt Maare, Diatreme und Tuffringe
an leichtflüchtigen Komponenten, meist H2O, die als Gas-
blasen in der Schmelze eingeschlossen sind, verbunden Diatreme sind mit vulkanischem Lockermaterial gefüll-
mit einer hohen Viskosität des Magmas, das typischer- te Durchschlagsröhren, die von einem Tuffring umgeben
weise Dacit-, häufiger Rhyolith-Zusammensetzung mit sind, der häufig mit einem See gefüllt ist. Sie sind das
SiO2-Gehalten von ca. 65–70 bzw. 72–76 Gew.-% hat. Durch Ergebnis heftiger vulkanischer Explosionen, die meist
die Zähigkeit der Schmelze wird das Platzen der Gasblasen durch den Einbruch von Grundwasser, also phreatomag-
zunächst verhindert. Diese können sich immer mehr aus- matisch ausgelöst werden (z. B. Lorenz 1974, 1998). Bei-
dehnen, bis schließlich die erste Gasblase platzt und spiele sind die Eruptivschlote der Schwäbischen Alb und
dadurch kettenreaktionsartig die Explosion ausgelöst die Maare der Eifel.
wird. Die Besonderheit der Supereruptionen liegt in der Eine besondere Art von Diatremen sind die Kimber-
enormen Menge von eruptierbarem Magma mit Kristall- lit-Pipes, z. B. im südlichen und westlichen Afrika und in
gehalten von <50 Vol.-%, das sich im oberen Bereich ei- Sibirien. Diese Durchschlagsröhren enthalten brecciier-
nes viel größeren Magmenreservoirs befindet. Dieses ist ten Kimberlit (frisch als „blue ground“, verwittert als
größtenteils mit einem Kristallbrei, bestehend aus
>50 Vol.-% Kristallen, gefüllt und geht randlich in ein
vollkristallines granitisches Gestein über. Nach geophy-
sikalischen Messungen und der Analyse der pyroklasti-
schen Ablagerungen, des Bishop-Tuffs, dürfte die Mag-
menkammer des Long-Valley-Vulkans einen horizonta-
len Durchmesser von fast 30 km und eine Höhe von 12 km
gehabt haben (Hildreth und Wilson 2007; Bachmann und
Bergantz 2008; Abb. 13.1, S. 232). Wie isotopische Alters-
datierungen an Zirkonen (Abschn. 31.5.3, S. 574f) bele-
gen, wurden Magmenkammern von Supervulkanen im
Laufe von zehntausenden bis hunderttausenden von Jah-
ren mehrfach mit neuen Magmenschüben gefüllt, ehe es
zur explosiven Förderung kam (Reid 2008). Wahrschein-
lich spielte das Eindringen von heißen, aus dem Erdmantel
stammenden Basalt-Magmen in die SiO2-reichen Krusten-
gesteine bzw. in das Magmenreservoir eine entscheiden-
de Rolle bei der Auslösung von Supereruptionen.
„yellow ground“ bezeichnet), der stellenweise Diamant Bims ist ein wichtiger Industrierohstoff. Die wirt-
führt. Er geht nach unten zu in Gänge und Lagergänge schaftlich bedeutendsten Bimslagerstätten Deutsch-
von kompaktem Kimberlit über (Abb. 12.13). lands gehen auf den Ausbruch des Laacher-See-Vul-
kans zurück. Sie befinden sich im Raum des Neu-
Pyroklastische Gesteine wieder Beckens mit einer mittleren Mächtigkeit von
3–5 m auf einer Fläche von ca. 240 km2 und werden
Bei der explosiven Förderung wird neben flüssigen Lava- hier in großem Maßstab abgebaut. Aus Bims des Neu-
fetzen auch festes oder halbfestes Material ausgeworfen. Zu wieder Beckens werden die sog. Bimsbaustoffe her-
diesen Pyroklastika gehören früh ausgeschiedene Kristal- gestellt.
le, Bruchstücke älterer Laven sowie magmafremdes Mate- Die heißen, dünnflüssigen basaltischen Schmelzen
rial der Schlotwandungen oder des Untergrunds. Dieses Ma- in den Lavafontänen Hawaiis können sehr gasreich sein
terial sedimentiert insgesamt je nach der Korngrößenord- und blähen sich dann bei der Förderung auf, so dass
nung und Dichte in geringerer oder weiterer Entfernung die Gasblasen platzen. Dabei entstehen bimsartige
des fördernden Vulkans und bildet pyroklastische Gestei- Lavafetzen, die zu einem äußerst zarten Gewebe aus
ne. Obwohl sie häufig Schichtung zeigen, stellen wir sie nicht fadenförmiger Basaltlava erstarren, dem Retikulit.
zu den Sedimenten oder Sedimentgesteinen, weil sie nicht Wenn die Fontänen hoch in den Himmel aufschießen,
aus Verwitterungsprodukten hervorgegangen sind. werden die Schmelztropfen vom Wind verweht und
dabei an den Rändern ausgezogen. Diese Glasgebilde
Unverfestigte Pyroklastite. Sie werden als Tephra bezeich- nennt man nach der hawaiianischen Vulkangöttin
net. Nach Korngröße und Art der einzelnen Pyroklasten „Pelées Haar“ oder „Pelées Tränen“.
ergibt sich folgende Gliederung: Ignimbrite (Schmelztuffe, engl. welded tuff) sind Ab-
sätze von Glutwolken und Glutlawinen, die besonders
Vulkanische Aschen: staubfeine bis sandige Locker- in ihren unteren Teilen durch Kollabieren der Bims-
stoffe mit mittlerer Korngröße <2 mm, die aus zer- fragmente und Zusammensintern verfestigt sind,
spratzter Schmelze (Glasaschen) oder aus feinst zer- wobei es zu Ähnlichkeiten mit Laven kommen kann.
riebenem Material der Schlotwandungen oder aus ei-
nem Gemenge von beiden bestehen. Sekundäre Verfestigung. Bei der sekundären Verfestigung
Lapilli (ital. „Steinchen“; mittlere Korgröße 2–64 mm): von Pyroklastiten entstehen vulkanische Tuffe, und zwar
entweder Bruchstücke älterer Laven und Schlacken oder je nach Korngröße Aschen- und Lapillituffe; bei einem
– als Kristall-Lapilli – ausgeworfene Einsprenglinge höheren Anteil von Grobkomponenten spricht man auch
(Olivin, Augit, Amphibol, Plagioklas) der im übrigen von Bomben- oder Schlackentuffen; Bimse werden zu
noch flüssigen Schmelze oder Bims-Lapilli (s. unten). Bimstuffen verfestigt. Bei der Verfestigung wird als Fol-
Im Korngrößenbereich >64 mm unterscheidet man ge von vulkanischer Dampftätigkeit, von Verwitterungs-
– Lavablöcke: eckige Bruchstücke von älteren Lava- prozessen oder durch Diagenese Poren-Zement zuge-
körpern, die ausgeworfen wurden, angereichert zu führt oder er entsteht bei der Umwandlung von glasigen
Breccien (z. B. Schlotbreccien). Bestandteilen. Im letzteren Fall kommt es zu Neubildung
– Vulkanische Bomben: juvenile Lavafetzen die im von Tonmineralen, verschiedenen Zeolithen oder/und
Flug eine aerodynamische, z. B. gedrehte und zu- SiO2-Mineralen.
gespitzte Form angenommen haben.
– Wurfschlacken: im Flug erstarrte, schwach aufge- Bentonite sind Glastuffe, die durch Entglasung in
blähte Förderprodukte. Montmorillonit oder ein ähnliches Tonmineral um-
– Schweißschlacken: Sie erreichen noch teilweise un- gewandelt sind.
verfestigt den Boden und sintern dort zusammen: Es Palagonittuffe enthalten Fragmente von dunklem
entstehen Schweißschlackenbänke oder Schweiß- basaltischem Glas – als Sideromelan bezeichnet – das
schlackenkegel. Allgemein werden Anhäufungen von durch Wasseraufnahme in Palagonit (s. oben) umge-
vulkanischen Bomben ebenfalls als Agglomerate be- wandelt ist. Aus diesem amorphen Zwischenprodukt
zeichnet. Vulkane mit hohem Anteil von Wurf- und entstehen Montmorillonit (Smectit) und Zeolithe, v. a.
Schweißschlacken heißen Schlackenkegel, die sich ins- Phillipsit.
besondere bei strombolianischer Tätigkeit bilden. Tuffite sind umgelagerte Pyroklastika. Sie entstehen,
Als Bims bezeichnet man stark aufgeblähte, hoch- wenn Aschen bzw. Tuffe bei folgenden Erosions-
poröse und glasig erstarrte Lavafetzen, die in größe- prozessen während eines kürzeren oder längeren
ren Mengen bei plinianischen Ausbrüchen gefördert Transportwegs mit pelitischem Material vermengt
werden. Da sie spezifisch leicht sind, schwimmen sie werden und eine gemeinsame Sedimentation erfolgt.
auf dem Wasser. Nach der Korngröße unterscheidet Bei geringerem pyroklastischem Anteil spricht man
man Bimsaschen, Bimslapilli, Bimssteine. von tuffitischen Sedimenten.
226 12 · Vulkanismus
Bezeichnungen wie Rhyolithtuff, Trachyttuff oder Lava oberflächennah konkordant zwischen die Schicht-
Phonolithtuff sind nur dann sinnvoll, wenn gleichzei- fugen des Stratovulkans ein, so entstehen Lagergänge
tig geförderte Lava entsprechender Zusammenset- (sills). Dabei bahnt sich die Intrusion auf einer früheren
zung nachweisbar ist. Eine Einordnung ist über die Oberfläche des Stratovulkans, die sich geologisch als Dis-
chemische Zusammensetzung möglich. kontinuität auswirkt, den Weg.
Wenn Lagergänge eines erloschenen Vulkans durch
12.4 12.4 Erosion freigelegt sind, kann man sie leicht mit effusiven
Gemischte Förderung: Stratovulkane Lavaströmen verwechseln. Von diesen unterscheiden sich
Lagergänge jedoch durch das Fehlen einer Schlackenkrus-
Aus einem Wechsel von extrusiver, effusiver und ex- te, durch stellenweises Überspringen in ein anderes
plosiver Tätigkeit entstehen Stratovulkane; sie setzen Schichtniveau sowie durch Frittungserscheinungen am
sich aus Lavaströmen und dazwischengeschalteten Pyro- Nebengestein des Hangenden und Liegenden.
klastit-Lagen zusammen (Abb. 12.14); oft sind auch
12.5 Ignimbrite eingeschaltet. Stratovulkane sind sehr viel 12.5
verbreiteter als die reinen Lavavulkane. Dabei gibt es Vulkanische Dampftätigkeit
lavaarme und lavareiche Arten, und es bestehen zudem
Übergänge zu den Lavavulkanen. Der Bau von Strato- Wenn die Sättigungsgrenze der in einem Magma gelös-
vulkanen kann außerordentlich kompliziert sein. Be- ten leichtflüchtigen (volatilen) Komponenten überschrit-
kannteste Beispiele sind der Monte Somma-Vesuv ten wird, bildet sich eine freie Gasphase. Wie wir gese-
und der Ätna in Italien sowie die Vulkaninselgruppe hen haben, kann das zu explosiver Vulkantätigkeit füh-
Santorin (Kykladen); typische Vertreter sind auch andesi- ren. In Pausen oder nach Erlöschen der vulkanischen
tische und dacitische Vulkane über den Subduktions- Aktivität kommt es jedoch zu relativ ruhiger Entgasung,
zonen rund um den Pazifik. z. B. aus dem offenem Schlot oder aus Gesteinsspalten
Die einfachste Form eines Stratovulkans ist die eines des Vulkanbaus (Abb. 14.1, S. 239). Unter den geför-
Bergkegels mit konkaven Flanken. Er besitzt oben auf sei- derten Gasen dominieren H2O (35–90 Mol.-%) und CO2
ner Spitze einen Krater, aus dem zunächst die Ausbrüche (5–50 Mol.-%), gefolgt von S-Dämpfen (H2S + SO2 + SO3,
erfolgen. Überschreitet ein solcher Vulkan eine gewisse zusammen 2–30 Mol.-% gerechnet als SO2) sowie HCl
Höhe, so ist die Festigkeit seiner Außenhänge dem Druck und HF. Weiter wurden nachgewiesen CO, H 3 BO 3 ,
der Lavasäule im Schlot allmählich nicht mehr gewach- Carbonylsulfid COS, NH 3 , CH 4, Rhodanwasserstoff
sen, und es brechen Radialspalten auf. Es kann zu Flanken- HCNS, H2, Ar u. a. Allerdings ist H2O-Dampf nur zum
ausbrüchen kommen. Wenn sich die Spalten mit Lava fül- geringeren Teil juvenil-magmatisch. Wie durch Deute-
len, entstehen Radialgänge. Haben diese Spalten die Form rium- und Tritium-Analysen nachgewiesen wurde,
von Kegelmänteln, die zum Schlot hin einfallen, so erstarrt stammt der Hauptanteil aus erhitztem Grund- und Ober-
die eindringende Lava zu Kegelgängen (cone sheets); flächenwasser; außerdem bildet sich H2O auch durch
demgegenüber stehen Ringgänge (ring dikes) steil. Bei- Oxidation vulkanischer Gase neu (s. unten). Die Löslich-
spiele bieten durch Erosion freigelegte ehemalige Vulka- keit der meisten volatilen Komponenten in Silikat-
ne auf der Halbinsel Ardnamurchan in Schottland. Dringt schmelzen nimmt mit sinkendem Druck mäßig bis stark
ab. So kann eine Rhyolith-Schmelze bei einem Druck
von ca. 2 kbar entsprechend einer Tiefe von 7 km fast
6 Gew.-% H2O lösen, bei Atmosphärendruck an der Erd-
oberfläche jedoch nur noch 0.1 Gew.-%. Dabei nimmt die
Löslichkeit in der Reihenfolge F → H2O → Cl → S → CO2
ab, d. h. CO2 entgast schon relativ früh und in größerer
Tiefe, H2O oder F dagegen relativ spät und in einem hö-
heren Niveau. In den am weitesten verbreiteten basal-
tischen Magmen ist CO2 die wichtigste juvenile Volatil-
Komponente, gefolgt von H2O, S-Dämpfen, F, Cl u. a.
Höher sind die juvenilen H2O-Gehalte in basaltischen,
andesitischen und dacitischen Magmen, die in Vulkanen
über Subduktionszonen gefördert werden. In rhyo-
lithischen Magmen überwiegt der H2O-Anteil sehr stark,
Abb. 12.14. Profil durch einen typischen Stratovulkan mit zentralem
Kegel, Krater, zentralem Schlot über der Magmenkammer, Kegel- da die H2O-Löslichkeit mit steigendem SiO2-Gehalt zu-
gängen (Cone Sheets, C), die z. T. als Zufuhrkanäle für subterminale nimmt, während CO2, S-Dämpfe und F zurücktreten
Kegel (SK), Lavaströme (L) und Sills dienen (Schmincke 2000).
12.5 · Vulkanische Dampftätigkeit 227
Dank wesentlicher instrumenteller Fortschritte bei der Ferner- umgesetzt, der sich in schwarzglänzenden, tafeligen Kri-
kundung haben sich unsere Kenntnisse über die volatilen Kompo- ställchen krustenartig auf zersetzter Lava abscheidet:
nenten in vulkanischen Eruptionswolken stark verbessert. So wird
SO2 durch boden- und satellitengestützte UV-Korrelations-Spektro-
meter COSPEC (Ultraviolet Correlation Spectrometer) und das 2FeCl3 + 3H2O 6HCl + Fe2O3 (12.1)
Ozon-Messgerät TOMS (Total Ozone Mapping Spectrometer) be-
stimmt, während CO2 und H2S durch flugzeuggestützte Sensoren, Solfataren sind H2S-haltige Tieftemperatur-Fumaro-
H2O und CO2 durch bodengestützte Fourier-Transformations-IR- len. Sie setzen v. a. elementaren Schwefel, aber auch Real-
Spektrometrie (FTIR) analysiert werden (De Vivo et al. 2005).
gar As4S4 ab, z. B. in der Solfatara bei Pozzuoli in den
Campi Flegrei bei Neapel, die sich seit dem Altertum im
Dampftätigkeit bei offenem Schlot gleichen Zustand befindet. Dort bestehen die ausströmen-
den Gase speziell aus überhitztem Wasserdampf mit relativ
Diese Art der Tätigkeit gehört zu den eindrucksvollsten Be- geringen Beimengungen von H2S und CO2. Dabei schwankt
gleiterscheinungen des aktiven Vulkanismus. Sie ist ruhig die Temperatur zwischen 165 und 130 °C. Der Luftsauerstoff
und relativ gleichmäßig bei weit offenem Schlot und mäßi- oxidiert H2S zu H2SO3, wobei nach der Reaktion
ger Dampfförderung, erscheint aber mehr stoßweise bei
stärkerer Förderung. Besonders faszinierend ist die Dampf- H2S + ½O2 H2O + S (12.2)
tätigkeit, wenn die Schlotöffnung sehr eng ist, so dass den
Dampfmassen der Austritt erschwert wird. Alle paar Mi- freier Schwefel als Zwischenprodukt ausgefällt wird,
nuten brechen die Dampfstrahlen brüllend und zischend der sich rund um die Austrittsstellen als monokline Kri-
hervor und ballen sich erst in einiger Höhe über der ställchen abscheidet. Die sauren Fumarolengase zerset-
Schlotöffnung zu Wolken. Die Dampfförderung bei offe- zen die umgebenden vulkanischen Gesteine, deren Kat-
nem Schlot ist an relativ dünnflüssige Laven gebunden. ionen teilweise ausgelaugt werden, und es bilden sich
So haben z. B. der Ätna und der Vesuv monate- oder jah- Sulfate wie Anhydrit, Gips, Epsomit MgSO4 · 7H2O, Alunit
relang im Zustand rhythmischer Dampftätigkeit verharrt. KAl3[(OH)6/(SO4)2] und Kalialaun KAl[SO4]2 · 12H2O.
Borhaltige Fumarolen, als Soffionen bezeichnet, set-
Fumarolen- und Solfataren-Tätigkeit zen die flüchtige Borsäure H3BO3 als weiße Schüppchen
ab, das Mineral Sassolin H3[BO3]. Lokal kommt es dabei
Der Begriff Fumarole (lat. fuma = Rauch, Dampf) um- zur Bildung von Borlagerstätten, die nur noch gelegent-
fasst alle vulkanischen Gas- und Dampf-Exhalationen, lich genutzt werden.
die aus Spalten und Löchern ausströmen und deren Tem-
peratur wesentlich höher ist als die Lufttemperatur. Das Die wirtschaftliche Bedeutung von vulkanischem Schwefel ist meist
Einsetzen von verstärkter Fumarolen-Tätigkeit kann ei- gering. Große, bauwürdige Schwefellagerstätten entstehen durch
nen erneuten Vulkan-Ausbruch ankündigen, umgekehrt bakterielle Reduktion von Sulfaten.
ist ihr Fehlen keine Garantie für das endgültige Erlöschen
eines Vulkans. Häufig sind Fumarolen auf konzentrischen Thermen und Geysire
oder radialen Spalten angeordnet. An der Austrittsstelle
wird das umgebende Gestein durch die Fumarolengase Thermen (Thermalquellen, heiße Quellen) zählen zu den
innerhalb weniger Jahre zu einem weißen bis grauen Ton langandauernden postvulkanischen Erscheinungen, die
zersetzt, der je nach Wassergehalt fest bis dünnflüssig ist. das letzte Stadium der Wärmeabgabe eines erloschenen
Die graue Farbe wird durch winzige Pyrit-Kriställchen Vulkans bilden. Sie können sich aber auch ohne Bezie-
erzeugt, die im Schlamm fein verteilt sind. hung zum Vulkanismus in Gebieten mit erhöhtem Wär-
Hochtemperatur-Fumarolen mit Temperaturen von mefluss bilden, z. B. im Bereich größerer Störungszonen,
ca. 1 000–650 °C treten in Kratern und Spalten von Vul- wie im Eger-Graben mit berühmten Badeorten wie
kanen auf, die noch tätig oder vor kurzem tätig gewesen Karlsbad (Karlovy Vary, Tschechien).
sind und bei denen sich noch glutflüssiges Magma in der Thermen sind weit verbreitet und fördern in erster
Tiefe befindet. Viel verbreiteter sind Tieftemperatur-Fu- Linie verdampftes Grundwasser: In Wüsten gibt es keine
marolen mit ungefähr 650–100 °C. Nahe der Austritts- heißen Quellen. Ihre Temperatur ist nicht höher als der
stelle der Fumarolen kommt es zur Sublimation von che- Siedepunkt des Wassers bei dem entsprechenden Luft-
mischen Komponenten, die bei höherer Temperatur und druck, d. h. etwa 100 °C im Meeresspiegel-Niveau (z. B.
höherem Druck in vulkanischen Gasen gelöst waren und Campi Flegrei), etwa 90 °C in 3 000 m über NN (z. B. am
mit ihnen transportiert wurden (Gastransport). Dadurch Ätna). Während ihrer Zirkulation auf Klüften und Spal-
werden NaCl, KCl, NH4Cl, AlCl3, FeCl3 und As4S4 als ten des Nebengesteins lösen sie geringe Mengen von de-
Fumarolenprodukte gebildet. FeCl3 färbt auch im akti- ren Substanz und treten als Mineralquellen an die Erdo-
ven Stadium des Vulkans die Eruptionswolke zeitweise berfläche aus. Manche Thermen fördern reichlich H2S
orangerot; oft wird es durch Wasserdampf zu Hämatit (Schwefelquellen) oder CO2 (Säuerlinge).
228 12 · Vulkanismus
Geysire (Geyser) sind periodisch aufsteigende heiße de seit 1904 der Heißdampf, der sich durch Aufheizung
Springquellen, die ihre Herkunft der Aufheizung des von eingesichertem Oberflächenwasser bildet, zur Erzeu-
Grundwassers verdanken. Dieses sickert entlang von Stö- gung von elektrischer Energie genutzt. Das Wasser wird
rungen in den Untergrund ein, sammelt sich in einem in porösen Karbonat-Gesteinen des Lias und der oberen
Speichergestein, z. B. einem porösen Sandstein, wo es – Trias, in permischen Sandsteinen und Konglomeraten
z. B. durch Wärmezufuhr aus einer Magmenkammer – (Verrucano) ‚ sowie in darunter liegenden präkambischen
erhitzt wird. Das heiße Wasser steigt entlang von Störun- bis frühpaläozoischen Glimmerschiefern und Gneisen
gen auf, bis es durch Druckentlastung nahe der Erdober- gespeichert. Nach oben zu werden diese Wasserreservoire
fläche seinen Siedepunkt erreicht und als Dampf-Was- durch relativ undurchlässige eozäne Flysch-Sedimente
ser-Fontäne herausgeschleudert wird. Nach dem Aus- (Argille scagliose) abgedichtet. Durch eine in der Tiefe
bruch füllt sich die Spalte mit kühlerem Grundwasser und vermutete Magmenkammer wird das Wasser auf 96–230 °C
es beginnt ein neuer Zyklus. Die Hauptgebiete liegen auf aufgeheizt und steht unter Drücken von 5–32 bar. Der
Island (nach dem dort befindlichen Großen Geysir wur- hochgespannte Heißdampf wird durch Bohrlöcher, die bis
de das Phänomen benannt), im Yellowstone-Nationalpark zu 4 km tief sind und einen seismischen Reflektor, den
(Wyoming, USA) und auf der Nordinsel Neuseelands. H-Horizont erreichen, an die Erdoberfläche gebracht und
Beim Abkühlen scheiden Thermalwässer einen Teil der auf Turbinenschaufeln geleitet, deren Material unemp-
gelösten Stoffe aus. Dabei bilden sich Mineralkrusten und findlich gegen Korrosion durch H3BO3 sein muss. Die Son-
Sinter, vorwiegend Kalk- oder Kieselsinter. Das abgeschie- den bleiben durchschnittlich 12–15 Jahre aktiv und lie-
dene CaCO3 ist mineralogisch vorwiegend Aragonit, das fern 30–300 t Dampf pro Stunde. Die derzeitige Strom-
abgeschiedene SiO2 · nH2O Opal. Ein Ausscheidungs- erzeugung in Larderello liegt bei 583 MW. Im Bereich ei-
rhythmus kommt häufig durch eine zarte Bänderung zum nes zweiten Reflektors, des K-Horizonts, sind überkriti-
Ausdruck. Die beobachtete Buntfärbung wird durch Bei- sche Fluide gespeichert (vgl. Abschn. 16.1, S. 256), die bis
mengungen von Spurenelementen hervorgerufen. Im jetzt nicht zur Energieerzeugung genutzt werden (Bertini
Yellowstone-Park bestehen die prächtigen Sinterterrassen et al. 2006). Auch andere bedeutende Kraftwerke liegen
von Mammoth Springs aus CaCO3, der Geysir Old Faithful in jungen Vulkangebieten, so The Geysers (Kalifornien)
setzt Kieselsinter ab. Die Aragonitsinter des Karlsbader mit 1 500 MW, Wairaki (Neuseeland) 200 MW und Krafla
Sprudelsteins zeichnen sich teilweise durch erbsenähn- (Island). Beim Abteufen eines Bohrloches für geothermi-
liches Ooidgefüge aus und werden deshalb als Erbsen- sche Energie hat man an der Krafla eine Magmenkammer
stein (Pisolith) bezeichnet. Durchdringen Thermalwässer angebohrt; das führte zur Förderung von Lava aus dem
blasiges vulkanisches Gestein, können die Hohlräume mit Bohrloch (Krafft 1984).
Mineralabscheidungen gefüllt werden. Am häufigsten
trifft man an: Opal, Chalcedon (besonders dessen Varie- Weiterführende Literatur
tät Achat: Abb. 9.45, 9.46, S. 160f), Quarz, Calcit oder
Kristalldrusen von Zeolithen, besonders Chabasit, Nat- Best MG (2003) Igneous and metamorphic petrology, 2 nd edn.
rolith, Stilbit oder Heulandit. Wegen ihrer äußerlich ge- Blackwell, Oxford
Best MG, Christiansen (2001) Igneous petrology. Blackwell, Malden,
schlossenen, abgerundeten Form bezeichnet man solche
Mass., USA
Füllung als Mandeln oder Geoden. In ihrem Innern bleibt De Vivo B, Lima A, Webster JD (2005) Volatiles in magmatic-volcanic
häufig noch freier Raum übrig, in dem gut ausgebildete systems. Elements 1:19–24
Kristalle wachsen können. So enthalten Achatgeoden häu- Ernst RE, Buchan KL, Campbell IH (2005) Frontiers in large igneous
fig Kristalldrusen von Amethyst (Abb. 9.45, S. 160). province research. Lithos 79:271–297
Francis P (1993) Volcanoes – a planetary perspective. Clarendon
Press, Oxford
Früher wurden besonders schön gefärbte Achatgeoden bei Idar- Houghton BF, Gonnermann HM (2008) Basaltic explosive volcanism:
Oberstein (Nahe) abgebaut und gaben Anlass zu einer bodenstän- Constraints from deposits and models. Chem Erde 68:117–140
digen Schmuck- und Edelsteinindustrie. Auswanderer aus dem Kerr AC, England RW, Wignall PB (eds) (2005) Mantle plumes:
Nahetal entdeckten die viel größeren Achat- und Amethyst-Lager- Physical processes, chemical signatures, biological effects. Lithos
stätten in Südbrasilien und Uruguay, die große wirtschaftliche Be- 79(vii–x):1–504
deutung besitzen und jetzt das Rohmaterial für die Idar-Ober- MacDonald GA (1972) Volcanoes. Prentice-Hall, Englewood Cliffs,
steiner Schleifereien liefern. New Jersey
Schmincke H-U (1986, 2000) Vulkanismus, 1. und 2. Aufl. Wissen-
Geothermische Energie schaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
Schmincke, U (2004) Volcanism. Springer, Berlin Heidelberg New
Heiße Quellen und Geysire dienten seit undenklichen York
Sigurdsson H, et al. (eds) (2000) The encyclopedia of volcanoes.
Zeiten zum Baden, Waschen und Kochen. Darüber hin- Academic Press, London
aus wurden auch gelöste Salze durch Abdampfen gewon- Wark DA, Miller CF (eds) (2008) Supervolcanoes. Elements 4:11–49
nen, z. B. die Borsäure in den Soffionen von Larderello Wolff F von (1929/1931) Der Vulkanismus. II Spezieller Teil. 1. Die
im jungen Vulkangebiet der Toskana (Italien). Hier wur- Neue Welt. 2,1. Der Atlantische Ozean. Enke, Stuttgart
Literatur 229
13.1 Bleiben Magmen im Erdinnern stecken und kristallisieren unter der Auflast mäch-
Die Tiefenfortsetzung tiger Gesteinsmassen, d. h. bei erhöhten Drücken, so bilden sich Plutonite (Tie-
von Vulkanen fengesteine). Im Gegensatz zum Vulkanismus entziehen sich die Prozesse des Plu-
tonismus der unmittelbaren Beobachtung; sie lassen sich daher nur indirekt aus
13.2 den Verbandsverhältnissen und Gefügen der Plutonite erschließen.
Formen plutonischer
und subvulkanischer
Intrusivkörper
13.3
Innerer Aufbau
und Platznahme
von Plutonen
232 13 · Plutonismus
13.1 13.1 tierte (Abb. 13.1). In seinem oberen Bereich enthielt die-
Die Tiefenfortsetzung von Vulkanen ses Magmenreservoir eine Magmenkammer mit fließ-
fähigem Rhyolith-Magma (Kristallanteil <50 Vol.-%), das
Die Tiefenfortsätze der Vulkane bezeichnet man als Sub- explosiv als Bishop-Tuff gefördert wurde. Das fließfähige
vulkane. Viele Vulkane besitzen in nicht allzu großer Tiefe Magma ging seitlich und nach unten in einen Kristallbrei
eine (oder mehrere) ihnen zugehörige Magmenkam- (>50 % Kristalle) über, während die Randbereiche bereits
mern. Aus ihnen werden die effusiv, extrusiv oder explo- vollständig zu einem granitischen Gestein auskristallisiert
siv geförderten Laven des Vulkans gespeist. Das Verhal- waren. Injektionen von heißem Basalt-Magma aus dem
ten von Magmen in Magmenreservoiren wird wesentlich Erdmantel führten zu erneuter Aufheizung und lösten
vom Mengenanteil der Kristalle (Phänokristen, Antekristen wahrscheinlich die Supereruption aus.
und Xenokristen) beeinflusst, der in Abhängigkeit von Kristallisiert das Magma im Magmenreservoir durch
Druck, Temperatur und chemischer Zusammensetzung Abkühlung aus, so bilden sich – je nach Tiefenlage – Sub-
des Magmas zwischen 0 und 100 % variieren kann. Bei vulkanite, die nicht selten gröberkörnig ausgebildet sind,
einem Kristallgehalt von < ∼50 Vol.-% ist das Magma noch etwa als doleritischer Basalt. Magmatite, die in tiefer ge-
fließ- und damit eruptionsfähig. Wir bezeichnen einen legenen Magmenkammern auskristallisiert sind, können
zusammenhängenden Bereich im Erdinnern, in dem bereits ein typisches Plutonitgefüge besitzen. In der oze-
fließfähiges Magma gespeichert ist, als Magmenkammer anischen Erdkruste (Abb. 27.7, S. 481) beobachtet man
(Bachmann und Bergantz 2008). Steigt der Kristallanteil, den Übergang von effusiv geförderten Basaltlaven zum
z. B. als Folge von Abkühlung auf 50–60 Vol.-% an, so ent- subvulkanischen Sheeted-Dike-Komplex und schließlich
steht ein Kristallbrei, in dem sich die Kristalle gegensei- zum plutonischen Gabbro. Subvulkanische Gesteine ver-
tig berühren. Es bildet sich ein festes Skelett, in dessen mitteln also nach ihrem geologischen Auftreten und ihrem
Lücken die restliche Schmelze sitzt. Ein solcher Kristall- Gefüge zwischen Vulkaniten, deren Bildung man direkt
brei kann daher weder sein Nebengestein intrudieren, beobachten kann, und Plutoniten, deren Platznahme und
noch im Zuge von vulkanischen Ereignissen ausfließen Kristallisation sich prinzipiell jeder direkten Beobachtung
oder explosiv gefördert werden; er verhält sich ähnlich entziehen. Dies ist ein wichtiges Argument dafür, dass plu-
wie ein steifer Schwamm (Marsh 1981; Hildreth 2004). tonische Gesteine in der Tat durch Kristallisation von mag-
Magmenkammer und Kristallbrei bilden zusammen das matischen Schmelzen entstanden sind. Eine scharfe Gren-
Magmenreservoir (Bachmann und Bergantz 2008). ze zwischen subvulkanischen und plutonischen Intrusi-
Magmenkammern und Magmenreservoire lassen sich onen lässt sich nicht ziehen.
selbstverständlich nicht direkt beobachten. Ihre Form Erinnert sei daran, dass es Gesteine gibt, die in Form
kann man jedoch durch geophysikalische Methoden, von Gängen, Lagergängen und Stöcken in ein oberflä-
insbesondere durch seismische Tomographie, ihren In- chennahes (hypabyssisches) Niveau intrudiert sind, ohne
halt durch die vulkanischen Förderprodukte rekonstru- dass ein Zusammenhang mit einem Vulkan nachweis-
ieren. Ein gut untersuchtes Beispiel ist das ca. 30 km breite, bar ist. In manchen Fällen lassen sich solche Ganggestei-
ca. 12 km dicke Magmenreservoir, das unter der Caldera ne wie Plutonit-Porphyre, Dolerite, Pegmatite und Aplite
des 760 000 Jahre alten Long-Valley-Supervulkans exis- von tiefer liegenden Plutonen ableiten.
Abb. 13.1.
Vereinfachtes Querprofil durch
das Magmenreservoir unterhalb
der Caldera des Long-Valley-
Supervulkans (Kalifornien).
Der Vertikalmaßstab und die
relativen Volumenanteile des
eruptionsfähigen Magmas, des
Kristallbreis, des randlichen
Granitoids und der Basalt-Injek-
tionen sind nur annäherungs-
weise bekannt. (Aus Bachmann
und Bergantz 2008)
13.2 · Formen plutonischer und subvulkanischer Intrusivkörper 233
Abb. 13.2.
Der Brandberg-Batholith in
Namibia, ein Alkaligranit-Kom-
plex von Unterkreide-Alter
(ca. 130 Ma), der während des
Aufbrechens von Gondwana in
paläozoische Karoo-Sedimente
und kretazischen Etendeka-
Vulkanite intrudiert ist. Diese
geschichteten Nebengesteine sind
an den Flanken der Intrusion
erkennbar (Foto: M. Okrusch)
234 13 · Plutonismus
40 km Durchmesser. Beispiele sind die Granite im Harz von Peridotit, Pyroxenit und Anorthosit enthalten. Ihrer
(Brocken- und Ramberg-Granit), Fichtelgebirge, Ober- Form nach handelt es sich meist um Lopolithe, d. h. um gro-
pfälzer Wald, Erzgebirge und den Sudeten sowie die Di- ße, meist konkordante Intrusionen, deren zentraler Bereich
orite und Gabbros des Odenwaldes. Einfache Plutone über dem (vermuteten) Zufuhrkanal eingesunken ist. Da-
haben im Grundriss kreisförmige, andere eine ovale Be- raus resultiert ihre konkav-konvexe, löffel- bis schüssel-
grenzung. Im letzteren Fall sind sie einem Streckungs- förmige Gestalt (Abb. 13.5, 13.6) Typisch für ihren inneren
bzw. Dehnungsakt des sich formenden Orogens ange- Aufbau ist die magmatische Schichtung (igneous layering).
passt (Längs- und Querplutone). Bei ihnen treffen wir Man spricht daher von Layered Intrusions (s. unten).
konkordante wie diskordante Kontakte zum Neben-
13.3 gestein an. Nicht selten sind kleine Plutone lediglich 13.3
kuppelförmige Aufbrüche größerer darunterliegender Innerer Aufbau und Platznahme von Plutonen
Plutone oder Batholithe.
Wie bereits oben angedeutet, besteht für die Platznahme
Größere Plutone von >100 km2 Flächenausdehnung von großen plutonischen Intrusionen grundsätzlich ein
wurden wegen ihrer unbekannten Tiefenfortsetzung Raumproblem, d. h. die Frage, wie der Platz für die rie-
auch als Batholithe bezeichnet. Es gibt allerdings Hin- senhaften Magmenvolumina geschaffen wurde, die in die
weise darauf, dass sie sich nicht bis in die „ewige Teu- Erdkruste intrudieren. Zur Lösung dieses Problems be-
fe“ fortsetzen, sondern eher eine bettdeckenartige darf es sorgfältiger Analysen der Interngefüge von Pluto-
Form haben (Abb. 13.4), ähnlich Lopolithen (s. unten). nen und der Externgefüge des intrudierten Nebengesteins.
Außerdem sind sie recht komplex zusammengesetzt Diese Studien sind – nach grundlegenden Arbeiten von
und bestehen typischerweise aus einer Folge von zeit- Hans Cloos in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts – erst
lich und stofflich verschiedenen Magmen-Intrusionen. in jüngster Zeit wieder verstärkt in Angriff genommen
worden (vgl. z. B. Hutton 1996).
Beispiele sind der orogene Sierra-Nevada-Batholith in
Kalifornien (Abb. 13.4), der sich während der Kreidezeit bei 13.3.1
der Subduktion der pazifischen unter die nordamerikani- Interngefüge von Plutonen
sche Platte gebildet hat, und der anorogene Brandberg-
Batholith in Namibia (Abb. 13.2) der, ebenfalls in der Krei- Auch im Pluton verändert die Schmelze durch Fließen
de, beim Aufbrechen Gondwanas intrudierte. ihren Ort. Dabei herrschen aufsteigende Bewegungen vor.
Die Mehrzahl der Plutone besteht petrographisch aus Die Richtung des Fließens ermittelt man aus der Rich-
leukokraten und mesokraten Plutoniten, insbesondere aus tung seiner Spuren. Fixiert wird nur der letzte Bewegungs-
Graniten und Granodioriten. Daneben gibt es aber auch sehr zustand und nur die relative Bewegung zu den benach-
prominente mafische Intrusionen, die sich überwiegend aus barten Bereichen. Für das Studium dieser Relativ-
Gabbro oder Norit aufbauen und untergeordnete Anteile bewegungen der plutonischen Schmelze ist jede Art von
Abb. 13.4.
Orthogonale Projektion des
Rattlesnake-Mountain-Plutons
(Kalifornien). (Nach MacColl
1964, aus Best 2003)
13.3 · Innerer Aufbau und Platznahme von Plutonen 235
Nach der zusammenfassenden Diskussion von Hutton Unter Diapirismus versteht man ganz allgemein den ver-
(1996) lassen sich folgende Platznahme-Mechanismen tikalen Aufstieg eines rundlichen Körpers geringerer
unterscheiden: Dichte in einem dichteren Medium, z. B. eines Salzdoms
in einer Sedimentfolge. Nach dem Stokes’schen Gesetz
Kesseleinbrüche (Cauldron Subsidences), ist die Geschwindigkeit v des Aufstiegs
Magmatic Stoping (magmatisches Aufstemmen),
gewaltsame Platznahme: Diapirismus und Ballooning,
[13.1]
Platznahme im Zusammenhang mit tektonischen
Bewegungen.
wobei ∆ρ der Dichteunterschied zwischen beiden Medi-
Kesseleinbrüche (Cauldron Subsidences) en, r der Radius des kugelförmig gedachten Körpers ge-
ringerer Dichte, g die Erdbeschleunigung und ηc die Vis-
Wenn bei Vulkanausbrüchen Magmenkammern in der kosität des Nebengesteins ist. Wie experimentelle Unter-
Tiefe geleert werden, kann es entlang der Ringspalten suchungen und Modellierungen zeigen, wird das Neben-
zum Absinken zylinderförmiger Gesteinspakete kom- gestein beim Aufstieg eines Magmenköpers duktil de-
236 13 · Plutonismus
Abb. 13.7.
Intrusionskontakt zwischen
Tonstein- und Siltstein-Schichten
der ca. 1 130 Ma alten, mesopro-
terozoischen Hogfonna-Forma-
tion (Ahlmannryggen-Gruppe)
und dem Diorit des ca. 1 110 Ma
alten Kullen-Lagerganges.
Grunehogna-Nunatak, westli-
ches Dronning-Maud-Land,
Antarktika. Man erkennt deut-
lich, wie die Sedimentschichten
durch das eindringende Diorit-
Magma aufblättern, aus ihrem
Verband heraus gelöst werden
und auf Grund ihrer höheren
Dichte nach unten wegsacken:
ein typisches Beispiel für Mag-
matic Stoping. (Foto: C. Harris)
formiert und umfließt diesen, wobei es über dem Dach externen Scherzone sich direkt in den Pluton hinein fort-
zur Plättung, an den Flanken zur vertikalen Streckung setzt, dort aber bereits vor der endgültigen Erstarrung,
und im Schwanzbereich zusätzlich zur Einschnürung der also magmatisch gebildet wurde (Hutton 1996). Darüber
Streckungsgefüge kommt. Auch im aufsteigenden Mag- hinaus sind Minerale, die sich im Kontakthof des Plutons
makörper entstehen selbstverständlich Fließgefüge. Der kontaktmetamorph gebildet haben (Abschn. 24.2.1,
diapirische Aufstieg wird gestoppt, wenn der Dichtekon- S. 386ff), ebenfalls noch deformiert. Viele Plutone sind
trast infolge Abkühlung und Kristallisation des Plutons nachweislich an Blattverschiebungen gebunden, z. B. die
verschwindet. Gut untersuchte Beispiele sind die Granit- einfachen Plutone vom Pull-Apart-Typ wie der Syenit-
plutone von Criffel und Arran (Schottland). Granit-Pluton von Meißen, seltener an extensionale Scher-
Detaillierte Untersuchungen an Plutonen, die man als zonen wie der Queternoq-Pluton (Südgrönland). 1988
Diapire interpretiert hatte, zeigen jedoch häufig umlau- konnte erstmals im Französischen Zentralmassiv nach-
fende Plättungsgefüge, ähnlich wie in der Haut eines gewiesen werden, dass Granite auch entlang von Über-
aufgeblasenen Ballons. Diese weisen darauf hin, dass sich schiebungen und steilen Aufschiebungen intrudieren kön-
der Magmenkörper nach seiner Platznahme radial in alle nen. Ein weiteres wichtiges Beispiel ist der Great Tonalite
Richtungen ausgedehnt hatte, wahrscheinlich infolge des Sill in Alaska und British Columbia, der ca. 1 000 km lang
sukzessiven Nachschubs neuer Magmen. Dieser Vorgang und ca. 20 km mächtig ist.
des Ballooning kann in vielen Fällen so stark dominie-
ren, dass Gefüge der ursprünglichen Platznahme durch 13.3.3
Diapirismus und/oder Stoping weitgehend ausgelöscht Layered Intrusions
sind. Als Beispiele seien die Granitplutone von Flaman-
ville (NW-Frankreich) und Ardara (Irland) genannt. Wie bereits oben erwähnt, stellen die großen schichtigen
Intrusionen der Erde einen besonders interessanten Son-
Platznahme im Zusammenhang mit tektonischen derfall von Plutonen dar. Darüber hinaus sind sie von
Bewegungen hohem wirtschaftlichen Interesse, weil an sie Lagerstät-
ten von Platinmetallen, Nickel, Chrom, Titan und Vana-
Es wurde schon lange angenommen, dass Plutone für ihre dium von Weltbedeutung gebunden sind. Die meisten
Platznahme tektonische Schwächezonen benutzen. Jedoch großen Layered Intrusions wurden im Zeitraum Archa-
erst seit etwa 1970 konnte durch sorgfältige Gefüge- ikum bis mittleres Proterozoikum gebildet, wie Stillwater
untersuchungen an Plutonen und ihrem Nebengestein (Montana) mit einem Alter von 2,7 Ga und einer Flächen-
nachgewiesen werden, dass die Intrusion zeitgleich mit ausdehnung von 4 400 km2, Windimurra (West-Austra-
dem tektonischen Ereignis, also syntektonisch erfolgte. So lien, ca. 2,8 Ga, 2 300 km2), Great Dike (Simbabwe; 2.5 Ga,
konnte man z. B. zeigen, dass das Deformationsgefüge der 3 300 km 2), Bushveld (Südafrika; 2,1 Ga, 66 000 km2,
Literatur 237
Abb. 19.4, S. 300) und Sudbury (Ontario, Kanada; 1,85 Ga, gen auf eine Art magmatischer „Sedimentation“, d. h. auf
1 300 km2, Abb. 19.6, S. 303). Nur wenige und meist klei- Absaigern der schweren Mafite zurück zu führen ist
nere Komplexe entstanden im jüngeren Proterozoikum oder (Abb. 15.4, 15.6, S. 251f ). Bei der Kompaktion der
im Paläozoikum, wie Muscox (Canada, ca. 1,2 Ga, 3 500 km2, mafitenreichen Lagen wird die restliche Interkumulus-
Abb. 13.5), Duluth (Minnesota, 1,1 Ga, 5 000 km2), Berk- Schmelze zunehmend herausgedrückt und wandert nach
reim-Sogndal (Norwegen, 930 Ma, 230 km2) und Fongen- oben ab; diesen Vorgang nennt man Filterpressung
Hyllingen (Norwegen; 405 Ma; 160 km2). Die berühmte (Abb. 19.2, S. 299). Umgekehrt können die leichteren Pla-
Skaergaard-Intrusion (Grönland, 100 km2) intrudierte gioklase in der Schmelze aufschwimmen und sich in
erst im Eozän vor ca. 55 Ma. Sie soll hier als Beispiel kurz höheren Zonen anreichern. In Wirklichkeit sind die Pro-
behandelt werden. zesse, die zum Layering führen, sehr viel komplexer: So
spielen z. B. Konvektionsströme, die Zufuhr neuer Mag-
Nach der grundlegenden Arbeit von Wager u. Brown (1968) bildet menschübe und spätere Rekristallisations-Erscheinun-
die Skaergaard-Intrusion einen asymmetrisch-trichterförmigen gen eine wichtige Rolle. Für ein vertieftes Studium sei
Körper, der präkambrische Gneise und tertiäre Basalte durchsetzt
auf den von Cawthorne (1996) herausgegebenen Sam-
und eine geschichtete Internstruktur aufweist (Abb. 13.6). Der
oberste Bereich, von dem die Autoren annehmen, dass es sich um melband verwiesen.
vulkanische Agglomerate gehandelt hat, ist vollkommen abgetra-
gen. Demgegenüber ist die Upper Border Group (obere Grenz- Weiterführende Literatur
gruppe) noch teilweise erhalten; sie besteht aus Gabbros und Fe-
reichen Dioriten mit einzelnen granitischen Lagen („Granophyr“). Bachmann O, Bergantz G (2008) The magma reservoirs that feed
Darunter folgt die Layered Series (lagige Serie), die sich in drei supereruptions. Elements 4:17–21
Zonen gliedert: Best MG (2003) Igneous and metamorphic petrology, 2nd edn.
Blackwell, Oxford
Obere Zone: Sie besteht aus Fe-reichem Gabbro mit Fe-reichem Best MG, Christiansen EH (2001) Igneous petrology. Blackwell,
Olivin. Malden, Mass., USA
Mittlere Zone: Sie besteht aus Gabbro ohne Olivin. Carmichaels ISE, Turner FJ, Verhoogen J (1974) Igneous petrology.
Untere Zone: Sie besteht aus Gabbro mit Mg-reichem Olivin. McGraw-Hill, New York
Cawthorne RG (ed) (1996) Layered intrusions. Elsevier, Amsterdam
Die nicht aufgeschlossene Hidden Layered Series macht schät- Hildreth W (2004) Volcanological perspectives on Long Valley,
zungsweise 70 % des gesamten Plutons aus und besteht wahrschein- Mammoth Mountain, and Mono Craters: Several contiguous, but
lich ebenfalls aus mafischen, aber auch aus ultramafischen discrete systems. J Volcan Geotherm Res 136:169–198
Plutoniten. Typisch für die Layered Series ist ein ausgeprägter Marsh BD (1981) On the crystallinity, probability of occurrence, and
rhythmischer Lagenbau (rhythmic layering). Die einzelnen Lagen, rheology of lava and magma. Contrib Mineral Petrol 78:85–98
5–40 cm dick, stellen meist gradierte Einheiten dar, in denen die Wager LR, Brown GM (1968) Layered igneous rocks. Oliver & Boyd,
Gehalte an Mafiten, insbesondere Augit und Olivin, zurücktretend Edinburgh-London
Fe-Ti-Oxide, von oben nach unten zunehmen, der Plagioklas-An-
teil dagegen abnimmt. Dazu kommt noch ein cryptic layering, d. h.
Zitierte Literatur
der An-Gehalt der Plagioklase, der Fo-Gehalt der Olivine und der
Mg-Gehalt der Augite nehmen vom höchsten bis zum tiefsten Ni-
Hutton DHW (1996) The „space problem“ in the emplacemet of
veau der Layered Series kontinuierlich zu. In der Marginal Border
granite. Episodes 19:114–119
Group liegen abgeschreckte magmatische Schmelzen vor, die
MacColl RSJ (1964) Geochemical and structural studies in batholothic
vielleicht Hinweise auf ursprüngliche Stamm-Magma liefern könn-
rocks of Southern California: Part 1, structural geology of Rattle-
ten (Abschn. 15.2, S. 249ff).
snake Mountain Pluton. Geol Soc America Bull 75:805–822
Smith CH, Kapp HE (1963) The Muscox Intrusion, a recently discov-
Charakteristisch für Layered Intrusions sind Kumu- ered layered intrusion in the Coppermine River area, Northwest
latgefüge, die darauf hinweisen, dass die Bildung der La- Territories, Canada, Min Soc America Spec Paper 1:30–35
14
Magma und Lava
14.1 Wie wir gesehen haben, werden bei Vulkanausbrüchen glutheiße Gesteins-
Chemische schmelzen aus dem Erdinnern gefördert, die unter stürmischer Entgasung aus-
Zusammensetzung fließen oder explosiv herausgeschleudert werden. Man muss daraus schließen,
und Struktur dass im Erdinnern glutheiße Schmelzen existieren, in denen leichtflüchtige
magmatischer (volatile) Komponenten gelöst sind. Die meisten Laven, die an die Erdoberfläche
Schmelzen gefördert werden, enthalten bereits Kristalle, die in einer Magmenkammer oder
beim Aufstieg gewachsen sind; sie bilden Einsprenglinge in vulkanischen Ge-
14.2 steinen. Als Magma bezeichnet man dementsprechend glutheiße Gesteins-
Vulkanische Gase schmelzen des Erdinnern, die neben leichtflüchtigen Bestandteilen meist auch Kris-
talle enthalten können. Es muss daran erinnert werden, dass „Magma“ ein theore-
14.3 tischer Begriff ist; denn niemand hat ein Magma je gesehen! Wir beobachten
Magmatische lediglich die vielfältigen Entgasungsprozesse von Lava an der Erdoberfläche, die
Temperaturen ein wesentliches Merkmal des Vulkanismus sind (Abb. 14.1) und bei explosiver
Entbindung der Gase oft eine verheerende Rolle spielen. Solche Prozesse bele-
14.4 gen eindringlich, dass die Menge an leichtflüchtigen Komponenten, die im Mag-
Viskosität ma gelöst sind, groß sein muss. Aber auch die ruhiger verlaufende Entgasung
von Magmen z. B. von ausfließenden Lavaströmen beeindruckt durch die enormen Mengen
und Laven geförderter Gase. Weitere Schlüsse über das Magma der Tiefe werden aus seinen
Kristallisationsprodukten, den Vulkaniten und Plutoniten, gezogen.
14.5
Löslichkeit von Abb. 14.1.
leichtflüchtigen Vulkanische Dampftätig-
keit am Hauptkrater des
Komponenten Ätna. (Foto: M. Okrusch)
im Magma
240 14 · Magma und Lava
14.3 14.3
Magmatische Temperaturen
14.3.1
Direkte Messungen
Tabelle 14.1. Farbe und Temperatur von Schmelzen Solche Versuche wurden von französischen Forschern
bereits im 19. Jahrhundert durchgeführt, wobei aller-
dings der ursprünglich vorhandene Gehalt an leicht-
flüchtigen Komponenten, insbesondere H2O, nicht be-
rücksichtigt werden konnte. Erst mit der Einführung von
Hochdruck-Autoklaven können Aufschmelz- und Kristal-
lisations-Experimente bei hohen Temperaturen und Drü-
cken durchgeführt werden, bei denen die Schmelzen
jeweils an H2O gesättigt sind, d. h. der Wasserdampfdruck
ist gleich dem Gesamtdruck: PH2O = Ptot. Mit solchen
Hydrothermal-Experimenten kann man die Liquidus- und
242 14 · Magma und Lava
14.4 14.4
Viskosität von Magmen und Laven
Der Viskositätsmodul η wird definiert als die Kraft, die not- band. Er beeinflusst ebenso die Sonderung von frühaus-
wendig ist, um in einer Flüssigkeitsschicht von 1 cm2 Fläche geschiedenen Kristallen im Magma, die im Allgemeinen
und 1 cm Dicke die obere gegen die untere Schichtfläche mit
von der Dichte der umgebenden Schmelze abweichen.
einer Geschwindigkeit von 1 cm s–1 in Parallelbewegung zu hal-
ten. Anders ausgedrückt: η ist die Scherspannung (gemessen So stiegen die in der Vesuvlava zuerst abgeschiedenen
in Pa) bezogen auf die Verformungsrate (gemessen in s–1): Kristalle von Leucit wegen ihrer geringeren Dichte auf
1 Poise = 0,1 Pa s. und reicherten sich an ihrer Oberfläche schwimmend an.
In vielen Basaltlaven sinken andererseits die spezifisch
Bei Newtonschen Flüssigkeiten sind Scherspannung schwereren Olivin- und Pyroxenkristalle zu Boden und
und Verformungsrate proportional, bei ihnen genügt bilden dort einen Bodensatz, sie akkumulieren, wie das
schon eine unendlich kleine Scherspannung, um sie zum insbesondere in mächtigen Lagergängen oder in Layered
Fließen zu bringen. In der Natur zeigen nur ganz niedrig- Intrusions beobachtet werden kann. Alle diese Vorgänge
viskose Laven ohne Gasblasen und Kristalle Newton- werden bei großer Viskosität gehemmt.
sches Verhalten. Bei den meisten Laven muss dagegen Dabei drängt sich die Frage auf, wie sich die Viskosi-
eine endliche Schubkraft aufgewendet werden, bevor sie tät von Magmen mit den erhöhten Drücken des Erdin-
zu fließen beginnen (Fließgrenze, engl. yield strength); sie nern ändert. Zur Klärung dieser Frage bieten sich Expe-
werden Binghamsche Flüssigkeiten genannt. rimente mit der Kugelfallmethode an. Bei erhöhten Drü-
cken und Temperaturen werden Pulver von Mineralen
Viskositätsmessungen können in der Natur an Lava- oder Gesteinen, auf denen eine Metallkugel (z. B. aus Pt)
strömen und an Lavaseen oder im Laboratorium an liegt, künstlich geschmolzen; in dieser Schmelze sinkt die
künstlichen Silikatschmelzen vorgenommen werden. Kugel ab und der Fallweg, den sie in einer bestimmten
Dabei wurde gezeigt, dass die Viskosität der SiO2-reiche- Zeit zurücklegt, ist ein Maß für die Viskosität. Auf diesem
ren Schmelzen um mehrere Größenordnungen höher ist Wege kam Kushiro (1976) zu dem zunächst überraschen-
als bei SiO2-ärmeren, z. B. den basaltischen (Abb. 14.5). den Ergebnis, dass bei einem Druckanstieg von 1 bar auf
Laven mit höherer Viskosität besitzen eine größere 25 kbar – bei einer konstanten Temperatur von 1 350 °C
Neigung zu glasiger (hyaliner) Erstarrung, weil das Dif- – der Viskositätsmodul einer trockenen Jadeitschmelze
fusionsvermögen der chemischen Elemente und der Kris- etwa um eine Zehnerpotenz abnimmt, d. h. die Schmel-
tallisationsvorgang in einer solchen Schmelze stark ge- ze wird immer beweglicher. Weitere Experimente zeig-
hemmt sind. Das sind die SiO2-reicheren Laven von Rhy- ten, dass dieses Ergebnis auch für andere Silikatschmelzen
olith- oder Trachytzusammensetzung, die zu Obsidian von Rhyolith- bis Basaltzusammensetzung gilt, und zwar
oder Pechstein erstarren können (s. S. 203, 206f). für solche, die Si-reich sind und/oder ein (Na + K) / Al-Ver-
Darüber hinaus ist der Viskositätsgrad einer natürli- hältnis nahe 1 haben. Bei ihnen ist der Anteil der Brücken-
chen Schmelze entscheidend für den Aufstieg und ihr sauerstoffe in O-Si-O-Bindungen (BO) größer als der an
Intrusionsvermögen in einen gegebenen Gesteinsver- Nichtbrückensauerstoffen (NBO): BO / (BO + NBO) > 0,5.
Offenbar findet in diesen Schmelzen bei isothermer
Druckerhöhung zunehmend ein Übergang Al[4] → Al[6]
statt, so dass der Anteil an Netzwerkbildern kleiner wird.
Ist dagegen BO / (BO + NBO) < 0,5, so nimmt die Vis-
kosität mit steigendem Druck zu, weil die Struktur dich-
ter gepackt wird und die Bindungskräfte zunehmen
(Scarfe et al. 1987). Von großem Einfluss auf die Viskosi-
tät von Silikatschmelzen ist darüber hinaus der Gehalt
an leichtflüchtigen Komponenten, insbesondere H2O bzw.
(OH) und F.
14.5 14.5
Löslichkeit von leichtflüchtigen Komponenten
im Magma
15.1 Es ist schon lange bekannt, dass die zahlreichen Typen von magmatischen Ge-
Magmatische Serien steinen nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Vielmehr bestehen zwischen den
Vulkaniten oder Plutoniten, die in einer bestimmten Region (Magmatische Pro-
15.2 vinz) gefördert wurden, zeitliche und räumliche Zusammenhänge. Die unter-
Bildung von schiedlichen Gesteinsarten einer magmatischen Provinz sind häufig durch Über-
Stamm-Magmen gänge miteinander verknüpft; in ihrer chemischen und mineralogischen Zusam-
mensetzung zeigen sie charakteristische Variationen oder sie weisen gewisse
15.3 Grundgemeinsamkeiten, z. B. generell hohe K-Gehalte, auf. Man kann daher die
Magmenmischung einzelnen Gesteinstypen nicht auf eine ebenso große Zahl selbständig gebilde-
ter primärer Stamm-Magmen zurückführen. Vielmehr bilden sie Glieder von mag-
15.4 matischen Serien, die sich mit sinkender Temperatur durch unterschiedliche geo-
Magmatische logische Prozesse aus einem Stamm-Magma entwickelt haben. Die Trennung ei-
Differentiation nes gegebenen Stamm-Magmas in verschiedene, stofflich unterschiedliche, meist
aber durch gewisse Übergänge miteinander verbundene Teilmagmen wird als
15.5 magmatische Differentiation bezeichnet. Darüber hinaus können sich Magmen
Assimilation durch Magmenmischung oder durch Assimilation von Nebengestein in ihrer ur-
sprünglichen Zusammensetzung verändern.
248 15 · Bildung und Weiterentwicklung von Magmen
Abb. 15.1. Harker-Diagramm für die kalkalkalische Vulkanit-Serie Abb. 15.3. AFM-Dreieck mit tholeiitischem und kalkalkalinem
des Crater Lake, Kaskaden-Provinz, Oregon, mit der typischen Trend. Erläuterung im Text. B tholeiitischer bzw. kalkalkaliner Ba-
Entwicklung Basalt (B) → Andesit (A) → Dacit (D) → Rhyolith (R). salt, FB Ferrobasalt, BA basaltischer Andesit, A Andesit, D Dacit,
(Nach Williams 1942, mod. aus Carmichael et al. 1974) R Rhyolith. (Aus Wilson 1989)
15.2 · Bildung von Stamm-Magmen 249
sammensetzung, bei der Kalkalkaliserie größer. Diese Mantelmaterial wird durch eine Kombination folgender
Unterschiede in der Magmenentwicklung kommen im Prozesse ermöglicht:
AFM-Dreieck (Abb. 15.3) durch unterschiedliche Trends
zum Ausdruck. Zudem besteht von vornherein ein Druckentlastung in aufsteigenden Mantelbereichen,
deutlicher Unterschied im Al-Gehalt zwischen den sog. Plumes, die Teile von Konvektionszellen bilden,
basischen tholeiitischen Gliedern und den entsprechen- führt zur Erniedrigung der Solidustemperatur.
den Gliedern der Kalkalkaliserie mit ihren High- Durch solche großräumigen, aufwärts gerichteten
Alumina-Basalten. Konvektionsströmungen kommt es zugleich zur
Im Folgenden wollen wir die geologischen Prozesse Wärmezufuhr und damit zur Temperaturerhöhung
kennen lernen, die als Ursachen für magmatische Ent- im umgebenden Erdmantel. Demgegenüber dürfte
wicklungen in Frage kommen. die radioaktive Wärmeproduktion im Erdmantel eine
geringere Rolle spielen, da in Peridotiten chemische
15.2 Elemente mit radioaktiven Isotopen (238U, 235U, 232Th, 15.2
40
Bildung von Stamm-Magmen K) in wesentlich geringeren Konzentrationen vor-
kommen als in Gesteinen der Erdkruste.
Primäre Stamm-Magmen entstehen durch teilweises Durch lokale Anreicherung leichtflüchtiger Kom-
Aufschmelzen (partielle Anatexis) von festem Gesteins- ponenten, wie H2O, F oder CO2 wird die Solidus-
material des oberen Erdmantels und der unteren Erd- temperatur herabgesetzt.
kruste. Für das Verständnis dieser Prozesse sind Kennt-
nisse über den Aufbau und die Zusammensetzung des
Erdinnern erforderlich. Diese werden in der ausführli- 15.2.2
chen Darstellung in Kap. 27 (S. 477ff) vermittelt. Granitische Magmen
Bei allen diesen Vorgängen muss jedoch berücksich- Entstehung von Layered Intrusions und den damit ver-
tigt werden, dass – im Gegensatz zum Archaikum – die knüpften Erzlagerstätten dürfte Magmenmischung eine
Temperaturen in der kontinentalen Unterkruste norma- wichtige Rolle spielen.
lerweise nicht ausreichen, um Gesteine zum partiellen Laborversuche haben gezeigt, dass die Mischbarkeit von
Schmelzen zu bringen. Sie erreichen maximal 610 °C in silikatischen Schmelzen insbesondere von ihrer Viskosität
junger Kruste und 370 °C in der Kruste alter, stabiler und Fließgeschwindigkeit abhängt. Größere Viskositäten
Kontinente (Chapman 1986), auch wenn man radioakti- oder Viskositätsunterschiede behindern die Mischbarkeit.
ve Wärmeproduktion durch den Zerfall von Radionuk- So ist zu erwarten, dass sich SiO2-reiche Magmen untereinan-
liden berücksichtigt (Abschn. 31.5.3, S. 569f ). Wahr- der oder mit basaltischen Magmen nur unvollständig mi-
scheinlich liefern große mafische Intrusionen, die aus schen. Das Ergebnis sind z.B. Plutonite mit schlierigem Ge-
dem Erdmantel stammen, die externe Wärmezufuhr, die füge. Auch die Entstehung des Rapakivi-Gefüges (vgl. Ab-
für ein partielles Aufschmelzen der Unterkruste notwen- schn. 11.2.1, S. 198, Abb. 11.4) führt man auf die Mischung
dig ist. Dieser Vorgang wird als Magmatic Underplating von zwei Magmen unterschiedlicher Zusammensetzung und
bezeichnet. Temperatur zurück. Dabei wird das neue, heißere Magma
Für den Aufstieg von Granit-Magmen in der Erdkruste abgeschreckt, und es kommt zur orientierten Aufwachsung
ist der Aufschmelzgrad von besonderer Bedeutung. Ist von Oligoklas auf Kalifeldspat; beim Anti-Rapakivi-Gefü-
dieser gering, so kann sich die Schmelze von ihrem Mut- ge ist die Kristallisationsabfolge umgekehrt (Hibbard 1981).
tergestein trennen und in weitgehend flüssigem Zustand
15.4 aufsteigen. Bei höheren Aufschmelzgraden entstehen 15.4
zunächst Migmatite (s. Abschn. 24.5, S. 415ff ) und Magmatische Differentiation
schließlich Granitmagmen, die aus Schmelze und kris-
tallinen Restmineralen bestehen. Der rheologisch kriti- Dieser Begriff umfasst alle Vorgänge, bei denen aus ei-
sche Schmelzanteil, bei dem die Festigkeit eines Gesteins nem homogenen Stamm-Magma mehrere Fraktionen
so weit erniedrigt ist, dass es sich als Magma verhält, liegt entstehen, die schließlich zu Magmatiten unterschied-
im Bereich von etwa 25–40 % (z. B. Arzi 1978) licher Zusammensetzung kristallisieren. Der weitaus
wichtigste Prozess ist die Kristallisations-Differentia-
15.3 tion, deren experimentelle Grundlagen in Kap. 16 be-
Magmenmischung handelt werden. Es gilt das Bowen’sche Reaktions-
prinzip, das weiter unten erläutert wird (s. Abschn. 16.3,
Bereits 1851 hatte Robert Bunsen vorgeschlagen, die mag- S. 273ff). Daneben spielen in einzelnen Fällen die
matische Entwicklungsreihe vom Basalt zum Rhyolith auf liquide Entmischung von Magmen eine Rolle. Auch
Island durch die Mischung eines basaltischen und eines chemische Gradienten in einer Magmenkammer und
rhyolithischen Stamm-Magmas zu erklären. Larsen et al. Gastransport, d. h. der Transport von chemischen Kom-
(1938) beschrieben Andesite und Dacite in der San-Juan- ponenten, die in aufsteigenden Gasblasen gelöst sind,
Vulkan-Provinz (Colorado), die in einer homogenen Grund- wurden als mögliche Ursachen für die magmatische
masse Plagioklas-Einsprenglinge mit sehr unterschiedli- Differentiation diskutiert, aber kaum näher untersucht.
cher Zusammensetzung und Art des Zonarbaus enthal-
ten. Diese Beobachtung führte zu der Annahme, dass zwei
Magmen mit unterschiedlichen Einsprenglings-Plagio- 15.4.1
klasen in einer Magmenkammer vermischt wurden, ehe Kristallisations-Differentiation
es zur endgültigen magmatischen Förderung kam.
Eine verbreitete Ursache für eine magmatische Diffe-
Dem Prozess der Magmenmischung als Modell für rentiation ist die fraktionierte Kristallisation, d. h. die
die Entstehung komagmatischer Schmelzen wird sukzessive Abtrennung von auskristallisierten Mine-
eine zunehmend bedeutsame Rolle zugeschrieben. ralen aus einem Magma. Da dieser Vorgang im Wesent-
lichen eine Wirkung der Schwerkraft ist, bezeichnet man
So lassen sich z. B. viele der geochemischen und pe- ihn auch als eine gravitative Differentiation. Am häufigs-
trographischen Merkmale von Basalten mittelozeani- ten ist das Absinken (Absaigern) früh ausgeschiedener
scher Rücken (MORB) dadurch erklären, dass sich bereits Kristalle von größerer Dichte im Magma, so dass eine
differenziertes basaltisches Magma in den Magmenkam- spezifisch leichtere, stofflich veränderte Restschmelze
mern unter den mittelozeanischen Rücken mit unverän- übrig bleibt.
derter primärer Mantel-Schmelze, die aus der Tiefe pe- Wendet man das Stoke’sche Gesetz
riodisch aufsteigt, vermischt. Es ist zu erwarten, dass
derartige basische Magmen eine weitgehend vollständi- [15.1]
ge Mischbarkeit untereinander aufweisen. Auch bei der
15.4 · Magmatische Differentiation 251
Abb. 15.4. Schema für die Bildung magmatischer Schichtung durch gravitative Kristallisationsdifferentiation in einem Lagergang von
400–600 m Mächtigkeit (Centre-Hill-Komplex, Kanada). a Aus einem Basalt-Magma scheiden sich Olivin (Ol, ) und Klinopyroxen (Cpx, )
aus, die unterschiedlich schnell nach unten absaigern; es bildet sich ein Olivinkumulat (Peridotit, PD); am Hangend-Kontakt des Lager-
gangs kristallisiert eine feste, feinkörnige Kruste aus Randgabbro (marginal gabbro, MG), darunter befindet sich ein Kristallbrei, der reich
an Cpx und Plagioklas (/) ist. b Beim Absinken wird ein Teil des Ol in Orthopyroxen (Opx, graue Kreise) umgewandelt (Abb. 16.15, 16.16,
S. 270f), der absinkt; es ensteht ein Opx-Cpx-Kumulat (CP); Plagioklas steigt auf und reichert sich im oberen Kristallbrei an. c Ein neuer
Magmenschub intrudiert und vermischt sich mit der Restschmelze, wobei der obere Kristallbrei teilweise abgerieben wird. In der stagnie-
renden, an Fe und Si angereicherten Interkumulus-Schmelze kristallisieren fingerförmige Kristalle von Fayalith (schwarz), die sich stets
vom Hangend-Kontakt weg verzweigen (branching textured gabbro: BTG); darunter entsteht eine Gabbro-Zone mit aggregiertem Plagio-
klas (clotted textured gabbro CTG). d In gleicher Weise bilden sich weitere Zyklen, so dass im Liegenden Ol- und Opx-Cpx-Kumulate
(PD und CP) und im Hangenden BTG und CTG miteinander abwechseln. Zuletzt kristallisiert die restliche Schmelze zu einem Leuko-
Gabbro (LG). (Nach Thèriault u. Fowler 1996, mit freundlicher Genehmigung des Verlages Elsevier)
Abb. 15.6.
Magmatische Schichtung im
Bushveld-Komplex. Ein gewöhn-
licher Norit wird überlagert von
einer Lage aus Plagioklas-rei-
chem, sehr grobkörnigem Norit
mit bis zu Zentimeter-großen
Orthopyroxen-Kristallen (hell-
braune Flecken). (Foto Reiner
Klemd)
für diesen Typ der gravitativen Differentiation war das tiation vermisst. Als alternative Erklärung kann man mit
Schlotmagma des Vesuvs. Hier stiegen früh ausgeschie- Marsh (2006) das Modell der Erstarrungsfronten (solidi-
dene Leucitkristalle von geringerer Dichte als schwim- fication fronts) heranziehen. Danach schreitet die Kris-
mender Kristallbrei in der etwas dichteren Restschmelze tallisation eines Magmas von den Rändern der
auf. Auch die großen Anorthosit-Massive der Erde wer- Magmenkammer nach innen hin fort, wobei sich die Rest-
den heute als Flotationskumulate von riesigen Mengen schmelze in Richtung auf SiO2- und H2O-reichere Zusam-
basaltischer Schmelzen interpretiert. Da der Kristallisa- mensetzungen entwickeln kann.
tionszeitraum eines Magmas bei langsamer Abkühlung Ein interessantes Fallbeispiel ist der Lavasee Makaopuhi
recht groß ist, kann ein derartiger gravitativer Sonde- auf Hawaii (Wright und Okamura 1977). Dieser entstand
rungsprozess zwischen Kristallkumulat und Rest- 1965 durch Einströmen eines Basalt-Magmas, in dem zahl-
schmelze sich mehrfach wiederholen, wenn die Kristalle reiche große Olivinkristalle suspendiert waren. Innerhalb
immer wieder von der Restschmelze getrennt werden von Tagen und Wochen bildeten sich an der Oberfläche
oder die Zufuhr frischer Magmenschübe den Vorgang und am Boden des Sees Erstarrungskrusten, die als Er-
erneut anstößt (Abb. 15.4). starrungsfronten langsam nach innen wanderten. Konti-
Kumulatgefüge treten vorwiegend innerhalb von ba- nuierlich durchgeführte Bohrungen durch den erstarren-
saltischen Lagergängen oder in Layered Intrusions auf den Lavasee zeigten, dass die Olivin-Kristalle teils in der
(s. Abschn. 13.3.3, S. 236f). Die größte von ihnen ist der oberen Erstarrungskruste eingeschlossen, größtenteils
Bushveld-Komplex, ein Lopolith mit Ausmaßen von aber abgesaigert waren und ein dickes Kumulat am Boden
450 × 350 km, einem Oberflächenanschnitt von 66 000 km2 des Sees bildeten. Der Rest der Lava kristallisierte dagegen
und einer Dicke von 9 km. Er zeigt einen vielfältigen zu einem homogenen, undifferenzierten Basalt. Ein SiO2-
Lagenwechsel aus Peridotit, Pyroxenit, Gabbro, Norit und reiches Differentiationsprodukt hatte sich in diesem Fall
Anorthosit (Abb. 15.6). Im tieferen Teil des Körpers tre- nicht gebildet.
ten 15 Bänder aus Chromit mit Mächtigkeiten bis zu 1 m In höher differenzierten, SiO 2-reicheren Magmen
auf (Abb. 19.5, S. 301), darüber 25 Bänder aus Magnetit. wird die Viskosität so hoch und damit die Sink- oder
Im oberen Teil des ausgedehnten Körpers befinden sich Steiggeschwindigkeit von früh ausgeschiedenen Kris-
verschiedene leukokrate Differentiate bis hin zur Granit- tallen so gering, dass eine Kristallisationsdifferentiation
Zusammensetzung. auf konventionellem Weg nicht mehr möglich ist. Von
Nach Gleichung [15.1] können Kristalle in der Schmel- Sparks et al. (1984) und Baker u. McBirney (1985) wurde
ze nur dann effektiv absaigern oder aufschwimmen, wenn daher das Modell einer konvektiven Fraktionierung ent-
sie eine bestimmte Mindestgröße erreicht haben, wobei wickelt. Danach kristallisieren an den Seitenwänden ei-
es sich in vielen Fällen um Antekristen handeln dürfte. ner Magmenkammer Minerale aus, wodurch eine hoch-
Das Fehlen solcher Kristalle ist wohl die Ursache dafür, differenzierte Schmelze entsteht, die wegen ihrer gerin-
dass man in vielen Lagergängen, aber auch in großen Lak- gen Dichte an den Innenwänden konvektiv nach oben
kolithen jegliche Hinweise auf eine gravitative Differen- steigt.
15.5 · Assimilation 253
Liquidustemperatur unter der des intrudierenden Mag- Baker BH, McBirney AR (1985) Liquid fractionation. Part III:
mas liegt. Es gilt die Umkehrung des Bowen’schen Geochemistry of zoned magmas and the compositional effects
of liquid fractionation. J Volcanol Geotherm Res 24:55–81
Reaktionsprinzips (Abschn. 16.3, S. 273ff). Sehr wider-
Chapman DS (1986) Thermal gradients in the continental crust. In
standsfähig gegen Assimilation sind monomineralische Dawson JB, Carswell DA, Hall J, Wedepohl KH (eds) The nature of
Gesteine wie Quarzit. the lower continental crust. Geol Soc Spec Publ 24:23–34, London
Trotz dieser Einschränkungen werden für die chemi- Eaton JP, Murata KT (1960) How volcanoes grow. Science 132:925–938
schen Charakteristika von magmatischen Serien häufig Hibbard MJ (1981) The magma mixing origin of mantled feldspar.
Contrib Mineral Petrol 76:158–170
Assimilationsvorgänge in Kombination mit fraktionierter
Larsen ES, Irving J, Gonjer FA, Larsen ES 3rd (1938) Petrologic results
Kristallisation verantwortlich gemacht. Solche AFC- of a study of the minerals from the Tertiary volcanic rocks of the
Prozesse (AFC = Assimilation + Fractional Crystallisation) San Juan region, Colorado. 7. The plagioclase feldspars. Am Mi-
lassen sich oft gar nicht petrographisch nachweisen, son- neral 23:227–257
dern nur indirekt aus der Geochemie erschließen. So kön- Le Bas MH (1977) Carbonate-nephelinite volcanism: An African
nen z. B. Rb-Sr- und Sm-Nd-Isotopenanalysen darauf hin- case history. Wiley, New York
Lee WJ, Wyllie PJ (1997) Liquid immiscibility between nephelinite
weisen, dass eine basaltische Schmelze aus dem Erdmantel and carbonatite from 1.0 to 2.5 Gpa compared with mantle melt
eine „krustale Komponente“ aufgenommen hat, was nur compositions. Contrib Mineral Petrol 127:1–16
durch Assimilation von Krustengesteinen möglich ist. Ein Macdonald GA, Katsura T (1964) Chemical composition of Hawaiian
klassisches und gut untersuchtes Beispiel für die Wirksam- lavas. J Petrol 5:82–133
keit von AFC-Prozessen auf die Magmenentwicklung ist der Macdonald R, Kjarsgaard BA, Skilling IP, Davies GR, Hamilton DL,
Black S (1993) Liquid immiscibility between trachyte and
Somma-Vesuv-Vulkankomplex. Die Ergebnisse von geoche-
carbonate in ash flow tuffs from Kenya. Contrib Mineral Petrol
mischen und isotopengeochemischen Analysen von Piochi 114:276–287
et al. (2006) machen wahrscheinlich, dass die Assimilation Murata KJ, Richter DH (1966) The settling of olivine in Kilauea mag-
von Karbonatgesteinen eine wichtige Rolle bei der Bildung ma as shown by lavas of the 1959 eruption. Am J Sci 264:34–57
der stark unterkieselten, kalireichen Magmen gespielt hat, Pearce JA, Harris NBW, Tindle AG (1984) Trace element discrimi-
nation diagrams for the tectonic interpretation of granitic rocks.
wie das bereits von Rittmann (1933) vermutet worden war.
J Petrol 25:956–983
Philpotts AR (1967) Origin of certain iron-titanium oxide and
Weiterführende Literatur apatite rocks. Econ Geol 62:303–315
Piochi M, Ayuso R, De Vivo B, Somma R. (2006) Crustal contamination
Best MG (1982, 2003) Igneous and metamorphic petrology, 1st, 2nd and crystal entrapment during polybaric magma evolution at Mt.
edn. Freeman, San Francisco Somma-Vesuvius volcano, Italy: Geochemical and Sr isotope
Best MG, Christiansen EH (2001) Igneous petrology. Blackwell, evidence. Lithos 86:303–329
Malden, Mass., USA Rittmann A (1933) Die geologisch bedingte Evolution und Differen-
Carmichael ISE, Turner FJ, Verhoogen J (1974) Igneous petrology. tiation des Somma-Vesuvmagmas. Z Vulkanol 15:8–94
McGraw-Hill, New York Sparks RSJ, Huppert HE, Turner JS (1984) The fluid dynamics of
Johannes W, Holtz F (1996) Petrogenesis and experimental petro- evolving magma chambers. Phil Trans R Soc London A310:
logy of granitic rocks. Springer, Berlin Heidelberg New York 511–534
Marsh BD (2006) Dynamics of magmatic systems. Elements 2: Thèriault RD, Fowler AD (1996) Gravity driven and in situ fractional
287–292 crystallization processes in the Centre Hill complex, Atibiti
Mitchell RH (2005) Carbonatites and Carbonatites and Carbonatites. Subprovince, Canada: Evidence from bilaterally-paired cyclic
Canad Mineral 43:2049–2068 units. Lithos 39:41–55
Pirajno F (2004) Hotspots and mantle plumes: global intraplate Wedepohl KH (1991) Chemical composition and fractionation of
tectonics, magmatism and ore deposits. Mineral Petrol 82:193–216 the continental crust. Geol Rundsch 80:207–223
Wilson M (1989) Igneous petrogenesis. Harper Collius, London Wright TL, Okamura RT (1977) Cooling and crystallization of
tholeiitic basalt, 1965 Makaopuhi lava lake, Hawaii. US Geol
Zitierte Literatur Survey Prof Paper 1004:1–78
Zieg MJ, Marsh BD (2005) The Sudbury Igneous complex: Viscous
Arzi AA (1978) Critical phenomena in the rheology of partially emulsion differentiation of a superheated impact melt sheet. GSA
molten rocks. Tectonophysics 44:173–184 Bull 117:1427–1450
16
Experimentelle Modellsysteme
16.1 Zum Verständnis der Regeln, die bei der Kristallisation von Mineralen (Mineral-
Die Gibbs’sche paragenesen und Gesteinen) aus Silikatschmelzen herrschen, haben experimen-
Phasenregel telle Untersuchungen unschätzbare Beiträge geliefert. Solche Experimente wur-
den seit Beginn des 20. Jahrhunderts im Geophysical Laboratory der Carnegie
16.2 Institution in Washington, D.C. (USA), später auch an anderen Instituten durchge-
Experimente führt, und zwar zunächst an sehr einfachen Silikatsystemen unter trockenen Be-
in Zweistoff- und dingungen und bei 1 bar Druck. Später erfolgten solche Untersuchungen an zu-
Dreistoffsystemen nehmend komplizierteren Systemen oder natürlichen Gesteinen (s. Abschn. 14.3.2,
S. 241f ) und bei viel höheren Drücken unter Anwesenheit leichtflüchtiger Kom-
16.3 ponenten, besonders H2O. Damit konnten auch die komplexeren, (OH)-haltigen
Das Reaktionsprinzip gesteinsbildenden Minerale erfasst und dadurch die experimentellen Bedingun-
von Bowen gen den natürlichen Verhältnissen schrittweise angenähert werden. Selbstver-
ständlich sind die experimentell gewonnenen petrologischen Modelle im Ein-
16.4 zelfall nur mit kritischen Einschränkungen anwendbar, wobei wir grundsätzlich
Das Basalt-Tetraeder von zwischen zwei Grenzfällen unterscheiden müssen, der Gleichgewichtskristalli-
Yoder und Tilley (1962) sation und der fraktionierten Kristallisation. Die Kristallisation eines Magmas in
der Natur ist ein sehr komplexer Prozess, der noch dazu in viel größeren zeitli-
16.5 chen und räumlichen Dimensionen abläuft als im Experiment. Trotzdem konn-
Gleichgewichtsschmelzen ten durch die experimentelle Petrologie Erkenntnisse von prinzipieller Bedeu-
und fraktioniertes tung für das Verständnis der Bildung und Differentiation von Magmen gewon-
Schmelzen nen werden.
256 16 · Experimentelle Modellsysteme
16.1 16.1
Die Gibbs’sche Phasenregel
Wir definieren als Phasen (Ph) eines heterogenen Abb. 16.1. Einstoff-System H2O (s. Text)
Mehrstoffsystems alle Teile dieses Systems, die sich
physikalisch unterscheiden lassen, z. B. unter dem C = 1. Es treten insgesamt drei Phasen auf, nämlich Eis I,
Mikroskop, dem Elektronenmikroskop, durch Rönt- flüssiges Wasser und Wasserdampf. Diese stehen am
genbeugung, durch ihre Dichte und ihre magneti- Punkt I, einem sog. Tripelpunkt, miteinander im Gleich-
schen Eigenschaften. Phasen können sein: unter- gewicht, d. h. es gilt Ph = 3. Somit ist die Zahl der Frei-
schiedliche Kristallarten, Schmelze oder auch meh- heitsgrade F = 1 – 3 + 2 = 0: man kann also weder P
rere, nicht miteinander mischbare Schmelzen sowie noch T verändern, ohne das Gleichgewicht des Systems,
ein fluide oder eine Gasphase. d. h. die Koexistenz von Eis I, Wasser und Wasserdampf
aufzuheben: Der Tripelpunkt I ist ein invarianter Punkt.
Als Komponenten (C) eines Systems bezeichnen wir An der Schmelzkurve A–I koexistieren Eis I und flüssi-
die geringste Zahl der unabhängigen chemischen ges Wasser; es gilt F = 1 – 2 + 2 = 1. Das bedeutet, die Zahl
Bestandteile, die notwendig sind, um die am System der Freiheitsgrade ist gleich 1; es kann entweder P oder T
beteiligten Phasen aufzubauen. frei verändert werden, ohne das Gleichgewicht, nämlich die
Koexistenz von Eis I und Wasser, zu verändern. Man kann
Die Zahl der Komponenten ist in den meisten Fällen entweder P oder T frei wählen, während jeweils der andere
nicht gleich der Zahl der vorhandenen chemischen Ele- Parameter dadurch festgelegt ist: Kurve I–A ist eine uni-
mente, sondern meist kleiner als diese, weil die Element- variante Gleichgewichtskurve. Die gleiche Aussage gilt für
verhältnisse häufig durch die Stöchiometrie festgelegt die Sublimationskurve I–B und die Siedekurve I–C, an de-
werden, z. B. SiO2 anstelle von Si und O oder NaAlSi3O8 nen Wasserdampf mit Eis I bzw. mit Wasser koexistiert. Die
anstelle von Na2O, Al2O3 und SiO2 bzw. Na, Al, Si, O. Eine Siedekurve endet am kritischen Punkt C bei PC = 218 bar
wichtige Ausnahme sind Mehrstoffsysteme mit ged. Me- und TC = 371 °C, an dem Wasser und Wasserdampf aufhö-
tallen, z. B. den Platinmetallen; denn die Metall-Legie- ren, eigene Phasen zu sein, und bei dem Wasserdampf nicht
rungen sind nicht stöchiometrisch zusammengesetzt. mehr durch Druckerhöhung verflüssigt werden kann; man
spricht jetzt von einer fluiden Phase.
Die Freiheitsgrade (F) eines Systems sind gegeben Ausgehend vom Stabilitätsfeld von Eis I kreuzt man
durch die Zahl der Zustandsvariablen, die den Zu- bei isobarer Temperaturerhöhung (z. B. bei Atmosphä-
stand eines Systems verändern können. Hier sind in rendruck PA = 1 bar) nacheinander bei Tm die Schmelz-
erster Linie Druck (P), Temperatur (T) und Konzen- kurve und bei Tb die Siedekurve und kommt so in die
trationsvariable (X) zu nennen, während elektrische, Stabilitätsfelder von Wasser und Wasserdampf. In die-
magnetische, Kapillar- oder Gravitationskräfte so- sen 3 Feldern ist jeweils nur 1 Phase stabil; es gilt somit
wie die Oberflächenspannung im Allgemeinen au- F = 1 – 1 + 2 = 2, d. h. man kann jetzt P und T frei wäh-
ßer Acht gelassen werden. len ohne das System zu verändern, es sei denn man stößt
an eine univariante Gleichgewichtskurve. Die Stabilitäts-
Es gilt die von William Gibbs (1874) entwickelte Pha- felder dieser drei Phasen sind also divariant.
senregel In diesem Zusammenhang sei auf das anomale Verhalten von Was-
ser hingewiesen: Beim H2O hat die Schmelzkurve A-I eine negative
F = C – Ph + 2 [16.1] Steigung, d. h. mit Druckerhöhung erniedrigt sich die Schmelz-
temperatur, wie man beim Schlittschuh- oder Skilaufen praktisch
ausprobieren kann. Bei gleichen P-T-Bedingungen hat Eis I eine ge-
die wir anhand eines P-T-Diagramms für das Einstoff-
ringere Dichte als flüssiges Wasser, so dass Eisberge auf dem Wasser
System H2O erläutern wollen (Abb. 16.1). Hier ist die Zahl schwimmen können. Wasser dehnt sich beim Gefrieren aus; es
der unabhängigen Komponenten, in diesem Fall H2O, kommt zur Frostsprengung (Abschn. 21.1).
16.2 · Experimente in Zweistoff- und Dreistoffsystemen 257
16.2 Bei einem Druck von P = 1 bar ist der Schmelzpunkt 16.2
Experimente in Zweistoff- und Dreistoffsystemen von Diopsid 1 391 °C, der von Anorthit 1 553 °C. Durch
Zumischung der jeweils anderen Komponente werden die
Wie wir am Beispiel der SiO2-Minerale (Abb. 9.43, S. 157) Schmelz- bzw. Kristallisationspunkte erniedrigt, und
gezeigt haben, lassen sich in einem Einkomponenten- zwar bei kleinen Beimengungen proportional zu den
System die Stabilitätsfelder der einzelnen Phasen, die uni- zugesetzten Molen (Raoult-Van t’Hoff ’sches Gesetz). Es
varianten Gleichgewichtskurven und die invarianten entstehen zwei leicht gekrümmte Liquiduskurven, die
Punkte in einem P-T-Diagramm darstellen. In einem sich bei einer niedrigst schmelzenden Zusammensetzung
Zweikomponenten-System (Zweistoffsystem) ist das mit einem Mengenverhältnis von 58 Gew.-% Di und 42
nicht mehr möglich, weil jetzt drei Veränderliche vorlie- Gew.-% An treffen, dem eutektischen Punkt E bei 1 274 °C
gen, nämlich Druck, Temperatur und die Konzentrati- (grch. ευ = gut, τηκτóς = geschmolzen). An ihm koexis-
on X der beiden Komponenten: Es kommt also noch eine tieren Kristalle von Diopsid und Anorthit mit einer
Konzentrationsvariable hinzu. Eine Darstellung wäre Schmelze eutektischer Zusammensetzung: Es handelt sich
daher nur in einem räumlichen Diagramm möglich, es sei um einen isobar invarianten Punkt.
denn, man hält eine Veränderliche, z.B. den Druck kon- Demgegenüber treten an den beiden Liquiduskurven
stant: Man erhält ein isobares T-X-Diagramm. Die Kennt- Anorthit oder Diopsid jeweils im Gleichgewicht mit
nis einfacher binärer Silikatsysteme ist eine wichtige Vor- Schmelzen unterschiedlicher Zusammensetzung auf; die
aussetzung, um komplexere Drei- oder Mehrkomponen- Liquiduskurven sind also univariant, d. h. man kann –
ten-Systeme zu verstehen, in denen man z. B. das Kristal- bei konstantem Druck – entweder nur die Temperatur
lisationsverhalten von Basalt-Magmen modellieren kann. oder nur die Zusammensetzung der Schmelze variieren,
ohne das Gleichgewicht des Systems zu stören. Das Ein-
phasenfeld der Schmelze oberhalb der beiden Liquidus-
16.2.1 kurven ist divariant. Unterhalb der waagerechten Sol-
Experimente zur Kristallisationsabfolge iduskurve koexistieren Kristalle von reinem Diopsid und
basaltischer Magmen reinem Anorthit miteinander.
Aus dem Diagramm lässt sich entnehmen, dass die
Zweistoffsystem Diopsid–Anorthit Ausscheidungsfolge der beiden Kristallarten nicht von
der Höhe ihrer Schmelzpunkte abhängt, sondern ganz
Das System Diopsid–Anorthit, das von Bowen (1915, 1928) wesentlich von der Ausgangszusammensetzung der
experimentell bearbeitet wurde, kann in erster Annähe- Schmelze, d. h. von derem normativen Di/An-Verhältnis.
rung bereits als Modell für die Kristallisation basaltischer Kühlen wir eine Schmelze mit der Ausgangszusammen-
Magmen aufgefasst werden. Es handelt sich um ein ein- setzung X (= Di85An15) ab, so erreichen wir bei einer Tem-
faches eutektisches System, d. h. die beiden Komponen- peratur von ca. 1 350 °C (Punkt X1) die Liquiduskurve
ten Di (CaMgSi2O6) und An (CaAl2Si2O8) bilden weder und Diopsid kristallisiert. Bei weiterer Temperatur-
Mischkristalle noch Verbindungen miteinander (Abb. 16.2). erniedrigung längs X1E scheidet sich nun Diopsid im
Gleichgewicht mit der Schmelze aus, wobei seine Menge
kontinuierlich zunimmt. Das führt zu einer relativen
Anreicherung der An-Komponente in der Schmelze. So-
bald bei TE = 1 274 °C der eutektische Punkt E erreicht ist,
kristallisieren bei konstanter Temperatur Diopsid und
Anorthit im Mengenverhältnis 58 : 42 gleichzeitig aus, bis
die Schmelze aufgebraucht ist. Der Gesamtmodalbestand
dieses basaltischen Gesteins entspricht selbstverständlich
der Ausgangszusammensetzung der Schmelze Di85An15.
Das einfache Zweistoffsystem Di-An hilft uns also zu ver-
stehen, wie ein Basalt mit Einsprenglingen von Klinopy-
roxen in einer kristallinen Grundmasse aus Klinopyro-
xen und Plagioklas entstanden sein kann.
Wählen wir eine 2. Ausgangszusammensetzung der
Schmelze Y (Di40An60), so kristallisiert bei Temperatur-
erniedrigung auf ca. 1 380 °C (Y1) zuerst reiner Anorthit
im Gleichgewicht mit der Schmelze aus. Durch konti-
Abb. 16.2. Das binäre eutektische System Diopsid (CaMgSi2O6)–
nuierliche Zunahme von Anorthit entlang Y1E wird das
Anorthit (CaAl2Si2O8) bei P = 1 bar (nach Bowen 1915, 1928) und Di/An-Verhältnis der Schmelze immer größer, bis bei
das System Di–An–H2O bei PH2O = 10 kbar (nach Yoder 1965) 1 274 °C der eutektische Punkt E erreicht ist und jetzt
258 16 · Experimentelle Modellsysteme
Diopsid- und Anorthit gemeinsam kristallisieren. Auf zugeführt; sie ist daher ebenfalls positiv. Daraus ergibt sich,
diese Weise lässt sich die Bildung eines Basalts mit Ein- dass dT / dP stets ein positives Vorzeichen haben muss: die
sprenglingen von Plagioklas in einer kristallinen Grund- Schmelztemperatur nimmt mit dem Druck zu.
masse aus Klinopyroxen und Plagioklas im eutektischen
Durch diesen experimentellen Befund lässt sich das Auftreten von
Mengenverhältnis erkären.
zwei unterschiedlichen Einsprenglingsgenerationen, wie sie oft in
Vulkaniten beobachtet werden, erklären (Abb. 16.3): Eine Schmel-
Wir halten fest: Es scheidet sich zuerst diejenige ze z. B. der Zusammensetzung Di55An45 kühlt sich in einer Mag-
Kristallart aus, die in der Schmelze als Komponente menkammer unter hohem Druck ab (1 → 2), wodurch sich Ein-
im Überschuss relativ zur eutektischen Zusammen- sprenglinge von Diopsid ausscheiden (Punkt 2). Bei raschem Auf-
stieg in eine oberflächennahe Magmenkammer sinkt der Druck,
setzung vorhanden ist.
während die Temperatur sich zunächst kaum erniedrigt. Dadurch
wird entlang der Linie 2 → 2' die Liquidusfläche durchstoßen; die
Bei Erhöhung des Gesamtdrucks im wasserfreien ausgeschiedenen Diopsid-Kristalle stehen jetzt im Ungleichgewicht
System steigen die Schmelztemperaturen von Diopsid mit der Schmelze und werden teilweise resorbiert. Punkt 2' befin-
um ca. 12 °C/ kbar (Boettcher et al. 1982), die von Anor- det sich rechts vom Eutektium, d. h. bei weiterer Abkühlung auf 3'
thit dagegen nur um ca. 2 °C/ kbar an (Goldsmith 1980); scheiden sich nunmehr Einsprenglinge von Anorthit aus. Auch ein
vollständig kristallines Gestein kann bei Druckentlastung, z. B.
auch die eutektische Temperatur erhöht sich entspre- entlang der Linie 3 → 3' wieder aufschmelzen.
chend und die Lage des Eutektikums verschiebt sich et-
was in Richtung der An-Komponente, wie das aus dem Anders liegen die Verhältnisse bei erhöhtem Wasser-
Blockdiagramm (Abb. 16.3) zu entnehmen ist. Es gilt die dampfdruck im System Diopsid–Anorthit–H2O. Im Ge-
Clausius-Clapeyron’sche Gleichung für die Schmelz- gensatz zum wasserfreien System kann jetzt bei der Kris-
punkterhöhung mit dem Druck: tallisation der Schmelze zusätzlich eine Gasphase mit
einem Molvolumen Vg auftreten. In diesem Falle wäre
Vl < (Vs + Vg) und die Clausius-Clapeyron’sche Glei-
[16.2a]
chung erhielte folgende Form:
Dabei ist:
[16.2b]
Vs = Molvolumen der festen Phase
Vl = Molvolumen der Schmelze
LP = molare Schmelzwärme (bei konstantem Hier werden der Zähler und somit auch dT / dP nega-
Druck) tiv: Mit Erhöhung des Wasserdampfdrucks erniedrigen
Lp / T = ∆S = Entropiedifferenz des Schmelzvor- sich daher die Schmelzpunkte von Diopsid und Anor-
gangs thit und die eutektische Temperatur. Bei PH2O = 5 kbar
ist TE ca. 1 100 °C, bei 10 kbar ca. 1 020 °C (Abb. 16.2). Da
Mit Ausnahme von Wasser (s. oben) gilt stets Vl > Vs, was der Schmelzpunkt von Anorthit viel stärker sinkt als der
bedeutet, dass der Zähler in der Gleichung positiv ist. Die von Diopsid, verschiebt sich das Eutektium stark nach
Schmelzwärme wird verbraucht, d. h. sie wird dem System der Anorthit-Seite hin (Yoder 1965).
Zweistoffsystem Albit–Anorthit
Abb. 16.5.
Plagioklas-Einsprengling (längs-
ter Durchmesser ca. 2 mm) mit
alternierendem Zonarbau in der
Dacit-Lava von 1915, Lassen
Peak, Kalifornien. +Nic. (Mikro-
foto M. Okrusch)
Dreistoffsystem Diopsid–Anorthit–Albit
kristallisieren Diopsid und Plagioklas-Mischkristall ge- die fraktionierte Kristallisation mehr Möglichkeiten als
meinsam aus der Schmelze. Da jetzt drei Phasen mitein- in Zweistoffsystemen.
ander im Gleichgewicht stehen, handelt es sich um eine
univariante Kurve. Kushiro (1973) analysierte die Zusammensetzung koexistierender
Schmelzen und Plagioklas-Mischkristalle, die er im Dreistoffsystem
Invariante Punkte existieren im Dreistoffsystem Di–An–Ab nur in Di–An–Ab experimentell hergestellt hatte, mit der Elektronenstrahl-
den flankierenden Zweistoffsystemen Di–An und Di–Ab: Es sind Mikrosonde. Daraus resultiert eine Plagioklas-„Zigarre“, die von der
die beiden eutektischen Punkte E1 und E2. Invariante Punkte kön- im reinen System Ab–An abweicht (Abb. 16.8b). Die „Soliduskurve“
nen in Dreistoffsystemen z. B. dann auftreten, wenn alle 3 Rand- in Abb. 16.8b – genauer: die Projektion der Solidusfläche auf die Ab-
systeme eutektisch sind. Dann entstehen 3 kotektische Linien, die An-T-Ebene – ergibt sich direkt aus diesen experimentellen Bestim-
sich in einem ternären Eutektikum ET treffen (s. Abb. 16.22, S. 277). mungen (+); die „Liquiduskurve“ stellt eine Projektion der kotekti-
An diesem Punkt koexistieren 3 kristalline Phasen mit einer schen Linie auf die An-Ab-T-Ebene dar. Somit lässt sich das An/Ab-
Schmelze definierter Zusammensetzung. Es folgt: F = 3 – 4 + 2 = 1; Verhältnis einer Schmelze, die mit einem bestimmten Plagioklas-
wird der Druck konstant gehalten, bleibt kein Freiheitsgrad Mischkristall (z. B. C') koexistiert, an der Liquiduskurve in Abb. 16.8b
mehr übrig. ablesen. Zieht man nun in Abb. 16.8a von dem entsprechenden
Punkt (LC) auf der Ab-An-Seite eine Gerade zur Di-Ecke, so schnei-
det diese Gerade die kotektische Linie E1–E2 in einem Punkt. Dieser
Um den Kristallisationsverlauf im Dreistoffsystem
gibt die ternäre Schmelzzusammensetzung C an, die mit dem
Di–An–Ab besser darstellen zu können, projizieren wir Plagioklas C' im Gleichgewicht steht. Anmerkung: Die von Kushiro
die beiden Liquidusflächen und die kotektische Linie auf (1973) ermittelten Temperaturen in Abb. 16.8b weichen etwas von
die Konzentrationsebene Ab–An–Di, wobei die Tempe- den Isothermen in Abb. 16.7 (nach Bowen 1915, 1928) ab.
raturen in Form von Isothermen dargestellt werden
(Abb. 16.6, 16.7). Man liest sie wie die Höhenlinien einer In einem ersten Beispiel gehen wir von einer Schmelz-
topographischen Karte; ihr Verlauf entspricht in unse- Zusammensetzung X aus (Abb. 16.7), deren Chemismus
rem Fall einem Tal zwischen zwei Bergen. Die in Abb. 16.7 50 % Ab50An50 und 50 % Di entspricht. Sie liegt also in-
eingezeichneten Konoden A–A', B–B', C–C' und D–D' nerhalb des Ausscheidungsfeldes von Diopsid. Kühlt man
verbinden Schmelz-Zusammensetzungen auf der kotek- eine solche Schmelze ab, so wird bei ca. 1 275 °C die
tischen Kurve mit den Plagioklas-Mischkristallen, mit Liquidusfläche erreicht und Diopsid beginnt zu kristal-
denen diese Schmelzen im Gleichgewicht stehen. Wich- lisieren. Bei weiterer Abkühlung ändert sich unter fort-
tig ist, dass jede Schmelze gegebener Zusammensetzung dauernder Ausscheidung von Diopsid die Zusammen-
auf der Liquidusfläche von Plagioklas einen einzigarti- setzung der Schmelze auf der Liquidusfläche entlang des
gen Kristallisationsverlauf hat. Dadurch ergeben sich für gestrichelt eingezeichneten geraden Kristallisationspfa-
Abb. 16.7.
Dreistoffsystem Diopsid–Albit–
Anorthit bei P = 1 bar. Projektion
der Liquidusfläche auf die Kon-
zentrationsebene. Die kotektische
Linie E1–E2 ist durch gekenn-
zeichnet. Eingetragen ist die
Kristallisationsbahn (farbig)
einer Schmelze der Zusammen-
setzung X mit darstellendem
Punkt im Diopsidfeld sowie die
Konoden zwischen Schmelz-
zusammensetzungen auf der
kotektischen Linie und koexis-
tierenden Plagioklas-Misch-
kristallen. (Nach Bowen 1928
und Kushiro 1973)
262 16 · Experimentelle Modellsysteme
Das Dreistoffsystem Diopsid–Anorthit–Albit erklärt 70 % SiO2 ab, so wird bei ca. 1 230 °C die Liquiduskurve er-
das Auftreten von Klinopyroxen- oder Plagioklas- reicht und es kristallisiert Tridymit. Bei weiterer Abkühlung
Einsprenglingen in einer feinkörnigen Grundmasse scheidet sich immer mehr Tridymit aus, bis bei 1 060 °C das
aus Klinopyroxen + Plagioklas in vielen Basalten Eutektikum E1 erreicht ist, an dem es zu gemeinsamer Kris-
zumindest qualitativ. Dabei sind allerdings die Ein- tallisation von Albit und Tridymit kommt. Es entsteht also
sprenglinge in einer tief liegenden Magmenkammer, ein „Alkalirhyolith“ mit Einsprenglingen von Tridymit; bei
d. h. bei erhöhtem Druck, gewachsen, während die weiterer Abkühlung kommt es theoretisch zur Umwand-
Grundmasse an oder nahe der Erdoberfläche aus der lung Tridymit → Hochquarz → Tiefquarz, doch kann we-
rasch abgekühlten Schmelze kristallisiert ist. Auch gen der trägen Reaktionskinetik Tridymit auch metastabil
das Vorkommen von mehreren Einsprenglingsgene- erhalten bleiben.
rationen lässt sich durch Variation des Drucks er- Befinden wir uns zwischen dem flachen Albit-Maxi-
klären, wie auf S. 258 gezeigt wurde. Einsprenglings- mum und dem Eutektikum E1, so hat die Schmelze eine
freie Basalte haben entweder eine Zusammensetzung alkalitrachytische Zusammensetzung, z. B. U mit 55 % SiO2.
entsprechend der kotektischen Linie oder sind bei Beim Abkühlen dieser Schmelze wird bei ca. 1 080 °C, d. h.
ihrer Förderung rasch abgekühlt. nur wenig unterhalb des Schmelzpunktes von Albit die
Anhand des Di-An-Ab-Systems könnte man auch Liquiduskurve erreicht, wo sich nun Albit ausscheidet. Mit
das ophitische Gefüge erklären, das für viele gröber weiterer Abkühlung nimmt seine Menge geringfügig zu;
körnige, doleritische Basalte typisch ist (Abb. 16.9): Es denn schon bei 1 060 °C wird das Euktikum E1 erreicht,
besteht aus einem sperrigen Gerüst von Plagioklas, der wo Albit und Tridymit gemeinsam kristallisieren. Es liegt
sich entlang der Liquidusfläche Ab–An–E1–E2 aus- jetzt ein „Alkalitrachyt“ mit Albit-Einsprenglingen vor.
geschieden hat; bei Erreichen der kotektischen Linie Eine analoge Kristallisationsabfolge mit Erstauscheidung
wird das Plagioklas-Gerüst von großen, xenomorphen von Albit-Einsprenglingen beobachten wir, wenn die
Klinopyroxenen überwachsen. Schmelzzusammensetzung zwischen Albit und dem Eu-
16.2.2
Experimente zur Bildung SiO2-übersättigter
und SiO2-untersättigter Magmen
Zweistoffsystem Nephelin–SiO2
Abb. 16.10.
Zweistoffsystem Nephelin NaAlSiO4–
SiO2 mit der stöchiometrischen Ver-
bindung Albit Na[AlSi3O8]. Erläute-
rung im Text. (Nach Greig u. Barth 1938)
tektikum E2 liegt, also die Zusammensetzung eines Ne- Eutektikum E2 erreicht wird, wo Nephelin (mit ca. 15 %
phelin-führenden Albittrachyts hat, z. B. V mit 40 % SiO2. SiO2-Überschuss) und Albit gemeinsam kristallisieren.
Das entstehende „Gestein“ ist ein Phonolith mit Ein-
Es ist bemerkenswert, dass Magmen, die knapp sprenglingen von Nephelin.
rechts oder links vom Albit-Maximum liegen, also
in ihrer Zusammensetzung sehr ähnlich sind, in ganz Zweistoffsystem Leucit–SiO2
unterschiedliche Richtung differenzieren müssen.
Wenn Albit aus einer leicht SiO 2 -übersättigten Analog zum System Nephelin–SiO2 existiert auch in die-
Schmelze gravitativ fraktioniert, führt das zu stär- sem System, das von Schairer u. Bowen (1947, 1955) ex-
kerem SiO2-Überschuss bis maximal E1; erfolgt da- perimentell bearbeitet wurde, eine stöchiometrische Ver-
gegen die Fraktionierung aus einer leicht SiO2-unter- bindung zwischen den Komponenten KAlSi2O6 (Lct) und
sättigten Schmelze, führt das zu stärkerem SiO2-Un- SiO2, nämlich Kalifeldspat K[AlSi3O8]. Man würde daher
terschuss bis minimal E2. Das flache Albit-Maximum wieder ein Maximum mit den beiden Teilsystemen Leu-
wirkt also als thermische Barriere für die Bildung cit–Kalifeldspat und Kalifeldspat–SiO2 erwarten. Das ist
SiO2-über- oder -untersättigter Magmenserien. jedoch nicht der Fall. Legt man einen reinen Albitkristall
in ein Platinschiffchen und erhitzt ihn im Muffelofen auf
>1 118 °C, so schmilzt er zu einer Albit-Schmelze glei-
Das gilt allerdings nicht mehr für sehr hohe Drücke (z. B. 16 kbar
bei 600 °C, 27 kbar bei 1 200 °C), weil dann Albit zu Jadeit cher Zusammensetzung. Führt man diesen Versuch je-
NaAl[Si2O6] + Quarz SiO2 zerfällt (Abb. 24.1, S. 382). Darüber hin- doch mit einem reinen Kalifeldspat-Kristall aus, so
aus treten auf der Nephelin-Seite zwei Komplikationen auf: 1. Ne- kommt es bei Erhitzen auf >1 150 °C zur Kristallisation
phelin kann bis zu 15 % zusätzliche SiO2-Komponente aufnehmen. von Leucit im Gleichgewicht mit einer SiO2-reicheren
2. Reiner Nephelin wandelt sich bei 1 254 °C in seine Hochtempera-
Schmelze: Kalifeldspat schmilzt inkongruent, Albit da-
tur-Modifikation Carnegieit um; bei SiO2-Sättigung des Nephelin
liegt diese Umwandlungstemperatur bei 1 280 °C. Da es sich in beiden gegen kongruent. Als Ergebnis wird das Maximum, das
Fällen um Mischkristalle handelt, erfolgt die Umwandlung über ei- wir beim Kalifeldspat erwartet hatten, durch das Feld
nen Temperatur-Bereich, in dem Si-reicherer Nephelin mit etwas Si- Leucit + Schmelze abgeschnitten: man spricht von einem
ärmerem Carnegieit koexistiert (die kleine „Zigarre“ in Abb. 16.10). verdeckten Maximum (Abb. 16.11).
Da Carnegieit nicht als Mineral in der Natur vorkommt, ist sein Auf- Kühlt man bei P = 1 bar eine Schmelze V mit 15 %
treten im System Nephelin–SiO2 nur von theoretischem Interesse.
SiO2 ab, so wird bei etwa 1 600 °C die Liquiduskurve er-
Kühlen wir eine Schmelze der Zusammensetzung Y reicht und es kristallisiert Leucit. Dieser scheidet sich bei
mit 25 % SiO2 ab, so wird bei etwa 1 200 °C die Liquidus- weiterer Abkühlung entlang der Liquiduskurve aus, wo-
kurve erreicht und es kristallisiert Nephelin mit etwa bei die Schmelze immer SiO2-reicher wird. Beim Reakti-
10 % SiO2-Überschuss. Bei weiterer Abkühlung scheidet onspunkt P = 1 150 °C liegt die Zusammensetzung der
sich immer mehr Nephelin aus, der durch Reaktion mit Schmelze schon weit jenseits der Kalifeldspat-Zusam-
der Schmelze SiO 2-reicher wird, bis bei 1 068 °C das mensetzung. Jetzt kommt es zur peritektischen Reaktion
16.2 · Experimente in Zweistoff- und Dreistoffsystemen 265
Abb. 16.11.
Zweistoffsystem Leucit KAlSi2O6–
SiO2 mit der stöchiometri-
schen Verbindung Kalifeldspat
K[AlSi3O8] (nach Schairer u.
Bowen 1947). Rechts: Erklär-
ung der Hebelregel. Erläute-
rung im Text. (Nach Schairer
u. Bowen 1947)
(grch. πέρι = um herum, τηκτóς = geschmolzen), d. h. bei P entsprechend der peritektischen Reaktion in Kali-
Leucit reagiert mit der SiO2-übersättigten Schmelze un- feldspat umwandelt. Jetzt bleibt aber noch Schmelze üb-
ter Bildung von Kalifeldspat (Or). rig, aus der sich bei sinkender Temperatur Kalifeldspat
ausscheidet, bis bei 990 °C der eutektische Punkt erreicht
Die Zusammensetzung der Schmelze ergibt sich nach der Hebel- ist. Hier kristallisieren Kalifeldspat und Tridymit gemein-
regel Kraft × Kraftarm = Last × Lastarm aus dem reziproken Ab-
stands-Verhältnis Or–P : P–SiO2 zu 74 Gew.-% Or und 26 Gew.-
sam im eutektischen Mengenverhältnis von 58,5 : 41,5
% SiO2 (Abb. 16.11). Um daraus das Molverhältnis von Or und SiO2 (Gew.-%). Das entstehende „Gestein“, ein Alkalifeldspat-
in der Schmelze zu berechnen, teilen wir die Gewichtsprozente der Rhyolith enthält Kalifeldspat-Einsprenglinge in einer
beiden Komponenten durch ihre jeweiligen Molekulargewichte. Das Grundmasse aus Kalifeldspat + Tridymit. In SiO2-reiche-
ergibt für Or 74 : 278,34 = 0,27, für SiO2 26 : 60,085 = 0,43. Ganzzahlig ren Schmelzzusammensetzungen, z. B. Y mit 50 % SiO2
gemacht errechnet sich also für Schmelze P folgendes Molverhältnis
kommt das inkongruente Schmelzen von Kalifeldspat nicht
Or : SiO2 = 3 : 5. Dieses gilt für einen Druck von 1 bar; mit Druck-
erhöhung würde es sich verändern. mehr zum Tragen. Jetzt scheidet sich sofort Kalifeldspat aus,
zu dem am eutektischen Punkt Tridymit hinzutritt. Die
Am peritektischen Punkt (Reaktionspunkt) P läuft die Kristallisation der Schmelze Z mit 70 % SiO2 erfolgt ganz
Reaktion analog zum System Nephelin–SiO2 (Abb. 16.10, Schmelze X).
5K[AlSi2O6] + 3KAlSi3O8 · 5SiO2 = 8K[AlSi3O8] Das inkongruente Schmelzen von Kalifeldspat ist
Leucit + Schmelze = Kalifeldspat petrogenetisch sehr wichtig. Bei gravitativer Frakti-
(16.1) onierung von Leucit aus den Schmelzen V, W oder X
oder bei unvollständiger Umwandlung Leucit → Kali-
bei konstanter Temperatur so lange ab, bis alle Schmelze feldspat verschiebt sich die Zusammensetzung in
der Zusammensetzung 3Or + 5SiO2 verbraucht ist. P ist Richtung SiO2, also auf das Eutektikum zu. Daher
also ein isobar-isotherm invarianter Punkt. Da die Aus- können sich SiO2-untersättigte, Leucit-normative
gangsschmelze V zwischen der Leucit- und der Kalifeld- Schmelzen, wie z. B. V, zu SiO2-übersättigten Schmel-
spat-Zusammensetzung liegt, bleibt nach Ablauf der Re- zen entwickeln (aber nicht umgekehrt!), was im
aktion noch Leucit übrig; damit ist die gesamte Schmelze System Nephelin–SiO2 unmöglich ist. Während das
zu einem Gemenge aus Leucit und Kalifeldspat kristalli- offene Maximum in diesem System eine thermische
siert, entsprechend einem Leucitphonolith. Kühlt man eine Barriere darstellt, ist das bei einem verdeckten Ma-
Schmelze W ab, die genau die Kalifeldspat-Zusammen- ximum nicht der Fall.
setzung hat, so wird bei ca. 1 530 °C die Liquiduskurve er-
reicht und es scheidet sich wiederum Leucit aus, bis beim Im wasserfreien System bleibt das inkongruente Schmelzen von
peritektischen Punkt P die obige Reaktion einsetzt. Jetzt Kalifeldspat erhalten, bis bei ca. 19 kbar und 1 445 °C der Tripel-
wird – Gleichgewichtseinstellung voraus gesetzt – aller punkt Kalifeldspat-Leucit-Schmelze erreicht ist und das Leucitfeld
Leucit in Kalifeldspat umgewandelt, wobei die gesamte im P-T-Diagramm verschwindet (Lindsley 1966). Demgegenüber
konnte schon Goranson (1938) zeigen, dass im System Leucit–SiO2–
Schmelze verbraucht wird. Das entstehende „Gestein“
H2O Kalifeldspat schon ab PH2O = 2,6 kbar kongruent schmilzt,
entspricht einem Alkalifeldspat-Trachyt. Auch aus der demnach also als thermische Barriere wirkt. Dieses Beispiel zeigt
Schmelze X, die mit 30 % SiO2 bereits SiO2-übersättigt ist, wieder eindrucksvoll, welche wichtige Rolle das Wasser für die
kristallisiert bei ca. 1 430 °C zunächst Leucit aus, der sich magmatische Entwicklung spielt.
266 16 · Experimentelle Modellsysteme
Abb. 16.12.
Das (pseudo-)binäre System
Albit NaAlSi3O8–Kalifeldspat
KAlSi3O8 mit Mischkristall-Bil-
dung und Mischungslücke bei
Drücken von P = 1 bar, PH2O
= 2 kbar und PH2O = 5 kbar.
L = Schmelze, V = H2O-Dampf
(vapour). Erläuterungen im Text.
(Bowen u. Tuttle 1950; Morse 1970)
Zweistoffsystem Albit–Kalifeldspat Die Kurven, die dieses Feld begrenzen, sind univariant; denn man
kann entweder die Temperatur oder die Zusammensetzung von
Schmelze oder von Alkalifeldspat frei wählen. Nach der Phasen-
Bekanntlich zeigen die Alkalifeldspäte bei hohen Tempera-
regel F = C – Ph + 2 = 2 – 3 + 2 = 1 bleibt jedoch kein Freiheitsgrad
turen eine lückenlose Mischkristallbildung zwischen den mehr übrig, wenn man den Druck konstant hält. Deshalb ist das
Endgliedern Albit Na[AlSi3O8] (Ab) und Kalifeldspat System bei P = 1 und PH2O < 2,6 bar kein echtes Zweistoffsystem,
K[AlSi3O8] (Or), während es bei Abkühlung zur Entmi- sondern stellt einen pseudobinären Schnitt durch das Dreistoff-
schung von Albit in Kalifeldspat (Perthit) bzw. von Kalifeld- system Ne–Lct–SiO2 dar.
spat in Albit (Antiperthit) kommt (Abb. 9.50, 9.51, S. 167).
Wir lernen hier einen neuen Typ von Zweistoffsystem Bei PH2O = 2 kbar sind entsprechend der Clausius-
kennen, der durch ein Schmelzminimum und eine Clapeyron’schen Gleichung
Mischungslücke (Solvus) gekennzeichnet ist. Experimen-
telle Untersuchungen im System Ab–Or bei P = 1 bar und
[16.2b]
Ab–Or–H2O bei unterschiedlichen H2O-Drücken (Bowen
und Tuttle 1950; Morse 1970) haben gezeigt, dass sich mit
steigendem H2O-Druck das Feld der lückenlosen Misch- die Liquidus- und Soliduskurven und das Schmelz-
kristallreihe der Alkalifeldspäte (Akfss) immer mehr ver- minimum zu erheblich niedrigeren Temperaturen hin
kleinert und schließlich ganz verschwindet (Abb. 16.12). verschoben. Das Feld der primären Leucit-Ausscheidung
Wie wir gesehen haben, schmilzt Albit durchweg kon- ist fast ganz verschwunden; dadurch werden die Verhält-
gruent, d. h. er geht bei einer vom Druck abhängigen Tem- nisse sehr viel einfacher (Abb. 16.12b). Kühlen wir unter
peratur in eine gleich zusammengesetzte Schmelze über Gleichgewichtsbedingungen eine Ausgangsschmelze X
(Abb. 16.10). Demgegenüber schmilzt Kalifeldspat bei der Zusammensetzung Or80Ab20 ab, so wird bei ca. 940 °C
H2O-Drücken unterhalb 2,6 kbar inkongruent zu Leucit die Liquiduskurve erreicht und es scheidet sich nahezu
und einer gegenüber der Kalifeldspat-Zusammensetzung reiner Or aus. Bei weiterer Abkühlung reagiert dieser
SiO2-reicheren Schmelze (Abb. 16.11). Diese Tatsache Akfss mit der Schmelze; beide werden Ab-reicher, bis
kommt natürlich auch im System Ab-Or zum Tragen. So Orss bei ca. 830 °C die Zusammensetzung der Ausgangs-
existiert bei P = 1 bar ein ausgedehntes Feld zwischen schmelze, also Or80Ab20 erreicht und der letzte Schmelz-
Or100Ab0 und Or50Ab50 (jeweils Gew.-%), in dem Leucit tropfen die Zusammensetzung Or45Ab55 hat. Bei weiterer
(Lct) die Liquidusphase bildet. Erst im Bereich zwischen Abkühlung im Subsolidus-Bereich bleibt der Akf-Misch-
Or50Ab50 und dem Schmelzminimum bei Or36Ab64 und kristall Or80Ab20 erhalten; denn erst bei Temperaturen
1 063 °C tritt ein Or-haltiger Akf-Mischkristall (Orss) als <500 °C wird die Flanke des Solvus erreicht.
Liquidusphase auf, links des Minimums scheidet sich ein Anders liegen die Verhältnisse, wenn wir eine Ab-rei-
Ab-reicher Akfss (Abss) aus der Schmelze (L) aus. Zwischen chere Ausgangsschmelze, z. B. Y (Ab45Or55) abkühlen. Bei
den Feldern Lct + L und Orss + L schaltet sich ein Feld etwa 860 °C kristallisiert an der Liquiduskurve ein Orss
ein, in dem wegen der peritektischen Reaktion Leucit mit Or88Ab12 aus, der bei weiterer Abkühlung durch Re-
+ SiO2-reiche Schmelze = Kalifeldspatss alle drei Phasen aktion mit der Schmelze Ab-reicher wird. Die Kristallisati-
miteinander koexistieren (Abb. 16.12a). on ist beendet, wenn Orss die Zusammensetzung der Aus-
16.2 · Experimente in Zweistoff- und Dreistoffsystemen 267
gangsschmelze Y (Ab45Or55) erreicht hat: Die letzte Schmelz- Abss (Or8Ab92) mit 46 % Orss (Or78Ab22), vorausgesetzt
zusammensetzung von etwa Or32Ab68 entspricht nahezu das Gleichgewicht hat sich eingestellt. Für die Kristalli-
dem Schmelzminimum bei etwa 770 °C. Wichtig ist, dass sation von Ausgangsschmelzen, deren Zusammensetzung
bei fraktionierter Kristallisation von Orss zwar Albit-reiche, links vom Eutektikum liegen, z. B. Z (Or15Ab85), gelten
aber keine reine Albit-Schmelze entstehen kann; denn die analoge Kristallisationspfade.
Kristallisationsabfolge muss immer am Schmelzminimum
Der in Abb. 16.12c dargestellte Systemtyp stellt einen allgemeine-
enden. Analoge Verhältnisse ergeben sich, wenn wir eine
ren Fall dar, aus dem sich 1. das System mit lückenloser Misch-
Albit-reiche Schmelze Z (Or10Ab90) entweder unter Gleich- kristallbildung wie Albit–Anorthit (Abb. 16.4) und 2. das einfache
gewichtsbedingungen oder fraktioniert kristallisieren eutektische System wie Diopsid–Anorthit (Abb. 16.2) als Spezial-
lassen. Kühlen wir im Subsolidus-Bereich den Akfss der fälle ableiten lassen: Im Fall 1 wird die eine Liquidus-Solidus-„Zi-
Zusammensetzung Y Ab45Or55weiter ab, so erreicht man garre“ immer größer, bis die kleinere „Zigarre“ und der Solvus ganz
bei etwa 660 °C den Solvus und es kommt zur perthiti- verschwinden. Im Fall 2 wandern die gekrümmten Anteile der Soli-
duskurven und die Flanken des Solvus immer mehr nach außen,
schen Entmischung von Abss. Bei weiterer Temperatur- bis sie mit den Ordinaten zusammenfallen; d. h. es findet überhaupt
erniedrigung wird – Gleichgewichtseinstellung voraus- keine Mischkristallbildung mehr statt.
gesetzt – der Orss-Wirt immer Or-reicher, der entmischte
Abss immer Ab-reicher (s. auch Abb. 9.51, S. 167). Aus den experimentellen Ergebnissen lassen sich für
Das Mengenverhältnis der koexistierenden Akf-Pha- die Natur wichtige Befunde ableiten:
sen lässt sich über die Hebelregel berechnen: Bei 600 °C
ist das Verhältnis der Strecken aY : Yb = 80 : 20; es koe- 1. In vulkanischen Gesteinen hat Leucit einen wei-
xistiert also 80 % Orss der Zusammensetzung Or69Ab31 ten Bildungsbereich; bei rascher Abkühlung kann
mit 20 % Abss (Or20Ab80). die peritektische Reaktion ausbleiben und Leucit
Wie der Vergleich zwischen Abb. 16.11a und 16.11b metastabil erhalten bleiben.
zeigt, wird das Feld, in dem ein einheitlicher Alkalifeld- 2. Homogene Mischkristalle von Alkalifeldspat sind
spat-Mischkristall existieren kann, mit zunehmendem in vulkanischen Gesteinen verbreiteter als in ih-
H2O-Druck immer kleiner, weil die Soliduskurven ab- ren Plutonit-Äquivalenten.
sinken und der Solvus ansteigt. 3. Granite und Syenite, die nur einen – entweder
Bei PH2O = 5 kbar ist es zum Schnitt von Soliduskurve homogenen oder perthitisch entmischten – Al-
und Solvus gekommen und es gibt keine lückenlose kalifeldspat enthalten, sind bei relativ hohen Tem-
Mischkristallreihe Ab-Or mehr; aus dem Schmelz- peraturen und niedrigen H2O-Drücken kristalli-
minimum ist ein Eutektikum geworden (Abb. 16.12c). siert. Sie werden als Hypersolvus-Granite bzw. -
Kühlen wir unter Gleichgewichtsbedingungen eine Syenite bezeichnet (Tuttle und Bowen 1958).
Schmelze X der Zusammensetzung Or80Ab20 ab, so wird 4. Subsolvus-Granite und -Syenite, die primär Ab-
bei ca. 850 °C die Liquiduskurve erreicht und es schei- reichen Plagioklas neben Alkalifeldspat enthal-
det sich fast reiner Orss aus. Dieser wird bei weiterer ten, wurden bei erhöhten H2O-Drücken gebildet.
Abkühlung durch Reaktion mit der Schmelze immer Ab-
reicher, bis der Orss bei 725 °C die Zusammensetzung der
Ausgangsschmelze X erreicht hat. Der letzte Schmelztropfen Dreistoffsystem Nephelin–Kalsilit–SiO2
besitzt mit ca. Or32Ab68 noch nicht ganz die eutektische
Zusammensetzung von ca. Or28Ab72. Diese könnte nur Dieses System, das bei P = 1 bar von Bowen (1937) und
erreicht werden, wenn die Ausgangsschmelze X unter Schairer (1950) experimentell bearbeitet wurde, ist für
Abtrennung von Orss fraktioniert kristallisiert. Kühlt das Differentiationsverhalten von hellen Magmentypen
man den Mischkristall Or80Ab20 im Subsolidus-Bereich von großem Interesse (Abb. 16.13). Die Verbindungsli-
weiter ab, so wird bei ca. 585 °C der Solvus erreicht und nie Ab–Or teilt das System
die perthitische Entmischung von Abss beginnt (s. oben).
Aus einer Ab-reicheren Schmelze Y (Or40Ab60) würde bei in einen SiO 2-übersättigten Teil SiO2–Ab–Or, das
ca. 755 °C der erste Or ss mit der Zusammensetzung Granitsystem, durch das man die Kristallisationsab-
Or88Ab12 auskristallisieren. Bei der eutektischen Tempe- folge von Rhyolithen, Graniten, Quarztrachyten und
ratur von 703 °C hätte er durch Reaktion mit der Schmel- Quarzsyeniten modellieren kann, und
ze – Gleichgewichtseinstellung vorausgesetzt – die Zu- einen SiO2-untersättigten Teil Ab–Or–Ks–Ne, der die
sammensetzung Or72Ab28 erreicht. Es ist daher noch Kristallisation von Phonolithen und Nephelinsyeni-
Schmelze der eutektischen Zusammensetzung Or35Ab65 ten beschreibt.
übrig, die jetzt zu einem Gemenge aus Abss + Orss, kris-
tallisiert. Die Zusammensetzung dieser beiden Misch- Wir kennen bereits die flankierenden Zweistoffsyste-
kristalle ändert sich bei weiterer Abkühlung entlang der me Ne–SiO2 (Abb. 16.10), Lct–SiO2 (Abb. 16.11) und den
Flanken des Solvus. So koexistieren bei 600 °C etwa 54 % pseudobinären Schnitt Ab–Or (Abb. 16.12a). Zwischen
268 16 · Experimentelle Modellsysteme
den Komponenten NaAlSiO4 (Ne) und KAlSiO4 (Kalsilit, Zusammensetzung A. Beim Abkühlen auf die Liquidusflä-
Ks) bestehen bei hohen Temperaturen Mischkristall- che scheidet eine Schmelze A zunächst einen Abss der
reihen, von denen uns nur die (Na,K)-Nephelin-Misch- Zusammensetzung A' aus. Bei weiterer Abkühlung folgt
kristalle (Ness) interessieren. die Zusammensetzung der Schmelze einer gekrümmten
Wir betrachten wiederum die Projektion der Liqui- Kristallisationsbahn, die bei B auf die kotektische
dusfläche auf die Konzentrationsebene, wobei die „To- Linie E1–E2 stößt. Hier scheiden sich Abss und Tridymit
pographie“ an den eingetragenen Isothermen erkenn- gemeinsam aus, bis nahe beim Schmelzminimum (m) bei
bar ist (Abb. 16.13a). Die beiden Eutektika E1 (1 060 °C) 1 063 °C die letzte Schmelze verbraucht ist. Das End-
zwischen Tridymit und Albit und E2 (990 °C) zwischen produkt der Gleichgewichtskristallisation besteht aus
Tridymit und Kalifeldspat sind durch eine kotektische etwa 15 % Trd und 85 % Abss der Zusammensetzung B'
Linie verbunden, die ein ternäres Schmelzminimum (m) (Or23Ab77), wie sich nach der Hebelregel berechnen lässt.
besitzt. An dieser Linie koexistieren Tridymit, Alkalifeld- Das entspräche einem Quarz-Albit-Trachyt. Bei fraktio-
spat-Mischkristalle und SiO2-übersättigte Schmelze. Vom nierter Kristallisation von Abss kann das ternäre Schmelz-
Eutektikum E3 (1 068 °C) zwischen Nephelin und Albit minimum m erreicht werden.
geht ebenfalls eine kotektische Linie aus, an der Akfss mit
Ness und Schmelze im Gleichgewicht stehen. Sie besitzt Zusammensetzung D. Die Zusammensetzung D liegt zwar
ein weiteres ternäres Schmelzminimum (M) und trifft ebenfalls im SiO2-übersättigten Teil des Konzentrations-
sich im invarianten Punkt R bei 1 020 °C mit einer wei- dreiecks Ne–Ks–SiO2, jedoch bereits im Leucitfeld. Da-
teren kotektischen Linie, an der Ness mit Lct und Schmel- her kristallisiert aus Schmelze D an der Liquidusfläche
ze koexistiert. Darüber hinaus geht von Punkt R eine zunächst Leucit aus. Bei weiterer Abkühlung ändert sich
Reaktionskurve (Peritektikale)aus, an der Leucit mit die Schmelzzusammensetzung infolge der Leucit-Aus-
Schmelze unter Bildung von Alkalifeldspatss reagiert; die- scheidung entlang der geraden Linie D → E. Bei E setzt
se trifft auf den peritektischen Punkt P im flankieren- die peritektische Reaktion ein, bei der Lct mit der SiO2-über-
den Zweistoffsystem Lct–SiO2. Ausgehend vom Maxi- sättigten Schmelze zu Orss reagiert, wobei der Kristalli-
mum im Zweistoffsystem Ne–SiO 2 bildet die Verbin- sationspfad der Reaktionskurve P–R folgt. Bei F ist aller
dungslinie Ab–Or eine thermische Barriere, deren Wir- Leucit verbraucht und die Kristallisationsbahn verläuft nun
kung allerdings durch das inkongruente Schmelzen von entlang der gekrümmten Kurve von F nach G, wo die kotek-
Kalifeldspat beeinträchtigt wird. tische Linie E1–E2 erreicht wird. Das Kristallisationsprodukt
Wir wollen die Kristallisationsverläufe einiger besteht nun aus ca. 9 % Trd und 81 % Orss der Zusammen-
Schmelzen rekonstruieren (Abb. 16.13a). setzung G' (Or89Ab11), entsprechend einem Quarz-Sanidin-
16.2 · Experimente in Zweistoff- und Dreistoffsystemen 269
Trachyt. Bei fraktionierter Kristallisation von Orss kann Bei erhöhten H2O-Drücken im System Ne–Ks–SiO2–
das ternäre Schmelzminimum (m) erreicht werden. Wird H2O wird das Ausscheidungsfeld von Leucit immer
jedoch Leucit durch gravitative Fraktionierung oder als mehr eingeschränkt und verschwindet ab 4 kbar ganz
gepanzertes Relikt an der weiteren Reaktion mit der (Sood 1981). Dadurch wird die Rolle der Verbindungs-
Schmelze gehindert, so verlässt die Kristallisationsbahn linie Ab–Or als thermische Barriere immer stärker
bei E oder zwischen E und F die Reaktionskurve und er- ausgeprägt. Bei P H2O = 5 kbar (Morse 1968) sind im
reicht die kotektische Linie E1–E2. SiO 2-übersättigten und SiO 2-untersättigten Teil des
Systems anstelle der Minima je ein ternäres Eutekti-
Zusammensetzung H. Auch die Zusammensetzung H liegt kum E (645 °C) und E' (638 °C) getreten. Diese sind durch
im Leucitfeld, aber nun im SiO2-untersättigten Teil des eine kotektische Linie miteinander verbunden, die dort,
Dreistoffsystems. Somit scheidet sich beim Erreichen der wo sie die Linie Ab–Or kreuzt, ein Maximum hat
Liquidusfläche ebenfalls Leucit aus, und bei weiterer Ab- (Abb. 16.13b). Es gibt vier wichtige Ausscheidungsfelder,
kühlung verändert sich die Schmelzzusammensetzung in denen Quarz, Abss, Orss und Ness jeweils die Liquidus-
unter kontinuierlicher Leucit-Auscheidung entlang der phasen bilden.
geraden Linie H → D → E. Bei E kommt es zur Reaktion
des Leucit mit der SiO2-übersättigten Schmelze unter Bil- Auf der kotektischen Linie E–E' befindet sich nahe E' ein
dung von Or ss . Der Kristallisationspfad folgt der Reaktionspunkt R, an dem Analcim Na[AlSi2O6] · H2O nach der Re-
aktion Abss + L = Anl + Orss gebildet wird. Deshalb existiert zwi-
Reaktionskurve P–R, bis der isobare Reaktionspunkt R schen den Ausscheidungsbereichen von Abss und Ness ein schma-
erreicht ist, wo jetzt Lct + L zu Akfss + Ness reagieren. Tem- les Analcimfeld, so dass bei hohen H2O-Drücken Abss und Ness nicht
peratur und Schmelzzusammensetzung bleiben konstant, im Gleichgewicht koexistieren können.
bis die Schmelze verbraucht ist. Das gebildete „Gestein“
ist ein Leucitphonolith; die Zusammensetzung der koe- 16.2.3
xistierenden Alkalifeldspat- und (Na,K)-Nephelin-Misch- Experimente zum Verhalten von Mafiten
kristalle muss durch Analyse mit einer Elektronenstrahl- in basaltischen Magmen
Mikrosonde bestimmt werden, die Schairer 1950 noch
nicht zur Verfügung stand. Bei Leucit-Fraktionierung Zweistoffsystem Forsterit–Fayalit
könnte die Schmelze einen Kristallisationspfad in den
SiO2-übersättigten Teil des Systems, z. B. F → G verfolgen Wie wir gesehen haben, bilden die Olivine eine lücken-
und die kotektische Linie zwischen E2 und m erreichen. lose Mischkristallreihe (Abb. 16.14), so dass sich der glei-
Aus Schmelzen der Zusammensetzungen X und Y che Systemtyp ergibt wie bei den Plagioklasen (Bowen u.
scheiden sich an der Liquidusfläche Abss bzw. Ness aus, Schairer 1935). Bei einem Druck von 1 bar liegt der Schmelz-
deren Zusammensetzungen ganz auf der Na-reichen punkt von Forsterit (Fo) bei 1 890 °C, von Fayalit (Fa) bei
Seite liegen. Bei weiterer Abkühlung wird die kotektische 1 205 °C. Aufgrund seines extrem hohen Schmelzpunkts
Linie E3–R erreicht, wo beide Mischkristalle unter lau- ist Fo-reicher Olivin ein hochfeuerfestes Mineral, das gro-
fender Änderung ihres Chemismus gemeinsam kristal- ße technische Bedeutung besitzt.
lisieren, bis das Schmelzminimum M erreicht ist. Das
„Gestein“ ist ein Phonolith aus Abss und Ness, deren
genaue Zusammensetzung wir nicht kennen.
Zweistoffsystem Forsterit–SiO2
(Abb. 16.14) zeigt. Die so modifizierten Schmelzen könn- Wie beim Dreistoffsystem Di–An–Ab (Abb. 16.7) be-
ten als Modell für Olivintholeiit- (W), Tholeiit- (X) und trachten wir die Projektion der Liquidusfläche auf die
Quarztholeiit-Magmen (Y, Z) dienen. Zur Fraktionierung Konzentrationsebene Di-Fo-SiO2 bei konstantem Druck
von Olivin kann es kommen, wenn dieser in der Schmel- von 1 bar.
ze gravitativ absaigert oder als „gepanzertes Relikt“ vor Wesentliche Grundlage bildet das flankierende Zwei-
vollständige Reaktion zu Protoenstatit geschützt und stoffsystem Forsterit–SiO2, das wir soeben kennengelernt
dadurch aus dem System entfernt wird. Dann kann ein haben, mit dem Peritektikum P bei 1 557 °C und dem Eu-
SiO2-untersättigtes Olivintholeiit-Magma zu einem SiO2- tektikum E1 bei 1 543 °C (Abb. 16.15). Die flankierenden
übersättigten Quarztholeiit-Magma differenzieren (aber Zweistoffsysteme Diopsid–SiO2 und Forsterit–Diopsid
nicht umgekehrt). sind eutektisch; die Eutektika E2 bei 1 371 °C und E3 bei
1 388 °C liegen in der Nähe der Diopsid-Ecke (Abb. 16.16).
Von Greig (1927) wurde im SiO2-reichen Teil des Systems Forsterit– E1 und E2 werden durch eine kotektische Linie verbun-
SiO2 die liquide Entmischung von zwei Silikatschmelzen experimen- den, an der Cristobalit (Crs) bzw. Tridymit (Trd) jeweils mit
tell nachgewiesen, zu der es bei einer Temperatur von >1 695 °C,
d. h. knapp unterhalb des Schmelzpunkts von Cristobalit kommt
Mischkristallen von Protoenstatit (PEnss), Pigeonit (Pgtss)
(Abb. 16.5). Dieser Befund ist jedoch für natürliche Bedingungen ohne oder Diopsid (Diss) sowie Schmelze koexistieren. Eine
Bedeutung und daher nur von theoretischem Interesse. weitere kotektische Linie, an der Fo, Diss und Schmelze
miteinander im Gleichgewicht stehen, geht vom Eutek-
Dreistoffsystem Diopsid–Forsterit–SiO2 tikum E3 aus, überschreitet ein flaches offenes Maximum
bei 1 390 °C und endet bei 1 385 °C. Hier stößt sie mit ei-
Dieses komplexe System, das bereits von Bowen (1914), ner Reaktionskurve zusammen, die vom peritektischen
später von Boyd u. Schairer (1964) und Kushiro (1972) Punkt P ausgeht. An ihr koexistieren nacheinander PEnss
bei P = 1 bar experimentell bearbeitet wurde, dient als und Pgtss mit Fo und Schmelze (L). Die Felder von PEnss
Modellsystem für die Ausscheidungsbeziehungen der und Pgtss werden ebenfalls durch eine Reaktionskurve
dunklen Gemengteile in einer tholeiitischen Schmelze. getrennt, während zwischen Pgtss und Diss eine kotekti-
Obwohl es dem Anfänger häufig Verständnisschwierig- sche Linie verläuft. An diesen univarianten Kurven ste-
keiten bereitet, soll es wegen seiner großen petrologischen hen jeweils 2 dieser Pyroxen-Mischkristalle miteinander
Bedeutung hier besprochen werden. sowie mit Schmelze im Gleichgewicht. Analog zum Zwei-
Abb. 16.16.
Dreistoffsystem Diopsid
CaMgSi2O6– Forsterit Mg2SiO4–
SiO2 bei P = 1 bar. Projektion der
Liquidusfläche auf die Konzentrati-
onsebene. Eingezeichnet sind die
Kristallisationsbahnen (farbig) von
Schmelzen der Ausgangszusam-
mensetzungen X, Y und Z unter
Gleichgewichtsbedingungen. Er-
läuterungen im Text. Die Misch-
kristalle PEn1, PEn2 und PEn3 sind
mit 1, 2, 3 markiert. Einsatz: Pseu-
dobinärer Schnitt Mg2Si2O6 (En)–
CaMgSi2O6 (Di) mit den Liquidus-
und Soliduskurven sowie den Mi-
schungslücken zwischen unter-
schiedlichen Pyroxenphasen.
(Nach Kushiro 1972)
272 16 · Experimentelle Modellsysteme
stoffsystem Fo–SiO2 (Abb. 16.15) erkennt man also auch restlichen Forsterit sowie den beiden Pyroxen-Mischkris-
im Dreistoffsystem Fo–Di–SiO2 die drei Ausscheidungs- tallen PEn3 und Pgt1.
felder von Fo, PEn (und den anderen Pyroxen-Mischkris- Kühlen wir eine Ausgangsschmelze Y ab, die auf der
tallen) und Crs bzw. Trd sowie das Feld der liquiden Ent- Verbindungslinie PEn–Di liegt, so scheidet sich bei Er-
mischung. Unterbrechungen in der Verbindungslinie reichen der Liquidusfläche wiederum zuerst Forsterit aus
PEn–Di deuten zwei Mischungslücken in den Pyroxen- und die Zusammensetzung der Schmelze ändert sich
Zusammensetzungen an, die man dem pseudobinären kontinuierlich bis A, wo die Reaktion Fo + L = PEnss ein-
Schnitt PEn–Di entnehmen kann (Abb. 16.16, Einsatz). setzt. Bei weiterer Abkühlung entwickelt sich die
Weiterhin erkennt man in Abb. 16.16, dass – entsprechend Schmelzzusammensetzung wieder entlang der Reakti-
dem verdeckten Maximum im binären System Fo–SiO2 onskurve von A nach B, wo – im Unterschied zur Kristal-
(Abb. 16.15) – das ausgedehnte primäre Ausscheidungs- lisationsabfolge der Schmelze X – nicht nur alle Schmel-
feld des Forsterits fast die gesamte pseudobinäre Verbin- ze sondern auch aller Forsterit aufgebraucht ist. Das Kris-
dungslinie PEn–Di der Pyroxen-Zusammensetzungen tallisationsprodukt besteht schließlich nur aus zwei ver-
überdeckt. Lediglich die Di-reichen Cpx-Mischkristalle schiedenen Pyroxenen PEn3 und Pgt1.
nahe der Di-Ecke schmelzen kongruent. Nun wählen wir noch eine Ausgangsschmelze Z, die
bereits rechts der Verbindungslinie Di–PEn, aber noch
Der pseudobinäre Schnitt En–Di (Abb. 16.16, Einsatz) zeigt, dass innerhalb des primären Ausscheidungsfeldes von Fors-
bei Liquidus-Temperaturen PEnss, Pgtss und Diss mit Fo und Schmel-
ze im Gleichgewicht stehen, während im Subsolidus-Bereich die
terit liegt. Die anfänglichen Schritte der Kristallisation
Pyroxen-Mischkristalle PEnss + Pgtss sowie Pgtss + Diss miteinan- und die Änderung der Schmelzzusammensetzung stim-
der koexistieren. Mit sinkender Temperatur erweitern sich die men mit beiden Ausgangszusammensetzungen X und Y
beiden Mischungslücken, wodurch das Stabilitätsfeld von Pgtss überein. Nur ist in diesem Fall der abgeschiedene Fors-
auskeilt. An einem invarianten Reaktionspunkt bei etwa 1 235 °C terit früher aufgebraucht als die Schmelze. Das ist bei etwa
zerfällt der letzte Pgtss (mit etwa 13 % Di-Komponente) in PEnss
1 530 °C (Punkt C in Abb. 16.16) der Fall. Mit weiterer
und Diss. Ab 1 100 °C beginnt sich PEnss unter Reaktion mit Diss in
Di-reicheren Orthoenstatit (OEnss) umzuwandeln; es gibt zwei Abkühlung verlässt deshalb der Kristallisationspfad die
Koexistenzfelder PEnss + OEnss und OEnss + Diss, bis bei 985 °C rei- peritektische Reaktionskurve, quert das Feld des Proto-
ner PEn in OEn übergegangen ist (in Abb. 16.16, Einsatz nicht mehr enstatits entlang C → D und erreicht bei ca. 1 500 °C die
dargestellt). Durch die experimentell bestimmten Phasenbezie- kotektische Linie, an der PEnss, Cristobalit und Schmelze
hungen im pseudobinären Schnitt En–Di erklären sich die weit ver-
koexistieren. Mit weiterer Abkühlung scheidet sich da-
breiteten Entmischungen von Klinopyroxen in Orthopyroxen und
umgekehrt (Abb. 11.6a, S. 202); das gilt insbesondere für den inverted her PEnss, der kontinuierlich Di-reicher wird, gemeinsam
pigeonite, einen Pigeonit mit Entmischungslamellen von Augit. Es mit Cristobalit bzw. bei niedriger Temperatur mit Tridy-
sei allerdings darauf hingewiesen, dass nach neueren Experimenten mit aus. Wenn die Zusammensetzung der Schmelze
von Longhi u. Boudreau (1980) bereits zwischen 1 445 °C und 1 385 °C Punkt E (ca. 1 385 °C) erreicht hat, kristallisiert Pigeonit
Orthoenstatit als zusätzliche Phase auftritt, dann aber wieder ver- neben Protoenstatit und Tridymit aus, bis die Schmelze
schwindet. Dadurch werden die Verhältnisse noch etwas komplizier-
ter, ohne dass sich die grundsätzliche Aussage des Systems ändert.
aufgebraucht ist. Das zuletzt vorliegende Kristallaggregat
Wir stützen uns daher auf die Ergebnisse von Kushiro (1972). besteht aus den Phasen PEn2, Pgt2 und Tridymit (und
wahrscheinlich einem Rest von Cristobalit, der sich nur
Kühlt man eine Schmelze X der Zusammensetzung träge in Tridymit umwandelt).
80 % Fo + 5 % Di + 15 % SiO 2, die im primären Aus- Wir haben bei unseren Betrachtungen über das Sys-
scheidungsfeld des Forsterits liegt (Abb. 16.16), bis zur tem Di–Fo–SiO2 bislang die Einstellung eines thermody-
Temperatur der Liquidusfläche ab, so ändert sich ihre namischen Gleichgewichts vorausgesetzt. In der Natur ist
Zusammensetzung unter fortwährender Ausscheidung das häufig nicht oder nur unvollkommen der Fall. Stellt sich
von Fo entlang der Kristallisationsbahn X → A. Bei A das Gleichgewicht nicht ein, so weichen die Kristallisations-
wird die Reaktionskurve zwischen den Ausscheidungs- bahnen mehr oder weniger von den dargelegten ideali-
feldern von Fo und Pyroxen erreicht und die peritekti- sierten Bedingungen ab. Ungleichgewichte können in der
sche Reaktion von Fo mit SiO2-übersättigter Schmelze Natur dadurch entstehen, dass die ausgeschiedenen
zu PEnss setzt ein. Dem pseudobinären Schnitt (Abb. 16.16, Forsteritkristalle aus einem oder mehreren der folgen-
Einsatz) kann man entnehmen, dass eine Schmelze A mit den Gründe nicht mit der Schmelze reagieren konnten:
etwa 10 % Di-Komponente mit einem fast Di-freien PEn1
koexistiert. Bei weiterer Abkühlung geht die Reaktion Die Forsteritkristalle werden von der verbleibenden
Fo + L = PEnss weiter, wobei sich die Schmelze entlang Schmelze gravitativ getrennt oder die Schmelze wird
der Reaktionskurve entwickelt und immer Di-reicher aus dem bestehenden Kristallbrei ausgepresst.
wird; auch PEnss wird etwas Di-reicher. Beim invarian- Ein dicker Reaktionssaum von Pyroxen infolge von
ten Punkt B (ca. 1 425 °C) kristallisiert bei konstanter zu geringer Diffusionsgeschwindigkeit schützt den
Temperatur Pgtss neben PEnss aus, bis die Schmelze auf- verbleibenden Forsterit-Kern vor einer weiteren Re-
gebraucht ist. Das entstehende „Gestein“ besteht aus dem aktion mit der umgebenden Schmelze.
16.3 · Das Reaktionsprinzip von Bowen 273
Kontinuierliche Reaktionsserien (Abb. 16.19). Sie entstehen he ausscheidet. So hatte schon der deutsche Petrograph
durch die Reaktion von früh ausgeschiedenen Mischkris- Harry Rosenbusch (1882) mikroskopisch beobachtet, dass
tallen mit der Schmelze. Dabei werden kontinuierlich neue in natürlichen Magmatiten neben Olivin und Pyroxen ein
Mischkristalle der gleichen Mineralart so lange gebildet, An-reicher Plagioklas (Bytownit-Labradorit), dagegen zu-
bis die Schmelze aufgebraucht ist. Wichtigstes Beispiel ist sammen neben Hornblende und Biotit ein Ab-reicherer
die Mischkristallreihe der Plagioklase (Abb. 16.4, S. 259) Plagioklas (Andesin-Oligoklas) kristallisiert und das im
als Hauptvertreter der felsischen Minerale in basischen Sinne einer Ausscheidungsfolge interpretiert (Rosen-
und intermediären Magmen. Ihre Entwicklung findet – busch-Regel). Allerdings sind später häufig Ausnahmen
druckabhängig – innerhalb eines ausgedehnten Tempe- von dieser Regel beobachtet worden, so kommen in Ande-
raturbereichs statt. Mit fallender Temperatur wird die siten und Daciten auch relativ An-reiche Plagioklase neben
Schmelze, die mit den sich ausscheidenden Plagioklas- Amphibolen und Biotit vor. Ob die Erstausscheidung mit
Mischkristallen im Gleichgewicht steht, immer reicher an einem mafischen oder einem felsischen Mineral beginnt,
Ab- und ärmer an An-Komponente. Bei chemischem Un- hängt wesentlich von der Ausgangszusammensetzung der
gleichgewicht bilden sich Plagioklaskristalle mit Zonarbau, Schmelze ab, wie das am Beispiel des Dreistoffsystems
wobei der Kern An-reicher, die Außenzonen Ab-reicher sind, Di–An–Ab gezeigt wurde (Abb. 16.7, 16.8, S. 261f).
allerdings häufig mit sog. Rekurrenzen (alternierender Zo-
narbau: Abb. 16.5). Bei Entfernung von An-reichen Plagio- Die Mineralfolge der diskontinuierlichen Reaktionsreihen zeigt
mit der Temperaturerniedrigung eine zunehmende Polymerisati-
klas-Mischkristallen aus der Schmel-ze wird die Rest-
on der [(Si,Al)O4]-Tetraeder vom Inselsilikat Olivin über die Ket-
schmelze gegenüber der Ausgangsschmelzzusammen- ten- und Doppelkettensilikate Pyroxen und Hornblende zum
setzung an Na2O und SiO2 angereichert, an CaO und Al2O3 Schichtsilikat Biotit.
dagegen verarmt (Anorthit: CaO · Al2O3 · 2SiO2, Albit:
Na2O · Al2O3 · 6SiO2). K2O reichert sich ebenfalls in der Rest- Wie Bowen (1928) zeigen konnte, lassen sich einige
schmelze an und wird bei der Bildung von Biotit und Alkali- wichtige Magmentypen durch Kristallisationsdifferenti-
feldspäten verbraucht. Im Unterschied zu den Plagioklasen ation eines basaltischen Magmas erklären. Dabei sind die
gibt es bei den Alkalifeldspäten, die bei der Kristallisation Reaktionsbeziehungen innerhalb der Reaktionsreihen
von sauren Magmen eine zunehmend bedeutende Rolle Olivin → Biotit und Bytownit → Albit sowie zwischen den
spielen, zwei Entwicklungsreihen, die von Or-reichen oder ausgeschiedenen Mineralen und den Restschmelzen von
Ab-reichen Zusammensetzungen ausgehen und sich im Bedeutung. Schematisch lässt sich der Differentiations-
Schmelz-Minimum treffen (Abb. 16.12, 16.13). verlauf nach folgendem Prinzip erläutern (Abb. 16.20):
Bei den mafischen Gemengteilen stellt man mit Bei Abkühlung eines basaltischen Magmas kristalli-
sinkender Temperatur eine zunehmende Tendenz sieren als Hauptminerale zuerst Olivin und Bytownit aus,
zur Anreicherung von Fe2+ auf Kosten von Mg fest. Ein wodurch sich die Zusammensetzung der verbleibenden
wichtiges Beispiel ist die Mischkristallreihe der Olivine Restschmelze in Richtung → Andesit ändert. Nun sind
(Abb. 16.14), bei der sich – ausgehend von fast reinem zwei Fälle denkbar:
Foss – durch Reaktion mit der Schmelze kontinuierlich
immer Fa-reichere Mischkristalle bilden. Bei fraktionier- 1. Gleichgewichtskristallisation:
ter Kristallisation von Fo-reichem Olivin kann schließ- Die ausgeschiedenen Kristalle bleiben im Kontakt mit
lich eine fast reine Fayalit-Schmelze gebildet werden. der Schmelze und reagieren mit dieser unter Bildung von
Naturbeobachtungen, insbesondere in Layered Intrusi-
ons zeigen, dass bei der Kristallisation basaltischer Mag-
men die Mischkristallreihen der Pyroxene sich gleich-
sinnig von Mg- zu Fe-reicheren Gliedern entwickeln:
Orthopyroxen, Pigeonit und Augit (Abb. 16.16) sowie relativ wenig Rhyolith-Schmelze als Restdifferentiat. Da
Labradorit (Abb. 16.4). Bei vollständiger Reaktion kann Olivin, Pyroxen und die Feldspäte keine (OH)-Grup-
die gesamte Schmelze verbraucht werden: Es entsteht ein pen einbauen, werden bei der fraktionierten Kristalli-
Basalt oder – bei höherem Druck – ein Gabbro. sation auch H2O (und andere leichtflüchtige Kompo-
2. Fraktionierte Kristallisation: nenten) in den Restschmelzen immer stärker angerei-
Die ausgeschiedenen Kristalle werden von der Schmel- chert. Schließlich können sich hydrothermale Lösun-
ze getrennt. Solange noch nicht viele Kristalle abgeschie- gen bilden, aus denen sich z. B. Zeolithe ausscheiden.
den und die heiße Schmelze noch wenig viskos ist,
dürfte das am ehesten gravitativ durch Aufschwimmen Somit ist klar, dass in der Tat andesitische, rhyolithi-
der Bytownit- und Absaigern der Olivin-Kristalle ge- sche und trachytische Restschmelzen durch Kristallisa-
schehen, während bei größerem Kristallanteil die Rest- tionsdifferentiation eines Basalt-Magmas erklärt werden
schmelze durch Filterpressung aus einem Olivin-Ku- können. Es wäre jedoch ein Fehler anzunehmen, dass das
mulat heraus gedrückt würde. Bei mangelnder Rühr- immer oder auch nur in der überwiegenden Mehrzahl
wirkung wegen zu geringer Konvektion in der Mag- der Fälle so sein muss. Hiergegen spricht bereits das Zu-
menkammer kann sich Olivin auch mit einem Reakti- rücktreten von Basalten oder Gabbros in vielen Andesit-
onssaum von Pyroxen, Bytownit mit Ab-reicheren Rän- Dacit-Rhyolith- bzw. Tonalit-Granodiorit-Granit-Asso-
dern umgeben und so als gepanzerte Relikte vor wei- ziationen. Auch der enorm große Anteil von granitisch-
terer Aufzehrung geschützt werden. Nun liegt eine granodioritischem Material am Aufbau der oberen kon-
andesitische Restschmelze vor, die entweder zu einem tinentalen Erdkruste schließt eine Fraktionierung von
Andesit (oder Diorit) auskristallisieren kann oder ei- basaltischen Magmen als wesentlichen Bildungs-
ner weiteren Fraktionierung unterworfen wird. Dabei mechanismus aus. Andererseits gibt das Bowen’sche
dürfte der wesentliche Trennmechanismus in der Reaktionsprinzip eine gute qualitative Erklärung für das
Filterpressung liegen. Im Zuge der fraktionierten Kris- gemeinsame Vorkommen bestimmter Minerale wie Oli-
tallisation nehmen die Gehalte an SiO2, Na2O und K2O vin–Labrador, Andesin–Hornblende, Oligoklas–Kalifeld-
in der Schmelze allmählich immer stärker zu. Es ent- spat–Quarz–Biotit. Es hilft weiterhin, das Verhalten von
stehen Restschmelzen, aus denen Rhyolithe oder Gra- Nebengestein bei der Assimilation durch Magmen bes-
nite kristallisieren können. Mengenmäßig ergibt sich ser zu verstehen: Infolge inkongruenten Schmelzens gilt
gegenüber der ursprünglichen Basalt-Schmelze nur dann z. B. die diskontinuierliche Reaktionsserie in um-
Abb. 16.19.
Die Reaktionsserien nach Bowen
Abb. 16.20.
Das Schema der magmatischen
Differentiation eines tholeiiti-
schen Magmas in Verbindung
mit den Reaktionsserien von
Bowen
276 16 · Experimentelle Modellsysteme
16.4 16.4
Das Basalt-Tetraeder von Yoder und Tilley (1962)
bildet sich aus X' weiterhin eutektische Schmelze der Bowen NL, Andersen O (1914) The binary system MgO–SiO2. Am J
Zusammensetzung ET. Wenn wiederum geringe Anteile Sci 187:487–500
Bowen NL, Schairer JF (1935) The system MgO–FeO–SiO2. Am J
dieser Schmelze entfernt werden, verschiebt sich die Zu-
Sci 229:151–217
sammensetzung des Residuums nach X'', aus dem wie- Bowen NL, Tuttle OF (1950) The system NaAlSi3O8–KAlSi3O8–H2O.
der eutektische Schmelze ET entstehen kann. Tempera- J Geol 58:489–511
tur und Schmelzzusammensetzung bleiben also konstant, Boyd FR, England JL, Davis TC (1964) Effects of pressure on the
bis im Residuum die Di-Komponente völlig aufgebraucht melting and polymorphism of enstatite, MgSiO3. J Geophys Res
ist entsprechend der Zusammensetzung R im flankieren- 69:2101–2109
Boyd FR, Schairer JF (1964) The system MgSiO3–CaMgSi2O6. J Pe-
den Zweistoffsystem Fo–Prp. Jetzt kommt die Schmelzbil- trol 6:275–309
dung bis auf Weiteres zum Erliegen. Erst wenn das Gestein Correns CW (1968) Einführung in die Mineralogie, 2. Aufl (Nach-
auf 1 770 °C aufgeheizt ist, entsteht eine neue Schmelze druck 1981). Springer, Berlin Heidelberg New York
mit der Zusammensetzung des binären Eutektikums E3. Davis BTC, Schairer JF (1965) Melting relations in the join dioside–
Fraktioniertes Schmelzen führt also zu zwei Schmelzen forsterite–pyrope at 40 kilobars and at one atmosphere. Carnegie
Inst Washington Yearb 64:123–126
unterschiedlicher Zusammensetzung ET und E3. Ernst TH, Schorer G (1969) Die Pyroxene des „Maintrapps“, einer
Gruppe tholeiitischer Basalte des Vogelsberges. Neues Jahrb
Im Gleichgewichtsfall würde das vollständige Auf- Mineral Monatsh 1969:108–130
schmelzen des Granat-Peridotits X eine sehr hohe Tem- Goldsmith JR (1980) The melting and breakdown of plagioclase at
peratur von ca. 1960 °C erfordern; beim fraktionierten high pressures and temperatures. Am Mineral 65:272–284
Goranson RW (1938) Silicate–water systems: Phase equilibria in
Schmelzen wären dafür >2 000 °C nötig. Wegen des gro-
the NaAlSi3O8–H2O and KAlSi3O8–H2O systems at high tempe-
ßen Temperaturintervalls zwischen Solidus- und Liqui- ratures and pressures. Am J Sci 235A:71–91
duskurve (z. B. Abb. 14.4, S. 242) gilt ganz allgemein, dass Greig JW (1927) Immiscibility in silicate melts. Am J Sci 213:1–44, 133–154
Gesteine praktisch nie vollständig, sondern lediglich Greig JW, Barth TWF (1938) The system Na2O·Al2O3·SiO2 (nepheli-
partiell aufschmelzen. Daraus folgt, dass die entstehen- ne, carnegieite) – Na2O · Al2O3 · 6SiO2. Am J Sci (5) 235A:93–112
den Magmen eine andere Zusammensetzung aufweisen Kushiro I (1972) Determination of liquidus relations in synthetic
silicate systems with electron probe analysis: The system forste-
müssen als ihr Ausgangsgestein; d. h. nach Abtrennung rite–diopside–silica at 1 atmosphere. Am Mineral 57:1260–1271
der Schmelze bleibt ein Restgestein übrig. Dieses ist an Kushiro I (1973) The system diopside–anorthite–albite: Determi-
inkompatiblen Elementen (Abb. 31.1, S. 552) wie K, Rb, nation of compositions of coexisting phases. Carnegie Inst
Ba, Sr, P, Ti, Zr, U, Th, Nb und Zr verarmt, d. h. an sol- Washington Yearb 72:502–507
chen, die bevorzugt in die Schmelze gehen. Kushiro I, Yoder HS (1969) Melting of forsterite and enstatite at high
pressures under hydrous conditions. Carnegie Inst Wash Yearb
67:153–161
Weiterführende Literatur Lindsley DH (1966) Melting relations of KAlSi 3O 8: Effects of
pressure up to 40 kilobars. Am Mineral 51:1793–1799
Morse SA (1980) Basalts and phase diagrams. Springer, New York Lindsley DH (1968) Melting relations of plagioclase at high pres-
Heidelberg Berlin sures. New York State Mus Sci Mem 18:39–46
Sood MK (1981) Modern igneous petrology.Wiley, New York Longhi J, Boudreau AE (1980) The orthoenstatite liquidus field in
Yoder HS (1976) Generation of basaltic magma. Nat Acad Sci, Was- the system forsterite–diopside–silica at one atmosphere. Am
hington/DC Mineral 65:563–573
Yoder HS (ed) (1979) The evolution of igneous rocks. Princeton Morse SA (1968) Syenites. Carnegie Inst Washington Yearb 67:112–120
Univ Press, Princeton, New Jersey Morse SA (1970) Alkali feldspars with water at 5 kb pressure. J Pe-
Yoder HS, Tilley CE (1962) Origin of basalt magmas: an experimental trol 11:221–251
study of natural and synthetic rock systems. J Petrol 3:342–532 Presnall DC (1969) The geometric analysis of partial fusion. Am J
Sci 267:1178–1194
Zitierte Literatur Schairer JF (1950) The alkali feldspar join in the system NaAlSiO4–
KAlSiO4–SiO2. J Geol 58:512–517
Atkins FB (1969) Pyroxenes of the Bushveld intrusion, South Africa. Schairer JF, Bowen NL (1947) Melting relations in the systems
J Petrol 10:222–249 Na2O–Al2O3–SiO2 and K2O–Al2O3–SiO2. Am J Sci 245:193–204
Boettcher AL, Burnham CW, Windom KE, Bohlen SR (1982) Liquids, Schairer JF, Bowen NL (1955) The System K2O–Al2O3–SiO2. Am J
glasses, and the melting of silicates to high pressures. J Geol Sci 253:681–746
90:127–138 Smith JV, Brown WL (1988) Feldspar minerals, vol 1, 2nd edn. Sprin-
Bowen NL (1913) The melting phenomena of plagioclase feldspars. ger, Berlin Heidelberg New York
Am J Sci 185:577–599 Tuttle OF, Bowen NL (1958) Origin of granite in the light of experi-
Bowen NL (1914) The ternary system: Diopside–forsterite–silica. mental data studies in the system NaAlSi3O8–KAlSi3O8–SiO2–
Am J Sci 188:207–264 H2O. Geol Soc America Mem 74:1–153
Bowen NL (1915) The crystallization of haplobasaltic, haplodioritic Wager LR, Brown GM (1968) Layered igneous rocks. Freeman, San
and related magmas. Amer J Sci 190:161–185 Francisco
Bowen NL (1928) The evolution of igneous rocks. Dover Publ, New Yoder HS (1965) Diopside–anorthite–water at five and ten kilobars and its
York (Nachdruck 1956) bearing on explosive volcanism. Carnegie Inst Wash Yearb 64:82–89
Bowen NL (1937) Recent high-temperature research and its Yoder HS (1968) Albite–anorthite–quartz–water at 5 kb. Carnegie
significance in igneous geology. Am J Sci 233:1–21 Inst Wash Yearb 66:477–478
17
Die Herkunft des Basalts
17.1 Basalte stellen die wichtigste Gruppe der vulkanischen Gesteine dar, die erdweit
Basalte und in großer Verbreitung auftreten. Bildung, Differentiation und Förderung basal-
Plattentektonik tischer Magmen haben enge Beziehungen zur Plattentektonik (z. B. Pearce u. Cann
1973; Tabelle 17.1). Experimentelle Untersuchungen in vereinfachten Modell-
17.2 systemen und an natürlichen Gesteinen haben viel dazu beigetragen, die Ent-
Bildung von stehung von Basalt-Magmen durch partielle Anatexis von Peridotit im Oberen
Basalt-Magmen Erdmantel besser zu verstehen.
durch partielles
Schmelzen von Tabelle 17.1. Plattentektonische Stellung von Basalten
Mantelperidotit
280 17 · Die Herkunft des Basalts
scher Zusammensetzung sehr hohe Temperaturen. Ent- dest den ozeanischen Geotherm (Ringwood 1975). Bei
sprechend der Clausius-Clapeyron’schen Gleichung [16.2a] einem Gesamt-H2O-Gehalt von 0,1 % erfolgt diese Über-
nimmt die Solidustemperatur für H2O-freie („trockene“) schneidung in einem Tiefenbereich von 85–160 km
Pyrolite mit steigendem Druck zu. Wegen der unter- (Abb. 17.2). Neben H 2O können auch andere leicht-
schiedlichen Pyrolit-Paragenesen (s. oben) verläuft die flüchtige Komponenten, insbesondere CO2 den Pyrolit-
Soliduskurve nicht stetig, sondern weist Knicke auf. In Solidus erniedrigen.
Abb. 17.2 erkennt man, dass die Soliduskurve durch die Wie in Abb. 17.3 schematisch dargestellt, variiert der
geothermischen Gradienten unter stabilen Kontinental- Aufschmelzgrad bei einem H2O-Gehalt von 0,1 % und
schilden (kontinentaler Geotherm) oder unter den Oze- bei Temperaturen und Drücken, die dem ozeanischen
anen (ozeanischer Geotherm) nicht geschnitten wird. Die Geotherm entsprechen, zwischen 0,5 und 1,5 %. Durch
Temperaturzunahme mit der Tiefe reicht also für ein diesen geringen Schmelzanteil wird die Fortpflanzungs-
partielles Schmelzen von H2O-freiem Pyrolit nicht aus. geschwindigkeit der Erdbebenwellen verringert. Damit
Lediglich stark erhöhte geothermische Gradienten, lässt sich die Zone erniedrigter Wellengeschwindigkeiten
wie sie z. B. unter den Achsen von mittelozeanischer Rü- im oberen Erdmantel, die Low-Velocity Zone, erklären,
cken realisiert sind, überschneiden sich mit dem „tro- die bereits 1926 durch den deutschen Geophysiker Beno
ckenen“ Pyrolit-Solidus, so dass es an divergenten Plat- Gutenberg erkannt wurde; sie liegt in wechselnden Tie-
tenrändern schon in relativ geringer Tiefe (ca. 15–40 km) fenbereichen zwischen 60 und 260 km (Abschn. 27.3.2,
zum partiellen Aufschmelzen von H2O-freiem Mantel- S. 489f). Die mit dem partiellen Schmelzen verbundene
material kommen kann. So bilden sich im Grenzbereich Dichte-Erniedrigung reicht aus, um diese Mantelbereiche
zwischen Plagioklas- und Spinell-Pyrolit bei etwa 11 kbar als Diapire aufsteigen zu lassen, wobei das auslösende
Tholeiite mit MORB-ähnlicher Zusammensetzung, die Moment wohl meist in tektonischen Vorgängen zu su-
bei etwas niedrigeren Drücken Qtz-normativ, bei höhe- chen ist. Die Aufstiegsgeschwindigkeit ist ausreichend
ren Drücken Ol-normativ sind (Presnall et al. 1979; hoch, um einen vollständigen Wärmeaustausch mit der
Jaques u. Green 1980; Takahashi u. Kushiro 1983). Umgebung zu verhindern. Die Manteldiapire kühlen sich
also nur adiabatisch ab; ihr P-T-Pfad entfernt sich daher
17.2.3 stark vom geothermischen Gradienten. Mit abnehmen-
Partielles Schmelzen von H2O-haltigem Pyrolit der Erdtiefe nimmt wegen der zunehmenden Druck-
entlastung der Aufschmelzgrad bei diesem Dekompres-
Anders liegen die Verhältnisse, wenn Pyrolit geringe sions-Schmelzen immer stärker zu und kann 30 % errei-
Mengen an (OH)-haltigen Mineralen wie Amphibol oder chen (Ringwood 1975, 1979). Die chemische Zusammen-
Phlogopit enthält. Der Pyrolit-Solidus erhält jetzt eine setzung der gebildeten Magmen und des Restgesteins
ganz andere Form, die durch die obere Stabilitätsgrenze wird von den P-T-Bedingungen am jeweiligen Auf-
dieser Minerale bestimmt ist; er schneidet daher zumin- schmelzort, besonders aber vom Aufschmelzgrad gesteu-
Abb. 17.3.
P-T-Diagramm zur Bildung
basaltischer Magmen durch
partielles Schmelzen des Erd-
mantels. Dicke Linie: Solidus
von Pyrolit mit 0,1 % H2O;
OG: ozeanischer Geotherm;
dünn-punktiert: Linien glei-
chen Aufschmelzgrades. Die
Art des gebildeten basalti-
schen Magmas hängt vom
Aufschmelzgrad und den je-
weiligen P-T-Bedingungen
ab (Tabelle 17.2). (Nach Ring-
wood 1975)
17.2 · Bildung von Basalt-Magmen durch partielles Schmelzen von Mantelperidotit 283
ert: Je geringer der Schmelzanteil, desto höher ist der rela- te. Es wird zunächst ein Kimberlit-Magma (A1) gebildet. Mit steigen-
tive Anteil an inkompatiblen Elementen in der Schmelze, je den Schmelzanteilen entstehen verschiedene alkalibasaltische Mag-
men (A2)–(A5); bei einem Aufschmelzgrad von etwa 18 % in 25 km
höher der Aufschmelzgrad, desto Mg-reicher ist die Schmel- Tiefe (A6) wird zunehmend die Al2O3-Komponente in der Schmelze
ze. So dürften Olivin-Nephelinite und Basanite Schmelzan- gelöst, so dass jetzt ein High-Al-Olivintholeiit gebildet wird und als
teile von 1–5 %, Alkali-Olivin-Basalte von 5–10 %, Tholeii- Restgestein ein Harzburgit (Ol + Opx) übrig bleibt. Bei noch höhe-
te von 15–25 %, Pikrite von 30 % repräsentieren. Unter den ren Aufschmelzgraden wird verstärkt Opx in die Schmelze inkorpo-
extrem hohen geothermischen Gradienten, wie sie im Ar- riert unter Bildung von Olivintholeiiten (A7) und tholeiitischen Pik-
riten (A8); es bleiben jetzt Dunite als Restgesteine übrig. Wir erin-
chaikum herrschten, wurden sogar Aufschmelzgrade von nern uns daran, dass in Alkalibasalten häufig Xenolithe von Harz-
60 % erreicht, durch die Komatiit-Magmen gebildet wur- burgit, seltener auch von Dunit vorkommen. Bei den Diapiren B und
den (Ringwood 1979). Bei geringem Aufschmelzgrad blei- C ergeben sich analoge basaltische Serien (Tabelle 17.2). Demgegen-
ben Lherzolithe (Ol + Opx + Cpx ± Spl ± Grt), bei höhe- über verlässt Diapir D bei seinem adiabatischen Aufstieg den Be-
ren Aufschmelzgraden dagegen Harzburgite (Ol + Opx) reich des partiellen Schmelzens und erreicht als Hochtemperatur-
Peridotit weitgehend unverändert die Erdoberfläche.
oder Dunite (Ol) als verarmte Restgesteine übrig (Abb. 17.4).
Durch den unterschiedlichen Aufschmelzgrad beim Auch in tieferen Bereichen des Erdmantels, insbeson-
Dekompressionsschmelzen, der in Abhängigkeit von den dere in der Übergangszone zwischen oberem und unte-
P-T-Bedingungen erreicht wird, können magmatische Se- rem Erdmantel sowie an der Kern-Mantel-Grenze kommt
rien entstehen (Tabelle 17.2). es zum partiellen Schmelzen von Mantelgesteinen. Sol-
che teilgeschmolzenen Bereiche steigen als Diapire in den
Als Beispiel für eine solche Entwicklung diene Punkt A auf dem oze-
anischen Geotherm in etwa 160 km Tiefe. Bei etwa 1350 °C schmilzt oberen Erdmantel auf. Auch tief subduzierte Fragmente
hier etwa 0,5 % des H2O-haltigen Pyrolits auf. In diesem geringen von ozeanischer Erdkruste können im tiefen Erdmantel
Schmelzanteil sammeln sich alle inkompatiblen chemischen Elemen- aufschmelzen (Abschn. 27.3.4, S. 492f).
Tabelle 17.2.
Beziehungen zwischen Auf-
schmelzgrad und Zusammen-
setzung basaltischer Magmen
(Abb. 17.3). (Nach Ringwood
1975)
284 17 · Die Herkunft des Basalts
Abb. 17.4.
Die Zusammensetzung unter-
schiedlicher Basalt-Schmelzen
und ihrer Restgesteine in Ab-
hängigkeit vom Aufschmelz-
grad des Pyrolits. (Nach Ring-
wood 1979)
Weiterführende Literatur Clark SP, Ringwood AE (1964) Density distribution and constitu-
tion of the mantle. Rev Geophys 2:35–88
Brown GC, Mussett AE (1993) The inaccesible earth, 2nd edn. Green DH, Ringwood AE (1967a) The stability fields of alumi-
Chapman & Hall, London nous pyroxene peridotite and garnet peridotite and their
Green DH, Ringwood AE (1967b) Genesis of basaltic magmas. relevance in upper mantle structure. Earth Planet Sci Lett 3:
Contrib Mineral Petrol 15:103–190 151–160
Jackson I (ed) (1998) The Earth’s mantle: Composition, structure, Jaques AL, Green DH (1980) Anhydrous melting of peridotite at
and evolution. Cambridge University Press, Cambridge, UK 0–15 Kb pressure and the genesis of tholeiitic basalts. Contrib
Ringwood AE (1975) Composition and petrology of the Earth’s Mineral Petrol 73:287–310
mantle. McGraw-Hill, New York Pearce JA, Cann JR (1973) Tectonic setting of basic volcanic rocks
Ringwood AE (1979) Origin of theEarth and Moon. Springer, New York determined using trace element analyses. Earth Planet Sci Lett
19:290–300
Zitierte Literatur Presnall DC, Dixon JR, O’Donell TH, Dixon SA (1979) Generation
of mid-ocean ridge tholeiites. J Petrol 20:3–35
Bottinga Y, Allègre CJ (1978) Partial melting under spreading ridges. Takahashi E, Kushiro I (1983) Melting of a dry peridotite at high
Phil Trans Roy Soc London A 288:501–525 pressures and basalt magma genesis. Am Mineral 68:859–879
18
Die Herkunft des Granits
18.1 Zusammen mit Granodioriten und Tonaliten stellen Granite die wichtigste Grup-
Genetische Einteilung pe von Plutoniten dar. Durch experimentelle Untersuchungen im vereinfachten
der Granite auf Modellsystem Qz–Or–Ab (–An)–H2O (–CO2) konnte nachgewiesen werden, dass
geochemischer Basis sich granitische Magmen durch partielle Anatexis von Gesteinen der unteren Erd-
kruste bilden. Damit wurden ältere Modelle der „Transformisten“, nach denen
18.2 Granite nicht magmatisch, sondern durch metasomatische Umwandlung meta-
Experimente zur morpher Gesteine entstehen, widerlegt. In ihrer Zusammensetzung spiegeln
Granitgenese Granite die unterschiedlichen plattentektonischen Situationen wider, in denen
sie gebildet wurden.
286 18 · Die Herkunft des Granits
A-Typ-Granite (Anorogenic source rocks). Sie weisen alkali- erst später wurden das Tonalit-System Qz–Ab–An–H2O
reiche Zusammensetzungen mit hohen (Na2O + K2O)- und das Haplogranodiorit-System Qz–Ab–Or–An–H2O
und niedrigen CaO-Gehalten auf; trotzdem sind sie nicht untersucht, die wegen der langsamen chemischen
immer peralkalin, sondern – wegen entsprechend hoher Diffusion in der Kristallstruktur der Plagioklase grö-
Al2O3-Gehalte – häufig metaluminos oder sogar peralumi- ßere experimentelle Probleme boten.
nos. Charakteristisch sind hohe Werte der inkompatiblen
Spurenelemente wie Zr, Y, Ga, Nb, Zn und SEE (außer Eu)
und extrem variable Initialverhältnisse von 87Sr/86Sr Schmelzversuche wurden zuerst von Tuttle u. Bowen
(0,703–0,720). Als mafischer Gemengteil ist ein grüner (1958) im H2O-freien System Qz–Ab–Or bei P = 1 bar
Biotit typisch; daneben können Na-Amphibole und Na- und im H 2O-gesättigten System Qz–Ab–Or–H 2O bis
Pyroxene auftreten. A-Typ-Granite werden als anoroge- PH2O = 4 kbar durchgeführt und später von Luth et al.
nes Aufschmelzungsprodukt der Unterkruste angesehen, (1964) auf H2O-Drücke von 4–10 kbar erweitert. Dabei
wobei die fluide Phase arm an H2O (anhydrous), aber konnten die thermischen Minima bzw. Eutektika, deren
reich an Fluor ist. A-Typ-Granite können große Batholithe Schmelzzusammensetzungen sowie die Phasenbeziehun-
bilden. Sie treten darüber hinaus auch in Form von Ring- gen zwischen Kristallen und Schmelzen bestimmt wer-
komplexen auf, die durch Kesseleinbrüche entstanden den. Diese klassischen Untersuchungsergebnisse wurden
sind (Abschn. 13.3.2, S. 235f), oder als Bestandteile von durch Experimente bei erhöhten H2O-Drücken bis 35 kbar
Layered Intrusions (Abschn. 13.3.3, S. 236f). Granite mit (= 3,5 GPa) bestätigt (z. B. Huang u. Wyllie 1975; Johannes
Rapakivi-Gefüge (Abb. 11.4, S. 199) besitzen häufig 1984). Darüber hinaus wurde eine Fülle von experimentel-
A-Typ-Charakter (Bonin 2007). Der A-Typ ist der einzige len Ergebnissen aus dem Granitsystem publiziert, die vor
Granittyp, der nicht an Plattengrenzen gebunden ist. Er tritt allem folgende Probleme betreffen (Johannes u. Holtz 1996):
vorwiegend innerhalb kontinentaler Riftzonen auf (Intra-
platten-Granite, Within-Plate Granites, WPG; z. B. Haapala Phasenbeziehungen in H2O-untersättigten Granit-
et al. 2005). Auch die 4,4–3,9 Milliarden Jahre (Ga) alten Gra- systemen,
nit-Bruchstücke im Regolith der Mond-Oberfläche (Kap. 28) Löslichkeit von H2O und mafischen Komponenten in
weisen wahrscheinlich A-Typ-Charakter auf (Bonin 2007). granitischen Schmelzen,
Einfluss von H2O und anderen leichtflüchtigen Kom-
M-Typ-Granite (Mantle source rocks). Diese Granite sind am ponenten (F, Cl, B2O3 etc.) auf die physikalischen Ei-
stärksten kalkalkalibetont. Die Na2O- und CaO-Gehalte genschaften von granitischen Schmelzen wie zum
sind höher, die K2O-Gehalte niedriger als in I-Typ-Gra- Beispiel ihre Viskosität,
niten; das initiale 87Sr/86Sr-Verhältnis liegt bei 0,704, d. h. Phasenbeziehungen in Haplogranodioriten und in
nahe am typischen Mantelwert (0,703). Als Mafite treten noch komplexeren synthetischen Systemen sowie in
Biotit, Hornblende und Pyroxen auf. M-Typ-Granite natürlichen Graniten, Granodioriten und Tonaliten,
kommen meist nur in kleineren Körpern vor; sie stellen Schmelzbildung durch Entwässerung von (OH)-haltigen
direkte Manteldifferentiate unter den Inselbögen dar. Mineralen wie Muscovit, Biotit oder Amphibol in hoch-
metamorphen Ausgangsgesteinen von Graniten bei H2O-
18.2 Untersättigung (Dehydrationsschmelzen). 18.2
Experimente zur Granitgenese
Alle diese experimentellen Ergebnisse bilden wichti-
18.2.1 ge Beiträge zur Klärung der Granitgenese in der Natur.
Einführung Im Rahmen dieses Buches können wir nur eine sehr be-
grenzte Auswahl treffen.
Das System Kalifeldspat (Or = KAlSi3O8) – Albit (Ab
= NaAlSi3O8) – Anorthit (An = CaAl2Si2O8) – Quarz 18.2.2
(Qz = SiO2) – Wasser (H2O) kann als vereinfachtes Kristallisationsverlauf granitischer Magmen: Experimente
System für die Genese von Graniten, darüber hinaus im H2O-gesättigten Modellsystem Qz–Ab–Or–H2O
auch von Granodioriten, Tonaliten und Quarzdio-
riten, angesehen werden. Die femischen Komponen- Dieses System ist sehr gut geeignet, die Kristallisationsab-
ten (MgO, FeO) der dunklen Gemengteile bleiben un- folge in granitischen Schmelzen unter Gleichgewichtsbedin-
berücksichtigt. Dieses Fünfstoff-System ist als Gan- gungen und bei Kristallfraktionierung zu modellieren. Es
zes experimentell noch nicht untersucht; jedoch sind handelt sich um das SiO2-übersättigte Teilsystem des Drei-
seine wichtigsten Teilsysteme bekannt. Da natürliche stoff-Systems Ne–Ks–SiO2, das wir in Kap. 16 (Abb. 16.12)
Granite zu mehr als 80 % aus den normativen Kom- bereits kennen gelernt hatten.Abbildung 18.1 zeigt wiederum
ponenten Qz, Ab und Or bestehen, ging man zunächst die Projektion der Liquidusfläche auf die H2O-freie Grund-
vom sog. Haplogranit-System Qz–Ab–Or–H2O aus; fläche mit den Isothermen. Da H2O im Überschuss vorhan-
288 18 · Die Herkunft des Granits
den ist, braucht es als Komponente graphisch nicht darge- beginnt neben Qz die Ausscheidung eines Alkalifeldspat-
stellt zu werden. Bei dem hier gewählten H2O-Druck von Mischkristalls (Akfss) der Zusammensetzung ~ Or86Ab14,
2 kbar schmilzt Kalifeldspat immer noch inkongruent, so der also deutlich Or-reicher ist als die Schmelze (vgl.
dass nahe der Or-Ecke des Systems ein winziges Ausschei- Abb. 16.12). Bei weiterer Abkühlung verändert sich die
dungsfeld des Leucits besteht, das allerdings für die folgen- Schmelzzusammensetzung unter fortschreitender Kris-
den Überlegungen bedeutungslos ist. Die flankierenden tallisation von Qz und Orss entlang der kotektischen
Zweistoff-Systeme Or–SiO2–(H2O) und Ab–SiO2–(H2O) Linie E1–E2 zum Temperaturminimum M hin, bis die
weisen Eutektika bei 770 °C (E1) bzw. 745 °C (E2) auf, die Schmelze aufgebraucht ist. Dabei wird der Akfss durch
durch eine kotektische Linie mit einem ternären Minimum M Reaktion mit der Schmelze immer Ab-reicher; das ent-
von 685 °C miteinander verbunden sind. Das System der stehende „Gestein“ wäre ein Hypersolvus-Granit aus 50 %
Alkalifeldspäte Or–Ab–(H2O) besitzt ein binäres Minimum m Quarz und 50 % eines einheitlichen Akfss Or50Ab50; die-
bei 800 °C, das bei H2O-Drücken um 5 kbar in ein binäres ser würde sich erst bei weiterer Abkühlung nach Errei-
Eutektikum übergeht (Abb. 16.12, S. 266); schon bei etwa chen des Solvus in Orss und Abss entmischen (Abb. 16.12).
3 kbar ist das ternäre Minimum zum ternären Eutektikum Der Chemismus des letzten Schmelzrestes muss expe-
geworden (Abb. 18.3). rimentell bestimmt werden. Unter Gleichgewichtsbedin-
Die Isothermen der Liquidusfläche (Abb. 18.1) zeigen gungen wird die Zusammensetzung des kotektischen
einen steilen Temperaturanstieg zur Qz-Ecke an. Weni- Minimums M meist nicht erreicht, während bei fraktio-
ger steil ist ihr Anstieg gegen die Or- und besonders gegen nierter Kristallisation von Qz die letzte Restschmelze
die Ab-Ecke hin. Zwischen dem ternären Minimum M und dem Chemismus von M entsprechen könnte (s. unten).
dem binären Minimum m befindet sich ein thermisches Eine Schmelze der Zusammensetzung Y = Qz20Or45Ab35
Tal. Schärfer ausgeprägt ist das thermische Tal der kotek- würde beim Abkühlen auf ~780 °C die Liquidusfläche er-
tischen Linie, die vom Minimum M nach den beiden reichen und Or-reichen Orss ~ Or88Ab12 ausscheiden. Bei
eutektischen Punkten E1 und E2 leicht ansteigt. Sie teilt weiterer Abkühlung verändert sich die Schmelzzusam-
die Liquidusfläche in zwei Teilgebiete, die Ausscheidungs- mensetzung unter kontinuierlicher Kristallisation von
felder von Quarz und von Alkalifeldspäten. Orss entlang einer gekrümmten Bahn, bis bei Punkt B die
Kühlt man eine Schmelze der Zusammensetzung kotektische Linie erreicht wird; hier kristallisieren Qz
X = Qz50Ab25Or25 ab, so wird bei ca. 850 °C die Liquidus- und Orss gemeinsam, wobei der Akfss immer Ab-reicher
fläche erreicht und es beginnt Quarz im Gleichgewicht wird. (vgl. Abb. 16.12, S. 266). In der Nähe des ternären
mit der Schmelze auszukristallisieren, wobei eine H2O- Minimums ist der letzte Schmelzrest verbraucht und der
reiche fluide Phase frei wird. Bei weiterer Abkühlung setzt entstehende Hypersolvus-Granit hat die Zusammenset-
sich die Qz-Auscheidung fort und die Schmelzzusam- zung 20 % Quarz + 80 % Akfss Or56Ab44. Eine analoge Ent-
mensetzung verändert sich entlang einer geraden Linie, wicklung nimmt eine Schmelze der Zusammensetzung Z
bis bei Punkt A die kotektische Linie erreicht ist. Jetzt (Qz10Or10Ab80); doch scheidet sich bei 800 °C zunächst fast
reiner Albit aus. Dieser erreicht erst bei weiterer Gleichge-
wichtskristallisation die Endzusammensetzung ~ Ab89Or11.
Die Schmelzzusammensetzung folgt der gekrümmten
Kristallisationsbahn, die bei C auf die kotektische Linie
trifft und nicht ganz das ternäre Minimum M erreicht.
Das entstehende „Gestein“ ist ein Quarz-Albit-Syenit.
In vielen Fällen wird die Kristallisation granitischer
Magmen nicht unter Gleichgewichtsbedingungen erfol-
gen, sondern es wird zu Fraktionierungsprozessen kom-
men. Wie mehrfach betont, sind die wesentlichen Pro-
zesse dafür das Absaigern der früh ausgeschiedenen
Quarz- oder Alkalifeldspat-Kristalle, die Entfernung der
Restschmelze durch Filterpressung oder Zonarbau der
Alkalifeldspäte. In Abb. 18.2 sind die Fraktionierungs-
kurven – jetzt bei PH2O = 1 kbar – in das Dreistoff-Sys-
Abb. 18.1. Das Modellsystem Quarz (Qz) SiO2–Albit (Ab) NaAlSi3O8– tems Qz–Ab–Or–(H2O) eingetragen (Tuttle u. Bowen
Kalifeldspat (Or) KAlSi3O8–H2O bei 2 kbar H2O-Druck. Projekti- 1958). Diese verlaufen, ausgehend von der Qz-, Ab- oder
on der Liquidusfläche auf die wasserfreie Basis des Qz-Ab-Or-H2O- Or-Ecke, jeweils in Richtung auf die kotektische Linie zu,
Tetraeders. E1 und E2 sind Eutektika; M kennzeichnet die Zusam-
mensetzung des Schmelzminimums auf der kotektischen Linie mit
bei der Quarz und Alkalifeldspat gemeinsam kristalli-
35 % Q, 40 % Ab, 25 % Or. Das System ist H2O-gesättigt. (Nach Tuttle sieren. Im Bereich Qz–E1–E2 scheidet sich Qz als Liqui-
u. Bowen 1958 aus Winkler 1979) dusphase aus; da die Qz-Zusammensetzung konstant
18.2 · Experimente zur Granitgenese 289
(1958) konnten zeigen, dass natürliche Granite und Rhyo- Bei rund 17 kbar und 620 °C wird die obere Druck-
lithe, die zu >80 % aus den Norm-Mineralen Qz + Ab + Or Stabilitätsgrenze von Albit erreicht und die Soliduskurve
bestehen, ganz überwiegend in die Nähe des ternären wird durch Reaktionskurve
Minimums bzw. Eutektikums im System Qz–Ab–Or–(H2O)
bei H2O-Drücken von 0,5–5 kbar fallen (Abb. 18.4). Das Jadeit + Quarz = Albit (18.3)
kann als wichtiges Kriterium für ihre magmatische Ab-
kunft betrachtet werden. geschnitten. Daher gilt jetzt die Schmelzreaktion
Bei PH2O = 20 kbar beträgt der Ab-Anteil im ternären Eutektikum Qz + Jd + Orss + H2O = Schmelze (18.4)
>60 %, während der Qz-Anteil auf <20 % gesunken ist. Deswegen
dürften beim partiellen Schmelzen von sehr tief versenkten Krusten-
Bis zum Einsetzen dieser Reaktion hat die Solidus-
teilen – z. B. bei Kontinent- Kontinent-Kollision – keine granitischen,
sondern eher (quarz-)syenitische Magmen entstehen. Wie experi- kurve eine negative Steigung. Da nach der Clausius-
mentelle Ergebnisse zeigen, gilt das auch für den Fall der H2O-Unter- Clapeyron’schen Gleichung
sättigung, der in der tiefen Kruste sehr wahrscheinlich ist.
[18.1]
18.2.3
Experimentelle Anatexis: Experimente unter
H2O-gesättigten und H2O-untersättigten Bedingungen (s. S. 258) negativ wird, nimmt die Solidustemperatur mit
im Modellsystem Qz–Ab–Or–H2O steigendem H2O-Druck ab, und zwar zunächst dramatisch:
Mit einem Druckanstieg von 1 bar bis 1 kbar sinkt die Soli-
Bei der Bildung und Kristallisation granitischer dustemperatur von 960 auf 720 °C, d.h. um 240 °C, was haupt-
Magmen sind H2O-gesättigte Bedingungen eher die sächlich auf eine starke Erniedrigung des Molvolumens von
Ausnahme: in der Regel herrscht dagegen H2O- Wasserdampf zurückzuführen ist. Danach verläuft die Soli-
Untersättigung. Für die Bildung H2O-gesättigter Si- duskurve zunehmend steiler; denn mit steigendem Druck
likat-Schmelzen sind nämlich beachtliche H2O-Ge- nimmt die Kompressibilität von Wasserdampf immer mehr
halte notwendig, die in der tieferen Erdkruste oder ab, d. h. die Erniedrigung seines Molvolumens mit dem Druck
gar im oberen Erdmantel nicht oder höchstens in wird immer geringer. Beim Schnittpunkt mit der Gleichge-
extremen Ausnahmefällen zur Verfügung stehen; so wichtskurve (18.3) erhält die Soliduskurve sogar eine schwach
enthält eine wassergesättigte Granit-Schmelze bei ei- positive Neigung, die sie bis zu hohen Drücken beibehält,
nem Druck von 5 kbar bereits nahezu 10 Gew.-% wie Experimente bis 35 kbar zeigen (Huang u. Wyllie 1975).
H2O (Johannes u. Holtz 1996). Trotzdem stellt die Eine weitere Grenzbedingung nach hohen Tempera-
H2O-gesättigte Granit-Soliduskurve eine sehr wich- turen hin ist die Soliduskurve im H2O-freien System
tige Grenzbedingung dar, unter der sich granitische Qz–Ab–Or, die nach der Clausius-Clapeyron’schen Glei-
Magmen bilden können bzw. auskristallisieren. chung in der Form
Abb. 18.5. Druck-Temperatur-Diagramm mit den Soliduskurven im Abb. 18.6. Druck-Temperatur-Diagramm mit den Soliduskurven
Modellsystem Qz–Ab–Or–H2O–CO2 für unterschiedliche Molen- (durchgezogen) im System Qz–Ab–Or–H2O–CO2 für unterschied-
brüche XH2O = H2O / (H2O + CO2). (Nach Ebadi u. Johannes 1991, liche H2O-Aktivitäten aH2O sowie den Liquiduskurven (gestrichelt)
aus Johannes u. Holtz 1996) für bestimmte Wassergehalte. (Nach Johannes u. Holtz 1996)
tragen, dass sich H2O und CO2 bei erhöhten Drücken nicht Heizt man bei einem Druck von 5 kbar ein Mineralgemenge aus
als ideale Gase verhalten. 31 Gew.-% Qz + 31 Gew.-% Ab + 36 Gew.-% Or sowie 2 Gew.-% H2O
auf, so wird bei 645 °C die Soliduskurve erreicht und es bildet sich
Für die Aktivität der Komponente i gilt ai = γ iXi; der Aktivitätsko- eine H2O-gesättigte Erstschmelze der kotektischen Zusammenset-
effizient γ i ist in der Regel P-T-abhängig und kann experimentell zung 31 % Qz + 47 % Ab + 22 % Or, die fast 10 Gew.-% H2O ent-
bestimmt werden. Wie der Vergleich von Abb. 18.5 und 18.6 zeigt, hält. Da aber nur 2 Gew.-% H2O im System vorhanden sind, kann
ist der Verlauf der T-XH2O- und T-aH2O-Kurven sehr ähnlich. Die der Schmelzanteil lediglich 20 % betragen. Mit steigender Tempe-
angegebenen Aktivitäten wurden für eine fluide Phase berechnet, ratur nimmt jedoch der Mindest-H2O-Gehalt, der für die H2O-Sät-
die nur aus H2O und CO2 besteht. Dabei ist nicht berücksichtigt, tigung notwendig ist, immer mehr ab, so dass der Schmelzanteil
dass bei hohen Drücken und Temperaturen silikatische Kompo- kontinuierlich zunehmen kann. Bei 785 °C ist die Liquiduskurve
nenten, insbesondere SiO2, im Fluid gelöst werden (z. B. Kennedy für 4 Gew.-% H2O erreicht; nun sind bereits 50 % des Ausgangs-
et al. 1962). Das würde zu einer weiteren „Verdünnung“, d. h. zu ei- gemenges geschmolzen. Zum vollständigen Aufschmelzen käme es,
ner Erniedrigung von aH2O im Fluid führen, zu deren Ausmaß je- wenn man bei 880 °C auf die Liquiduskurve für 2 Gew.-% H2O –
doch keine experimentellen Daten vorliegen. entsprechend dem ursprünglichen H2O-Gehalt – trifft (Johannes
u. Holtz 1996, S. 53). Wie man aus Abb. 18.6, in der neben den Li-
quiduskurven auch die Soliduskurven für unterschiedliche aH2O dar-
Wenn ein Gestein bei gegebenem H2O-Druck bis zur gestellt sind, entnehmen kann, ist die H2O-Aktivität im System wäh-
Solidus-Temperatur aufgeheizt wird, beginnt es zu schmel- rend des Schmelzprozesses von 1 auf <0,2 gesunken. Die partiell
zen, wobei zunächst eine Schmelze entsteht, deren Qz-Ab- gebildete Schmelze ändert ihre Zusammensetzung mit fortschrei-
Or-Verhältnis dem ternären Minimum bzw. Eutektikum bei tendem Schmelzvorgang. Sie startet mit einer H2O-gesättigten eu-
diesem H2O-Druck entspricht. Der Aufschmelzgrad hängt tektischen Zusammensetzung von 31 % Qz + 47 % Ab + 22 % Or,
verändert sich entlang der kotektischen Kurve ET → E1 in Abb. 18.3
von der erreichten Temperatur und vom H2O-Gehalt ab. Die
und endet – Gleichgewichtsbedingungen vorausgesetzt – bei der
Liquiduskurven, die in diesem System experimentell be- Ausgangszusammensetzung von 31 % Qz + 31 % Ab + 36 % Or.
stimmt wurden, geben den Mindestgehalt an H2O an, der Wegen der ständig sinkenden H2O-Aktivität lässt sich allerdings
nötig ist, um eine Quarz-Alkalifeldspat-Paragenese kotek- der Verlauf des Gleichgewichtsschmelzens in der Ebene Qz–Ab–Or
tischer Zusammensetzung vollständig aufzuschmelzen. Bei nicht eindeutig darstellen; die gleiche Schwierigkeit würde auch
für fraktioniertes Schmelzen gelten. Experimentelle Daten zeigen,
isothermer Druckerhöhung steigt dieser Mindest-H2O-
dass bei Erniedrigung von aH2O die Ab : Or-Verhältnisse der ternä-
Gehalt an, während er bei isobarer Temperaturerhöhung ren Minima bzw. Eutektika leicht, bei 10 kbar sogar deutlich ab-
abnimmt, z. B. bei 5 kbar und einer Steigerung der Tempe- nehmen, während die Qz : (Ab + Or)-Verhältnisse annähernd un-
ratur von 645 auf 875 °C von ca. 10 auf 2 Gew.-% (Abb. 18.6). verändert bleiben (Johannes u. Holtz 1996, Abb. 2.20).
Deshalb können bei hohen Temperaturen durch Dehydra-
tionsschmelzen relativ hohe Schmelzanteile erzeugt wer- Wie aus Abb. 18.3 hervorgeht, können in der Tiefe gebil-
den, was bei niedrigen Temperaturen nicht der Fall ist. dete granitische Magmen nur so weit in der Erdkruste auf-
292 18 · Die Herkunft des Granits
Abb. 18.7.
Das Druck-Temperatur-Diagramm zeigt die
schematischen Aufstiegspfade eines graniti-
schen Magmas mit einem Schmelzanteil von
50 %. A Pfad mit langsamem Aufstieg und star-
ker Abkühlung, so dass die Schmelze kristalli-
siert. B Pfad ohne Kristallisation oder Auf-
schmelzung, d. h. mit konstantem Kristall-
Schmelze-Verhältnis. C Pfad mit adiabatischem
Aufstieg, so dass es zum Aufschmelzen kommt.
(Nach Johannes u. Holtz 1996)
steigen, bis sie die P-T-Bedingungen des H2O-gesättigten Aufstieg kontinuierlich ab. Die H2O-Aktivität verän-
Solidus erreichen. Daher können Granit-Magmen, die weit dert sich dabei zunächst nur wenig und steigt erst bei
über diesen Solidus aufgeheizt sind und geringe H2O-Ge- Drücken unterhalb ca. 2 kbar stark an. Die H2O-ge-
halte aufweisen, in ein höheres Krustenniveau intrudieren sättigte Soliduskurve wird bei einem Druck von etwa
als weniger heiße und H2O-reichere. Dabei spielt die Auf- 500 bar – entsprechend einem sehr seichten Intrusi-
stiegs- und Abkühlungsrate eine wichtige Rolle. onsniveau von knapp 2 km – und 765 °C erreicht, wo
Nach Johannes u. Holtz (1996) können wir drei Fälle das Magma erstarrt (Abb. 18.7).
unterscheiden. Wir wollen sie anhand eines Granit-Mag- 3. Der Aufstiegspfad B liegt zwischen diesen beiden Ex-
mas, das bei P = 8 kbar, T = 820 °C und einem Gesamt- tremfällen. Die Abkühlungsrate nimmt gerade einen
H2O-Gehalt von 2 Gew.-% gebildet wurde, erläutern solchen Wert an, dass beim Aufstieg weder Kristallisa-
(Abb. 18.7). Da bei diesen P-T-Bedingungen die Schmel- tion noch Schmelzen stattfindet; das Kristall-Schmel-
ze mit 4 Gew.-% H 2O gesättigt ist, beträgt der Auf- ze-Verhältnis bleibt also konstant. Das Magma erstarrt,
schmelzgrad 50 % (Abb. 18.6), d. h. er liegt über dem wenn die H2O-gesättigte Soliduskurve bei ca. 1 kbar
rheologisch kritischen Schmelzanteil von ca. 25–40 % entsprechend einer Tiefe von knapp 4 km und einer
(s. Abschn. 15.2.2, S. 250). Daher kann das gebildete Mag- Temperatur von 720 °C getroffen wird.
ma als Kristallbrei in der Kruste aufsteigen.
Ausgehend von einer Soliduskurve für aH2O von etwa 0,33 werden
beim Aufstieg des Granitmagmas die Soliduskurven für immer hö-
1. Beim Pfad A erfolgt der Aufstieg so langsam, dass sich here H2O-Aktivitäten gekreuzt, bis der H2O-gesättigte Solidus mit
das Magma durch Ableitung der Wärme in die Umge- aH2O = 1 erreicht ist. Dementsprechend muss sich auch die Zusam-
bung, d. h. durch konduktiven Wärmetransport ab- mensetzung der Schmelze, die ja den ternären Minima bzw. Eutekti-
kühlt. Dadurch kommt es zur Kristallisation, so dass ka für unterschiedliche H2O-Aktivitäten entspricht, und damit auch
die Zusammensetzung des kristallinen Residuums verändern.
das Kristall-Schmelze-Verhältnis kontinuierlich zu-
nimmt, ebenso die H2O-Aktivität (vgl. Abb. 18.6). Bei
2,5 kbar und 670 °C wird die H2O-gesättigte Solidus- Aus den experimentellen Ergebnissen folgt, dass der
kurve erreicht und das gesamte Magma kristallisiert weit überwiegende Anteil der granitischen Magmen
aus. Der Granitpluton hat demnach eine Intrusions- als Plutone in der Erdkruste stecken bleiben. Nur
tiefe von knapp 10 km (Abb. 18.7). ungewöhnlich heiße, H2O-arme Granit-Magmen, die
2. Demgegenüber ist der Aufstiegspfad C nahezu adia- nahezu adiabatisch aufsteigen, können die Erdober-
batisch, d. h. das Magma steigt so rasch auf, dass kaum fläche erreichen und im Zuge von Vulkanausbrüchen
Wärmeaustausch mit der Umgebung erfolgen kann. in Form rhyolitischer Laven, Tuffe oder Ignimbrite
Daher kommt es zum Dekompressionsschmelzen, und gefördert werden. Das ist jedoch viel seltener der Fall
das Verhältnis Kristalle zu Schmelze nimmt mit dem als die Intrusion von Graniten.
18.2 · Experimente zur Granitgenese 293
Abb. 18.8.
H2O-gesättigte Soliduskurven im System
Qz–Ab–An–Or–H2O für unterschiedliche
An : (An + Ab)-Verhältnisse. Eingetragen
sind außerdem die oberen Druck-Stabili-
tätskurven für Anorthit + Kalifeldspat, An-
orthit, Plagioklas (An20) + Kalifeldspat und
Plagioklas (An20). (Nach Johannes 1984)
19.1 Zunächst seien einige allgemeine Bemerkungen zur Genese und Gliederung von
Einführung Lagerstätten vorausgeschickt:
Durch magmatische Prozesse (Plutonismus und Vulkanismus) können Schwer-
19.2 metalle oder andere geochemisch seltene Elemente über den geochemischen Durch-
Lagerstättenbildung schnitt der Erdkruste angereichert werden. Es kommt zur Kristallisation von Erz- und
durch fraktionierte Industriemineralen, die bauwürdige oder sogar weltwirtschaftlich bedeutsame Erz-
Kristallisation und Minerallagerstätten bilden können.
In vielen Fällen erfolgt die magmatische Lagerstättenbildung schon während der
19.3 Kristallisation des Magmas, oft relativ früh in der magmatischen Entwicklung: ortho-
Lagerstättenbildung magmatische Lagerstätten. Häufig scheiden sich Erz- oder Industrieminerale im An-
durch liquide schluss an die Kristallisation eines magmatischen Gesteins aus wässerigen Rest-
Entmischung schmelzen oder Restlösungen aus; zu diesen spätmagmatischen Lagerstätten gehö-
von Sulfid- und ren die Pegmatite (Kap. 20) sowie hydrothermale Gänge und Adern. In anderen Fällen
Oxid-Schmelzen werden fertige Gesteinskomplexe von vulkanischen Dämpfen oder heißen Lösun-
gen (Hydrothermen) durchsetzt, in denen Schwermetalle oder seltene chemische Ele-
19.4 mente transportiert werden. Es entstehen z. B. hydrothermale Imprägnationen oder
Erz- und Mineral- – durch Reaktion mit dem Nebengestein – hydrothermale Verdrängungen. Oft stam-
Lagerstätten in men die hydrothermalen Lösungen nicht von einem kristallisierenden Magma-Kör-
Karbonatit- per ab, sind also nicht juvenil, sondern es handelt sich um meteorisches Wasser, Ozean-
Alkalimagmatit- wasser oder fossiles Wasser, das in Gebieten mit erhöhtem geothermischen Gradien-
Komplexen ten, z. B. im Dachbereich einer magmatischen Intrusion oder einem mittelozeanischen
Rücken aufgeheizt wurde. Daher werden die hydrothermalen Erz- und Minerallager-
stätten in einem eigenen Kapitel (Kap. 21) behandelt. Ist eine Erz- oder Minerallager-
stätte gleichzeitig mit ihrem Nebengestein (z. B.orthomagmatisch) entstanden, bezeich-
net man sie als syngenetisch; wurde sie später als das Nebengestein gebildet (z. B. als
hydrothermale Verdrängung) handelt es sich um eine epigenetische Lagerstätte.
Insgesamt sind die Prozesse der Lagerstättenbildung außerordentlich komplex.
In einer Erz- oder Minerallagerstätte können syngenetische und epigenetische Pro-
zesse miteinander kombiniert sein; orthomagmatische und spätmagmatische Vor-
gänge können sich überschneiden. Die Vielzahl von seltenen Elementen und leicht-
flüchtigen Komponenten, die bei der Lagerstättenbildung eine Rolle spielen, ma-
chen aussagekräftige experimentelle Untersuchungen in vereinfachten Modell-
systemen schwierig, oft sogar unmöglich. Von einer befriedigenden Lagerstätten-
systematik auf genetischer Grundlage sind wir daher noch weit entfernt. Die Klassifi-
kationen von Paul Niggli (1929) und Hans Schneiderhöhn (zuletzt 1962) mit ihrer
scharfen Trennung von magmatischer Frühkristallisation, Hauptkristallisation und
Restkristallisation können heute nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Systema-
tik von Waldemar Lindgren (zuletzt 1933) wurde zwar von Guilbert und Park (1986)
erweitert und modernisiert, wird aber von diesen Autoren selbst noch nicht als end-
gültig angesehen. Zunehmendes Interesse finden die Beziehungen zwischen
Lagerstättenbildung und Plattentektonik (z. B. Sawkins 1990; Evans 1993).
298 19 · Orthomagmatische Erzlagerstätten
19.1 19.1 Kühlt man die Schmelze X mit einem Sulfid/Oxid-Verhältnis von
Einführung etwa 50 : 50 ab, so kristallisieren Silikat-Minerale wie Olivin, Pyro-
xen und Plagioklas aus. Bei weiterer Abkühlung und Fraktionie-
rung dieser Silikat-Phasen entwickelt sich die Schmelzzusammen-
Bei der Kristallisation basischer Magmen kommt es oft setzung in Richtung der kotektischen Linie E1–ET, wo sich bei
zur Anreicherung von Erzmineralen, durch die welt- Punkt P Silikate und Oxide gemeinsam aus der Schmelze ausschei-
wirtschaftlich bedeutsame Erzlagerstätten von Chromit, den (Abb. 19.1c). Setzt man den Fraktionierungsvorgang fort, wird
Titanomagnetit, Ilmenit, Nickelmagnetkies, Chalkopyrit das ternäre Eutektikum ET erreicht und es kristallisiert zusätzlich
Sulfid aus. Fraktionierte Kristallisation kann also aus einem Gab-
(Kupferkies) und Platinmetallen (Legierungen von Platin-
bro-Magma X zu sulfidischen Erzkörpern führen, die geringe Ge-
Gruppen-Elemente PGE) entstehen können. Zwei Bil- halte an Oxiden enthalten können.
dungsmechanismen sind dabei von großer Wichtigkeit: Kühlt man dagegen Schmelze Y mit einem Sulfid/Oxid-Verhält-
nis von ca. 85 : 15 ab, so wird nach Ausscheidung von Silikaten das
1. die Anreicherung von Erzkristallisaten im Zuge von Gebiet erreicht, in dem eine Silikat-Schmelze A mit einer Sulfid-
Vorgängen der fraktionierten Kristallisation und Schmelze B koexistiert. Entfernt man bei weiterer Abkühlung die
Silikat-Kristalle und die Tröpfchen von sulfidreicher Schmelze aus
2. die Bildung von sulfidischen oder oxidischen Erz- dem System, so wird Punkt m erreicht, bei dem nun wieder eine
Schmelzen durch liquide Entmischung aus Sulfid- einheitliche Schmelze dieser Zusammensetzung mit Silikat-Kris-
(Oxid-)führenden Silikat-Schmelzen. tallen im Gleichgewicht steht. Unter Silikat-Fraktionierung erreicht
der weitere Abkühlungspfad bei Punkt Q die kotektische Linie, wo
Sehr häufig spielen bei diesen Vorgängen leicht- es wiederum zu Oxid-Kristallisation kommt. Aus der Gabbro-
Schmelze Y bildet sich also durch liquide Entmischung ein sulfid-
flüchtige Komponenten, insbesondere H2O, eine we-
reiches Erz, durch fraktionierte Kristallisation ein oxidreiches Erz.
sentliche Rolle.
In Wirklichkeit sind die erzbildenden Prozesse in der
Das Prinzip dieser Prozesse wollen wir anhand des hy- Natur viel komplizierter. Insbesondere spielen leicht-
pothetischen Modellsystems Gabbro (Silikat)–Oxid–Sulfid flüchtige Komponenten eine wichtige Rolle.
verständlich machen (Guilbert u. Park 1986). Abbil-
19.2 dung 19.1a zeigt die Projektion der Liquidusfläche auf die 19.2
Konzentrationsebene mit drei binären Eutektika, drei ko- Lagerstättenbildung durch fraktionierte Kristallisation
tektischen Linien und einem ternären Eutektikum. Bei Ver-
änderung der äußeren Bedingungen, z. B. durch Hinzufügen Bei der fraktionierten Kristallisation von basischen Mag-
von CO2 zur fluiden Phase treten in diesem System Bereiche men kommt es zur Anreicherung oxidischer Erzminerale
auf, in denen keine einheitliche Schmelze mehr existiert, son- wie Chromit, Ilmenit und Titanomagnetit sowie von
dern z. B. Silikat- und Sulfid-Schmelzen oder Silikat- und Platinmetallen (PGE-Legierungen). Solche Erze sind häu-
Oxid-Schmelzen miteinander koexistieren. Die Zusammen- fig an schichtige Intrusionen (Layered Intrusions) von
setzungen dieser koexistierenden Schmelzen, z. B. A und Gabbro bzw. Norit oder an deren Differentiate gebun-
B, C und D, F und G, sind durch Konoden miteinander ver- den, die durch ultramafische Gesteine wie Dunite, Peri-
bunden (Abb. 19.1b). Wir wollen die Kristallisationspfade dotite und Pyroxenite oder felsische Gesteine wie Anor-
von zwei silikatischen Schmelzen verfolgen, die geringe An- thosit repräsentiert werden. Die Erze können geschlos-
teile an Oxid- und Sulfid-Schmelze gelöst enthalten. sene Erzköper und Erzlagen bilden oder sind als unter-
Abb. 19.1. Schematische Darstellung eines Modellsystems Gabbro (Silikate)–Oxid–Sulfid. a Projektion der Liquidusfläche auf die Kon-
zentrationsebene mit drei kotektischen Linien und einem ternären Eutektikum ET. b Dasselbe System mit zwei Bereichen von liquider
Entmischung; die Zusammensetzungen koexistierender Silikat- und Sulfid-Schmelzen bzw. Silikat- und Oxid-Schmelzen sind durch
Konoden miteinander verbunden. c Unterschiedliche Kristallisationspfade von zwei ähnlich zusammengesetzten Ausgangsschmelzen X mit
fraktionierter Kristallisation und Y mit liquider Entmischung + fraktionierter Kristallisation (s. Text). (Mod. nach Guilbert u. Park 1986)
19.2 · Lagerstättenbildung durch fraktionierte Kristallisation 299
geordnete Gemengteile im Gestein verteilt. Typisch für Radius (r) der kugelförmig gedachten Kristalle höherer
schichtige Intrusionen sind Kumulatgefüge. Wie bereits in oder niedrigerer Dichte und von der Viskosität der
Abschn. 15.4.1 (S. 250ff) beschrieben, sind die mechani- Schmelze (ηl) abhängt (g = Erdbeschleunigung). Dabei
schen Prozesse, die zur Bildung von Kumulaten führen, nimmt v mit ∆ρ linear, mit r dagegen exponentiell zu.
sehr komplex. Gravitatives Absaigern oder Aufschwimmen Daher können weniger dichte, aber größere Silikat-Kris-
auf Grund der Dichte-Unterschiede zwischen Kristallen und talle schneller absinken oder aufsteigen als dichtere, aber
Schmelze und Filterpressung sind mit Sicherheit nicht die kleinere Erzminerale. Berücksichtigt man diese Tatsache
einzigen Mechanismen; Konvektionsvorgänge, Dichte- und die Überlegungen, die wir im schematischen „Drei-
strömungen (engl. density currents) und in-situ-Kristal- stoff“-System Silikat–Oxid–Sulfid (Abb. 19.1) angestellt
lisation am Boden der Magmenkammer spielen eine wich- hatten, so wird klar, dass oxidische Erzkörper nicht un-
tige, fallweise sogar die entscheidende Rolle. bedingt „Frühkristallisate“ basischer Magmen darstellen
Wendet man das Stoke’sche Gesetz müssen, sondern auch relativ spät durch fraktionierte
Kristallisation von Silikat-Mineralen entstehen können.
[19.1] Das soll an einem einfachen Beispiel erläutert werden (Abb. 19.2a–e):
Abb. 19.3.
Bildung von Chromit-Lagerstätten durch
Magmenmischung, erläutert an Hand des
Dreistoff-Systems Chromit–Olivin–SiO2.
a Kristallisationspfad einer Schmelze A:
A → B → C → D. b Bildung einer Chromit-
Vererzung F durch Mischung der hoch-
differenzierten Schmelze D mit einem
neuen Schub von primitiverem Magma,
das die Zusammensetzung E erreicht hat
(s. Text). Man beachte den stark vergrößer-
ten Maßstab für die Chromit-Gehalte.
(Mod. nach Irvine 1977, aus Evans 1993)
300 19 · Orthomagmatische Erzlagerstätten
gem Druck inkongruent schmilzt; das flankierende Zwei- den wichtige Lagerstätten dieses Stahlveredlungsmetalls.
stoff-System Olivin–Chromit hat ein Eutektikum bei etwa Man unterscheidet grundsätzlich zwei verschiedene Ty-
1,5 % Chromit-Komponente. Aus einer Schmelze der Zusam- pen von Chromit-Lagerstätten:
mensetzung A kristallisiert zunächst Olivin aus. Wenn bei B
die kotektische Linie erreicht wird, kommt es zur gemein- stratiforme Chromit-Lagerstätten und
samen Ausscheidung von Olivin und Chromit. Der Kristal- podiforme (alpinotype) Chromit-Lagerstätten
lisationspfad folgt der kotektischen Linie B → C, bis bei
Punkt C die peritektische Reaktion zu Orthopyroxen einsetzt Stratiforme Chromit-Lagerstätten (Bushveld-Typ). Sie sind
und z. B. bei D die fraktionierte Kristallisation beendet ist an schichtige Norit-Intrusionen in tektonisch stabilen
(Abb. 19.3a). Die entstehenden Dunite oder Harzburgite wei- Kratonen gebunden. Die weltweit größten Lagerstätten
sen nur geringe Chromit-Gehalte von <1 % auf. Die Situation dieses Typs mit insgesamt 94 % der Weltvorräte an Chro-
ändert sich dagegen, wenn in die Magmenkammer ein frischer mit liegen im südlichen Afrika. Der Bushveld-Komplex
Schub von primitivem basischen Magma A eindringt, das nur in Südafrika ist ein riesiger trichterförmiger Intrusivkör-
bis Punkt E fraktioniert und sich mit der differenzierten per mit einer Oberflächenausdehnung von 460 × 250 km
Schmelze D mischt. Jetzt liegt die Magmen-Zusammenset- und einer maximalen Mächtigkeit von 7,6 km (Abb. 19.4),
zung im Ausscheidungsfeld von Chromit, z. B. bei F, und es der seine Entstehung einem „Hot Spot“ im Erdmantel
kristallisiert so lange Chromit aus, bis die kotektische Linie verdankt. Er besteht aus 2 Hauptintrusionen, einem
bei G wieder erreicht wird (Abb. 19.3b). Auf diese Weise kön- etwa 2 100 Ma (Ma = Millionen Jahre) alten Gabbro bis
nen aus einem basaltischen Magma mit relativ geringen Cr- Norit mit Lagen von Harzburgit, Pyroxenit (insbeson-
Gehalten Lagen oder Schlieren von Chromiterz entstehen. dere Bronzitit), Lherzolith und Anorthosit sowie dem
etwas jüngeren Bushveld-Granit, der sehr genau auf
19.2.1 2 054,4 ±1,8 Ma datiert wurde (Walraven u. Hatting 1993).
Chromit- und Chromit-PGE-Lagerstätten Die bis zu 2 m mächtigen chromitreichen Bänder befin-
den sich im unteren Teil der Norit-Intrusion (Abb. 19.4),
Chromit ist das einzige wirtschaftlich wichtige Cr-Erz- insbesondere in der sog. kritischen Zone (Abb. 19.5); sie
mineral und seine Vorkommen als Chromeisenstein bil- lassen sich im Gelände auf mehr als 100 km im Streichen
Abb. 19.4.
a Profil durch den Ostteil des
Bushveld-Komplexes in der
Gegend westl. von Lydenburg.
(Nach Wagner 1929, aus Schnei-
derhöhn 1958). b Vereinfachte
geologische Karte des Bushveld-
Komplexes, Transvaal (Republik
Südafrika). (Nach Evans 1993)
19.2 · Lagerstättenbildung durch fraktionierte Kristallisation 301
Abb. 19.5.
Chromitit-Bänder im Bushveld-
Komplex, obere Subzone (UG-1)
der Kritischen Zone. Die Chro-
mitit-Lagen, die hier nur einige
Zentimeter mächtig sind, beste-
hen zu ca. 70 Vol.-% aus Chro-
mit; sie sind in Anorthosite
(Plagioklas An78–80) eingeschaltet.
Brücke über den Dwars River
zwischen Lydenburg und Loskop
Dam, östliches Bushveld. Der
Aufschluss ist ein National Mo-
nument. (Foto: Reiner Klemd)
verfolgen. Die Vorräte belaufen sich auf mindestens Vererzung steckt meist in Harzburgiten, deren Olivin
2 300 Mio. t, etwa 70 % der Weltvorräte. Der Great Dyke häufig serpentinisiert ist. In diesem Nebengestein findet
(„Großer Gang“) in Simbabwe ist ein etwa N-S-streichen- sich Chromit in Bändern, Schlieren, Knollen oder ko-
der, 530 km langer und maximal 9,5 km breiter schichti- kardenförmigen Aggregaten. Geringere Mengen davon
ger Intrusiv-Komplex. Er ist ca. 2 575 Ma alt und stellt sind in Körnern eingesprengt. Die bedeutendsten Lager-
das älteste Beispiel für eine große kontinentale Riftzone, stätten liegen im Ural, z. B. im ultrabasischen Massiv
ein „Failed Rift“ dar. In den maximal 45 cm mächtigen von Kempirsai. Dieses verfügt nicht nur über Chro-
Chromitbändern stecken beachtliche Chromreserven. miterz-Reserven von 90 Mio. t, sondern enthält zu-
Nicht selten sind stratiforme Chromit-Lagerstätten sätzlich gewaltige PGE-Reserven von mindestens 250 t,
mit bauwürdigen Anreicherungen von Platinmetallen und zwar vorwiegend Ir, Ru und Os (Distler et al. 2008).
(PGE) verknüpft. Ein wichtiges Beispiel ist der sog. Die meisten podiformen Chromit-Lagerstätten von
UG2-Chromitit-Horizont im Bushveld-Komplex, der wirtschaftlicher Bedeutung, insbesondere auf dem
mit Gehalten von 3,5–19 g / t PGE und Vorräten von Balkan, auf Zypern (Troodos-Komplex), in der Türkei,
5,4 · 10 9 t inzwischen das berühmte Merensky Reef den Philippinen, in Neu-Kaledonien und auf Kuba, sind
(s. Abschn. 19.3.1, S. 303f ) an Bedeutung übertrifft. viel kleiner. Insgesamt enthalten podiforme Chromit-La-
Im Bushveld gibt es auch kleine schlotförmige Dunit- gerstätten nur 4 % der Weltvorräte an Cr.
körper, die wesentlich reicher an legierten Platinmetallen
sind, aber nur geringe wirtschaftliche Bedeutung besit- 19.2.2
zen. Auch im Gebiet von Nischnij Tagil im Ural sind Fe-Ti-Oxid-Lagerstätten
PGE- und Chromit-Vererzungen miteinander verknüpft;
allerdings werden hier die PGE überwiegend aus sekun- Wichtigste Erzminerale sind Ilmenit (FeTiO3) und Tita-
dären Seifen-Lagerstätten gewonnen (Abschn. 23.2.7, nomagnetit mit wirtschaftlich interessanten Vanadium-
S. 358). Gehalten. Titanomagnetit besteht aus einem Wirtkristall
Ebenfalls zum Bushveld-Typ gehört die stratiforme von Magnetit, in dem Entmischungslamellen von Ilme-
Chromit-Lagerstätte Mount Bolshaya Varaka in der nit // {111} sowie von Spinell und/oder Ulvöspinell // {100}
Layered Intrusion von Imandra (Kola-Halbinsel, Russ- eingelagert sind (Abschn. 5.2, S. 82ff). Die Fe-Ti-Oxiderze
land), wobei allerdings die PGE-Minerale erst sekundär, sind an Anorthosite gebunden, wobei sich folgende zwei
durch postmagmatische hydrothermale Vorgänge ange- Typen unterscheiden lassen:
reichert wurden (Barkov und Fleet 2004).
Layered Intrusions. In Layered Intrusions entstehen durch
Podiforme (alpinotype) Chromit-Lagerstätten. Sie sind an fraktionierte Kristallisation von Gabbro- bzw. Norit-Mag-
Ophiolith-Komplexe gebunden, d. h. an Späne von ozea- men Anorthosit-Lagen aus sehr basischem Plagioklas.
nischer Lithosphäre, die obduziert wurden und als Dabei können sich – ähnlich wie in Abb. 19.2 schematisch
Deckenkomplexe Bestandteile von Orogenen bilden. dargestellt – V-Ti-Fe-reiche oxidische Restschmelzen bil-
Ihr Alter ist paläozoisch, oft aber jünger. Die Chromit- den, die bei Erhöhung der Sauerstoff-Fugazität zu Tita-
302 19 · Orthomagmatische Erzlagerstätten
nomagnetit-Lagerstätten auskristallisieren. Das bekann- Schwefels geben. Diese weisen z. B. in den Sulfiden des
teste Beispiel ist die Titanomagnetit-Lage im oberen Be- Sudbury-Komplexes eindeutig auf eine Quelle im Erd-
reich des Bushveld-Komplexes (Abb. 19.4), die erhebliche mantel hin. Demgegenüber ist die Isotopen-Signatur in
V-Reserven enthält. Weitere Beispiele sind der Stillwater- den Sulfiderzen der triassischen Gabbro-Intrusion von
Komplex in Montana (USA) und der Duluth-Gabbro-Kom- Norilsk am Jenissei (Sibirien) sedimentär: Das basische
plex in Minnesota (USA). Magma wurde durch Assimilation von Gipsen an Schwe-
fel angereichert (Evans 1993).
Anorthosit-Massive. Große Anorthosit-Massive, meist Wichtige Erzminerale sind Pyrrhotin Fe1–xS, Pentlan-
von proterozoischem Alter, haben sich wahrscheinlich dit (Ni,Fe)9S8 und Chalkopyrit CuFeS2. Unter dem Erz-
durch fraktionierte Kristallisation von riesigen Mengen mikroskop erkennt man, dass Pentlandit charakteristi-
basaltischer Schmelze an der Krusten-Mantel-Grenze sche, flammenförmige Entmischungskörper im Pyrrho-
gebildet und sind als Kristallbrei in die mittlere Kruste tin bildet oder sich auf den Korngrenzen des Pyrrhotins
intrudiert (Ashwall 1993). Sie können erhebliche befindet (Abb. 19.7). Diese Verwachsungsaggregate, die
Ilmenit-Konzentrationen enthalten. Die Lagerstätten man als Nickelmagnetkies bezeichnet, entstanden durch
von Tellnes im Anorthosit-Gürtel Südnorwegens und Entmischung aus einem Hochtemperatur-Mischkristall
von Lac Tio im Gebiet des Allard Lake in Quebec (Kana- bei Abkühlung auf <610 °C.
da) stellen mit Erzreserven von 300 bzw. 125 Mio. t die
größten Ilmenit-Vererzungen der Erde dar. Die bekann- 19.3.1
ten Lagerstätten von Taberg und Routivaara (Schweden) Nickelmagnetkies-Kupferkies-PGE-Lagerstätten
sind auflässig. in Noriten und Pyroxeniten
Abb. 19.6.
Geologische Übersichtskarte
des Lagerstättenbezirks von
Sudbury (Ontario) mit den
wichtigsten Cu-Ni-Lagerstät-
ten. (Aus Evans 1993)
Zieg und Marsh (2005) und Marsh (2006) entwickelten für dieses Ereig- Nach Keays und Lightfoot (2004) wurden in der über-
nis folgendes Szenario: Der massive Meteorit mit einem Durchmesser hitzten Impaktschmelze alle Sulfidminerale aufgelöst, die
von ca. 12 km durchschlug innerhalb von 2 Minuten die gesamte konti-
im durchschlagenen Gesteinsverband vorhanden waren,
nentale Erdkruste und den obersten Bereich des Erdmantels, wodurch
ein kurzlebiger Krater von ca. 30 km Tiefe und ca. 90 km Durchmes- wodurch sich Durchschnittsgehalte von ca. 61 g / t Ni,
ser entstand. Innerhalb weiterer 5 Minuten relaxierte dieser gewaltige 59 g / t Cu, 4 mg / t Pd und 4 mg / t Pt ergaben. In dem
Hohlraum und es bildete sich ein Multi-Ring-Krater von ca. 200 km 1 700 °C heißen Magma konnte etwa 5 mal so viel Schwe-
Durchmesser, der mit einem 3 km tiefen Magma-See von ca. 30000 km3 fel gelöst werden, wie das am Liquidus möglich ist. Bei
Inhalt gefüllt wurde. Während der Meteorit stellenweise eine Tempe- der Abkühlung des Magmas wurde die Sättigungsgrenze
ratur von etwa 2 500 °C erreichte und daher vollständig verdampfte,
hatte das Magma „nur“ eine Temperatur von ca. 1700 °C, lag aber da-
für S unterschritten. Es kam zur Bildung und zum Ab-
mit weit über seiner Liquidus-Temperatur von ca. 1 200 °C. Diese über- saigern von Ni-Cu-PGE-Schmelzen, die im Sublayer an-
hitzte Impaktschmelze stellte eine Emulsion dar, in der die unterschied- gereichert wurden und in Form der Offsets ins Neben-
lichsten Anteile des aufgeschmolzenen Untergrundes in Form von gestein intrudierten.
hochviskosen Tropfen und Klumpen nebeneinander vorlagen, quasi Die Offsets werden als Intrusionen von Sulfid-Schmel-
eine geschmolzene Breccie. Durch physikalische Dichte-Trennung der ze in das durch den Schock zerbrochene Nebengestein
größeren Tropfen, die rascher erfolgte als die chemische Homogeni-
sierung durch Diffusion, saigerten die dunklen Schmelzanteile ab,
gedeutet (z. B. Keays und Lightfoot 2004). Es lässt sich
während die hellen aufstiegen. Durch diesen Vorgang, der viscous allerdings nicht ausschließen, dass im Gebiet von Sudbury
emulsion differentiation, entstanden innerhalb einiger Jahre zwei schon vor dem Impakt-Ereignis eine thermische Anoma-
Magmaschichten, die durch Konvektion homogenisiert wurden, wäh- lie im Erdmantel (Hot Spot) existierte, der zur Bildung
rend es im Grenzbereich zwischen beiden Schichten, der Übergangs- von Mantelschmelzen führte. Die ursprünglich runde
zone, zur Anreicherung von noch verbliebenen festen Gesteinsanteilen
Form des Impakt-Kraters (Abschn. 29.1, S. 506f) wurde
kam. Während eines Zeitraums von 10000 bis 100000 Jahren führte
konduktiver Wärmetransport zur Abkühlung der beiden Magma- später bei der Grenville-Orogenese elliptisch verformt.
schichten, wobei die obere Schicht zu einem Granophyr, die untere zu Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel ist das Merensky-
einem Norit auskristallisierte (vgl. Abschn. 15.4.2, S. 253). Reef im Bushveld-Komplex (Abb. 19.4), das 1924 von
304 19 · Orthomagmatische Erzlagerstätten
Abb. 19.7. Nickelmagnetkies aus der Lagerstätte Sudbury (Ontario, Kanada). Körner von Pyrrhotin (hell rötlichbraun) mit flammen-förmigen
Entmischungslamellen von Pentlandit (gelblichweiß) neben Körnern von Pentlandit mit fleckig entmischtem Pyrrhotin sowie Chalkopyrit
(goldgelb) und Silikatmineralen (dunkelgrau bis fast schwarz). Mikrofoto im reflektierten Licht bei 1 Nic. a Übersichtsfoto, Bildbreite 0,9 mm;
b Detailfoto des markierten Ausschnitts, Bildbreite 0,2 mm. (Foto: K.-P. Kelber)
Andries Lombaard entdeckt, von dem deutschen Berg- bilden eigene PGE-Minerale wie Cooperit (Pt,Pd)S, Braggit
bau-Ingenieur Dr. Hans Merensky näher untersucht und (Pt,Pd,Ni)S, Sperrylith PtAs2, Laurit RuS2, Stibiopalladinit
auf Wunsch von Lombaard nach ihm benannt wurde. Es Pd5Sb2 und ged. Ferroplatin; ferner tritt ged. Gold auf. Die
handelt sich um eine Lage von sehr grobkörnigem, Elemente Pt und Pd überwiegen sehr stark gegenüber der
feldspatführendem Pyroxenit bis Norit, die in ihrem Ge- Summe der übrigen Platinmetalle. Obwohl eine ortho-
füge an einen Pegmatit erinnert und sich durch ihren magmatische Entstehung des Merensky-Reefs unbestrit-
viel höheren Gehalt an Platinmetallen von den meisten ten ist (Naldrett 1989, 2005; Kruger 2005), werden die Pro-
orthomagmatischen Sulfiderz-Lagerstätten unterschei- zesse, die zur Konzentration der PGE führten, sehr kon-
det. Das Merensky-Reef ist meist 30–90 cm mächtig und trovers diskutiert. Ballhaus u. Stumpfl (1986) gehen von
lässt sich mit Unterbrechungen auf mehrere 100 km im liquider Entmischung einer Sulfid- und einer Silikat-
Gelände verfolgen. Im Liegenden und Hangenden wird Schmelze aus; dabei entstand eine chloridreiche wässe-
sie durch Chromit-Bänder begrenzt, in deren Bereich die rige fluide Phase, in der die PGE gelöst wurden und aus
maximalen PGE-Gehalte auftreten. Der Sulfidanteil er- der sie bei weiterer Abkühlung auskristallisierten. In
reicht rund 3 %, stellenweise etwas mehr. Sulfidminerale manchen Fällen hat eine postmagmatische Überprägung
sind im Wesentlichen Pyrrhotin, Pentlandit, Chalkopyrit durch hydrothermale Fluide zur Rekristallisation und
und Pyrit. Der Anteil an Pentlandit gegenüber Pyrrhotin Umlagerung der PGE-Minerale geführt, wie das z. B im
ist etwa 10- bis 20-mal so hoch und der Gehalt an Platin- Merensky-Reef, im J-M-Reef des Stillwater-Komplexes
metallen mit 3–11 g / t Gestein deutlich größer als in (Montana, USA) und in der Lagerstätte Raglan (Quebec,
Sudbury. Die bekannten Reserven liegen bei 3,3 · 109 t, Kanada) beschrieben wird (Prichard et al. 2004; Polovina
im neu entdeckten Platreef im NE-Teil des Bushveld- et al. 2004; Seabrook et al. 2004).
Komplexes sogar bei 4,1 · 109 t mit PGE-Gehalten von Ähnliche PGE-Lagerstätten sind an den Great Dike
7–27 g/ t. Etwa 60 % der Platinmetalle sind im Kristall- (Simbabwe), die ultramafische Jinchuan-Intrusion (Chi-
gitter von Pentlandit, Pyrrhotin und Pyrit eingebaut; 40 % na) und an die Gabbro-Intrusionen von Norilsk und
19.4 · Erz- und Mineral-Lagerstätten in Karbonatit-Alkalimagmatit-Komplexen 305
Talnakh am unteren Jenissei (Sibirien) gebunden. Mit kanische Gesteine eingeschaltet, die deformiert und me-
100 t PGE/Jahr ist Norilsk mit großem Abstand der wich- tamorph überprägt sind. Der größte Erzkörper Kiruna-
tigste Platinmetall-Produzent der Russischen Föderation. vaara ist 40 km lang und 80–90 m mächtig; er wird im
derzeit größten Untertagebergwerk der Welt abgebaut.
19.3.2 Der Magneteisenstein von Kiruna enthält Ti-freien Ma-
Nickelmagnetkies-Kupferkies-Lagerstätten in Komatiiten gnetit mit eingesprengtem oder in Streifen angereichertem
Fluorapatit Ca5[F/(PO4)3]. Magnetit ist teilweise sekundär
Komatiite sind ultramafische Vulkanite mit extrem hoher in Hämatit umgewandelt (Martitisierung). Durch Einwir-
Liquidus-Temperatur, die – meist metamorph überprägt kung der fluiden Phase haben sich besonders in den rand-
– archaische Grünstein-Gürtel aufbauen. Ihre Förderung lichen Partien der Erzkörper Skapolith, ein feldspatähn-
in Form von Laven und Gängen belegt, dass während des liches Na-Ca-Gerüstsilikat mit OH, CO3, SO4, Cl (Ab-
Archaikums ein erheblich höherer geothermischer Gra- schn. 9.6.4, S. 175), Albit und/oder Turmalin gebildet. Auch
dient geherrscht hatte als später im Proterozoikum und das Nebengestein ist häufig vom Erzkörper ausgehend se-
Phanerozoikum. Liquide Entmischung von Sulfid-Schmel- kundär skapolithisiert und albitisiert. Das Kiruna-Erz spielt
zen führte zur Bildung beachtlicher Ni- und Cu-Konzen- für die europäische und besonders für die deutsche Schwer-
trationen mit Pyrrhotin, Pentlandit, Chalkopyrit und metallindustrie eine bedeutende Rolle, nicht zuletzt wegen
Pyrit als wichtigste Erzminerale; der PGE-Anteil ist ge- seines zusätzlichen hohen Phosphorgehalts.
ring. An der Basis der Lavaströme finden sich massive Weitere Eisenerzvorkommen dieser Art sind z. B.
Erzköper; mit scharfer Grenze folgt eine Zone von ultra- Grängesberg (Schweden), Pea Ridge und Iron Mountain
basischem Gestein, das von einem Netzwerk von Sulfid- (Missouri), Cerro de Mercado und Durango (Mexiko)
erz durchsetzt wird; darüber folgen – wiederum scharf sowie Savage River (Tasmanien). Darüber hinaus sind
abgegrenzt – Ultramafitite mit geringen oder fehlenden wirtschaftlich wichtige Magnetit-Apatit-Vererzungen an
Erzgehalten (Barnes et al. 2004; Stone et al. 2004). Häufig Karbonatite gebunden, die im folgenden Abschnitt be-
wurden die Erzkonzentrationen, die an Komatiite gebun- schrieben werden.
den sind, durch die metamorphe Überprägung verändert.
Dabei kam es zum oxidativen Abbau von Pyrrhotin unter 19.4 19.4
Bildung von Pyrit und Magnetit nach der Gleichung Erz- und Mineral-Lagerstätten
in Karbonatit-Alkalimagmatit-Komplexen
12FeS + 6O2 → 3FeFe2O4 + 3FeS2 + 3S2 (19.1)
Karbonatite und foidführende Alkalimagmatite sind häu-
und damit zur relativen Anreicherung von Ni (Stone et al. fig, aber nicht immer miteinander assoziiert. Sie bilden
2004). Wirtschaftlich wichtige Beispiele sind der Kambalda- Intrusivkomplexe, z. T. in Form von Ringkomplexen, sowie
Distrikt in Westaustralien, die Alexo-Mine bei Timmins Gangschwärme und Vulkane in intrakontinentalen Riftzo-
in Ontario (Kanada) sowie einige Lagerstätten in Sim- nen, oder sie sind an größere Störungszonen im Bereich
babwe und Südafrika (Komati River). von stabilen Kratonen gebunden. In vielen Fällen lässt sich
An pikritische Tholeiit-Laven sind die Sulfiderze von eine Hot-Spot-Situation annehmen. Es unterliegt keinem
Petsamo (Petchenga) in Karelien (Russland) und von Zweifel, dass sich Karbonatite durch liquide Entmischung
Lynn Lake in Manitoba (Kanada) gebunden. von Mantelschmelzen gebildet haben. Dabei kommt es zur
Anreicherung von Apatit, Magnetit, SEE-Mineralen wie Mo-
19.3.3 nazit (Ce,La,Nd)[PO4] und Bastnäsit (Ce,La,Nd,Y) [(F,OH)/
Magnetit-Apatit-Lagerstätten CO3], von Zr-Mineralen wie Zirkon und Baddeleyit ZrO2
sowie dem Nb-Mineral Pyrochlor (Ca,Na)2Nb2(O,OH,F)7.
Bei hohen Gehalten an leichtflüchtigen Komponenten wie Daneben können Karbonatit-Alkalimagmatit-Komplexe
H2O, CO2, F, Cl, P2O5 und B2O3 können sich auch oxidische Industrieminerale wie Fluorit, Baryt und Strontianit in wirt-
Erzmagmen im flüssigen Zustand absondern und selb- schaftlich bedeutenden Mengen enthalten.
ständige Intrusivkörper bilden oder sogar als Laven aus- So befindet sich die weltgrößte Erzreserve für Seltenerd-
fließen. Eine solche liquidmagmatische Entstehung wird Elemente im Mountain-Pass-Karbonatit in Kalifornien (USA).
für die wirtschaftlich sehr bedeutende Eisenerzlagerstät- Ebenfalls an Karbonatit-Alkalimagmatit-Komplexe sind die
te von Kiruna in Nordschweden angenommen, wobei um- berühmten Magnetit-Apatit-Lagerstätten von Chibina und
stritten ist, ob die Erz-Schmelzen intrusiv oder extrusiv Kovdor auf der Kola-Halbinsel (Russland) sowie von Sokli
gefördert wurden. (Manche Autoren bevorzugen sogar (Finnland) gebunden. Die Apatit-Konzentrate enthalten hier
eine vulkanogene Genese; Abschn. 21.5.4, S. 333f). Es wirtschaftlich interessante Mengen von SrO und Re2O3.
handelt sich um enorm große Metallkonzentrationen mit Im ca. 2 Milliarden Jahre (2 Ga) alten Karbonatit-
60–67 % Fe und bis zu 5 % P. Die Erzkörper der 7 Einzel- Alkalimagmatit-Komplex von Palabora in Transvaal (Süd-
lagerstätten sind in felsische bis intermediäre (sub)vul- afrika) treten bauwürdige Konzentrationen von Chalko-
306 19 · Orthomagmatische Erzlagerstätten
pyrit-Erz auf, die im zweitgrößten Tagebau der Welt ab- Stone WE, Beresford (2004) New frontiers in research on NiS-PGE
gebaut werden. Die Sulfid-Vererzung hat sich in einem mineralization: Introduction and overview. Mineral Petrol
82:179–182
sehr frühen Stadium der magmatischen Entwicklung
durch liquide Entmischung einer Kupfersulfid-Schmelze
Zitierte Literatur
gebildet. Als Beiprodukte werden Magnetit, Apatit, Au, Ag,
PGE, U, Zr u. a. gewonnen. Ein nahegelegener Tagebau Ballhaus CG, Stumpfl EG (1986) Sulfide and platinum mineralization
wurde in einem Apatit-reichen Pyroxenit angelegt, der die in the Merensky Reef: Evidence from hydrous minerals and fluid
inclusions. Contrib Mineral Petrol 94:193–204
derzeit größte magmatische Apatit-Lagerstätte der Erde
Barkov AY, Fleet ME (2004) An unusual association of hydrothermal
darstellt (Evans 1993). Schließlich wird in Palabora noch platinum-group minerals from the Imandra Layered Complex,
das Industriemineral Vermiculit, ein quellfähiges Schicht- Kola Peninsula, northwestern Russia. Canad Mineral 42:455–467
silikat (Abschn. 9.5.7, S. 154) gewonnen. Bateman JD (1951) The formation of late magmatic oxide ores. Econ
Geol 53:404–426
Weiterführende Literatur Bowen NL (1928) The evolution of igneous rocks. Dover Publ, New
York (Nachdruck 1956)
Arndt NT, Lesher CM, Czamanske GK (2005) Mantle-derived magmas Dietz RS (1964) Sudbury structure as an astrobleme. J Geol 72: 412–434
and magmatic Ni-Cu-(PGE) deposits. Econ Geol 100th Anni- Distler VV, Kryachko VV, Yudovskaya MA (2008) Ore petrology of
versary Vol, p 5–23 chromite-PGE mineralization in the Kempirsai ophiolite complex.
Ashwal LD (1993) Anorthosites. Springer, Berlin Heidelberg New Mineral Petrol 92:31–58
York Tokyo Groves DI, Marchant T, Maske S, Cawthorn RG (1986) Composition
Barnes SJ, Hill RET, Perring SE, Dowling SE (2004) Lithogeochemical of ilmenites in Fe-Ni-Cu sulfides and host rocks, Insizwa,
exploration for komatiite-associated Ni-sulfide deposits: Southern Africa: Proof on coexisting immiscible sulfide and
Strategies and limitations. Mineral Petrol 82:259–293 silicate liquids. Econ Geol 81:725–731
Barnes S-J, Lightfoot PC (2005) Formation of magmatic nickel sulfide Irvine TN (1977) Origin of chromitite layers in the Muskox Intru-
deposits and processes affecting their copper and platinum group sion and other stratiform intrusions: A new interpretation.
element contens. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 179–213 Geology 5:273–277
Cawthorn RG, Barnes SJ, Ballhaus C, Malitch KN (2005) Platinum Lindgren W (1933) Mineral deposits, 2nd edn. Mc-Graw Hill, New
group element, chromium, and vanadium deposits in mafic and York
ultramafic rocks. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 215–249 Niggli P (1929) Ore deposits of magmatic origin. Thomas Murby,
Evans AM (1993) Ore geology and industrial minerals, 3rd edn. London
Blackwell Science, Oxford Polovina JS, Hudson DM, Jones RE (2004) Petrographic and
Guilbert JM, Park CF (1986) The geology of ore deposits, 4th edn. geochemical characteristics of postmagmatic hydrothermal
Freeman, New York alteration and mineralization in the J-M Reef, Stillwater Complex,
Keays RR, Lightfoot PC (2004) Formation of Ni-Cu-platinum group Montana. Canad Mineral 42:261–277
element sulfide mineralization in the Sudbury Impact Melt Sheet. Prichard HM, Barnes S-J, Maier WD, Fisher PC (2004) Variations in
Mineral Petrol 82:217–258 the nature of the platinum-group minerals in a cross-section
Kruger FJ (2005) Filling the Bushveld Complex magma chamber: through the Merensky Reef at Impala Platinum: Implications for
Lateral expansion, roof and floor interaction, magma uncon- the mode of formation of the reef. Canad Mineral 42:423–437
formities, and the formation of giant chromitite, PGE and Ti-V- Schneiderhöhn H (1958) Die Erzlagerstätten der Erde. Band I. Die
magnetite deposits. Mineral Depos 40:451–472 Erzlagerstätten der Frühkristallisation. Gustav Fischer, Stuttgart
Naldrett AJ (1989) Magmatic sulphide deposits. Oxford Univ Press, Seabrook, CL, Prichard HM, Fisher PC (2004) Platinum-group
Hew York minerals in the Raglan Ni-Cu-(PGE) sulfide deposit, Cape Smith,
Naldrett AJ (2005) A history of our understanding of magmatic Ni- Quebec, Canada. Canad Mineral 42:485–497
Cu sulfide deposits. Canad Mineral 43:2069–2098 StoneWE, Heydari M, Seat Z (2004) Nickel tenor variations between
Pirajno F (2004) Hotspots and mantle plumes: Global intraplate Archean, komatiite-associated nickel sulphide deposits, Kambalda
tectonics, magmatism and ore deposits. Mineral Petrol 82:193–216 ore field: The metamorphic modification model revisited. Mine-
Sawkins FJ (1990) Metal deposits and plate tectonics, 2nd edn. Sprin- ral Petrol 82:295–316
ger, Berlin Heidelberg Wagner PA (1929) The platinum deposits and mines of South Africa.
Schneiderhöhn H (1962) Erzlagerstätten. Kurzvorlesungen zur Ein- Edinburgh
führung und Wiederholung, 4. Aufl. Gustav Fischer, Stuttgart Walraven F, Hattingh E (1993) Geochronology of the Nebo granite,
Stanton RL (1972) Ore petrology. McGraw-Hill, New York Bushveld Complex. South Afric J Geol 96:31–41
20
Pegmatite
20.1 20.1 Schematisch gezeigt ist auch die Löslichkeit der Granit-Kompo-
Theoretische Überlegungen nenten im Wasserdampf G–C–E, die mit sinkender Temperatur
abnimmt. Beide Kurven treffen sich im kritischen Punkt des Sys-
tems, oberhalb dessen es zwischen Schmelzphase und Dampfphase
Um die Entwicklung eines granitischen Magmas bis keinen Unterschied mehr gibt, sondern nur noch eine einheitliche
hin zum pegmatitischen Stadium zu verstehen, können fluide Phase existiert (Abb. 16.1, S. 256). Aus experimentellen Un-
wir zunächst auf den experimentellen Untersuchungen tersuchungen im einfachen Modellsystem Ab–H2O lässt sich jedoch
im vereinfachten Granit-System Qz–Or–Ab(–An)–H2O entnehmen, dass überkritisches Verhalten von granitischen
Schmelzen im reinen Modellsystem Qz–Or–Ab (–An)–H2O in der
(Abschn. 18.2, S. 287ff) aufbauen. Grundlegend dabei
Erdkruste nur bei unrealistisch hohen Temperaturen von weit über
ist die Löslichkeit von H2O in der Schmelze. Wir betrach- 1 500 °C zu erwarten ist; erst bei Drücken des oberen Erdmantels
ten das T-X-Diagramm Granit–H2O (Abb. 20.1a), das sinkt der kritische Punkt auf <1 000 °C ab (z. B. Paillat et al. 1992;
von Whitney (1975) an einem synthetischen, Fe- und Sowerby u. Keppler 2002).
Mg-freien Modellgranit, bestehend aus 26,5 % Qz,
34 % Or, 32 % Ab und 7,5 % An bei einem konstantem Aus einem H2O-freien Granit-Magma kristallisieren
Gesamtdruck von 2 kbar bestimmt wurde. Dargestellt bei Erreichen der Liquiduskurve bei ca. 1 180 °C (Punkt A)
sind die Liquiduskurve A–B–C, die Soliduskurve D–E, nacheinander Plagioklas, Alkalifeldspat und Quarz aus,
die Löslichkeitskurve von H 2O in der Schmelze F–B bis bei 700 °C (Punkt D) die Soliduskurve unterschritten
und die Grenzkurve zwischen H2O-Untersättigung und wird. Die gleiche Ausscheidungsfolge ergibt sich für ein
H2O-Übersättigung B–D. Die maximale Löslichkeit von Granit-Magma mit 2 % H2O, wobei jedoch die Liquidus-
H2O in der Granitschmelze, die bei 840 °C (P = 2 kbar) Temperatur auf ca. 1 030 °C sinkt. Bei weiterer Abkühlung
erreicht ist, beträgt ca. 6,5 Gew.-% (Punkt B). Mit stei- wird die Schmelze immer H2O-reicher und es wird – ab-
gender Temperatur nimmt die H2O-Löslichkeit ab, wie hängig von der genauen Zusammensetzung der Schmelze
man aus dem Verlauf der Kurve B–F entnehmen kann; – die Grenzkurve B–D überschritten. Jetzt wird eine H2O-
man bezeichnet dieses Verhalten als retrograde Löslich- reiche Dampfphase (V) freigesetzt, die zunächst Bläschen
keit. Demgegenüber kann man an der Grenzkurve B–D in der Schmelze bildet oder in Form von Flüssigkeitsein-
den H2O-Gehalt in der Schmelze nicht ablesen, da das schlüssen (Kap. 10, S. 181ff) in die wachsenden Kristalle
Diagramm kein Zweistoff-System, sondern nur einen eingeschlossen wird. Man bezeichnet das Sieden bei Ab-
peudobinären Schnitt durch das Mehrstoff-System kühlung und/oder bei Druckentlastung als retrogrades
Granit–H2O darstellt. Sieden, wie wir es im täglichen Leben z. B. beim Öffnen
Abb. 20.1. a T-X-Diagramm für das System Granit–H2O bei Ptot = 2 kbar. Erläuterungen im Text. (Nach Whitney 1975). b H2O-Gehalte
von Schmelzeinschlüssen im Pegmatit-Quarz von Ehrenfriedersdorf (Sächsisches Erzgebirge) in Abhängigkeit von der Temperatur bei
einem Gesamtdruck von ca. 1 kbar. Schmelze A zeigt prograde, Schmelze B retrograde Löslichkeit von H2O. Oberhalb des kritischen
Punktes bei 712 °C liegt nur eine einheitliche H2O-reiche überkritische Schmelzphase vor. (Nach Thomas et al. 2000)
20.2 · Geologisches Auftreten und Petrographie von Pegmatiten 309
einer Seltersflasche beobachten können. Unterhalb der Bei einem Druck von etwa 1 kbar und 500 °C enthielt Schmelze A ca.
Linie B–C koexistieren Pl + L + V miteinander; bei wei- 2,5 %, Schmelze B ca. 47 % H2O. Mit zunehmender Temperatur nahm
der H2O-Gehalt in Schmelze A zu (prograde Löslichkeit), in Schmel-
terer Abkühlung kommen Akf und Qz hinzu (Abb. 20.1a).
ze B dagegen ab (retrograde Löslichkeit); die beiden Löslichkeits-
Nach Jahns u. Burnham (1969) können Granite mit kurven vereinigen sich in einem kritischen Punkt bei 712 °C und
pegmatitischem Gefüge bereits im unteren Bereich der 21 % H2O, über dem nur noch eine einheitliche, überkritische Schmelz-
Liquiduskurve A–B entstehen, wo das Magma schon sehr phase existiert (Abb. 20.1b). Die wasserreiche Schmelze B ist an B2O3,
H2O-reich ist. Entscheidend für die Entstehung von ty- Cl und Cs angereichert, während F und P2O5 bevorzugt in der wasser-
armen Schmelze A gelöst werden. Bei der Abkühlung der Schmelzen
pischen riesenkörnigen Pegmatiten ist aber das Auftre-
schied sich im Temperaturbereich von 650–550 °C Kassiterit aus
ten einer eigenen Dampfphase nach Überschreiten der (Rickers et al. 2006). Bei Abkühlung beider Schmelzen wurde eine
Grenzkurve B–D, durch die die Diffusionsgeschwindig- Bor-reiche, stark salzhaltige (hypersaline) Lauge freigesetzt, aus der
keit und damit das Kristallwachstum enorm begünstigt bei etwa 400–370 °C eine zweite Kassiterit-Generation auskristalli-
werden. Gleichzeitig können sich durch Abschreckung sierte. Außerdem war eine H2O-reiche Dampfphase vorhanden.
der an H2O verarmten Restschmelze feinkörnige Aplite
bilden, wie sie häufig mit Pegmatiten assoziiert sind. Der Nachweis von zwei miteinander koexistierenden
Unterhalb der Soliduskurve D–E ist die letzte Schmelze Schmelzen mit unterschiedlichen Gehalten an H2O und
verschwunden; es bleibt nur noch die Dampfphase üb- starker Fraktionierung der seltenen Elemente erweitert
rig, aus der sich späte Mineralbildungen ausscheiden das einfache Modell von Jahns u. Burnham (1969) und
können. Bei Unterschreiten der kritischen Temperatur bietet realistische Hinweise darauf, wie sich Pegmatite
(für reines Wasser 374 °C) kondensiert der Dampf und in der Natur bilden könnten.
es entsteht eine hydrothermale Lösung.
Gegenüber dem vereinfachten System Qz–Or–Ab–An– 20.2 20.2
H2O hat die Beteiligung von zusätzlichen leichtflüchtigen Geologisches Auftreten und Petrographie
Komponenten wie F oder B2O3 sowie von seltenen Elemen- von Pegmatiten
ten wie Li oder Be dramatische Änderungen zur Folge:
Wegen ihrer hohen Gehalte an leichtflüchtigen Komponen-
1. Die Liquidus- und Solidus-Temperaturen sinken be- ten weisen die Pegmatit-Schmelzen eine geringe Viskosität
trächtlich. So ergab die experimentelle Kristallisati- auf und sind daher sehr beweglich. So gelangen sie in auf-
on einer Granitschmelze mit erhöhten Gehalten an Li, gerissene Spalten oder in Hohlräume innerhalb des Plutons,
B, F und P bei 2 kbar für die Punkte A ca. 950 °C, B ca. aus dem sie stammen, oder in dessen Nebengestein. Als
700 °C und D ca. 450 °C (London 1992). Damit ent- Füllungen von Spalten bilden sie Pegmatitgänge, als Fül-
spräche die Temperaturspanne zwischen B und D lungen größerer Hohlräume selbständige Pegmatitstöcke,
etwa dem Bereich, der für die Bildung der meisten die nicht selten beachtliche Ausmaße erreichen.
Pegmatite angenommen wird. Pegmatitgänge sind wechselhaft ausgebildet: häufig
2. Die Löslichkeit von H2O in der Granitschmelze steigt an- und abschwellend in ihrer Mächtigkeit, bauchig oder
an, z. B. bei den Experimenten von London et al. (1989) linsenförmig, seltener plattenförmig. Das Nebengestein
bei PH2O = 2 kbar auf maximal 11,5 % bei Punkt B. durchsetzen sie diskordant; in anderen Fällen passen sie
3. Die kritischen Temperaturen, oberhalb derer man sich abwechselnd konkordant oder diskordant einem äl-
nicht mehr zwischen Schmelzphase und Dampfphase teren, vorgegebenen Gefüge des Nebengesteins an. Peg-
unterscheiden kann, sinken drastisch, so dass man matitgänge treten besonders häufig im Randbereich, ins-
insbesondere gegen Ende des pegmatitischen Stadi- besondere im Dachbereich von Granitplutonen und
ums mit der Existenz von überkritischen Fluiden rech- deren Nachbarschaft auf. Mitunter ist die Außenzone
nen kann (z. B. Thomas et al. 2000, 2003; Sowerby u. feinkörnig (aplitisch) entwickelt (Abb. 20.2). Größere,
Keppler 2002). Überkritisches oder unterkritisches Pegmatitstöcke, aber auch Pegmatitgänge zeigen häufig
Verhalten hängen sehr stark vom Belastungsdruck und eine gut ausgebildete zonare Anordnung der Mineralaus-
von der chemischen Zusammensetzung der Fluide ab. scheidungen. Dabei durchsetzen oder verdrängen die
Mineralbildungen der inneren Zonen die der Außen-
Somit unterliegt es keinem Zweifel, dass die Genese zonen, niemals umgekehrt. In den Kernzonen ist häufig
von Pegmatiten sehr viel komplizierter und vielgestalti- Quarz angereichert, der als Bergkristall in verbleibende
ger ist, als man aus dem vereinfachten Granit-System Drusen-Hohlräume hineinwächst (Abb. 20.2). Dieser
ableiten kann. Zonarbau wurde durch fraktionierte Kristallisation der
Pegmatit-Schmelze oder durch liquide Entmischung er-
Darauf weisen z. B. Untersuchungen an Schmelz- und Flüssigkeits- klärt; in manchen Fällen könnte eine spätere fluide Phase
einschlüssen hin, die von Thomas et al. (2000, 2003) an Mineralen
eines Pegmatits von Ehrenfriedersdorf im Sächsischen Erzgebirge
die inneren Teile des Pegmatitkörpers verdrängt haben.
durchgeführt wurden. Danach waren an der Pegmatitbildung zwei Nach London (2005) lassen sich der Zonarbau und ande-
Silikatschmelzen beteiligt, die miteinander im Gleichgewicht standen. re Gefügemerkmale von Pegmatiten, wie
310 20 · Pegmatite
häufige Orientierung der Kristalle etwa senkrecht zum Muscovit, ± Biotit, ± Turmalin und seltenere Minerale. Sy-
Salband, enit-Pegmatite bestehen aus Alkalifeldspat, Alkalipyroxen,
schriftgranitische Verwachsungen von Quarz und Ka- Biotit, Amphibol, Nephelin oder wenig Quarz und einer
lifeldspat, Vielzahl von seltenen Mineralen. Die Verwachsungs-
Bildung von Skelett-Kristallen strukturen lassen teils auf eine mehr oder weniger gleich-
Abb. 20.3.
Pegmatit mit schriftgranitischem
Gefüge. Graphische (runitische)
Verwachsung von Mikroklin als
Wirtskristall (rosa) und Quarz
(mittel- bis dunkelgrau). Knie-
breche bei Glattbach, Vorspes-
sart. (Foto: K.-P. Kelber)
20.3 · Pegmatite als Rohstoffträger 311
zeitige Kristallisation, teils auf sekundäre Verdrängungen Weitere weltwirtschaftlich wichtige Vorkommen sind
schließen. Gleichzeitiges Wachstum wird meist für den sog. Kings Mountain (North Carolina, USA) und Echassières
Schriftgranit angenommen, in dem die Quarzindividuen (Frankreich); die größten Reserven befinden sich in
orientiert im Mikroklin bzw. Mikroklinperthit eingewach- der Republik Kongo (Zaire). Das Leichtmetall Li wird
sen sind (Abb. 20.3). Dieses graphische oder runitische für die Herstellung von Glas, Keramik und zahlrei-
Verwachsungsgefüge wird häufig als kotektische Ausschei- chen Li-Verbindungen benötigt, außerdem dient es als
dung aus einer Restschmelze gedeutet; jedoch sind die Flussmittel in der Aluminium-Metallurgie. Als Bei-
Quarz : Feldspat-Verhältnisse oft geringer als den kotekti- produkte werden aus Li-Pegmatiten Be, Rb, Cs, Zr, Ti,
schen Kurven im vereinfachten Granit-System Qz–Ab–Or– Nb, Ta und Sn gewonnen.
H2O (Abb. 18.3, S. 289) bei niedrigen Drücken entspricht. 4. Beryllium-Pegmatite sind reich an Beryll, der bis zu
Häufig enthalten die Pegmatite Riesenkristalle. Glim- 16 m lange Kristalle bilden kann (Abb. 9.20, S. 132).
mer von mehr als 1 m ∅, Kalifeldspäte, Berylle oder Spo- Die wichtigsten Vorkommen liegen in Russland und
dumene von mehreren Metern Länge sind nicht selten be- Brasilien. Das Leichtmetall Be findet vielfältige tech-
obachtet worden. Dieser Riesenwuchs ist Ausdruck der nische Anwendung (s. Abschn. 9.3, S. 133).
ungewöhnlich günstigen Bedingungen, die die H2O-rei- 5. Edelstein-Pegmatite enthalten die edlen Varietäten von
chen pegmatitischen Schmelzen im Hinblick auf Keim- Beryll (insbesondere Aquamarin), Turmalin (Abb. 9.24,
auslese und Kristallwachstum bieten. 9.25, S. 135), Topas, Spodumen, Alkalifeldspat (Amazonit
(Abb. 9.54, S. 171), Mondstein) oder Rosenquarz u. a., wo-
20.3 bei verschleifbares Material fast nur in Kristalldrusen 20.3
Pegmatite als Rohstoffträger vorkommt. Fundpunkte liegen besonders in Minas
Gerais (Brasilien), Madagaskar, Namibia und im Ural.
Viele Pegmatit-Vorkommen besitzen beachtliche wirt- 6. Pegmatite mit Uran- und Thoriummineralen, insbe-
schaftliche Bedeutung. Aus ihnen können wichtige In- sondere Uraninit U3O8 und Thorianit ThO2. Am be-
dustrie-Minerale wie Feldspäte und Glimmer gewonnen deutendsten sind z. Z. die Lagerstätten im Gebiet von
werden. Darüber hinaus kommt es in der pegmatitischen Bancroft (Ontario, Kanada).
Phase zur Anreicherung seltener Elemente wie Lithium, 7. Niobat-Tantalat-Pegmatite mit Columbit-Mischkris-
Beryllium, Bor, Barium, Strontium, Rubidium, Cäsium, tallen (Fe,Mn)(Ta,Nb)2O6, dem Ta-reichen Endglied
Niob, Tantal, Zirkonium, Hafnium, Seltene Erden, Uran, Tantantalit und mit Mineralen der Seltenerd-Elemente
Thorium und Phosphor. Auch Zinn, Wolfram und Mo- stellen Restdifferentiate von Alkali-Graniten dar. Der
lybdän können in Pegmatiten konzentriert sein, in man- weltweite Bedarf an Tantaloxid hat in den letzten
chen Fällen sogar Kupfer und Gold. Dabei gibt es auch 10 Jahren enorm zugenommen und liegt derzeit bei
regionale Schwerpunkte: Pegmatit-Provinzen. Nach den ca. 1 400 t mit einem Weltmarkpreis von 80 US$ / kg
geförderten Industriemineralen und metallischen Roh- (Melcher et al. 2008). Tantal ist ein strategisch wichti-
stoffen unterscheidet man folgende Pegmatite: ges Metall für die Elektronikindustrie; es wird zur
Herstellung von miniaturisierten Tantal-Kondensato-
1. Feldspat-Pegmatite sind am verbreitetsten. Charak- ren verwendet, die z. B. in Mobiltelefonen, Laptops und
teristische Nebengemengteile treten zurück. Vorkom- Kraftwagen eingesetzt werden. Die größten Vorkom-
men gibt es im Bayerischen Wald, in der Oberpfalz, im men sind der Greenbushes-Pegmatit im westlichen
Vorspessart. Größere europäische Vorkommen finden Australien, ein Gebiet, das 61 % des Weltbedarfs an
sich u. a. in Südnorwegen und anderen skandinavi- Ta deckt, gefolgt von Brasilien (18 %) und Kanada
schen Ländern. Feldspat ist ein wichtiger Rohstoff der (5 %) mit der Lagerstätte des Tanco-Pegmatits am
keramischen Industrie, z. B. der Porzellanindustrie. Bernic Lake (Manitoba). In den afrikanischen Län-
2. Glimmer-Pegmatite enthalten große Tafeln von Mus- dern, die insgesamt 16 % der Weltproduktion an Ta
covit oder auch Phlogopit. Berühmte Vorkommen lie- liefern, wird das Columbit-Tantalit-Konzentrat „Colt-
gen im Petaca-Distrikt (New Mexico, USA), im Uluguru- an“, das „schwarze Gold“, aus stark verwitterten Peg-
Gebirge in Tansania, in Sri Lanka und in Bengalen (In- matiten, aber auch aus Seifen-Lagerstätten gewonnen
dien). Beide Glimmerarten sind Rohstoffe für die (Abschn. 23.2.7, S. 358), von denen die Kenticha-Mine
Elektroindustrie, hier besonders als Kondensatoren- in Äthiopien und die Lagerstätte Alto Ligonha in Mo-
material. Heute erfolgt meist ein technischer Ersatz sambik am bedeutendsten sind. Wichtige Vorkommen
durch synthetische Glimmer. liegen auch im „Tantalite Valley“ (Süd-Namibia) und
3. Lithium-Pegmatite sind reich an Spodumen LiAl[Si2O6], in Simbabwe.
z. T. mit Riesenkristallen bis zu 16 m Größe, und/oder
In den zentralafrikanischen Krisengebieten der Republik Kongo
den Lithiumglimmern Lepidolith oder Zinnwaldit. und seiner Nachbarländer werden Coltan-Konzentrate z. T. durch
Daneben enthalten die Pegmatite der Black Hills Kleinbergbau gewonnen und illegal zur Finanzierung von Bür-
(South Dakota, USA) Amblygonit LiAl[(F,OH)/PO4]. gerkriegen vermarktet („Blutcoltan“).
312 20 · Pegmatite
Auch die Zinn-Pegmatite von Süd-Thailand liefern Ta. halb von Subduktionszonen syn- bis spätorogen ge-
Aus den mehr als 50 Pegmatiten des Petaca-Distrikts fördert wurden.
(New Mexico, USA) werden neben Glimmern Be, Nb, Ta, 3. Die gemischte NYF+LCT-Familie weist Merkmale
Bi, U, Th und SEE gewonnen. beider Gruppen auf.
21.1 Der Übergang vom pegmatitischen zum hydrothermalen Stadium ist fließend.
Grundlagen Es bestehen, physikalisch-chemisch gesehen, keine Unterschiede zwischen der
Lösungsfähigkeit H2O-reicher Schmelzen, überkritischer Fluide oder unter-
21.2 kritischer Lösungen. Unterschiede hängen von den Zustandsbedingungen Tem-
Hydrothermale peratur, Druck sowie Konzentration der leichtflüchtigen Komponenten in dem
Imprägnationslagerstätten betreffenden System ab. Hydrothermale Lagerstätten können innerhalb der Erd-
kruste entstehen in Form von
21.3
Hydrothermale hydrothermalen Imprägnationen,
Verdrängungslagerstätten hydrothermal-metasomatischen Verdrängungen
oder hydrothermalen Erz- und Mineralgängen,
21.4
Hydrothermale Erz- die allerdings auch häufig in Kombination auftreten können. Darüber hinaus kön-
und Mineralgänge nen sich hydrothermale Lagerstätten auch bilden
21.6
Sedimentgesteins-
gebundene hydrothermale
Lagerstätten
314 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
21.1 21.1 H2O ist Tc = 374 °C) bis hinunter zu seinem Siedepunkt
Grundlagen (~100 °C) gleichgesetzt; es besteht aber kein Zweifel, dass
hydrothermale Prozesse in einem Temperaturbereich
Wie wir in Abschn. 20.1 (S. 308) gesehen haben, kommt zwischen 700 und 50 °C ablaufen können (Evans 1993).
es bei der Kristallisation von H2O-haltigen Granit- Nicht selten treten in hydrothermalen Gängen kolloforme
Magmen zur Freisetzung einer H2O-reichen Dampf- Gefüge auf, in denen gebänderte Mineralaggregate sphä-
phase durch retrogrades Sieden (Abb. 20.1a, Grenz- rische, Nieren-, Kokarden- oder Girlanden-artige Formen
kurve B–D) oder einer salinaren fluiden Phase, in bilden. Diese Gefüge belegen zwar eine Ausscheidung aus
der neben H2O weitere leichtflüchtige Komponen- ziemlich tieftemperierten, aber nicht notwendigerweise
ten wie F, Cl, H3BO3 sowie seltene chemische Ele- kolloidalen Lösungen (Roedder 1968).
mente, insbesondere auch Schwermetalle gelöst sind. Nach ihrer Bildungstemperatur teilte Lindgren (1933)
Art und Menge der gelösten Komponenten haben die hydrothermalen Lagerstätten i. e. S. in katathermale
einen entscheidenden Einfluss darauf, welche Pro- (400–300 °C), mesothermale (300–200 °C), epithermale
zesse sich im Einzelnen abspielen. Diese reagieren (200–100 °C) und (tele)thermale Lagerstätten (<100 °C)
sehr empfindlich auf Änderungen von Druck und ein. Diese Klassifikation wird auch heute noch benutzt,
Temperatur, insbesondere auf Schwankungen im doch sollte man berücksichtigen, dass die Erzgenese
Verhältnis von Belastungsdruck und H2O-Druck, die durch weitere Zustandsparameter wie Druck, chemische
z. B. im Dachbereich eines kristallisierenden Granit- Zusammensetzung (z. B. Salinität), pH-Wert und Redox-
Plutons oder einer subvulkanischen Intrusion häu- potential der hydrothermalen Lösungen gesteuert wird.
fig vorkommen. So kann plötzliche Druckentlastung
durch tektonische Bewegungen spontan zum retro- Zusammensetzung der hydrothermalen Lösungen. Direkte
graden Sieden (engl. second boiling) führen. Anhaltspunkte für die chemische Zusammensetzung
hydrothermaler Lösungen und ihren physikalischen Zu-
Da die freigesetzte Dampfphase ein wesentlich größeres stand bieten aktive Hydrothermal-Systeme in geothermi-
Volumen als die Schmelze einnimmt, kommt es zur Zer- schen Feldern. Beispiele sind die Au-As-Lagerstätte von
rüttung des Gesteinsverbandes (hydraulic fracturing). Da- Waiotapu, Neu-Seeland (Brown and Simmons 2003), oder
her kann der Dampf auf Spalten und Rissen in den Randbe- die Baryt-Pyrit-Mineralisation im Thermalfeld von Wies-
reich der Intrusion oder ins Nebengestein abdestillieren, baden (Schwenzer et al. 2001; Wagner et al. 2005) sowie
wobei es zur Ausscheidung schwerlöslicher Verbindungen die weltweiten Hydrothermal-Aktivitäten an den Mittel-
wie Kassiterit SnO2, Wolframit (Fe,Mn)[WO4], Scheelit ozeanischen Rücken mit Bildung der Black Smoker
Ca[WO4], Molybdänit MoS2, Chalkopyrit CuFeS2, Hämatit, (Abschn. 21.5.1, S. 329ff). Darüber hinaus stellen Flüssig-
Fluorit, Topas, Turmalin, Li-Glimmer oder Quarz auf Gän- keitseinschlüsse in hydrothermalen Mineralen besonders
gen und Adern kommt. Darüber hinaus wird das Nebenge- wichtige Indikatoren für die Zusammensetzung und
stein in der Nachbarschaft der Gänge, in den oberen bzw. Salinität der Fluide in erloschenen hydrothermalen Sys-
randlichen Teilen des Granitplutons oder in seiner unmit- temen sowie für die Druck-Temperatur-Bedingungen bei
telbaren Nachbarschaft durch solche Mineralbildungen der Mineralbildung dar (vgl. Kapitel 10).
imprägniert oder verdrängt. Ihre Abscheidung vollzieht sich
fast stets in einem begrenzten Bereich von höchstens ei- Helgeson (1964) definiert die hydrothermalen Lö-
nigen 100 m Ausdehnung, so dass die sog. Stockwerkhöhe sungen als konzentrierte, schwach dissoziierte, al-
des Bergbaus bei diesen Lagerstätten relativ gering ist. kalichloridreiche Elektrolytlösungen, in denen die
Die bisher beschriebenen Prozesse sind also eindeu- schwerflüchtigen Komponenten in Form von Ionen
tig mit magmatischen Prozessen verknüpft. Sie finden oder Komplexen, im niedriggradigen, epithermalen
bei relativ hohen Temperaturen von >400 °C statt; es han- Bereich auch in kolloidaler Form als Sole gelöst sind.
delt sich um spätmagmatisch-hydrothermale Lagerstät-
ten (Guilbert u. Park 1986). Hydrothermale Lösungen sind meist schwach sauer
bis schwach alkalisch; hydrothermale Tiefenwässer sind
In der mitteleuropäischen Literatur wurden die sehr charakteristischen oft reduziert, doch kann es bei Aufstieg an die Erdober-
Mineralbildungen aus der Dampfphase im Temperaturbereich zwi- fläche zur Oxidation durch Zutritt von Luftsauerstoff
schen etwa 500 und 400 °C traditionell als pneumatolytisches Stadium
und/oder Mischung mit Grundwasser kommen. Flüssig-
bezeichnet (z. B. Schneiderhöhn 1962). Jedoch hat sich dieser Begriff
international nicht durchgesetzt, so dass er hier nicht mehr verwen- keitseinschlüsse in hydrothermalen Erzlagerstätten beste-
det werden soll. hen überwiegend aus H2O; stellenweise enthalten sie auch
reichlich CO2 und geringere Gehalte an H2S, CH4 und N2.
Das hydrothermale Stadium i. e. S. wurde traditionell Gelöste Kationen sind hauptsächlich Na, K, Ca, Mg, Fe und
mit dem Ausscheidungsgebiet unterhalb der kritischen Si; das dominierende Anion ist Cl– mit geringeren Gehal-
Temperatur der wässrigen Lösung (ca. 400 °C; für reines ten an HCO3– und SO42– (Roedder und Bodnar 1997).
21.1 · Grundlagen 315
Oberflächennahe Fluide weisen meist eine geringere Offene (engl. unconfined) Fluidsysteme entwickeln sich
Salinität als das Ozeanwasser (≈3,5 Gew.-%) auf; diese relativ oberflächennah, z. B. in Sedimentationsbecken,
kann nur durch Verdunstung gesteigert werden. Dem- wo Niederschläge durch relativ kalte, unverfestigte oder
gegenüber besitzen höher temperierte Fluide in größerer spröd deformierte Gesteinsverbände einsickern. Sie ste-
Erdtiefe deutlich erhöhte Salinitäten, die durch unter- hen nahezu unter hydrostatischem Druck und können
schiedliche Prozesse bedingt sein können: Lösung von jederzeit wieder aufgefüllt und so aktiv gehalten wer-
Salzgesteinen (Evaporite; Abschn. 23.7, S. 373f), Hydra- den. Diese Fluid-Erneuerung geschieht entweder direkt
tation des Nebengesteins, Sieden des Fluids bei Druck- aus den Niederschlägen oder durch Zufluss von topogra-
entlastung oder retrogrades Sieden bei Abkühlung, wo- phischen Hochgebieten. Wenn solche Systeme in größe-
bei es zur Abtrennung einer Dampfphase und zur Bildung rer Tiefe aufgeheizt werden, steigen die Fluide in tekto-
einer salzhaltigen Lauge kommt (vgl. Abschn. 20.1, nischen Schwächezonen, z. B. entlang von Störungen auf
S. 308f). Über die Gehalte an Lagerstätten-relevanten und bilden Thermalquellen, aus denen sich Kalk- oder
Schwermetallen wie Cu, Zn, Pb, Ag und Au in Flüssigkeits- Kieselsinter abscheiden können (Abschn. 12.5, S. 228).
einschlüssen liegen bislang nur wenige Analysendaten vor; Kanalisierte (engl. confined) Fluidsysteme liegen in
jedoch können sie durchaus einige 1 000 g / t erreichen größerer Erdtiefe, stehen daher unter höheren
(vgl. Kesler 2005). Experimentell konnte nachgewiesen Belastungsdrucken durch die überliegenden Gesteins-
werden, dass die meisten Schwermetalle in hydro- massen, sind höher temperiert und befinden sich im
thermalen Lösungen in Form von Komplexen mit Cl–, Bereich duktiler Verformung. Sie werden durch die
Gold dagegen mit HS– als Liganden transportiert werden Zufuhr von magmatischen oder metamorphen Flui-
(Wood und Samson 1998; Stefanson und Seward 2004). den oder durch tektonische oder sedimentäre Prozes-
Bei Temperatur- und Druckerniedrigung und/oder se angetrieben, durch die isolierte Fluid-Reservoire
Änderung der Wasserstoffionen-Konzentration (pH- entstehen. Wenn der Fluid-Druck den Belastungsdruck
Wert) und des Redoxpotentials (Eh-Wert) wird nachein- übersteigt, oder wenn tektonische Störungen ein Re-
ander die Sättigungsgrenze der schwerflüchtigen Kom- servoir durchschlagen, wird das Fluid in das benach-
ponenten überschritten und es kommt zur Ausscheidung barte offene System ausgetrieben (Cox et al. 2005).
von mehr oder weniger charakteristischen Mineralpara-
genesen. Schwankungen dieser Zustandsparameter können Der Porenraum von Fluidsystemen wird gewöhnlich
dabei immer wieder zu Rekurrenzen oder zu Telescoping, mit Quarz, Calcit oder Anhydrit gefüllt. Während Quarz
d. h. zu räumlicher Überschneidung von unterschiedli- bei niedrigen Temperaturen prograde Löslichkeit besitzt,
chen Mineralparagenesen, führen. Von besonderer Be- sind Calcit und Anhydrit unter hydrothermalen Bedin-
deutung für die Ausscheidungsfolge von Erzmineralen gungen meist retrograd löslich. Dementsprechend wer-
ist die elektrochemische Spannungsreihe Au > Ag > Hg den Calcit und Anhydrit bei der Wiederauffüllung von of-
> Cu > Pb > Co > Fe > Zn > Mn. Treffen z. B. Metall-Lö- fenen Fluidsystemen im absteigenden Ast von Konvektions-
sungen auf sulfidische Erze, so werden edlere Metalle mit zellen, d. h. im Gebiet erhöhter Temperatur ausgefällt, Quarz
stärker elektropositivem Charakter ausgefällt. dagegen im aufsteigenden Ast, in dem sich die Fluide ab-
kühlen (z. B. Rimstidt 1997).
Herkunft und Zirkulation der hydrothermalen Lösungen. Unter- Entsprechend ihrer Herkunft weisen hydrothermale
suchungen der Sauerstoff- und Wasserstoff-Isotopen- Lösungen recht unterschiedliche Temperaturen und Sali-
verhältnisse in hydrothermalen Mineralen und deren nitäten auf (vgl. Kesler 2005). So sind magmatische Rest-
Flüssigkeitseinschlüssen haben ergeben, dass viele Hydro- lösungen mit Temperaturen von 350–700 °C z. T. recht
thermen nicht juvenil sind, also nicht aus magmatischen heiß und besitzen sehr variable Salinitäten, die in einigen
Restlösungen stammen. Hydrothermale Lösungen kön- Laugen bis 70 Gew.-% NaCl-Äquivalent betragen können.
nen auch durch metamorphe Prozesse aus Gesteinen frei- Demgegenüber zeigen hydrothermale Lösungen, die bei
gesetzt werden oder als meteorisches Wasser aus dem at- der Gesteinsmetamorphose durch Entwässerungsreak-
mosphärischen Kreislauf stammen; hierzu gehören ver- tionen (Abschn. 25.2.2, S. 433ff) freigesetzt werden, deut-
sickerte Oberflächenwässer, Grundwasser, Formations- lich niedrigere Salinitäten von maximal 6 % NaCl-Äqui-
wässer, Seewasser und Meerwasser. valent und liegen in einem Temperaturbereich von meist
Obwohl die Zirkulation von hydrothermalen Lösungen 250–400 °C. Die Fluidsysteme, die an den mittelozeani-
ein großräumiger, durchgreifender Prozess ist, schen Rücken und im Backarc-Bereich am Meeresboden
beschränkt sich der Fluidtransport überwiegend auf austreten, zeigen Temperaturen von 200–400 °C und ähn-
besonders permeable Zonen im Gesteinsverband; denn die liche Salinitäten wie das Meerwasser. Aus ihnen entstan-
hydraulische Leitfähigkeit von Gesteinen ist äußerst varia- den in der geologischen Vergangenheit und entstehen
bel und kann Unterschiede von bis zu 13 Größenordnun- noch heute massive Sulfiderz-Lagerstätten (VMS-Lager-
gen aufweisen (Cathless 1997). Man unterscheidet daher stätten: Abschn. 21.5.1 und 21.5.2). Demgegenüber wei-
generell zwei Typen von Fluidsystemen (vgl. Kesler 2005): sen die Fluide, aus denen die sedimentär-exhalativen
316 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
Die Verdrängung von Alkalifeldspat im Granit durch lagerstätten Europas in Nordportugal und NW-Spanien
Kassiterit erfolgt häufig unter gleichzeitiger Neubildung wird Turmalingreisen abgebaut.
von Quarz und Hellglimmer nach folgender Reaktion: In der Zinnlagerstätte von Altenberg im östlichen Erz-
gebirge ist die Scheitelregion eines aufgewölbten Granit-
körpers bis zu 250 m Tiefe weitgehend in einen dicht-
SnCl+3 + 3(Na,K)[AlSi3O8] + 2H2O
körnigen Greisen, den Altenberger Zwitterstock, umge-
Alkalifeldspat
wandelt (Abb. 21.2). Es handelt sich um diffuse Impräg-
SnO2 + KAl2[(OH)2/AlSi3O10] + 6SiO2 nationszonen, bestehend aus einem dichtgescharten Netz-
Kassiterit Muscovit Quarz werk von Klüften, die mit feinkörnigem Kassiterit gefüllt
sind (Abb. 21.3). Der intensive Bergbau, der seit 1458 in
+ 2Na+ + 2H+ + 3Cl– (21.5)
bis zu 90 kleineren Bergbaubetrieben erfolgte, hatte dazu
geführt, dass die alten Weitungsbaue 1620 schließlich zu-
Die freiwerdenden Säuren, insbesondere HCl und HF, sammenbrachen. So entstand die Altenberger Pinge, in
bewirken darüber hinaus eine Umwandlung des primä- der bis 1990 ununterbrochen Bergbau betrieben wurde.
ren Feldspats in Topas unter Ausscheidung von Quarz Kassiterit-Gänge treten z. B. im benachbarten Zinn-
und Fluorit: wald (Cínovec, Erzgebirge, Tschechien) auf. Sie führen
oft gut ausgebildete, gedrungen-prismatische Kassiterit-
CaAl2Si2O8 + 4F– + 4H+ Kristalle mit {111} und {110} in gleich großer Entwick-
An-Komponente im Plagioklas lung; sie sind sehr häufig nach (011) verzwillingt und
21.2.3
Molybdän-Lagerstätten
Abb. 21.4. Erzgang mit Kassiterit, Wolframit und Scheelit mit Greisen-
zone an den Salbändern, Zinnwald, Erzgebirge. (Nach Beck 1903) Molybdänit MoS2 ist meist auch in den Zinn- und Wolf-
ram-Lagerstätten anwesend und wird teilweise als Neben-
werden wegen ihres Aussehens als Visiergraupen be- produkt aus diesen Vorkommen mit gewonnen. Die weitaus
zeichnet. (Abb. 5.10, S. 89). Begleitminerale sind Wolfra- bedeutendste Molybdän-Lagerstätte, die zeitweilig bis zu
mit, Scheelit und Fluorit; die Außenzonen der Gänge be- 80 % an der Weltproduktion beteiligt war, ist die Climax-
stehen aus Lepidolith (Abb. 21.4). Mine in Colorado (USA) mit Durchschnittsgehalten von
Die Zinnerzgreisen des Erzgebirges, Cornwalls, des Fran- 0,25 % Mo und Vorräten von über 500 Mio. t Mo-Erz. Hier
zösischen Zentralmassivs und der Iberischen Halbinsel sind werden die äußeren Zonen eines größeren Körpers von
an Kollisionsgranite des Variscischen Orogens gebunden. Granodiorit-Porphyr in einen dichtkörnigen, zwitter-
Viele weltwirtschaftlich wichtige Zinnlagerstätten sind im ähnlich aussehenden Greisen umgewandelt. Molybdänit
Backarc-Bereich von spät-paläozoischen bis mesozoischen imprägniert in einem dichten Netzwerk feiner Klüfte den
Subduktions-Orogenen entstanden. Hierzu gehören Lager- Greisen. Kreuz und quer verlaufende Quarztrümer ent-
stätten in den peruanischen und bolivianischen Anden halten neben Molybdänit auch zuweilen etwas Kassiterit,
(s. unten), im Yukon-Distrikt (NW-Kanada), in Korea, in der Wolframit und teilweise viel Pyrit. Die zentraleren Partien
Jangxi-Provinz (Volksrepublik China) und in Neu-Süd- des Granodiorit-Porphyrs sind völlig verkieselt. Es handelt
Wales (Australien). Von großer weltwirtschaftlicher Bedeu- sich um eine typische Stockwerkvererzung. Gleicher Ent-
tung ist der südostasiatische Zinngürtel des spätkreta- stehung ist die benachbarte Henderson-Mine mit Erzvor-
zischen bis frühtertiären Inselbogens, der sich von Burma räten von ca. 300 Mio. t und Gehalten von 0,4 % Mo.
über Thailand und Malysia bis zum Indonesischen Archi-
pel erstreckt und etwa die Hälfte der Welt-Zinnproduktion 21.2.4
liefert. Am bekanntesten sind die Vorkommen der malaii- Porphyry Copper Ores
schen Halbinsel und auf den indonesischen Inseln Bangka
und Billiton, die als Zinninseln bezeichnet werden. Heute Hochhydrothermale (katathermale) Imprägnations-
vollzieht sich der Abbau allerdings vorrangig auf sekundä- lagerstätten des Cu sind an die Dachbereiche von mag-
ren Seifenlagerstätten (Abschn. 23.2.7, S. 360). matischen Intrusionen, meist von I-Typ-Graniten, Gra-
Die Zinnerzgänge im Zinngürtel der bolivianischen nodioriten, Tonaliten, seltener auch von Monzoniten und
Anden werden bei den hydrothermalen Ganglagerstätten Dioriten gebunden. Oft sind es die subvulkanischen bis
(Abschn. 21.4.5, S. 326f) behandelt. vulkanischen Ausläufer dieser Plutone (Abb. 21.5), ins-
besondere Trachyandesite, Dacite und Andesite mit ty-
21.2.2 pisch porphyrischem Gefüge. Daraus leitet sich die Be-
Wolfram-Lagerstätten zeichnung Porphyry Copper Ores für diese Lagerstätten
ab. (Die deutsche Übersetzung „Porphyrerze“ wäre etwas
Wolframit (Fe,Mn)[WO4] ist ein ständiger Begleiter auf missverständlich.) Die Erze treten nicht massiv, sondern
vielen Zinnerz-Lagerstätten, besonders auf den Kassiterit- in feiner Verteilung auf; sie füllen ein feines Kluftnetz aus
Gängen. Viele Zinnerz-Lagerstätten enthalten stellenweise (Stockwerkerz, stockwork ore) oder imprägnieren den
oder in der gesamten Lagerstätte so viel Wolframit, dass sie Porenraum des Gesteins (disseminiertes Erz, disseminated
gleichzeitig als Wolfram-Lagerstätten anzusprechen sind. ore); daneben gibt es vererzte Breccienzonen, die in den
Das ist nicht nur im sächsischen Erzgebirge, in Cornwall vulkanischen Bereich überleiten können. Die Entstehung
oder in Nordportugal (z. B. Panasqueira) und Nordwest- des Kluftnetzes und der Breccien kann zumindest teil-
Spanien der Fall, sondern auch in weiteren wichtigen Vor- weise durch Hydraulic Fracturing als Folge retrograden
kommen der Erde. Es gibt jedoch auch Wolframit-Gänge, Siedens erklärt werden; die Porosität ist eine Folge von
in denen Zinnstein fehlt. Die Verwachsungsstrukur der spätmagmatischen Alterationserscheinungen, die für die-
21.2 · Hydrothermale Imprägnationslagerstätten 319
Abb. 21.5. Schematische Darstellung einer Porphyry-Copper-Vererzung. a Alterationszonen. b Vererzungszonen. (Nach Sillitoe 1973 und
Lowell u. Guilbert 1970, aus Evans 1993)
se Lagerstätten typisch sind (s. unten). Damit ergeben sich Kennzeichnend für Porphyry Copper Ores ist die star-
klare genetische Zusammenhänge zum kristallisierenden ke spätmagmatische Alteration des Plutons und seines
Magmenkörper. Die Ähnlichkeiten dieser Vererzungen Nebengesteins durch die Einwirkung der hydrotherma-
mit Greisen-Lagerstätten sind unübersehbar. len Lösungen, wobei es nur in geringem Ausmaß zu
Geochronologische Untersuchungen und thermische Verdrängungserscheinungen kam. Je nach vorherrschen-
Modellierungen sprechen dafür, dass die hydrothermale der Mineralneubildung unterscheidet man von innen
Aktivität gewöhnlich 50 000 bis 500 000 Jahre andauerte; nach außen folgende Zonen (Abb. 21.5a):
jedoch spielte sich die Bildung von einigen großen Cu-La-
gerstätten in mehreren Episoden ab, die sich insgesamt über Kalifeldspat-Zone mit sekundärem Kalifeldspat, Biotit
Zeiträume von mehreren Millionen Jahren erstreckten und Chlorit,
(Seedorff et al. 2005). Sericit-Zone mit Quarz, Sericit, Pyrit, untergeordnet
Chlorit, Illit und Rutil,
Porphyry Copper Ores sind die größten und wirt- Argillit-Zone mit Kaolinit, Montmorillonit und Pyrit,
schaftlich bedeutendsten Kupfererz-Lagerstätten, die Propylit-Zone mit Chlorit, Epidot, Pyrit und Calcit.
mehr als die Hälfte der derzeitigen Weltproduktion
an Kupfer liefern. Daneben werden teilweise noch Die Cu-Erzkörper können im Intrusivkörper, im Ne-
Mo sowie Au und Ag gewonnen. bengestein oder in beiden auftreten; sie konzentrieren
sich im Grenzbereich zwischen Kalifeldspat- und Sericit-
Haupterzminerale sind Chalkopyrit CuFeS2, Enargit Zone (Abb. 21.5b); Pyrit dominiert in der Sericit-Zone
Cu3AsS4, Molybdänit MoS2 sowie Pyrit. Es handelt sich und nimmt über die Argillit- zur Propylit-Zone hin ab.
um relativ arme Lagerstätten mit 0,3–2 % Cu sowie ma- Untersuchungen an Fluid-Einschlüssen und stabilen Iso-
ximal 0,06 % Mo, 4,3 g / t Ag und 0,6 g / t Au, die aber we- topen (Abb. 31.11d, S. 566) weisen darauf hin, dass die al-
gen ihrer großen räumlichen Ausdehnung enorme Metall- terierenden Lösungen teilweise aus dem kristallisieren-
reserven darstellen. den Pluton selbst stammen, teilweise aufgeheizte meteori-
sche Wässer darstellen. Chalkopyrit wurde ausschließlich
Da ein selektiver Abbau von Stockwork Ore, Disseminated Ore und
Nebengestein nicht möglich ist, können Imprägnationserze nur als in der Mischungszone beider Fluid-Systeme ausgefällt. Die
Ganzes gewonnen werden, was lediglich in sehr großen Bergwer- magmatogenen Hydrothermen sind sehr heiß (katather-
ken, bevorzugt in Tagebauen, wirtschaftlich ist. Die modernen tech- mal) mit Temperaturen zwischen 700 und 550 °C und ent-
nischen Möglichkeiten gestatten heute den Abbau von armen Primär- halten hohe Anteile an Cl-Ionen, die für den Metalltransport
lagerstätten. Demgegenüber waren in früherer Zeit meist nur die
Oxidations- und Zementationszonen (Abschn. 22.6, S. 346ff) bau-
wichtig sind. Der Metallgehalt der Hydrothermen wird
würdig, in denen die Metallgehalte durch Verwitterungsvorgänge überwiegend als juvenil-magmatisch angesehen, stammt
sekundär angereichert waren. also wahrscheinlich nicht aus dem Nebengestein.
320 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
Porphyry Copper Ores bilden sich an konvergenten ged. Cu, Chlorit, Epidot, verschiedenen Zeolithen, Apo-
Plattenrändern über der subduzierten ozeanischen phyllit, Prehnit, Pumpellyit, Quarz und Calcit hydro-
Lithosphärenplatte (Abb. 27.17, S. 489). Dabei ist die thermal imprägniert sind. Die lokal hohe Konzentration
Kombination Cu–Ag–Au häufig, doch nicht immer an an ged. Cu in Form spektakulärer Dendrit-Kristalle, z. T.
Inselbögen, die Kombination Cu–Mo an Orogenzonen der von >20 t Gewicht, ist einmalig und Proben davon sind
Kontinentalränder gebunden. Die Zahl der Lagerstätten in vielen Mineraliensammlungen vertreten (Abb. 2.2,
ist außerordentlich groß. Erwähnt seien Bingham (Utah) S. 48). Von den meisten Forschern wird angenommen,
mit Vorräten von 2 700 Mio. t, die in riesigen Tagebauen dass hydrothermale sulfidische Kupferlösungen aus der
gewonnen werden, Morenci und San Manuel-Kalamazoo Tiefe feinverteilten Hämatit (Fe2O3) in der Lava-Ober-
(Arizona), Butte (Montana, s. auch Abschn. 21.4.3, S. 325f), fläche reduziert haben, wobei ged. Cu kristallisierte.
Santa Rita (New Mexico), Lornex und Valley Copper (Ka-
21.3 nada), Cananea (Mexiko), Cerro Colorado (Panama), 21.3
Chuquicamata (Chile) mit 9 400 Mio. t Vorräten, Panguna Hydrothermale Verdrängungslagerstätten
(Papua Neu-Guinea), Sar Cheshmeh (Iran) und Kounrad
(Kasachstan). Hydrothermale Verdrängungslagerstätten entstehen in
Einem subvulkanischen Imprägnationstyp werden zwei leicht reaktionsfähigen Gesteinen, insbesondere in Kalk-
bedeutende Kupfererz-Lagerstätten Europas zugerech- steinen und Dolomiten oder ihren metamorphen Äqui-
net: Maidan Pek und Bor in Serbien. In der Lagerstätte valenten, den Marmoren. Dabei erfolgt ein metasomati-
Maidan Pek gibt es diffuse Vererzungszonen und vererzte scher Stoffaustausch zwischen dem Karbonatgestein mit
Ruschelzonen neben unregelmäßigen Erzkörpern inner- hydrothermalen Lösungen, wobei Calcit oder Dolomit
halb eines propylitisierten Andesitmassivs als unmittelba- durch Erzminerale von Sn, W, Mo, Fe, Mn, Cu, Pb, Zn, Ag,
rem Nebengestein. Erzminerale sind insbesondere Chal- Co, As, Bi, Hg und Mg ersetzt werden. Als Beispiel diene
kopyrit, Molybdänit und Pyrit in verschiedenen Modal- die Reaktion
verhältnissen. In der Lagerstätte Bor erkennt man meh-
rere Vererzungsphasen, die nacheinander abliefen. Die SnCl+3 + CaCO3 + H2O
Vererzung des Andesits begann mit einer Imprägnation Calcit
von Pyrit. Anschließend kam es zur Bildung von reichen
Erzimprägnationen durch Enargit, (Hoch)-Chalkosin SnO2 + Ca2+ + CO2 + 2H+ + 3Cl– (21.7)
Cu2S und Covellin CuS. Kassiterit
Einige der großen Porphyry-Copper-Lagerstätten besit-
zen hohe Goldreserven (Bierlein et al. 2006; Frimmel 2008). Solche Verdrängungen können große Ausmaße errei-
Das gilt ganz besonders für das Goldvorkommen von Gras- chen, sind jedoch oft ungleichmäßig verteilt und unbere-
berg in Indonesien, das mit Vorräten von ca. 6 800 t Au wohl chenbar. Hydrothermale Verdrängungen, die mit Erzgän-
die zweitgrößte Gold-Anreicherung der Erde darstellt. Wei- gen verknüpft sind, werden im Abschn. 21.4 behandelt.
ter sind zu nennen die Lagerstätten Ok Tedi (ca. 1 130 t Au)
und Porgera (ca. 1 110 t Au) in Papua-Neuguinea (z. B. 21.3.1
Garwin et al. 2005), Boddington im australischen Yilgarn- Skarnerz-Lagerstätten
Kraton (ca. 1 280 t Au), Kalmakyrsk in Usbekistan (ca.
1 300 t Au), Bingham in Utah (ca. 1 000 t Au), Cananea in Skarnerze entstehen fast immer im Kontaktbereich zwi-
Mexiko (ca. 1 270 t Au) sowie die zahlreichen Gold-Lager- schen magmatischen Intrusionen und karbonatischem
stätten in den südamerikanischen Anden wie Bajo de la Nebengestein (Kalkstein oder Dolomit). Dabei kommt
Alumbrera in Argentien, Chuqicamata und La Escondida es häufig zu erheblichen metasomatischen Stoffwande-
in Chile und der Cajamarca-Distrikt in Peru (z. B. Sillitoe rungen, wobei dem Karbonatgestein insbesondere Si, Al,
und Perelló 2005). Viele dieser Lagerstätten sind an K-rei- Fe und Mg sowie Neben- und Spurenelemente zugeführt
che Kalkalkali-Magmatite, z. B. Shoshonite gebunden (Mül- werden. Es bilden sich charakteristische Ca-Mg-Fe-Sili-
ler und Groves 2000). kate wie Grossular-Andradit-Granat, Diopsid-Hedenber-
git, Wollastonit, Tremolit-Aktinolith, ferner Epidot, Ve-
21.2.5 suvian und andere Minerale, auch solche mit F-, Cl- oder
Imprägnationen mit ged. Kupfer (Typus Oberer See) Bor-Gehalten. Das Auftreten von Topas oder Turmalin
ist jedoch untypisch. Verdrängungserscheinungen und
Nicht vergleichbar mit den Porphyry Copper Ores ist Reaktionssäume bei diesen Silikaten sind verbreitet. Ihre
ein Imprägnationstyp auf der Keweenaw-Halbinsel im Korngrößen sind oft erheblich. Die bei diesem Prozess
Lake Superior (Michigan, USA). Hier ist eine mächtige entstehenden harten und zähen Kalksilikat-Felsen werden
Serie von Basaltströmen aus dem Proterozoikum mit nach einem alten schwedischen Bergmannsausdruck als
brecciös-schlackiger Oberfläche entwickelt, die mit Skarn bezeichnet. Aus ihrem Mineralbestand und ihren
21.3 · Hydrothermale Verdrängungslagerstätten 321
Tabelle 21.1. Die wichtigsten Typen von Skarnerzen. (Stark vereinfacht aus Evans 1993)
Flüssigkeits-Einschlüssen lassen sich für die erzbringenden Die bedeutende Ca-Skarn-Lagerstätte Naica in Chihua-
Fluide meist hohe Bildungstemperaturen von 650–500 °C hua, Mexiko (Tabelle 21.1) hat durch die Bildung von rie-
sowie hohe Salinitäten von >50 Gew.-% NaCl-Äquivalent sigen Gipskristallen (Abb. 7.6, 7.7, S. 111f) weltweite Auf-
ableiten. Erst im Lauf der Zeit werden die Fluide kühler merksamkeit erregt.
(<400 °C) und weniger salzreich (<20 Gew.-% NaCl-Äqui-
valent; Meinert et al. 2005). Die Vererzung steckt in Kalksteinen der Unterkreide (Alb) und ist
an Felsit-Gänge gebunden, deren Alter mit der K-Ar-Methode
In manchen Fällen werden durch H2O-reiche Dämp-
(Abschn. 31.5.3, S. 575ff) auf ca. 26 Ma datiert ist (Megaw et al. 1988).
fe oder Fluide Schwermetall-Komplexe transportiert. Wahrscheinlich stammen diese Gänge von einem magmatischen
Durch Reaktion mit dem karbonatischen Nebengestein Tiefenkörper in 2–5 km Tiefe ab. Die heißen (240–490 °C),
kommt es zur Bildung von Erzanreicherungen und von hochsalinaren (31–63 Gew.-% NaCl-Äquivalent) hydrothermalen Lö-
bauwürdigen Skarnerz-Lagerstätten unterschiedlichster sungen durchsetzten die Gänge und das karbonatische Nebengestein
Art. Sie sind überwiegend an syn- bis spätorogene Gra- auf tektonischen Schwächezonen und Schichtgrenzen, wobei die
Karbonate intensiv in Kalksilikat-Minerale umgewandelt wurden. Die
nit- bis Granodiorit-Plutone gebunden, die an konver- wichtigsten Erzminerale sind Pyrit, Pyrrhotin, Sphalerit, Galenit und
genten Plattenrändern in die kontinentale Oberplatte Chalkopyrit (Megaw et al. 1988; vgl. Tabelle 21.1).
intrudierten. Die wichtigsten Typen von Skarnerz-Lager-
stätten (Tabelle 21.1) entstanden durch metasomatische Skarnerz-Lagerstätten mit Scheelit CaWO4 spielen
Verdrängung von Kalksteinen (Ca-Skarne), nur wenige weltwirtschaftlich eine immer größere Rolle. Bedeuten-
von Dolomiten (Mg-Skarne). de Vorkommen sind Macmillan Pass und Tungsten (Ka-
Kontaktmetasomatisch werden vorwiegend sulfidische nada), King Island (nördlich Tasmanien), Sangdong (Ko-
(Pyrrhotin, Pyrit, Sphalerit, Galenit, Chalkopyrit) oder oxidi- rea) und Pine Creek (Kalifornien, USA). Wegen seiner
sche (Magnetit, Hämatit) Erzminerale abgeschieden, stets Unauffälligkeit im umgebenden Skarn wird Scheelit leicht
in sehr unregelmäßigen Verdrängungskörpern. Klassische übersehen. Er lässt sich bei der Prospektion am einfachs-
Kontaktlagerstätten mit Skarnbildung sind die Hämatit- ten durch seine starke UV-Fluoreszenz feststellen. Bedeu-
erze der Insel Elba, die aber nicht mehr im Abbau stehen. tung können auch kontaktmetasomatische Skarn-
Eine der bedeutendsten Erzlagerstätten dieser Art war lagerstätten mit Anreicherungen von Mo und Sn haben.
lange Zeit die Eisenerz-Lagerstätte von Magnitogorsk im
Südural mit Magnetit als Haupterzmineral. Die Lagerstät- 21.3.2
te Antamina in Peru ist einer der größten Produzenten an Mesothermale Kupfer-Arsen-Verdrängungs-Lagerstätten
Kupfer und Zink mit Vorräten von 556 Mio. t und Durch-
schnittsgehalten von 1,1 % Cu, 2,8 % Zn und 0,04 % Mo. An hydrothermalen Reaktionskontakten mit Kalken und
Einige Skarnerz-Lagerstätten produzieren als Nebenpro- Dolomiten kann es zu bedeutenden Anreicherungen von
dukt Gold; die gesamten Vorräte in diesem Lagerstättentyp Kupfererz kommen. Der bekannteste Vertreter dieses Typs
werden weltweit auf ca. 1 470 t Au geschätzt (Frimmel 2008). ist die Lagerstätte von Tsumeb im Otavi-Bergland (Nord-
322 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
Namibia), die von 1907 bis 1997 fast ununterbrochen im unter Bildung von Pyrit, Markasit und Arsenopyrit. In
Abbau stand. Haupterzminerale sind Chalkosin, Enargit, diesen Sulfidmineralen ist Gold in Form feinster Partikel
Tetraedrit-Tennantit (Fahlerz), Galenit und Cd-reicher eingeschlossen, teils auch in den Kristallstrukturen ein-
Sphalerit; das Ge-Erzmineral Germanit Cu13Fe2Ge2S16 gebaut (Cline et al. 2005). Die großen Lagerstätten in
wurde hier gefunden. Berühmt ist Tsumeb wegen der uner- Nevada, außer Carlin noch Newmont, Betze Post und
reichten Artenfülle von Sekundärmineralen innerhalb der Cortez gehören zu den wichtigsten Goldvorkommen der
ausgedehnten Oxidationszonen. Noch im Abbau befindet Erde, die insgesamt Vorräte von ca. 10 000 t Au aufweisen
sich die nahe gelegene Lagerstätte Kombat mit Bornit, Ten- (Frimmel 2008).
nantit, Chalkopyrit und Galenit als primäre Erzminerale
sowie sekundär gebildetem Chalkosin und ged. Kupfer. 21.3.5
Metasomatische Siderit-Lagerstätten
21.3.3
Hydrothermale Blei-Silber-Zink-Verdrängungslagerstätten Metasomatische Siderit-Lagerstätten haben sich dort ge-
bildet, wo aufsteigende (aszendente) Fe-haltige hydro-
Verdrängungslagerstätten mit Galenit und Sphalerit in thermale Lösungen mit Kalkstein oder Marmor reagieren
Kalkstein oder dolomitischem Kalkstein sind recht ver- konnten. Die bekannteste und bedeutendste Lagerstätte die-
breitet; jedoch ist ihre genetische Stellung häufig umstrit- ser Art ist der Erzberg in der Steiermark, wo ein alt-
ten. An gewinnbaren Blei-, Zink- und Silbererzen und paläozoischer Kalkstein über seine Schichtfugen hinweg
an Erzvorräten übertreffen sie die entsprechenden Gang- wolkig-diffus vererzt wurde. Es lässt sich eine Umwand-
lagerstätten (s. unten) erheblich. Ein Teil davon ist unter lungsfolge Calcit → Dolomit → Ankerit Ca(Mg,Fe)[CO3]2
höheren Temperaturen gebildet und deshalb als kata- bis → Siderit erkennen. Auf diese Weise ist ein riesenhafter,
mesothermal einzustufen. geschlossener Körper von Mn-haltigem Spateisenstein
Zu den hochtemperierten Blei-Zink-Verdrängungs- entstanden, der nur geringe Mengen an Pyrit, Chalkopy-
lagerstätten gehören z. B. Leadville (Colorado, USA), wo rit, Fahlerzen und Cinnabarit führt. Die Erze werden in
ein felsischer Subvulkanit eine karbonische Kalkstein- einem mächtigen Tagebau mit rund 70 Etagen und un-
Quarzit-Folge intrudierte, Trepc̀´a (Südostserbien) als ter Tage gewonnen. Die Lagerstätte enthielt insgesamt
eine der wichtigsten Pb-Zn-Ag-Lagerstätten in Europa, 500 Mio. t Erz, von denen mehr als die Hälfte abgebaut
Iglesias in Sardinien als wichtigster Pb-Zn-Ag-Erzeuger ist; die Gehalte liegen bei 32 % Fe und 2 % Mn (Petra-
Italiens, und Laurion (Attika, Griechenland), dessen Gru- schek u. Pohl 1992).
ben bereits im Altertum betrieben wurden. Vergleichbare Vorkommen von Bedeutung finden sich
Bei den niedrigtemperierten Blei-Zink-Verdrängungs- um Hüttenberg in Kärnten (Hüttenberger Erzberg), in
lagerstätten vom Mississippi-Valley-Typ ist ein Zusam- der Slowakei, im Banat (Rumänien), in Tunesien und
menhang mit magmatischen Intrusionen nicht erkenn- Algerien. Die beachtlichen Vorkommen bei Bilbao (Nord-
bar. Für sie wird eine niedrig-thermale oder eine sedi- spanien), die sog. Bilbaoerze, die für die deutschen Hüt-
mentäre, vielleicht spät-diagenetische Entstehung disku- ten von großer Bedeutung waren, sind von oben her weit-
tiert (vgl. Abschn. 21.6.2, S. 335). gehend in sekundäre Oxidationserze umgewandelt.
Entlang der Randspalten des Thüringer Waldes und bei Bieber im
21.3.4 Spessart ist der Zechsteinkalk bzw. -dolomit stellenweise meta-
Hydrothermale Gold-Pyrit-Verdrängungslagerstätten somatisch in Siderit umgewandelt. Einige dieser Spateisenstein-Vor-
vom Carlin-Typ kommen wurden bergmännisch abgebaut.
Kalksteinen und Dolomiten der Grauwackenzone. Die nichtopaken Begleitmineralen, der sog. Gangart, dem tau-
Hauptvorkommen liegen bei Radenthein (Kärnten) so- ben Mittel. Zu den Gangarten rechnen im Wesentlichen
wie Trieben und Veitsch (Steiermark). Ihr Abbau voll- Quarz, Calcit, Dolomit und andere Karbonate sowie Flu-
zieht sich vorwiegend über Tage. orit und Baryt, die wichtige Industrieminerale darstel-
Magnesit dient neben der Gewinnung des Leichtme- len und meist aus erzfreien Hydrothermalgängen gewon-
talls Magnesium, besonders als Rohstoff für die Herstel- nen werden. Häufig spiegelt die Gangart die Zusammen-
lung von Sintermagnesit in der Feuerfestindustrie für setzung des Nebengesteins wider, aus dem sie offensicht-
Ziegel zum Auskleiden von Sauerstoff-Konvertern (LD- lich mobilisiert wurde, z. B. Quarz bei silikatischem, Cal-
Verfahren) und Hochöfen. Daneben wird Magnesit als cit bei karbonatischem Nebengestein.
kaustischer Magnesit bei etwa 800 °C gebrannt, um das Die Ausscheidung des Mineralinhalts der Gänge er-
CO2 zu entfernen; das dabei entstehende MgO wird zur folgt meist gleichzeitig mit den tektonischen Öffnungs-
Gewinnung von Sorelzement und zur Fertigung von bewegungen, dem Aufreißen der Spalte. Das kann in
Leichtbauplatten verwendet. mehreren Etappen geschehen. Dabei entspricht die sym-
metrische zonale Anordnung verschiedener Mineral-
21.4 paragenesen, die man häufig in Hydrothermalgängen 21.4
Hydrothermale Erz- und Mineralgänge beobachtet (Abb. 21.7), der Auscheidungsfolge. Stets be-
finden sich die älteren, generell bei höherer Temperatur
Voraussetzung für die Entstehung hydrothermaler Erz- gebildeten Paragenesen an den Gangrändern (dem sog.
und Mineralgänge ist das Vorhandensein von sich öff- Salband), die jüngeren, etwas niedriger temperierten
nenden tektonischen Spalten, in denen die hydrother- Paragenesen in der Gangmitte.
malen Lösungen Platz nehmen und auskristallisieren
können, z. B. auf duktilen Scherzonen, Verwerfungen, Änderungen in den verschiedenen Mineralparagene-
Überschiebungen oder Spannungsrissen. Typisch sind sen im Streichen eines Gangs bezeichnet man als ver-
sog. Pinch-and-Swell-Strukturen, bei denen die Mäch- tikalen bzw. lateralen Fazieswechsel oder als primä-
tigkeit des Erzganges stark variiert, weil er Neben- ren Teufenunterschied. Dieser ist bei den subvulkani-
gesteinslagen unterschiedlicherer Kompetenz durch- schen Ganglagerstätten infolge kürzerer Transport-
setzt (Abb. 21.6). Hydrothermalgänge bilden meist wege und schnellerer Abkühlung weniger ausgeprägt:
kompakte Aggregate aus Erzmineralen und Gangart; in Die verschiedenen Mineralparagenesen erscheinen
verbleibenden Hohlräumen können sich auch Mine- teleskopartig ineinandergeschoben (Telescoping). Die
raldrusen mit freien Kristallendigungen entwickeln. praktische Bedeutung des Fazieswechsels für die Pro-
Nicht selten werden hydrothermale Erzgänge auch von spektion der Erze sowie für bergbau- und aufberei-
hydrothermalen Imprägnationen oder Verdrängungen tungstechnische Fragen ist offensichtlich.
begleitet.
Die Erzminerale sind die Träger der gewinnbaren
Metalle. Von den Bergleuten werden diese Teile des Gangs
auch als Erzmittel bezeichnet im Unterschied zu den
Abb. 21.6. Erzgang auf einer Abschiebung mit gut entwickelter Abb. 21.7. Symmetrischer Erzgang aus der Grube Himmelfürst-
Pinch-and-Swell-Struktur. Im Bereich der kompetenten Sandstein- Fundgrube bei Brand-Erbisdorf (Erzgebirge). Nebengestein: Gneis:
und Kalkstein-Lagen ist der Erzgang relativ mächtig, während er säulenförmiger Quarz I mit Sphalerit (schwarz), Arsenopyrit
in den inkompetenteren Tonstein-Horizonten nahezu auskeilt. (längsgestreift), Rhodochrosit (zonar), Galenit (Kreuzschraffur),
Unterhalb einer mächtigen Schicht von undurchlässigem Tonstein Chalkopyrit (punktiert), Calcit in der Gangmitte (weiß). (Nach
biegt der Gang in die Horizontale um. (Nach Evans 1993) Maucher, umgezeichnet aus Schneiderhöhn 1941)
324 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
Aus der geradezu verwirrenden Fülle des Mineral- Ag3AuTe2 auf (Ciobanu et al. 2006). Stellenweise sind
und Erzinhalts der verschiedenen, überaus zahlreich Übergänge zu Turmalin-führenden Gold-Quarz-Gängen
auftretenden hydrothermalen Gänge heben sich sog. per- zu beobachten. Das Alter der Lagerstättenbildung reicht von
sistente Paragenesen hervor, die weltweit vorkommen archaisch (Barberton-Greenstone-Belt, Südafrika: 3 200 Ma)
und immer wieder gleich bleiben. Sie wurden zur Grund- bis Tertiär (Obere Monte-Rosa-Decke, Westalpen ≤33 Ma).
lage für ein Schema von Gangformationen, das lange Zeit Eine weitverbreitete Gruppe von Gold-Quarz-Gängen ist
als Prinzip für eine Systematik hydrothermaler Lager- an archaische Grünstein-Gürtel gebunden, deren usprüng-
stätten aller Strukturtypen diente. licher Goldgehalt durch Granit-Intrusionen mobilisiert und
in Gängen angereichert wurde. In den großen präkam-
Die Bezeichnung „Gangformation“ war im sächsischen Bergbau brischen Kratonen der Erde können hunderte oder
schon lange gebräuchlich. Der Freiberger Mineraloge August Breit- tausende von Einzellagerstätten mit sehr unterschiedli-
haupt (1791–1873) erkannte als erster, dass für genetische Schluss-
folgerungen Mineralparagenesen wichtig sind und nicht ein ein-
chen Gold-Gehalten und Vorräten auftreten. Die meisten
zelnes, besonders auffälliges Mineral. Dieses Prinzip hat sich ganz untertage abgebauten Lagerstätten enthalten 4–8 g/t, z. T.
allgemein für die Petrologie als fruchtbar erwiesen. sogar 10–15 g / t Au; im Tagebau können noch Gehalte von
1–2 g / t bauwürdig sein. Ein prominentes und noch heu-
21.4.1 te sehr bedeutendes Beispiel ist die Goldene Meile von
Orogene Gold-Quarz-Gänge Kalgoorlie im Yilgarn-Block (Westaustralien) mit Vorrä-
ten von ca. 2 080 t Au (z. B. Robert et al. 2005; Frimmel
Wirtschaftlich noch immer wichtig sind die erdweit ver- 2008). Weiter zu nennen sind die klassischen Goldfelder
breiteten Gold-Quarz-Gänge. Sie wurden von Groves et al. von Ballarat und Bendigo in Victoria (Australien) mit
(1998) als orogen bezeichnet, weil sie im Zusammenhang ca. 660 t Au, wo die Gold-Quarz-Gänge als charakteristi-
mit kompressiven und transpressiven Deformationsprozes- sche Sattelgänge in aufgeblätterten Faltenscheiteln Platz
sen an konvergenten Plattenrändern und in Kollisionsoro- genommen haben, der Kolar-Distrikt in Mysore (Indien),
genen entstanden sind. In einem Teil dieser Lagerstätten die Distrikte von Timmins-Porcupine (mit einer Gesamt-
ist auch ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit produktion von 1 530 t Au) und Kirkland Lake in der Su-
granitoiden Intrusionen nachweisbar (vgl. Frimmel 2008). perior-Provinz Ontarios (z. B. Robert et al. 2005) sowie
Subduktions- und kollisionsbezogene thermische Er- von Yellowknife in den North-West Territories (Kanadi-
eignisse führten zur episodischen Erhöhung des geother- scher Schild), ferner Lagerstätten im Barberton Green-
mischen Gradienten und zur Gesteinsmetamorphose. stone Belt (Südafrika) und in Simbabwe.
Dabei entstanden hydrothermale Lösungen, die sehr Proterozoisches Alter besitzen die Gold-Lagerstätten
weite Wanderungswege zurücklegen konnten. Dement- Ashanti in Ghana (früher Goldküste) mit Vorräten von
sprechend kann es in orogenen Gold-Quarz-Gangsyste- fast 3 200 t Au, Telfer im australischen Paterson-Orogen
men zur Au-Abscheidung in extrem großen Teufen- (ca. 1 530 t Au), die Homestake Mine in Süd-Dakota mit
bereichen vom oberflächennahen Niveau bis hinunter zu Vorräten von ca. 1 240 t Au und ungewöhnlich hohen Ge-
15–20 km Tiefe kommen. Die einzelnen Gänge besitzen halten von 8,3 g / t Au (Frimmel 2008) sowie die Lager-
Mächtigkeiten zwischen 0,5 und 3 m; sie können sich – stätten am Südrand des Sibirischen Kratons am Oberlauf
jeweils gegeneinander versetzt – zu ausgedehnten Gang- von Jenissei und Lena, im Aldan-Hochland und in
zügen aneinander reihen; der größte bekannte Gangzug ist Transbaikalien. Mit Vorräten von ca. 1 360 t Au ist Sukhoi
der berühmte Mother Lode in Kalifornien mit einer Länge Log an der Lena eine bedeutende Goldlagerstätte; sie sitzt
von ca. 270 km. Die erzführenden Fluide weisen einen sehr in proterozoischen Schwarzschiefern, aus denen das Gold
weiten Temperatur-Bereich von ca. 300–600 °C auf, haben wahrscheinlich in frühpaläozoischer Zeit mobilisiert
eine relativ geringe Salinität und sind nahezu neutral; sie wurde (z. B. Yakubchuk et al. 2005). Für die permische
enthalten stets erhöhte Gehalte von ≥0,5 Mol.-% CO2 so- Lagerstätte von Muruntau im Tien-Shan-Orogen West-
wie teilweise CH4. In ihnen wird Au in Form reduzierter Usbekistans, die mit Vorräten von ca. 6 140 t Au z. Zt. die
S-Komplexe transportiert (Groves et al. 1998). drittgrößte Gold-Anreicherungen der Erde darstellt,
Der Mineralinhalt der Gold-Quarz-Gänge ist einfach. konnte nachgewiesen werden, dass die erzbringenden
Neben 97–98 % Quarz als Gangart enthalten sie vor allem Fluide einen juvenilen Anteil aus dem Erdmantel enthal-
Pyrit, Arsenopyrit, Chalkopyrit und gelegentlich etwas ten (Graupner et al. 2006).
Stibnit. Ged. Gold tritt nur selten als Freigold auf, das mit Zahlreiche Gold-Quarz-Gänge treten in jungen
dem bloßem Auge sichtbar ist (Abb. 2.5, S. 50). Meist bildet Orogenzonen von oberjurassischem bis neogenem Alter
es jedoch als „vererztes“ oder unsichtbares Gold nur mikro- im Bereich konvergenter Plattenränder auf. Hierzu gehört
skopisch kleine Einschlüsse im Quarz, Pyrit oder Arseno- das Revier des Mother Lode in der Sierra Nevada (Kali-
pyrit; es ist bis zu 10–20 % mit Ag legiert; daneben treten fornien) und von Fairbanks im Yukon-Distrikt (Alaska/
auf einigen Gängen auch Au-Ag-Telluride wie Petzit Kanada).
21.4 · Hydrothermale Erz- und Mineralgänge 325
Bereits 3000 v. Chr. wurde in Ägypten Gold aus Quarzgängen gewon- ± Calcit ± Adular ± Illit aus zirkulierenden Oberflächen-
nen. Noch älter ist der Goldbergbau in Simbabwe, der auf vorgeschicht- wässern abgeschieden, die in der Tiefe auf 150–300 °C auf-
liche Zeit zurückgeht (Land Ophir). In Europa war der Goldbergbau
geheizt wurden, jedoch höchstens einen geringen mag-
in den Hohen Tauern während des Altertums bis zum Mittelalter be-
deutsam. Der Abbau der Gold-Quarz-Gänge von Brandholz-Goldkron- matischen Anteil besaßen. Bei Au-Ag- und Ag-Au-Verer-
ach im Fichtelgebirge hatte seine Blütezeit im ausgehenden Mittelal- zungen lag die Salinität dieser Fluide bei <5, stieg aber
ter. Ende des 18. Jahrhunderts standen diese Gruben unter der Lei- bei Ag-Pb-Zn-Vererzungen auf Werte von >20 Gew.-%
tung des bekannten Naturforschers Alexander von Humboldt. Die letz- NaCl-Äquivalent an.
te, ganz kurze Betriebsperiode ging im Jahr 1925 zu Ende.
In Europa sind Vorkommen von Golderzen der sub-
vulkanischen Abfolge an den andesitisch-dacitischen
21.4.2 Magmatismus des Karpaten-Innenrandes gebunden. Die
Epithermale Gold- und Gold-Silber-Lagerstätten wichtigsten Lagerstätten liegen im slowakischen Erz-
(subvulkanisch) gebirge, dem Vihorlot-Gutiner-Gebirge und dem Sieben-
bürgener Erzgebirge in Rumänien. Reich an subvulkani-
Auch die Golderze der subvulkanischen Abfolge sind vor- schen Golderzen sind auch die Inselbögen um den Pazifik
wiegend an junge Orogenzonen im Bereich konvergenter (z. B. Garwin et al. 2005), so Ladolam auf der Insel Lihir
Plattenränder geknüpft. Erzgänge und Erzimprägnatio- (Papua-Neuguinea), Baguio (Philippinen) und Emperor
nen stehen in enger Beziehung zu subvulkanischen Intru- (Fidschi-Inseln). Mit Vorräten von ca. 2 070 t Au besitzt
sivstöcken, zu Vulkanschloten und zu Tuffablagerungen. Ladolam weltwirtschaftliche Bedeutung (Frimmel 2008).
Petrographisch handelt es sich um Kalkalkali-Magmatite Immer noch bedeutend sind zwei Lagerstätten in den
wie Andesite, Dacite, die K-reichen Shoshonite und Rhy- USA: Cripple Creek in Colorado – mit durchschnittlich
olithe (Müller und Groves 2000). Die Erze sind an vulka- 20–30 g / t Au – ist an Alkali-Vulkanite gebunden und
nische Spalten und Ruschelzonen gebunden und mitunter befindet sich im Back-Arc-Bereich der Rocky Mountains.
brecciös entwickelt. Kristalldrusen füllen zahlreiche Hohl- Der Comstock Lode in Nevada stellt eine der größten Metall-
räume. Besonders die oberflächennahen Gänge und anreicherungen der Erde dar, aus der seit 1859 235 t Au und
Mineralabscheidungen besitzen bei starkem Telescoping 5 500 t Ag gefördert wurden; die reichen Erzkörper
eine vielfältige Überlagerung der Paragenesen. („Bonanzas“) lassen sich bis in eine Teufe von 900 m ver-
Erzminerale und Gangarten sind auffällig artenreich. folgen; der größte von ihnen enthielt 1,4 Mio. t Erz mit
Das hier weißgelb aussehende Freigold ist stark silber- Durchschnittsgehalten von 54 g / t Au und 850 g / t Ag
haltig (Elektrum). Es ist mit Gangarten und Sulfiden in- (Sawkins 1990). Auch in den zahlreichen Vorkommen
nig verwachsen. Gold ist außerdem im Pyrit eingelagert. Mexikos tritt Au gegen Ag stark zurück. Bedeutende Au-
Charakteristisch für die subvulkanische Abfolge sind Reserven enthalten die Lagerstätten El Indio (Chile) und
außerdem Goldtelluride und Goldselenide sowie viele edle ganz besonders Yanacocha (Peru) mit Vorräten von ca.
Silbererzminerale wie Argentit-Akanthit (Silberglanz), 1 960 t Au (Frimmel 2008).
gediegen Silber, Proustit, Pyrargyrit, Freibergit, silber-
reicher Galenit. Viele der Edelmetall-haltigen Gänge ge- 21.4.3
hen nach der Tiefe hin in Pb-Zn-Cu-Gänge über. Eine Mesothermale Kupfererzgänge
solche Gangverschlechterung, aber auch das Gegenteil,
eine Gangverbesserung, werden im Bergbau als primärer Der prominenteste Vertreter dieses Typs ist die Lager-
Teufenunterschied sehr beachtet. Gangarten sind Calcit, stätte von Butte, Montana (USA), die zu den reichsten
Quarz (häufig als Amethyst), Chalcedon, Rhodochrosit Kupfervorkommen der Erde zählt. Aus ihm wurden von
und verschiedene Zeolithe. Das Nebengestein ist durch 1880 bis 1964 7,3 Mio. t Cu, 2,2 Mio. t Zn, 1,7 Mio. t Mn,
Propylitisierung grünlich zersetzt, wobei sich auf Kos- 0,3 Mio. t Pb, 20 000 t Ag, 78 t Au sowie beachtliche Men-
ten der magmatischen Gemengteile Chlorit, Pyrophyllit, gen an Bi, Cd, Se, Te und Schwefelsäure gefördert (Evans
Kaolinit, Dickit, Illit, Epidot, Albit, Adular, Quarz, Calcit, 1993). Mehrere Systeme von Gangspalten, oft dicht ge-
Alunit KAl3[(OH)6/(SO4)2] und Pyrit als Sekundärminerale schart, durchsetzen einen großen, 78 Ma alten Granodi-
gebildet haben. orit-Körper, den Boulder-Batholithen. Die mächtigsten
Nach Simmons et al. (2005) entstanden Au ± Ag ± Cu- Erzgänge können 1–2 km lang werden; eigenartig ist ihre
Vererzungen mit Quarz + Alunit ± Pyrophyllit ± Dickit Zerfaserung in zahlreiche kleine Adern, die als Horsetail-
± Kaolinit aus Fluiden, die überwiegend magmatischen Struktur bezeichnet wird. Die Vererzung ist zonar ange-
Ursprungs sind und nur geringe Anteile von Oberflächen- ordnet: In der Zentralzone treten die reichsten Kupfer-
wasser enthielten. Ihre Temperatur variierte zwischen 180 erze mit Hoch-Chalkosin und Enargit auf; nach außen
und 320 °C, ihre Salinität lag meist bei <5–10, erreichte aber folgt eine Übergangszone mit höherem Sphalerit-Anteil,
auch Werte von >30 Gew.-% NaCl-Äquivalent. Demgegen- und die Randzone ist reicher an Pb und Ag, bis die Gän-
über wurden Vererzungen mit den Gangarten Quarz ge randlich erzleer endigen. Am südlichen Rand der
326 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
Zentralzone treten zahlreiche Molybdänit-Quarz-Adern Das Variscische Gebirge in Mitteleuropa ist sehr reich
auf. Oft wird das Nebengestein durch Gangtrümer oder an hydrothermalen Pb-Zn-Gängen, die z. T. seit dem
feinverteiltes Erz nach Art der Porphyry Copper Ores Mittelalter im Abbau standen und zeitweise eine große
(Abschn. 21.2.4, S. 318ff) imprägniert. Heute konzentriert wirtschaftliche Bedeutung hatten; heute ist der Abbau
sich die Erzgewinnung auf diese ärmeren Bereiche, die ausnahmslos eingestellt. Als typische, hervorragend un-
durch große Tagebaue erschlossen werden. tersuchte Beispiele sind die Bergbaureviere von Freiberg,
Marienberg und Annaberg im sächsischen Erzgebirge zu
Mesothermale Gänge mit Chalkopyrit ± Bornit ± Tetraedrit- nennen, deren Abbau erst 1990 endgültig zum Erliegen
Tennantit ± Pyrit und Quarz oder Siderit als Gangarten sind in- kam. Im Freiberger Revier wurden zwischen 1168 und
nerhalb des mitteldeutschen Raums weit verbreitet und wurden 1969 mehr als 1 000 Erzgänge aufgeschlossen und vor-
früher an vielen Stellen abgebaut. Im Siegerland gehen sie nach
den zentralen Teilen des Gebiets hin in reine Sideritgänge über. Auch
wiegend auf Pb, Ag und Zn abgebaut. Das Alter dieser
die Kupfer-Erzgänge von Mitterberg (Salzburg, Österreich) gehö- Gänge ist spätvariscisch; eine unmittelbare Beziehung zu
ren hierher. Keine dieser Lagerstätten ist heute noch bauwürdig. den Granit-Intrusionen des Erzgebirges ist nicht nach-
weisbar. Auch im berühmten Clausthaler Gangrevier im
21.4.4 Oberharz wurden bereits seit 1180 W-O-streichende, lang-
Blei-Silber-Zink-Erzgänge aushaltenden Pb-Zn-Erzgänge abgebaut. Wie neue Un-
tersuchungen zeigen (Möller u. Lüders 1993), hat die Ver-
Die wesentlichen Erzminerale der silberführenden Blei- erzung ein triassisches bis jurassisches Alter, ist also
Zink-Erzgänge sind Galenit, Sphalerit und Pyrit, dane- postvariscisch. Der Transport der Schwermetalle erfolg-
ben meist auch Chalkopyrit und Minerale der Fahlerz- te in Form von Cl-Komplexen in hypersalinen Laugen;
gruppe, in gewissen Gängen auch Arsenopyrit. Zahlrei- bei der Mischung mit S-führenden Fluiden kam es zur
che weitere Erzminerale sind oft nur erzmikroskopisch Erzabscheidung. Nach der Tiefe hin nimmt Galenit und
erkennbar. Galenit enthält häufig 0,01–0,3 %, stel- damit der Ag-Gehalt im Erz zugunsten von Sphalerit ab,
lenweise fast 1 % Ag. Die meisten Silberträger wie bis die Gänge endgültig vertauben. Dieser primäre
Freibergit, Proustit, Pyrargyrit, Polybasit (Ag,Cu)16Sb2S11 Teufenunterschied wirkte sich als eine Gangverschlech-
u. a. sind im Galenit mechanisch eingeschlossen. Lamel- terung ungünstig auf die Rentabilität des Bergbaus aus.
len von Silberglanz (Argentit bzw. Akanthit), die im Ga- Die Pb-Zn-Gänge von Straßberg-Neudorf im Ostharz lie-
lenit // {100}, seltener // {111}, eingelagert sind, gehen ferten besonders schöne Mineralstufen, die sich in vie-
wohl teiweise auf Entmischungsvorgänge zurück, da die len Sammlungen befinden. Erwähnt seien ferner die Pb-
Galenit-Struktur bei hydrothermalen Bedingungen bis Zn-Gänge des Rheinischen Schiefergebirges, so im Ruhr-
zu 2 % Ag2S aufnehmen kann. Demgegenüber existiert karbon, bei Ramsbeck im Sauerland, im Bergischen Land
eine lückenlose Mischkristallreihe zwischen PbS und und im Grubenbezirk von Holzappel–Bad Ems–Brau-
AgBiS2, die sich unterhalb ca. 200 °C zu Galenit und Tief- bach sowie des mittleren und südlichen Schwarzwaldes
Schapbachit AgBiS2 entmischen. Sphalerit enthält kaum (Kinzigtal, Schauinsland, Münstertal).
Ag, dafür häufig Cd und als Spurenmetalle Ga, In, Tl und Die bedeutendsten variscischen Pb-Zn-Erzgänge
Ge. Durch erhöhte Fe-Gehalte ist Sphalerit (Zn,Fe)S Europas liegen in der Sierra Morena (Spanien), so die
braunschwarz bis schwarz gefärbt. Die Mineralparage- Ag-reiche Lagerstätte Linares. Früher waren die Ag-rei-
nesen der Ag-haltigen Pb-Zn-Erzgänge sind vorwiegend chen Pb-Zn-Erzgänge von Přibram in Böhmen wirt-
als mesothermal einzustufen. Nur die etwas höher- schaftlich wichtig.
thermalen Gänge unter ihnen enthalten edle Silbererz- Die hydrothermalen Pb-Ag-Zn-Erzgänge im Coeur
minerale wie Argentit-Akanthit (Silberglanz), Proustit- d’Alene-Bezirk in Idaho (USA) sind an mesozoische In-
Pyrargyrit, Silberfahlerze, ged. Ag und viele seltenere trusionen gebunden, die während der Laramischen Oro-
Vertreter. Als Gangarten der Pb-Ag-Zn-Gänge treten in genese an einem konvergenten Plattenrand gefördert
unterschiedlichen Kombinationen auf: Quarz, Calcit, wurden. Es handelt sich um den größten Ag-Distrikt der
Dolomit, Ankerit (Braunspat), Siderit, Rhodochrosit, Welt, der seit 1879 ca. 43 000 t Ag, 10 Mio. t Pb, 3 Mio. t Zn
Baryt und/oder Fluorit. und 200 000 t Cu gefördert hat.
Das Gefüge dieser Gänge ist recht wechselvoll. Neben
Lagen- und Banderzen, oft mit symmetrischer Anord- 21.4.5
nung (Abb. 21.7), gibt es Breccienerze, Ringel- und Zinn-Silber-Wismut-Erzgänge
Kokardenerze, teilweise mit schönen Kristalldrusen in des bolivianischen Zinngürtels
den Hohlräumen der Gangmitte. Die unterschiedlichen
Bedingungen, unter denen sich die verschiedenen Ge- Im Gebiet von Cerro de Potosi, Llallagua und Oruro in
nerationen eines Minerals gebildet haben, machen sich den bolivianischen Anden treten im subvulkanischen
häufig in Unterschieden von Tracht und Habitus der Kris- Niveau Kassiterit-Gänge und Zinngreisen auf, die an
talle, in der Kristallgröße oder der Färbung bemerkbar. jungtertiäre vulkanische Förderschlote geknüpft sind. Da
21.4 · Hydrothermale Erz- und Mineralgänge 327
die Förderwege der zinnführenden Fluide infolge rasche- konzentrischschaliger Entwicklung (sog. Scherbenkobalt der Berg-
rer Abkühlung relativ kurz waren, kam es zum Telescoping leute) und seltener ged. Sb, während Galenit und Sphalerit zurück-
traten. Die Andreasberger Gänge zeichnen sich außerdem in
von Mineralabscheidungen aus Fluiden und hydro-
ihren jüngeren Paragenesen durch hervorragend ausgebildete
thermalen Lösungen unterschiedlicher Temperatur. Bei und gut kristallisierte Mineraldrusen mit edlen Silbermineralen,
etwas niedrigerer Bildungstemperatur haben Kassiterit- flächenreichen Calcitkristallen (Abb. 6.4, S. 97) und verschiedenen
Kristalle nadeligen Habitus (Nadelzinn, Abb. 5.10d, S. 89) Zeolithen aus.
und sind häufig in büscheligen Kristallgruppen angeord-
net. Daneben ist hier Stannin (Zinnkies) Cu2FeSnS4 das Viel verbreiteter sind Erzgänge, in denen edle Silber-
wichtigste Zinn-Erzmineral. Die hochtemperierten Kas- minerale zusammen mit Nickel- und Kobaltmineralen
siterit-Gänge gehen in mesothermale Sn-Ag-Bi-Erzgän- in abbauwürdigen Konzentrationen auftreten. Ihr äl-
ge über, die Kassiterit, Stannin und seltenere Sulfostan- tester Bergbaudistrikt liegt im westlichen Erzgebirge
nate sowie Bismuthinit Bi2S3 und verschiedene komple- um den Hauptort Schneeberg. In einem oberen Gang-
xe Silberminerale führen. Darüber hinaus treten zahlrei- stockwerk befinden sich ged. Ag und Argentit-Akanthit
che Sulfidminerale auf, eingebettet in sehr unterschied- (Silberglanz) zusammen mit zahlreichen weiteren edlen
liche Gangarten. Neben Nadelzinn kann Kassiterit auch Silbermineralen neben Nickel- und Kobaltarseniden
in traubig-nieriger Form als Holzzinn ausgebildet sein, (Safflorit-Rammelsbergit, Cobaltin-Chloanthit) und Ba-
was auf eine Ausscheidung im Gelzustand aus tele- ryt als Gangart. Bei einer gut ausgebildeten Zonierung
thermalen Lösungen hinweist. Der bolivianische Zinn- (primärer Teufenunterschied) geht diese Ganggruppe
gürtel ist die zweitwichtigste Zinnprovinz der Erde, in in dem darunter befindlichen Stockwerk unter steter Ab-
der eine wirtschaftliche Sn-Gewinnung allerdings nur nahme des Silbergehalts der Erze in immer Bi-reichere
möglich ist, wenn Ag als Beiprodukt gewonnen werden Gänge mit ged. Wismut und untergeordnet Bismuthinit
kann. Llallagua ist die weltgrößte Zinngrube, in der über. Dabei werden die Nickel-Kobalt-Arsenide immer
Primärerz abgebaut wird; sie fördert seit Beginn des reicher an Co. In diesen Bi-Co-Erzen wird Quarz zur häu-
20. Jahrhunderts über 500 000 t Sn. Schon im 16. Jahrhun- figsten Gangart. Mit weiterer Tiefe tritt schließlich Ura-
dert, zur Zeit der spanischen Konquistatoren, wurden die ninit (Uranpecherz) als Erzmineral immer mehr hervor
Ag-Vorkommen dieses Gebiets abgebaut, die allerdings (s. unten).
ihren sagenhaften Ag-Reichtum einer sekundären Anrei-
cherung durch Verwitterung verdankten. Immerhin enthal- Bergwirtschaftlich lagen im 15. Jahrhundert reiche Silbergruben
ten die Erzgänge von Cerro de Potosi noch 150–250 g/t Ag mit ungewöhnlichen Einzelfunden vor. Im 17. und 18. Jahrhundert
wurde dieser Bergbaubezirk durch die Gewinnung des Co zu Her-
neben 0,3–0,4 % Sn. Der San-Rafael-Gang, am Nordende stellung der kobaltblauen Farbe berühmt. Die Bi-Erze wurden vom
des bolivianischen Zinngürtels in Peru gelegen, gilt derzeit 18. bis ins 20. Jahrhundert mitgewonnen. Heute sind alle diese Gru-
als der reichste Zinnerz-Gang der Welt mit Durchschnitts- ben auflässig. Das gleiche gilt für die einst bedeutenden Co-Ni-Bi-
gehalten von ca. 5 % Sn und 0,16 % Cu sowie Erzvorräten Gänge von Bieber im Spessart und von Richelsdorf in Nordhessen.
von ca. 14 Mio. t (Mlynarczyk et al. 2003).
Ein ähnliches Gangsystem von großer wirtschaftlicher
21.4.6 Bedeutung befindet sich bei Cobalt (Ontario, Kanada)
Wismut-Kobalt-Nickel-Silber-Uran-Erzgänge und steht seit seiner Entdeckung im Jahre 1903 im Ab-
bau. Die sehr zahlreichen kleinen Gänge bilden ein Gang-
Die Vererzung tritt meist in einfachen, scharf begrenz- netz und führen ged. Ag und andere Ag-Minerale sowie
ten Spaltengängen auf. Die vielfältigen Mineralparage- Co-Arsenide. Man nimmt an, dass der Metallinhalt der
nesen lassen sich überwiegend als epithermal einstufen. Hydrothermen aus dem Nebengestein mobilisiert wur-
de (Lateralsekretion). Bis 1973 wurden im Cobalt-Dis-
Die reinen Silbererzgänge dieser Gruppe spielen heute wirtschaft- trikt 26 000 t Ag, 20 000 t Co, 7 300 t Ni, und 2 300 t Cu
lich überhaupt keine Rolle mehr; die zugehörigen Gruben sind gefördert (Guilbert u. Park 1986).
längst stillgelegt. In der berühmten Grube von Kongsberg (Süd- Als tiefstes Stockwerk des westerzgebirgischen Gang-
norwegen) kam es zur Ausfällung von ungewöhnlich großen Men- reviers sind bei Schneeberg, Aue und St. Joachimsthal
gen an ged. Silber, und zwar dort, wo die hydrothermalen Lösun-
(Jachymov, Tschechien) Uranerze mit Silber-Kobalt-Ni-
gen pyrithaltige Amphibolite durchsetzten (Gangveredelung). Ged.
Ag wurde in Form prächtiger Silberlocken (Abb. 2.3, S. 49) sowie ckel-Wismut-Erzen bergbaulich erschlossen. Uranpecherz
in draht-, moos- und plattenförmigen Aggregaten gefunden, die zeigt häufig Glaskopf-Ausbildung, wurde also bei nied-
spektakuläre Sammlerstücke darstellen. Große Blöcke von ged. Ag rigen Temperaturen aus dem Gelzustand ausgeschieden
waren in Kongsberg keine Seltenheit. oder später umgelagert. Es befindet sich in dichtem,
Reiche Ag-Erzgänge wurden bis 1910 auch bei St. Andreasberg hornsteinartigem Quarz mit Einschlüssen von fein-
im Harz abgebaut. Ihr Mineralinhalt ist durch mehrere zeitlich
aufeinanderfolgende, unterschiedlich temperierte Paragenesen
verteiltem Hämatit, rotbraunem Calcit und dunkelvio-
gekennzeichnet. Sie enthielten u. a. ged. Ag, verschiedene komple- lettem Fluorit als Gangart. Die Färbung der Gangart weist
xe Silbererzminerale, insbesondere Dyskrasit Ag3Sb, ged. As in auf Veränderung durch radioaktive Strahlung hin.
328 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
Der Bergbau bei St. Joachimsthal geht bis ins 16. Jahrhundert zu- Mineral ist Stibnit Sb2S3, der körnige, feinfilzige oder
rück. Von dem dort gewonnenen Silber leitet sich die alte Münz- stängelig-strahlige Aggregate bildet.
einheit Thaler und letztlich auch der Dollar ab. Etwa von 1750 bis
Die hydrothermalen Antimonvorkommen sind vor-
1820 ging der Bergbau auf Co-Ni-Erze und seit Mitte des 19. Jahr-
hunderts auf Uranerz um, das zunächst zur Herstellung von Uran- zugsweise an die jungalpidischen Gebirgsketten Europas
farben diente. Im Jahre 1898 entdeckte das Ehepaar Curie in den und Asiens, also an Kollisionsorogene, geknüpft. Die
Rückständen der Joachimsthaler Uranerze das chemische Element reichsten Lagerstätten finden sich im Südwesten der
Radium. Anschließend wurde dieses Erz Ausgangsprodukt für die Volksrepublik China, insbesondere in der Provinz Hunan.
Gewinnung von Radiumsalzen. Die Entdeckung der Kernspaltung
Neben den vorherrschenden Antimonit-Quarz-Gängen
des Isotops 235U führte zum Bau und Einsatz von Atombomben, aber
auch zur friedlichen Nutzung der Kernenergie. Dadurch erfuhr nach gibt es noch sehr produktive hydrothermale Verdrän-
dem Ende des 2. Weltkriegs die Uran-Förderung bei Jachymov ei- gungslagerstätten von Antimonit + Galenit + Arsenopyrit
nen enormen Aufschwung, kam jedoch 1965 zum Erliegen. in Karbonat-Gesteinen. Bedeutende europäische Lager-
Bei Schneeberg und Aue wurden die U-führenden Gangteile stätten liegen bei Schlaining im Burgenland (Österreich),
nach dem 2. Weltkrieg zur Tiefe hin aufgeschlossen und durch die in den slowakischen Karpaten, in Rumänien, Serbien und
Deutsch-Sowjetische Wismut-AG unter großem Einsatz auf Uran
abgebaut. Dieses diente zunächst ausschließlich der sowjetischen
besonders in der Türkei. Auch in Bolivien und Mexiko
Atomrüstung. Die Abraumhalden dieses Uran-Bergbaus stellen sind sehr bemerkenswerte Vorkommen vorhanden. Le-
heute ein erhebliches Umweltproblem dar. diglich von historischem Interesse sind die Antimonit-
gänge unweit Goldkronach (Fichtelgebirge).
Zur gleichen Mineralparagenese gehören die zahlrei-
chen Uranerz-Lagerstätten im Athabaska-Becken (Sas- 21.4.8
katchewan, Kanada, z. B. Uranium City) mit U-Gehalten Hydrothermale Siderit- und Hämatit-Erzgänge
bis zu 9 % im Vorkommen Cigar Lake. Weiter sind zu nen-
nen die jetzt auflässigen Lagerstätten am Great Bear Lake Hydrothermale Erzgänge mit Siderit (Spateisenstein)
(North-West Territories, Kanada) sowie die Lagerstätte und Hämatit (Roteisenstein) sind relativ weit verbreitet,
Jabiluka (Northern Territory, Australien), die über die besitzen jedoch im Unterschied zu den Verdrängungs-
zweitgrößen U-Reserven der Erde verfügt. Eine der reichs- lagerstätten (Abschn. 21.3.5) wirtschaftlich nur noch
ten hydrothermalen Uranlagerstätten ist Chingolobwe geringe Bedeutung. Siderit tritt in zahlreichen höher-
(Provinz Shaba, Kongo/Zaire), wo katathermale Uran- so- thermalen Erzgängen als Gangart auf. Wenn schließlich
wie Co-Ni-Cu-Erzgänge in Dolomiten aufsetzen. Wegen die Metallsulfide im epithermalen Stockwerk immer
der höheren Bildungstemperatur zeigt Uraninit keine mehr zurücktreten, entwickeln sich monomineralische
Geltextur, sondern bildet würfelige Kristalle und körnig- Sideritgänge.
kristalline Massen. Die mächtige Verwitterungszone Unzählige, zu Gangzügen angeordnete Spateisenstein-
führt zahlreiche sekundäre Uranminerale, die durch auf- Gänge sind besonders im Siegerland verbreitet. Neben
fallend grelle Farben hervortreten, sowie spektakuläre manganhaltigem Siderit führen sie meist etwas Quarz
Anreicherungen von Malachit. Erwähnt sei hier das Auf- und wenig Chalkopyrit. Die diadoche Vertretung von Fe2+
treten von natürlichen Kernreaktoren, z. B. in der Uran- durch Mn2+ im Siderit führt zu einem Mangangehalt der
Lagerstätte von Oklu in Gabun (Äquatorialafrika), die Erze bis zu 6 %. Der Bergbau im Siegerland war mindes-
hunderttausende von Jahren in „Betrieb“ waren und dabei tens seit der La-Tène-Zeit (ca. 500 v. Chr.) aktiv, wurde
die gleichen Abfallstoffe produzierten wie natürliche aber 1965 endgültig eingestellt.
Kernkraftwerke. Auch Hämatit-Erzgänge sind weit verbreitet, doch ist
In Europa haben die z. T. recht reichen Uran-Erzgän- ihre wirtschaftliche Bedeutung gering. Erzmineral ist fast
ge im Französischen Zentralmassiv auch heute noch ausschließlich Hämatit in dichter Ausbildung oder in
wirtschaftliche Bedeutung. Die U-Vererzungen im Fluo- Form radialfaseriger, glaskopfartiger Knollen, mitunter
rit-Revier bei Wölsendorf (Oberpfalz) und von Wittichen auch blätterig oder feinschuppig. Gangart ist meist Quarz,
(Schwarzwald) sind nicht bauwürdig. der als Hornstein oder Eisenkiesel ausgebildet ist. Nach
der Tiefe gehen die Hämatitgänge in pyritführende
21.4.7 Quarzgänge über oder keilen aus. Hämatitgänge wurden
Telethermale Antimon-Quarz-Gänge lokal abgebaut, so bei Bad Lauterberg im Harz, im Thü-
ringer Wald und im Erzgebirge.
Diese artenarme Paragenesen-Gruppe wurde aus tief- Häufig kommen auf den Eisenerzgängen auch gleich-
temperierten Hydrothermen abgeschieden. Das Antimon- zeitig oxidische Manganerze vor. Sie bestehen überwie-
erz tritt in einfachen Gängen, vererzten Ruschelzonen, gend aus Pyrolusit, Romanèchit (Psilomelan), Manganit
Imprägnationszonen und als Verdrängungen auf. Eine MnOOH und Hausmannit Mn3O4, nicht selten als schöne
Beziehung zu einem Pluton ist meist nicht erkennbar. Kristalldrusen. Früher wurden solche Manganerze z. B.
Hingegen zeigen subvulkanische Vorkommen fast stets bei Ilmenau und Elgersburg (Thüringer Wald) und bei
eine Bindung an einen jungen Vulkanismus. Einziges Sb- Ilfeld (Harz) abgebaut; heute spielen sie keine Rolle mehr.
21.5 · Vulkanogen-sedimentäre Erzlagerstätten 329
21.4.9 Quarzgängen gehört der Pfahl, der sich längs einer SO-NW-
Nichtmetallische hydrothermale Ganglagerstätten streichenden Verwerfungszone im Bayerischen Wald auf
140 km verfolgen lässt, wenn auch mit Unterbrechungen.
Hierzu gehören Gänge mit Fluorit, Baryt oder Quarz bzw. Niedrigthermal sind die mächtigen Gangzüge im Taunus.
Gemenge dieser Minerale. Sie wurden aus schwermetall-
freien hydrothermalen Lösungen ausgeschieden, die nur 21.4.11
SiO2-Sole oder/und Ca-, Ba-, SO4-Ionen und CO2 enthiel- Alpine Klüfte
ten. Diese Komponenten, besonders SiO2, wurden aus dem
Nebengestein ausgelaugt (Lateralsekretion). Alpine Zerrklüfte sind allseits abgeschlossene Hohlräume,
Fluorit-Gänge sind überwiegend meso- bis epithermal, in denen sich aus hydrothermalen Lösungen ungewöhn-
in vielen Vorkommen sogar katathermal. Auf gemischten lich gut kristallisierte Minerale ausgeschieden haben. Die
Gängen mit Baryt ist Fluorit meist älter als Baryt. Das Gefü- Kristallstufen oder Kristallrasen stellen gesuchte Sammler-
ge der Fluoritgänge ist sehr grobspätig, bandförmig und im stücke dar. Das Nebengestein in unmittelbarer Nähe der Kluft
Ganginnern nicht selten von prächtigen Kristalldrusen erfüllt. ist sehr häufig sichtbar ausgelaugt, und die gebildeten Mi-
Fluorit-Gänge wurden früher in vielen Ländern Europas neral-Paragenesen sind denen im Nebengestein sehr ähn-
abgebaut, sind aber meist erschöpft. Das gilt auch für die lich. Beide Fakten sprechen dafür, dass die gelösten Stoffe,
deutschen Vorkommen bei Wölsendorf in der Oberpfalz, überwiegend SiO2, unmittelbar aus dem Nebengestein mo-
im Harz, Thüringer Wald und im Vogtland. Noch im Abbau bilisiert und nicht aus der Tiefe zugeführt wurden. Zu den
befindet sich die Grube„Clara“ bei Ober-Wolfach im Schwarz- wichtigsten alpinen Kluftmineralen zählen: Quarz mit un-
wald (Abb. 4.4, S. 79), die 1652 erstmals urkundlich erwähnt terschiedlicher Entwicklung von Tracht und Habitus, Albit,
wurde und heute ca. 50 000 t Baryt und ca. 30 000 t Fluorit Adular, Hämatit, Anatas, Titanit (Varietät Sphen), Chlorit.
fördert (Baumgärtel und Burow 2003). Weltwirtschaftliche
Bedeutung hat die Fluorit-Ganglagerstätte von Montroc im 21.5 21.5
südlichen Französischen Zentralmassiv, die ein Unter- Vulkanogen-sedimentäre Erzlagerstätten
kreide-Alter hat. Bislang wurden 3,5 Mill. t Fluorit gewon-
nen; Vorräte in gleicher Größenordnung sind nachgewie- 21.5.1
sen (Munoz et al. 2005). Die reichsten Ganglagerstätten von Rezente hydrothermale Erzbildung in der Tiefsee:
Fluorit befinden sich in Mexico, z. B. im Bergbau-Distrikt Black Smoker
von Taxco, ferner in Illinois und Kentucky (USA).
Divergente Plattenränder sind die wichtigsten Orte des
Eine viel größere wirtschaftliche Bedeutung haben schichtgebun- aktiven Vulkanismus. An den mittelozeanischen Rü-
dene Fluorit-Lagerstätten in Kalksteinen (s. Abschn. 21.6.2, S. 335).
cken der Erde, die insgesamt eine Länge von fast
60 000 km aufweisen, werden jährlich etwa 3 km3 Lava
Auch hydrothermale Baryt-Gänge sind in Deutschland gefördert, d. h. ungefähr 3-mal so viel wie von den üb-
sehr verbreitet: Spessart, Odenwald, Rheinisches Schiefer- rigen Vulkanen der Erde zusammen. Die langgestreck-
gebirge, Schwarzwald, Harz, Werragebiet, Thüringer Wald, ten Magmenkammern liegen in einer Tiefe von nur
Vogtland und Erzgebirge. Jedoch sind nur noch wenige im 2–3 km. Im Scheitelgraben des Ostpazifischen Rückens
Abbau, z. B. bei Dreislar (Sauerland). Baryt bildet grob- gelang der Besatzung des amerikanischen Untersee-
schalig-spätige Massen, die nach der Tiefe hin durch jünge- bootes „Alvin“ im Frühjahr 1979 eine faszinierende
ren Quarz verdrängt werden, wobei sich oft gut entwickelte Entdeckung. In einer Wassertiefe von 2 600 m konnten
Pseudomorphosen nach Baryt bilden, z. B. bei Reichenbach sie erstmals die hydrothermale Bildung einer sulfidi-
im Odenwald. Häufig führen Barytgänge gleichzeitig auch schen Erzlagerstätte direkt beobachten (Corliss et al.
Fluorit. Wie bei Fluorit gibt es schichtgebundene Baryt- 1979). Die bis zu >400 °C heißen hydrothermalen Lö-
Lagerstätten, z. B. im französischen Zentralmassiv. sungen treten in Form von Fontänen am Meeresboden
aus, wo es zur Ausfällung von Schwermetall-Sulfiden
21.4.10 und anderen Mineralen kommt (z. B. Tivey u. Delaney
Quarzgänge und hydrothermale Verkieselungen 1986; Turner et al. 1993; Herzig 1994; von Damm et al.
1997; Hannington et al. 2005). Wegen ihrer dunklen Fär-
Quarzgänge sind im abgetragenen Orogen eine sehr verbrei- bung durch feinverteilte Erzpartikel (hauptsächlich
tete Erscheinung; sie stellen in einigen Fällen die erzleeren Pyrrhotin, ferner Pyrit und Sphalerit) werden die hei-
(tauben) Endigungen von Erzgängen dar. Quarz ist ein ßen Fontänen als black smoker (schwarze Raucher) be-
Durchläufermineral und über weite Teile des magmatischen zeichnet; daneben gibt es auch white smoker, in denen
Geschehens hinweg beständig.Viele Quarzgänge und Verkie- die abgeschiedenen Mineralpartikel überwiegend aus
selungen sind sekretionärer Natur und gehen auf Mobilisati- Baryt und amorpher Kieselsäure bestehen (Abb. 21.8).
on aus dem Nebengestein zurück. Zu den höherthermalen
330 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
Abb. 21.8. Black Smoker (a) und White Smoker (b) am Grunde des
Pazifischen Ozeans in 1 700 m Wassertiefe. Sie wurden 1989 durch
das französische Tauchboot „Nautile“ im Vai-Lili-Hydrothermal-
gebiet am Valu-Fa-Rücken, Südwestpazifik entdeckt. Die schwarze
Farbe der 340 °C heißen Fontäne ist auf feinverteilte Kriställchen von
Schwermetall-Sulfiden zurück zu führen, die im Kontakt zwischen
der heißen Quelle und dem 2 °C kalten Meerwasser ausgefällt wur-
den. Demgegenüber besteht der 334 °C heiße Rauch des White Smokers
überwiegend aus hellen Mineralpartikeln wie Baryt und Kieselsäu-
re. (Die Fotos wurden von Peter M. Herzig, GEOMAR, Kiel, zur Ver-
fügung gestellt.) c Röhrenwürmer der Spezies Riftia pachyptila von
einer Black-Smoker-Lebensgemeinschaft des Ostpazifischen Rü-
ckens. Woods Hole Oceanographic Institution, Woodshole, MA, USA.
d Submarin ausgeflossene Basaltlaven mit typischem Pillowgefüge
mit Seesternen (Brisingidae) aus 2 380 m Wassertiefe am Ostpazifi-
schen Rücken, 18,5° S. (Foto: Vesna Marchig, Hannover)
Abb. 21.11.
Erzschornsteine und Erzhügel
auf dem Ozeanboden. (Nach
Barnes 1988, aus Evans 1993)
332 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
und 5 m Dicke beobachtet. Der TAG-Hügel auf dem Untersuchungen von Wasserstoff- und Sauerstoff-Iso-
Mittelatlantischen Rücken in 26° N ist 250 m breit, 50 m topen weisen darauf hin, dass die erzbringenden Hydro-
hoch und enthält 4,5 Mio. t Erz (Evans 1993). Da die Erz- thermen, aus denen die VMS-Lagerstätten gespeist wur-
hügel im Laufe der Zeit durch jüngere Meeressedimente den, zum überwiegenden Teil versickertes und auf-
überdeckt werden, stellen sie schichtgebundene Erz- geheiztes Meerwasser darstellten. Daneben gibt es jedoch
lagerstätten dar (z. B. Marchig et al. 1986). auch Hinweise auf die Beteiligung von primär-magma-
tischen Lösungen, aber gelegentlich auch von Oberflä-
21.5.2 chenwasser. Eine Beziehung zum submarinen Vulkanis-
Vulkanogene massive Sulfiderz-Lagerstätten mus ist in vielen Fällen nachweisbar, wobei man nach
(VMS-Lagerstätten) der geotektonischen Situation unterschiedliche Typen
unterscheiden kann (Evans 1993):
Auch für die Entstehung von VMS-Lagerstätten werden
hydrothermale Konvektionszellen angenommen, auf de- Die VMS-Lagerstätten vom Zyperntyp sind an Ozean-
ren Existenz viele Beobachtungen und Daten hinweisen: boden-Tholeiite gebunden, die zusammen mit dem
Meerwasser dringt durch permeable Gesteine unter Auf- Sheeted-Dike-Komplex, Gabbros und Peridotiten bzw.
heizung mehrere Kilometer tief in die ozeanische Krus- Serpentiniten Bestandteile von sog. Ophiolith-Serien
te ein, wo Metalle gelöst werden. Nach Wiederaufstieg darstellen (Abb. 21.10). Es handelt sich um obduzier-
und Austritt der Hydrothermen am Meeresboden wer- te Späne von ozeanischer Lithosphäre, die als Decken-
den die Metalle als Sulfide gefällt (z. B. Franklin et al. 2005). komplexe in phanerozoischen Orogenengürteln auf-
Viele VMS-Lagerstätten weisen in der Tat Ähnlichkeiten mit treten. Die Erzlagerstätten wurden ursprünglich in
den rezenten Erzhügeln der Tiefsee auf, können allerdings ozeanischen Rift-Zonen gebildet, die in der Nähe kon-
z. T. erheblich größere Dimensionen erreichen. Häufig, vergenter Plattenränder lagen. Typlokalität sind die
wenn auch nicht immer, zeigen sie eine Zonierung, die auf Pyrit-Chalcopyrit-Erze des Troodos-Massivs der In-
eine Temperaturzunahme der erzbringenden Lösungen sel Zypern. Weltweit gibt es zahlreiche weitere Vor-
in mehreren Stadien hindeutet (Evans 1993): kommen von unterschiedlichem geologischen Alter,
so bei Bathurst in New Brunswick (Kanada), in Neu-
1. Mischung von relativ kühlen (ca. 200 °C) Hydrothermen fundland, in Mexiko, auf Kuba, in Ecuador und Ko-
mit kaltem Meerwasser führt zur Abscheidung von fein- lumbien, in Japan, auf den Philippinen, in Indonesien,
körnigem Sphalerit, Galenit, Pyrit, Tetraedrit, Baryt und im Ural und in der Türkei. Neben Cu werden häufig
wenig Chalkopyrit („Schwarzerz“). aus diesen Lagerstätten, die Vorräte von mehreren
2. Bei Temperaturerhöhung auf ca. 250 °C kommt es zu Mio. t Erz beinhalten, auch Zn, Pb und Au gewonnen.
fortgesetzter Erzabscheidung sowie zur Rekristallisa- VMS-Lagerstätten vom Besshi-Typ, benannt nach der
tion und Kornvergröberung der Erzminerale. größten japanischen Pyrit-Kupferkies-Lagerstätte auf
3. Durch Zufuhr von 300–350 °C heißen, Cu-reichen Schikoku in der metamorphen Außenzone SW-Japans,
Hydrothermen werden die Erzminerale in den inne- wurden in einem epikontinentalen oder Back-Arc-
ren Teilen des Erzkörpers zunehmend durch Chalko- Bereich gebildet. Sie sind dem Zypern-Typ in der Bin-
pyrit verdrängt („Gelberz“). dung an mafische Vulkanite und in der Metallführung
4. Aus noch heißeren (350–400 °C), aber Cu-armen (Cu-Zn ± Au ± Ag) ähnlich, doch treten als Begleit-
Hydrothermen scheidet sich Pyrit ab, der die inners- gesteine zusätzlich mächtige, feinschichtige, tonig-
ten Teile des Erzkörpers dominiert. sandige Sedimente (Turbidite) und Tuffe auf. Viele
metamorph überprägte VMS-Lagerstätten, die sog.
Während der gesamten Entstehungsperiode des Erz- Kieslager, gehören zu diesem Typ, z. B. in den Alpen
hügels bildet sich in den Zufuhrkanälen der erzbringenden oder in den norwegischen Kaledoniden, wo einige
Hydrothermen ein Netzwerk von Erzadern, das Stock- noch im Abbau stehen.
werkerz, bestehend aus Pyrit + Chalkopyrit + Quarz. Bedeutsame VMS-Lagerstätten mit Cu-Zn-Pb(± Au
Gleichzeitig kommt es in den kühleren Bereichen über und ± Ag)-Erzen gehören zum Kuroko-Typ, benannt nach
um den Erzkörper zur Ausscheidung von Exhaliten, beste- dem Vorkommen Kuroko im Kosaka-Distrikt (Japan).
hend aus einem eisenschüssigen Hornstein (engl. ferru- Sie sind an kalkalkaline Vulkanite, überwiegend Ande-
ginous chert), der aus Hämatit und Chalcedon besteht. site, Dacite und Rhyolithe geknüpft, die z. T. Lavadome
Andere VMS-Lagerstätten sind eher schüsselförmig aus- bilden. Der Vulkanismus fand in einem flachmarinen
gebildet. Man nimmt an, dass sie aus Hydrothermal-Lösun- Milieu in Riftzonen des Back-Arc-Bereichs statt. Er
gen ausgeschieden wurden, die eine höhere Salinität und war teilweise explosiv, wie das Auftreten von vulkani-
Dichte als das Meerwasser besaßen. Sie bildeten deshalb in schen Breccien und Tuffen belegt. Die feingeschichte-
submarinen Hohlformen geschichtete Laugentümpel (engl. ten Erze zeigen vom Hangenden zum Liegenden eine
brine pools), aus denen sich die Erze ausschieden. ausgeprägte stratigraphische Abfolge: (1) überlagern-
21.5 · Vulkanogen-sedimentäre Erzlagerstätten 333
Baikalsee (Sibirien) sowie im Bafq-Distrikt (Iran). Olym- bundene Erzanreicherungen, die am Boden von lokalen
pic Dam und das etwas kleinere Ernest Henry (Queens- Meeresbecken abgesetzt wurden, z. B. in Laugentümpeln
land) gehören zum neu etablierten Typus der Eisenoxid- (brine pools). Die Temperaturen der Lösungen lagen meist
Kupfer-Gold-Lagerstätten (IOCG = Iron Oxide-Copper- <200 °C, können aber in manchen Fällen ca. 275 °C er-
Gold deposits), die in unterschiedlichen geotektonischen reicht haben (Leach et al. 2005). Wie fossile Erzschorn-
Positionen auftreten und deren Genese bis jetzt noch nicht steine und Stockwerkvererzungen beweisen, geht die
voll verstanden ist (Williams et al. 2005). Gemeinsames Metallanreicherung auf eine langdauernde hydrother-
Kennzeichen der zu diesem Typ gerechneten Gold-Lager- male Aktivität zurück, die allerdings nicht in der Tief-
stätten ist eine großräumige Brecciierung und meta- see, sondern im Flachmeer, besonders in kontinentnahen
somatische Alteration des Nebengesteins. Jedoch ist ein oder intrakratonischen Riftzonen erfolgte und von akti-
Zusammenhang mit magmatischer Aktivität nicht in al- ver Sedimentation begleitet war. Die Metalle wurden also
len Fällen offensichtlich. Diese Einschränkung gilt z. B. aus relativ dicken Krustenteilen mobilisiert, wobei man
für die IOCG-Lagerstätten der Wernecke Mountains im annimmt, dass sich die Konvektionszellen aus versickern-
Yukon-Gebiet Kanadas (Hunt et al. 2005). Für die Eiseno- dem Meeerwasser und aufgeheizten Hydrothermen im
xid-führende Cu-Au-Lagerstätte Aitik in Nordschweden, Laufe der Zeit stufenweise immer weiter nach unten ver-
die derzeit größte im Abbau befindliche Kupfermine legten, in einigen Fällen bis 15 km tief (Russell et al. 1981).
Europas, sowie für andere nordschwedische Cu-Au-La- Im Gegensatz zu den VMS-Lagerstätten ist ein direkter
gerstätten wird ebenfalls eine Zugehörigkeit zum IOCG- Zusammenhang mit Vulkanismus nur selten erkennbar,
Typ vermutet (Weihed und Williams 2005). z. B. in Mt. Isa (Queensland, Australien). Rezente Beispie-
Neuerdings werden viele der in Abschn. 19.3.3 (S. 305) le sind der Golf von Kalifornien, wo noch heute Sulfide
als orthomagmatisch beschriebenen Magnetit-Apatit- und Baryt ausgefällt werden, sowie die Erzanreiche-
Lagerstätten als vulkanogen gedeutet (Evans 1993), so ins- rungen des Atlantis-II-Tiefs im Roten Meer. Neben Zn
besondere Kiruna (Nord-Schweden), Cerro de Mercado (ca. 5–19 %) und Pb (ca. 0,5–11 %) enthalen die Sedex-
und Durango (Mexiko) und Savage River (Tasmanien). Lagerstätten bis zu 1 % Cu, bis zu 175 g/ t Ag sowie etwas
In Deutschland wurden die schichtigen (stratiformen) Au. Vorherrschende Erzminerale sind Pyrit, Pyrrhotin,
Roteisenstein-Lagerstätten im Mittel- bis Oberdevon des Sphalerit und Galenit mit untergeordneten Gehalten von
Lahn-Dill-Gebiets (Hessen) schon lange als exhalativ-sedi- Chalkopyrit, Bornit, Covellin u. a.
mentär gedeutet. Sie sind an basische Laven (z. T. Pillowlaven), Deutschland verfügte über zwei wichtige Sedex-Lager-
Tuffe und Tuffite geknüpft, die im submarinen Milieu hydro- stätten von beachtlicher wirtschaftlicher Bedeutung: Der
thermal überprägt (spilitisiert) wurden; daneben gibt es Rammelsberg bei Goslar im Harz und Meggen im Sauer-
körnige Intrusiv-Diabase und Keratophyre. Unter oxidie- land (Rheinisches Schiefergebirge). Beide sind während
renden Bedingungen wurde Hämatit nach der Gleichung der Varistischen Orogenese deformiert und schwach me-
tamorph überprägt worden. Am Rammelsberg treten zwei
2FeCl+ + H2O + O2 Fe2O3 + 2Cl– + 2H+ (21.8) dicke, plattenförmige Erzkörper auf, die in stark gefalte-
Hämatit ten und verworfenen mitteldevonischen Tonschiefern ein-
geschaltet sind. Neben den Buntmetallen Zn, Pb und Cu,
ausgeschieden und gleichzeitig nach Gleichung (21.3) wurden Ag und Au gewonnen. Der Abbau des Rammels-
(S. 316) SiO2 ausgefällt, so dass der Roteisenstein durch berg-Erzes begann etwa um das Jahr 900. Die Erzförderung
Imprägnation von Quarz kieselig ausgebildet ist. Diese wurde 1988 eingestellt, nachdem die Vorräte bis auf Reste
Roteisensteinlagerstätten spielten bis zur Mitte des abgebaut waren. Die UNESCO hat das Erzbergwerk un-
20. Jahrhunderts eine große wirtschaftliche Rolle. terdessen zum Weltkulturerbe erklärt. Die Sedex-Lager-
stätte Meggen ist an verfaltete mittel- bis oberdevonische
21.6 21.6 Tonschiefer und Kalksteine gebunden. Bis 1992 wurden
Sedimentgesteins-gebundene hydrothermale vorwiegend Zn, untergeordnet Pb und Cu sowie Baryt
Lagerstätten gefördert. Wirtschaftliche Bedeutung haben die irischen
Sedex-Lagerstätten Navan, Silvermines and Tynagh.
21.6.1 Viele hochmetamorphe „Kieslager“ werden als ehema-
Sedimentär-exhalative Blei-Zink-Erzlagerstätten lige Sedex-Lagerstätten interpretiert, so Gamsberg (Süd-
(Sedex-Lagerstätten) afrika), Howard’s Pass und Sullivan (Kanada), Mount Isa
(Queensland, Australien) und McArthur River (Northern
Die weltweit verbreiteten, stratiformen Sedex-Lagerstät- Territory, Australien). Hierzu gehört auch eine der größ-
ten sind Metallproduzenten von großer wirtschaftlicher ten und bekanntesten Blei-Zink-Lagerstätten der Erde,
Bedeutung; wie die VMS-Lagerstätten können sie sehr Broken Hill in New-South-Wales (Australien).
große Dimensionen annehmen (Large 1983; Leach et al. Auch die 1967 entdeckte stratiforme Scheelit-Lagerstät-
2005; Large et al. 2005). Es handelt sich um schichtge- te vom Felbertal (Hohe Tauern, Österreich), eine der welt-
Literatur 335
größten Wolfram-Gruben, ist wahrscheinlich exhalativ- MVT-Lagerstätten enthalten gewöhnlich 3–15 %, lokal
sedimentärer Entstehung, wurde allerdings ebenfalls me- bis zu 50 % Pb + Zn; die Vorräte der einzelnen Lagerstät-
tamorph überprägt (Höll u. Maucher 1981). In der Folge- ten-Distrikte variieren meist zwischen 50 und 500 Mio. t
zeit fand man ähnliche Lagerstätten in Spanien, Pakistan, (Evans 1993). Sie gehören somit zu den wichtigsten Liefe-
Süd-Korea, New Mexico (USA) und bei Broken Hill (NSW, ranten von Zn, Pb, lokal auch von Ag, Cu, Cd oder Ge. Welt-
Australien). Zum Sedex-Typ gehört wahrscheinlich auch wirtschaftlich bedeutende MVT-Lagerstätten befinden sich
die Sn-Lagerstätte von Chanpo (Dachang, China). in Nordamerika, so in Südwest-Wisconsin im oberen
Mississippi Valley, im Tri-State-District an der Grenze zwi-
21.6.2 schen Oklahoma, Missouri (Joplin) und Kansas, bei Vibur-
Karbonat-gebundene Erz- und Mineral-Lagerstätten num (SO-Missouri), in Tennessee sowie bei Pine Point
(Northwest Territory, Kanada). Die wichtigsten europäi-
Blei-Zink-Verdrängungslagerstätten vom schen MVT-Lager-stätten liegen in Oberschlesien (Süd-
Mississippi-Valley-Type (MVT-Lagerstätten) polen). Ähnliche Verdrängungslagerstätten in den südlichen
Kalkalpen, z. B. Bleiberg-Kreuth (Kärnten), sind heute ohne
Die schichtgebundenen, epigenetischen Blei-Zink-Verdrän- wirtschaftliche Bedeutung.
gungslagerstätten vom MVT-Typ enthalten als Erzmine-
rale silberarmen bis silberfreien Galenit, Sphalerit und Karbonat-gebundene Fluorit-Lagerstätten
Wurtzit (Schalenblende), gelförmigen Pyrit (sog. Gelpyrit)
und Markasit, gelegentlich auch Chalkopyrit. Neben den Karbonat-gebundene Fluorit-Lagerstätten weisen sehr
Karbonaten bilden Fluorit und Baryt typische Gang- große Vorräte auf, die oft im Tagebau gewonnen werden
arten. Im Gegensatz zu den Sedex-Lagerstätten (Ab- können. Daher besitzen sie eine viel größere wirtschaft-
schn. 21.6.1) sind sie eindeutig epigenetisch gebildet liche Bedeutung als hydrothermale Fluorit-Gänge (Ab-
worden, wahrscheinlich während der späten Diagenese. schn. 21.4.9, S. 329). Wichtige Lagerstätten gehören zum
Die erzführenden Lösungen sind niedrig-temperierte MVT-Typ, wie z. B. im Cave-in-Rock-Distrikt in den Staa-
(meist <150 °C), hochsalinare (15–25 % NaCl äquivalent) ten Illinois und Kentucky (USA) und in Nordmexiko, eine
Formationswässer (engl. basinal brines, connate brines) der größten Fluorit-Provinzen der Welt, sowie bei Marico
oder zirkulierende Oberflächenwässer, die vorwiegend in West-Transvaal (Südafrika).
Dolomite, seltener Kalksteine verdrängen. Die Karbonat-
sedimente wurden in flachen Meeresbecken abgelagert, Weiterführende Literatur
z. B. im intrakratonischen Bereich oder in Failed Rifts wie
dem Amazonas-Rift (Brasilien) und dem Benue-Trog Barnes HL (1988) Ores and minerals. Open Univ Press
(Nigeria). Für den Transport und die Ausfällung der Me- Barnes HL (ed) (1997) Geochemistry of hydrothermal ore deposits,
3rd edn. Wiley, New York
talle gibt es vier unterschiedliche Modelle (Evans 1993):
Bierlein F, Groves DI, Goldfarb RJ, Dubé B (2006) Lithosperic controls
on the formation of provinces hosting giant orogenic gold
1. Transport als Metall-Bisulfid-Komplex; Ausfällung im deposits. Mineral Depos 40:874–886
Kontakt mit kaltem Grundwasser. .erný P, Blevin PL, Cuney M, London D (2005) Granite-related ore
2. Transport als Metall-Chlorid-Komplex; Ausfällung deposits. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 337–370
durch Mischung mit einer H2S-haltigen Lösung (Mi- Ciobanu CL, Cook NJ, Spry PG (eds) (2006) Special issue: Telluride
and selenide minerals in gold deposits – How and why? Mineral
schungsmodell).
Petrol 87:163–384
3. Transport von Metall als Chlorid-Komplex und von Cline JS, Hofstra AH, Muntean JL, Tosdal RM, Hickey KA (2005) Carlin-
Schwefel als SO42–-Ion in der gleichen Lösung; Ausfäl- type gold deposits in Nevada: Critical geologic characteristics and
lung durch bakterielle Reduktion des Sulfats im Kon- viable models. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 451–484
takt mit organischer Substanz oder durch eine anor- Cox SF (2005) Coupling between deformation, fluid pressures, and
ganische Reduktion mit Methan nach der Gleichung fluid flow in ore-producing hydrothermal systems at depth in
the crust. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 39–75
Evans AM (1993) Ore geology and industrial minerals, 3rd edn.
Blackwell Science, Oxford
Franklin JM, Gibson HL, Jonasson IR, Galley AG (2005) Volcanogenic
massive sulfide deposits. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 523–560
Frimmel HE (2008) Earth’s continental gold endowment. Earth Pla-
net Sci Lett 267:45–55
(21.9) Garwin S, Hall R, Watanabe Y (2005) Tectonic setting, geology, and gold
and copper mineralization in Cenozoic magmatic arcs of Southeast
Asia and the West Pacific. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 891–930
(Petraschek u. Pohl 1992). Goldfarb RJ, Baker T, Dubé B, Groves DI, Hart CJR, Gosselin P (2005)
4. Transport als metall-organischer Komplex mit H2S in Distribution, character, and genesis of gold deposits in meta-
der gleichen Lösung; Ausfällung durch Abkühlung. morphic terranes. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 407–450
336 21 · Hydrothermale Erz- und Minerallagerstätten
Grew ES, Anovitz LM (eds) (1996) Boron – Mineralogy, petrology Brown KL, Simmons SF (2003) Precious metals in high-temperature
and geochemistry. Rev Mineral 33 geothermal systems in New Zealand. Geothermics 23:619–625
Guilbert JM, Park CF (1986) The geology of ore deposits, 4th edn. Corliss JG, Dymond J, Gordon LI, et al. (1979) Submarine thermal
Freeman, New York springs on the Galapagos rift. Science 203:1073–1083
Hannington MD, de Ronde CEJ, Petersen S (2005) Sea-floor tectonics Goodfellow WD, Franklin JM (1993) Geology, mineralogy and
and submarine hydrothermal systems. Econ Geol 100th Anni- geochemistry of massive sulfides in shallow cores, Middle Valley,
versary Vol, p 111–141 Northern Juan de Fuca Ridge. Econ Geol 88:2037–2064
Herrington RJ, Zaykov VV, Maslennikov VV, Brown D, Puchkov VN Graupner T, Niedermann S, Kempe U, Klemd R, Bechtel A (2006)
(2005) Mineral deposits of the Urals and links to geodynamic Origin of ore fluids in the Muruntau gold system: Constraints
evolution. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 1069–1095 from noble gas, carbon isotope and halogen data. Geochim
Kesler SE (2005) Ore-forming fluids. Elements 1:13–18 Cosmochim Acta 70:5356–5370
Large RR, Bull SW, McGoldrick PJ, Walters S, Derrick GM, Carr GR Groves DI, Goldfarb RJ, Gebre-Mariam M, Hagemann SG, Robert F
(2005) Stratiform and stratabound Zn-Pb-Ag deposits in (1998) Orogenic gold deposits: A proposed classification in the
Proterozoic sedimentary basins, Northern Australia. Econ Geol context of their crustal distribution and relationship to other
100th Anniversary Vol, p 931–963 gold deposit types. Ore Geol Rev 13:7–27
Leach DL, Sangster DF, Kelley KD, Large RR, Garven G, Allen CR, Helgeson HC (1964) Complexing and hydrothermal ore deposition.
Gutzmer J, Walter S (2005) Sediment-hosted lead-zinc depo- Macmillan, New York
sits: A global perspective. Econ Geol 100th Anniversary Vol, Herzig PM (1994) Erzfabriken in der Tiefsee – Die Erforschung
p 561–607 mariner Rohstoffvorkommen. die waage 33:20–27
Meinert LD, Dipple GM, Nicolescu S (2005) World skarn deposits. Höll R, Maucher A (1981) The stratabound ore deposits in the
Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 299–336 eastern Alps. In: Wolf KH (ed) Handbook of stratabound and
Petraschek WE, Pohl W (1992) Lagerstättenlehre, 4. Aufl. Schwei- stratiform ore deposits, vol 5. Elsevier, Amsterdam, pp 1–36
zerbart, Stuttgart Hunt J, Baker T, Thorkelson D (2005) Regional-scale Proterozoic
Press F, Siever R (2003) Allgemeine Geologie – Eine Einführung in IOCG-mineralized breccia systems: Examples from the Wernecke
das System Erde, 3. Aufl. Spektrum, Heidelberg Berlin Oxford Mountains, Yukon, Canada. Mineral Depos 40:492–514
Rimstidt DJ (1997) Gangue mineral transport and deposition. In: Large DE (1983) Sediment-hosted massive sulphide lead-zinc
Barnes HL (ed) Geochemistry of hydrothermal ore deposits, deposits: An empirical model. In: Sangster DF (ed) Short course
3rd ed. Wiley, New York, pp 487–516 in sediment-hosted stratiform lead-zinc deposits. Mineral Ass
Robert F, Poulsen KH, Cassidy KF, Hodgson CJ (2005) Gold Canada, Victoria, Canada, pp 1–29
metallogeny of the Superior and Yilgarn cratons. Econ Geol Lehmann B (1990) Metallogeny of tin. Lecture Notes Earth Sci, 32,
100th Anniversary Vol, pp 1001–1033 211 pp. Springer, Berlin Heidelberg New York
Roedder E, Bodnar RJ (1997) Fluid inclusion studies in hydrothermal Lindgren W (1933) Mineral Deposits. 2nd ed. Mc-Graw Hill, New York
ore deposits. In: Barnes HL (ed) Geochemistry of hydrothermal Lowell JD, Guilbert JM (1970) Lateral and vertical alteration mine-
ore deposits, 3rd ed. Wiley, New York, pp 657–698 ralization zoning in porphyry ore deposits. Econ Geol 65:373–408
Sawkins FJ (1990) Metal deposits and plate tectonics, 2nd edn. Sprin- Marchig V, Erzinger J, Heinze P-M (1986) Sediment in black smoker
ger, Berlin Heidelberg New York area of the East Pacific Rise (18.5° S). Earth Planet Sci Lett 79:93–106
Schneiderhöhn H (1962) Erzlagerstätten. Kurzvorlesungen zur Ein- Megaw PKM, Ruiz J, Titley SR (1988) High-temperature, carbonate-
führung und Wiederholung, 4. Aufl. Gustav Fischer, Stuttgart hosted Pb-Zn-Ag(Cu) deposits of northern Mexico. Econ Geol
Seedorff E, Dilles JH, Proffett JM Jr, Einaudi MT, Zurcher L, Stavast 83:1856–1885
WJA, Johnson DA, Barton MD (2005) Porphyry deposits: Mlynarczyk MSJ, Sherlock RL, William-Jones AE (2003) San Rafael,
Characteristics and origin of hypogene features. Econ Geol Peru, geology and structure of the worlds richest tin lode. Mi-
100th Anniversary Vol, pp 251–298 neral Depos 38:555–567
Sillitoe RH, Perelló J (2005) Andean Copper Province: Tecto- Möller P, Lüders V (ed) (1993) Formation of hydrothermal vein
nomagma-tic settings, deposit types, metallogeny, explora- deposits. A case study of the Pb-Zn, barite and fluorite deposits
tion, and discovery. Econ Geol 100 th Anniversary Volume, of the Harz Mountains. Monogr Ser Mineral Depos 30, 291 ff,
pp 845–890 Borntraeger, Berlin Stuttgart
Simmons SF, White NC, John DA (2005) Geological characteristics Müller D, Groves DL (2000) Potassic igneous rocks and associated
of epithermal precious and base metal deposits. Econ Geol gold-copper mineralization, 3rd edn. Springer, Berlin Heidelberg
100th Anniversary Vol, pp 485–522 New York Tokio
Stanton RL (1972) Ore petrology. McGraw-Hill, New York Munoz M, Premo WR, Courjault-Radé P (2005) Sm-Nd dating of
Williams PJ, Barton MD, Johnson DA, Fonbote L, De Haller A, Mark fluorite from the worldclass Montroc fluorite deposit, southern
G, Oliver NHS, Marschik R (2005) Iron oxide – copper gold Massif Central, France. Mineral Depos 39:970–975
deposits: Geology, space-time distribution, and possible models Roedder E (1968) The noncolloidal origin of „colloform“ textures in
of origin. Econ Geol 100th Anniversary Vol, pp 371–405 sphalerite ores. Econ Geol 63:451–471
Yakubchuk AS, Shatov VV, Kirwin D, Edwards A, Tomurtogoo O, Rosa CJP, McPhie J, Relvas JMRS, Pereira Z, Oliveira T, Pacheco N
Badarch G, Buryak VA (2005) Gold and base metal metallogeny (2008) Facies analyses and volcanic setting of the giant Neves
of the Central Asian orogenic supercollage. Econ Geol 100th Anni- Corvo massive sulfide deposit, Iberian Pyrite Belt, Portugal. Mi-
versary Vol, pp 1035–1068 neral Depos 43:449–466
Russell MJ, Solomon M, Walshe JL (1981) The genesis of sediment-
Zitierte Literatur hosted, exhalative zinc and lead deposits. Mineral Depos 16:113–127
Schneiderhöhn H (1941) Lehrbuch der Erzlagerstättenkunde.
Baumann L, Nikolsky IL, Wolf M (1979) Einführung in die Geolo- Gustav Fischer, Jena
gie und Erkundung von Lagerstätten. Verlag Glückauf, Essen Schwenzer SP, Tommaseo CE, Kersten M, Kirnbauer T (2001)
Baumgärtel U, Burow J (2003) Grube Clara. Aufschluss 54:273–404 Speciation and oxidation kinetics of arsenic in thermal springs
Beck R (1903) Lehre von den Erzlagerstätten. Borntraeger, Berlin of Wiesbaden spa, Germany. Fresenius J Anal Chem 371:927–933
Literatur 337
Sillitoe RH (1973) The tops and bottoms of porphyry copper depo- Vikentyev IV, Yudovskaya MA, Mokhov AV, Kerzin AL, Tsepin AV
sits. Econ Geol 68:799–815 (2004) Gold and PGE in massive sulfide ore of the Uzelginsk
Stefansson A, Seward TM (2004) Gold (I) complexing in aqueous deposit, southern Urals, Russia. Canad Mineral 42:651–665
sulphide solutions to 500 °C at 500 bar. Geochim Cosmochim Acta von Damm KL, Buttermore LG, Oosting SE, Bray AM, Fornari DJ,
68:4121–4143 Lilley MD, Shanks WC III (1997) Direct observation of the
Tivey MK, Delaney JR (1986) Growth of large sulfide structures on evolution of a seafloor “black smoker” from vapor to brine. Earth
the Endeavour Segment of the Juan da Fuca Ridge. Earth Pla- Planet Sci Lett 149:101–111
net Sci Lett 79:303–317 Wagner T, Kirnbauer T, Boyce AJ, Fallick AE (2005) Barite-pyrite
Turner RJW, Ames DE, Franklin JM, Goodfellow WD, Leitch CHB, mineralization of the Wiesbaden thermal spring system, Germany:
Höy T (1993) Character of active hydrothermal mounds and A 500-kyr record of geochemical evolution. Geofluids 5:124–139
nearby altered hemipelagic sediments in the hydrothermal areas Weihed P, Williams PJ (2005) Metallogeny of the northern
of Middle Valley, northern Juan de Fuca Ridge: Data of shallow Fennoscandian Shield: A set of papers on Cu-Au and VMS
cores. Canad Mineral 31:973–995 deposits of northern Sweden. Mineral Dep 40:347–350
22
Verwitterung und
mineralbildende Vorgänge im Boden
22.1 Der Begriff Verwitterung umfasst alle Veränderungen, welche Gesteine und Mi-
Mechanische nerale im Kontakt mit Atmosphäre und Hydrosphäre erleiden (von Engelhardt
Verwitterung 1973). Dabei zählen zur subaërischen Verwitterung alle Vorgänge, die in Berüh-
rung mit der Atmosphäre ablaufen, zur subaquatischen Verwitterung alle ent-
22.2 sprechenden Vorgänge, die unter Wasserbedeckung stattfinden.
Chemische Die Verwitterungsprodukte bilden am Ort ihrer Entstehung die Böden, nach
Verwitterung ihrem Transport die Sedimente und Sedimentgesteine, beide definitionsgemäß Ge-
steine. Das Ausgangsmaterial der Verwitterung und der sedimentbildenden Vor-
22.3 gänge sind magmatische, metamorphe Gesteine und ältere Sedimentgesteine,
Subaerische deren Substanz bereits einen sedimentbildenden Prozess durchgemacht hat.
Verwitterung Man unterscheidet zwischen mechanischer (physikalischer) und chemischer
und Klimazonen Verwitterung. Bei alleiniger mechanischer Verwitterung zerfallen die anstehen-
den Gesteine in lockere Massen, ohne dass dabei eine chemische Veränderung
22.4 festgestellt werden kann. Bei jedem natürlichen Verwitterungsablauf sind meist
Zur Abgrenzung des beide Arten der Verwitterung in wechselnden Verhältnissen beteiligt.
Begriffs Boden
22.5
Verwitterungsbildungen
von Silikatgesteinen und
ihre Lagerstätten
22.6
Verwitterung
sulfidischer Erzkörper
340 22 · Verwitterung und mineralbildende Vorgänge im Boden
22.1 22.1 Kristallen dieser Salze gefüllt sind. Dabei wandern die ge-
Mechanische Verwitterung sättigten Salzlösungen aus den kleinen in die großen Poren
ein, wo das Kristallwachstum bevorzugt stattfindet.
Man unterscheidet im Wesentlichen Temperaturverwit-
22.2 terung, Frostsprengung und Salzsprengung. Ihr Auftre- 22.2
ten und ihre Intensität werden stark von klimatischen Chemische Verwitterung
Faktoren bestimmt. Die Temperaturverwitterung und die
Salzsprengung treten am auffälligsten in den heißen Tro- Die mechanische Verwitterung liefert wichtige Vorausset-
ckengebieten in Erscheinung. Die Frostverwitterung ist zungen für den Angriff der chemischen Verwitterung, da
auf die mittleren und hohen Breiten und auf die Hoch- das mechanisch zerkleinerte Gesteinsmaterial chemischen
gebirge beschränkt. Die mechanische Verwitterung lie- Reaktionen leichter zugänglich ist (Abb. 22.1). Hingegegen
fert im Wesentlichen das Material für die klastischen weist die vom Eis glattgeschliffene Oberfläche der Rund-
Sedimente und Sedimentgesteine. höcker Skandinaviens seit Rückzug des Inlandeises kaum
Anzeichen einer chemischen Verwitterung auf.
Temperaturverwitterung. Sie wird durch den Wechsel star- Wasser, verstärkt durch die darin gelösten Ionen und
ker Sonneneinstrahlung (Insolation) und darauffolgen- Gase, wirkt in erster Linie als Agens bei chemischen Um-
der Abkühlung ausgelöst. Die Oberfläche exponierter setzungen der Minerale und Gesteine bei der subaërischen
Gesteinsblöcke wird stärker erwärmt (und abgekühlt) als Verwitterung. Für die Bilanz des Wassers auf der kontinen-
ihre darunter befindlichen Teile. Das führt zwangsläufig talen Erdkruste ist von Bedeutung, dass im kontinentalen
zu Spannungen im Gestein, die schließlich einen scher- Durchschnitt die Menge der Niederschläge die Verdunstung
benartigen Zerfall des Gesteins bewirken. Da sich zudem
dunkle Mineralgemengteile im Gestein infolge größerer
Wärmeabsorption meist stärker ausdehnen als die benach-
barten hellen Gemengteile, kommt es allmählich zu einer
Lockerung des Kornverbandes, die mit einem grusartigen
Zerfall des betreffenden Gesteins endet (Abb. 22.1).
(22.1)
übertrifft. Durch diesen Wasserüberschuss sind die auf der Das im Wasser als HCO–3 gelöste CO2 stammt aus der
Landoberfläche anstehenden Gesteine einem fortschreiten- Atmosphäre oder aus dem Zerfall organischer Substanz. Zu-
den Prozess der chemischen Verwitterung ausgesetzt. Die sätzliches CO2 wird aus organischen Prozessen aufgenom-
überschüssigen Niederschläge durchsetzen die Verwitte- men. Die Löslichkeit des Calcits steigt mit dem Kohlensäure-
rungszone und reagieren allmählich mit den anwesenden gehalt des Wassers an. Da mit zunehmender Temperatur die
Mineralen. Die dadurch entstehenden sehr verdünnten Löslichkeit des Wassers für Kohlensäure abnimmt, wird Cal-
Elektrolytlösungen wandern allmählich über das Grund- cit mit Temperaturerhöhung des Wassers weniger löslich.
oder Oberflächenwasser ab. Sammelbecken dieser Lösun-
gen sind letztlich die Ozeane. Nur ein relativ kleiner Teil 22.2.2
endet in den abflusslosen Becken der Kontinente. Verwitterung der Silikate
Auch die Mikroflora (Bakterien, Pilze, Flechten) trägt
zur chemischen Zersetzung der Gesteine in nicht unbe- Von besonderer Bedeutung ist die Verwitterung der Sili-
deutendem Maß bei, in erster Linie dadurch, dass sie or- kate, weil diese als wichtigste Gemengteile der Gesteine
ganische Säuren (H+-Ionen) freisetzt. mit rund 79 Vol.-% am Aufbau der Erdkruste beteiligt
In den unteren Teilen der Verwitterungszone enthal- sind. In dieser Zahl sind die Feldspäte als die verbrei-
ten die durch eingesickerte Niederschläge entstandenen tetste Mineralgruppe mit rund 58 Vol.-% enthalten. Der
Lösungen Stoffe, die aus dem chemischen Abbau der Mi- Zerfall der Feldspäte bei der Verwitterung kann daher
nerale und Gesteine stammen, neben solchen, die sich aus als Modellfall betrachtet werden (Füchtbauer 1988).
der Zersetzung von organischem Material und aus der Die Na+- und K+-Ionen der Feldspäte gehen relativ leicht
Tätigkeit der Mikroorganismen ableiten. Diese Lösungen in Lösung. Das lässt sich in einem einfachen Experiment
sind an CO2 bzw. HCO3– angereichert und enthalten ver- nachweisen, bei dem man das fein zerriebene Mineralpulver
schiedene organische Säuren (Huminsäuren). Lokal kön- bei Zimmertemperatur mit destilliertem Wasser benetzt.
nen auch unterschiedliche Mengen an Schwefelsäure Die in Lösung gegangenen Alkali-Ionen sind durch die
H2SO4 beteiligt sein, die sich aus der Umsetzung von Sul- alkalische Reaktion nach kurzer Zeit nachzuweisen. Viel
fiden mit O2 und H2O bildet; auch aus dem S-Gehalt von langsamer gehen Al und Si in Lösung. Aus ihnen entsteht
Eiweiß kann im Boden H2SO4 entstehen. Deshalb reagie- in saurem Milieu schließlich das Tonmineral Kaolinit als
ren Lösungen des Verwitterungsbodens meist sauer mit Verwitterungsneubildung nach der folgenden Reaktion:
einem pH-Wert bis 3. In selteneren Fällen wird eine alka-
lische Reaktion mit pH-Werten bis höchstens 11 erreicht.
In der Verwitterungszone werden sowohl oxidierende als
auch reduzierende Bedingungen angetroffen.
Unterschiedliche Minerale besitzen in den stark ver- (22.3)
dünnten Verwitterungslösungen sehr verschiedene Löslich-
keiten. Die meist sehr langsamen Lösungsprozesse laufen
im offenen System ab; ein thermodynamisches Gleichge- Dabei geht man vom Hauptagens der chemischen Ver-
wicht wird dabei nur selten erreicht. Die einzelnen Stadien witterung, dem CO2- bzw. HCO3–-haltigen Regenwasser
der Auflösung können in der Natur in zahlreichen Fällen aus. Ganz allgemein lässt sich die chemische Verwitte-
unmittelbar beobachtet werden. Außerdem lassen sich im rung als eine H+-Aufnahme und eine damit ausgelöste
Laboratorium Untersuchungen darüber anstellen. Freisetzung von Alkali-, Erdkali-Ionen und SiO2 ansehen
(z. B. Press u. Siever 1995). Ähnlich verhalten sich im
22.2.1 Prinzip auch die übrigen Gerüstsilikate, so z. B. Leucit.
Leicht lösliche Minerale Minerale dieses Strukturtyps können bei der Verwitte-
rung restlos in Lösung gehen.
Leicht löslich sind Halit NaCl, Sylvin KCl und andere Bei den Schichtsilikaten, speziell den Glimmern, blei-
Salzminerale. Ihr Verhalten bei Verwitterungsvorgängen ben nach Herauslösung von Ionen Schichtreste der ur-
hat nur im trockenen (ariden) Klima Bedeutung. Im sprünglichen Kristallstruktur erhalten. Bei Verwitterung
feuchten (humiden) Klima sind auch Gips CaSO4 · 2H2O im feuchten Klima wird zunächst K+ aus trioktaedrischen
oder Anhydrit CaSO4 relativ leicht löslich. Etwas kom- (Biotit) und dioktaedrischen Glimmern (Muscovit) aus
plizierter verläuft die Auflösung der Karbonate, so die der Zwischenschicht herausgelöst. Ladungsausgleich er-
Lösung von Calcit oder Dolomit. Hier spielt im Wasser folgt bei Biotit durch Austausch gegen Hydroxonium-
gelöste Kohlensäure eine entscheidende Rolle. Es besteht Ionen H3O+: Es entstehen Hydroglimmer. Darüber hin-
die folgende Gleichgewichtsreaktion: aus findet Oxidation von Fe2+ zu Fe3+ und Austausch von
Al gegen Si in der Tetraederschicht statt. Äußerlich blei-
(22.2) chen die Biotitblättchen aus und werden gold- bis blass-
gelb. Dieser Verwitterungsvorgang bei Biotit wird auch
342 22 · Verwitterung und mineralbildende Vorgänge im Boden
als Baueritisierung bezeichnet. Beim eisenfreien Musco- Diese winzigen Neubildungen sind mehr oder weniger
vit verläuft der Verwitterungsabbau wesentlich langsa- gut kristallisiert, teilweise auch röntgenamorph. Es han-
mer als bei Biotit. Amphibole und Pyroxene sind leichter delt sich neben kolloidalen Al-Hydroxiden (Alumogel)
löslich als Quarz und die Glimmer. vorwiegend um kristallisierte Al- und Fe-Hydroxide wie
Gibbsit γ -Al(OH)3, Böhmit γ -AlOOH, Diaspor α -AlOOH
Verwitterungsneubildungen: und Goethit α -FeOOH sowie die Al-Silikate Kaolinit
Tonminerale und Al- und Fe-Hydroxide Al4[(OH)8/Si4O10] und Halloysit Al4[(OH)8/Si4O10] · 2H2O.
Wie wir am Beispiel der Feldspat-Verwitterung (Glei- Das Verhalten von Si und Al in der Verwitterungslösung
chung 22.3) gesehen haben, können aus den zersetzten
Mineralen der Ausgangsgesteine noch während des Verwit- Das Diagramm in Abb. 22.2 zeigt die Löslichkeit von
terungsvorgangs neue Minerale als Verwitterungsneubil- Al2O 3 und SiO 2 bei Zimmertemperatur (25 °C) und
dungen entstehen, besonders die als Tonminerale bezeich- Normaldruck (P = 1 bar) in Abhängigkeit vom pH-Wert.
neten Schichtsilikate. Sie bilden sich pseudomorph nach
primär vorhandenen Schichtsilikaten, insbesondere aus pH-Wert: Bei Zimmertemperatur (25 °C) und Nor-
di- und trioktaedrischen Glimmern. Dabei wird K+ teil- maldruck (P = 1 bar) hat das Ionenprodukt von rei-
weise oder ganz fortgeführt und die Schichtladung entspre- nem Wasser oder einer neutralen Lösung den Zah-
chend verringert. Aus beiden Glimmerstrukturen können lenwert ≈10–14, wobei die Konzentration der [H+]-
Illite gebildet werden, das sind unvollständige Glimmer, und der [OH–]-Ionen gleich ist; da nun [H+] · [OH–]
⎯⎯
die weniger K+ und ein höheres Si/Al-Verhältnis aufwei- ≈ 10–14, so gilt [H+] = [OH–] ≈ √ 10 –14 ≈ 10–7. Saure
sen als z. B. der normale Muscovit. In manchen Verwitte- Lösungen enthalten mehr [H ]- als [OH–]-Ionen; es
+
rungsböden führt ein ähnlicher Umwandlungsvorgang gilt also [H+] > 10–7 > [OH–]; für alkalische Lösun-
über Übergangsstrukturen zur Bildung von Vermiculit gen gilt umgekehrt [OH–] > 10–7 > [H+]. Vereinfa-
~Mg2(Mg,Fe3+,Al)[(OH)2/(Si,Al)4O10] · Mg0,35(H2O)4, ei- chend definiert man als pH-Wert den negativen Lo-
nem Schichtsilikat mit Quellfähigkeit. Häufig entstehen garithmus der [H+]-Ionen-Konzentration; das bedeu-
aus Glimmern Tonminerale mit Wechsellagerungs- tet, der Neutralpunkt liegt bei pH = 7; saure Lösun-
strukturen zwischen Illit und Montmorillonit (Mixed- gen haben pH-Werte von 7–0, alkalische Lösungen
Layer-Minerale) mit Übergängen zum reinen quellfähigen pH-Werte von 7–14.
Montmorillonit ~Al1,67Mg0,33[(OH)2/Si4O10]Na0,33(H2O)4.
Charakteristisch für alle Tonminerale ist, dass sie ex- Man erkennt, dass SiO2 in einem weiten pH-Bereich
trem feinblätterig sind, weshalb sie mit dem gewöhnli- schwach löslich ist; im alkalischen Bereich nimmt die
chen Polarisationsmikroskop nicht bestimmt werden Löslichkeit von SiO2 dagegen stark zu. Die gelöste Kie-
können. Hierzu müssen das Raster-Elektronenmikroskop selsäure geht bei Überschreiten ihrer Löslichkeit in der
(REM), das Transmissions-Elektronenmikroskop (TEM;
Abb. 9.39, S. 152) und die Röntgenpulverdiffraktometrie
(XRD) angewendet werden.
Noch häufiger kristallisieren Tonminerale aus Verwit-
terungslösungen aus; daneben kommt es zur Neubildung
von Fe- und Al-Oxiden und -Hydroxiden sowie von SiO2.
Art und Mengenanteil der Verwitterungsneubildungen
werden durch Klimafaktoren gesteuert.
In den Trockengebieten arider Klimazonen scheiden
sich die verschiedenartigsten Salze besonders der Alkalien
und Erdalkalien aus Verwitterungslösungen durch Verduns-
tung aus, teilweise an Ort und Stelle, teilweise nach ei-
nem geringen Wanderweg. Ausblühungen von Halit, Soda
Na2CO3 · 10H2O oder Gips sind am meisten verbreitet.
Die weniger gut löslichen Bestandteile der Verwitte-
rungslösungen wie Si, Al und Fe scheiden sich in feuch-
ten (humiden) Klimazonen an Ort und Stelle oder nach
einem geringen Wanderweg der Lösung aus. Es kommt
bereits während des Verwitterungsvorgangs zu Mineral-
neubildungen. Diese sind wegen ihrer geringen Korn-
größe von 10–5 und 10–7 cm, d. h. im Gebiet der Kolloide, Abb. 22.2. Löslichkeiten von SiO2-Gel und Al-Hydroxid in Abhän-
von großer Bedeutung für die Beschaffenheit des Bodens. gigkeit vom pH-Wert. (Aus Correns 1968)
22.4 · Zur Abgrenzung des Begriffs Boden 343
22.5 22.5 den weich, wenn sie bewegt werden, während sie beim
Verwitterungsbildungen von Silikatgesteinen Stehen fester werden. Bentonite werden daher u. a. als
und ihre Lagerstätten Bindeton, für Bohrspülungen, als Filterstoff oder Bleich-
erde zur Wasserreinigung sowie als Walkerde zur Ent-
Es handelt sich um terrestrische Bildungen, die verschie- fettung von Wolle genutzt. Von weltwirtschaftlicher Be-
denen Ausgangsgesteinen und unterschiedlichen klima- deutung sind die Bentonit-Lagerstätten in den USA:
tischen Verhältnissen ihre Entstehung verdanken. Neben South Dakota, Arizona, Montana und Wyoming (Fort
autochthonen gibt es allochthone (umgelagerte) Verwit- Benton) sowie in Westkanada, die insgesamt die Hälfte
terungsprodukte. der Weltförderung liefern. In Bayern liegen nutzbare
Bentonit-Lagerstätten in der obermiozänen Süßwasser-
22.5.1 Molasse im Raum Moosburg–Landshut–Mainburg.
Residualtone und Kaolin
22.5.3
Residualtone und Kaolin entstehen aus feldspatreichen Bauxit
Ausgangsgesteinen, insbesondere aus Graniten, Rhyoli-
then, und Arkosen, in humiden, feucht-gemäßigten oder In tropisch-wechselfeuchten bis semiariden Klimazonen
regenreichen, feuchttropischen Klimazonen mit reichli- mit längerer Niederschlagszeit und anschließender Tro-
chen Niederschlägen, Humusbildung und Anwesenheit ckenzeit führt die chemische Verwitterung größtenteils
organischer Säuren. Die sauren Verwitterungslösungen zu einer annähernden Trennung des Si vom Al. Einer
sind gleichzeitig an Si und Al gesättigt, und es kommt gemeinsamen Auslaugungsperiode in der Regenzeit folgt
bei mittleren pH-Werten (Abb. 22.2) zur gemeinsamen in der Trockenzeit mit einsetzender Verdunstung ein
Ausscheidung von SiO2 und Al2O3 in Form silikatischer kapillarer Aufstieg der Lösungen; gleichzeitig ändert sich
Tonminerale wie Kaolinit: siallitische Verwitterung. Im ihr pH-Wert: Die vorher schwach saure Verwitterungs-
Unterschied dazu gehen bei der allitischen Verwitterung lösung reagiert nunmehr schwach alkalisch. Das führt
SiO2 und Al2O3 getrennte Wege, wobei Al-Hydroxide aus- zur bevorzugten Anreicherung von Aluminium unter Bil-
geschieden werden. dung von Al-Hydroxiden, während die Alkali- und Erd-
Die nicht umgelagerten (autochthonen) Kaolinvor- alkali-Metalle sowie Silicium abgeführt werden. Dabei ent-
kommen (Residual-Kaoline) enthalten meist resistente Mi- stehen Bauxite (nach dem Ort Les Baux in Südfrankreich
nerale (Verwitterungsreste) des Ausgangsgesteins, vor al- benannt), die zu den fossilen Böden zählen. Häufig sind
lem Quarz. Solche Lagerstätten befinden sich in Europa z. B. Bauxite umgelagert, dann können sie auch Merkmale von
bei Hirschau-Schnaittenbach (Oberpfalz), bei Kemmlitz Sedimenten zeigen. Zwischen Bauxiten und Tonen be-
und Meißen (Sachsen), bei Halle (Sachsen-Anhalt), bei stehen Übergänge (toniger Bauxit, bauxitischer Ton).
Pilsen (Plžen) und Karlsbad (Karlovy Vary, Tschechien), Bauxite bilden erdige oder kompakte Massen; häufig ent-
im französischen Zentralmassiv (z. B. Limoges), im ibe- halten sie Ooide, radialstrahlige Körper von kugeliger bis
rischen Massiv und in Cornwall. Kaolin wird je nach ovaler Form, die meist 0,5–1 mm groß sind, oder Pisolithe,
Qualität in der keramischen und chemischen Industrie, radialstrahlige Körper von Erbsengröße und eher unre-
in der Papierindustrie sowie als Füllstoff technisch ver- gelmäßiger Form.
wendet. Die Einteilung der Bauxite wird häufig nach dem Aus-
gangsgestein bzw. der Entstehungsart vorgenommen, so
Wirtschaftliche Bedeutung haben auch umgelagerte, sedimentäre in Silikatbauxit bzw. Lateritbauxit oder Kalkbauxit bzw.
Kaoline, die z. B. in Brasilien, Georgia und South Carolina (USA) Karstbauxit (z. B. Valeton 1972, 1983). Dem Silikatbauxit
vorkommen, außerdem auch Kaolin-Lagerstätten, die durch hydro-
liegen magmatische oder metamorphe Gesteine, dem
thermale oder thermale Umwandlungsvorgänge entstanden sind
(Hydrothermal-Kaoline). Diese sind z. B. an Zinngreisen gebunden, Kalkbauxit Sedimentgesteine, vor allem tonreiche Kalk-
wie bei St. Austell (Cornwall), oder sie treten in der Nachbarschaft steine, zugrunde.
von Goldquarz-Gängen auf, z. B. bei Banska Stiavnica (Schemnitz, Sie- Die wichtigsten Minerale der Bauxite sind: (1) Gibbsit
benbürgen), Comstock Lode (Nevada) und Cripple Creek (Colorado). γ -Al(OH)3 als häufigstes Mineral insbesondere der Silikat-
bauxite, (2) Böhmit γ -AlOOH und Diaspor α -AlOOH als
22.5.2 Gemengteile der Kalkbauxite und (3) das amorphe Gel
Bentonit des Al(OH)3 Alumogel. Dazu kommen als Nebengemengt-
eile besonders Kaolinit, Quarz, Hämatit und Goethit.
Bentonit ist ein Montmorillonit-reiches Verwitterungs- Das Bodenprofil der Silikatbauxite enthält meist eine
produkt aus vulkanischen Tuffen, das wertvolle techni- Konkretionszone, in der Bauxit in knollenförmigen
sche Eigenschaften wie Quellfähigkeit, Ionenaustausch- Konkretionen (Abschn. 23.2.4, S. 355) vorkommt. Dane-
vermögen und Thixotropie besitzt. Thixotrope Substan- ben treten kaolinitische Tone mit siallitischer Verwitte-
zen gehen vom Gel- in den Sol-Zustand über und wer- rung und Kaolinit als Hauptgemengteil auf.
22.5 · Verwitterungsbildungen von Silikatgesteinen und ihre Lagerstätten 345
Lagerstätten von Silikatbauxit sind weltweit verbrei- erze aus Goethit (Nadeleisenerz) α -FeOOH. Die radial-
tet; sie befinden sich z. B. auf dem Plateau de verwitter- strahlig angeordneten, stängeligen Kriställchen des Goe-
ten Deccan-Trappbasalte in Indien, in Surinam, im tro- thits bilden Aggregate mit glänzenden, traubig-nierig
pischen Afrika, in Indonesien und Australien. ausgebildeten Oberflächen nach Art des braunen Glas-
kopfs. Die Kristallisation des Goethits aus ehemaligen
Wirtschaftlich völlig unbedeutend sind die winzigen Vorkommen Gelen ist damit angezeigt. Dafür sprechen auch die zahl-
im Raum des Vogelsbergs und der Rhön in Hessen, die als Reste
warm-feuchter Verwitterungsdecken von Basalten aus dem Terti-
reichen kolloidalen Beimengungen, die aus dem Gelzu-
är zu erklären sind. stand übernommen wurden.
Durch intensive tropische Verwitterung von relativ
Kalkbauxite bilden vorwiegend Hohlraumfüllungen in Mn-reichen Gesteinen oder von silikatischen oder
verkarsteten tonhaltigen Kalksteinen und sollten daher karbonatischen Mn-Erzen kann es zu erheblichen sekun-
neutraler als Karstbauxite bezeichnet werden. Sie beste- dären Anreicherungen von Mangan kommen. Dabei wird
hen vorwiegend aus Böhmit, bei Umlagerung zunehmend Mn durch H2CO3-haltige Wässer aus den Gesteinen im
aus Diaspor. In Europa gibt es Vorkommen in Südfrank- Untergrund gelöst und durch Zutritt von Sauerstoff in
reich mit der Typuslokalität Les Baux, als Dolinenfüllung Form von Mn-Oxiden und Mn-Hydroxiden ausgefällt,
in den Karstgebieten Istriens und Dalmatiens in Kroati- teilweise unter Mitwirkung von Mikroorganismen. Die
en, in Ungarn, Italien, Griechenland und anderen Län- weichen Reicherze werden von einer harten Erzkruste
dern des Mittelmeerraums. überdeckt. Ein weltwirtschaftlich wichtiges Beispiel ist
Bauxit ist das wichtigste Aluminiumerz, wobei nur La- die Lagerstätte Nsuta (Ghana), deren Reicherze bis zu
gerstätten mit Mindestgehalten von 45–50 Gew.-% Al2O3 50 % Mn enthalten können.
sowie <20 % Fe2O3 und <5 % SiO2 bauwürdig sind. Wegen
des energieaufwendigen Verhüttungsprozess wird Bauxit 22.5.5
meist zu Standorten mit billiger Energie, z. B. Wasserkraft Ni-reiche Laterite
(Norwegen) transportiert. Darüber hinaus verwendet man
Bauxit für die Herstellung von technischem Korund (Elek- Bei der Verwitterung ultramafischer Gesteine wie Peridoti-
trokorund), Spezialkeramik und Tonerdezement. te, Dunite oder Serpentinite im tropisch-wechselfeuchten
Klima kann es zur Bildung von residualen Ni-reichen Late-
22.5.4 riten kommen. Das Nickel stammt aus dem Olivin, in des-
Fe- und Mn-reiche Laterite sen Struktur Ni2+ anstelle von Mg2+ eingebaut ist (maximal
0,7 Gew.-% NiO). Unter warm-feuchten Klimabedingungen
Die Rot- und Gelbfärbung des Bauxits geht auf feindisperse wird Ni von sauren Lösungen bevorzugt aufgenommen
Beimengungen von Fe-Hydroxid FeOOH zurück, das bei und scheidet sich – zusammen mit SiO2 – als Nickel-
der Bildung des Bauxits gleichzeitig mit ausgeschieden wird. Hydrosilikat in konzentrierter Form aus, wenn die Lösung
An nicht wenigen Stellen wurde das Eisen (auch zusam- mit dem Einsickern in die tiefer liegende Verwitterungs-
men mit Mangan) auf kleinerem Raum konzentriert. Auf zone schließlich neutral bis schwach alkalisch reagiert.
diese Weise sind die Laterit-Eisenerze entstanden, von de- Daher entwickeln sich die Ni-reichen Laterit-Horizonte
nen es sehr zahlreiche Vorkommen auf der Erde gibt (z. B. meist unter einer Fe-reichen lateritischen Verwitterungs-
Valeton 1972, 1983; Freyssinet et al. 2005). Bauwürdig sind decke, in der sich auch das Element Co im Mineral Asbolan
allerdings nur Vorkommen, die sich aus basischen oder 0,5[(Co,Ni)(OH)2] · [MnO2 · nH2O] angereichert hat.
ultrabasischen Gesteinen gebildet haben und in denen da- Ni-Träger in diesen Erzen sind durch Ni grünlich gefärb-
her neben Fe, Cr, Ni und Ti als wertvolle Nebenelemente te Schichtsilikate, häufig in Form gebänderter, nierig-trau-
angereichert sind. Ein gutes Beispiel sind die Conakry-Erze biger Krusten. Am verbreitetsten ist der smaragd- bis blau-
(Guinea), die durch Verwitterung von Duniten entstanden grüne Népouit (früher „Garnierit“) (Ni,Mg)6[(OH)8/Si4O10],
sind, mit 52 % Fe, 1,8 % Cr, 0,15 % Ni und 0,5 % Ti (Evans ein Ni-Serpentin; ferner treten auf Willemsit (früher
1993). Weitere Vorkommen liegen z. B. in Guayana, Kuba, „Pimelit“) ein Ni-Talk (Ni,Mg)3[(OH)2/Si4O10] sowie Ni-
Indonesien und auf den Philippinen. haltige Chlorite und Vermiculite (früher „Schuchardit“).
Die wichtigsten, derzeit im Abbau befindlichen Nickel-
Die sog. Basalteisensteine des Vogelsberges, die bis in die Zeit nach Lagerstätten dieser Art sind: Nicaro und Moa Bay auf
dem 2. Weltkrieg abgebaut wurden, entstanden durch Verwitterung Kuba mit Erzvorräten von insgesamt 150 Mio. t und
im tropisch-wechselfeuchten Klima der Tertiärzeit, wobei der Eisen-
gehalt großer Basaltkörper ausgelaugt wurde. Noch innerhalb des
Durchschnittsgehalten von ca. 2 % Ni + Co, Surigao (Phi-
mehr oder weniger stark verwitterten Basalts wurde der Fe-Gehalt lippinen: ca. 65 Mio. t Erz, ca. 1,9 % Ni + Co), Doniambo
konzentriert und kam in schalig-kugeligen Körpern zur Abscheidung. (Neukaledonien: ca. 50 Mio. t Erz, ca. 3 % Ni + Co),
Greenvale (Queensland, Australien: ca. 45 Mio. t Erz,
Mineralogisch bestehen die aus den zirkulierenden 2,1 % Ni + Co), Cerro Matoso (Kolumbien: ca. 30 Mio. t
Verwitterungslösungen hervorgegangenen Brauneisen- Erz, 3 % Ni + Co) und Riddle (Oregon, USA: ca. 20 Mio. t
346 22 · Verwitterung und mineralbildende Vorgänge im Boden
Abb. 22.3.
Oxidations- und Zementationszo-
ne innerhalb eines hydrothermalen
Cu-Erzgangs durch die Einwirkung
von Sicker- und Grundwasser von
der Oberfläche her. Von oben nach
unten unterscheidet man: I Oxi-
dationszone, II Zementationszone,
III Primärerzzone. Detaillierte
Gliederung: 1 Auslaugungszone;
2 Eiserner Hut (Gossan): stark oxi-
dierte Erze mit hohem Fe-Gehalt;
3 Umbildungszone vorwiegend von
Cu-Sulfiden; 4 Übergangszone;
5 Grundwasserspiegel; 6 Anreiche-
rung von edleren Metallen (Cu, Ag
etc.), Zementation, 7 weitgehend
unbeeinflusstes Primärerz. (Umge-
zeichnet und ergänzt nach Bau-
mann et al. 1979)
Erz, 1,5 % Ni + Co) (Evans 1993). Dieser Lagerstättentyp Copper Ores, zu beachtlichen sekundären Metall-An-
spielt weltwirtschaftlich gegenüber den sulfidischen reicherungen kommen kann (z. B. Sillitoe 2005). Sulfide
Nickelerzen vom Typ Sudbury Abschn. 19.3.1, S. 302f) eine werden bei der atmosphärischen Verwitterung leichter
immer bedeutendere Rolle. In den Lateriten von Range gelöst als die Silikate der Gesteine. Wir wollen von einem
Well (West-Australien), die ebenfalls aus ultramafischen relativ einfach zusammengesetzten sulfidischen Erzgang
Gesteinen gebildet wurden, ist Cr auf durchschnittlich ausgehen, dessen primäres Erz nur Pyrit (FeS2) und
3,6 % mit Vorräten von ca. 30 Mio. t Erz angereichert. Chalkopyrit (CuFeS2) enthält. Anhand von Abb. 22.3 be-
trachten wir die ablaufenden Verwitterungsvorgänge, die
22.5.6 von der Erdoberfläche aus nach der Tiefe hin in das pri-
Weitere Residual-Lagerstätten märe Erz vordringen. Man unterscheidet drei Zonen:
In etwas tieferen Bereichen der Oxidationszone Au-haltige Erze: sog. Senfgold, als hellgelbe, erdig aus-
reichern sich bei Erzkörpern mit Pyrit und Chalkopyrit sehende Abscheidung, winzige Goldflitterchen in
oft beachtliche Mengen von Fe in Form von Limonit mulmigem Limonit oder skelettförmigem Quarz;
(Brauneisenerz) an (Gleichung 22.7 und 22.8). Bei der Cerussit Pb[CO3] (Abb. 6.9, S. 100), Anglesit Pb[SO4],
Oxidation von Pyrit können neben Schwefelsäure rela- Krokoit Pb[CrO4] (Abb. 7.8, S. 112), Wulfenit Pb[MoO4],
tiv kurzlebige Fe2+- oder Fe3+-Sulfate als Zwischenpro- Pyromorphit Pb5[Cl/(PO4)3], Mimetit Pb5[Cl/(AsO4)3],
dukte entstehen (Gleichung 22.4, 22.5, 22.6). Vanadinit Pb5[Cl/(VO4)3] (Abb. 8.4, S. 118);
Zn-Erze: Smithsonit Zn[CO3], Hemimorphit Zn4[(OH)2/
Si2O7] · H2O; Galmei ist Sammelname für unreine Ge-
menge überwiegend aus Smithsonit und Hemimorphit;
Hg-Erze: ged Quecksilber;
U-Erze: die umfangreiche Gruppe der sog. Uranglim-
mer; das sind U-Phosphate, U-Arsenate, U-Silikate, U-
Hydroxide oder Uranate mit Ca, Ba, Cu, Mg, Fe2+ oder
anderen Kationen; alle besitzen grelle Farben, so gelb,
orange, rot oder grün;
Mn-Erze: Pyrolusit β -MnO2, in ähnlicher Ausbildung
Gleichung (22.8) ist der Gesamtumsatz. H2SO4 ist in wie Limonit und oft innig verwachsen mit diesem, fer-
2H+ + SO2– 4 dissoziiert. ner Romanèchit, Todorokit, Kryptomelan (s. Abschn. 5.4,
Der vorwiegend über den Gelzustand abgeschiedene und S. 90), amorphe Manganoxide („Manganogel“) sowie
erst später kristallin gewordene Limonit besitzt deshalb fast Lithiophorit (Al,Li)(Mn4+,Mn3+)O2(OH)2.
stets traubig-nierige Ausbildung und Eigenschaften des
braunen Glaskopfs; er besteht überwiegend aus Goethit Häufige kleine Goldgehalte im Pyrit können bei seiner Oxi-
(Nadeleisenerz) α -FeOOH. Der Ausbiss der Oxidationszone dation von Eisen(III)-Sulfat-Lösungen aufgenommen wer-
wird von den Bergleuten im deutschsprachigen Raum als den, wie auch aus Experimenten hervorgeht. Diese Lösun-
Eiserner Hut, im Englischen als Gossan bezeichnet; er gibt gen kommen in tieferen Teilen der Oxidationszone vor,
den Prospektoren wichtige Hinweise auf Primärerze. Die wobei der reduzierende Einfluss immer stärker wird, z. B.
Minerale der Oxidationszone treten teilweise in gut ausge- durch den anwesenden Pyrit des Primärerzes. Dabei wird
bildeten Kristallen auf, teilweise bilden sie dichte, körnige, Eisen(III)-Sulfat-Lösung unbeständig und geht in Eisen(II)-
strahlige oder blättrige Aggregate. Noch häufiger sind sie Sulfat-Lösung über, die Au nur sehr beschränkt aufnehmen
Bestandteil unansehnlicher, schlackenähnlicher oder erdig- kann, so dass es noch innerhalb der unteren Oxidations-
zerreiblicher Massen. Charakteristisch sind Konkretions- zone nahe des Grundwasserspiegels zur Ausscheidung von
formen, die auf ehemalige Gele hinweisen wie eine nierig- ged. Gold auf engerem Raum kommt. So weist die unterste,
traubige oder stalaktitähnliche Ausbildung. 1–2 m mächtige Schicht der Oxidationszone in der bedeu-
Während Pyrit als Oxidationsprodukt lediglich Braun- tenden VMS-Kupferlagerstätte von Rio Tinto, Spanien (Ab-
eisenerz liefert, geht Kupfer zunächst in ein komplexes schn. 21.5.2, S. 333) Au-Gehalte von 15–30 g/t auf gegenü-
Verwitterungsgemenge über. Es besteht aus dem sog. Kupfer- ber nur 0,2–0,4 g/t im Primärerz. Bei größeren Au-Gehalten
pecherz, einem pechschwarz aussehenden, dichten Gemenge der Primärlagerstätte können in der tieferen Oxidations-
aus Cuprit Cu2O, Limonit und Resten von Chalkopyrit oder zone Au-Konzentrationen spektakuläre Ausmaße erreichen.
aus erdigem, rot gefärbtem Ziegelerz. Nicht selten enthält
der neu gebildete Cuprit auch etwas gediegen Cu. Kohlen- 22.6.2
säurehaltige Verwitterungslösungen oder ein geologischer Zementationszone
Verband des Erzes mit Kalkstein führen zur Entstehung und
gelegentlichen Anreicherung von Malachit Cu2[(OH)2/CO3], Innerhalb der Zementationszone (II), im Wesentlichen im
zurücktretend auch von Azurit Cu3[OH/CO3]2, der allmäh- Bereich des oszillierenden Grundwasserspiegels, beeinflus-
lich in Malachit übergeht (Abb. 6.12, S. 102). Dieser bildet sen sich die als Sulfate in Lösung gegangenen Metalle ge-
häufig büschelige Aggregate oder Anflüge, seltener auch genseitig, und zwar entsprechend ihrer jeweiligen Stellung
Pseudomorphosen nach Azurit, wie in der berühmten La- innerhalb der elektrochemischen Spannungsreihe der Me-
gerstätte von Tsumeb (Namibia, Abschn. 21.3.2, S. 321f). Be- talle. Dabei scheidet sich das Sulfid des jeweils edleren Me-
grenzt findet sich in Oxidationszonen von Cu-Lagerstätten talls, im vorliegenden Fall dasjenige des Kupfers als Kupfer-
auch smaragdgrüner Dioptas Cu6[Si6O18] · 6H2O. Weiterhin sulfid, bevorzugt ab, und das Eisen geht als Fe2+SO4 in Lö-
treten in Oxidationszonen je nach Primärerz folgende wich- sung. Anstelle von Chalkopyrit im Primärerz bilden sich
tige Minerale auf: neue Kupferminerale mit höheren Cu-Gehalten, so Tief-
Chalkosin α -Cu2S, Djurleit Cu1,96S, Tief-Digenit Cu1,8S,Anilit
Ag-haltige Erze: ged. Silber, örtlich Chlorargyrit AgCl; Cu1,75S, Covellin CuS oder Bornit Cu5FeS4.
348 22 · Verwitterung und mineralbildende Vorgänge im Boden
Die möglichen Vorgänge veranschaulichen die folgen- Klimazonen auf, da dort die Lage des Grundwasserspie-
den chemischen Reaktionsgleichungen: gels stärker schwankt.
In sulfidischen Erzkörpern, die lediglich weniger edle
Metalle wie Pb, Zn, Fe, Co, Ni enthalten, ist keine ausge-
prägte Zementationszone entwickelt. Der Übergang zwi-
schen der Oxidationszone und den unverwitterten Sul-
fiden der Primärerzzone ist eher verschwommen. Im
(22.9)
Unterschied zu den Cu-Ag- oder Au-Lagerstätten kann
man bei ihnen kaum mit sekundären Teufenunter-
schieden rechnen.
22.6.3
Stabilitätsbeziehungen wichtiger Kupferminerale
(22.10) bei der Verwitterung
Abb. 22.4.
a Feld der Eh-pH-Bedingungen,
die gewöhnlich im oberflächen-
nahen Milieu realisiert sind
(Nach Krauskopf 1979); b Sta-
bilität einiger wichtiger Kupfer-
minerale im Modellsystem Cu–
H2O–O2–S–CO2 bei 25 °C und
1 bar Gesamtdruck im Eh-pH-
Diagramm. (Nach Anderson, in
Garrels u. Christ 1965)
Literatur 349
Das Diagramm (Abb. 22.4) stellt die große Bedeutung des Garrels RM, Christ CL (1965) Solutions, minerals and equilibria.
Eh-pH-Verhältnisses in Verwitterungslösungen heraus, spezi- Harper & Row, New York
Jasmund K, Lagaly G (Hrsg) (1993) Tonminerale und Tone – Struk-
ell für das ausführlicher besprochene Verwitterungsprofil ei-
tur, Eigenschaften, Anwendung und Einsatz in Industrie und
nes einfach zusammengesetzten Kupfererzes. Dabei wird man- Umwelt. Steinkopff, Darmstadt
che aus dem Naturbefund gezogene Folgerung bestätigt. Krauskopf KB (1979) Introduction to geochemistry, 2 nd edn.
Malachit und Cuprit als typische Neubildungen in der McGraw-Hill, New York
Oxidationszone erfordern für ihre (stabile) Bildung ein re- Maynard JB (1983) Geochemistry of sedimentary ore deposits.
Springer, New York Heidelberg Berlin
lativ hohes Eh in alkalischer bis neutraler Verwitterungs-
Scheffer F, Schachtschabel P (2009) Lehrbuch der Bodenkunde,
lösung. Chalkosin und Covellin als typische Neubildungen 16. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin
der Zementationszone entstehen dagegen unter reduzieren- Sillitoe RH (2005) Supergene oxidized and enriched porphyry copper
den Bedingungen bei relativ niedrigen Eh-Werten. Für die and related deposits. Econ Geol 100th Anniversary Vol, p 723–768
Bildung von Chalkosin spielt der pH offensichtlich keine Valeton I (1972) Bauxites. Elsevier, Amsterdam New York
entscheidende Rolle, während das Existenzfeld von Covellin Valeton I (1983) Paleoenvironment of lateritic bauxites with vertical
and lateral differentiation. Geol Soc London Spec Publ 11:77–90
hauptsächlich im sauren Milieu liegt. Velde B (1985) Clay minerals – A physico-chemical explanation of
their occurrence. Elsevier, Amsterdam
Weiterführende Literatur
Zitierte Literatur
Brantley SL, Goldhaber MB, Ragnarsdottir KV (2007) Crossing
disciplines and scales to understand the Critical Zone. Elements
3:307–314 Baumann L, Nikolsky IL, Wolf M (1979) Einführung in die Geolo-
Engelhardt W von (1973) Die Bildung von Sedimenten und Sedi- gie und Erkundung von Lagerstätten. Verlag Glückauf, Essen
mentgesteinen. Schweizerbart, Stuttgart Correns CW (1968) Einführung in die Mineralogie, 2. Aufl. Sprin-
Freyssinet P, Butt CRM, Morris RC, Piantone P (2005) Ore-forming ger, Berlin Heidelberg New York (Nachdruck 1981)
process related to lateritic weathering. Econ Geol 100th Anniversary Evans AM (1993) Ore geology and industrial minerals, 3rd edn.
Vol, p 681–722 Blackwell Science, Oxford
Füchtbauer H (1988) Sedimente und Sedimentgesteine, 4. Aufl. Press F, Siever R (1995) Allgemeine Geologie – Eine Einführung.
Schweizerbart, Stuttgart Spektrum, Heidelberg Berlin Oxford
23
Sedimente und Sedimentgesteine
23.1 Die sedimentäre Abfolge umfasst die folgenden Prozesse, die sich in einem zeit-
Grundlagen lichen Ablauf aneinander reihen:
23.7 Ausgangsgestein
Evaporite (Salzgesteine) Verwitterung → Verwitterungsprodukt (Boden, Eluvium)
↓
Transport
↓
Ablagerung bzw. Ausscheidung → Sediment (Lockergestein)
↓
Diagenese → Sedimentgestein
352 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
Abb. 23.1.
Korngrößeneinteilungen und
Benennung von klastischen
Sedimenten
23.2 · Klastische Sedimente und Sedimentgesteine 353
seitig, Oszillationsrippeln durch das Vor und Zurück der tragen ist, wird es den Flüssen zugeführt und in die Sam-
Wellenbewegung symmetrisch angelegt. Bei wechselnder melbecken der kontinentalen Senken und der Meere trans-
Strömungsrichtung in verzweigten Fluss-Systemen (braided portiert. Für den Transportweg spielt die Korngröße der
river systems) oder Flussdeltas oder wechselnder Windrich- klastischen Bestandteile die wesentliche Rolle. Die im Fluss-
tung bei Dünen zeigen Sande bzw. Sandsteine Schrägschich- wasser suspendierten Feinanteile erreichen fast immer das
tung (engl. cross bedding, entsprechend dem im Deutschen offene Meer, während die gröberen klastischen Bestandtei-
nicht mehr verwendeten Begriff Kreuzschichtung). Gradier- le meist unterwegs längs der Flussläufe oder in Senken noch
te Schichtung (graded bedding) kommt durch einen konti- innerhalb des kontinentalen Bereichs abgelagert werden.
nuierlichen Korngrößenwechsel von grob nach fein zustan- Die Transportvorgänge sind zudem mit mechanischen
de, z. B. in Trübestrom-Ablagerungen (Turbiditen). und chemischen Sortierungs- und Konzentrationserschei-
nungen verbunden, die Zusammensetzung und relative
23.2 Häufigkeit der Sedimente bedingen. Aus der Bodenfracht 23.2
Klastische Sedimente und Sedimentgesteine der Flüsse entstehen bevorzugt grobklastische Sedimente,
so Psephite und Psammite, aus den feinen Suspensionen
Klastische Sedimente und Sedimentgesteine setzen sich Pelite und aus den im Wasser gelösten Ionen oder Ionen-
aus unterschiedlichen Verwitterungsprodukten zusam- komplexen die chemischen Sedimente.
men, aus Während seines Transportwegs ist das Verwitterungs-
material mechanischen und chemischen Angriffen ausge-
1. Verwitterungsresten, setzt. Die mechanischen Veränderungen betreffen in erster
2. Verwitterungsneubildungen, Linie das am Boden bewegte gröbere Material (Fluss-Schot-
3. Ionen oder Ionenkomplexen, die sich in Lösung be- ter), das in Abhängigkeit von der Länge des Transportwegs
finden; zudem aus Kolloiden, suspendiert in Lösung. – im ersten Teil stärker, im letzten Teil schwächer – unter
Verringerung seiner Korngröße immer mehr gerundet wird.
Zu den Verwitterungsresten zählt in erster Linie Härtere Gesteinsfragmente benötigen für den Endwert der
Quarz, weil er in den verschiedenen Ausgangsgestei- Rundung natürlich einen längeren Transportweg. Minera-
nen weit verbreitet und zudem mechanisch und che- le von geringerer Härte und guter Spaltbarkeit werden leich-
misch schwer angreifbar ist. Stammen die Verwitte- ter zerrieben und treten deshalb im Sediment vorwiegend in
rungsreste aus ariden Klimaten mit geringer chemi- kleineren Kornfraktionen auf. In den marinen oder terres-
scher Verwitterung, so bleiben auch andere gesteins- trischen Sammelbecken schließen sich weitere Transport-
bildende Minerale wie Feldspäte und Glimmer als vorgänge an, ehe es zur endgültigen Ablagerung kommt.
Verwitterungsreste erhalten. Ebenso enthalten Sedi-
mente häufig widerstandsfähige Gesteinsfragmente als 23.2.2
Verwitterungsreste. Chemische Veränderungen während des Transports
Zu den Verwitterungsneubildungen gehören in erster
Linie Tonminerale, die entweder unmittelbar aus Ver- Chemische Veränderungen erfährt das von den Flüssen
witterungslösungen kristallisieren wie Kaolinit, Halloy- transportierte und ins Meer getragene Material insbe-
sit oder Montmorillonit oder durch Umbildung aus Glim- sondere durch Berührung mit dem Meerwasser, bevor
mern des Ausgangsgesteins entstehen wie z. B. die Illite. es nach seiner Ablagerung von jüngerem Material be-
Psephite und Psammite wie Konglomerate und Sand- deckt wird. Die chemischen Veränderungen sind den
steine bestehen ganz vorwiegend aus Verwitterungs- Verwitterungsvorgängen im Boden analog, wenn es auch
resten; bei den Peliten hingegen können Verwitterungs- teilweise zu besonderen Mineralneubildungen kommt.
neubildungen stärker beteiligt sein oder vorherrschen. So entstehen z. B. die grünen Körner von Glaukonit als
Klastische Sedimente die fast ausschließlich aus Produkte der submarinen Verwitterung in den Schelf-
Quarz und anderen Silikat-Mineralen bestehen, werden bereichen der Meere. Das Mineral Glaukonit ist ein
als siliciklastisch bezeichnet. Daneben enthalten auch dioktaedrisches Schichtsilikat der Zusammensetzung
Karbonatgesteine klastische Komponenten oder ~ (K,Na)(Fe3+,Mg,Fe2+)[(OH)2/(Si,Al)4O10]. Mit dem Be-
bestehen vollständig aus diesen; das gilt insbesondere griff subaquatische Verwitterung hat Paul Niggli (1952) alle
für Kalkturbidite (Abschn. 23.3.3). chemischen Prozesse zusammengefasst, die während des
Transports und der Ablagerung unter Wasser ablaufen.
23.2.1 Die Ausscheidung der gelösten Stoffe erfolgt in einem
Transport und Ablagerung des klastischen Materials komplexen chemischen System, nicht zuletzt durch die Betei-
ligung von biologischen Prozessen. Von besonderer Art sind
Das wichtigste Transportmittel des subaërischen Verwitte- die Konzentrationsvorgänge, die zu sedimentären Eisen- und
rungsmaterials ist das Wasser der Flüsse. Nachdem das Ver- Manganerz-Lagerstätten, sedimentäre Sulfiderzlagerstätten
witterungsmaterial durch Niederschläge flächenhaft abge- oder sedimentären Phosphat-Lagerstätten führen.
354 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
Abb. 23.3.
a Korngrößenverteilung eines
Flusssandes (–––––––) und eines
Dünensandes (–––––). b Korn-
größenverteilung unterschiedli-
cher Geschiebemergel. (Aus
Correns 1939)
23.2 · Klastische Sedimente und Sedimentgesteine 355
bedeckung. Dabei wandert ein Teil der Porenlösung nach in Form von Umwandlungs-Pseudomorphosen. In vielen
oben, und es erfolgt Verfestigung durch Kompaktion. Die Sandsteinen bilden sich tri- oder dioktaedrische Chlori-
Körner des Sediments bekommen einen engeren Kontakt te diagenetisch, in tieferversenkten Sedimentfolgen auch
miteinander, ihre Packung wird dichter. unterschiedliche Zeolithe. Bei entsprechender chemischer
Neben den mechanischen Vorgängen, insbesondere der Beschaffenheit der Porenlösung scheiden sich bei diage-
Kompaktion, finden chemische Reaktionen zwischen den netischen Vorgängen Anhydrit, Baryt oder Sulfide zwi-
Porenlösungen und den Mineralfragmenten statt, wobei es schen den detritischen Körnern aus. Auch akzessorische
zu Auflösungserscheinungen, Mineralneubildungen und Schwermineralkörner (S. 357), die sie sich gegenüber
Verdrängungsreaktionen kommt. Im absinkenden Schich- Verwitterungseinflüssen meist resistent verhalten, werden
tenverband findet ein Stoffaustausch zwischen den Ton- nicht selten durch die Porenlösung angegriffen.
mineralen und der Porenlösung statt. Unter erhöhtem
Belastungsdruck spielt Drucklösung eine wichtige Rolle Pelite. Bei den Peliten spielt Verdichtung (Kompaktion)
(Abb. 24.25, S. 412). Diese wird durch die Anwesenheit durch den Belastungsdruck eine größere Rolle als bei den
eines Porenraums begünstigt, in dem die Porenlösung zir- Psammiten. Aus geometrischen Gründen können die
kulieren kann. An Kornkontaktflächen, die senkrecht oder blättrigen Tonminerale eine stärkere Kompression erfah-
unter einem großen Winkel zur Richtung des Belastungs- ren als die gerundeten Sandkörner. Zudem ist der ur-
drucks liegen, ist die Löslichkeit höher als im Druckschat- sprüngliche Porenraum bei Tonen viel größer. Die Pro-
ten; deshalb werden hier Mineralkörner selektiv aufge- zesse der chemischen Diagenese von Tonen laufen nach
löst. Das gelöste Material wird im benachbarten Poren- von Engelhardt (1973) in erster Linie zwischen den an-
raum wieder ausgeschieden, so dass es dort zum Korn- wesenden Tonmineralen ab. Einige Tonmineralarten wer-
wachstum kommt. In einem späteren Stadium der Diage- den aufgezehrt, andere entstehen durch Um- oder Neu-
nese vermindert sich mit der Abnahme der Porosität die bildung an ihrer Stelle. Kaolinit, Montmorillonit und wei-
Durchlässigkeit des tonigen Sedimentgesteins zusehends. tere Tonminerale mit quellfähigen Schichten treten mit
Schließlich verschwindet der Porenraum in größerer Ver- dem Einsetzen diagenetischer Prozesse gegenüber Illit
senkungstiefe und die für die Diagenese charakteristischen und Chlorit immer mehr zurück. Die Umkristallisation
Umsetzungen hören auf. Es bahnt sich ein Übergang zu schlecht geordneter detritischer Illite führt zu einer Zu-
metamorphen Reaktionen an, die sich vorwiegend an die nahme der Illit-Kristallinität.
Korngrenzen anlehnen. Mit beginnender Gesteinsmeta-
morphose ist der Porenraum geschlossen (von Engelhardt Durch alle diese Vorgänge werden lockere Sedimente
1973). Trotzdem kann auch dann noch Drucklösung statt- zu festen Sedimentgesteinen (Tabelle 23.1).
finden, vorausgesetzt es existiert ein dünner Fluid-Film
auf den Korngrenzen (s. auch Abschn. 24.4.3, S. 412). Als Ergebnis der Diagenese enthalten pelitische (und
karbonatische s. unten) Sedimentgesteine häufig Kon-
Sandsteine. In Sandsteinen beobachtet man z. B. häufig kretionen. Das sind knollige bis abgeplattet-linsenförmige,
Säume von klarem, neugebildetem Quarz um die klasti- oft auch etwas unregelmäßig geformte Körper, die als Kern
schen Quarzkörner. Diese Anwachssäume sind nicht sel- nicht selten einen Fossilrest umschließen. Konkretionen
ten von Kristallflächen begrenzt. Bei Übersättigung der bilden sich bevorzugt bei starken stofflichen Unterschie-
Porenlösung entsteht feinkristalliner Quarz, der die Po- den im pelitischen Sediment und sind deshalb in be-
ren füllt. Alkalifeldspäte (Albit oder Kalifeldspat mit stimmten Horizonten innerhalb eines pelitischen Schich-
Adulartracht) kommen in zahlreichen Sandsteinen als tenverbands gehäuft. Das konzentrische Wachstum der
authigene Neubildungen durch Diagenese vor, oft sind Konkretion entzieht der Umgebung Substanz. Konkreti-
sie als Umwachsungssaum um detritischen Feldspat ent- onen in Peliten bestehen vorwiegend aus Calcit, Dolomit,
wickelt. Auch Karbonate (Calcit, Dolomit) werden als Siderit (Bestandteil des Toneisensteins), Apatit (im Phos-
Porenfüllung zwischen den Quarzkörnern im Sandstein phorit), Gips (als Kristallaggregat mit gut ausgebildeten
angetroffen. Voraussetzung hierfür sind in vielen Fällen Kristallen), Pyrit oder Markasit.
ehemalige Reste von Organismen, die dem Sand beige-
mengt waren. Nach deren Auflösung entsteht durch Aus- Tabelle 23.1. Klastische Sedimente und Sedimentgesteine
fällung ein feinkristallines karbonatisches Bindemittel
anstelle des freien Porenraums.
23.2.5 Psammite. Viele Sande bestehen fast nur aus Quarz; da-
Einteilung der Psephite und Psammite neben sind beachtliche Mengen von Feldspat und Hell-
glimmer beteiligt. Andere Gemengteile sind untergeord-
Einteilung der Psephite net und häufig nur mikroskopisch oder nach künstlicher
Anreicherung feststellbar.
Zur Einteilung der Psephite wird der Rundungsgrad he-
rangezogen. Ein lockeres Sediment, das zu >50 % aus Quarzsande und Quarzsandsteine. Sie sind die häufigsten
eckigen Mineral- oder Gesteinsbruchstücken mit mitt- Psammite. Quarzsandsteine haben kieseliges bis toniges
leren Korndurchmesser >2 mm besteht, wird als Schutt, oder karbonatisches Bindemittel. Kieselsandsteine sind
verfestigt als Breccie bezeichnet. Ein entsprechendes Se- Sandsteine mit einem außerordentlich feinkörnigen Bin-
diment mit gerundeten Mineral- und/oder Gesteins- demittel aus Quarz. Sie werden oft als Quarzite bezeich-
bruchstücken (sog. Geröllen) heißt Schotter (Kies), in net. Sandsteine mit viel Calcit als Bindemittel nennt man
verfestigter Form Konglomerat (Abb. 23.6, S. 359). Die Kalksandsteine. Hier gibt es alle Übergänge zur Gruppe
Grenzen zwischen Konglomeraten und Breccien sind der Kalksteine, teilweise auch mit Fossilresten. Sandstei-
nicht scharf, da Übergänge im Rundungsgrad der Grob- ne mit überwiegend tonigem Bindemittel, die sehr ver-
komponenten bestehen. Man unterscheidet weiterhin witterungsanfällig sind, bilden Übergänge zu Silt und Ton
monomikte von polymikten Psephiten, je nachdem, ob bzw. Siltstein und Tonstein. Sandsteine gehören zu den
das Gestein aus einer oder mehreren Mineral- oder wichtigsten Bausteinen. Ihre bautechnischen Eigenschaf-
Gesteinsarten zusammengesetzt ist. So wird z. B. ein ten und ihre Resistenz gegenüber Umweltschäden hän-
Konglomerat nach der in ihm vorherrschenden Mine- gen maßgeblich vom Bindemittel ab.
ral- oder Gesteinsart als Quarz- oder Granitkonglomerat
bezeichnet. Nagelfluh ist ein bekanntes polymiktes Kon- Arkosen. Das sind Sandsteine mit einem größeren Gehalt
glomerat der Molasse des Alpenvorlands, insbesondere an Feldspäten. Durch die zusätzliche Anwesenheit von
in der Schweiz. Aus der Art der Komponenten in einem Glimmer können Arkosen mitunter einem Granit oder
Psephit kann man häufig auf das Einzugsgebiet schlie- Gneis äußerlich recht ähnlich werden, so dass gelegent-
ßen und daraus mitunter paläogeographische Schlüsse lich das Mikroskop zur Entscheidung herangezogen wer-
ziehen. Der Rundungsgrad der Gerölle gibt Hinweise auf den muss. Allerdings ist der Feldspat der Arkosen oft
die Entfernung des Liefergebiets. stark kaolinisiert oder in Hellglimmer umgewandelt.
Arkosen sind meist aus nur wenig weit transportiertem
Einteilung der Psammite Verwitterungsgrus von Granit gebildet worden.
Die Gliederung der Psammite mit mittleren Korngrößen Grauwacken. Unter dem Sammelnamen Grauwacke fasst
zwischen 2 und 0,02 mm wird bei Sanden nach der Korn- man schlecht sortierte, grau bis graugrün gefärbte klasti-
art (Kornzusammensetzung) und bei Sandsteinen nach sche Sedimentgesteine aus Quarz, Gesteinsresten (Ge-
der Kornart und dem Bindemittel vorgenommen. Die steinsdetritus), etwas Feldspat (vorwiegend Plagioklas)
Größe der einzelnen Sandkörner kann gelegentlich 2 mm zusammen. Sie enthalten auch Chlorit, Hydroglimmer
übersteigen, denn es lassen sich keine scharfen Grenzen sowie etwas Karbonat- und Tonsubstanz, die auch als
zwischen den Psammiten und den Psephiten ziehen. Bindemittel auftreten können (Abb. 23.4a). Chemisch un-
Psammite bestehen meist aus umlagerten Verwitterungs- terscheiden sich Grauwacken häufig durch K2O < Na2O
resten. Quarz ist das weitaus verbreitetste Mineral der gegenüber den übrigen Sandsteinen mit K2O > Na2O. In-
Abb. 23.4.
a Grauwacke, kantige Kornfor-
men, Quarz (hell), Feldspat
(getrübt) neben Gesteinsbruch-
stücken und Geröllchen, Harz,
Bildbreite ca. 4 mm. b Oolithi-
scher Kalkstein mit konzen-
trisch-schaligen Kalkooiden,
kristallines Bindemittel aus
Calcit. Harliberg bei Vienen-
burg, Bildbreite ca. 2 mm
23.2 · Klastische Sedimente und Sedimentgesteine 357
23.2.6
Schwerminerale in Psammiten
23.2.7
Fluviatile und marine Seifen
Abb. 23.6.
Das goldführende Konglomerat
vom Witwatersrand in Südafrika
(West-Driefontein-Goldmine).
Die nuss- bis eigroßen Gerölle
bestehen meist aus Quarz und
sind von einem quarzhaltigen,
schwach metamorphen Binde-
mittel verkittet. Im Bindemittel
befindet sich äußerst feinkörni-
ges ged. Au. Der gleichzeitig
anwesende Pyrit besitzt nach
vorherrschender Auffassung
keine Beziehung zum Gold. Zu
den enthaltenen Schwerminera-
len rechnet auch Uranpecherz.
(Foto: K.-P. Kelber)
Abb. 23.7.
Anreicherung von ged. Gold im
Bereich der Hangendgrenze eines
schräggeschichteten Quarzsand-
steins der Welkom-Formation
(Witwatersrand-Supergruppe).
Über einer Erosions-Diskordanz
folgt das Konglomerat des Basal
Reefs, das eine neue Sediment-
schüttung in einem Delta mar-
kiert (Abb. 23.9). Man erkennt
drei Foreset-Lagen, die im Front-
bereich des vorrückenden Deltas
abgelagert wurden und sich zu
einer Bottomset-Lage vereinigen.
Das Gold bildet teils deutliche
Nuggets, teils ist es später noch
rekristallisiert oder mobilisiert
worden (Abb. 23.8). Welkom,
Witwatersrand, Südafrika.
Länge des Maßstabs 1 cm (Foto:
H. Frimmel)
Frimmel 2002, 2007). Günstig für die Goldanreicherung nicht mehr erhalten sind. Eine spätere Versenkung der
war eine hohe Verwitterungs- und Transport-Rate, die Serie des Witwatersrand führte zur Mobilisierung von Au
durch extrem lebensfeindliche Klimabedingungen und und metamorpher Umkristallisation.
eine fehlende Pflanzendecke bedingt war. Es herrschte Das primäre Herkunftsgebiet des Goldes ist z. Zt. noch
eine CO2-reiche Atmosphäre, die einen hohen Treibhaus- unbekannt. Jedoch sprechen ungewöhnlich hohe Os-Ge-
Effekt zur Folge hatte; der Sauerstoff-Partialdruck dürf- halte im Gold dafür, dass dieses magmatischen Ursprungs
te bei nur 0,001 bar, der pH-Wert der Wasserhülle (Hy- ist, wobei man mit einer hohen Aufschmelzrate in einem
drosphäre) bei 6, also im sauren Bereich gelegen haben relativ heißen Erdmantel rechnen muss. In diesem Zu-
(Frimmel 2004). Die tiefgründige Verwitterung hatte sammenhang sei daran erinnert, dass im Archaikum auch
wohl auch zur Folge, dass ähnliche Lagerstätten wie der die heißen ultrabasischen Komatiit-Magmen gefördert
Witwatersrand rasch abgetragen wurden und daher heute wurden (Abschn. 11.2.1, S. 205).
360 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
Nach der Theorie von Frimmel (2007) wurde der wesentliche Ein größerer Teil des wichtigen Gebrauchsmetalls
Anteil des Goldes, das jetzt in unterschiedlichen Erzlagerstätten Zinn wird aus derartigen Seifen gewonnen. Wirtschaft-
konzentriert ist, während eines riesigen Gold-Events in archaischer
lich bedeutende Vorkommen davon finden sich z. B. an
Zeit, vor etwa 3 Ga, aus dem Erdmantel in die Erdkruste trans-
portiert. Zu dieser Zeit erreichte die Temperatur des Erdman- vielen Stellen in Südostasien, in der Volksrepublik Chi-
tels ihr Maximum und die vertikalen, durch Erdmantel-Plumes na, in Nigeria und Kongo/Zaire. Fluss-Seifen wurden im
ausgelösten tektonischen Bewegungen wurden durch die sub- frühen Mittelalter und wahrscheinlich bereits in vorge-
horizontale Plattentektonik abgelöst. Während etwa 40 % des schichtlicher Zeit im sächsischen Erzgebirge und in
Goldgehaltes der Erdkruste noch heute in der fossilen Goldseife
Cornwall zur Gewinnung von Zinn abgebaut.
des Witwatersrandes konzentriert sind, wurde der Rest des krus-
talen Goldes wiederholt einem großräumigen Recycling unterwor-
fen, wobei plattentektonische Prozesse sowie magmatische und Edelstein-Seifen
hydrothermale Fluid-Zirkulation die wesentliche Rolle spielten.
Dieses Gold ist heute überwiegend in Gold-Quarz-Gängen und In Edelstein-Seifen sind schleifwürdige Steine im Vergleich
anderen hydrothermalen Goldlagerstätten (Kap. 21) oder in jun- zu den Primärlagerstätten relativ angereichert, da rissige
gen Goldseifen konzentriert.
und einschlussreiche Mineralkörner beim Transport zer-
Witwatersrand ist die bedeutendste Au-Lagerstätte und kleinert werden. Besonders die edlen Korund-Varietäten
zugleich die größte Goldreserve der Welt, die seit mehre- Rubin und Saphir werden aus Fluss-Seifen gewonnen. Die
ren Jahrzehnten zwischen 40 und 50 % der Weltproduk- weltwirtschaftlich wichtigsten Rubin-Lagerstätten befinden
tion an Gold lieferte; zwischen 1886 und 1983 waren es ins- sich in Burma, besonders bei Mogok im Gebiet östlich des
gesamt über 35 000 t Au. Die Durchschnittsgehalte des geför- Irawadi-Oberlaufs; weitere wichtige Vorkommen liegen in
derten Au-Erzes gingen von 10 g/ t auf jetzt etwa 6 g/ t Sri Lanka, Thailand und Afghanistan.
Gestein zurück. Durch gleichzeitige Anwesenheit von Os- Auch die berühmten Pyrop-Granate des Böhmischen
reichen PGE-Legierungen sowie von Uraninit (UO2), der Mittelgebirges, deren Nutzung bis ins frühe Mittelalter
ebenfalls als Seifenmineral angesehen wird, besitzt die zurückgeht, wurden teilweise aus Seifen gewonnen. Heute
Lagerstätte eine zusätzliche Bedeutung. werden bei Podsedice mächtige Schutthorizonte, die
Ähnliche fossile Au-Lagerstätten finden sich im Blind- 16–18 g/t Granat führen, mit schwerem Gerät abgebaut und
River-Gebiet am Huron-See (Ontario) und in der Serra aufbereitet; die Tagesförderung beträgt 45 kg Granat, davon
de Jacobina (Bahia, Brasilien). sind 5 kg schleifwürdig (Schlüter u. Weischat 1990). Mut-
tergestein des Pyrops sind serpentinisierte Granatperidotite
Zinnseifen des oberen Erdmantels, die in vulkanischen Durchschlags-
röhren auftreten.
Seine physikalischen und chemischen Eigenschaften Beachtliche wirtschaftliche Bedeutung besitzen die
machen Kassiterit zu einem typischen Seifenmineral. In Diamant-Seifen in der südlichen Namib-Wüste, die 1908
der Umgebung der meisten primären Zinnerzlagerstätten von dem schwarzen Bahnarbeiter Zacharias Lewela und
finden sich daher auch Zinn-Seifen. Begleitminerale sind dem deutschen Eisenbahnbeamten August Stauch ent-
häufig auch andere widerstandsfähige Schwerminerale deckt wurden und seitdem kontinuierlich in Abbau ste-
der hoch-hydrothermalen Primärparagenese. hen. Gegenwärtig konzentriert sich die Förderung, die
23.2 · Klastische Sedimente und Sedimentgesteine 361
hauptsächlich im Offshore-Bereich erfolgt, auf das Gebiet fallweise mehr oder weniger zersetzte organische Sub-
von Oranjemund im Südwesten Namibias. stanz bzw. Reste von Kalk- oder Kieselgerüsten von Or-
ganismen sowie Neubildungen im Sediment wie z. B.
23.2.8 Pyrit oder Markasit.
Metallkonzentrationen in ariden Schuttwannen
(Lagerstätten vom Red-Bed-Typ) Für eine genauere Klassifizierung der pelitischen Se-
dimente ist unter allen Umständen eine Mengenab-
Die Kupfer-, Silber- oder Uran-Radium-Vanadium-Erze schätzung der vorhandenen Minerale mit Röntgen-
vom Red-Bed-Typ befinden sich als schichtige Impräg- beugung notwendig. Dabei ist die Kenntnis der an-
nationen im Verwitterungsschutt arider Wannen. Es wird wesenden Tonminerale am wichtigsten. Mit ihnen
angenommen, dass der Metallgehalt aus der Verwitte- kann man z. B. kaolinitische von illitischen und
rung, Abtragung und Auslaugung umliegender älterer montmorillonitischen Tonen unterscheiden. Zudem
Lagerstätten stammt. Ein langandauernder Verwitte- sind Angaben über Quarz- und Feldspatgehalt oder
rungsprozess und eine Konzentration des Metallgehalts andere Minerale zu machen.
im Grundwasser werden für die Entstehung des Lager-
stättentyps vorausgesetzt. Charakteristisch ist die bevor-
zugte Vererzung fossiler Pflanzenreste. Äolische Staubsedimente. Äolische Stäube entstehen dort, wo
An den Kupfererzen beteiligen sich als Erzminerale freiliegende Locker- und Festgesteine der Deflation (Aus-
Tief-Chalkosin und ähnliche Cu-Sulfide, Bornit, Covellin blasung) bzw. Korrosion durch den Wind ausgesetzt sind,
und als jüngere sekundäre Bildungen Cuprit, Malachit so ganz besonders freiliegende Ablagerungen in Wüsten,
und andere Minerale. Die Silbererze enthalten Akanthit, Periglazialgebieten und Überflutungsräumen der großen
ged. Silber und Chlorargyrit AgCl, die Uranerze insbe- Ströme. Aus solchen Gebieten der Erdoberfläche wird fein-
sondere Carnotit K2[UO2/VO4]2 · 3H2O, hervorgegangen körniges Material von immer wieder auftretenden Stürmen
aus Uranpecherz. ausgeblasen und oft über Tausende von Kilometern weit
Typuslokalitäten sind die zahlreichen Kupfervorkom- verfrachtet. Bekannt sind insbesondere die Staubstürme der
men des Red-Bed-Typs aus dem Südwesten der USA, zu Sahara, die häufig Staubfälle im Mittelmeerraum, ja gele-
denen auch Silberlagerstätten gehören. Innerhalb des glei- gentlich in Mitteleuropa verursachen. Die Mineralzusam-
chen Raums in den USA gibt es genetisch ähnlich einzu- mensetzung der Stäube hängt vom jeweiligen Herkunfts-
ordnende Uran-Radium-Vanadium-Lagerstätten, die an gebiet ab.
Sandstein-Formationen sehr verschiedenen geologischen
Alters gebunden sind. Die Hauptvorkommen auf dem Löss. Das ist das wichtigste fossile Staubsediment; es ist
Colorado-Plateau bilden gemeinsam den größten Uran- ungeschichtet, nur schwach verfestigt und porös; die Mine-
lieferanten der USA. Das Uranerz vom Roll-Front-Typ be- ralgemengteile sind gut sortiert; die Korngrößenverteilung
findet sich in Sandsteinen von fossilen Flussrinnen. Der ist stets ähnlich, unabhängig vom geographischen Auftre-
Metallinhalt stammt von granitischen Gesteinen des be- ten. Im Mineralbestand von Löss herrschen Quarz und Feld-
nachbarten präkambrischen Grundgebirges, das unter späte vor; daneben beteiligen sich Calcit, Glimmer und Ton-
Bedingungen eines tropisch-wechselfeuchten Klimas ver- minerale an seiner Zusammensetzung; geringe Gehalte an
witterte. Dabei wurde Uran als U6+ gelöst und transportiert, Fe-Hydroxiden bedingen seine gelbliche Farbe; rotbraun bis
bis es in Kontakt mit Sedimenten kam, die reich an orga- dunkelbraun verwitterten Löss bezeichnet man als Löss-
nischem Material waren. An der zungenförmigen Redox- lehm. Häufig enthält Löss unregelmäßig-knollig geformte
front, die im Querschnitt einem Brötchen (engl. roll) äh- Calcit-Konkretion, die Lösskindel. Löss entstand während
nelt, kam es zur Reduktion und Ausfällung als UO2. des Pleistozäns durch Staubauswehungen aus Kältewüsten
In Europa liegen die wichtigsten Kupfervorkommen und unverfestigten glazialen oder fluvioglazialen Ablage-
des Red-Bed-Typs verteilt auf Senken des Rotliegenden rungen. Er besitzt auf der nördlichen Halbkugel eine rela-
nördlich und südlich des Ostteils der Sudeten, in Polen tiv große Verbreitung, so z. B. in Mitteleuropa, im Mittel-
und Tschechien. Die permischen Kupfersandsteine im westen der USA und am Hoangho in China, wo er noch
westlichen Ural-Vorland in Russland erfuhren dieselbe heute durch Staubstürme sekundär umgelagert wird.
genetische Einstufung.
Schlamm. Als Schlamm werden nach Füchtbauer (1988)
23.2.9 Mischungen von Wasser mit Ton- und Siltmaterial be-
Einteilung der Pelite zeichnet, die nach Wasser- oder Windtransport sub-
aquatisch abgelagert wurden. Daneben gibt es aber
Pelite (Tone) sind die Absätze der feinsten Partikel aus auch nichtklastische, biogene Schlämme (Radiolari-
den Gewässern. Neben Verwitterungsresten sind es vor- en-, Diatomeen- und Globigerinenschlamm). Der weitaus
wiegend Verwitterungsneubildungen. Dazu kommen größte Teil des in den Meeren sedimentierten Schlamms
362 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
wird durch die Flüsse aus den Kontinenten als Schweb- Durch das Auflagerungsgewicht jüngerer Sediment-
gutfracht zugeführt. Darüber hinaus lagern sich Schläm- schichten ändern sich zugleich Porosität und Gefüge des
me aus Trübeströmen (engl. turbidity currents) ab, das frisch abgesetzten Schlamms. Dabei vollzieht sich eine
sind hochdichte Suspensionen von reichlich Locker- Verdichtung des Schlamms unter Abnahme seines Was-
material in Wasser (auch in Luft oder vulkanischen Ga- sergehalts durch Kompaktion. Durch zunehmende Über-
sen). Ausgelöst durch Sturmwellen, Tsunamis, Erdbeben lagerung von Sedimentschichten wird die Wasserzir-
oder Sedimentüberfrachtung gehen solche Trübströme kulation verlangsamt, und die Porenlösung reagiert mit
im Schelfbereich an den Kontinentalrändern besonders der Mineralsubstanz. Dabei betreffen Prozesse der che-
häufig ab. Kommen sie zu Ruhe, setzt sich die Sediment- mischen Diagenese von tonigen Sedimenten in erster
fracht in der Reihenfolge ihrer Korngröße Sand → Linie den Tonmineralbestand. Je nach Art der Beimen-
Silt → Ton ab. Es entsteht gradierte Schichtung, die gungen unterscheidet man im Einzelnen karbonatische,
für Trübestromablagerungen (Turbidite) charakteris- kieselige oder bituminöse Tonsteine. Bei der Diagenese
tisch ist. von Peliten kann es zum authigenen Wachstum von Sili-
kat-Mineralen kommen, insbesondere von Alkalifeld-
Die zyklischen Gefügeentwicklungen von Turbidi- späten, die trotz ihrer niedrigen Bildungstemperatur alle
ten, die sog. Bouma-Zyklen sind für die Interpreta- Übergänge von – metastabil – ungeordneter zu vollständig
tion des Sedimentationsprozesses, des Ablagerungs- geordneter Si-Al-Verteilung zeigen: Hoch-Albit → Tief-
milieus (sedimentäre Fazies) und seiner geotekto- Albit, Adular → Mikroklin.
nischen Position sowie für die Erdöl-Exploration von
großem Interesse (Bouma 1962). Karbonatische Tonsteine. Bei den karbonatischen Ton-
steinen besitzen besonders die Mergel, Mischungen aus
Nach Ablagerung des terrigenen Schwebstoffmaterials Kalk und Ton (Abb. 23.10), eine große Verbreitung. Das
in den marinen und limnischen Sedimentationsräumen Karbonat kann als Detritus eingeschwemmt sein; häufi-
bestehen die Schlämme vor allem aus silikatischen Ton- ger geht der Karbonatgehalt auf Kalkskelette von Plank-
mineralen, Quarz, Feldspäten, Karbonaten und organi- ton oder auf biochemisch ausgefällten Calcit zurück.
schen Substanzen. Diese terrigenen silikatischen Schläm- Mergel und mergelige Gesteine unterschiedlicher
me bedecken etwa Æ des Meeresbodens. Sie finden sich Zusammensetzung sind wichtige Rohstoffe, z. B. für die
vor allem innerhalb der Schelfgebiete und an den Konti- Herstellung von Portlandzement (Abb. 23.10).
nentalabhängen bis zu einer Meerestiefe von 2 km. Bei-
spiele solcher rezenten Schlammablagerungen sind die Bituminöse Tonsteine. Die bituminösen Tonsteine (Öl- und
Wattensedimente der Nordsee, die hemipelagischen (fest- Schwarzschiefer) sind gut geschichtet, von dunkelgrauer
landsnahen) Grün- und Blauschlicke und der pelagische bis schwarzer Farbe, führen stets Pyrit und besitzen ei-
rote Ton in den Ozeanbecken der Tiefsee. Die rotbraune nen größeren Gehalt an organischem Kohlenstoff.
Farbe des roten Tiefseetons wird durch Fe- und Mn-Oxi- Hierzu gehören z. B. die Graptolithenschiefer des Silurs,
de hervorgerufen, die nur unter oxidierenden Bedingun- die Posidonienschiefer des Lias z. B. bei Holzmaden
gen bestandfähig sind. Der größte Teil des Meeresbodens (Württemberg) und der eozäne Ölschiefer von Messel bei
besteht jedoch aus biogenen Schlämmen, wobei Globi- Darmstadt (Hessen). Die anoxischen Bedingungen be-
gerinenschlamm weitaus vorherrscht. günstigen die Fossilerhaltung; deswegen sind Holzmaden
und Messel berühmte Fossilfundstätten. Für die Entste-
23.2.10 hung bituminöser Tonsteine werden Bedingungen an-
Diagenese von Peliten genommen, wie sie rezent z. B. im Schwarzen Meer an-
zutreffen sind. Die detritischen Sedimentteilchen und das
Durch diagenetische Verfestigung entstehen aus lockeren abgestorbene Plankton aus den oberen Wasserschichten
Stäuben und Schlämmen Siltsteine und Tonsteine (Tabel- gelangen während ihrer Sedimentation in tiefere, H2S-
le 23.1). Sie zeigen häufig eine feine Lamination mit haltige Wasserschichten, in denen infolge mangelnder
schichtparallelen Ablösungsflächen, die jedoch keine ech- Zirkulation und Durchmischung mit dem Oberflächen-
te Schieferung darstellt. Diese früher Schieferton genann- wasser sauerstoffarme, anaerobe Bedingungen herr-
ten Sedimente werden heute als schiefrige Silt- und Tons- schen. Dabei findet eine langsame biochemische Zerset-
teine (engl. shale) bezeichnet. Demgegenüber zeigt Ton- zung und Umwandlung der organischen Substanz statt,
schiefer (slate) eine echte, oft transversal zur Schichtung die vorwiegend aus Plankton besteht. Bakterien bewir-
verlaufende Schieferung, die durch beginnende Metamor- ken eine Reduktion des SO42– im Meerwasser und in den
phose entstanden ist. Porenlösungen des Sediments sowie des Eiweiß-Schwe-
Die diagenetischen Veränderungen richten sich weit- fels zu Sulfid. Es entsteht H2S, das mit Fe-haltigen Mine-
gehend nach der Zusammensetzung des Sediments, nach ralen des Sediments reagiert. Es bildet sich vorzugswei-
dessen Porenlösung und nach der Sedimentbedeckung. se Pyrit FeS2. Dieser tritt fein verteilt in Form sog. Fram-
23.2 · Klastische Sedimente und Sedimentgesteine 363
Abb. 23.10.
Benennung und technische Ver-
wendung der Reihe Kalkstein–
Mergel–Ton. (Aus Correns 1968)
boide (frz. framboise = Himbeere) auf – das sind mikro- Die etwas kleineren Cu-Lagerstätten im Paradox-Be-
skopisch kleine, rundliche Kornaggregate, in denen die cken von Utah und Colorado (USA) enthalten Vorräte von
Pyrit-Kriställchen die Zellen ehemaliger Bakterien fül- ca. 37 Millionen t Cu; sie liegen in Ton- und Siltsteinen,
len – oder er reichert sich in Konkretionen an. Neben die an der Wende Jura/Kreide abgelagert wurden und wer-
Pyrit treten im pelitischen Sediment in geringen Men- den von mächtigen marinen Evaporit-Folgen überlagert.
gen auch andere Schwermetallsulfide auf, so Sphalerit,
Galenit und Chalkopyrit. Im neutralen bis schwach sau- Kupferschiefer
ren Milieu wird Markasit anstelle von Pyrit gebildet.
Im Kupferschiefer, einem geringmächtigen, bituminösen
23.2.11 Tonmergel der Werrafolge des unteren Zechsteins, sind
Buntmetall-Lagerstätten in Schwarzschiefern die Metalle Cu, Pb und Zn als Sulfide angereichert wor-
den. Bemerkenswerte Konzentrationen erfuhren auch V,
Schichtgebundene Buntmetall-Vererzungen in karbona- Mo, U, Ni, Cr, Co, Ag und viele weitere Elemente. Erz-
tischen oder siliciklastischen Schwarzschiefern entstan- minerale sind Chalkosin Cu2S, Chalkopyrit CuFeS2, Bornit
den in großen Sedimentbecken, in denen große Fluid- Cu5FeS4, Covellin CuS, Tennantit Cu12[S/As4S12], Galenit
systeme wirksam waren (z. B. Hitzman et al. 2005). Die PbS, Sphalerit ZnS und Pyrit FeS2.
Schwarzschiefer enthalten Cu- und Cu-Fe-Sulfide in fei- Das Zechsteinmeer, aus dem der Kupferschiefer abge-
ner Verteilung oder in Form kleiner Adern. Die Metalle lagert wurde, transgredierte auf das kristalline Grundge-
könnten aus unterlagernden Sedimenten des Red-Bed- birge oder auf Sandsteine und Konglomerate des Ober-
Typs (Abschn. 23.2.8) oder von den umgebenden Fest- Rotliegenden, die örtlich gebleicht sind, das „Weiß-
ländern stammen und wurden durch mäßig- bis hochsali- liegende“ der Bergleute. Über dem Kupferschiefer wur-
nare, niedrig- bis mäßig-temperierte Fluide transportiert. den Dolomite und Kalksteine sowie Evaporite (Anhydri-
Der Schwefel könnte von überlagernden Salzgesteinen te) der Werrafolge sedimentiert. Während der Diagenese
(Evaporiten: Abschn. 23.7) stammen, die im Meer oder kam es zur Bildung einer Alterationsfront, von den Berg-
in Binnenseen abgelagert wurden. Die Ausfällung der leuten Rote Fäule genannt. Sie schneidet die Schicht-
Sulfid-Minerale erfolgte durch unterschiedliche Reduk- grenzen und erfasst teilweise die Rotliegend-Sandsteine,
tions-Prozesse, an denen z. B. Kohlenwasserstoffe und/ den Kupferschiefer, die Karbonatgesteine und den Werra-
oder Bakterien beteiligt waren. Lagerstätten dieses Typs Anhydrit. Oberhalb der Roten Fäule setzt die Cu-
sind sehr verbreitet, jedoch besitzen nur wenige von ih- Vererzung ein, gefolgt von der Pb-Zn-Vererzung.
nen Weltformat. Drei solcher „Supergiant Deposits“ lie- Es war lange umstritten, ob der Metallinhalt von den
fern zusammen etwa 23 % der Weltjahres-Förderung an umgebenden Festländern ins Zechsteinmeer transpor-
Cu und darüber hinaus noch weitere Buntmetalle, tiert oder durch submarine Thermen, also sedimentär-
insbesondere Co und Ag: exhalativ, zugeführt wurde. Nach heutiger Auffassung
erfolgte die Fällung der Sulfid-Minerale zunächst früh-
der Kupferschiefer im Zechstein-Becken von Nord- diagenetisch durch bakterielle Sulfat-Reduktion (BSR).
deutschland und Südpolen (Schlesien), Während einer späteren, tektonisch kontrollierten Mine-
der neoproterozoische Sambische Kupfergürtel in ralisationsphase wurde der Metallgehalt jedoch durch
Zentralafrika und hydrothermale Lösungen mobilisiert und sekundär an-
das paläoproterozoische Kodaro-Udokan-Becken in gereichert, wobei thermochemische Sulfat-Reduktion
Sibirien. (TSR) eine Rolle spielte (z. B. Bechtel et al. 2001). Die be-
364 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
deutendsten Abbaureviere befinden sich derzeit in den Regio- der Diagenese und der beginnenden Metamorphose. Als
nen Rudna und Lubin im südlichen Polen, mit durchschnitt- spätdiagenetische Bildung in Tonsteinen tritt teilweise
lichen Cu-Gehalten von 1,5 % und Reserven von 3 000 Mio. t auch das Schichtsilikat Pyrophyllit Al2[(OH)2/Si4O10] auf,
Erz. Durch diese Lagerstätten wird Polen zum größten Cu- das von vielen Forschern bereits als Kriterium für das
Produzenten Europas. Die deutschen Kupferschiefer-Vor- Einsetzen der niedriggradigen Metamorphose angese-
kommen im Raum Mansfeld (Sachsen-Anhalt) wurden etwa hen wird. Mit steigendem Grad der Diagenese nimmt das
seit dem Jahr 1200 abgebaut; sie hatten früher große wirt- Reflexionsvermögen von kohliger Substanz, z. B. von
schaftliche Bedeutung, sind aber seit 1990 auflässig. Vitrinit unter dem Auflichtmikroskop zu.
Abb. 23.11.
Klassifikation der Kalksteine
nach ihrem Gefüge. (Nach Folk
1962, aus Tucker 1985)
Abb. 23.12. Gefügeklassifikation der Kalksteine aufgrund der Ablagerungsvorgänge. (Nach Dunham 1962, mit Ergänzungen von Embry
u. Klovan 1971, aus Tucker 1985)
366 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
Dabei stammen die HCO3–-Ionen einmal aus der Dis- Erniedrigung des CO2-Partialdrucks, der Menge des
soziation von H2CO3, zum anderen aus der Reaktion von im Wasser gelösten CO2 und/oder des pH-Wertes so-
H+ mit CaCO3 entsprechend dem Vorgang wie Erhöhung der Temperatur führen zur Übersätti-
gung und begünstigen die Ausscheidung von CaCO3.
CaCO3 + H+ Ca2+ + HCO3– (23.3)
Riffe. Riffe sind karbonatische Hügelstrukturen, die von die Karbonatplattform begrenzen (Abb. 23.13). Sie zei-
kolonienbildenden oder einzeln lebenden Invertebraten gen einen dreiteiligen Aufbau:
aufgebaut werden und ein wellenresistentes Gerüst besit-
zen (z. B. Tucker 1985). Sie bestehen hauptsächlich aus 1. Vorriff (engl. fore reef): Es hat einen steilen Außen-
kalkigen Außenskeletten, sind ungeschichtet und stellen hang und einen Hangfuß aus grobem Riffschutt, der
wichtige Speichergesteine für Erdöl und Erdgas dar. Im zum offenen Meer hin in Kalkturbidite übergeht, die
Verlauf der Erdgeschichte waren fast alle wirbellosen zwischen die pelagischen Karbonatschlämme der
Tierarten am Aufbau von Riffen beteiligt, so Stromato- Tiefsee eingeschaltet sind.
poren im Ordovizium bis Devon, Pterokorallen im Silur 2. Riffkern (engl. reef core) mit der Riff-Plattform.
bis Karbon, phylloide Algen im Karbon bis Perm, Cyclo- 3. Rückriff (engl. back reef): Es wird aus Riffschutt, Karbo-
korallen seit der Trias, Schwämme in Trias und Jura, natsanden und Oolithen gebildet und leitet in die Karbo-
Rudisten-Muscheln in der Kreide sowie Korallen und natplattform mit ihren Lagunen über, in der Karbonat-
Corallinaceen in der Gegenwart. Bei den riffbildenden sande und Karbonatschlämme abgelagert werden.
Organismen unterscheidet man Gerüstbildner (z. B. Ko-
rallen), Gerüstbinder, die das Gerüst umkrusten und ver- Marine Kalksteine enthalten also neben anorganisch
stärken (z. B. Kalkalgen und Bryozoen), und Riffbewoh- oder biochemisch ausgefälltem CaCO3 häufig klastische
ner (z. B. Bohrmuscheln, Algen, Echinodermen und Komponenten, wie mechanisch aufbereitete Hartteile
Raubfische). Wichtige Rifftypen sind die kleinen, rund- von Fossilien oder Erosionsprodukte älterer Kalksteine,
lichen Kuppenriffe (engl. patch reef), die konischen oder bestehen überwiegend aus diesen. Zusätzlich kann
Säulenriffe (engl. pinnacle reef), Barriereriffe, die von der bereits während der Sedimentation eine chemische
Küste durch eine Lagune getrennt sind, Saumriffe, die CaCO3-Abscheidung wirksam werden, die von diagene-
sich entlang der Küste erstrecken und Atolle mit einge- tischen Vorgängen meist nur schwer abzugrenzen ist.
schlossener Lagune.
Für die rezente Bildung von Korallenriffen gelten eine
Reihe von Bedingungen, die wahrscheinlich auch in der Kreide. Das ist ein dichtkörniger organogener Kalkstein, der
geologischen Vergangenheit für das Riffwachstum wich- ausschließlich aus Schalen von Mikroorganismen, beson-
tig waren: ders von Foraminiferen besteht. Er enthält diagenetisch
gebildete Konkretionen von feinkristallinem SiO2 (Feuer-
hohe Wassertemperatur: optimales Wachstum bei 25 °C, stein, Flint, engl. chert), die lagenweise angereichert sind.
geringe Wassertiefe: Hauptwachstum bis <10 m,
geringe Toleranzbreite für die Salinität und 23.3.4
Begünstigung des Riffwachstums durch intensive Bildung festländischer (terrestrischer) Karbonatsedimente
Wellentätigkeit und fehlende Zufuhr von terrigenen
Silt- und Tonpartikeln (z. B. Tucker 1985). Hier treten Kalkausscheidungen als Oberflächenkalke in
Trockengebieten, als Absätze aus Quellen und Flüssen
Dementsprechend entwickeln sich Riffe im Schelf- oder als Ablagerungen in Binnenseen auf.
bereich an den Rändern von Epikontinental-Meeren, wo Die Oberflächenkalke oder Krustenkalke (Calcrete)
sie – günstige Temperaturbedingungen vorausgesetzt – sind an Trockenregionen gebunden. Während der Tro-
Abb. 23.13. Die wichtigsten marinen Bildungsbereiche von Karbonatsedimenten und ihre charakteristische Faziesausbildung. (Nach Tucker 1985)
368 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
ckenzeit steigt das Wasser der Verwitterungslösungen als es dem stöchiometrischen Verhältnis entspricht
kapillar im Boden auf und verdunstet an der Oberfläche. (Füchtbauer 1988). Der Ca-Überschuss bleibt über län-
Dabei scheiden sich die am schwersten löslichen Salze gere geologische Zeiträume hinweg erhalten, wie zahl-
zuerst aus, so das CaCO3. reiche paläozoische Ca-Dolomite beweisen. Umgekehrt
In Regionen mit reichlicheren Niederschlägen gelan- kann es bei der Diagenese von Dolomiten auch zur Neu-
gen die Ca2+- und HCO3–-Ionen über das Grundwasser in bildung von Calcit kommen (Dedolomitisierung).
Quellen, Bäche und Flüsse. Tritt das Grundwasser als
23.4 Quelle aus oder erfolgt eine Zerteilung des Flusswassers 23.4
etwa in einer Kaskade, so kommt es unter gleichzeitiger Eisen- und Mangan-reiche Sedimente
Erwärmung des Wassers zur unmittelbaren Freisetzung
des gelösten CO2 und damit zur Ausfällung von CaCO3 23.4.1
nach Gleichung (23.2). Es entstehen Kalksinter. Oft bil- Ausfällung des Eisens und die Stabilitätsbedingungen
det sich ein poröser Kalkstein, der Travertin, etwas irre- der Fe-Minerale
führend auch als Kalk- oder Quelltuff bezeichnet. Tra-
vertin ist ein geschätzter Baustein besonders zur Verklei- Die wichtigsten Minerale in den Fe-reichen Sedimenten
dung von Fassaden. sind: Goethit α -FeOOH, Hämatit, Magnetit, Siderit,
In Binnenseen treten feinkörnige Kalkschlämme auf, Chamosit (ein Fe-reicher Chlorit) und in besonderen
die als Seekreide bezeichnet werden. Häufig wird in die- Fällen Pyrit.
sem Fall die Ausscheidung von CaCO3 durch die Anwe- Für die Ausfällung des Eisens aus den natürlichen
senheit eines üppigen Pflanzenwuchses gefördert. wässrigen Lösungen und die Stabilitätsbeziehungen der
Fe-Minerale sind insbesondere das Redoxpotential Eh
23.3.5 und die Wasserstoffionenkonzentration pH ausschlagge-
Diagenese von Kalkstein bend. Als Beispiel diene ein Eh-pH-Diagramm, das für
hohe Karbonat- und niedrige Sulfid-Gehalte in der Lö-
In rezenten unverfestigten Karbonatsedimenten der sung gilt (Abb. 23.14). Bei hohem Eh, d. h. unter stark
Flachsee werden vorwiegend metastabiler Aragonit und oxidierenden Bedingungen, besitzt Hämatit ein weites
Mg-reicher Calcit beobachtet. Demgegenüber bestehen Stabilitätsfeld, während sich Siderit fast nur unter redu-
Kalksteine älterer geologischer Formationen, besonders zierenden Bedingungen, d. h. bei negativen Eh-Werten
von vortertiärem Alter nur aus normalem Mg-armem ausscheidet. Pyrit entsteht ebenfalls unter reduzierenden
Calcit. Man nimmt an, dass bei der Verfestigung von lo- Bedingungen, wobei sich sein Stabilitätsfeld mit Zunah-
ckerem Kalksediment zu Kalkstein die beiden metasta- me des S2–/CO2-Verhältnisses in der Lösung stark erwei-
bilen Minerale aufgelöst wurden und gewöhnlicher Cal- tert. Magnetit existiert unter stark reduzierenden Bedin-
cit neu kristallisierte, es sei denn, das Sediment war gungen und im basischen Bereich; doch dehnt sich sein
bereits ursprünglich aus reinem Calcit zusammengesetzt. Stabilitätsfeld mit Abnahme von S2– und CO2 in der Lö-
Organische Komponenten wie Huminsäuren haben ei- sung bis fast in den Neutralbereich aus. Fe-Silikate kön-
nen deutlichen Einfluss auf die Diageneseprozesse von nen sich nur bei reichlichen SiO2- und niedrigen CO2-
Kalkstein. Auch im Kalkstein gibt es verbreitet authige- Gehalten und hohem pH ausscheiden.
ne Neubildungen verschiedener Silikate, am häufigsten Im Grundwasser ist der Fe-Gehalt normalerweise
sind Alkalifeldspäte, wie sie auch in pelitisch-psammiti- recht gering; bei Sauerstoffunterschuss ist Fe2+ in Form
schen Sedimenten beobachtet werden, und zwar über- von Ferrosalzen gelöst, am häufigsten als Karbonat,
wiegend Albit. Chlorid oder Sulfat. Im gut durchlüfteten Oberflächen-
Dolomitische Kalksteine entstehen früh- bis spätdia- wasser neigen derartige Lösungen durch den vorhande-
genetisch durch Einwirkung magnesiumhaltiger Poren- nen Sauerstoff zu Hydrolyse und Oxidation dieser Salze
lösungen auf primär sedimentierte Kalke, solange noch unter Bildung von Fe(OH)3, wobei ein Teil davon in die
ein Porenvolumen vorhanden ist (Dolomitisierung). Re- kolloidale Form übergeht. Eine relativ bescheidene Menge
zente frühdiagenetische Dolomit-Bildung beobachtet des Eisens wird als Fe3+-Oxid-Hydrosol durch das Fluss-
man im Küstenbereich und in der Flachsee, so bei Florida, wasser transportiert. Das ist auf längere Strecken hin nur
auf der Bahamabank, in der Karibik und im Persischen möglich, wenn eine Stabilisierung durch kolloidale or-
Golf (z. B. Tucker 1985). Zwischen den Mineralen Calcit ganische Substanz, sog. Schutzkolloide, erfolgt. Diese
und Dolomit besteht bei der Sedimentation und Diage- Kolloide besitzen positive Ladungen und werden so über
nese eine ausgedehnte Mischungslücke, wobei Dolomit weite Entfernungen hin transportiert, ohne ausgefällt zu
nach Abb. 6.11 (S. 101) fast reines CaMg[CO3]2 sein sollte. werden. Voraussetzung ist, dass die Konzentration an
Trotzdem wird unter diesen Tieftemperaturbedingungen Elektrolyten niedrig bleibt und dass negativ geladene
metastabil mehr Ca in die Dolomit-Struktur eingebaut, Kolloide nicht in größerer Menge in das Flusswasser ge-
23.4 · Eisen- und Mangan-reiche Sedimente und Sedimentgesteine 369
Abb. 23.15.
Eisenerz der Banded Iron For-
mation (BIF) vom Superior-
Typ. Man erkennt eine verfaltete
Wechsellagerung von Hämatit
(hell- bis dunkelblau), Tigerauge
(gelb) und rotem Jaspis. Hamers-
ley Range, Australien. Bildbreite
ca. 15 cm. Mineralogische Muse-
um der Universität Würzburg.
(Foto: K.-P. Kelber)
23.4 · Eisen- und Mangan-reiche Sedimente und Sedimentgesteine 371
Die ehemals wichtigste Fe-Lagerstätte Deutschlands oft deformiert und metamorph überprägt. In den sog.
mit Vorräten von bis zu 4 000 Mio. t Erz liegt im Salzgit- Gonditen dominieren metamorph gebildete Silikate wie
ter-Distrikt im nördlichen Harzvorland. Sie umfasst oo- Spessartin, Mn-Pyroxene, Mn-Amphibole und Braunit
lithische Eisenerze von Lias-, Malm- und Kreide-Alter Mn2+Mn63+[O8/SiO4]; karbonatische Manganerze beste-
sowie Trümmereisenerze der Kreide. Diese bestehen aus hen überwiegend aus Rhodochrosit. Die ursprüngliche
Brandungsgeröllen von Toneisenstein aus dem Lias und Ablagerung der Mn-Sedimente erfolgte im Flachseebe-
dem Dogger, die in synsedimentär absinkenden, durch reich intrakratonischer Becken, wobei einige Autoren
Salztektonik angelegten Senken zusammen geschwemmt eine vulkanisch exhalative Herkunft der Metalle anneh-
und zu Limonit oxidiert wurden. Zusätzlich kam es zur men. Wichtige Vorkommen liegen in Orissa (Indien),
marinen Ausscheidung von limonitischen Ooiden. Die Minas Gerais (Brasilien), Bolivien, Gabun (Äquatorial-
Matrix zwischen den Trümmern und Ooiden ist wech- afrika) und Ghana (Westafrika). Von weltwirtschaftlicher
selnd tonig, mergelig, kalkig, ankeritisch oder sideritisch. Bedeutung ist das Kalahari-Erzfeld in der altproterozo-
Insgesamt wurden 340 Mio. t Eisenerz gewonnen und im ischen Transvaal-Sequenz (Südafrika) mit Erzvorräten
Stahlwerk Salzgitter verhüttet. Der letzte Untertage-Ab- von etwa 13 000 Mio. t. Der größte Bergbau ist Mawatwan,
bau dieses Distrikts, der Schacht Konrad, wird als End- wo ein 20 m mächtiges Erzflöz durchschnittlich 38 % Mn
lager für schwach radioaktive Abfälle offen gehalten. enthält. Ein europäisches Vorkommen ist Jacobeni im
Kristallin der Ostkarpathen (Rumänien).
Terrestrische Eisenerze
Phanerozoische Manganerze
Eisenerze terrestrischer Entstehung waren in früheren Zei-
ten z. T. von Bedeutung für die lokale Fe-Gewinnung, sind Die marin-sedimentären Manganerzlagerstätten von
aber heute wirtschaftlich uninteressant. Hierzu gehören: Nikopol am unteren Dnjepr (Ukraine) und Tschiaturi am
Südhang des Kaukasus (Georgien) wurden im Flachsee-
Sideritische Kohleneisensteine (blackbands) und Ton- bereich des südukrainischen Oligozän-Beckens abgela-
eisensteine (claybands). Beide bestehen aus Siderit, gert. Die Erze bestehen aus Oolithen, Konkretionen und
kohliger Substanz und pelitischem Detritus und tre- erdigen Massen von Pyrolusit und Romanèchit (Psilome-
ten zusammen mit Kohlenablagerungen auf. lan); eine Karbonatfazies besteht aus Rhodochrosit und
See- und Sumpferze (Raseneisenerz) bestehen aus Li- Manganocalcit. Diese Mn-Lagerstätten besaßen früher
monit, der sich noch unter rezenten Bedingungen in eine überragende wirtschaftliche Bedeutung, die jedoch
Binnenseen und Sümpfen v. a. in nördlicheren Brei- wegen relativ geringer Mn-Gehalte – in Nikopol 15–25 %
ten ausscheidet. Raseneisenerz bildet erdige, oft mit – deutlich zurückgegangen ist. Heute sind die viel reiche-
Sandkörnern verkrustete Lagen innerhalb oder ober- ren kretazischen Mn-Erze von Groote Eylandt (Nord-Aus-
halb von Torflagern. tralien) mit Durchschnittsgehalten von 51 % Mn und Vor-
räten von 300 Mio. t weltwirtschaftlich viel wichtiger.
23.4.3
Sedimentäre Manganerze 23.4.4
Metallkonzentrationen am Ozeanboden
Eisen und Mangan verhalten sich geochemisch sehr ähn-
lich; ihre Trennung bei sedimentären Prozessen im Meer- Die Manganknollen der Tiefseebecken des Pazifischen
oder im Süßwasser stellt ein viel diskutiertes Problem dar. und des Indischen Ozeans (Abb. 23.16) könnten für die
Die Hauptrolle dabei dürften Unterschiede im Redoxpo- Zukunft bedeutsame Metallreserven darstellen; jedoch
tential spielen. Bei gleicher Temperatur und gleichem pH- ist ihre Gewinnung derzeit zu kostenaufwändig und wäre
Wert wird Eisen als Fe(OH)3 bereits bei niedrigeren Eh- mit erheblichen ökologischen Risiken verbunden. Diese
Werten ausgefällt als Mangan in Form von MnO2 (Maynard Konkretionen sind durch einen Ausfällungsprozess beim
1983). Dabei könnte die Mischung des Meerwassers mit Zusammentreffen von gelöstem Mn2+ mit dem relativ
sauerstoffreichen Oberflächenwässern im küstennahen hohen Sauerstoffgehalt des kalten Tiefenwassers als Gel
Bereich eine wichtige Rolle spielen. In vielen Fällen sind ausgeflockt worden und bestehen so hauptsächlich aus
sedimentäre Mn-Erze erst sekundär durch tropische Ver- einer röntgenamorphen Substanz. Hauptmetalle sind Mn
witterung zu bauwürdigen Lagerstätten angereichert, wie und Fe. Erst durch spätere diagenetische Vorgänge sind
z. B. in Nsuta (Ghana, Abschn. 22.5.4, S. 345). kristallisierte, wasserhaltige Oxide und Hydroxide kom-
plexer Zusammensetzung entstanden, insbesondere
Präkambrische Manganerze Todorokit (S. 90), Birnessit und Vernadit. Die Knollen
enthalten weitere Schwermetalle in auffallend hohen, je-
Häufig sind sedimentäre Manganerze mit Fe-Erzen vom doch unterschiedlichen Konzentrationen, so insbeson-
BIF-Typ vergesellschaftet; sie sind dementsprechend dere Ni, Cu und Co. Diese Buntmetalle sind adsorptiv
372 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
Abb. 23.16.
Manganknollen vom Boden des
Pazifischen Ozeans, ca. 1 575 km
südöstlich Hawaii, Wassertiefe
5 200 m. Mineralogisches Muse-
um der Universität Würzburg.
(Foto: K.-P. Kelber)
angelagert. Die Knollen aus dem Knollengürtel des nörd- lichkeit innerhalb dieses pH-Bereichs etwa in gleicher
lichen Pazifiks enthalten im Mittel 27,0 % Mn, 1,3 % Ni, Höhe bleibt (Abb. 22.2, S. 342). Bei höherem pH steigt
1,2 % Cu und 0,2 % Co. Aus dem konzentrisch-schaligen die Löslichkeit durch Ionisierung des Si(OH)4 sehr stark
Aufbau der Knollen wird geschlossen, dass sie auf dem an, etwa auf das 30 bis 50fache.
Ozeanboden über geologische Zeiträume hinweg ge-
wachsen sind, und zwar um etwa 1 mm/ 106 Jahre. Ihre Ausscheidung und Diagenese kieseliger Sedimente
Metallgehalte werden aus kontinentalem Verwitterungs-
material und/oder submarinen vulkanischen Exhalatio- Flusswasser enthält SiO2 in echter Lösung, jedoch nur in
nen abgeleitet. außerordentlich geringen Gehalten. Ebenso ist der SiO2-
Gehalt des Meerwassers nur sehr klein. Deshalb tritt eine
23.5 23.5 Ausfällung oder Ausflockung nicht ein.
Kieselige Sedimente und Sedimentgesteine Im SiO2-Kreislauf des Ozeans ist die Kieselsäure bio-
gener Herkunft. Organismen wie Radiolarien, Diatomeen
Solche Sedimentbildungen bestehen aus nichtdetriti- oder Kieselschwämme nehmen SiO2 auf und verwenden
schen SiO2-Mineralen wie Opal, Chalcedon, Jaspis oder es für den Aufbau ihrer Skelettsubstanz, die aus Opal
makrokristallinem Quarz. Fallweise kann die kieselige besteht. Ihre Gerüste sind so verbreitete Bestandteile der
Mineralsubstanz anorganisch und/oder biogen ausgefällt kieseligen Sedimente, die rezent als Diatomeen- bzw.
sein. Die Mineralumbildung bei der folgenden Diagene- Radiolarien-Schlicke vorliegen. Im Süßwasser setzt sich
se führt von instabilem biogenem Opal über fehl- die poröse Diatomeen-Erde ab, die auch als Kieselgur
geordneten Tief-Cristobalit/-Tridymit zu stabilem Tief- bezeichnet wird. Auch hier bestehen die Diatomeen-Ge-
Quarz. Auf diese Weise haben sich z. B. viele jetzt aus rüste aus Opal. Je nach ihrem Verfestigungsgrad werden
Quarz bestehende Hornsteine umgebildet. diese biogen-kieseligen Sedimente auch als Polierschiefer
Für die Auflösung und Abscheidung von SiO2 aus oder Tripel bezeichnet. In diesen Lockersedimenten liegt
wässriger Lösung ist die Kenntnis seiner Löslichkeit in SiO2 als röntgenamorpher Opal-A vor. Bei der diagene-
Abhängigkeit von Temperatur und pH-Wert der Lösung tischen Verfestigung kommt es durch Auflösungs- und
von großer Bedeutung. Dabei haben die kristallinen For- Rekristallisationsprozesse zur Bildung von Pozellanit,
men des SiO2, so Quarz, Tridymit oder Cristobalit, eine bestehend aus kristallinem, aber stark fehlgeordnetem
viel geringere Löslichkeit als die amorphen Formen wie Opal-CT, und schließlich von Hornstein (Chert) beste-
Opal. Mit zunehmender Temperatur zwischen 0 und hend aus Chalcedon bzw. Quarz.
200 °C nimmt die Löslichkeit von SiO2 stetig linear zu. Dementsprechend sind in den kieseligen Sediment-
Bis zu einem pH-Wert von etwa 9 ist Kieselsäure als gesteinen älterer Formationen gewöhnlich nur die grob-
Si(OH)4-Molekül relativ schwach löslich, wobei ihre Lös- schaligen Radiolarien reliktisch erhalten geblieben, so
23.7 · Evaporite (Salzgesteine) 373
im Radiolarit. Sie erscheinen unter dem Mikroskop in im Küstenbereich abgelagert. Seit dem Präkambrium
veränderter Form als Chalcedon-Sphärolithe. Radiolarite sind sie in fast allen Formationen entstanden, besonders
sind dichte, scharfkantig brechende Gesteine mit mu- jedoch in der Kreide und dem Tertiär. Wirtschaftlich
scheligem Bruch. Die meisten Radiolarite sind durch ein bedeutsame Vorkommen befinden sich besonders in
Fe-Oxid-Pigment, das sich zwischen faserigem Chalce- Marokko, Algerien, Tunesien und in Florida (USA).
don befindet, bräunlich gefärbt. Zu den Radiolariten ge-
hören auch die Lydite (Kieselschiefer), die meist durch Guano
ein kohliges Pigment schwarz gefärbt sind. In ihnen sind
die ehemaligen Radiolaritengerüste fast immer vollstän- Guano bildet sich durch Reaktion von flüssigen Exkre-
dig zerstört. menten von Wasservögeln mit Kalkstein. Er besteht aus
Auch Kieselschwämme liefern die Substanz für kiese- einem feinkörnigen Gemenge von Ca-Phosphaten, insbe-
lige Sedimentabscheidungen. So gehen die knollenför- sondere Brushit CaH[PO4] · 2H2O, Monetit Ca[PO3OH],
migen Hornstein-Konkretionen (Flint, Feuerstein) inner- Whitlockit Ca9(Mg,Fe)[PO3OH/(PO4)6] sowie einem re-
halb der oberen Kreideformation auf diagenetisch mo- lativ F-armem Karbonat-Hydroxyl-Apatit. Guano-An-
bilisierte Kieselsäure aus ehemaligen Kieselschwämmen sammlungen finden sich vor allem auf Inseln und
zurück. Die Hornsteine bestehen überwiegend aus Chal- Küstenstreifen in den Äquatorialregionen, so in Chile und
cedon, d. h. sehr feinkörnigen (<30 µm), verzahnten auf der Insel Nauru im südwestlichen Pazifik. Guano, der
Quarz-Kriställchen, und können amorphe Opal-Substanz aus Exkrementen von Fledermäusen entsteht, kann sich
enthalten. in bauwürdiger Menge in Höhlen anreichern, z. B. bei
Carlsbad (New Mexico) und in Malaysia.
Technische Verwendung der Diatomeenerde (Kieselgur)
Bedeutung der Phosphate in Technik und Umwelt
Die Eigenschaften der Diatomeenerde, ihr enorm gro-
ßes Adsorptionsvermögen und die geringe Leitfähigkeit Phosphate sind unersetzbare Rohstoffe zur Produktion
von Wärme und Schall, machen sie zu einem wertvollen von Phosphatdüngemitteln, zur Herstellung technischer
technischen Rohstoff. So findet das weiche, im trockenen Phosphorsäure für die chemische Industrie und von
Zustand leichte und sich filzig anfühlende Gestein Ver- Phosphorsalzen für verschiedene Industriezweige.
wendung als Absorbens, Zünd- und Sprengstoffzusatz Große Phosphatmengen, die aus der landwirtschaft-
(Dynamit), Isolations- und Filtriermaterial, z. B. zur Rei- lichen Düngung oder aus Waschmitteln ins Abwasser
nigung von Ölen oder Getränken wie Bier. Vorkommen gelangen, führen zu einer Eutrophierung der Gewässer,
von Diatomeen-Erde werden vielerorts im Tagebau ge- wodurch ein übermäßiges Wachstum des Planktons be-
wonnen. Innerhalb der Bundesrepublik gibt es die meis- günstigt wird. Dieses bewirkt durch starken Sauerstoff-
ten Vorkommen in der Lüneburger Heide. verbrauch ein Absterben von Fauna und Flora. Ein Teil
des P wird an die organische Substanz oder die Ton-
23.6 fraktion gebunden transportiert. In Waschmitteln wer- 22.6
Sedimentäre Phosphatgesteine den anstelle von Phosphaten heute vorwiegend industri-
ell hergestellte Zeolithe eingesetzt (Abschn. 9.6.5, S. 176).
Phosphorite
23.7 23.7
Phosphorite sind meist unreine Gemenge aus schlecht Evaporite (Salzgesteine)
kristallisierten bis amorphen Phosphaten, häufig Ca-
Phosphaten, mit detritisch-kalkigem Material. Die mi- 23.7.1
neralogische Zusammensetzung ist oft nicht genau be- Kontinentale (terrestrische) Evaporite
kannt. Wichtigstes Mineral der Phosphorite ist ein Kar-
bonat-Fluor-Apatit Ca5[(F,O)/(PO4,CO3)3], bei dem die Die wesentlichen Ionen des Süßwassers HCO3–, Ca2+ und
PO4-Gruppe teilweise durch CO3 ersetzt ist. Er wurde SO42– stammen überwiegend aus der Verwitterung von
zunächst kolloidal ausgefällt und kristallisierte später zu magmatischen, metamorphen und sedimentären Gestei-
feinkörnigem Apatit um. nen. Daher werden die kontinentalen Salzabscheidungen
Phosphorite sind knollig, streifig oder oolithisch aus- in den heutigen Salzseen stark von den anstehenden
gebildet. Wahrscheinlich ist nur ein geringer Teil der Gesteinen bzw. Böden im Einzugsgebiet der Wasserzu-
Phosphorsäure anorganischer Herkunft; der größere Teil führung beeinflusst. Die wichtigsten Minerale der konti-
stammt vielmehr aus der Zersetzung von Phytoplank- nentalen Evaporite sind in Tabelle 23.3 aufgeführt. Neben
ton und tierischen Hartteilen. Die rezenten und fossilen Ca-Karbonaten, Ca-Sulfaten und Halit bilden sich auch
Phosphoritlager wurden in flachen Meeresbecken oder Karbonate und Sulfate der Alkalien, wie Natron (Soda),
374 23 · Sedimente und Sedimentgesteine
Tabelle 23.3. Die wichtigsten Minerale der terrestrischen Evaporite nahen Pazifik hereinbrechen, abwechselt. Der Wüsten-
staub liefert reichlich Kondensationskerne und es fin-
den ständig statische Entladungen der Luftelektrizität
statt. Dadurch wird der Luftstickstoff zu Salpetersäure
oxidiert und in den Nebeltröpfchen niedergeschlagen.
Alternativ wird die Nitratbildung durch bakterielle Oxi-
dation erklärt; darüber hinaus können Nitrat-Ionen aus
Guano oder aus vulkanischen Tuffen ausgelaugt worden
sein. Mit den Kationen des verwitterten Gesteinsunter-
grunds bilden sich Na- und K-Salpeter, die sich zusam-
men mit anderen Salzmineralen wie Halit, Na-Sulfaten
und Na-Boraten durch Lösung und Wiederausfällung
anreichern und wegen des Wassermangels nicht weg-
geführt werden können. Die ausgeschiedenen Salze ver-
kitten Sande, Schotter und Schuttdecken zu einer bis zu
2 m mächtigen Kruste, die als Caliche bezeichnet wird.
Der Nitratgehalt beträgt meist 7–8 %, lokal bis 60 %, wo-
bei NaNO3 >> KNO3 ist. Die chilenischen Salpeter-Lager-
stätten werden seit etwa 1830 in zahlreichen Abbaufel-
dern ausgebeutet; z. Z. beträgt die Jahresförderung etwa
750 000 t. Diese deckt allerdings nur <0,3 % des Weltbe-
darfs an Stickstoff, während die Hauptmenge synthetisch
aus Luftstickstoff gewonnen wird. Praktisch genutzt wird
auch der hohe Jodgehalt der chilenischen Lagerstätten.
gehend vom offenen Meer abgeschnürt ist, muss ein Eine solche Folge von progressiven und rezessi-
kontinuierlicher oberflächlicher Nachfluss von Meer- ven Ausscheidungen wird als salinarer Zyklus be-
wasser gewährleistet sein, ein Rückfluss der konzen- zeichnet. Ein typisches Beispiel hierzu ist die Salz-
trierten Lösung jedoch verhindert werden. Über die folge der Zechstein-Evaporite in Mitteleuropa. Diese
Schwellenzone strömt Meerwasser in dem Maß nach, Zyklen sind in Mittel- und Norddeutschland, unter
wie es im anschließenden Becken verdunstet. Zudem der Nordsee, in Dänemark, den Niederlanden, Eng-
darf durch besondere klimatische Bedingungen die land und Polen mit unterschiedlicher Mächtigkeit
Menge des verdunsteten Beckenwassers nicht durch und Vollständigkeit ausgebildet.
Zuführung von Flusswasser oder durch Niederschläge
kompensiert werden. Damit können sich in einem Die Ausscheidungsfolge mariner Evaporite kann in
flachen Meeresbecken aus einer gut durchwärmten erster Näherung im Modellsystem Na-K-Ca-Mg-SO4-Cl-
Lösung gewaltige Salzmächtigkeiten von einigen 100 m H2O modelliert werden. Wenn man davon ausgeht, dass
ausscheiden, wozu bei einem einmaligen Eindunstungs- Ca-Sulfat schon sehr früh kristallisiert und NaCl stets im
vorgang eine Meerestiefe von mehreren Kilometern Überschuss vorhanden ist, so lassen sich die Verhältnisse
nötig wäre. Dieses Modell eines Salzablagerungsbeckens im Konzentrationsdreieck K2–Mg–SO4 darstellen. Wir be-
wurde bereits durch Ochsenius (1877) unter Hinweis auf trachten zunächst die stabilen Gleichgewichte bei Atmo-
die Vorgänge innerhalb der Karabugas-Bucht am Ostrand sphärendruck = 1 bar und Zimmertemperatur = 25 °C
des Kaspischen Meers begründet. Seine sog. Barren- (Abb. 23.17a). Nach Ausscheidung von Ca-Sulfat ist das
theorie ist in ihren Grundzügen durch die neuere Salz- Mol-Verhältnis Mg:K2 :SO4 = 70:7: 23. Aus einer solchen
forschung immer wieder bestätigt worden. Lösung sollte sich zunächst Blödit Na2Mg[SO4]2 · 4H2O
ausscheiden, gefolgt von Epsomit. Mit weiterer Konzent-
Primäre Kristallisation und Diagenese mariner Evaporite ration der Salzlauge folgt deren Zusammensetzung dem
farbig gezeichneten Kristallisationspfad, und durch Re-
Die primäre Kristallisation der marinen Evaporite erfolgt aktion mit den bereits ausgeschiedenen Phasen würden
bei zunehmender Einengung der Meereslauge in folgen- sich nacheinander Kainit, Kieserit und Carnallit bilden.
der Reihenfolge: Zuerst kristallisieren die relativ schwer- Der letzte Tropfen Lauge würde schließlich mit Kieserit,
löslichen Ca- und Ca-Mg-Karbonate Aragonit, Calcit und Carnallit und Bischofit koexistieren. Bei dieser theoreti-
Dolomit aus. Die Ausscheidung von Gips beginnt erst, schen Kristallisationsabfolge wird das Stabilitätsfeld von
wenn rund 70 % des Meerwassers verdunstet sind. Sylvin nicht erreicht, obwohl er das wichtigste Kalisalz-
Danach folgen Halit bei rund 89 % und schließlich die Mineral in der Natur ist. Diese Diskrepanz könnte gelöst
Kalisalze Kainit, Carnallit, Sylvin und viele andere. Aus werden, wenn man annimmt, dass die Bildung von kom-
einer extrem eingeengten Meereslauge bildet sich am plexen K-Mg-Salzen wie Kainit kinetisch gehemmt ist.
Ende Bischofit MgCl2 · 6H2O. Dadurch würden sich die Stabilitätsfelder von Sylvin und
Wenn gesättigte Salzlösungen durch Zutritt von Meer- Carnallit metastabil erweitern und es käme zu einer frü-
wasser an Konzentration verlieren, scheiden sich Evapo- hen Sylvin-Kristallisation (Abb. 23.17b).
rite in umgekehrter Reihenfolge aus. Am Anfang der Meerwassereindunstung folgt, wie oben
hervorgehoben wurde, auf die Karbonatausscheidung die
Kristallisation von Gips. In der Folge der Salzlagerstätten
der geologischen Vergangenheit befindet sich jedoch über
den Karbonaten meist ein mächtiges Lager von Anhydrit.
Diese Diskrepanz führte zu einer anhaltenden Diskussion
um die primäre Ausscheidung des Anhydrits aus dem Meer-
wasser. Wir wissen heute, dass sich wegen seiner begüns-
tigten Keimbildung zunächst Gips als metastabile Phase
ausgeschieden hat, der sich während der Diagenese in den
stabilen Anhydrit umwandelte. Dieser Vorgang wurde durch
die Erhöhung von Temperatur und Belastungsdruck durch
das auflagernde Deckgebirge begünstigt.
Der nach dem Gips auskristallisierende Halit erfährt
in den Salzgesteinen keine Umwandlung, wohl aber ein
Teil der primär ausgeschiedenen K-Mg-Verbindungen,
wobei Übersättigung in den konzentrierten Salzlaugen
Abb. 23.17. Das System Na–K–MgSO4–Cl–H2O bei 25 °C und 1 bar. häufig zur metastabilen Salzausscheidung führt. Erfol-
a Stabile Gleichgewichte, b metastabile Gleichgewichte. (Aus Holser 1981) gen die Umwandlungen in stabile Mineralassoziationen
Literatur 377
geologisch frühzeitig, werden sie noch der Diagenese Neubildung von Gips und Kainit in einem sog. Gips- bzw.
zugerechnet, weil sie bei gleichen Temperaturen statt- Kainit-Hut. Diese Vorgänge sollten nach Kühn (1979) nicht
finden wie die Ausscheidung der primären Salzminerale zur Lösungsmetamorphose, sondern zu den Verwitterungs-
(Braitsch 1971). bildungen gerechnet werden.
Viele Salzminerale reagieren empfindlich auf die nachträg- Halit (Steinsalz) ist ein vielseitiger und wichtiger Roh-
liche Einwirkung von Lösungen, auf Temperaturerhöhung stoff für die chemische Industrie, so für die gesamte Chlor-
oder mechanische Beanspruchung, wobei es zu Mineral- chemie, auf deren Basis Kunstfasern (Chemiefasern) ge-
reaktionen, Stofftransporten und Änderungen in der Ele- wonnen werden. Aus Halit werden weitere chemische
mentverteilung zwischen koexistierenden Salzmineralen Grundstoffe erzeugt wie z. B. metallisches Natrium, Nat-
kommt. Nach Borchert u. Muir (1964) sind somit alle Krite- ronlauge NaOH, Chlorgas Cl2 und Salzsäure HCl. Auf die-
rien für eine Gesteinsmetamorphose gegeben. Nur sind bei sen Basisverbindungen bauen wiederum zahlreiche groß-
der Salzmetamorphose die Temperaturen viel niedriger als industrielle Prozesse zur Herstellung von Waschmitteln,
bei der Metamorphose von Silikatgesteinen. Textilfasern, Papier und Zellstoff auf. Daneben ist Halit
Bei den Salzgesteinen unterscheidet man gewöhnlich für die menschliche Nahrung unverzichtbar; es findet in
drei verschiedene Arten von Metamorphose, je nachdem, der Lebensmittelindustrie und als Streusalz Verwendung.
ob Lösungseinwirkung, Temperatur oder mechanische Kalisalze sind wichtige Rohstoffe u. a. für die Erzeu-
Beanspruchung dominieren. Da Salzminerale wie Car- gung verschiedener Düngemittel und in der chemischen
nallit, Sylvin oder Halit extrem wasserlöslich sind, spielt Industrie. Die bedeutendsten Förderländer für Kalisalze
die Lösungsmetamorphose die Hauptrolle; sie wurde in sind derzeit Kanada, Russland und Deutschland, wo ins-
allen deutschen Kalisalzlagerstätten des Zechsteins fest- besondere die auf dem Weltmarkt begünstigten Sulfat-
gestellt. Hierbei ist die inkongruente Carnallit-Zersetzung düngemittel hergestellt werden.
unter Neubildung von Sylvin nach der Reaktion In großindustriellem Maßstab werden auch Anhydrit-
und Gipsgesteine genützt, so für die Herstellung von Schwe-
felsäure und Ammoniumsulfat sowie als Rohstoff in der
(23.4)
Zement- und Baustoffindustrie, z. B. zur Herstellung von
Gipskarton-Platten. Gips wird außerdem in der Keramik-
wichtig. Dabei wird kieserithaltiger Carnallitit durch und Porzellanindustrie, in der Medizin und Dentalchemie
ungesättigte Salzlösungen in kieseritisches Hartsalz um- sowie im Kunstgewerbe (Modellgips) verwendet.
gewandelt: Salzdiapire und ihr unmittelbares Nebengestein bie-
ten hervorragende Erdöl- und Erdgas-Fallen. Hierzu ge-
Carnallit + Kieserit + Halit + NaCl-Lösung hören besonders die porösen Gesteine des Gipshutes, die
kieseritischer Carnallitit aufgewölbten Schichten im Hangenden und die hochge-
→ Kieserit + Sylvin + Halit + MgCl2-Lösung schleppten Nebengesteine an den Flanken von Salzstö-
(23.5) cken. Solche Strukturen liefern wesentliche Anteile der
kieseritisches Hartsalz
Welterdölproduktion, so im Gebiet des Persischen Gol-
Die NaCl-Lösungen sind auf Spalten eingedrungen, fes, im Golf von Mexiko, in Texas und Louisiana (USA), in
die MgCl2-Lösungen nach dem Umwandlungsprozess in Rumänien, in der Nordsee und – heute ohne Bedeutung –
die Umgebung abgewandert. in Norddeutschland. In tiefliegenden Kavernen von Salz-
stöcken werden chemische und radioaktive Abfallstoffe
Salztektonik deponiert.
Clout JMF, Simonson BM (2005) Precambrian iron formations and Tucker ME (1985) Einführung in die Sedimentpetrologie. Enke,
iron-formation hosted iron ore deposits. Econ Geol 100th Anni- Stuttgart
versary Vol, pp 643–679 Velde B (1985) Clay minerals – A physico-chemical explanation of
Engelhardt W von (1973) Sediment-Petrologie III. Die Bildung von their occurrence. Elsevier, Amsterdam
Sedimenten und Sedimentgesteinen. Schweizerbart, Stuttgart
Evans AM (1993) Ore geology and industrial minerals, 3rd edn. Zitierte Literatur
Blackwell Science, Oxford
Friedman GM, Sanders JE, Kopaska-Merkel DC (1992) Principles Bechtel A, Sun Y, Püttmann W, Hoernes S, Hoefs J (2001) Isotopic
of sedimentary deposits: Stratigraphy and sedimentology. evidence for multi-stage metal enrichment in the Kupfer-
Macmillan, New York schiefer from the Sangerhausen Basin, Germany. Chem Geol
Frimmel H (2004) Archean atmospheric evolution: evidence from the 276:31–49
Witwatersrand gold fields, South Africa. Earth Sci Rev 70:1-46 Bouma AH (1962) Sedimentology of some flysch deposits; A
Frimmel H (2008) Earth’s continental crustal gold endowment. Earth graphic approach to facies interpretation. Elsevier, Amsterdam
Planet Sci Lett 267:45–55 Correns CW (1939) Die Sedimentgesteine. In: Barth TFW, Correns
Füchtbauer H (1988) Sedimente und Sedimentgesteine, 4. Aufl. CW, Eskola P (Hrsg) Die Entstehung der Gesteine. Springer,
Schweizerbart, Stuttgart Berlin (Nachdruck 1970)
Füchtbauer H, Müller G (1970) Sediment-Petrologie II. Sedimente Correns CW (1968) Einführung in die Mineralogie, 2. Aufl. Sprin-
und Sedimentgesteine. Schweizerbart, Stuttgart ger, Berlin Heidelberg New York (Nachdruck 1981)
Garnett RHT, Bassett NC (2005) Placer deposits. Econ Geol Dunham RJ (1962) Classification of carbonate rocks according to
100th Anniversary Vol, pp 813–843 depositional texture. In Ham WE (ed) Classification of carbo-
Garrels RM, Christ CL (1965) Solutions, minerals and equilibria. nate rocks. Mem Ass Petrol Geol 1:108–121, Tulsa (USA)
Harper and Row, New York Embry AF, Klovan JE (1971) A late Devonian reef tract on north-
Greensmith JT (1978) Petrology of sedimentary rocks, 6th edn. Al- eastern Banks Island, Northwest Teritories. Bull Canad Petrol
len & Unwin, London Geol 19:730–781
Hitzman M, Kirkham R, Broughton D, Thorson J, Selley D (2005) Folk R (1962) Spectral subdivision of limestone types. In: Ham WE
The sediment-hosted stratiform copper ore systems. Econ Geol (ed) Classification of carbonate rocks. Mem Ass Petrol Geol
100th Anniversary Vol, pp 609–642 1:62–84
Jasmund K, Lagaly G (Hrsg) (1993) Tonminerale und Tone – Struk- Frimmel H (2002) Genesis of the World’s largest gold deposits.
tur, Eigenschaften, Anwendung und Einsatz in Industrie und Science 297:1815–1817
Umwelt. Steinkopff, Darmstadt Gross GA (1991) Genetic concepts for iron-formation and asso-
Krauskopf KB (1979) Introduction to geochemistry, 2 nd edn. ciated metalliferous sediments. Econ Geol Monogr 8:51–81
McGraw-Hill, New York Holser WT (1981) Mineralogy of evaporites. In: Burns RG (ed)
Large RR, Bull SW, McGoldrick PJ, Walters S, Derrick GM, Carr GR Marine minerals. Rev Mineral 6:211–294
(2005) Stratiform and stratabound Zn-Pb-Ag deposits in James HL (1954) Sedimentary facies of iron formation. Econ Geol
Proterozoic sedimentary basins, Northern Australia. Econ Geol 49:235–293
100th Anniversary Vol, pp 931–963 Krynine PD (1948) The megascopic study and field classification
Leeder MR (1982) Sedimentology: Process and product. Unwin of sedimentary rocks. J Geol 56:130–165
Hyman, London Kühn R (1979) Diagenese in Evaporiten. Geol Rundsch 68:
Lippmann F (1973) Sedimentary carbonate minerals. Springer-Ver- 1066–1075
lag, Berlin Heidelberg New York Minter WEL, Goedhart M, Knight J, Frimmel HE (1993) Morphology
Lotze F (1957) Steinsalz und Kalisalze. Borntraeger, Berlin of the Witwatersrand gold grains from the Basal Reef: Evidence
Maynard JB (1983) Geochemistry of sedimentary ore deposits. for their detrital origin. Econ Geol 88:237–248
Springer, New York Heidelberg Berlin Niggli P (1952) Gesteine und Minerallagerstätten, 2. Bde. Exogene
Müller G (1964) Sediment-Petrologie I. Methoden der Sediment- Gesteine und Minerallagerstätten. Birkhäuser, Basel
Untersuchung. Schweizerbart, Stuttgart Ochsenius K (1877) Die Bildung der Steinsalzlager und ihrer Mut-
Petraschek WE, Pohl W (1992) Lagerstättenlehre, 4. Aufl. Schwei- terlaugensalze. Halle a. d. Saale
zerbart, Stuttgart Schlüter J, Weischat W (1990) Böhmischer Granat – Heute. Der Ta-
Pettijohn FJ, Potter PE, Siever R (1987) Sand and sandstone, 2nd edn. gebau von Posedice. Lapis 15/2:28–30
Springer, New York Shcheka GG, Lehmann B, Gierth E, Gömann K, Wallianos A (2004)
Reading HG (ed) (1996) Sedimentary environments: Processes, Macrocrystals of Pt-Fe alloy from the Kondyor PGE placer
facies and stratigraphy, 3rd edn. Blackwell, Oxford deposit, Khabarovskiy Kray, Russia: Trace element content,
Selley D, Broughton D, Scott R, Hitzman M, Bull S, Large R, mineral inclusions and reaction assemblages. Canad Mineral
McGoldrick P, Croaker M, Pollington N, Barra F (2005) A new 42:601–617
look at the geology of the Zambian Copperbelt. Econ Geol 100th Wentworth CK (1922) A scale of grade and class terms for clastic
Anniversary Vol, pp 965–1000 sediments. J Geol 30:377–392
24
Metamorphe Gesteine
24.4
Das Gefüge der
metamorphen Gesteine
24.5
Bildung von Migmatiten
durch partielle Anatexis
24.6
Metasomatose
380 24 · Metamorphe Gesteine
rückgehen, und dunklere Restgesteine (Restite); diese Bei der Abkühlung von Magmatitkörpern können deren eige-
meist unruhig texturierten Gesteine bezeichnet man als ne Restlösungen mit den magmatischen Mineralen reagieren,
wobei metamorphe Minerale gebildet werden. Auch diesen Vor-
Migmatite (Abschn. 24.5, S. 414ff).
gang der Autometamorphose bzw. Autometasomatose rechnet
man zur retrograden Metamorphose. Dabei bestehen häufig
Prograde und retrograde Metamorphose Überschneidungen mit hydrothermalen Prozessen und deren Mi-
neralbildungen.
Vielfach lassen Metamorphosevorgänge in ihrer zeitli-
chen und räumlichen Entwicklung einen prograden (auf- 24.1.2
steigenden) Charakter erkennen, der durch einen steti- Ausgangsmaterial metamorpher Gesteine
gen Anstieg der Temperatur bedingt ist; in manchen Fäl-
len wirkt sich auch ein starker Druckanstieg zusätzlich Nicht selten liefern metamorphe Gesteine Hinweise auf
oder sogar bestimmend aus. Unter günstigen Umstän- ihr vormetamorphes Ausgangsmaterial (Edukt, Protolith).
den kann man die Entwicklung der prograden Metamor- Wichtige Kriterien hierfür sind Gefügerelikte wie sedi-
phose innerhalb einer Gesteinsprobe anhand von Mine- mentäre Schichtung oder magmatisches Layering, Mine-
ralrelikten festmachen, die z. B. als Einschlüsse in Groß- ralrelikte wie ehemalige Pyroxen-Einsprenglinge sowie
kristallen (Porphyroblasten) von Granat oder Staurolith geochemische und isotopen-geochemische Charakteris-
erhalten sind. Nicht selten beobachtet man in der regio- tika. Das Ausgangsmaterial kann durch verschiedene Vor-
nalen Verteilung kritischer Mineralparagenesen einen silben gekennzeichnet werden (Tabelle 24.1):
zonalen Aufbau. Diese Mineralzonen zeigen eine syste- Bei der isochemischen Metamorphose spiegelt die che-
matische Zunahme der maximalen P-T-Bedingungen, die mische Zusammensetzung eines metamorphen Gesteins
beim Höhepunkt der prograden Metamorphose erreicht die des vormetamorphen Ausgangsmaterials wider. Dabei
wurden, sowie entsprechende Unterschiede in den geo- hat sich folgende Einteilung als nützlich erwiesen:
thermischen Gradienten an.
Bei der nachfolgenden Heraushebung und Abkühlung Metapelite.
des metamorphen Gesteinsverbandes werden die Mine- Ausgangsmaterial: pelitische, Al-reiche Sedimente wie
rale, die beim Höhepunkt der Metamorphose gebildet Tone und Tonsteine, Al-reiche Grau-
wurden, teilweise wieder abgebaut, wobei sich retrograde wacken.
Mineralphasen bilden. Weit verbreitet sind z. B. die Seri- Typische Minerale: Hellglimmer, Chlorit, Biotit, Granat,
citisierung von Plagioklas oder Andalusit, die Chloriti- Chloritoid, Staurolith, Cordierit,
sierung von Biotit oder Granat und die Pinitisierung von Kyanit, Sillimanit, Andalusit; Quarz
Cordierit. In manchen Fällen kommt es zu einer durch- ist immer vorhanden; Albit oder
greifenden retrograden Metamorphose (Diaphthorese), Plagioklas treten mengenmäßig zu-
bei der höhergradige Paragenesen mehr oder weniger rück; Kalifeldspat entsteht erst bei
vollständig in niedriggradige Paragenesen umgewandelt höherem Metamorphosegrad aus
werden. Allerdings verhindern die geringeren Tempera- Muscovit.
turen oft eine vollständige Gleichgewichtseinstellung, so
dass Mineralrelikte des höhergradigen Metamorphose- Quarz-Feldspat-reiche Metamorphite.
stadiums noch erhalten bleiben. Bei der retrograden Me- Ausgangsmaterial: Granite, Granodiorite, Tonalite,
tamorphose laufen meist Hydratisierungs- oder Karbona- Trondhjemite (Plagiogranite), Rhyo-
tisierungsreaktionen ab, die eine Zufuhr von H2O und/ lite, Ignimbrite, Arkosen, Al-arme
oder CO2 notwendig machen. Da der Fluidtransport durch Grauwacken, Sandsteine.
tektonische Bewegungshorizonte und Störungszonen be- Typische Minerale: Quarz, Kalifeldspat, Plagioklas,
günstigt wird, ist die Bildung von retrograden Metamor- Chlorit oder Biotit, z. T. Muscovit;
phiten häufig nur auf lokale tektonische Schwächezonen bei niedrigem Metamorphosegrad
beschränkt und klingt seitlich rasch ab. Albit + (Klino-)Zoisit anstelle von
Tabelle 24.1.
Vorsilben zur Kennzeichnung
vormetamorpher Ausgangs-
gesteine
382 24 · Metamorphe Gesteine
Metamorphe Ultramafitite.
Ausgangsmaterial: Peridotite, Pyroxenite, Serpentinite.
Typische Minerale: Serpentin-Minerale, Talk, Brucit,
Magnesit, Chlorit, Anthophyllit,
Cummingtonit, Olivin; bei hohem
Metamorphosegrad Orthopyroxen.
sen kann, erfolgt schon bei niedrigen Temperaturen Dabei hängt die Temperatur des Schmelzbeginns vom
(Teichmüller, in Frey 1987). Beim Übergang Diagenese Druck und der chemischen Zusammensetzung des me-
→ Metamorphose beobachtet man insbesondere folgen- tamorphen Gesteins ab, die Menge der gebildeten Schmel-
de Vorgänge (vgl. auch Frey u. Kisch, in Frey 1987): ze vom H2O-Gehalt im System (Abb. 18.5, 18.6, S. 291f).
Die H2O-gesättigte Solidus-Kurve von Granit im System
Drastische Reduzierung der Porosität bis zum völli- Qz–Ab–Or–H2O verläuft durch die P-T-Kombinationen
gen Verschwinden (von Engelhardt 1960). 630 °C/ 10 kbar, 640 °C/ 6 kbar und 720 °C/ 1 kbar, wäh-
Bildung einer durchgreifenden Schieferung (oft trans- rend der Schmelzbeginn von Metamorphiten basaltischer
versal zur Schichtung), bedingt durch Parallel-Orien- Zusammensetzung – im unteren bis mittleren Druck-
tierung von Schichtsilikaten. In diesem Sinne sind bereich – bei deutlich höheren Temperaturen, z. B.
Tonschiefer bereits als (anchi-)metamorphe Gestei- 740 °C/ 6 kbar und 950 °C/ 1 kbar liegt (Abb. 18.9, S. 294).
ne aufzufassen. Bei Erhöhung der Temperatur über die jeweilige Solidus-
Zunahme der Illit-Kristallinität (Abschn. 23.2.12, kurve steigt der Schmelzanteil in Abhängigkeit vom H2O-
S. 364) → Übergang von der stark fehlgeordneten Illit- Angebot, bis es zur Bildung intrusionsfähiger Magmen
Modifikation 1Md in den gut kristallisierten 2M 1- kommt. Im H2O-freien („trockenen“) System liegen die
Illit → Umwandlung von Illit in Muscovit (bzw. Sericit). Soliduskurven für Granite bei ca. 960 °C (2 kbar) und
Zunahme der Reflektivität von kohliger Substanz, z. B. 1 060 °C (10 kbar), für Basalte um ca. 100 °C höher. Als
Umwandlung von Vitrinit → in Graphit, der im Auf- maximale Metamorphosetemperaturen in „trockenen“
licht an seiner starken Doppelbrechung erkennbar ist. granulitischen Gesteinen der unteren Erdkruste wurden
Neubildung von typisch metamorphen Mineralen wie 900–1 100 °C abgeschätzt.
Pyrophyllit, Ferrokarpholith (Fe,Mg)Al2[(OH)4/Si2O6],
Glaukophan, Lawsonit, Paragonit, Prehnit Ca2Al[(OH)2/ In der Erdkruste variiert die obere Temperatur-
AlSi3O10], Pumpellyit Ca2(Mg,Fe2+)(Al,Fe3+)2[(OH)2/ grenze der Metamorphose in Abhängigkeit von
H2O/SiO 4/Si2O7] oder Stilpnomelan ∼K(Fe2+,Mg)8 Druck, chemischer Zusammensetzung und H 2O-
[(OH)8/(Si,Al)12O28] · 2H2O. Gehalt in einem weiten Bereich zwischen etwa 630
und 1 100 °C. Der Übergang von der Gesteinsmeta-
Insgesamt unterscheidet sich die Metamorphose von morphose zum Magmatismus ist fließend. Noch
der Diagenese durch die weitgehende Annäherung der höhere Temperaturen muss man für Metamorphose-
Mineralgesellschaften an ein thermodynamisches vorgänge im Erdmantel annehmen.
Gleichgewicht (Lippmann 1977). Bei den niedrigen Tem-
peraturen der Diagenese reagieren die Silikat-Minerale
noch sehr träge, weil die kinetischen Hemmungen auf 24.1.4
dem Weg zum chemischen Gleichgewicht für die meis- Auslösende Faktoren der Gesteinsmetamorphose
ten Sedimentsysteme außerordentlich groß sind. So ent-
halten Gesteine, die durch Diagenese oder Anchimeta- Die Gesteinsmetamorphose ist meist eine Anpassung
morphose geprägt sind, oft mehr Minerale als nach der von Mineralbestand und Gefüge des Gesteins an ver-
Gibbs’schen Phasenregel im Gleichgewicht auftreten kön- änderte Temperatur- und/oder Druckbedingungen.
nen. Demgegenüber genügen Mineralparagenesen, die Dabei ist die Zuführung von thermischer Energie der
beim Höhepunkt der Metamorphose in typisch metamor- bei weitem wichtigere physikalische Faktor. Durch
phen Gesteinen gebildet werden, meist der Phasenregel. Wärmezufuhr kommt es zu Reaktionsvorgängen zwi-
schen den sich berührenden Mineralkörnern, weil die
Hochtemperaturbegrenzung meisten Mineralumwandlungen der Metamorphose
endotherm ablaufen.
Nach der oben gegebenen Definition schließen wir die
partielle Anatexis in den Prozess der Gesteinsmetamor- Herkunft der thermischen Energie
phose mit ein, solange sich das betreffende Gestein noch
überwiegend im festen Zustand befindet, d. h. bei Die für eine Temperatursteigerung notwendige thermi-
Schmelzanteilen von maximal 20–30 Vol.-%. Die ersten sche Energie kann aus einer zunehmenden Versenkung
anatektischen Schmelzen, die sich aus einem breiten stammen, wie sie z. B. Basalte einer subduzierten ozea-
Spektrum metamorpher Stoffbestände – z. B. metamor- nischen Kruste oder die Sedimentfolge in einem Akkre-
phe Granite, Granodiorite, Tonsteine, Grauwacken – bil- tionskeil erfahren. Der dabei erreichte Temperaturanstieg
den können, haben aplitgranitische Zusammensetzung. liegt allerdings nur in der Größenordnung von 10 °C/ km
Demgegenüber können aus Metamorphiten basaltischer Sediment-Auflast, ist also relativ gering (Abb. 24.1,
Zusammensetzung tonalitische Schmelzen entstehen. Abb. 26.8a, S. 458).
384 24 · Metamorphe Gesteine
Eine viel stärkere Temperaturzunahme wird durch gebildet wurden, können die charakteristischen Hochdruck-
einen zusätzlichen Magmenaufstieg in Orogenzonen er- minerale Coesit (Abb. 9.43, S. 157) oder sogar Diamant
reicht, z. B. in der kontinentalen Oberplatte oder in ei- (Abb. 2.15, S. 58) führen, die auf Bildungsdrücke oberhalb
nem Inselbogen über einer Subduktionszone. Über den 25–30 kbar bzw. 35–45 kbar entsprechend Versenkungs-
dabei entstehenden Wärmedomen oder Wärmebeulen tiefen von ca. 100 km und mehr hinweisen.
kann der geothermische Gradient örtlich oder regional
bis zu mehr als 100 °C/ km erreichen (Abb. 24.1, 26.8a, Für die meisten metamorphen Vorgänge kann man
S. 458). Die aus dem Magma abgegebene Wärme bewirkt annehmen, dass der Belastungsdruck Pl, dem ein Ge-
im angrenzenden Nebengestein eine thermische Umkris- stein unterliegt, nahezu in allen Richtungen gleich ist,
tallisation. Eine ausschließlich durch Wärmezufuhr aus- also annähernd hydrostatisch wirkt. Durch tektonische
gelöste Umkristallisation liegt besonders bei der Kontakt- Vorgänge wird ein Gestein in unterschiedlichen Rich-
metamorphose und der Pyrometamorphose vor. tungen unterschiedlichen Drücken ausgesetzt; es steht
Weiterhin können örtliche oder regionale Wärmezu- unter Spannung (engl. stress). Die Hauptspannungswer-
fuhren auf radioaktive Zerfallsreaktionen oder auf tek- te, die auf einen Punkt in einem Gestein einwirken, wer-
tonische Reibung (sog. Friktionswärme) zurückgehen. In den gewöhnlich durch die drei Hauptachsen σ1, σ2 und
den tieferen Teilen der Erdkruste muss auch mit Wärme- σ3 eines Spannungs- bzw. Stress-Ellipsoids dargestellt.
zufuhren aus dem oberen Erdmantel gerechnet werden. Als mittleren Stress definiert man σm = (σ1 + σ2 + σ3):3,
als differentiellen Stress σdiff = σ1 – σ3. Differentieller
Die Wirkung des Drucks Stress ist die Ursache für permanente Verformung (engl.
strain) in einem Gestein, wobei sich Form und Volu-
Druck wirkt bei der Gesteinsmetamorphose meist als men von Gesteinskörpern verändern. Ändert sich zu-
Belastungsdruck (lithostatischer Druck, engl. geostatic, sätzlich die relative Lage der Minerale im Gestein oder
oder lithostatic pressure) Pl, der sich aus der Auflast der von Gitterblöcken in einer Kristallstruktur, so spricht
überlagernden Gesteinsschicht ergibt. Die Beziehung man von Deformation (Passchier u. Trouw 1996).
zwischen Belastungsdruck Pl und Tiefe h ist durch fol- Deformationsprozesse
gende Gleichung gegeben:
prägen die Gefügeeigenschaften metamorpher
Pl = ρ × g × h (24.1) Gesteine entscheidend;
schaffen Wanderungswege für fluide Phasen;
Dabei ist ρ die mittlere Gesteinsdichte, gemessen in begünstigen Mineralreaktionen durch Vermeh-
g / cm3 bzw. kg / m3, und g die Erdbeschleunigung von rung von Kornkontakten, wobei die Reaktions-
0,98 m/ s2. Der Druck wird im SI-System in Pascal (Pa) geschwindigkeit vergrößert und die Aktivie-
angegeben, 1 Pa = 1 kg / m / s2. Unter einer Gesteinssäule rungsenergie erniedrigt werden.
von 1 km Länge herrscht also bei einer mittleren Dichte
von 2,7 g/ cm3 (z. B. Granit) ein Belastungsdruck von Nicht verändert durch Stress werden dagegen die Sta-
bilitätsfelder von Mineralen und Mineral-Paragenesen: Im
Pl = 2 700 kg/ m3 × 9,8 m/ s2 × 1 000 m = 264,6 × 105 Pa Gegensatz zu früheren Annahmen gibt es keine „Stress-
= 265 bar, minerale“ oder „Antistressminerale“. Experimente haben
gezeigt, das unter den üblichen Metamorphosebedingungen
bei einer mittleren Dichte von 3,0 g/ cm3 (z. B. Basalt) von (wie mittlere bis hohe Temperaturen, Anwesenheit von H2O
und geringen Verformungsraten) die Festigkeit von Gestei-
Pl = 3 000 kg / m3 × 9,8 m / s2 × 1 000 m = 294 × 105 Pa nen nicht ausreicht, um Stressdifferenzen von mehr als
= 294 bar. wenigen 10 bar oder bestenfalls wenigen 100 bar auszuhal-
ten; darüber hinaus würde die Fließgrenze des Gesteins
Somit ergeben sich für die Erdkruste je nach der mittle- überschritten werden. Aus diesem Grund könnte auch ein
ren Dichte des überlagernden Gesteinspakets Drücke von möglicher tektonischer Überdruck (tectonic overpressure)
250–300 bar je km Tiefe. An der Untergrenze der kontinen- nur sehr geringe Beträge annehmen; er würde keinesfalls
talen Erdkruste, die meist in Tiefen von 30–40 km liegt, herr- ausreichen, um z. B. die Bildung von Hochdruckmineralen
schen Belastungsdrücke um 10 kbar (= 1 GPa), während an in metamorphen Gesteinen zu erklären.
der Basis der ozeanischen Erdkruste nur knapp 2 kbar er- Bei geringen Temperaturen und Belastungsdrücken
reicht werden. Die größte zu erwartende Tiefe innerhalb und/oder hohen Verformungsraten werden Mineral-
der heutigen kontinentalen Kruste einschließlich der jun- körner spröde deformiert: es kommt zur kataklastischen
gen orogenen Gebirgsketten beträgt etwa 70 km mit Drü- Metamorphose (Abschn. 24.2.2, S. 390). Sind dagegen
cken in der Größenordnung von 20 kbar an deren Basis. Temperaturen und Belastungsdrücke höher und/oder die
Metamorphe Gesteine, die in kontinentalen Kollisionzonen Verformungsraten geringer, wie das bei der Regional-
24.2 · Die Gesteinsmetamorphose als geologischer Prozess 385
metamorphose in Orogenzonen (Abschn. 24.2.5, S. 394ff) Unter den erhöhten Drücken, wie sie bei der Gesteinsmetamorphose
generell der Fall ist, so werden die Mineralkörner duktil häufig realisiert sind, verhalten sich die Fluid-Spezies nicht ideal, so
dass für thermodynamische Berechnungen anstelle der Partialdrü-
deformiert. Das äußert sich durch Gitterdefekte in der
cke die Fugazitäten fH2O, fCO2, … eingesetzt werden müssen. Analog
Kristallstruktur wie Versetzungen, durch Translation zur Aktivität ai (Abschn. 18.2.3, S. 291) gilt für Fluide und Gase fi = γ iPi,
(Karbonate, Glimmer), Bildung von Druckzwillings- wobei der Fugazitätskoeffizient γ i in der Regel P-T-abhängig ist.
lamellen (Feldspäte, Karbonate), undulöse Auslöschung
(besonders bei Quarz), Verbiegungen (Glimmer, Kyanit) Der Fluiddruck wirkt gleichmäßig in alle Richtungen,
und/oder durch Subkornbildung. Die Grenzen zwischen ist also hydrostatisch. In vielen Fällen, insbesondere bei der
duktiler und Spröddeformation liegen bei den einzelnen niedrig- bis mittelgradigen Metamorphose, kann man in
Mineralen sehr unterschiedlich. So können Serpentini- erster Näherung annehmen, dass die Fluide etwa unter dem
te, Tonsteine, Kalksteine, Gipse oder Salzgesteine schon gleichen Belastungsdruck Pl bzw. Gesamtdruck Ptot stehen
bei niedrigen Temperaturen rekristallisieren, werden wie das feste Gestein. In diesem Falle ist der Fluiddruck
verfaltet und geschiefert, während Quarz-Feldspat-rei- gleich dem Belastungsdruck Pfl ≈ Pl = Ptot oder bei starkem
che Gesteine wie Granite und Gneise der Kataklase un- Überwiegen einer Fluid-Spezies z. B. Ptot = Pl ≈ Pfl ≈ PH2O
terliegen. Bei elastischer Deformation werden die Ver- bzw. Ptot = Pl ≈ Pfl ≈ PCO2. In anderen Fällen ist dagegen der
änderungen der Kornform vollkommen rückgängig ge- Fluidanteil zu gering, um einen Fluiddruck aufzubauen,
macht: es kommt zur Erholung (engl. recovery). der dem Belastungsdruck entspricht; es gilt dann Pfl < Pl.
Wenn die Metamorphose unter hydrostatischem Dieser Fall tritt insbesondere bei hochgradiger Metamor-
Druck ohne Anzeichen von Deformationen im Gesteins- phose ein und/oder dann, wenn das Ausgangsgestein sehr
gefüge stattfindet, spricht man von einer statischen Me- wenig (OH)- oder CO2-haltige Minerale enthält, aus de-
tamorphose. Treten Deformationen auf, so liegt eine ki- nen durch Entwässerungs- oder Dekarbonatisierungs-
netische oder dynamische Metamorphose vor. reaktionen H2O oder CO2 freigesetzt werden können.
Fluide und Fluiddrücke Die Bedingung Pfl < Pl gilt auch für den Fall, dass die fluide Phase
über ein offenes Kluft- oder Spaltensystem mit der Erdoberfläche
Verbindung hat, was jedoch eher für Diageneseprozesse zutreffen
Häufig enthalten metamorphe Gesteine auf den Korn-
dürfte. Dabei würde z. B. ein H2O-reiches Fluid der Dichte ~ 1,0 g/ cm3
grenzen, in Poren und in Kluft- oder Spaltensystemen unter dem Druck stehen, der durch die Wassersäule aufgebaut wird,
eine fluide Phase, die insbesondere aus den Komponen- so dass – je nach mittlerer Dichte der überlagernden Gesteinssäule –
ten H 2 O und/oder CO 2 , aber auch anderen leicht- PH2O ≈ 0,3Pl gelten würde.
flüchtigen Komponenten wie CO, CH4, HCl, HF, H3BO3,
O2, H2 u. a. besteht. Bei der aufsteigenden Metamorphose führen Entwäs-
serungs- und Dekarbonatisierungsreaktionen zu einer
Die fluide Phase in metamorphen Systemen wird in der Literatur ständigen Freisetzung von Fluiden. Diese wandern auf
unterschiedlich als Dampf, Gas, Flüssigkeit, Fluid oder überkritisches Korngrenzen, Klüften und Spalten nach oben ab, so dass
Fluid bezeichnet. Da die kritischen Punkte der leichtflüchtigen Kom- ein annähernd stationärer Zustand mit Pfl ≈ Pl erhalten
ponenten bei niedrigen P-T-Bedingungen liegen (für reines H2O bei
bleibt. Trotzdem kann vorübergehend ein Überdruck der
PC = 218 bar, TC = 371 °C, für reines CO2 bei PC = 73 bar, TC = 31 °C)
spielen sich viele metamorphe Prozesse im überkritischen Bereich fluiden Phase (engl. fluid overpressure), d. h. die Bedin-
ab, in dem es keinen scharfen Unterschied zwischen Gas (Dampf) gung Pfl > Pl aufgebaut werden. Dieser Zustand bleibt je-
und Flüssigkeit mehr gibt. Daher ist die Bezeichnung fluide Phase doch nie lange erhalten, weil die Gesteinsfestigkeit
oder Fluid angemessen. Generell nimmt die Dichte des Fluids mit hierfür nicht ausreicht: Es kommt zum hydraulischen
steigender Temperatur ab und mit steigendem Druck zu. Da T und Zerbrechen (engl. hydraulic fracturing) im Gestein, wo-
P mit der Tiefe zunehmen, gleichen sich die thermische Expansion
und druckbedingte Kompression annähernd aus. So weicht bei ei-
bei sich Klüfte bilden, in denen sich aus dem Fluid Kluft-
nem geothermischen Gradienten von 15 °C / km bis zu einer Tiefe minerale ausscheiden, die den Mineralen im Nebenge-
von 35 km die Dichte von H2O nur geringfügig vom Wert 1,0 g / cm3 stein entsprechen.
ab, der unter Oberflächenbedingungen gilt. Bei einem geothermi-
schen Gradienten von 50 °C / km und einer Tiefe von 15 km liegt die 24.2 24.2
Dichte von H2O bei ca. 0,67 g / cm3 (vgl. Best 2003, S. 75ff, 488ff).
Unter den natürlichen Fluiden besitzt H2O ein ungewöhnlich große
Die Gesteinsmetamorphose als geologischer Prozess
Lösungsfähigkeit insbesondere für Alkalien, aber auch für SiO2. H2O-
Metamorphe Gesteine entstehen durch Anpassung an
reiche Fluide sind dementsprechend niemals ganz rein, sondern
enthalten stets gelöste Ionen. Sie besitzen daher höhere kritische sich ändernde P-T-X-Bedingungen in der Erdkruste.
Werte als reines H2O. Solche Veränderungen werden durch unterschiedliche
geologische Prozesse ausgelöst, die zu ganz verschie-
Der gesamte Druck Pfl, den ein Fluid auf einen Gesteins- denen Metamorphosetypen führen können. Metamor-
verband ausübt, ergibt sich aus der Summe der Partialdrü- phe Gesteinskomplexe sind somit wichtige Zeugen der
cke der vorhandenen Fluid-Spezies, Pfl = PH2O + PCO2 + … geologischen Geschichte einer Region, insbesondere
386 24 · Metamorphe Gesteine
auch von plattentektonischen Vorgängen. Metamor- Plutone, deren Magmen in das nicht metamorphe,
phosevorgänge können in ihrer Wirkung auf einige anchimetamorphe oder bereits metamorphe Grund-
Meter begrenzt, aber auch auf tausende von Quadrat- gebirge höherer kontinentaler Krustenabschnitte auf-
kilometern ausgedehnt sein. Dementsprechend gibt es gestiegen sind;
Metamorphoseprozesse von mehr lokaler, aber auch basaltische Gänge oder Lagergänge.
solche von regionaler Bedeutung. Bevor wir auf die
Regionalmetamorphose, die in ihren unterschiedlichen Kontaktmetamorphose an Plutonen
Ausprägungen zweifellos die größte geologische Be-
deutung hat, näher eingehen, sollen zunächst die Meta- Heiße Magmenkörper, die in kälteres Nebengestein ein-
morphosetypen mit eher lokal begrenzter Einwirkung dringen, heizen dieses auf und lösen so metamorphe
beschrieben werden. Umkristallisationen und Mineralneubildungen aus. Die-
ser Vorgang vollzieht sich meist ohne tektonische Defor-
mation, rein statisch. Da die Temperatur vom Kontakt
24.2.1 nach außen hin rasch abnimmt, ist der Einwirkungsbe-
Kontaktmetamorphose reich der Aufheizung, Kontakthof oder Kontaktaureole
(engl. contact aureole, thermal aureole) genannt, lokal
Kontaktmetamorph gebildeteGesteine sind Produkte ei- begrenzt und überschreitet nur selten einige Kilometer.
ner thermischen Umkristallisation und Mineralneubil- Das starke Temperaturgefälle hat weiter zur Folge, dass
dung im Nebengestein eines magmatischen Intrusiv- der Metamorphosegrad im Kontakthof von innen nach
körpers. Auch in das intrudierende Magma gelangte außen rasch abnimmt, so dass die Intensität der Umkris-
Nebengesteinsschollen (Xenolithe) können so verändert tallisation mit der Entfernung vom Kontakt immer ge-
werden. Magmatische Intrusivkörper können sein: ringer wird.
Abb. 24.2.
Die Kontaktaureole des Granit-
Plutons von Bergen am West-
rand des westerzgebirgischen
Granitmassivs. (1) Unveränder-
ter Tonschiefer des Ordoviziums,
(2) Amphibolit, teilweise kontakt-
metamorph überprägt, (3) Zone
der Knoten- und Fruchtschiefer,
(4) Zone des Andalusit-Cordi-
erit-Hornfelses, (5) Bereiche
kontaktmetasomatischer Turma-
linisierung, (6) mittelkörniger
Granit, (7) mittel- bis grobkörni-
ger, porphyrartig ausgebildeter
Granit, (8) feinkörniger Granit.
(In Anlehnung an Weise und
Uhlemann 1914: Geologische
Karte von Sachsen, Bl. Nr. 143)
24.2 · Die Gesteinsmetamorphose als geologischer Prozess 387
Die Wirkung der prograden Kontaktmetamorphose erit, wie sich an relativ seltenen Relikten nachweisen lässt. Die
lässt sich am besten an pelitischen Sedimentgesteinen Grundmasse besteht neben Akzessorien aus einem schuppigen
Filz von Chlorit und Sericit, der Körner von detritischem Quarz
verfolgen, wie bereits von Harry Rosenbusch (1877) in
umschließt. Die anchimetamorphe Schieferung ist noch vollstän-
seiner klassischen Arbeit über den Kontakthof von dig erhalten.
Barr-Andlau in den Vogesen gezeigt wurde. Als typi- In der Zone (b) sind die getreidekornförmigen Cordierite nur
sches und gut aufgeschlossenes Beispiel wollen wir den selten retrograd in Chlorit umgewandelt. Sie treten zudem reichli-
Kontakthof des Bergener Granitplutons, einem Ausläufer cher auf und sind mit einer Länge von durchschnittlich 3–6 mm grö-
ßer entwickelt; sie sind mit ihrer Längsrichtung vorzugsweise par-
des westerzgebirgischen Granitmassivs, besprechen
allel zur Transversalschieferung orientiert. (Ganz allgemein bezeich-
(Abb. 24.2). net man metamorph gebildete Kristalle, die durch ihr Größen-
Der Bergener Granitpluton intrudierte gegen Ende der variscischen wachstum aus einem feineren Grundgewebe hervortreten, als Por-
Orogenese in eine anchimetamorphe Folge von pelitischen Sediment- phyroblasten.) Querschnitte mit 6-zähligem Umriss (Abb. 24.3) las-
gesteinen, die typische Transversalschieferung aufweisen. Im Wes- sen unter dem Mikroskop bei +Nic einen Sektorenbau erkennen, der
ten sind es durch kohliges Pigment schwarz gefärbte, im Hauptteil die Cordierit-Porphyroblasten als Durchwachsungsdrillinge nach
helle, sandig-tonig gebänderte Tonschiefer (die sog. Phycodenschich- (110) aufweist. Ihre auffallende schwarze Färbung ist durch die wol-
ten), die im Osten in Phyllite übergehen. Eingeschaltet in diese kige Anreicherung eines feinen kohligen Pigments verursacht, das
pelitische Serie sind unreine Kalksteine sowie tektonisch deformierte beim Cordierit-Wachstum siebförmig (poikiloblastisch) umschlos-
Lagergänge von Diabas und Lagen von Diabastuff. sen wurde.
Nach Gefüge und Mineralbestand der kontaktmetamorph ver- Im Fruchtschiefer der Zone (b) sind die Minerale des Grund-
änderten Phycodenschichten lassen sich innerhalb der Kontakt- gewebes bis auf spärliche Reste von detritischem Quarz eindeutig
aureole drei Zonen ausscheiden. Allerdings ist die Grenze zwischen metamorphe Neubildungen, insbesondere von grünbraunem Biotit,
den beiden äußeren Zonen unscharf, so dass diese in der Karte Muscovit und Quarz neben zahlreichen Akzessorien. Das Neu-
zusammengefasst wurden. Vom unveränderten Tonschiefer zum wachstum der Glimmer bewirkt einen feinen Seidenglanz auf den
Granit hin treten auf: noch immer erkennbaren Schieferungsflächen. Wegen ihrer her-
vorragenden technischen Eigenschaften werden die Fruchtschiefer
a Knoten- und Fruchtschiefer mit kaum veränderter Grundmasse, dieser Zone noch heute als begehrter Werkstein gewonnen. Der
b Fruchtschiefer mit schwach umkristallisiertem, glimmerreichem schwarze Tonschiefer im Westteil der Aureole, der reich an kohligem
Grundgewebe (Abb. 24.3) und Pigment ist, enthält in der Zone (b) Andalusit in der Varietät
c dickbankig-massiver Andalusit-Cordierit-Glimmer-Hornfels. Chiastolith. Seine Porphyroblasten erreichen bis zu 1 cm Länge und
sind oberflächlich in Sericit umgewandelt. Cordierit tritt in diesen
In der Zone (a) mit schwächster Einwirkung der Kontaktmeta- Schiefern nicht auf.
morphose treten aus der kaum veränderten Grundmasse des Ton- In der Zone (c), die selten mehr als 1 km breit wird, gehen die
schiefers winzige Knoten hervor, die aus feinschuppigem Chlorit Fruchtschiefer mit weiterer Annäherung an den Granitkontakt in
bestehen. Diese Chloritknoten werden mit Annäherung an die glimmerreichen Andalusit-Cordierit-Hornfels über. Dieser ist bläu-
Zone (b) größer und nehmen dabei eine längliche Form an, die lichgrau bis bläulichschwarz gefärbt, feinkörnig, massig und zeigt
Ähnlichkeit mit derjenigen eines Getreidekorns aufweist (daher splitterigen Bruch. Makroskopisch ist reichlich Cordierit als rund-
Fruchtschiefer). Diese Gebilde sind Pseudomorphosen nach Cordi- liche, blauschwarze Flecken erkennbar, während sich Andalusit, der
Abb. 24.3.
Fruchtschiefer, kontaktmeta-
morph überprägter Tonschiefer
mit Cordierit-Porphyroblasten
(dunkelgrau), die vorwiegend
mit c // zur Schieferungsebene
des ehemaligen Tonschiefers
gewachsen sind; nur einzelne
Porphyroblasten liegen senk-
recht dazu und lassen den pseu-
dohexagonalen Querschnitt von
Cordierit-Drillingen nach (110)
erkennen. Das silbergrau gefärb-
te Grundgewebe ist nur schwach
umkristallisiert. Theuma, Vogt-
land. Handstück // zur Schiefe-
rungsfläche. (Foto: S. Matthes)
388 24 · Metamorphe Gesteine
siebartige (poikiloblastische) Einschlüsse von Quarz enthält, mit Kontaktmetamorphose an magmatischen Gängen
bloßem Auge kaum identifizieren lässt. Schüppchen von braunem und Lagergängen
Biotit treten makroskopisch eher hervor als der helle Muscovit. Das
Grundgewebe ist bei den Hornfelsen völlig entregelt, so dass keine
Schieferung mehr erkennbar ist. Dagegen bleibt die ehemalige Die Kontaktwirkung von oberflächennah intrudierten mag-
Schichtung, insbesondere der sedimentär angelegte Lagenwechsel matischen Gängen (dikes) und Lagergängen (sills) auf das
zwischen tonigen, glimmerreichen und mehr sandigen, quarz- Nebengestein ist wegen ihrer geringen Dicke, ihres relativ
reichen Lagen auch im massigen Hornfels noch immer sichtbar. kleinen Magmenvolumens und der geringen Wärmekapa-
Der metamorphe Mineralbestand spiegelt die unterschiedliche
zität räumlich eng begrenzt. Die Kontaktsäume auf beiden
chemische Zusammensetzung der Sedimentlagen wider.
Die in der Zone (b) kontaktmetamorph überprägten Lager- Seiten von Gängen betragen meist nur wenige Zentimeter,
gänge von Diabas und Einschaltungen von Diabastuff sind in kör- an mächtigeren Lagergängen mehrere Meter. Eine Kontakt-
nige Amphibolitkörper umgewandelt worden. Oft haben sich Re- wirkung tritt am deutlichsten bei Basaltgängen in Erschei-
likte von ophitischem Gefüge erhalten, die allerdings in den Am- nung, da Basalt-Magmen Temperaturen über 1 000 °C er-
phiboliten der Zone (c) infolge stärkerer Umkristallisation fehlen. reichen. Hier kann es im Nebengestein zur Kristallisation
In den jetzt metamorphen Tufflagen, die einen gewissen Mangan-
gehalt aufweisen, sind zusätzlich Porphyroblasten von Spessartin-
von Hochtemperaturmineralen, z. T. sogar zum partiellen
reichem Granat über das Grundgewebe hinweggesprosst, das sie Schmelzen kommen. Diese Hochtemperaturmetamorphose
poikiloblastisch umschließen (Abb. 24.24, S. 412). Die ehemals mer- wird auch als Pyrometamorphose bezeichnet.
geligen Kalksteine liegen jetzt als Kalksilikat-Felse vor. Kontaktwirkungen von Basaltgängen auf Sandsteine sind
Frittung (Zusammenbacken), Glasbildung und mitunter
Es gibt weltweit zahlreiche Kontaktaureolen, die petro- säulenförmige Absonderung. Die Quarzkörner sind zer-
logisch gut untersucht sind (Kerrick 1991); als prominen- borsten unter randlicher Umwandlung in Tridymit. Das
tes Beispiel sei der Kontakthof des Intrusivkomplexes von tonig-mergelige Bindemittel ist zu einem bräunlichen Glas
Ballachulish in Schottland erwähnt (Voll et al. 1991). geschmolzen, in dem sich neben Kristallskeletten (sog. Mi-
Die periplutonische Kontaktmetamorphose läuft im krolithen) zahlreiche Kriställchen von Spinell (oder Magne-
Hinblick auf die chemischen Haupt-, Neben- und Spu- tit), Cordierit und Pyroxen gebildet haben. Tonige Sedimente
renelemente in vielen Fällen isochemisch ab, wenn man werden in dichte, bräunliche oder grau gefärbte Massen,
von der Freisetzung von H2O oder CO2 durch thermi- die splittrig brechen, umgewandelt. Die gelegentliche Um-
sche Zerfallsreaktionen absieht. Diese Fluide bewegen wandlung von Hochquarz in Tridymit, die unter Atmosphä-
sich bei weiterer Aufheizung in die kühleren Teile der rendruck (P = 1 bar) bei 870 °C erfolgt (Abb. 9.43, S. 157),
Aureole. Es gibt jedoch auch zahlreiche Fälle, in denen zeigt, dass bisweilen sehr hohe Temperaturen erreicht wer-
man einen metasomatischen Stofftransport vom kristal- den. Dabei können – trotz der meist sehr geringen Belas-
lisierenden Magmenkörper in das Nebengestein nach- tungs- und H2O-Drücke – Tone oder die tonige Matrix
weisen kann. von Sandsteinen partiell aufschmelzen und es entstehen
glasführenden Gesteine, die man als Buchite bezeichnet
So lassen sich in den Zonen (c) und (b) des Bergener Kontakthofs (Abb. 26.11, S. 467). In Karbonatgesteinen, die in einzelnen
sowie im Granitkörper selbst Bereiche mit Turmalin (Schörl) aus- Blöcken losbrechen und in geringer Tiefe als Xenolithe in
kartieren, der sich auf feinen Klüften, meist zusammen mit Quarz gasarme basaltische Schmelze geraten, können bei der hoch-
ausgeschieden hat, aber auch häufig Cordierit oder Biotit im Horn-
fels verdrängt. Diese im spätmagmatischen Stadium einsetzende
gradigen Thermometamorphose relativ seltene Ca- und Ca-
Kontaktmetasomatose geht auf H3BO3-haltige Fluide zurück, die Mg-Minerale entstehen (Abschn. 26.3.7, S. 467).
Restdifferentiate des Granit-Magmas darstellen. In einer anderen, Im Kontakt mit Alkaligesteinsmagmen kommt es bei
dicht benachbarten Kontaktaureole des westerzgebirgischen Granit- der Pyrometamorphose von pelitischen Sedimentgestei-
massivs steht der bekannte Topasbrockenfels des Schneckensteins nen zu einer beachtlichen Alkalimetasomatose. Es bil-
an, aus dem im 18. Jahrhundert schleifwürdiger Topas bergmännisch
gewonnen wurde. Das Kontaktgestein besteht aus einem stark brec-
den sich Sanidinite mit Na-Sanidin als Hauptgemeng-
ciierten Phyllit, der durch Bor-Metasomatose turmalinisiert und teil (Abschn. 26.3.7). Diese leuchtend weiß gefärbten Ge-
während einer anschließenden Fluor-Metasomatose topasiert und steine treten im jungen Vulkangebiet um den Laacher
verquarzt wurde. See (Ost-Eifel) häufig als Auswürflinge auf.
Auch bei der Kontaktmetamorphose an basaltischen La-
Aus der thermischen Überprägung unreiner Karbo- gergängen kann das Nebengestein metasomatisch verän-
natgesteine bilden sich Kalksilikat-Felse mit Andradit- dert werden. So führt Na-Metasomatose zur Albit-Bildung
reichem Granat, Ca-reichem Pyroxen der Diopsid-He- in Tonschiefern, wie das z.B. an Diabas-Lagergängen im va-
denbergit-Reihe, Fe-reicher Hornblende, Aktinolith u. a. riscischen Grundgebirges Mitteleuropas häufig beobachtet
Karbonatgesteine sind besonders reaktionsfähig und wird. Im Anfangsstadium bilden sich dabei Spilosite, erkenn-
dort, wo die Möglichkeit besteht, auch aufnahmefähig für bar an kleinen Flecken, vergleichbar mit den beschriebe-
fluid-transportierte Schwermetalle. Hierbei kommt es nen Fleckschiefern; bei höhergradiger kontaktmetamor-
gelegentlich zur Bildung nutzbarer Skarnerz-Lagerstät- pher Überprägung entstehen hornfelsartig dichte, splitterig
ten (s. Abschn. 21.3.1, S. 320f). brechende Adinole bzw. deren gebänderte Varietät Desmosit.
24.2 · Die Gesteinsmetamorphose als geologischer Prozess 389
Selbstverständlich sind bei größeren Intrusivkörpern sog. Protogin-Granite der Schweizer Zentralalpen. Mi-
die räumliche Ausdehnung der Kontaktaureolen und die neralneubildungen finden nur auf Klüften statt. Gestei-
Zeitdauer der Kontaktmetamorphose erheblich größer ne mit 10–50 Vol.-% Matrix bezeichnet man als Protoka-
als am Gang-Kontakt. So heizt ein Granodiorit-Pluton taklasite, extrem deformierte mit >90 Vol.-% Matrix als
(T I = 800 °C) der Dicke D = 1 km das Nebengestein Ultrakataklasite.
(TN = 100 °C) bis zu einer Entfernung von 330 m vom In duktilen Scherzonen können bei erhöhten Tempe-
Kontakt auf >400 °C auf, während diese Temperatur bei raturen und Belastungsdrücken sowie bei hohen Verfor-
einem Pluton von D = 10 km bis zu einer Entfernung von mungsraten intrakristalline Deformationsmechanismen
3,3 km überschritten wurde. Die zeitliche T-Entwicklung zum kristallplastischen Fließen führen: Es kommt zur
in einem Kontakthof ist eine Funktion von D2. Dadurch Mylonitisierung. Der Übergang von der spröden zur duk-
verlängert sich die Abkühlungsgeschichte mit steigen- tilen Deformation hängt von der Kristallstruktur der be-
der Mächtigkeit der Magmenmasse enorm. Ein platten- troffenen Minerale ab. So verhält sich z. B. Quarz schon
förmiger Granodiorit-Pluton von 2 km Mächtigkeit bei sehr niedrigen Temperaturen duktil, so dass Quarz-
braucht etwa 50 000 bis 100 000 Jahre, um vollständig körner in Kataklasiten häufig undulöse Auslöschung zei-
abzukühlen, einer von 4 km Mächtigkeit sogar etwa gen. Demgegenüber können Granat und Pyroxene bis zu
500 000 Jahre. Im letzteren Fall bleibt direkt am Kontakt Temperaturen von 500–600 °C noch spröde deformiert
eine Temperatur von nahezu 500 °C etwa 300 000 Jahre werden.
lang erhalten; nach 500 000 Jahren beträgt die Tempera-
tur immer noch ca. 420 °C. Demgegenüber wurden 1 km Mylonite (grch. µυ ύ´ λη = Mühle). Sie unterscheiden sich von
vom Kontakt entfernt 420 °C erst nach 200 000 Jahren Kataklasiten durch ihre geschieferte Matrix, die häufig
erreicht; nach 500 000 Jahren ist die Temperatur bereits augenförmige Porphyroklasten umflasert, eine geflamm-
wieder auf 380 °C gefallen (Turner 1981, Abb. 1.6, 1.7). te Streifung aufweist und Bewegungsbahnen abbildet;
Glimmer sind zu langaushaltenden Zügen ausgewalzt.
24.2.2 Häufig ist auch ein Streckungslinear (Abschn. 24.4.3,
Kataklastische Metamorphose und Mylonitisierung S. 411) erkennbar. In mylonitisch beanspruchten Grani-
ten finden sich in den Trümmerzonen aus Kalifeldspat
Die kataklastische Metamorphose ist an tektonische Stö- häufig auch Neubildungen von Sericit. Hat der Mengen-
rungszonen, wie Verwerfungen, Auf- und Abschiebun- anteil der Matrix auf Kosten der gröberen Mineral-
gen sowie Überschiebungsbahnen gebunden. Sie wirkt Bruchstücke auf über 90 Vol.-% zugenommen, so spricht
auf das Gestein und seinen Mineralinhalt im wesentli- man von Ultramyloniten. Diese erinnern in ihrem Aus-
chen durch mechanische Beanspruchung ein, wobei ge- sehen oft an Tonschiefer, wobei die feinsten Fragmente
richteter Druck (differentieller Stress) eine entscheiden- meist Korngrößen von <0,02 mm besitzen. Im Gegen-
de Rolle spielt. Unter relativ niedrigen Temperaturen und satz zu Kataklasiten ist die Matrix der Mylonite duktil
Belastungsdrücken und/oder hohen Verformungsraten deformiert, doch können größere Porphyroklasten durch
wird die Gesteinsfestigkeit überschritten, es kommt zum Spröddeformation zerbrochen sein.
Bruch und zum kataklastischen Fließen. Dabei werden Bei der kataklastischen Metamorphose und Myloniti-
die Minerale spröd deformiert, zerbrochen und zerrie- sierung reichen die Temperaturen für eine Umkristalli-
ben, Vorgänge die als Kataklase (Zerbrechung) bezeich- sation oder zur Neubildung metamorpher Minerale meist
net werden. Es entstehen tektonische oder Reibungs- nicht aus. In anderen Fällen kann die Bewegungsenergie
breccien und Kataklasite. Zwischen beiden Gesteins- bei der starken Deformation in Reibungswärme (Frikti-
varietäten bestehen Unterschiede im Grad der mechani- onswärme) umgesetzt werden, die zur Temperatur-
schen Beanspruchung. erhöhung führt. Es entstehen Hartschiefer, die eine
schwach rekristallisierte Matrix und eine charakteristi-
Reibungsbreccien (Kakirite). Sie sind von einem dichten sche, durch Deformation erzeugte Bänderung aufweisen.
Kluftnetz und von Rutschstreifen durchsetzt und neigen Bei noch stärkerer Umkristallisation bilden sich Blastomy-
daher zu einem polyedrischen Zerfall im cm-dm-Bereich. lonite, die in ihrem Gefüge bereits an regionalmetamorphe
Die Kataklase im Innern der Zerfallskörper ist nach dem Gesteine aus Orogenzonen erinnern. Bei starker Sericiti-
mikroskopischen Befund relativ schwach. Der Matrixan- sierung und Chloritisierung sehen diese Gesteine ähnlich
teil liegt bei <10 Vol.-%. wie Phyllite (Abschn. 24.3.1, S. 400, 403) aus und werden
dann als Phyllonit (aus Phyllit und Mylonit) bezeichnet.
Kataklasite. Sie bestehen aus eckigen Gesteins- und Mi- Bei extremer T-Erhöhung durch freigesetzte Friktions-
neralbruchstücken, wobei der Matrixanteil auf >50 Vol.- wärme kann es sogar zum partiellen Aufschmelzen von
% ansteigt. Das feinere Trümmermaterial (die Kataklas- Myloniten oder Ultramyloniten kommen. Dabei entste-
ten) bilden sog. Mörtelkränze um größere Mineral- hen schmale Äderchen von Glassubstanz, die zwischen
bruchstücke (Porphyroklasten). Beispiele sind u. a. die die Kornfragmente oder nichtgeschmolzene Matrixanteile
24.2 · Die Gesteinsmetamorphose als geologischer Prozess 391
24.2.3
Schockwellen- oder Impakt-Metamorphose
immerhin noch Bruchstücke mit einem Gesamtgewicht Feldspäten und anderen Mineralen entstehen planare
von 30 t gefunden. Demgegenüber hat der schwerste be- Deformationsgefüge (planar deformation features, PDF),
kannte Meteorit der Erde, der noch in einem Stück erhal- wie Scharen paralleler Gleitebenen und Deformations-
ten ist, kaum einen nennenswerten Krater erzeugt: Der bänder, sowie Mosaikgefüge; Dichte, Licht- und Doppel-
ca. 60 t schwere Eisenmeteorit auf der Farm Hoba West brechung werden erniedrigt. Schichtsilikate zeigen oft
bei Grootfontein (Namibia) hat nur eine flache Mulde in Knickbänder; Druckzwillinge, oft mit ungewöhnlicher
die Kalahari-Sande gegraben (Abb. 29.2, S. 507). kristallographischer Orientierung, werden besonders in
Die energiereichen Schockwellen (Stoßwellen), die Amphibolen und Pyroxenen beobachtet.
beim Einschlag großer Meteoriten entstehen, bewegen
sich unter schnellem Energieverlust von der Einschlag- Polymorphe Phasenumwandlungen (Zone I–III). Als Hoch-
stelle konzentrisch weg. Die Drücke in der Stoßfront, die bzw. Höchstdruckmodifikationen von SiO2 entstehen
Resttemperatur nach der Druckentlastung und damit aus Quarz bzw. diaplektischem Quarzglas (s. unten)
auch der Grad der Impakt-Metamorphose nehmen nach Coesit (Abb. 24.8) und Stishovit. Wahrscheinlich bildet
außen hin ziemlich rasch ab, so dass sich eine konzent- sich Stishovit – die einzige SiO2-Modifikation mit Si
rische Anordnung von Metamorphose-Zonen 0–V ergibt in [6]-Koordination entsprechend der Rutil-Struktur
(Abb. 24.5d). Im Einzelnen erzeugt die Schockwellen- (Abb. 5.9, S. 88) – bereits beim Durchgang der Schock-
Metamorphose folgende Wirkungen (z. B. Langenhorst welle, während Coesit erst nachträglich bei der Druck-
und Deutsch 1998): entlastung kristallisiert. Coesit wurde im Ries-Krater
erstmals durch die amerikanischen Forscher Chao und
Kataklase. Kataklase der Minerale (Abb. 24.6) lässt sich Shoemaker (Chao et al. 1960) nachgewiesen. Dadurch
in allen Bereichen feststellen, nimmt aber von außen nach konnten sie die Impakt-Theorie, die bereits 1904 von
innen an Intensität zu; sie ist in der Zone 0 relativ E. Werner zur Diskussion gestellt worden war, bestä-
schwach, in den Zonen I–III wesentlich stärker. Ein be- tigen und die von den meisten regionalen Geologen
sonderes Charakteristikum sind die Shatter Cones bevorzugte Deutung der Ries-Struktur als vulkanischer
(Strahlenkegel); das sind strahlenförmige Gebilde, die in Explosionskrater widerlegen. Darüber hinaus lässt sich
feinkörnigen Sedimentgesteinen, z. B. in den dichten in Impaktgesteinen des Nördlinger Rieses die Umwand-
Malm-Kalken der Schwäbischen Alb auftreten und bei lung von Graphit in Diamant beobachten (El Goresy et al.
mäßigen Stoßwellen-Drücken von 20–100 kbar gebildet 2001a; Schmitt et al. 2005); ebenso treten dort, wie auch
wurden (Abb. 24.7). z. T. in anderen Meteoriten-Kratern, weitere Hochdruck-
modifikationen des Kohlenstoffs (El Goresy et al. 2003),
Plastische Deformationen (Zone I–III). Bei Überschreiten ih- Moissanit SiC (Schmitt et al. 2000) sowie hochdichte
rer Elastizitätsgrenze werden Minerale entlang kristal- Rutil-Phasen mit α -PbO2- und ZrO2-Struktur (El Goresy
lographischer Richtungen plastisch deformiert. In Quarz, et al. 2001b,c) auf.
Abb. 24.6.
Schockwellen-beanspruchter Am-
phibolit mit zahlreichen charakte-
ristisch radial und konzentrisch
verlaufenden Riss-Systemen in
Hornblende (Hbl) und in noch
stärker beanspruchtem Plagioklas
(Pl). Sichtbar sind außerdem Bah-
nen und Verzweigungen aus dia-
plektischem Glas (im Bild dunkel).
Bohrkern 731,5 m der Bohrung
Nördlingen 1973. Bildbreite ca.
4,5 mm. (Foto: S. Matthes)
24.2 · Die Gesteinsmetamorphose als geologischer Prozess 393
24.2.4 24.2.5
Hydrothermale Metamorphose Regionalmetamorphose in Orogenzonen
Heiße Lösungen oder Dämpfe, die auf einem Kluftnetz In den präkambrischen Kratonen und in den phanerozoi-
oder entlang tektonischer Störungszonen einwandern, schen Orogengürteln der Erde nehmen metamorphe Ge-
erzeugen Veränderungen im Nebengestein, wobei die steine Areale in einer Ausdehnung von hunderten oder
primären Minerale durch hydrothermale Neubildungen tausenden von Quadratkilometern ein. Metamorphose-
verdrängt werden (Coombs 1961). Solche Vorgänge prozesse erreichen hier also – im Gegensatz zu den bisher
sind verbreitet, beschränken sich aber meist auf schma- besprochenen Metamorphosetypen – regionale Ausmaße.
le Bereiche in unmittelbarer Nachbarschaft der Klüfte. Sie stehen offensichtlich im Zusammenhang mit großräu-
Zur großräumigen Umwandlung des Nebengesteins migen Gebirgsbildungen (Orogenesen). Diese sind – zu-
kommt es jedoch in aktiven geothermischen Feldern, mindest während des Phanerozoikums und des Proterozo-
d. h. in Gebieten, in denen heiße Quellen oder Was- ikums – mit plattentektonischen Vorgängen wie Subdukti-
serdampf in größerem Umfang gefördert und zur on oder Kontinent-Kontinent-Kollision verknüpft.
Energiegewinnung genutzt werden (Utada 2001). Boh- In ihrer typischen Ausbildung ist die Regionalmetamor-
rungen bis in Tiefen von einigen hundert Metern er- phose weder rein dynamisch noch rein statisch-thermisch.
brachten mit steigender Temperatur (bis etwa 250 °C) Kennzeichnend ist vielmehr ein kompliziertes Zusammen-
die Neubildung von Zeolithen (Abschn. 9.6.5, S. 175ff) spiel von Deformation, durch welche die Gesteine geschie-
wie Mordenit (Na,Ca,K)6[AlSi5O12]8 · 28H2O, Analcim fert und gefaltet werden, und regionaler Aufheizung, die zur
Na[AlSi2O6] · H2O, Laumontit Ca[Al2Si4O12] · 4,5H2O und metamorphen Um- und Neukristallisation führt (Abb. 24.9,
Wairakit Ca[AlSi2O6]2 · 2H2O sowie von Albit und/oder 24.20–24.23). Diese Vorgänge können sich innerhalb einer
Adular. Die am besten untersuchten Beispiele sind Wairaki oder in mehreren aufeinander folgenden Gebirgsbildungs-
auf der Nordinsel Neuseelands, Onikobe und Hakone auf phasen mehrfach wiederholen. Als typische Produkte der
der Insel Honshu (Japan) und der Yellowstone-National- Regionalmetamorphose entstehen kristalline Schiefer, z. B.
park (Wyoming, USA). Kennzeichnend für diese Gebie- Phyllite, Glimmerschiefer, Gneise, Amphibolite und Granu-
te ist ein ungewöhnlich großer geothermischer Gradi- lite. Sie unterscheiden sich in ihren Gefügemerkmalen mar-
ent, der bis auf 1 000 °C/ km ansteigen kann. Zu umfang- kant von den ungeschieferten Hornfelsen der Kontaktaure-
reichen hydrothermalen Alterationen kommt es auch im olen, aber auch von den nicht oder nur schwach rekristalli-
Zuge hydrothermaler Aktivität an den mittelozeanischen sierten Kataklasiten und Myloniten. Blastomylonite gehö-
Rücken (Black Smoker, Abschn. 21.5.1, S. 329ff) und bei ren bereits zu den kristallinen Schiefern.
der Bildung hydrothermaler Erzlagerstätten z. B. von Wie in den Kontaktaureolen lassen sich auch in regio-
Porphyry Copper Ores (Abschn. 21.2.4, S. 318ff). nalmetamorphen Gebieten häufig Zonen gleich starker
Abb. 24.9.
Große offene Falte in metamor-
phen Sedimentgesteinen der
Gemsbok-River-Formation des
panafrikanischen Damara-Oro-
gens. Man erkennt eine Wechsel-
lagerung von Karbonatgestei-
nen (gelblich bis bräunlich)
und Turbiditen (dunkel), die
vor ca. 550–500 Millionen Jahre
gefaltet und metamorph über-
prägt wurden. Rhino Wash,
Ugab-Gebiet, Nord-Namibia.
(Foto: M. Okrusch)
24.2 · Die Gesteinsmetamorphose als geologischer Prozess 395
Abb. 24.10.
Vereinfachte geologische Karte
der Kykladen-Insel Naxos mit
den Isograden und Mineralzo-
nen in Metapeliten und Meta-
bauxiten. (Nach Jansen u. Schui-
ling 1976)
396 24 · Metamorphe Gesteine
Inzwischen wurden in vielen Teilen der Welt Kristallinge- onalen Unterschiede lassen sich gut verstehen, wenn man
biete mit gut ausgebildeten metamorphen Mineralzonen die Isothermenverteilung in einem Orogen-Gürtel in der
beschrieben. Beispiele sind der Damara- und Kaoko-Gür- kontinentalen Oberplatte über einer Subduktionszone be-
tel in Namibia, die durch die panafrikanische Orogenese trachtet (Abb. 26.8, S. 458).
gebildet wurden, das paläozoische Kristallin von Vermont Als weiteres intruktives Beispiel für eine Mittel-P/T-
und New Hampshire im Nordosten der USA, das variscische Metamorphose wollen wir den metamorphen Komplex der
Kristallin des nördlichen Bayerischen Waldes, die alpidisch Kykladen-Insel Naxos behandeln, einen Bestandteil des
geprägten Keuper- und Lias-Schichten in den Schweizer Kykladen-Kristallins. Dieses besteht im Wesentlichen aus
Zentralalpen und im nördlichen Alpenvorland. Nicht immer einer permomesozoischen Sedimentfolge mit eingeschal-
entspricht die gefundene Zonenfolge den klassischen teten Vulkaniten, die einem voralpidischen Kristallin auf-
Barrow-Zonen. Häufig wurden abweichende Indexminerale lagern. Während der alpidischen Orogenese wurde dieser
und Mineralparagenesen beobachtet, die auf Unterschiede Gesteinsverband polymetamorph geprägt, gefolgt von ei-
in der regionalen Verteilung der P-T-Bedingungen beim Hö- ner Phase magmatischer Aktivität. Abgesehen von präalpi-
hepunkt der Metamorphose und auf unterschiedliche geo- dischen Relikten geht der metamorphe Komplex von Naxos
thermische Gradienten bei der Orogenese hinweisen. Ein überwiegend auf klastische Sedimente und verkarstete
gutes Beispiel hierfür ist Schottland selbst. In den metamor- Kalksteine zurück, die in Karsttaschen Bauxite enthalten.
phen Gesteinen des Dalradians nördlich Aberdeen treten, Diese mesozoische Sedimentserie erlebte im Eozän eine
wie bereits Harker (1932) erkannt hatte, Andalusit und Hochdruckmetamorphose (s. unten), deren Relikte noch im
Cordierit als zusätzliche Indexminerale auf. Damit ergibt SE-Teil der Insel erhalten sind. Darauf folgte an der Wende
sich eine abweichende Zonenfolge, die von Read (1952) als Oligozän/Miozän eine prograde Mitteldruckmetamorphose,
Buchan-Typ bezeichnet und dem klassischen Barrow-Typ die eine ausgeprägte Zonenfolge metamorpher Index-
gegenübergestellt wurde. Wir wissen heute, dass die minerale in Metapeliten und Metabauxiten erzeugte
Mineralzonierung des Buchan-Typs insgesamt auf einen (Abb. 24.10; Jansen u. Schuiling 1976; Feenstra 1985):
höheren geothermischen Gradienten, d. h. auf eine stärke-
re Temperaturzunahme mit der Tiefe hinweist. Solche regi- I. Diaspor-Chloritoid-Zone. Die Diaspor-Chloritoid-Zone
ist durch das Auftreten von Diaspor und Chloritoid in
metamorphen Bauxiten gekennzeichnet, der von Kyanit,
der Niedrig-T-/Hoch-P-Modifikation von Al2[O/SiO4]
(Abb. 24.11) begleitet wird; auch Pyrophyllit kommt noch
vor. Metapelite führen die Paragenese
Wärmebeulen oder Wärmedome bezeichnet. Ihre Entste- ten Aragonit, in Meta-peliten z. B. Ferrokarpholith
hung wird letztlich durch Prozesse im Erdmantel ausgelöst. (Fe,Mg)Al2[(OH,F)4Si2O6]. Wichtige Reaktionen, die eine
Nach dem Modell der Plattentektonik entstehen Wärme- Druckabschätzung erlauben, sind
dome an konvergenten Plattenrändern oberhalb von
Subduktionszonen, d. h. in Inselbögen oder Orogengürteln Calcit Aragonit (24.7)
vom Andentyp (Abb. 26.8, S. 458), oder auch in Orogen-
und
gürteln, die durch Kontinent-Kontinent-Kollision entstan-
den sind. Der Wärmetransport wird durch Mantel-Diapire NaAl[Si3O8] NaAl[Si2O6] + SiO2 (24.8)
besorgt, die durch partielles Aufschmelzen der subduzierten Albit Jadeit Quarz
ozeanischen oder kontinentalen Platte entstehen. Sie stei-
gen als Kristall-Schmelz-Brei durch den darüberliegenden, (Abb. 24.1, S. 382). Der P-T-Bereich für die Bildung typi-
schwereren Erdmantel und die Erdkruste der kontinenta- scher Blauschiefer liegt zwischen etwa 7 kbar bei 200–300 °C
len Oberplatte auf. Die mit diesen Diapiren nach oben be- und 15 kbar bei 400–500 °C, entsprechend einem geother-
förderte Wärme, die eine beulenartige Verteilung hat, führt mischen Gradienten um 10 °C/km. Es kommt also nicht
zur prograden Metamorphose und partieller Anatexis. auf die absolute Höhe des Druckes an, sondern auf das
Dadurch entstehen in der Unterkruste Granit-Magmen, die P/T-Verhältnis: Ein Druck von 6 kbar bei einer Temperatur
ihrerseits in höhere Krustenstockwerke intrudieren kön- von 600 °C wie in der Staurolith-Zone von Naxos würde ei-
nen. Ein Beispiel ist der Granodiorit von Naxos, der vor etwa ner Mitteldruckmetamorphose entsprechen. Die Paragene-
15 Ma, im Anschluss an die Regionalmetamorphose sen der Hochdruckgesteine bleiben nur erhalten, wenn diese
intrudierte und dabei die konzentrische Zonenfolge der durch tektonische Prozesse rasch wieder herausgehoben
Indexminerale diskordant abschnitt (Abb. 24.10). Plutonite werden. Andernfalls führt die nachfolgende Wärmezufuhr
miozänen Alters sind im Kykladen-Kristallin weit verbrei- zur Erhöhung des thermischen Gradienten und damit zur
tet und definieren einen ausgeprägten Hochtemperatur- Neubildung von Mitteldruckparagenesen. Hochdruck-
Gürtel (Altherr et al. 1982). gesteine, die auf ozeanische Basalte und Gabbros sowie as-
soziierte Sedimente zurückgehen, sind in den alpidischen
Ein Teil der Magmen, die durch partielle Anatexis in der subduzierten
Platte gebildet werden, wird in Form vulkanischer Laven, Ignimbrite
Orogengürtel rund um den Pazifik weit verbreitet, z. B. in
und Aschen gefördert. Es entstehen Kalkalkali-Vulkanite, die für Insel- der Franciscan Formation Kaliforniens, im Shuksan-Gür-
bögen und Orogenzonen vom Anden-Typ charakteristisch sind. tel (Staat Washington), in Alaska, in Japan oder in
Neukaledonien, ebenso in den eurasischen Faltengürteln,
Hochdruckmetamorphose und z. B. in den Alpen, in der Türkei oder im Tian Shan.
Ultrahochdruckmetamorphose In vormesozoischen Orogenen treten Blauschiefer und Eklogite, die
aus subduzierten ozeanischen Basalten oder Gabbros gebildet wur-
Auch die Gesteine der absinkenden Lithosphärenplatte den, deutlich seltener auf. Hier herrschen Metamorphite vom Mittel-
unterliegen der Regionalmetamorphose, die jetzt aber druck- oder Niedrigdrucktyp vor. Nach dem Aktualitätsprinzip muss
einen ganz anderen Charakter hat. Die relativ kalten oze- man jedoch annehmen, dass auch auf diese älteren Orogenesen
plattentektonische Modelle anwendbar sind: Hochdruckmetamor-
anischen Sedimente sowie die Basalte und Gabbros der
phite wären demnach späteren Metamorphose-Ereignissen zum
ozeanischen Kruste werden durch den Subduktionsvor- Opfer gefallen. Der älteste bekannte Eklogit, der wahrscheinlich
gang relativ rasch, d. h. mit Geschwindigkeiten von eini- durch Subduktion einer ozeanischen Lithosphärenplatte gebildet
gen Zentimetern pro Jahr in große Tiefen transportiert wurde, liegt im proterozoischen Usagara-Gürtel in Tansania. Nach
und dabei zunehmend höheren Drücken ausgesetzt. We- radiometrischen Altersbestimmungen ist er ca. 2 Ga alt (Möller et al.
gen der schlechten Wärmeleitfähigkeit von Gesteinen ist 1995). Plattentektonische Modelle gelten vielleicht nicht mehr für
die Bildung der Erdkruste im Archaikum, da während der frühen
damit zunächst keine wesentliche Temperaturerhöhung Erdgeschichte generell ein höherer geothermischer Gradient herrschte.
verbunden, so dass sich die Isothermen nach unten hin Zwar wurden für die Entstehung der 2,6–3,6 Ga alten Grünstein-
durchbeulen (Abb. 26.8). Die ozeanische Kruste der ab- Gürtel (greenstone belts) ebenfalls plattentektonische Szenarien ent-
tauchenden Platte wird dabei in Eklogit umgewandelt; das wickelt, doch dürften alternative Deutungen, die von stärkeren ver-
ist ein Gestein von basaltischem Chemismus mit der Pa- tikalen Bewegungen bei nur geringer horizontaler Verschiebungs-
rate ausgehen, größere Wahrscheinlichkeit besitzen (Hamilton 1998).
ragenese Granat + Omphacit ± Kyanit ± Zoi-sit/Epidot
± Phengit. Aus den weniger tief versenkten Anteilen der Auch bei der Subduktion von kontinentaler Kruste
ozeanischen Platte entstehen Blauschiefer, die als Index- kann es zur Bildung von Hochdruckgesteinen kommen.
minerale den blauen Na-Amphibol Glaukophan sowie Ein typisches Beispiel ist wiederum das Kykladen-
Lawsonit, Jadeit oder Omphacit, phengitischen Hell- Kristallin, in dem die permomesozoischen Sedimente auf
glimmer, z. T. auch Aragonit führen. Auch die Sedimente Graniten und Gneisen von präalpidischem Alter abgela-
im Akkretionskeil zwischen subduzierter ozeanischer und gert wurden. Als Bestandteil der Apulischen Mikroplatte
hangender kontinentaler Platte werden hochdruckmeta- wurde dieser Gesteinsverband im Eozän unter den euro-
morph überprägt. Dabei entsteht in Karbonat-Sedimen- päischen Kontinent subduziert und hochdruckmeta-
24.2 · Die Gesteinsmetamorphose als geologischer Prozess 399
morph überprägt. Die dabei entstandenen Blauschiefer, belt entstand durch einen Subduktionsvorgang an der Wen-
Jadeitgneise und Eklogite sind auf einigen Kykladen-In- de Oligozän/Miozän, der von SW nach NE gerichtet war
seln noch gut erhalten, besonders auf Sifnos und Syros (Altherr et al. 1982; Seidel et al. 1982). Er muss von der älte-
(z. B. Okrusch u. Bröcker 1990), während sie z. B. auf Naxos ren Subduktionsphase unterschieden werden, die die eozä-
durch die nachfolgende prograde Barrowtyp-Metamor- nen Hochdruckgesteine im Kykladen-Kristallin erzeugte.
phose an der Wende Oligozän/Miozän – bis auf geringe
Relikte im SE-Teil der Insel – vollständig ausgelöscht sind. Eine dritte Phase der Subduktion findet derzeit am Südrand der Ägäis
südlich von Kreta statt, wo es zur Bildung des Hellenischen Tiefseegra-
Bei der enormen Krustenverdickung im Zuge der Kon- bens kommt. Der dazu gehörige Hochtemperaturgürtel wird in den
tinent-Kontinent-Kollision können ultrahohe Drücke er- Kykladen durch einen jungen vulkanischen Inselbogen mit den Vul-
reicht werden. Die Anwesenheit der Hochdruckmodifika- kaninseln Milos, Santorin und Kos dokumentiert. Die Inselgruppe San-
tion von SiO2 Coesit in eklogitischen Gesteinen, z. B. im Do- torin erlebte um 1400 v. Chr. einen verheerenden plinianischen Aus-
ra-Meira-Massiv (West-Alpen), im Erzgebirge, in Norwe- bruch, und der Vulkanismus blieb dort bis in die jüngste Zeit aktiv.
gen und im Dabie Shan (China), spricht für Mindestdrücke
von 25–30 kbar, entsprechend Versenkungstiefen von über 24.2.6
100 km. Noch höhere Mindestdrücke von 35–40 kbar wer- Regionale Versenkungsmetamorphose
den durch die Anwesenheit von Diamant angezeigt, so im
Erzgebirge, in der westlichen Gneis-Region Norwegens, im Coombs (1961) hat als erster darauf hingewiesen, dass es
Kokchetav-Massiv (Sibirien) und im Orogengürtel von Su- einen Typus der Regionalmetamorphose gibt, der nur auf
Lu und Dabie Shan (China). Bei der kontinentalen Kollisi- eine Versenkung von Sedimentpaketen zurückgeht, ohne
on zwischen der Indischen und der Eurasischen Platte wer- dass es zu durchgreifenden Deformationsvorgängen und
den z. Z. in der Hindukush-Zone Graphit-reiche Tonsteine zur Ausbildung einer Schieferung kommt. Dabei werden
und Karbonat-Sedimente in so große Tiefen subduziert, meist keine sehr hohen Metamorphosetemperaturen er-
dass daraus heute Diamant- und Coesit-führende Ultra- reicht, so dass die metamorphe Umkristallisation unvoll-
hochdruckgesteine entstehen dürften (Searle et al. 2001). ständig bleibt; Reliktgefüge des Ausgangsmaterials sind oft
noch erhalten und eine Abgrenzung von Diagenese-
Paired metamorphic belts Prozessen ist schwierig. Als metamorphe Minerale bilden
sich Zeolithe, z. B. Laumontit, bei etwas höheren P-T-Be-
Miyashiro (1972) erkannte, dass in jungen Orogenen zwei dingungen auch Prehnit Ca2Al[(OH)2/AlSi3O10] und Pum-
etwa parallel zueinander laufende, annähernd gleich alte pellyit Ca2(Mg,Fe2+)(Al,Fe3+)2[(OH)2/H2O/SiO4/Si2O7].
metamorphe Gürtel von kontrastierendem Charakter auf- Erstmals wurde die Versenkungsmetamorphose auf der
treten können, die denselben Subduktions- oder Kollisions- Südinsel Neuseelands beschrieben, wo Grauwacken der Tri-
prozess dokumentieren: as in einem langgestreckten, absinkenden Sedimentations-
trog abgelagert, diagenetisch verändert und schließlich
ein Hochdruckgürtel mit Blauschiefern, der die sub- schwach metamorph überprägt wurden. Ähnliche Vorkom-
duzierte Platte repräsentiert, und men hat man in anderen phanerozoischen Orogengürteln,
ein Nieder- bis Mitteldruckgürtel mit prograden Mineral- aber auch in proterozoischen Sedimentations-Trögen und
zonen, Migmatiten, granitischen bis tonalitischen Intru- -Becken kennengelernt, z. B. im Nordwesten Australiens.
sionen und Kalkalkali-Vulkaniten, der an einem aktiven
In manchen Fällen erfolgt auch die Hochdruckmetamorphose in
Kontinentalrand oder einen Inselbogen gebildet wurde. Subduktionszonen ohne wesentliche Deformation und besitzt so
den Charakter einer Versenkungsmetamorphose. Das ist jedoch
Als Beispiele seien der Sanbagawa-Gürtel (Hoch-P/T) und keineswegs die Regel.
der Ryoke-Gürtel (Nieder-P/T) in Japan, das Franciscan und
die Sierra Nevada in Kalifornien sowie der Wakatipu- und 24.2.7
der Tasman-Gürtel in Neuseeland genannt. In anderen Fäl- Regionale Ozeanbodenmetamorphose
len liegen die Verhältnisse nicht so modellhaft klar. So ist in
den Westalpen die Hochdruckmetamorphose eindeutig äl- Dieser Metamorphosetyp ist in seiner Bedeutung erst durch
ter als die spätere Lepontinische Phase, in der es zur Ausbil- die Fahrten des Forschungsschiffes Glomar Challenger so-
dung eines Wärmedoms in den Lepontinischen Alpen kam. wie durch das internationale Deep Sea Drilling Program
Demgegenüber findet der oligo-/miozäne Mitteldruck- (DSDP) und das Ocean Drilling Program (ODP) erkannt
gürtel im Kykladen-Kristallin, den wir am Beispiel von Naxos worden (Melson u. van Andel 1966; Miyashiro et al. 1970,
kennengelernt haben, seine Entsprechung in einem Hoch- 1971). Dabei wurden aus dem Bereich der mittelozeanischen
druckgürtel in den externen Helleniden. Er wird auf Kreta Rücken sowohl frische als auch metamorph überprägte
und dem Peloponnes durch typische Blauschiefer, Aragonit- Pillow-Basalte, Basalte des Sheeted-Dike-Komplexes, selte-
und Lawsonit-führende Karbonatgesteine sowie Ferrokar- ner auch Gabbros und Peridotite durch submarines Bag-
pholith-führende Metapelite dokumentiert. Dieser paired gern (dredging) oder durch Bohrungen gewonnen. Die
400 24 · Metamorphe Gesteine
metamorphen Gesteine sind undeformiert, zeigen also noch dere Gruppen von metamorphen Gesteinen leiten ihre
verbreitet magmatische Reliktgefüge. Mit zunehmendem Namen vom Mineralbestand ab – ohne Berücksichti-
Grad der Metamorphose entstehen folgende Minerale neu gung des Gefüges, z. B. Amphibolit, Quarzit. Im Gegen-
(Humphris u. Thompson 1978; Gillis u. Thompson 1993): satz zu den Magmatiten werden Bezeichnungen von me-
tamorphen Gesteinen fast nie von Lokalitäten abgelei-
1. Zeolithe, z. B. Analcim, Heulandit, Natrolith, Mesolith, tet; Lokalnamen werden nur im lokalen bzw. regionalen
Skolezit; Zusammenhang verwendet, z.B. Haibacher Gneis im
2. Prehnit, Epidot, Chlorit, Calcit; Spessart, Beerbachit im Odenwald, Bündner Schiefer
3. Albit, Aktinolith bis Magnesio-Hornblende, Epidot, in den Schweizer Alpen. Ein quantitativer Klassifikati-
Chlorit, Talk, Quarz, Titanit; onsvorschlag für kristalline Schiefer wurde von Fritsch
4. Plagioklas, Aktinolith bis Magnesio-Hornblende, et al. (1967) vorgelegt. Derzeit bemüht sich eine IUGS-
Epidot, Chlorit, Biotit, Quarz, Titanit. Subkommission um eine allgemein akzeptierte Nomen-
klatur der metamorphen Gesteine (Schmid et al. 2002).
Wegen der geringen Mächtigkeit der ozeanischen Erd-
kruste von ca. 5–6 km (Abschn. 27.2.1, S. 481f) sind die Drü-
cke der Ozeanbodenmetamorphose gering. Die notwendi- 24.3.1
gen Temperaturen werden erreicht, weil in den mittelozea- Regionalmetamorphe Gesteine
nischen Rücken – bedingt durch das ständige Aufdringen
basaltischer Magmen – ein übernormal großer geothermi- Tonschiefer
scher Gradient herrscht (Abb. 26.9, S. 459). Demgegenüber
findet in den übrigen Bereichen der ozeanischen Kruste Tonschiefer (engl. slates) sind äußerst schwach metamor-
keine Metamorphose statt, da dort ein normaler geother- phe (anchimetamorphe) tonige Gesteine mit ausgeprägter
mischer Gradient herrscht, so dass an der Krustenbasis Schieferung (engl. slaty cleavage), die oft die ehemalige
lediglich Temperaturen von 100–200 °C erreicht werden. Ein Schichtung transversal schneidet. Die sehr feinkörnigen Ge-
wichtiges Kennzeichen der Ozeanbodenmetamorphose steine sondern in dünnen Platten (Dachschiefer, Tafelschie-
sind charakteristische Veränderungen des Gesteins-Che- fer) oder nach zwei sich kreuzenden Schieferungen stängelig
mismus durch Stoffaustausch mit zirkulierendem, erhitz- ab (Griffelschiefer). Hauptgemengteile sind Schichtsilikate
tem Meerwasser. Diese Vorgänge werden in Abschn. 24.6.3 (Sericit, Chlorit) sowie Quarz und/oder Karbonate. Ihr Men-
(S. 421f) näher behandelt. Sie führen auch zur Entstehung genanteil hat großen Einfluss auf die technischen Eigen-
von Black und White Smokers und zur hydrothermalen Erz- schaften und damit auf die praktische Verwendung von
bildung am Ozeanboden (Abschn. 21.5.1, S. 329ff). Tonschiefern. So sind Dachschiefer, die z. B. im Harz, im
Thüringischen und im Rheinischen Schiefergebirge über
24.3 24.3 Jahrhunderte abgebaut wurden, relativ quarzreich. Biswei-
Nomenklatur der regional- und len führen Tonschiefer Porphyroblasten von Pyrit, z. B. die
kontaktmetamorphen Gesteine Ballachulish Slates in Schottland.
Phyllite
Die Nomenklatur metamorpher Gesteine stützt sich
ziemlich konsequent auf Gefüge und Mineralbestand. Als Phyllite bezeichnet man feinkörnige, sehr dünnschie-
Zur Kennzeichnung des Gefüges dienen wenige Sam- ferige Gesteine, deren Schichtsilikate als zusammenhängen-
melbegriffe wie Phyllit, Schiefer, Gneis, Granulit oder der Überzug in der Schieferungsebene erscheinen; diese
Fels; diese werden durch Hinzufügen charakteristischer
Minerale und/oder besonderer Gefügeeigenschaften
präzisiert, z. B. Staurolith-Glimmerschiefer, Flasergneis.
weisen daher einen charakteristischen Seidenglanz auf. Gesteine mit Schiefer-Gefüge spalten vorzüglich in
Häufig beobachtet man eine Feinfältelung, oft begleitet Millimeter- bis Zentimeter-dünne Scheiben nach
von einer Runzelschieferung (engl. crenulation cleavage). den Schieferungsflächen (S) oder in dünne Stängel
Das Korn ist im Mittel etwas gröber als bei Tonschiefern, nach den Faltenachsen (B); Gesteine mit Gneis-
aber feiner als bei Glimmerschiefern. Abgesehen von ein- Gefüge spalten in Zentimeter- bis Dezimeter-dicke
zelnen Porphyroblasten – z. B. Albit, Chloritoid, Karbo- Platten parallel S oder in zylindrische Körper paral-
nat – können die Mineralgemengteile nicht mit der Lupe lel B: Schiefer spalten in dünnere Scheiben als Gnei-
erkannt werden. Am Mineralbestand sind feinschuppige se (Wenk 1963).
Schichtsilikate (Blättchendurchmesser < 0,1 mm) insbe-
sondere Hellglimmer (Sericit, Paragonit), Chlorit, seltener
Biotit zu >50 Vol.-% beteiligt. Zweitwichtigster Gemengteil Gneise
ist Quarz, ferner können Albit, Chloritoid, Granat (Spessar-
tin-Almandin-reich), Calcit, Dolomit, Ankerit u. a. Minera- Gneise (engl. gneiss) sind demnach mittel- bis grobkör-
le beteiligt sein, z. T. auch namengebend: Albitphyllit, nige, feldspatreiche Gesteine mit ausgeprägtem Gneis-
Chloritoidphyllit. Phyllitische Gesteine mit 50–80 Vol.-% Gefüge. Typisch ist ein Lagengefüge, bei dem sich helle,
Quarz heißen Quarzphyllite, solche mit Karbonatgehalten granoblastische (s. Abschn. 24.4.2, S. 408f) Bereiche aus
von 10–50 Vol.-% Karbonatphyllite oder Kalkphyllite. Aus- Quarz und Feldspäten mit dunkleren Lagen oder Sträh-
gangsmaterial: Pelitische, Al-reiche Sedimente, wie Tone, nen abwechseln. Diese bestehen vorwiegend aus Glim-
Ton- und Siltsteine, Al-reiche Grauwacken, z. T. mit mern (auch Chlorit) oder Amphibolen und können als
kieseligen oder karbonatischen Beimengungen. charakteristische Nebengemengteile Granat, Cordierit,
Kyanit, Sillimanit, Epidot u. a. führen.
Glimmerschiefer Gneise im engeren Sinne führen Kalifeldpat, der daher
im Gesteinsnamen nicht gesondert erwähnt werden muss:
Glimmerschiefer (engl. mica schists) sind mittel- bis grob- z. B. Muscovit-Biotit-Gneis, Cordierit-Sillimanit-Gneis.
körnige metapelitische Gesteine mit ausgeprägtem Kalifeldspat-freie Gneise sollten als Plagioklas-Gneise
Schieferungsgefüge. Im Gegensatz zu den Phylliten können bezeichnet werden, z. B. Staurolith-Granat-Plagioklas-
die einzelnen Gemengteile meist schon mit freiem Auge Gneis, Hornblende-Plagioklas-Gneis, Muscovit-Chlorit-
oder der Lupe erkannt werden. Glimmer, insbe- Albit-Gneis. In hochdruckmetamorphen Gesteinen kann
sondere Muscovit und Biotit, seltener Paragonit sind zu die An-Komponente von Plagioklas vollständig zu Lawso-
mehr als 50 Vol.-% am Modalbestand beteiligt, in zweiter nit, die Ab-Komponente zu Jadeit + Quarz abgebaut wer-
Linie Quarz. Charakteristische Nebengemengteile können den. Auf diese Weise entstehen z. B. Jadeitgneise.
namengebend sein, z. B. Granat-Glimmerchiefer, Staurolith- Verbreitet in der regionalen Literatur sind Gefüge-
Glimmerschiefer (Abb. 24.12a) u. a. Quarz-Glimmerschie- bezeichnungen wie Flaser-, Stängel-, Platten-, Körnel-,
fer enthalten 50–80 Vol.-% Quarz, Kalk-Glimmerschiefer 10– Perl-, Streifen- oder Lagengneis.
50 Vol.-% Karbonate (Calcit, Dolomit, Ankerit). Das Aus- Ausgangsmaterial: Granite, Granodiorite, Tonalite,
gangsmaterial ist das gleiche wie bei den Phylliten. Trondjhemite, Syenite, Arkosen, Grauwacken, Feldspat-
Typische Glimmerschiefer enthalten nur wenig Feld- Sandsteine. Bei höherem Metamorphosegrad nimmt
spat; die Grenze liegt bei etwa 20 Vol.-%. Kristalline Schie- auch in metapelitischen Stoffbeständen der Anteil von
fer mit höheren Feldspatgehalten wurden im deutschen Gneisen auf Kosten der Glimmerschiefer zu, weil der
Schrifttum traditionell als Gneis bezeichnet. Es gibt je- Feldspatgehalt infolge von Entwässerungsreaktionen
doch auch metamorphe Gesteine mit hohem Feldspat- größer wird. So reagieren nach Gleichung (24.5a) Mus-
gehalt, die ein typisches Schiefergefüge aufweisen. Diese covit und Quarz unter Bildung von Kalifeldspat + Silli-
sollten daher ebenfalls als Schiefer bezeichnet werden, manit + H2O. Gneise mit sedimentärem Ausgangsma-
wie das im angelsächsischen und z. T. im alpinen Schrift- terial werden als Paragneise, solche magmatischer Her-
tum seit langem üblich ist (Wenk 1963). kunft als Orthogneise oder spezifischer z. B. als Granit-
gneise bezeichnet.
Marmore wurden früher als Werkstein in der Außen- Blauschiefer, Glaukophanschiefer, Glaukophanit
und Innenarchitektur von Repräsentativbauten einge-
setzt; heute werden sie vorwiegend zur Herstellung von Blauschiefer (engl. blueschists) sind tiefblau bis grünlich-
Wand- und Bodenplatten abgebaut. Reine Marmore fin- blau gefärbte Metabasite, die charakteristisch für die
den technische Verwendung als Statuenmarmor; be- Hochdruckmetamorphose sind. Sie bestehen überwie-
rühmte Vorkommen liegen bei Carrara in der Toskana gend aus Glaukophan neben Pumpellyit, Lawsonit, Chlo-
(Italien), wo z. B. die Handelssorten statuario und rit, phengitischem Hellglimmer und Albit; bei höheren
arabescato gewonnen werden, auf der Kykladen-Insel Temperaturen treten auch Almandin-Granat sowie
Paros (Griechenland) und am Pentelikon-Gebirge Epidot anstelle von Lawsonit (Abb. 24.12c), bei höheren
bei Athen. Drücken tritt Jadeit anstelle von Albit auf. Infolge der
bevorzugten Orientierung der Glaukophan-Nadeln // S,
Kalksilikat-Felse und Kalksilikat-Gneise z. T. auch // B besitzen diese Gesteine eine ausgeprägte
Schieferung mit plattiger oder stängeliger Absonderung;
Steigt der Silikat-Anteil auf >50 Vol.-%, so gehen Silikat- sie können aber auch massig entwickelt sein und sollten
Marmore in Kalksilikat-Felse (engl. calc-silicate rocks) dann mit dem gefügeneutralen Namen Glaukophanit
oder in Kalksilikat-Gneise (diese mit ausgeprägtem bezeichnet werden. Ausgangsmaterial: basische Vulka-
Lagengefüge) über. Sie bestehen überwiegend aus Ca- nite und Plutonite wie bei den Amphiboliten.
und Ca-Fe-Mg-Silikaten wie Pyroxen der Diopsid-He-
denbergit-Reihe, Grossular-Andradit-Granat, Vesuvian, Eklogit
Tremolit, Wollastonit ± Quarz und wechselnden Gehal-
ten an Calcit. Ausgangsgesteine sind unreine Kalksteine Eklogite sind mittel- bis grobkörnige, massige oder ge-
und Mergel. Fe-reiche Kalksilikat-Felse bezeichnet man bänderte Metabasite bestehend aus grünem Omphacit
als Skarn (s. unten). (Augit-Jadeit-Mischkristall) und Granat (Almandin-Pyrop-
reich mit merklichem Grossular-Anteil); Nebengemeng-
Amphibolite teile sind Quarz, Kyanit, Zoisit, Phengit und Rutil. In Ek-
logiten, die mit Blauschiefern assoziiert sind, kann Epidot
Amphibolite sind mittel- bis grobkörnige Metabasite, die anstelle von Zoisit, Titanit anstelle von Rutil auftreten; un-
überwiegend aus Amphibol (meist grüne oder braune ter sehr hohen Drücken gebildete Eklogite erkennt man an
Hornblende) + Plagioklas bestehen. Diopsid-reicher Py- Relikten von Coesit. Eklogite enstehen im Zuge der Hoch-
roxen, Granat, Epidot oder Zoisit, Biotit und Quarz sind druck- und Ultrahochdruck-Metamorphose aus Basalten
häufig vorhanden und können bei höheren Gehalten na- oder Gabbros. Ihre Gesteinsdichte ist mit 3,3–3,5 g/cm3
mengebend sein, z. B. Epidot-Amphibolit. Die Amphibole merklich höher als die von Basalt (ca. 3,0 g/cm3).
sind meist eingeregelt und definieren so eine ausgeprägte
Schieferung, die zu plattiger Absonderung des Gesteins Serpentinite und andere ultramafische Metamorphite
führt; sind die Amphibole zusätzlich // der B-Achsen ein-
geregelt, sondert der Amphibolit stängelig ab. Daneben Serpentinite sind dichte, massige bis schiefrige ultramafi-
gibt es auch massige Amphibolite ohne Paralleltextur. Bei sche Metamorphite, die vorwiegend dunkelgrün gefärbt
Gehalten von >20 Vol.-% Quarz spricht man von Horn- sind. Sie bestehen überwiegend aus den Serpentin-Mine-
blende-Plagioklas-Gneisen. Hornblendefelse oder Horn- ralen Lizardit, Antigorit oder Chrysotil (Abb. 24.12d) und
blendeschiefer sind sehr arm an Plagioklas oder plagio- enthalten häufig Magnetit, Talk, Chlorit, Amphibol und
klasfrei. Ausgangsgesteine der Amphibolite sind ganz Karbonate. Häufige Mineralrelikte von Olivin, Orthopyro-
überwiegend Basalte und Andesite bzw. deren Tuffe so- xen, Diopsid-reichem Klinopyroxen und Pyrop-reichem
wie Gabbros. Granat zeigen, dass Serpentinite durch retrograde Metamor-
phose von Peridotiten gebildet wurden, wobei es zu starker
Grünschiefer H2O-Aufnahme kam. Umgekehrt führt die prograde Meta-
morphose von Serpentiniten zu Entwässerungsreaktionen
Grünschiefer (engl. greenschist) ist ein Sammelbegriff und zur Neubildung von Olivin, Pyroxenen und Granat.
für grün gefärbte, feinkörnige Metabasite mit ausgepräg- Technische Verwendung: Geschliffene und polierte
ter Schieferung, oft auch Kleinfältelung, die im Wesent- Serpentinite werden für Fassadenplatten, besonders im
lichen aus den grünen Mineralen Chlorit, Epidot und Innenausbau, und zur Herstellung kunstgewerblicher
Aktinolith sowie aus Sericit, Albit ± Quarz ± Karbonat Gegenstände verwendet.
bestehen. Nicht geschieferte Metabasite der gleichen Durch metasomatischen Stoffaustausch zwischen Ser-
Zusammensetzung werden im Englischen als greenstones pentiniten einerseits und Pegmatiten, Graniten oder
bezeichnet. Ausgangsgesteine sind basische Vulkanite Granitgneisen andererseits entstehen nahezu mono-
und Plutonite wie bei den Amphiboliten. mineralische ultramafische Metamorphite wie Talkschie-
406 24 · Metamorphe Gesteine
Abb. 24.14.
a Ultramafischer (Mg-reicher) Hornfels,
entstanden aus kontaktmetamorph über-
prägtem Serpentinit. Gemengteile: Fin-
gerförmige Porphyroblasten von Olivin
(dunkel im Bild), Talk (hell) und etwas
Magnetit (opak). Kirchbühl bei Erben-
dorf (Oberpfalz). Bildbreite ca. 12 mm.
b Pyroxenhornfels (sog. Beerbachit) mit
gleichkörnigem Gefüge, durch kontakt-
metamorphe Überprägung eines Amphi-
bolits entstanden. Gemengteile: An-reicher
Plagioklas (hell), Hypersthen und Diopsid
(dunkel) sowie Magnetit und Ilmenit
(opak). Magnetsteine bei Nieder-Beerbach
(nördlicher Odenwald). Bildbreite ca.
5 mm. (Zeichnung: K.-P. Kelber)
fer, Chloritschiefer, Aktinolithschiefer und Biotitschiefer. Ultramafische (Mg-reiche) Hornfelse (Abb. 24.14a):
Solche sog. Blackwall-Assoziationen (Abschn. 24.6.1, Olivin, Talk, Amphibol (Tremolit, Cummingtonit/An-
S. 419f) sind wichtige Muttergesteine für die Edelstein- thophyllit), Enstatit, ±Chlorit, ±Spinell; Ausgangs-
Minerale Smaragd und Alexandrit. material: Serpentinit.
24.3.2 Skarn
Kontaktmetamorphe Gesteine
Skarne entstehen aus Kalksteinen und Dolomiten durch
Hornfels metasomatischen Stoffaustausch im Kontakt mit mag-
matischen Intrusionen. Sie sind in der Regel grobkörnig
Hornfelse i. e. S. sind massige, dicht- bis feinkörnige und führen hauptsächlich Ca-Fe-Silikate wie Hedenber-
Gesteine, die durch eine periplutonische Kontaktme- git, Fe-reiche Amphibole, Andradit-reichen Granat, Epi-
tamorphose gebildet wurden. Sie zeigen splitterigem dot, dazu seltenere Silikate, verwachsen mit sulfidischen,
Bruch, wobei die Splitter an den Kanten durchscheinend oxidischen oder anderen Erzmineralen. In den USA wer-
sind: daraus leitet sich die Bezeichnung „Hornfels“ ab. den Skarne auch als Tactite bezeichnet. Skarnerz-
Sie sind vollständig zu einem granoblastischen Mosaik- lagerstätten haben z. T. große wirtschaftliche Bedeutung
Gefüge umkristallisiert. Manche Hornfelse sind schwach (Abschn. 21.3.1, S. 320f).
porphyroblastisch. Primär geregelte Gefüge des Ausgangs-
gesteins, z. B. Schichtung bei Sedimentgesteinen oder Schie- Knoten-, Fleck-, Frucht- und Garbenschiefer
ferung bei Tonschiefern, werden durch die kontaktmeta-
morphe Überprägung weitgehend entregelt. Bei der niedriggradigen Kontaktmetamorphose ist die
Im erweiterten Sinn bezeichnet man jedes Gestein, das Umkristallisation unvollständig und die Entregelung des
unter Bedingungen der mittel- bis hochgradigen Kon- Gefüges unterbleibt. Daher ist das ehemalige Schiefe-
taktmetamorphose gebildet wurde, als Hornfels. rungsgefüge von Tonschiefern oder Phylliten noch weit-
Je nach Chemismus des Ausgangsgesteins und dem gehend erhalten. Das namengebende Schiefer-Gefüge ist
Mineralbestand lassen sich unterscheiden: also ein Reliktgefüge. Im feinkörnigen Grundgewebe bil-
den sich auf den Schieferungsebenen Porphyroblasten
metapelitische Hornfelse: Andalusit/Sillimanit, Cordi- in Form von Knoten, Flecken, Getreidekörnern (daher
erit, Biotit, Muscovit oder Kalifeldspat, Quarz, ±Pla- „Fruchtschiefer“) oder garbenartigen Aggregaten, die aus
gioklas, z. B. Andalusit-Cordierit-Hornfels; Ausgangs- Cordierit, Andalusit (Varietät Chiastolith), Biotit oder
material: Tonsteine, Tonschiefer. Chlorit bestehen (Abb. 24.3, S. 387). Bei mergeligen Schie-
Kalksilikat-Hornfelse: Diopsid, Grossular, Vesuvian, fern entstehen garbenförmige Porphyroblasten von Am-
Wollastonit, Epidot, ±Plagioklas, ±Calcit; Ausgangs- phibol. Das makroskopische Aussehen des Grundge-
material: mergelige Kalksteine, Kalkmergel. webes wird durch zusammenhängende Hellglimmer-
Hornblende-Hornfels: Hornblende, Plagioklas, ±Bio- Schichten bestimmt.
tit; Pyroxen-Hornfels: Orthopyroxen und/oder Klino- Spilosit, Desmosit und Adinol sind durch Na-Meta-
pyroxen, Plagioklas (Abb. 24.14b). Ausgangsmaterial: somatose albitisierte tonige Gesteine im Kontakt mit
basaltische Gesteine und deren Tuffe, Amphibolite. basaltischen Lagergängen (Abschn. 24.6.1, S. 419).
24.4 · Das Gefüge der metamorphen Gesteine 407
Abb. 24.15.
Trogförmige Schrägschichtung
und Strömungsmarken (flute
casts, oberhalb des Taschen-
messers) in Staurolith- und
Sillimanit-führenden Metatur-
biditen der Kuiseb-Formation,
Damara-Gürtel, Khomas-Hoch-
land (Namibia). (Foto: P. Kukla)
408 24 · Metamorphe Gesteine
Wechsellagerung von Metamorphiten unterschiedlicher Zu- schen Gesteinen häufig auftritt. Metamorph gebildete
sammensetzung, z. B. von Glimmerschiefern und Marmo- Großkristalle stellen keine Einsprenglinge dar, die früh
ren auf eine ehemals sedimentäre Anlage zurückführen. aus einer Schmelze auskristallisiert sind, sondern sie sind
Hinweise auf magmatische Ausgangsgesteine liefern als Porphyroblasten in einem bereits kristallisisierten
ebenfalls reliktische Verbandsverhältnisse, z. B. von ehema- Grundgewebe gewachsen. Sie enthalten häufig Einschlüs-
ligen Gängen oder Lagergängen mit ihrem Nebengestein. se von Mineralen, die auf dem prograden Metamorphose-
Pillow-Gefüge, wie sie in den Hochdruckgesteinen bei Zer- pfad gebildet wurden (Internrelikte). Einschlussreihen im
matt im Wallis (Schweiz) modellhaft aufgeschlossen sind, Innern von Porphyroblasten können mitunter ein älte-
weisen auf submarine Basalte als Ausgangsgesteine hin. res, helizitisches Gefüge abbilden, z. B. eine ältere Schie-
Orthogneise, die sich von Graniten, Granitporphyren oder ferung oder Feinfältelung. Helizitische Gefüge sind für
Rhyolithen mit porphyrischem Gefüge ableiten lassen, ent- die Aufklärung älterer Vorgänge bei der Gesteinsmeta-
halten häufig augenartige Porphyroklasten von Kalifeldspat, morphose genetisch wertvoll. Auf dem retrograden Me-
die als Inseln in blastomylonitischen Gefügebereichen er- tamorphosepfad werden die Gleichgewichtsparagenesen
halten geblieben sind (sog. Kern-Mantel-Gefüge). Beispiele des Metamorphosehöhepunktes abgebaut, und zwar
sind die Rotgneise des Sächsischen Erzgebirges und ähnli- meist unvollständig (Abschn. 24.1.1, S. 380f). Vergleich-
che Gesteine im mitteleuropäischen Varistikum, z.B. der Gold- bare Mineralfolgen können auch verschiedene Metamor-
bacher Orthogneis im Vorspessart oder die „Porphyroide“ phoseakte einer Polymetamorphose dokumentieren.
des sächsisch-thüringischen Kristallins, aber auch die Zen-
tralgneise des Tauern-Fensters (Ostalpen). Gabbroide Gefüge- Ein metamorphes Gefüge ist granoblastisch (lat. granum = Korn),
relikte zeigen z. B. die sog. Flasergabbros in der Münchber- wenn die vorherrschenden Minerale eine isometrische Gestalt be-
sitzen und keine bevorzugte Wachstumsrichtung auftritt. Blatt-,
ger Gneismasse (im Nordosten Bayerns) oder auf den In- stängel- oder faserförmige Kristalle und die durch sie dominierten
seln Syros und Samos im Blauschiefer-Gürtel der Kykladen. Gefüge wurden in der Nomenklatur von Becke als lepidoblastisch,
In Amphiboliten finden sich gelegentlich Relikte von ehe- nematoblastisch oder fibroblastisch bezeichnet. Diese Begriffe sind
maligen Klinopyroxen-Einsprenglingen, z. B. im Odenwald, jedoch überflüssig und sollten nicht mehr verwendet werden (Pas-
oder von ehemaligem ophitischen Gefüge, z. B. im Spessart. schier u. Trouw 1996, S. 47). Das gleiche gilt für die Bezeichnungen
idioblastisch, subidioblastisch und xenoblastisch für metamorphe
Minerale, die durch kristallographische Wachstumsflächen begrenzt
24.4.2 sind bzw. wo diese fehlen. Hier genügen die Begriffe idiomorph (engl.
Das kristalloblastische Gefüge euhedral), subidiomorph (subhedral) und xenomorph (anhedral).
Wie der Wiener Petrograph Friedrich Becke (1903) als ers- Bereits Becke (1903) hatte die wichtigsten metamor-
ter erkannte, führt die metamorphe Umkristallisation, die phen Minerale nach abnehmender Formenergie zu ei-
unter wesentlicher Erhaltung des festen Zustands erfolgt, ner kristalloblastischen Reihe angeordnet. Formenergie
zu anderen Gefügebildern als die Kristallisation aus einer ist die Fähigkeit eines Minerals, seine eigene Kristallform
Schmelze. Bei der magmatischen Erstarrung ist zunächst gegen den Widerstand der umgebenden Minerale aus-
ein ungehindertes Wachstum der früh ausgeschiedenen zubilden. Zu idiomorpher Entwicklung neigen besonders
Kristalle möglich, während bei der Metamorphose die ein- Inselsilikate wie Granat, Titanit, Staurolith, Kyanit, An-
zelnen Mineralindividuen in enger Berührung und in Kon-
kurrenz zu ihren Nachbarn wachsen müssen. Becke bezeich-
nete diesen Gefügetypus als kristalloblastisch (grch.
βλάστη = Spross). Da die Metamorphose überwiegend
unter erhöhten Drücken stattfindet, sind metamorphe Ge-
steine stets kompakt, niemals blasig oder zellig. Bei der
Metamorphose kommt es nicht zur Abschreckung von
Gesteinsschmelzen; deswegen sind metamorphe Gesteine
stets holokristallin und enthalten keine Skelettkristalle.
Lediglich Pseudotachylite können Gesteinsglas enthalten.
dalusit, Zirkon oder Topas, aber auch Pyrit, Magnetit oder Mineralgruppen (Passchier und Trouw 1996). Bei der
Spinell. Bei Ketten- und Schichtsilikaten sind ebene Deformation von Gesteinen spielen gleitende Teilbe-
Wachstumsflächen nur noch teilweise entwickelt, so {110} wegungen entlang von Scharen paralleler Gleitebenen,
bei Amphibolen oder {001} bei Glimmern und Chlorit. die laminare Gleitung, eine besonders wichtige Rolle.
Trigonale Karbonate bilden als Porphyroblasten das Das deformierte Gestein gleitet dabei in einzelnen
Rhomboeder {1011} aus. Xenomorph sind meist Gerüst- dünnen zusammenhaltenden Lamellen. Dabei unter-
silikate wie Quarz, Feldspäte und Cordierit entwickelt. scheidet man zwischen homogener und inhomogener
Metamorphe Gefüge werden auch nach der Art der Deformation, deren Kennzeichen man in folgender
Kornverwachsung charakterisiert. Polygonal-Gefüge Weise anschaulich machen kann (Abb. 24.17): Auf dem
(Abb. 24.16a–c) treten verbreitet in Gesteinen mit grano- Schnitt eines dicken broschierten Buches werden Figu-
blastischem Gefüge, wie Hornfelsen (24.14b), Quarziten, ren aufgezeichnet. Wenn man den Rücken des Buches
Marmoren (Abb. 24.13), glimmerarmen Gneisen und Gra- nach oben biegt, beobachtet man die Deformation der
nuliten auf. Bei ausgereiften granoblastisch-polygonalen aufgemalten Figuren.
Gefügen berühren sich häufig drei Körner in Tripelpunk- Im rechten, nicht gebogenen Teil des Buches ist jedes
ten unter Winkeln von annähernd 120° (Abb. 24.16a). Blatt gegenüber dem darüber liegenden um einen bestimm-
Dekussate (gekreuzte) Gefüge beobachtet man bei der ten Betrag nach links geglitten; es ist homogen deformiert.
Verwachsung von länglichen Körnern, z. B. Amphibolen
oder Glimmern, die beliebig orientiert sind (Abb. 24.16d). Bei homogener Deformation bleiben gerade, parallele
In anderen Fällen kommt es zu einer innigen Durchdrin- Linien bzw. Flächen gerade und parallel, Parallelo-
gung unterschiedlicher Mineralarten. Oft enthalten Por- gramme bleiben Parallelogramme, Parallelepipede
phyroblasten, z. B. von Albit, Granat oder Staurolith so bleiben Parallelepipede; Kreise werden zu Ellipsen,
zahlreiche Einschlüsse älterer Minerale, dass ein sieb- Kugeln zu Ellipsoiden verformt (Sander 1950).
artiges Gefüge resultiert. Dieses wird als poikoblastisch Bei inhomogener Deformation, wie man sie im linken
(grch. πόικιλος = verschieden) bezeichnet (Abb. 24.16e). Teil des Buches beobachtet, ist das nicht mehr der Fall:
Retrograde Abbaureaktionen führen häufig zu lamella- Hier sind die Seiten des Buches gefaltet, wobei die Ge-
ren oder wurmartigen Verwachsungen von zwei oder raden verbogen und Kreise zu gekrümmten Figuren –
mehr Mineralphasen, die man ganz allgemein als nicht zu Ellipsen – deformiert sind.
Symplektite bezeichnet. Myrmekite sind Symplektite aus
Plagioklas und wurmartigem Quarz in Kontakt mit Ka- Wie in unserem Modell gehen homogene Defor-
lifeldspat. Feinverwachsene, polymineralische oder mo- mationen auch in der Natur leicht in inhomogene
nomineralische Reaktionsprodukte können ein Mineral- Deformationen über, die meist größere Gesteinsvolu-
korn radialstrahlig umgeben; man spricht dann von Ko- mina erfassen als die homogenen. Hierzu gehören
rona-Gefügen; ein Spezialfall ist der Kelyphit (grch. Faltungen durch Biegungen wie die Biegegleitfalten
κέλυϕος = Nussschale), eine feinstrahlige Reaktionszone (Abb. 24.17b, links). Porphyroblasten beginnen zu rol-
aus Klinopyroxen oder Amphibol + Spinell um Pyrop- len; schichtweise angeordnete helizitische Einschlüsse
reichen Granat gegen Olivin (Abb. 24.16f). lassen oft die Ausgangslage des Porphyroblasten erschlie-
ßen und Rotationsachse und Rotationswinkel bestimmen
24.4.3 (Abb. 24.22, S. 411).
Gefügeregelung bei metamorphen Gesteinen Grundsätzlich können wir bei der homogenen Defor-
mation zwei verschiedene Arten von Scherung unter-
Grundbegriffe scheiden, die einfache und die reine Scherung. Zwischen
diesen gibt es jedoch meist Übergänge, die allgemeine
Durch Umkristallisation unter statischen Bedingungen, Scherung.
wie sie meist bei der Kontaktmetamorphose vorliegen,
entsteht ein richtungsloses Gefüge, bei dem keine bevor-
zugte Regelung der Kristalloblasten festzustellen ist. Da-
gegen erfolgt die Regionalmetamorphose meist unter
gerichtetem Druck (differentiellem Stress); es kommt
zur Verformung (strain) und damit zur Gefügeregelung.
Durch Strain wird die Form eines Gefügeelements ver-
ändert, z. B. wird eine Kugel zu einem Ellipsoid verformt,
dem Strain-Ellipsoid mit den Hauptachsen X, Y und Z.
Der Begriff der Deformation ist weiter gefasst; Deforma- Abb. 24.17. Laminare Gleitung an den Blättern eines Buches:
tionsvorgänge führen darüber hinaus zur Translation a undeformiert; b verformt: rechts homogene und links inhomo-
und Rotation von Gefügeelementen, wie Mineralen oder gene Deformation. (Nach Sander, aus Eskola 1939)
410 24 · Metamorphe Gesteine
Bei der einfachen Scherung (engl. simple shear) erfolgt quarzen in manchen Granuliten der Fall ist. In beiden
die Deformation parallel zu einer Ebene konstanter Fällen verläuft die Deformation parallel zu den Ach-
Orientierung, die unter einem Winkel zu den Achsen sen des Strain-Ellipsoids, ist also koaxial (Abb. 24.18b).
der Verkürzung Z und der Streckung X liegt. Die Teil-
chen eines Gefügeelements bewegen sich auf paralle- Die Gefügekoordinaten eines tektonisch deformier-
len Bahnen parallel zu den Scherflächen und die Ach- ten Gesteins werden auf ein rhombisches Achsenkreuz
sen X und Z des Strain-Ellipsoids rotieren in Scher- mit den Achsen x, y und z bezogen, die manchmal, häu-
richtung. Dementsprechend verläuft die einfache fig jedoch nicht mit den Hauptachsen XYZ des Strain-
Scherung nicht-koaxial zu X und Z (Abb. 24.18a). Ellipsoids zusammenfallen. In unserem Beispiel ist die
Gute Beispiele sind die Scherung eines Kartensta- Gleitebene (Scherfläche) xy als Schieferungsebene sicht-
pels in einer Richtung oder der Seiten eines Buches bar; y (= B) ist die Fältelungsachse, die senkrecht auf xz
(Abb. 24.17b, rechts). steht (Abb. 24.19). Zur Bezeichnung der verschiedenen
Bei der reinen Scherung (engl. pure shear) werden die Flächenlagen im Achsenkreuz xyz verwendet man die
Gefüge-Elemente in Richtung der X-Achse des Strain- kristallographischen Indizes hkl (Abb. 1.7, S. 9). Flächen
Ellipsoids verkürzt, senkrecht dazu ausgedehnt; die in der Zone parallel zur y-Achse werden z. B. als (h0l)-
Teilchen bewegen sich auf gekrümmten Bahnen, die Flächen bezeichnet. Petrographische Dünnschliffe von
symmetrisch zu den Achsen des Strain-Ellipsoids ver- metamorphen Gesteinen sollten stets in den Ebenen xz
laufen. Dabei führt eine Streckung in X (X > Y = Z) zu (d. h. ⊥ y) und/oder yz angelegt werden, um aussage-
prolater (zigarrenartiger) Form, während eine kräftige Informationen über die Gefügemerkmale eines
Plättung nach YX (Z < Y = X) oblate (pfannkuchen- Gesteins zu gewinnen.
artige) Formen erzeugt, wie das z. B. bei den Platten-
Arten der Gefügeregelung
Lineare Parallelgefüge (mit B-Achsen): Sie treten Einschlusswirbel, die entgegen dem Uhrzeigersinn (Pfei-
in metamorphen Gesteinen ebenfalls häufig auf. le) rotiert sind und damit den Drehsinn sichtbar machen.
Lineationen entstehen z. B. als Rutschstreifen auf Har- Es folgt im Stadium (6) ein posttektonisches Wachstum
nisch-Flächen, durch Formregelung langgestreckter in einem Randsaum, der von der Deformation nicht mehr
Minerale, durch Streckung von Gefügeelementen beeinflusst wurde (vgl. hierzu Robyr et al. 2007).
(Streckungslinear), z. B. Geröllen, durch Überschnei- Demgegenüber werden die helizitischen Einschluss-
dung von zwei verschiedenen Schieferungsebenen, reihen lediglich gedreht, wenn ein Porphyroblast post-
durch Fältelungen und Crenulationen (Runzelungen); kristallin deformiert wird. Bei posttektonischer Kristal-
auch Faltenachsen können sich als Lineationen be- lisation bleibt die – gerade oder gefältelte – Anordnung
merkbar machen. der Einschlüsse in einem Porphyroblasten in der glei-
chen Anordnung erhalten, wie sie vor der Kristallisation
Sehr häufig ist die Gesteinsmetamorphose mit bestand (Abb. 24.23, 24.24).
mehreren Deformationsphasen D 1 , D 2 , D 3 … ver-
knüpft, die sich in der Ausbildung unterschiedli-
cher Schieferungen S1, S2, S3 … oder Falten-Genera-
tionen F1, F2, F3 … äußern können. Dabei können die
verschiedenen Deformationen durchaus zu einem
einzigen prograden und retrograden Metamorphose-
zyklus gehören. In vielen Fällen entsteht bei der Faltung
der ersten Schieferung S1 eine zweite Schieferung S2
(Abb. 24.20).
Wie schon mehrfach betont, ist die Regionalmetamor- Abb. 24.21. Kennzeichen für postkristalline Deformation: a undu-
löse Auslöschung und Deformationsbänder in einem Quarzkorn;
phose durch ein vielfältiges Zusammenspiel von Defor- b Plagioklas mit gewellten Deformationszwillingen; c zerbrochener,
mations- und Umkristallisationsvorgängen gekennzeich- d fragmentierter Granat, jeweils von Glimmerbahnen (// S) um-
net. Häufig lässt sich die zeitliche Aufeinanderfolge die- flasert; e genickter Biotit. (Nach Spry 1983)
ser Prozesse durch sorgfältige Gefügestudien unter dem
Mikroskop zumindest teilweise entschlüsseln. Danach
kann die Kristallisation eines metamorphen Minerals
prätektonisch, syntektonisch oder posttektonisch in Be-
zug auf eine bestimmte Deformationsphase erfolgen. Prä-
tektonisch gewachsene Minerale können postkristallin
deformiert werden (Abb. 24.21). Beim syntektonischen
Wachstum eines Granat-Porphyroblasten, wie es in
Abb. 24.22b in einzelnen Stadien (1–5) schematisch dar-
gestellt ist, bilden die helizitischen Einschlüsse S-förmige
Deformationsmechanismen
werden, weil sich der Abstand zwischen zwei Gitter- Strainenergie, die einen Beitrag zur gesamten Freien
punkten nur um einen minimalen Betrag verändern lässt. Enthalpie des Systems leistet (Abschn. 25.1.3, S. 428ff).
Bei Stressentlastung kommt es zur Erholung und zur Diese ist proportional zur Versetzungsdichte, d. h. der
Wiederherstellung der ursprünglichen Kornform: das Gesamtlänge der Versetzungen bezogen auf ein bestimm-
Mineral wird elastisch deformiert. Wird dagegen der tes Gesteinsvolumen. Eine hohe Versetzungsdichte äu-
Stress längere Zeit aufrechterhalten, so wird die Fließ- ßert sich z. B. mikroskopisch in undulöser Auslöschung
grenze (engl. yield stress) überschritten und der Kristall bei gekreuzten Polarisatoren, wie man sie beim Quarz
muss sich plastisch verformen (Abb. 24.25a,c). Das ist nur häufig beobachtet (Abb. 24.21a). Um die Versetzungs-
möglich, wenn sich die relative Position der Atome und dichte und damit die innere Strainenergie zu minimie-
Atomgruppen in der Kristallstruktur dauerhaft verän- ren, treten Ordnungsmechanismen in Aktion, die man
dert, was durch das Wandern von Strukturdefekten ge- unter dem Begriff Erholung (recovery) zusammenfasst.
schieht. Dabei bleibt die Kristallstruktur als solche er- Dabei konzentrieren sich die Versetzungen immer
halten und es kommt auch nicht zum mechanischen mehr in bestimmten Zonen; dadurch entstehen Deforma-
Bruch (Abb. 24.26). tionsbänder (Abb. 24.21a), und schließlich zerfällt der
Kristall in Subkörner, die durch Kleinwinkelkorngrenzen
Jeder Kristall enthält Strukturdefekte, wobei sich Punktdefekte und (engl. subgrain boundaries) voneinander geschieden
Liniendefekte (Versetzungen) unterscheiden lassen. Bei Punktdefekten
fehlen Atome an bestimmten Punkten der Kristallstruktur, wodurch
werden.
Leerstellen entstehen, oder die Atome befinden sich auf Zwischen-
gitterplätzen. Baut man Teile von Gitterebenen zusätzlich in die Struk- Rekristallisation. Ein weiterer Prozess zur Minimierung der
tur ein, so entstehen Stufenversetzungen; verschiebt man einen Teil inneren Strain-Energie ist die Rekristallisation, bei der Kris-
der Kristallstruktur um einen Gitterblock, bilden sich Schrauben- talle mit niedriger Versetzungsdichte auf Kosten von sol-
versetzungen. Beide Versetzungstypen treten häufig kombiniert auf.
chen mit hoher Versetzungsdichte wachsen. Das kann durch
Richtung und Betrag der Gitterverschiebung werden durch den Bur-
gers-Vektor angegeben (z. B. Kleber et al. 1998). Korngrenzenwanderung oder durch Subkornrotation ge-
schehen. Allgemein werden die Prozesse der Erholung und
Das Wandern von Versetzungen bezeichnet man als Rekristallisation durch hohe Temperaturen begünstigt,
Versetzungsgleiten (engl. dislocation glide). Dieses wird während eine hohe Strain-Rate die Verzerrung von Kris-
behindert, wenn sich in der Kristallstruktur ein Fremd- tallstrukturen begünstigt und zur Erhöhung der Verset-
köper, z. B. ein Mineraleinschluss befindet. Das Hinder- zungsdichte führt. Dynamische Rekristallisation findet un-
nis kann jedoch dadurch überwunden werden, dass Leer- ter andauernder, statische Rekristallisation bei ausklingen-
stellen in die Versetzungsebene einwandern (Passchier der oder fehlender Deformation statt.
u. Trouw 1996, Abb. 13.10). Dadurch können die Verset- Ein idealer Kristall müsste unendlich groß sein. Da
zungen das Hindernis überklettern, ein Vorgang, der als das in der Realität nicht der Fall sein kann, stellen auch
Versetzungskriechen (engl. dislocation creep) bezeichnet die Korngrenzen bereits einen Strukturdefekt dar.
wird. Intrakristalline Deformation durch Versetzungs- Dementsprechend leistet auch die Oberflächenenergie
gleiten ist an bestimmte kristallographische Richtungen zur gesamten Freien Enthalpie des Systems einen
gebunden; sie führt daher zur Gitterregelung. Beitrag. Dieser wird erniedrigt, wenn der relative
Einige Minerale, insbesondere Plagioklas und Calcit, Flächenanteil der Korngrenzen reduziert wird (grain
lassen sich durch die Bildung von lamellaren Druck- boundary area reduction). Deshalb besteht bei der
zwillingen (Deformationszwillingen) verformen. Wäh- Rekristallisation metamorpher Gesteine eine starke
rend Wachstumszwillinge gerade oder gestufte Zwillings- Tendenz zur Ausbildung großer, polygonaler Kristalle
ebenen aufweisen, laufen Druckzwillingslamellen meist mit ebenen Korngrenzen. Bei Mineralen, die nur schwach
spitz zu und keilen aus, z. B. bei Plagioklas gegen die anisotrop sind, bei denen also die Oberflächenenergie
Kornmitte (Abb. 24.21b), beim Calcit zum Kornrand hin. wenig richtungsabhängig ist, wird die Ausbildung von
Wird in bestimmten Bereichen eines deformierten Gleichgewichtsgefügen begünstigt; hierbei treffen sich
Kristalls die Zahl der Stufen- und Schraubenversetzun- die Körner unter Tripelpunkten von nahezu 120°
gen erhöht, so kommt es zu einem Anstieg der inneren (Abb. 24.16a, S. 408). Das ist z. B. bei Quarz, Feldspäten,
Abb. 24.26.
Deformation eines Kristalls durch Bewe-
gung einer Stufenversetzung von links nach
rechts; dadurch wird die obere Hälfte des
Kristalls um eine Gitterkonstante nach
rechts verschoben. Zur Verdeutlichung ist
eine Gitterebene blau markiert; Blick-
richtung ⊥ zur Stufenversetzung.
(Nach Passchier u. Trouw 1996)
414 24 · Metamorphe Gesteine
Cordierit, Granat, Karbonaten, bei Pyrit und Magnetit Kristallstruktur oder entlang von Korngrenzen wandern.
der Fall. Demgegenüber ist die Oberflächenenergie bei Besonders in feinkörnigen Mineral-Aggregaten können
Amphibolen oder Glimmern stark anisotrop, so dass Kristalle aneinander vorbeigleiten, begünstigt durch eine
bevorzugt die Flächen {110} bzw. (001) ausgebildet intergranulare Fluid-Phase (grain-boundary sliding).
werden und dementsprechend die Winkel von 120° ab- Dieser Prozess spielt wahrscheinlich die Hauptrolle, wenn
weichen (Abb. 24.16b–d). Gesteine superplastisch deformiert werden. Der in der
Metallurgie geprägte Begriff der Superplastizität bezieht
Kristalloplastische Deformation. Bei sehr hohen Tempera- sich auf sehr feinkörnige Aggregate (<10 µm) von iso-
turen kann es zur kristalloplastischen Deformation durch metrischen Kristallen, die trotz Deformation unter sehr
Diffusionskriechen im festen Zustand (engl. solid-state hohen Strain-Raten keine starke Form- oder Gitter-
diffusion creep) kommen, bei dem Leerstellen durch die regelung aufgeprägt bekommen.
Abb. 24.27.
Metatektischer Migmatit, gesägte
und polierte Platte eines nordi-
schen Geschiebes. Als Paläosom
erkennt man (1) einen glimmer-
reichen, metapelitischen Para-
gneis (dunkel) mit vereinzelten
sandigen Lagen (Mitte links) und
(2) einen wesentlich Plagioklas-
reicheren Paragneis, der wohl auf
eine ehemalige Grauwacke zu-
rückgeht (ganz rechts und links
oben). Nach den Verbandsver-
hältnissen lassen sich zwei ver-
schiedene Leukosom-Typen un-
terscheiden: Der metapelitische
Paragneis enthält granitische Me-
tatekte, die lagenweise parallel
zur Schieferung eingeschaltet und
teilweise von dunklen Restit-
Lagen (Melanosomen) gesäumt
sind. Diese Metatekte sind durch
partielle Aufschmelzung des Para-
gneises entstanden, und zwar
wahrscheinlich in situ (Ektekte).
Demgegenüber geht ein zweiter Typ von granitischem Metatekt eindeutig mutlich auf einer Störung in den Gneisverband eingedrungen ist (Entekt).
auf eine Teilschmelze zurück, die von außen zugeführt wurde und ver- Mineralogisches Museum der Universität Würzburg. (Foto: K.-P. Kelber)
Abb. 24.28.
Diatektischer Migmatit in der
höchstgradigen Metamorphose-
zone des panafrikanischen Da-
mara-Orogens. Das inhomogen-
schlierige Fließgefüge mit Resten
von metatektischem Gneis ent-
stand durch einen partiellen Auf-
schmelzprozess vor ca. 530 Ma;
jüngere Granitgänge (rechts) in-
trudierten vor ca. 505 Ma (Kukla
et al. 1991; Jung und Mezger 2001).
Davetsaub, Khomas-Hochland,
Namibia. (Foto: P. Kukla)
24.5 · Bildung von Migmatiten durch partielle Anatexis 415
Der Schmelzanteil, der sich in einem metamorphen aus An-reichem Plagioklas und verschiedenen dunklen Gemeng-
Gestein unter einem gegebenen Druck zu bilden vermag, teilen als Reaktionsprodukten.
Grauwacken besitzen höhere Alkaligehalte als Tone. Sie began-
hängt nicht nur von der Höhe der erreichten Tempera-
nen deshalb unter dem gleichen H2O-Druck bereits bei 685 °C zu
tur und dem H2O-Gehalt ab, sondern auch von der pau- schmelzen, weil sich ihr Qz-Ab-Or-Verhältnis unter einem Druck
schalen Gesteinszusammensetzung, insbesondere vom von 2 kbar näher am Temperaturminimum M (Abb. 18.3, S. 289)
Mengenanteil an hellen und dunklen Gemengteilen und befindet. Mit ansteigender Temperatur änderte sich die Zusammen-
vom Quarz-Alkalifeldspat-Plagioklas-Verhältnis. So kann setzung der Schmelze wie im Fall des Tons von leukogranitisch über
normalgranitisch zu tonalitisch. Bei etwa 780 °C waren 70–95 %
bei geeigneten P-T-aH2O-Bedingungen ein granitischer
der ehemaligen Grauwacke aufgeschmolzen.
Orthogneis fast vollständig, ein Metapelit dagegen nur Ähnliche experimentelle Ergebnisse wurden an verschiedenen
partiell aufschmelzen. Daher können Metatexite und Biotit-führenden Meta-Sedimenten erhalten. So setzte bei einem
Diatexite in einem Kristallingebiet in enger Nachbar- Staurolith- und Granat-führenden Metapelit aus dem Spessart die
schaft nebeneinander auftreten. partielle Aufschmelzung unter einem H2O-Druck von 7 kbar bei
einer Temperatur von rund 660 °C ein. Das entspricht annähernd
Lagige Migmatite, die Metatexiten ähneln, können sich auch durch der Temperatur an der Soliduskurve eines Gemenges von Plagio-
metamorphe Segregation im Subsolidus-Bereich bilden. Wichtiges klas (An 30) + Quarz + H2O im Modellsystem Qz–Ab–An–H2O
Kriterium für die Anwesenheit einer Schmelze ist das diskordante (Johannes u. Holtz 1996, Abb. 6.1).
Verhalten von Leukosomen (z. B. Sawyer u. Barnes 1988).
Auf Orthogneise granitischer Zusammenetzung lässt sich
24.5.2 das vereinfachte Modellsystem Qz–Ab–Or–H2O anwenden;
Experimentelle Grundlagen für die anatektische Bildung in diesem beträgt die Temperatur des Schmelzminimums
von Migmatiten bei PH2O = 5 kbar etwa 640 °C (Abb. 18.3).
Die granitischen Erstschmelzen, die mit Erreichen der
Bei der partiellen Anatexis metamorpher Gesteine un- Solidus-Temperatur in einem metamorphen Gestein ent-
ter Anwesenheit von Wasser gehen hauptsächlich Quarz, standenen sind, kristallisieren zu einem Gemenge aus
Alkalifeldspat und Plagioklas in die Schmelze ein. Dem- Quarz + Kalifeldspat + Plagioklas aus; sie bilden die
gegenüber werden zunächst nur sehr geringe Mengen Leukosome eines Migmatits. Diese sind im Vergleich zum
von dunklen Gemengteilen in der Schmelze gelöst. Sie Paläosom an SiO2, Na2O und K2O angereichert, während
bilden zusammen mit einem Überschuss an Plagioklas gleichzeitig FeO, MgO und CaO im Melanosom relativ
und/oder Quarz sowie Biotit oder Hornblende und zunehmen.
Reaktionsprodukten wie Cordierit, Sillimanit, Granat Wie die experimentellen Untersuchungen im einfachen
oder Pyroxen das kristalline Restgestein (Restit). Modellsystem gezeigt haben, sind diese Erstschmelzen an
Bereits in Abschn. 18.2 (S. 287ff) hatten wir die expe- H2O gesättigt. Dabei sinkt mit steigender Temperatur der
rimentellen Grundlagen für die anatektische Bildung H2O-Gehalt, der notwendig ist, um die Schmelze mit H2O
granitischer, granodioritischer und tonalitischer Schmel- zu sättigen; dementsprechend kann der Aufschmelzgrad
zen im vereinfachten Modellsystem Qz–Ab–An–Or–H2O zunehmen (Abb. 18.6, S. 291). Bei einem ursprünglichen
behandelt. Hier wollen wir nun Ergebnisse von Hydro- H2O-Gehalt von 2 Gew.-% und einem Gesamtdruck von
thermal-Experimenten kennenlernen, mit denen das 5 kbar, können am Solidus bei 645 °C nur 20 % Schmelze
Schmelzverhalten natürlicher Tonsteine, Grauwacken gebildet werden, da 10 Gew.-% H2O für die Sättigung nö-
und anderer klastischer Sedimentgesteine untersucht tig sind; demgegenüber beträgt der Schmelzanteil bei
wurde (zusammenfassend dargestellt von Winkler 1979). 785 °C bereits 50 %, bei 880 °C sogar 100 %, da der für die
Derartige Gesteine werden bei der prograden Gesteins- Sättigung notwendige H2O-Anteil auf 4 bzw. 2 Gew.-%
metamorphose zu Glimmerschiefern und Paragneisen gesunken ist. Das für diesen partiellen Schmelzvorgang
umgeprägt. Die experimentell erzeugten Schmelz- erforderliche H2O stammt aus Entwässerungsreaktionen
erscheinungen geben wichtige Hinweise auf die natürli- bei der prograden Metamorphose (Abschn. 25.2.2, S. 433ff),
chen Bildungsmechanismen von Migmatiten. die z. T. noch unterhalb der Solidus-Temperatur abgelau-
fen sind oder während des Aufschmelzens oberhalb der
Aus einem natürlichen Ton entsteht im Experiment unter einem Solidus-Temperatur im Melanosom ablaufen. Dement-
H2O-Druck von 2 kbar eine anatektische Schmelze von leukograni-
sprechend bestehen Melanosome von Migmatiten größ-
tischer Zusammensetzung bei einer Temperatur zwischen 700 und
720 °C. (In Analogie zu Abb. 18.9, S. 294 nimmt diese Temperatur tenteils aus H2O-freien Mafiten als Mineralneubildungen
bei steigendem H2O-Druck merklich ab). Bei 730 °C waren bereits neben verbliebenen mafischen Mineralresten.
40–50 % des Tons aufgeschmolzen, wobei die kotektische Erst- Paragenesen mit (OH)-haltigen Mineralen können
schmelze stets ärmer an Al2O3, jedoch reicher an SiO2 und an Al- auch bei sehr geringer H2O-Aktivität oder ohne Anwe-
kalien ist als der ursprüngliche Ton. Mit ansteigender Temperatur
senheit eines freien, H2O-reichen Fluids partiell auf-
änderte sich die Schmelzzusammensetzung von leukogranitisch
über normalgranitisch zu granodioritisch. Bei 810 °C war aus dem schmelzen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Dehydra-
ehemaligen Ton bereits bis zu 80 % Schmelze entstanden. Der nicht tationsschmelzen. Ein Beispiel ist der Abbau von Muscovit
aufgeschmolzene metamorphe Rest des ehemaligen Tons bestand in Gegenwart von Quarz und Albit nach Reaktion (25.11a)
24.6 · Metasomatose 417
(Abb. 25.10, S. 437), der bei einem Gesamtdruck von Typen nicht immer möglich ist, sollte man eher den neu-
5 kbar bei ca. 660 °C abläuft. Demgegenüber erfordert das traleren Ausdruck Metatekt verwenden. Das sicherste
Dehydratationsschmelzen von Biotit oder Amphibol Kriterium ist der dunkle Restit-Saum, von dem typische
deutlich höhere Temperaturen. So schmelzen Amphibo- Ektekte oft begleitet werden, was bei Entekten nicht der
lite druckabhängig erst über ca. 800 °C und bringen Fall ist. Man muss jedoch auch damit rechnen, dass in
zudem mengenmäßig weniger Leukosom hervor als situ gebildete Metatekte auf Quarz-Feldspat-reiche Lagen
Metapelite oder gar Metagrauwacken. Deswegen werden zurückgehen, die bereits primär im sedimentären Aus-
Amphibolite – ebenso wie Quarzite und Kalksilikat-Ge- gangsgestein als sandige Lagen vorhanden waren, z. B.
steine – meist von der Anatexis verschont; in Migmatit- in einem Sedimentpaket mit gradierter Schichtung. In die-
Gebieten trifft man sie häufig als kaum veränderte Ein- sem Falle käme es bei geeigneten P-T-aH2O-Bedingungen
schlusskörper, sog. Resisters, an. zu selektiver Aufschmelzung, während die benachbarten
glimmerreichen (ehemals tonigen) Lagen noch nicht
24.5.3 schmelzen (Johannes 1988). Dabei können durchaus
Stoffliche Bilanz bei der Entstehung von Migmatiten in-situ-Leukosome ohne ausgeprägten Restit-Saum ent-
stehen. Eine weitere, zusätzliche Möglichkeit zur selek-
In seinen klassischen Arbeiten zur Genese der Migmatite tiven Anatexis ist ein kanalisierter Fluidfluss, durch den
im Schwarzwald hatte Mehnert (zusammengefasst 1971) die H2O-Aktivität lagenweise erhöht wird. Stoffbilanz-
das Modell der pauschalen Stoffkonstanz entwickelt. rechnungen in Migmatit-Gebieten sind also keine trivi-
Danach würde für den einfachen Fall der partiellen In- ale Angelegenheit (z. B. Olsen in Ashworth 1985).
situ-Anatexis gelten:
Darüber hinaus könnte bei der Migmatisierung auch ein lokal begrenz-
ter metasomatischer Stoffaustausch stattfinden; doch ist mit der Wirk-
Paläosom = Leukosom + Melanosom
samkeit regionaler „metasomatischer Fronten“, die in der Diskussion
um die Entstehung von Migmatiten und Graniten um die Mitte des
(Abb. 24.29). Schon Mehnert war jedoch klar, dass die 20. Jahrhunderts eine Rolle gespielt haben, nicht zu rechnen.
Verhältnisse meist viel komplizierter sind. Insbesondere
treten in Migmatiten sehr häufig Leukosome auf, die nicht Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass zumindest S-
an Ort und Stelle gebildet wurden, sondern von außer- Typ-Granite in tieferen Krustenteilen durch partielle
halb, insbesondere aus tieferen Krustenteilen zugeführt Anatexis von hochmetamorphen Sedimenten entstehen.
wurden. Diese Leukosome wurden auch als Entekte be- Allerdings wurde bisher nur selten eine direkte räumli-
zeichnet, im Gegensatz zu den in situ gebildeten Ektekten. che Verbindung zwischen Migmatiten und Granitpluto-
Da eine sichere Unterscheidung zwischen diesen beiden nen und damit ein unmittelbarer genetischer Zusam-
menhang nachgewiesen. Das überzeugendste Beispiel ist
das Trois-Seigneurs-Massiv in den französischen Pyre-
näen (Wickham 1987). Wie wir in Abschn. 15.2.2 (S. 249f)
gesehen haben, entstehen granitische Magmen darüber
hinaus über einen mehrstufigen Prozess: Dehydratations-
schmelzen von Amphibolit in tiefen Krustenbereichen
führt zunächst zur Bildung tonalitischer Magmen, wäh-
rend basische Pyroxengranulite als Restite zurückblei-
ben. In einem zweiten Schritt schmelzen die Unter-
krusten-Tonalite auf; es entstehen Granit-Magmen und
granulitische Restgesteine.
24.6 24.6
Metasomatose
Nur in besonderen, wenn auch nicht seltenen Fällen
kommt es im Zusammenhang mit der Gesteinsmeta-
morphose zu Umsetzungen und Austauschreaktionen
Abb. 24.29. Der Modalbestand von Metatexiten aus dem Schwarzwald
im Konzentrationsdreieck Quarz–Σ Feldspat–Σ Mafite (Vol.-%). mit überkritischen Fluiden oder hydrothermalen Lö-
A Biotit-Plagioklas-Gneis als Paläosom: Altbestand; B granitähnliche sungen, die sich auf den Korngrenzen zwischen den
Leukosome: Metatekte; C Melanosome: dunkle Restgesteinspartien Mineralkörnern als Intergranularfilm bewegen. Sie
(Restite). Die Mittelwerte (große Signaturen) liegen auf einer annä- können lokal einen erheblichen Stoffaustausch, d. h.
hernd geraden Verbindungslinie B–C. Dieses Ergebnis spricht für
eine Zufuhr und/oder Abfuhr von chemischen Kom-
einen Sonderungsprozess A → B + C (s. hierzu auch Abb. 24.27). (Nach
Mehnert 1971, mit freundlicher Genehmigung des Verlags Elsevier) ponenten bewirken, wobei das betroffene Gestein im
418 24 · Metamorphe Gesteine
Wesentlichen im festen Zustand verbleibt. Ein solcher Im Unterschied hierzu beobachtet man gelegentlich an
Vorgang wird als Metasomatose bezeichnet. Demgegen- den Kontakten von Gabbrokörpern den Einfluss einer
über ist die intrakristalline Diffusion von Ionen, Ato- Chlor-Metasomatose, die zur Bildung von Skapolith
men oder Ionengruppen innerhalb der Mineralkörner (S. 175), Chlorapatit und anderen Cl-haltigen Mineralen
ein viel zu langsamer Vorgang, um einen effektiven führt. Bekannt hierfür ist das Vorkommen von Bamble in
Stoffaustausch zu gewährleisten. Südnorwegen. Bei dem Skapolithisierungs-Prozess muss
Metasomatose-Prozesse sind meist eine zeitliche es gleichzeitig zu einer Na-Metasomatose gekommen sein.
Nachwirkung oder räumliche Fernwirkung magmati-
scher Vorgänge. So finden sie bevorzugt im Bereich ei- Bildung von Skarnen und Skarnerz-Lagerstätten
ner Kontaktmetamorphose statt und werden dann als
Kontaktmetasomatose bezeichnet. Hier können die Karbonatgesteine sind besonders reaktionsfähig. Unter
Stoffumsätze lokal sehr groß sein. Haben derartige dem Einfluss metasomatischer Stofftransporte, bei de-
Vorgänge im Anschluss an die magmatische Kristalli- nen hauptsächlich Si, Al, Fe und Mg zugeführt werden,
sation innerhalb des Magmatitkörpers selbst stattge- entstehen Skarne mit charakteristischen Ca-Mg-Fe-Mi-
funden, so spricht man von einer Autometasomatose. neralen wie Grossular-Andradit-Granat, Diopsid-Heden-
Auch bei der Bildung von Migmatiten können bergit, Wollastonit, Tremolit-Aktinolith, Epidot, Vesuvi-
lokal metasomatische Vorgänge auftreten. Dem- an u. a. Dort, wo die Fluide auch Schwermetalle trans-
gegenüber läuft die Regionalmetamorphose meist ohne portierten, führte metasomatischer Stoffaustausch zur
größere Stoffverschiebungen ab. Allerdings muss man Bildung von Skarnerz-Lagerstätten, in denen vorwiegend
berücksichtigen, dass insbesondere H2O-reiche Flui- sulfidische oder oxidische Erzminerale, wie Pyrrhotin,
de, die bei Entwässerungsreaktionen freigesetzt wer- Pyrit, Sphalerit, Galenit und Chalkopyrit sowie Magne-
den, chemische Komponenten aus dem Gestein lösen tit und Hämatit in meist unregelmäßigen Verdrängungs-
und wegtransportieren können, so dass das Modell ei- körpern angereichert wurden (Abschn. 21.3.1, S. 320f).
ner isochemischen Metamorphose nicht immer streng Daneben kam es andernorts zur Bildung hochhydro-
erfüllt ist. Bei Metasomatose-Prozessen besitzt H2O als thermaler Imprägnationen mit Anreicherung von Wolf-
Transportmittel für weniger mobile Komponenten oder ramit, Molybdänit und Kassiterit. An Stelle von Wolfra-
als Reaktionspartner eine große Bedeutung. mit tritt in kontaktmetasomatisch verdrängten Karbo-
natgesteinen naturgemäß das Ca-Wolframat Scheelit auf.
Die wirtschaftlich wichtigsten Skarnlagerstätten sind in
24.6.1 Tabelle 21.1 (S. 321) zusammengestellt. Ähnlichkeiten
Kontaktmetasomatose mit Skarnerz-Lagerstätten haben die polymetamorphen
Sulfiderz-Lagerstätten des baltischen Schildes, die einst
Bor-, Fluor- und Chlor-Metasomatose eine sehr große Bedeutung hatten, wie Falun in Mittel-
schweden und Boliden in Nordschweden.
Bei der Besprechung der periplutonischen Kontakt-
metamorphose (Abschn. 24.2.1, S. 386ff ) hatten wir Alkali-Metasomatose
bereits Beispiele von periplutonischer Kontaktmeta-
somatose beschrieben; daher werden sie an dieser Stelle Die Alkalimetasomatose mit Zufuhr von Na und K kann
nur kurz erwähnt. Das gilt auch für den Fall einer Bor- ein besonderes petrologisches Interesse beanspruchen.
und einer Bor-Fluor-Metasomatose mit Bildung von Tur- Vorzugsweise neigen Alkali- und Karbonatit-Magmen zu
malin und Topas in Kontaktaureolen des westerzgebir- einem derartigen metasomatischen Stoffaustausch mit
gischen Granitmassivs. Hier und in zahlreichen anderen ihrer Umgebung.
Vorkommen stammen die flüchtigen B- und F-Verbin-
dungen aus den Restdifferentiaten eines Granitplutons. Bekannt hierfür ist besonders der Fen-Distrikt in Südnorwegen,
Bekannt sind insbesondere die intensiven Turmalinisie- wo die mittelproterozoischen Granitgneise der Telemark-Serie vor
ca. 580 Ma durch die Intrusion von Foidolithen, insbesondere
rungszonen innerhalb mehrerer Granitanschnitte und
Ijolithen (Abschn. 11.2.2, S. 208) und Nephelin-Syeniten, von Kar-
deren Kontaktaureolen in Cornwall. Verdrängungsvor- bonatiten und von ultramafischen Alkali-Lamprophyren in meh-
gänge haben hier und an anderen Orten mitunter zu reren Stadien kontaktmetasomatisch umgewandelt wurden. Dabei
monomineralischen Turmalinfelsen geführt. Turmalin entstanden Na-Pyroxene wie Ägirin und Ägirinaugit, Na-Amphi-
und Topas verdrängen meist nicht nur den Hornfels, son- bole wie Riebeckit, Magnesio-Arfvedsonit und (Ferro-)Richterit
dern auch randliche Teile des Granits selbst und dessen Na2Ca(Mg,Fe)5[(OH,F)2/Si8O22], Phlogopit, Stilpnomelan sowie
Alkalifeldspäte, insbesondere Perthit mit variablem Na/K-Verhält-
Ganggefolge, besonders Aplitgänge. Hieraus schließt nis und fast reiner Albit (Kresten und Morogan 1986; Andersen
man, dass die Metasomatose erst nach der Platznahme 1989). Brögger (1921), der diese Vorgänge erstmals untersucht hatte,
und Kristallisation des Plutons bei der periplutonischen bezeichnete das Endprodukt dieser Na-Metasomatose als Fenit und
Kontaktmetamorphose erfolgte. den Vorgang als Fenitisierung.
24.6 · Metasomatose 419
Durch hydrothermale Aktivität kam es im Fen-Gebiet zu bau- auffallend hohen Na-Gehalte aufweist. Eine alternative
würdigen Konzentrationen von Hämatit im Karbonatit („Rödberg“). Erklärung gibt Grünhagen (1980) für die Adinolbildung
Von 1652 bis 1927 wurden fast 1 Mio. t Eisenerz mit durchschnittlich
im nordöstlichen Sauerland (Rheinisches Schiefergebir-
50 % Fe, 0,45 % P und 1–2 % Mn gefördert. Wirtschaftlich interessant
ist auch die Anreicherung von Nb, Y, Th und SEE mit den Mineralen ge). Danach sind die Basaltgänge in diagenetisch nur
Pyrochlor (Ca,Na,)2Nb2(O,OH,F)7, Columbit (Fe,Mn)(Nb,Ta)2O6, Mo- schwach verfestigte Sedimente intrudiert, die noch ei-
nazit Ce[PO4], Synchisit Ca(Y,Ce,La,Nd)[F/(CO3)2] und Parisit nen hohen Anteil von NaCl-haltigem Porenwasser ent-
Ca(Ce,La,Nd)2[F2/CO3)3]. Trotz beachtlicher Reserven wurde diese hielten, das durch die Wärmezufuhr bei der Intrusion
Vererzung nur in dem kurzen Zeitraum zwischen 1953 und 1965 auf
mobilisiert wurde. Dementsprechend wäre in diesem
Niob abgebaut, wobei die Gewinnung von zunächst 1,23 t auf zuletzt
2,73 t Nb2O5 anstieg. Falle die Albitisierung nicht durch eine externe Na-
Metasomtose ausgelöst worden, sondern durch internen
Vorgänge der Fenitisierung sind auch von zahlreichen Stoffaustausch zwischen Sediment und Porenwasser.
anderen Stellen beschrieben worden, besonders um
Karbonatitkörper. Viele Gemeinsamkeiten mit dem Fen- Bildung von Smaragd- und Alexandrit-Lagerstätten
Distrikt weist z. B. das klassische Vorkommen auf der in Blackwalls
Insel Alnö vor der schwedischen Ostsee-Küste auf.
Sehr deutliche, wenn auch in ihrem räumlichen Ausmaß
Ein interessantes Beispiel für Fenitisierung ist das Natursteinvor-
kommen „Namibia Blue“ bei Swartboiisdrif an der Nordgrenze Na-
recht begrenzte metasomatische Stoffwanderungen tre-
mibias, das sich derzeit im Abbau befindet. Hier wurden die Anortho- ten am Kontakt von Serpentiniten mit leukokraten Ge-
site des proterozoischen Kunene-Intrusiv-Komplexes durch Alkali- steinen, insbesondere mit Graniten, Pegmatiten oder
reiche Lösungen, die von Karbonatiten abstammen, metasomatisch Gneisen auf. Dabei entstehen nahezu monomineralische
umgewandelt, wobei sich tiefblauer Sodalith neben Albit, Cancrinit Reaktionszonen mit der Abfolge Serpentinit → Talk-
(Na,Ca,)8[(CO3,SO4)2/(AlSiO4)6] · 2H2O, Muscovit, Biotit und zahl-
schiefer → Aktinolithschiefer → Chloritschiefer → Biotit-
reichen seltenen Mineralen bildete (Drüppel et al. 2005).
oder Phlogopitschiefer → Granit/Pegmatit/Gneis. Die
Sanidinite sind pyrometamorph überprägte Glimmer- auffällig dunklen Biotit- und Chloritsäume werden als
schiefer und Phyllite, die unter dem Einfluss von Alkali- Blackwalls bezeichnet. Treibende Kraft für diesen Vor-
Magmen eine intensive Alkali-Metasomatose erfahren gang ist die starke Differenz im chemischen Potential
haben. Dabei kam es insbesondere zur Neubildung von der beteiligten Komponenten, die bei ihrer Stoffwande-
Na-Sanidin, aber auch von Ägirin und Na-Amphibolen. rung eine unterschiedlich Reichweite erkennen lassen:
Typusregion ist das pleistozäne Vulkangebiet des Laacher Si > Ca > Al > K. Außerdem kann sich im Granit- bzw.
Sees in der Eifel, wo leuchtend weiß gefärbte Sanidinite Pegmatitgang der SiO2-Entzug (Desilizierung) durch ei-
als vulkanische Auswürflinge in Alkalibasalten und nen modalen Verlust an Quarz bis zum Auftreten von
Foiditen sowie deren Tuffen auftreten. Korund bemerkbar machen.
Alkali-, speziell K-Metasomatose, beobachtet man ge- Die Migration von mobilen Nebenelementen lässt in-
legentlich auch im Kontaktbereich von Granit-Intrusio- nerhalb der Phlogopitzone Apatit und Turmalin entste-
nen oder in Einschlüssen im Granit (Abb. 24.30). Sie hen. In einzelnen Fällen ist in den granitischen Stoff-
macht sich durch Bildung von Kalifeldspat-Porphyr- beständen das seltene Element Beryllium so weit ange-
oblasten bemerkbar, die gegen den Granit hin an Größe reichert, dass farbloser Beryll und/oder Chrysoberyll
und Menge zunehmen. Eine derartige Kalifeldspatisie- kristallisieren können. Wanderung des mobilen Be in das
rung wurde auch an einem Granitmassiv des südlichen
Schwarzwalds beschrieben.
Als Prozess der Na-Metasomatose wurde die reichli-
che Neubildung von Albit gedeutet, die am Kontakt von
Basalt-Lagergängen in angrenzenden Tonschiefern statt-
finden kann, wobei allochemische Reaktionen vom Typ
ultrabasische Nebengestein kann dann zur Bildung der schen Geochemiker Alexander Fersmann (1929) im be-
grün gefärbten Varietäten Smaragd und Alexandrit füh- rühmten Smaragd-Vorkommen der Tokowoja im Ural
ren, wobei Chrom als färbendes Spurenelement aus dem (Abb. 24.32) beschrieben und interpretiert. Vergleichba-
Serpentinit stammt (Abb. 24.31). Dieses Zusammentref- rer Entstehung ist die Smaragd-Alexandrit-Lagerstätte
fen von zwei chemischen Elementen, die sonst nicht ge- der Novello Claims (Simbabwe). Auch das Smaragd-Vor-
meinsam vorkommen, wurde erstmals von dem russi- kommen im Habachtal (Hohe Tauern), das allerdings
kaum schleifwürdige Steine, aber schöne Sammlerstufen
liefert, weist eine typische Blackwall-Zonierung auf, wo-
bei die Be-Träger keine Pegmatite, sondern Granat-Glim-
merschiefer und Biotit-Albit-Gneise sind.
24.6.2
Autometasomatose
Abb. 24.32.
Metasomatische Reaktionszonen
(Blackwalls) zwischen Pegmatit-
Gängen und Serpentinit. Profil
durch die Smaragd-Lagerstätte
Tokowoja im Ural. (Nach Fers-
mann 1929, umgezeichnet nach
Schneiderhöhn 1961)
Literatur 421
Propylitisierung: Dieser autohydrothermale Vorgang ist Lavaströme und/oder bei der Ozeanbodenmetamor-
vorzugsweise an die Dachbereiche von Graniten, Grano- phose (Vallance 1965). Bevorzugte Orte für diesen Pro-
dioriten und Tonaliten sowie an Andesit- und Dacit-Kör- zess sind die mittelozeanischen Rücken, insbesondere in
per geknüpft; er findet unter H2O-Überschuss statt. Die Bereichen mit submariner Hydrothermalaktivität (Black
dunklen Gemengteile werden in Chlorit, Calcit und Smoker), aber auch vulkanische Inseln, Seamounts und
Epidot umgewandelt. Aus dem freiwerdenden Fe entsteht ozeanische Flutbasalt-Plateaus. In der Tat wurden im
bei Anwesenheit eines S-haltigen Fluids Pyrit. Plagioklas Zuge der internationalen Deep Sea Drilling und Ocean
wird in Epidot, Albit und Calcit überführt. Aus der glasi- Drilling Programme (DSDP, ODP) immer wieder Pro-
gen oder hypokristallinen Grundmasse bilden sich Quarz ben von ozeanischen Tholeiiten gewonnen, die mehr oder
und Albit. Der Umwandlungsvorgang verleiht dem weniger stark spilitisiert waren. Auch als Bestandteil von
propylitisierten Gestein eine typische hellgrüne Farbe. Ophiolith-Komplexen treten häufig spilitisierte Pillow-
Meist besteht ein Zusammenhang mit Vererzungsvorgän- Basalte zusammen mit unveränderten Basalten, Gabbros,
gen, so mit der Bildung von Porphyry Copper Ores oder Serpentiniten und Tiefee-Sedimenten auf.
von subvulkanischen Gold-Gold-Silber-Lagerstätten, z. B. Vorkommen von Spilit gibt es in Mitteleuropa u. a. in
im Karpatenbogen. großer Verbreitung in Mittelböhmen, im Lahn-Dill-Ge-
biet und besonders auch in den Alpen.
Kaolinisierung: Dieser autohydrothermale Prozess be-
trifft vorzugsweise Granite oder leukokrate Vulkanite. Weiterführende Literatur
So sind z. B. mehrere Granitmassive oder Teile davon in
Cornwall in hochwertige Kaolin-Lagerstätten umgewan- Ashworth JR (ed) (1985) Migmatites. Blackie, Glagow London
delt. Von der Kaolinisierung sind im Wesentlichen die Ashworth JR, Brown M (eds) (1990) High-temperature metamor-
phism and crustal anatexis. Unwin Hyman, Boston Sydney
Feldspäte betroffen, z. B. nach der einfachen Reaktions-
Wellington
gleichung Barker AJ (1998) Introduction to metamorphic textures and micro-
structures, 2nd edn. Stanley Thornes, Cheltenham
4K[AlSi3O8] + 22H+ Best MG (2003) Igneous and metamorphic petrology, 2 nd edn.
Kalifeldspat in Lösung Blackwell, Malden (MA, USA) Oxford
Bucher K, Frey M (2002) Petrogenesis of metamorphic rocks,
→ Al4[(OH)8/Si4O10] + {4K+ + 8Si4+ + 14(OH)–} 2nd edn. Springer, Berlin Heidelberg New York
Kaolinit in Lösung Eisbacher GH (1996) Einführung in die Tektonik, 2. Aufl. Enke,
(24.10) Stuttgart
Ernst WG (1976) Petrologic phase equilibria. Freeman, San
Aus experimentellen Untersuchungen geht hervor, Francisco
dass für die Kaolinisierung des Kalifeldspats ein hohes Evans BW (2007) Metamorphic petrology. Landmark Paper Nr 3.
H+/K+-Verhältnis in der metasomatischen Lösung erfor- Mineral Soc Great Britain and Ireland, London
Hamblin WK (1991) Earth’s dynamic systems, 6th edn. Macmillan,
derlich ist, da sonst Muscovit entstehen würde. New York
Karato S, Wenk H-R (eds) (2002) Plastic deformation of minerals
24.6.3 and rocks. Rev Mineral Geochem 51
Spilite als Produkte einer Natrium-Metasomatose Kerrick DM, ed (1991) Contact metamorphism. Rev Mineral 26
Kornprobst J (2002) Metamorphic rocks and their geodynamic
significance. Kluwer, Dordrecht
Spilit ist ein metasomatisch überprägter Basalt, in dem
Mehnert KR (1968, 1971) Migmatites and the origin of granitic
die Hauptgemengteile Plagioklas (An 50–60) in Albit und rocks, 1st and 2nd edn. Elsevier, Amsterdam New York
Augit in Chlorit umgewandelt sind. Häufige Mineralneu- Meschede M (1994) Methoden der Strukturgeologie. Enke, Stutt-
bildungen sind ferner Calcit, Epidot, Prehnit, Aktinolith, gart
Quarz oder Chalcedon sowie Akzessorien. Häufig ent- Miyashiro A (1994) Metamorphic petrology. UCL Press, London
halten die Kernpartien des Albits noch Reste von An-rei- Passchier CW, Trouw RAJ (1996) Microtectonics. Springer, Berlin
Heidelberg New York
chem Plagioklas, während Augit meist vollständig durch
Spry A (1983) Metamorphic textures. Pergamon, Oxford
Chlorit und Calcit verdrängt ist. Spilit unterscheidet sich Turner FJ (1981) Metamorphic petrology, 2nd edn. Hemisphere,
chemisch von Tholeiitbasalt durch viel höhere Na2O- Washington New York London
Gehalte und niedrigere Werte von CaO und MgO. Sehr Vernon RH (1976) Metamorphic processes – reactions and micro-
viele (wenn auch nicht alle) Spilite und spilitisierten Ba- structure development. Allen & Unwin, London
salte sind submarin ausgeflossen, wie man an der Anwe- Winter JD (2001) An introductionn to igneous and metamorphic
petrology. Prentice Hall, Upper Saddle River, New Jersey
senheit von Pillow-Gefügen erkennen kann. Die einfachs- Yardley BWD (1989) An introduction to metamorphic petrology.
te Erklärung für Spilitisierungsvorgänge ist daher die Longman, Harlow, Essex, UK
Reaktion von Ozeanboden-Basalten mit dem NaCl- Yardley BWD, MacKenzie WS, Guilford C (1992) Atlas metamorpher
haltigen Meerwasser bei der Abkühlung der submarinen Gesteine und ihrer Gefüge in Dünnschliffen. Enke, Stuttgart
422 24 · Metamorphe Gesteine
Zitierte Literatur Eskola P (1939) Die metamorphen Gesteine. In: Barth TFW, Correns
CW, Eskola P (1939) Die Entstehung der Gesteine. Springer
Abu El-Enen, MM, Okrusch M, Will TM (2004) Contact metamor- Berlin, 3. Teil, S 263–407 (Reprint 1970)
phism and metasomatism at a dolerite-limestone contact in the Gebel Feenstra A (1985) Metamorphism of bauxites on Naxos, Greece.
Yelleq area, Northern Sinai, Egypt. Mineral Petrol 81:135–164 Geologica Ultraiectina 39:1–206, Alblasserdam, Niederlande
Altherr R, Kreuzer H, Wendt I, Lenz H, Wagner GA, Keller J, Harre Fersmann AE (1929) Geochemische Migration der Elemente.
W, Höhndorf A (1982) A Late Oligocene/Early Miocene high III. Smaragdgruben im Uralgebirge. Abhandl Prakt Geol Berg-
temperature belt in the Attic-Cycladic Crystalline Complex (SE wirtschaftslehre 18:74–116
Pelagonian, Greece). Geol Jahrb E23:97–164 French BM, Short NM (eds) (1968) Shock metamorphism of natu-
Andersen T (1989) Carbonatite-related contact metasomatism in ral materials. Mono Book Corp, Baltimore
the Fen complex, Norway: Effects and petrogenetic implications. Frey M (ed) (1987) Low temperature metamorphism. Blackie, Glasgow
Mineral Mag 53:395–414 Fritsch W, Meixner H, Wieseneder H (1967) Zur quantitativen Klas-
Barrow G (1893) On an intrusion of muscovite-biotite gneiss in sifikation der kristallinen Schiefer. Neues Jahrb Mineral Monatsh
the southern Highlands of Scotland, and its accompanying 1967:364–376
metamorphism. Quart J Geol Soc London 49:330–358 Gall H, Müller D, Stöffler D (1975) Verteilung, Eigenschaften und
Barrow G (1912) On the geology of lower Dee-side and the southern Entstehung der Auswurfsmassen des Impaktkraters Nördlinger
Highland Border. Proc Geol Assoc 23:274–290 Ries. Geol Rundschau 64:915–947
Becke F (1903) Über Mineralbestand und Struktur der Kristalli- Gault DE, Quaide WL, Overbeck VR (1968) Impact cratering mecha-
nen Schiefer. Denkschr Akad Wiss Wien 75:97 ff. nics and structures. In: French and Short (1968)
Bose K, Ganguly J (1995) Quartz-coesite transition revisited: Re- Gillis KM, Thompson G (1993) Metabasalts from the Mid-Atlantic
versed experimental determination at 500–1 200 °C and re- Ridge: New insights into hydrothermal systems in slow-sprea-
trieved thermodynamical properties. Am Mineral 80:231–238 ding crust. Contrib Mineral Petrol 113:502–523
Brögger WC (1921) Die Eruptivgesteine des Kristianiagebietes IV. Grünhagen H (1980) Petrographie und Genese der Adinole an ei-
Das Fengebiet in Telemark, Norwegen. Norsk Vidensk Selsk Skr nem Diabaskontakt im nordöstlichen Sauerland. Neues Jahrb
I, Math Naturv kl No 9, Oslo Mineral Abhandl 140:253–272
Chao ECT, Shoemaker EM, Madsen BM (1960) First natural Haas H (1972) Diaspore-corundum equilibrium determined by
occurrence of coesite. Science 133:882 epitaxis of diaspore on corundum. Am Mineral 57:1375–1385
Chatterjee ND (1974) Synthesis and upper thermal stability limit Hamilton WB (1998) Archean magmatism and deformation were
of 2M-margarite, CaAl 2[Al 2Si 2O 10 (OH) 2 ]. Schweiz Mineral not products of plate tectonics. Precambr Res 91:143–179
Petrogr Mitt 54:753–767 Harker A (1932) Metamorphism. 2nd edn 1939, 3rd edn 1950, reprint
Chatterjee ND, Johannes W (1974) Thermal stability and standard 1974. Methuen, London
thermodynamic properties of synthetic 2M 1 -muscovite, Harrassowitz H (1927) Anchimetamorphose, das Gebiet zwischen
KAl2[AlSi3O10(OH)2]. Contrib Mineral Petrol 48:89–114 Oberflächen- und Tiefenumwandlung der Erdrinde. Oberhess
Coombs DS (1961) Some recent work on the lower grades of Ges Natur- und Heilkunde Gießen, Naturwiss Abt Ber 12:9–15
metamorphism. Australian J Sci 24:203–215 Holdaway MJ, Mukhopadhyay B (1993) A reevaluation of the stability
Dietrich RV, Mehnert KR (1961) Proposal for the nomenclature of relations of andalusite: Thermochemical data and phase diagram
migmatites and associated rocks. 21st Internat Geol Congr Nor- for the aluminum silicates. Am Mineral 78:298–315
den, Copenhagen 1960, Proc 14:56–67 Holland TJB (1980) The reaction albite = jadeite + quartz deter-
Drüppel K, Hoefs J, Okrusch M (2005) Fenitizing processes induced mined experimentally in the range 600–1 200 °C. Am Mineral
by ferrocarbonatite magmatism at Swartbooisdrif, NW Nami- 65:129–134
bia. J Petrol 46:377–406 Humphris SE, Thompson G (1978) Hydrothermal alteration
El Goresy, A, Gillet P, Chen M, Kunstler F, Graup G, Stähle V (2001a) In of oceanic basalts by seawater. Geochim Cosmochim Acta 42:
situ discovery of shock-induced graphite-diamond phase transition 127–136
in gneisses from the Ries crater, Germany. Am Mineral 86:611–621 Jaeger JC (1957) The temperature in the neighborhood of a cooling
El Goresy A, Chen M, Gillet P, Dubrovinsky L, Graup G, Ahuja R intrusive sheet. Am J Sci 255:306–318
(2001b) A natural shock-induced dense polymorph of rutile Jaeger JC (1959) Temperatures outside a cooling intrusive sheet.
with α -PbO2 structure in the suevite from the Ries Crater in Am J Sci 257:44–54
Germany. Earth Planet Sci Letters 192:485–495 Jansen JBH, Schuiling ED (1976) Metamorphism on Naxos:
ElGoresy A, Chen M, Dubrovinsky L, Gillet P, Graup G (2001c) An Petrology and geothermal gradients. Am J Sci 276:1225–1253
ultradense polymorph of rutile with seven-coordinated titanium Johannes W (1988) What controls partial melting in migmatites?
fom the Ries Crater. Science 293:1467–1470 J Metam Geol 6:451–465
El Goresy A, Dubrovisnsky LS, Gillet P, Mostefaoui S, Graup G, Johannes W, Holtz F (1996) Petrogenesis and experimental petro-
Drakopoulos M, Simionovici AS, Swamy V, Masaitis VL (2003) A logy of granitic rocks. Springer, Heidelberg, Berlin New York
novel cubic, transparent and superhard polymorph of carbon Jung, S, Mezger K (2001) Geochronology in migmatites – a Sm-Nd, U-
from the Ries and Popgai Craters: Implications to understanding Pb and Rb-Sr study from the Proterozoic Damara Belt (Namibia):
dynamic-induced natural high-pressure phase transitions in the implications for polyphase development of migmatites in high-
carbon system. Lunar Planet Sci 34 (CD-ROM) grade terranes. J Metam Geol 19:77–97
Elliott DS (1973) Diffusion flow laws in metamorphic rocks. Geol Kleber W, Bautsch H-J, Bohm J (1998) Einführung in die Kristallo-
Soc America Bull 84:2645–2664 graphie, 18. Aufl. Verlag Technik Berlin
Engelhardt W von (1960) Der Porenraum der Sedimente. Springer, Kresten P, Morogan V (1986) Fenitization at the Fen complex,
Berlin Göttingen Heidelberg southern Norway. Lithos 19:27–42
Engelhardt W von, Arndt J, Stöffler D, Müller WF, Jeziorkowski H, Kukla PA, Kukla C, Stanistreet IG, Okrusch M (1990) Unusu-
Gubser RA (1967) Diaplektische Gläser in den Breccien des Ries al preservation of sedimentary structures in sillimanite-bearing
von Nördlingen als Anzeichen der Stoßwellenmetamorphose. metaturbidites of the Damara Orogen, Namibia. J Geol 98:
Contrib Mineral Petrol 15:93–107 91–99
Literatur 423
Kukla C, Kramm U, Kukla PA, Okrusch M (1991) U-Pb monazite data Scheumann KH (1961) „Granulit“, eine petrographische Definiti-
relating to metamorphism and granite intrusion in the north- on. Neues Jahrb Mineral Monatsh 1961:75–80
western Khomas Trough, Damara Orogen, central Namibia. Schmid R, Fettes D, Harte B, Davis E, Desmons J, Siivola J (2002) Towards a
Communs Geol Surv Namibia 7:49–54 unified nomenclature in metamorphic petrology. 1. How to name a
Langenhorst F, Deutsch A (1998) Minerals in terrestrial impact metamorphic rock. A proposal on behalf of the IUGS Subcomm.on
structures and their characteristic features. In Marfunin AS the systematics of metamorphic rocks. Web version of 31.7.2002, 16 pp
(ed) Mineral matter in space, mantle, ocean floor, biosphere, Schmitt RT, Lapke C, Kenkmann T, Stöffler D (2000) Impaktdia-
environ-mental management, and jewelry. Advanced Minera- manten aus dem Nördlinger Ries. Ber Deutsche Mineral Ges,
logy vol 3: 95–119 Eur. J Mineral 12, Beih 1:187
Lippmann F (1977) Diagenese und beginnende Metamorphose bei Schmitt RT, Lapke C, Lingemann CM, Siebenschock M, Stöffler D
Sedimenten. Bull Acad Serbe Sci Nat, T LVI, No 15 (2005) Distribution and origin of impact diamonds in the Ries
Melson WG, Andel TH van (1966) Metamorphism in the Mid- crater, Germany. In Kenkmann T, Hörz F , Deutsch H (eds): Large
Atlantic Ridge, 22° N latitude. Marine Geol 4:165–186 meteorite impacts III. Geol Soc America Spec Paper 384: 299-314
Miyashiro A (1972) Metamorphism and related magmatism in plate Schneiderhöhn H (1961) Die Erzlagertätten der Erde, Bd II. Die
tectonics. Am J Sci 272:629–656 Pegmatite. Fischer, Stuttgart
Miyashiro A, Shido F, Ewing M (1970) Petrologic models for the Searle M, Hacker BR, Bilham R (2001) The Hindu Kush seismic zone
Mid-Atlantic Ridge. Deep Sea Res 17:109–123 as a paradigm for the creation of ultrahigh-pressure diamond-
Miyashiro A, Shido F, Ewing M (1971) Metamorphism in the Mid- and coesite-bearing continental rocks. J Geol 109:143–153
Atlantic Ridge near 24° and 30° N. Phil Trans Roy Soc London Sederholm JJ (1907) Om granit och gneis deras uppkomst, uppträ-
A268:589–603 dande och utbredning inom urberget i Fennoskandia. Finland
Möller A, Appel P, Mezger K, Schenk V (1995) Evidence for a 2 Ga Comm Géol Bull 23, 110 pp
subduction zone: Eclogites in the Usagaran belt of Tanzania. Seidel E, Kreuzer H, Harre W (1982) A late Oligocene/early Miocene
Geology 23:1067–1070 high pressure belt in the external Hellenides. Geol Jahrb E23:165–206
Okrusch M, Bröcker M (1990) Eclogites associated with high-gra- Spear FS, Cheney IT (1989) A petrogenetic grid for pelitic schists
de blueschists in the Cycladic archipelago, Greece: A review. Eur in the system SiO2–Al2O3–FeO–MgO–K2O–H2O. Contrib Mine-
J Mineral 2:451–478 ral Petrol 101:149–164
Phillips FM, Zreda MG, Smith SS, Elmore D, Kubik PW, Dorn RI, Stöffler D (1972) Deformation and transformation of rock-forming
Roddy DJ (1991) Age and geomorphic history of Meteor Crater, minerals by natural and experimental shock processes. I. Behavior
Arizona, from cosmogenic 36Cl and 14C in rock varnish. Geochim of minerals under shock compression. Fortschr Mineral 49:50–113
Cosmochim Acta 55:2695–2698 Storre B, Karotke E (1972) Experimental data on melting reactions
Read HH (1952) Metamorphism and migmatisation in the Ythan of muscovite in the system K2O–Al2O3–SiO2–H2O to 20 Kb water
Valley, Aberdeenshire. Trans Edinburgh geol Soc 15:265–279 pressure. Contrib Mineral Petrol 36:343–345
Reitz E (1987) Palynologie in metamorphen Serien: I. Silurische Spo- Tilley CE (1925) Metamorphic zones in the southern Highlands of
ren in einem granatführenden Glimmerschiefer des Vor-Spessart. Scotland. Quart J Geol Soc London 81:100–112
Neues Jahrb Geol Paläont Monatsh 1987:699–704 Turcotte DL, Oxburgh ER (1972) Mantle convection and the new
Richardson SW (1968) Staurolite stability in a part of the system global tectonics. Ann Rev Fluid Mech 4:33–68
Fe–Al–Si–O–H. J Petrol 9:467–488 Utada M (2001) Zeolites in hydrothermally altered rocks. In: Bish
Robyr M, Vonlanthen P, Baumgartner LP, Grobety B (2007) Growth DL, Ming DW (eds) Natural zeolites: Occurrence, properties,
mechanism of snowball garnets from the Lukmanier Pass area applications. Rev Mineral Geochem 45:305–322
(Central Alps, Switzerland): a combined µCT/EPMA/EBSD study. Vallance TG (1965) On the chemistry of pillow lavas and the origin
Terra Nova 19:240–244 of spilites. Mineral Mag 34:471–481
Rosenbusch H (1877) Die Steiger Schiefer und ihre Contactzone. Voll G, Töpel J, Pattison DRM, Seifert F, eds (1991) Equilibrium and
Abhandl Geol Spezialkarte Elsass-Lothringen 1:80–393 kinetics in contact metamorphism: The Ballachulish Igneous Com-
Sander B (1950) Einführung in die Gefügekunde geologischer Kör- plex and its aureole. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio
per, 2. Teil: Die Korngefüge. Springer, Wien Wenk E (1963) Zur Definition von Schiefer und Gneis. Neues Jahrb
Sawyer EW, Barnes S-J (1988) Temporal and compositional differ- Mineral Monatsh 1963:97–107
ences beteen subsolidus and anatectic migmatite leucosomes Wickham SM (1987) Crustal anatexis and granite petrogenesis
from the Quetico metasedimentary belt, Canada. J Metam Geol during low-pressure regional metamorphism: The Trois
6:437–450 Seignurs Massif, Pyrenees, France. J Petrol 8:127–169
Scharbert HG (1963) Zur Nomenklatur der Gesteine in Granulit- Winkler HGF (1979) Petrogenesis of metamorphic rocks, 5th edn,
fazies. Tschermaks Mineral Petrol Mitt (3)8:591–598 Springer, Berlin Heidelberg New York
25
Phasengleichgewichte
und Mineralreaktionen
in metamorphen Gesteinen
25.1 Wie wir im vorausgehenden Kapitel gezeigt hatten, führt die Gesteinsmetamor-
Gleichgewichtsbeziehungen phose zu tiefgreifenden Veränderungen im Gefüge und im Mineralbestand von
in metamorphen Gesteinen. Durch prograde und retrograde Mineralreaktionen entstehen neue
Gesteinen Mineralgesellschaften, die eine schrittweise Anpassung an die sich verändern-
den P-T-Bedingungen dokumentieren. Dabei kann – zumindest beim Höhepunkt
25.2 der Metamorphose – ein thermodynamisches Gleichgewicht erreicht oder an-
Metamorphe nähernd erreicht werden, so dass man von Gleichgewichtsparagenesen sprechen
Mineralreaktionen kann. Im folgenden Kapitel wollen wir wichtige Mineralreaktionen und die dabei
entstehenden Paragenesen näher kennenlernen. Darüber hinaus sollen die Me-
25.3 thoden diskutiert werden, mit denen man die Stabilitätsbedingungen metamor-
Geothermometrie pher Paragenesen quantitativ abschätzen kann.
und Geobarometrie
25.4
Druck-Temperatur-
Entwicklung
metamorpher Komplexe
426 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
25.1 25.1 neben Korund oder Graphit neben Hämatit. Die jeweili-
Gleichgewichtsbeziehungen in ge Inkompatibilität dieser Mineralpaare wurde experi-
metamorphen Gesteinen mentell bestätigt.
Demgegenüber lässt sich die Frage, ob im Zuge dieser
25.1.1 Entwicklung irgendwann einmal ein thermodynami-
Feststellung des thermodynamischen Gleichgewichts sches Gleichgewicht eingestellt wurde, – streng genom-
men – nicht eindeutig beantworten. Wichtigstes Kriteri-
Metamorphe Gesteine sind Produkte einer komplizierten um für eine Gleichgewichtseinstellung sind gemeinsa-
Entwicklung, auf der ein prograder und ein retrograder me Kornkontakte zwischen koexistierenden Mineralen.
P-T-Pfad durchlaufen wurde. Als Folge davon kann man So kann z. B. die Mineralkombination Staurolith + Gra-
in den meisten metamorphen Gesteinen unter dem Mi- nat + Biotit + Muscovit + Plagioklas + Quarz in einem
kroskop vielfältige Ungleichgewichtsgefüge erkennen, die Metapelit nur dann als Gleichgewichtsparagenese ange-
sich als Ergebnis prograder oder retrograder Reaktions- sprochen werden, wenn man durch sorgfältige mikros-
schritte interpretieren lassen: kopische Untersuchungen sichergestellt hat, dass sich alle
diese Minerale gegenseitig berühren. Nur dann ist die
Zonarbau bei Mischkristallen, z. B. bei Granat, Amphi- Annahme gerechtfertigt, dass beim Höhepunkt eines
bolen, Plagioklas oder Epidot, bildet den prograden Metamorphoseprozesses Gleichgewichtsbedingungen
oder retrograden P-T-Pfad ab, kann aber auch durch (nahezu) erreicht wurden. Die Chancen hierfür sind
Elementfraktionierungen bedingt sein, z. B. bevorzug- umso größer, je höher die Drücke und besonders die
ten Einbau von Mn im Granat. Da Granat optisch iso- Temperaturen bei der Metamorphose waren und je grö-
trop ist, kann sein Zonarbau oft nur durch Analysen ßer der Zeitraum war, der dafür zur Verfügung stand.
mit der Elektronenstrahlmikrosonde (EMS) erkannt Darüber hinaus begünstigen auch Deformationsprozes-
werden. se, die die Zahl der Kornkontakte erhöhen und Wege für
Mineralrelikte von magmatischen oder sedimentären einen erhöhten Fuidfluss öffnen, die Einstellung von
Ausgangsgesteinen, von älteren Metamorphose-Ereig- Mineralgleichgewichten.
nissen oder des prograden P-T-Pfades können meta- Ein weiteres wichtiges Kriterium für Gleichgewichts-
stabil erhalten sein, meist in Form von Einschlüssen einstellung ist die Gültigkeit der Gibbs’schen Phasenre-
in Porphyroblasten. gel (Kap. 16). Ihre Anwendung auf metamorphe Gestei-
Reaktionsgefüge zwischen zwei oder mehreren Mine- ne ist unverzichtbar, jedoch nicht in allen Fällen trivial
ralarten, oft in Form von Symplektiten oder Reaktions- (z. B. Seifert 1978).
koronen, weisen meist auf den retrograden P-T-Pfad
hin (Abb. 25.1). 25.1.2
Die Gibbs’sche Phasenregel
Ein klarer Hinweis für Ungleichgewichte ist das Neben-
einanderauftreten von inkompatiblen (unverträglichen) Bei seiner Untersuchung über die Hornfelse im Oslo-
Mineralphasen wie z. B. Quarz neben Forsterit, Quarz Gebiet (Südnorwegen) hatte V. M. Goldschmidt (1911)
zuerst erkannt, dass eine Beziehung zwischen dem Che-
mismus und dem Mineralbestand dieser metamorphen
Gesteine besteht. Er folgerte, dass ein thermodynami-
sches Gleichgewicht erreicht sein müsse, so dass die
Gibbs’sche Phasenregel angewendet werden kann. Diese
legt fest, wie viele Mineralphasen bei einem gegebenen
Gesteins-Chemismus maximal in einem metamorphen
(oder magmatischen) Gestein nebeneinander im Gleich-
gewicht auftreten können. Dabei gelten folgende Defini-
tionen (Abschn. 16.1, S. 256):
sen auf, als nach der Zahl der gewählten unabhängigen ten – durchaus nicht immer der Fall. Gerade unter den
Komponenten zu erwarten wären. So enthalten viele P-T-Bedingungen der hochgradigen Metamorphose, un-
Metapelite mehr als zwei oder sogar drei Al2SiO5-Poly- ter denen z. B. Granulite entstehen, gilt häufig Pfl < Pl. In
morphen nebeneinander, wie wir das am Beispiel des diesem Falle müssen also zwei Druckparameter als Zu-
Kristallins von Naxos (Abschn. 24.2.5, S. 396ff) gezeigt standsvariable berücksichtigt werden, und die Gibbs’sche
haben. Die tatsächliche oder scheinbare Verletzung der Phasenregel erhält die Form
Phasenregel kann mehrere Gründe haben, wie wir am
Beispiel von Abb. 25.2 erläutern wollen: F = C – Ph + 3 [25.1b]
Bei der prograden oder retrograden Neubildung von In vielen Fällen setzt sich die fluide Phase aus unter-
Sillimanit bleiben Kyanit oder Andalusit im Stabili- schiedlichen Spezies zusammen, die unterschiedliche
tätsfeld von Sillimanit metastabil erhalten (s. unten); Partialdrücke oder genauer Fugazitäten (S. 385) aufwei-
es liegt also Ungleichgewicht vor. sen, wie fH2O, fCO2, fO2 u. a. Diese stellen ebenfalls Zu-
Das Gestein repräsentiert tatsächlich P-T-Bedingun- standsvariablen dar, die den Zustand eines Systems ent-
gen, die genau auf einer univarianten Gleichgewichts- scheidend beeinflussen können. Damit würde sich die
kurve oder sogar einem invarianten Punkt liegen. Die Zahl der Freiheitsgrade entsprechend erhöhen. Anderer-
Koexistenz von zwei bzw. drei Al2SiO5-Phasen ent- seits stellen H2O und CO2 Komponenten im Sinne der
spricht also tatsächlich einem univarianten bzw. in- Phasenregel dar, da sie als (OH)-Gruppe in viele Silikat-
varianten Gleichgewicht. minerale eingebaut werden bzw. Karbonatminerale bil-
den. Fügen wir z. B. dem oben angeführten Dreistoff-
Leider ist es in vielen Fällen nicht möglich, zwischen system CaO–MgO–SiO2 als weitere Komponente CO2 hin-
diesen beiden Alternativen zu unterscheiden. Wir wer- zu, so können in den divarianten Feldern Calcit, Magne-
den jedoch später Beispiele kennenlernen, bei denen in sit oder Dolomit als eine weitere Mineralphase zu den
metamorphen Gesteinen tatsächlich univariante Gleich- vorhandenen Silikat-Mineralen hinzutreten und z. B. die
gewichte eingefroren wurden. Paragenese En–Wo–Qz–Cal bilden. Ist in diesem Falle
Zu einer scheinbaren Verletzung der Phasenregel Pl > Pfl = P(CO2), so würde die Phasenregel in der Form
kommt es auch, wenn die Zahl der unabhängigen che- von Gleichung (25.1b) gelten.
mischen Komponenten zu niedrig angesetzt wurde. So
enthalten die Al2SiO5-Polymorphen stets etwas Fe2O3, das 25.1.3
bevorzugt in Andalusit eingebaut wird. Somit erhöht Die freie Enthalpie: Stabile und metastabile Niveaus
sich C um 1, und es können über einen begrenzten P-T-
Bereich Fe-reicherer Andalusit und Fe-ärmerer Sillima- Der thermodynamische Gleichgewichtszustand, in dem
nit im divarianten Gleichgewicht miteinander koexistie- sich ein Mineral oder eine Mineralparagenese befindet,
ren: F = (1 + 1) – 2 + 2 = 2. Auch sonst ist es oft schwie- kann durch die freie Enthalpie (G) (engl. Gibbs’ free
rig zu entscheiden, ob chemische Komponenten, die sich energy) quantitativ beschrieben werden. Es handelt sich
in Mischkristallen gegenseitig diadoch vertreten, als zwei
gesonderte oder als eine Komponente aufgefasst werden
sollen, z. B. als MgO und FeO oder als (Mg,Fe)O.
Andererseits ist in metamorphen Gesteinen, z. B. bei
Metabasiten oder Metapeliten die Zahl der beteiligten
Phasen oft kleiner als die Zahl der Komponenten.
Dadurch wird die Phasenregel selbstverständlich nicht
verletzt; es erhöht sich lediglich die Varianz. Wenn z. B.
in einem Zweistoff-System in einem bestimmten P-T-Feld
nur eine Phase vorhanden ist, so gilt F = 2 – 1 + 2 = 3. Das
Feld ist also trivariant und es kann eine weitere Variable
berücksichtigt werden, z. B. die FeO/MgO-Verhältnisse
der beteiligten Minerale. In solchen Fällen kann es
schwierig sein, Kriterien für evtl. bestehende Mineral-
ungleichgewichte aus der Phasenregel abzuleiten.
Bislang waren wir von der vereinfachenden Annah-
Abb. 25.3. Potentialflächen zweier polymorpher Phasen A und B im G-
me ausgegangen, dass der Belastungsdruck Pl gleich dem P-T-Raum. Die Phase mit der jeweils niedrigeren freien Enthalpie G
Druck der fluiden Phase, dem Fluiddruck Pfl sei. Das ist ist die stabilere. Die Projektion der Schnittlinie auf die P-T-Fläche er-
jedoch – wie wir in Abschn. 24.1.4 (S. 385f) gesehen hat- gibt eine univariante Gleichgewichtskurve. (Nach Seifert 1978)
25.1 · Gleichgewichtsbeziehungen in metamorphen Gesteinen 429
um eine grundlegende Zustandsfunktion, deren Ablei- In Abb. 25.4b ist die T-Abhängigkeit von G bei einem konstanten
tung den Rahmen dieses Lehrbuchs überschreiten wür- Druck dargestellt, z. B. P3 in Abb. 25.4a. Die einzelnen Stabilitäts-
niveaus überschneiden sich an Punkten stabilen oder metastabilen
de; es sei hier auf einschlägige Lehrbücher verwiesen
Gleichgewichts. Bei P3 = const und relativ niedriger Temperatur ist
(z. B. Will 1998). Jedes System strebt einem Zustand mi- Kyanit die stabilste Phase, bei höherer Temperatur Andalusit und
nimaler freier Enthalpie zu. In einem Einstoffsystem wird bei der höchsten Temperatur Sillimanit. Die seit langem bekannte
also stets die polymorphe Phase thermodynamisch sta- Ostwald’sche Stufenregel sagt aus, dass ein hochgradig metastabiler
bil sein, die unter der gewählten Kombination von Zu- Zustand meist nicht direkt in den stabilen Zustand übergeht. Es wer-
den vielmehr zunächst Phasen gebildet, die einem mittleren Stabili-
standsvariablen den geringsten Wert von G aufweist; in
tätsniveau entsprechen. So bildet sich bei niedrigerer Temperatur
einem Mehrstoffsystem ist es jeweils die Phasenkombi- aus dem am wenigsten stabilen Sillimanit nicht direkt der stabile
nation mit dem geringsten G. Kyanit, sondern zunächst metastabiler Andalusit. Umgekehrt wan-
Wir beschränken uns auf ein Einstoffsystem mit den delt sich bei hoher Temperatur Kyanit nicht direkt in den stabilen
Phasen A, B und C und die Zustandsvariablen P und T. Sillimanit um, sondern über das Zwischenstadium der Andalusit-
Im G-P-T-Raum ist jeder Phase, z. B. A und B in Abb. 25.3, Bildung. Bei mittlererer Temperatur wird stabiler Andalusit auf dem
Weg Sillimanit → Kyanit → Andalusit oder Kyanit → Sillimanit
eine Potentialfläche zugeordnet (Seifert 1978). Da diese → Andalusit gebildet. Entsprechende Abfolgen können analog für
Flächen stetig sind, schneiden sie sich in einer Schnittli- die Druckniveaus P1, P2 und P4 abgeleitet werden (Abb. 25.4c–e).
nie, entlang der GA = GB ist: Es herrscht ein univariantes
thermodynamisches Gleichgewicht. Im linken Teil des In natürlichen Gesteinen kann die Ostwald’sche Stufen-
Diagramms ist A die stabilere Phase, im rechten Teil die regel Verletzungen der Phasenregel erklären. So bleibt in
Phase B. Das sagt aber noch nichts über die absolute Sta- Metapeliten Andalusit häufig metastabil erhalten, obwohl
bilität von A und B aus; denn die Potentialfläche der das Stabilitätsfeld von Sillimanit bereits erreicht wurde.
Phase C könnte noch niedriger liegen. Die Projektion der Dabei entsteht in vielen Fällen Sillimanit nicht direkt aus
Schnittlinie auf die P-T-Ebene erzeugt eine univariante Andalusit, sondern über komplexe Reaktionen aus Hell-
Gleichgewichtskurve, an der A und B miteinander koe- glimmern, wobei nadelig ausgebildeter Sillimanit (Fibro-
xistieren. Diese trennt zwei divariante Bereiche, in denen lith) epitaktisch auf Biotit-Blättchen aufwächst.
jeweils A (links) und B (rechts) die stabilere Phase dar- Bei der Bestimmung von Gleichgewichtskurven durch
stellen. Schneidet sich die Potentialfläche der dritten Hochdruck-Hochtemperatur-Experimente muss die
Phase C mit den bereits vorhandenen, entstehen als Ostwald’sche Stufenregel unbedingt beachtet werden.
Schnittlinien zwei weitere univariante Gleichgewichtskur- Verwendet man nämlich hochreaktive Ausgangsmateri-
ven. Schließlich ergibt sich für alle drei Flächen ein ge- alien wie Gläser, Gele oder sehr feingepulverte Substan-
meinsamer Schnittpunkt, in dem GA = GB = GC ist und ab zen, die einem sehr hohen Stabiltätsniveau (hohes G)
dem alle drei Phasen miteinander im Gleichgewicht koe- entsprechen, so kommt es leicht zur metastabilen Bildung
xistieren; das System ist also an dieser Stelle invariant. einer Phase, z. B. von Andalusit anstelle von Sillimanit.
Wir wollen die Verhältnisse am Beispiel des Einstoff- Will man aus einer hochreaktiven Ausgangssubstanz Sil-
systems Al2SiO5 näher erläutern (Seifert 1978). limanit kristallisieren, so fällt das System von einem sehr
Abb. 25.4.
G-T-Schnitte durch das Einstoff-
System Al2SiO5 bei unterschiedli-
chen Drücken. a P-T-Diagramm
mit vier Drücken P1 bis P4. b G-T-
Diagramm für den Druck P3. fett:
Kyanit, dünn: Andalusit, farbig:
Sillimanit; das niedrigste Stabili-
tätsniveau ist mit ausgezogenen
Linien dargestellt, das mittlere
gestrichelt, das höchste punktiert.
Die Pfeile deuten mögliche stabi-
le und metastabile Reaktions-
Fortschritte an. c–e G-T-Dia-
gramme für die Drücke P1, P2
und P4. (Nach Seifert 1978)
430 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
25.2.1
Polymorphe Umwandlungen und Reaktionen
ohne Freisetzung einer fluiden Phase
Dabei sind: ∆H° die Enthalpiedifferenz einer Reakti- Dabei muss wegen der Umrechnung von V° (cm3)
on, ∆S° die Entropiedifferenz und ∆V° die Differenz der = 10 × V° (J / bar) mit dem Faktor 10 multipliziert wer-
Molvolumina bei dieser Reaktion, jeweils bei Zimmer- den. Es ergibt sich für die Gleichgewichtskurven
temperatur (= 25 °C = 298 K) und Atmosphärendruck
(= 1 bar). Für die beteiligten Minerale lassen sich H° und Kyanit Sillimanit:
S° aus kalorimetrischen Messungen, V° aus der Dichte
oder – sehr genau – durch Röntgen-Pulver-Diffraktome-
trie ermitteln. Nach Holdaway u. Mukhopadhyay (1993)
gelten für das Al2SiO5-System die in Tabelle 25.1 aufge- Kyanit Andalusit:
führten Werte.
Als erstes berechnen wir die Gleichgewichtstempera-
turen der drei Reaktionen für einen Druck von P = 1 bar.
Dabei fällt das letzte Glied von Gleichung [25.2] weg und
Andalusit Sillimanit:
man kann mit ∆G = 0 die Gleichung nach T auflösen:
Tabelle 25.1.
Thermodynamische Daten für
die Al2SiO5-Polymorphen bei
P = 1 bar und T = 298 K (= 25 °C)
432 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
Für die Berechnung des Tripelpunktes formen wir Da sich am Tripelpunkt beide Gleichgewichtskurven
Gleichung [25.2] um: treffen, kann man beide Gleichungen gleichsetzen und
nach P auflösen; damit erhält man:
[25.2a]
Setzt man diesen Wert in die Ausdrücke für TKy/Sill,
Setzen wir die entsprechenden Werte für die drei TAnd/Sill und TKy/And ein, so ergeben sich übereinstimmen-
Gleichgewichtskurven ein, so ergibt sich: de Werte für TTrip = 774 K = 501 °C. Die so berechnete
P-T-Kombination stimmt innerhalb der Fehlergrenze mit
den experimentell bestimmten Werten von Holdaway u.
Mukhopadhyay (1993) überein.
In der Natur sind zahlreiche Gebiete bekannt gewor-
den, in denen alle zwei oder sogar drei Al2SiO5-Polymor-
phen nebeneinander auftreten. Die Frage, ob hier wirk-
Abb. 25.6.
a Orientierte Verdrängung von An-
dalusit durch Sillimanit (rötlich-
gelbe Interferenzfarben); links
oben Cordierit und Biotit, Kon-
taktaureole von Steinach bei Vo-
henstraus (Oberpfalz), Bildbreite
ca. 4 mm, +Nic. b Paragenese Silli-
manit (hellgelbe Interferenzfar-
ben) + Kalifeldspat (oben links)
mit perthitischer Entmischung
+ Cordierit (z. B. Mitte und rechts
unten) + Biotit (z. B. unten links
und rechts). Steinach-Aureole,
Oberpfalz, Bildbreite ca. 3,5 mm,
+Nic. (Foto: K.-P. Kelber)
b
25.2 · Metamorphe Mineralreaktionen 433
lich univariante bzw. invariante Gleichgewichtsparagene- opsid- und Akmit-Komponente enthält. Das gleiche gilt
sen oder metastabile Relikte vorliegen, kann nur durch für das Eklogit-Mineral Omphacit, einen Mischkristall
sehr sorgfältige mikroskopische Untersuchungen geklärt aus Augit + Jadeit (+ Akmit).
werden. So dokumentiert Abb. 25.6a die Verdrängung von In jüngster Zeit wurde erkannt, dass in Gesteinen, die
Andalusit durch Sillimanit, wobei die folgenden kristal- eine Ultrahochdruckmetamorphose erlebt haben, die
lographischen Orientierungsbeziehungen gefunden wur- Hochdruckmodifikationen Coesit SiO2 oder sogar Dia-
den: cAnd // cSil, bAnd // aSil und aAnd // bSil (Okrusch 1969). mant C auftreten können. Damit sind die Gleichgewichts-
kurven der beiden polymorphen Umwandlungen
Darüber hinaus wissen wir, dass sich die Stabilitätsgrenzen von
Kyanit, Andalusit und Sillimanit etwas verschieben, wenn Al durch
Fe3+ diadoch ersetzt wird. Es können dann über ein begrenztes P- Coesit Quarz (Abb. 9.43, S. 157) (25.5)
T-Intervall zwei Al2SiO5-Polymorphe miteinander koexistieren, z. B.
Fe3+-reicherer Andalusit neben Fe3+-ärmerem Sillimanit. Damit Diamant Graphit (Abb. 2.15, S. 58) (25.6)
werden aus den univarianten Gleichgewichtskurven divariante
Bänder, aus dem Tripelpunkt ein P-T-Feld. Für die Praxis sind je-
wichtige Indikatoren für Ultrahochdruckmetamorphose.
doch diese Modifizierungen nicht sehr bedeutend; sie gehen in der
Fehlergrenze der experimentellen Bestimmungen unter.
Bei Temperaturen über 1 000 °C und bei niedrigen Drücken 25.2.2
zerfällt die Hochtemperaturmodifikation Sillimanit in Mullit und Entwässerungsreaktionen
freies SiO 2. Mullit hat etwa die Formel Al [6]Al [4]1,2[O/Si 0,8O3,9]
= 5,5Al2O3 · 4SiO2. Die Verbindung Al2SiO5 existiert nicht mehr. Entwässerungsreaktionen bei PH2O = Ptotal
Mullit ist dann das einzige stabile Aluminiumsilikat im Beisein von
wasserfreier Schmelze.
Entwässerungsreaktionen (engl. dehydration reactions)
Eine andere Art von Reaktionen ohne Beteiligung von sind Reaktionen, bei denen durch Temperaturerhöhung
H2O oder CO2, ist die Modellreaktion: H2O freigesetzt wird. Die Mehrzahl der metamorphen Reak-
tionen, von denen wir einige bereits in Kap. 24 (Abb. 24.11,
S. 396) kennengelernt hatten, gehört zu dieser Gruppe. Sie
(25.4)
besitzen deshalb eine besondere Bedeutung.
Im Hochdruckexperiment tritt H2O gewöhnlich als
Durch die Gleichgewichtskurve (Abb. 24.1, S. 382) wird Überschussphase auf; es wird damit zum druckübertra-
die obere Temperaturstabilität bzw. die untere Druck- genden Medium, und der Partialdruck des Wassers (Was-
stabilität von Jadeit in Gegenwart von Quarz definiert: serdampfdruck) entspricht dem Gesamtdruck des Sys-
Jadeit-führende Gesteine entstehen im Zuge einer Hoch- tems PH2O = Pfl = Ptotal. Man bezeichnet experimentelle
druckmetamorphose, d. h. bei einem hohen P/T-Verhält- Anordnungen dieser Art als Hydrothermalexperimente
nis (s. unten). Allerdings benötigt natürlicher Jadeit zu und stellt die Ergebnisse der Gleichgewichtsuntersuchun-
seiner Bildung etwas niedrigere Drücke, da er meist Di- gen in PH2O-T-Diagrammen dar. Bei der prograden Me-
Abb. 25.7.
P-T-Diagramm mit den Gleichgewichtskur-
ven für Entwässerungsreaktionen in Meta-
peliten: 7 Kaolinit + Quarz Pyrophyllit
+ H2O (nach Thompson 1970); 8 Pyrophyllit
Andalusit/Kyanit + Quarz + H2O (nach
Hemley 1967 und Kerrick 1968); 9 Paragonit
+ Quarz Albit + Andalusit/Sillimanit
+ H2O (nach Chatterjee 1972); 10 Paragonit
Albit + Korund + H2O (nach Chatterjee
1970); 11 Muscovit + Quarz Kalifeldspat
+ Andalusit/Sillimanit + H2O (nach Chatter-
jee u. Johannes 1974); 11a Muscovit + Quarz
+ H2O Sillimanit/Kyanit + Schmelze
(nach Storre u. Karotke 1972); 11b Muscovit
+ Quarz Sillimanit/Kyanit + Schmelze
(H2O-frei) (nach Storre 1972); 12 Muscovit
Kalifeldspat + Korund + H2O (nach Chat-
terjee u. Johannes 1974); farbige Tangente:
berechnete Steigung von Kurve 12 für PH2O
= 2 kbar und T = 950 K; gestrichelte farbige
Linie: berechnete Steigung für PH2O = const
= 1 kbar bei Ptot = 2 kbar und T = 950 K.
Zum Vergleich ist das Al2SiO5-Phasendia-
gramm aus Abb. 25.6 eingetragen
434 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
tamorphose von pelitischen Sedimentgesteinen vollzie- Korund + Kalifeldspat (Abb. 9.50, S. 167) dokumentieren
hen sich mit fortschreitender Temperaturerhöhung u. a. bereits eine hochgradige Metamorphose. K-Einbau in
die folgenden Entwässerungsreaktionen, die für die Ab- Paragonit verschiebt Kurve (9) und (10) zu etwas höhe-
schätzung von metamorphen P-T-Bedingungen sehr ren, Na-Einbau in Muscovit (11) und (12) zu etwas nied-
wichtig sind (Abb. 25.7): rigeren Temperaturen. Bei erhöhten H2O-Drücken en-
den die Entwässerungskurven (9)–(12) an invarianten
Punkten, an denen H2O-gesättigte Schmelzkurven, z. B.
oder Dehydratations-Schmelzkurven, z. B.
Muscovit + Quarz
Sillimanit/Kyanit + Schmelze (25.11b)
(25.8)
abzweigen (Abb. 25.7).
Für Entwässerungsreaktionen ist typisch, dass die
Gleichgewichtskurven eine positive Steigung haben. Das
lässt sich folgendermaßen erklären: Das Gesamtmolvo-
lumen und die Gesamtentropie der Reaktionsprodukte
(25.9) sind meist deutlich größer als die der Ausgangsparage-
nese, weil das Molvolumen und die Entropie des freige-
setzten H2O viel größer sind als die der festen Phasen.
Damit werden ∆V und ∆S positiv, so dass die Gleichge-
wichtskurven nach der Clausius-Capeyron’schen Glei-
chung (25.3) eine positive Steigung aufweisen.
(25.10) Die Clausius-Clapeyron’sche Gleichung erhält für
Entwässerungsreaktionen in erster Näherung die folgen-
de vereinfachte Form:
[25.4]
(25.11)
Dabei ist ∆SsTo/l1ibdsar = Entropiedifferenz der festen Pha-
sen bei gegebener Temperatur und 1 bar, ∆V° solids = Dif-
ferenz der Molvolumina der festen Phasen bei 1 bar und
298 K (= 25 °C), SHT ,2PO und VHT ,2PO Entropie und Molvolu-
men von H2O bei der gegebenen P-T-Kombination. In
(25.12) Tabelle 25.2 sind die entsprechenden thermodynami-
schen Daten für die Teilnehmer der Reaktion (25.12) zu-
Das wichtigste Tonmineral Kaolinit zerfällt mit be- sammengestellt.
ginnender Metamorphose bei Anwesenheit von Quarz Aus diesen Werten ergibt sich mit Gleichung [25.4]:
unter Freisetzung von H2O in Pyrophyllit (Abb. 25.7,
Kurve (7)). Wenn gleichzeitig K-Ionen anwesend sind,
entsteht allerdings Muscovit. Pyrophyllit, früher häufig
übersehen, ist in Tonschiefern und Phylliten recht ver-
breitet. Unter höheren Temperaturen geht Pyrophyllit in
Andalusit oder Kyanit und Quarz über, wobei ebenfalls
H2O freigesetzt wird (Abb. 25.7, Kurve (8)). Die Gleich- Die Steigung der Reaktionskurve (25.12) bei einem
gewichtskurven für den Zerfall von Paragonit + Quarz H2O-Druck von 2 kbar und einer Temperatur von ca.
und und von Paragonit allein (Abb. 25.7, Kurve (9), (10)) 680 °C beträgt also ca. 3,5 kbar/ 100 °C. Legt man diese
sowie von Muscovit + Quarz und von Muscovit allein Steigung als Tangente an die Gleichgewichtskurve (25.12)
(Abb. 25.7, Kurve (11), (12)) liegen wesentlich höher. Die in Abb. 25.7 bei entsprechendem P und T an, so erkennt
Paragenesen Sillimanit + Kalifeldspat (Abb. 25.6b) und man eine gute Übereinstimmung.
25.2 · Metamorphe Mineralreaktionen 435
Tabelle 25.2.
Thermodynamische Daten für
die Reaktion Muscovit Kali-
feldspat + Korund + H2O
Tabelle 25.3. Molvolumina (cm3 /Mol) von Wasserdampf bei verschie- erhöhung aber eine immer steilere Neigung aufweisen.
denen Drücken und Temperaturen. (Nach Kennedy u. Holser 1966) Das lässt sich aus der abnehmenden Kompressibilität von
Wasserdampf bei zunehmendem Druck erklären: Bei glei-
cher Temperatur nimmt das Molvolumen von H2O-Dampf
bei Drucksteigerung dramatisch ab, bei höheren Drücken
dagegen kaum noch (Tabelle 25.3). Oberhalb etwa 3 kbar
verlaufen Entwässerungskurven immer steiler, d. h. die
Reaktionen werden immer weniger druckabhängig.
Das lässt sich auch an drei weiteren metamorphen
Entwässerungsreaktionen belegen, die wir aus dem stoff-
lich völlig anderen Modellsystem MgO–SiO2–H2O wäh-
len (Abb. 25.8):
(25.13)
In der Natur vollzieht sich der Abbau des Serpentin-
Minerals Antigorit nach Reaktion (25.13) bei der pro-
graden Metamorphose von Serpentiniten, z. B. am Plu-
tonitkontakt, wenn Temperaturen von rund 500 °C über-
schritten werden. Wird diese Temperatur bei der Ab-
kühlung unter Zutritt von Wasser wieder unterschritten,
so wandelt sich Forsterit bzw. Olivin unter Beteiligung
von Talk erneut in Serpentin um. War Talk im Überschuss
vorhanden, bleibt er neben Serpentin erhalten, weil er
auch links der Kurve (25.13) ein stabiles Existenzfeld
besitzt. Bei weiterer Temperaturerhöhung reagieren im
gleichen ultramafischen System Forsterit und Talk zu
Anthophyllit und Forsterit + Anthophyllit zu Enstatit;
weiterhin werden Talk zu Anthophyllit + Quarz und An-
thophyllit zu Enstatit + Quarz abgebaut (Abb. 25.8):
(25.16)
(25.19)
(25.21)
(25.18)
Abb. 25.9.
P-T-Diagramm mit den Gleichge-
wichtskurven für Entwässerungs-
reaktionen von Zeolithen. 18 An-
alcim + Quarz Albit + H2O
(nach Thompson 1971); 20 Heu-
landit Laumontit + H2O (nach
Cho et al. 1987); 19 Laumontit
Lawsonit + Quarz + H2O und
21 Laumontit Wairakit + H2O
(nach Liou 1971); 22 Wairakit
Anorthit + Quarz + H2O (nach
Liou 1970); obere Stabilitätsgren-
ze von Lawsonit (nach Liou 1971)
25.2 · Metamorphe Mineralreaktionen 437
Entwässerungsreaktionen mit PH2O < Ptot geren Temperaturen hin verschoben. Das soll am Bei-
spiel Reaktion (25.11) gezeigt werden:
Bislang haben wir nur Entwässerungsreaktionen kennen-
gelernt, bei denen der H2O-Druck gleich dem Gesamt-
druck war. Das ist jedoch in der Natur nicht immer der
Fall. Insbesondere bei der höhergradigen Metamorpho-
se ist häufig die Bedingung PH2O < Ptot erfüllt. Dabei müs- (25.11)
sen zwei verschiedene Fälle unterschieden werden:
Für diese Reaktion hat Kerrick (1972) die Gleichgewichts-
1. Ptot > Pfl = PH2O. Der H2O-Druck ist gleich dem Fluiddruck, kurven für unterschiedliche Molenbrüche XH2O = H2O/
dieser ist aber kleiner als der Gesamtdruck. Unter diesen Be- (H 2O + CO 2) in der fluiden Phase experimentell be-
dingungen nimmt die Clausius-Clapeyron’sche Gleichung stimmt und thermodynamisch berechnet. Man erkennt aus
die Form eines partiellen Differentials an (Greenwood 1961): Abb. 25.10, dass z. B. bei einem Gesamtfluiddruck von
2 kbar, die Gleichgewichtstemperatur um ca. 50 °C sinkt,
wenn XH2O von 1 auf 0,5 verringert wird; bei höherem Pfl
[25.5] ist diese T-Erniedrigung noch stärker. Umgekehrt erhöht
sich bei Erniedrigung von XH2O die Temperatur des Granit-
Solidus, wie wir bereits in Kap. 18 (Abb. 18.5, S. 291) gezeigt
Erweitert man diesen Ausdruck mit ∆VP/T, so ergibt sich: hatten. Die Soliduskurven von Granit und die Gleichge-
wichtskurve von Reaktion (25.11) treffen sich jeweils in in-
varianten Punkten. Von diesen zweigen die steilstehenden
Gleichgewichtskurven der folgenden Reaktionen ab:
[25.5a] (25.11a)
und
Nehmen wir als Beispiel die Reaktion
(25.11b)
(25.12)
Diese Reaktionen beschreiben das H 2O-gesättigte sitive Steigung und eine deutliche Krümmung im unte-
Schmelzen bzw. das Dehydratationsschmelzen von Mus- ren Druckbereich. Dabei ist der Druckeinfluss auf die
covit in Gegenwart von Quarz und Plagioklas bei unter- Gleichgewichtstemperatur der Reaktion beachtlich: sie
schiedlichem XH2O (letztere ist in Abb. 25.10 nicht dar- beträgt bei PCO2 = 0,5 kbar etwa 550 °C, bei 3 kbar dage-
gestellt; vgl. Abb. 25.7). Erst ab XH2O < 0,5 existiert ein gen ca. 780 °C. Deshalb verwundert es nicht, dass Bedin-
Feld, in dem aus dem konventionellen Muscovit-Abbau gungen für die Wollastonit-Bildung eher in Kontakt-
in Gegenwart von Quarz nach Reaktion (25.11) Kyanit aureolen erreicht werden als bei der Regionalmetamor-
anstelle von Andalusit oder Sillimanit entsteht. Daraus phose, bei der die Paragenese Calcit + Quarz bis zu Tem-
folgt, dass die Bildung von Kyanit-führenden Granuliten peraturen >700 °C stabil sein kann. Allerdings verschie-
relativ „trockene“ Bedingungen erfordert, es sei denn, Mig- ben sich – analog zu den Entwässerungsreaktionen – die
matitgefüge weisen auf partielles (Dehydrations-)Schmel- Gleichgewichtskurven von Dekarbonatisierungsreakti-
zen hin. Allgemein gilt, dass die Gleichgewichtskurven von onen zu niedrigen Temperaturen hin, wenn die fluide
Entwässerungsreaktionen nur dann zur T-Abschätzung Phase neben CO2 auch andere Gasspezies, z. B. H2O ent-
der Metamorphose verwendet werden können, wenn man hält, d. h. Ptot = Pfl = PCO2 + PH2O … wird. In Abb. 25.11
unabhängige Informationen über den Gesamtdruck und sind die Gleichgewichtskurven der Reaktion (25.23) für
den H2O-Gehalt der fluiden Phase hat. unterschiedliche XCO2 = CO2 / (CO2 + H2O) dargestellt,
und zwar für X CO 2 = 0,75, 0,50, 0,25, 0,13 sowie für
25.2.3 P CO 2 = const = 1 bar. Ist dagegen P tot > P fl = P CO2 , so
Dekarbonatisierungsreaktionen zweigt von der Kurve für XCO2 = 1 – analog zu Abb. 25.7
– eine Kurve mit steiler negativer Steigung ab, z. B. bei
Bei der Metamorphose von unreinen, SiO2- und/oder PCO2 = 1 kbar. Aus diesen Erörterungen folgt, dass man
Al2O3-haltigen Karbonat-Gesteinen wird CO2 allein oder die Reaktion (25.22) nur dann zur T-Abschätzung der
zusammen mit H2O freigesetzt. Die bekannteste Dekar- Metamorphose verwenden kann, wenn man über unab-
bonatisierungsreaktion ist der Abbau von Calcit in Ge- hängige Kriterien für den Gesamtdruck sowie die Parti-
genwart von Quarz zu Wollastonit nach der Reaktion aldrücke von CO2 und H2O verfügt.
Die Gesamtentropiezunahme der Reaktion (25.23) liegt in der glei-
(25.23) chen Größenordnung wie bei Entwässerungsreaktionen. Demge-
genüber ist das ∆V°solids stark negativ, da Calcit und Quarz deutlich
geringere Dichten als Wollastonit haben:
Wie Abb. 25.11 erkennen lässt, hat die Gleichgewichts-
kurve dieser Reaktion bei Ptotal = PCO2 eine ähnliche Form
wie die meisten Entwässerungsreaktionen, d. h. eine po-
maximal drei Phasen miteinander: F = 3 – 3 + 2 = 2, so dieser Kurven aus einem partiellen Differential berechnen,
dass T und PCO2 frei wählbar sind. In Abb. 25.11 sind die das der Clausius-Clapeyron’schen Gleichung analog ist.
möglichen Phasenkombinationen im Konzentrations- Dabei wird vorausgesetzt, dass die Aktivitätskoeffizienten γ
dreieck CaO–SiO2–CO2 für zwei verschiedene Gesteins- von H2O und CO2 konstant sind, so dass man mit den
Chemismen A und B durch den jeweiligen Konodenverlauf Molenbrüchen XH2O = H2O/(H2O + CO2) und XCO2 = CO2 /
dargestellt. Auf der linken Seite der Gleichgewichtskurve (H2O + CO2) = 1 – XH2O arbeiten kann:
koexistieren in beiden Gesteinen Calcit und Quarz. Durch
Reaktion (25.23) wird die Konode Calcit–Quarz gebro-
chen und durch die Konode Wollastonit–Fluid ersetzt. Dabei [25.6]
können je nach Ausgangszusammensetzung entweder
Quarz oder Calcit übrig bleiben. Dementsprechend ist in
Gestein A die Paragenese Quarz–Wollastonit (–Fluid) sta- Dabei sind νCO2 und νH2O die Zahl der an der Reaktion
bil, in Gestein B dagegen Wollastonit–Calcit (–Fluid). beteiligten Mole CO2 bzw. H2O und R die ideale Gaskon-
Für den Fall Ptotal = Pfluid = PCO2 + PH2O gewinnt das Sys- stante. Wir erinnern uns daran, dass die Reaktanten ne-
tem einen zusätzlichen Freiheitsgrad und die Clausius- gativ, die Reaktionsprodukte positiv gerechnet werden.
Clapeyron’sche Gleichung erhält die Form F = C – Ph + 3. Nach Greenwood (1967) kann man fünf verschiedene Fälle
Mit F = 3 – 4 + 3 = 2 wird die univariante Gleichgewichts- unterscheiden, die im T–XCO2-Diagramm Abb. 25.12b
kurve der Reaktion (25.23) zur divarianten Fläche im P–T– schematisch dargestellt sind.
PCO2- oder P–T–XCO2-Raum. Es hat sich als nützlich erwie-
sen, Reaktionen, an denen die Komponenten H2O und CO2 1. Reaktionen, bei denen nur CO2 frei wird: νH2O = 0, νCO2 > 0
als Partner beteiligt sind, in isobaren T–XCO2-Diagrammen,
d. h. bei Ptotal = const zu behandeln. Diesen Diagrammtyp Wenn ∆S positiv ist, was meist zutrifft, wird
wollen wir im folgenden Abschnitt kennenlernen.
25.2.4
Reaktionen, an denen H2O und CO2 beteiligt sind
Solche Reaktionen spielen bei der aufsteigenden Metamor- positiv, d. h. die Gleichgewichtskurve hat im T–XCO2-Di-
phose von unreinen Kalksteinen, insbesondere von Mergeln, agramm eine positive Steigung; sie schneidet die T-Ach-
eine ganz wichtige Rolle. Ihre Gleichgewichtskurven wer- se bei XCO2 = 1 bei der maximal möglichen Temperatur
den in T–XCO2-Diagrammen dargestellt, die isobare Schnitte und nähert sich mit sinkender Temperatur asymptotisch
durch den Pfl-T-XCO2-Raum bilden; es handelt sich um die der T-Achse bei XCO2 = 0 (Abb. 25.12b, 25.13). Beispiel:
Schnittlinien der divarianten Gleichgewichtsfläche bei ei- Reaktion (25.23) und analoge Dekarbonatisierungsreak-
nem bestimmten Ptotal (Abb. 25.12a). Da der Gesamtfluid- tionen, wie
druck konstant gehalten wird, verzichtet man auf einen Frei-
heitsgrad, so dass wieder F = C–Ph + 2 gilt. Damit werden
die Gleichgewichtskurven im T–XCO2-Schnitt wiederum (25.24)
univariant. Nach Greenwood (1967) lässt sich die Steigung
Abb. 25.12.
a Gleichgewichtsfläche (schattiert)
einer Dekarbonatisierungsreak-
tion im Pfl–T–XCO2-Raum; ein
isobarer Schnitt (Pfl = const) er-
zeugt eine univariante Gleich-
gewichtskurve im T–XCO2-Dia-
gramm. b Schematisches T–XCO2-
Diagramm für eine H2O–CO2-
Fluidphase bei Pfl = const. Veran-
schaulicht wird die Form von
univarianten Gleichgewichtskur-
ven der fünf verschiedenen Reak-
tionstypen (nach Greenwood
1967); B und D sind feste Phasen
definierter Zusammensetzung.
(Mod. aus Miyashiro 1994)
440 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
2. Reaktionen, bei denen nur H2O frei wird: νH2O > 0, νCO2 = 0 Für Gleichung (25.25) liegt das Maximum bei
(25.25)
(25.26)
Abb. 25.13. T–XCO2-Diagramm für Pfl = 1 kbar für verschiedene Re-
aktionen im Kalksilikat-System CaO–MgO–SiO2–CO2–H2O. 23 Cal-
cit + Quarz Wollastonit + CO 2; 24 Dolomit Periklas + Cal-
cit + CO 2 ; 25 Talk + Dolomit Forsterit + Calcit + CO 2 + H 2O;
26 Tremolit + Calcit + Quarz Diopsid + CO 2 + H 2O; 27 Talk
+ Calcit + Quarz Tremolit + CO 2 + H 2O; 28 Dolomit + Quarz
(25.27) + H2O Talk + Calcit + CO2. (Nach verschiedenen Autoren aus
Miyashiro 1973)
25.2 · Metamorphe Mineralreaktionen 441
(25.28)
mit der Variation von XCO2 lässt sich leicht berechnen. Wie
man aus Tabelle 25.4 ablesen kann, ist bei niedrigen und
hohen XCO2-Werten die Steigung der Gleichgewichtskurve
sehr steil und flacht sich zum Wendepunkt bei XCO2 nahe
0,6 zunehmend ab.
Tabelle 25.4. Veränderung von (vCO2 /XCO2) – (v H2O /XH2O) mit XCO2 H2O H2 + ½O2 (25.29)
für Reaktion (25.28)
gebildet werden. Bei den erhöhten P-T-Bedingungen der
Metamorphose sollte man anstelle des O2-Partialdrucks
PO2 genauer den Begriff der O2-Fugazität fO2 verwenden.
Wie das T-fO2-Diagramm (Abb. 25.14) zeigt, ist der Druck-
einfluss auf diese Reaktion beachtlich; so zersetzt sich H2O
bei 600 °C und P = 1 bar bereits bei fO2 = 10–8 bar, bei
600 °C und PH2O = 2 kbar dagegen erst dann, wenn fO2 auf
10–6 bar steigt.
Während der Sauerstoffpartialdruck bei der atmos-
phärischen Verwitterung bei 0,21 bar liegt und auch bei
Sedimentationsvorgängen meist hoch ist, finden meta-
morphe und magmatische Prozesse meist bei deutlich
geringerem fO2 statt. So verläuft die Gleichgewichtskurve
der Reaktion
(25.30)
442 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
die das Stabilitätsfeld von Magnetit zu hohen Sauerstoff- Ganz allgemein lässt sich die Sauerstoff-Fugazität im
Fugazitäten abgrenzt, durch die Punkte T = 400 °C/ fO2 Experiment über univariante Gleichgewichtskurven von
= 10–21 bar, 600 °C/ 10–12 bar und 1 000 °C/ 10–5 bar. Die Oxid- und Oxid-Silikat-Reaktionen festlegen, wenn Ptot
obere Stabilitätsgrenze von Magnetit, die durch die Re- und T bekannt sind. So koexistieren im Zweistoffsystem
aktionen Fe–O an der Gleichgewichtskurve der Reaktion (25.30)
die beiden festen Phasen Hämatit und Magnetit sowie
eine Gasphase miteinander. Von den drei Zustandsvari-
(25.31)
ablen T, Ptot und fO2 wird Ptot konstant gehalten, so dass die
Gibb’sche Phasenregel die Form F = C – Ph + 2 annimmt.
und Mit F = 2 – 3 + 2 = 1 ist die Gleichgewichtskurve in der
Tat univariant, d. h. bei gegebenem T ist fO2 automatisch
festgelegt. Folgende univariante Gleichgewichtsreaktio-
(25.32)
nen werden im Experiment häufig als Puffersysteme zur
Kontrolle der Sauerstoff-Fugazität eingesetzt:
definiert wird, ist durch die Punkte 400 °C / 10 –33 bar,
600°C/10–22 bar und 1000 °C/10–11 bar festgelegt (Abb. 25.14). HM: Hämatit–Magnetit-Puffer nach Reaktion (25.30)
Im Gegensatz zur Dissoziationsreaktion von H2O (25.29) NNO: Nickel–Nickeloxid-Puffer nach der Reaktion
ist der Einfluss des Gesamdrucks auf diese Feststoff-
NiO Ni + ½O2
redoxreaktionen gering.
Aus Abb. 25.14 wird deutlich, dass die Dissoziations- FMQ: Fayalit–Magnetit + Quarz-Puffer nach der
kurven von H2O fast vollständig im Stabilitätsfeld von Reaktion
Hämatit verlaufen. Daher dürfte in metamophen und
2Fe3O4 + 3SiO2 3Fe2[SiO4] + O2
magmatischen Gesteinen lediglich Hämatit als opake
Eisenoxidphase auftreten, wenn der Sauerstoffanteil, der MW: Magnetit–Wüstit-Puffer nach Reaktion (25.31)
in der Gasphase vorhanden ist, nur durch die H2O-Dis- IM: Magnetit–ged. Eisen-Puffer nach der Reaktion
soziation nach Reaktion (25.29) kontrolliert würde. Das
Fe3O4 3Fe + 2O2
ist aber nicht der Fall; denn in Gesteinen treten häufig
auch Magnetit und Ilmenit als Opakphasen auf. Daher IW: Wüstit–ged. Eisen-Puffer nach Reaktion (25.32)
sollte fO2 geringer bzw. der H2-Anteil größer sein, als IQF: ged. Eisen + Quarz–Fayalit-Puffer nach der
durch Gleichung (25.28) gegeben ist. Eine Erklärungs- Reaktion
möglichkeit ist die Anwesenheit von organischer Sub-
Fe2[SiO4] 2Fe + SiO2 + O2
stanz oder – bei höherem Metamorphosegrad – von Gra-
phit, der z. B. in metamorphen Sedimentgesteinen häu-
fig beobachtet wird. In erster Näherung könnte man dann In der experimentellen Praxis wird zur Kontrolle
die Reaktion der O 2-Fugazität die sog. Doppelkapselmethode an-
gewendet (Eugster 1957). Dabei wird die Ausgangs-
CO2 C + O2 (25.33) mischung z. B. für die Reaktion Staurolith + Quarz
Cordierit + Andalusit + H2O in eine Edelmetallkapsel
anwenden, deren Gleichgewichtskurven für 10 bar und eingebracht; diese wird von einer größeren Edel-
10 kbar Gesamtfluiddruck überwiegend in den Stabili- metallkapsel umgeben, in der sich die Puffermischung,
tätsfeldern von Magnetit und Wüstit liegen. Daneben z. B. FMQ, zusammen mit H2O befindet. Bei den definier-
können auch die Reaktionen CO 2 CO + ½O 2 und ten P-T-Bedingungen des Experiments stellt der FMQ-
C + 2H2 CH4 zur Kontrolle von fO2 und fH2 beitragen. Puffer eine definierte O2-Fugazität ein, die ihrerseits das
In der Tat ist Methan CH4, das relativ reduzierende Be- Dissoziationsgleichgewicht von H2O (25.29) beeinflusst.
dingungen anzeigt, in Flüssigkeitseinschlüssen metamor- Dadurch wird eine bestimmte H2-Fugazität eingestellt.
pher Minerale nachgewiesen worden (Kap. 10, S. 181ff) Das kleine Wasserstoffmolekül ist in der Lage, durch das
und kann in Graphit-haltigen Metasedimenten einen be- Kapselmaterial hindurch zu diffundieren und so das
trächtlichen Anteil der fluiden Phase ausmachen. Bei Gleichgewicht (25.29) auch in der inneren Kapsel zu steu-
gegebenen P-T-Bedingungen dominiert in diesen Gestei- ern. Dadurch wird das fO2, das durch die Puffermischung
nen CH4 bei niedrigem fO2, H2O bei mittlerem fO2 und definiert ist, auch in der inneren Kapsel eingestellt. Die
CO 2 bei hohem f O2. Mit steigender Temperatur und oben genannten Puffermischungen liefern somit eine
sinkendem Druck nimmt der H2O-Gehalt in der flui- schrittweise fO2-Skala.
den Phase ab; dabei wird Graphit nach der Reaktion Fe2+-haltige Silikate wie Almandin-reicher Granat oder
2C + 2H2O CO2 + CH4 zunehmend abgebaut (Ohmoto Staurolith sind bei gegebener Temperatur und gegebenem
u. Kerrick 1977). Gesamtdruck nur über einen bestimmten fO2-Bereich sta-
25.2 · Metamorphe Mineralreaktionen 443
Abb. 25.15.
T-fO2-Diagramm mit dem Stabi-
litätsfeld von Almandin (mittel-
blau) und den Gleichgewichts-
kurven wichtiger Puffersysteme;
hellblau: Stabilitätsfeld von Quarz
+ Fe-Chlorit ± Magnetit (Nach
Hsu 1968)
bil. Bei Zunahme von fO2 werden sie unter Bildung von Mag- 25.2.6
netit oder Hämatit abgebaut, wie das am Beispiel von rei- Petrogenetische Netze
nem Almandin im T–fO2-Diagramm (Abb. 25.15) dargestellt
ist. Bei konstantem H2O-Druck nimmt die Bildungstem- Im Laufe der letzten 50 Jahre sind zahlreiche Gleichge-
peratur von Almandin mit steigendem fO2 immer mehr zu. wichtskurven metamorpher Mineralreaktionen experi-
Dabei schneidet seine untere Stabilitätsgrenze nach der Re- mentell bestimmt worden. Es wäre jedoch viel zu auf-
aktion Quarz + Fe-Chlorit ± Magnetit Almandin + H2O wändig, die Gleichgewichtskurven aller theoretisch denk-
die Kurven für den IQF-, IM- und FMQ-Puffer, während baren oder auch nur aller in der Natur beobachteten
die Gleichgewichtskurve der Reaktion Quarz + Hercynit Mineralreaktionen durch Hochdruck-Hochtemperatur-
+ Magnetit Almandin + H2O wesentlich flacher, und Experimente festzulegen. Wie wir gesehen haben, gibt es
zwar nahezu parallel der FMQ-Pufferkurve verläuft. Die jedoch durchaus die Möglichkeit, die Lage solcher Kur-
obere Stabilitätsgrenze von Almandin hat im T–fO2-Dia- ven im P-T- oder im T–XCO2-Feld und ihre Steigung ther-
gramm eine negative Steigung. modynamisch zu berechnen. Dafür muss man allerdings
Während sich H2O und CO2 während der prograden die thermodynamischen Größen der beteiligten Mineral-
und retrograden Metamorphose relativ mobil verhalten, phasen im entsprechenden P-T-Bereich kennen, insbe-
ist das bei O2 und H2 offensichtlich nicht der Fall. Zahl- sondere ihre Molvolumina V, Bildungsenthalpien H,
reiche Beispiele belegen, dass in unterschiedlichen Schich- Entropien S, ferner die Beziehungen zwischen den Mo-
ten einer metamorphen Sedimentfolge primäre Unter- lenbrüchen Xi und den Aktivitäten ai von chemischen Ele-
schiede im fO2 erhalten geblieben sind. So wurden in der menten in Mischkristallen. Diese Werte können durch ka-
gebänderten Eisenformation (BIF) des Kanadischen Schil- lorimetrische Messungen, aus kristallographischen Para-
des Schichten, in denen entweder Hämatit oder Magnetit metern, aber auch aus Hochdruck-Hochtemperatur-
als Fe-Oxid auftreten, im unmittelbaren Kontakt gefun- experimenten gewonnnen werden. Für H2O und CO2 sind
den, wobei die Grenzen teils scharf, teils unscharf sind. die thermodynamischen Parameter bereits seit längerer Zeit
Der koexistierende Aktinolith hat im Gleichgewicht mit für einen weiten P-T-Bereich bekannt. Das Ergebnis sind
Hämatit ein geringeres Fe2+/Mg-Verhältnis als mit Mag- intern konsistente thermodynamische Datensätze (Berman
netit. Dieses stellt somit ein Maß für die O2-Fugazität im 1988; Holland u. Powell 1985, 1990; Powell et al. 2005), aus
Gestein dar. Das gleichzeitige Auftreten von Magnetit und denen sich für bestimmte Modellsysteme petrogenetische
Hämatit in metamorphen Gesteinen oder Erzen definiert Netze (engl. petrogenetic grids) konstruieren lassen. So
– bei gegebener Temperatur – die O2-Fugazität bei ei- kann man z. B. Gleichgewichtskurven, die für die metamor-
nem bestimmten Wert. Die Reaktion (25.30) stellt also phe Entwicklung von pelitischen Stoffbeständen relevant
einen O2-Puffer dar. sind, in einem PH2O-T-Diagramm für das Modellsystem
444 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
Abb. 25.16.
P-T-Pseudoschnitt für einen Kya-
nit-Staurolith-Glimmerschiefer
aus der Kyanit-Zone des panafri-
kanischen Kaoko-Gürtels (Nami-
bia) im KMnFMASH-System. Der
pauschale Gesteins-Chemismus ist
im oberen Kasten angegeben. Mit-
teldicke Linien: univariante Gleich-
gewichtskurven; mittelblau: diva-
riante Felder; weiß: trivariante Fel-
der; hellblau: quadrivariantes Feld.
Quarz, Muscovit und H2O sind
Überschussphasen und werden bei
den Paragenesen in den Feldern
nicht aufgeführt. Für das trivari-
ante Feld Granat (g)–Chlorit (chl)–
Staurolith (st)–Quarz (q)–Musco-
vit (mu)–H2O sind die Isoplethen
für Mn / (Mn + Fe + Mg) und Fe /
(Mn + Fe +Mg) im Granat angege-
ben. Als dicke schwarze Linie ist der
prograde und retrograde P-T-Pfad
eingetragen, der sich aus den abge-
schätzten P-T-Kombinationen (I)
bis (V) ergibt. (Nach Gruner 2000)
K2O–FeO–MgO–Al2O3–SiO2–H2O (KFMASH) darstellen. Man erkennt, dass nur wenige Reaktionen univariant, die
Für Gesteine mit mergeliger Zusammensetzung käme ein meisten dagegen divariant sind. So führt in diesem Ge-
isobares T–XCO2-Diagramm für das Modellsystem CaO– stein die prograde Entwicklung von der Paragenese
MgO–Al2O3–SiO2–CO2–H2O (CMASCH) in Frage. Die Granat + Chlorit + Staurolith + Muscovit + Quarz zur
Phasenbeziehungen von Mg-Fe-Mischkristallen, z. B. von Paragenese Granat + Biotit + Staurolith + Kyanit + Mus-
Staurolith, Granat, Biotit und Chlorit in einem Metapelit covit + Quarz über ein schmales divariantes Feld, in dem
könnten in isobaren T–XFe- oder isothermen P–XFe- zwar bereits Biotit, aber noch nicht Kyanit in der Para-
Schnitten dargestellt werden. genese auftritt. Die meisten Felder sind sogar trivariant:
Wegen der Fülle von univarianten Gleichgewichtskur- Sie enthalten jeweils drei Mineralphasen + Muscovit
ven und invarianten Punkten sind petrogenetische Net- + Quarz + H2O-Fluid im Gleichgewicht, d. h. Ph = 6; da
ze, insbesondere solche für komplexe Modellsysteme, oft es sich um ein System mit C = 7 handelt, ergibt sich nach
sehr unübersichtlich. Dabei muss man allerdings in Be- der Gibb’schen Phasenregel F = C – Ph + 2 = 7 – 6 + 2 = 3.
tracht ziehen, dass nicht jeder Gesteins-Chemismus alle Für ein tieferes Eindringen in diese Materie sollten das
möglichen Reaktionen auch wirklich „sieht“. So wären für einschlägige Lehrbuch von Will (1998) sowie die umfang-
einen MgO-reichen metapelitischen Stoffbestand dieje- reiche Darstellung von Spear (1993) studiert werden.
nigen Reaktionen uninteressant, an denen die Fe-reichen
25.3 Minerale Chloritoid und Staurolith beteiligt sind. Man wählt 25.3
daher aus dem gesamten P-T- oder T–XCO2-Diagramm Geothermometrie und Geobarometrie
nur die Gleichgewichtskurven aus, die für einen ganz be-
stimmten Pauschalchemismus relevant sind, und kommt Geothermometer und Geobarometer beruhen auf der
dadurch zu einer wesentlichen Vereinfachung. Diese Art der Elementverteilung zwischen koexistierenden Mineral-
Darstellung, die quasi einen chemischen Schnitt durch das phasen, z. B. von Mg und Fe auf Biotit und Granat, die
Modellsystem legt, wird als Pseudoschnitt (engl. pseudo- sich durch die ortsauflösende Analyse von Mineralen mit
section) bezeichnet. In Verbindung mit sorgfältigen mikro- der Elektronenstrahl-Mikrosonde bestimmen lässt. Vor-
skopischen Untersuchungen der Mineralreaktionen, die aussetzung dafür ist, dass sich bei einem Metamorphose-
in einem metamorphen Gestein abgelaufen sind, erlau- schritt, insbesondere beim Höhepunkt der Metamorpho-
ben Peudoschnitte die Rekonstruktion des prograden und se, ein P-T-abhängiges Austauschgleichgewicht einge-
retrograden P-T- oder T–XCO2-Pfades. Als Beispiel geben stellt hat und dieses durch spätere Ereignisse, z. B. auf
wir einen P-T-Pseudoschnitt im Modellsystem K2O–FeO– dem retrograden P-T-Pfad, nicht umgestellt wurde. Un-
MnO–MgO–Al2O3–SiO2–H2O, der die metamorphe Ent- ter Gleichgewichtsbedingungen gilt:
wicklung eines Kyanit-Staurolith-Glimmerschiefers im pan-
afrikanischen Kaokogürtel (Namibia) zeigt (Abb. 25.16). ∆G + RT ln K = 0 [25.7]
25.3 · Geothermometrie und Geobarometrie 445
(25.34)
[25.8]
Abb. 25.17. Schematische Position möglicher Geothermometer und
Geobarometer im P-T-Diagramm. (Nach Will 1998)
Dabei lassen sich die Aktivitäten ai nach der Gleichung
ai = γ i · Xi aus den Molenbrüchen Xi = Fe/ (Fe + Mg) be- An den Kreuzungspunkten der Isoplethen eines Geother-
rechnen, wenn man die Aktivitätskoeffizienten γ i kennt. mometers und eines Geobarometers lässt sich die jewei-
Für die Temperaturabhängigkeit von lnK bei konstan- lige P-T-Kombination ablesen, bei der ein Metamorpho-
tem Druck gilt die Gleichung seprozess in etwa abgelaufen ist.
[25.11]
Abb. 25.20.
P-T-Diagramm mit vier möglichen
P-T-Pfaden von krustalen Gesteinen,
die tief subduziert und unterschied-
lich rasch exhumiert wurden. Einge-
tragen sind außerdem die Kurven
des Schmelzbeginns eines Alkali-
granits unter Anwesenheit von H2O
und trocken sowie die linear verlau-
fenden geothermischen Gradienten.
(Nach Schreyer 1988)
448 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
z. B. durch Deckenüberschiebungen sehr rasch in höhe- S. 389) gezeigt wurde, modelliert werden, wobei aller-
re Krustenbereiche zurückgeführt werden. Es entstehen dings die Grenzparameter oft nicht genau bekannt sind.
dann haarnadelförmige P-T-Pfade, bei denen der pro- Es wäre daher wichtig, wenn man an einzelne Abschnitte
grade und der retrograde Ast nahezu parallel verlaufen, eines P-T-Pfades direkt bestimmte Zeitangaben heran-
wie das z. B. bei den Ultrahochdruckgesteinen des Dora- schreiben und so Druck-Temperatur-Zeit-Pfade (P-T-t-
Maira-Massivs (Abschn. 26.3.9, S. 471f) mit der Parage- Pfade) rekonstruieren könnte. Nur so ist es auch mög-
nese Pyrop + Coesit der Fall war (Abb. 25.20). Der auf- lich zu entscheiden, ob der ermittelte P-T-Pfad wirklich
steigende Ast I des P-T-Pfades dokumentiert ein frühes auf ein einziges Metamorphoseereignis zurückgeht oder
Stadium der Kontinent-Kontinent-Kollision und folgt ob sich in ihm mehrere Ereignisse unterschiedlichen
dementsprechend einem sehr geringen geothermischen Alters verbergen. Wie wir in Abschn. 31.5.3 (S. 569ff) zei-
Gradienten von ca. 7 °C/ km. Bei rund 800 °C und 30 kbar gen werden, lassen sich Minerale, die radiogene Isotope
werden die Bildungsbedingungen dieser Ultrahochdruck- enthalten, über radioaktive Zerfallsreihen, insbesonde-
paragenese erreicht. Der retrograde Ast II (blau) des P-T- re 238U → 206Pb, 235U → 207Pb, 147Sm → 143Nd, 87Rb → 86Sr
Pfades verläuft etwa parallel zum prograden, was auf eine und 40K → 40Ar, datieren. Auch bei radiometrischen (iso-
rasche tektonische Heraushebung hinweist. Darüber hin- topischen) Altersbestimmungen kann man das Prinzip der
aus begünstigte ein Mangel an H2O und die besondere Schließungstemperaturen anwenden, wobei die oben an-
Kristallgröße des Granats die reliktische Erhaltung der gegebenen Einschränkungen gelten. So wird für U-Pb-
Ultrahochdruckparagenese Pyrop + Coesit, während das Datierungen an Zirkon und Monazit eine Schließungstem-
feinkörnige, glimmerreiche Nebengestein retrograd peratur angenommen, die >900 °C bzw. >750 °C liegt; für
überprägt wurde. Inzwischen gibt es eine Reihe von Bei- Sm-Nd-Datierungen an Granat beträgt sie ca. 600 °C, für
spielen, bei denen Ultrahochdruckparagenesen in tief Rb-Sr-Datierungen an Muscovit ca. 500 °C sowie für K-Ar-
subduzierter kontinentaler Kruste noch reliktisch erhal- Datierungen an Muscovit und Biotit ca. 400 bzw. 300 °C,
ten blieben (Abschn. 26.3.9, S. 471f). allerdings jeweils mit relativ großen Unsicherheiten. Trotz-
dem kann man durch die Datierung unterschiedlicher
Die Verfolgung des Subduktionspfads I in noch größere Manteltiefe
Minerale eines Gesteins mit unterschiedlichen Isotopen-
bis zu etwa 200 km Tiefe (IV, grün) würde mit steigender Temperatur
– in Abhängigkeit von der H2O-Fugazität – zu einer vermehrten se- systemen Zeitmarken an den Höhepunkt der Metamor-
lektiven Aufschmelzung der hochmetamorphen kontinentalen Krus- phose und an bestimmte Punkte auf dem retrograden Ast
te führen; denn der angenommene Geotherm schneidet die beiden des P-T-Pfades setzen, während eine Datierung des pro-
eingezeichneten Schmelzkurven. Die relativ saure, in diesem Fall wahr- graden P-T-Pfades naturgemäß kaum möglich ist.
scheinlich syenitisch zusammengesetzte Schmelze könnte mit dem Dabei muss selbstverständlich vorausgesetzt werden,
umgebenden ultramafischen Mantelperidotit reagieren. In der sich
absondernden, durch fortschreitende Kontamination veränderten
dass alle datierten Minerale innerhalb des gleichen Meta-
Schmelze vermutet man den Anfang einer globalen Magmenbildung morphoseereignisses gewachsen sind. Das ist insbesonde-
ausgelöst durch eine Kontinent-Kontinent-Kollision. re beim Zirkon mit seiner sehr hohen Schließungstempe-
ratur oft nicht der Fall. Häufig liefern einzelne Zirkone oder
P-T-Pfade im Gegenuhrzeigersinn (counter-clockwise P-T paths). Kernbereiche von Zirkonen noch Altersinformationen, die
Diese Pfade können entstehen, wenn durch magmatische auf vorhergehende magmatische oder metamorphe Ereig-
Intrusionen advektiv Wärme zugeführt wird, z. B. im Be- nisse hinweisen: Die Temperatur, die beim Höhepunkt der
reich von Inselbögen oder von Orogengürteln oberhalb Metamorphose erreicht wurde, war nicht hoch genug, um
von Subduktionszonen (Abb. 25.19, 26.8, S. 458). Dabei das Isotopensystem zurückzustellen. So können Zirkone in
kommt es in einem relativ flachen Krustenniveau Orthogneisen, die noch magmatische Morphologie zeigen,
zunächst zu nahezu isobarer Aufheizung, die regionale das Intrusionsalter des magmatischen Ausgangsgesteins
Ausmaße annehmen kann, wenn die Menge der geför- datieren (Abb. 31.15, S. 575). Umgekehrt zeigen abgerun-
derten Magmen groß genug ist. Man spricht dann von dete Zirkone in Metasedimenten häufig ein U-Pb-Alter, das
regionaler Kontaktmetamorphose. Erst im Zuge einer ihre Herkunft von einem älteren Krustenteil, z. B. einem ar-
nachfolgenden Krustenverdickung, z. B. bedingt durch chaischen Kraton erweist; sie wurden als detritische Schwer-
Deckenüberschiebungen, steigt der Druck an, danach minerale in das Sedimentationsbecken transportiert, das
erfolgt nahezu isobare Abkühlung. Es entstehen Nieder- im Zuge der späteren Orogenese metamorph geprägt wur-
druckgesteine vom Buchan-Typ. de. Häufig enthalten zonar gebaute Zirkone ältere detritische
oder magmatisch gebildete Kernbereiche; diese werden von
25.4.2 Zonen umgeben, die während eines oder mehrerer Meta-
Druck-Temperatur-Zeit-Pfade morphose-Ereignisse gewachsen sind (z. B. Harley u. Kelly
2007). Um diese wichtigen Informationen quantitativ zu
Von großem Interesse sind der zeitliche Ablauf und die fassen, ist die Isotopenanalyse mit einer Sensitive High-
Dauer von Metamorphosevorgängen. Diese können, wie Resolution Micro-Probe (SHRIMP) oder mit anderen orts-
am Beispiel der Kontaktmetamophose (Abschn. 24.2.1, auflösenden Analysenmethoden erforderlich.
Literatur 449
Zitierte Literatur
Berman RG (1988) Internally consistent thermodynamic data for
minerals in the system Na2O–K2O–CaO–MgO–FeO–Fe 2O3–
Al2O3–SiO2–TiO2–H2O–CO2. J Petrol 29:445–522
Bohlen SR, Montana A, Kerrick DM (1991) Precise determinations
of equilibria kyanite sillimanite and kyanite andalusite
and a revised triple point for Al2SiO5 polymorphs. Am Mineral
76:677–680
Chatterjee ND (1970) Synthesis and upper stability of paragonite.
Contrib Mineral Petrol 27:244–257
Chatterjee ND (1972) The upper stability limit of the assemblage
paragonite + quartz and its natural occurrences. Contrib Mi-
Abb. 25.21. Temperatur-Zeit-Entwicklung des Adirondack-Kris- neral Petrol 34:288–303
tallins (New York, USA) nach U-Pb-Datierungen an Granat, Chatterjee ND, Johannes W (1974) Thermal stability and standard
Monazit, Titanit und Rutil sowie K-Ar-Datierungen an Horn- thermodynamic properties of synthetic 2M 1 -muscovite,
blende und Biotit. Die farbig angelegten Bereiche geben die Un- K[AlSi3O10(OH)2]. Contrib Mineral Petrol 48:89–114
sicherheiten bei den Schließungstemperaturen an. (Nach Mezger Chernosky JV Jr., Day HW, Caruso LJ (1985) Equilibria in the system
et al. 1990, aus Spear 1993) MgO–SiO2–H2O: Experimental determination of the stability
of Mg-anthophyllite. Am Mineral 70:223–236
Cho M, Maruyama S, Liou JG (1987) An experimental investigation
In Abb. 25.21 ist die Temperatur-Zeit-Entwicklung des hoch- of heulandite-laumontite equilibrium at 1 000 to 2 000 bar Pfluid.
metamorphen Adirondack-Kristallins (New York, USA) darge- Contrib Mineral Petrol 97:43–50
stellt, das bei Höhepunkt der Metamorphose im Neoproterozoi- England PC, Thompson AB (1984) Pressure–temperature–time paths
kum Temperaturen von ca. 750 °C und Drücke von ca. 7,5 kbar of regional metamorphism. Part I: Heat transfer during the evolu-
erlebt hatte. Durch U-Pb-Datierungen an einem Granat wurde tion of regions of thickened continental crust. J Petrol 25:894–928
das Alter dieses Metamorphose-Ereignisses zu 1 064 ±3 Ma be- Eugster HP (1957) Heterogeneous reactions involving oxidation
stimmt; U-Pb-Datierungen an Monazit, Titanit und Rutil sowie and reduction at high temperatures. J Chem Phys 26:1760–1761
K-Ar-Datierungen an Hornblende und Biotit liefern zunehmend Evans BW, Johannes W, Oterdoom H, Trommsdorff V (1976) Stab-
geringere Alterswerte, die erkennen lassen, dass sich die Abkühlung ility of chrysotile and antigorite in the serpentinite multisystem.
auf ca. 300 °C über einen Zeitraum von fast 250 Ma hinzog. Da- Schweiz Mineral Petrogr Mitt 56:79–93
bei verlangsamte sich die Abkühlungsrate von ca. 4 °C / Ma auf ca. Goldschmidt VM (1911) Die Kontaktmetamorphose im Kristiania-
1 °C / Ma (Mezger et al. 1990). Die Hebungsrate des Adirondack- Gebiet. Oslo Vidensk Skr, I Math-Nat K1, no 11
Kristallins wurde mit ca. 0,05 mm / Jahr abgeschätzt. Im Ver- Greenwood HJ (1961) The system NaAlSi2O6–H2O–argon: Total pressure
gleich dazu steigen junge Orogenzonen, z. B. das Himalaya- and water pressure in metamorphism. J Geophys Res 66:3923–3946
Gebirge derzeit mit Raten von 0,2–0,5 mm / Jahr, stellenweise sogar Greenwood HJ (1967) Mineral equilibria in the system MgO–SiO2–
mit 4 mm / Jahr auf. H2O–CO2. In: Abelson PH (ed) Researches in Geochemistry.
pp 542–567, Wiley, New York
Gruner BB (2000) Metamorphoseentwicklung im Kaokogürtel,
Weiterführende Literatur NW-Namibia: Phasenpetrologische und geothermobarometri-
sche Untersuchungen panafrikanischer Metapelite. Freiberger
Bucher K, Frey M (2002) Petrogenesis of metamorphic rocks. Sprin- Forschungshefte C486:221 pp
ger Berlin Heidelberg New York Harker RI, Tuttle OF (1956) Experimental data on the PCO2-T curve
Ernst WG (1976) Petrologic phase equilibria. Freeman, San Fran- for the reaction calcite + quartz = wollastonite + carbon dioxide.
cisco Am J Sci 254:239–256
Harley SL, Kelly NM (2007) Zircon – tiny but timely. Elements 3: Hemley JJ (1967) Stability relations of pyrophyllite, andalusite, and
13–18 quartz at elevated pressures and temperatures. Am Geophys Uni-
Harley SL, Melly NM, Möller A (2007) Zircon behaviour and the ther- on Trans 48:224
mal history of mountain chains. Elements 3:25–30 Holdaway MJ (1971) Stability of andalusite and the aluminum
Miyashiro A (1994) Metamorphic petrology. UCL Press, London silicate phase diagram. Am J Sci 271:97–131
Powell R, Guiraud M, White RW (2005) Truth and beauty in Holdaway MJ, Mukhopadhyay B (1993) A reevaluation of the stability
metamorphic phase equilibria: Conjugate variables and phase relations of andalusite: Thermochemical data and phase diagram
diagrams. Canad Mineral 43:21–33 for the aluminum silicates. Am Mineral 78:298–315
Rubatto D, Hermann J (2007) Zircon behaviour in deeply subducted Holland TJB, Powell R (1985) An internally consistent thermodynamic
rocks. Elements 3:31–3 dataset with uncertainties and correlations: 2. Data and results.
Seifert F (1978) Bedeutung und Nachweis von thermodynamischem J Metam Geol 3:343–370
Gleichgewicht und die Interpretation von Ungleichgewichten. Holland TJB, Powell R (1990) An enlarged and updated internally
Fortschr Mineral 55:111–134 consistent thermodynamic dataset with uncertainties and
Spear FS (1993) Metamorphic phase equilibria and pressure– correlations: The system K2O–Na2O–CaO–MgO–MnO–FeO–
temperature–time paths. Mineral Soc America, Washington, DC Fe2O3–Al2O3–TiO2–SiO2–C–H2–O2. J Metam Geol 8:89–124
Will TM (1998) Phase equilibria in metamorphic rocks – thermo- Hsu LC (1968) Selected phase relationships in the system Al–Mn–
dynamic background and petrological applications. Springer, Fe–Si–O–H: A model for garnet equilibria. J Petrol 9:40–83
Berlin Heidelberg New York Kennedy GC, Holser WT (1966) Pressure-volume-temperature and
Yardley BWD (1989) An introduction to metamorphic petrology. phase relations of water and carbon dioxide. Geol Soc America
Longman, Burnt Mill, Harlow, England Mem 97:371–384
450 25 · Phasengleichgewichte und Mineralreaktionen in metamorphen Gesteinen
Kerrick DM (1968) Experiments on the upper stability limit of Schreyer W (1988) Subduction of continental crust to mantle depths:
pyrophyllite at 1.8 kilobars and 3.9 kilobars water pressure. Am Petrological evidence. Episodes 11:97–104
J Sci 266:204–214 Spear FS (1988) The Gibbs method and Duhem’s theorem: The
Kerrick DM (1972) Experimental determination of muscovite + quartz quantitative relationships among P, T, chemical potential, phase
stability with PH2O < Ptotal. Am J Sci 272:946–958 composition, and reaction progress in igneous and metamorphic
Liou JG (1971) P-T stabilities of laumontite, wairakite, lawsonite and systems. Contrib Mineral Petrol 99:249–256
related minerals in the system CaAl2Si2O8–SiO2–H2O. J Petrol Spear FS, Peacock SM, Kohn MJ, Florence FP, Menard T (1991) Com-
12:379–411 puter programs for petrological P-T-t path calculations. Am
Massonne HJ, Schreyer W (1987) Phengite geobarometry based on Mineral 76:2009–2012
the limiting assemblage with K-feldspar, phlogopite, and quartz. Storre B (1972) Dry melting of muscovite + quartz in the range
Contrib Mineral Petrol 96:212–224 Ps = 7 kb to Ps = 20 kb. Contrib Mineral Petrol 37:87–89
Massonne HJ, Schreyer W (1989) Stability field of the high-pressure Storre B, Karotke E (1972) Experimental data on melting reactions
assemblage talc + phengite and two new phengite barometers. of muscovite + quartz in the system K2O–Al2O3–SiO2–H2O to
Eur J Mineral 1:391–410 20 Kb water pressure. Contrib Mineral Petrol 36:343–345
Mezger K, Rawnsley CM, Bohlen SR, Hanson GN (1990) Thompson AB (1970) A note on the kaolinite-pyrophyllite equilibrium.
U-Pb garnet, sphene, monazite, and rutile ages: Implica- Am J Sci 268:454–458
tions for the duration of high-grade metamorphism and Thompson AB (1971) Analcite-albite equilibria at low temperatures.
cooling histories, Adirondack Mts., New York. J Geol 99: Am J Sci 271:79–92
415–428 Winkler HGF (1979) Petrogenesis of metamorphic rocks, 5th edn.
Miyashiro A (1973) Metamorphism and metamorphic belts. Allen Springer, Berlin Heidelberg New York
& Unwin, London Zeh A, Holness M (2003) The effect of reaction overstep on garnet
Ohmoto H, Kerrick D (1977) Devolatilization equilibria in graphite microstructures in metapelitic rocks of the Ilesha Schist Belt, SW
systems. Am J Sci 277:1013–1044 Nigeria. J Petrol 44:967–994
Okrusch M (1969) Die Gneishornfelse um Steinach in der Ober- Zen E-An (1966) Construction of pressure-temperature diagrams
pfalz. Eine phasenpetrologische Analyse. Contrib Mineral Pe- for multicomponent systems after the method of Schreinemakers
trol 22:32–72 – A geometric approach. US Geol Survey Bull no 1225, 56 pp
26
Metamorphe Mineralfazies
Abb. 26.1.
Projektion wichtiger metamor-
pher Minerale im ACF- und A'KF-
Diagramm. (Nach Winkler 1979)
Abb. 26.2.
Ungefähre Bereiche von che-
mischen Zusammensetzungen
wichtiger magmatischer und
sedimentärer Gesteinsgruppen
im ACF- und A'KF-Diagramm.
G Granit, Gd Granodiorit, Gb Gab-
bro, B Basalt, P Peridotit
existierende Minerale werden durch Konoden miteinan- Die Gibb’sche Phasenregel ist verletzt: Das Gestein re-
der verbunden, koexistierende Mischkristalle durch präsentiert thermodynamisches Ungleichgewicht.
Konodenbündel. Die Konoden begrenzen Phasendrei- Manchmal lässt sich dieses Problem lösen, wenn man
ecke, in denen jeweils drei Minerale miteinander und mit einen kleineren Bereich eines Dünnschliffs betrachtet,
den Überschussphasen Quarz + Fluid im Gleichgewicht in dem ein lokales Gleichgewicht eingestellt wurde.
stehen; dazu kommen im ACF-Dreieck der Albit-Anteil Im Gestein ist eine univariante oder divariante Mineral-
im Plagioklas ± Kalifeldspat ± Muscovit, im A'KF-Drei- reaktion eingefroren; die Probe wurde im Gelände z. B.
eck der Albit-Anteil im Kalifeldspat sowie Plagioklas. Auf auf einer Isograden entnommen oder es sind ein oder
einem Konodenbündel oder innerhalb der Fläche eines mehrere Reaktanten metastabil erhalten geblieben.
Teildreiecks können die Gesteins-Chemismen beliebig Die Zahl der gewählten Komponenten ist zu gering. So
variieren, ohne dass sich die Mineralparagenese ändert; kann z. B. ein erhöhter TiO2-Gehalt Biotit zu höheren
lediglich das modale Mengenverhältnis der koexistieren- Temperaturen stabilisieren, so dass die Vernachlässi-
den Minerale verschiebt sich. Erst wenn die chemische gung dieser Komponente ungerechtfertigt ist. Umge-
Zusammensetzung eine begrenzende Konode über- kehrt senkt ein erhöhter MnO-Gehalt die untere Stabi-
schreitet, entsteht eine neue Paragenese. litätsgrenze von Granat ab; daher kann die Zusammen-
fassung von MnO mit FeO und MgO zu einer Kompo-
Fallen bei der Projektion von Gesteinsanalysen in ACF- und A'KF- nente unberechtigt sein. Bei vielen Mineralreaktionen
Diagrammen die darstellenden Punkte nicht in die „richtigen“
Dreiphasenfelder bzw. Konodenbündel, so liegt das meist an einer
verändert sich das Fe/Mg-Verhältnis der beteiligten Pha-
Unterkorrektur oder Überkorrektur für die Akzessorien. sen laufend; diese gleitenden (kontinuierlichen) Reakti-
onen sind divariant, so dass eine Zusammenfassung von
Treten in einem bestimmten Gesteinsvolumen mehr als FeO und MgO nicht zulässig ist. Das Gleiche gilt für
drei der möglichen Phasen auf, kommt es zu kreuzenden divariante und multivariante Reaktionen mit wechseln-
Konoden. Dafür kann es folgende Erklärungen geben: dem Fe2O3/Al2O3- und/oder anderen Oxidverhältnissen.
454 26 · Metamorphe Mineralfazies
Eine weitere Schwierigkeit bei der Berechnung von ACF- und A'KF- ralparagenesen an, die sich innerhalb eines begrenzten
Diagrammen ist, dass man bei der Mikrosondenanalytik von Druck-Temperatur-Bereichs im Gleichgewicht befinden.
Silikatmineralen das FeO/Fe2O3-Verhältnis nicht direkt bestimmen,
Kristallisationswege, wie sie z. B. im ternären Zustands-
sondern nur bestenfalls abschätzen kann.
diagramm Diopsid–Albit–Anorthit (Abb. 16.7, S. 261)
Als klassisches Beispiel für die Anwendung des ACF- dargestellt sind, lassen sich nicht ablesen. ACF- und A'KF-
Dreiecks gelten die Hornfelse der Osloregion in Süd- Dreiecke sagen weiterhin aus, dass Minerale, die nicht
norwegen, die bereits durch V. M. Goldschmidt (1911) durch Konoden miteinander verbunden sind, nicht ne-
eingehend bearbeitet wurden. Die kontaktmetamorphe beneinander im Kontakt auftreten, also keine Berüh-
Überprägung der unterschiedlichen sedimentären Aus- rungsparagenese bilden, z. B. Cordierit und Diopsid oder
gangsgesteine erfolgte weitgehend isochemisch. Ihre che- Hypersthen und Grossular. Beobachtet man unter dem
mische Zusammensetzung variiert von karbonatfreien Mikroskop alternative Mineralkombinationen für den
bis karbonatarmen Tonsteinen zu tonarmen Kalksteinen gleichen Gesteins-Chemismus, so müssen diese unter ver-
und überstreicht somit weite Bereiche des ACF-Dia- änderten Druck-Temperatur-Bedingungen gebildet wor-
gramms. Entsprechend dem unterschiedlichen Gesteins- den sein. Für sie wäre dann ein anderes ACF-Dreieck mit
Chemismus unterscheidet Goldschmidt 10 sog. Hornfels- entsprechend verändertem Konodenverlauf zu zeichnen.
klassen, die durch folgende Zwei-oder Dreiphasen-
Paragenesen gekennzeichnet sind (Abb. 26.3). 26.1.2
AFM-Projektion
1. Andalusit–Cordierit
2. Andalusit–Cordierit–Plagioklas Bei zahlreichen metamorphen Gesteinen genügen das
3. Cordierit–Plagioklas ACF- und das A'KF-Dreieck, um mit diesen drei Kompo-
4. Cordierit–Plagioklas–Hypersthen nenten die wichtigsten Gleichgewichtsbeziehungen der
5. Plagioklas–Hypersthen auftretenden Mineralparagenesen herauszustellen, jedoch
6. Plagioklas–Hypersthen–Diopsid nicht bei allen. Wie wir festgestellt hatten, liegt ein we-
7. Plagioklas–Diopsid sentlicher Nachteil dieser Diagramme in der Zusammen-
8. Plagioklas–Diopsid–Grossular fassung von FeO und MgO zu einer Komponente, was oft
9. Diopsid–Grossular nicht gerechtfertigt ist. Zwar herrscht in vielen mafischen
10.Diopsid–Grossular–Wollastonit Mineralen unbegrenzte Diadochie zwischen Mg und Fe2+,
doch wird die gegenseitige Vertretbarkeit bei bestimm-
Zu diesen Mineralen können noch Quarz, Kalifeldspat ten P-T-Bedingungen nach der einen oder anderen Seite
und Biotit hinzukommen; der Quarz-Gehalt nimmt mit stei- hin eingeschränkt. So koexistiert bei mäßigen Tempera-
gender Klassennummer ab und fehlt in den Klassen 8–10 turen und Drücken ein Fe-reicher Granat mit einem Mg-
oft ganz; statt dessen tritt häufig Calcit auf. (Quarz-freie reichen Cordierit. Aus dieser Tatsache ergeben sich Para-
Paragenesen dürften streng genommen nicht im ACF- genesen, in denen vier Minerale im Gleichgewicht neben-
Dreieck dargestellt werden!) einander auftreten, z. B. Granat–Cordierit–Biotit–Kali-
ACF- und A'KF-Diagramme geben für unterschiedli- feldspat (–Quarz). Diese können im A'KF-Dreieck nicht
che chemische Ausgangszusammensetzungen die Mine- ohne kreuzende Konoden dargestellt werden, widerspre-
chen also scheinbar der Gibb’schen Phasenregel (Abb. 26.4). Al2O3 zusammengefasst, sondern vernachlässigt wird; das
Deshalb empfiehlt es sich für viele metamorphe Gestei- Gleiche gilt für MnO. Bei der Berechnung der Granat-Po-
ne, insbesondere für Metapelite, FeO und MgO als unab- sition müssen die äquivalenten Al2O3-Anteile subtrahiert
hängige Komponenten, d. h. getrennt darzustellen. werden, die in den Endgliedern Spessartin (= ÇMnO) und
Thompson (1957) entwickelte hierfür ein AKFM-Te- Grossular (= ÇCaO) gebunden sind. Analog zu den ACF-
traeder mit den fünf Hauptkomponenten SiO2 (im Über- und A'KF-Dreiecken erfolgt die Berechnung auf der
schuss), Al2O3, FeO, MgO und K2O. Die Phasenbeziehun- Grundlage von Molzahlen nach folgendem Schema:
gen werden auf eine Ebene projiziert, die durch die AFM-
Fläche des Tetraeders verläuft (Abb. 26.5a). Als Projekti- 1. Mit Muscovit als Projektionspunkt:
onspunkt dient in allen Gesteinen, die Muscovit enthal-
ten, d. h. besonders in niedrig- bis mittelgradigen Meta- A = [Al2O3] – 3[K2O]
peliten, Muscovit. In muscovitfreien, aber Kalifeldspat- M = [MgO]
führenden Gesteinen, d. h. besonders in hochgradigen F = [FeO]
Metapeliten, wird dagegen Kalifeldspat als Projektions-
punkt benutzt. Diese Minerale werden dementsprechend
nicht in der AFM-Projektion dargestellt, ebenso Quarz,
der – wie bei den ACF- und A'KF-Dreiecken – voraus-
setzungsgemäß im Überschuss vorhanden sein muss. Zu
beachten ist, dass bei der AFM-Projektion Fe2O3 nicht mit
Abb. 26.5.
AFM-Projektion; a AKFM-Tetra-
eder Al2O3–K2O–FeO–MgO mit
der Projektionsebene A = [Al2O3]
– F = [FeO] – M = [MgO], die
sich über die Dreiecksseite F–M
hinaus erstreckt. Alle Punkte in-
nerhalb des Tetraeders können
vom Projektionspunkt Ms (Mus-
covit) auf diese Ebene projiziert
werden. Die darstellenden Punk-
te X, Y und B liegen innerhalb
des Tetraeders und werden als
Punkte X', Y' und B' auf die AFM-
Ebene projiziert. Dabei kommen
Y' und B' jenseits der Linie F–M
zu liegen, während Projektions-
punkte von K-freien Mineralen
in das AFM-Dreieck fallen.
b AFM-Projektion der wichtigs-
ten Mineralzusammensetzungen
mit Projektionspunkt Muscovit.
(Nach Best 2003)
456 26 · Metamorphe Mineralfazies
Erläuterung. Bei K2O-haltigen Mineralen muss eine zu Oder einfacher: prozentuale Berechnung mit
K2O äquivalente Menge Al2O3 abgezogen werden. Diese
ist 3[K2O] entsprechend der Muscovit-Zusammenset- A + F + M = 100
zung KAl2[(OH)2/AlSi3O10] = K2O · 3Al2O3 · 6SiO2 · 2H2O.
Bei Biotit ergeben sich für A / (A + F + M) negative Wer- Erläuterung. Ist Kalifeldspat Projektionspunkt, so werden
te, da [K2O] > [Al2O3] ist; Biotit projiziert also unterhalb alle Minerale auf das AFM-Dreieck projiziert.
der FM-Kante des AKFM-Tetraeders (Abb. 26.5a).
Projektionspunkte von K-freien Mineralen wie Chlorit, Rechenbeispiele werden im Anhang (S. 592f) gegeben.
Cordierit, Chloritoid, Almandin-Pyrop-Granat und Stau- Die AFM-Projektion ist grundsätzlich nicht für die Darstellung von
rolith liegen dagegen im AFM-Dreieck. Mischkristall- Gesteinszusammensetzungen konzipiert worden. Will man das
bildung durch Substitution von Fe2+ für Mg2+ in diesen trotzdem tun, so sind entsprechende Korrekturen vorzunehmen,
Mineralen wird durch eine Strecke parallel zur Seite z. B. für die FeO-Gehalte im Ilmenit FeO · TiO 2 und Magnetit
F–M zum Ausdruck gebracht. Besteht zusätzlich eine FeO · Fe2O3, die nicht in der AFM-Projektion dargestellt werden.
Somit wird F = [FeO] – [TiO2] – [Fe2O3]. [MnO] kann für die Kal-
Substitution durch Al, wie besonders bei Chlorit oder
kulation von F zu [FeO] addiert werden, da Mn2+ in vielen Silikat-
Biotit, so erweitert sich die Strecke zu einem Band oder mineralen Fe2+ ersetzt.
einem Feld (Abb. 26.5b). Ein zur Paragenese gehören-
der Muscovit kann voraussetzungsgemäß nicht darge- Eine mögliche Anwendung der AFM-Projektion zeigt
stellt werden. Abb. 26.6, in der Mineralparagenesen in drei pelitischen
Hornfelsen P, Q und R dargestellt sind, die unter Bedin-
2. Mit Kalifeldspat als Projektionspunkt gungen der Hornblende-Hornfels-Fazies (Abschn. 26.3.6,
S. 466) gebildet wurden. Zum Gesteinschemismus P
A = [Al2O3] – [K2O] gehört die Paragenese Andalusit + Biotit + Cordierit
M = [MgO] + (Muscovit + Quarz), zu den Gesteinschemismen Q
F = [FeO] und R die Paragenese Biotit + Cordierit + (Muscovit
+ Quarz). Aus dem Konodenverlauf kann man die
Mg/Fe-Verhältnisse koexistierender Cordierite und
Biotite ablesen. Wie bei den ACF- oder A'KF-Diagramm
ändern sich der Konodenverlauf und die Mischkristall-
Zusammensetzungen der koexistierenden Mineralpha-
sen mit den physikalischen Bedingungen der Metamor-
phose. Die Endpunkte des Phasendreiecks Bt1–Crd1–
Andalusit sind bei gegebenen P-T-Bedingungen fixiert,
während der Gesteins-Chemismus innerhalb des Drei-
ecks frei variieren kann: Wenn sich Punkt P in Richtung
auf A verschiebt, würde sich an der Paragenese und den
Mineralzusammensetzungen nichts ändern; lediglich
der modale Andalusit-Anteil würde zu Lasten von Biotit
und Cordierit zunehmen. Demgegenüber werden die
Mg/Fe-Verhältnisse der Zweiphasen-Paragenese Biotit
+ Cordierit (+ Muscovit + Quarz) nicht nur von P und T,
sondern auch durch das MgO/ (MgO + FeO)-Verhältnis
im Gesamtgestein kontrolliert: Zum Gestein Q gehören
die Fe-reicheren Minerale Bt2 und Crd2, zum Gestein R
die Mg-reicheren Minerale Bt3 und Crd3. Eine Verschie-
bung des Pauschalchemismus entlang der Konoden wür-
de dagegen nur zu einer Veränderung des modalen Bio-
tit-Cordierit-Verhältnisses führen. Die AFM-Projektion
bringt bei pelitischem Chemismus derartige Phasenbe-
ziehungen besser zum Ausdruck als ein ACF- oder ein
A'KF-Diagramm.
Vergleichbare Projektionen können auch für andere
Abb. 26.6. AFM-Projektion von zwei Paragenesen aus metapelitischen
Hornfelsen. Gestein P: Biotit (B)+ Cordierit (C) + Andalusit (+ Muscovit
Stoffbestände entwickelt werden, z. B. für Metabasite im
+ Quarz), Gesteine Q und R: Biotit + Cordierit (+ Muscovit + Quarz). ACFM-Tetraeder mit Projektionspunkt Plagioklas (Ro-
Zum Gestein P gehören C1 und B1, zu Q: C2 und B2, zu R: C3 und B3 binson et al. 1982).
26.2 · Das Faziesprinzip 457
Abb. 26.7.
a P-T-Diagramm mit der unge-
fähren Position der metamorphen
Mineralfazies. Die Grenzen sind
unscharf. Zum Vergleich sind die
Stabilitätsfelder der Al2SiO5-Poly-
morphen Kyanit, Andalusit und
Sillimanit nach Holdaway (1971)
eingetragen. b P-T-Diagramm der
metamorphen Fazies-Serien. Die
Hoch-P/T-Serie ist charakteris-
tisch für Subduktionszonen, die
Mittel-P/T-Serie für die Lithosphä-
ren-Platte über einer Subduktions-
Zone und für kontinentale Kollisi-
ons-Zonen, die Niedrig-P/T-Serie
für vulkanische Bögen und mittel-
ozeanische Rücken (vgl. Abb. 26.8,
26.9). (Mod. nach Spear 1993)
4. Das Fazies-Prinzip beruht auf der (idealisierenden) seine Bezeichnungen sind auch heute noch allgemein
Annahme, dass beim Höhepunkt eines Metamorpho- anerkannt: Zeolithfazies, Grünschieferfazies, Epidot-
seereignisses ein thermodynamisches Gleichgewicht Amphibolit-Fazies, Amphibolitfazies, Granulitfazies,
eingestellt wurde, angezeigt durch Berührungspara- Eklogitfazies, Pyroxen-Hornfelsfazies, Sanidinitfazies.
genesen. Auf dem prograden und retrograden Meta- Dazu kommen noch die Prehnit-Pumpellyit-Fazies, die
morphosepfad oder während eines früheren Meta- von Coombs (1960, 1961) von der Zeolith-Fazies abge-
morphoseereignisses kann das gleiche Gestein auch
P-T-Bedingungen anderer Mineralfazies durchlaufen
haben, die sich an Hand von Reliktmineralen oder
Mineralneubildungen nachweisen lassen.
5. Bei gegebenem Gesteins-Chemismus ist es möglich, die
betreffende Mineralparagenese vorauszusagen, wenn
die anderen Paragenesen der gleichen Fazies bekannt
sind. Kleinere Variationen innerhalb einer Fazies kön-
nen kleineren Unterschieden im Gesteins-Chemismus
oder den P-T-Bedingungen zugeschrieben werden.
6. Aus beobachteten Mineralparagenesen lassen sich nur
sehr allgemeine Aussagen über das Ausgangsmaterial
machen (z. B. Metapelite, Metabasite). Für eine ge-
nauere Ansprache müssen Gefügerelikte und Mineral-
relikte gefunden sowie der Haupt- und Spurenelement-
Chemismus analysiert werden.
Hochdruck-(= Hoch-P/T)-Faziesserie:
Zeolith-Fazies → Prehnit-Pumpellyit-Fazies → Blau-
schiefer-Fazies → Eklogit-Fazies; charakteristische
Minerale sind Glaukophan und Jadeit; der typische
geothermische Gradient variiert um 10 °C/ km.
Mitteldruck- (= Mittel-P/T)-Faziesserie:
Zeolith-Fazies → Grünschiefer-Fazies → Epidot-Am-
phibolit-Fazies → Amphibolit-Fazies → Granulit-Fa-
zies; charakteritische Al2SiO5-Polymorphen sind Ky-
anit und Sillimanit; der typische geothermische Gra-
dient variiert um 30 °C/ km.
Niederdruck (= Niedrig-P/T)-Faziesserie:
Zeolith-Fazies → Grünschiefer-Fazies → Amphibolit-
Fazies → Granulit-Fazies; charakteristische Al2SiO5-
Polymorphen sind Andalusit und Sillimanit; der ty-
pische geothermische Gradient liegt bei 90 °C/ km.
In Kontakt-Aureolen sind bei meist niedrigen Drücken
noch höhere geothermische Gradienten realisiert.
Dabei ergibt sich die Abfolge: Albit-Epidot-Hornfels-
26.3 26.3 200–280 °C und PH2O 1–4 kbar (Bucher u. Frey 2002). Der
Übersicht über die metamorphen Fazies Beginn der Grünschieferfazies wird durch die Reaktionen
26.3.1
Zeolith- und Prehnit-Pumpellyit-Fazies (26.1)
der Grünschieferfazies auf, wobei sich zwei Subfazies un- Insgesamt sprechen die verfügbaren experimentellen
terscheiden lassen: Daten dafür, dass die obere Temperaturgrenze der Grün-
schieferfazies bei einem mittleren geothermischen Gra-
1. die niedriger gradierte Quarz-Albit-Muscovit-Chlorit- dienten etwa bei 500 °C liegt.
Subfazies (Abb. 26.10a) und
2. die höher gradierte Quarz-Albit-Epidot-Biotit-Subfazies. 26.3.3
Epidot-Amphibolit-Fazies
Subfazies (1) entspricht der Barrow’schen Chloritzone,
Subfazies (2) der Biotitzone. Diese Fazies setzt das P-T-Feld der Grünschieferfazies
Ein charakteristisches Mineral von Subfazies (1) ist Stilp- zu höheren Temperaturen und Drücken fort; sie wird von
nomelan, der in Subfazies (2) nicht mehr vorkommt. Stilp- einigen Wissenschaftlern auch als deren höchsttempe-
nomelan kann makroskopisch und mikroskopisch leicht mit rierte Subfazies angesehen. Metabasite sind meist fein-
Biotit verwechselt werden; ein gutes Unterscheidungsmerk- körnige Amphibolite, die hauptsächlich aus Hornblende
mal ist seine Querabsonderung nach (010), die dem Biotit + Albit + Epidot bestehen; zusätzlich können noch Al-
fehlt. Die Entstehung von Stilpnomelan wird durch ein ho- mandin-betonter Granat, Biotit, Mg-Chlorit, Calcit und/
hes Fe/Mg-Verhältnis und einen relativ niedrigen Al-Ge- oder Quarz auftreten. Aus pelitischen Sedimentgesteinen
halt im Gestein begünstigt, Voraussetzungen, die in man- bilden sich Phyllite oder Glimmerschiefer mit der Mine-
chen Metasedimenten, in basischen Tuffen, in Metabasalten ral-Paragenese Muscovit + Biotit + Quarz + Almandin-
oder in Banded Iron Formations gegeben sind. In Gesteinen betonter Granat sowie zusätzlich Chloritoid, Mg-Chlo-
mit hohem Al-Gehalt und hohem Fe/Mg-Verhältnis bildet rit, Kyanit, Epidot und/oder Albit (Abb. 26.10b).
sich Chloritoid (Fe2+,Mg,Mn)Al2[O/(OH)2/SiO4] als typisches Die Epidot-Amphibolit-Fazies entspricht der Bar-
Mineral in Metapeliten schon in Subfazies (1), häufiger aber row’schen Almandinzone. Von der Grünschieferfazies ist
bei höheren Temperaturen der Subfazies (2). Kennzeichnend sie durch das Auftreten von Almandin-reichem Granat
für die höhergradierte Subfazies (2) ist das Auftreten von anstelle von Fe-haltigem Chlorit in Metapeliten und von
Biotit, der sich durch folgende Mineralreaktionen bildet: Hornblende anstelle von Tremolit/Aktinolith in Meta-
basiten unterschieden, wobei u. a. folgende Reaktionen
ablaufen:
(26.4)
(26.6)
(26.5) und
Metabasite liegen als mittel- bis grobkörnige Amphiboli- Aus kieseligen Karbonaten entstehen Silikat-Marmore
te vor, in denen die kritische Paragenese Hornblende und Kalksilikat-Gesteine (Kalksilikat-Gneise und Kalk-
+ Plagioklas (meist An 30–50) auftritt. Daneben können silikat-Felse) mit den Paragenesen Calcit + Tremolit
Almandin-betonter Granat oder Diopsid sowie Biotit und ± Quarz, Calcit + Diopsid + Grossular-reicher Granat
Quarz beteiligt sein. Epidot ist im niedrig gradierten ± Quarz oder bei SiO 2-Unterschuss Calcit + Diopsid
Bereich der Amphibolitfazies noch stabil und wird erst + Forsterit. Dabei laufen u. a. Reaktionen (25.27), (25.26)
bei höheren Temperaturen zugunsten der Anorthit-Kom- und (25.25) ab, deren Gleichgewichtstemperaturen stark
ponente im Plagioklas und von Grossular-Andradit-Gra- vom Pfl und XCO2 abhängen, aber generell bei >500 °C
nat abgebaut. In metamorphen Ultrabasiten beobachtet liegen (Abb. 25.13, S. 440). Demgegenüber erfordert die
man die Paragenese Hornblende + Anthophyllit und/ Wollastonit-bildende Reaktion (25.23) deutlich höhere
oder + Cummingtonit. Temperaturen, die am ehesten in der hochgradierten
26.3 · Übersicht über die metamorphen Fazies 463
Amphibolitfazies erreicht werden. Aus reinem Kalkstein ist die Zusammenfassung von FeO und MgO zu einer
oder Dolomit bilden sich durch isophase Umkristallisa- Komponente streng genommen nicht zulässig. Daher
tion mittel- bis grobkörnige Marmore. weist die Paragenese Staurolith + Granat + Biotit + Mus-
covit (+ Quarz) im A'KF-Dreieck kreuzende Konoden auf
Metapelite (Abb. 26.10c), was man bei der Darstellung in der AFM-
Projektion vermeiden kann. Noch im Bereich der niedrig-
Eine Unterteilung der Amphibolitfazies in verschiedene gradierten Amphibolitfazies werden – je nach Druck –
Subfazies bietet sich v. a. auf Grund der Phasenbeziehun- die Gleichgewichtskurven der Reaktionen
gen in Metapeliten an. So erlaubt der Abbau von Musco-
vit in Gegenwart von Quarz unter Bildung von Andalu- Kyanit Sillimanit (25.2)
sit/Sillimanit + Kalifeldspat bzw. zu Kyanit/Sillimanit
+ Schmelze nach Reaktion (25.11), (25.11a) und (25.11b) bzw.
(Abb. 25.7, S. 433 und 25.10) die Gliederung in eine nied-
riggradige und eine hochgradige Amphibolitfazies. Zu- Andalusit Sillimanit (25.3)
sätzlich ergeben sich aus dem Auftreten der Al2SiO5-Po-
lymorphen Andalusit, Sillimanit und Kyanit (Abb. 25.7) und damit die erste Sillimanit-Isograde überschrit-
Felder von niedrigen, mittleren und höheren Drücken. ten (Abb. 24.11, Abb. 25.7), wobei Sillimanit noch
Bei einem mittleren geothermischen Gradienten, d. h. mit Muscovit und Quarz koexistiert. Allerdings erfolgt
in der Mitteldruck-Faziesserie, entspricht die niedrig- die Sillimanit-Bildung nicht immer durch direkte Ver-
gradierte Amphibolitfazies der Barrow’schen Staurolith- drängung von Kyanit oder Andalusit, sondern durch
und Kyanitzone. Aus Tonsteinen und Grauwacken bilden komplexere Reaktionen, an denen Muscovit und Biotit
sich Glimmerschiefer und Paragneise, in denen haupt- beteiligt sind. Typisch ist eine enge Verwachsung von
sächlich Muscovit + Biotit + Almandin-betonter Granat Sillimanit und Biotit, wobei Orientierungsbeziehungen
± Staurolith ± Kyanit/Sillimanit + Quarz + Plagioklas auf ein epitaktisches Wachstum hinweisen. Darüber hin-
miteinander im Gleichgewicht stehen. Das Auftreten von aus kommt es zum Abbau von Staurolith, z. B. nach der
Staurolith neben Granat und – je nach Druck – von Kya- Reaktion
nit oder Sillimanit neben Staurolith ist bezeichnend für
den niedrigstgradigen Bereich der Amphibolitfazies.
Staurolith bildet sich u. a. nach folgenden Reaktionen
(26.11)
26.3.5
(26.12) Granulitfazies
stattfinden, bei der Biotit1 eine höheres Fe/Mg-Verhält- Metamorphe Gesteine in Granulitfazies (Abb. 26.10e) tre-
nis hat als Biotit2. Durch diese Reaktionen erhöht sich das ten am häufigsten als Bestandteile des tiefabgetragenen
Feldspat-Glimmer-Verhältnis in Metapeliten, die daher präkambrischen Grundgebirges auf; Hochdruckgranulite
eher als Paragneise entwickelt sind. Häufige Paragenesen dokumentieren P-T-Bedingungen der kontinentalen
bei einem mittleren geothermischen Gradienten sind Unterkruste (Abschn. 27.2.2, S. 482ff).
Sillimanit + Almandin-reicher Granat ± Biotit + Kalifeld- Metabasite liegen in der Granulitfazies als basische
spat + Plagioklas + Quarz oder Almandin-reicher Granat Pyroxengranulite, genauer als Pyriklasite und Pyribolite
+ Biotit + Kalifeldspat + Plagioklas + Quarz (Abb. 26.10d). vor, die bei niedrigen bis mittleren Drücken durch die
Bei einem höheren geothermischen Gradienten, ent- kritische Paragenese Plagioklas + Orthopyroxen gekenn-
sprechend der Niederdruck-Faziesserie, tritt anstelle von zeichnet sind. Orthopyroxen ist typischerweise Al-reich,
Kyanit zunächst Andalusit, bei höheren Temperaturen enthält also einen hohen Anteil an Mg-Tschermaks Mo-
dann Sillimanit auf (Reaktion 25.3). Beide können mit lekül MgAl[6][Al[4]SiO6] entsprechend der gekoppelten
Muscovit und Quarz koexistieren. Nach Überschreiten Substitution MgSi Al[6]Al[4]. Bei der aufsteigenden
der Entwässerungsreaktion (25.11) reagieren Muscovit Metamorphose von Metabasiten werden Hornblenden
+ Quarz zu Andalusit oder Sillimanit + Kalifeldspat. Die unterschiedlicher Zusammensetzung durch die gleiten-
Gleichgewichtskurven der Reaktionen (25.3) und (25.11), de Reaktionen
die sich bei ca. 2 kbar PH2O und ca. 610 °C kreuzen, definie-
ren vier Paragenesenfelder: Andalusit + Mucovit + Quarz,
Sillimanit + Muscovit + Quarz, Andalusit + Kalifeldspat
und Sillimanit + Kalifeldspat (Abb. 25.7). Ein wichtiges
Mg-Fe-Silikat ist Cordierit, der sich nach der Reaktion (26.16)
und
(26.13)
+ Orthopyroxen + Klinopyroxen ± Quarz und Plagioklas Metamorphose eine geringe H2O-Aktivität herrschte,
+ Orthopyroxen + Pyrop-Almandin-reicher Granat ± Bio- wofür es zwei Erklärungsmöglichkeiten gibt:
tit ± Quarz (Abb. 26.10e). Unter etwas höherem H2O-
Druck und/oder niedrigerer Temperatur kann auch noch Bei der prograden Metamorphose kann es unter P-T-
Hornblende als Bestandteil der Paragenese erhalten blei- Bedingungen der hochgradigen Amphibolitfazies zum
ben. Bei Druckerhöhung wird die Konode Plagioklas– partiellen Aufschmelzen unter Bildung von Migma-
Orthopyroxen im ACF-Dreieck durch die (vereinfachte) titen kommen (Abschn. 24.5, S. 414ff), wie sie in der Tat
Reaktion in vielen Granulit-Gebieten beobachtet werden. H2O
wurde in den granitischen Schmelzen gelöst und mit
diesen wegtransportiert; es gilt daher Pfl ≈ PH2O < Ptot.
Zurück blieben relativ „trockene“ Restgesteine (Restite),
die reich an (OH)-freien Mafiten wie Granat, Cordierit,
Orthopyroxen, Sillimanit oder Kyanit sind.
Der H2O-Gehalt in der fluiden Phase wird durch eine
(26.18) Zufuhr von CO2, z. B. aus dem Erdmantel verdünnt,
d. h. es gilt Ptot ≈ Pfl ≈ PH2O + PCO2. Diese Möglichkeit
wurde z. B. für die Entstehung der charnockitischen
gebrochen, so dass jetzt die Paragenesen Granat + Klino- Granulite in Südindien und Sri Lanka diskutiert.
pyroxen + Plagioklas + Quarz oder in sehr basischen Gra-
nuliten Granat + Klinopyroxen + Orthopyroxen stabil wer- Wie wir in Abschn. 25.2.2 (Abb. 25.7, 25.10) gezeigt
den. Somit ergibt sich eine Einteilung der Granulitfazies in hatten, führen beide Bedingungen dazu, dass sich die
eine Niederdruck- und Hochdruck-Subfazies. Bei einer Gleichgewichtskurven von Entwässerungsreaktionen
nahezu isothermalen Druckentlastung (Dekompression) zu niedrigeren Temperaturen hin verschieben. Dement-
von Hochdruck-Granuliten kehrt sich die Richtung der Re- sprechend könnten granulitfazielle Metamorphite
aktion um; dabei bilden sich häufig spektakuläre Koronage- durchaus schon bei P-T-Bedingungen der hochgradigen
füge von Orthopyroxen + Plagioklas um Granat oder an- Amphibolitfazies entstehen, vorausgesetzt, die H 2O-
dere Reaktions-Symplektite (Abb. 25.1, S. 426). Aktivität war gering. Allerdings spricht bereits das
Helle Granulite leiten sich entweder von klastischen verbreitete Auftreten von Al-reichem Orthopyroxen und
Sedimenten wie Tonsteinen, Grauwacken oder Arkosen, von Mesoperthith dafür, dass die meisten Granulite bei
aber auch von felsischen Magmatiten, wie Graniten oder hohen Temperaturen gebildet wurden und dass die
Rhyolithen ab. Kritische Paragenesen sind Quarz + Al- Granulifazies im P-T-Diagramm ein eigenes Feld
kalifeldspat + Plagioklas + Almandin-Pyrop-reicher einnimmt (Abb. 26.7a). Allerdings haben manche Gra-
Granat + Kyanit/Sillimanit oder + Al-reicher Orthopyro- nulite, darunter auch die Granulite des Sächsischen
xen (Abb. 26.10e), bei niedrigeren Drücken auch + Cor- Granulit-Gebirges, zunächst ein Eklogit-fazielles Stadi-
dierit. Dabei sind z. T. die gleichen Entwässerungs- um durchlaufen (O’Brien 2006).
reaktionen abgelaufen wie beim Übergang von der nied- Derzeit sind sogar 20 Granulit-Gebiete auf der Erde
rig- zur hochgradierten Amphibolitfazies, z. B. (25.11), bekannt, die P-T-Bedingungen einer Ultrahochtempera-
(25.11a), (25.11b), (26.11) und (26.12). Prograd gebilde- tur-Metamorphose mit Temperaturen um 1 000 °C erlebt
ter Biotit ist meist nur untergeordnet vorhanden und stets haben (vgl. Harley 1998). Beispiele sind die Gneishülle
Mg-reich (Phlogopit). Unterschiede gegenüber der hoch- der Rogaland-Intrusion in Südnorwegen, der Epupa-Kom-
gradigen Amphibolitfazies liegen besonders im Auftre- plex in Nordwest-Namibia, die Palni Range in Südindien
ten von Al-reichem Orthopyroxen in vielen Granuliten. und die Rauer-Gruppe in der Ostantarktis. Kennzeich-
Solche felsischen Pyroxen-Granulite bezeichnet man als nend für diesen Metamorphosetyp ist das Auftreten der
Charnockite, die allerdings auch durch magmatische sonst seltenen Silikate Sapphirin Mg7Al9[O4/Al9Si3O36],
Kristallisation von granitischen Magmen bei hohen Drü- Osumilith und Kornerupin oder sogar des Hochtempera-
cken entstehen können. Alkalifeldspat enthält typischer- tur-Klinopyroxens Pigeonit. Für Sapphirin-führende Ortho-
weise ungefähr gleiche Anteile der Komponenten Ab und pyroxen-Sillimanit-Gneise des Epupa-Komplexes schätzen
Or und entmischt sich bei der Abkühlung als Mesoperthit. Brandt et al. (2007) Temperaturen von 1 000–1 100 °C bei
Seine ursprüngliche Zusammensetzung lag also oberhalb Drücken um 10 kbar ab. Solche P-T-Bedingungen sind
des Solvus-Maximums im Zweistoffsystem Albit–Kali- in der unteren Erdkruste realisiert, wobei zusätzlich eine
feldspat, was auf hohe Bildungstemperaturen hinweist ungewöhnlich große Wärmezufuhr durch magmatische
(Abb. 16.12, S. 266). Intrusionen in regionalem Maßstab notwendig ist. Für
Kennzeichnend für Gesteine in Granulitfazies ist das den Epupa-Komplex kommt der Kunene-Intrusiv-Kom-
Zurücktreten oder Fehlen von (OH)-haltigen Mineralen. plex, eine der größten Anorthosit-Intrusion der Erde, als
Daraus kann man schließen, dass bei der granulitfaziellen Wärmelieferant in Frage.
466 26 · Metamorphe Mineralfazies
26.3.7 klas vor, weil Grossular nicht mehr stabil ist. Daneben kön-
Sanidinitfazies nen seltene Ca-Silikate wie Rankinit Ca3[Si2O7], Larnit
β -Ca2[SiO4] und Spurrit Ca5[CO3/(SiO4)2] sowie Ca-Mg-
Die Sanidinitfazies umfasst das P-T-Gebiet der Pyro- (Al-)Silikate wie Merwinit Ca3Mg[SiO4]2, Monticellit
metamorphose, das sich teilweise mit den Kristallisa- CaMg[SiO4] und Melilith Ca2(Mg,Al)[(Si,Al)SiO7] auftreten.
tionsbedingungen vulkanischer Gesteine in der Schluss-
phase iher Erstarrung überschneidet. Nach niedrigeren 26.3.8
Temperaturen hin schließt sich an die Sanidinitfazies die Blauschieferfazies
Pyroxen-Hornfelsfazies an. Gesteine in Sanidinitfazies
treten als Einschlüsse (Xenolithe) in vulkanischen Gestei- Die Blauschieferfazies (Glaukophanschieferfazies) gehört
nen auf, so z. B. im jungen Vulkangebiet um den Laacher der Hochdruck-Faziesserie an, deren Entwicklung an kon-
See (Ost-Eifel), oder sie bilden Kontaktsäume an basi- vergente Plattenränder gebunden ist. Dabei werden die küh-
schen Gängen und Lagergängen. Wegen der kurzen Dau- len Vulkanite und Sedimente der ozeanischen Platte sowie
er der thermischen Einwirkung wird trotz der hohen Tem- die Sedimente des Akkretionskeils zunehmend tiefer ver-
peraturen ein chemisches Gleichgewicht zwischen den senkt, wobei sie nur langsam aufgeheizt werden. So herrscht
Mineralneubildungen meist nur unvollkommen erreicht. in einer Subduktionszone z. B. in 50 km Tiefe nur eine Tem-
Charakteristische Minerale der Sanidinitfazies sind Sa- peratur von 300–500 °C entsprechend einem geothermi-
nidin, Anorthoklas, Plagioklas mit Hochtemperaturstruktur, schen Gradienten von ca. 6–10 °C/km (Abb. 26.7). Die meis-
Wollastonit, Tridymit, Cristobalit, Sillimanit und/oder Mullit ten Glaukophangesteine sind aus mesozoischen bis käno-
sowie Orthopyroxen (Hypersthen) und/oder Pigeonit. Sani- zoischen, also jüngeren Orogengürteln bekannt. Wichtige
din, der oft reich auftritt, verdankt seine Entstehung einer Beispiele finden sich in der Franciscan Formation in Kalifor-
gleichzeitigen metasomatischen Alkalizufuhr aus alkalibasal- nien, in Neu-Kaledonien, in Japan, im Tauern-Fenster (Ost-
tischen Magmen, z. B. in den Leucit-Tephriten des Laacher- alpen), in den Penninischen Decken der Westalpen, in Kala-
See-Gebietes. In Quarz-Feldspat-reichen oder pelitischen brien, auf Korsika sowie im Kykladen-Kristallin und auf der
Gesteinen kommt es häufig zum partiellen Aufschmelzen. Insel Kreta (Griechenland). In paläozoischen und protero-
Solche Gesteine mit einem hohen Anteil an Gesteinsglas, zoischen Orogenen sind Blauschiefer häufig durch spätere,
das neugebildete Kriställchen von Cordierit, Mullit, Korund, höhergradierte metamorphe Überprägungen bis auf gerin-
Spinell oder Tridymit einschließt, bezeichnet man als ge Relikte ausgelöscht worden, z. B. in den Appalachen
Buchite (Abb. 26.11). Pyrometamorph überprägte Xenolithe (USA). Das bekannteste Vorkommen von variscischen
von SiO2-haltigem Kalkstein führen verbreitet Wollastonit; Blauschiefern in Europa ist die Ile de Groix in der südli-
dieser kommt auch in Kombination mit An-reichem Plagio- chen Bretagne (Frankreich).
Abb. 26.11.
Buchit aus dem Kasseler Grund
bei Bieber im Spessart. Xenolith
von Buntsandstein, der im Kon-
takt mit einem Basaltgang teil-
weise aufgeschmolzen wurde.
Zwischen den gerundeten Quarz-
und Feldspat-Körnern des Sand-
steins liegt ein farbloses Glas, das
rechteckige Kriställchen von Cor-
dierit und nadeligem Mullit sowie
wolkige Anhäufungen von dun-
klem Spinell einschließt. Bild-
breite 1 mm. (Foto: J. A. Lorenz,
Karlstein am Main)
468 26 · Metamorphe Mineralfazies
Kennzeichnend für die Blauschieferfazies ist der blaue zu etwas geringeren Drücken. Typische Hellglimmer der
Na-Amphibol Glaukophan, dessen Stabilitätsfeld aller- Blauschieferfazies sind Phengit, ein Mg-Si-reicher Mus-
dings noch nicht genau bekannt ist. Nach Experimenten covit, aber auch Paragonit. Wenn die Komponente Na2O
von Maresch (1977) liegt seine untere Druckgrenze bei auf koexistierenden Mineralphasen wie Glaukophan,
mindestens 4 kbar, wahrscheinlich aber höher, und steigt Paragonit, Albit oder Jadeit verteilt ist, lassen sich kon-
im Temperaturbereich von 350–550 °C auf ca. 10,5 kbar ventionelle ACF- und A'KF-Diagramme, aber auch die
an; die obere T-Stabilitätsgrenze dürfte bei ungefähr 550°, AFM-Projektion nicht mehr anwenden. In diesen Fällen
vielleicht aber noch höher liegen (vgl. Yardly 1989). Für kann man z. B. ein ANFM-Diagramm benutzen.
die prograde Bildung von Glaukophan kann man folgen- Niedriggradierte und/oder schwach deformierte Gestei-
de, stark vereinfachte Reaktion annehmen: ne in Blauschieferfazies lassen häufig noch Mineral- und
Gefügerelikte der magmatischen Ausgangsgesteine, z. B. von
Albit + Chlorit Glaukophan + H2O (26.20) Pillow-Basalten oder Gabbros, erkennen; Metasedimente
zeigen oft noch die ehemalige Schichtung. In diesen Fällen
Ein weiteres fazieskritisches Mineral ist Lawsonit, der ist eine Schieferung nur schwach ausgebildet oder fehlt. Auf
sich in basischen Vulkaniten direkt aus magmatischem Pla- der anderen Seite trifft man auch stark umkristallisierte
gioklas bilden kann, und zwar nach folgender schemati- Gesteine mit grobkörnigem, kristalloblastischem Gefüge an,
schen Gleichung: die oft eine ausgeprägte Schieferung zeigen und/oder in-
tensiv gefaltet sind (Abb. 24.12c, S. 402).
Je nach dem Auftreten von Lawsonit oder Epidot las-
sen sich zwei verschiedene Subfazies unterscheiden, de-
ren Grenzen allerdings sehr stark vom Gesteins-Chemis-
(26.21) mus abhängen (Evans 1990):
Wie man aus Abb. 25.9 (S. 436) entnehmen kann, ist Lawsonit-Blauschieferfazies und
Lawsonit in Gegenwart von Quarz bei H2O-Drücken ober- Epidot-Blauschieferfazies
halb von 3 kbar (200 °C) bis 4,5 kbar (~400 °C) stabil; danach
steigt die obere Stabilitätsgrenze steil an. Bei höheren Tem- Lawsonit-Blauschieferfazies
peraturen wird Lawsonit zugunsten von Epidot abgebaut
(s. unten). Charakteristisch für die Blauschieferfazies ist Diese Subfazies ist wesentlich durch das Stabilitätsfeld
weiterhin das Auftreten von Aragonit, der als Hochdruck- von Lawsonit in Gegenwart von Glaukophan definiert.
modifikation von CaCO3 bei Drücken oberhalb 5 kbar (bei Metabasite liegen als feinkörnige Glaukophanschiefer
180 °C) und 9 kbar (bei 400 °C) stabil ist (Abb. 6.8, S. 100). oder Glaukophanite mit den Paragenesen Glaukophan
Allerdings ist Aragonit nur noch in relativ niedrig tempe- + Lawsonit + Albit/Jadeit ± Pumpellyit ± Phengit ± Chlorit
rierten Blauschiefern metastabil erhalten geblieben. Die ± Aragonit vor. In den assoziierten Metasedimenten kön-
polymorphe Umwandlung nen sich in Abhängigkeit vom Gesteins-Chemismus und
von variierenden P-T-Bedingungen vielfältige Mineral-
Aragonit → Calcit (26.22) gesellschaften bilden.
ist nämlich eine topotaktische Reaktion, bei der keine Bin- So entwickelt sich in Meta-Grauwacken der Franciscan Formation
dungen in der Kristallstruktur aufgebrochen werden müs- in Kalifornien eine Folge von Paragenesen, die einer Druckzunahme
der Metamorphose entspricht:
sen; diese Reaktion erfolgt daher bei erhöhten Tempera-
turen sehr rasch: So würde der Reaktionsfortschritt bei Quarz + Albit + Lawsonit + Stilpnomelan + Muscovit + Chlorit
250 °C etwa 100 mm pro 1 Ma, bei 100 °C dagegen nur ca. + Calcit,
0,001 mm pro 1 Ma betragen (Carlson u. Rosenfeld 1981). Albit + Lawsonit + Aragonit,
Bei noch höheren Drücken von 7 kbar (250 °C) bis 11 kbar Jadeitischer Pyroxen + Lawsonit + Aragonit.
(400 °C) tritt in Blauschiefer-faziellen Gesteinen Jadeit
Die Paragenese Lawsonit + Jadeit ist bei Temperaturen <400 °C
+ Quarz anstelle von Albit auf, entsprechend der Reaktion und bei Drücken von 8–12 kbar stabil.
Im Hochdruckgürtel der externen Helleniden treten in Metape-
Albit Jadeit + Quarz (25.4) liten als kritische Minerale u. a. Pyrophyllit, das Chlorit-ähnliche
Schichtsilikat Sudoit (Mg,Fe2+)2Al3[(OH)8AlSi3O10], das Kettensilikat
(Abb. 24.1, S. 382). Natürlicher Jadeit ist allerdings meist Fe-Mg-Karpholith (Fe,Mg)Al2[(OH,F)4/Si2O6] und Chloritoid auf.
Die Mineralparagenesen (jeweils + Paragonit + Phengit + Quarz
ein Mischkristall, der wechselnde Anteile der Komponen- ± Albit) deuten auf eine regionale Zunahme der P-T-Bedingungen
ten Akmit NaFe3+[Si2O6] und Diopsid Ca(Mg,Fe2+)[Si2O6] von ca. 300 °C / 8 kbar in Ost-Kreta bis ca. 450 °C / 17 kbar auf dem
enthält; dadurch verschiebt sich die Gleichgewichtskurve Peloponnes hin (Theye u. Seidel 1991; Theye et al. 1992):
26.3 · Übersicht über die metamorphen Fazies 469
Ost-Kreta: Chlorit + Pyrophyllit ± Fe-Mg-Karpholith Al2O3-reicheren Stoffbeständen auch Chloritoid + Kyanit + Phengit
oder Sudoit + Chlorit + Pyrophyllit; + Paragonit + Quarz + Chlorit. In Kalkphylliten und Marmoren
Mittel-Kreta: Chloritoid + Fe-Mg-Karpholith + Chlorit wurden die Paragenesen Ankerit ± Calcit + Phengit + Chlorit
oder Pyrophyllit + Chloritoid + Fe-Mg-Karpholith; + Epidot + Glaukophan oder Ankerit + Chloritoid + Phengit + Quarz
West-Kreta: Chloritoid + Mg-Karpholith + Chlorit beobachtet. Für die Hochdruckgesteine von Samos können Tempera-
oder Pyrophyllit + Chloritoid; turen um 500 °C und Drücke von 12–14 kbar abgeschätzt werden.
Peloponnes: Chloritoid + Mg-Karpholith + Chlorit Demgegenüber repräsentieren Granat-Glaukophanite und assoziier-
oder Chloritoid + Mg-Karpholith + Pyrophyllit te Granat-Glimmerschiefer im Nordteil der Insel bereits Übergänge
oder Chloritoid + Chlorit + Granat. in die Eklogitfazies mit P-T-Bedingungen von etwa 520 °C / 19 kbar
beim Höhepunkt der Metamorphose (Will et al. 1998).
In West-Kreta kann in Na-reicheren Metasedimenten zusätzlich
Ferroglaukophan neben Albit, auf dem Peloponnes Glaukophan ne- 26.3.9
ben Na-Pyroxen ~Jd50Akm50 vorhanden sein. Weiterhin finden sich Eklogitfazies
in West-Kreta Ca-Al-reiche Metasedimente, die reichlich Lawsonit
führen und die mit fossilhaltigen Aragonit-Marmoren wechsellagern. Eklogite sind metamorphe Gesteine von basaltischem
Chemismus mit der charakteristischen Mineralpara-
Epidot-Blauschieferfazies genese Granat + Omphacit.
In Anwesenheit zusätzlicher Mineralphasen wie Glaukophan, Fallweise treten als Nebengemengteile hinzu: Quarz,
Ca-Amphibol oder Klinopyroxen wird das Stabilitätsfeld Kyanit, Zoisit oder Epidot, Phengit, Ca-Amphibol,
von Lawsonit + Quarz stark eingeschränkt. Der Übergang Glaukophan und Rutil oder Titanit. Granat ist hauptsäch-
von der Lawsonit- in die Epidot-Blauschieferfazies erfolgt lich ein Mischkristall aus wechselnden Anteilen der Kom-
über eine Reihe komplexer Reaktionen, deren Gleichgewichts- ponenten Almandin, Pyrop und Grossular. Omphacit ist
kurven durch variable Mg/Fe2+- und Fe3+/Al-Verhältnisse ein ebenso komplex zusammengesetzter Klinopyroxen,
im Glaukophan zu Bändern ausgedehnt werden. Die beiden der neben den Komponenten Diopsid und Hedenbergit
kritischen Paragenesen Lawsonit + Glaukophan und Epidot auch aus Jadeit NaAl[6][Si2O6], Akmit NaFe3+[Si2O6]
+ Glaukophan überlappen sich so in einem breiten Inter- sowie Ca-Tschermak’s und Mg-Tschermak’s Molekül
vall von etwa 320–370 °C bei 10 kbar und etwa 400–460 °C CaAl[6][Al[4]SiO6] bzw. MgAl[6][Al[4]SiO6] besteht. Kenn-
bei 15 kbar (Evans 1990). Experimentell bestimmt wurden zeichnend ist das Fehlen von Plagioklas, dessen Albit-Kom-
lediglich die Gleichgewichtskurven der Reaktionen ponente als Jadeit in den Omphacit eingebaut wird, wäh-
rend die Anorthit-Komponente in Form von Grossular
in den Granat eingeht (vgl. Abschn. 27.3, Reaktion (27.1),
S. 485). Der Übergang von der lockeren Gerüststruktur des
(26.23) Plagioklas in die dichter gepackten Strukturen des Ketten-
silikats Omphacit und des Inselsilikats Granat sowie der
und Koordinationswechsel Al[4] → Al[6] führt zu der hohen Dich-
te des Eklogits von ca. 3,5 g/cm3.
Zur verbreiteten Bildung von Eklogiten kommt es bei
der tiefen Subduktion von Basalten und Gabbros der ozea-
(26.24) nischen Erdkruste (Abb. 26.8, Abschn. 24.2.5, S. 398; Abb.
27.17, S. 489). Darüber hinaus können auch kontinentale
die bei ca. 430 °C/ 10 kbar und 480 °C/ 15 kbar verlaufen Krustenbereiche unter eklogitfazielle Bedingungen geraten,
(Heinrich u. Althaus 1988). Zu höheren Temperaturen wenn eine Lithosphärenplatte im Zuge einer Kontinent-
und Drücken geht die Epidot-Blauschieferfazies in die Kontinent-Kollision von einer anderen überschoben und
Eklogitfazies über, zu höheren Temperaturen und nied- dadurch tief versenkt wird. Dabei werden auch Gesteine von
rigeren Drücken in die Epidot-Amphibolit-Fazies bzw. nicht-basaltischem Chemismus eklogitfaziell überprägt.
die Grünschieferfazies.
In den klassischen Eklogit-Vorkommen, z. B. in der Münchberger
Ein gutes Beispiel für die Epidot-Blauschieferfazies sind die eozä- Gneismasse (Oberfranken, z. B. Okrusch et al. 1991, O’Brien 1993) oder
nen Hochdruckgesteine auf der Insel Samos im Ostteil des Ky- im Erzgebirge (z. B. Schmädicke 1994), treten Eklogite als isolierte Lin-
kladen-Kristallins. In Glaukophaniten tritt verbreitet die Parage- sen auf, die in amphibolitfazielle Metasedimente eingelagert sind. Man
nese Glaukophan + Epidot + Albit + Chlorit + Phengit + Paragonit glaubte daher, dass die Eklogite als tektonische Späne in ihre, bezüg-
+ Quarz auf. Metagabbros führen Albit + Epidot + Chlorit + Ca- lich des Druckes niedriger gradierte Umgebung eingeschuppt wor-
Amphibol ± Phengit ± Glaukophan, stellenweise auch Zoisit oder den seien („Fremdmodell“) und nahm an, dass die Eklogitfazies nur
Omphacit, aber nicht in Gegenwart von Granat. Glaukophan und durch einen einzigen Gesteinstyp, nämlich den Eklogit, repräsentiert
Chloritoid treten verbreitet in Metasedimenten auf, jedoch niemals würde. Inzwischen sind auch Gesteine mit völlig abweichendem Che-
gemeinsam. Wichtige Paragenesen in Metapeliten sind Glaukophan mismus beschrieben worden, deren Mineralparagenesen der Eklogit-
oder Chloritoid + Chlorit + Phengit + Paragonit + Albit + Quarz, in fazies zuzuordnen sind, wie z. B. der berühmte Meta-Granodiorit des
470 26 · Metamorphe Mineralfazies
Monte Mukrone in der Sesia-Zone, Westalpen (Compagnoni u. Maffeo leiten sich die Eklogite und Glaukophanite von zwei Basalt-Typen
1973). Außerdem hat man im amphibolitfaziellen Nebengestein Mi- ab, die sich in ihrem Gesteins-Chemismus deutlich voneinander
neralrelikte der Eklogitfazies nachgewiesen und konnte zeigen, dass unterscheiden; die Ausgangsgesteine der (Glaukophan-)Jadeit-
die Eklogite und ihr Nebengestein eine gemeiname P-T-Entwick- Gneise sind Andesite, Dacite und Rhyolithe. Man beobachtet fol-
lung durchgemacht haben („In-situ-Modell“). Die scheinbaren Dis- gende Paragenesen (± Titanit ± Rutil):
krepanzen sind reaktionskinetisch begründet: Eklogite verhalten
sich gegenüber Deformationsvorgängen und retrograden Über- Eklogite: Omphacit + Granat + Epidot ± Phengit ± Glaukophan
prägungen wesentlich resistenter als z. B. Metapelite und wurden ± Quarz;
daher oft nur randlich in Amphibolite oder Glaukophanite umge- Glaukophanite: Glaukophan + Epidot + Granat + Paragonit
wandelt. Demgegenüber erfuhren die benachbarten Metasedimente ± Phengit ± Chloritoid ± Omphacit + Quarz;
häufig durchgreifende Veränderungen in ihrem Mineralbestand. (Glaukophan-)Jadeit-Gneise: Jadeit + Quarz + Glaukophan
+ Paragonit ± Phengit ± Epidot + Granat;
Die Eklogitfazies ist eine Hochdruck-Fazies, die ein Quarzite: Quarz + Phengit + Paragonit ± Granat ± Glaukophan
sehr breites P-T-Feld einnimmt (Abb. 26.7a), das sich je- ± Omphacit ± Epidot.
doch auf Grund von kritischen Mineralparagenesen noch
Als Besonderheit treten Quarzite mit dem typischen Hoch-
weiter untergliedern lässt. Danach kann man folgende druckmineral Deerit (Fe2+,Mn)6(Fe3+,Al)3[O3/(OH)5/Si6O17] auf,
Gruppen unterscheiden: die als weitere Phasen noch Ägirinaugit, Riebeckit und Magnetit
führen.
eklogitfazielle Gesteine im Verband mit Blauschiefern, Pseudomorphosen von Klinozoisit + Paragonit (± Phengit)
eklogitfazielle Gesteine im Verband mit Gneisen und ± Quarz nach Lawsonit deuten an, dass bei der prograden Meta-
morphose das Stabilitätsfeld der Lawsonit-Blauschieferfazies
Granuliten,
durchschritten und die Gleichgewichtskurve von Reaktion (26.24)
eklogitfazielle Gesteine mit Ultrahochdruckparage- gekreuzt wurde. Die Abwesenheit der Paragenese Omphacit + Kya-
nesen, nit (s. unten) begrenzt die möglichen Metamorphosedrücke auf
Eklogite als Xenolithe in Kimberliten und Alkaliba- maximal ca. 20 kbar. Die neuesten Abschätzungen der P-T-Bedin-
salten. gungen erbrachten Temperaturen von 550–600 °C und Drücke von
15–20 kbar (Schmädicke u. Will 2003).
Eine weitere interessante Assoziation von Eklogiten und Blauschie-
Eklogitfazielle Gesteine im Verband mit Blauschiefern fern findet sich im Ophiolith-Komplex von Zermatt–Saas-Fee in den
Walliser Alpen, die eine Hochdruck-metamorph überprägte ozeani-
Die untere Druckgrenze der Eklogitfazies wird durch die sche Lithosphäre der Tethys repräsentiert (Bearth 1973). Man erkennt
Gleichgewichtskurve der Reaktion noch Gefügerelikte von Pillow-Basalten. Die Pillows bestehen aus Ek-
logit mit der Paragenese Omphacit + Granat + Epidot ± Glaukophan
± Paragonit ± Phengit + Quarz + Rutil, der durch ein zweites Meta-
Albit Jadeit + Quarz (25.4) morphoseereignis teilweise in Granat-Amphibolit umgewandelt wur-
de. Die ehemaligen Hyaloklastite sind dagegen Glaukophanite der
definiert, die untere Temperaturstabilität durch die kon- Paragenese Glaukophan + Granat + Epidot ± Paragonit ± Chlorit
tinuierlichen Reaktionen ± Chloritoid + Rutil ± Titanit. Auch in der Franciscan Formation
Kaliforniens treten stellenweise Eklogite im Verband mit Blauschie-
fern auf.
(26.25)
Eklogitfazielle Gesteine im Verband mit Gneisen
und und Granuliten
überschritten worden ist. Nach der experimentellen Bestim- dann metastabil erhalten, wenn er in Mineralen hoher
mung von Schmidt u. Poli (1994) ist Lawsonit oberhalb ca. Festigkeit eingeschlossen ist, die quasi als Hochdruck-
525 °C bei 17 kbar und ca. 565 °C bei 20 kbar nicht mehr autoklav wirken. Das ist in erster Linie Granat. So ent-
stabil. Wichtig ist ferner die Koexistenz von Omphacit und deckte Chopin (1984) erstmals Coesit als Mineralphase
Kyanit, aus der sich Mindestdrücke für diesen Bereich der in Kristallin-Gesteinen, die keine Schockwellenmeta-
Eklogitfazies abschätzen lassen. Grundlage dafür ist die morphose (Abschn. 24.2.3, S. 392f ) erlebt hatten, als
obere Druckstabilität von Paragonit nach der Reaktion Einschluss in Kristallen von nahezu reinem Pyrop
(Prp90–98) in einem Granat-Quarzit des Dora-Maira-
Massivs (Westalpen).
Wie man in Abb. 26.13 erkennt, ist Coesit randlich
bereits in Quarz umgewandelt; häufig ist die Reaktion
(26.28)
Coesit → Quarz (26.30)
deren Gleichgewichtskurve im Temperaturbereich von 550 in den Einschlüssen bereits vollständig abgelaufen. We-
bis 650 °C bei Drücken von ca. 25 kbar verläuft (Holland 1979). gen des Dichteunterschieds nimmt Quarz ein erheblich
Für die Bildung von Omphacit + Kyanit nach der Gleichung größeres Volumen ein als Coesit und sprengt daher das
einschließende Mineral. Die entstehenden Sprengrisse
(Abb. 26.13) sind typisch für Coesit-führende Gesteine,
stellen aber keinen schlüssigen Beweis für die ehemali-
(26.29) ge Anwesenheit von Coesit dar. Im Grundgewebe des
Quarzits hat sich kein Coesit mehr erhalten.
liegt diese Mindestdruckgrenze umso niedriger, je ge- Die kritische Mineral-Paragenese Quarz/Coesit + Pyrop
ringer der Jd-Gehalt von Omphacit ist, z. B. für die Para- + Phengit + Talk + Kyanit + Jadeit + Rutil in den Granat-
genese Omphacit Jd50Di50 + Kyanit bei ca. 20 kbar. Quarziten von Dora Maira gibt – zusätzlich zum Auftreten
Ein interessantes Beispiel für Metasedimente in Eklo- von Coesit – wichtige Hinweise auf hohe Metamorphose-
gitfazies stellen die Weißschiefer dar, Metapelite die nach drücke. So wurde die obere Druck-Stabilität von Paragonit
ihrem Chemismus auf einen extrem Mg-reichen Salzton aus nach Reaktion (26.28) unter Bildung von Kyanit + Jadeit
dem Milieu von Evaporiten zurückgehen (Kulke u. Schreyer überschritten. Außerdem lief die Reaktion
1973, Schreyer 1974). Seit ihrem ersten Auffinden in ei-
nem Ausläufers des westlichen Himalaya-Gebirges in Af-
ghanistan sowie in Sambia sind mehrere weitere Vorkom-
men, besonders in den Westalpen, bekannt geworden.
Weißschiefer sind fast immer mit Eklogiten assoziiert und
können daher in die Eklogitfazies eingeordnet werden.
Allerdings nimmt ihre kritische Mineralparagenese
Kyanit + Talk + Quarz nach Schreyer (1988) ein extrem
weites P-T-Feld ein, mit Temperaturen von 550–810 °C und
Drücken von 6 kbar bis hinauf zu 45 kbar (Abb. 26.12).
Abb. 26.13.
Pyrop mit Einschlüssen von Coesit,
einer Hochdruck-Modifikation
von SiO2, mit randlichen Säumen
von palisadenartigem Quarz.
Durch Volumenexpansion bei der
nachträglichen Umwandlung von
Coesit in Quarz hat sich ein auf-
fälliges System radial verlaufen-
der Sprengrisse im Pyrop gebil-
det, besonders deutlich in c und
d. Dora-Maira-Massiv, Westalpen
(Nord-Italien). a und c 1 Nic., b
und d +Nic. Schliffdicke ca. 30 µm,
Bildbreite ca. 1 mm. (Foto:
H.-P. Schertl, Bochum)
Bereits im 17. Jahrhundert entwickelten die Universal- nern, das zwar von Kircher als heiß, aber in weiten Berei-
gelehrten René Descartes (1596–1650) und Athanasius chen als fest angesehen wurde, mutet durchaus modern
Kircher (1602–1680) dezidierte, wenn auch voneinander an. Man könnte das Zentralfeuer mit dem Erdkern, die
abweichende Vorstellungen über den Aufbau des Erdin- Pyrophylacien mit den modernen Hot Spots vergleichen.
nern. Kirchers Vorstellungen waren geprägt von traumati- Den Schalenbau der Erde hat Kircher noch nicht voraus-
schen Erlebnissen auf einer Süditalien-Reise, auf der er am geahnt – hier erscheint das von Descartes 1644 entwi-
Ätna, Stromboli und Vesuv den aktiven Vulkanismus mit ckelte Modell der Erde als„erkalteter Stern“ mit einem glü-
seinen erschreckenden optischen, akustischen und Ge- henden Kern und mehreren Schalen erheblich moderner.
ruchs-Erscheinungen kennen lernte. Geradezu zwangs- Substantielle Theorien über den Bau des Erdinnern
läufig kam er in seinem Werk Mundus Subterraneus (1665) konnten erst entwickelt werden, nachdem zu Beginn des
– nach Ellenberger (1999) „die erste Enzyklopädie der Geo- 20. Jahrhunderts geophysikalische, insbesondere seismi-
logie“ – zu einem heißen Erdinnern, in dem ein Zentralfeu- sche Messmethoden und Rechenverfahren zur Verfü-
er brannte, das über ein Netzwerk von Kanälen (Pyragogi) gung standen. Durch sie konnte die Existenz des Schalen-
mit zahlreichen Feuerherden (Pyrophylacia) und den Vul- baus nachgewiesen und die Tiefenlage der Grenzflächen
kanen an der Erdoberfläche verbunden ist (siehe Abbil- mit hoher Genauigkeit bestimmt werden (Kap. 27). Vor-
dung). Die Vorstellung vom heterogenen Bau des Erdin- stellungen über die chemische und mineralogische Zu-
sammensetzung der einzelnen Erd-
schalen verdanken wir der Geoche-
mie (seit etwa 1920) und der experi-
mentellen Petrologie (seit etwa 1960)
sowie dem Studium der Meteoriten
(Kap. 29), die als Bruchstücke von
Asteroiden wichtige Analogmateri-
alien für das Erdinnere darstellen.
Durch Datierungen mit radiogenen
Isotopen konnte das Alter der Erde
auf 4,555 Milliarden Jahre bestimmt
werden. Unbemannte und bemann-
te Weltraummissionen ermöglich-
ten seit 1959 geophysikalische Mes-
sungen auf Mond, Venus und Mars
und seit 1969 direkte mineralogi-
sche und geochemische Analysen
von Mondgesteinen sowie an Mete-
oriten,die vom Mond und Mars stam-
men (Kap. 29). Dadurch verfügen wir
jetzt über fundierte Vorstellungen
vom inneren Aufbau und Stoffbe-
stand des Mondes und der erdähn-
lichen Planeten (Kap. 28, 30).
27
Aufbau des Erdinnern
27.1 Durch die bahnbrechenden Forschungsergebnisse der Geophysik seit Beginn des
Seismischer Befund zum 20. Jahrhunderts ist der Schalenbau der Erde, der bereits durch Descartes (1644)
Aufbau des Erdinnern vorausgeahnt worden war, gesicherte Erkenntnis. Danach gliedert sich die Erde in
drei relativ scharf begrenzte Schalen von unterschiedlicher Dichte, Masse und Vo-
27.2 lumen: Erdkruste, Erdmantel und Erdkern (Tabelle 27.1). Darüber hinaus haben
Erdkruste Ergebnisse der experimentellen Petrologie und Geochemie wesentlich dazu bei-
getragen, plausible Modelle vom inneren Aufbau sowie von der chemischen und
27.3 mineralogischen Zusammensetzung des Erdinnern zu entwickeln.
Erdmantel Bei einem Radius von durchschnittlich 6 370 km ist uns der allergrößte Teil des
Erdkörpers unzugänglich. Direkte Aufschlüsse vermitteln Tunnel, Bergwerke und
27.4 Tiefbohrungen:
Erdkern
Der Mont-Blanc-Tunnel zwischen Chamonix und Courmayeur durchsticht die West-
alpenkette in 1 395 m über N. N. und wird von ihr um ca. 3 000 m überragt.
Die tiefsten Bergwerke der Erde im Goldrevier des Witwatersrands (Südafrika)
liegen in einer Teufe von ca. 4 500 m.
Die bislang tiefste kontinentale Tiefbohrung auf der Kolahalbinsel (Russland) er-
reichte 1985 eine Endteufe von 12 260 m; das sind etwa 2 ‰ des Erdradius!
Tabelle 27.1. Volumen, Masse und
Zwei weitere übertiefe Bohrungen in kontinentalen Kristallingesteinen wurden
Dichte von Erdkruste, Erdmantel
und Erdkern im Rahmen des Kontinentalen Tiefbohrprogramms der Bundesrepublik Deutsch-
land (KTB) bei Windischeschenbach in der Oberpfalz niedergebracht, wobei die
durchgehend gekernte KTB-Vorbohrung (1989) 4 000 m und die KTB-Haupt-
bohrung (1990–1994) 9 101 m Endteufe erreichten.
Durch das internationale Deep Sea Drilling Program DSPD wurde im Jahre 1976
vor der spanischen Küste die ozeanische Erdkruste unter dem Atlantik bis zu ei-
ner Endteufe von 3 930 m durchbohrt.
τ =µ·α [27.2]
[27.3]
[27.4]
Bei Berücksichtigung des Kraftwirkungsgesetzes K = m · b kann Wir verfolgen die Ausbreitung der Wellenstrahlen zu-
man sich leicht überzeugen, dass der Quotient aus Druck und Dich- nächst in einem sehr stark vereinfachten Modell des Erdin-
te zu cm2 / s2 führen muss; die Wurzel daraus ergibt die Einheit der
nern, das aus einem homogenen Mantel und einem homo-
Geschwindigkeit cm / s.
genen Kern besteht (Abb. 27.4a). Ein fächerförmiges Strah-
Aus den Gleichungen [27.3] und [27.4] geht hervor, dass lenbündel durchläuft den Mantel ungestört und geradli-
an jedem Punkt des Erdinnern vP > vS sein muss und dem- nig; flacher verlaufende Strahlen treffen dagegen auf die
entsprechend die P-Wellen stets vor den S-Wellen an der Kern-Mantel-Grenze auf; sie werden dort zum Einfallslot
Erdbebenstation eintreffen. Da der Schubmodul ein Maß hin, beim Verlassen des Kerns vom Einfallslot weg gebro-
für den Widerstand einer Masse gegen elastische Form- chen und dadurch in einem „Brennfleck“ konzentriert.
veränderungen ist, gilt für Flüssigkeiten µ = 0, weil diese Zwischen beiden Strahlenbündeln befindet sich ein brei-
lediglich plastisch deformiert werden. Daher sinkt nach tes Gebiet, in dem überhaupt keine Erdbebenwellen re-
Gleichung [27.4] die Geschwindigkeit der S-Wellen in flüssi- gistriert werden, der „Schatten des Kerns“, wie er sich bei
gen Medien auf vS = 0, und die Geschwindigkeit der P-Wel- der Registrierung natürlicher Erdbebenwellen auch tat-
len wird nach Gleichung [27.3] ebenfalls deutlich geringer. sächlich beobachten lässt. Gegenüber diesem vereinfach-
ten Modell muss man jedoch berücksichtigen, dass sich die
27.1.2 physikalischen Eigenschaften und damit auch die Ge-
Ausbreitung von Erdbebenwellen im Erdinnern schwindigkeit der P- und S-Wellen innerhalb von Erdmantel
und Erdkern kontinuierlich ändern. Daraus ergibt sich, dass
Die komplizierten Ausbreitungsvorgänge der Erdbeben- sich die Wellenstrahlen im Erdinnern nicht geradlinig, son-
wellen im Erdinnern lassen sich am besten durch den Ver- dern auf gekrümmten Bahnen fortpflanzen. Dabei gilt – wie
lauf der Wellenstrahlen beschreiben. Analog zur Optik gel- in der Optik – das Prinzip von Pierre de Fermat (†1665),
ten das Reflexions- und das Brechungsgesetz: An Grenzflä- wonach sich ein Strahl unter allen möglichen Wegen den-
chen werden die Wellenstrahlen reflektiert, wobei Einfalls- jenigen auswählt, der die geringste Laufzeit erfordert.
winkel = Ausfallswinkel ist. Beim Eintritt aus einem seis- Wir benutzen nun ein realistischeres Erdmodell, in
misch dünneren in ein seismisch dichteres Medium wird dem die Wellenstrahlen gekrümmten Bahnen folgen und
der Wellenstrahl zum Einfallslot hin gebrochen. das aus einem Mantel, einem äußeren und einem inne-
ren Kern besteht (Abb. 27.4b). Wie im vereinfachten Mo-
dell lassen sich drei verschiedene Bereiche unterscheiden:
Aus Abb. 27.4b ergeben sich also zwei Unstetigkeits- rer Erdkern und innerer Erdkern. Dieser auf seismischem
flächen, die eine äußere feste Schale, den Erdmantel, von Wege herausgearbeitete Schalenbau lässt sich auch stoff-
einer mittleren flüssigen Schale, dem äußeren Erdkern, lich, d. h. petrologisch und geochemisch interpretieren.
und diesen wiederum von einem inneren Erdkern ab- Dabei werden allerdings – wie oben dargelegt – direkte
gliedern. Beobachtungen nach der Tiefe hin immer spärlicher und
fehlen im unteren Erdmantel sowie im Erdkern ganz.
27.1.3 Es sei darauf hingewiesen, dass es einen erheblichen
Geschwindigkeitsverteilung der Erdbebenwellen Aufwand an geophysikalischen Messungen und Berech-
im Erdinnern nungen erforderte, die Veränderung von vP, vS, K, µ und
ρ mit der Tiefe zu modellieren. Seismogramme enthal-
Eine wesentliche Verfeinerung unseres Bildes vom Erd- ten komplexe Informationen über unterschiedliche Wel-
aufbau ergibt sich, wenn man die Geschwindigkeit der P- lentypen, die interferieren, sich gegenseitig verstärken
und S-Wellen in Abhängigkeit von der Erdtiefe z aufträgt oder auslöschen; ihre Auswertung gleicht der Entziffe-
(Abb. 27.5a, b). Da sowohl vP und vS als auch die Gradien- rung eines verschlüsselten Textes (Allègre 1992). Das
ten dvP / dz und dvS / dz direkt von den Quotienten K/ ρ scheinbar einfache Bild, das in Abb. 27.5 auf Grund von
und µ / ρ abhängen, müssen abrupte oder allmähliche seismischen Modellierungen dargestellt ist, gehört zu den
Änderungen der Gradienten auf entsprechende Ände- ganz großen Leistungen der Geophysik!
rungen dieser physikalischen Konstanten zurückgehen,
27.2 wie das in Abb. 27.6 z. B. für die Dichte dargestellt ist. 27.2
Danach ergibt sich folgende Gliederung: Erdkruste, obe- Erdkruste
rer Erdmantel, Übergangszone, unterer Erdmantel, äuße-
Die Erdkruste wird von dem darunter liegenden Erd-
mantel durch die Mohorovičić-Diskontinuität getrennt,
die von dem kroatischen Geophysiker Andreiji Mohoro-
vičić (1909) entdeckt wurde. Diese kurz Moho genannte
Grenze ist durch einen relativ raschen Anstieg der P-Wel-
len-Geschwindigkeit von ca. 6,5–7,0 auf ca. 8,0–8,3 km/ s
und einen entsprechenden Anstieg von v S bedingt
(Abb. 27.5b). Die Moho liegt unter den Tiefseeböden ca.
5–7 km, unter den Kontinenten meist ca. 30–40, stellen-
weise sogar bis ca. 60 km, und unter den jungen Falten-
gebirgen bis zu 90 km tief. Die Dicke der Erdkruste vari-
iert dementsprechend je nach der geologischen Situati- Lage 1: Tiefsee-Sedimente; ihre Mächtigkeit beträgt
on eines Gebietes. Ebenso ist die Moho unterschiedlich selbstverständlich an den mittelozeanischen Rücken 0 m
scharf ausgebildet, wobei die Unschärfe unter stabilen und nimmt zum Kontinent hin stetig zu; an passiven
Kontinenten vielleicht einige 100 m beträgt, unter den Kontinentalrändern kann sie mehrere km betragen.
Ozeanböden noch geringer ist. In Orogengürteln ist die Die ältesten in situ befindlichen Tiefseesedimente
Moho oft schlecht ausgebildet oder verdoppelt; unter den wurden in der obersten Trias-Zeit abgelagert.
mittelozeanischen Rücken fehlt sie meist ganz. Lage 2: Submarin ausgeflossene Pillow-Laven basal-
tischer Zusammensetzung (MORB).
27.2.1 Lage 3a: Sheeted-Dike-Komplex, Basaltgänge (MORB),
Ozeanische Erdkruste die in vertikal aufreißenden Spalten ineinander intru-
dierten.
Informationen über den Aufbau der ozeanischen Kruste er- Lage 3b: Gabbros, die erstarrten Magmenkammern
halten wir durch seismische Messungen und durch subma- der ozeanischen Basalte.
rine Bohrungen im Rahmen der internationalen Deep-Sea- Lage 4a: Peridotite mit Kumulatgefügen, entstanden
Drilling- und Ocean-Drilling-Programme (DSDP und ODP), durch gravitatives Absaigern von Olivin und Pyroxen
insbesondere durch die amerikanischen Forschungsschiffe in der Magmenkammer. Seismische Messungen „se-
Glomar Challenger und Joides Resolution. Weitere wichtige hen“ die Grenze Gabbro–Peridotit als scheinbare Krus-
Informationen liefern Ophiolith-Komplexe; das sind Späne te-Mantel-Grenze: Seismische Moho.
von hochgeschuppter ozeanischer Lithosphäre, die tektoni- Lage 4b: Harzburgite und Lherzolithe des oberen Erd-
sche Decken in Faltengebirgen bilden. Sie enthalten – wenn mantels: Petrographische Moho, die durch seismische
auch nicht immer vollständig – das gesamte Inventar der Methoden nicht als Grenze erkannt wird.
ozeanischen Erdkruste und des darunter liegenden Erd-
mantels. Gegenüber Bohrungen haben sie den Vorteil, dass Mittelozeanische Rücken stellen eine eigene, bedeut-
sie dreidimensionale Aufschlüsse bieten und darüber hin- same petrographische Provinz dar, in der durch subma-
aus Bereiche erschließen, die bis jetzt noch nicht erbohrt rinen Vulkanismus ozeanische Erdkruste ständig neu
werden konnten. Bekannte Beispiele sind der Vourinos- gebildet wird. Es handelt sich also um konstruktive (di-
Komplex in Nordgriechenland, der Troodos-Komplex auf vergente) Plattenränder. Kennzeichnend ist eine merk-
Zypern und zahlreiche weitere Vorkommen in den Dinar- liche negative Bougier-Anomalie, das ist eine auf die To-
iden und Helleniden, der Semail-Komplex im Oman, meh- pographie (in diesem Fall Meerwasser mit geringer Dich-
rere Vorkommen in Indonesien und Papua-Neuguinea te) korrigierte Schwereanomalie. Dieses Schweredefizit
sowie der Bay-of-Islands-Komplex in Neufundland (Ka- ist über den Axialzonen am höchsten und nimmt zum
nada). Aus der Zusammenschau der verfügbaren Infor- Rand hin ab. Unverfestigte Tiefseesedimente sind weit-
mationen ergibt sich ein relativ einfacher, lagenförmiger gehend abwesend, während Pillowbasalte der Lage 2 am
Aufbau, der in Abb. 27.7 schematisch dargestellt ist. Dabei Meeresboden anstehen. Lage 3 geht allmählich in einen
sind die angegebenen Mächtigkeiten und P-Wellenge- Mantel mit anomal geringen P-Wellen-Geschwindigkei-
schwindigkeiten für die einzelnen Lagen nur Näherungs- ten von meist 7,1–7,3 km/ s über. Eine Moho ist schlecht,
werte, die im Detail variieren können: in vielen Gebieten gar nicht entwickelt; der Wärmefluss
Abb. 27.7.
Schematisches Tiefenprofil durch
die ozeanische Lithosphäre
(=ozeanische Erdkruste + obers-
ter Erdmantel) nach seismischen
Messungen, Tiefseebohrungen
und Beobachtungen in typischen
Ophiolith-Komplexen. Die Dicke
der einzelnen Lagen und die
seismischen Geschwindigkeiten
können regional stark variieren.
(Nach Brown u. Mussett 1993)
482 27 · Aufbau des Erdinnern
ist hoch und Basaltvulkanismus ist verbreitet. Alle diese Unverfestigte Sedimente und verfestigte Sedimentgesteine.
Tatsachen weisen darauf hin, dass die mittelozeanischen Sie besitzen sehr unterschiedliche Mächtigkeiten, können
Rücken die Zonen von aufsteigenden Konvektions- aber – bis auf eine dünne Bodenkrume – auch ganz fehlen.
strömen im Erdmantel sind, verbunden mit partieller
Anatexis (Abb. 27.17, S. 489). Kontinentale Oberkruste. Vorstellungen über ihren petrogra-
Als Bestandteil von ozeanischen Lithosphärenplatten phischen Aufbau gewinnen wir aus zahlreichen Beobach-
wird die ozeanische Kruste durch das sea floor spreading tungen in den Kristallingebieten der Erde, insbesondere in
mit Geschwindigkeiten von einigen Zentimetern pro Jahr den archaischen und proterozoischen Kontinentalkernen
bewegt und an konvergenten (destruktiven) Plattenrändern (Kratonen) wie Fennoscandia, Laurentia u. a., die durch tief-
unter kontinentale Lithosphären-Platten subduziert. Dabei reichende Abtragung freigelegt wurden. Danach besteht die
entstehen Inselbögen und Orogengürtel vom Andentyp. Oberkruste überwiegend aus Quarz-Feldspat-reichen Me-
(Abb. 27.17). An passiven Kontinentalrändern beginnt die tamorphiten und Migmatiten sowie aus Granit- und Gra-
ozeanische Erdkruste, die hier dicker ist als gewöhnlich, jen- nodiorit-Plutonen. Die durchschnittliche Dichte dieser Ge-
seits der Schelfbereiche, den vom Meer überfluteten Konti- steine beträgt etwa 2,7 g/cm3, die P-Wellen-Geschwindig-
nentalrändern. Eine übernormale Mächtigkeit von bis zu keiten liegen bei ca. 6,0 km/s. Basaltische Vulkanite mit hö-
20 km erreicht die ozeanische Erdkruste auch im Bereich heren Dichten sind eher untergeordnet vorhanden, wenn
ozeanischer Inseln (z. B. Hawaii) und in den Gebieten mit man von den großen Arealen kontinentaler Flutbasalte (Ab-
ozeanischen Flutbasalt-Plateaus (Abschn. 12.1, S. 219). schn. 12.1, S. 218) absieht. Eine krustale Low-Velocity-Zone,
in der vP auf <6,0 km/s absinkt, wird von Mueller (1977)
27.2.2 durch ein gehäuftes Auftreten von Granit-Lakkolithen und/
Kontinentale Erdkruste oder einen erhöhten Fluid-Anteil erklärt (Abb. 27.8). Ein äu-
ßerst komplexes Modell für den Aufbau der kontinentalen
Eine detaillierte Auswertung der Geschwindigkeiten von Oberkruste in der bayerischen Oberpfalz ergab sich aus den
Erdbebenwellen legte schon früh den Gedanken nahe, umfangreichen geologischen und geophysikalischen Unter-
dass sich die kontinentale Erdkruste in mehrere Schich- suchungen im KTB-Zielgebiet und durch die KTB-Vor- und
ten gliedert, wobei die Verhältnisse wesentlich kompli- -Hauptbohrung selbst (Abb. 27.9) (z. B. Hirschmann 1996).
zierter sind als bei der ozeanischen Kruste. Ganz allge-
mein ergibt sich folgende Grobgliederung: Kontinentale Unterkruste. Diese ist häufig, aber nicht immer,
durch einen Dichtesprung von der Oberkruste getrennt, die
Conrad-Diskontinuität (Conrad 1925). Sie liegt meist in
15–25 km Tiefe, ist jedoch generell nicht so gut ausgeprägt
wie die Moho und auch nicht weltweit entwickelt. In
Deutschland wurde die Conrad kurz nach dem 2. Weltkrieg
durch die Sprengung einer unterirdischen Munitionsfabrik
bei Haslach im Schwarzwald und durch eine große Spren-
gung auf der Insel Helgoland seismisch registriert. Nach
dem von Mueller (1977) entwickelten Modell (Abb. 27.8)
ist die Conrad lediglich durch einen „Zahn“ erhöhter
Wellengeschwindigkeit bedingt, der auf eine wenige Kilo-
meter mächtige Lage von Amphibolit zurückgehen könnte.
Danach sinken vP und vS wieder ab. Die Unterkruste besteht
wahrscheinlich aus einer gebänderten Wechsellagerung von
hellen und dunklen Granuliten, wie sie in den steilgestellten
metamorphen Serie der Ivrea-Zone in den Südalpen
(Abb. 27.10) oder in Kalabrien (Süditalien) modellhaft auf-
geschlossen sind. Diese hochmetamorphen Gesteine, die
meist (OH)-freie Mineral-Paragenesen aufweisen und z. T.
Restit-Charakter besitzen, sind häufig das Ergebnis mehr-
facher metamorpher Prägungen unter hohen Temperatu-
ren und selektiver Aufschmelzung. Dadurch kam es im Ver-
lauf langer geologischer Zeiträume zu einer Verarmung an
leichtflüchtigen Komponenten. Mit dem frei werdenden
Wasser wanderten u. a. auch U und Th, die für die radioak-
Abb. 27.8. Stark schematisiertes Tiefenprofil durch die kontinenta- tive Wärmeproduktion wichtig sind, in höhere Krusten-
le Erdkruste. (Nach Mueller 1977) bereiche ab.
27.2 · Erdkruste 483
Abb. 27.9.
Die obere Erdkruste im KTB-
Zielgebiet bei Windischeschen-
bach in der Oberpfalz (Bayern)
nach seismischen Messungen
entlang der Profile Crossline 230
und KTB 8502 (Inline 360), nach
geologischen Beobachtungen
und den Ergebnissen der KTB-
Vorbohrung und -Hauptbohrung
(dicke, vertikale, nach unten ab-
geknickte Linie). ZEV: Zone
von Erbendorf-Vohenstrauss.
(Nach Hirschmann 1996, mit
freundlicher Genehmigung des
Verlags Elsevier)
Abb. 27.10.
Geologische Karte des steil ste-
henden Krustenprofils der Ivrea-
Zone im Valle Strona (Südalpen).
Der granulitfazielle Abschnitt
entspricht der Unterkruste, der
amphibolitfazielle der Ober-
kruste. (Nach Aufnahmen von
Bertolani, 1959–1965, aus Meh-
nert 1975)
484 27 · Aufbau des Erdinnern
Abb. 27.11.
Seismisches Profil durch den
Ivrea-Körper (sog. Vogelkopf)
und die angrenzenden Teile der
Zentral-Alpen (links) sowie der
Ivrea-Zone (Abb. 27.10) und der
Poebene (rechts). Die Zahlen
geben die jeweiligen P-Wellen-
Geschwindigkeiten an. (Nach
Berkhemer 1968 und Giese 1968
aus Mehnert 1975)
27.3 · Erdmantel 485
tert als „yellow ground“) gefüllt sind und nach unten zu etwa 130 km Tiefe und sinkt unter den Tiefseeböden auf
in Gänge und Lagergänge von massivem Kimberlit über- etwa 190 km ab.
gehen (Abb. 12.13, S. 224, Abb. 27.13). Sowohl der Kim- Green u. Ringwood (1963) nahmen für den gesamten
berlit als auch die Xenolithe selbst können Diamant ent- Erdmantel eine chemische Zusammensetzung an, die
halten und müssen daher aus tiefen Bereichen des Erd- aus 3 Teilen Dunit und 1 Teil Basalt besteht; diesen Ge-
mantels stammen. Das Gleiche gilt für die Lamproite steins-Chemismus nannten sie Pyrolit (Tabelle 27.2). Aus
Australiens. Setzt man etwa 1 000 °C als wahrscheinliche ihm kann sich durch partielles Aufschmelzen maximal
Temperatur des Kimberlit-(bzw. Lamproit-)Magmas an, 25 % Basalt-Magma bilden, aber natürlich auch weniger
so beträgt der Mindestdruck für die Diamantentstehung (Abschn. 17.2, S. 281ff). Ringwood (1975) verfeinerte
45 kbar, entsprechend einer Tiefe von etwa 140 km. Wie das Pyrolit-Modell noch etwas, in dem er z. B. die ultra-
man aus Abb. 27.15 entnehmen kann, liegt die Ober-
grenze der Diamantstabilität unter den Kratonen, wo ein
relativ geringer geothermischer Gradient herrscht, in
Tabelle 27.2.
Ableitung des theoretischen
Modell-Pyrolits und Vergleich
mit natürlichem Granat-Lher-
zolith. (Nach Green u. Ring-
wood 1963; Ringwood 1975;
Brown u. Mussett 1993)
488 27 · Aufbau des Erdinnern
mafischen Anteile von Ophiolith-Komplexen zum Ver- 2. Spinell-Pyrolite. Sie enthalten die Paragenese Olivin >> Or-
gleich heranzog. Das Pyrolit-Modell steht darüber hin- thopyroxen > Klinopyroxen > Spinell, deren Stabilitäts-
aus mit der Vorstellung in Einklang, dass die Erde eine feld bis zu Maximal-Drücken von ca. 14–18 kbar am konti-
ähnliche Zusammensetzung hat wie die wichtigste Me- nentalen bzw. ozeanischen Geotherm reicht (Abb. 27.14).
teoriten-Gruppe, die Chondrite (Abschn. 29.3.1, S. 508ff). Bei isobarer Temperaturerhöhung können die Pyroxene
Tabelle 27.2 lässt die große chemische Ähnlichkeit von immer mehr Al in ihre Kristallstruktur aufnehmen, so
natürlichen Granat-Lherzolith und dem theoretischen dass Spinell als eigene Al-Phase verschwindet.
Modell-Pyrolit erkennen. Es wird aber auch deutlich, dass Damit entstehen:
Granat-Lherzolith noch etwas reicher an MgO, aber
bereits etwas verarmt an den Basalt-Komponenten Al2O3, 3. Pyroxen-Pyrolite. Sie enthalten die Paragenese Olivin >> Al-
FeOtot, CaO und Na2O ist. reicher Orthopyroxen > Al-reicher Klinopyroxen. Ihr
Grundlegende experimentelle Untersuchungen von Stabilitätsfeld liegt bei sehr hohen Temperaturen ober-
Green u. Ringwood (1967b) zeigten, dass Pyrolit bei un- halb von ca. 1 240–1 300 °C und in einem Druckbereich
terschiedlichen P-T-Bedingungen im Erdinnern unter- von ca. 10–30 kbar. Pyroxen-Pyrolite kann man daher nur
schiedliche Mineralparagenesen ausbildet (Abb. 27.14). bei extrem hohen geothermischen Gradienten erwarten,
Diese unterscheiden sich hauptsächlich durch die Mineral- wie sie an den mittelozeanischen Rücken realisiert sind.
phasen, in denen die Komponente Al2O3 eingebaut wird. Bei Druckerhöhung und/oder Temperaturerniedrigung
können die Pyroxene immer weniger Al in Form von Ca-
1. Plagioklas-Pyrolite. Sie enthalten die Paragenese Olivin oder Mg-Tschermaks Molekül (CaTs, MgTs) aufnehmen
>> Orthopyroxen > Klinopyroxen > Plagioklas und sind und es bildet sich Pyrop-reicher Granat. Ebenso reagiert
bei Temperaturen, die dem normalen kontinentalen oder Spinell mit Orthopyroxen unter Bildung von Pyrop-rei-
ozeanischen Geotherm entsprechen, nur bei Drücken < ca. chem Granat und Olivin nach der Gleichung
5 kbar stabil. Sie können also nicht im subkontinentalen
Mantel auftreten, da dort die Moho meist in Tiefen liegt,
die Drücken von >10 kbar entsprechen. Plagioklas-Pyro-
lite sind am ehesten im Bereich von mittelozeanischen
Rücken zu erwarten, da dort ein anomal großer geother- (27.5)
mischer Gradient herrscht. Bei Druckerhöhung wird der
Al-Gehalt der Plagioklase nach den Modellreaktionen Somit entstehen:
(27.3)
Abb. 27.17. Petrologisches Modell der Plattentektonik; Erläuterungen im Text. (Mod. nach Ringwood 1979)
Granat-Pyrolit unter den Kontinenten schon in geringe- der dabei entstehenden Basalt-Magmen einen fertilen
rer Tiefe (ca. 45 km) erreicht als unter den Ozeanböden Pyrolit in einen verarmten Peridotit umzuwandeln.
(ca. 60 km). Natürliche Granat-Lherzolithe, die den glei- Aus Abb. 27.14 geht hervor, dass eine Aufschmelzung
chen Mineralbestand aufweisen und dem theoretischen von H2O-freiem („trockenem“) Pyrolit nur möglich ist,
Granat-Pyrolit chemisch sehr ähnlich sind (Tabelle 27.2), wenn wesentlich höhere Temperaturen erreicht werden,
treten – wie schon erwähnt – verbreitet als Xenolithe in als dem ozeanischen Geotherm entspricht. Das ändert
Kimberliten und Lamproiten auf; darüber hinaus bilden sich jedoch drastisch, wenn man annimmt, dass der Erd-
sie tektonische Schubspäne in Orogen-Gürteln, so auf der mantel einen geringen Anteil an H2O enthält. So verläuft
Alpe Arami bei Bellinzona (Tessin), bei La Charme in die Soliduskurve eines Pyrolits, der nur 0,1 Gew.-% H2O
den Vogesen und bei Åheim (Norwegen). enthält, bereits bei erheblich geringeren Temperaturen als
der trockene Pyrolit-Solidus und durchläuft im Druck-
Wie schon in Abschn. 17.2 (S. 281ff) erläutert, konnte bereich zwischen etwa 25 und 50 kbar ein deutliches
experimentell gezeigt werden, dass durch partielle Minimum, das vom ozeanischen Geotherm geschnitten
Anatexis von Pyrolit Basalt-Magmen entstehen, wobei wird: Hier kann es zur partiellen Anatexis und zur Bildung
Lherzolithe, Harzburgite oder Dunite als Restgesteine von etwa 0,5–1 Gew.-% Schmelze kommen (Abb. 17.2,
zurückbleiben (z. B. Green u. Ringwood 1967c; Jaques u. S. 281). Interessanterweise fällt dieser Bereich in etwa mit
Green 1980). Diese Aufschmelzprozesse führen neben der der Low-Velocity-Zone im oberen Erdmantel zusammen.
mineralogischen zusätzlich noch zu einer chemischen
Heterogenität des lithosphärischen Erdmantels. Durch 27.3.2
Bildung und vulkanische Förderung von Basalt-Magmen Die Asthenosphäre als Förderband der Lithosphärenplatten
verarmen gewisse Bereiche des Erdmantels an K, Na, Ca,
Al und Si sowie an inkompatiblen Spurenelementen wie Bereits 1926 hatte der deutsche Geophysiker Beno Guten-
Be, Nb, Ta, Sn, Th, U, Pb, Cs, Li, Rb, Sr und SEE, während berg erkannt, dass in Tiefen von etwa 60–250 km die Ge-
Mg relativ angereichert wird. Somit bestehen weite Teile schwindigkeiten der P- und S-Wellen um etwa 3–6% ge-
des lithosphärischen Erdmantels nicht mehr aus ferti- ringer werden, wobei dieser Effekt für vS – relativ gese-
lem („fruchtbarem“) Pyrolit, sondern aus verarmtem hen – wesentlich ausgeprägter ist als für vP (Abb. 27.5b).
(depleted) Peridotit, insbesondere aus Harzburgit und Da die S-Wellen aber trotzdem weiter geleitet werden,
Lherzolith (Abb. 27.16, 27.17). Ihr Anteil ist im subkon- muss auch dieser Teil des oberen Erdmantels, den man
tinentalen Erdmantel größer als im subozeanischen, weil als Low-Velocity-Zone (LVZ) bezeichnet, prinzipiell aus
dieser durch das sea floor spreading zu den Subdukti- festem Material bestehen. In unterschiedlicher tektoni-
onszonen transportiert und dort in den tiefen Mantel scher Umgebung liegt die LVZ in unterschiedlicher Tie-
zurückgeführt wird: Es gibt keine ozeanische Lithosphä- fe und ist verschieden deutlich ausgebildet. So erkennt
re, die älter als ca. 200 Mio. Jahre ist. Demgegenüber hat- man sie unter den Kontinenten sehr viel schlechter als
te die kontinentale Mantel-Lithosphäre viel mehr Zeit, unter den Ozeanen, gebietsweise auch gar nicht. Zur Er-
um durch partielle Anatexis und vulkanische Förderung klärung dieses Verhaltens kann man Abb. 27.14 (S. 487)
490 27 · Aufbau des Erdinnern
heranziehen, die zeigt, dass sich unter den Ozeanen aus Der Kräfteplan innerhalb von Benioff-Zonen lässt sich aus
einem Pyrolit mit 0,1 Gew.-% H 2O in einem Tiefen- sog. Herdlösungen berechnen. Diese ergeben Druckspannungen
in Richtung der subduzierten Platte, Zugspannungen senkrecht
bereich von etwa 100–170 km eine Teilschmelze bildet,
dazu, während direkt unter dem Tiefseegraben Zugspannungen
die 0,5–1 Gew.-% ausmacht. Dieser Schmelzanteil verrin- in Richtung der Platte, Druckspannungen senkrecht dazu herr-
gert den Schubmodul µ und damit nach Gleichung [27.3] schen.
und [27.4] (S. 478) auch vP und vS. Von einem mittleren
kontinentalen Geotherm wird der Solidus für einen Die subduzierte H2O-haltige ozeanische Kruste un-
Pyrolit mit 1 Gew.-% H2O nicht geschnitten; es bedarf terliegt einer Hochdruckmetamorphose, wobei Blau-
also eines höheren H2O-Gehalts im Pyrolit oder eines schiefer und Eklogite gebildet werden. Bei erhöhten Tem-
übernormalen geothermischen Gradienten, um im kon- peraturen kommt es zur partiellen Aufschmelzung un-
tinentalen Mantel partielle Anatexis zu bewirken. ter Bildung und Förderung von Magmen der Kalkalkali-
Serie, die vulkanische Inselbögen oder magmatische
Als Asthenosphäre (grch. ασθενóς = schwach) defi- Gebirgsbögen vom Andentyp aufbauen. Typisch sind
niert man den Bereich, in dem sich der obere Erd- Vulkanite der Reihe Tholeiitbasalt → Andesit → Dacit
mantel bei vertikalen und horizontalen Bewegun- → Rhyodacit → Rhyolith sowie Plutonite vom I-Typ, insbe-
gen, d. h. bei Isostasie und sea floor spreading, als re- sondere Granite, Granodiorite und Tonalite (GGT-Serie).
lativ mobil, also fließfähig erweist. Damit verknüpft ist eine orogene Regionalmetamor-
phose vom Nieder- bis Mitteldruck-Typ (Abschn. 24.2.5,
Häufig wird die Asthenosphäre mit der LVZ gleich S. 394ff, Abb. 26.8, S. 458).
gesetzt, was allerdings eine zu starke Vereinfachung ist Unterhalb der Asthenosphäre steigen vP und vS wie-
(Brown u. Mussett 1993). Man muss aber festhalten, dass der an; die auf 1 bar reduzierte Dichte von 3,3–3,4 g/ cm3
Asthenosphäre und LVZ etwa in gleicher Tiefe liegen und des Erdmantels entspricht der eines Granat-Pyrolits
wahrscheinlich auf den gleichen Vorgang zurück gehen, (Abb. 27.18).
nämlich das Erreichen von Temperaturbedingungen der
partiellen Anatexis. Für das Modell der Plattentektonik 27.3.3
kommt der Asthenosphäre eine entscheidende Rolle zu: Übergangszone
Starre Lithosphärenplatten bewegen sich auf der fließ-
fähigen Asthenosphäre. Wesentliche Aspekte der Platten- Die Übergangszone ist geophysikalisch definiert als Be-
tektonik sind in Abb. 27.17 schematisch dargestellt: reich zwischen etwa 400 und 750 km Tiefe, in dem die Ge-
schwindigkeiten der P- und S-Wellen einen stark wechseln-
Divergenter (konstruktiver) Plattenrand zwischen zwei den aber – gemittelt – übernormalen Gradienten dvP /dz
ozeanischen Lithosphärenplatten. Diese setzen sich zu- und dvS /dz aufweisen. Birch und Presnal waren die ers-
sammen aus ozeanischer Erdkruste und aus lithosphä- ten, die in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts
rischem Erdmantel, bestehend aus verarmtem Perido- diese Unstetigkeiten auf Hochdrucktransformationen von
tit, der von fertilem Pyrolit unterlagert wird. Aus der Silikat-Mineralen zurückführten (Birch 1952). Diese wan-
darunter befindlichen Asthenosphäre steigt tholeiit- deln sich dabei in dichtere Modifikationen mit dichter
basaltisches Magma (MORB) empor, das am mittel- gepackten Kristallstrukturen um. Wir hatten solche Über-
ozeanischen Rücken neue ozeanische Kruste generiert. gänge bereits bei der Umwandlung der relativ lockeren
Aus der Asthenosphäre aufsteigende Manteldiapire be- Schichtstruktur von Graphit in die kubisch dichte Kugel-
liefern Vulkane des ozeanischen Intraplattenbereichs; packung von Diamant, (Abb. 2.11 S. 55; Abb. 2.15, S. 58)
solche ozeanischen Inseln bestehen aus Alkalibasalten, oder beim Übergang von Coesit Si[4]O2 in Stishovit Si[6]O2
aber auch aus Tholeiiten (Beispiel: Hawaii). (Abb. 9.43, S. 157) mit Rutil-Struktur (Abb. 5.9, S. 88)
Konvergenter (destruktiver) Plattenrand: Eine ozea- kennengelernt. Die konventionellen Hydrothermal-
nische Lithosphärenplatte wird unter eine kontinen- autoklaven und Hochdruckpressen reichten nicht mehr
talen Lithosphärenplatte, bestehend aus einer dicken aus, um die im tieferen Erdmantel vermuteten Phasenü-
Kruste und dem darunter liegenden Erdmantel aus bergänge direkt experimentell zu bestimmen. Man war
verarmtem Peridotit, subduziert. Topographisch äu- daher auf Experimente mit Germanaten analoger Kris-
ßern sich eine Subduktionszone in einem Tiefsee- tallstruktur angewiesen, bei denen die strukturellen Um-
graben (engl. Trench), z. B. dem Tonga-Graben mit wandlungen und der Koordinationswechsel Ge[4] → Ge[6]
10 882 m oder dem Philippinen-Graben mit 10 793 m bei erheblich niedrigeren Drücken ablaufen als bei
Tiefe; geophysikalisch werden sie als Benioff-Zonen den Silikaten. Durch die Erfindung der Diamantstem-
registriert (Benioff 1955). In ihnen sind Erdbebenher- pel-Zelle können jetzt jedoch Drücke bis 2 megabar
de entlang einer schräg (15–85°, meist um 45°) einfal- (= 2 000 kilobar = 200 Gpa) bei Temperaturen bis
lenden Fläche konzentriert, die sich bis in Tiefen von 5 000 °C, entsprechend den P-T-Bedingungen des Erd-
ca. 700 km verfolgen lässt. kerns erreicht werden (z. B. Boehler 2000).
27.3 · Erdmantel 491
(27.6a,b)
Die Temperatur an der Untergrenze des Erdmantels wird Im inneren Erdkern nehmen die P-Wellen-Geschwindig-
auf 4 200 ±500 °C abgeschätzt (Brown u. Mussett 1993). keiten ziemlich plötzlich auf 11,2 km/ s zu, steigen dann
494 27 · Aufbau des Erdinnern
aber kaum noch an. Eine empirische Studie zur Variati- Meteor-Eisen bildet (Abschn. 29.3.4, S. 517ff). Man kann
on des Kompressionsmoduls K mit dem Druck führte daher annehmen, dass der innere Kern aus ca. 80 % Fe
Bullen (1949) zu der Annahme, dass der innere Kern fest und 20 % Ni besteht. Demgegenüber müssen im äuße-
sei. Nach Gleichung (27.3) kann die scharfe Zunahme ren Kern noch leichtere, kosmochemisch häufige Elemen-
von vP folgende Gründe haben: te zugemischt sein, von denen Silicium, Schwefel und Sau-
erstoff die wahrscheinlichsten sind; sie dürften gemein-
Ein plötzliches Absinken der Dichte ρ ist unwahr- sam mit etwa 10–15 % am Aufbau des gesamten Erdkerns
scheinlich, da das zu einer instabilen Schichtung im beteiligt sein (Poirier 1994; Javoy 1999).
Erdinnern führen würde. Durch Hochdruckexperimente im System Fe–FeO
Eine sprunghafte Zunahme von K würde der (K,P)-Hy- konnte gezeigt werden, dass unter den P-T-Bedingungen
pothese widersprechen, nach der im Erdinnern dK/dP, des Erdkerns Sauerstoff mit Eisen eine metallische Le-
d. h. die Zunahme des Kompressionsmoduls mit dem gierung bildet, deren Schmelzpunkt deutlich niedriger
Druck, überwiegend stetig verläuft. ist als der von reinem Fe (Ringwood 1991).
Daher dürfte die wesentliche Ursache für den abrupten Für die Rolle von Schwefel spricht, dass Troilit FeS
Anstieg von vP darin liegen, dass der Schubmodul µ wie- in Eisenmeteoriten (Abschn. 29.3.4, S. 517ff) als wichti-
der einen messbaren Wert annimmt, was bedeutet, dass ge Mineralphase auftritt. Ein S-Gehalt von 8–12 % wür-
der innere Kern elastisch verformbar, also fest ist. de ausreichen, um die Dichte des äußeren Kerns zu er-
klären. Im System Fe–FeS existiert bei Atmosphären-
27.4.2 druck (= 1 bar) ein Eutektikum bei 988 °C mit einem
Chemische Zusammensetzung des Erdkerns Fe : FeS-Verhältnis von ca. 25 : 75 Gew.-% (Abb. 27.20).
Man kann davon ausgehen, dass auch bei den hohen
Wie wir aus Abb. 27.6 entnehmen können, liegt die Dichte Drücken und Temperaturen, die im Erdkern herrschen,
des äußeren Kerns an der Kern-Mantel-Grenze bei ca. ein solches Eutektikum vorhanden ist. Allerdings sagt uns
9,9 g/ cm3 und steigt bis zur Grenze des inneren Kerns die Clausius-Clapey-ron’sche Gleichung
auf ca. 12,2 g/ cm3 an. Für den inneren Kern ist ein Dichte-
bereich von etwa 12,6–13,0 g/ cm3 wahrscheinlich. Legt
[27.5]
man die kosmochemische Häufigkeit der Elemente
zugrunde, wie sie sich aus der spektroskopischen Analy-
se der Sonne und anderer Fixsterne sowie aus dem Stu- dass die Schmelzpunkte der reinen Phasen und die eu-
dium von Meteoriten ermitteln lässt, so kommt als we- tektische Temperatur höher liegen werden; letztere be-
sentliche chemische Komponente des Erdkerns nur me- trägt im Grenzbereich zwischen äußerem und innerem
tallisches Eisen in Frage, das bei den P-T-Bedingungen Kern ca. 4 400 °C (Jeanloz 1990). Auf alle Fälle erniedrigt
an der Kern-Mantel-Grenze eine Dichte von ungefähr die Zumischung der FeS-Komponente den Schmelzpunkt
10,6 g/ cm3 hat. Aus diesen Dichtewerten folgt, dass im
inneren Kern noch ein schwereres Element zugemischt
sein muss. Hierfür kommt in erster Linie das Nickel in
Frage, das kosmochemisch häufig ist, das passende Atom-
gewicht hat und das wichtigste Legierungsmetall im
von reinem Fe. Kühlt man eine Schmelze A der Zusam- Ringwood AE (1979) Origin of the Earth and Moon. Springer, New
mensetzung Fe80FeS20 bis zur Liquiduskurve ab, so schei- York
Ringwood AE (1982) Phase transformation and differentiation of
den sich bei B Kristalle von reinem Fe aus. Dabei verän-
subducted lithosphere: Implication for mantle dynamics, basalt
dert sich die Zusammensetzung der Schmelze in Rich- petrogenesis and crustal evolution. J Geol 90:611–643
tung entlang der Liquiduskurve auf das Eutektikum hin: Ringwood AE (1991) Phase transformations and their bearing on
B → C → D. Jedoch sind die Temperaturen im Erdkern the constitution and dynamics of the mantle. Geochim Cosmo-
zu hoch, um das Eutektikum E zu erreichen, d. h. eine chim Acta 55:2083–2110
vollständige Kristallisation der Fe-FeS-Schmelze findet
nicht statt. Diese muss, wie Abb. 27.21 schematisch zeigt, Zitierte Literatur
einen niedrigeren Schmelzpunkt haben, als es der Tem- Akaogi M, Ito E, Navrotsky A (1989) Olivine-modified spinel-spinel
peratur im äußeren Erdkern entspricht, damit dieser flüs- transitions in the system Mg2SiO4–Fe2SiO4: Calorimetric mea-
sig ist. Haben die ausgeschiedenen Eisen-Kristalle eine surements, thermochemical calculations, and geophysical appli-
bestimmte Größe erreicht (Stoke’sches Gesetz: Abschn. 19.2, cation. J Geophys Res 94:15771–15685
Allègre C (1992) From stone to star. A view of modern geology.
S. 299), so können sie in der an FeS angereicherten Schmel- Harvard University Press, Cambridge Mass, London
ze gravitativ absaigern und damit den inneren Kern ver- Benioff H (1955) Seismic evidence for crustal structure and tectonic
größern. Dieser Absaigerungsprozess, durch den im Lau- activity. In: Poldervaart A (ed) Crust of the Earth (A Symposi-
fe der Erdgeschichte der innere Kern auf Kosten des äu- um). Geol Soc America Spec Paper 62:61–74
ßeren Kerns immer mehr anwächst, führt zu ständiger Berkhemer H (1968) Topographie des „Ivrea-Körpers“, abgeleitet
aus seismischen und gravimetrischen Daten. Schweiz Mineral
heftiger Konvektion, die dadurch begünstigt wird, dass
Petrogr Mitt 48:235–246
die Viskosität der Eisen-Schmelze im äußeren Erdkern Berman R (1962) Graphite-diamond equilibrium boundary. 1st Inter-
wahrscheinlich nicht größer ist als die von Wasser unter nat Congr Diamonds in Industry. Ditchling Press, Sussex, England,
Bedingungen der Erdoberfläche! Damit hätten wir eine pp 291–295
sehr effektive Antriebskraft für den geomagnetischen Birch F (1952) Elasticity and constitution of the earth’s interior. J
Geophys Res 57:227–286
Dynamo, der das Magnetfeld der Erde aufbaut.
Birch F (1963) Some geophysical applications of high pressure
research. In: Paul W, Warschauer D (eds) Solids under pressure.
Weiterführende Literatur McGraw-Hill, New York, pp 137–162
Boehler R (2000) High pressure experiments and the phase diagram
Bass JD, Parise JB (2008) Deep Earth and recent developments in of lower mantle and core materials. Rev Geophys 38:221–245
mineral physics. Elements 4:157–163 Brown JM, Shankland TJ (1981) Thermodynamic properties in the
Bass JF, Sinogeikin SV, Li B (2008) Elastic properties of minerals: A Earth and determined from seismic profiles. Geophys J Roy
key for understanding the composition and temperature of Astron Soc 66:579–596, London
Earth’s interior. Elements 4:165–170 Bullen E (1949) Compressibility-pressure hypotheses and Earth’s
Brown GC, Mussett AE (1993) The inaccessible Earth, 2 nd edn. interior. Mon Not Roy Astron Soc Geophys Suppl 5:355–368
Chapman & Hall, London Bundy FP, Bovenkerk HP, Strong HM, Wentorf Jr HR (1961) Dia-
Ernst WG (1976) Petrologic phase equilibria. Freeman, San Fran- mond-graphite equilibrium line from growth and graphiti-
cisco zation of diamond. J Chem Phys 35:383–391
Fiquet G, Guyot F, Badro J (2008) The Eath’s lower mantle and core. Chudinovskikh L, Boehler R (2001) High-pressure polymorphs of
Elements 4:177–182 olivine and the 660-km seismic discontinuity. Nature 411:574–577
Frost DJ (2008) The upper mantle and transition zone. Elements Clark SP, Ringwood AE (1964) Density distribution and constitution
4:171–176 of the mantle. Rev Geophys 2:35–88
Gass IG, Smith PJ, Wilson RCL (1971) Understanding the Earth. Conrad V (1925) Laufzeitkurven des Tauernbebens vom 28. Nov.
Artemis, Horsham, Sussex 1923. Mitt Erdbeben Komm Wien No 59
Hemley RJ (1998) Ultrahigh-pressure mineralogy: Physics and Eaton JP Murata KJ (1960) How volcanoes grow. Science 132:
chemistry of the Earth’s deep interior. Rev Mineral 37 925–938
Hirose K, Lay T (2008) Discovery of post-perovskite and new views Ellenberger F (1999) History of geology. Vol. 2: The great awakening
on the core-mantle boundary region. Elements 4:183–189 and its first fruits – 1660–1810. Balkema, Rotterdam/Brookfield VT
Karato S, Wenk H-R (2002) Plastic deformation of minerals and Fermor LL (1914) The relationship of isostasy, earthquakes and
rocks. Rev Mineral Geochem 51 vulcanicity to the earth’s infra-plutonic shell. Geol Mag 51:65–67
Kertz W(1970) Geophysik. BI-Hochschultaschenbücher 275/275a. Giese P (1968) Die Struktur der Erdkruste im Bereich der Ivrea-
Bibliographisches Institut, Mannheim Wien Zürich Zone. Schweiz Mineral Petrogr Mitt 48:261–284
Ohtani H (2005) Water in the mantle. Elements 1:25–30 Goldschmidt VM (1922) Über die Massenverteilung im Erdinnern, ver-
Pirajno F (2004) Hotspots and mantle plumes: Global intraplate glichen mit der Struktur gewisser Meteoriten. Naturwiss 42:1–3
tectonics, magmatism and ore deposits. Mineral Petrol 82: Green DH, Ringwood AE (1963) Mineral assemblages in a model
193–216 mantle composition. J Geophys Res 68:937–945
Press F, Siever R (1994) Earth, 6th edn. Freeman, New York Green DH, Ringwood AE (1967a) An experimental investigation
Press F, Siever R (1995) Allgemeine Geologie. Spektrum, Heidelberg of the gabbro to eclogite transformation and ist petrological
Berlin Oxford applications. Geochim Cosmochim Acta 31:767–833
Richter CF (1958) Elementary seismology. Freeman, San Francisco Green DH, Ringwood AE (1967b) The stability fields of aluminous
Ringwood AE (1975) Composition and petrology of the earth’s pyroxene peridotite and garnet peridotite an their relevance in
mantle. McGraw-Hill, New York upper mantle structure. Earth Planet Sci Lett 3:151–160
496 27 · Aufbau des Erdinnern
Green DH, Ringwood AE (1967c) The genesis of basaltic magmas. Montelli R, Nolet G, Dahlen FA, Masters G, Engdahl ER, Hung S-H
Contrib Mineral Petrol 15:103–190 (2004) Finite-frequency tomography reveals a variety of plumes
Gutenberg B (1914) Über Erdbebenwellen VIIA. Beobachtungen in the Mantle. Science 303:338–343
an Registrierungen von Fernbeben in Göttingen und Folgerun- Moore RO, Gurney JJ (1985) Pyroxene solid solution in garnets
gen. Nachr Ges Wiss Göttingen, math-phys Kl 1914 (1):125ff included in diamonds. Nature 318:553–555
Hansen M, Anderko K (1958) Constitution of binary alloys, 2nd edn. Mueller ST (1977) A new model of the continental crust. In: The Earth’s
McGraw-Hill, New York Crust. Geophys Monogr 20:289–317, Amer Geophys Union
Hart, RS, Anderson DL, Kanamori H (1977) The effect of attenuation Oldham RD (1906) The constitution of the earth, as revealed by
on gross Earth models. J Geophys Res 82:1647–1654 earthquakes. Quart J Geol Soc London 62:456–473
Harte B, Harris JW (1994) Lower mantle mineral association O’Neill B, Jeanloz R (1990) Experimental petrology of the lower mantle:
preserved in diamonds. Mineral Mag 58A:284–285 A natural peridotite taken to 54 Gpa. Geophys Res Lett 77:1477–1480
Hirschmann G (1996) The structure of a Variscan terrane bound- Poirier J-P (1994) Light elements in the Earth’s outer core: A critical
ary: Seismic investigation – drilling – models. Tectonophysics review. Phys Earth Planet Int 85:319–337
264:327–339 Ringwood AE (1962) A model for the upper mantle. J Geophys Res
Hofmann AW (1997) Mantle geochemistry: The message from 64:857–867
oceanic volcanism. Nature 385:221–229 Ringwood AE, Major A (1967) High-pressure reconaissance investigations
Holmes A (1927) Some problems of physical geology and the earth’s in the system Mg2SiO4–MgO–H2O. Earth Planet Sci Lett 2:130–133
thermal history. Geol Mag 64:263–278 Sano A, Ohtani E, Kubo T, Funakoshi K (2004) In situ X-ray observation
Ito E, Takahashi E (1989) Post-spinel transformation in the system of decomposition of hydrous aluminum silicate AlSiO3OH and
Mg2SiO4–Fe2SiO4 and some geophysical Implications. J Geophys aluminum oxide hydroxide at high pressure and temperature. J
Res 94:10637–10646 Phys Chem Solids 65:1547–1554
Jaques AL, Green DH (1980) Anhydrous melting of peridotite at Schmidt MW, Finger LW, Angel RJ, Dinnebier RE (1998) Synthesis,
0–16 Kb pressure and genesis of tholeiitic basalts. Contrib Mi- crystal structure and phase relations of AlSiO3OH, a high-
neral Petrol 73:287–310 pressure hydrous phase. Amer Mineral 83:881–888
Javoy M (1999) Chemical Earth models. CR Acad Sci Paris, Earth Stachel T, Brey G (2001) Reise zum Mittelpunkt der Erde. Einschlüs-
Planet Sci 329:537–555 se in Diamanten als Botschafter aus den Tiefen unserer Erde.
Jeanloz R (1990) The nature of the Earth’s core. Ann Rev Earth Pla- Naturwiss Rundschau 54:184–191
net Sci 18:357–386 Washington HS (1925) The chemical composition of the Earth. Am
Jeffreys H (1939) The times of P, S and SKS velocities of P and S. J Sci 209:351–378
Not Roy Astron Soc Geophys Suppl 4:498–533 Wunder B, Medenbach O, Krause W, Schreyer W (1993a) Synthesis,
Kushiro A, Yoder HS (1966) Anorthite-forsterite and anorthite- properties and stability of Al3Si2O7(OH)3 (phase Pi), a hydrous
enstatite reactions and their bearing on the basalt-eclogite high-pressure phase in the system Al2O3–SiO2–H2O (ASH). Eur J
transformation. J Petrol 7:337–362 Mineral 5:637–649
Lehmann I (1936) Bur Centr Séism Trav Sci 14:3–31 Wunder B, Rubie CD, Ross CR, Medenbach O, Seifert F, Schreyer W
Mehnert KR (1975) The Ivrea Zone. A model of the deep crust. (1993b) Synthesis, stability and properties of Al2SiO4(OH)2: A
Neues Jahrb Mineral Abhandl 125:158–199 fully hydrated analogue of topaz. Amer Mineral 78:285–297
Mohorovičić A (1910) Das Beben vom 8. X. 1909. Jahrb metereol Yoder HS, Tilley CE (1962) Origin of basaltic magmas: An experimen-
Observ Zagreb für 1909 9:1–63 tal study of natural and synthetc rock systems. J Petrol 3:342–532
28
Aufbau und Stoffbestand des Mondes
28.1 Der Mond umkreist die Erde in einer Entfernung von durchschnittlich 384 400 km.
Die Kruste Er besitzt einen Radius von 1 738 km (ca. ¼ des Erdradius); seine mittlere Dichte
des Mondes beträgt nur 3,34 g/ cm2, ist also wesentlich geringer als die der Erde. Schon die
unbemannten Weltraum-Missionen der UdSSR (Lunik seit 1959) und der USA (Ran-
28.2 ger und Surveyor seit 1964) haben grundlegende Erkenntnisse über den Aufbau
Innerer Aufbau des Mondes und die petrographische Zusammensetzung der Mondoberfläche
des Mondes erbracht. Von unschätzbarem Wert für die geologische Erforschung waren die
bemannten Apollo-Missionen der USA, die erstmals eine direkte Probenahme
28.3 und geophysikalische Experimente auf der Mondoberfläche erlaubten. Die Apol-
Geologische Geschichte lo-11-Astronauten Neil Armstrong und Edwin Aldrin betraten am 20. Juli 1969
des Mondes als erste Menschen den Mond. Im Zuge der Apollo-Missionen 11 bis 17 und der
sowjetischen Luna-Missionen 16, 20 und 24 wurden zwischen 1969 und 1976
insgesamt fast 2 200 Gesteinsproben mit einem Gesamtgewicht von über 380 kg
auf dem Mond gesammelt (Taylor 1975). Nach einer Pause von 13 Jahren wurde
1990 die japanische Experimentalsonde Hirten in eine Umlaufbahn um den Mond
geschossen; sie kartierte 95 % der gesamten Mondoberfläche. Weitere erfolgrei-
che Mond-Missionen waren die amerikanische Lunar Prospektor (1998), die euro-
päische ESA Smart-1 (2004), die japanische Kaguya (3. Oktober 2007) und die chi-
nesische Chang’e (24. Oktober 2007).
Wie geophysikalische Daten belegen, weist der Mond wie die Erde einen
Schalenbau auf, wobei sich ebenfalls eine Gliederung in Kruste, Mantel und Kern
ergibt. Im Gegensatz zur Erde ist die endogene geologische Dynamik des Mon-
des jedoch bereits vor etwa 3 Milliarden Jahren zum Erliegen gekommen: Auf
dem Mond finden also keine tektonischen Prozesse und kein Vulkanismus mehr
statt. Da der Mond keine Atmosphäre besitzt und die Mondoberfläche frei von
Wasser ist, gibt es auch keine Verwitterungs- und Sedimentationsprozesse auf
dem Mond. Die exogene Dynamik erfolgt ausschließlich durch ein ständiges Bom-
bardement mit Meteoriten. Dadurch werden die Gesteine der Mondkruste tief-
gründig zu einer Schuttschicht, den Regolith zerkleinert, und es entsteht die ty-
pische Kraterlandschaft des Mondes.
498 28 · Aufbau und Stoffbestand des Mondes
Abb. 28.1. Clementine Laser-Altimeter-Karten der Mond-Topographie. Die Vorderseite des Mondes ist durch die Häufung von Maria gekenn-
zeichnet: Oceanus Procellarum (P), Mare Frigoris (FR), M. Imbrium (I), M. Serenitatis (S), M. Tranquillitatis (T), M. Crisium (C), M. Fecundi-
tatis (F), M. Nectaris (N), M. Nubium (NU), M. Humorum (H), M. Cognitum (CO). Im Gegensatz zur Vorderseite weist die Rückseite
des Mondes ein erheblich lebhafteres Relief auf. Die große rundliche Struktur auf der südlichen Rückseite ist das Südpol-Aitken-Becken
mit einer Maximaltiefe von 12 km und einem Durchmesser von 2600 km. (Quelle: Verändert mit freundlicher Genehmigung der NASA,
http://science.nasa.gov/headlines/y2005/images/lola/)
28.1 · Die Kruste des Mondes 499
Staub durchsetzten Schuttschicht, dem Regolith (Abb. 28.2). von der Erde aus sichtbar ist, eine beachtlich große Fläche
Dieser ist über die gesamte Mondoberfläche hin verbrei- einnehmen, beträgt ihr Flächenanteil insgesamt nur etwa
tet und kann nach seismischen Messungen bis zu etwa 17 % der Mondoberfläche. Ihr Volumenanteil an der gesam-
10 km mächtig werden; er enthält große Gesteinsblöcke ten Mondkruste wird auf höchstens 1 % geschätzt. An den
bis zu vielen Kubikmetern Größe. Wie wir in Ab- Rändern der Maria beobachtet man die Wrinkle Ridges.
schn. 24.2.3 (S. 391ff) ausführlich dargelegt hatten, reicht Das sind unregelmäßig gewundene und segmentierte
die Wirkung der Stoßwellen von Kataklase der Mineral- Höhenzüge mit sanften Oberflächenformen, die bis zu
körner bis zu deren vollständiger Aufschmelzung. Dabei 35 km breit und 100 m hoch werden und sich auf mehre-
bildete sich mitunter Glas in Form winziger Kügelchen. re hundert km Länge verfolgen lassen. Sie enthalten lang-
Der Regolith kann durch die Schockwellen zu einer gestreckte Riftzonen und vulkanische Krater sowie Auf-
Impakt-Breccie verfestigt sein, in der Gesteins-, Mine- schlüsse, die an Gänge erinnern. Wahrscheinlich entstan-
ral- und Glasbruchstücke in eine feinere Grundmasse den die Wrinkle Ridges durch Spalten-Effusionen oder
eingebettet sind (Abb. 28.2). Nicht selten weisen die Brecci- durch vulkanische Ereignisse entlang von Brüchen.
en auch metamorphe Umkristalisationsgefüge auf. Im Jahr Die Mare-Basalte stellen verschiedene Varianten
1979 wurden auf der Erde die ersten Mond-Meteorite tholeiitischer Basalte dar, die den Basalten der ozeani-
(Lunaite) entdeckt (Abschn. 29.3.2, S. 516). Es handelt sich schen Erdkruste recht ähnlich sind. Wie diese weisen die
um Bruchstücke von lunaren Breccien, die teils aus den Mondbasalte unterschiedliche Korngröße, z. T. auch por-
Hochländern, teils aber auch aus den Maria stammen. phyrisches Gefüge auf; sie enthalten mitunter Anteile von
Gesteinsglas. Es ist anzunehmen, dass die sehr dünnflüs-
Isotopen-Analysen des Regoliths oder einzelner Ge- sigen basaltischen Laven der Maria durch mehrfache
steinsfragmente der Hochlandregion ergaben einen Al- Spalteneffusionen gebildet wurden, deren Lavaströme
tersbereich von etwa 4,5–4,2 Ga, in dem die Bildung sich flächenhaft übereinander stapelten, analog den ir-
der ersten Mondkruste stattfand. Das Alter unseres Pla- dischen Flutbasalten. Die Dicke der Lavadecken wird im
netensystems beträgt 4,555 Ga (Abschn. 29.3.1, Mittel auf 400 m geschätzt.
S. 508,511; Abschn. 31.5.3, S. 569ff). Im Vergleich zu den Plagioklas-reichen Gesteinen der
Hochlandregion sind die Mare-Basalte generell Al-ärmer;
gegenüber irdischen Tholeiitbasalten sind sie etwas är-
28.1.2 mer an Na und Si. Das Fehlen von Fe3+-haltigen Minera-
Regionen der Maria len sowie das gelegentliche akzessorische Auftreten von
metallischem Eisen (Fe,Ni) oder Troilit FeS spricht dafür,
Im Gegensatz zu den Hochländern bestehen die Maria das bei der Kristallisation der lunaren Basalte eine ge-
des Mondes aus Basalten, die jünger sind als die Gesteine ringe Sauerstoff-Fugazität herrschte. H2O-haltige Mine-
der Hochländer. Obwohl die Mare-Basalte auf der Seite, die rale fehlen in den Mare-Basalten vollständig, (OH)-
Abb. 28.2.
Mondbreccie Kalahari 008. Dieser
Steinmeteorit (Achondrit) wurde
im September 1999 bei Kuke in
der Kalahari (Botswana) gefun-
den. Die polymikte Breccie vom
Mond enthält unterschiedliche
Gesteinsbruchstücke, insbe-son-
dere von Anorthosit (weiß), aber
auch von Impaktschmelz-Brecci-
en (bräunlich bis dunkelgrau), die
in einer feinerkörnigen, klasti-
schen Matrix liegen. (Foto: Insti-
tut für Planetologie, Universität
Münster)
500 28 · Aufbau und Stoffbestand des Mondes
haltige Minerale sind äußerst selten, was auf die weitge- Feldspäte vor, deren Zusammensetzung An50Or40Ab10 in
hende oder vollständige Abwesenheit von H2O-haltigen der Mischungslücke liegt (vgl. Abb. 9.28, S. 117); sie müs-
Fluiden hinweist. Nach ihrem Chemismus lassen sich drei sen daher unter Ungleichgewichtsbedingungen kristal-
Gruppen von Mare-Basalten unterscheiden: lisiert sein. Von den SiO2-Mineralen findet man in den
Mare-Basalten Cristobalit und Tridymit als späte Aus-
eine High-Ti-Gruppe (FETI), die besonders reich an scheidungen, während Quarz extrem selten ist.
Fe2+ und Ti ist (>9 % TiO2), Von den Fe2+-Ti-Oxiden ist Ilmenit FeTiO3 sehr ver-
eine Low-Ti-Gruppe mit 1,5–9 % TiO2 und breitet und bildet in vielen Mondgesteinen einen Haupt-
eine Very-Low-Ti-Gruppe (VLT) mit <1,5 % TiO2. gemengteil, während Ulvöspinell Fe22+TiO4, Rutil TiO2
und Perowskit CaTiO3 seltener als Akzessorien auftre-
Die geochemischen Unterschiede zwischen diesen ten. Orthorhombischer Armalcolit mit der idealen For-
Gruppen werden – wie bei den irdischen Basalten – aus mel Fe02+,5 ,Mg 0,5Ti 2O 5 wurde als Nebengemengteil in
dem unterschiedlichen Grad der partiellen Aufschmel- Mondgesteinen gefunden und nach den Apollo-11-As-
zung im Mondmantel erklärt, zusätzlich auch durch Un- tronauten Armstrong, Aldrin und Collins benannt; in ir-
terschiede bei der Assimilation von Hochlandgesteinen dischen Gesteinen bildet er Mischkristalle mit Pseudo-
und der fraktionierten Kristallisation beim Magmenauf- brookit Fe 23+ TiO 5. Weitere Akzessorien sind Spinell
stieg (AFC-Prozesse). MgAl2O4, Chromit FeCr2O4, Zirkon Zr[SiO4], Badde-
Das Alter der Mondbasalte wurde durch Isotopen- leyit ZrO2 und (OH)-freier Apatit Ca5[(F,Cl]/(PO4)3].
Analysen zu 4,0–3,0 Ga bestimmt, mit einem deutlichen Whitlockit Ca 9(Mg,Fe)[PO 3OH/(PO 4) 6], Troilit FeS,
Schwerpunkt bei 3,8–3,2 Ga. Die Hauptperiode von vul- Cohenit Fe3C, Schreibersit (Fe,Ni)3P sowie metallisches
kanischer Aktivität, während der die meisten Maria mit Eisen (Fe,Ni,Co) kannte man bislang nur aus Meteoriten
Basalt-Laven gefüllt wurden, dauerte also rund 600 Ma. (Tabelle 29.2, S. 510).
Seit 3,0 Ga unterlag die Mondoberfläche nur relativ ge-
ringen Veränderungen. Erosion und Transport von 28.1.4
Gesteinsmaterial beschränken sich auf Meteoritenein- Reste von Wasser im Regolith?
schläge und auf Auswirkungen des Sonnenwindes, eines
von der Sonne kommenden Protonenbeschusses. Entsprechend seiner geringen Gravitation besitzt der Mond
keine Atmosphäre im eigentlichen Sinn, sondern lediglich
28.1.3 eine Exosphäre, die zu etwa gleichen Teilen aus He, Ne, Ar
Minerale der Mondgesteine und H2 aufgebaut ist und Spuren von CH4, NH3 und CO2,
aber kein H2O enthält. Diese Komponenten stammen über-
Da im Rahmen dieses Buches nur eine ganz knappe Über- wiegend aus dem Sonnenwind; lediglich Ar entsteht
sicht gegeben werden kann, sei auf die ausführlicheren teilweise aus dem Zerfall von radioaktivem 40K in den Mond-
Darstellungen von Smith (1974) sowie Smith u. Steele gesteinen. Der Regolith steht praktisch unter Vakuum mit
(1976) verwiesen. Zu den wichtigsten Mineralen in fast einem Druck von 3 × 10–5 bar (= 3 × 10–8 hPa); die Oberflä-
allen Mondgesteinen gehören Anorthit-reicher Plagioklas chen-Temperaturen variieren zwischen 130 °C am Tag und
(meist um An90) und Klinopyroxene wie Augit, Titanaugit, –160 °C in der Nacht. Unter diesen Bedingungen würde
Hedenbergit und Pigeonit, in den Gesteinen der Hoch- H2O sofort verdampfen, H2O-Eis würde sublimieren. Die
länder auch Orthopyroxene (Enstatit-Hypersthen). Da- einzige Möglichkeit für die Existenz von H2O-Eis auf dem
neben ist Olivin (meist um Fa30) als Haupt- oder Neben- Mond wären die Böden von tiefen, permanent beschatte-
gemengteil in vielen Mondgesteinen verbreitet, während ten Kratern in den Polargebieten des Mondes, z. B. in oder
Amphibole extrem selten sind. Ein mafischer Gemeng- nahe dem riesigen Südpol-Aitken-Becken. Hinweise dar-
teil, der bislang nur auf dem Mond gefunden wurde, ist auf wurden von der japanischen Mondsonde Hiten (1990)
das trikline Silikat Pyroxferroit (Ca,Fe)(Fe,Mn)6[Si7O21], und der amerikanischen Lunar Prospector (1998) gefun-
dessen Struktur durch Siebener-Einfach-Ketten von den (Feldmann et al. 1998), jedoch kürzlich wieder in Fra-
[SiO4]-Tetraedern gekennzeichnet ist (Abb. 9.33d, S. 141). ge gestellt (Campbell et al. 2003). Das einzige H2O, das bis
Alkalifeldspäte wurden nur selten aufgefunden. In den jetzt von einer Mond-Mission zurück gebracht wurde,
KREEP- und High-Ti-Basalten tritt als Kristallisations- ist in den Schichtsilikaten eines erbsengroßen kohligen
produkt von Restschmelzen das hexagonale Inselsilikat Chondrits gebunden (Abschn. 29.3.1, S. 513), einem pri-
Tranquillityit Fe82+Ti3(Zr,Y)2[O12/(SiO4)3] auf, das bisher mitiven Meteorit, der auf die Mondoberfläche gefallen war.
nur auf dem Mond gefunden und nach dem Mare Tran- Fragmente solcher H2O-haltigen Meteorite, die auch in
quillitatis benannt wurde. In den wenigen Granit- und geologischen Zeiträumen ihr Wasser nicht abgegeben ha-
Rhyolith-Fragmenten kommen neben Plagioklas, Alkali- ben, könnten vielleicht in tiefen Mondkratern der Polar-
feldspat (Ba-Sanidin) und Quarz auch ungewöhnliche gebiete existieren (Zolenski 1997).
28.2 · Innerer Aufbau des Mondes 501
28.2 dell von Goins et al. (1977) sinkt vP in 500 km Tiefe ab- 28.2
Innerer Aufbau des Mondes rupt ab und bleibt dann bis mindestens 1 000 km kon-
stant (Abb. 28.3). Der obere Mondmantel hat eine mittle-
Wie wir gesehen haben, ist die Mondkruste von einer re Dichte von 3,29 g/ cm3; er setzt sich nach Ringwood
mehreren Kilometer dicken Regolith-Schicht bedeckt. (1979), der sich auf das Modell von Nakamura et al. (1976)
Diese ist durch geringe P- und S-Wellen-Geschwindig- stützt, bis zu einer Tiefe von 100 km aus Kumulaten von
keiten gekennzeichnet, die allmählich nach der Tiefe hin Olivin (Fo88) zusammen. Darunter folgt ein refraktärer
ansteigen. Erst in ca. 25 km Tiefe erreicht vP einen Wert Dunit (Fo88–90), der nach der Bildung von basaltischen
von 6,7 km/s, der bis zur Kruste-Mantel-Grenze nur noch Magmen durch partielles Aufschmelzen noch als Restit
geringfügig auf 6,8 km/ s zunimmt (Abb. 28.3). Sieht man übrig geblieben ist.
von den Mare-Basalten ab, so besteht der obere Bereich Ab 350–400 km Tiefe geht dieser Dunit in einen Fe-rei-
der festen, subregolithischen Mondkruste im Durch- cheren Olivin-Pyroxenit der mittleren Dichte 3,49 g/cm3
schnitt aus anorthositischem Gabbro mit 26–28 % Al2O3, über (Ringwood 1979). Somit weicht der untere Mond-
der untere Bereich aus Norit mit ca. 20 % Al2O3 (z. B. mantel in seiner Zusammensetzung vom oberen Mond-
Warren 1990; Shearer u. Papike 1999). Die Dicke der mantel ab und entspricht wahrscheinlich noch dem ur-
Mondkruste variiert zwischen etwa 60 km auf der erd- sprünglichen, nicht durch partielles Schmelzen ver-
zugewandten und ca. 86 km auf der erdabgewandten armtem Mantelgestein (Abb. 28.4, 28.5). Die Herde der
Seite; lediglich im Bereich der Mascons, den großen po- seismischen Aktivität, die gelegentlich auf dem Mond
sitiven Schwere-Anomalien, die in Maria oder großen registriert wird, liegen im unteren Mondmantel, und zwar
Impakt-Kratern auftreten, ist die Krustendicke geringer hauptsächlich in Tiefen um 1 000 km. Mit Stärken von
(Abb. 28.5). <2 auf der Richter-Skala sind diese Mondbeben recht
An der Kruste-Mantel-Grenze steigen die P-Wellen- schwach; sie werden durch Gezeitenkräfte, nicht durch
Geschwindigkeiten abrupt von 6,8 auf 8,1 km/ s an; sie tektonische Bewegungen ausgelöst. Die ca. 1 000 km di-
sinken nach unten hin allmählich wieder auf 7,9 km/ s cke Lithosphäre des Mondes ist also tektonisch stabil,
ab, um in 1 000 km Tiefe erneut auf 8,0 km/ s zuzuneh- ganz im Gegensatz zur viel dünneren Erdlithosphäre, die
men (Nakamura et al. 1976). Nach dem alternativen Mo- durch eine aktive „Wärmemaschine“ in ständiger tekto-
nischer Bewegung gehalten wird (z. B. Taylor 1975).
Da die geologische Entwicklung des Mondes vor etwa 3,0 Ga Pränectaris-Stadium. Das Pränectaris-Stadium vor ca.
weitestgehend abgeschlossen war, haben wir über seine frü- 4,5–3,92 Ga ist durch katastrophale Meteoriten-Bombar-
he Geschichte bessere Vorstellungen als für die Erde, die dements gekennzeichnet, die allerdings schon früher ein-
noch heute geologisch aktiv und daher ständigen Verände- gesetzt hatten. Dadurch entstanden große Impakt-Krater
rungen unterworfen ist. Deswegen sind die Erkenntnisse, und die frühe Mondkruste wurde intensiv brecciiert. Par-
Literatur 503
29.1 Meteorite sind Bruchstücke extraterrestrischer Körper, die den Flug durch die
Fallphänomene Erdatmosphäre überleben und auf der Erdoberfläche aufschlagen. Die meisten
Meteorite unterscheiden sich in ihrem Gefüge von irdischen Gesteinen. Wichti-
29.2 ge Meteoriten-Minerale kommen auch auf der Erde häufig vor, andere dagegen
Häufigkeit sind hier unbekannt. Bisher wurden in Meteoriten keine chemischen Elemente
von Meteoriten nachgewiesen, die es nicht auch auf der Erde gibt. Allerdings weisen Meteorite
oft höhere Gehalte an Nickel sowie den Platingruppen-Metallen Ir, Os und Rh auf
29.3 und führen neben oxidiertem Eisen, das insbesondere in den Silikat-Mineralen
Haupttypen gebunden ist, metallisches Eisen in Form von Fe-Ni-Legierungen. Das Bildungs-
der Meteorite alter der meisten Meteoriten liegt bei etwa 4,6 Ga; sie sind also wesentlich älter
als die ältesten derzeit bekannten irdischen Gesteine aus dem Acasta-Gneis-Kom-
29.4 plex im Nordwesten Kanadas, deren Alter mit ca. 4,03 Ga bestimmt wurde
Tektite (Bowring u. Williams 1999). Meteorite weisen demnach in eine Zeit, in der unser
Sonnensystem entstanden ist. Die überwiegende Mehrzahl der Meteoriten stel-
len Bruchstücke von kollidierten Asteroiden dar; diese Mutterkörper stammen aus
dem Asteroiden-Gürtel, der sich zwischen den Umlaufbahnen der Planeten Mars
und Jupiter befindet. Einige Meteorite wurden beim Einschlag großer kosmischer
Körper aus den Oberflächen des Mars und des Erdmondes herausgeschlagen und
gerieten in den Anziehungsbereich der Erde.
Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts teilte man die Meteorite in Eisen-
meteorite und Steinmeteorite ein; dazu kam später die Übergangsgruppe der
Stein-Eisen-Meteorite. Heute weiß man, dass die Chondrite, eine wichtige Grup-
pe der Steinmeteorite, undifferenziert sind und die „Urmaterie“ in der frühen
Bildungsphase des Sonnensystems repräsentieren; demgegenüber stellen die
Achondrite, die Stein-Eisen-Meteorite und die Eisenmeteorite bereits Differentiati-
onsprodukte eines Aufschmelzprozesses dar. Meteorite werden nach ihrem Fund-
ort benannt.
506 29 · Meteorite
Abb. 29.1.
Der Barringer-Meteoriten-Kra-
ter in Arizona, vor 49 700 Jahren
durch den Einschlag eines gro-
ßen Eisenmeteoriten entstan-
den. (Foto: David J. Roddy, US
Geological Survey, Flaggstaff,
Arizona)
29.1 · Fallphänomene 507
Abb. 29.2.
Der 60 t schwere Eisenmeteorit
Hoba auf Farm Hoba-West bei
Grootfontein (Namibia); der
größte Meteorit der Erde, der
noch in einem Stück erhalten
ist. Es handelt sich um einen
Ni-reichen Ataxit (S. 519).
(Foto: J. A. Lorenz)
Eisenmeteoriten, des „Canyon Diablo“ im Gesamtgewicht Mit katastrophalen Auswirkungen auf die Lebewelt ist
von ca. 30 t gefunden worden. Die ursprüngliche Masse des dagegen zu rechnen, wenn ein riesiger kosmischer Körper
Körpers, der vor 49 700 ±850 Jahren einschlug (Phillips et al. auf die Erde aufprallt. So stellten Alverez et al. (1980) die
1991), lag etwa bei 63 000 t, seine Geschwindigkeit bei Theorie auf, dass das Massenaussterbe-Ereignis an der
15 km/s. Kleinere Meteorite werden auf Fallgeschwindig- Wende Kreide–Tertiär, das den Dinosauriern endgültig den
keit abgebremst und dringen maximal einige Meter tief in Garaus machte, auf den Impakt eines riesigen Asteroiden
den Erdboden ein, wie z. B. der Eisenmeteorit auf der Farm oder Kometen vor ca. 65 Ma zurückzuführen sei. Grundla-
Hoba-West bei Grootfontein (Namibia), mit ca. 60 t Gewicht ge für diese Annahme war ihre Entdeckung von ungewöhn-
der größte bisher bekannte Meteorit, der in einem Stück lich hohen Iridium-Gehalten in einer dünnen Tonschicht,
erhalten ist (Abb. 29.2). Besonders schnelle Meteorite ex- die die Kreide-Tertiär-Grenze markiert, die berühmte Iri-
plodieren beim Abbremsen in der Atmosphäre und gehen dium-Anomalie. Später fand man in dieser Schicht in welt-
als Meteoritenschauer nieder, die kreis- oder ellipsen-för- weiter Verbreitung Quarzkörner mit planaren Elementen,
mige Streufelder bis zu mehreren 100 km2 Ausdehnung bil- die durch eine Schockwellen-Metamorphose entstanden
den, z. B. bei Stannern (Stonařov, Mähren), Pultusk (Polen),
⁄
sind (Abschn. 24.2.3, S. 392). Es wird angenommen, dass der
Gibeon (Namibia), Allende (Mexiko) und Jilin (VR China). Chicxulup-Krater, mit etwa 180 km Durchmesser der größte
Auf der Erde wurden die meisten Meteoritenkrater durch Impakt-Krater der Erde, auf dieses Ereignis zurückgeht
Gesteinsverwitterung und Erosion zerstört oder mit Sedi- (Hildebrandt et al. 1991). Auch das große Artensterben an
menten überdeckt, lassen sich also nicht mehr nachweisen. der Eozän-Oligozän-Grenze vor ca. 35 Ma ist mit einer Ir-
Demgegenüber sind auf dem Mond Meteoritenkrater jeden Anomalie verknüpft und könnte daher durch ein Impakt-
Alters wohlerhalten, weil hier eine Atmosphäre und fließen- Ereignis ausgelöst worden sein. Im Gegensatz dazu ist das
des Wasser fehlen, so dass keine Verwitterung, Erosion und zweiphasige Massenaussterbe-Ereignis an der Perm-Trias-
Sedimentation stattfinden. Die exogene Dynamik des Mon- Grenze vor 251,4 Ma, dem schätzungsweise 75–90 % aller
des wird geradezu von Meteoriteneinschlägen geprägt: die Tier- und Pflanzenarten auf der Erde zum Opfer fielen, nicht
Mondoberfläche ist eine Kraterlandschaft (Kap. 28). durch eine signifikante Ir-Anomalie gekennzeichnet. Trotz-
dem könnte auch hier ein Asteroiden-Impakt eine Rolle ge-
Zweifellos stellen Einschläge von Meteoriten eine Gefahr für die spielt haben: In der Grenzschicht treten Fullerene auf, das
Menschheit dar. Allerdings ist die statistische Wahrscheinlichkeit,
sind Kohlenstoffmoleküle, die aus Ketten von 60 bis zu ei-
dass ein Mensch durch einen Meteoriten zu Schaden kommt, mi-
nimal. So gibt es bislang keine Berichte von Todesfällen, die durch nigen hundert C-Atomen bestehen und zu käfigförmigen
Meteorite verursacht wurden, wohl aber von leichteren Verletzun- Gebilden verwoben sind. In ihrem Inneren fanden Becker
gen, so 1954 in Sylacauga (Alabama, USA) und 1994 bei Marbella et al. (2001) Edelgase mit Isotopen-Verhältnissen, die auf
(Spanien). Auch Sachschäden werden gelegentlich durch Meteori- der Erde unbekannt sind, wohl aber denen in Meteoriten
tenfälle ausgelöst: So durchschlug am 1. März 1988 ein 1,2 kg schwe-
und interplanetarischen Staubpartikeln ähneln.
rer Steinmeteorit die Glasscheibe eines Gewächshauses in Trebbin bei
Potsdam. Aufsehen erregte der „Autounfall“, der sich am 9. Oktober Auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Massen-
1992 im Staat New York ereignete, als der 12,5 kg schwere Meteorit aussterbe-Ereignissen und Förderungsphasen kontinenta-
Peekshill das Heck eines Chevrolet durchbohrte (Kleinschrot 2003). ler Flutbasalte wurde in Abschn. 12.1 (S. 218f) hingewiesen.
508 29 · Meteorite
29.2 29.2 Wie aus Tabelle 29.1 hervorgeht, wurde bislang Ma-
Häufigkeit von Meteoriten terial von über 900 Meteoritenfällen geborgen. Unter
diesem dominieren mit nahezu 87 % ganz klar die Chon-
Tabelle 29.1 gibt einen Überblick über die Häufigkeit der drite, gefolgt von den Achondriten, den Eisenmeteoriten
Haupttypen von Meteoriten, gegliedert nach Fällen und und den Stein-Eisen-Meteoriten. Eine noch deutlichere
Funden. Vorherrschaft erbrachten die ca. 1 550 neuen Meteoriten,
die in über 7 000 Einzelstücken in der Antarktis gefun-
Als Fälle bezeichnet man Meteorite, deren Absturz den wurden: Von ihnen konnten mehr als 96 % als
man tatsächlich beobachtet hat. Chondrite identifiziert werden. Ein abweichendes und
irreführendes Bild ergibt sich, wenn man die Statistik
Das neueste Beispiel in Mitteleuropa ist der Chondrit der ca. 1 660 Zufallsfunde von Meteoriten betrachtet,
Neuschwanstein, dessen Eintritt in die Atmosphäre am 6. April die bislang weltweit gemacht wurden. Zwar dominieren
2002 als Feuerball über den Bayerischen Alpen gesichtet auch hier die Chondrite, jedoch nur mit ca. 54 %, wäh-
wurde. Von dem ursprünglich ca. 600 kg schweren Körper rend die Eisenmeteoriten immerhin ca. 41 % ausma-
gingen wahrscheinlich 7–15 kg in einem etwa 700 × 1 000 m chen und auch die Stein-Eisen-Meteoriten noch vor den
großen Gebiet südöstlich Füssen nieder, wo in der Tat bislang Achondriten rangieren. Eisen- und Stein-Eisen-Meteo-
drei Bruchstücke von 1,75 kg (am 14. Juli 2002), 1,63 kg (am riten unterscheiden sich durch ihre ungewöhnlich hohe
27. Mai 2003) und 2,844 kg (am 29. Juni 2003) aufgefunden Dichte und ihr Aussehen markant von irdischen Gestei-
wurden (Heinlein 2002; Oberst et al. 2004). nen und fallen so auch dem Laien auf. Allerdings wer-
Der neueste beobachtete Fall eines Meteoriten ereig- den von vielen Findern angerostete Erzstücke, insbe-
nete sich bei der Ortschaft Carancas, 11 km südlich der sondere von Markasit- bzw. Pyrit-Konkretionen, oder
Stadt Desaguadero am Titicaca-See (Südperu). Am metallurgische Hüttenprodukte irrtümlich für Eisen-
15. September 2007 überflog ein massiver Feuerball mit meteorite gehalten. Im Gegensatz dazu werden Chondrite
hell leuchtendem Kopf und weißem Schweif, von NNO häufig, Achondrite fast immer mit irdischen Gesteinen
kommend, den Titicaca-See und schlug mit einer Ge- verwechselt.
schwindigkeit von etwa 700 km/h fast senkrecht in den Erd-
29.3 boden des Altiplano ein. Der Meteorit höhlte eine 13–14 m 29.3
breite und ca. 5 m tiefe Grube aus, die sich rasch mit Was- Haupttypen der Meteorite
ser füllte. Der Einschlag war von mehreren Explosionen
begleitet, die ca. 15 Minuten andauerten und noch in Ebenso wie irdische Gesteine werden auch Meteorite nach
Desaguadero gehört wurden, während in 1 km Entfernung ihrem Gefüge, ihrer chemischen Zusammensetzung und
Fensterscheiben zu Bruch gingen. Nach Modellierungen ihrem Mineralbestand klassifiziert (z. B. Krot et al. 2005).
von Kenkmann et al. (2008) drang der Meteorit mit einer Daraus lassen sich wichtige Befunde für die frühe Geschich-
Geschwindigkeit von ca. 14 km/s (≅ 50 000 km/h) unter te unseres Sonnensystems und den inneren Aufbau der erd-
einem Winkel von 15° in die Erdatmosphäre ein, wobei ähnlichen Planeten ableiten. Die wichtigsten Meteoriten-
etwa zwei Drittel seiner Masse verglühte. Die gefundenen Minerale sind in Tabelle 29.2 zusammengestellt.
Bruchstücke wurden als Chondrit identifiziert (s. u.).
29.3.1
Funde sind Meteoriten, die irgendwann in der Ver- Undiffenzierte Steinmeteorite: Chondrite
gangenheit unbeobachtet vom Himmel fielen und
meist nur zufällig entdeckt wurden. Nach der Zahl der beobachteten Fälle und der Neufunde
in der Antarktis bilden Chondrite mit Abstand die größte
Seit einigen Jahren suchen internationale Expeditio- Meteoritengruppe (Tabelle 29.1; vgl. Scott u. Krot 2005).
nen gezielt und erfolgreich nach Meteoriten (Bischoff Chondrite sind Bruchstücke von Asteroiden, die seit ih-
2001). Geeignete Gebiete dafür sind die Blaueis-Felder rer Bildung niemals so stark aufgeheizt wurden, dass es
der Antarktis; das sind schneefreie Gletscher, die an ei- zu Aufschmelzprozessen in diesen Meteoritenmutter-
ner Barriere im Untergrund, z. B. an einem Bergrücken, köpern kam. Daher wurden die Metall- und die Silikat-
aufgestaut und nach oben gedrückt werden. Dadurch phase nicht voneinander getrennt, und es liegen Hoch-
konzentrieren sich Meteoriten, die in einem größeren temperatur- und Tieftemperaturminerale im Ungleich-
Areal gefallen sind, auf engem Raum und werden durch gewicht nebeneinander vor. Chondrite stellen daher
Wind- und Sonneneinwirkung freigelegt. Auch in den „Urmaterie“ dar, die eine frühe Bildungsphase unseres
großen Sandwüsten der Erde, insbesondere in der Sah- Sonnensystems repräsentieren. Isotopische Alters-
ara und in Australien, wird neuerdings gezielt nach Me- bestimmungen (Abschn. 31.5.3, S. 569ff) erbrachten ein Al-
teoriten gesucht, z. T. sogar von Privatsammlern. ter von 4,555 ±0,010 Ga.
29.3 · Haupttypen der Meteorite 509
Ein charakteristischer Bestandteil der meisten Chon- Fe-Legierungen, in einigen Chondriten auch aus organi-
drite sind die Chondren (grch. χóνδρος = Körnchen), schen Substanzen zusammensetzt. Eingesprengt in die
rundliche Gebilde von 0,2 bis einigen Millimeter Durch- Matrix sind neben den Chondren gröbere Körner von
messer, die aus Olivin, Ortho- oder Klinopyroxen sowie Olivin und Pyroxen, unregelmäßige, bis einige Millime-
einem Feldspat-ähnlichen Glas bestehen und meist ter große Körner von metallischem Nickeleisen, Troilit 29.3
40–90 Vol.-% eines Chondriten ausmachen (Abb. 29.3a–d) (um 5 Vol.-%), ferner Chromit, Apatit und einige seltene
Sie sind in eine sehr feinkörnige Matrix von <0,1 mm Minerale, die bisher nur in Meteoriten gefunden wurden,
Korngröße eingebettet, die sich aus einem Gemenge von z. B. Niningerit und Oldhamit. Hochschmelzende (refrak-
Silikaten, Oxiden, Sulfiden und Metallen, besonders Ni- täre), Ca-Al-reiche Einschlüsse (CAI) bestehen aus un-
Tabelle 29.1.
Häufigkeit von Meteoriten-Ty-
pen. (Nach Lipschitz u. Schultz
1998, mit Ergänzungen nach
Norton 2002)
510 29 · Meteorite
terschiedlichen Ca-Al-Silikaten und -Oxiden; sie weisen Bereits Rose (1864) und Tschermak (1885) haben die
sehr unterschiedliche Gefüge auf und sind teils wie Chon- von ihnen beobachteten Chondren-Typen beschrieben,
dren, teils unregelmäßig geformt (Bischoff u. Keil 1983; gezeichnet und fotografiert; eine umfassende petrogra-
Scott u. Krot 2005). Früher wurden sie für weitgehend un- phische Studie an mehr als 1 600 Chondren wurde von
veränderte, frühe Kondensate aus dem Solarnebel gehal- Gooding und Keil (1981) durchgeführt. Danach unter-
ten (Abschn. 29.5.4, 29.5.5). Heute weiß man jedoch, dass scheidet man porphyrische Chondren mit Olivin- und/
sie bereits eine komplexe thermische Geschichte hinter oder Pyroxen-Einsprenglingen (Abb. 29.3c), gestreifte
sich haben (MacPershon 2005). Ein weiterer interessan- oder Balken-Chondren aus tafelförmigen Olivin-Kristal-
ter Bestandteil der Chondrite sind die amöboiden Oli- len (Abb. 29.3d), radial gestreifte Pyroxen-Chondren
vin-Aggregate (AOA). Diese unregelmäßig geformten, bis (Abb. 29.3b), körnige Pyroxen- und Pyroxen-Olivin-
1 mm langen Objekte bestehen aus feinkörnigem Olivin, Chondren, kryptokristalline Chondren sowie die seltenen
Nickeleisen, sowie Al-Diopsid, Anorthit, Spinell und sel- metallischen Chondren. Dementsprechend zeigen Chondren
tenem Melilith. eine große Variationsbreite in ihrer chemischen Zusammen-
29.3 · Haupttypen der Meteorite 511
Abb. 29.3.
Mikrofotos unterschiedlicher
Gefügetypen von Chondren im
LL5-Chondrit Tuxtuac (Mexico).
a Pyroxenchondre; b radial ge-
streifte Pyroxenchondre; c por-
phyrische Chondre; d gestreifte
Olivinchondre. Länge der hori-
zontalen Bildkante: a 2,3 mm,
b 1,5 mm, c 3,4 mm, d 0,8 mm.
(Foto: K.-P. Kelber, aus Klein-
schrot 2003)
setzung von FeO-arm (Typ I) bis FeO-reich (Typ II) und tigt die Aufheizung den Ionenaustausch und damit die
SiO2-arm (Zusatz A) bis SiO2-reich (Zusatz B); so z. B. Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts zwi-
gehören Fe-arme, SiO2-reiche Chondren dem Typ IB an. schen den Mineralphasen. Nach dem Grad der thermischen
Die Entstehung der Chondren wird bereits seit langem Überprägung unterscheiden van Schmus u. Wood (1967)
kontrovers diskutiert (vgl. Zanda 2004; Scott u. Krot 2005). sechs petrographische Gefügetypen, von denen Typ 1–3
Man deutet sie heute als sehr rasch abgeschreckte Schmelz- nicht äquilibriert, Typ 4–6 dagegen äquilibriert sind, ent-
tröpfchen, die in der Akkretionsphase unseres Sonnen- sprechend Temperaturbereichen von <150–600 °C bzw.
systems vor ca. 4,568 – 4,562 Ga (Amelin et al. 2002; 600–950 °C (Norton 2002). In Typus 2 und 3 sind die Chon-
Bouvier et al. 2008) bei Temperaturen von 1 450–1 900 °C dren klar, in Typ 4 gut definiert, in Typ 5 noch erkennbar,
gebildet wurden, und zwar wohl größtenteils durch das in Typ 6 dagegen schlecht erkennbar. Typus 1, der keine
Aufschmelzen von Staubaggregaten (Abschn. 32.4, S. 585). Chondren enthält, und Typus 2 kommen nur in kohligen
Beim Entstehen der Proto-Planeten wurden die Chondren, Chondriten vor (s. unten). Durch Impakt-Ereignisse kön-
die CAI und einzelne Mineralkörner von kosmischem nen Chondrite mehr oder weniger stark metamorph über-
Staub umhüllt und zusammengebacken (Metzler et al. prägt werden. Das führt zur Brecciierung und zur Bildung
1992; vgl. Abb. 29.4). von Schockadern, in denen sich Ringwoodit und Majorit,
Dieser Akkretionsprozess führte zu einer unterschiedlich die Hochdruckmodifikationen von Olivin und Pyroxen (Ab-
starken thermischen Überprägung der Chondrite, was eine schn. 27.3.3, S. 491) gebildet haben.
zunehmende Rekristallisation und Kornvergröberung der Unabhängig von ihrem Gefüge werden die Chondrite
Matrix zur Folge hatte. Dadurch wurden die Chondren nach ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrem
immer stärker in die Matrix integriert und lassen sich zu- Mineralbestand in sechs Haupttypen eingeteilt, die hier
nehmend schlechter identifizieren. Darüber hinaus begüns- kurz charakterisiert werden (z. B. Meibom u. Clark 1999).
512 29 · Meteorite
Abb. 29.4.
Modell der Akkretions- und
Brecciierungs-Geschichte der
CM-Chondrite. (Nach Metzler
et al. 1992)
Kohlige Chondrite (C) Anteil (ca. 60 Vol.-%) an Chondren, die jedoch nur Durch-
messer von 0,1–0,4 mm erreichen; in den CAI kommen die
Kohlige Chondrite (engl. carbonaceous chondrites) erin- gleichen Hochtemperatur-Minerale wie im CM2-Typ vor.
nern in ihrem Aussehen an Holzkohlenbriketts; sie sind Der Gehalt an metallischem Nickeleisen liegt bei 1–6 Vol.-%.
oft sehr brüchig, verwittern rasch und wurden daher nur Demgegenüber enthalten die CV3-Chondrite (Typ
von wenigen Findern als Meteorite erkannt. Während ge- Vigarano, Italien) einen geringeren Anteil an Chondren
wöhnliche Chondrite meist eine Porosität von <10 % auf- und CAI, die jedoch Korngrößen von 0,5–2 mm errei-
weisen, liegt sie bei den meisten kohligen Chondriten bei chen; der (Fe,Ni)-Gehalt ist geringer als beim CO3-Typ.
>20 % (Consolmagno et al. 2008). Erst mit der gezielten Der bekannteste Vertreter dieses Typs ist der Meteorit
Suche nach Meteoriten in den antarktischen Blaueis- Allende, der am 8. Februar 1969 in der Provinz Chihua-
feldern hat sich die Zahl der bekannten C-Chondrite hua als Meteoritenschauer niederging. Die zahlreichen
drastisch erhöht (Tabelle 29.1). Kennzeichnend für die Bruchstücke haben ein Gesamtgewicht von etwa 2 t und
C-Chondrite ist ein hoher Gehalt an Kohlenstoff, Wasser lieferten daher reichlich Material für wissenschaftliche
und anderen leichtflüchtigen Elementen, was auf niedri- Untersuchungen, die zur erstmaligen Entdeckung der Ca-
ge Bildungstemperaturen hinweist. Al-reichen Einschlüsse (CAI) führten.
Die primitivsten kohligen Chondrite sind die CI-(=C1-) Eine seltene, hochoxidierte Gruppe von kohligen Chon-
Chondrite (benannt nach dem Fall von Ivuna, Tansania). driten sind die CK-Chondrite (Typ Karoonda, Australi-
Sie haben eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie en), die als einzige C-Chondrite auch in den höher tem-
die Photosphäre der Sonne, wenn man von den geringeren perierten Gefügetypen 4–6 ausgebildet sind. Sie enthal-
Gehalten an H, He, O, N und C absieht. CI-Chondrite ent- ten etwa 15 Vol.-% an porphyrischen Olivin-Chondren,
halten 17–22 Gew.-% H2O. Das bekannteste Beispiel dieses untergeordnet Balken-Olivin-Chondren (um 0,8 mm
extrem seltenen Typs ist Orgueil, gefallen am 14. Mai 1864 groß), ferner äquilibrierte Olivine, Ca-reiche und Ca-arme
nördlich Toulouse (Frankreich). Er besteht überwiegend aus Pyroxene, Magnetit und andere Opakphasen, darunter
Serpentin-ähnlichen Schichtsilikaten und Montmorillonit, auch seltene PGE-Sulfide. Der Anteil an metallischem
ferner aus Fe-Ni-Sulfiden, Magnetit, Karbonaten und Sul- Nickeleisen ist dagegen sehr gering.
faten. Neben den fünf bekannten Fällen wurde ein CI- Eine seltene Gruppe stellen die metallreichen CH- und
Chondrit in der Antarktis, ein weiterer durch die Apollo- CB-Chondrite dar, die zu den primitivsten, aber auch um-
12-Mission (1969) im Oceanus Procellarum des Mondes ge- strittensten Meteoriten überhaupt gehören (Krot et al. 2006,
funden. CI-Chondrite enthalten keine Chondren, gehören 2007). Sie zeigen keine metamorphe Überprägung. CH-
also dem Gefügetyp 1 an. Chondrite bestehen überwiegend aus kleinen, nur 20–70 µm
großen, kryptokristallinen Chondren und weisen hohe
Eine Ausnahme bildet der Meteorit Tagish Lake, der am 18. Janu- Gehalte (ca. 20 %) an zonierten (Fe,Ni)-Körnern auf. Wahr-
ar 2000 über dem Yukon-Territorium (NW-Kananada) niederging;
er entspricht chemisch einem CI-Chondrit, hat aber Chondren; er
scheinlich stellen diese Metallkörner, die Chondren und die
ist also nach dem Gefüge als C2-Chondrit zu klassifizieren. seltenen refraktären Einschlüsse Kondensate des ursprüng-
lichen Solarnebels dar (Abschn. 32.4, S. 585f). Die CB-
Alle anderen Typen von kohligen Chondriten enthalten Chondrite bestehen zu ca. 70 % aus (Fe,Ni)-Körnern und
einen mehr oder weniger hohen Anteil an porphyrischen enthalten 0,1–7 mm große Chondren, die teils kryptokris-
Olivin-Chondren, daneben nicht-porphyrische Chondren, tallin ausgebildet sind, teils Skelettkristalle von Olivin ent-
hochschmelzende (refraktäre) Einschlüsse, insbesondere halten. Ihr Anteil an refraktären Einschlüssen ist gering, aber
CAI, und Einzelkörner von Olivin in einer feinkörnigen viel höher als im CH-Typ. Durch isotopische Datierungen
Matrix. CM- und CR-Chondrite gehören überwiegend dem wurden für die Chondren Alter von 4 562,7 ±0,5 bis
Gefügetyp 2 an und werden daher auch als CM2- bzw. CR2- 4 567,6 ±0,1 Ma bestimmt (vgl. Amelin et al. 2002; Bouvier
Chondrite bezeichnet. In beiden Typen sind Serpentin-ähn- 2008); sie sind also nur wenig älter als unser Sonnensystem.
liche Schichtsilikate ein wichtiger Bestandteil der feinkör- Die CB-Chondrite entstanden vermutlich durch einen rie-
nigen Matrix. Die Chondren der CM2-Chondrite (Typ sigen Zusammenstoß zwischen Planeten-Embryonen inner-
Mighei, Ukraine) sind meist <0,5 mm groß; daneben sind halb der protoplanetarischen Akkretionscheibe, aus der
einzelne Kristalle von Olivin und von metallischem Nickel- unser Sonnensystem gebildet wurde (Abschn. 32.4, S. 585f).
eisen sowie Mineral-Aggregate bestehend aus Olivin und
refraktären Ca-Al-Ti-Mineralen wie Hibonit, Melilith, 29.3.2
Perowskit, Spinell und Fassait vorhanden. Der H2O-Gehalt Differenzierte Steinmeteorite: Achondrite
beträgt 3–11 Gew.-%. Die CR-Chondrite (Typ Renazzo, Ita-
lien) enthalten ca. 0,7 mm-große Chondren sowie refraktä- Achondrite sind Steinmeteorite, die aus einem ursprüng-
re Einschlüsse, außerdem 5–8 Vol.-% Nickeleisen. Die CO3- lich primitiven Material durch Aufschmelz- und Differen-
Chondrite (Typ Ornans, Frankreich) haben einen hohen tiationsprozesse in einem Meteoriten-Mutterkörper ent-
514 29 · Meteorite
standen sind. Sie führen keine Chondren und ähneln in ein Aubrit-Mantel bildeten. Demgegenüber besteht die
ihrem Gefüge irdischen Gesteinen. Daher wurden nur Kruste des Mutterkörpers nach wie vor aus undifferen-
sehr wenige Achondrite von ihren Findern als Meteorite ziertem, aber metamorph überprägtem Enstatit-Chon-
erkannt, aber auch die Zahl der beobachteten Fälle und drit (Norton 2002).
der Neufunde in der Antarktis ist im Vergleich zu den
Chondriten deutlich geringer (Tabelle 29.1). Demnach Angrite. Die sehr seltenen Angrite setzen sich überwie-
handelt es sich insgesamt um eine relativ seltene Mete- gend aus dem Ca-Al-reichen Klinopyroxen Fassait zu-
oritengruppe. Die Achondrite bestehen im Wesentlichen sammen; daneben führen sie geringe Mengen an Olivin,
aus Pyroxenen, Olivin und Plagioklas, deren chemische Anorthit, Spinell, Troilit und metallischem Nickeleisen.
Zusammensetzung und Mengenanteil stark variieren. Olivin ist ungewöhnlich Ca-reich (1–2 % CaO) und kann
Nebengemengteile sind Quarz oder Tridymit, Phospha- Entmischungslamellen von Kirschsteinit CaMg[SiO 4]
te, Chromit und Troilit. Die Gefügemerkmale sprechen enthalten. Das isotopische Alter der Howardite, Eukrite,
dafür, dass die Achondrite durch Kristallisation aus ei- Aubrite und Angrite liegt zwischen 4,4 und 4,6 Ga (Norton
nem Magma entstanden sind. Viele von ihnen sind aller- 2002; Amelin 2008).
dings durch spätere Impakt-Ereignisse zerbrochen wor-
den; sie stellen jetzt Breccien aus verschiedenartigen Ureilite. Sie zeigen ein Kumulat-Gefüge aus grobkörnigen
magmatischen Bruchstücken in einer feinkörnigen Ma- Kristallen von Olivin (Fa6–13) und Pigeonit, die von opa-
trix dar. Die meisten Achondrite haben Asteroide als ken Adern umgeben und durchsetzt werden. Diese sind
Mutterkörper; einige stammen jedoch vom Mars und ungewöhnlich reich an Kohlenstoff, der in Form von Gra-
vom Mond. phit oder – bedingt durch Schockwellen-Metamorphose
– von Diamant oder Lonsdaleit (Abschn. 2.3, S. 56) auf-
Asteroiden-Achondrite tritt; ferner sind ged. (Fe,Ni), Cohenit und Troilit betei-
ligt. Der hohe C-Gehalt und eine ähnliche Isotopen-
HED-Gruppe. Die überwiegende Mehrzahl der Achondrite Zusammensetzung sprechen dafür, dass Ureilite und
gehört zu dieser Gruppe, bestehend aus Howarditen, kohlige Chondrite einen gemeinsamen Ursprung haben.
Eukriten und Diogeniten. Diese weisen große Ähnlich-
keiten mit terrestrischen Basalten, aber auch charakte- Primitive Achondrite. Schließlich gibt es noch eine Gruppe
ristische Unterschiede zu diesen auf. von relativ primitiven Achondriten, die in ihrem Mineral-
Eukrite setzen sich aus nahezu reinem Anorthit und bestand den Chondriten ähneln. Acapulcoite und Lodranite
dem Ca-armen Klinopyroxen Pigeonit zusammen; sie bestehen etwa zu gleichen Teilen aus Olivin (Fa13) und
enthalten geringe Mengen an metallischem Eisen. Im Orthopyroxen (Fs16) sowie aus etwa 20 Gew.-% (Fe,Ni)-
Mineralbestand der Diogenite dominiert Orthopyroxen Metall. Sie stammen wahrscheinlich aus dem gleichen
(Hypersthen) neben geringeren Mengen an Plagioklas, Mutterköper und dürften Restite eines partiellen Auf-
Olivin, Troilit und Chromit. Howardite sind Impakt- schmelzprozesses darstellen, der unterschiedliche Gra-
breccien, die aus eukritischem und diogenitischem de erreicht hatte. Brachinite ähneln irdischen Duniten;
Material bestehen. Man nimmt an, dass die HED-Achon- sie bestehen zu etwa 90 Vol.-% aus Olivin (Fa33), etwas
drite Bruchstücke des Asteroiden 4 Vesta darstellen. Diopsid sowie geringen Mengen an Troilit und Chromit.
Dabei dürften die Eukrite aus Lavaströmen an der Ober- Winonaite ähneln den Silikat-Einschlüssen in Eisen-
fläche des Mutterkörpers, die Diogenite aus seiner Unter- meteoriten (s. unten).
kruste oder dem Mantel stammen. U-Pb- und Pb-Pb-
Datierungen an Zirkonen aus fünf basaltischen Eukriten Mars-Meteorite: Die SNC-Gruppe der Achondrite
mit unterschiedlich starker impaktmetamorpher Über-
prägung ergaben gut übereinstimmende Alterswerte Zur SNC-Gruppe gehören die Shergottite, Nakhlite und
zwischen 4 545 ±15 und 4 555 ±13 Ma, entsprechend Chassignite, die in ihrem Gefüge und ihrem Mineral-
dem frühen Basalt-Vulkanismus auf dem Eukrit-Mutter- bestand stark an terrestrische Magmatite erinnern.
körper im Anfangsstadium unseres Planetensystems Shergottite sind basaltische Gesteine, die – anders als die
(Misawa et al. 2005). Eukrite – auch in ihrem Mineralbestand große Ähnlich-
keit mit irdischen Basalten aufweisen. Hauptgemengteile
Aubrite. Sie sind brecciöse Enstatit-Achondrite, die in sind Pigeonit, Augit, Olivin und Plagioklas An43-57, der
ihrem Mineralbestand den Enstatit-Chondriten sehr allerdings durch Schockwellen-Metamorphose weitge-
ähnlich sind, allerdings viel geringere Gehalte an metal- hend in ein Feldspat-Glas, den Maskelynit umgewandelt
lischem Nickeleisen und Troilit aufweisen. Sie entstan- worden ist. Dabei entstanden auch die Hochdruck-Mo-
den wahrscheinlich durch partielles Aufschmelzen im difikationen von SiO 2 wie Stishovit und Seifertit (El
Inneren eines enstatit-chondritischen Mutterkörpers, Goresy et al. 2008). Weitere Nebengemengteile sind
wodurch sich ein metallischer Nickeleisen-Kern und Titanomagnetit und Ilmenit sowie geringe Mengen an
29.3 · Haupttypen der Meteorite 515
Quarz, Fayalit und Pyrrhotin. Die Gehalte an Na im Pla- Rb-Sr-, Sm-Nd und U-Pb-Datierungen an unterschiedli-
gioklas und an Fe3+ im Titanomagnetit sind für Meteo- chen Mineralen des Shergottits Zagami ergaben gut über-
rite ungewöhnlich. Abbildung 29.5 zeigt den Shergottit einstimmende Alterswerte von 166 ±6, 166 ±12 und
Dar al Gani 476, einen Olivinbasalt mit porphyrischem 156 ±6 Ma (Borg et al. 2005). Da die untersuchten Meteo-
Gefüge; er enthält Einsprenglinge von stark zoniertem rite nur geringe Schockbeanspruchung zeigen, dürften
Olivin Fo78→56 in einer Grundmasse aus Klinopyroxen, diese jungen Alter kaum ein Impakt-Ereignis datieren,
Maskelynit, Ti-Magnetit und Ilmenit. sondern nahe am tatsächlichen Kristallisationsalter der
Die Nakhlite entstanden aus Lavaströmen oder flachen Gesteine liegen. Wie wir gesehen hatten, erbrachte die
Intrusionen von Basaltmagma (Treiman 2005). Sie bestehen isotopische Datierung der Chondrite und der meisten
aus Kumulaten von ca. 80 Vol.-% Augit und 5–10 Vol.-% Achondrite wesentlich höhere Alter von 4,4–4,6 Ga, und
Olivin (Fa65–68); im Interkumulus-Bereich finden sich haupt- auch die Mondgesteine sind mit Werten zwischen 4,5 und
sächlich Plagioklas und/oder Glas zusammen mit idiomor- 3,1 Ga wesentlich älter (Abschn. 28.3, S. 502f). Daraus
phem Titanomagnetit, Pigeonit, Kalifeldspat und Akzesso- muss man schließen, dass als Mutterkörper für die
rien. Olivin und Augit enthalten mehrphasige Einschlüsse, Nakhlite (und die anderen SNC-Achondrite) nur ein gro-
die das ehemalige Magma repräsentieren. Bemerkenswer- ßer erdähnlicher Planet in Frage kommt, auf dem – wie
terweise ist Olivin teilweise zu Iddingsit alteriert, was die auf unserer Erde – noch lange nach seiner Bildung mag-
Anwesenheit von freiem H2O erfordert. In der Grundmasse matische Aktivität herrschte. Ein direkter Beweis für die
treten als Alterations-Minerale Halit, Siderit und Anhyd- Herkunft vom Mars ergaben Gasanalysen am antarkti-
rit/Gips auf. schen Shergottit EETA 79001, der im Zuge eines Impakt-
Für die Chassignite ist bislang nur ein einziges Beispiel Ereignisses stark geschockt wurde, wobei es zur Auf-
bekannt, der Fall von Chassigny (Frankreich). Ähnlich wie schmelzung und zur Bildung von Schockadern und Glas-
terrestrische Dunite bestehen sie zu etwa 90 Vol.-% aus kügelchen kam. In diese Gläser wurden Edelgase, Was-
Olivin (Fa32); untergeordnete Gemengteile sind Ortho- serstoff, Deuterium, Stickstoff und CO2 eingeschlossen,
pyroxen (Fs12–28), Chromit und Plagioklas (An16–37), der die in ihrem Mengenverhältnis und ihrer Isotopen-Sig-
durch Schockwellenbeanspruchung weitgehend in natur, z. B. dem D/H-Verhältnis, ziemlich genau der Mars-
diaplektisches Glas umgewandelt wurde. atmosphäre entsprechen, wie sie durch die Viking-Son-
Die Zusammensetzung der SNC-Achondrite legt nahe, den ermittelt wurden. Das Alter des Impakt-Ereignisses
dass ihre Kristallisation unter Beteiligung von Alkalien konnte durch Isotopen-Analyse des stark geschockten
und unter stärker oxidierenden Bedingungen erfolgte, Achondrits Shergotty zu 360 Ma bestimmt werden
als in den Mutterkörpern der übrigen Achondrite. Ähn- (Jagoutz u. Wänke 1986). Um von einer Planetenober-
liche Verhältnisse herrschen dagegen bei der Kristallisa- fläche weggeschleudert zu werden, muss ein Gesteinsstück
tion irdischer Basalt-Magmen. Darüber hinaus lieferten mindestens auf die Entweichgeschwindigkeit beschleunigt
isotopische Datierungen an drei Nakhlit-Proben unge- werden; diese beträgt beim Mars 5 km / s, beim Mond
wöhnlich geringe Alterswerte zwischen 1,22 und 1,34 Ga. dagegen nur 2,4 km/ s.
Abb. 29.5.
Dünnschliff des Marsmeteoriten
Dar al Gani 476, gefunden am
1. Mai 1998, aufgenommen im
Durchlicht unter Verwendung
von a einem Nicol und b bei +Nic.
Der Olivinbasalt (Shergottit) ent-
hält millimetergroße Einspreng-
linge von Olivin (mit gelblich-
brauner Eigenfarbe und bunten
Interferenzfarben) in einer Grund-
masse aus Klinopyroxen (hell-
gelbe Eigenfarbe), Maskelynit,
einem Plagioklasglas (farblos,
bei +Nicols ausgelöscht) und
Opakmineralen. (Foto: Institut
für Planetologie, Universität
Münster)
516 29 · Meteorite
Mondmeteorite: Lunaite Sauerstoffisotopie. Man nimmt heute an, dass das Nickel-
eisen der Mesosiderite eine exotische Komponente dar-
Die ersten drei Mondmeteorite wurden 1979 und 1980 stellt, die einem Asteroiden durch ein Impakt-Ereignis
von japanischen Forschern in den Yamato-Bergen der zugemischt wurde, der bereits in metallischen Kern und
Antarktis gefunden, aber nicht als Lunaite erkannt. silikatischen Mantel differenziert war. Bei der Schock-
Erst der Meteorit ALHA 81005, der 1982 nahe Allan wellenmetamorphose wurde ein Teil des Metallkerns
Hills im Victorialand (Antarktis) von einer amerikani- wieder aufgeschmolzen und in die silikatische Impakt-
schen Gruppe entdeckt wurde, konnte eindeutig als Breccie injiziert; diese stellt selbst eine Mischung aus dem
anorthositische Breccie identifiziert werden, die aus ei- Gesteinsmaterials des Impaktors und des Rezipienten dar
nem der lunaren Hochländer stammt; später wurden (Norton 2002).
auch Basalte und Breccien der Maria des Mondes gefun-
den (vgl. Abschn. 28.1.2, S. 499f). Die Lunaite unterschei- Pallasite
den sich in ihrem Gesamtgesteins-Chemismus, ihrer Iso-
topen-Geochemie und ihrer Mineral-Chemie deutlich Eine ganz andere Genese muss für die seltene Meteori-
von den übrigen Achondriten (sowohl der HED- als auch tengruppe der Pallasite angenommen werden, von
der SNC-Gruppe) und ebenso von irdischen Basalten. Bis denen bislang nur drei Fälle und vier antarktische
zum Jahre 2001 sind in der Antarktis, in der Sahara und Neufunde bekannt sind. Wegen ihrer hohen Dichte und
im Oman insgesamt 21 Mondmeteorite gefunden wor- ihres auffälligen Gefüges wurden sie allerdings immer-
den, unter denen anorthositische Breccien (Abb. 29.5) hin 35-mal bei Zufallsfunden als Besonderheit erkannt
stark überwiegen (Norton 2002). und konnten als Meteoriten identifiziert werden (Tabel-
le 29.1). Die erste Beschreibung dieser Meteoritengruppe
29.3.3 verdanken wir dem Forschungsreisenden Peter Simon
Stein-Eisen-Meteorite (differenziert) Pallas (1741–1811), der im Jahre 1772 eine 700 kg schwere
Eisenmasse untersuchte, die 1749 bei Krasnojarsk (Sibi-
Die Übergangsgruppe der Stein-Eisen-Meteorite stellt rien) gefunden worden war.
nach ihrem Gefüge, ihrem Mineralbestand und ihrer
Genese eine äußerst heterogene Gruppe von seltenen Der deutsche Physiker Ernst Chladni (1756–1827) war der erste,
Meteoritentypen dar. Sie wird nur durch wenige beob- der 1794 am Beispiel des Pallasiten Krasnojarsk einen extraterres-
trischen Ursprung der Meteoriten postulierte und einen Zusam-
achtete Fälle und Neufunde in der Antarktis, aber durch
menhang mit meteorischen Leuchterscheinungen, insbesondere
relativ viele Zufallsfunde repräsentiert (Tabelle 29.1). mit Feuerbällen, herstellte. Trotz anfänglicher Widerstände be-
rühmter Zeitgenossen wie Johann Wolfgang von Goethe, Alexander
Lodranite und Acapulcoite von Humboldt und Georg Christoph Lichtenberg setzte sich diese
Auffassung relativ rasch durch. Dazu trugen nicht zuletzt spekta-
Diese Meteorite hatten wir bereits als relativ primitive kuläre Meteoritenfälle bei, die um die Jahrhundertwende in Europa
niedergingen, z. B. 1794 bei Siena (Italien), 1795 bei World Cottage
Asteroiden-Achondrite kennen gelernt. Man könnte sie (Yorkshire) und 1803 bei L’Aigle (nahe Paris). Schließlich verhalf
wegen ihres hohen Anteils an metallischem Nickeleisen die Entdeckung der Asteroiden Ceres (Piazzi 1801) und Pallas
(etwa 20 Vol.-%) ebenso als Stein-Eisen-Meteorite klas- (Olbers 1802) Chladnis Theorie endgültig zum Durchbruch.
sifizieren, wie das in Tabelle 29.1 geschehen ist.
Pallasite bestehen zu 95 Vol.-% aus metallischem
Mesosiderite Nickeleisen und Olivin in stark wechselnden Mengen-
verhältnissen, wobei der Anteil von ged. (Fe,Ni) zwischen
Auch die Mesosiderite, die etwa zu gleichen Mengenan- 28 und 88 Gew.-% variert. In jedem Fall bildet die Metall-
teilen aus ged. Nickeleisen und Silikat-Mineralen beste- phase eine zusammenhängende Masse, die durchschei-
hen, werden neuerdings genetisch zu den Achondriten ge- nende, gelblich bis gelblich-grün gefärbte Olivinkörner
rechnet (Norton 2002). Sie stellen – ähnlich wie die Howar- einschließt; dadurch entsteht ein spektakuläres Gesteins-
dite – Impakt-Breccien dar. Das Metall, das 7–10 Gew.-% Ni gefüge, das in anpolierten Platten am besten zur Wir-
in Legierung enthält, bildet entweder klumpige Korn- kung kommt (Abb. 29.6). Olivin bildet Einzelkristalle von
aggregate, die von den Silikaten umgeben sind, oder ist wenigen mm bis 2 cm Durchmesser oder mehrere Zen-
gleichmäßig in der Silikat-Matrix verteilt und umhüllt timeter große Aggregate. Nebengemengteile sind Troilit,
größere Silikatfragmente. Unter den Silikat-Mineralen Schreibersit und Chromit, die an den Rändern der Olivin-
dominieren Plagioklas (Anorthit) und Orthopyroxen körner auftreten. Nach dem Mineral-Chemismus lassen
(Hypersthen), während Pigeonit und Olivin zurücktre- sich zwei Gruppen unterscheiden:
ten. Die Silikatminerale liegen etwa im gleichen Mengen- Die Hauptgruppe (main group, MG), zu der die meisten
verhältnis vor wie in den Howarditen, zu denen auch bekannten Pallasite gehören, enthält Olivine mit Fa11–19 und
geochemische Ähnlichkeiten bestehen, z. B. in der Metall mit 14–16 % Ni.
29.3 · Haupttypen der Meteorite 517
29.3.4
Eisenmeteorite (differenziert)
Grenzen gegen Kamacit bis auf ca. 35 % an, während das verschiedenen Orientierungen auftreten können; sie
Innere der Taenit-Bänder Ni-ärmer bleibt; zusätzlich bil- wurden nach ihrem Entdecker Franz Ernst Neumann
det sich ein feinkörniges Gemenge von Taenit und Ka- (1848) benannt. Es handelt sich um Produkte einer De-
macit, der Plessit. Dadurch ergibt sich bei der ortsauf- formationsverzwilligung, ausgelöst durch ein intensives
lösenden Mikrosonden-Analyse für die Ni-Verteilung das Schockereignis. Hexaedrite gehören nur einer chemi-
typische M-Profil (Abb. 29.7b). Für die Entstehung der schen Klasse an, die durch hohe Ga/Ni- und Ge/Ni-, aber
Widmannstätten’schen Figuren hat man im Temperatur- wechselnde Ir/Ni-Verhältnisse gekennzeichnet ist (Was-
bereich zwischen 700 und 450 °C Abkühlungsraten von son 1985).
etwa 100 °C bis zu 1 °C pro Millionen Jahre berechnet.
Deshalb können diese Strukturen im Labor nicht nach- Ataxite (D)
geahmt werden (Heide und Wlotzka 1988).
Eine Feinuntergliederung der Oktaedrite in sechs Un- Bei hohen Ni-Gehalten wird der Solvus im Zweistoff-Sys-
tergruppen erfolgt nach der Breite der Kamacit-Balken, tem Fe–Ni erst bei relativ niedrigen Temperaturen er-
die generell umgekehrt proportional zum Gesamt-Ni- reicht, z. B. in einer Legierung mit 20 % Ni erst bei etwa
Gehalt der Probe ist (z. B. Buchwald 1975). Je höher der 600 °C (Punkt b2 in Abb. 29.7a). Da bei dieser Temperatur
Ni-Gehalt ist, desto mehr Taenit bleibt übrig und umso die Diffusionsgeschwindigkeit schon gering ist, wird die
feiner werden die Kamacit-Balken. So enthalten die gro- Ausscheidung von Kamacit-Lamellen im Taenit immer
ben Oktaedrite Ogg und Og mit Balkenbreiten von mehr erschwert. Es gibt gleitende Übergänge von plessi-
>1,3 mm Ni-Gehalte von 6,5–7,2 %, mittlere Oktaedrite tischen Oktaedriten (Opl) in Ni-reiche Ataxite, die ma-
Om (0,5–1,3 mm) 7,4–10,3 % Ni und feine Oktaedrite Of, kroskopisch strukturlos sind und daher von Tschermak
Off und Opl (<0,5 mm) 7,8–12,7 % Ni. Unabhängig davon (1883) als „Dichteisen“ bezeichnet wurden (daher die Ab-
unterteilt Wasson (1985) die Oktaedrite in 22 chemische kürzung „D“). Mikroskopisch bestehen die Ni-reichen
Gruppen IA bis IVB, für deren Definition die Verhältnis- Ataxite, die 16–30 % Ni enthalten, aus winzigen Kriställ-
se Ga: Ni, Ge: Ni und Ir : Ni maßgebend sind. Meteoriten chen von Taenit, die von einer dünnen Kamacit-Schicht
dieser Gruppen dürften von unterschiedlichen Meteori- umhüllt werden und in eine Plessitmasse eingebettet
ten-Mutterkörpern stammen. sind. Daneben gibt es auch Ni-arme Ataxite mit <10 % Ni,
die überwiegend aus sehr feinkörnigem Kamacit be-
Einige Oktaedrite führen Silikat-Einschlüsse. Diese bestehen z. B. stehen; sie entstanden wahrscheinlich durch sekun-
in den grobkörnigen Oktaedriten der chemischen Gruppe IAB aus däre Aufheizung und Abkühlung von Oktaedriten oder
Fe-armem Orthopyroxen (Fs4–9) und Olivin (Fa1–4) sowie Plagio-
klas in etwa chondritischen Mengenverhältnissen. Geochemische
Hexaedriten im Kosmos. Obwohl Ataxite die kleinste
Ähnlichkeiten legen nahe, dass diese Oktaedrite zum gleichen Gruppe der Eisenmeteorite bilden, stellen sie doch ei-
Mutterkörper wie die Winonaite gehören, eine Gruppe der primi- nen prominenten Vertreter, den 60 t schweren Hoba-
tiven Achondrite. Wahrscheinlich fand in diesem Asteroiden nur Meteoriten (Abb. 29.2).
eine unvollständige Differentiation in Kern und Mantel statt. Dem-
gegenüber enthalten die IIE-Oktaedrite Silikat-Einschlüsse, die aus
Fe-reicherem Orthopyroxen und Augit in einer feinkörnigen Pla-
29.4 29.4
gioklas-Matrix bestehen und ein amöboides Gefüge aufweisen. Tektite
Deformationslamellen bei den Pyroxenen und Schockschmel-
zungserscheinungen beim Plagioklas weisen darauf hin, dass die- Tektite sind rundliche, zentimetergroße Glaskörper von
se Oktaedrite bei der Kollision zweier, verschieden großer Mutter- pechschwarzer, flaschengrüner oder gelblicher Farbe,
körper gebildet wurden (Norton 2002). die offenbar im Flug erstarrte Schmelztropfen darstel-
len. Ihr Gewicht liegt meist bei wenigen Gramm, kann
Hexaedrite (H) aber in Ausnahmefällen mehrere 100 g erreichen; der
größte bisher bekannte Tektit wiegt 3,2 kg. Die Form von
Diese relativ seltene Gruppe von Eisenmeteoriten ist Tektiten variiert stark, doch sind sie häufig linsen- oder
durch Ni-Gehalte von <6 % gekennzeichnet. Daher er- diskenförmig, nicht selten auch tropfenförmig ausge-
folgt die Umwandlung von der ursprünglichen γ -(Fe,Ni)- bildet. Die Oberfläche zeigt meist charakteristische Rie-
Phase Taenit in die α -(Fe,Ni)-Phase Kamacit über ein fen oder Grübchen, die durch Lösungserscheinungen
kleines Temperaturintervall (Abb. 29.7a), so dass sich kei- bei der Verwitterung entstanden sind. Frische Tektite, be-
ne gesonderten Taenit-Lamellen ausbilden können. Viel- sonders aus Australien, bestehen aus einem linsen-
mehr entstehen einheitliche Kamacit-Hexaeder {100}, die förmigen Kern und einem äußeren, nach hinten abge-
auf polierten und angeätzten Flächen keine Widmann- knickten Ring; diese Form wird durch aerodynamische
stätten’schen Figuren erkennen lassen. Charakteristisch Ablation erklärt, d. h. durch Verdampfung der Schmelze
sind demgegenüber die Neumann’schen Linien, Paral- beim Flug durch die Atmosphäre mit Überschall-Ge-
lelscharen feiner Zwillingslamellen von 1–10 µm Dicke, schwindigkeit. Unter dem Mikroskop zeigen Tektite häu-
die entsprechend der kubischen Symmetrie in zwölf fig Fließgefüge, das durch Glasschlieren unterschiedli-
520 29 · Meteorite
Borg LE, Edmunson J, Asmerom Y (2005) Constraints on the U-Pb Krot AN, Ivanova MA, Ulyanov AA (2007) Chondrules in the CB/
systematics of Mars inferred from a combined U-Pb, Rb-Sr, and CH-like carbonaceous chondrite Isheyevo: Evidence for various
Sm-Nd isotopic study of the Martian meteorite Zagami. Geochim chondrule-forming mechanisms and multiple chondrule
Cosmochim Acta 69:5819–5830 generations. Chem Erde 67:283–300
Bouvier A, Wadhwa M, Janney P (2008) Pb-Pb isotope systematics in Laurenci A, Bigazzi G, Balestrieri ML, Bouška W (2003) 40Ar/39Ar
an Allende chondrule. Geochim Cosmochim Acta 72:A106 laser probe dating of the Central European tektite-producing
Bowring SA, Williams IS (1999) Priscoan (4.00–4.03 Ga) orthognei- impact event. Meteor Planet Sci 38:887–893
ses from northwestern Canada. Contrib Mineral Petrol 134:3–16 Meibom A, Clark BE (1999) Evidence for the insignificance of
Buchner E, Seyfried H, van den Bogaard P (2003) 40Ar/39Ar laser pro- ordinary chondritic material in the asteroidal belt. Meteoritics
be age determination confirms the Ries impact crater as the source Planet Sci 34:7–24
of glass particles in Graupensand sediments (Grimmelfinger For- Metzler K, Bischoff A, Stöffler D (1992) Accretionary dust mantles
mation, North Alpine Foreland Basin). Int J Earth Sci 92:1–6 in CM chondrites: Evidence for solar nebula processes. Geochim
Cheng M, El Goresy A, Gillet P (2004) Ringwoodite lamellae in olivine: Cosmochim Acta 56:2873–2897
Clues to olivine-ringwoodite phase transition mechanisms in Misawa K, Yamagichi A, Kaiden H (2005) U-Pb and 207Pb-206Pb-ages
shocked meteorites and subducted slabs. PNAS Proc Nat Acad of zircons from basaltic eucrites: Implications for early basaltic
Sci USA 101:15033–15037 volcanism on the eucrite parent body. Geochim Cosmochim Acta
Consolmagno GJ, Britt DT, Macke RJ (2008) The significance of 69:5847–5861
meteorite density and porosity. Chem Erde 68:1–29 Oberst J, Heinlein D, Köhler U, Spurný P (2004) The multiple
El Goresy A, Dera P, Sharp TG, Prewitt CT, Chen M, Dubrovinsky L, meteorite fall of Neuschwanstein: Circumstances of the event
Wobenka B, Boctor NZ, Hemley RJ (2008) Seifertite, a dense and meteorite search campaigns. Meteoritics Planet Sci 39:
orthorhombic polymorph of silica from the Martian meteorites 1605–1626
Shergotty and Zagami. Eur J Mineral 20:523–528 Phillips FM, Zreda MG, Smith SS, Elmore D, Kubik PW, Dorn RI,
Gentner W, Lippolt HJ, Schaefer OA (1961) Das Kalium-Argon-Alter Roddy DJ (1991) Age and geomorphic history of meteor crater,
der Gläser des Nördlinger Rieses und der böhmisch-mährischen Arizona, from cosmogenic 36Cl and 14C in rock varnish. Geochim
Tektite. Geochim Cosmochim Acta 27:191–200 Cosmochim Acta 55:2695–2698
Goldstein JI, Axon HJ (1973) The Widmannstätten figure in iron Reimold U (2007) Revolution in the Earth sciences: Continental
meteorites. Naturwissenschaften 60:313–321 drift, impact and other catastrophs. South African J Geol 110:
Gooding JL, Keil K (1981) Relative abundances of chondrule 1–46
primary textural types and their bearing on conditions of Reimold WU, Gibson RL (2005) Meteorite impact! The danger
chondrule formation. Meteoritics 16:17–43 from the space and South Africa’s mega-impact, the Vredefort
Grady MM (1999) Meteorites from cold and hot deserts: How many, structure. Van Rensburg, Johannesburg
how big, and what sort? Workshop on Extraterrestrial Materials from Ringwood AE (1960) The Novo Urei meteorite. Geochim Cosmochim
Cold and Hot Deserts. Kwa-Maritane, Pilanesberg, South Africa Acta 20:1–2
Heinlein D (2002) Meteoritenfall in den bayerischen Alpen. Sterne Schultz PH, Harris RS, Tancredi G, Ishitsuka J (2008) Implications of
und Weltraum 2002, Heft 6:66–67 the Carancas meteorite impact. Lunar Planet Sci 39:2409.pdf
Hildebrandt AR, Penfield GT, Kring DA, Pilkington M, Camargo Schulze H, Bischoff A, Palme H, Spettel B, Dreibus G, Otto J (1994)
ZA, Jacobsen SB, Boynton WV (1991) Chicxulub Crater; A Mineralogy and chemistry of Rumuruti: The first meteorite fall
possible Cretaceous/Tertiary boundary impact crater in the of the new R chondrite group. Meteoritics 29:275–286
Yucatán Peninsula, Mexico. Geology 19:867–871 Treiman AH (2005) The nakhlite meteorites: Augite-rich igneous
Jagoutz E, Wänke H (1986) Sr and Nd systematics of Shergotty rocks from the Mars. Chem Erde 65:203–270
meteorite. Geochim Cosmochim Acta 50:939–953 Trieloff M, Schmitz B, Korochantseva E (2007) Kosmische Katastro-
Kenkmann T, Artemieva NA, Poelchau MH (2008) The Carancas event phe im Erdaltertum. Sterne und Weltraum 6:28–35
of September 15, 2007: Meteorite fall, impact conditions, and Tschermak G (1883) Beitrag zur Classifikation der Meteoriten.
crater characteristics. Lunar Planet Sci 39:1094.pdf Sitzungsber Akad Wiss Wien 88 (1):347–371
Kleine T, Mezger K, Palme H, Scherer E, Münker C (2005) Early core van Schmus WR, Wood JA (1967) A chemical-petrologic classi-
formation in asteroids and late accretion of chondrite parent fication for the chondritic meteorites. Geochim Cosmochim
bodies: Evidence from 182Hf-182W in CAIs, metal-rich chondrites, Acta 31:747–765
and iron meteorites. Geochim Cosmochim Acta 69:5805–5818 von Engelhardt W, Berthold C, Wenzel T, Dehner T (2005) Chemistry,
Krot AN, Petaev MI, Keil K (2005) Mineralogy and petrology of Al- small-scale inhomogeneity, and formation of moldavites as
rich objects and amoeboid olivine aggregates in the CH carbo- condensates from sands vaporized by the Ries impact. Geochim
naceous chondrite North West Africa 739. Chem Erde 66:57–76 Cosmochim Acta 69:5611–5626
30
Unser Planetensystem
30.1 Nach ihrer Entfernung von der Sonne, ihrer Größe, Masse und Dichte sowie ih-
Die erdähnlichen rem inneren Aufbau gliedern sich die Planeten unseres Sonnensystems in vier
Planeten unterschiedliche Gruppen (Abb. 30.1, Tabelle 30.1):
30.2 1. Zusammen mit der Erde nehmen die kleinen, erdähnlichen Planeten Merkur,
Die Asteroiden Venus und Mars den innersten Bereich des Sonnensystems ein. Sie besitzen
einen kleineren Durchmesser und eine kleinere Masse als die Erde, aber mit
30.3 Werten zwischen 3,93 (Mars) und 5,43 (Merkur) eine ähnliche mittlere Dichte
Die Riesenplaneten wie die Erde (5,53). Aus diesen hohen Dichtewerten lässt sich schließen, dass
und ihre Satelliten die kleinen Planeten überwiegend aus Mineralen bestehen, aber nur einen
geringen Eisanteil enthalten und dass sie ähnlich wie die Erde in eine
30.4 silikatische Lithosphäre und einen Nickel-Eisen-Kern differenziert sind.
Der Zwergplanet Pluto 2. Die zahlreichen Kleinplaneten des Asteroidengürtels haben sehr verschiede-
und sein Mond Charon: ne Dichten. Sie bestehen überwiegend aus silikatischen Mineralen mit unter-
ein Doppelplanet schiedlichen Mengenanteilen von ged. Nickel-Eisen. Wie wir aus dem Studi-
um der Meteorite (Kapitel 29) wissen, sind viele der Asteroiden nur wenig dif-
ferenziert und spiegeln mehr oder weniger den primitiven Urzustand unse-
res Sonnensystems wider. Andere Asteroiden haben jedoch eine Trennung in
metallischen Kern und silikatische Lithosphäre durchgemacht.
3. Demgegenüber sind die äußeren Riesenplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und
Neptun erheblich größer als die Erde und besitzen ein Vielfaches der Erdmasse;
jedoch sind ihre mittleren Dichten wesentlich geringer und variieren lediglich
zwischen 0,70 (Saturn) und 1,57 (Neptun). Sie enthalten daher einen deutlich
geringeren Mineralanteil und bestehen überwiegend aus Gasen und Eis, wo-
bei mit zunehmender Entfernung von der Sonne der Gasanteil abnimmt, wäh-
rend der Mineral- und insbesondere der Eisanteil zunehmen. Mit ihren Satel-
liten stellen die Riesenplaneten selbst kleine Planeten-Systeme dar.
4. Der äußerste Bereich unseres Planetensystems, der Kuiper-Gürtel enthält
wiederum eine Fülle von sog. Trans-Neptun-Objekten (TNO), die teils lediglich
die Größe von Asteroiden haben, teils aber in die neue Klasse der Zwerg-
planeten gehören. Ihr prominentester Vertreter ist Pluto, der nur über einen
winzigen Bruchteil der Erdmasse verfügt und eine geringe mittlere Dichte
von 2,2 aufweist.
524 30 · Unser Planetensystem
Abb. 30.1. Unser Planetensystem. Man erkennt die Umlaufbahnen der erdähnlichen Planeten Merkur, Venus, Erde (mit dem Erdmond) und
Mars, den Asteroiden-Gürtel, die Riesenplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun mit ihren Satelliten und Ringsystemen sowie den
Doppel-Planeten Pluto – Charon. Auf seiner elliptischen Bahn nähert sich ein Komet unserem Sonnensystem. Man erkennt den Kopf und
den zweigeteilten Schweif: den schmalen Plasmaschweif und den gekrümmten, diffusen Staubschweif (gelb). Im Hintergrund ist die Sternen-
wolke unserer Galaxie, die Milchstraße sichtbar. (Nach einem Gemälde von Detlev van Ravenswaay, Science Photo Library)
30.1 30.1 von maximal 467 °C während des Tages und der extreme
Die erdähnlichen Planeten Abfall auf –183 °C in der Nacht, die intensive Strahlung, der
erhöhte Teilchenbeschuss aus dem Sonnenwind und die
30.1.1 starke Gravitation der Sonne verantwortlich. Durch drei
Merkur Vorbeiflüge der NASA-Sonde Mariner 10 konnten 1974/1975
immerhin 45 % der Merkur-Oberfläche kartiert werden. Am
Astronomische Erforschung 3. August 2004 startete die NASA-Sonde Messenger, die in-
nerhalb von 6½ Jahren dreimal am Merkur vorbeifliegen
Merkur war bereits den Sumerern im 3. Jahrtausend v. Chr. soll. Bei einem ersten Vorbeiflug am 14. Januar 2008 wur-
bekannt. Obwohl die griechischen Astronomen dem Plane- den bisher unbekannte Gebiete aufgenommen. Die euro-
ten die unterschiedlichen Namen Apoll und Hermes, je nach päische Raumfahrt-Organisation ESA und die japanische
seiner Sichtbarkeit am Morgen- oder Abendhimmel gaben, Raumfahrtbehörde JAXA planen für 2013 den Einsatz der
wussten sie, dass es sich um ein und den selben Planeten Merkur-Sonde BepiColombo (Spohn et al. 2001).
handelt. Wegen seiner schnellen Bewegung am Himmel
benannten ihn die Römer nach dem Götterboten Mercurius. Exosphäre
Im Jahr 1639, nach der Erfindung des Fernrohrs, entdeckte
Giovanni Battista Zupi, dass der Merkur wie der Mond Pha- Wie der Erdmond verfügt der Merkur über keine Atmos-
sen zeigt und bewies damit seinen Umlauf um die Sonne. phäre im eigentlichen Sinne, sondern nur über eine Exos-
Wegen der großen Sonnennähe ist der Merkur von der phäre, deren Druck auf der Oberfläche des Planeten ledig-
Erde aus nicht leicht zu beobachten, da er am Himmel lich 10–15 bar beträgt! Sie enthält neben H2 und He, die wahr-
niemals in einem größeren Winkelabstand als 28° östlich scheinlich aus dem Sonnenwind stammen, noch O2 sowie
oder westlich der Sonne erscheint. Auch die Erforschung interessanterweise Na und K, die vermutlich aus dem
mit Raumsonden begegnet größeren technischen Schwie- Gesteinsmaterial der Merkur-Oberfläche freigesetzt wur-
rigkeiten. Hierfür sind insbesondere die hohe Temperatur den (Potter u. Morgan 1985, 1986; vgl. Taylor u. Scott 2005).
30.1 · Die erdähnlichen Planeten 525
Ursprünglich bezeichnete man als Exosphäre (grch. έξο = außen, kommt als Besonderheit das Caloris-Becken und sein
σϕαι′ρα = Kugel“) die äußerste Schicht der Erdatmosphäre mit glei- antipodisches Gegenstück (Vilas 1999).
tendem Übergang in den interplanetaren Raum, zu dem sie nach
Definition der NASA bereits gehört. Der Begriff wird sinngemäß auch
auf erdähnliche Planeten und Monde angewendet, die überhaupt Hochlandregionen. Die Hochländer des Merkur bestehen
keine Atmosphäre besitzen. aus Gebieten mit hoher Kraterdichte, die mit flachwelligen
Zwischenkrater-Ebenen abwechseln und häufig von die-
Oberflächenformen sen überdeckt oder umschlossen werden. Allerdings ist
auch in den Kraterlandschaften auf den Hochländern des
Die Oberfläche des Merkur ist von zahlreichen Meteoriten- Merkur die Kraterdichte geringer als auf den Mond-Hoch-
kratern unterschiedlicher Größe übersät, deren relatives ländern, was insbesondere für Krater von <50 km ∅ gilt.
Alter man aus der jeweiligen Überschneidung der Impakt- Die Zwischenkrater-Ebenen entstanden wahrscheinlich
strukturen erschließen kann. Der Formenschatz ist ähnlich während einer intensiven Phase des Meteoriten-Bombar-
wie bei den Mondkratern: Die kleineren Krater sind schüs- dements vor 4,2–4,0 Ga. Dabei wurden weite Teile der
selförmig, während die größeren flache Innenbereiche mit Hochländer mit Auswurf-Decken von riesigen Meteoriten-
oder ohne zentrale Erhebung und terrassierte Innenwände einschlägen zugeschüttet oder aber mit vulkanischen La-
aufweisen. Frischere Krater zeigen helle oder dunkle Höfe ven überflutet, die aus dem Inneren des Planeten geför-
oder Strahlensysteme. Allerdings hat der Merkur wegen sei- dert wurden (z. B. Taylor u. Scott 2005). Als Folge ver-
ner größeren Masse eine 2,5 mal größere Gravitation als schwanden bevorzugt die kleineren, primär gebildeten
der Mond, so dass die Auswurfmassen wesentlich weniger Krater. Heute findet man auf den Zwischenkrater-Ebenen
weit fliegen. Das Streugebiet der Ejekta beträgt nur 65 % meist nur Krater von <15 km ∅, die häufig zu Gruppen
eines gleich großen Meteoritenkraters auf dem Mond. Ein oder Ketten angeordnet sind, längliche, flache Formen
interessantes Phänomen sind die gebogenen Steilstufen, die zeigen und/oder an einem Ende offen sind. Solche Krater
in 20–500 m Länge die Merkur-Oberfläche durchziehen und entstanden erst sekundär durch Gesteinsbruchstücke, die
relative Höhen von mehreren hundert bis 2 000 m erreichen. beim Einschlag größerer Meteoriten losgerissen wurden.
Auf dem Merkur hat man bis jetzt keinerlei Hinweise auf
aktiven Vulkanismus, Plattentektonik oder andere endoge- Tiefebenen. Diese flachen Ebenen treten im Inneren und
ne Prozesse gefunden, die noch heute andauern. in der Nachbarschaft des riesigen Caloris-Beckens sowie
Ähnlich wie auf dem Mond lassen sich auf dem Mer- am Boden anderer großer Becken und in der Nordpolar-
kur zwei wesentliche Landschaftstypen unterscheiden, region des Merkur auf. Sie sind noch kraterärmer als die
nämlich die Hochlandregionen und die Tiefebenen. Dazu Zwischenkrater-Ebenen, dürften also jünger als diese sein.
526 30 · Unser Planetensystem
Wahrscheinlich entstanden sie gegen Ende der Periode Im Vergleich zum Mond zeigen die Tiefebenen des
des heftigen Meteoriten-Bombardements vor 3,8 Ga. Merkurs kein wesentlich geringeres Reflexionsvermögen
Dabei könnten riesige Auswurf-Decken entstanden sein, (Albedo) als die Hochländer. Diese Tatsache weist auf re-
welche die Tiefebenen überschüttet haben. Andererseits lativ geringe Gehalte an FeO (<3 Gew.-%) und TiO2 in den
führt eine Neuauswertung der Mariner-10-Aufnahmen zu Merkur-Gesteinen hin, ähnlich wie bei den lunaren
der Annahme, dass die Tiefebenen teils mit Impakt- Anorthositen. Dazu passen die erhöhten Ca- und Na-
Schmelzen, teils aber auch mit vulkanischen Laven über- Gehalte, die durch IR-Spektren angezeigt werden (vgl. Taylor
deckt sind (Vilas 1999). u. Scott 2005). Aus diesen Beobachtungen könnte man ab-
Das Caloris-Becken, mit einem Durchmesser von ca. leiten, dass die gesamte Merkur-Kruste aus Anorthositen
1 340 km der größte Impaktkrater des Merkurs, entstand besteht und vielleicht – wie für den Mond angenommen
vor ca. 3,85 Ga durch den Einschlag eines riesigen kosmi- – in einem Magma-Ozean gebildet wurde. Allerdings
schen Körpers von etwa 150 km ∅. Es wird von 100–150 km müssten in diesem Fall die Oberflächen der Tiefebenen
breiten, 1 000–2 000 m hohem Ringgebirgen umgeben, die größtenteils von Auswurf-Decken eingenommen werden,
aus Auswurfsmassen und Impaktschmelzen bestehen. Der was noch keineswegs unumstritten ist. Nach einem alter-
flache Beckenboden wird kreuz und quer von zahlreichen nativen Modell, für das einige Oberflächenformen in den
runzelförmigen Graten und Störungen durchzogen und Merkur-Tiefländern sprechen, wurden aus dem Innern
zeigt wenige, meist frische Meteoritenkrater. Der katastro- des Planeten ungewöhnlich Fe-Ti-arme basaltische Mag-
phale Einschlag, bei dem die Energie von einer Trillion men gefördert, welche die Tiefebenen überflossen. Beim
1-Megatonnen-Wasserstoffbomben freigesetzt wurde, er- derzeitigen, immer noch sehr mageren Erkenntnisstand
zeugte starke Erdbebenwellen, die den gesamten Plane- lässt sich nicht entscheiden, welches dieser beiden Mo-
ten durchliefen und sich – zusammen mit Oberflächen- delle wahrscheinlicher ist.
Wellen – im Antipodenbereich des Caloris-Beckens fokus-
sierten. In einem Gebiet, etwa so groß wie die gesamte Wassereis auf dem Merkur?
Fläche von Frankreich und Deutschland, wurde hier die
Merkur-Kruste um bis zu 1 km angehoben und bis in gro- Bei der Sonnennähe des Merkurs mit Oberflächen-Tem-
ße Tiefen zerblockt. Das dabei entstandene Gewirr von peraturen von maximal 467 °C ist die Anwesenheit von
riesigen tektonischen Blöcken hat alle älteren Strukturen Eis eigentlich nicht zu erwarten. Trotzdem gibt es in der
zerschnitten. Umgebung der beiden Pole etwa zwanzig Gebiete, die sich
durch eine ungewöhnlich hohe Radar-Reflektivität aus-
Innerer Aufbau und chemische Zusammensetzung zeichnen. Das könnte ein Hinweis darauf sein, das hier in
permanent beschatteten Kratern in der Tat H2O-Eis vor-
Die hohe mittlere Dichte des Merkurs führt zwangs- handen ist. Jedoch können auch andere stärker reflektie-
läufig zur Annahme eines Fe-reichen Metallkerns, des- rende Substanzen, z. B. Anflüge von ged. Schwefel, Metall-
sen Radius ungefähr ¾ des Gesamtradius und 70 % sulfide, metallische Kondensate oder Halit-Niederschlä-
seiner Gesamtmasse ausmacht. Wegen der Kleinheit ge zur Erklärung herangezogen werden (Slade et al. 1992).
des Merkur sollte dieser Kern bereits weitgehend kris-
tallisiert sein, so dass höchstens eine dünne Schale, in 30.1.2
der neben Fe und Ni noch ein weiteres leichtes Ele- Venus
ment, z. B. Schwefel angereichet ist, im schmelzflüssigen
Zustand vorliegt (s. Abschn. 27.4.2, S. 494f). Astronomische Erforschung
Deswegen ist das schwache Magnetfeld, das durch Mariner 10 beim Als unser nächster Nachbar reflektiert die Venus den größ-
Merkur festgestellt wurde, nur schwer zu erklären; denn der geringe ten Teil des Sonnenlichtes, das diesen Planeten bescheint,
Schmelzanteil dürfte kaum ausreichen, um den Antrieb eines geo-
und ist so nach Sonne und Mond das hellste Objekt am
magnetischen Dynamos zu ermöglichen. Außerdem dürfte die gerin-
ge Rotationsgeschwindigkeit des Merkurs den Aufbau eines solchen Himmel. Als Abendstern ist die Venus noch einige Stun-
Dynamo-Systems behindern. Möglicherweise liegt beim Merkur eine den nach Sonnenuntergang am Westhimmel sichtbar; als
remanente Magnetisierung vor, die ursprünglich im flüssigen Kern Morgenstern erscheint sie kurz vor Sonnenaufgang. In
entstand und heute im festen Kern eingefroren ist (Vilas 1999). vielen antiken Kulturen wurde sie als Göttin verehrt, z. B.
Die gebogenen Steilhänge, die so charakteristisch für die als Aphrodite bei den Griechen und als Venus bei den
Merkur-Oberfläche sind, könnten ursprünglich auf Ab- Römern (vgl. Hunt u. Moore 1982). Die Beobachtung der
schiebungen zurück gehen, die durch Dehnungs-Tektonik Venus-Phasen überzeugten Galileo Galilei (1564–1642)
bei der Expansion des heißen Metallkerns angelegt wur- davon, dass das heliozentrische Weltbild von Nikolaus
den. Bei der Kristallisation des Kerns kam es zu einer leich- Kopernikus (1473–1543) richtig und das geozentrische
ten Schrumpfung des Planeten, und es entwickelte sich ein Weltbild von Ptolemäus (ca. 100–160 n. Chr.) falsch ist.
kompressives Spannungsfeld mit Überschiebungs-Tektonik. Bereits Edmund Halley (1656–1742) sagte voraus, dass
30.1 · Die erdähnlichen Planeten 527
sich die Entfernung Erde–Sonne (= 1 AE) anhand der Reaktionen ab, auf die wir hier nicht eingehen können
Venus-Durchgänge durch die Sonne berechnen lässt, was (Fegley 2005). Aufgrund des extrem geringen H2O-Gehalts
im Juni 1769 erstmals mit akzeptabler Genauigkeit ge- in der Atmosphäre ist die Venus ein trockener, praktisch
lang, u. a. auch durch die Haiti-Expedition von James wasserfreier Planet. Die Abgabe des Wassers an den Welt-
Cook (1728–1779). In den 1920er Jahren wurden erste UV- raum erfolgte wahrscheinlich während einer frühen Epi-
Fotografien von der Venus gemacht und 1932 führten sode, in der der Treibhauseffekt nach Art einer Kettenre-
spektroskopische Untersuchungen zur zufälligen Entde- aktion heftig zunahm. Dabei könnten Entgasungsprozesse
ckung des hohen CO2-Gehaltes in der Venus-Atmosphä- bei den häufigen Vulkanausbrüchen eine Rolle gespielt
re (Fegley 2005). haben (Heald 1999).
Durch den Vorbeiflug der Raumsonde Mariner 2 trat
1962 die Venus-Forschung, die bis dahin nur auf Boden- Oberflächenformen
gestützten Messungen basierte, in eine neue Phase. Seitdem
war die Venus mehrfach das Ziel von Weltraum-Missionen, Trotz der dicken Wolkenschicht ist die Oberfläche der
so der amerikanischen Raumsonden Mariner 5 und 10 Venus durch Radar-Untersuchungen von bodengestützen
(1967, 1973), Pioneer Venus 1 und 2 (1978), Magellan (1989), Radio-Teleskopen und insbesondere von Raumsonden gut
Galileo (1989) und CASSINI (1997) sowie der sowjetischen bekannt. So wurden durch die Magellan-Sonde 98 % der
Raumsonden Venera 5 bis 16 (1969–1983) und Vega 1 Planeten-Oberfläche mit einer Auflösung von 120–300 m
und 2 (1983). Die Raumsonden flogen teils in größerer aufgenommen. Im Gegensatz zur Erde nehmen flache
Nähe an der Venus vorbei, teils umrundeten sie den Pla- Tiefebenen ca. 85 % der Venus-Oberfläche ein; sie sind
neten oder landeten weich auf seiner Oberfläche, was im überwiegend vulkanischen Ursprungs; Lavaströme sind
Jahr 1970 erstmals Venera 7 gelang (Fegley 2005). Die Fülle weit verbreitet. Nur etwa 15 % der Venus-Oberfläche sind
von wissenschaftlichen Ergebnissen, die durch diese Welt- Bergländer mit rauen Landschaftsformen. In Aphrodite
raum-Missionen erzielt wurden, vermitteln bereits ein Terra erreichen sie Höhen von etwa 3 000–4 000 m, in den
recht anschauliches Bild vom inneren Bau der Venus und Maxwell Mountains im Kontinent-artigen Hochland Ishtar
ihrer Atmosphäre. Terra sogar 12 000 m.
Wie auf dem Merkur und auf dem Mond ist die Venus-
Atmosphäre und Klima Oberfläche durch eine Fülle von Meteoriten-Kratern ge-
prägt; jedoch ergaben ihre Verbreitung und ihr Alter über-
Wie schon seit längerem bekannt, besteht die Atmosphä- raschende Befunde. Während man auf dem Mond, dem
re der Venus zum weit überwiegenden Teil aus CO2 mit Merkur und dem Mars Gebiete größerer und geringerer
einem Mengenanteil von 96,5 ±0,8 %. Den Rest bildet Kraterdichte unterscheiden kann und die Krater ganz
hauptsächlich Stickstoff N2 (3,5 ±0,8 %), während alle unterschiedliche Alter aufweisen, sind die etwa 1 000 Kra-
andere Gasspezies wie SO2, H2O Ar, CO, He, Ne, OCS, H2S, ter der Venus etwa gleichmäßig auf der Oberfläche verteilt,
HDO, HCl im ppm-Bereich (part per million = g/t) liegen zeigen relativ frische Formen und dürften nicht älter als
oder sogar im ppb-Bereich (part per billion) wie Kr, SO, etwa 500 Ma sein. Für die Erklärung dieses Befundes gibt
S, HF und Xe. Die meisten Gase sind durch Entgasung es zwei kontrastierende Hypothesen (Saunders 1999):
der Venus freigesetzt worden; lediglich die Edelgase Ar,
Ne, und Xe dürften noch teilweise primordial sein, d. h. 1. Eine aktualistische Gleichgewichts-Hypothese nimmt
auf die ursprüngliche Entstehung unseres Planetensys- an, dass vulkanische Eruptionen die Meteoriten-Kra-
tems zurückgehen (Fegley 2005). ter so schnell zerstören, wie sie gebildet wurden, so dass
Von allen Planeten hat Venus die höchste Albedo, die auf der Venus stets etwa die gleiche Menge an Kratern
mit 75 % etwa 2,6 mal so groß wie die der Erde ist. Wäh- vorhanden ist.
rend 66 % der absorbierten Sonnenergie die Erdoberflä- 2. Demgegenüber wird die Hypothese einer globalen
che erreicht, nehmen bei der Venus die oberste Atmos- Katastrophe heute stärker favorisiert. Sie geht davon
phäre und die Wolkenschicht in 70 km Höhe bereits 70 % aus, dass besonders heftige vulkanische Eruptionen vor
der Solarenergie auf, weitere 19 % werden in der unteren ca. 500 Ma die gesamte Venus-Oberfläche umgestalte-
Atmosphäre absorbiert und nur 11 % erreichen die Ober- ten und alle älteren Meteoriten-Krater zerstörten. Ein
flächen des Planeten. Die geringe IR-Durchlässigkeit des in solches Ereignis würde auch dazu geführt haben, dass
der Lufthülle dominierenden CO2 erzeugt einen Super- die Zeugnisse der älteren geologischen Geschichte der
Treibhauseffekt, der hohe Temperaturen von ca. 470 °C auf Venus verloren gingen.
der Venus-Oberfläche bewirkt. Auch der mittlere Luft-
druck von 95,6 bar (= 95 600 hPa) ist wesentlich höher als Unabhängig von dieser Problematik zeigen die Mete-
auf der Erde (ca. 1 bar = 1 000 hPa). In der Wolkenschicht oriten-Krater der Venus interessante Details, die z. T. auf
in etwa 45–70 km Höhe über der Venus-Oberfläche spie- den Einfluss der dichten Atmosphäre zurückgehen. So gibt
len sich eine Reihe von interessanten fotochemischen es keine intakten Krater mit kleineren Durchmessern als
528 30 · Unser Planetensystem
3 km, was bedeutet, dass keine Objekte von <30 m ∅ den brüche gekennzeichnet, aus denen wiederholt Lava-
Venusboden mit so hoher Geschwindigkeit erreicht ha- ströme ausflossen. In der weiteren Umgebung beob-
ben, um bei ihrem Einschlag einen Krater zu erzeugen. achtet man Systeme von Radialspalten. Es wird ange-
Kleinere Objekte wurden entweder in der Atmosphäre nommen, dass diese Vulkanbauten auf den Aufstieg von
zerstört oder soweit abgebremst, dass sie nur mit Fallge- Mantel-Plumes zurückgehen.
schwindigkeit auftrafen. Allerdings zeigen die häufig be- Ein auffallendes Landschaftselement auf der Venus
obachteten dunklen Flecken, dass auch kleine Meteoroide, sind mäandrierende „Fluss-Systeme“ die gigantischen
die niemals den Venusboden erreichten, Schockwellen Lava-Tunneln gleichen; der größte von ihnen, Baltis
und starke Winde erzeugten, durch die die Venus-Ober- Vallis, ist 6 800 km lang. Da Wasser auf der Venus-Ober-
fläche pulverisiert und geglättet oder mit Auswurfs-De- fläche fehlt, müssen hier sehr dünnflüssige Laven ge-
cken überzogen wurde. Krater mit Durchmessern von flossen sein, die z. B. die chemische Zusammensetzung
<30 km sind gewöhnlich unregelmäßig oder bestehen aus von Komatiiten oder Karbonatiten hatten.
Kratergruppen, was darauf hinweist, dass größere Meteo-
roide beim Flug durch die Venus-Atmosphäre in Einzel- Die sowjetischen Raumsonden Venera 13 und 14 so-
stücke zerbrochen sind. Wie auch auf Mars, Merkur und wie Vega 2 führten an kleinen, bis 3 cm langen Bohrkernen
Mond, gibt es häufig Hinweise auf schrägen Impakt, auf des Venusbodens röntgenfluoreszenzspektroskopische
das Ausfließen von Impaktschmelzen und auf wind- Analysen durch. Sie erbrachten chemische Zusammen-
verblasene Auswurfsmassen (Saunders 1999). setzungen, die denen von irdischen Ozeanboden-Basal-
ten (MORB) oder von K-reichen Alkalibasalten (Leucit-
Vulkanismus Basalten) ähneln (vgl. Fegley et al. 2005).
Alle Befunde sprechen dafür, dass der Vulkanismus auf Tektonik und innerer Aufbau
der Venus bis in die jüngste geologische Vergangenheit
eine wichtige Rolle spielte. Dabei wurden überwiegend Ba- Anders als bei Erde, Mond und Mars besitzen die Hoch-
salte, aber auch SiO2-reichere Laven gefördert. Insbesondere und Tiefländer der Venus etwa gleiches Alter und haben
die Tiefländer sind weitgehend von Lavaströmen und eine ähnliche geologische Entwicklung durchgemacht.
ausgedehnten Plateaubasalten überdeckt. Unter den ca. Einen ausgeprägten Gegensatz, wie er zwischen den al-
100 Vulkanbauten der Venus kann man folgende Typen ten Kratonen und den jungen Ozeanböden der Erde oder
unterscheiden (Saunders 1999): den Hochländern und den Maria des Mondes existiert,
gibt es auf der Venus nicht. Die Hochländer der Venus
Kleine Schildvulkane mit <20 km Basis-∅, rundlichen repräsentieren nicht die früheste Phase der Krusten-
Umrissen und Gipfelkratern sind am häufigsten; sie bildung auf diesem Planeten, sondern sind im Zuge einer
bilden oft Gruppen und lassen Lavaströme erkennen. komplexen Deformationsgeschichte entstanden, an der
Die vulkanische Tätigkeit, die zu diesem Vulkantyp Bruch- und Faltungs-Tektonik beteiligt waren und die den
führte, dürfte wesentlich zur Entstehung der Venus- gesamten Globus erfasste (Saunders 1999; Heald 1999).
Kruste beigetragen haben. Dabei entstanden intensiv zerblockte Krustenteile, die
Rundliche Lavadome mit 20–100 km Basis-∅ zeigen Tesserae (lat. Täfelchen), die in den Hochländern noch
steile Hänge und flache Gipfelbereiche mit einem erhalten sind, wenn sie auch heute nur <10 % der Plane-
rundlichen oder länglichen Zentralschlot. Sie erinnern ten-Oberfläche ausmachen. Sie könnten in Bereichen von
an irdische Lavadome, die aus relativ viskosen, stärker aufsteigenden Mantel-Plumes entstanden sein, wo es zu
differenzierten, SiO2-reichen magmatischen Schmel- verstärktem Vulkanismus mit Bildung von vulkanischen
zen gebildet wurden. Hinweise auf explosiven Vulka- Plateaus und zur Krustenverdickung kam; die nachfol-
nismus sind vorhanden; dieser wird durch den hohen gende Abkühlung führte dann zum gravitativen Kollaps
Luftdruck auf der Venus-Oberfläche begünstigt, der die und zur tektonischen Zerblockung. Eine andere Hypo-
Entgasung der Magmen verzögert. these zieht die hohe Oberflächen-Temperatur der Venus in
Große Schildvulkane mit >100 km Basis-∅ weisen häu- Betracht und geht davon aus, dass der Planet während der
fig Lavaströme auf, die radial aus dem Gipfelbereich meisten Zeit seiner Geschichte eine leicht verformbare
abfließen. Ein typischer Vertreter ist Sapas Mons mit Unterkruste hatte. Dementsprechend war die Strainrate an
einem Basis-Durchmesser von 400 km und einer Höhe seiner Oberfläche sehr groß, was die planetenweite Entste-
von 1 500 m; in seinem Gipfelbereich zeigt er eine Ein- hung der Tesserae begünstigte. Erst in einem späten Sta-
bruchs-Caldera, und seine Lavaströme erstrecken sich dium der geologischen Geschichte nahm der Wärmefluss
auf hunderte von Kilometern über die von Störungen ab und damit sank auch die Strainrate.
durchzogene Ebene. Die nachfolgende Entwicklung ist durch mehrere Pha-
Eine Sonderform der großen Venus-Vulkane bilden die sen intensiver vulkanischer Aktivität bestimmt. Dadurch
Coronae; sie sind durch große, konzentrische Ring- wurden riesige Gebiete in den Tiefländern mit Lava-
30.1 · Die erdähnlichen Planeten 529
Erst die Fotos der amerikanischen Raumsonden Mari- chen Schwankungen. In Äquatornähe werden am Tag 20 °C,
ner 4, 6 und 7, die in den Jahren 1964 und 1969 nahe am nachts dagegen nur –85 °C erreicht.
Mars vorbeiflogen, veränderten diese Vorstellungen grund- Die Exzentrizität der Marsbahn ist etwa 5,5 mal so groß
sätzlich, da sie eine offensichtlich leblose Kraterlandschaft, wie die der Erdbahn, was starke Auswirkungen auf die Jah-
ähnlich wie der auf dem Mond zeigten. Jedoch wurde die- reszeiten hat. Die Südhalbkugel befindet sich während des
ses Bild 1971 erneut revidiert, als Mariner 9 in eine Um- Sommers in größter Sonnennähe (Perihel), während des Win-
laufbahn um den Planeten einschwenkte und mehrere tau- ters dagegen in größter Sonnenferne (Aphel); auf der Nord-
send Fotos von einer sehr abwechslungsreichen, dem Mond halbkugel ist es umgekehrt. Daher sind die Jahreszeiten im
sehr unähnlichen Mars-Oberfläche lieferte. Diese Befunde Süden wesentlich ausgeprägter als im Norden, der ein aus-
wurden im gleichen Jahr von der sowjetische Raumsonde geglicheneres Klima besitzt. Die Sommer-Temperaturen
Mars 3 ergänzt und bestätigt. Wichtige Ergebnisse erziel- können im Süden bis zu 30 °C höher sein als im Norden.
ten die beiden amerikanischen Viking-Sonden, die 1976 Die Eisschichten auf den Polkappen repräsentieren
in eine Umlaufbahn um den Mars geschickt wurden und langfristige Klimaschwankungen in der Größenordnung
die Viking Lander auf dem Marsboden aussetzten. Über von 10 000 Jahren, die auf eine chaotische Variation der
vier Jahre übermittelten diese Geräte eine Fülle von Da- Achsenneigung zwischen 0 und 60° in den letzten 10 Ma
ten, erbrachten aber keinen Hinweis auf Leben. zurückgehen. In der geologischen Vergangenheit war das
Im Jahr 1997 wurde die amerikanischen Raumsonde Klima des Mars heißer und feuchter (Jakosky 1999).
Mars Pathfinder gestartet, deren kleines Marsmobil
Marsrover Sojurner wichtige Analysenergebnisse über die Oberflächenformen
Gesteine in der Umgebung der Landestelle gewann. Die
Raumsonde Mars Global Surveyor kartierte von 1997 bis Der Mars zeigt eine ausgesprochen ungleichmäßige
2006 die gesamte Marsoberfläche mit einer Auflösung von Verteilung seiner geologischen und geomorphologischen
einigen hundert Metern, ja bis herunter zu 10 m (Carr Merkmale. Der Hauptteil seiner Südhalbkugel und
1999). Seit 2003 sendet die europäische ESA-Raumsonde kleinere Anteile der Nordhalbkugel – insbesondere in
Mars Express Daten von einer Umlaufbahn um den Mars; der weiteren Umgebung des 330°-Meridians – werden
jedoch ging das dazugehörige Landegerät Beagle 2 leider von stark zerkraterten Hochländern mit Höhen von
verloren. Durch die NASA wurden seit 2001 insgesamt 1 000–40 000 m über NN eingenommen. Hierzu gehören
15 weitere Raumsonden zum Mars geschickt, von denen die Tharsis- und die Elysium-Schwelle, riesige Erhebungen
im Jahr 2004 Spirit und Opportunity weich landeten und der Marskruste mit aufgesetzten Vulkanbauten (Abb. 30.3).
Marsmobile zur Beprobung und Analyse von Gesteinen Im Gegensatz dazu werden die größten Teile der Nordhalb-
ausschickten. Am 26. Mai 2008 landete Phoenix in der kugel, aber deutlich geringere Teile der Südhalbkugel von
Nähe des Mars-Nordpols, wo sie mit einem Greifarm Pro- flachen Tiefebenen mit geringer Kraterdichte eingenom-
ben aus 50 cm Tiefe holen kann, um im Dauerfrost-Bo- men. Ein auffälliges Element bildet hier das riesige Impakt-
den Schmelzwasser nachzuweisen. Becken Hellas. Etwa die Hälfte der Mars-Oberfläche ist mit
einer Hülle von rotem, feinkörnigem Staub bedeckt.
Atmosphäre und Klimaverhältnisse Auf Grund der Kraterhäufigkeit lassen sich auf dem Mars
drei stratigraphische Großeinheiten unterscheiden, das No-
Der Mars besitzt eine sehr dünne Atmosphäre, die zu ca. achium, das Hesperium und das Amazonium (Tanaka 1986;
95 % aus CO2 besteht, gefolgt von 2,7 % N2, 1,6 % Ar, Hartmann u. Neukum 2001). Die zeitliche Grenze zwischen
0,13 % O2 und 0,006 % H2O sowie 2,5 ppm Ne, 0,3 ppm Kr Noachium und Hesperium liegt bei 3,7–3,5 Ga, die zwischen
und 0,08 ppm Xe (z. B. McSween 2005). Der mittlere Luft- Hesperium und Amazonium bei 3,3–2,9 Ga. In den Hochlän-
druck auf der Marsoberfläche beträgt lediglich 0,00636 bar dern, die ins Noachium gehören, haben sich die Landformen
(= 6,36 hPa), also nur ein Bruchteil des Luftdrucks, der auf seit 3,5 Ga nur wenig verändert. Wahrscheinlich wurden sie
der Erdoberfläche herrscht. Allerdings machen die Ergeb- während der Phase des heftigen Meteoriten-Bombardements
nisse der Weltraum-Missionen wahrscheinlich, dass der vor 3,9–3,8 Ga geprägt, das wir bereits aus der Geschichte
Mars in der geologischen Vergangenheit eine wesentlich des Mondes kennen (Abschn. 28.3, S. 502f). Demgegenüber
dichtere Atmosphäre besaß, die jedoch wegen seiner – im ist das noachische Grundgebirge in den Tiefländern weitge-
Vergleich zu Merkur, Erde und Venus – relativ geringen hend durch Vulkanite und Sedimente des Hesperiums und
mittleren Dichte (3,9335 ±0,0004 g/cm3) und Gravitations- des Amazoniums überdeckt. Im Vergleich zu den Mond-
kraft allmählich an den Weltraum verloren ging. Die dün- Hochländern weisen die noachischen Hochländer des Mars
ne Mars-Atmosphäre mit ihrem – absolut gesehen – gerin- charakteristische Unterschiede auf (z. B. Carr 1999):
gen CO2-Gehalt vermag nur wenig Sonnenwärme zu spei-
chern, so dass der Mars fast keinen Treibhauseffekt besitzt In den Mars-Hochländern ist der Erhaltungszustand
(Jakosky 2005; McSween 2005). So liegt die mittlere Ober- der Krater sehr viel schlechter, was auf stärkere Erosi-
flächen-Temperatur bei etwa –50 °C, jedoch mit erhebli- ons-Prozesse hinweist.
30.1 · Die erdähnlichen Planeten 531
Abb. 30.3.
Die Topographie des Tharsis-
Plateaus auf dem Mars mit den
großen Schildvulkanen. (Nach
Faure u. Mensing 2007)
Vulkanismus und Tektonik reich der Tharsis-Schwelle zurückgeht. Wir wissen noch
nicht, welche Mantel-Prozesse dafür verantwortlich sind,
Besonders eindrucksvoll sind die Vulkanbauten auf dem dass im Bereich der Tharsis- und der Elysium-Schwelle über
Mars. Hierzu gehören vor allem die großen Schildvulkane Zeiträume von mehreren Milliarden Jahren Krusten-
Arsia Mons, Pavonis Mons und Ascraeus Mons auf der verdickung und Vulkanismus stattfanden. Im Gegensatz zur
Tharsis-Schwelle sowie der isolierte Olympus Mons nord- Erde hat es auf dem Mars niemals plattentektonische Pro-
westlich davon (Abb. 30.3, 30.5). Diese Vulkane entstanden zesse gegeben; es herrscht Vertikal-Tektonik, die vermut-
während des Amazoniums, also in einer relativ späten Pha- lich stärker durch endotherme und exotherme Phasenü-
se der Marsentwicklung, im Zusammenhang mit aufstei- bergänge im Inneren des Planeten gesteuert wird, als das
genden Mantel-Plumes (z. B. McSween 2005). Mit einem im Erdinnern der Fall ist (Head 1999).
Basisdurchmesser von 550–600 km und einer Höhe von ca.
26 000 m über NN bzw. ca. 24 000 m über der umgebenden Zusammensetzung der Marsgesteine
Hochebene ist Olympus Mons der größte bisher bekannte
Schildvulkan unseres Planetensystems. Er übertrifft an Grö- Die besten Daten über die chemische und mineralogische
ße bei weitem den Mauna Loa auf Hawaii, den größten Zusammensetzung von Marsgesteinen liefern die Meteori-
Schildvulkan der Erde mit einem Basisdurchmesser von te aus der Gruppe der SNC-Achondrite (Shergottite, Nakhlite,
120 km, der sich „nur“ 9 100 m über dem Boden des Pazifik Chassignite), die von der Oberfläche des Mars stammen
erhebt (Abb. 30.5). Ähnlich wie die anderen nahe gelege- (vgl. Abschn. 29.3.2, S. 514f). Sie stellen Basalte und ultra-
nen Vulkane zeigt Olympus Mons in seinem Gipfelbereich mafische Kumulate dar, die entsprechenden irdischen
eine komplex zusammengesetzte Gipfel-Caldera mit dem Gesteinen sehr ähneln, jedoch – bezogen auf das Mg/Si-
riesigen Durchmesser von ca. 90 km, was auf eine entspre- Verhältnis – einen geringeren Al-Gehalt sowie meist hö-
chend große Magmenkammer im Inneren des Vulkans here Verhältnis von volatilen zu refraktären Elementen
schließen lässt. An der Basis von Olympus Mons beobach- (z. B. K/La) aufweisen (vgl. McSween 2005).
tet man eindrucksvolle Steilstufen, die bis zu 6 000 m hoch
Die Geochemie der basaltischen Shergottite ist in unterschiedli-
werden (Abb. 30.5). Man nimmt an, dass die großen Schild-
chem Maß durch die Assimilation von krustalen Gesteinen modi-
vulkane des Mars über einen Zeitraum von mehreren Mil- fiziert worden, wobei es zur Anreicherung inkompatibler Elemen-
liarden Jahren aktiv waren. Die Vielzahl der übereinander te kam. Das zeigt sich an zunehmend erhöhten LREE/HREE-,
geflossenen Lavaströme sind in unterschiedlichem Maß von Rb/Sr- und Nd/Sm- Verhältnissen sowie an hohen 87Sr/86Sr- und
verschieden alten Kratern durchsetzt (z. B. McSween 2005; niedrigen 143Nd/144Nd-Initialwerten (vgl. Abschn. 31.5.3, S. 572f).
Head 1999). Dabei weisen die jüngsten Lavaströme von Olym- Darüber hinaus waren die assimilierten Krustengesteine stärker
oxidiert als die basaltischen Magmen aus dem Mars-Mantel.
pus Mons eine sehr geringe Kraterdichte auf und dürften
nicht älter als 100–200 Ma sein (Hartmann u. Neukum 2001). Mit Ausnahme des Mars-Meteoriten ALH84001, des-
Daneben gibt es auf den Hochebenen des Mars wie Ely- sen Alter mit isotopischen Methoden zu etwa 4,5 Ga be-
sium Planitia und Amazonis Planitia (Abb. 30.3) Flutbasalte, stimmt wurde, erbrachten die SNC-Achondrite relativ jun-
deren Alter bis etwa 2 Ga zurückreicht, während die gerin- ge isotopische Alter von 1,22–1,66 Ga (Borg et al. 2005);
ge Kraterdichte der jüngsten, ungewöhnlich frischen Lava- sie entstanden also in der jüngeren geologischen Periode
ströme auf Alter von nur 20–3 Ma hinweist (Hartmann u. des Mars, dem Amazonium.
Neukum 2001). In der Nähe des Impakt-Beckens Hellas liegt In-situ-Analysen von Marsgesteinen sind selten. Mit-
der Vulkan Tyrrhena Patera, dessen Förderprodukte ge- tels Röntgenfluoreszenz- und Alpha-Protonen-Röntgen-
schichtet und tief erodiert sind. Es handelt sich wahrschein- spektrometrie analysierten die Rover der Viking- und
lich um Pyroklastite, die SiO2-reichere Zusammensetzun- Mars-Pathfinder-Sonden hauptsächlich den Marsboden, der
gen aufweisen als die Basaltlaven der Schildvulkane. maximal bis in Tiefen von einigen Zentimetern beprobt
Mit einer Längserstreckung von 4 000 km und Höhen wurde. Diese lockeren Staubsedimente sind durch Wind-
bis zu 10 000 m über NN stellt die riesige Tharsis-Schwel- transport homogenisiert worden, stellen also keine un-
le, deren Bildung bis in das Noachium zurückreicht, das veränderten Proben der unterlagernden Gesteine dar. Sie
herausragende tektonische Element des Mars dar. Die erbrachten über Tausende von Kilometern etwa die gleiche
Schwelle ist von einem ausgedehnten System von radia- Zusammensetzung, die in vieler Hinsicht den basaltischen
len tektonischen Gräben und konzentrischen Kompres- Shergottiten ähneln. Die chemische in-situ-Analyse an
sions-Rücken umgeben, die fast ein Drittel der Mars-Ober- einem staubfreien Mars-Gestein im Hochland Chryse
fläche beeinflussen (Abb. 30.3). So ist das riesige Canyon- Planitia ergab – überraschenderweise – eine Andesit-Zu-
System der Valles Marineris, das sich von der Ostflanke sammensetzung (z. B. Rieder et al. 1997; Wänke et al. 2001;
der Tharsis-Schwelle auf mehr als 4 000 km nach Osten McSween 2005). Wie durch thermische Emissions-Spek-
verfolgen lässt, tektonisch angelegt. Das gesamte Bruch- troskopie (TES) gezeigt wurde, könnten die Böden in den
system ist offensichtlich durch gravitativen Kollaps ent- nördlichen Tiefebenen des Mars, die früher einmal von
standen, der auf die enorme Krustenverdickung im Be- einem Ozean bedeckt waren, ebenfalls andesitische Zu-
30.1 · Die erdähnlichen Planeten 533
Abb. 30.5. a Luftbild des Schildvulkans Olympus Mons mit einer Höhe von 24 000 m über der unterlagernden Hochebene und 26 000 m
über NN. Man erkennt die große, komplexe Gipfelcaldera, Lavaströme unterschiedlichen Alters, die randlichen Steilhänge sowie junge
Meteoriten-Krater. b Die Seitenansicht zeigt den spektakulären Steilhang an der SO-Flanke von Olympus Mons; zum Größenvergleich ist
der größte Schildvulkan der Erde, der Mauna Loa auf Hawaii eingezeichnet. (Nach Carr 1999)
sammensetzung haben. Jedoch liegen möglicherweise Pyroxen enthalten, während Quarz fehlt. Als Umwand-
auch mechanische Mischungen von Basalt und Andesit lungsprodukte dürften Mischungen unterschiedlicher
oder verwitterte Basalte vor, die praktisch die gleichen Tonminerale und/oder Palagonit, das Zersetzungsprodukt
TES-Spektren aufweisen wie Andesit. Obwohl die TES- von basaltischem Glas (Abschn. 12.1, S. 218), dominieren.
Analysen durch die Allgegenwart von Eisenoxiden er- Ein zweifelsfreier Nachweis von Sulfaten und Karbona-
schwert wird, scheint sicher zu sein, dass die Marsböden ten auf der Marsoberfläche ist bisher nicht gelungen
hohe Anteile der magmatischen Minerale Plagioklas und (McSween 2005).
534 30 · Unser Planetensystem
Mars. Danach und auf Grund seiner mittleren Dich- Schrecken) hat eine fast exakte Kreisbahn mit einem
te von 3,93 g/cm3 unterliegt es keinem Zweifel, dass Radius von 23 459 km und benötigt für einen Mars-
der Mars einen Metallkern besitzt. Die Differentiati- umlauf 1 Tag 6 h 18 min. Wie der Erdmond wendet
on in Kern, Mantel und Kruste fand bereits während er dem Mars immer die gleiche Seite zu. Demgegen-
seiner frühesten geologischen Geschichte statt; das über hat die Bahn von Phobos (grch. ϕόβος = Furcht)
isotopische Alter des Mars-Meteoriten ALH84001 von eine größere Exzentrizität mit einer Halbachse von
ca. 4,5 Ga weist auf diese frühe Phase der Krusten- nur 9 378 km. Für seinen Umlauf benötigt er lediglich
bildung hin. Die Messdaten von Mars Global Surveyor 7 h 39 min 12 s, so dass er zweimal am Tag aufgeht,
sprechen für eine durchschnittliche Krustenmächtigkeit und zwar – wegen seiner scheinbar retrograden Um-
von mindestens 40–50 km. Sie steigt in der Tharsis- laufbahn – vom Mars aus gesehen im Westen. Durch die
Schwelle auf >100 km an, um den isostatischen Aus- Nähe zum Mars kommt es praktisch bei jedem Umlauf
gleich für die riesigen Schildvulkane zu gewährleis- des Phobos zu einer Mond- und einer partiellen Son-
ten, die dieser Schwelle aufsitzen. nenfinsternis.
Bis jetzt liegen uns keine Xenolithe vor, die direk- Phobos und Deimos besitzen lediglich Durchmes-
te Hinweise auf die chemische und mineralogische ser von 22 bzw. 12 km und sind unregelmäßig geformt.
Zusammensetzung des Mars-Mantel geben könnten. Die Oberfläche von Deimos lässt nur relativ wenige
Jedoch führen Modellrechnungen von Wänke u. Drei- Meteoritenkrater erkennen. Im Gegensatz dazu weist
bus (1988) sowie Lodders u. Fegley (1997), die auf Phobos zahlreiche Einschlagkrater auf, von denen der
der Geochemie bzw. der Isotopengeochemie von Krater Stickney mit einem Durchmesser von ca. 10 km
kohligen Chondriten und SNC-Achondriten beruhen, der größte ist. Der Einschlag des planetarischen Kör-
zu gut übereinstimmenden Ergebnissen. Danach pers, der diesen Krater schuf, muss Phobos beinahe
besteht der Obere Mars-Mantel zu 38–43 Gew.-% aus vollständig zerstört haben; der Impakt erzeugte ein Sys-
Ortho- und Klinopyroxen, zu 51–52 % aus Olivin tem von Rissen, die an der Oberfläche z. T. als Rillen
und zu 5–9 % aus Granat, hat also ein geringeres sichtbar sind. Wegen seiner geringen Entfernung unter-
Olivin-/Pyroxen-Verhältnis und ist etwas Granat- liegt Phobos den Gezeitenkräften des Mars; er nähert
ärmer als der Obere Erdmantel (vgl. Abschn. 27.3.1, sich diesem immer mehr an, was in ca. 40 Ma zum Aus-
S. 486ff, Abb. 27.18). An einer chemischen Pauschal- einanderbrechen und zum Absturz von Phobos führen
zusammensetzung, die dem Modell von Wänke u. wird (Hartmann 1999). Wie der Erdmond sind beide
Dreibus (1988) entspricht, wurden von Bertka u. Fei Marsmonde von einer Staubschicht bedeckt, die auf
(1997) Hochdruck-Experimente durchgeführt. Danach Deimos dicker als auf Phobos ist. Da die russischen
entsteht in einer Manteltiefe von ca. 1 000 km die Pa- Raumsonden Fobos 1 und 2 (1988) verloren gingen,
ragenese Wadsleyit β -(Mg,Fe)2SiO4 + Klinopyro- bevor sie ihr anspruchsvolles Messprogramm durch-
xen, die sich in ca. 1 270 km Tiefe in Ringwoodit führen konnten, besitzen wir noch keinerlei Analysen-
γ -(Mg,Fe)2SiO4 + Majorit-Granat Mg3MgSi[6][Si[4]O4]3 daten über die Zusammensetzung dieser Regolith-
umwandelt; ab 1 700 km Manteltiefe herrschen Hüllen. Immerhin wurden von diesen Sonden noch Gas-
Perowskit-Phasen vor. ausbrüche auf Phobos beobachtet, bei denen möglicher-
Nach dem geochemischen Modell von Wänke u. weise Wasserdampf gefördert wurde.
Dreibus (1988) nimmt der Kern ca. 22 % der Gesamt- Mit mittleren Dichten von 1,9 bzw. 1,7 g/cm3 haben
masse des Mars ein. Danach befände sich die Kern/ Phobos und Deimos eine ähnliche Zusammenset-
Mantel-Grenze in einer Tiefe von ca. 1 950 km; jedoch zung wie die kohligen Chondriten (Abschn. 29.3.1,
sind – modellabhängig – Abweichungen von einigen S. 513) und sind damit wesentlich primitiver als die
hundert Metern von diesem Wert möglich. Die nach in Kern, Mantel und Kruste differenzierten erdähnli-
diesem Modell berechnete Kernzusammensetzung chen Planeten. Alle bisherigen Befunde sprechen dafür,
des Mars liegt bei 53 % Fe, 8 % Ni und 39 % FeS, wo- dass beide Satelliten aus dem Asteroiden-Gürtel stam-
bei möglicherweise vorhandene Gehalte an Wasser- men, und zwar vermutlich aus dem Gebiet der Troja-
stoff und Kohlenstoff in Form von FeH bzw. Fe7C3 ner, also in erheblich größerem Abstand von der
nicht berücksichtigt sind. Andere Modellrechnungen Sonne als der Mars (s. u.). Infolge gravitationaler Stö-
kommen im Grundsatz zu ähnlichen Ergebnissen, rungen, die der Riesenplanet Jupiter ausgelöst hatte,
wenn auch mit abweichenden Fe/Ni-Verhältnissen wurden sie aus ihrer Bahn abgelenkt und vom Mars
(Bertka u. Fei 1998; McSween 2005). eingefangen.
30.2 · Die Asteroiden 535
30.2 Die Bahnen der Trojaner werden durch die Massenanziehung von 30.2
Die Asteroiden Sonne und Jupiter marginal stabilisiert; sie bilden sog. Lagrange-Punk-
te des eingeschränkten Dreikörperproblems der Himmelsmechanik,
an denen sich die Gravitationskräfte benachbarter Himmelskörper
Astronomische Erforschung und die Zentripetalkraft der Bewegung gegenseitig aufheben.
Nach der von Johann Daniel Titius (1729–1796) und Johann Entstehung
Elert Bode (1747–1826) entdeckten Regel (Kapitel 32)
müsste zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter Ohne Zweifel waren die Asteroiden und ihre Vorläufer
in 2,8 AE (= 2,8 mal die Entfernung Sonne–Erde) noch ursprünglich Planetesimale, aus denen bei der Bildung
ein weiterer Planet existieren, was jedoch nicht der Fall unseres Sonnensystems die Planeten entstanden (vgl. Ab-
ist. Im Rahmen des ersten internationalen Forschungs- schn. 32.4, S. 586). Das gelang jedoch im Fall des Asteroi-
verbundes organisierte der Direktor der Sternwarte Go- den-Gürtels nicht, weil die Planetesimale durch gravi-
tha Baron Franz Xaver von Zach (1754–1832) Ende des tationale Störungen in ausgelängte, geneigte Umlaufbah-
18. Jahrhunderts eine systematische Suche nach diesem nen gezwungen wurden, was ein allmähliches Zusammen-
fehlenden Planeten, die 1801 schließlich zur Entdeckung wachsen zu einem Planeten verhinderte. Stattdessen kam
des Asteroiden (1) Ceres führte. es immer wieder zu Zusammenstößen mit Geschwindig-
keiten in der Größenordnung von 5 km/s, was meist ka-
Dieser war in der Neujahrsnacht 1800/1801 von Guiseppe Piazzi
tastrophale Fragmentierungen, nur selten ein Zusammen-
(1746–1826) in der Sternwarte Palermo als schwaches Objekt ent-
deckt worden, aber wegen seiner Wanderung in Richtung Sonne backen zur Folge hatte. Die Ursache der gravitationalen
wieder verloren gegangen. Trotzdem gelang es dem berühmten deut- Störungen liegt höchstwahrscheinlich in der gewaltigen
schen Mathematiker Carl Friedrich Gauss (1777–1855), mit der von Jupitermasse, die etwa das 318-fache der Erdmasse be-
ihm entwickelten Methode der Kleinsten Quadrate die Umlaufbahn trägt. Möglicherweise führte die Gravitationskraft des
zu berechnen, so dass am 31. Dezember 1801 Heinrich Wilhelm Jupiter direkt zu Bahnstörungen der Planetesimale, oder
Olbers (1758–1840) Ceres wieder auffinden konnte.
aber einige der größeren Planetesimale gerieten in die
In den Jahren 1802 und 1807 entdeckte Olbers die Aste- Nähe des Jupiters, wurden versprengt und auf stark ex-
roiden (2) Pallas und (4) Vesta, während der Asteroid (3) zentrische Umlaufbahnen gezwungen. Dadurch kam es
Juno 1803 von Karl Ludwig Harding erkannt wurde. Erst zu nahen Begegnungen mit der Hauptmenge der Astero-
1846 gelang die Entdeckung von (5) Astraea. Danach wur- iden, die beschleunigt und in abweichende Umlaufbah-
den in rascher Folge weitere Asteroiden gefunden und bis nen gebracht wurden. Die meisten der früh gebildeten
1890 war ihre Zahl auf 300 angewachsen. Seit 1890 konnte Asteroiden könnten durch Kollisionen mit den vom Jupiter
man auch die Spuren sehr lichtschwacher Objekte auf die versprengten Planetesimalen oder durch gegenseitige Zu-
Fotoplatte bannen, was die Entdeckung zahlreicher weite- sammenstöße zerstört worden sein (Chapman 1999).
rer Asteroiden und die Berechnung ihrer Umlaufbahnen
ermöglichte. Einen weiteren großen Schub erhielt die Kollisionsgeschichte
Asteroidenforschung seit 1990 durch die Computer-gestütz-
ten CCD-Kameratechnik, durch die amerikanischen Raum- Gegenüber dem riesigen Volumen des Asteroiden-Gür-
sonden Galileo (1991), NEAR-Shoemaker (1997), Deep tels ist die Gesamtmasse der Asteroiden verschwindend
Space 1 (1999) und Stardust 2002 sowie die japanische gering. Trotzdem besteht während der ≈ 4,570 Ga langen
Raumsonde Hayabus (2005). Die Rosetta-Sonde der ESA Geschichte unseres Sonnensystems immer wieder die
erreichte 2008 den Asteroiden (2867) Steins und wird 2010 Chance zu kleineren oder größeren Kollisionen, die zur
nahe dem Asteroiden (21) Lutetia vorbeifliegen, ehe sie 2014 Bildung von Impaktkratern, aber auch zur vollständigen
auf dem Kometen Tschurjunov-Gerasimenko landen wird. Fragmentierung führen können. Dabei erreichen die
Bruchstücke oft nicht die notwendige Entweichgeschwin-
Der Asteroiden- oder Planetoiden-Gürtel stellt einen digkeit, so dass sie sich erneut zu einem Asteroiden oder
fast 2 AE breiten wulstartigen Gürtel dar, der aus ei- einem System von zwei oder mehreren Körpern zusam-
ner Fülle kleiner planetarischer Körper aufgebaut ist; menballen können. Bei hinreichend großen Kollisionen
er erreicht etwa 2,1–3,3 AE von der Sonne entfernt wird der Asteroid jedoch vollständig zerstört, und die
seine größte Dichte. Bislang sind etwa 220 000 Aste- Bruchstücke werden als Asteroiden-Familie im Raum zer-
roiden entdeckt, nummeriert und benannt worden; streut, wenn auch mit ähnlichen Umlaufbahnen. Beispie-
noch viel mehr blieben bislang unentdeckt und ihre le sind die nach ihrem japanischer Entdecker benannte
tatsächliche Anzahl dürfte in die Millionen gehen. Hirayama-Familie, ferner die Themis-, Eos- und Koronis-
Eine große Zahl von Asteroiden, die als Trojaner be- Familien, deren einzelnen Körper sich durch ähnliche
zeichnet werden, umkreisen die Sonne im Bereich der Spektral-Eigenschaften als zusammengehörig erweisen
Jupiterbahn, und zwar ungefähr 60° vor oder hinter (Chapman 1999). Manche der kleineren Asteroiden be-
diesem Riesen-Planeten (Chapman 1999). stehen nur noch aus Anhäufungen von zahllosen Gesteins-
536 30 · Unser Planetensystem
brocken, die lediglich durch Gravitationskräfte zusam- wie Kollisionen, Meteoritenbeschuss oder Gezeiten-
mengehalten werden, wie z. B. der Doppelasteroid (4769) kräfte in ihrem Erscheinungsbild verändert, während
Castalia oder der 5,1 km lange und 1,8 km breite Astero- sie in ihrer stofflichen Zusammensetzung noch die
id (1620) Geographos, der wahrscheinlich das langge- „Urmaterie“ repräsentieren, aus der sie in der Frühzeit
streckteste Objekt des Sonnensystems darstellt. Manche unseres Sonnensystems entstanden sind. Allerdings
dieser planetaren „Schutthaufen“ sind vermutlich nicht wurden sie während der ersten Millionen Jahre nach
durch Kollisionen, sondern durch interne Gezeitenkräfte ihrer Entstehung soweit aufgeheizt, dass Wassereis
beim Beinahe-Zusammenstoß mit der Erde oder der schmelzen und H2O in ihr Inneres einsickern konn-
Venus entstanden (Chapman 1999). te, was zur Bildung von H2O-haltigen Mineralen führ-
te. Asteroiden dieses Typs, z. B. (1) Ceres, werden
Größe und Form durch die ganz primitive Meteoritengruppe der
kohligen Chondrite repräsentiert (Abschn. 29.3.1,
Aller Wahrscheinlichkeit nach sind Asteroiden heute kal- S. 513). Andere Asteroiden, wie (433) Eros oder
te, leblose Körper ohne Lufthülle. Der größte Asteroid, (16) Psyche sind infolge von Impakt- und Kollisions-
(1) Ceres besitzt einen Durchmesser von ca. 930 km und Vorgängen mehr oder weniger stark metamorph
nimmt mehr als ein Viertel der Masse des gesamten Aste- rekristallisiert; sie entsprechen in ihrem Gefüge und
roiden-Gürtels ein. Die Durchmesser der nächstgrößten Mineralbestand den gewöhnlichen Chondriten bzw.
Asteroiden, (2) Pallas und (4) Vesta, betragen etwas mehr den Enstatit-Chondriten. (Abschn. 29.3.1, S. 512).
als 500 km. Erwartungsgemäß sind kleinere Asteroiden Asteroiden im inneren, sonnennäheren Bereich
zunehmend häufiger, bis hin zu den unzähligen Objek- des Gürtels wurden nach ihrer Entstehung durch den
ten von km-Größe und den noch kleineren Körpern, die Zerfall des radiogenen Aluminium-Isotops 26Al stark
man höchstens bei Annäherung an die Erde erkennt. aufgeheizt. Dadurch konnte es zur partiellen Auf-
Manche Asteroiden haben ungefähr kugelige Gestalt; an- schmelzung und zu einer Differentiation in Kruste,
dere zeigen ausgelängte oder unregelmäßige Formen, die Mantel und Metallkern kommen (z. B. Kleine et al.
auf Fragmentierungs-Prozesse hinweisen, denen sie aus- 2005a). So ähneln die Achondrite (Abschn. 29.3.2,
gesetzt waren. Obwohl das mit bodengestützten Telesko- S. 513f) weitgehend Gesteinen der Erdkruste und
pen nur schwierig zu erkennen ist, dürften Asteroiden dürften daher aus der Kruste von Asteroiden stam-
häufig von Satelliten umrundet werden. So wurde von der men. Beispielweise stimmen die Reflexions-Spektren
Raumsonde Galileo der 1,5 km große Satellit Dactyl ent- von (4) Vesta und (44) Nysa gut mit denen von
deckt, der den Asteroiden (243) Ida umkreist. Eukriten bzw. von Aubriten überein. Demgegenüber
repräsentieren die Eisenmeteorite (Abschn. 29.3.4,
Zusammensetzung und innerer Aufbau S. 517ff ) den Nickel-Eisen-Kern von Meteoriten-
Mutterkörpern und stellen somit ein wichtiges In-
Erste Hinweise auf die Zusammensetzung von Aste- diz für die uns unzugänglichen metallischen Kerne
roiden lassen sich bereits aus ihren Reflexions-Spek- der erdähnlichen Planeten dar. Analog kann man die
tren gewinnen, in denen das Reflexionsvermögen Stein-Eisen-Meteorite als mechanische Mischung aus
(Albedo) in Abhängigkeit von der Wellenlänge auf- Kern- und Mantel-Bereichen von Asteroiden inter-
getragen ist. Nach den Absolutwerten der Albedo, pretieren (vgl. Abschn. 29.3.3, S. 516f). Es gehört zu
besonders aber nach der Form der Reflexionskurven den großen Glücksfällen, dass einige der in Kern,
kann man 14 verschiedene Typen unterscheiden, die Mantel und Kruste differenzierten Asteroiden durch
sich zumindest teilweise an bekannten Meteoriten- Kollisionen gespalten wurden, so dass ihr tiefes In-
Typen eichen lassen (vgl. Chapman 1999). Seit den neres freigelegt wurde und Bruchstücke davon als
grundlegenden Untersuchungen des deutschen Phy- Meteoriten auf die Erde fallen konnten.
sikers Ernst Chladni (1756–1827) wissen wir näm-
lich, dass die allermeisten Meteorite aus dem Astero- Erdnahe Asteroiden
iden-Gürtel stammen und somit für direkte minera-
logische und geochemische Analysen zur Verfügung Die Zahl der Asteroiden mit >1 km ∅, die sich in der
stehen (Kapitel 29). Deswegen sind die Asteroiden in Nähe der Erdumlaufbahn bewegen. dürfte bei nahezu
ihrer Zusammensetzung und ihrem inneren Aufbau 2 000 liegen (Chapman 1999), kleinere Objekte, ins-
besser bekannt als jeder andere planetarische Kör- besondere mit 10–100 m ∅ sind noch sehr viel häufiger.
per, einschließlich unserer Erde und dem Mond! Asteroiden, deren Bahnen sich auf 1,3 AE der Sonne
Die Asteroiden im äußeren, sonnenfernen Bereich nähern bezeichnet man als Amors, solche, deren Bahn
des Gürtels wurden lediglich durch äußere Einflüsse, die Erdbahn schneidet, als Apollos; insgesamt wurden
30.3 · Die Riesenplaneten und ihre Satelliten 537
bereits über 400 dieser planetarischen Körper entdeckt. geschichtlicher Zeit von scharfen Beobachtern am
Dazu kommen noch zwei Dutzend Atons, deren Um- Nachthimmel gesehen; jedoch ist er bei den heutigen
laufbahnen Halbachsen von kleiner als 1 AE aufweisen. Lichtverhältnissen kaum mit freiem Auge zu erkennen.
Asteroiden, deren Umlaufbahnen so gestört sind, dass Wilhelm Herschel entdeckte ihn 1781 mittels eines Tele-
sie eine Planetenbahn kreuzen, sind relativ kurzlebige skops, hielt ihn jedoch zunächst für einen neuen Kome-
Objekte. Nach wenigen Ma stürzen sie entweder in die ten. Nachdem man die Umlaufbahn von Uranus über
Sonne ab, treffen einen terrestrischen Planeten oder mehrere Dekaden beobachtet hatte, erkannte man Bahn-
werden durch die Anziehungskraft des Jupiter in den störungen und damit scheinbare Abweichungen von den
Weltraum abgelenkt. Keplerschen Gesetzen. Auf Grund dieser Beobachtungen
Wie wir gesehen haben, waren Meteoritenfälle in sagten J. C. Adams und U. J. J. Le Verrier im Jahr 1846
der Frühzeit unseres Sonnensystems häufiger als jetzt. unabhängig voneinander voraus, dass ein noch weiter
Sie sind verantwortlich für die Kraterlandschaften, entfernter Planet existieren müsste. Dieser wurde noch
die wir heute noch auf Merkur, Venus und Mond beob- am gleichen Abend, als diese Voraussage bei ihnen ein-
achten. Wahrscheinlich haben sie darüber hinaus traf, von G. Galle und H. L. D’Arrest entdeckt und Neptun
Material zur Krustenbildung der erdähnlichen Planeten benannt. Allerdings weiß man heute, dass bereits Galileo
beigesteuert. Möglicherweise haben volatilreiche Aste- Galilei 1612 den Neptun gesehen, ihn aber nicht als Pla-
roiden und Kometen bei ihren Aufprall auf der Erde neten erkannt hatte. Vermutungen über Bahnstörungen
Wasser und organische Verbindungen in die Erdkruste beim Neptun, die sich jedoch später als irrig erwiesen,
eingetragen und so die Entstehung des Lebens auf der lösten eine vergebliche Suche nach einem weiteren
Erde ermöglicht. Andererseits werden Einschläge von Riesenplaneten, dem „Transneptun“, aus, führten aber
riesigen kosmischen Körpern auf der Erde für Mas- 1930 zur Entdeckung der Zwergplaneten Pluto durch
senaussterbe-Ereignisse in der geologischen Vergangen- Clyde Trombaugh (Lunine 2005).
heit verantwortlich gemacht (Abschn. 29.1, S. 507). Bereits 1610 hatte Galileo Galilei die vier großen Jupiter-
Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass einer der be- Monde Io, Europa, Ganymed und Callisto entdeckt, wäh-
kannten erdnahen Asteroiden mit der Erde kollidiert, rend Christiaan Huygens (1659) die Saturnringe und
ist gering: Ein solches Ereignis trifft schätzungsweise nur Giovanni Domenico Cassini (1676) die erste große Lücke
einmal in mehreren hunderttausend Jahren ein. Trotz- in der Ringfolge erkannten. In der Folgezeit konnten durch
dem stellen erdnahe Asteroiden eine potentielle Gefahr die Qualitätsverbesserung von bodengestützten Telesko-
für die menschliche Zivilisation dar. Andererseits kön- pen und durch das Hubble-Weltraum-Teleskop, das seit
nen sie in Zukunft als günstige Basislager für weiter rei- 1990 die Erde in 590 km Höhe in 95 min einmal umkreist,
chende Planeten-Missionen genutzt werden. Aus diesen weitere Satelliten der großen Planeten entdeckt werden.
Gründen ist Asteroiden-Forschung ein wichtiger Zweig Einen großen Schritt nach vorn bedeuteten die Vorbei-
der Weltraumforschung. flüge der amerikanischen Raumsonden Pioneer 10 und 11
Am 17. Februar 1997 wurde die Mission Near Earth (1973/1974), Voyager 1 und 2 (Start 1979), Ulysses (Start
Asteroid Rendezvous (NEAR) gestartet, die eine Erfor- 1992), Galileo (Start 1995) und Cassini-Huygens (Start 2000),
schung der Asteroiden (253) Mathilde und (433) Eros zum denen die Entdeckung mehrerer Jupiter- und Saturn-Mon-
Ziel hatte. Am 27. Oktober 1997 flog NEAR in einer Ent- de sowie der meisten heute bekannten Uranus- und Neptun-
fernung von 1 200 km an Mathilde vorbei und erreichte Monde zu verdanken ist. Im Juli 2008 hatte Voyager 1 ei-
am 14. Februar 2000 die Umlaufbahn um Eros, der nen Weg von 17,2 Milliarden km oder 115 mal die Ent-
zunächst in 350 km Höhe, später in 50 km Höhe umrundet fernung Erde–Sonne (115 AE) zurückgelegt und nähert
wurde. Entgegen der ursprünglichen Planung landete die sich der Grenze unseres Planetensystems.
Sonde am 12. Februar 2001 sicher auf der Oberfläche des Trotz dieser Fortschritte hatten die Ergebnisse der
Asteroiden und übermittelte bis zum 28. Februar 2001 Planetenforschung zunächst wenig Bezug zu den stella-
Daten von seiner Oberfläche. ren Prozessen im gesamten Universum und waren daher
für die meisten Astrophysiker nur von begrenztem Inter-
30.3 esse. Das änderte sich in den 1990er Jahren, als die ersten 30.3
Die Riesenplaneten und ihre Satelliten Riesenplaneten außerhalb unseres Planetensystems ent-
deckt wurden (Wolszczan u. Frail 1992; Mayor u. Queloz
30.3.1 1995). Inzwischen gibt es insgesamt über 300 Objekte in
Astronomische Erforschung dieser Klasse, von denen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun
mit Abstand am besten untersucht sind. Von einigen
Die Riesenplaneten Jupiter und Saturn sind mit dem Riesenplaneten außerhalb unseres Sonnensystems wie
bloßen Auge sichtbar und waren bereits im Altertum beispielsweise HD209458 (Lunine 2005) sind Bahndaten,
bekannt. Vermutlich wurde auch Uranus schon in vor- Größe und Masse bekannt.
538 30 · Unser Planetensystem
30.3.2 bis zu großer Tiefe aus Wasserstoff und Helium, die bei
Atmosphäre und innerer Bau der Riesenplaneten Drucken von >100 kbar allmählich in den flüssigen Zu-
stand übergehen. Bei weiterer Druckerhöhung auf ca.
Bereits 1932 hatte Wildt mittels teleskopischer Spektros- 1 Mbar und bei einer Temperatur von ca. 6 000 K begin-
kopie Methan CH4 und Ammoniak NH3 als Bestandteile nen die Bindungen der H2-Moleküle aufzubrechen und
der Jupiter-Atmosphäre entdeckt. Methan ist auch in den Wasserstoff geht in eine flüssige metallische Modifikati-
Atmosphären der übrigen Riesenplaneten vorhanden, on über, die aus Protonen H+ in einem Elektronengas
während die Anwesenheit von NH3 für Saturn sicher, für besteht. Wegen seiner metallischen Bindung stellt Was-
Uranus und Neptun fraglich ist; möglicherweise enthält serstoff im Innern von Jupiter und Saturn einen guten
die Neptun-Atmosphäre statt dessen Stickstoff N2. Aus der elektrischen Leiter dar, durch den elektrische Ströme flie-
geringen mittleren Dichte der Riesenplaneten wurde ßen können. Bei der Rotation dieser Planeten entstehen
schon länger vermutet, das diese in ihrem Innern Was- daher starke Magnetfelder. Die Bedingungen für den
serstoff enthalten müssten, jedoch konnten erst Kiess et al. Übergang molekulares H2 → metallisches H sind beim
(1960) in den Atmosphären von Jupiter Wasserstoff spek- Jupiter bereits in einer Tiefe von ca. 10 000 km unterhalb
troskopisch nachweisen, was später auch für die anderen der obersten Wolkenschicht, d. h. bei ca. 16 % seines
Riesenplaneten gelang. Bei einem Druck von ca. 1 bar und Gesamtradius gegeben. Dagegen werden die notwendi-
Temperaturen von –108 °C (Jupiter) bis –197 °C (Uranus) gen Drücke beim Saturn wegen seiner viel geringeren
liegt Wasserstoff in den Planeten-Atmosphären in Form Masse erst deutlich tiefer, bei etwa 45 % seines Gesamt-
gasförmiger H2-Moleküle vor. Die Existenz von Helium radius erreicht (Abb. 30.6). Möglicherweise gibt es im
in den Atmosphären der Riesenplaneten konnte erstmals Inneren der beiden Planeten eine Zone, in der flüssiges H
durch die Raumsonde Voyager mit unterschiedlichen und He nicht mehr homogen miteinander mischbar sind;
Methoden sicher gestellt werden. Nach neuesten Messun- He würde dann in Form von Tropfen nach unten absaigern
gen ist das molare He/H-Verhältnis für die oberen Schich- und sich erst in größerer Tiefe wieder im flüssigen H auf-
ten von Jupiter 0,1359 ±0,0027, von Saturn 0,135 ±0,025, lösen. Chemische Elemente mit höherer Ordnungszahl als
von Uranus 0,152 ±0,033 und von Neptun 0,190 ±0,032; H und He sind vermutlich im tiefen Inneren von Jupiter
für Jupiter und Saturn ist das He/H-Verhältnis ähnlich wie und Saturn kontinuierlich verteilt und nicht in diskreten
in de äußeren Bereichen der Sonne. Als untergeordnete Gas- Lagen angereichert. Wahrscheinlich besitzen beide Pla-
Bestandteile wurden in der Jupiter-Atmosphäre H2O, PH3, neten einen Kern, dessen Radius etwa 10 % des Gesamt-
H2S, AsH3, GeH4, Ne, Ar, Kr und Xe, in der Saturn-Atmos- radius beträgt; seine Masse ist beim Jupiter etwa 10 mal,
phäre PH3, AsH3 und GeH4 nachgewiesen (Lunine 2005). beim Saturn etwa 3 mal so groß wie die Erdmasse und liegt
Wie man aus astrophysikalischen Messungen, Schock- in einer ähnlichen Größenordnung wie die Gesamtmassen
wellen-Experimenten und thermodynamischen Model- von Uranus (= 14,6 M/ME) und Neptun (= 17,1 M/ME).
lierungen ableiten kann, zeigen die Riesenplaneten in Vermutlich besteht der äußere Kern von Jupiter und Saturn
ihrem Inneren einen verwaschenen Lagenbau (Abb. 30.6). aus Eis und geht in einen inneren Kern aus festem Gesteins-
Danach bestehen die Riesen-Gasplaneten Jupiter und Saturn material über (Abb. 30.6; Hubbard 1999; Lunine 2005).
Abb. 30.6.
Innerer Aufbau der Riesen-
Pla-neten unseres Sonnensys-
tems und des extrasolaren Rie-
sen-Planeten HD209458b sowie
des braunen Zwerges GI229b.
(Nach Lunine 2005, mit freund-
licher Genehmigung des Verla-
ges Elsevier)
30.3 · Die Riesenplaneten und ihre Satelliten 539
heute noch werden. Vulkankrater und Calderen sind das (vgl. Johnson 2005). Nach einer Abschätzung von Johnson
dominierende Landschaftselement auf Io; nicht weniger als (1999) werden auf Io jährlich mindestens 500 km3 Lava
200 Calderen mit Durchmessern von >20 km wurden bis- gefördert, 100 mal so viel wie auf der Erde!
lang entdeckt; sie ähneln den irdischen Calderen, werden Neben diesem Silikat-Vulkanismus gibt es jedoch auf Io
aber bis zu 400 km groß und teilweise mehrere Kilometer noch das auffallende vulkanische Phänomen der riesigen,
tief. Sie enthalten häufig Seen aus geschmolzenem Schwe- pilzförmigen Plumes (Rauchwolken), die von vulkanischen
fel (Abb. 30.8). Der hufeisenförmige Lavasee in der Loki- Zentren ausgehen und sich bis in Höhen von bis zu 400 km
Region hat einen Durchmesser von 200 km; in der Nähe erheben (Abb. 30.8). Sie erinnern an irdische Geysire, be-
beobachtet man eine 180 km lange Eruptionsspalte. Der stehen aber nicht aus Wasser, sondern aus flüssigem SO2
Vulkan Haemus Mons hat einen Basis-∅ von 200 × 100 km (±S ?), das im Kontakt mit heißen Silikatmagma aufkocht.
und eine Höhe von ca. 10 000 m über NN. Neben Vulkan- Wenn der überhitzte SO2-Dampf die Io-Oberfläche erreicht,
formen gibt es auch bis zu 9 000 m hohe Berge, die nicht sublimiert er zu SO2-Schnee, der in einer kalten Gaswolke
vulkanischen Ursprungs, sondern vermutlich durch tekto- mit Geschwindigkeiten bis zu 1 km/s nach oben befördert
nische Prozesse entstanden sind. und im Vakuum hoch über Io pilzförmig ausgeblasen wird.
Während man zunächst darüber diskutierte, ob auf Io Allmählich regnet der SO2-Schnee wieder herab und be-
neben kühleren Schwefel-Laven auch heiße Silikat-Laven deckt kreisförmige oder ovale Gebiete der Io-Oberfläche
gefördert werden, konnten erdgestützte IR-Untersuchun- mit seinen Ablagerungen. Im Gegensatz zu vulkanischen
gen große Hot Spots mit Temperaturen bis zu 1 700 °C Explosionen, wie wir sie von der Erde kennen, sind die
nachweisen. Darüber hinaus zeigten spektroskopische Plumes auf Io also relativ langlebige Phänomene (Johnson
Untersuchungen, die von der Galileo-Mission (1995–2003) 1999, 2005). Neben elementarem Schwefel und SO2 wurde
an Eruptionen von mehreren aktiven Vulkanen durchge- als untergeordnete Komponente auf der Oberfläche von Io
führt wurden, dass die geförderten, dünnflüssigen Laven auch Halit NaCl nachgewiesen (Johnson 2005).
Temperaturen von deutlich > ∼1 230 °C besitzen, also Io besitzt eine äußerst dünne Atmosphäre von ca.
silikatisch sind. Offensichtlich handelt es sich nicht nur 120 km Höhe, die sich überwiegend aus SO2 zusammen-
um gewöhnliche basaltische, sondern sogar um Mg-rei- setzt; die Ionosphäre reicht bis 700 km Höhe und besteht
che ultrabasische Magmen, ähnlich denen der Komatiite aus S-, O-, Na- und K-Ionen. Der Teilchenverlust, der durch
Abb. 30.7. Der innere Aufbau der Marsmonde Io, Europa, Ganymed und Callisto (vgl. Text). (Nach Johnson 1999)
30.3 · Die Riesenplaneten und ihre Satelliten 541
Cassini-Huygens ist Titan heute der am besten untersuch- Mit einer mittleren Dichte von 1,88 g/cm3 hat Titan
te Saturn-Mond. Während Cassini seit seiner Ankunft am einen durchschnittlichen Silikatanteil von etwa 55 %
1. Juli 2004 den Saturn in einer Umlaufbahn umrundet, (Johnson 2005), der vermutlich im Kernbereich des
wurde Huygens abgekoppelt und landete am 14. Januar Mondes konzentriert ist. Dieser Kern wird von einem
mit einer Geschwindigkeit von 4,5 m/s auf der Saturn- Mantel aus Hochdruck-Wassereis umgeben, während
Oberfläche. die äußere Hülle aus Wassereis und Methanhydrat
Bemerkenswert ist die Atmosphäre von Titan, die ei- besteht. Nach neueren Modellrechnungen von 2005
nen Luftdruck von 1,6 bar (= 1 600 hPa) auf seine Ober- könnte sich zwischen beiden Eisschichten ein globa-
fläche ausübt und etwa zehn mal so dicht wie die Erd- ler Ozean ausdehnen. Die erhöhten Drucke und ein
atmosphäre ist. Die Temperatur am Boden beträgt –170 °C Gehalt ca. 10 % Ammoniak NH3 als „Frostschutzmit-
und nimmt bis zu einer Höhe von 42 km, der Tropopau- tel“ würden verhindern, dass Wasser bei einer zu er-
se, auf ca. –200 °C ab, um danach wieder auf einen Maxi- wartenden Temperatur von –20 °C gefriert.
malwert von –100 °C anzusteigen (Owen 1999). Die At-
mosphäre von Titan besteht zu etwa 94 % aus N2 und ent-
hält ca. 6 % CH4 und Ar sowie ca. 0,2 % H2, das ständig Die anderen großen Saturn-Monde Mimas, Enceladus,
aus dem Zerfall von CH4 freigesetzt wird. Komplexe Tethys, Dione, Rhea und Iapetus besitzen mittlere Dich-
photochemische Reaktionen, ausgelöst durch den UV- ten zwischen 1,17 und 1,61 g/cm3 entsprechend geschätz-
Anteil des Sonnenlichts, führen in der höheren Atmos- ten Silikatanteilen von 30–50 % (Tabelle 31.2). Mit Aus-
phäre zur Entstehung weiterer Kohlenwasserstoffe wie nahme von Iapetus sind die Reflexionswerte dieser Mon-
C2H6 (20 ppm), C2H2, C3H8, C3H4, C2H4, C4H2 sowie HCN, de sehr hoch, was auf hohe Anteile an sehr reinem Wasser-
CO (50 ppm), CO2 und H2O (Owen 1999; Johnson 2005). eis schließen lässt. Voyager-Bilder zeigen, das die meisten
In etwa 20 km Höhe bilden sich Wolken, die aus flüssi- dieser Monde alte Oberflächen mit zahlreichen Impakt-
gem Methan und Stickstoff bestehen; in etwa 50 km Höhe kratern aufweisen. Die Existenz des riesigen Kraters
befindet sich eine Wolkenschicht aus Methan-Stickstoff- Herschel auf Mimas mit 130 km ∅ macht deutlich, wie
Eis. Der orange-braune „Smog“, der Titan in 60–80 km stabil sich eine extrem tief gekühlte Eisoberfläche verhält.
Höhe umhüllt und zu seiner geringen Albedo von 20 % Einen Sonderfall bildet Enceladus mit großen kraterfreien
führt, besteht aus Tröpfchen von Äthan C2H6 und Aero- Gebieten, die von zahlreichen Störungen, Rissen und
solen. Nach den Ergebnissen der Raumsonde Huygens Landrücken durchzogen sind und Überflutungen mit jun-
entstehen durch UV-Strahlung und den Sonnenwind re- gem Eis erkennen lassen. Das lässt auf rezente tektoni-
aktive Ionen, aus denen sich aromatische Kohlenwasser- sche und kryovulkanische Aktivitäten sowie eine inten-
stoffe, komplexe Stickstoff-Verbindungen und Benzol bil- sive Landformung schließen, die möglicherweise bis in
den (z. B. Owen 1999). die Gegenwart andauert (McKinnon 1999; Johnson 2005).
Die Raumsonde Cassini-Huygens sendete 1994 Auch auf Dione und Tethys gibt es Hinweise auf Kryo-
erstmals Bilder der Oberfläche von Titan, die bis dahin vulkanismus, bei dem wahrscheinlich nicht Wasser, son-
wegen seiner dichten Atmosphäre weitgehend unbekannt dern Ammoniak-Hydrat NH3 · H2O gefördert wird. Es
geblieben war. Man erkennt eine grau-orange gefärbte handelt sich um eine Schmelze eutektischer Zusammen-
Ebene mit gesteinsähnlichen Brocken. Diese bestehen je- setzung mit einem eutektischen Punkt bei –97 °C, die etwa
doch aus Wassereis, das bei den niedrigen Temperatu- die Viskosität einer Basaltlava hat (McKinnon 1999).
ren die Konsistenz von Silikatgesteinen hat, sowie aus Demgegenüber sind nach den bisher vorliegenden Er-
Kohlenwasserstoffen. An anderen Stellen zeigt die Titan- kenntnisse Rhea und Iapetus wahrscheinlich nicht mehr
Oberfläche hügelige bis bergige Gebiete, die von ausge- geologisch aktiv. Dunkle Flecken auf der Oberfläche von
dehnten Fluss-Systemen durchschnitten und erodiert Iapetus bestehen aus Eis, das durch einen hohen Anteil
werden. Alle Beobachtungen weisen auf eine junge Land- an Kohlenwasserstoffen verunreinigt ist (McKinnon 1999;
formung durch flüssige Kohlenwasserstoffe und Wind Johnson 2005).
hin. In den dunklen Gebieten des Äquatorialbereichs gibt
es große Wüstengebiete mit 150 m hohen, hunderte von Auch die kleinen äußeren Saturn-Monde Helene (Dichte 1,4), Phoebe
(Dichte 1,63) und Calypso (Dichte 1,0) haben merkliche wenn auch
Kilometern langen Sanddünen, die 0,3 mm großen Sand-
unterschiedlich große Silikatanteile, während Hyperion und die sechs
körner könnten aus Wassereis, organischen Feststoffen inneren kleinen Saturn-Monde mit mittleren Dichten von 0,54–
oder aus feinsten Staubpartikeln bestehen, die an Äthan 0,65 g/cm3 aus einem porösen Wassereis mit geringem Silikatanteil
gebunden sind. In den beiden Polarregionen gibt es Hin- bestehen dürften.
weise auf größere Methan-Seen, die von Flüssen gespeist
werden. Sie trocknen wahrscheinlich im Sommer aus und Die Uranus-Monde
entstehen im Winter neu, bedingt durch einen atmos-
phärischen Kreislauf, ähnlich dem Wasserkreislauf auf Von den fünf großen Hauptmonden des Uranus wurden
der Erde (z. B. Owen 1999). Titania und Oberon 1787 durch Wilhelm Herschel, Ariel
544 30 · Unser Planetensystem
und Umbriel 1851 von William Lassell (1799–1880) ent- rungen begrenzte Täler oder Canyons, die mehrere Kilo-
deckt. Demgegenüber erfolgte die Entdeckung des klei- meter tief werden und in einer frühen geologischen Perio-
neren und wesentlich masseärmeren Mondes Miranda de durch Dehnungstektonik entstanden sind. Auch die
erst 1948 durch Gerald Kuiper. Die IR-Spektren zeigen, Oberfläche von Ariel gibt deutliche Hinweise auf geolo-
dass auf allen fünf Satelliten Wassereis vorhanden ist, je- gische Aktivität. Ebene Bereiche mit einer mäßigen
doch legt das relativ geringe Reflexionsvermögen eine Kraterdichte werden von einem ausgedehnten Netzwerk
„Verschmutzung“ durch Kohlenstoff nahe. Abgesehen von von Störungs-gebundenen Canyons und Tälern durch-
Miranda, die eine mittlere Dichte von 1,20 g/cm3 und ei- setzt, wodurch die älteren krustalen Terrains in polygo-
nen geschätzten Silikatanteil von 30 % besitzt, sind die nale Blöcke zerlegt werden. Die Böden der Canyons und
Hauptmonde von Uranus durch relativ hohe Dichten von Bereiche der Ebenen werden von gewölbten Material-
1,40–1,71 g/cm3 gekennzeichnet, was auf Silikatanteile von strömen überflossen, in die mäandrierende Täler einge-
0,53–0,62 schließen lässt (Tabelle 30.2). Daneben sind schnitten sind; vermutlich handelt es sich um Eisströme,
Wassereis sowie gefrorene Verbindungen von Kohlenstoff, die durch kryovulkanische Aktivität gefördert wurden.
z. B. Methan CH4, vielleicht auch von Stickstoff am Auf- Die verschiedenen Terrains auf Ariel haben sehr unter-
bau dieser Satelliten beteiligt. schiedliche Kraterdichten, was auf eine ausgedehnte Pe-
Die Bilder der Voyager-2-Mission lassen allerdings klar riode tektonischer und vulkanischer Aktivität auf die-
erkennen, dass die Hauptmonde von Uranus sehr unter- sem Mond schließen lässt.
schiedliche geologische Entwicklungen durchgemacht Bei seinem Vorbeiflug in nur 30 000 km Entfernung
haben. So zeigen die Oberflächen von Oberon und Umbriel konnte Voyager 2 1986 exzellente Bilder von Miranda auf-
alte Krusten, die von zahlreichen Impaktkratern unter- nehmen, die einen einzigartigen geologischen Bau erken-
schiedlichen Alters durchsetzt sind. Auf Oberon sind ei- nen ließen. Die Oberfläche dieses Mondes weist zahlrei-
nige dieser Krater von strahlenförmigen Auswurfsmassen che Verwerfungen mit extremer Sprunghöhe auf, die ein
umgeben; manche enthalten an ihrem Boden dunkle Fle- bruchstückhaftes Muster bilden. Die entstandenen Canyons
cken, die vermutlich durch kryovulkanische Eruptionen von sind z. T. sehr tief; so hat Verona Rupes eine Tiefe von bis zu
Kohlenstoff-haltigem Eis entstanden sind. Demgegenüber 20 km. Diese Störungssysteme durchsetzen und begren-
beobachtet man auf Titania spektakuläre, von großen Stö- zen drei große, eckige Terrains von relativ dunkler Färbung,
30.3 · Die Riesenplaneten und ihre Satelliten 545
die als Coronae bezeichnet werden. Dazwischen erstrecken (1 Pa). Die eisige Oberfläche von Triton reflektiert extrem
sich hellere, sanft gewellte, aber stark zerkraterte Gebiete, stark mit einer Albedo von 80 %. Im Gegensatz zu den üb-
die an die Hochländer des Mondes erinnern. Offenbar ist rigen Satelliten des äußeren Sonnensystems, belegen die
Miranda im Lauf seiner Geschichte durch Gezeitenkräfte Absorptionsspektren, dass hier Wassereis mit Beimengun-
von Uranus oder durch Kollision mit anderen Himmels- gen von N2-, CO-, CH4- und CO2-Eis vorliegt. Aufnahmen
körpern mehrmals auseinander gerissen worden, wurde von Voyager 2 geben zahlreiche Hinweise auf geologische
jedoch aufgrund seiner eigenen Schwerkraft immer wieder Aktivität, insbesondere ein Netzwerk von Verwerfungen,
zusammengefügt. Dabei kam es zu neuer Oberflächen- an denen die Eisfläche deformiert und zerbrochen ist. Man
formung, bei der Kryovulkanismus eine wichtige Rolle beobachtet nur wenige Impaktkrater; offenbar sind die
spielte (McKinnon 1999). älteren durch geologische und atmosphärische Prozesse
zerstört worden. Auch auf Triton wird Kryovulkanismus
Die fünf Hauptmonde von Uranus bewegen sich in mittleren Ab-
beobachtet: In kalten Geysiren, die man in den Voyager-
ständen um den Planeten. Darüber hinaus besitzt Uranus noch
22 weitere Satelliten, die teils durch den Vorbeiflug von Voyager 2 Aufnahmen als dunkle Rauchfahnen erkennt, wird flüs-
(1979), teils durch das Hubble-Weltraum-Teleskop und andere siger Stickstoff und mitgerissener Gesteinsstaub bis 8 km
bodengestützte Teleskope entdeckt wurden. Eine innere, Planeten- hoch in die Atmosphäre ausgestoßen. Offensichtlich reicht
nähere Gruppe kleiner Monde umrundet den Planeten auf nahezu – trotz der Abschirmung durch die dichte Atmosphäre –
kreisförmigen Bahnen, während eine äußere Gruppe sehr weite, aus- die Sonnenstrahlung in der Sommerzeit aus, um gefrore-
geprägt exzentrische, sehr stark geneigte oder sogar rückläufige
Umlaufbahnen aufweist. Hierbei handelt es sich um irreguläre Sa- nen Stickstoff zu verdampfen.
telliten, die von Uranus eingefangen wurden.
Die sommerliche Erwärmung dauert auf Triton mehrere Erdjahre
Der Neptunmond Triton lang. So herrscht während des 166 Erdjahre dauernden Neptun-
Umlaufs am Nord- und Südpol jeweils 40 Jahre lang Sommer und
Winter, weil die Rotationsachsen von Triton und Neptun einen Win-
Von den 13 Satelliten des Neptun hat Triton, der 1848 von kel von 157° bilden und zusätzlich die Rotationsachse von Neptun
William Lassell entdeckt wurde, mit Abstand den größ- um 30° gegen seine Umlaufbahn um die Sonne geneigt ist.
ten Radius und die größte Masse (Tabelle 30.2). Mit einer Die sechs inneren Monde von Neptun, die 1979 durch den Vor-
mittleren Dichte von 2,05 g/cm3 besitzt Triton – ähnlich beiflug von Voyager 2 entdeckt wurden, sind dunkle, primitive Kö-
per. Der größte von ihnen, Proteus, hat etwa die Größe von Mimas
wie Pluto und dessen Mond Charon – einen der höchsten
und Miranda. Wahrscheinlich entstanden diese inneren Monde
Silikatanteile (65–70 %) im äußeren Sonnensystem, was beim Einfang von Triton, der zunächst eine sehr exzentrische Bahn
darauf hinweist, dass Triton ursprünglich aus einer eige- hatte und dadurch bei den ursprünglich vorhandenen inneren
nen Umlaufbahn um die Sonne im Kuiper-Gürtel stammt. Neptun-Monde chaotische Bahnstörungen auslöste. Diese Satelli-
Modellierungen von Agnor u. Hamilton (2006) legen den ten kollidierten miteinander, wurden zerbrochen und zu einer
Gedanken nahe, dass Triton ursprünglich Teil eines pla- Geröllscheibe zerkleinert, aus der sich erst dann sekundäre Mon-
de bildeten, als sich die Umlaufbahn von Triton einer Kreisbahn
netarischen Doppelsystems – ähnlich Pluto-Charon – war, angenähert hatte (McKinnon 1999). Der äußere Neptun-Mond
aus dem er bei einer nahen Begegnung mit dem Riesen- Nereid wurde von 1949 von Gerard Kuiper entdeckt, sechs weitere
planeten Neptun herausgerissen und von diesem einge- äußere Monde kamen in den Jahren 2002–2003 hinzu. Diese irre-
fangen wurde. Triton umläuft Neptun in einem kritischen gulären Monde, die große und stark exzentrische Umlaufbahnen
Abstand, der sog. Roche-Grenze und ist daher dessen aufweisen, wurden von Neptun eingefangen.
Gezeitenkräften sehr stark ausgesetzt. Da er sich Neptun
immer mehr annähert, wird Triton in ca. 100 Ma zerris- 30.3.5
sen werden, wobei seine Bestandteile ein größeres Ring- Die Ringsysteme der Riesenplaneten
system ähnlich dem des Saturn bilden werden.
Alle vier Riesenplaneten unseres Sonnensystems sind von
Die Roche-Grenze wurde bereits 1850 von dem französische Astro- Ringsystemen umgeben. Am auffälligsten sind die Saturn-
nomen Éduard Albert Roche zur Erklärung der Saturn-Ringe her-
angezogen. Sie gibt die Umlaufbahn an, bei der sich die inneren, sta-
Ringe, die man bereits mit einem kleinen Teleskop beob-
bilisierenden Gravitationskräfte eines Satelliten und die Gezeiten- achten kann. Sie wurden erstmals 1610 von Galileo Galilei
kräfte des Mutterplaneten einander die Waage halten. Außerhalb der entdeckt, der sich jedoch über ihre wahre Form nicht
Roche-Grenze bleibt der Satellit stabil, innerhalb der Grenze wird er schlüssig werden konnte; er interpretierte sie zunächst als
zerstört und zu einem Ringsystem ausgezogen. Da die Roche-Gren- zwei verschiedene planetarische Körper, später als
ze mit zunehmender Dichte des Satelliten abnimmt, können Monde,
henkelförmige Gebilde (vgl. Burns 1999). Erst Christiaan
die aus Gesteinsmaterial bestehen, in Planeten-näheren Umlaufbah-
nen überleben als die Eismonde. Huygens erkannte 1659, dass Saturn von einem scheiben-
förmigen Ringsystem umgeben ist. Die Saturn-Ringe lie-
Wegen der sehr niedrigen Oberflächentemperatur von gen in der Äquatorial-Ebene des Planeten; sie sind daher
nur –238,5 °C kann Triton trotz seiner geringen Gravita- 26,7° zu dessen Umlaufbahn geneigt und werden von ei-
tion eine sehr dünne Atmosphäre aus 99,9 % N2 und nem Betrachter auf der Erde unter verschiedenen Blickwin-
0.1 % CH4 festhalten; ihr Druck beträgt lediglich 10–5 bar keln gesehen. Alle 14,8 Jahre – so auch im Jahr 2009 – ist der
546 30 · Unser Planetensystem
dünne Rand der Ringe genau der Erde zugewandet und systems (Abschn. 32.5) wäre es den Planetesimalen
daher kaum sichtbar. Das war bereits zwei Jahre nach der infolge der Gezeitenkräfte des werdenden Saturn nicht
Entdeckung der Saturn-Ringe der Fall, als Galilei zu seiner gelungen, sich zu einem Mond zusammenzuballen.
Bestürzung feststellen musste, dass das von ihm beobach-
tete Phänomen scheinbar wieder verschwunden war. Für mehr als 3½ Jahrhunderte galt der Saturn als der
Nach den Aufnahmen der Raumsonden Voyager 2 (1981) einzige Planet unseres Sonnensystems, der ein Ringsystem
und Cassini-Huygens (2006), besteht das Ring-System des aufweist. Als jedoch Uranus im Jahr 1977 einen Stern
Saturns aus mehr als 100 000 Einzelringen, die unterschied- durch Überdeckung verdunkelte, konnte auch bei diesem
liche Albedos, Farbtöne und Zusammensetzungen aufwei- Planeten, ein System aus zunächst neun dünnen Ringen
sen und durch scharf begrenzte Lücken voneinander ge- festgestellt werden, deren Zahl sich durch Beobachtun-
trennt sind. Die größten Ringe werden von innen nach gen der Raumsonde Voyager 2 (1986) und des Hubble-
außen mit den Buchstaben D, C, B, A, F, G und E bezeich- Teleskops (2005) inzwischen auf 13 erhöht hat. Im Gegen-
net. Schon 1675 hatte Giovanni Domenico Cassini die aus- satz zum Saturn zeigen die Uranus-Ringe eine wesentlich
geprägte Lücke zwischen dem A- und dem B-Ring, die geringere Albedo von nur 1,5 %. Man nimmt daher an,
Cassinische Teilung, erkannt. Innerhalb des A-Ringes exis- dass ihre Partikel, deren Größe zwischen 10 cm und 10 m
tiert darüber hinaus die Encke-Lücke. Der innerste Ring variiert, aus einer Mischung von Methan- und Ammoniak-
(D) beginnt bereits ca. 7 000 km über der Saturn-Ober- Eis bestehen, die von Kohlenstoff-Staub und/oder organi-
fläche; der äußerste Ring (E) hat einen Durchmesser von schen Molekülen überdeckt sind (Faure u. Mensing 2007).
960 000 km. In den 1980er Jahren konnte ebenfalls durch Stern-
Wie bereits Cassini vermutet hatte, sind die Saturn- verdunkelungen sowie die Mission Voyager 2 (1989) fest-
Ringe aus vergleichsweise kleinen Partikeln aufgebaut. gestellt werden, dass auch Neptun von einem Ringsystem
Ihre Größe variiert zwischen 1 cm und 5 m; der Durch- umgeben ist, das aus 6–7 vollständigen Ringen besteht.
schnitt liegt bei 10 cm. Jedes dieser Partikel umkreist den Darüber hinaus enthält der äußerste Ring noch 5 unvoll-
Planeten auf einer eigenen Umlaufbahn, die von den be- ständige Ringbögen. Ähnlich wie beim Uranus besitzen
nachbarten Teilchen unabhängig ist. Mit einer Albedo von diese Ringe nur eine geringe Albedo von 3 %. Ihre weni-
20–80 % sind die Saturn-Ringe teilweise heller als der Pla- ge µm bis ca. 10 m großen Partikel bestehen aus Methan-
net selbst, der nur eine Albedo von 46 % aufweist. Daher Eis, das von einer Hülle aus amorphem Kohlenstoff und
muss man annehmen, dass sie aus Partikeln aufgebaut organischen Substanzen umgeben ist.
sind, die entweder vollständig aus Eis oder aus Gesteins- Für die Entstehung der Ringsysteme um Saturn und
material bestehen, das von einer Eishülle umgeben ist Neptun diskutiert man die gleichen Modelle wie für die
(Burns 1999; Faure u. Mensing 2007). Die Lücken zwischen Saturnringe. Anders erklären muss man das schwach aus-
den Ringen entstehen durch gravitative Wechselwirkungen geprägte Ringsystem um Jupiter, das 1974 durch Beob-
zwischen den Ringen sowie mit den zahlreichen Monden achtungen der Pioneer-11-Mission vermutet, und 1979
des Saturn, wobei auch Resonanz-Phänomene eine Rolle durch Fotografien von Voyager 1 und 2 dokumentiert
spielen. So ist der Mond Minas für die Cassinische Tei- werden konnte. Die Jupiter-Ringe mit einer Albedo von
lung verantwortlich. In einigen der Lücken kreisen klei- <5 % bestehen nämlich ausschließlich aus Staubpartikeln
nere Monde, die sog. Schäfermonde, die wesentlich zur mit Durchmessern im µm-Bereich. Dieser Staub wird
Stabilität des Ringsystems beitragen. wahrscheinlich von der Oberfläche der kleinen felsigen
Für die Entstehung der Saturn-Ringe werden unter- Jupiter-Monde Adrasta, Metis, Thebe und Almathea durch
schiedliche Erklärungsmöglichkeiten diskutiert (Burns ein ständiges Meteoriten-Bombardement freigesetzt.
1999; Faure u. Mensing 2007):
30.4 30.4
1. Die Ringe könnten durch Zerstörung eines aus Gesteins- Der Zwergplanet Pluto und sein Mond Charon:
material und Eis bestehenden planetarischen Körpers ein Doppelplanet
entstanden sein, der sich dem Saturn soweit angenä-
hert hatte, dass seine Umlaufbahn innerhalb der Roche- Mit einem Radius von nur 1 195 km ist Pluto deutlich klei-
Grenze lag und daher durch die Gezeitenkräfte des ner als die sieben großen Monde in unserem Sonnensys-
Saturn zerstört und zu einem Ringsystem ausgezogen- tem. Er wird daher zu der neuen Klasse der Zwergplaneten
wurde. gerechnet und ist der wichtigste Vertreter der zahlreichen
2. Alternativ könnte der Satellit durch Kollision mit ei- Trans-Neptun-Objekte (TNO) im Kuiper-Gürtel. Pluto
nem Kometen oder Asteroiden zerstört und in ein bewegt sich um die Sonne auf einer elliptischen Bahn mit
Ringsystem umgebildet worden sein. der großen Exzentriziät von 0,248; sie weicht also viel stär-
3. Schließlich könnten die Ringe aus der gleichen Material- ker von der Kreisform ab, als alle anderen Planetenbah-
wolke wie der Mutterplanet entstanden sein. Während nen (Tabelle 30.1) und schneidet die Neptunbahn im
der Akkretionsphase in der Frühzeit unseres Sonnen- sonnennahen Bereich, dem Perihelion.
Literatur 547
Astronomische Erforschung die gleiche Seite zuwenden. Wenn man die Absorptions-
spektren von Pluto und Charon voneinander abzieht, stellt
Die Suche nach einem weiteren großen Planeten, dem man die auffallende Tatsache fest, dass – im Gegensatz zu
Transneptun, wurde 1905 von Percival Lowell (1855–1916) Pluto – auf der Oberfläche von Charon Wassereis domi-
in dem von ihm gegründeten Observatorium bei Flagstaff niert, obwohl die zusätzliche Anwesenheit von CH4 und
(Arizona) initiiert. Dabei fand Clyde Tombaugh 25 Jahre N2 nicht auszuschließen ist. Die dunkle Farbe von Charon
später (1930) den Zwergplaneten Pluto; jedoch ermög- könnte durch eine „Verschmutzung“ des Wassereises
lichte erst die Entdeckung seines großen Mondes Charon durch Kohlenstoff oder komplexe organische Verbindun-
(1978) genaue Bestimmungen von Masse und Durchmes- gen bedingt sein (Cruikshank 1999).
ser. Im Jahr 2005 wurden mittels des Hubble-Weltraum-
Teleskops die kleinen Monde Hydra und Nix entdeckt. Am Weiterführende Literatur
19. Januar 2006 erfolgte der Start der Raumsonde New
Horizons, die im Juli 2015 in 9 600 km Entfernung an Pluto Lehrbücher und Sammelbände
und in 27 000 km an Charon vorbeifliegen soll.
Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) (1999) The new solar system.
Cambridge Univ Press, Cambridge, UK
Atmosphäre und innerer Aufbau Chapman CR (1999) Asteroids. In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin
A (eds) The new solar system. Cambridge University Press,
Da es von Pluto noch keine Nahaufnahmen gibt, ist über Cambridge UK, pp 337–350
ihn nur wenig bekannt, doch wird angenommen, dass er Davis AM (ed) (2005) Meteorites, comets, and planets. Elsevier,
Amsterdam Oxford
dem größeren Neptun-Mond Triton sehr ähnlich ist. Wie
Faure G, Mensing TM (2007) Introduction to planetary science – The
bei diesem besteht die sehr dünne Atmosphäre mit ei- geological perspective. Springer-Verlag, Dordrecht, Niederlande
nem Luftdruck von ca. 2 µbar überwiegend aus N2 mit Hartmann WK (2005) Moons and planets, 5th ed. Brooks/Cole,
untergeordneten Gehalten an CH4 und CO; die Oberflä- Belmont, California
chen-Temperaturen variieren zwischen –218 und –240 °C. Hunt GE, Moore P (1982) The planet Venus. Faber and Faber, London
Kennzeichnend für die Oberfläche von Pluto sind große Papike JJ (ed) (1998) Planetary materials. Rev Mineral 36
Rollinson H (2007) Early Earth systems – A geochemical approach.
regionale Unterschiede in der Albedo. Während die hel- Blackwell, Malden, Ma, USA
len Gebiete weitgehend aus Eis bestehen, könnten die Unsöld A, Baschek B (2005) Der neue Kosmos, 7. Aufl. Korrigierter
dunklen Bereiche auf einen größeren Gesteinsanteil zu- Nachdruck, Springer, Berlin Heidelberg New York
rückgehen. Es könnte sich jedoch auch um Anreiche-
rungen von komplexen Kohlenwasserstoffen und Nitrilen Übersichtsartikel
R–C=N handeln, die oft charakteristische rote, orange oder
Burns JA (1999) Planetary rings. In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin
schwarze Farbtöne aufweisen (Cruikshank 1999). A (eds) The new solar system. Cambridge University Press,
Cambridge UK, pp 221–240
Mit einer Dichte von ca. 2,2 g/cm3 dürfte Pluto zu etwa Carr MH (1999) Mars. In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds)
70 % aus Gesteinsmaterial bestehen, das vermutlich The new solar system. Cambridge University Press, Cambridge
im Kernbereich konzentriert ist und von einem di- UK, pp 141–156
Chambers JE (2005) Planet formation. In: Davis AM (ed) Meteorites,
cken Eismantel umgeben wird. Spektroskopische comets, and planets. Elsevier, Amsterdam Oxford, pp 461–474
Analysen zeigen, dass zumindest die oberste Eis- Cruikshank DP (1999) Triton, Pluto, and Charon. In: Beatty JK,
schicht aus einer Mischung von gefrorenem N2, CH4, Petersen CC, Chaikin A (eds) The new solar system. Cambridge
CO und H2O zusammengesetzt ist (Cruikshank 1999). Univ Press, Cambridge, UK, pp 285–296
Fegley B Jr (2005) Venus. In: Davis AM (ed) Meteorites, comets, and
planets. Elsevier, Amsterdam Oxford, pp 487–507
Fiquet G, Guyot F, Badro J (2008) The Earth’s lower mantle and core.
Der Pluto-Mond Charon Elements 4:177–182
Greeley R (1999) Europa. In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) The
Wie wir aus Tabelle 30.1 entnehmen können, hat der Erd- new solar system. Cambridge Univ Press, Cambridge, pp 253–262
mond nur 1/4 des Erdradius und 1/83 der Erdmasse. Im Hartmann WK (1999) Small worlds: Patterns and relationships. In:
Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) The new solar system.
Gehensatz dazu ist Charon mit etwa dem halben Pluto-
Cambridge Univ Press, Cambridge, UK, pp 311–320
Radius von 603,5 km und einem Masse-Verhältnis von 1:8 Head JW III (1999) Surfaces and interiors of the terrestrial planets.
verglichen mit seinem Mutterplaneten sehr groß. Beide In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) The new solar system.
Körper rotieren um eine gemeinsame Achse, die außerhalb Cambridge Univ Press, Cambridge, UK, pp 157–173
von Pluto liegt; sie bilden also einen Doppelplaneten (z. B. Hubbard WB (1999) Interior of the giant planets. In: Beatty JK,
Agnor u. Hamilton 2006). Aufgrund der Gezeitenkräfte ha- Petersen CC, Chaikin A (eds) The new solar system. Cambridge
Univ Press, Cambridge, UK, pp 193–200
ben Pluto und Charon ihre Eigenrotation soweit abgebremst, Jakosky BM (1999) Atmospheres of the terrestrial planets. In: Beatty
dass sie sich während eines Umlaufs umeinander genau JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) The new solar system.
einmal um die eigene Achse drehen und sich daher stets Cambridge Univ Press, Cambridge, UK, pp 175–191
548 30 · Unser Planetensystem
Johnson TV (1999) Io. In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) The Campbell DB, Chandler JF, Hine A, Nolan M, Campbell PP (2003)
new solar system. Cambridge Univ Press, Cambridge, UK, pp 241–252 Radar imaging of the lunar poles. Nature 426:137–138
Johnson TV (2005) Major satelites of the giant planets. In: Davis AM Fagan TJ, Krot AN, Keil K, Yurimoto H (2004) Oxygen isotopic
(ed) Meteorites, comets, and planets. Elsevier, Amsterdam Oxford, evolution of amoeboid olivine aggregates in the reduced CV
pp 637–662 chondrites Efremovka, Vigarano and Leoville. Geochim Cosmo-
Lunine JI (2005) Giant planets. In: Davis AM (ed) Meteorites, comets chim Acta 68:2591–2611
and planets. Elsevier Amsterdam Oxford, pp 623–636 Feldmann WC, Maurice S, Binder AB, Barraclough BL, Elphic RC,
McKinnon WB (1999) Midsize icy satellites. In: Beatty JK, Petersen Lawrence DJ (1998) Fluxes of fast and epithermal neutrons from
CC, Chaikin A (eds) The new solar system. Cambridge Univ Press, Lunar Prospector: Evidence for water ice at the Lunar poles.
Cambridge, UK, pp 297–310 Science 281:1496–1500
McSween HY Jr (2005) Mars. In: Davis AM (ed) Meteorites, comets Hartmann WK, Neukum G (2001) Cratering chronology and the
and planets. Elsevier Amsterdam Oxford, pp 601–621 evolution of Mars. Space Sci Rev 96:165–194
Owen T (1999) In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) The new Kiess CC, Corliss CH, Kiess KH (1960) High-dispersion spectra of
solar system. Cambridge Univ Press, Cambridge, UK, pp 277–284 Jupiter. Astrophys J 132:221–231
Pappalardo RT (1999) Ganymede and Callisto. In: Beatty JK, Petersen Lodders K, Fegley B Jr (1998) An oxygen isotope model for the com-
CC, Chaikin A (eds) The new solar system. Cambridge Univ Press, position of Mars. Icarus 126:373–394
Cambridge, UK, pp 263–275 Mayor M, Queloz D (1995) A Jupiter-mass companion to a solar-
Saunders RS (1999) Venus. In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) type star. Nature 378:355–359
The new solar system. Cambridge Univ Press, Cambridge, UK, Neukum G, Ivanov BA, Hartmann WK (2001) Cratering records in
pp 97–110 the inner solar system in relation to the lunar reference system.
Shaw GH (2008) Earth’s atmosphere – Hadean to early Proterozoic. Space Sci Rev 96:55–86
Chem Erde 68:235–264 Potter A, Morgan TH (1985) Discovery of sodium in the Atmosphere
Spohn T, Sohl F, Wieczerkowski K, Conzelmann V (2001) The interior of Mercury. Science 229:651–653
structure of Mercury: What we know, what we expect from Potter A, Morgan TH (1986) Potassium in the Atmosphere of Mercury.
BepiColombo. Planet Space Sci 49:1561–1570 Icarus 67:336–340
Taylor GJ, Scott ERD (2005) Mercury. In: Davis AM (ed) Meteorites, Rieder R, Economou T, Wänke H, Turkevich H, Crisp J, Brückner J,
comets, and planets. Elsevier, Amsterdam Oxford, pp 477–485 Dreibus G, McSween HJ (1997) The chemical composition of
Wänke H, Dreibus G (1988) Chemical composition and accretion history martian soil and rocks returned from the mobile Alpha Proton
of the terrestrial planets. Phil Trans Roy Soc London A325:545–557 X-ray spectrometer: Preliminary results from the X-ray mode.
Zolenski ME (2005) Extraterrestrial water. Elements 1:39–43 Science 278:1771–1774
Slade MA, Butler BJ, Muhlman DO (1992) Mercury radar imaging:
Zitierte Literatur Evidence for ice. Science 258:635–640
Tanaka KL (1986) The stratigraphy of mars. Proc 171t Lunar Planet
Agnor CB, Hamilton DP (2006) Neptune’s capture of its moon Triton Sci Conf, J Geophys Res 91, suppl, pp 139–158
in a binary-planet gravitational encounter. Nature 221:192–194 Wänke H, Brückner J, Dreibus G, Rieder R, Ryabchikov I (2001)
Bertka CM, Fei Y (1997) Mineralogy of the martian interior up to Chemical composition of rocks and soils at the Pathfinder site.
core-mantle pressures. J Geophys Res 102:5251–5264 Space Sci Rev 96:317–330
Borg LE, Edmunson J, Asmerom Y (2005) Constraints on the U-Pb Wildt R (1932) Absorptionsspektren und Atmosphären der großen
systematics of Mars inferred from a combined U-Pb, Rb-Sr, and Planeten. Veröff Univ Sternwarte Göttingen 2:171–180
Sm-Nd isotopic study of the Martian meteorite Zagami. Geochim Wolszczan A, Frail (1992) A planetary system around millisecond
Cosmochim Acta 69:5819–5830 pulsar PSR1257+12. Nature 355:145–147
31
Einführung in die Geochemie
31.1 Bei der Lektüre dieses Buches ist dem aufmerksamen Leser klar geworden, dass
Geochemische die Verteilung der chemischen Elemente in der Natur wesentlich durch gesteins-
Gliederung bildende Prozesse kontrolliert wird. Bereits im frühen Entwicklungsstadium un-
der Elemente seres Sonnensystems differenzieren sich die erdähnlichen Planeten, die ursprüng-
lich chondritische Zusammensetzung hatten, in einen metallischen Kern und ei-
31.2 nen silikatischen Mantel. Krustenbildende Prozesse werden durch partielle Auf-
Chemische schmelzung im Mantel ausgelöst. Dabei entstehen Stamm-Magmen, in denen die
Zusammensetzung inkompatiblen Elemente in verschiedenem Maße angereichert werden. Fraktio-
der Gesamterde nierte Kristallisation dieser Magmen, häufig kombiniert mit Assimilation von Ne-
bengestein, führt zur Bildung magmatischer Serien von unterschiedlichem
31.3 geochemischen Charakter.
Chemische Bei der Entwicklung des Planeten Erde spielten mindestens seit dem Ende des
Zusammensetzung Archaikums plattentektonische Prozesse eine entscheidende Rolle, durch die Vul-
der Erdkruste kanismus, Plutonismus und Metamorphose, aber auch Verwitterung, Abtragung,
Transport und Sedimentation gesteuert werden. Dabei entstanden zwei grund-
31.4 sätzlich verschiedene Krustentypen, die ozeanische und die kontinentale Erdkruste.
Spurenelement- Endogene und exogene Prozesse beinhalten Stoffkreisläufe, bei denen es zur Tren-
Geochemie nung, zur Verarmung und zur Anreicherung chemischer Elemente bis hin zur Bil-
magmatischer Prozesse dung bauwürdiger Erz- und Minerallagerstätten kommen kann.
Die Verteilung von chemischen Elementen auf die koexistierenden Mineralphasen
31.5 eines Gesteins wird durch die Druck-Temperatur-Bedingungen des gesteinsbil-
Isotopen-Geochemie denden Prozesses gesteuert. Dabei spielen die Kristallstrukturen der Minerale so-
wie die kristallchemischen Eigenschaften der Elemente, insbesondere ihre Atom-
31.6 oder Ionenradien, ihre Wertigkeit und ihr Bindungs-Charakter, eine entscheiden-
Entstehung der de Rolle. Solche Verteilungsgleichgewichte lassen sich als Geothermometer und
chemischen Elemente Geobarometer einsetzen, um z. B. die P-T-Bedingungen beim Höhepunkt einer Me-
tamorphose abzuschätzen. Ebenso können die Fraktionierung und die Verteilungs-
gleichgewichte von stabilen Isotopen, z. B. von Sauerstoff, Kohlenstoff und Schwe-
fel, als Geothermometer dienen. Gesteinsbildende Prozesse beeinflussen auch die
radiogenen Isotopen-Systeme wie U-Pb, Rb-Sr, Sm-Nd und K-Ar. Aus den Halbwerts-
zeiten ihrer Zerfallsreihen lassen sich Aussagen über das Alter eines geologischen
Prozesses gewinnen. Darüber hinaus können stabile und radiogene Isotopen-Sys-
teme wichtige Hinweise auf die geotektonische Position geben, in der ein Gestein
gebildet wurde.
In diesem Kapitel sollen die Verteilung und das Verhalten von chemischen Ele-
menten und ihren Isotopen bei geologischen Prozessen in Grundzügen behan-
delt werden. Für ein eingehendes Studium der Geochemie muss auf die einschlä-
gigen Lehrbücher verwiesen werden.
550 31 · Einführung in die Geochemie
Siderophile Elemente (grch. σíδηρος = Eisen, ϕíλος HA–B = ½(HA–A + HB–B) [31.1]
= Freund) haben die Neigung, sich mit Fe zu legieren.
Sie gehen bevorzugt in die Metallphase von Meteori- beschreiben. Demgegenüber tritt bei heteropolarer Bindung noch
ein Term hinzu, der die elektrostatische Wechselwirkung beschreibt
ten und in die Metallschmelze („Eisensau“) beim
und ein Maß für den ionaren Bindungsanteil darstellt:
Hochofen-Prozess.
Chalkophile Elemente (grch. χαλκóς = Erz, Kupfer, Bron- HA–B = ½(HA–A + HB–B) + ∆EA–B [31.2]
ze) zeigen die Tendenz, Sulfide zu bilden; sie reichern
sich im Kupferstein des Hochenofen-Prozesses an. Nach Pauling (1959) ist
Lithophile Elemente (grch. λíθος = Stein) neigen dazu,
∆EA–B = 96,5(γA – γB)2 [31.3]
sich mit Sauerstoff unter Bildung von Silikaten, Oxi-
den, Karbonaten u. a. zu verbinden. Sie werden be- Dabei sind γA und γB die Elektronegativitäten der Atome A und B.
vorzugt in die Silikat-Minerale von Meteoriten einge-
baut und gehen beim Hochofenprozess in die leichte Zwischen dem geochemischen Charakter der Elemen-
Silikatschmelze, die beim Abkühlen zur Hochofen- te und der Elektronegativität E ihrer Kationen bestehen
schlacke erstarrt. folgende Zusammenhänge (Tabelle 31.1):
31.1 · Geochemische Gliederung der Elemente 551
Tabelle 31.1.
Elektronegativität und geoche-
mischer Charakter der wich-
tigsten chemischen Elemente.
(Nach Pauling 1959, mod. aus
Brown u. Mussett 1981)
Lithophile Elemente: E < 1,6, Bemerkenswert ist die Rolle des Eisens. Dieses ist nach
z. B. K, Na, Ca, Mg, Al, Ti; Mn und Cr verhalten sich seiner Elektronegativität (E = 1,8) prinzipiell chalkophil
daneben auch chalkophil; außerdem haben chemische und wird sich zunächst mit dem vorhandenen Schwefel
Elemente lithophilen Charakter, bei denen zwar E > 1,6 unter Bildung von Sulfiden wie Troilit in Meteoriten bzw.
ist, die jedoch wegen ihrer geringen Größe Anionen- Pyrrhotin oder Pyrit in irdischen Gesteinen verbinden.
Komplexe mit Sauerstoff bilden, wie B3+, C4+, Si4+ und Ein Teil des restlichen Fe bildet mit Sauerstoff und Si Sili-
P5+; außerdem sind die Halogene lithophil. kate, verhält sich also lithophil. Erst wenn alles S und O
Chalkophile Elemente: 1,6 < E < 2,0, aufgebraucht sind, hat Fe siderophilen Charakter und
z. B. Ag, Hg, Pb, Bi; ausgenommen sind Bildner von Anio- kann metallisches Eisen bilden. Der Sauerstoff-Gehalt ei-
nen-Komplexen wie Si. Chalkophil sind aber auch eini- nes Planeten bestimmt damit die Größe seines Eisenkerns.
ge Elemente mit E > 2,0, insbesondere S, Se und Te. Da- Dieser hat beim Merkur einen Anteil von 47 Vol.-%, bei der
rüber hinaus besitzen mehrere Elemente mit E = 1,6–2,0 Erde 16 Vol.-%, bei der Venus 14 Vol.-%, beim Mars 13 Vol.-
unterschiedlichen geochemischen Charakter: so verhal- %, beim Erdmond jedoch nur 1 Vol.-% (Spohn 1991).
ten sich Fe, Co, Ni, Ge, Cu und Sn chalkophil, siderophil Eine weitere geochemische Klassifikation beruht auf dem
und lithophil, Zn chalkophil und lithophil, Sb und Re Ionenpotential, dem Quotienten aus Ionenladung und Io-
chalkophil und siderophil. nenradius (Abb. 31.1). Die großionigen lithophilen Elemente
Siderophile Elemente: 2,0 < E < 2,4, (Large Ionic Lithophile elements, LIL) besitzen Ionenpoten-
wie Pt und andere PGE sowie Au; P5+ hat zwar E = 2,1, tiale von <2 und Ionenradien von >1,2 Å. Hierzu gehören
verhält sich aber als Bildner von Anionenkomplexen besonders die einwertigen Alkalimetalle Cs, Rb und K, die
lithophil; W mit E = 1,7 verhält sich siderophil und – zweiwertigen Kalkalkalimetalle Ba und Sr sowie Pb2+
als Anionenbildner – auch lithophil. und Eu2+. Es handelt sich um Elemente geringer Feldstärke
Atmophile Elemente: (Low Field Strength Elements, LFS). Demgegenüber wei-
Hierzu gehören hauptsächlich Stickstoff (E = 3,0) und sen die Elemente hoher Feldstärke (High Field Strenth
die Edelgase, aber auch H, C und O, die aber – trotz elements, HFS), Ionenpotentiale von >2 auf; ihre Wertig-
E > 2 – gleichzeitig auch als lithophil zu betrachten keiten variieren von 3+ bis 6+, ihre Ionenradien sind <1,2 Å.
sind. Zu dieser Gruppe gehören auch die Seltenerd-Elemente oder
552 31 · Einführung in die Geochemie
31.2 31.2
Chemische Zusammensetzung der Gesamterde
schen Gesamtzusammensetzung der Erde von einem Hierzu gehören neben H, C, O, S und Cl z. B. die Metalle
Chondrit-Modell auszugehen; die Frage ist nur, welchen Hg, Tl, Pb, Zn und Cd, aber auch Na, K und Ge. Sie müs-
Chondrit-Typ man dafür zu Grunde legt. sen während des frühen Differentiationsprozesses des
Mason (1966) ging in seinen Berechnungen vom Mit- Erdkörpers größtenteils in den Weltraum verdampft sein,
telwert der gewöhnlichen Chondrite (H- und L-Typen) insgesamt mindestens 32 Gew.-% (Javoy 1999); außerdem
aus, die mit Abstand die häufigsten Meteorite überhaupt musste ein Teil des Eisens reduziert werden, um den
darstellen. Er nahm ferner an, dass im Kern als leichtes metallischen Erdkern zu bilden. Wegen der Volatilität von
Element lediglich Schwefel vorhanden ist. Danach be- Schwefel war Ringwood der Auffassung, dass dieses Ele-
rechnet sich die Zusammensetzung des Erdkerns (Dich- ment nicht in den Erdkern inkorporiert wurde, sondern
te 7,15) aus dem durchschnittlichen Elementverhältnis größtenteils abdampfte; er nahm für den Erdkern eine
in der Metallphase von Chondriten, das sehr gut mit dem- Fe-Ni-Si-Legierung mit ca. 11 Gew.-% Si an. Allerdings
jenigen in Eisenmeteoriten übereinstimmt, plus dem bedeutet die Anwesenheit von metallischem Silicium im
mittleren Gesamtgehalt an FeS (Troilit): Erdkern neben FeO im unteren Erdmantel, dass bei der
Kern-Mantel-Differentiation kein thermodynamisches
Gleichgewicht eingestellt wurde. Die von Ringwood
(1966) aus dem C1-Mittel durch Abzug der volatilen Ele-
mente und des Erdkerns berechnete Durchschnitts-
zusammensetzung des Erdmantels stimmt sehr gut mit
dem Pyrolit-Chemismus überein (Ringwood 1975).
Neuere Überlegungen gehen davon aus, dass der Erdkern
als leichte Elemente Silicium, Sauerstoff und Schwefel
nebeneinander enthält (Poirier 1994); so berechnete
Javoy (1999) als mittlere Kernzusammensetzung
Der Erdmantel entspricht dann in seiner Zusammen- 79,46 % Fe, 5,61 % Ni, 0,57 % Cr, 0,56 % Mn, 9,65 % Si,
setzung dem Silikat-(+ Oxid- + Phosphat-)Anteil des 2,27 % S, 1,88 % O.
Chondrit-Mittelwertes. In Tabelle 31.2 sind die mittleren Erdzusammenset-
Demgegenüber ging Ringwood (1966, 1975) vom Mit- zungen nach den Berechnungsversuchen von Mason
telwert der kohligen Condriten (Typ C1) aus. Diese sind (1966), Ringwood (1966), Ganapathy u. Anders (1974)
allerdings hochoxidiert und enthalten einen enorm ho- und Javoy (1999) gegenüber gestellt. Man erkennt deut-
hen Anteil an chemischen Elementen, die sich bei erhöh- liche Gemeinsamkeiten, wenn auch die Unterschiede im
ten Temperaturen volatil (leichtflüchtig) verhalten. Detail nicht zu übersehen sind. Die durchschnittliche
Tabelle 31.2.
Unterschiedliche Berechnungs-
versuche zur Zusammensetzung
der Gesamterde in Gew.-%. (Nach
Mason u. Moore 1985 und Javoy
1999)
554 31 · Einführung in die Geochemie
chemische Zusammensetzung der Gesamterde ist bedeckt, doch machen diese in der gesamten Erdkruste nur
keinesfalls von rein akademischem Interesse; denn sie ca. 8 Vol.-% aus, während die Magmatite einen Anteil von
hängt ja unmittelbar mit der Frage nach der Entstehung ca. 65 Vol.-% aufweisen (Tabelle II.1, S. 187). Von den meta-
unseres Planetensystems zusammen. Die in Tabelle 31.2 morphen Gesteinen, die mit ca. 27 Vol.-% am Krustenauf-
zusammengestellten Ergebnisse stellen wichtige Rand- bau beteiligt sind, leitet sich wiederum ein beträchtlicher
bedingungen dar, wenn man die Bildungsmechanismen Anteil, insbesondere Orthogneise, Amphibolite und Grün-
der erdähnlichen Planeten und die Differentationspro- schiefer, von magmatischen Ausgangsgesteinen ab.
zesse, die in ihrer Frühphase abgelaufen sind, verstehen Einwände gegen das Verfahren von Clarke und Was-
will. Umgekehrt wären die dargestellten Berechnungs- hington ergaben sich
modelle ohne den Input kosmologischer Vorstellungen
nicht denkbar. Geochemie und Kosmologie befruchten aus der ungleichmäßigen geographischen Verteilung
sich gegenseitig in einem ständigen Iterationsprozess. der analysierten Proben, die damals überwiegend aus
Nordamerika und Europa stammten,
31.3 31.3 aus der relativen Bevorzugung seltener Gesteinstypen,
Chemische Zusammensetzung der Erdkruste die das besondere Interesse der Petrographen fanden,
und
31.3.1 aus der Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Ge-
Berechnungen des Krustenmittels: Clarke-Werte steinsvolumina in der Erdkruste, in der Granite und
Basalte den Hauptanteil ausmachen.
Die chemische Zusammensetzung der Erdkruste, insbe-
sondere der kontinentalen Kruste, ist für uns von ent- Andererseits wurden die gewonnenen Ergebnisse auch
scheidendem Interesse, da hier unsere Rohstoffquellen durch unabhängige Berechnungsverfahren bestätigt. So
liegen. Der erste Versuch, die Durchschnittszusammen- stimmt der Mittelwert von glazialen Geschiebelehmen
setzung der Erdkruste zu ermitteln, stammt von Clarke Norwegens, die ja eine Mischung aus unterschiedlichen
und Washington (zuletzt Clarke 1924). Sie berechneten magmatischen, metamorphen und Sedimentgesteinen
einen Durchschnittswert aus 5 159 Gesteinsanalysen darstellen, erstaunlich gut mit den Werten von Clarke und
magmatischer Gesteine, wobei sie unvollständige und Washington überein (Goldschmidt 1933).
schlechte Analysen auf Grund bestimmter Qualitäts- Insgesamt haben sich die sog. Clarke-Werte (kurz
kriterien ausschieden. Da die Erdkruste zum überwie- „Clarkes“ genannt) als Basiswerte für geochemische Ver-
genden Teil aus Magmatiten besteht, erscheint ihre Be- gleiche bewährt (Tabelle 31.3), denn sie geben die Men-
vorzugung gerechtfertigt. Zwar ist die Erdoberfläche zu genverhältnisse der chemischen Elemente in der Erd-
mehr als 75 % von Sedimenten und Sedimentgesteinen kruste richtig wieder. Danach sind nur acht chemische
Tabelle 31.3.
Clarke-Werte der zwölf häufigs-
ten chemischen Elemente in der
Oberen Erdkruste = Mittelwert
aus 5 159 Magmatiten. (Nach
Clarke u. Washington, in Clarke
1924; Ionenradien nach Whitt-
acker u. Muntos 1970)
31.3 · Chemische Zusammensetzung der Erdkruste 555
Hauptelemente, nämlich O, Si, Al, Fe, Mg, Ca, Na, K und Koordination, die großen Kationen Ca, K und Na in [8]-
Mg, mit mehr als 1 Gew.-% am Bau der Erdkruste betei- oder in [12]-Koordination.
ligt, in der sie zusammen 98,6 Gew.-% ausmachen; rech- An diesem Bild ändert sich prinzipiell nichts, wenn
net man noch die vier Nebenelementen Ti, H, P und Mn man modernere Berechnungen zugrunde legt, die auf ei-
mit Gehalten von 0,1–1 Gew.-% hinzu, so kommt man ner besseren statistischen Basis beruhen und in denen
auf 99,4 Gew.-%. Aus Tabelle 31.3 wird die überragende die Mittelwerte für die ozeanische Erdkruste (einschließ-
Bedeutung von Sauerstoff und Silicium deutlich. Die füh- lich der Sedimentschicht 1) sowie für die kontinentale
rende Rolle des Sauerstoffs kommt noch stärker zum Ober- und Unterkruste gesondert ausgewiesen werden
Ausdruck, wenn man die Clarke-Werte von Gew.-% in (z. B. Ronov u. Yaroshevsky 1969; Wedepohl 1994). Nach
Atom-% oder sogar in Vol.-% umrechnet. Man erkennt, diesen Berechnungen hat die ozeanische Erdkruste erwar-
dass die Erdkruste praktisch ein dicht gepacktes Sauer- tungsgemäß basaltischen Charakter, während die konti-
stoff-Gerüst darstellt, in dessen kleinen Lücken die Kat- nentale Erdkruste im Mittel granodioritisch, die konti-
ionen sitzen, und zwar Si in [4]-Koordination, Al in [4]- nentale Unterkruste quarzdioritisch bzw. andesitisch zu-
und [6]-Koordination, Fe, Mn, Mg und Ti meist in [6]- sammengesetzt ist (Tabelle 31.4). Aus der geochemischen
Tabelle 31.4.
Die Clarke-Werte (1924) im Ver-
gleich zur chemischen Durch-
schnittszusammensetzung von
ozeanischer und kontinentaler
Erdkruste, kontinentaler Ober-
und Unterkruste. (Nach Ronov
u. Yaroshevsky 1969 und Wede-
pohl 1994)
556 31 · Einführung in die Geochemie
Häufigkeit der Elemente ergibt sich – unter Berücksich- Tabelle 31.5. Konzentrations-Clarkes für Erzlagerstätten häufiger Ge-
tigung kristallchemischer Gesetzmäßigkeiten – die brauchsmetalle. (Modifiziert nach Mason u. Moore 1985 und Cissarz 1965)
Häufigkeitsverteilung der Minerale in der Erdkruste (Ta-
belle 1.5, S. 29), die zu etwa 95 Vol.-% aus Silikat-Minera-
len (einschließlich Quarz) aufgebaut ist.
Die geochemischen Unterschiede zwischen den beiden
Hauptkrustentypen sind beachtlich. Die kontinentale Erd-
kruste ist erheblich reicher an SiO2 und K2O, während bei
der ozeanischen Erdkruste die wesentlich höheren Ge-
halte an TiO2, FeO, MgO und CaO ins Auge springen. Bei
den Spurenelementen sind in der kontinentalen Erdkruste
besonders Rb, das mit K2O positiv korreliert ist, sowie Th
und U angereichert, in der ozeanischen Kruste Sr – ent-
sprechend dem hohen CaO-Gehalt – sowie Ni und Co. Wie
wir später sehen werden, sind die Elemente K, Rb, U und
Th, die in der kontinentalen Erdkruste konzentriert sind,
an radioaktiven Zerfallsreihen beteiligt, wobei exother-
me Prozesse ablaufen (Abschn. 31.5.3, S. 569ff). Dement-
sprechend ist die radiogene Wärmeproduktion in der kon-
tinentalen Erdkruste wesentlich höher als in der ozeani-
schen. Umgekehrt spielt in der viel dünneren ozeanischen
Kruste der konduktive und konvektive Wärmetransport
aus dem Erdmantel eine viel größere Rolle, besonders
natürlich an den mittelozeanischen Rücken und im Be-
reich von Hot Spots.
31.3.2
Seltene Elemente und Konzentrations-Clarkes
Viele chemische Elemente, die in unserem täglichen Le- Unter den technisch interessanten Schwermetallen ist nur
ben häufig gebraucht werden, ja für uns unentbehrlich Fe mit einem Durchschnittsgehalt von 5 % geochemisch
sind, gehören nicht zu den zwölf häufigsten Elementen häufig; mit Abstand folgen Ti mit 0,44 und Mn mit 0,10 %.
in der Erdkruste, sondern liegen weit unter 0,1 Gew.-% Alle anderen Schwermetalle einschließlich der Stahlveredler
(Tabelle 31.4, 31.5). Viele der seltenen Elemente sind und Buntmetalle liegen im Bereich einiger ppm (= g/t), die
zudem noch stark dispergiert (verteilt): Sie sind zwar Edelmetalle noch wesentlich darunter. Eine Anreicherung
extensiv weit verbreitet; aber selten kommt es zu inten- bestimmter Metalle über dem geochemischen Durchschnitt
siven Konzentrationen über den geochemischen Durch- unter Bildung von Erzlagerstätten gehört immer zu den sel-
schnitt hinaus und damit zur Bildung bauwürdiger La- tenen Fällen, unterliegt aber – wie wir mehrfach gezeigt
gerstätten. Der russische Geochemiker V. I. Vernadsky hat haben – den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie analoge
dafür den Begriff der dispersed elements eingeführt. Die- gesteinsbildende Prozesse. Grundvoraussetzung für die Bau-
se bilden häufig keine eigenen Minerale, sondern wer- würdigkeit einer Erzlagerstätte ist eine gewisse Mindest-
den in Fremdmineralen getarnt oder abgefangen. konzentration, der sog. Konzentrations-Clarke (Tabel-
le 31.5). Dieser zeigt eine sehr große Variationsbreite, in der
Tarnen heißt diadocher Ersatz eines häufigeren Ele- die Seltenheit des betreffenden Metalls, die Nachfrage und
ments durch ein selteneres von gleicher Wertigkeit und damit der Weltmarktpreis zum Ausdruck kommen. So muss
ähnlichem Ionenradius, z. B. Rb+ → K+, Sr2+ → Ca2+, z. B. Mangan etwa um das 350fache des Krustenmittels an-
Ga3+ → Al3+ oder Hf4+ → Zr4+. gereichert sein, um eine bauwürdige Mn-Lagerstätte zu bil-
Abfangen heißt diadocher Ersatz eines häufigeren Ele- den, Gold dagegen um das 10 000fache und Silber sogar um
ments durch ein selteneres von anderer Wertigkeit, aber das 25 000fache!
mit ähnlichem Ionenradius, z. B. Ba2+ → K+, Pb2+ → K+ Stark variierende Weltmarktpreise, z. B. bei Kupfer
oder Nb5+ → Ti4+. oder bei Gold, haben auch Schwankungen des Konzent-
rations-Clarkes zur Folge, was oft erhebliche wirtschaft-
In einigen Fällen bilden seltene Elemente zwar ei- liche Auswirkungen hat. So kann ein plötzliches Absa-
gene Minerale, die jedoch als Akzessorien extensiv cken des Weltmarktpreises den Konzentrations-Clarke
in Gesteinen verteilt sind, z. B. Zirkon Zr[SiO4]. eines Metalls, dessen Durchschnittsgehalt in einer Erz-
31.4 · Spurenelement-Geochemie magmatischer Prozesse 557
lagerstätte und damit die Bauwürdigkeitsgrenze anheben, des eingebauten Spurenelements selbst beeinflusst. Bei
was zur Schließung von Gruben nach nur kurzer Lauf- höheren Elementkonzentrationen ist das jedoch nicht
zeit und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen sowie von mehr der Fall: das Henry’sche Gesetz verliert dann seine
erheblichen Investitionsmitteln führen kann. Abgesehen Gültigkeit.
vom Konzentrations-Clarke und vom Weltmarktpreis Die kristallchemischen Eigenschaften von Spurenele-
sind für die Bauwürdigkeit einer Lagerstätte noch eine menten wie Größe, Ladung und Ligandenfeld-Stabilisie-
Reihe weiterer Faktoren entscheidend: rung können sehr stark von denen der Hauptelemente
des Wirtsminerals abweichen. Daraus resultiert ein stark
bestimmte Mindestmenge an bauwürdigem Erz, ab- nicht-ideales Mischungsverhalten, so dass Spurenelemen-
geschätzt durch Vorratsberechnungen; te sich sehr ungleich auf koexistierende Phasen wie Kris-
gute Aufbereitbarkeit des Erzes; tall–Schmelze, Kristall–Kristall, Kristall–Fluid und
Horizontbeständigkeit der Vererzung oder möglichst Schmelze–Fluid verteilen können. So konzentriert sich
einfache Form der Erzköper: nicht zu komplizierte bei der Kristallisation einer Schmelze das kompatible
tektonische Verhältnisse in der Lagerstätte; Spurenelement Ni im Olivin, während inkompatible Spu-
Tiefenlage der Erzkörper: Entscheidung über Tagebau renelemente wie K, Rb oder die leichten Seltenen Erden
oder Tiefbau; (LREE) in der Restschmelze angereichert werden.
günstige Verkehrsanbindung;
nicht zu extreme klimatische Verhältnisse; Spurenelemente sind daher sehr gut geeignet, mag-
gut ausgebildete Arbeitskräfte bei nicht zu hohen Per- matische Prozesse zu modellieren, vorausgesetzt man
sonalkosten; kennt den Nernst’schen Verteilungskoeffizienten
stabile politische Verhältnisse und günstiges Investiti-
onsklima.
[31.5]
31.4 31.4
Spurenelement-Geochemie magmatischer Prozesse Dabei sind Cimin und CiSchmelze die jeweiligen Konzen-
trationen des Spurenelements i (in ppm) in einem Mi-
31.4.1 neral bzw. in der umgebenden Schmelze. Kompatible
Grundlagen Spurenelemente haben Kristall-Schmelze-Verteilungs-
koeffizienten von > 1, inkompatible dagegen von < 1.
Als Spurenelemente bezeichnet man chemische Ele- So ergibt sich z. B. für die Verteilung des kompatiblen
mente, die mit weniger als 0,1 Gew.-% = 1 000 ppm Ni zwischen einem Olivin-Kristall mit 1 300 ppm Ni und
= 1 000 g/t in einem Gestein vorhanden sind. einer Basaltschmelze mit 130 ppm Ni ein Kd = 10; dage-
gen berechnet sich z. B. für die Verteilung des inkompa-
Wie wir in Absch. 31.3.2 gesehen haben, bilden einige tiblen Ti in einem Olivin mit 160 ppm Ti und einer
Spurenelemente eigene Minerale, wie z. B. Zr den Zirkon Basaltschmelze mit 8 000 ppm Ti ein Kd = 0,02. Die
Zr[SiO4] oder Cr den Chromit FeCr2O4; andere werden in genaue Bestimmung der Kd-Werte von Spurenelemen-
den Kristall-Strukturen der häufigen Gesteins- oder Lager- ten in natürlichen Gesteinen, z. B. zwischen einem Oli-
stätten-bildenden Minerale getarnt oder abgefangen. vin-Einsprengling und einem Basalt-Glas, ist mit kon-
Spurenelemente vermitteln wichtige Anhaltspunkte ventionellen Elektronenstrahlmikrosonden meist nicht
für magmatische Prozesse, bei denen Kristall-Schmelz- möglich, da deren Nachweisempfindlichkeit generell bei
Gleichgewichte eine Rolle spielen, wie partielles Schmel- ca. 0,1–0,05 Gew.-%, in sehr günstigen Ausnahmefällen
zen, fraktionierte Kristallisation, Assimilation von Ne- bei 0,01 Gew.-% = 100 ppm liegt. Daher ist der Einsatz
bengestein. Dafür gibt es folgende Gründe: aufwendigerer Geräte wie Ionensonde oder Lasermikro-
sonde angesagt, die derzeit noch in wenigen Labors zur
Anders als die Hauptelemente gehorchen Spurenelemen- Verfügung stehen. Daneben wurden bereits zahlreiche
te weitgehend dem Henry’schen Gesetz, nach dem die Kd-Werte bei unterschiedlichen P-T-Bedingungen auf
Aktivität einer Komponente i in einem Mineral aimin pro- experimentellem Wege bestimmt.
portional zu deren Konzentration Ximin ist: Die Verteilungskoeffizienten zwischen Schmelze und
kristallinen Phasen sind in erster Linie von der Zusam-
aimin = γ imin Ximin [31.4] mensetzung der Schmelze selbst, darüber hinaus von
Temperatur, Druck und Sauerstoff-Fugazität sowie von
Dabei ist γ imin der Aktivitätskoeffizient, den wir ja kristallchemischen Eigenschaften wie Ionenradius und
bereits in Abschn. 18.2.3 (S. 291ff) kennen gelernt hat- Ladung abhängig.
ten. Dieser ist zwar von P, T und anderen Zustandsvari- Der Gesamtverteilungskoeffizient (engl. bulk partition
ablen abhängig, wird aber nicht von der Konzentration coefficient) für ein bestimmtes Element i zwischen ei-
558 31 · Einführung in die Geochemie
nem Gestein und einer Schmelze ergibt sich aus der Glei- und im kristallinen Residuum (in ppm), D0 der Ge-
chung samtverteilungskoeffizient des Ausgangsgesteins vor
dem Schmelzbeginn, DRS derjenige des Residuums. Für
Di = x1Kd imin1 + x2Kd imin2 + x3Kd imin3 [31.6] den Fall des Gleichgewichtsschmelzens (Abschn. 16.5,
S. 277f) gilt:
wobei Kd imin1 , Kd imin2 , Kd imin3 … die Nernst’schen
Verteilungskoeffzienten für die Minerale 1, 2, 3 … und x1,
x2, x3 … die jeweiligen Mengenanteile dieser Minerale [31.7a]
sind. Bei Kenntnis der einzelnen Kd-Werte lässt sich also
z. B. der Gesamtverteilungskoeffizient für das Spurenele-
ment Ni beim partiellen Aufschmelzen eines Granat- [31.7b]
Lherzoliths des Oberen Erdmantels, bestehend aus
55 % Olivin, 25 % Orthopyroxen, 11 % Klinopyroxen und
9 % Pyrop-Granat berechnen: Der gleiche Ausdruck wie [31.7a] ergibt sich auch
für D0, vorausgesetzt, dass die Minerale im gleichen
DNi = 0,55Kd Ol Opx C px Mengenverhältnis in die Schmelze gehen, wie sie im Aus-
Ni + 0,25Kd Ni + 0,11Kd Ni
gangsgestein vorhanden waren. Für fraktioniertes
+ 0,9Kd NGirt [31.6a] Schmelzen gilt dagegen im einfachsten Fall:
[31.9]
[31.10a]
Inkompatible Spurenelemente
Wie Abb. 31.6 erkennen lässt, zeigt das Chondrit- Die zweite, größere Gruppe umfasst dagegen Elemen-
normierte Spurenelement-Muster für MOR-Basalte ei- te, die sich generell eher immobil verhalten. Innerhalb
nen relativ ausgeglichenen Verlauf mit einer steilen beider Gruppen sind die Elemente so angeordnet, dass
Flanke im Bereich der höchst-inkompatiblen Elemente ihre Inkompatibilität von außen nach innen zunimmt.
Ba–K sowie einem flachen Ast von K bis Y. Da MORB –
wie wir wissen – durch relativ hohe Aufschmelzgrade In Abb. 31.7 werden die MORB-normierten Spurene-
gekennzeichnet sind, sollten sie die Zusammensetzung lement-Muster für kontinentale Intraplatten-Basalte
ihrer Mantelquelle widerspiegeln, d. h. das Muster sollte (within plate basalts, WPB), Basalte ozeanischer Inseln
keine so ausgeprägte Asymmetrie aufweisen. Die gerin- (OIB), K-reiche, kalkalkaline Inselbogen-Basalte (IAB)
ge Anreicherung der stark inkompatiblen Elemente Ba, und Inselbogen-Tholeiite (IAT) gegenüber gestellt
Rb und Th lässt sich auch nicht durch nachfolgende (Pearce 1983). WPB und OIB weisen ähnliche Muster auf,
fraktionierte Kristallisation erklären; denn diese sollte wobei die meisten inkompatiblen Elemente von Sr bis
ja gerade zu einer zusätzlichen Anreicherung dieser Zr gegenüber MORB angereichert sind. Diese Anreiche-
Elemente führen. Daher muss man annehmen, dass rung ist allerdings bei den WPB wesentlich deutlicher
die Mantelquelle von MORB bereits an stark inkompa- und das Maximum von Ba bis Nb ist wesentlich ausge-
tiblen Elementen verarmt war, vermutlich durch die prägter als bei den OIB.
Bildung der kontinentalen Kruste im Verlauf der Erd- Beim MORB-normierten Spurenelement-Muster der
geschichte. IAT verläuft der Ast zwischen Ta und Yb relativ flach und
Ganz anders sind die Chondrit-normierten Spurene- parallel zu MORB, jedoch auf einem deutlich niedrige-
lement-Muster von Alkali-Basalten ozeanischer Inseln ren Niveau (Abb. 31.7). Demgegenüber sind Sr, K, Rb, Ba
(OIB) wie Hawaii, die insgesamt eine viel stärkere An- und in geringerem Maße Th über dieses Niveau angerei-
reicherung der inkompatiblen Spurenelemente mit ei- chert, was durch die Zufuhr von fluiden Phasen aus der
nem Maximum bei Nb–Ta demonstrieren (Abb. 31.6). Subduktionszone in den darüber liegenden Mantelkeil
Das dürfte einerseits durch einen geringeren Aufschmelz- erklärt wird. Zieht man durch den flachen Teil der Kur-
grad als bei MORB bedingt sein; darüber hinaus spiegelt ve eine gerade Linie und extrapoliert diese bis zum Sr, so
sich darin wohl eine Mantelquelle wider, die an diesen erhält man die Magmenzusammensetzung ohne diesen
Elementen angereichert war. Ozeanische Insel-Tholeiite
(OIT) zeigen ähnliche aufwärts konvexe Chondrit-nor-
mierte Spurenelement-Muster, die jedoch viel geringer
anreichert sind als bei den alkalischen OIB.
Im Gegensatz zu den relativ glatten Kurvenverläufen
bei MORB und OIB sind die Spurenelement-Muster für
subduktionsbezogene Kalkalkali-Basalte in Inselbögen
(IAB) oder Orogengürteln stark gezackt (Abb. 31.6). Die
starke Anreicherung leicht löslicher Elemente Ba, Rb, K
und Sr wird auf eine Zufuhr von Fluiden zurückgeführt,
die aus der subduzierten ozeanischen Kruste, insbeson-
dere aus Tiefsee-Sedimenten des Akkretionskeils stam-
men. Demgegenüber bilden Nb und Ta einen charakte-
ristischen „Trog“; sie liegen ebenso wie die Werte für Zr,
Ti und Y deutlich unterhalb der entsprechenden MORB-
Werte und repräsentieren wahrscheinlich die Magmen-
zusammensetzung unter Abzug der Subduktionskompo-
nente (Pearce 1983).
Bei einer Variante der Spiderdiagramme, die sich für
den Vergleich von Basalttypen aus unterschiedlichen
geotektonischen Positionen sehr bewährt hat, normiert
man auf eine mittlere MORB-Zusammensetzung (z. B.
Pearce 1983), wobei man die inkompatiblen Elemente in
zwei Gruppen einteilt:
Abb. 31.7. MORB-normierte Spurenelement-Muster für kontinenta-
Auf der linken Seite werden Sr, K, Rb und Ba darge- le und ozeanische Intraplatten-Basalte (WPB, OIB), K-reiche, kalk-
alkaline Inselbogen-Basalte (IAB) und Inselbogen-Tholeiite (IAT).
stellt, die in H2O-haltigen Fluiden leicht löslich sind Der schraffierte Bereich bei IAB und IAT gibt den Beitrag von Flui-
und daher bei magmatischen und postmagmatischen den und Schmelzen an, die aus Subduktion stammen und dem
Prozessen relativ mobil sind. darüber liegenden Mantelkeil zugeführt wurden. (Nach Wilson 1988)
31.4 · Spurenelement-Geochemie magmatischer Prozesse 563
subduktionsbezogenen Beitrag (schraffierter Bereich). trationsdreiecken, oder aber man trägt in einfachen
Daraus ergibt sich eine Quellregion im Erdmantel, die Variationsdiagrammen jeweils zwei Spurenelemente
ähnliche Spurenelement-Signaturen aufweist wie die oder auch Spurenelementverhältnisse gegeneinander auf.
MORB-Quelle; jedoch war entweder der Aufschmelzgrad Weniger anschaulich sind Diagramme, in denen zwei
bei den IAT-Magmen höher, oder der Anteil an fraktio- Diskriminanten-Funktionen gegeneinander aufgetragen
nierter Kristallisation von mafischen Gemengteilen war werden; diese setzen sich aus den Werten für mehrere
in den MORB-Magmen größer. Haupt- und/oder Spurenelemente zusammen, die mit
Wie wir bereits gesehen hatten (Abb. 31.6), sind viele unterschiedlichen Gewichtungsfaktoren multipliziert
Kalkalkali-Basalte von Inselbögen, insbesondere auch die werden. Selbstverständlich sind Diskriminations-Dia-
sog. Shoshonite, stark an inkompatiblen Elementen an- gramme hauptsächlich für ältere Magmatit-Serien oder
gereichert. Wie Abb. 31.7 (schraffierter Bereich) zeigt, für metamorphe Magmatite interessant, bei denen sich
sind das neben den mobilen Elementen Sr, K, Rb, Ba und die geotektonische Position nicht ohne weiteres aus dem
Th, die durch subduktionsbezogene Fluide zugeführt geologischen Befund ergibt.
wurden, auch Ce, P und Sm, wofür wohl eher die Zufuhr Die ersten Diskriminations-Diagramme für basaltische
einer angereicherten Teilschmelze in den Mantelkeil ver- Gesteine wurden von Pearce u. Cann (1973) publiziert, z. B.
antwortlich ist. Demgegenüber repräsentieren die Gehal- das berühmte Konzentrationsdreieck Ti/100–Zr–Y×3, das
te an Ta, Nb, Zr, Hf, Y und Yb wiederum die Magmen- für die Diskriminierung von Inselbogen-Tholeiiten (IAT),
zusammensetzung ohne diese Subduktionskomponente Kalkalkali-Basalten (CAB) und Intraplatten-Basalten
(Abb. 31.7, Kurve K-reiche IAB). (WPB) entwickelt wurde. Allerdings überlappen die Fel-
der von IAT und CAB in einem breiten Bereich, in dem
Normierte Spurenelement- und REE-Muster können auch für die auch noch die MOR-Basalte liegen, so dass für die Ana-
geochemische Charakterisierung von Sedimentgesteinen verwendet
werden. Für die Normierung dienen z. B. die Mittelwerte für euro-
lysen-Punkte, die in dieses Feld fallen, keine eindeutige
päische oder nordamerikanische Tonsteine (North American Shale Aussage möglich ist (Abb. 31.8). Demgegenüber ermög-
Composite, NASC), die einander sehr ähnlich sind. Auch für die Be- licht z. B. das Variationsdiagramm V vs. Ti von Shervais
stimmung des magmatischen oder sedimentären Ausgangsmaterials (1982) eine Diskrimination von Basalten konvergenter
von metamorphen Gesteinen werden solche Multielement-Diagram- Plattenränder (VAT + CAB), von mittelozeanischen Rü-
me häufig angewandt, vorausgesetzt, die Metamorphose ist im We-
cken- und Backarc-Becken-Basalten (MORB + BAB) so-
sentlichen isochemisch abgelaufen. Natürlich geben die relativ im-
mobilen Spurenelemente für solche Vergleiche bessere Anhaltspunk- wie von Tholeiiten ozeanischer Inseln (OIT) und Alkali-
te als die relativ mobilen, bei denen sekundäre Veränderungen durch basalten (AB), während das Feld der kontinentalen Flut-
hydrothermale Alteration des Ausgangsgesteins, durch Verwitterung basalten (WPB) weit mit dem von MORB + BAB über-
oder durch die Metamorphose selbst eher wahrscheinlich sind. lappt (Abb. 31.9).
Auch für granitische Gesteine wurden Diskriminations-
31.4.3 Diagramme entwickelt, so zum Beispiel die Variations-
Spurenelemente als Indikatoren für die geotektonische diagramme Nb vs. Y und Rb vs. (Y + Nb) von Pearce et al.
Position von magmatischen Prozessen (1984). Sie dienen der Unterscheidung zwischen Ozean-
rücken-Granitoiden (ORG), Intraplatten-Graniten (WPG),
Wie wir gesehen haben, können Spurenelemente wichti- Graniten in vulkanischen Inselbögen und aktiven Kon-
ge, wenn auch oft nicht eindeutige Hinweise auf mag- tinentalrändern (VAG) sowie syntektonischen Graniten,
matische Prozesse geben. Darüber hinaus sind sie aber die im Zuge einer Kontinent-Kontinent-Kollision entstan-
auch Indikatoren für die geotektonische Position, in de- den sind (syn-COLG, Abb. 31.10). Demgegenüber liegen
nen solche Prozesse abgelaufen sind. Allerdings werden die posttektonischen Granite (post-COLG) im Grenz-
normierte Spurenelement-Muster oft sehr unübersicht- bereich mehrerer Felder, lassen sich also nicht von den
lich, wenn man sie für mehrere Gesteine einer magmati- anderen Granittypen unterscheiden.
schen Serie gemeinsam darstellt. Deswegen hat es nicht
an Versuchen gefehlt, auf empirischem Wege einfache Abb. 31.8.
Diskriminations-Diagramme zu entwickeln, in denen Konzentrationsdreieck
Ti/100–Zr–Y×3 zur Diskri-
man für zahlreiche Gesteinsproben die Analysenwerte
mination unterschiedlicher
ausgewählter, insbesondere relativ immobiler Spurene- Basalte. Feld A: Inselbogen-
lemente übersichtlich darstellen kann. Aus der statisti- Tholeiite (IAT), Feld C. Kalk-
schen Häufung der Analysenpunkte ergeben sich dann alkali-Basalte (CAB), Feld D:
für bestimmte Gesteinsgruppen mehr oder weniger gut Intraplatten-Basalte (WPB),
definierte Felder, aus denen man die geotektonische Po- Feld B: IAT + CAB + MORB.
(Nach Pearce u. Cann 1973)
sition von magmatischen Gesteinen, z. B. von unter-
schiedlichen Basalttypen ableiten kann. Häufig plottet
man hierfür jeweils drei Spurenelemente in Konzen-
564 31 · Einführung in die Geochemie
trometern. In modernen Geräten lassen sich Unterschie- Ein δ 18O-Wert von +10,0 gibt also an, dass die Probe
de in den Isotopen-Häufigkeiten noch bis hinunter zu gegenüber dem Standard um 10 ‰ an 18O angereichert ist,
ca. 0,01 % analytisch nachweisen. Seit einiger Zeit kann während ein δ 18O-Wert von –10,0 eine Verarmung um 10 ‰
man durch den Einsatz von Ionenstrahlen oder Lasern bedeutet. Als internationale Bezugsstandards für H und O
auch ortsauflösende Isotopen-Analysen durchführen und verwendet man die Durchschnittsgehalte im Ozeanwasser
so in Mineralen isotopischen Zonarbau nachweisen. (Standard Mean Ocean Water, SMOW), für C den Calcit PDB
Man unterscheidet stabile Isotope, die keinem radioak- im Belemniten Belemnitella americana aus der kretazischen
tiven Zerfall unterliegen, und radiogene Isotope, die durch Pedee-Formation (South Carolina, USA) und für Schwe-
den radioaktiven Zerfall eines Radionuklids entstanden fel den Troilit im Oktaedrit von Canyon Diablo (CDT).
sind. Beide Gruppen von Isotopen sind von zunehmendem Isotopen-Fraktionierungen sind stark temperaturabhän-
geologischen Interesse. So ist es gelungen, unterschiedliche gig, werden jedoch kaum vom Druck beeinflusst, weil die ein-
Isotopen-Reservoirs in der Hydrosphäre, Lithosphäre und zelnen Isotope sich kaum in ihren Atomvolumina unterschei-
Asthenosphäre unseres Erdkörpers herauszuarbeiten und, den. Bei magmatischen und metamorphen Prozessen werden
davon ausgehend, petrogenetische, aber auch biologische Verteilungsgleichgewichte angestrebt oder erreicht. Es be-
Prozesse zu modellieren; man spricht daher auch von Isoto- steht ein einfacher Zusammenhang zwischen dem Fraktio-
pengeologie. Beispielsweise kann die Fraktionierung stabi- nierungsfaktor α und der Gleichgewichtskonstanten K:
ler Isotope als Geothermometer verwendet werden. In der
Geochronologie werden radiogene Isotope schon seit lan-
[31.12]
gem zur Datierung geologischer Ereignisse eingesetzt.
31.5.2 wobei n die Zahl der ausgetauschten Atome ist. Die Tem-
Stabile Isotope peraturabhängigkeit von α ergibt sich aus der Gleichung
Fast alle chemischen Elemente weisen zwei oder mehr 1 000 lnα 1–2 = A(106 / T2) + B [31.13]
stabile Isotope auf. Bei leichten Elementen mit Ord-
nungszahl <40 (= Ca) sind die relativen Massen- dabei ist T die Temperatur in Kelvin, A und B sind expe-
differenzen groß genug, um durch geologische oder bi- rimentell bestimmte Konstanten.
ologische Prozesse fraktioniert zu werden, während das Isotopen-Fraktionierungen können folgende Gründe
bei schweren Elementen nicht mehr der Fall ist. Des- haben (Mason u. Moore 1985):
wegen werden in der Isotopen-Geochemie hauptsäch-
lich die Isotope der Elemente Wasserstoff H (Ordnungs- Bindungen, an denen leichte Isotope beteiligt sind,
zahl 1), Kohlenstoff C (5), Sauerstoff O (8), und Schwe- lassen sich einfacher lösen als solche mit schweren
fel S (16) eingesetzt. Sie haben darüber hinaus den Vor- Isotopen.
teil, dass sie sowohl in fluiden als auch in festen Phasen Moleküle mit leichten Isotopen reagieren schneller als
vorhanden sind. Mit zunehmender Temperatur nimmt die mit schweren.
die Bereitschaft der stabilen Isotope zur Fraktionierung Leichtere Isotope werden bevorzugt bei irreversiblen
ab; sie sind daher in Sedimenten und Sedimentgestei- Reaktionen angereichert.
nen stärker fraktioniert als in magmatischen und me-
tamorphen Gesteinen. Aus Isotopen-Fraktionierungen lassen sich daher
In der isotopengeochemischen Praxis bezieht man die die Bildungstemperaturen von Mineralen, Gesteinen
Isotopen-Verhältnisse R, die man aus den Messungen mit und Fossilien abschätzen,
dem Massenspektrometer gewinnt, auf einen internati- physikalisch-chemische Prozesse rekonstruieren, die
onalen Standard und enthält damit sog. δ -Werte: ein Gestein während oder nach seiner Entstehung
durchgemacht hat,
Aussagen über die Reaktionskinetik eines geologi-
[31.11]
schen Prozesses gewinnen sowie
genetische Beziehungen zwischen Meteoriten und ir-
z. B. dischen Gesteinen herausarbeiten.
Sauerstoff-Isotope
Schnitt haben die O-Isotope folgende Häufigkeiten: Fraktionierung von O-Isotopen zwischen Mineralen,
16O = 99,763 %, 17O = 0,0375 %, 18O = 0,1995 %; damit wird z. B. Quarz und Magnetit werden häufig als Geothermo-
in der isotopengeochemischen Praxis das Isotopen-Verhält- meter eingesetzt wird, wobei man folgende Austausch-
nis 18O/16O bzw. der δ 18O-Wert angewendet. Wie Abb. 31.11a reaktion formulieren kann:
zeigt, haben Chondrite ein δ 18O, das nur wenig um 5,7 ‰
variiert; damit ergibt sich auch für den Erdmantel ein 2Si 16O2 + Fe3 18O4 2Si 18O2 + Fe3 16O4 (31.1)
Durchschnittswert von 5,7 ±0,3 ‰. Demgegenüber sind
MORB kaum, Andesite und Rhyolithe dagegen deutlich an Der Fraktionierungsfaktor dieser Reaktion ist
18
O angereichert, während in Granitoiden eine relativ brei-
te Variation von schwach negativen zu deutlich positiven
[31.12a]
δ 18O-Werten beobachtet wird. H2O-reiche magmatische
Fluide zeigen eine auffallend geringe Variationsbreite an po-
sitiven δ 18O-Werten zwischen 5,7 und ca. 9 ‰. Generell po- Für das Quarz-Magnetit-Gleichgewicht nehmen die
sitive, wenn auch stark streuende δ 18O-Werte haben Sedi- Konstanten in Gleichung (31.13) die Werte A = 6,29 und
mente und metamorphe Gesteine sowie H2O-reiche meta- B = 0 an. Bestimmt man mit dem Massenspektrometer
morphe Fluide. Während das Ozeanwasser definitionsge- z. B. einen Fraktionierungsfaktor α Quarz-Magnetit = 1,009,
mäß ein δ 18O von 0 ‰ hat, zeigen meteorische Wässer eine so errechnet sich nach der Gleichung
große Variationsbreite zwischen +5,7 und –40, wobei war-
me Süßwässer hohe, kalte dagegen niedrigere δ 18O-Werte 1 000 ln 1,009 = 6,29 (106 / T2) [31.13a]
aufweisen. Daraus lassen sich z. B. durch Isotopen-Analyse
von Invertebraten-Schalen Paläotemperaturen ableiten. eine Temperatur von 838 K = 565 °C.
Abb. 31.11. Stabile Isotope von Sauerstoff, Kohlenstoff und Schwefel in natürlichen Proben: a δ 18O, b δ 13C, c, d δ 34S. Erläuterungen im
Text. (Mod. nach Rollinson 1993)
31.5 · Isotopen-Geochemie 567
samt von den Evaporit-Lagerstätten der Erde eingenom- wobei XH2S und XSO2 die Molenbrüche der entsprechen-
men. Der δ 34S-Wert von modernem Meerwasser liegt bei den Gasspezies bezogen auf den Gesamtgehalt an S sind.
18,5–21 ‰, moderne Evaporite liegen um 1–2 ‰ höher. Bei niedrigeren Temperaturen <350 °C liegen dagegen –
Demgegenüber nehmen moderne marine Sedimente ei- wie im marinen Milieu – H2S-[SO4]2–-Gleichgewichte vor,
nen enorm weiten Bereich zwischen ca. +20 und –50 ‰ wobei die Sulfide hauptsächlich durch nichtbakterielle
ein (Abb. 31.11c), was angesichts des hohen Atomgewichts Sulfat-Reduktion gebildet worden sind. Ohmoto u. Rye
von S bemerkenswert ist. Diese starke Fraktionierung geht (1979) konnten zeigen, dass die Fraktionierung der
hauptsächlich auf die Tätigkeit von Sulfat-reduzierenden S-Isotopen in hydrothermalen Lösungen nicht nur von
Bakterien zurück, wobei die Austauschreaktion der Temperatur, sondern auch von anderen Zustandsva-
riablen wie pH-Wert, fO2, fS2 sowie den Aktivitäten der
[32SO4]2– + H2 34S [34SO4]2– + H2 32S (31.5) beteiligten Kationen abhängt.
Abbildung 31.12 zeigt die Verteilung von δ 34S-Wer-
stattfindet. Bei 25 °C beträgt α = K = 1,075, so dass sich ten in einem aktiven Hydrothermal-System am mittel-
Sulfide bilden, die an 34S verarmt sind, während das ver- ozeanischen Rücken (vgl. Abschn. 21.5.1, S. 329ff). Dabei
bleibende [SO4]2– und damit auch Sulfat-Evaporite an 34S ergibt sich, dass der ausgeschiedene Anhydrit ein ähn-
angereichert werden. In den Anhydrit-Gips-Lagerstätten liches δ 34S wie das [SO4]2– des Meerwassers aufweist; es
von Sizilien, Lousiana und Texas führt Sulfat-Reduktion hat sich also ein Gleichgewicht eingestellt (Abb. 31.11d).
durch das Bakterium Desulfovibrio zur Bildung von Im Gegensatz dazu stehen die Sulfid-Minerale weder
elementarem S, wobei anwesendes Erdöl oder Bitumen untereinander noch mit dem hydrothermalen Fluid
zu CO2 oxidiert und [SO4]2– zu H2S reduziert wurde; die- im isotopischen Gleichgewicht. Die wechselnden
ses reagierte dann mit dem restlichem Ca-Sulfat zu ele- δ 34S-Werte des Fluids gehen offenbar auf eine Mischung
mentarem Schwefel. Bei dieser Reaktionsfolge wird das von Basalt-Schwefel (δ 34S = 1,0 ‰) mit dem Sulfat des
δ 34S im H2S gegenüber dem Sulfat etwas erniedrigt, im Meerwassers (δ 34S = 18,86 ‰) zurück, wobei sich das
elementaren S dagegen erhöht. Meerwasser/Gesteins-Verhältnis im Lauf der Zeit
Von großem Interesse für das Verständnis von sulfi- ständig änderte. Darüber hinaus kam es zu sekundä-
dischen Erzlagerstätten ist die Fraktionierung der S-Iso- ren Reaktionen zwischen den bereits ausgeschiede-
tope in Hydrothermal-Systemen. Bei Temperaturen nen Sulfiden der Erzschornstein-Wand und dem sich
>400 °C liegen hauptsächlich H2S und SO2 vor, die sich verändernden hydrothermalen Fluid (Bluth u. Ohmoto
annähernd wie ideale Gase verhalten. Damit ergibt sich 1988).
die Isotopen-Zusammensetzung des Fluids zu In Abb. 31.11d sind die δ 34S-Werte für Sulfid- und
Sulfat-Minerale in rezenten und nicht-rezenten hydro-
δ 34Sfluid = δ 34SH2S XH2S + δ 34SSO2 XSO2 [31.14] thermalen Erzlagerstätten dargestellt, deren Verteilung
Abb. 31.12.
Schematische Darstellung von
δ 34S-Werten in einem rezenten
Hydrothermal-System an einem
mittelozeanischen Rücken. (Aus
Rollinson 1993)
31.5 · Isotopen-Geochemie 569
Schwefel magmatischer Herkunft: Die Sulfide in Die Grundlagen der modernen Geochronologie wurden
porphyry copper ores (Abschn. 21.2.4, S. 318ff) weisen durch die Arbeit von Rutherford u. Soddy (1903) gelegt.
δ 34S-Werte zwischen –3 und +1 ‰ auf, was nahezu Sie konnten zeigen, dass radioaktive Zerfallsprozesse
dem akzeptierten Mantelwert entspricht. exponentiell, d. h. mit einer bestimmten Halbwertszeit
Anorganische Reduktion von Meerwasser-Sulfat bei verlaufen. Diese ist unabhängig von Temperatur, Druck
relativ hohen Temperaturen, wie sie heute in Hydro- und anderen physikochemischen Zustandsvariablen. Die
thermal-Systemen der mittelozeanischen Rücken ab- Zerfallsrate, mit der ein radioaktives Mutternuklid zu
läuft, dürfte bei der Entstehung der vulkanogen-mas- einem stabilen Tochterprodukt zerfällt, ist proportional
siven Sulfiderz-(VMS-)Lagerstätten, z. B. vom Zypern- zur Zahl der Atome N, die zu einer gewissen Zeit t anwe-
und vom Kuroko-Typ (Abschn. 21.5.2, S. 332f), eine send sind:
wichtige Rolle gespielt haben. Die δ 34S-Werte ihrer
Sulfid- und der Sulfat-Minerale stimmen gut mit de-
[31.15]
nen der modernen Analoga überein.
Anorganische Reduktion von Meerwasser-Sulfat bei
tieferen Temperaturen, aber oberhalb des Existenz- Der Proportionalitätsfaktor λ ist die Zerfallskonstan-
bereichs von Sulfat-reduzierenden Bakterien, ist te (engl. decay constant), die für jedes Radionuklid cha-
möglicherweise der dominierende Prozess bei der rakteristisch ist; sie beschreibt die Wahrscheinlichkeit,
Bildung von sedimentären Kupfererz-Lagerstätten des mit der ein bestimmtes Atom des Radionuklids in einer
Red-Bed-Typs (Abschn. 23.2.8, S. 361). Das δ 34S der bestimmten Zeit zerfällt. Das Differential dN/dt ist ne-
Sulfide variiert in einem weiten Bereich von überwie- gativ, weil die Zerfallsrate mit der Zeit abnimmt. Inte-
gend positiven Werten und überlappt mit dem von griert man Gleichung [31.15] zwischen den Grenzen
assoziiertem Baryt. Dieser stimmt wiederum recht gut t0 = 0 und t und bezeichnet die Zahl der Mutteratome
mit dem δ 34S des Evaporit-Sulfats der Sedimente über- zur Zeit t0 als N0, so erhält man aus dem Integral
ein, von denen die Erzlagerstätten überdeckt werden.
Man nimmt daher an, dass die S-haltigen Lösungen
aus dieser Quelle stammen. Die Sulfat-Reduktion fand
wahrscheinlich in einem geschlossenen System in Ge-
genwart von Erdgas statt und lief – wie die weite Streu-
ung der δ 34S-Werte belegt – nur unvollständig ab. die Zerfallsgleichung
Auf einen komplexen Prozess gehen die sedimentär-
exhalativer Sulfid-Lagerstätte des Rammelsberg bei
[31.16a]
Goslar und wahrscheinlich auch andere SEDEX-La-
gerstätten zurück (Abschn. 21.6.1, S. 334f). Die δ 34S-
Werte der Sulfide fallen in drei wohldefinierte Grup- oder
pen, die durch ortsauflösende Isotopen-Analysen mit
der Ionensonde SHRIMP herausgearbeitet werden N = N 0 e –λ t [31.16b]
konnten (Eldridge et al. 1988). Die deutlich positiven
Werte von Pyrit und Chalkopyrit dürften eine hydro- Setzt man N/ N0 = ½, so erhält man für die Halbwerts-
thermale Komponente darstellen, während sich die zeit (engl. half life), d. h. die Zeit, in der jeweils die Hälfte
stark negativen Werte bei Pyrit am besten durch bak- der vorhandenen Mutternuklide zerfallen ist, die Bezie-
terielle Sulfat-Reduktion erklären lassen. Die mittle- hung
re Gruppe ist dadurch entstanden, dass Sulfid-Klasten
mit positiven und negativen δ 34S-Werten gemeinsam
[31.17]
einsedimentiert und dadurch vermengt wurden.
Eine enorme Variation von stark positiven zu stark ne-
gativen δ 34S-Werten weisen die Sulfide der Lagerstätten Die meisten geochronologischen Datierungsmethoden
vom Mississippi-Valley-Typ (MVT; Abschn. 21.6.2, benutzen Radionuklide mit langen Halbwertszeiten (Ta-
S. 335) auf, wobei allerdings individuelle Vorkommen belle 31.6), wobei die Tochterprodukte in den zu datie-
jeweils relativ begrenzte Streubreiten zeigen. Daher muss renden Mineralen und Gesteinen angereichert werden.
für jeden Einzelfall mit einer unterschiedlichen S-Quel- Man spricht daher von sog. Anreicherungsuhren (engl.
le und/oder einem unterschiedlichen Mechanismus der accumulation clocks). Die Zahl der gebildeten Tochter-
H2S-Produktion gerechnet werden. atome D* ist gleich der Zahl der verbrauchten Mutter-
570 31 · Einführung in die Geochemie
Tabelle 31.6.
Zerfallskonstanten und Halb-
wertszeiten wichtiger Radionu-
klide. (Nach Dickin 1997)
atome: D* = N0 – N. Da nach Gleichung [31.16b] N0 = Neλt fluss im Gestein beeinflusst wird. Daher wird das Modell der
ist, erhält die Zerfallsgleichung die Form Schließungstemperatur und der Abkühlungsalter von einigen
Geochronologen abgelehnt. Andererseits hat es sich bei der Ablei-
tung von P-T-t-Pfaden in vielen Fällen als hilfreich erwiesen (vgl.
D* = N eλt – N = N (eλt – 1) [31.18] Abschn. 25.4.2, S. 448f).
Diese Gleichung stellt die Grundlage für die Anwen- Nur wenn die Temperatur bei der Kristallisation ge-
dung radioaktiver Zerfallsprozesse in der Geochronologie ringer ist als die Schließungstemperatur, z. B. bei einer
dar. Löst man sie nach t auf, so erhält man niedriggradigen Metamorphose, lässt sich das Kristalli-
sationsalter ermitteln; sonst findet man lediglich Ab-
kühlungsalter.
[31.20]
Das Krustenbildungsalter beschreibt die Zeit, in der
Um ein Radionuklid für die Geochronologie einset- sich ein neuer Anteil von kontinentaler Kruste durch
zen zu können, müssen also seine Zerfallskonstanten bzw. partielles Aufschmelzen des Mantels und nachfol-
seine Halbwertszeit genau bekannt sein; die heute vor- gende AFC-Prozesse gebildet hat.
handene Zahl an Mutteratomen N und Tochteratomen D
bzw. D* lässt sich massenspektrometrisch bestimmen, In den meisten Fällen wird die neugebildete Kruste
während man D0 gegebenenfalls berechnen muss. jedoch durch Deformation, Metamorphose und Migmati-
Bei der isotopischen Alterbestimmung sollte man sich sierung so stark überprägt, dass man höchstens ein
klar darüber sein, welcher Art das geologische Alter ist, Kratonisierungsalter ermitteln kann.
das durch Isotopenanalyse ermittelt wurde (vgl. Rollin- Verweildauer in der Erdkruste (engl. crust residence age).
son 1993): Sedimente, die von einem Segment kontinentaler Krus-
te wegerodiert wurden, enthalten eine Altersinformation,
Das Abkühlungsalter gibt die Zeit an, die vergangen ist, die das Krustenbildungsalter reflektiert. Diese Informa-
seitdem ein magmatisch oder metamorph gebildetes tion kann auch noch erhalten bleiben, wenn diese Sedi-
Mineral seine Schließungstemperatur unterschreitet. mente metamorph umgewandelt werden.
87Rb
37 → 8378Sr + β – + v– + Q (31.6)
[31.22]
verhältnis (87Sr/86Sr)0, unabhängig von ihrem 87Rb/86Sr- system in den Gesamtgesteinsproben bei diesem Ereig-
Verhältnis: Die Punkte a, b und c liegen daher auf einer nis nicht oder nur geringfügig zurückgestellt, erhält man
Geraden, die zur Zeit t0 = 0 parallel zur Abszisse verläuft. eine Isochrone mit akzeptablem MSWD-Wert, die das
Durch ein thermisches Ereignis zum Zeitpunkt t0 = 0, Intrusionsalter von 600 Ma datiert. Fand dagegen eine
z. B. durch eine Regionalmetamorphose, wird die iso- teilweise Neueinstellung statt, so können die Analysen-
topische Uhr in Gang gesetzt. Es setzte der radioaktive punkte so stark um die Regressionsgrade streuen, dass
Zerfall von 87Rb zu 87Sr ein, wobei umso mehr radiogenes man lediglich eine Errorchrone mit großem MSWD-Wert
87 Sr gebildet wird, je mehr 87 Rb vorhanden ist. Das erhält, die ohne geologische Aussagekraft ist.
87
Rb/86Sr-Verhältnis nimmt also in gleichem Maße ab Bei der mittel- bis hochgradigen Regionalmetamor-
wie das 87Sr/86Sr-Verhältnis zunimmt. Ist während der phose werden die Isotopensysteme der Einzelminerale
gesamten geologischen Geschichte das isotopische in diesem Granit vollständig neu eingestellt, obwohl das
Gleichgewicht erhalten geblieben, so definieren die Gesamtgestein durchaus ein geschlossenes System bil-
Analysenpunkte a', b', c', die wir heute nach Ablauf der den kann. Man erhält für den entstandenen Orthogneis
Zeit t messen, eine geneigte Gerade, die Isochrone. Ihr eine neue Mineralgesamtgesteins-Isochrone, die das
Neigungswinkel ist proportional zur Zeit t, in diesem Fall Metamorphose-Alter von 500 Ma datieren sollte. Aller-
500 Ma. Die Extrapolation der Isochrone bis zum Schnitt- dings setzt sich der Isotopen-Austausch zwischen den
punkt mit der Ordinate definiert das Anfangsverhältnis Mineralen bei der Abkühlung des Gesteinskomplexes
(87Sr/86Sr)0, das wir ja a priori gar nicht kannten. Hätte noch weiter fort, und zwar unterschiedlich für jede Mi-
das geologische Ereignis nicht vor 500 Ma sondern vor neralart. So beträgt die Schließungstemperatur für das
1 000 Ma stattgefunden, so wäre durch die Punkte a", b" Rb-Sr-System beim Muscovit ungefähr 500 °C, beim Biotit
und c" eine Isochrone mit entsprechend steilerer Neigung dagegen nur etwa 350 °C. Daher konstruiert man jeweils
bestimmt, wobei sie die Ordinate selbstverständlich im die Zweipunkt-Isochronen Gesamtgestein-Muscovit und
gleichen Anfangsverhältnis schneidet. Gesamtgestein-Biotit, die zwei verschiedene Alterswerte
Darüber hinaus lassen sich Isochronen auch aus den ergeben. In einem Temperatur-Zeit-Diagramm ist damit
Isotopen-Verhältnissen von Gesamtgesteinsproben kon- ein Abschnitt des Abkühlungspfades durch zwei T-t-
struieren, die zu einem Gesteinskomplex, z. B. einer Gra- Kombinationen definiert, z. B. ~500 °C/495 Ma und
nit-Intrusion oder einem Orthogneis-Komplex, gehören ~350 °C/487 Ma. Daraus lässt sich in diesem Bereich eine
(Abb. 31.13b). Voraussetzung ist eine genügend breite mittlere Abkühlungsgeschwindigkeit von ungefähr 20 °C
Variation der 87Rb/86Sr-Verhältnisse und – selbstver- pro 1 Ma berechnen. Allerdings hat dieser Wert einen
ständlich – die Einstellung des isotopischen Gleichge- relativ großen Fehler, da in seine Berechnung die Stan-
wichts über ein ausgedehntes Gesteinsvolumen. Das ist dardabweichung der beiden Rb-Sr-Daten und die Unsi-
jedoch häufig nicht der Fall. Daher werden zahlreiche cherheit bezüglich der Schließungstemperaturen eingeht.
Alterswerte, die in früheren Jahren mit Rb-Sr-Gesamt-
gesteinsdatierungen gewonnen wurden, heute nicht mehr
akzeptiert.
Isochronen liefern nur dann eine zuverlässige Altersaussage, wenn
sie statistisch abgesichert sind, d. h. wenn die Abweichung der ein-
zelnen Analysenpunkte von der Regressionsgeraden nicht größer ist
als die Standardabweichung der Einzelmessungen. Ein Maß dafür
ist die mittlere gewichtete Standardabweichung (engl. mean weighted
standard deviation, MSWD), die möglichst gering, maximal je-
doch 2,5 sein sollte. MSWD-Werte >2,5 zeigen an, dass sich die Ge-
steinsproben oder auch die Minerale eines Gesteins nicht im
isotopischen Gleichgewicht befinden; die „Isochrone“ ist dann von
geringem oder keinem geologischen Aussagewert, weswegen man
auch von Errorchronen spricht. Da die Genauigkeit der Isotopen-
Analysen in den letzten Jahren enorm gesteigert wurde, überlappen
die Fehlerbalken nicht mehr so häufig mit der Regressionsgraden
wie früher; dadurch kann der MSWD-Wert eine unakzeptable Grö-
ße erreichen (Abb. 31.13c).
Abb. 31.14. Die Entwicklung des Anfangsverhältnisses (87Sr/86S)0 im
Die mangelnde Gleichgewichtseinstellung kann ihre Verlauf der Erdgeschichte in der kontinentalen Erdkruste und im
Ursache darin haben, dass ein Gestein oder ein Gesteins- Erdmantel. Partielles Aufschmelzen des Erdmantels vor 2,7 Ga führte
komplex im Laufe seiner Geschichte zwei oder mehrere zur Entstehung neuer kontinentaler Kruste. Bei (87Sr/86Sr)0 = 0,7014
entwickelten sich die 87Sr-Wachstumskurven in Kruste und Mantel
geologische Ereignisse erlebt hat. So kann z. B. ein Gra- auseinander. Magmen, die sich vor 1 Ga durch partielle Anatexis des
nit, der vor 600 Ma intrudierte, vor 500 Ma regional- Erdmantels bildeten, hatten ein (87Sr/86Sr)0-Anfangsverhältnis von
metamorph überprägt worden sein. Wurde das Isotopen- 0,7034, krustale Schmelzen dagegen 0,714. (Nach Rollinson 1993)
31.5 · Isotopen-Geochemie 573
Eine Extrapolation zurück auf den Höhepunkt der Me- gie zum Rb-Sr-System bezieht man 147Sm und 143Nd auf
tamorphose ist jedoch nicht möglich, da die Abkühlung das nicht radiogene 144Nd und erhält dann entsprechend
nicht linear verläuft. Für seine Datierung muss man da- Gleichung [31.22] den Ausdruck
her auf Isotopensysteme mit höheren Schließungs-
temperaturen in den betreffenden Mineralen zurückgrei-
fen (s. unten). [31.24]
Die Anfangsverhältnisse (87Sr/86Sr)0 von Gesteins-
komplexen sind von erheblichem geologischen Interes-
se, weil sie – gemeinsam mit anderen Isotopensystemen – Daraus folgt, dass man auch im Sm-Nd-System mit
Isotopenreservoire im Erdmantel und in der Erdkruste Isochronen-Darstellungen arbeiten kann, wobei die Me-
definieren. Da sich Rb wesentlich inkompatibler verhält thode wegen der großen Halbwertszeit besonders gut für
als Sr (Abb. 31.1), reichert es sich bei der partiellen Ana- Meteorite und sehr alte, z. B. archaische Gesteine und
texis des Erdmantels in der Schmelze an, während Sr im deren Minerale, geeignet ist. Für die Datierung metamor-
verarmten Mantel zurückbleibt. Nach Tabelle 31.4 beträgt pher Gesteine haben sich Granat-Gesamtgesteins-Iso-
das durchschnittliche Rb/Sr-Verhältnis der kontinentalen chronen am besten bewährt. Da die Diffusionsraten in
Erdkruste = 0,17, das des Erdmantels dagegen nur 0,03. Granat sehr gering sind, verändert sich das Sm-Nd-Sys-
Dementsprechend ist das (87Sr/86Sr)0-Verhältnis in der tem bei der Abkühlung nur wenig; dementsprechend lie-
kontinentalen Erdkruste im Laufe der geologischen Ent- gen die Schließungstemperaturen relativ hoch, nämlich
wicklung auf einen Wert von 0,7211 angestiegen, wäh- bei ungefähr 600 °C. Damit lassen sich also Metamorpho-
rend es im heutigen Erdmantel (Bulk Silicate Earth BSE) se-Ereignisse datieren, bei deren Höhepunkt die Tempe-
durchschnittlich bei 0,705 liegt. Die Entwicklung des ratur bei 600 °C oder tiefer gelegen hat. Wäre z. B. der
(87Sr/86Sr)0-Verhältnisses mit der Zeit ist in Abb. 31.14 o. g. granitische Orthogneis bei maximal 590 °C meta-
schematisch dargestellt, wobei von einem Krustenbil- morph überprägt worden, so würde eine Sm-Nd-Granat-
dungsereignis vor 2,7 Ga ausgegangen wird. Heute ken- Gesamtgesteins-Isochrone ein Alter von 500 Ma ergeben.
nen wir allerdings Bereiche von kontinentalen Platten, Zudem stellt sich beim Granat-Wachstum häufig ein aus-
die ein wesentlich höheres Alter von etwa 4 Ga haben geprägter chemischer Zonarbau ein, der auch das Sm-Nd-
(Bowring u. Williams 1999). Im Detail unterscheiden sich System betrifft. Daher kann man in günstigen Fällen
Mantelreservoire merklich in ihrem (87Sr/86Sr)0-Verhältnis; Kern- und Randzonen gesondert analysieren und so Hin-
so liegt dieses im verarmten Mantelreservoir (Depleted weise auf die Dauer des Granatwachstums gewinnen. Im
Mantle, DM) bei 0,702, im sog. PREvalent MAntle Reser- genannten Beispiel könnte das Granatwachstum bei
voir (PREMA) bei 0,7035 und in den angereicherten 510 Ma begonnen haben und bei 500 °C abgeschlossen
Mantelreservoiren (Enriched Mantle) EM I bei 0,705 und worden sein.
EM II noch höher. Das (87Sr/86Sr)0-Verhältnis von MORB Das Sm-Nd-Isotopen-System wird häufig auch zur
variiert um 0,703. Um einen vertieften Einblick in die Ermittlung von Modellaltern benutzt. Diese stellen ein
Isotopen-Reservoire der Erde zu gewinnen, müssen ein- Maß für die Zeit dar, seit der das betreffende Gestein von
schlägige Lehrbücher durchgearbeitet werden, z. B. die der Mantelquelle getrennt war, aus der es – als heutiger
sehr übersichtliche Darstellung von Rollinson (1993). Bestandteil der kontinentalen Kruste – ursprünglich
stammte. Für die Art des Mantelreservoirs und seiner
Samarium-Neodym-Datierungen Isotypie müssen Annahmen gemacht werden, wobei zur
Zeit zwei Modelle im Vordergrund stehen:
Die Seltenerd-Elemente Samarium (Z = 62) und Neodym
(Z = 60) sind mit durchschnittlich 5,3 bzw. 27 ppm in der Chondritic Uniform Reservoir (CHUR). Beim CHUR wird an-
kontinentalen Erdkruste vorhanden (Tabelle 31.4); zu- genommen, dass der primitive Erdmantel die gleiche Sm-
sammen mit anderen REE werden sie in eine Reihe wich- Nd-Isotopie hatte wie die mittlere Chondrit-Zusammen-
tiger gesteinsbildender Minerale eingebaut. Sm hat sie- setzung, also den Zustand der Erde vor ca. 4,6 Ga wider-
ben natürliche Isotope, von denen 147Sm, 148Sm und 149Sm spiegelt. Analog zu Gleichung [31.23] berechnet sich das
radioaktiv sind. Von diesen hat der Zerfall von 147Sm un- T-CHUR-Modellalter nach der Gleichung
ter Aussendung von α -Strahlung nach der Reaktion
147
62Sm → 16403Nd + 42He (31.7)
anderen beiden Isotopen ist das nicht der Fall. In Analo- [31.25]
574 31 · Einführung in die Geochemie
Depleted Mantle (DM). Bei der Bildung der Erdkruste deren Zwischenprodukte allerdings so kurzlebig sind,
durch partielle Aufschmelzung von Mantelgesteinen dass sie geologisch keine Bedeutung haben. Wie man aus
blieb ein verarmter Erdmantel zurück, in dem seit frü- Tabelle 31.6 entnehmen kann, zerfällt das Nuklid mit dem
hester Zeit das Sm/Nd-Verhältnis gegenüber CHUR stän- höchsten Atomgewicht 238U in das leichteste Blei-Isotop
dig anwuchs. Da sich Sm bekanntlich etwas kompatibler 206Pb und umgekehrt. Während die Halbwertszeit des
verhält als Nd (Abb. 31.4), wurde Nd in die Krusten- 238U-Zerfalls etwa dem Alter der Erde entspricht, ist die
gesteine fraktioniert, Sm dagegen im Erdmantel relativ des 235U-Zerfalls deutlich geringer, so dass das ursprüng-
angereichert. Deswegen verwendet man – alternativ zu liche (primordiale) 235U fast vollständig zu 207Pb abge-
CHUR – häufig DM-Werte, um Sm-Nd-Modellalter zu baut wurde. Die Halbwertszeit von 232Th entspricht un-
berechnen, wobei dann in Gleichung [31.25] die Isoto- gefähr dem Alter des Universums. Nach der Grund-
pen-Verhältnisse (143Nd/144Nd)DM und (147Sm/144Nd)DM gleichung [31.19] gelten die Beziehungen
anstelle derjenigen für CHUR eingesetzt werden.
Da Sm-Nd-Modellalter an Gesamtgesteinen relativ 206Pb 206Pb 238U λ238t –
m= 0+ m (e 1) [31.27]
leicht zu gewinnen sind, kann man sie zur Kartierung
von unterschiedlichen geologischen Einheiten in alten 207
Pbm = 207Pb0 + 235Um (eλ235t – 1) [31.28]
Kristallin-Komplexen benutzen. Anstelle des Modell-
alters wird häufig auch der ε Nd-Wert zur Entstehungs-
zeit t angegeben, wobei gilt 208Pb 208Pb 232Th λ232t –
m= 0+ m (e 1) [31.29]
Anfangsverhältnis (143Nd/144Nd)0 mit zunehmender Ver- vorgenommen werden, wenn man ein Pb-haltiges, aber
armung des Erdmantels an, während es in Krusten- U- und Th-freies Mineral analysiert, das im gleichen
gesteinen abnimmt. Das gilt insbesondere für die konti- Gesteinskomplex auftritt. Nach Umformung erhält man:
nentale Unterkruste und andere ältere Krustenbereiche,
in denen bereits ein mehrfaches Recycling stattgefun-
den hat. Die Isotopensysteme Sm-Nd und Rb-Sr verhal- [31.27a]
ten sich also in ihrer Entwicklung entgegengesetzt.
Uran-Blei-Datierungen [31.28a]
tinentale Erdkruste 2,4 Gew.-% K2O (Tabelle 31.4). Am wurde. Demgegenüber bestimmt man das Gesamt-K auf
Gesamt-K ist das radioaktive Isotop 40K nur mit 0,012 % chemischem Wege, z. B. mittels Flammenfotometrie; durch
beteiligt, von dem 89,5 % unter β -Emission zu 40Ca, der Multiplikation mit dem Faktor 1,2 × 10–4 erhält man daraus
Rest zu 40Ar zerfällt. Allerdings ist das radiogene 40Ca den Gehalt an 40K. Eine wichtige Fehlerquelle bei der Ana-
für die Isotopengeologie nicht sehr interessant, da sein lyse ist eine mögliche Verunreinigung mit atmosphäri-
Mengenanteil in Mineralen und Gesteinen nur wenig schem Ar, die jedoch über die Messung des atmosphärischen
variiert und es zudem durch das nicht radiogene 40Ca 36Ar-Isotops korrigiert werden kann. Weiterhin muss mit
dominiert wird, das 97 % des Gesamt-Ca ausmacht und der Anwesenheit von altem, ererbtem Argon gerechnet wer-
in vielen Mineralen eine Hauptkomponente bildet. den, welches durch das thermische Ereignis, das man da-
Demgegenüber herrscht die radiogene Komponente 40Ar tieren möchte, nicht vollständig ausgetrieben worden war.
mit einem Anteil von 99,6 % im atmosphärischen Argon Andererseits besteht bei manchen Mineralen die Gefahr
vor, was bedeutet, dass fast der gesamte Ar-Gehalt der Erd- eines schleichenden Argonverlustes, der besonders bei Tem-
atmosphäre im Laufe der Erdgeschichte aus dem radioak- peraturerhöhung eintreten kann. Deswegen sind die Schlie-
tiven Zerfall von 40K gebildet wurde. 40Ar entsteht durch drei ßungstemperaturen für das K-Ar-System relativ gering, so
verschiedene Zerfallsreaktionen, von denen zwei Elektro- dass man durch K-Ar-Datierungen typischerweise Ab-
nen-Einfang durch den Atomkern (κ -Prozess), die dritte kühlungsalter erhält.
Positronen-Emission beinhalten; letztere ist jedoch nur zu
0,01 % beteiligt und kann daher vernachlässigt werden.
Die Gesamt-Zerfallskonstante errechnet sich aus der Sum-
me der Konstanten für den 40K → 40Ca- und den 40K → 40Ar-
Zerfall zu λ total = λ β + λ κ = (4,962 + 0,581) × 10–10 a–1
= 5,543 × 10–10 a–1. Daraus ergibt sich eine Halbwerts-
zeit von 1,25 Ga, die deutlich geringer ist als bei den
bisher besprochenen Isotopen-Systemen, abgesehen vom
235U → 207Pb-Zerfall (Tabelle 31.6). Der Anteil des 40K-
[31.30]
[31.31]
[31.32]
1,6 × 109 K entstehen durch das Neon-Brennen in 219 Ta- Abb. 31.17. Häufigkeit der chemischen Elemente in der Sonne relativ
gen 16O und 24Mg, untergeordnet 27Al und 31P. Durch das zu Si = 106, aufgetragen gegen die Ordnungszahl. (Aus Rollinson 2007)
nachfolgende Sauerstoff-Brennen bilden sich dann bei
2,0 × 109 K in einem Zeitraum von 475 Tagen durch Sauer- denziell eine sanft abfallende Kurve, die zeigt, dass
stoff-Fusionsreaktionen (α -Prozess) 32S, 31P, 31S und 28Si, leichte Elemente häufiger als schwere sind. Das ent-
untergeordnet 35Cl, 40Ar, 39K und 40Ca. Bei diesen nuklea- spricht der geschilderten Abfolge der Element-bilden-
ren Prozessen wird im Inneren eines Sterns zunehmend 28Si den Prozesse. Das Zickzack-Muster der Kurve lässt er-
angereichert, aus dem sich wiederum durch das Silizium- kennen, dass Elemente mit gerader Ordnungszahl, d. h.
Brennen oberhalb von 3,3 × 109 K innerhalb von etwa 11 Ta- mit gepaarten Neutronen in ihrem Kern, häufiger sind
gen durch die Reaktion 28Si + 28Si → 56Fe das stabilste Ele- als die benachbarten Elemente mit ungerader Ordnungs-
ment 56Fe bildet, wobei als Zwischenprodukte 48Ti, 51V, 52Cr, zahl. Eine negative Anomalie bilden die leichten Ele-
55Mn, 59Co und 58Ni entstehen. Durch exotherme Kernfusion mente Li, B und Be, die bei der stellaren Kernfusion
können nun keine weiteren Elemente mehr erzeugt werden. lediglich Zwischenprodukte darstellen und durch Photo-
Ungefähr die Hälfte der chemischen Elemente zwi- dissoziation bei den hohen Kerntemperaturen sofort
schen Fe und Bi entstehen durch den sogenannten s-Pro- wieder zerstört werden. Nur ein sehr geringer Anteil
zess (s = slow), wobei in der Zone des Heliumbrennens in dieser Elemente kann durch Konvektion in die Stern-
der Sternklasse der Roten Riesen (vgl. Abb. 32.1, S. 583) Atmosphären gelangen. Weitaus größer ist der Beitrag
Neutronen an die Atomkerne angelagert werden. Wegen aus der primordialen Nukleo-synthese und der Spallation
der dort vorherrschenden relativ niedrigen Neutronen- kosmischer Strahlung, also der Aufspaltung von Elemen-
dichte ist die Einfangzeit für Neutronen lang im Vergleich ten der CNO-Gruppe bei energiereichen Kern-Kern Kol-
zur Zeitskala des β -Zerfalls. Bevor sich also weitere Neu- lisionen.
tronen anlagern, kommt es zur Umwandlung des Kerns
in einen Kern mit einer um eins erhöhten Ordnungszahl. Weiterführende Literatur
Die übrigen chemischen Elemente jenseits des 56Fe
entstehen überwiegend beim explosiven Brennen in Su- Barnes HL (ed) (1997) Geochemistry of hydrothermal ore deposits,
pernovae durch den r-Prozess (r = rapid). Beim Kern- 3rd ed. Wiley, New York
Bennett CL und 20 weitere Autoren (2003) First year Wilkinson
kollaps massereicher Sterne entstehen sehr große Neutro-
Microwave Anisotropy Probe (WMAP) observations: Prelimi-
nenflüsse und infolge dessen kommt es zur wiederholten nary maps and their basic results. Astrophys J Suppl 148:1–27
Neutronenanlagerung, bevor sich die Ordnungszahl durch Bourdon B, Henderson GM, Lundstrom CC, Turner SP (eds)
den β -Zerfall erhöht. Somit können auch neutronenreiche Uranium-series geochemistry. Rev Mineral Geochem 50
Atomkerne wie Germanium, Xenon oder Platin produ- Brown GC, Mussett AE (1981, 1993) The inaccessible Earth, 1st and
ziert werden, die durch den s-Prozess nicht erreicht wer- 2nd edn. Chapman & Hall, London
Burns PC, Finch R (eds) (1999) Uranium: mineralogy, geochemistry
den. Bei Temperaturen von 2 bis >10 × 109 K entstehen
and the environment. Rev Mineral Geochem 52
innerhalb weniger Sekunden schwere Elemente bis hin De Paolo DJ (1988) Neodymium isotope geochemistry: An
zu Uran und Thorium. introduction. Springer, Berlin Heidelberg New York
Trägt man die solare Häufigkeit der chemischen Ele- Dickin AP (1997) Radiogenic isotope geology, 2nd edn. Cambridge
mente gegen die Ordnungszahl auf, so ergibt sich ten- Univ Press, Cambridge, UK
Literatur 579
Faure G (1986) Principles of isotope geology, 2nd edn. Wiley, New Bowrings SA, Williams IS (1999) Priscoan (4.00–4.03 Ga) ortho-
York gneisses from northwestern Canada. Contrib Mineral Petrol
Gill RCO (1993) Chemische Grundlagen der Geowissenschaften. 134:3–16
Enke, Stuttgart (Übersetzung der engl. Originalausgabe) Boynton WV (1984) Geochemistry of the rare earth elements: Me-
Goldschmidt VM (1954) Geochemistry. Clarendon Press, Oxford teorite studies. In: Henderson P (ed) Rare earth element geo-
Grew ES (ed) (2002) Beryllium – Mineralogy, petrology, geochemis- chemistry. Elsevier, Amsterdam, pp 63–114
try. Rev Mineral Geochem 50 Cissarz A (1965) Einführung in die allgemeine und systematische
Grew ES, Anovitz LM (ed) (1996) Boron – Mineralogy, petrology and Lagerstättenlehre, 2. Aufl. Schweizerbart, Stuttgart
geochemistry. Rev Mineral 33 Clarke FW (1924) The data of geochemistry, 5th edn. US Geol Surv
Harley SL, Kelly NM (2007) Zircon – Tiny but timely. Elements 3: Bull 770
13–18 Compston W, William IS, Meyer C (1984) U-Pb geochronology of
Hoefs J (2004) Stable isotope geochemistry, 5th ed. Springer-Verlag, zircons from lunar breccia 73217 using a sensitive high mass-
Berlin resolution ion microprobe. Proc 14th Lunar Planet Sci Conf. J
Jäger E, Hunziker JC (eds) (1977) Lectures in isotope geology. Sprin- Geophys Res 89 (Suppl):B525–B534
ger, Berlin Heidelberg New York Dombrowski A, Henjes-Kunst F, Höhndorf A, Kröner A, Okrusch
Johnson CM, Beard BL, Albarède F (2004) Geochemistry of non- M, Richter P (1995) Orthogneisses in the Spessart Crystalline
traditional stable isotopes. New views of the Moon. Rev Mineral Complex, north-west Bavaria: Silurian granitoid magmatism at
Geochem 55 an active continental margin. Geol Rundschau 84:399–411
Krauskopf KB (1979) Introduction to geochemistry, 2 nd edn. Eldridge CS, Compston W, Williams IS, Both RA, Walshe JL, Ohmoto
MacGraw-Hill, New York H (1988) Sulfur isotope variability in sediment-hosted massive
Mason B (1966) Principles of geochemistry, 3rd edn. Wiley, New York sulfide deposits as determined with the ion-microprobe,
London Sydney SHRIMP: I. An example from the Rammelsberg orebody. Econ
Mason B, Moore CB (1985) Grundzüge der Geochemie. Enke, Geol 83:443–449
Stuttgart (Übersetzung der 4. engl. Aufl, 1982) Frimmel HE (2008) Earth’s continental gold endowment. Earth Pla-
Palme H, Jones A (2005) Solar system abundances of the elements. net Sci Lett 267:45–55
In: Davis AM (ed) Meteorites, comets, and planets. Elsevier, Ganapathy R, Anders E (1974) Bulk composition of the moon and
Amsterdam Oxford, pp 41–61 earth, estimated from meteorites. Proc 5 th Lunar Sci Conf
Ringwood AE (1975) Composition and petrology of the Earth’s 2:1181–1206 (Geochim Cosmochim Acta Suppl 5)
mantle. McGraw-Hill, New York Goldschmidt VM (1933) Grundlagen der quantitativen Geochemie.
Rollinson H (1993) Using geochemical data: Evaluation, presentation, Fortschr Mineral Krist 17:112–156
interpretation. Longman, Harlow, Essex, UK Green TH (1980) Island arc and continent-building magmatism: A
Rollinson H (2007) Early Earth systems. A geochemical approach. review of petrogenetic models based on experimental petrology
Blackwell, Malden, MA, USA and geochemistry. Tectonophysics 63:367–385
Rösler HJ, Lange H (1972) Geochemical tables. Edition Leipzig, Hofmann AW (1997) Mantle geochemistry: The message from
Leipzig oceanic volcanism. Nature 385:221–229
Scherer EE, Whitehouse MJ, Münker C (2007) Zircon as a monitor of Javoy M (1999) Chemical Earth models. CR Acad Sci Paris, Earth
crustal growth. Elements 3:19–24 Planet Sci 329:537–555
Truran JW Jr, Heger A (2005) Origin of the elements. In: Davis AM Nicolaysen LO (1961) Graphic interpretation of discordant age
(ed) Meteorites, comets, and planets. Elsevier, Amsterdam measurements on metamorphic rocks. Ann NY Acad Sci 91:
Oxford, pp 1–15 198–206
Valley JM, Cole DR (ed) (2001) Stable isotope geochemistry. Rev Ohmoto H, Rye RO (1979) Isotopes of sulfur and carbon. In: Barnes
Mineral Geochem 43 HL (ed) Geochemistry of hydrothermal ore deposits. Wiley, New
Valley JW, Taylor HP Jr, O’Neil JR (eds) (1986) Stable isotopes and York, pp 509–567
high temperature geological processes. Rev Mineral 16 Pauling L (1959) The nature of the chemical bond, 3rd edn. Oxford
Wedepohl KH (ed.) (1969–1978) Handbook of geochemistry, University Press, Oxford
vol I, II-1, II-2, II-3, II-4. Springer, Berlin Heidelberg New Pearce JA (1983) The role of sub-continental lithosphere in magma
York genesis at destructive plate boundaries. In: Hawkesworth CJ,
Weigert A, Wendger H, Wisotzki L (2005) Astronomie und Astro- Norry MJ (eds) Continental basalts and mantle xenoliths. Shiva,
physik – Ein Grundkurs, 4. Aufl, Wiley-VCH, Weinheim Nantwich, Cheshire, UK, pp 230–249
Weinberg S (1977) Die ersten drei Minuten – Der Ursprung des Uni- Pearce JA, Cann JR (1973) Tectonic setting of basic volcanic rocks
versums. Piper, München determined using trace element analysis. Earth Planet Sci Lett
White WM (2007) Geochemistry. An online textbook to be published 19:290–300
by John-Hopkins University Press Pearce JA, Harris NBW, Tindle AG (1984) Trace element discrimi-
Wilson M (1988) Igneous petrogenesis – A global tectonic approach. nation diagrams for the tectonic interpretation of granitic rocks.
Harper Collins, London J Petrol 25:956–983
Poirier J-P (1994) Light elements in the Earth’s outer core: a critical
review. Phys Earth Planet Sci Int 85:383–427
Zitierte Literatur Ringwood AE (1966) The chemical composition and origin of the
earth. In: Hurley PM (ed) Advances in earth sciences. MIT Press,
Allègre C-J, Poirier J-P, Humler E, Hofmann AW (1995) The chem- Cambridge, Mass, pp 287–356
ical composition of the Earth. Earth Planet Sci Lett 134: Ronov AB, Yaroshevky AA (1969) Chemical composition of the
515–526 Earth’s crust. In: Hart PJ (ed) The Earth’s crust and upper
Bluth GL, Ohmoto H (1988) Sulfide-sulfate chimneys on the East mantle. Am Geol Union, pp 37–57
Pacific Rise, 11° and 13° N latitudes. Part II: Sulfur isotopes. Can Rutherford E, Soddy F (1903) Radioactive change. Phil Mag 6:
Mineral 26:505–515 576–591
580 31 · Einführung in die Geochemie
Schidlowski M (1988) A 3 800-million-year isotopic record of life Sun S-S (1980) Lead isotopic study of young volcanic rocks from
from carbon in sedimentary rocks. Nature 333:313–318 mid-ocean ridges, ocean islands and island arcs. Phil Trans R
Schüssler U, Henjes-Kunst F, Talarico F, Flöttmann T (2004) High- Soc London A297:409–445
grade crystalline basement of the northwestern Wilson Terrane Thompson RN, Morrison MA, Hendry GL, Parry SJ (1984) An
at Oates Coast: New petrological and geochronological data and assessment of the relative roles of crust and mantle in magma
implications for its tectonometamorphic evolution. Terra genesis: an elemental approach. Phil Trans R Soc London A310:
Antartica 11:15–34 549–590
Shervais JW (1982) Ti-V plots and the petrogenesis of modern and Wedepohl KH (1994) The composition of the continental crust.
ophiolitic lavas. Earth Planet Sci Lett 59:101–118 Mineral Mag 58A:959–960
Spohn T (1991) Mantle differentiation and thermal evolution of Whittacker EJW, Muntus R (1970) Ionic radii for use in geo-
Mars, Mercury and Venus. Icarus 90:222–236 chemistry. Geochim Cosmochim Acta 34:945–956
32
Die Entstehung unseres Sonnensystems
32.1 Bevor wir uns der Frage zuwenden, welche Prozesse zur Entstehung unseres Sonnen-
Frühe Theorien systems geführt haben, müssen wir uns zunächst einige grundlegende Tatsachen
und erste Belege ins Gedächtnis rufen (Unsöld u. Baschek 2005; Chambers 2005; Weigert et al. 2005):
32.2 1. Die Bahnen der Planeten sind nahezu kreisförmig und koplanar; sie besitzen den
Sternentstehung gleichen Umlaufsinn, der mit dem der Sonne übereinstimmt. Nach der Regel von
Titius-Bode
32.3
an = a0 kn [32.1]
Zusammensetzung
des Solarnebels bilden die Bahnradien ungefähr eine geometrische Reihe, wobei die Nummerierung
mit der Erde n = 1 beginnt, a0 = 1 AE, d. h. die Entfernung Erde–Sonne und k ≅ 1,8 ist.
32.4 Dabei werden die Asteroiden gemeinsam als ein planetarischer Körper behandelt.
Entstehung der Planeten 2. Mit Ausnahme von Venus und Pluto erfolgt die Rotation der Planeten im gleichen
Sinn wie der Umlaufsinn; der Eigendrehimpuls verläuft überwiegend parallel zum
Bahndrehimpuls (Ausnahme Uranus und Pluto). Die Rotationsachsen der meis-
ten Planeten weisen eine deutliche Neigung gegenüber ihrer Umlaufbahn um
die Sonne auf.
3. Die Sonne enthält 99,87 % der Masse, aber nur 0,54 % des Drehimpulses unseres
Planetensystems; demgegenüber besitzen die Planeten nur 0,135 % der Masse
und 99,46 % des Drehimpulses. Im Vergleich zur Sonne sind die Planeten, deren
Satelliten und die Asteroiden an leichtflüchtigen (volatilen) Elementen verarmt,
jedoch in unterschiedlichem Maß.
4. Wie man Tabelle 30.1 (S. 525) entnehmen kann, ist die mittlere Dichte der sonnen-
nahen, erdähnlichen Planeten relativ groß; diese sind also stark an leichtflüchtigen
Komponenten verarmt. Die sonnenfernen Riesenplaneten besitzen dagegen sehr
viel geringere Dichten und sind sehr viel reicher an volatilen Elementen; viele der
Satelliten dieser großen Planeten sind reich an Eis. Die primitiven C1-Condrite, die
wahrscheinlich aus dem äußeren Asteroidengürtel stammen, entsprechen in ih-
rer chemischen Zusammensetzung nahezu der Sonne, abgesehen von den stark
volatilen Elementen.
5. Die erdähnlichen Planeten rotieren relativ langsam; sie besitzen nur wenige Sa-
telliten mit Bahnen geringer Exzentrizität, geringer Neigung zur Äquatorebene
und direktem Umlauf. Demgegenüber zeigen die großen Planeten relativ rasche
Rotation und besitzen zahlreiche Satelliten mit erheblich größeren Exzentrizitäten
und Bahnneigungen, sowie außerdem Ringsysteme.
6. Die zahlreichen Impaktkrater, die wir auf den Oberflächen der Planeten und ihrer
Satelliten bis hinaus zum Uranus-System beobachten, weisen darauf hin, dass es in
der Frühzeit unseres Planetensystems eine wesentlich höhere Anzahl von Planete-
simalen, d. h. kleinen festen Körpern von einigen km ∅ gegeben hat als heute.
7. Genaue Isotopendatierungen stellen sicher, dass unser Planetensystem vor 4,57 Ga
innerhalb eines relativ kurzen Zeitintervalls entstanden ist.
582 32 · Die Entstehung unseres Sonnensystems
Alle Theorien zur Entstehung unseres Sonnensystems Wie bereits von Kant vorausgesehen, beginnt die Entwick-
basieren auf der Vorstellung von einer flachen, rotieren- lung eines Sterns mit dem gravitativen Kollaps eines riesi-
den Scheibe, die aus kosmischem Gas und Staubteilchen gen Volumens von interstellarem Gas und Staub. Durch die-
bestand. Aus diesem Solarnebel entwickelten sich Plane- sen Prozess, der noch längst nicht voll verstanden ist, kommt
ten, die etwa in der gleichen Ebene und in gleicher Rich- es zu einer erheblichen Verdichtung der interstellaren Ma-
tung um ihr Zentralgestirn, die Sonne, rotierten. Die Idee terie auf ungefähr 10 000 Gasmoleküle pro cm3, ein Betrag,
des Solarnebels wurde 1755 erstmals von dem deutschen der allerdings um Größenordnungen geringer ist als die
Philosophen und theoretischen Physiker Immanuel Kant Gasdichte in der Erdatmosphäre! Solche Gas-Staub-Wol-
(1724–1804) formuliert. Er nahm an, dass das frühe Uni- ken, wie sie z. B. der Orion-Nebel darstellt, sind dunkel, kalt
versum gleichmäßig mit einem Gas gefüllt war. Da eine (10 bis 50 K ≈ –260 bis –220 °C) und turbulent. An einzel-
solche Konfiguration gravitativ instabil war, mussten sich nen Stellen verdichtet sich die interstellare Materie zu
die Gase zu vielen großen Klumpen zusammenballen, die Wolkenkernen, die bevorzugte Orte des gravitativen Kol-
sich durch Rotation zu flachen Scheiben entwickelten. Aus lapses darstellen. Obwohl die Magnetfelder, welche die
einer von ihnen entstand unser Sonnensystem. Ohne die Wolke durchziehen, der Massenanziehung entgegen wirken,
Kant’schen Arbeiten zu kennen, entwickelte 1796 der fran- überwiegen in manchen Fällen die Gravitationskräfte, so
zösische Mathematiker und Astronom Pierre Simon Laplace dass die interstellare Materie beginnt, mit Fallgeschwindig-
(1749–1827) eine sehr ähnliche, wenn auch nicht in allen keit in den Wolkenkern zu stürzen. In dem Protostern, der
Punkten übereinstimmende Theorie. sich so entwickelt, steigen Druck und Temperatur an und
Diese, als Kant-Laplace’sche Theorie bezeichneten Vor- er beginnt, Energie nach außen abzustrahlen. Während der
stellungen sind auch heute noch in Grundzügen gültig und Wolkenkern zunächst ein sehr geringes Drehmoment be-
wurden in modifizierter Form auch durch moderne Astro- sitzt, nimmt dieses im Protostern immer mehr zu und kon-
physiker wie von Weizsäcker, Lüst, ter Haar, Kuiper u. a. ver- zentriert sich zu einer protoplanetaren Akkretionsscheibe
treten. Wie Unsöld und Blaschek (2005) betonen, sprechen aus Gas und Staub (Proplyd), die sich durch Abtragung von
die erstaunlichen Regelmäßigkeiten im Bau unseres Plane- Materie aus der nördlichen und südlichen Hemisphäre des
tensystems für eine Entwicklung aus sich heraus, ohne die Protosterns allmählich herausbildet (vgl. Wood 1999).
katastrophale Einwirkung eines nahe an der Sonne vorbei- Sobald die Scheibe etwa ein Drittel der Masse der neuen
ziehenden Sterns. Allerdings gelang es erst in den 1980er Protosonne erreicht hat, wird sie gravitativ instabil und es
Jahren, zumindest indirekte Hinweise auf die Existenz von bilden sich asymmetrisch verteilte Materie-Klumpen, die
Gas-Staub-Scheiben zu finden (z. B. Wood 1999). Einige der Gezeitenkräfte aufeinander ausüben. Diese Instabilitäten
jungen, nur 1 Ma alten T-Tauri-Sterne zeigen einen Über- führen zum Materietransport nach innen und damit zum
schuss an Infrarot-Strahlung. Diese Tatsache lässt sich da- Anwachsen der Protosonne, aber auch nach außen an den
durch erklären, dass diese Sterne von einer Gas-Staub-Hülle Rand des Systems. Zusätzlich beobachtet man an T-Tauri-
umgeben sind, die durch kurzwellige Strahlung vom zentra- Sternen mit Radioteleskopen auch heftige bipolare Winde,
len Stern aufgeheizt und zur Emission von langwelliger die Materie nach oben und unten aus dem Proplyd heraus
Strahlung im IR- und Radiowellen-Bereich angeregt wer- in den Weltraum ausblasen. Während der Kollapsphase wird
den. Wäre diese Gas-Staub-Hülle gleichmäßig und kugelför- der Drehimpuls durch turbulente und magnetische Reibung
mig um den Stern verteilt, könnte man diesen gar nicht sehen, innerhalb der Akkretionscheibe zunehmend nach außen
weil die langwellige Strahlung das sichtbare Licht abschirmen transportiert (z. B. Unsöld u. Baschek 2005). Dieser T-Tauri-
würde. Ist dagegen die Gas-Staub-Hülle diskenförmig ausge- Zustand dauert ungefähr 10 Millionen Jahre an, bis im Kern
bildet, wird der Zentralstern sichtbar. In den folgenden Jah- Temperaturen erreicht werden, die ein Wasserstoff-Brennen,
ren gelang mit Hilfe von Radio-Teleskopen und besonders d. h. eine nukleare Verschmelzung von Wasserstoff-Kernen
des höchstauflösenden Hubble-Weltraum-Teleskops die unter Bildung von Helium ermöglichen (vgl. Abschn. 31.6,
direkte Beobachtung von protoplanetaren Gas-Staub-Schei- S. 577f). Dadurch setzt die Entwicklung zu einem Stern der
ben, den sog. Proplyds (engl. protoplanetary disks). Das gilt Hauptsequenz ein (Abb. 32.1) und die Gas-Staub-Scheibe
insbesondere für die jungen, nur einige Millionen Jahre al- löst sich allmählich auf: Immer mehr Materie wird in der
ten Sterne vom T-Tauri-Typ, die im 1 600 Lichtjahre entfern- Protosonne konzentriert, durch deren UV-Strahlung die
ten Orion-Nebel vorkommen. Diese Proplyds sind 2–8 mal verbleibenden Gase aufgeheizt werden und größtenteils in
so groß wie unser Sonnensystem und enthalten genügend den Weltraum entweichen. Nur ein geringer Anteil der ehe-
Gas und Staub für die Bildung zukünftiger Planetensysteme maligen Gas-Staub-Scheibe konzentriert sich in diskreten
(Wood 1999). Tatsächlich gelang es kürzlich durch Infrarot- Materieklumpen, die in Umlaufbahnen um die Protosonne
Beobachtungen, in einer Staubscheibe, die einen Proto- kreisen und zu Vorläufern der späteren Planeten werden
stern umgibt, einen Planeten nachzuweisen (Henning 2008). (z. B. Wood 1999).
32.2 · Sternentstehung 583
Abb. 32.1.
Hertzsprung-Rusell-Diagramm.
Aufgetragen ist die Leuchtkraft
(visuelle absolute Helligkeit Mv)
gegen den Spektraltyp bzw. den
Farbindex; diese sind umgekehrt
proportional der Oberflächen-
Temperatur. a 943 Einzelsterne,
vom Erdboden aus gemessen;
b 16243 Einzelsterne vom Astro-
nomie-Satelliten HIPPARCOS
gemessen. (Nach Unsöld u.
Baschek 2005 mit Ergänzungen
nach Rollinson 2007 und Faure
u. Mensing 2007)
Sterne werden anhand des Hertzsprung-Russell-Dia- aus Wasserstoff und Helium, die durch den Urknall (engl.
gramms klassifiziert, in dem auf der Ordinate die Leucht- Big Bang) gebildet wurden, und zwar vor 13,6 ±0,8 Milliar-
kraft (absolute Helligkeit Mv), auf der Abszisse der Spek- den Jahren (Bennett et al. 2003). Das interstellare Medium,
traltyp (bzw. der Farbindex) aufgetragen werden, die um- aus dem sich das Sonnensystem gebildet hatte, wurde
gekehrt proportional der absoluten Temperatur sind allerdings bereits durch frühere Generationen von Sternen
(Abb. 32.1). Die meisten Sterne befinden sich im engen Band mit schweren Elementen angereichert. Elemente wie Mg, Si
der Hauptreihe (sog. Zwerge). Diese erstreckt sich diagonal und Fe wurden durch Sternwinde oder durch Supernova-
von den (absolut) hellen, blau-weißen B- und A-Sternen mit Explosionen im Weltraum verteilt. Noch im Weltraum kon-
Temperaturen von ca. 25 000–10 000 K (z. B. die Gürtelsterne densieren sich die übrigen Elemente, und zwar hauptsäch-
im Orion) über die gelben Sterne (z. B. die Sonne) mit ei- lich durch Verbindung mit Sauerstoff, zu unterschiedlichen
ner Temperatur von ca. 6 000 K bis zu den schwachen roten Mineralen. Bei einem Druck von 0,001 bar und sinkender
M-Sternen mit Temperaturen von 3 600–3 000 K. Für die Temperatur erfolgt so die Kondensation der Solarmaterie
gesamte Abfolge der Spektraltypen entwarf Russell für sei- in mehreren Stufen (Davis u. Richter 2005; vgl. Abb. 32.2):
ne Studenten in Princeton den Merkspruch: O Be A Fine
Girl, Kiss Me Right Now. Rechts oberhalb der Hauptreihe 1 500–1 470 °C: Korund Al2O3
befinden sich die Riesensterne, deren Leuchtkraft, bezogen 1 470–1 230 °C: Hibonit CaAl12O19
auf den Spektraltyp ungewöhnlich groß ist, links unterhalb 1 420–1 180 °C: Perowskit CaTiO3
dagegen liegen die Zwergsterne mit viel kleinerer Leucht- 1 360–1 170 °C: Gehlenit Ca2Al[AlSiO7]
kraft. Die jungen, relativ kühlen T-Tauri-Sterne liegen ober- 1 240–1 170 °C: Åkermanit Ca2Mg[Si2O7]
halb der Hauptsequenz, auf die sie sich durch Erhitzen 1 230–1 140 °C: Al-Spinell ≈ MgAl2O4
infolge von Wasserstoff-Brennen allmählich zu entwickeln ≤1 190 °C: Metallisches Nickeleisen (Fe,Ni)
(Unsöld u. Blaschek 2005). ≤1 180 °C: Diopsid CaMg[Si2O6]
≤1 170 °C: Forsterit Mg2[SiO4]
32.3 ≤1 150 °C: Anorthit Ca[Al2Si2O8] 32.3
Zusammensetzung des Solarnebels ≤1 090 °C: Enstatit Mg2[Si2O6]
≤ ca. 1 080, ver-
Der weit überwiegende Anteil der innerstellaren Materie, stärkt ≤800 °C: Albit Na[AlSi3O8]
aus der letztlich unser Sonnensystem entstanden ist, besteht ≤950 °C: Cr-Spinell ≈ MgCr2O4
584 32 · Die Entstehung unseres Sonnensystems
Tabelle 32.1.
Die Zusammensetzung interstel-
larer, circumstellarer und prä-
solarer Staubteilchen. (Nach
Jones 2007 und Zinner 2005)
Differentiation der erdähnlichen Planeten Die mangelnde Gleichgewichts-Einstellung würde das „Excess
Siderophile Problem“, d. h. den scheinbaren Überschuss an siderophilen
Elementen im Erdmantel erklären, der sich ergibt, wenn man eine
Wie die große Zahl der Impaktkrater auf Mond, Merkur
chondritische Zusammensetzung zugrunde legt und von den theo-
und Mars sowie auf vielen Satelliten der äußeren Plane- retischen Verteilungskoeffizienten zwischen Metall und Silikat bei
ten zeigt, war in der Frühphase unseres Sonnensystems niedrigen Drucken ausgeht (Näheres bei Rollinson 2007). Außerdem
die Häufigkeit von Planetesimalen wesentlich größer als kann man annehmen, dass sich während der Kernbildung die Akkre-
heute. Daher bewegten sich die bereits gebildeten plane- tion von kosmischem Material fortsetzte, wobei vermutlich noch bis
zu 7 % der Erdmasse hinzukam. Dadurch wurde ein zusätzlicher
tarischen Körper in einem Medium mit starker innerer
Anteil von siderophilen Elementen in den Mantel eingetragen. Zum
Reibung, erzeugt durch eine Vielzahl kleinerer und grö- Schluss wurde dem sich entwickelnden Erdkörper noch ein „letztes
ßerer Gesteinsbrocken. Dieses führte vermutlich bei den Fournier“ („LateVeneer“) von ca. 1 % der Erdmasse hinzugefügt
Planeten und deren Satelliten zu kleinen Abweichungen (Newsom u. Jones 1990; vgl. Rollinson 2007).
von der Kreisbahn und zu Neigungen ihrer Rotations-
achsen gegen die Ekliptik. Für die frühe Erde wird angenommen, dass der Mag-
Im Laufe ihrer frühen Entwicklung machten die erd- ma-Ozean bis zu einer Tiefe von 700–1 200 km reichte,
ähnlichen Planeten und der Erdmond, die ursprünglich entsprechend einem Druck 250–400 kbar (25–40 Gpa), wo
aus einer weitgehend einheitlichen Breccie aus chondri- damals Temperaturen von 2 500–3 000 °C herrschten (z. B.
tischem Material bestanden, eine Differentiation in Kern, Wood et al. 2006). Etwa in diesem Bereich dürfte der Über-
Mantel und Kruste durch, wobei Aufschmelzprozesse eine gang in einen Erdmantel gelegen haben, der hauptsäch-
entscheidende Rolle spielten. Die hierfür erforderliche lich aus Mg-Perowskit bestand (vgl. Abschn. 27.3.3,
thermische Energie wurde in der Frühzeit der Planeten- S. 491f), was zu einem abrupten Anstieg der Solidus- und
bildung aus drei Quellen gewonnen, nämlich der Um- Liquidus-Temperaturen führte. Daher war der untere Teil
wandlung von potentieller Gravitationsenergie bei der des Erdmantels auch damals fest (Abb. 32.3). Der Vorgang
Akkretion, durch radioaktiven Zerfall von 26Al und durch der Kernbildung spielte sich in den ersten 13–32 Ma der
die Umwandlung von kinetischer Energie beim intensi- Planetengeschichte ab, d. h. während der Endphase der
ven Bombardements durch Planetesimale. Während die- Akkretion, die vor etwa 4 537 Ma mit der Bildung des Late
ser Phase, die etwa vor 3,8 Ga endete, wurden die erd- Veneers zum Abschluss kam. (Tabelle 32.2). Ungefähr zur
ähnlichen Planeten und der Erdmond immer wieder auf- gleichen Zeit wurde durch den Giant Impact der Mond
geheizt, so dass es mehrfach in regionaler Verbreitung zum von der Erde abgetrennt (s. u.).
partiellen Aufschmelzen kam. Dabei entstanden – wie Da die Kernbildung sehr rasch, wahrscheinlich ka-
heute allgemein angenommen wird – globale, mehrere tastrophenartig erfolgte, setzte die Umwandlung von
hundert Kilometer tiefe Magma-Ozeane (z. B. Carr 1999;
Shearer u. Papike 1999; Rollinson 2007; Fiquet et al. 2008).
Diese silikatischen Magmen enthielten nicht mischbare
metallische Schmelzanteile, die sich zu Tropfen von ca.
1 cm ∅ vereinigten (Abb. 32.3). Da sich diese in turbulen-
ter Konvektion befanden, konnte es zu einer Einstellung der
Verteilungs-Gleichgewichte zwischen der silikatischen und
der metallischen Schmelze kommen. Leichtere Minerale,
die aus dem Magma-Ozean auskristallisierten, schwam-
men auf und bildeten eine erste Erstarrungskruste der
Planeten, wie z. B. die großen Anorthosit-Massive der
Mond-Hochländer (s. Kap. 28). Wegen ihrer hohen Dich-
te regneten die Metalltröpfchen mit einer Geschwindig-
keit von ungefähr 0,5 m/s ab und bildeten am Boden des
Magma-Ozeans große Seen oder eine durchgehende
Schicht aus flüssigem Metall. Die Metallschmelze durch-
brach in einem zweiten Schritt den unteren, kristallinen
Teil des Mantels in Form großer Diapire, die sich im
Innern der erdähnlichen Planeten und wahrscheinlich
auch des Erdmondes zu unterschiedlich großen Metall-
kernen vereinigten (Abb. 32.3). Dieser Vorgang verlief sehr
schnell, so dass eine Einstellung der Verteilungs-Gleich- Abb. 32.3. Bildung des Erdkerns durch Entmischung einer (Fe,Ni)-
gewichte zwischen flüssigem Metall und Silikatmantel Schmelze aus dem Magma-Ozean (Erläuterungen im Text). (Nach Davis
nicht möglich war. u. Richter 2005, mit freundl. Genehmigung des Verlages Elsevier)
588 32 · Die Entstehung unseres Sonnensystems
Tabelle 32.2.
Die Akkretionsgeschichte der
Erde nach isotopischen Datie-
rungen (Modifiziert nach Rol-
linson 2007)
Abb. 32.4.
Bildung des Mondes durch Giant
Impact von „Theia“, einem plane-
tarischen Körper mit etwa 15 %
der Erdmasse (Erläuterungen
im Text). (Nach einem Gemälde
von William K. Hartmann, Pla-
netary Science Institute, Tucson,
Arizona)
mensetzung und in ihrem inneren Aufbau grundlegend ßer Körper. Die Entwicklung der Rieseneisplaneten
von den erdähnlichen Planeten. Wichtig ist jedoch, dass Uranus und Neptun könnte durch zwischenzeitlichen
die Riesenplaneten mit größter Wahrscheinlichkeit Ker- Gasverlust oder infolge dynamischer Störungen durch
ne aus silikatischem Gesteinsmaterial enthalten, die von die Riesenmasse von Jupiter abgebrochen worden sein.
unterschiedlich dicken Eishüllen umgeben sind. Während 2. Durch die Entdeckung von Riesen-Gasplaneten außer-
bei Jupiter und Saturn der Hauptanteil aus einem Was- halb unseres Sonnensystems (Lissauer 2002), wurde ein
serstoff-Helium-Gas besteht, ist die Gashülle bei Uranus alternatives Modell in die Diskussion gebracht. Viele die-
und Neptun deutlich kleiner. Es unterliegt wohl keinem ser extrasolaren Planeten sind weniger als 0,1 AE von ih-
Zweifel, dass die Riesenplaneten durch andere Mechanis- rem Mutterstern entfernt, während Jupiter einen Sonnen-
men entstanden sein müssen als die erdähnlichen Plane- abstand von 5 AE aufweist. Diese Tatsache könnte man
ten. Dabei liegt für die Astrophysiker ein wesentliches Pro- dadurch erklären, dass die Riesenplaneten durch Instabi-
blem in der gravitationalen Interaktion zwischen dem wach- litäten in der Gas-Staub-Scheibe entstehen, wobei sich
senden Planeten und den noch vorhandenen Gasen der Gas- durch gravitationalen Kollaps sehr rasch – innerhalb von
Staub-Scheibe (Näheres hierzu bei Chambers 2005). Für die nur 100 Jahren! – Klumpen von Gas und Staub bilden.
Bildung der Riesenplaneten werden zwei Modelle disku-
tiert (z. B. Lunine 2005; Rollinson 2007). Weiterführende Literatur
1. Nach dem heute immer noch stark bevorzugten Rocky- Lehrbücher und Sammelbände
Core-Modell entstehen die Riesenplaneten durch die
Faure G, Mensing TM (2007) Introduction to planetary science – The
Akkretion von Planeten-Kernen, gefolgt von einem geological perspective. Springer-Verlag, Dordrecht, Niederlande
Gas-Kollaps. Dadurch erklärt sich am besten der hohe Henning Th (ed) (2003) Astromineralogy. Springer, Berlin Heidelberg
Anteil an schweren Elementen und die wahrscheinli- New York
che Existenz von silikatischen Kernen in den Riesen- Rollinson H (2007) Early Earth systems – A geochemical approach.
planeten. Nach diesem Modell war im Endstadium der Blackwell, Malden, Ma, USA
Unsöld A, Baschek B (2005) Der neue Kosmos, 7. Aufl. Korrigierter
Sternentstehung die Akkretionsscheibe soweit abge- Nachdruck, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York
kühlt, das in Entfernungen von etwa 5 AE Wassereis aus Weigert A, Wendger H, Wisotzki L (2005) Astronomie und Astro-
dem Solarnebel kondensieren konnte. Innerhalb von physik – Ein Grundkurs. 4. Aufl, Wiley-VCH, Weinheim
etwa 1 Ma kam es zur raschen Bildung von Planeten-
Embryos, die aus festem Gesteinsmaterial und Eis be- Übersichtsartikel
standen. Sobald diese, etwa 10 Erdmassen schweren Kör-
Carr MH (1999) Mars. In: Beatty JK, Petersen CC, Chaikin A (eds) The
per gebildet waren, führte in Zeiträumen von ca. 10 Ma new solar system. Cambridge University Press, Cambridge UK,
hydrodynamischer Kollaps der Gase zur Bildung gro- pp 141–156
590 32 · Die Entstehung unseres Sonnensystems
Chambers JE (2005) Planet formation. In: Davis AM (ed) Meteorites, Bennett CL und 20 weitere Autoren (2003) First year Wilkinson
comets, and planets. Elsevier, Amsterdam Oxford, pp 461–474 Microwave Anisotropy Probe (WMAP) observations: preliminary
Davis AM, Richter FM (2005) Condensation and evaporation of so- maps and their basic results. Astrophys J Suppl 148:1–27
lar system materials. In: Davis AM (ed) Meteorites, comets, and Bouvier A, Wadwha M, Janney P (2008) Pb-Pb isotope systematics in
planets. Elsevier, Amsterdam Oxford, pp 407–430 an Allende chondrule. Geochim Cosmochim Acta 72:A106
Fiquet G, Guyot F, Badro J (2008) The Earth’s lower mantle and core. Fagan TJ, Krot AN, Keil K, Yurimoto H (2004) Oxygen isotopic evolution
Elements 4:177–182 of amoeboid olivine aggregates in the reduced CV chondrites
Henning Th (2008) Early phases of planet formation in proto- Efremovka, Vigarano and Leoville. Geochim Cosmochim Acta
planetary disks. Physica Scripta T (in press) 68:2591–2611
Jones AP (2007) The mineralogy of cosmic dust: Astromineralogy. Kleine T, Mezger K, Palme H, Scherer E, Münker C (2005a) Early
Eur J Mineral 19:771–782 core formation in asteroids and late accretion of chondrite parent
Lunine JI (2005) Giant planets. In: Davis AM (ed) Meteorites, comets bodies: Evidence from 182Hf-182W in CAIs, metal-rich chondrites,
and planets. Elsevier Amsterdam Oxford, pp 623–636 and iron meteorites. Geochim Cosmochim Acta 69:5805–5818
Newsom HE, Jones JH (1990) Origin of the Earth. Oxford University Kleine T, Palme H, Mezger K, Halliday AN (2005b) Hf-W chronometry
Press, Oxford of lunar metals and the age of early differentiation of the moon.
Scott ERD, Krot AN (2005) Chondrites and their components. In: Science 310:1671–1674
Davis AM (ed) Meteorites, comets, and planets. Elsevier, Amster- Kleine T, Burckhardt C, Bourdon B, Irving A (2008) Calibrating the
dam Oxford, pp 143–200 hafnium-tungsten and aluminium-magnesium clocks. 86th Ann
Wetherill GW (1990) Formation of the Earth. Ann Rev Earth Planet Meeting DMG, 14–16 Sept 2008, Berlin, Abstr 403
Sci 18:205–256 Lissauer JJ (2002) Extrasolar planets. Nature 419:355–358
Wood JA (1999) Origin of the solar system. In: Beatty JK, Petersen Shearer CK, Papike JJ (1999) Magmatic evolution of the Moon. Am
CC, Chaikin A (eds) The new solar system. Cambridge Univer- Mineral 84:1469–1494
sity Press, Cambridge, UK Shukolyukov A, Lugmair GW (1993) Live iron-60 in the early solar
Wood BJ, Walter MJ, Wade J (2006) Accretion of the Earth and segre- system. Science 259:1348–1350
gation of its core. Nature 441:825–833 Wänke H, Dreibus G (1988) Chemical composition and accretion
Zinner EK (2005) Presolar grains. In: Davis AM (ed) Meteorites, history of the terrestrial planets. Phil Trans Roy Soc London
comets, and planets. Elsevier, Amsterdam Oxford, pp 17–39 A325:545–557
Weidenschilling SJ, Spaute D, Davis DR, Marzari F, Ohtsuki K (1997)
Zitierte Literatur Accretional evolution of a planetsimal swarm. Icarus 128:429–455
Wadwha M, Russell SS (2000) Timescales of accretion and diffe-
Amelin Y, Krot AN, Hutcheon ID, Ulyanov AA (2002) Lead isotopic rentiation in the early solar system: The meteoritic evidence. In:
ages of chondrules and calcium-aluminum-rich inclusions. Mannings V, Boss AP, Russell SS (eds) Protostars and planets IV.
Science 297:1678–1683 Univ Arizona Press, Tucson, Arizona, pp 995–1018
A
Anhang
Tabelle A.1.
Granat aus Gneishornfels Op123,
Kontakthof von Steinach, Ober-
pfalz (Okrusch 1969)
Anhang 593
Tabelle A.2.
Biotit aus Gneishornfels Op123,
Kontakthof von Steinach, Ober-
pfalz (Okrusch 1969)
Für die in den Tabellen A.1 und A.2 gegebenen lysen wird Gesamteisen als FeOtot angegeben und – so-
Rechenbeispiele wurden Analysen ausgewählt, bei de- weit möglich – das Fe2+/Fe3+-Verhältnis bei der For-
nen FeO/Fe2O3 auf chemischem Wege und H2O über den melberechnung abgeschätzt. So gilt z. B. beim Granat
Glühverlust bestimmt wurden. Bei Mikrosonden-Ana- Fe3+ = Y – Al = 2 – Al.
594 Anhang
Tafel A.1.
a Subalkaline Vulkanite und
b subalkaline Plutonite
Anhang 595
Tafel A.2.
a Alkali-Vulkanite und
b Alkali-Plutonite
596 Anhang
Breccienerz 326 CAB (Calc-alkaline Basalt) 280, 563f carbonaceous chondrite (engl., siehe auch
Breccienzone 333 Cabochon 85, 171 Chondrit, kohliger) 513
Brecciierung 334 CaCO3 Carbonado 57
Brechungsgesetz 23, 479 –, Ausfällung 366 carbonate
Brechungsindex 21 –, anorganische 366 –, compensation depth (engl., siehe auch
Brennen, explosives in Supernova 578 –, biochemische 366 Karbonat, Kompensationstiefe CCD)
Brennhaare 37 –, Ausscheidungsbedingungen 365 366
Brennnessel 37 –, Löslichkeit 365f –, mounds 37
Brennstoffzellen 117 –, -Polymorphe 38 Carbonylsulfid COS, vulkanisches 226
Breunnerit 98 Cadmium 66 Carborund, Carborundum (siehe auch
bright swirl (engl., siehe auch Wirbel, –, toxische Wirkung 40 Siliciumcarbid) 58, 86, 162
heller) 503 CAI (Ca-Al-reiche Einschlüsse) 509f, 511, Cardien 407
Brillantschliff 56 513, 585f, 588 Carlin-Typ 322
brine pool (engl., siehe auch Calc-alkaline Basalt (CAB) 280 Carlsbergit 510
Laugentümpel) 332, 334 calcalkaline magma series (engl., siehe auch Carnallit 77, 80, 375ff
Brockenlava 217 Kalkalkali-Serie) 197 –, inkongruente Zersetzung 377
Bromcarnallit 80 calcalkaline rock suite (engl., siehe auch –, kieserithaltiger 377
Bronze 89 Kalkalkali-Magmatit) 197 –, -Region 80
Bronzit 138f, 512 Calcit 2, 8, 16f, 27, 29, 38, 95ff, 100f, 196, 315, Carnallitit 375
Bronzitit 138, 300 323, 374, 376, 380, 382, 389, 398, 400, Carnegieit 264, 268
Brookit 88, 357 403ff, 412f, 421, 427f, 438ff, 445, 454, Carneol 161
Bruch 42 460ff, 466, 468f, 515, 565, 567 Carnotit 361
–, -spuren 235 –, Abbau 438 Cäsium 311
–, -tektonik, bruchtektonische –, ACF-Diagramm 453 –, radioaktives 90
Erscheinungen 235f, 528 –, Ausbildungstypen 96 Cassini’sche Teilung 546
Brucit 8, 382 –, -Dolomit-Mischkristalle 101 Castalia, Doppelasteroid 536
Brucitschicht 150f –, Elementarzelle 96, 101 CaTs (Ca-Tschermak’s Molekül) 488
Brückensauersoff (BO) 243 –, -Graphit-Thermometer 567 Ca-Turmaline 135f
Brushit 38, 373 –, -Gruppe 95f cauldron subsidence (engl., siehe auch
Bryozoen 366f –, Häufigkeit in der Erdkruste 29 Kesseleinbruch) 235
Buchan-Typ 396 –, ICPW-Norm 196 CB-Chondrit 513
Buchit 388, 467 –, Karbonatit 211 CCD (engl., carbonate compensation
Buergerit 136 –, Kristallstruktur 96 depths, siehe auch Karbonat-
bulk modulus (engl., siehe auch –, Löslichkeit 341 Kompensationtiefe) 366
Kompressionsmodul) 478 –, magmatische Bildung 97 CCD-Kameratechnik 535
bulk partition coefficient (engl., siehe auch –, magnesiumhaltiger 37 C-Chondrit (siehe auch Chondrit, kohliger
Gesamtverteilungskoeffizient) 557 –, -Marmor 404 ) 513
Bulk Silicate Earth (BSE) (Rb/Sr- –, Mischkristalle 97, 101 Celsian 165
Verhältnis) 573 –, PDB, Isotopen-Standard 565 Ceratonia siliqua (Johannesbrotbaum) 56
Bündner Schiefer (Schweizer Alpen) 400 –, retrograde Löslichkeit 315 Ceres, Asteroid 525, 535f
Bunte Breccie 393 –, Spaltrhomboeder 96 Cerfluorit 79
Buntkupferkies (siehe auch Bornit) 62 –, Stabilitätsfeld 99f Cerussit 95, 100, 347
Buntmetall 34 –, Struktur 95f, 99 CFT (engl., Continental Flood Basalts/
–, -Lagerstätten 363 –, Zwillingsbildung 96 Tholeiites) 280
–, -Sulfide 315, 320ff, 331 Calciumcarbonat CH2 542
Buntsandstein 467 –, Trimorphie 95 CH4 (Methan) 182, 226, 240, 442, 322, 538f,
Burgers-Vektor 413f Calciumhaushalt 38 544f, 547
Burma, Edelstein-Seife 360 Calciumoxalat 4 –, Eis 545, 547
Bushveld-Typ 301 –, -Dihydrat (COD) 37f Chabasit 164, 178, 228
Bytownit 171f, 274f, 514f –, -Monohydrat 37f –, Durchkreuzungszwilling 176
–, -Trihydrat (COT) 38 –, -Käfig 175, 178
C Calciumoxid 438 Chagrin 22
Calcrete 343, 367 chain silicates (engl., siehe auch Ketten- u.
C- (CI-, CM-, CO-, CR-, CV-)Chondrite calc-silicate rock (engl., siehe auch Doppelkettensilikate) 121
(siehe auch Chondrite, kohlige) 513 Kalksilikat-Fels, -Gneis) 405 Chalcedon 37, 161, 163, 228, 275
C1-(= CI-)Chondrit 513 Caldera 222, 224, 232, 532f, 540 –, -Gruppe 161
C1-Mittel, C1-Modell 553, 581 Caliche 374 Chalkanthit 40
C2-Chondrit 513 Calypso, Saturn-Mond 543 chalkophil 551
C2H2, C2H4, C2H6 543 Camptonit 194 Chalkopyrit 7, 27, 63, 66, 302, 304f, 319,
C3H4, C3H8 543 Canavese-Einheit 483 321ff, 326, 331f, 335, 346f, 510
C4H2 543 Cancrinit 419 –, Kristallstruktur 66
Ca-Al-reiche Einschlüsse (CAI) 509f, 511f, Canyon Diablo (Eisenmeteorit) 507 –, S-Isotopie 566, 568
585f, 588 Canyon Diablo Troilit (CDT) 565 Chalkosin 62, 346, 348, 363
Ca-Al-Ti-Minerale, refraktäre 513 Ca-Perowskit 491ff Chamosit 150f, 368f
Ca-Amphibole 143ff Carbide 58, 584 –, -Thuringit-Erz, oolitisches 370
604 Index
contact aureole (engl., siehe auch D dehydration reaction (engl., siehe auch
Kontaktaureole) 386 Entwässerungsreaktion) 294, 315, 397,
Continental Flood Basalts (CFT) 280 δ18O-Wert 565 405, 416, 418, 433ff, 460ff
Cookeit 150 δ-AlOOH 492 Deimos, Marsmond 534
Cooperit 304 Dachschiefer 400 Dekarbonatisierungsreaktion 380, 438ff
Corallinaceen 367 Dacit 192, 195, 203, 219, 223ff, 240ff, 248, –, Gleichgewichtsfläche 439
Cordierit 132, 133f, 142, 286, 294, 381, 386f, 250, 259f, 274ff, 280, 318, 325, 332f, 421, –, Gleichgewichtskurve 438
396, 403ff, 409, 414ff, 426, 432, 442, 445, 460, 470, 490 Dekompression, isothermale 447
454, 456f, 464ff, 471 –, chemische Zusammensetzung 195, Dekompressionsschmelzen 282
–, ACF-, A’KF-Diagramm 453f, 462 224 Dekontaminierung von Wässern 90
–, AFM-Projektion 455f –, -Magma 223 Dekorationsstein 97
–, -Drillinge 387 Daktyl, Satellit des Asteroiden Ida 536 dekussates (gekreuztes) Gefüge 408f
–, -Orthopyroxen-Symplektit 426 Dämmstoff 154 Delta-Ablagerung 358ff
–, Pinitisierung 381 Dampf, vulkanischer 225 Demantoid 125
–, -Porphyroblasten 387 Dampfdruckkurve 184 dense hydrous magnesium silicate (DHMS)
Coronadit 90 Dampfphase 308f, 314f 492
Coronae 528f, 544 –, Ausscheidung 314 density current (engl., siehe auch
COS (Carbonylsulfid) 226, 240 –, gelöste Komponenten 314 Dichteströmung) 299
COT (Calcium-Oxalat-Trihydrat) 38 –, Gesteinszerrüttung 314 Dentalgips 112
Coticule (frz., siehe auch Wetzschiefer) 404 Dampftätigkeit, vulkanische 226ff, 239 Dentalchemie 377
„cotton balls“ 105 –, bei offenem Schlot 227 Dentin 38
Coulomb’sches Gesetz 13 Datierungsmethode, geochronologische Depleted Mantle (DM)
counter-clockwise P-T path (engl., siehe 569 –, (87Sr/86Sr)0-Verhältnis 573
auch P-T-Pfad, im Gegenuhrzeigersinn) Daubréelith 510, 517 –, Sm-Nd-Modellalter 574
448 Dauerfrost-Boden, Mars 530f Desmin (siehe auch Stilbit) 164, 176, 178
Covellin 27, 62f, 66, 68, 346f, 363 Dauphinéer 158 Desmosit 388, 406, 419
–, Stabilitätsfeld 348 –, -Gesetz 158 Detritus 352, 354
CR-Chondrit 513 –, -Zwilling 158 Deuterium
Crenulation (Runzelung) 411 de Fermat, Pierre, Prinzip von 479 –, -Analyse 226
crenulation cleavage (engl., siehe auch debris flows (engl., siehe auch Schuttstrom) –, -Brennen 539
Runzelschieferung) 403 503 DHMS (Dense Hydrous Magnesium
Cristobalit 15f, 39, 147, 155, 162f, 264f, 268, Debye-Scherrer-Verfahren 12 Silicate) 492
270f, 467, 500 decay constant (engl., siehe auch Diabas 203, 205
–, Hoch- 162 Zerfallskonstante) 569 –, -Mandelstein 205
–, in Meteoriten 510 Deckenüberschiebung 448 Diaboleit 7
–, Tief- 7, 164, 372 Deckgebirge 33, 376 Diadochie 15, 45, 115
cross bedding (engl., siehe auch Dedolomitisierung 368 Diagenese 36, 335, 351, 351, 354f, 382
Schrägschichtung) 353 Deep Sea Drilling Program (DSDP) 399, –, Abgrenzung 382
Crossit 145 477, 481 –, der klastischen Sedimentgesteine 354f
Cr-Spinell 583f Deerit 382, 470 –, Übergang zur Metamorphose 364
crust residence age (engl., siehe auch Deformation 384, 409ff –, von Evaporiten 376
Verweildauer in der Erdkruste) 570 –, Beziehung zur Kristallisation 411 –, von Kalkstein 368
CT (Computer-Tomographie) 191 –, duktile 385 –, von Kupferschiefer 363
CS2 (Kohlenstoffdisulfid, –, elastische 385, 478f –, von Peliten 362
Schwefelkohlenstoff) 240 –, homogene 409 Diallag 140, 201
Cubanit 331 –, inhomogene 409 diamagnetisch 19
Cullinan 56 –, intrakristalline 412f Diamant 8, 13ff, 21, 47, 54, 211, 433, 514,
Cu-Mineralisation 566 –, kristalloplastische 414 566, 585
Cummingtonit 142f, 382, 461f –, plastische 392 –, Bildung 211
–, ACF-, A’KF-Diagramm 453, 462 –, postkristalline 411 –, Elektronendichte-Verteilung 13
–, -Grunerit 142f –, spröde 384 –, Härte 17
Cuprit 62, 66, 81f, 346 –, superplastische 414 –, in Meteoriten 510
Curie-Punkt, Curie-Temperatur 20, 84 Deformationsband 413 –, Industrie- 57
curtains of fire (siehe auch Lavavorhänge) Deformationsgefüge 236, 392 –, Lichtbrechung 21
219 Deformationsmechanismen 412ff –, Nano- 56
CV3-Chondrit 513 Deformationsphase 411f, 447 –, präsolarer 56, 585
Cyanidverfahren 50 Deformationsprozess –, -Seife 55
Cyanobakterien 37 –, kompressiver 324 –, sp3-Orbitale 14
Cyclokorallen 367 –, transpressiver 324 –, Stabilität 58, 487f
Cyclosilikate (siehe auch Ringsilikate) 120, Deformationsverzwilligung 519 –, Struktur 14, 55
132 Deformationszwilling 169, 411, 413 –, Synthese 57f
Cyclowollastonit (siehe auch Dehnungstektonik 233, 529, 542 –, Wachstumsformen 54
Pseudowollastonit) 141 Dehydratationsschmelzen 287, 291, 294, Diamantfenster 58
CZ (Critical Zone, siehe Kritische Zone) 415ff, 438 Diamantstempel-Zelle 58, 490, 493
343 Dehydratationsschmelzkurve 434 Diaphthorese 381
606 Index
Foyait 192, 208, 595 –, ozenischer, metamorpher 399 –, protoplanetare 582, 585
fractionated and unidentified nuclear –, schichtige Intrusion, –, turbulente 582, 586
anomalies (FUN) 585 Lagerstättenbildung 298 Gas-Staub-Wolke 582
fracturing, hydraulic (engl., siehe auch –, Varietäten 201 Gastransport 227, 250
Gesteinsverband, Zerrüttung) 314 Gabbrodiorit 201, 594 Gebirgsbildung 394, 446
Fragmentierung 220 Gabbro-Gruppe 193 Gebirgsbildungsphase 394
Fragmentierungsniveau 221 Gabbronorit 192, 201 Gebirgsbogen, magmatischer 280
Fraktionierung Gabbroporphyrit 193 Gedrit-Ferrogedrit 142f
–, gravitative 265 Galaxie 524, 577 Gefrierpunktserniedrigung 184
–, konvektive 252 Galenit 8, 15, 40, 49, 63f, 321ff, 326f, 335, 363 Gefüge 31f, 352, 379
Fraktionierungsfaktor 566 –, Kristallstruktur 64 –, Anlagerungs- 32
Fraktionierungskurve 288 –, silberreicher 325 –, dekussates (gekreuztes) 409
–, isobare 289 Galmei 99, 347 –, Erzgang 326
Fraktionierungsprozess 288 galvanische Elemente 65 –, fibroblastisches 408
Fraktionierungsvorgang, gravitativer 299 Galvanotechnik 63 –, Fließ- 32
Framboide 363 Gammastrahlung 40 –, granoblastisches 408
Framesit 57 Gang 203, 205, 224, 233, 314 –, helizitisches 408
Framestone 365 –, hydrothermaler 297, 313, 323ff –, hypidiomorph-körniges 198
framework silicates (engl., siehe auch –, Antimon-Quarz-, telethermaler 328 –, idioblastisches 408
Gerüstsilikate) 121 –, Baryt 329 –, kolloformes 314
Franciscan Formation (Kalifornien) 398f, –, Blei-Silber-Zink- 326 –, Korona- 409
467 –, Fluorit 329 –, kristalloblastisches 407ff
Fraunhofer-Linien 20, 577 –, Gefüge 326 –, Lagen- 32
Freibergit 49, 64, 325f –, Gold- und Gold-Silber-, –, lepidoblastisches 408
Freie Enthalpie 413, 428, 431 epithermaler 325 –, metamorphes, Kornverwachsung 409
freie Radikale 39 –, Gold-Quarz-, orogener 324 –, nematoblastisches 408
Freigold 50, 324f –, Kupfererz-, mesothermaler 325f –, ophitisches 194, 205, 263
Freiheitsgrad 256, 427 –, nichtmetallische Lagerstätte 329 –, Orientierungs- 32
Fremdatome, Fremdionen 18 –, Quarz 329 –, poikoblastisches 409
–, in Quarz 159ff –, Siderit- und Hämatit- 328 –, Polygonal- 409
Frequenz 20 –, Wismut-Kobalt-Nickel-Silber-Uran- –, porphyrisches 32, 190, 515
Fressfeinde 37 –, Zinn-Silber-Wismut 326f –, Regelung 32, 403, 407, 409ff
Friktionswärme 384, 390 –, magmatischer 190 –, Typen 410
Frittung 388 –, Kontaktmetamorphose 388 –, Schlieren- 32
Frostsprengung 340 –, vulkanischer 189 –, Schollen- 32
Frostverwitterung 340 Gangart 323, 326 –, sphärolitisches 32
Fruchtschiefer 386f, 406 Gänge, sheeted complex 481 –, subidioblastisches 408
Frühkristallisation 275 Gangformation 324 –, subophitisches 194
FTIR-Spektroskopie 227 Ganggestein 190, 193 –, tektonisches 32
Fuchsit 149 –, dunkles 191 –, Verteilungs- 32
Fugazität 385 –, leukokrates 193 –, xenoblastisches 408
Fugazitätskoeffizient 385 Gangschwarm 233 Gefügeanalyse
Fulgurit 163 Gangstockwerk, oberes 327 –, dreidimensionale 191
Fülleisen (siehe auch Plessit) 51, 517 Gangunterschied 24f –, zweidimensionale 191
Fullerene 53, 507 Gangverbesserung 325 Gefügeelement 32
Füllstoff, Füllmittel 97, 141, 147, 153, 344 Gangveredelung 327 –, Formänderung 409
Fumarole 227, 313 Gangverschlechterung 325 –, Rotation 409
–, borhaltige 227 Gangzug 324 –, Translation 409
–, Hochtemperatur- 227 Ganymed , Jupiter-Mond 540, 542 Gefügekoordinaten 410
–, Tieftemperatur- 227 Garbenschiefer 406 Gefügerelikt 381, 407
Fumarolenprodukte 227 Garnierit (siehe auch Népouit) 152, 345 GeH4 538
FUN (fractionated and unidentified nuclear Gas 242, 391, 582ff Gehlenit 120, 129f, 584
anomalies) 585 Gasbohrung 108 Gelbbleierz (siehe auch Wulfenit) 113
Fund, Meteoriten-, Definition 508 Gase Gelberz 332f
Futtermittel 78 –, Trocknung 162 Gelmagnesit 97
–, vulkanische 153, 189, 226f, 240, 523 Gelpyrit (siehe auch Pyrit, gelförmiger) 335
G Gasfreisetzung 245 Gel-Zustand 344
Gashülle 589 Gemmen 162
Gabbro 32, 193, 199ff, 202f, 481, 485, 594 –, silikatische 588 Geobarometer 444ff, 549
–, ACF-, A’KF-Diagramm 453 Gaskollaps 589 –, Isoplethe 445
–, anorthositischer 498, 501 Gaskondensate 584 –, Phengit- 446
–, chemische Zusammensetzung 194 Gasreinigung 176 Geobarometrie 444ff
–, foidführender 193 Gasschubregion 221 Geochemie 35f, 549ff
–, Häufigkeit in der Erdkruste 187 Gas-Staub-Hülle 582 –, Anwendungsgebiete 36
–, mafischer 501 Gas-Staub-Scheibe 582, 585f, 588f –, Isotopen- 36, 534
612 Index
–, Mars-Kruste 532, 534 –, Häufigkeit in der Erdkruste 187 giant placer goldfield (engl., siehe auch
–, organische 36 –, Heterogenität 30 Riesengoldseife) 358
Geochronologie 565, 569ff –, Heteromorphie 31, 196 Gibbs’ free energy (engl., siehe auch
–, Isotope radiogene 569 –, Isotopfraktionierung 565f Enthalpie, freie) 428
Geode 30, 159, 228 –, kontaktmetamorphe 406f Gibbs’sche Phasenregel 256, 426ff, 438
Geographos, Asteroid 536 –, magmatische 34, 187f, 554 Gibbsit 81, 91, 342ff
Geologie 35 –, chemische Zusammensetzung –, Struktur 91
Geophysik 35f, 58, 224, 232, 249, 282, 475, 191ff Gibbs-Methode der differentiellen
478ff, 489ff, 497, 552 –, geologische Stellung 190 Thermodynamik 446
Geotherm, geothermischer Gradient 281f, –, Gefüge 190f Gichtgas 550
494 –, Häufigkeit in der Erdkruste 35 „Giftbach“ (Reichenstein, Schlesien) 40
–, kontinentaler 282, 485, 487 –, Klassifikation 190ff Gipfel-Effusion 219
–, ozeanischer 282, 485, 487 –, Korngrößeneinteilung 32 Gips 7, 17, 39, 107, 109ff, 227, 374ff
–, unternormaler 492 –, Modalbestand 192 –, Ausblühung 342
geothermische Energie 228 –, Verbandsverhältnisse 190 –, gebrannter 112
geothermisches –, metamorphe 31ff, 35, 187, 379f, 425 –, -Hut 377
–, Feld 314, 394 –, Ausgangsmaterial 381f –, in Achondriten 515
–, Gradient, geothermischer 394 –, Gefüge 400, 407ff –, Kristallisation 112
–, Kraftwerk 40, 228 –, Gefügeregelung 409ff –, Kristallstruktur 107
Geothermometer 444ff, 549, 566 –, Gleichgewichtsbeziehung 426 –, Löslichkeit 112, 341
–, Isoplethe 445 –, Häufigkeit in der Erdkruste 35 –, Riesenkristalle 111f
Geothermometrie 444ff –, Korngrößeneinteilung 32 –, Zwillinge 110
Geowissenschaften 35 –, Kornverwachsungen 408 Gipsgesteine 377
Germanat 490 –, Nomenklatur 400ff Gipshöhle 110ff
Germanit 322 –, Mineralbestand, Gefüge 425 Gipsplättchen 26
Germanium 18 –, Mineralinhalt 31 Gipsplatten 112
–, als Halbleiter 18 –, monomineralische 31 Gipsrose 110
Gersdorffit 8 –, nutzbare 34 Gitterdefekte 385
Gerüstbildner 367 –, plutonische 31, 35, 191, 232ff, 316 Gitterkonstante 9, 13
Gerüstbinder 367 –, polymetamorphe 379 Gitterpunkt 4
Gerüstsilikate 3, 119, 155f, 164 –, polymineralische 31 –, Translation 6
Gesamtdruck 437 –, Porosität 32 Gitterregelung 410, 413
Gesamterde, Sauerstoff-Isiotopie 566 –, pyroklastische 189, 225f Glanz 42, 61
Gesamtgesteins-Datierung 570ff –, regionalmetamorphe 400ff Glanze 61
Gesamtverteilungskoeffizient 557 –, Sediment- 35ff, 187, 225, 339, 351ff Glanzwinkel 12
Geschiebe, nordisches 414 –, SiO2-Sättigungsgrad 196 Glas 114, 311
Geschiebemergel, Korngrößenverteilung –, Struktur 31f –, basaltisches 533
354 –, subvulkanische 190, 193, 232 –, diaplektisches 392f
Geschwindigkeit, kosmische 391, 506 –, Textur 32 –, -Herstellung, -Industrie 73, 79, 97, 100,
Gesetz der Winkelkonstanz 5 –, ultramafische 192, 194, 205, 211, 281, 124, 147, 162
Gesteine 2, 30 298, 304f –, natürliches 30
–, Al2O3-Sättigungsgrad 196 –, Lagerstättenbildung 298ff –, reaktionsfähiges 460
–, basaltische –, ungleichkörnige 32 –, vulkanisches 4, 189
–, Diskriminations-Diagramm 563 –, vulkanische 4, 31f, 35, 189ff, 195 Glasasche 225
–, experimentelle Aufschmelzung 295 –, Klassifikation 195 Glasbildung 388
–, Soliduskurve 294 Gesteinsabsonderung 32 Glasbombe 393
–, Verwendung 205 gesteinsbildende Prozesse 36, 36 Glasfaser 104, 124
–, Bildungsbedingungen 31 Gesteinsbruchstücke 499 –, -Technik 124
–, Bildungstemperatur 565 Gesteinsgefüge 31f, 190f, 385, 407ff, 466, 516 Glaskopf
–, Charakterisierung 31 Gesteinsglas 32, 209ff, 467 –, Brauner 92, 347
–, Definition 30 Gesteinsmaterial 525, 538f, 541f, 545ff, 588f –, Roter 86
–, Eigenschaft, lithologische 412 Gesteinsmetamorphose (siehe auch –, Schwarzer 89f
–, eklogitfazielle Metamorphose) 35, 355, 382ff Glasmatrix 207
–, im Verband mit Blauschiefern 470 –, regionale 249 Glasopal (siehe auch Hyalit) 163
–, im Verband mit Gneisen und Gesteinsverband 32 Glasuren 71, 87, 124, 171
Granuliten 470 –, Zerrüttung 314 Glaubersalz (siehe auch Mirabilit) 374
–, mit Ultrahochdruckparagenesen Gewerbesalz 78 Glaukonit 353
471 Geyserit 163 Glaukophan 143, 145, 382f, 398, 402f, 458,
–, felsische, Lagerstättenbildung 298 Geysir 163, 227f 468ff
–, Gefüge 31f, 190f, 407ff –, kalter 541, 545 Glaukophan-Ferroglaukophan 143, 145
–, Geländeansprache 34 –, Old Faithful (Yellowstone-Park) 228 Glaukophanit 405, 470
–, gleichkörnige 32 Gezeitenfläche 367 Glaukophanschiefer 405
–, granitische, Diskriminations- Gezeitenkräfte 501, 534, 536, 539f, 545ff Glaukophanschieferfazies (siehe auch
Diagramm 563 GGT-Serie 490 Blauschieferfazies) 467
–, Grundmasse (Matrix) 32 giant impact 502, 586, 588f glaziale Ablagerung 361
Index 613
Leucitphonolith 209, 265, 595 Löllingit 69, 72f –, andesitisches, Viskosität 243
Leucittephrit 209, 248, 595 Longitudinalwelle (siehe auch P-Welle) 478 –, Ausscheidungsfolge 198
Leukogabbro 193 Long-Valley-Supervulkan 223f, 232 –, basaltisches
Leukogranit 123 Lonsdaleit 56, 514 –, Bildung 279
leukokrat 191, 198, 201, 207f Lopolith 234f, 302 –, Differentiation 258
Leukosaphir 85 Löslichkeit 243ff, 308f, 315, 341ff, 355, 358, –, Differentiationsverlauf 276
Leukosom 414ff 365f, 372 –, Kristallisationsabfolge 257
Lherzolith 193, 201, 281, 284, 488 –, leichtlöslicher, volatiler Komponenten –, Mafite 269
Lias 38 im Magma 226, 243ff –, Typen 283
Li-Amphibole 143 –, prograde 244, 309, 315 –, Viskosität 243
Licht –, retrograde 244, 308f, 315 –, basisches, Kristallisation 298
–, monochromatisches 24 Löslichkeitsdifferenz Gips-Anhydrit 112 –, Bildung 247ff
–, polarisiertes 20ff Löslichkeitsgleichgewicht 111f –, Spurenelement-Fraktionierung 559
–, weißes 25 Löslichkeitskurven 111f –, Definition 239
Lichtbrechung 4, 21ff Löss 361, 520 –, Differentiation, Spurenelement-
Lichtdurchlässigkeit 42 Lösskindel 361 Fraktionierung 559
Lichtgeschwindigkeit 20 Lösslehm 361 –, Erstarrung 34
Lichtquanten-Theorie 20 Lösung –, Fragmentierung 189, 220
Lichtstrahl 20f –, hydrothermale 297, 314ff, 323, 417 –, Gasgehalt 240
Liddicoatit 136 –, alkalichloridreiche 314 –, Gasphase, Freisetzung 226
Ligandenfeld-Stabilisierung 557 –, Herkunft 315 –, granitisches 285, 287ff, 295
Limburgit 209ff –, juvenile 315 –, Aufstieg 292
Limonit 51, 66, 70, 92f, 343, 346f –, Konvektionszelle 316 –, Aufstiegspfade 292
–, Pseudomorphose 70 –, konzentrierte 314 –, Bildung 249, 285
Linear (B-Achse) 400 –, Metallquelle 316 –, Fraktionierungsprozesse 288
linear polarisiert 24 –, pH-Wert 314 –, H2O-Sättigung 290, 295
Lineation 411 –, Redoxpotential 314f –, Kristallisationsverlauf 287
Liniendefekt 413 –, schwach dissoziierte 314 –, pegmatitische Entwicklung 308
Linksquarz 11, 158 –, Wärmequelle 316 –, heterogenes 189
Linneit 82 –, Zinn 316 –, Intrusion 233
LIP (large igneous province) 219 –, Zusammensetzung 314 –, -Kammer 190
Liparit (siehe auch Rhyolith) 201, 203 –, Zustandsparameter 315 –, subvulkanische 280
Liquation (siehe auch Entmischung, –, primär-magmatische 332 –, karbonatisches 189
liquide) 302 –, telethermale 327 –, Komponenten, volatile 241
Liquidusfläche 261, 271, 277, 288, 298 –, unterkritische, Lösungsfähigkeit 313 –, Löslichkeit
Liquiduskurve 241f, 257ff, 291, 308, 587 Lösungsfähigkeit 313 –, leichtflüchtiger Komponenten
Liquidustemperatur 242, 309, 587 Lösungsmetamorphose 377 243f
Li-Salze, Li-Verbindungen 141, 150, 311 Lösungsmittel 104 –, von Wasser 243f
Lithium 311 Lötzinn 69, 89 –, olivintholeiitisches 280
–, -Pegmatit 311 Low Field Strength Element (LFS) (engl., –, oxidisches 189
–, Verwendung 311 Element geringer Feldstärke) 551 –, pikritbasaltisches 280
Lithiumglimmer 149f, 317 low-angle normal fault (engl., siehe auch –, Plattentektonik 489
Lithiumpyroxen 138 Abschiebung, flache) 447 –, primäres 248
lithophil 550f lower intercept (engl., siehe auch –, rhyolithisches 226, 240, 243, 250, 276,
Lithiophorit 347 Schnittpunkt, unterer) 575 295
Lithopone 66, 108 Low-K Tholeiite (LKT) 280 –, Viskosität 243
Lithosphäre 480, 489, 493, 523 Low-Ti-Gruppe 500 –, silikatisches 189, 587
–, ozeanische Low-Velocity-Zone (LVZ) 282, 489f –, SiO2-übersättigtes 263
–, obduzierte 332 –, krustale 482 –, SiO2-untersättigtes 263
–, Tiefenprofil 481 LREE 560 –, sulfidisches 189
–, Schnitt 487 Lunait 516 –, Temperatur 241
–, verarmte 459 lunarer Magma-Ozean (LMO) 502 –, Messung 241
Lithosphärenplatte 216, 484, 489, 492 Lungenkrebs 39 –, tonalitisches 295
–, absinkende 398 Lutetia, Asteroid 535 –, ultrabasisches 280, 540
–, kontinentale 490 Lydit 373 –, Ungleichgewicht mit Nebengestein
–, ozeanische 490 253
–, Subduktion 398, 490f M –, Viskosität 243f
Lizardit 148, 151f, 403f –, Weiterentwicklung 247ff
LKT (Low-K Tholeiite) 280 Maar 224f Magmaozean 502, 526, 587f
LL-Chondrit (siehe auch Amphoterit) 512 Madeiratopas 159 –, lunarer (LMO) 502
LMO (lunarer Magma-Ozean) 502 Mafite 191 Magmasäule 221, 502, 526, 587f
Lockergestein 32 Magadiit 374 Magmaschichten 253, 303
Lockerprodukt, vulkanisches 35 Magma 171ff, 182ff, 189f, 219ff, 239ff, 269ff, Magmasee 303
Lodranit (Stein-Eisen-Meteorit) 509, 514, 297ff, 314ff, 381ff, 557ff magmatic stoping 235, 253
516 –, Abkühlung 292 magmatic underplating 250, 295
Index 623
–, -Einschlag, -Impakt 253, 391f, 526, 531 Mikrosondenanalyse 446 –, künstliche (KMF) 40
–, Erde 506 Mikrosondenanalytik 454 –, natürliche 39f
–, -Krater 392f, 525ff, 534 Milchopal (siehe auch Hydrophan) 163 Mineralfazies 457f
–, Mutterkörper 536 Milchquarz 160 –, metamorphe 451, 457f
Meteoritenmineral 510 Miller’sche Indizes 9 –, Definition 457
Meteoritenmutterköper 552 Millerit 8 Mineralformel, Berechnung 591
Meteoritenschauer 507 Mimas, Saturn-Mond 543 Mineralgang, hydrothermaler 313, 323ff
Meteoritenstreufeld 507 Mimetesit (siehe auch Mimetit) 118 Mineralgesellschaft 425
Meteoroid 528 Mimetit 115, 118 –, stabile 380
–, Definition 506 Mineral Mineralgleichgewicht, Einstellung 426
–, Geschwindigkeit 506 –, Abbau, retrograder 380 Mineralkorn, selektive Lösung 355
Methan CH4 182ff, 226, 240, 322, 438ff, 441f, –, amorphes 4 Mineralkruste 228
538, 543f –, Ausbildung, morphologische 42 Minerallagerstätte 297
–, -eis 546 –, Bildungstemperatur 565 –, Definition 34
–, -hydrat 543 –, biogenes 2, 97 –, hydrothermale 313
–, -Seen 543 –, Chemismus 3 –, karbonat-gebundene 335
–, -Stickstoff-Eis 543 –, Endglieder 4 Mineralneubildung 355
Metis, Jupiter-Mond 539 –, Datierung 448, 570 Mineralogie 35f
Mg-Chloritoid 129 –, Definition 2ff –, allgemeine 35
MgCl2-Lauge 98 –, Einteilung, chemische 3 –, angewandte (technische) 35
Mg-Fe-Amphibole 142 –, felsisches 191 –, Anwendungsgebiete 36
Mg-Fe-Karpholith 568f –, femisches 196 –, Definition 2
Mg-Fe-Mn-Amphibole 143 –, Flüssigkeits-Einschlüsse 181ff –, Disziplinen 35
(Mg,Fe)-Pyroxen 275 –, gesteinsbildendes 29f, 191, 584 –, medizinische 36, 38ff
(Mg,Fe)Ca-Pyroxen 275 –, H2O-lieferndes 294 –, Spezielle 157
Mg-Karpholith 469 –, Häufigkeit in der Erdkruste 29 mineralogische Phasenregel 427
MgO 98 –, Homogenität 3f Mineraloid 4
Mg-Perowskit 491, 587 –, Klassifikation 45 Mineralparagenese 255, 315, 318, 323f,
Mg-Silikat-Phase, dichte, H2O-haltige –, Konkordia 574 326ff, 380f, 383, 395ff, 427f, 451ff, 466,
(DHMS) 492 –, Korngestalt 32 468ff, 488
Mg-Tschermaks Molekül 464, 491 –, Kristallisation im Experiment 255 –, Ausscheidung 315
mica schist (engl., siehe auch –, kristallisiertes 4 –, Ausscheidungsfolge 323
Glimmerschiefer) 403 –, kritisches 380 –, Kristallisation 255
microstructure 31 –, kryptokristallines 30 –, mesothermale 326
Mid-Ocean Ridge Basalt (MORB) 280, 481, –, leicht lösliches 341 –, metamorphe 452ff
528, 561f –, Löslichkeit 341 –, Darstellung 452
–, stabile Isotope 566f –, mafisches 191 –, Rekurrenzen 315
Migmatisierung 417 –, metamorphes, Formenergie 408 –, Telescoping 315
Migmatit 32, 34f, 250, 312, 381, 395, 397, –, Mixed-Layer- 342 –, zonale Folge 323
399, 407, 414ff, 426, 438, 465, 482 –, Neubildung, diagenetische 355 Mineralphase
–, Begriff 415 –, opakes, zur Gesteinsklassifikation 191 –, Bildungsenthalpie 443
–, Bildung 415 –, organisches 2f –, Elementverteilung 444
–, anatektische 416 –, radioaktives 90 –, Entropie 443
–, diatektischer 414 –, Reaktion 35 –, inkompatible 426
–, Entstehung, Stoffbilanz 417 –, Rekristallisation 35 –, Molvolumen 443
–, metatektischer 414 –, salisches 196 –, retrograde 381
Mikrit 364f –, silikatisches 523 –, thermodynamischen Größen 443
Mikrobenmatten 37 –, SiO2- 88, 156 Mineralquelle 227
Mikrodiamanten 56 –, Kristallstrukturen 155 Mineralreaktionen, metamorphe 425f,
Mikroflora 341 –, synthetisches 2 430ff
Mikrofossilien 407 –, Verhalten, physikalisches 61 –, Gleichgewichtskurven
Mikrogranit 253 Mineralaggregat 30 –, experimentelle Bestimmung 429ff
Mikrohärte 17 Mineralart 29 –, thermodynamische Berechnung
Mikroklin 7, 15, 164, 166, 168, 170f –, Definition 29 431ff
–, -Gitterung 167 Mineralbestand 379 –, prograde 425, 451
–, Struktur 166 –, künstlicher (Norm) 191 –, retrograde 425
–, Tief- 166, 169f –, modaler 191f Mineralrelikt 381, 426
–, Verzwillingung 170 Mineralbestimmung 42 Mineralstäube, pathologische 39f
–, zur Gesteinsklassifikation 191 Mineralbildung Mineralstufe 30
Mikroklinperthit 29f, 171, 311 –, bei der Verwitterung 42, 341ff Mineralsynthese 2
mikrokristallin 30 –, biogene 36 –, biogene 38
Mikrolith 32, 203 –, im Organismus 37f Mineralvarietät 29
Mikroorganismen 37 –, pathologische 38 Mineralvorkommen 29
Mikroperthit 168 Mineraldruse 323 Mineralzone, metamorphe 381, 395ff
Mikroporosität 90, 117 Mineralfasern –, Barrow-Typ 396ff, 447
626 Index
Nuklid 564 491, 509, 515, 585, 517, 559f, 594 –, isotrop 21
Nummulithen 37 –, -Aggregate, amöboide (AOA) 510, 585 –, negativ 22f, 26f
NYF-Familie (Pegmatite) 312 –, akkumuliert 251 –, positiv 22f, 26f
NYF + LCT-Familie (Pegmatite) 312 –, -Bronzit-Chondrit 512 –, zweiachsig 22f, 26f
Nysa, Asteroid 536 –, CIPW-Norm 196 optische Achsenebene 22
–, Endglieder 4 optischer Charakter 22ff
O –, extrahiert 251 Orbiculit 32
–, Häufigkeit in der Erdkruste 29 Orbitale 14
O2 (siehe auch Sauerstoff) 348, 441ff –, -Hypersthen-Chondrit 512 Ordnung der Interferenz 25
–, Jupiter-Monde Europa und Ganymed –, in Achondriten 514f Ordnungs-Unordnungs-Vorgänge 16,
541f –, in Chondriten 509ff 165f
–, Mars 530 –, in Meteoriten 510 Ordnungszahl 552, 559ff, 564f, 577f
–, Merkur 524 –, in Mondgesteinen 500 Orgueil (Meteorit) 513
–, Partialdruck 359 –, in Stein-Eisen-Meteoriten 516 Orientierungsgefüge 32
Oberflächendefekte 39 –, -Klinopyroxenit 192 organische Verbindungen 547
Oberflächenkalk 367 –, -Kristalle Orion
Oberflächentemperatur –, -Kristallisation 342 –, Gürtelsterne 583
–, erdähnliche Planeten 525, 527, 530 –, -Kumulat 502 –, -Nebel 582
–, Erdmond 500 –, Mischkristallreihe 122 Ornamentstein 145, 172
–, Jupiter-Monde 541ff –, -Orthopyroxenit 193 Orogenese (Gebirgsbildung) 394
–, Neptunmond Triton 545 –, Seltenerd-Elemente 560 Orogengürtel
–, Pluto 547 –, -Struktur 103, 122 –, Andentyp: Wärmedome 398
–, Riesenplaneten 538 –, zur Gesteinsklassifikation 191 –, phanerozoische 394
–, Saturnmond Titan 543 Olivinbasalt 209, 240, 283, 515 –, Spurenelement-Muster 562
Oberkarbon 483 Olivinchondre, gestreifte 511 Orogenzone
Oberkreide 483 Olivingabbro 192, 201 –, junge, Golderze 325
Oberkruste Olivin-Klinopyroxenit 193 –, Regionalmetamorphose 394
–, kontinentale 482 Olivinknolle 122, 281, 486 Orthit (siehe auch Allanit) 130
–, Clarke-Werte 555 Olivinleucitit 211 ortho silicates (engl., siehe Inselsilikate)
–, Modell 482 Olivinnephelinit 211, 283f 119ff
–, Zusammensetzung 482 Olivinnorit 192, 201 Orthoamphibol 7, 142
Oberon, Uranus-Mond 543f –, Mondmeteorit (Lunait) 509 Orthoamphibolit 381
Obsidian 4, 32, 189, 203 Olivin-Orthopyroxenit 193 Orthogneis 381, 403, 408, 416, 463
Obsidianstrom 217 Olivin-Pyroxenit 502 Orthoklas 7, 17, 164ff
Ocean Drilling Program (ODP) 399 Olivintholeiit 203, 206f, 209, 242, 276, 280, –, Verzwillingung 170
Ocean Island Alkaline Basalt (OIA-Basalt) 283 –, zur Gesteinsklassifikation 191
280 –, Soliduskurve 294 Orthopyroxen 7, 137ff, 202f, 273, 382, 402f,
Ocean-Floor Basalt (OFB) 280 Olivin-Websterit 193 426, 464ff, 484f, 488f, 500, 559f
Ocean-Island-Tholeiite (OIT) 280 Ölschiefer 352, 362 –, ACF-, A’KF-Diagramm 453f
Ockerfarbe, rote 87 Omphacit 57, 137f, 140, 382, 398, 405, 433, –, in Meteoriten 510ff
OCS (Carbonylsulfid), auf der Venus 527 469ff, 484f –, in Mondgesteinen 500
ODP (Ocean Drilling Program) 399 Onyx 161 –, Seltenerd-Elemente 560
OFB (Ocean-Floor Basalt) 280 Ooide 90, 344, 364ff Orthopyroxenit 509
Öffnungsbewegung, tektonische 323 Ooidgefüge 228 orthorhombisch 7, 10
Offsets 302 Oolithe 366f, 369ff orthoskopisch 26
OIA-Basalt (Ocean Island Alkaline Basalt) Oolitherze 370 Osbornit 510f
280 Oomikrit 366 Osmiridium 52
OIB (Ocean Island Basalt) 561f Oosparit 366 Osmium 52
OIT (Ocean-Island-Tholeiite) 280, 562ff opak 20, 27, 48, 61, 84, 86f, 89 Osteoblasten 38
Oktaederschicht 146f, 149, 151 Opakminerale 206f, 212f, 515 Osteocyten 38
Oktaedrit 517ff Opal 2, 4, 37, 156f, 163, 228, 275 Osteoporose 38
–, Abkühlungsraten 519 –, gemeiner 163f Ostwald’sche Stufenregel 163, 429
–, Feinuntergliederung 519 –, röntgenamorpher 163 Osumilith 465
–, Silikat-Einschlüsse 519 –, -Skelette 37 Oszillationsrippeln 353
Oldhamit 509ff –, Strukturtypen 163 Otavit 102
Old Red 33 –, Varietäten 163 Ottrelith 129, 382
Öl, brenendes, Viskosität 243 Opalisieren 163 overpressure, tectonic (engl., siehe auch
Öle 153 Ophicalcit 404 Überdruck, tektonischer) 384
Olenit 136 Ophiolith Oxidation 37
Oligoklas 168, 171f, 199, 250, 274f, 395ff –, -Komplex 481, 486 –, photokatalytische 90
Oligozän-Becken, südukrainisches, Mangan –, -Serie 332 Oxidationszone 99, 102f, 109, 112f, 118, 346f
371 ophitisch 194, 205, 263 Oxide 3, 81ff, 585
Ölimmersion 28 optisch oxidierend 348
Olivin 7, 15, 31, 120ff, 202f, 206f, 209ff, 251f, –, anisotrop 21 Oxid-Oxid-Reaktion 442
269f, 274f, 357, 382, 402f, 406, 484f, 487f, –, einachsig 22f, 26f Oxid-Silikat-Reaktion 442
Index 629
Phlogopit 121, 147f, 149, 154, 167, 201, 205, Pistill 162 Plasma 161
211f, 282, 311, 382, 404, 418f, 427, 445f, Pitkrater 219 Plasmaschweif 524
460, 465f, 559f placer (engl., siehe auch Seife) 357 Plasmaspektroskopie, induktiv gekoppelte
–, Schichtstruktur 147 Plagidacit 192 (ICP) 196
–, Seltenerd-Elemente 560 Plagiogranit, ozeanischer 280 Plateaualter 577
Phobos, Marsmond 534 Plagioklas 7, 15, 29f, 164ff, 171ff, 200ff, Plateaubasalte 218, 280, 528f
Phoebe, Saturn-Mond 543 258ff, 273, 275f, 281, 308, 381f, 392, 400f, –, kontinentale 280
Phönizier, Bergbau 317 406, 437, 457, 462, 464ff, 485, 488, 500, –, ozeanische 219, 280
Phonolith 173ff, 177, 192, 194f, 209ff, 219, 559f, 594 Plattengrenze 489
226, 248, 264f, 267, 269, 276 –, Einsprengling 260 Plattenrand
–, chemische Zusammensetzung 195 –, -glas (Maskelynit) 515 –, destruktiver 490
–, Kristallisationverlauf 267 –, Häufigkeit in der Erdkruste 29 –, divergenter 490
–, tephritischer 192, 212f, 595 –, im Marsboden 533 –, konstruktiver 490
Phonolithbimsstein 209 –, in Achondriten 514f –, konvergenter 324, 490
Phonolithtuff 226 –, in Chondriten 512 Platin, ged. 47, 52, 358
Phonotephrit 195 –, in Mesosideriten 516 –, Gruppe 47
Phosphat 3, 115ff, 346 –, in Meteoriten 510 –, Platinlegierungen 358
–, amorphes 373 –, -Kristallisation 242 Platin-Gruppen-Elemente (PGE) 298, 551f,
–, Haushalt 38 –, ophitisches Gefüge 263 556
–, Lagerstätte, sedimentäre 353 –, -Pyrolit 487f Platiniridium 52
Phosphatgesteine, sedimentäre 373 –, Stabilitätsfeld 487 Platinlegierungen 52
Phosphat-Pegmatit 312 –, -Reihe 165, 171ff Platinmetalle 8, 52, 298, 301
Phosphor 117, 311 –, Nomenklatur 165 –, Lagerstätten 236, 298
Phosphorit 116, 373 –, Seltenerd-Elemente 560 –, Mischkristalle 52
–, -Lagerstätte 117 –, Sericitisierung 381 Platinseifen 52, 358
Phosphorsäure 117 –, Strukturzustand und Plattenquarz 400f
Photodissoziation 578 Phasenübergänge 165ff Plattenrand
Photokatalyse, photokatalytisch 90, 117 –, Zonarbau 259, 426 –, divergenter 215f, 280, 490
Photosynthese 37 –, zur Gesteinsklassifikation 191 –, Profil 459
Phreatomagmatismus 211 –, Zwillingsbildung 172, 200f –, konvergenter 215f, 490
pH-Wert 331, 342, 348, 359, 368 –, Zwillingsgesetze 169 –, Gold 324
Phycodenschichten 387 Planeten 523ff, 581ff –, Profil 458
Phyllite 394, 400ff –, Bahnelemente, -eigenschaften 525, Plattentektonik 216, 279f, 286, 386, 490f
Phyllonit 390 581 –, Modell 489
Phyllosilikate (siehe auch Schichtsilikate) –, Dichte 523, 525 Plättung 410
119, 121, 145ff –, Differenzierung 549 Plättungsfefüge 400f
Picotit 83f –, Drehimpuls 581 Platznahme von Plutonen 236f
Picrobasalt 195 –, Bahn- 581 p-Leitung 18
Piemontit 130f –, Eigen- 581 Pleochroismus 134
piezoelektrisch 18f, 88 –, Entstehung 585ff pleochroitisch 27
Piezoelektrizität 18f, 158 –, erdähnliche 508, 517, 523, 525ff, 550, Pleonast 83
Piezoquarz 162 581, 585ff, 589 Plessit 51, 517f
Pigeonit 137f, 140, 271, 273f, 465, 467, 500, –, extrasolare 538f, 589 Plume 215, 219, 249, 280, 360, 491, 493, 528f,
514 –, Größe 523, 525 532, 541, 588
–, Augit-Entmischung 140 –, Krater (Impakt-, Meteoriten-) 526f, Pluto 523ff, 537, 546f, 550, 561, 581
–, in Meteoriten 510, 514ff 581, 587 Pluton 190f, 233ff, 280, 292
Pigmente 71, 73, 87 –, Lithosphäre 523 –, Alteration, spätmagmatische 319
Pikrit 192, 205, 280, 283f, 305, 594 –, Masse 523, 525, 581 –, Aufbau 234
–, tholeiitischer 283 –, -radien 525, 581 –, Bruchspuren 235
Pikritbasalt 205, 594 –, Riesen- 523, 537ff, 581, 588f –, Dachregion 317
Pillowbasalt 399 –, Rotationsachsen 581 –, Fließspuren 235
–, ozeanischer, metamorpher 218, 399 –, Rotationsdauer 525 –, Interngefüge 234
Pillowlava 32, 205, 217f, 481 –, Satelliten 534, 539ff, 547, 581 –, Kontaktmetamorphose 386
Pilze 37, 341 –, Sauerstoff-Gehalt 551 –, Platznahme-Mechanismen 234f
Pimelit (siehe auch Willemsit) 345 –, Schalenbau 550 –, Pull-Apart-Typ 236
Pinakoid 6 –, Umlaufzeit 525 Plutonismus 35, 231ff, 297, 549
Pinch-and-Swell-Struktur 323 –, Zwerg- 523 Plutonite 189ff, 231f, 285
Pinge 317 Planetenbahnen 581 –, Ausbildung, hypidiomorphe 191
Pinit 134 Planeten-Embryo 589 –, chemische Zusammensetzung 194
pinnacle reef (engl., siehe auch Säulenriff) Planeten-Kern 589 –, felsische, Soliduskurven 294
367 Planetensystem, Sonnensystem 502, 506, –, granitische, Häufigkeitsverteilung 289
pipe (engl., siehe auch Diatrem) 55, 211 508, 511, 513f, 523ff, 581ff –, IUGS-Klassifikation 191f
Pipettieren 354 Planetesimale 535, 540, 546, 581, 584, 586f –, mafische 193
Pisolith (siehe auch Erbsenstein) 99, 228, 344 Planetoiden-Gürtel, siehe Asteroidengürtel –, Mikrofotos 200ff
Pistazit 130f 535ff –, Mineralbestand, modaler 191
Index 631
Stoß, inelastischer 586 Subduktion, Subduktionszonen 40, 57, 100, Suspension, glutheiße 223
Stoßfront 391 145, 203, 215f, 219, 223, 226, 234, 240, 312, Süßwasser 366
Stoßkuppe 220 318, 324, 384, 394, 396, 398f, 446ff, 458f, –, -Molasse 520
Stoßwelle 391, 499 467, 469, 486, 489ff, 492f, 529, 562f –, -Schlämme 566
Strahlengang Subduktionsorogen 318 Suttroper Quarze 157
–, konoskopischer 26f Subfazies 459 Sutur 158
–, orthoskopischer 26 subgrain boundary (engl., siehe auch S-Welle 478
Strahlenkegel (Shatter Cones) 392 Kleinwinkelkorngrenze) 413 –, Geschwindigkeit 478, 480
Strahlenkrater 503 subhedral (engl., siehe auch subidiomorph) –, Mond 501
Strahlenmodell 20 408 –, Laufzeit-Kurve 478
Strahlenoptik 20 subidiomorph 408 –, Tiefenabhängigkeit 480
Strahlenquelle, natürliche 40 Subkorn 413 Syenit 193
Strahler Subkornbildung 385 –, Alkalifeldspat- 193, 207
–, α- 40, 90 Subkornrotation 413 –, Foid- 192, 209
–, β - 40 Sublayer 302f –, foidführender 193
–, γ - 40 Sublimation 227 –, Häufigkeit in der Erdkruste 187
–, radioaktive 40 Sublimationsprodukte 78f, 240 –, Kluftfüllung 155
Strahlstein (siehe auch Aktinolith) 143 submarin 190, 215, 313 –, Nephelin- 173f, 208, 312, 418, 595
Strahlung 529, 539 subophitisch 194 –, -Pegmatit 310
–, Sonnen- 540, 545 Subsolidusbereich 167 Syenogranit 198
–, UV- 160, 543, 582 Subsolvus Sylvin 77ff, 341, 375
Strain (engl. Verformung) 384, 409 –, -Granit 267 Sylvinit 79, 375
–, -Ellipsoid 409f –, -Syenit 267 Symmetrie 6ff, 11
–, -Energie 413 Substanz, kohlige, Reflektivität 383 –, -Element 6
Strainrate (Verformungsrate) 412, 528 Substitution 159 –, -Operation 6
Strand 367 –, gekoppelte 149 Symmetrieprinzip 13
Strandseife 358 subterminal 226 Symplektit 409, 426
stratiform 300f Subtraktionsbaufehler 68 syn(tektonische)-Kollisions-Granite (syn-
Stratosphäre 584 Subtraktionsstellung 26 COLG) 249, 286, 563f
Stratovulkan 189, 226, 319 Subvulkan 232 syngenetisch 297
Stress (engl. Spannung) 384, 390, 409, 412 subvulkanische Gesteine 190, 193f, 205, 232 Synchisit 419
–, differentieller 384, 390, 409, 412 Sudbury-Struktur (Ontario) 302 syn-COLG (syn-collision granites ) 249,
–, -Ellipsoid 384 Sudoit 150, 468 286, 563f
–, mittlerer 384 Suevit 393 SYNROC 90
Stressmineral 384 –, Gläser 520 System
Streusalz 78, 377 Sulfarsenid 69 –, Al2SiO5 125, 397, 427, 429
Strich 42 Sulfatdüngemittel 377 –, G-T-Diagramm 429
Strichfarbe 28 Sulfate 3, 37, 107f,374, 375, 533, 542, 566ff –, P-T-Diagramm 427, 429f
Stricklava 217 –, wasserfreie 107 –, Albit–Anorthit (–H2O) 168, 258ff, 267
Strom, pyroklastischer 222f –, wasserhaltige 107, 541f –, Albit–Kalifeldspat (–H2O) 167, 243,
Stromatolithe 37, 365f Sulfat-Mejonit 164, 175 266f, 465
Stromatoporen 367 Sulfat-Reduktion –, Albit–SiO2–(H2O) 288
Stromatoporoiden 37 –, anorganische 335 –, CaCO3 100
strombolianische Tätigkeit 222 –, bakterielle (BSR) 335, 363 –, CaCO3–CaMg[CO3]2 101
Strömungsmarken 407 –, thermochemische (TSR) 363 –, Calcit+Phlogopit+Forsterit 427
Strömungsrippeln 352 Sulfide 14, 37, 40, 49f, 61ff, 66, 68ff, 72f, 81f, –, CaO–MgO–Al2O3–SiO2–CO2–H2O
Strontianit 95, 100, 305 89, 92, 108, 211, 302, 304f, 315, 325, 328ff, (CMASCH) 444
Strontium 100, 311 334, 341, 346, 348, 353, 355, 361, 363, 509, –, CaO–MgO–SiO2 427f
–, initiales 87Sr 571 512f, 526, 550f, 566f, 584, 586 –, CaO–MgO–SiO2–CO2–H2O 440
–, initiales 87Sr/86Sr-Verhältnis 286f, 572 –, komplexe 61 –, T–XCO2-Diagramm 440
–, Isotope 571ff –, Schwefel-Isotope 566ff –, CaO–SiO2–CO2 438
–, Metall 100 Sulfidmagmen, -schmelzen 34, 240, 253, –, Phasenbeziehung 438
structure (engl., siehe auch Textur) 32 298, 302, 305f –, Chromit–Olivin–SiO2 299
Struktur 31 Sulfidminerale 2 –, Cu–H2O–O2–S–CO2 348
Strukturdefekte 413 Sulfosalz 61, 73f –, Diopsid–Albit–Anorthit 260ff
Struvit 38 Sulfostannat 327 –, Diopsid–Anorthit(–H2O) 257f, 267
Stuckgips 112 Sumpferz 371 –, Diopsid–Forsterit–SiO2 271ff
Stufenregel, Ostwald’sche 429 Supereruption 223f, 232 –, eutektisches 257
Stufenversetzungen 413f supergiant deposit 363 –, Fe–FeS 494
Stützgewebe 36 Supernova 578, 585 –, Fe–Ni 517
S-Typ-Granit (sedimentary source rocks) –, -Explosion 56, 578, 583, 585 –, Forsterit–Diopsid–Nephelin–Quarz
286 Superplastizität 414 276
subaerisch 190 Super-Plume 280 –, Forsterit–Diopsid–Pyrop 277
subalkaline rock suite (engl., siehe auch Supervulkan 223f, 232 –, Forsterit–Fayalit 269f
Magmatit, subalkaliner) 197 Supraleiter 54, 88, 124 –, Forsterit–SiO2 270
640 Index
„verbotene Zone“ 18 –, subaerische 339, 343 Vulkanismus 35, 215ff, 297, 549
Verbrennungsgase, Entschwefelung 112 –, subaquatische 339, 353 –, Dampftätigkeit 226ff
Verbundwerkstoffe 54 –, subtropische 343 –, explosiver 35, 189, 211, 220ff, 245, 280,
Verchromung 84 –, sulfidischer Erzkörper 346ff 528
Verdampfung, Impakt-Metamorphose 393 –, tropische 343 –, Förderung
Verdelith 136 Verwitterungseinfluss 355 –, effusive 189, 217ff
Verdichtungswelle (siehe auch P-Welle) Verwitterungslösungen 342ff, 349 –, explosive 189, 220ff
478 –, Al-Si-Verhältnis 343 –, extrusive 189, 219f
Verdrängung –, Aluminium 342 –, gemischte 226
–, hydrothermale 297, 314, 320ff –, Redoxpotential 349 –, Io 539f
–, hydrothermal-metasomatische 313 –, saure 344 –, Mars 531f
Verdrängungslagerstätten, hydrothermale –, Silizium 342 –, Planeten 588
320ff, 335 Verwitterungsneubildung 342, 353, 361 –, submariner 35, 217f, 421
–, Blei-Silber-Zink- 322 –, aride Klimazone 342 –, Tätigkeit
–, Blei-Zink (MVT) 335 –, humide Klimazone 342 –, hawaiianische 221
–, Kupfer-Arsen- 321 Verwitterungsprodukte 339, 353 –, plinianische 222
–, mesothermale 321 –, allochthone 344 –, strombolianische 222
–, Mississippi-Valley-Typ (MVT) 322, –, autochthone 344 –, Venus 528f
335 Verwitterungsprofil 349 Vulkanite 35, 190ff, 232, 248, 594
Verdrängungsreaktion 355 Verwitterungsreste 353 –, Alkali- 207ff
Vererzung, granitgebundene 316 Verwitterungszone 341 –, foidreiche 211
Vererzungszone, diffuse 320 Very-Low-Ti-Gruppe (VLT) 500 –, Gesteinsserien 248
Verfestigung Verzinken 65 –, IUGS-Klassifikation 192ff
–, diagenetische 189, 351 Vesta, Asteroid 535f –, Klassifikation 191ff
–, sekundäre von Pyroklastiten 225 Vesuvian 7, 130, 132, 320, 382, 404ff, 418, –, chemische 195
Verformung 384, 409 466 –, mineralogische 191
Verformungsachse 410 –, ACF-Diagramm 453 –, Mars 530
Verformungsrate 412 Viellinge 70, 88, 99, 176 –, Mikrofotos 204ff
Vergreisung 317 Viererringe 3, 119f, 154, 174, 177 –, Q–A–P–F-Doppeldreieck 192
Verhüttung 40, 104 Vierkomponentensystem 452 –, subalkaline 201ff, 594
Verkieselung 163 Viking-Sonden 515 –, Zusammensetzung, chemische 195
–, hydrothermale 329, 420 viscous emulsion differentiation 253
Vermiculit 148, 154, 211, 306, 342f, 345 Visiergraupen 89, 318 W
–, expandierter 154 Viskosität 157, 217, 224, 235, 240, 242ff,
–, Ni-haltiger 345 250ff, 280, 287, 299, 309, 495, 543 Wachstumsgeschwindigkeit 5, 111, 162
Vernadit 90, 371 Viskositätsmodul 242f –, Anisotropie 5
Verneuil-Verfahren 86, 88 Vitrinit 364, 383 Wachstumszwilling 169
Verpackungsmaterial 154 Vizinalflächen 134 Wackestone 365, 367
Verrucano 228 VMS-Lagerstätten 315, 332f Wad 90
Versenkung 383 –, Besshi-Typ 332 Wadsleyit 491f
Versenkungsmetamorphose, regionale 399 –, Cu-Zn-Pyrit-Typ 333 –, β-Phase 491
Versetzungen, Wandern 413 –, Kuroko-Typ 332, 566 Währungsmetall 50
Versetzungsdichte 413 –, Magnetit-führende 333 Wairakit 394, 436, 460
Versetzungsgleiten 413 –, metamorph überprägte 332 –, Entwässerungsreaktion 436
Versetzungskriechen 413 –, PGE-Gehalte 333 Walkerde 344
Versteinerungsmittel 36 –, Uraltyp 333 Wandfliesen 147
Verteilungsgefüge 32 –, Zonierung 332 Wärme
Verteilungsgleichgewicht 565, 587 –, Zyperntyp 332, 566 –, -dämmstoff 154
Verteilungskoeffizient 557 Vögel 37f –, -isolation 149
Verwachsung Vogesit 194 –, -leitfähigkeit 17
–, schriftgranitische 310 Volcanic Arc Granites (VAG) 249, 286, 564f –, -leitzahl 17
–, zonare 273 Volcanic Arc Tholeiites (VAT) 280, 563f –, -schutz 154
Verwachsungsgefüge, graphisches 311 Volumen 477 –, -technik 152
Verweildauer in der Erdkruste 570 Vorläufermagma 190 –, -transport, konduktiver 253
Verwerfung 323, 544f Vorriff 367 Wärmebeule 398
Verwitterung 35, 339ff, 351, 359, 549 –, -Schutt 367 Wärmedom 398
–, allitische 344 Vredefort-Struktur (Südafrika) 506 Wärmekapazität 389
–, Ausgangsmaterial 339 Vulkanausbrüche 222f Wärmeleitfähigkeit 4, 389
–, chemische 339ff Vulkane Wärmeproduktion, radioaktive 249f
–, Definition 339 –, aktive 189, 215, 539f Wärmetransport, konduktiver 292
–, Klimaabhängigkeit 343 –, globale Verteilung 216 Wärmezufuhr 249
–, mechanische 339ff, 343 –, ruhende 215f –, advektive 448
–, siallitische 344 –, Tiefenfortsetzung 232 Waschgold 50
–, Silikate 341f vulkanischer Bogen 458 Waschmittel 104, 377
644 Index
Alaska (USA), Hochdruckgesteine 398 Ringgänge 226 Baikalsee (Sibirien), Oxiderz 334
Aldan-Hochland (Sibirien), Gold 324 Argentinien, Gold 320 Baja de la Alumbrera (Argentinien), Gold
Aleuten-Graben 216 Argyle (Westaustralien), 320
Alexo Mine (Ontario, Kanada), Nickel- Diamantlagerstätte 55, 213 Balchasch-See (Kasachstan)
Kupfer 244 Arizona (USA) –, Aplitgranit 170
Algerien –, Barringer-Krater 391, 506 –, Mikroklin 170
–, Evaporite 374 –, Bentonit 344 –, Plagioklas 170
–, Phosphorite 373 Arkansas (USA), Bergkristall 2 Ballachulish (Schottland)
–, Siderit 322 Arran (Schottland) 115, 233 –, Intrusivkomplex 388
Allan Hills (Victorialand, Antarktis) 516 –, Granitpluton 236 –, Tonschiefer 400
Allard Lake (Quebec, Kanada), Ilmenit 302 –, Rhyolith 203 Ballarat (Australien), Gold 324
Allende (Mexiko), Meteoriten-Streufeld Arsia Mons (Planet Mars), Schildvulkan Baltis Vallis (Planet Venus), Lava-Tunnel
507 531f 528
Almadén (Spanien), Quecksilber 333 Ascension, Mantel-Plume 493 baltischer Schild, Sulfiderz 418
Alnö (Schweden) Asgard (Jupiter-Mond Kallisto), Banat (Rumänien), Siderit 322
–, Fenitisierung 418 Einschlagbecken 542 Bancroft (Ontario, Kanada), Pegmatit 311
–, Karbonatit 211 Ashanti (Ghana), Gold 324 –, Uran-führende Pegmatite 91, 311
Alpe Arami (Bellinzona, Tessin), Granat- Atacama-Wüste (Chile), Nitrate 103, 374 Bangka (Indonesien), Zinn 318
Lherzolith 489 Atbashy-Komplex (Kasachstan), Coesit Basal Reef (Witwatersrand, Südafrika), ged.
Alpen 471 Gold 360
–, Granitpluton 199 Athabaska-Becken (Saskatchewan, Kanada), Banska Stiavnica (Schemnitz,
–, Hochdruckgesteine 398 Uran 328 Siebenbürgen), Gold, Kaolin 344
–, MVT-Lagerstätte 335 Äthiopien, Columbit-Tantalit 311 Barberton Greenstone Belt (Südafrika)
–, Prehnit-Pumpellyit-Fazies 460 Atlantis-II-Tief (Rotes Meer), Sedex- –, Alter 324
–, Spilite 421 Lagerstätte 334 –, Gold 324
–, VMS-Lagerstätte, Besshi-Typ 332 Ätna (Sizilien) 215f, 475 Barr-Andlau (Vogesen), Kontakthof 387
Alpenvorland (nördliches), Mineralzonen, –, Ausbruch 217 Barringer-Krater (Arizona) 391, 506
metamorphe 396 –, Dampftätigkeit 239 Basal Reef (Witwatersrand-Supergruppe,
Altenberg (Erzgebirge) –, Stratovulkan 226 Südafrika), ged. Gold 360
–, Granitstock 317 Aue (Erzgebirge), Uran 40, 327 Basin and Range Province (USA), Alkali-
–, Pinge 317 Aufhauen (Nördlinger Ries), Coesit 393 (Olivin-)Basalte 209
–, Zinn 317 Australien Bathurst (New Brunswick, Kanada), VMS-
–, Zwitterbänder, -stock 317 –, Gold 320, 324 Lagerstätten, Zyperntyp 332
Alto Ligonha (Mosambik), Columbit- –, Komatiit 205 Bayerischer Wald
Tantalit 311 –, Lamproit 487 –, Cordierit-Gneis 464
Amazonas-Rift (Brasilien), Blei-Zink –, Meteorit 508f –, Diorit 199
(MVT-Lagerstätte) 335 –, Monazit 116 –, Gabbro 201
Amazonis Planitia (Planet Mars) 531f –, Silikatbauxit 345 –, Granitpluton 199
Ambler-Distrikt (Nord-Alaska), VMS- –, Tektite 520 –, Kristallin, variscisches 396
Lagerstätte, Kuroko-Typ 333 –, Versenkungsmetamorphose 399 –, Migmatit 415
Anahí Mine (Bolivien), Citrin 159 –, Woodruff-Thrust-Zone 391 –, Pegmatit 311
Anden –, Zirkon 124 –, Pfahlquarz 329
–, Andesit 203 Auvergne (Zentralfrankreich) –, Rauchquarz 159
–, argentinische, Kupfer 320 –, Basanit 209 Bayern, Bentonit 344
–, bolivianische, Zinn 318, 326f –, Phonolith 209 Bay-of-Islands (Neufundland, Kanada),
–, peruanische, Zinn 318 –, Tephrit 209 Ophiolith-Komplex 481
–, südamerikanische –, Trachyt 209 Bendigo (Victoria, Australien), Gold 324
–, Gold 320 Azoren Bengalen (Indien), Pegmatit 311
–, Porpyry Copper 320 –, Mantel-Plume 493 Benue-Trog (Nigeria), Blei-Zink (MVT-
Angola, Anorthosit 201 –, Trachyt 209 Lagerstätte) 335
Annaberg (Erzgebirge), Blei-Zink 326 Bergen (West-Erzgebirge), Granitpluton,
Antamina (Peru) B Kontakthof 387, 466
–, Kupfer-Zink 321 Bergisches Land, Blei-Zink 326
–, Skarnerz 321 Bad Brambach (Erzgebirge), Radonbad 40 Berkreim-Sogndal (Norwegen), Layered
Antarktis Bad Ems (Rheinisches Schiefergebirge), Intrusion 237
–, Blaueis-Felder, Meteoriten 508 Blei-Zink 326 Bernic Lake (Manitoba, Kanada), Pegmatit
–, Rauer-Gruppe 465 Bad Kreuznach (Nahe), Radonbad 40 311
Antarktische Platte 216 Bad Lauterberg (Harz), Hämatit 328 Besshi, Schikoku (Japan), VMS-Lagerstätte,
Aphrodite Terra (Planet Venus) 527 Bad Schlema (Erzgebirge), Radonbad 40 Besshi-Typ 332
Appalachen (USA) Baden, Minette-Erz 370 Betze Post (Nevada), Gold 322
–, Blauschieferfazies 467 Bafq-Distrikt (Iran), Oxiderz 334 Bieber (Spessart)
–, VMS-Lagerstätte, Kuroko-Typ 333 Bagagem (Brasilien), Perowskit 88 –, Buchit 467
Arabische Platte 216 Baguio (Philippinen), Gold 325 –, Co-Ni-Bi-Gänge 327
Ardara (Irland), Granitpluton 236 Bahamabank (Karibik), Dolomit-Bildung –, Siderit 322
Ardnamurchan (Schottland), Kegelgänge, 368 –, Spateisenstein 322
Index 647
Dar al Gani (Libyen), Mars-Meteorit Ernest Henry (Queensland, Australien), –, paired metamorphic belt 398
(Shergottit) 515 Gold 334 Franken, Minette-Erze 370
Davetsaub (Khomas-Hochland, Namibia), Erzberg (Steiermark), Siderit 322 Frankreich (Ile de Groix),
Migmatit 414 Erzberg, Hüttenberger (Kärnten), Siderit Blauschieferfazies 467
Deccan-Trappbasalte (Indien) 322 Französisches Zentralmassiv
–, Lavadecken 218f Erzgebirge –, Baryt 329
–, Silikatbauxit 345 –, Baryt 329 –, Fluorit 329
Desaguadero (Titicaca-See, Peru), Meteorit –, Bergbau 317, 326f –, Uran 328
Carancas 508 –, Blei-Silber-Zink 326 Freiberg (Erzgebirge), Blei, Zink 326
Deutschland, Kalisalze 377 –, Coesit 162, 399, 471 Fuchsgraben (Vorspessart), Staurolith-
Dinariden, Ophiolith-Komplex 481 –, Diamant 56, 399, 472 Glimmerschiefer 400f
Donezbecken, Quecksilber 333 –, Eklogit 469f Fürstenstein (Bayerischer Wald),
Doniambo (Neukaledonien), Nickel 345 –, Gold 325 Granodiorit 200f
Dora-Maira-Massiv (italienische Alpen) –, Granitpluton 199
–, Coesit 162, 399, 448, 471f –, Hämatit 328 G
–, Granat-Quarzit 471 –, Pluton 234
–, Ultrahochdruckgestein 448 –, Teufenunterschied 348 Gabun (Äquatorialafrika)
Dornot (Mongolei), Uran 91 –, Wolfram 318 –, Mangan 371
Drachenfels (Siebengebirge) –, Zinn 317 –, Uran 90, 328
–, Lavadom (Quellkuppe) 220 –, Zinnseifen 360 Galeras (Kolumbien), Vulkan 221
–, Trachyt 209, 221 Esperito Santo (Brasilien), Chrysoberyll 82 Gamsberg (Südafrika), Blei-Zink (Sedex,
Dreiser Weiher (Eifel), Peridotit 202f Etendeka-Gebiet (Afrika) Kieslager) 323, 334
Dreislar (Sauerland), Baryt 329 –, Flutbasalte 218 Gangrevier, westerzgebirgischens 327
Duluth (Minnesota) –, Vulkanite 233 Gemsbock-River-Formation (Damara-
–, Gabbro-Komplex, Fe-Ti-Oxide 302 Etoscha-Pfanne (Namibia), Evaporite 374 Orogen, Namibia), Falte 394
–, Layered Intrusion 237 Euganeen (Norditalien) Geophysical Laboratory, Carnegie
Dundas (Tasmanien), Krokoit 112 –, Andesit 203 Institution, Washington, D.C. (USA) 255
Duppauer Gebirge (Nordböhmen) –, Rhyolith 203 Georgia (USA)
–, Leucitbasanit, –Leucittephrit 209 Eurasische Platte 216 –, Kaolin 344
Durango (Mexiko) Europa (Jupiter-Mond), Pwyll, –, Tektite 520
–, Eisenerz 305 Einschlagkrater 540 Ghana
–, Magnetit-Apatit 305, 334 Explorer-Rücken (Pazifik), Massiverzhügel –, Gold 324
Dziezoniów (Reichenberg, Schlesien), 331 –, Mangan 371
Granit 30 Gibeon (Namibia), Meteoriten-Streufeld 507
F Gipul Catena (Jupiter-Mond Kallisto),
E Kraterkette 542
Fairbanks (Alaska), Gold 324 Glattbach (Vorspessart), Pegmatit 310
Eagle’s Nest (Kalifornien), ged. Gold 50 –, Seife 358 Goldene Meile (Kalgoorlie, Westaustralien),
Echassières (Frankreich), Pegmatit 311 Falun (Schweden), Sulfiderz 418 Gold 324
Ecuador, VMS-Lagerstätten, Zyperntyp 332 Farm Hoba-West (Namibia), Eisenmeteorit Goldkronach (Fichtelgebirge), Antimonit
Eger-Graben, Thermen 227 (Ataxit) 51, 392, 507, 519 328
Ehrenfriedersdorf (Sächsisches Felbertal (Hohe Tauern, Österreich), Goldküste (Ghana), Gold 324
Erzgebirge), Pegmatit 308f Scheelit 334 Golf von Kalifornien, Sedex-Lagerstätten
Eifel Fen-Distrikt (Norwegen) 418 334
–, Alkali(Olivin-)basalt 209 –, Hämatit 419 Golf von Mexiko, Salzdiapire, Erdöl 377
–, Maar 224 –, Karbonatite 211, 213 Gorduno (Tessin, Schweiz), Granat-
–, Tholeiitbasalt 205 –, Niob 419 Peridotit 408
Elfenbeinküste (Westafrika), Tektite 520 Fichtelgebirge (Oberfranken) Goslar (Harz), Sedex-Lagerstätte 334
El Indio (Chile), Gold 325 –, Pluton 199, 234 Gran Canaria, Moganit 163
El Chichón (Mexiko), Plinianischer –, Radon 41 Grängesberg (Schweden), Eisenerz 305
Ausbruch 216, 223 –, Rauchquarz 159 Granitmassiv, westerzgebirgisches,
Elba, Hämatit 321 Finnland, Kimberlite 213 Kontaktaureole 386
Elbtalzone (Sachsen), Monzonit 208 Fischfluss-Canyon (Namibia), Diskordanz Granulit-Gebirge, Sächsisches 465
Elgersburg (Thüringer Wald), Mangan 328 33 Grasberg (Irian Jaya = West-Neuguinea,
Elysium Planitia (Planet Mars) 532 Flamanville (NW-Frankreich), Indonesien), Gold 320
Elysium-Schwelle (Planet Mars) 530, 532 Granitpluton 236 Great Bear Lake (North-West Territories,
Emperor (Fidschi-Inseln), Gold 325 Florida Kanada) 328
England, Evaporite 376 –, Dolomit-Bildung 368 Great Dyke (Simbabwe) 301
Epupa-Komblex (Namibia) –, Phosphor 373 –, Chromit 301
–, basischer Granulit 426 Fongen-Hyllingen (Norwegen), Layered –, Layered Intrusion 236
–, Ultrahoch-Temperatur- Intrusion 237 –, PGE-Lagerstätte 304
Metamorphose 465 Fort Benton (Wyoming), Bentonit 344 Great Tonalite Sill (Alaska/British
Erbendorf (Oberpfalz), Grünschieferzone 483 Franciscan Formation (Kalifornien) 467 Columbia) 236
Erbendorf-Vohenstrauß, Zone von, –, Blauschieferfazies 467 Greenbushes-Pegmatit (West-Australien)
Krustenprofil 483 –, Hochdruckgesteine 398 311
Index 649
Messel (Darmstadt, Hessen), Ölschiefer 362 Monastery (Südafrika), Diamant 55f Muscox (Kanada), Layered Intrusion 237f
Mexiko Mond (Erdmond) Mussa-Alpe (Piemont, Italien)
–, Antimonit 328 –, Lage der Maria 498 –, Diopsid 139
–, Blei-Zink (VMS-Lagerstätten, –, Mare Imbrium 498, 503 –, Grossular (Var. Hessonit) 139
Zyperntyp) 332 –, Mare Nectaris 498, 503 Myanmar, siehe Burma 124, 318
–, Calcit 24 –, Mare Orientale 498, 503 Myn Aral (Balchasch-See, Kasachstan)
–, Chondrit Tuctuac 511 –, Oceanus Procellarum 498 –, Aplitgranit 170
–, Fluorit 329, 335 –, Strahlenkrater Kopernikus 503 –, Mikroklin 170
–, Gold 320, 325 –, Südpol-Aitkin-Becken 498, 500 –, Plagioklas 170
–, Nord- Mono Lake (Kalifornien), Stromatolithe 37
–, Fluorit 329 Montagne Pelée (Martinique, Kleine N
–, MVT-Lagerstätten 329 Antillen) 216
–, Uran 91 –, explosiver Vulkanismus 220, 223 Naica (Mexiko)
Miask (Ural, Russland), Pegmatit 312 Montana (USA), Bentonit 344 –, Gipshöhlen 110ff
Mibladen (Marokko) Monte Amiata (Italien), Quecksilber 333 –, Skarnerz 321
–, Baryt 108 Monte Mukrone (Sesia-Zone, Westalpen), Namibia
–, Cerussit 108 Meta-Granodiorit 470 –, Anorthosit 201
–, Vanadinit 118 Monte Rosa (Westalpen), seismisches Profil –, Azurit 102
Michipicoten-Distrikt (Ontario, Canada), 484 –, Columbit-Tantalit 311
Eisen (BIF, Superior-Typ) 370 Monte Somma-Vesuv (bei Neapel, Italien) –, Damara-Orogen 394, 414
Milos (Kykladen), Rhyolith 203 215f –, Diamant-Seife 55
Mimas (Saturn-Mond), Krater Herschel –, Leucitbasanit 209 –, Diskordanz 33
543 –, Leucittephrit 209 –, Epupa-Komplex 465
Minas Gerais (Brasilien) –, plinianische Eruption 222 –, Karbonatite 211
–, Beryll 132 Monte-Rosa-Decke (Westalpen), –, Kunene-Intrusiv-Komplex 465
–, Citrin 159 Goldquarzgänge 324 –, Malachit 102
–, Eisen (BIF, Superior-Typ) 370 Montmartre (Paris), Gips 109 –, Migmatit 414
–, Kyanit 127 Montroc (Französisches Zentralmassiv), –, Pegmatit 311
–, Mangan 371 Fluorit 329 –, sekundäre Cu-Minerale 102
–, Pegmatit 311 Monzonigebiet (Südtirol), Monzonit 208 –, Sodalith 174
–, Turmalin 135 Moosburg–Landshut–Mainburg (Bayern), –, Turmalin 135
Mingora (Pakistan) Bentonit 344 Namib-Wüste, Diamant-Seife 55, 360
–, Smaragd 420 Morenci (Arizona), Kupfer 320 Nasik (Indien)
–, Talkschiefer 420 Morogoro (Tansania), Korundgneis 85, 167 –, Apophylith 177
Miranda (Uranus-Mond), Verena Rupes, Mosambik, Pegmatit 311 –, Mesolith 177
Canyon 544 Mother Lode (Kalifornien) Nauru (Pazifik), Guano 373
Mir-Grube (Jakutien) –, Gold 324f Navan (Irland), Blei-Zink (Sedex-
–, Diamant 55f –, Gold-Quarz-Gang 316 Lagerstätte) 334
–, Framesit 57 Mount Bolshaya Varaka (Imandra, Kola- Naxos (Kykladen, Griechenland)
Mississippi-Valley, Blei-Zink (MVT) 335 Halbinsel, Russland) –, Granodiorit 398
Missouri (USA), Blei-Zink (MVT) 335 –, Layered Intrusion 301 –, Kristallin 428
Mittelatlantischer Rücken 216 –, stratiforme Chromit-Lagerstätte 301 –, metamorphe Mineralzonen 396ff
Mittelböhmen, Spilit 421 Mount Isa (Queensland, Australien), Blei- –, metamorpher Komplex 396ff
Mitteldeutschland, Evaporit 376 Zink (Sedex-Lagerstätte, Kieslager) 334 –, Migmatit 415
Mittelengland, Eisenstein 370 Mount Rainier (Kaskaden-Gebirge, Nazca-Platte 216
Mitteleuropa, Löss 361 Washington), Andesit 204f, 216 Neufundland (Kanada)
Mittelindischer Rücken 216 Mount Saint Helens (Washington) 216 –, Bay-of-Islands-Ophiolith-Komplex
Mittelozeanische Rücken 216, 250, 280ff, –, Explosivitäts-Index 221 481
329, 399f, 458f, 481f –, Lavadom (Staukuppe) 219, 221 –, VMS-Lagerstätten, Zyperntyp 332
–, Basalte 280, 561 –, Plinianischer Ausbruch 223 Neu-Kaledonien
–, black smoker 329 Mount Weld (Laverton, Westaustralien), –, Blauschieferfazies 467
–, Metamorphose 399f, 459 Schwermetallanreicherung, lateritische –, Chromit 301
Mittelschweden, Nephelinsyenit 208 346 –, Hochdruckgesteine 398
Mittelwesten der USA, Löss 361 Mountain-Pass-Karbonatit (Kalifornien, Neuschwanstein, Meteorit 508
Mitterberg (Salzburg, Österreich), Kupfer USA), Seltenerd-Elemente 305 Neuseeland
326 Mull (Schottland) –, Geysire 228
Mittweida (Sachsen), Konglomeratgneis –, Mullit 127 –, Goldseife 358
407 –, Tholeiitbasalt 205 –, Peridotit 201
Moa Bay (Kuba), Nickel 345 Münchberger Gneismasse (Oberfranken) –, Versenkungsmetamorphose 399
Mogan (Gran Canaria), Moganit 162 –, Eklogit 469f –, Zeolith-Fazies 460
Mogok (Burma), Edelstein-Seife 360 –, Flasergabbro 408 Neu-Süd-Wales (New South Wales,
Mohave-Wüste (Kalifornien), Bor 105 Münstertal (Schwarzwald), Blei-Zink 326 Australien)
Moina (Tasmanien), Skarnerz 321 Mursinka (Ural), Pegmatit 310 –, Diamant 55
Moldau, Tektite (Moldavite) 520 Muruntau (Tien Shan, Usbekistan), Gold –, Zinn 318
Mons Olympus (Mars), Schildvulkan 219 324 Neuwieder Becken, Bims 225
Index 653