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Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 1: Thematische Einführung, Organisatorisches, Veranstaltungsüberblick

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Der Lehrstuhl für Soziologie (Arbeit und Organisation)


2. Organisatorisches
3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung
4. Wandel der Arbeitswelt – Vorüberlegungen
4.1 Ebenen der Gesellschaftsanalyse
4.2 Die Analyse sozialen Wandels

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 2


1. Der Lehrstuhl für Soziologie mit
Schwerpunkt Arbeit und Organisationen
stellt sich vor…

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 3


Der Lehrstuhl für Soziologie (Arbeit und Organisation)
Lehrstuhlinhaber:
Prof. Dr. Christian Ebner
(2. v. l)

Emeritus:
Prof. Dr. Herbert Oberbeck
(nicht im Bild)

Unterstützung durch …
Lehrbeauftragte,
Sekretariat und
Studentische Hilfskräfte
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:

Willkommen…
Dr. Nicole Holzhauser (3. v. r.)
Stefan Gründler M.A. (2. v. r.)
Katrin Stache M.A. (3. v. l.)
Kim Viktoria Bräuer M.A. (nicht im Bild)

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 4


2. Organisatorisches

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 5


Materialien auf Stud.IP

https://studip.tu-braunschweig.de/

▪ Die Videos zur Vorlesung werden jede Woche


unter Stud.IP im Rahmen des Ordners
„Courseware“ zur Verfügung gestellt
(Ziel: Verfügbarkeit der Videos jeden Mittwoch ab 13:15 Uhr)

▪ Außerdem befinden sich unter Stud.IP im Ordner


„Dateien“:
o Die Vorlesungsfolien (als „Skript“)
o Der Vorlesungsplan
o Literatur zu den einzelnen Sitzungen

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 6


Prüfungsleistung
Die zu erbringende Prüfungsleistung hängt vom Studiengang
bzw. belegten Modul ab…

1. BA Integrierte Sozialwissenschaften/ Pflichtmodul „Zukunft


der Arbeit“: Schreiben einer Klausur (90 Minuten). Klausurthemen: Die
Inhalte dieser Vorlesung (rd. 2/3 Klausuranteil) + Inhalte des Kernkurses
„Arbeitsprozesse und Berufsstrukturen“ (rd. 1/3 Klausuranteil) →
Prüfungsinhalte werden in den jeweiligen Veranstaltungen bekannt gegeben

2. Erziehungswissenschaften, Lehramt, andere Studiengänge /


Aufbaumodul 1 [A1], Professionalisierungsmodul 2 [P2],
Überfachliche Qualifikationen, Pool-Modell: Schreiben einer
Klausur (60 Minuten) ausschließlich zu den Vorlesungsinhalten. Ausgefüllte
und unterschrieben P2-Anmeldungen bitte an Stefan Gründler
(stegruen@tu-braunschweig.de)
21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 7
Erste Hinweise zu Prüfungsinhalten der Vorlesung
→ nächste Sitzung (28.10.)
Prüfungsleistung
Ort und Zeit der Klausur…

… werden noch im Laufe der Vorlesung bekanntgegeben …

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 8


Bilderquelle: www.flaticon.com
3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 9


3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung
Die Veranstaltung „Wandel der Arbeitswelt“…

▪ … behandelt den soziologischen Gegenstandsbereich des


gesellschaftlichen (sozialen) Wandels
▪ erörtert u.a. die Themenkomplexe Industrialisierung und
Tertiarisierung, Demografie, Wertewandel in Bezug auf Arbeit,
Arbeit und Geschlecht, Arbeitszeit, Digitalisierung, Work-Life-
Balance und Stress am Arbeitsplatz
▪ Außerdem:
o Zentrale soziologische Theorien!
o Begrifflichkeiten und Konzepte (z.B. Work-Life-Balance)
o Beispielhafter Einblick in soziologische Forschung…

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 10


3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung
Sitzung Datum Thema
1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
Block 1

3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft


4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft

Block 2
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
Block 3

8 16.12.2019 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel


9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt

Block 4
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
Block 513 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 11
3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung
Sitzung Datum Thema
1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
Block 1

3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft


4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft

Block 2
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
Block 3

8 16.12.2019 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel


Fragen bis spätestens 04. Dez. 2020 an:
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
c.ebner@tu-braunschweig.de
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt

Block 4
11 Betreff:
27.01.2021 Frage Vorlesung,
Arbeitszeit Sitzung X
und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
Block 513 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 12
3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung
Inhalte der Veranstaltung – 4 thematische Blöcke
Block 1: Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 13

Bildquellen: a) Feld: eigenes Bild; b) Fabrik: eigenes Bild; c) Bürogebäude: www.pixabay.de


d) Diagramm: Eigene Darstellung auf Basis von OECD-Daten
3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung
Inhalte der Veranstaltung – 4 thematische Blöcke
Block 2: Demografie, Postmoderne und Wertewandel

Quelle: Hurrelmann, 2014, S. 17

Bildquelle Alterspyramide: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung:


https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Bevoelkerungsentwicklung/Altersstrukturen.html

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 14


3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung
Inhalte der Veranstaltung – 4 thematische Blöcke
Block 3: Arbeit und Ungleichheit im Wandel

„Normal-
arbeit“

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 15


3. Ziele und Inhalte der Veranstaltung
Inhalte der Veranstaltung – 4 thematische Blöcke
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Quelle: Forschung und Lehre, Nr. 2, 2019, S. 135


21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 16

Bilderquellen: Uhr: www.flaticon.com; Mikrochip: www.pixabay.de


4. Wandel der Arbeitswelt – Vorüberlegungen

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 17


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Esser, Hartmut (1993): Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Kapitel 6.2


„Das Grundmodell der soziologischen Erklärung“ (S. 91-102).

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 18


3.1 Ebenen der Gesellschaftsanalyse
Mikroebene und Makroebene
Makroebene (Ebene der Gesellschaft/ „überindividuelle“ Ebene)
▪ Soziale Strukturen (Bevölkerung, Ungleichheit etc.)
▪ Soziale Systeme
▪ Normen, Werte, Institutionen
▪ Sozialer Wandel (Änderung von Berufsstrukturen, Wertewandel …)

Mikroebene (Individualebene)
▪ Soziales Handeln
▪ Soziale Beziehungen, Netzwerke
▪ Soziale Gruppen
21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 19
3.1 Ebenen der Gesellschaftsanalyse
Sozialer Wandel (und Wandel der Arbeitswelt) als Makrophänomene
Beispiel: Der Rückgang der Fertilität

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 20


Quelle: Rothenbacher (2005): The European Population
3.1 Ebenen der Gesellschaftsanalyse
Sozialer Wandel (und Wandel der Arbeitswelt) als Makrophänomene
Beispiel: Der Rückgang der Fertilität

Frage:
Wie nähert man sich theoretisch-analytisch der
Erklärung gesellschaftlichen Wandels?

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 21


Quelle: Rothenbacher (2005): The European Population
3.2 Die Analyse sozialen Wandels

Max Weber – Zur Person


▪ *1864; †1920
▪ Geburtsort: Erfurt
▪ Wichtige Themen u.a.:
o Wirtschaft
o Religion
o Macht und Herrschaft
o Wichtige Definitionen…
▪ Hauptwerk(e):
o Wirtschaft und Gesellschaft
o Die protestantische Ethik und
der Geist des Kapitalismus

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 22


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Max Webers Bestimmung von Soziologie

„Soziologie (im hier verstandenen Sinne dieses


sehr vieldeutig gebrauchten Wortes) soll heißen:
eine Wissenschaft, welche soziales Handeln
deutend verstehen und dadurch in seinem
Ablauf und in seinen Wirkungen ursächlich
erklären will.“

(Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft.


Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Auflage,
Tübingen: Mohr Siebeck, S.1)

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 23


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Das Makro-Mikro-Makro-Modell soziologischer Erklärung

„Soziologie (im hier verstandenen Sinne dieses sehr vieldeutig gebrauchten Wortes)
soll heißen: eine Wissenschaft, welche
▪ soziales Handeln
▪ deutend verstehen
▪ und dadurch in seinem Ablauf
▪ und in seinen Wirkungen
ursächlich erklären will.“

Soziale Soziale
Situation 1 Situation 2 Gesellschaft
(Makroebene)

Individuum
Akteur Handlung (Mikroebene)

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 24


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Das Makro-Mikro-Makro-Modell soziologischer Erklärung

„Soziologie (im hier verstandenen Sinne dieses sehr vieldeutig gebrauchten Wortes)
soll heißen: eine Wissenschaft, welche
▪ soziales Handeln
▪ deutend verstehen
▪ und dadurch in seinem Ablauf
▪ und in seinen Wirkungen
ursächlich erklären will.“

Soziale Soziale
Situation 1 Situation 2 Gesellschaft
(Makroebene)

Individuum
Akteur Handlung (Mikroebene)

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 25


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Eine Erklärung in drei Schritten….

Soziale Soziale
Situation 1 Situation 2
Gesellschaft
(Makroebene)
Logik der
Situation Individuum
(Makro-Mikro) (Mikroebene)
Akteur Handlung

▪ Welchen (vor allem: sozialen) Einflüssen unterliegen die Akteure?


▪ Wie wirkt die Situation auf die Akteure?

Antwort: Brückenhypothesen

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 26


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Eine Erklärung in drei Schritten….

Soziale Soziale
Situation 1 Situation 2
Gesellschaft
(Makroebene)

Individuum
(Mikroebene)
Akteur Handlung
Logik der Selektion (Mikro-Mikro)

▪ Welche Handlungsalternative ergreifen die Akteure?

Antwort: Handlungstheorie

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 27


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Eine Erklärung in drei Schritten….

Soziale Soziale
Situation 1 Situation 2
Gesellschaft
(Makroebene)
Logik der
Aggregation Individuum
Mikro-Makro (Mikroebene)
Akteur Handlung

▪ Welche (auch nicht-intendierten) kollektiven Folgen hat das Handeln der Akteure?
▪ Welche Folgen ergeben sich aus dem handelnden Zusammenwirken der Akteure?

Antwort: Aggregationsregeln

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 28


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Beispiel: Der Rückgang der Fertilität

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 29


Quelle: Rothenbacher (2005): The European Population
3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Beispiel: Der Rückgang der Fertilität 60 Sekunden…

Industrialisierung Gesunkene
Fertilitätsrate
Gesellschaft
(Makroebene)
Logik der
Situation Individuum
(Makro-Mikro) (Mikroebene)
Frauen und Kein Kind,
Partner weniger Kinder

▪ Welchen (vor allem: sozialen) Einflüssen unterliegen die Akteure?


▪ Wie wirkt die Situation auf die Akteure?

Antwort: Brückenhypothesen ?
21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 30
Bildquelle Stoppuhr: www.flaticon.com
3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Beispiel: Der Rückgang der Fertilität

Industrialisierung Gesunkene
Fertilitätsrate
Gesellschaft
(Makroebene)
Logik der
Situation Individuum
(Makro-Mikro) (Mikroebene)
Frauen und Kein Kind,
Partner weniger Kinder

Brückenhypothesen:
▪ Arbeitsnutzen von Kindern sinkt (Bauern → Arbeiter/Angestellte)
▪ Geringere Sterberate von Kindern
▪ Opportunitätskosten von Kindern steigen (Arbeitsmarktchancen für Frauen steigen)
▪ Vorsorgenutzen von Kindern sinkt (Sozialversicherung, v.a. Rente)

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 31


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Beispiel: Der Rückgang der Fertilität

Industrialisierung Gesunkene
Fertilitätsrate
Gesellschaft
(Makroebene)

Individuum
(Mikroebene)
Frauen und Kein Kind,
Partner weniger Kinder

Logik der Selektion (Mikro-Mikro)

▪ Welche Handlungsalternative ergreifen die Akteure?


→ Theorie rationaler Wahl

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 32


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Beispiel: Der Rückgang der Fertilität

Industrialisierung Gesunkene
Fertilitätsrate
Gesellschaft
(Makroebene)
Logik der
Aggregation Individuum
Mikro-Makro (Mikroebene)
Frauen und Kein Kind,
Partner weniger Kinder

Aggregationsregeln

• Berechnung der Rate (einfach in diesem Fall)

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 33


3.2 Die Analyse sozialen Wandels
Methodologischer Individualismus

Um kollektive Phänomene zu erklären, ist es


notwendig, die Individuen, ihre Beziehungen
zueinander, ihr Handeln und die Folgen ihres
handelnden Zusammenwirkens zu betrachten.

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 34


Fragen zur Wiederholung

▪ Was versteht man in der Soziologie unter der „Mikroebene“


und der „Makroebene“?

▪ Wie definiert Max Weber Soziologie?

▪ Zum Makro-Mikro-Makro-Modell soziologischer Erklärung…


Beschreiben Sie:
o Die Logik der Situation
o Die Logik der Selektion
o Die Logik der Aggregation

▪ Was versteht man unter dem „methodologischen


Individualismus“?

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 35


Ausblick
Block 1: Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

Arbeit in der vorindustriellen Zeit (Sitzung 2)


o Die Agrargesellschaft
o 3-Sektoren-These
o Arbeit und Technik

Mittwoch, 28.10.2020, ab 13.15 Uhr

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 36


Vielen Dank für Ihr Interesse!

21. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 1 | Seite 37


Platzhalter für Bild, Bild auf Titelfolie hinter das Logo einsetzen

Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 2: Arbeit in der vorindustriellen Zeit

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Block 1: Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

Sitzung Datum Thema


1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2019 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 2


Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Hinweise zu Prüfungsinhalten
2. Überblick Block 1: Erwerbsarbeit in
historischer Perspektive
3. Arbeit in der vorindustriellen Gesellschaft
3.1 Mensch und Technik
3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
3.3 Arbeit, Ausbildung, Ungleichheit

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 3


1. Hinweise zu Prüfungsinhalten

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 4


1. Hinweise zu Prüfungsinhalten
Die zu erbringende Prüfungsleistung hängt vom Studiengang
bzw. belegten Modul ab…

1. BA Integrierte Sozialwissenschaften/ Pflichtmodul „Zukunft


der Arbeit“: Schreiben einer Klausur (90 Minuten). Klausurthemen: Die
Inhalte dieser Vorlesung (rd. 2/3 Klausuranteil) + Inhalte des Kernkurses
„Arbeitsprozesse und Berufsstrukturen“ (rd. 1/3 Klausuranteil) →
Prüfungsinhalte werden in den jeweiligen Veranstaltungen bekannt gegeben

2. Erziehungswissenschaften, Lehramt, andere Studiengänge /


Aufbaumodul 1 [A1], Professionalisierungsmodul 2 [P2],
Überfachliche Qualifikationen, Pool-Modell: Schreiben einer
Klausur (60 Minuten) ausschließlich zu den Vorlesungsinhalten. Ausgefüllte
und unterschrieben P2-Anmeldungen bitte an Stefan Gründler
(stegruen@tu-braunschweig.de)
28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 5
1. Hinweise zu Prüfungsinhalten
Tipps zur Klausurvorbereitung (Vorlesungsinhalte)

▪ Gut anschauen/anhören: Vorlesungsfolien und Erläuterungen


des Dozenten dazu
▪ Versetzen Sie sich in die Lage des Klausurstellenden
→ Welche Folieninhalte eignen sich für eine Abfrage besonders?

▪ „Fragen zur Wiederholung“ am Ende der einzelnen Vorlesungen


→ hilfreich zur Identifikation der zentralen, prüfungsrelevanten Vorlesungsinhalte

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 6


1. Hinweise zu Prüfungsinhalten
Tipps zur Klausurvorbereitung (Vorlesungsinhalte)

▪ Wichtige/prägnante Definitionen auswendig lernen


▪ Keine Biografien auswendig lernen
▪ Keine Jahreszahlen auswendig lernen
▪ Kein Taschenrechner nötig…
▪ Es werden keine „Meinungsfragen“ gestellt (z.B. nicht: „Nennen Sie
Berufe, die Ihrer Meinung nach in nächster Zeit durch Computer und Roboter
ersetzt werden“) → Klausur ist eher „fakten-/wissensbasiert“

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 7


1. Hinweise zu Prüfungsinhalten
Aufbau der Klausur
▪ Die Klausur enthält mehrere Themenblöcke
(z.B. „Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit“;
„Arbeitszeit und Work-Life-Balance“ etc.)

▪ Jeder Themenblock enthält mehrere Fragen. Alle Fragen der


Klausur sollen beantwortet werden

▪ Jede Frage gibt eine bestimmte Maximalpunktzahl


(z.B. 3 Punkte); kein „all or nothing“ → auch z.B. 1,5 Punkte
für eine 3 Punkte-Frage sind möglich…

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 8


1. Hinweise zu Prüfungsinhalten
Beispielfragen
▪ Fragen sind i.d.R. in Stichworten, einem Satz oder wenigen Sätzen zu
beantworten! Beispielfragen:
(2) Ulrich Beck (1983) formulierte die sogenannte „Entkopplungsthese“. Was
beschreibt diese These im Kern? (Beantwortung in einem Satz möglich).
→ Klassen und Schichten verlieren immer mehr an Erklärungskraft (2).
(3) Max Weber unterscheidet drei verschiedene „Erwerbsklassen“. Nennen Sie diese:
→ Unternehmer (1)
→ Arbeiter (1)
→ Mittelklassen (1)

(4) Wie lautet die Definition von Soziologie nach Max Weber?
→ Nach Max Weber ist Soziologie eine Wissenschaft(1), welche soziales Handeln (1)
deutend verstehen(0,5) und dadurch in seinem Ablauf und in seinen Wirkungen(1)
ursächlich erklären(0,5) will.“

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 9


2. Überblick Block 1:
Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 10


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Popitz, Heinrich (1995): Der Aufbruch zur artifiziellen Gesellschaft.


Zur Anthropologie der Technik. Tübingen: Mohr. (S. 13-43).
▪ Esser, Hartmut (1999): SSG-2: Die Konstruktion der Gesellschaft.
Kapitel 4 „Soziale Ungleichheit“ (S. 113-152). Frankfurt a.M./New
York: Campus.

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 11


2. Überblick Block 1: Erwerbsarbeit in
historischer Perspektive
Die „vorindustrielle Die „Industrie- Die „postindustrielle
Gesellschaft“ gesellschaft“ Gesellschaft“

Zeit
28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 12

Bildquellen: a) Feld: eigenes Bild; b) Fabrik: eigenes Bild; c) Bürogebäude: www.pixabay.de


2. Überblick Block 1: Erwerbsarbeit in
historischer Perspektive

Jean Fourastié (1954) beschreibt die


gesellschaftlichen Entwicklungsstufen
von der Agrargesellschaft über die
Industriegesellschaft bis schließlich zur
Dienstleistungsgesellschaft.

Verantwortlich für diesen Übergang ist nach Jean Fourastié (1969, S. 27)
vor allem der Anstieg der Produktivität durch technische Innovationen:
»Zum Mähen eines Ars1 Weizen wurden gebraucht:
1800 1 Stunde mit einer Sichel
1850 15 Minuten mit einer Sense
1900 2 Minuten mit einem Mähbinder
1920 40 Sekunden mit einem Mähbinder und einem Traktor
1945 35 Sekunden mit einem Mähdrescher, der gleichzeitig den früher
gesonderten Arbeitsgang des Dreschens übernimmt«

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 13


1 Ein Ar entspricht 100 Quadratmeter Quelle Bilder Sichel und Mähdrescher: www.pixabay.com
2. Überblick Block 1: Erwerbsarbeit in
historischer Perspektive
▪ Agrarsektor (primärer Sektor)
o Fortlaufende Steigerung der Produktivität (+ Bauernbefreiung)
→ Freisetzung von Arbeitskräften

▪ Industrie und Handwerk (sekundärer Sektor)


o Zunächst steigende Beschäftigung
o Dann vermehrt Fabriken, Maschinen, Arbeitsteilung
→ erhöhte Produktivität und Freisetzung von Arbeitskräften

▪ Dienstleistungen (tertiärer Sektor)


o Steigendes Angebot von Arbeitskräften im Dienstleistungssektor
o Steigende Nachfrage nach Dienstleistungen (auch z.B. Pflege, Erziehung)
o Arbeitsteilung oft schwieriger

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 14


2. Überblick Block 1: Erwerbsarbeit in
historischer Perspektive

Vorindustrielle Industrie- Postindustrielle


Gesellschaften gesellschaften Gesellschaften
Typische Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen
Wirtschaftssektoren
Stand der Technik Erste Zweite Weitere
technologische technologische „fundamentale“
Revolution Revolution Technologien
Gruppierungen Stände Klassen, Schichten Soziale Lagen,
sozialer Ungleichheit Milieus, Klassen(?)
Ausbildung in Europa Lehrlings- Ausdifferenzierung Akademisierung
ausbildung beruflicher Bildung

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 15


2. Überblick Block 1: Erwerbsarbeit in
historischer Perspektive

Vorindustrielle Industrie- Postindustrielle


Gesellschaften gesellschaften Gesellschaften
Typische Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen
Wirtschaftssektoren
Stand der Technik Erste Zweite Weitere
technologische technologische „fundamentale“
Revolution Revolution Technologien
Gruppierungen Stände Klassen, Schichten Soziale Lagen,
sozialer Ungleichheit Milieus, Klassen(?)
Ausbildung in Europa Lehrlings- Ausdifferenzierung Akademisierung
ausbildung beruflicher Bildung

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 16


3. Arbeit in der
vorindustriellen Gesellschaft

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 17


Bildquelle: eigenes Bild
3.1 Mensch und Technik
Zwei Perspektiven auf Mensch und Technik

„Im langfristigen Trend, Stagnationen und Rückschläge eingerechnet, ist menschliche


Geschichte eine Geschichte des technischen Fortschritts“ (Popitz, 1995, S. 7).

▪ Mängelwesen-Theorie (insbesondere Arnold Gehlen)


o Technik ersetzt Organmangel des Menschen
o Mängelwesen Mensch ohne technische Prothesen
nicht überlebensfähig

▪ Dagegen Heinrich Popitz: Sonderstellung Mensch


o Menschliche Hand als technisch brauchbarstes Organ aller Lebewesen
o → spezifische Verknüpfung technischen Handelns mit Organismus des
Menschen (→ kein Organmangel, sondern Vorteil!)

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 18


Bilderquellen: Evolution (pixabay); Hand (flaticon)
3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
Epochen der Technikgeschichte
Welche technischen Innovationen haben das Verhältnis von Mensch und Arbeit
grundlegend und dauerhaft geändert?
Sieben fundamentale Technologien:
1. Die Technologie des Werkzeugs (500.000 v. Chr.)
Erste technologische Revolution:
2. Technologie der Agrikultur (ca. ab 8000 v. Chr)
3. Technologie der Feuerbearbeitung: Keramik und Metallurgie (ca. ab 6000 v. Chr)
4. Technologie des Städtebaus und Großbautechniken (ab 3000 v. Chr.)
Zweite technologische Revolution
5. Technologie der Maschine (2. Hälfte 18. Jahrhundert)
6. Technologie der Chemie (1. Hälfte 19. Jhdt.)
7. Technologie der Elektrizität (2. Hälfte 19. Jhdt.)
Endpunkt zweite technologische Revolution: Automatisierung der Produktion
28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 19
3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
Epochen der Technikgeschichte
Welche technischen Innovationen haben das Verhältnis von Mensch und Arbeit
grundlegend und dauerhaft geändert?
Sieben fundamentale Technologien:
1. Die Technologie des Werkzeugs (500.000 v. Chr.)
Erste technologische Revolution:
2. Technologie der Agrikultur (ca. ab 8000 v. Chr)
3. Technologie der Feuerbearbeitung: Keramik und Metallurgie (ca. ab 6000 v. Chr)
4. Technologie des Städtebaus und Großbautechniken (ab 3000 v. Chr.)
Zweite technologische Revolution
5. Technologie der Maschine (2. Hälfte 18. Jahrhundert)
6. Technologie der Chemie (1. Hälfte 19. Jhdt.)
7. Technologie der Elektrizität (2. Hälfte 19. Jhdt.)
Endpunkt zweite technologische Revolution: Automatisierung der Produktion
28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 20
3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
Technologie des Werkzeugs
„Technikgeschichte beginnt mit der Technologie des Werkzeugs“
→ 500.000 v. Chr.: dreiseitig bearbeitete Faustkeile aus Feuerstein

▪ Werkzeuge sind Produktionsmittel

▪ Handwerk: Zurechtschlagen, Schleifen, Zuspitzen, Übung im


Gebrauch der Jagdwerkzeuge

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 21

Bild: Faustkeil. Quelle: Internetseite Museum Zitadelle Jülich


3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
Epochen der Technikgeschichte
Welche technischen Innovationen haben das Verhältnis von Mensch und Arbeit
grundlegend und dauerhaft geändert?
Sieben fundamentale Technologien:
1. Die Technologie des Werkzeugs (500.000 v. Chr.)
Erste technologische Revolution:
2. Technologie der Agrikultur (ca. ab 8000 v. Chr)
3. Technologie der Feuerbearbeitung: Keramik und Metallurgie (ca. ab 6000 v. Chr)
4. Technologie des Städtebaus und Großbautechniken (ab 3000 v. Chr.)
Zweite technologische Revolution
5. Technologie der Maschine (2. Hälfte 18. Jahrhundert)
6. Technologie der Chemie (1. Hälfte 19. Jhdt.)
7. Technologie der Elektrizität (2. Hälfte 19. Jhdt.)
Endpunkt zweite technologische Revolution: Automatisierung der Produktion
28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 22
3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
Technologie der Agrikultur (ab 8.000 v. Chr.)

▪ Übergang von der Wildbeuter- zur Agrikultur


▪ Bodenbearbeitung und Tierzucht → Sesshaftwerdung
▪ Mensch wird zum Produzenten seiner Lebensmittel
▪ Land wird zur Produktionsanlage

„Der Bauer bearbeitet die Natur so – das ist die grundlegend neue Idee
dieser Technologie – , daß die Natur für ihn arbeitet.“ (Popitz 1995, S. 22)

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 23


Bildquelle: eigenes Foto.
3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
Technologie der Feuerbearbeitung (ab 6.000 v. Chr.)
▪ Ziel: Materialien mit neuen (Nutzungs-)Eigenschaften
herstellen (Geschirr, Waffen, Schmuck, Münzen etc.)
▪ Produktionsmittel
▪ Rohmaterial: Ton, Erze
▪ Brennmaterial (Holz, Holzkohle, …)
▪ Produktionsprozess: Schmelzen, härten, reinigen von Ton, Erzen…
▪ Nutzung des Feuers: erste technische Nutzung künstlicher Energie
▪ (Irreversibler) Abbau von Naturschätzen:

„Der Mensch beginnt, Vorräte der Natur zu nutzen, indem er sie verbraucht, ohne sie
zu regenerieren… Er leitet Prozesse der Naturausbeutung ein… Er baut die Natur ab“
(Popitz 1995, S. 25).

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 24


Bildquelle: eigenes Foto
3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
Technologie des Städtebaus (ab 3.000 v. Chr.)

▪ Stadt als artifizielle Lebenswelt bzw.


„Kunstlandschaft“

„Mit dem Bau von Städten wird die Natur zurückgedrängt, ausgegrenzt. Der
Menschen-Raum trennt sich vom Natur-Raum. Stadtgrenzen ziehen mehr oder minder
sichtbar Demarkationslinien zwischen der artifiziellen Lebenswelt des Menschen und
dem, was außerhalb, was draußen bleibt (Popitz 1995, S. 28).

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 25

Bildquelle: www.pixabay.com
3.2 Technik in der vorindustriellen Zeit
Technologie des Städtebaus (ab 3.000 v. Chr.)
Stadtarchitektur verändert Leben und Arbeiten…
▪ Typische Stadtbauten
o Burg, Rathaus; Tempel; Markt; Stadtmauer → Symbol für Macht und
Herrschaft → Furcht, Bewunderung, Sicherheit
o Stadt als Speicher (Kornhäuser, Kaufhäuser): Lebensmittel und Güter der
wirtschaftlichen Basis
▪ Verdichtung von Behausungen
o Verdichtetes Zusammenleben großer Menschenmassen
o Bauten: eng zusammengedrängt, oft zwei Ebenen (Hoch- und Tiefbau)
▪ Arbeit / Produktion in der Stadt (räumliche Konzentration)
o Handwerk
o Handel
o Verwaltung

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 26


3.3 Arbeit, Ausbildung, Ungleichheit
Arbeit in der vorindustriellen Gesellschaft

▪ Zeitraum: In Deutschland bis in das 18. Jahrhundert

▪ Großteil der Bevölkerung lebt auf dem Land:


→„Agrargesellschaft“ → Produktionsschwerpunkt: Landwirtschaft

▪ Stadtgesellschaft (sehr kleiner Teil der Bevölkerung) →


Handel und Gewerbe im Zentrum städtischen Lebens

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 27


3.3 Arbeit, Ausbildung, Ungleichheit
Ausbildung in der vorindustriellen Gesellschaft

▪ Geordnete Berufsausbildung als städtisches Phänomen

▪ Einheitliches europäisches Ausbildungsmodell


o Lehrlinge werden durch einen Meister unterrichtet und
nehmen am familiären Leben des Meisterhaushalts teil →
„Berufserziehung“ (Stratmann 1993)
o Erfolgreicher Lehrabschluss → Gesellenbrief

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 28

Bildquelle: www.pixabay.com
3.3 Arbeit, Ausbildung, Ungleichheit
Ausbildung in der vorindustriellen Gesellschaft

▪ Ausbildung folgt dem „Berufsprinzip“


o Lehrlinge werden in bestimmtem Beruf unterrichtet (z.B.
Weber, Bäcker, Schuster, Schmied etc.)
o Zünfte (Handwerk) und Gilden (Handel) als Berufsverbände
erlassen Regeln für die Ausbildung und führen
Abschlussprüfungen durch
o Viele Berufe durften lediglich von Zunftmitgliedern (Lehrlinge,
Gesellen, Meister) ausgeübt werden

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 29


3.3 Arbeit, Ausbildung, Ungleichheit
Soziale Ungleichheit in der vorindustriellen Gesellschaft

Die vorindustrielle Gesellschaft als „Ständegesellschaft“

„Als ‚Stände‘ bezeichnet man Gruppierungen innerhalb einer


Struktur sozialer Ungleichheit, denen Menschen in der Regel
durch ‚Geburt‘ angehören, deren ungleiche
Existenzbedingungen und Lebensweisen weitgehend geregelt
und in ihren Abgrenzungen von anderen Ständen genau
festgelegt sind.“ (Hradil 2006: 198)
→ Determinante: soziale Herkunft („Geburt“)

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 30


3.3 Arbeit, Ausbildung, Ungleichheit
Soziale Ungleichheit in der vorindustriellen Gesellschaft

Skizzenhafte Darstellung der Stände in Deutschland um 1800

▪ König
▪ Erster Stand: Adel
▪ Zweiter Stand: Hohe Geistlichkeit
▪ Dritter Stand: Bürgertum (z.B. Handwerker)
▪ Standeslose: „Einfaches“ Volk (Bauern, Arbeiter)

Bauern → Feudalismus

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 31


Bildquelle Pyramide: www.flaticon.com
Informationsquelle Archiv preussischer Kulturbesitz
Fragen zur Wiederholung
▪ Wie erklärt Jean Fourastié den sektoralen Übergang von der
Agrargesellschaft über die Industriegesellschaft zur
Dienstleistungsgesellschaft?
▪ Was sind der primäre, sekundäre und tertiäre Sektor?
▪ Wie stellen sich die zwei unterschiedlichen Perspektiven von Arnold
Gehlen und Heinrich Popitz in Bezug auf das Verhältnis zwischen
Mensch und Technik dar?
▪ Welche sieben fundamentalen Technologien beschreibt Heinrich
Popitz in seinem Buch „Der Aufbruch zur artifiziellen Gesellschaft“?
Welche davon gehören zur ersten technologischen Revolution?
▪ Wodurch ist in der vorindustriellen Gesellschaft (Mittelalter)
gekennzeichnet:
o Arbeit
o Ausbildung
o Soziale Ungleichheit?

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 32


Ausblick
Block 1: Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

Die Industriegesellschaft (Sitzung 3)


- Achtung: Mittwoch, 04.11.2020 keine Vorlesung ! -

Nächste Vorlesung: Mittwoch, 11.11.2020, 13.15-14.45 Uhr

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 33


Vielen Dank für Ihr Interesse!

28. Oktober 2020 | Christian Ebner | Sitzung 2 | Seite 34


Platzhalter für Bild, Bild auf Titelfolie hinter das Logo einsetzen

Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 3: Die Industriegesellschaft

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Block 1: Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

Sitzung Datum Thema


1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2019 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 2


Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Stand Block 1: Erwerbsarbeit in historischer


Perspektive
2. Arbeit in der Industriegesellschaft
2.1 Technik
2.2 Arbeit
2.3 Soziale Ungleichheit
2.4 Ausbildung

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 3


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Popitz, Heinrich (1995): Der Aufbruch zur artifiziellen Gesellschaft.


Zur Anthropologie der Technik. Tübingen: Mohr.
▪ Esser, Hartmut (1999): SSG-2: Die Konstruktion der Gesellschaft.
Kapitel 4 „Soziale Ungleichheit“ (S. 113-152). Frankfurt a.M./New
York: Campus.
▪ Greinert, Wolf-Dietrich (2004): European vocational training systems:
the theoretical context of historical development.

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 4


1. Stand Block 1:
Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 5


1. Stand Block 1: Erwerbsarbeit in
historischer Perspektive
Heute…
Vorindustrielle Industrie- Postindustrielle
Gesellschaften gesellschaften Gesellschaften
Typische Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen
Wirtschaftssektoren
Stand der Technik Erste Zweite Weitere
technologische technologische „fundamentale“
Revolution Revolution Technologien
Gruppierungen Stände Klassen, Schichten Soziale Lagen,
sozialer Ungleichheit Milieus, Klassen(?)
Ausbildung in Europa Lehrlings- Ausdifferenzierung Akademisierung
ausbildung beruflicher Bildung

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 6


2. Arbeit in der
Industriegesellschaft

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 7

Bildquelle: Eigene Abbildung


2. Arbeit in der Industriegesellschaft
Der Weg zur Industriegesellschaft …
▪ Zeitraum: 18. Jhdt. bis erstes Drittel 19. Jhdt.
▪ Ablösung des Feudalismus („Bauernbefreiung“ 1780 bis 1850),
vermehrte Wanderungen in die Stadt
▪ Kulturelle Ebene: Fokus auf freie Märkte, Gewinnmaximierung
o Liberale Ideen (John Locke, Jean-Jacques Rousseau, Adam Smith)
o Ethik des Protestantismus

▪ Wirtschaftliche Ebene:
o Ständische Produktionsweise und Regulierung bremst Wirtschaftswachstum
o Beschränkung Zahl der Betriebe, Konzessionsrecht bei Eröffnung
→ Durchsetzung der Gewerbefreiheit → Abschaffung der Zünfte

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 8

Bildquelle: Eigene Abbildung


2. Arbeit in der Industriegesellschaft
Der Weg zur Industriegesellschaft …
▪ Zeitraum: 18. Jhdt. bis erstes Drittel 19. Jhdt.
▪ Vom Handwerk …
o Einzelanfertigungen („Handwerkskunst“)
o Werkaufträge für Kunden
o (meist) selbständige Arbeit
o „Heimarbeit“

▪ … zu neuen Organisations- und Produktionsformen


wie z.B. Manufakturen:
o Massenhafte Produktion, Arbeitsteilung
o Lohnarbeitsähnliche Arbeitsverhältnisse
o Einheitliche Leitung
o Trennung Wohn- und Arbeitsplatz

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 9


Bildquellen: a) Schmied: www.pixabay.com
b) Manufaktur: www.wikipedia.de
2.1 Technik in der Industriegesellschaft

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 10


2.1 Technik in der Industriegesellschaft
Epochen der Technikgeschichte
Welche technischen Innovationen haben das Verhältnis von Mensch und Arbeit
grundlegend und dauerhaft geändert?
Sieben fundamentale Technologien:
1. Die Technologie des Werkzeugs (500.000 v. Chr.)
Erste technologische Revolution:
2. Technologie der Agrikultur (ca. ab 8000 v. Chr)
3. Technologie der Feuerbearbeitung: Keramik und Metallurgie (ca. ab 6000 v. Chr)
4. Technologie des Städtebaus und Großbautechniken (ab 3000 v. Chr.)
Zweite technologische Revolution
5. Technologie der Maschine (2. Hälfte 18. Jahrhundert)
6. Technologie der Chemie (1. Hälfte 19. Jhdt.)
7. Technologie der Elektrizität (2. Hälfte 19. Jhdt.)
Endpunkt zweite technologische Revolution: Automatisierung der Produktion
11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 11
2.1 Technik in der Industriegesellschaft
Technologie der Maschine (2. Hälfte 18. Jhdt.)
▪ Maschinen…
o haben einen Motor (Antrieb)
o werden durch künstliche Energie in Bewegung gesetzt
o sind auf manuelle, repetitive Tätigkeiten spezialisiert

▪ Arbeit wird durch Maschinen geleistet (Unterstützung; Substitution)


▪ Trends in der Fortentwicklung von Maschinen
o Maschinelle Produktion wird zunehmend effizienter:
Maschinen produzieren schneller, mehr
o Tendenz zur Selbsttätigkeit: Produktionsprozess zunehmend unabhängig
von menschlichen Eingriffen → Automatismen
o „Und entsprechend entsteht ein neuer Typus von Prozessen. Neben
Naturprozesse und Handlungsprozesse treten Maschinenprozesse.“
(Popitz 1995, S.31)

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 12


Bildquelle: www.pixabay.de
2.1 Technik in der Industriegesellschaft
Technologie der Chemie (1. Hälfte 19. Jhdt.)
▪ Grundidee: Zerlegung der Stoffe in ihre Bauelemente und
Zusammensetzung dieser Bauelemente zu neuen Stoffen
(Innovationsprinzip).
▪ Organisationsprinzip: Periodensystem
▪ Neuer Wirtschaftszweig: Chemische Industrie
▪ Auch Eingriff in Lebensprozesse/Organismus:
o Arzneimittel, Impfstoffe, Narkosemittel, Desinfektionsmittel → wirkt
lebensbewahrend
o Einwirkung auf pflanzliche und tierische Organismen (Veterinärpharmazie;
Agrikulturchemie) → betrifft Ernährungsbasis der Menschheit
▪ Nebenwirkungen: „Zusammen mit den Verbrennungsprozessen von
Kohlenstoffen zur Erzeugung von Energie hat die Technologie der Chemie …
zu einer globalen Vergiftung der Natur geführt… (Popitz 1995, S. 34)“

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 13

Bildquelle: www.pixabay.com
2.1 Technik in der Industriegesellschaft
Technologie der Elektrizität (2. Hälfte 19. Jhdt.)
▪ Nutzbarkeit der Elektrizität als Transformations-
und Transportmedium von Energie und Information
▪ Dreifache Funktionseignung der Elektrizität als Energieform
o Passive Transformationsoffenheit: Jede Energie (Wasserkraft, Sonne,
Kernspaltung, Verbrennung von Holz, Kohle, Gas, Öl) kann in die Energieform
Elektrizität umgewandelt werden. Elektrizität=„offen“ für alle Energiequellen.
o Transportierbarkeit: Elektrizität ist gut transportierbar.
o Aktive Transformation: Aktive Umsetzung in z.B. Licht, Wärme, Antriebs- und
Steuerungskraft für Produktions- und Transportmaschinen.
▪ Elektrizität tritt in den Dienst der Maschinisierung und
Automatisierung; sie hat aber auch Nutzen jenseits der Fabrik
o Verfügbarkeit von Hochtechnologie für jedermann
o Entlastung und Bereicherung der Haushaltsführung →Licht, Wärme,
Elektromotoren, Fernsehapparate
11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 14

Bildquelle: eigene Abbildung


2.2 Arbeit in der Industriegesellschaft

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 15


2.2 Arbeit in der Industriegesellschaft
Die „Industrielle Revolution“ (Arnold Toynbee)
▪ Groß- und Massenproduktion (Fabriken)
o Einsatz von Maschinen (z.B. Dampfmaschine; Eisenbahn, Elektrizität)
o Hohe Arbeitsteilung und Automation (z.B. Fließband)
o Unternehmerisches Rationalitätsprinzip

▪ Anstieg der Arbeitsproduktivität durch technischen Fortschritt


und Zurückdrängung des Handwerks
▪ Schlechte Arbeitsbedingungen
o lange Arbeitszeiten
o Monotonie
o körperlich harte Arbeit
o Lärm, Hitze, Staub…

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 16

Bildquellen: a) Fließband: www.flaticon.com b) Fabrik: www.pixabay.com


2.3 Ungleichheit in der Industriegesellschaft

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 17


Karl Marx – Zur Person

▪ *1818; †1883
▪ Geburtsort: Trier
▪ Wichtige Themen u.a.:
o Klassentheorie
o Kommunismus
o Entfremdung
▪ Hauptwerk:
o Das Kapital

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 18

Bildquelle: Wikipedia
2.3 Ungleichheit in der Industriegesellschaft
Industriegesellschaft als Klassengesellschaft

„Klassen“ sind Gruppierungen innerhalb der Struktur sozialer


Ungleichheit, „die auf Grund ihrer Stellung innerhalb des
Wirtschaftsprozesses anderen Gruppierungen über- oder
unterlegen sind (z.B. wegen ihres Besitzes oder Nichtbesitzes
an Produktionsmitteln oder wegen ihrer Machtposition auf
dem Arbeitsmarkt), woraus ihnen bessere oder schlechtere
Lebensbedingungen erwachsen.“ (Hradil 2006: 199)
→ Determinante: ökonomische Faktoren: insbesondere
Besitz an Produktionsmitteln und berufliche Stellung

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 19


2.3 Ungleichheit in der Industriegesellschaft
Klassentheorie von Karl Marx (Konflikttheorie)

▪ Kommunistisches Manifest (mit Engels): „Die Geschichte aller


bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“
▪ Abfolge historischer Stufen. (Immer) zwei Klassen. Eigentum an
Produktionsmitteln oder nicht:
▪ Kleine Gruppen von Jägern und Sammlern. Kein Besitztum, alle Ressourcen
in kommunalem Besitz („primitiver Kommunismus“)
▪ Antikes Rom, Griechenland: Privateigentum. Sklavenhalter vs. Sklaven
▪ Feudale Agrargesellschaften: Landbesitzer vs. Bauern
▪ Kapitalismus: Eigentümer an Produktionsmitteln („Kapitalisten“ bzw.
„Bourgeoisie“) vs. Arbeiter („Proletariat“). Kapitalisten: kleine herrschende
Klasse. Arbeiter: werden ausgebeutet → Revolution
▪ → Kommunismus: Abschaffung des Privateigentums, klassenlose
Gesellschaft (Außerdem: Vorzüge des hoch produktiven Industriesystems)

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 20


2.3 Ungleichheit in der Industriegesellschaft
Klassentheorie von Karl Marx
Grundlogik: Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen

objektive zwingende
gesellschaftliche Lage gesellschaftliche Folge
(Kapitalismus) (Kommunismus)

„Revolution“:
„Klasse
„Klasse an und
an sich“
für sich“

Interessen und Klassen-


Optionen Handeln
Objektive Lebensbedingungen bestimmen subjektive Wahrnehmungen
(„Das Sein bestimmt das Bewusstsein“) → Klassenbewusstsein, „Klasse für sich“

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 21


2.3 Ungleichheit in der Industriegesellschaft
Klassenkonzept nach Max Weber

»Klassenlage« soll die typische Chance


1. der Güterversorgung,
2. der äußeren Lebensstellung,
3. des inneren Lebensschicksals heißen, welche aus Maß und Art der
Verfügungsgewalt (oder des Fehlens solcher) über Güter oder
Leistungsqualifikationen und aus der gegebenen Art ihrer Verwertbarkeit für
die Erzielung von Einkommen oder Einkünften innerhalb einer gegebenen
Wirtschaftsordnung folgt.
Max Weber (1922), Wirtschaft und Gesellschaft, Erster Teil. IV. Stände und Klassen, §1

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 22


2.3 Ungleichheit in der Industriegesellschaft
Klassenkonzept nach Max Weber
Gemeinsamkeit mit Marx:
„Es sind nach dieser Terminologie eindeutig ökonomische Interessen, und zwar an die
Existenz des ‚Markts‘ gebundene, welche die ‚Klasse‘ schaffen.“

Aber Weber: weniger deterministisch:


▪ „Chancen“-Begriff
▪ Maß und Art der Verfügungsgewalt über Güter oder Leistungsqualifikationen

Außerdem Max Weber:


„Eine noch so starke Differenzierung der Lebenschancen an sich
gebiert ein ‚Klassenhandeln‘ (Gemeinschaftshandeln der
Klassenzugehörigen) nach allen Erfahrungen keineswegs.“ (!!!)

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 23


2.3 Ungleichheit in der Industriegesellschaft
Klassenkonzept nach Max Weber
Arten von Klassen:

▪ Besitzklasse (Besitzunterschiede primär für Klassenlage). Z.B.


Anlagenrentner (Besitzer von Arbeitsanlagen und Apparaten),
Bodenrentner, Bergwerksrentner, Schiffsrentner, Gläubiger
→ können von ihrem Besitz leben

▪ Erwerbsklasse (Chancen der Marktverwertung von Gütern oder


Leistungen primär für Klassenlage). Darunter:
o Unternehmer (positiv privilegiert)
o Arbeiter (negativ privilegiert)
o „Mittelklassen“ (z.B. Beamte, selbständige Bauern oder Handwerker)
→ Weitere Ausdifferenzierung!

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 24


2.3 Ungleichheit in der Industriegesellschaft
Die Klassenkonzepte im Vergleich

Karl Marx Max Weber


Dichotome Spaltungen Verschiedene Arten von
Klassenlagen
Zwingende gesellschaftliche Keine zwingenden Folgen
Folgen
Ausschließlich relevante Nicht ausschließlich relevante
Kategorie Kategorie (auch Parteien etc.)
Wechsel kaum möglich Wechsel möglich
→ Das Konzept: → Das Konzept: nur „Chance“;
Determination und kein Gesellschaftsgesetz
Gesellschaftsgesetz

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 25


2.4 Ausbildung in der Industriegesellschaft

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 26


2.4 Ausbildung in der Industriegesellschaft
Drei Prototypen beruflicher Ausbildung in Europa
1. Training 2. Vollzeitschulisch 3. Duale
on-the-job (UK) (FR) Berufsbildung (DE)
Lernort Betrieb Berufsschule Betrieb +
Berufsschule
Zugang über … Arbeitsmarkt Schulsystem Ausbildungsmarkt
(Ausbildungsvertrag)
Firmenanbindung ja nein ja
Betriebsspezifisches hoch niedrig mittel
Wissen
Standardisierung niedrig hoch hoch
Berufsspezifisches niedrig-mittel mittel hoch
Wissen
Steuerung Liberales Staatlich- Korporatistisch
Marktmodell bürokratisch

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 27

Quelle: In Anlehnung an Greinert (2004)


Fragen zur Wiederholung

▪ Wie unterscheidet sich Handwerksarbeit klassisch von der Arbeit in


Manufakturen?

▪ Welche Technologien sind kennzeichnend für die zweite technologische


Revolution?

▪ Was beschreibt die Klassentheorie von Karl Marx?

▪ Worin unterscheiden sich die Klassenkonzepte von Marx und Weber?

▪ Welche drei Prototypen der Berufsausbildung haben sich in Europa seit der
Industrialisierung etabliert? Was kennzeichnet diese Prototypen?

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 28


Ausblick
Block 1: Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

Die postindustrielle Gesellschaft (Sitzung 4)

Mittwoch, 18.11.2020, 13.15-14.45 Uhr

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 29

Bildquelle: www.pixabay.de
Vielen Dank für Ihr Interesse!

11. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 3 | Seite 30


Info Klausurtag:
Platzhalter für Bild, Bild auf Titelfolie hinter das Logo einsetzen
Dienstag, 2. März 2021
→ Weitere Infos zu Orten und Ablauf folgen…

Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 4: Die postindustrielle Gesellschaft

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Block 1: Erwerbsarbeit in historischer Perspektive

Sitzung Datum Thema


1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2019 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 2


Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Stand Block 1: Erwerbsarbeit in historischer


Perspektive
2. Arbeit in der postindustriellen Gesellschaft
2.1 Technik
2.2 Arbeit und Ausbildung
2.3 Soziale Ungleichheit

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 3


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Popitz, Heinrich (1995): Der Aufbruch zur artifiziellen Gesellschaft. Zur


Anthropologie der Technik. Tübingen: Mohr.
▪ Esser, Hartmut (1999): SSG-2: Die Konstruktion der Gesellschaft. Kapitel 4 „Soziale
Ungleichheit“ (S. 113-152). Frankfurt a.M./New York: Campus.
▪ Beck, Ulrich (1983): Jenseits von Stand und Klasse? Soziale Ungleichheiten,
gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer
Formationen und Identitäten (S. 35-74). In: Kreckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale
Ungleichheiten. Soziale Welt, Sonderband 2.
▪ Weeden, Kim und David B. Grusky (2005): The Case for a New Class Map. In:
American Journal of Sociology, 111(1) (S. 141–212).
▪ Pape, Simone/ Rössel, Jörg/ Solga, Heike (2008): Die visuelle Wahrnehmbarkeit
sozialer Ungleichheit – Eine alternative Methode zur Untersuchung der
Entkopplungsthese. In: Zeitschrift für Soziologie, 37(1), S. 25-41.

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 4


1. Stand Block 1: Erwerbsarbeit in
historischer Perspektive

Vorindustrielle Industrie- Postindustrielle


Gesellschaften gesellschaften Gesellschaften
Typische Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen
Wirtschaftssektoren
Stand der Technik Erste Zweite Weitere
technologische technologische „fundamentale“
Revolution Revolution Technologien
Gruppierungen Stände Klassen, Schichten Soziale Lagen,
sozialer Ungleichheit Milieus, Klassen(?)
Ausbildung in Europa Lehrlings- Ausdifferenzierung Akademisierung
ausbildung beruflicher Bildung

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 5


2. Arbeit in der
postindustriellen Gesellschaft

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 6


Bildquelle: www.pixabay.de
2.1 Technik in der postindustriellen Gesellschaft

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 7


2.1 Technik in der postindustriellen Gesellschaft
Drei weitere „fundamentale Technologien“

▪ Zwei Kerntechnologien
o Technologie des Atomkerns (anorganische Natur)
o Technologie des Zellkerns/ „Gentechnik“ (organische Natur)

▪ Mikroelektronik (= Möglichkeit, sehr schwache Impulse auf kleinstem


Raum differenzierungsfähig einzusetzen)
o Hochleistungscomputer
o Internet
o Mobiltelefone
o Emails
o …

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 8


Bilderquelle: www.flaticon.com
2.1 Technik in der postindustriellen Gesellschaft
Drei weitere „fundamentale Technologien“

▪ Zwei Kerntechnologien
o Technologie des Atomkerns (anorganische Natur)
o Technologie des Zellkerns/ „Gentechnik“ (organische Natur)

Wie verbreitet
▪ Mikroelektronik sind
(= Möglichkeit, unterschiedliche
sehr
Raum differenzierungsfähig einzusetzen)
schwache Impulse auf kleinstem

o Technologien
Hochleistungscomputer heute weltweit?
o Internet
o Mobiltelefone
o Emails
o …

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 9


2.1 Technik in der postindustriellen Gesellschaft
Die Länder der Welt – Flächenbetrachtung

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 10

Quelle: www.worldmapper.org
2.1 Technik in der postindustriellen Gesellschaft
Die Länder der Welt – Zugang zu Elektrizität

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 11

Quelle: www.worldmapper.org
2.1 Technik in der postindustriellen Gesellschaft
Die Länder der Welt – Nuklearwaffen

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 12

Quelle: www.worldmapper.org
2.1 Technik in der postindustriellen Gesellschaft
Die Länder der Welt – Forschung und Entwicklung

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 13

Quelle: www.worldmapper.org
2.2 Arbeit und Ausbildung
in der postindustriellen Gesellschaft

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 14


2.2 Arbeit und Ausbildung
Was bedeutet „postindustrielle Gesellschaft“?
▪ Prägung des Begriffs „postindustrielle Gesellschaft“ durch
Alain Touraine (1969) und Daniel Bell (1973)
▪ Postindustrielle Gesellschaft impliziert:
o Quantitative Veränderungen der Erwerbsarbeit:
Zunehmende Zahl von Dienstleistungsarbeitern
o Qualitative Veränderungen der Erwerbsarbeit: theoretisches
Wissen als Quelle von Innovationen, Steigerung des
Qualifikationsniveaus der Erwerbstätigen)

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 15


2.2 Arbeit und Ausbildung
Was bedeutet „postindustrielle Gesellschaft“?
▪ Prägung des Begriffs „postindustrielle Gesellschaft“ durch
Alain Touraine (1969) und Daniel Bell (1973)
▪ Postindustrielle Gesellschaft impliziert:
o Quantitative Veränderungen der Erwerbsarbeit:
Zunehmende Zahl von Dienstleistungsarbeitern
o Qualitative Veränderungen der Erwerbsarbeit: theoretisches
Wissen als Quelle von Innovationen, Steigerung des
Qualifikationsniveaus der Erwerbstätigen)

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 16


2.2 Arbeit und Ausbildung
Dienstleistungsarbeit
▪ Dienstleistungsarbeit hat immateriellen Charakter und stellt
eine Interaktion zwischen Dienstleister und Kunde dar. Einige
Merkmale von Dienstleistungen (Häußermann/Siebel 1995):
o Nicht-Stofflichkeit
o Nicht-Transportierbarkeit
o Nicht Lagerfähigkeit
o Uno-actu-Prinzip (Produktion und Konsumtion von Dienstleistungen
fallen zusammen)

▪ Dienstleistungsgesellschaft = Dienstleistungssektor dominiert


das Wirtschaftssystem (Faustregel: mehr als 50% der
Erwerbstätigen arbeiten im Dienstleistungssektor)

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 17

Quelle: Häußermann, H. / Siebel, W. (1995): Dienstleistungsgesellschaften. Edition Suhrkamp.


2.2 Arbeit und Ausbildung
Dienstleistungsarbeit
▪ Dienstleistungsarbeit hat immateriellen Charakter und stellt
eine Interaktion zwischen Dienstleister und Kunden dar. Einige
Merkmale von Dienstleistungen (Häußermann/Siebel 1995):
o Nicht-Stofflichkeit
o Nicht-Transportierbarkeit
Gibt es in
o Nicht der Europäischen Union (noch) Länder,
Lagerfähigkeit
o Uno-actu-Prinzip (Produktion und Konsumtion von Dienstleistungen
diefallen
keine Dienstleistungsgesellschaften sind?
zusammen)

▪ Dienstleistungsgesellschaft = Dienstleistungssektor dominiert


das Wirtschaftssystem (Faustregel: mehr als 50% der
Erwerbstätigen arbeiten im Dienstleistungssektor)

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 18

Quelle: Häußermann, H. / Siebel, W. (1995): Dienstleistungsgesellschaften. Edition Suhrkamp.


2.2 Arbeit und Ausbildung
Beschäftigte in den 3 Sektoren – EU 2018
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%

Primärer
Datenreihen1 Sekundärer
Datenreihen2 Tertiärer
Datenreihen3
Sektor Sektor Sektor
18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 19

Quelle: Eigene Berechnungen nach Eurostat


2.2 Arbeit und Ausbildung
Dienstleistungsarbeit
im Wandel …

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 20

Quelle: IAB Kurzbericht, 18/2012, S. 3


2.2 Arbeit und Ausbildung
Was bedeutet „postindustrielle Gesellschaft“?
▪ Prägung des Begriffs „postindustrielle Gesellschaft“ durch
Alain Touraine (1969) und Daniel Bell (1973)
▪ Postindustrielle Gesellschaft impliziert:
o Quantitative Veränderungen der Erwerbsarbeit:
Zunehmende Zahl von Dienstleistungsarbeitern
o Qualitative Veränderungen der Erwerbsarbeit: theoretisches
Wissen als Quelle von Innovationen, Steigerung des
Qualifikationsniveaus der Erwerbstätigen)

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 21


2.2 Arbeit und Ausbildung
Neu: Zunehmende Relevanz von „Wissensarbeit“
▪ Peter Drucker (1959): „Knowledge Work“: Wissensarbeit
besteht aus Tätigkeiten, die Informationen/Wissen erzeugen,
bearbeiten und weitergeben
▪ Wissen wird zunehmend bedeutsamer als Produktionsfaktor
→ Warenökonomie wandelt sich zu Wissensökonomie!
▪ Typische Felder der Wissensarbeit: Verwaltung, Forschung
und Entwicklung etc.

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 22


2.2 Arbeit und Ausbildung
Ausbildung als akademische Ausbildung
% Studienanfängerquote in Deutschland 2005 bis 2017
60,0

55,0 51,8

50,0

45,0

40,0
36,1
35,0

30,0
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 23


Quelle: Statistisches Bundesamt
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 24


2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Rückblick: Klassen als Ungleichheitskategorie

Klassen nach Karl Marx Klassen nach Max Weber


➢ Kapitalisten („Bourgeoisie“) ➢ Besitzklasse
(Besitzer von Produktionsmitteln) (z.B. Besitzer von Geld, Boden, Anlagen)

➢ Arbeiter („Proletariat“) ➢ Erwerbsklasse


(werden ausgebeutet) 1. Unternehmer, 2. Arbeiter, 3. „Mittelklassen“

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 25

Bilderquellen: a) Klassen nach Marx: www.pixabay.com


b) Klassen nach Weber: Villa + Arbeiter: www.pixabay.com; Krankenschwester + Unternehmer: www.flaticon.com
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Das Konzept der sozialen Schicht (nach Geißler 2006)
▪ …ist jüngeren Datums als das Klassenkonzept
▪ …wurde in den 30er Jahren mit Theodor Geiger zum soziologischen
Grundbegriff
▪ Wesentliche Merkmale/Determinanten von Schichten sind:
▪ Stellung zu den Produktionsmitteln
▪ Besitz- oder Einkommensverhältnisse
▪ Berufe
▪ Qualifikationen
▪ Differenzierung & Hierarchisierung von Personen(gruppen) nach diesen
sozialen Merkmalen
▪ „Überlappungen“ (anders als bei Klassen)
▪ Keine Konfliktorientierung (wie bei Marx)
18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 26
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Beispiel: Das Zwiebel-Modell (Karl Martin Bolte)
Deutschland in den 1960er Jahren

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 27


2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Beispiel: Das Zwiebel-Modell (Karl Martin Bolte)
Deutschland in den 1960er Jahren

Kernfrage:
Wie relevant ist die Zugehörigkeit zu sozialen Klassen und Schichten
heute noch für soziales Handeln, Denken und Identität?
→ Entkopplung, Individualisierung?

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 28


2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Ulrich Beck – Zur Person

▪ *1944; †2015

▪ Geburtsort: Stolp

▪ Wichtige Themen u.a.:


o Sozialer Wandel
o Individualisierung

▪ Hauptwerk:
o Risikogesellschaft

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 29


2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Die Entkopplungsthese
▪ Entkopplungsthese: Klassen und Schichten verlieren immer mehr
an Erklärungskraft. Dies wird deutlich bezogen auf vier Aspekte:
o Einstellungen/ Wertorientierungen
o soziales Handeln (z.B. Wahlverhalten)
o soziale Identität (schwindende Klassenidentität)
o soziale Wahrnehmung (geringere Erkennbarkeit sozialer
Klassen/Schichten im Alltag)

▪ Die These besagt nicht(!), dass soziale Ungleichheit geringer geworden sei
„Die Ergebnisse der einschlägigen Forschung lehren uns, daß durch alle technischen
und wirtschaftlichen Umwälzungen, durch alle Reformbemühungen der letzten zwei,
drei Jahrzehnte hindurch die Ungleichheitsrelationen zwischen den großen Gruppen
unserer Gesellschaft sich – von einzelnen Verschiebungen, Umverteilungen und
Grauzonen einmal abgesehen – nicht wesentlich verändert haben“
(Beck, 1983, S. 35)
18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 30
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Die Entkopplungsthese
▪ Entkopplungsthese: Klassen und Schichten verlieren immer mehr
an Erklärungskraft. Dies wird deutlich bezogen auf vier Aspekte:
o Einstellungen/ Wertorientierungen
o soziales Handeln (z.B. Wahlverhalten)
o soziale Identität (schwindende Klassenidentität)
o soziale Wahrnehmung (geringere Erkennbarkeit sozialer
Klassen/Schichten im Alltag)

▪ Die These besagt nicht(!), dass soziale Ungleichheit geringer geworden sei
„Die Ergebnisse der einschlägigen Forschung lehren uns, daß durch alle technischen
WarumUmwälzungen,
und wirtschaftlichen sollen dann durch
aber die
alleKlassen und Schichten
Reformbemühungen der letzten zwei,
drei Jahrzehnte hindurch die
anUngleichheitsrelationen zwischen den großen Gruppen
Relevanz verloren haben?
unserer Gesellschaft sich – von einzelnen Verschiebungen, Umverteilungen und
Grauzonen einmal abgesehen – nicht wesentlich verändert haben“
(Beck, 1983, S. 35)
18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 31
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Erklärungen für die Entkopplungsthese – Der Fahrstuhleffekt
Zwei Argumentationslinien:
1. Der Fahrstuhleffekt
Ulrich Beck 1983, S. 37:

„Selbst bei sich durchhaltenden Ungleichheitsrelationen kann sich nämlich das


gesamte Niveau entweder nach oben oder nach unten verschieben, und diese
Verschiebung im Niveau kann für die Lebensbedingungen der Menschen aufgrund der
damit ausgelösten Entwicklungen und Veränderungen sehr viel bedeutsamer sein, als
die sich auf dem neuen Niveau wieder herstellenden Abstände und Relationen.“

▪ Wohlstandssteigerung erfasst alle Individuen („Fahrstuhleffekt“), selbst


wenn das Ausmaß der Ungleichheit gleich geblieben ist, sich
möglicherweise gar verschärft hat

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 32

Bildquelle: www.flaticon.com
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Erklärungen für die Entkopplungsthese – Erosion der Milieus
Zwei Argumentationslinien:
2. Erosion traditioneller Sozialmilieus
▪ Verschiedene Prozesse sorgen dafür, dass sich immer mehr Menschen
kulturell von ihrem Herkunftsmilieu entfernen (abnehmende Bindung)
o Prozesse sozialer und räumlicher Mobilität
o Veränderung der Wohnverhältnisse und Siedlungsstrukturen → „neue urbane
Stadtsiedlungen“ mit „gemischt-sozialer Zusammensetzung“ und „lockereren
Nachbarschafts- und Bekanntschaftsverhältnissen“ (Beck 1983, S. 50)
o „Bastelbiografien“: „Individualisierung bedeutet in diesem Sinne, daß die Biographie der
Menschen aus vorgegebenen Fixierungen herausgelöst, offen, entscheidungsabhängig und als
Aufgabe in das individuelle Handeln des einzelnen gelegt wird“ (Beck 1983, S. 58)
o Bildungsexpansion

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 33


2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Die Entkopplungsthese – Empirische Befunde
Ulrich Becks Individualisierungsthese aus den 80er Jahren inspirierte
viele empirische Studien in der Soziologie (Pape, Rössel, Solga, 2008)
▪ Freizeitverhalten: kaum veränderter Zusammenhang zwischen
Freizeitaktivitäten und sozialstrukturellen Variablen (gilt auch für „Hochkultur“)
▪ Wahlverhalten: kaum Studien zu langfristigen Veränderungen.
Kein eindeutiges Ergebnis für westliche Länder. Langzeitstudie für
USA, Frankreich, Großbritannien → kein eindeutiges Entwicklungsmuster
▪ Soziale Identität: Subjektive Schichteinstufung für Deutschland (ALLBUS):
Anteil Personen, die sich keiner Schicht zuordnen, nicht angestiegen. Kaum
Veränderung des statistischen Zusammenhangs zwischen subjektiver
Schichteinstufung und objektiver Schichtzugehörigkeit von Personen
▪ Konsumverhalten: leichter Rückgang klassenspezifischer
Konsummuster in manchen Studien. Anders beim Rauchverhalten:
Übergang zu klassenspezifischem Muster
18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 34

Bilderquelle: www.flaticon.com
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Die Entkopplungsthese – Empirische Befunde
Raucheranteile von Männern in Norwegen nach Einkommensklassen

Bildquelle: www.flaticon.com
18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 35

Quelle: Lund et al. 1995; Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg (2004, S. 1)


2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Die Entkopplungsthese – Empirische Befunde
Raucheranteile(weiterführend,
Literaturhinweis von Männern innicht
Norwegen nach Einkommensklassen
klausurrelevant)
Ist es möglich, Angehörige bestimmter sozialer Schichten in Deutschland
zu erkennen? Hat sich dies im Zeitverlauf verändert?
Pape, Simone/ Rössel, Jörg/ Solga, Heike (2008): Die visuelle Wahrnehmbarkeit
sozialer Ungleichheit – Eine alternative Methode zur Untersuchung der
Entkopplungsthese. In: Zeitschrift für Soziologie, 37(1), S. 25-41.

Bildquelle: www.flaticon.com
18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 36

Quelle: Lund et al. 1995; Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg (2004, S. 1)


2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Das Konzept der Lebenslage
„Lebenslage ist der Inbegriff all der Umstände, die verhältnismäßig unmittelbar die
Verhaltungsweise eines Menschen, seinen Schmerz, seine Freude bedingen.
Wohnung, Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege, Bücher, Theater, freundliche
menschliche Umgebung, all das gehört zur Lebenslage, auch die Menge der
Malariakeime, die bedrohlich einwirken“ (Otto Neurath 1981 (1931): 512).

▪ berücksichtigt multidimensional verschiedenste vorteilige und


nachteilige Lebensumstände, denen ein Individuum ausgesetzt ist.
Z.B. Alleinerziehend, Ausländer, geringe Einkünfte, niedrige Bildung,
ausreichend große Wohnung, gute Integration in Nachbarschaft
▪ Unterschiedliche Lebenslagen bestimmen Handlungsspielraum von
Individuen!
▪ Flexibles Konzept, eignet sich für pluralistische Gesellschaften
18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 37
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Soziale Milieus
▪ Soziale Milieus kombinieren Aspekte der Ungleichheitsstruktur
und Wertestruktur einer Bevölkerung!
Die Sinus-Milieus in Deutschland 2017

Milieus werden durch


objektive
Lebensbedingungen
beeinflusst, aber nicht
vollständig geprägt…

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 38


Quelle Abbildung: www.sinus-institut.de

https://www.youtube.com/watch?v=6YJzg4dtBBc&feature=emb_logo
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Soziale Milieus
▪ Soziale Milieus kombinieren Aspekte der Ungleichheitsstruktur
und Wertestruktur einer Bevölkerung!
Die Sinus-Milieus in Deutschland 2017

Oder vielleicht doch Klassen?


Milieus werden durch
objektive
Lebensbedingungen
beeinflusst, aber nicht
vollständig geprägt…

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 39


Quelle Abbildung: www.sinus-institut.de
2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
„Mikroklassen“ nach Kim Weeden und David Grusky (2005)

Berufe als Mikroklassen!

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 40

Bildquelle Wordcloud: eigene Darstellung


2.3 Ungleichheit in der postindustriellen Gesellschaft
Drei Prozesse der Klassenbildung

Selbst- Fremd- Beruf


selektion selektion

Sozialisation
Gruppen-
homogenität

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 41


Fragen zur Wiederholung
▪ Welche drei fundamentalen Technologien hebt Heinrich Popitz für die
postindustrielle Gesellschaft hervor?
▪ Was impliziert die postindustrielle Gesellschaft?
▪ Welche Merkmale sind kennzeichnend für Dienstleistungsarbeit?
▪ Was versteht man unter Wissensarbeit?
▪ Was besagt die Entkopplungsthese?
▪ Was ist der Fahrstuhleffekt?
▪ Was bedeutet Individualisierung bei Ulrich Beck?
▪ Welche drei Prozesse führen zur Klassenbildung im Rahmen des
Mikroklassenkonzeptes?

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 42


Ausblick
Block 2: Demografie, Postmoderne und Wertewandel

Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit (Sitzung 5)

Nächste Sitzung: Mittwoch, 25.11.2020, ab 13.15 Uhr

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 43

Bildquelle: Alterspyramide: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung:


https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Bevoelkerungsentwicklung/Altersstrukturen.html
Vielen Dank für Ihr Interesse!

18. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 4 | Seite 44


Platzhalter für Bild, Bild auf Titelfolie hinter das Logo einsetzen

Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 5: Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Block 2: Demografie, Postmoderne, Wertewandel

Sitzung Datum Thema


1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2019 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 2


Block 2: Demografie, Postmoderne, Wertewandel

Sitzung Datum Thema


1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2019 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
Fragen bis spätestens 04. Dez. 2020 an:
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
c.ebner@tu-braunschweig.de
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021
Betreff:Stress
FrageinVorlesung,
der Arbeitswelt
Sitzung X
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 3


Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Der demografische Wandel


1.1 Was ist Demografie?
1.2 Bestimmungsfaktoren demografischen Wandels
1.3 Bevölkerungswachstum in Europa
2. Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
2.1 Fertilität
2.2 Migration
2.3 Mortalität und Normallebenslauf (Kohli)
2.4 Überblick

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 4


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Esser, Hartmut (1993): Soziologie. Allgemeine Grundlagen,


Abschnitt E.: „Die Bevölkerung der Gesellschaft“ (S. 251-320).
▪ Kohli, Martin (1985): Die Institutionalisierung des Lebenslaufs. In:
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 37 (S. 1-29).

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 5


1. Der demografische Wandel

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 6

Bildquelle: Alterspyramide: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung:


https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Bevoelkerungsentwicklung/Altersstrukturen.html
1.1 Was ist Demografie?

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 7

Quelle: Brockhaus. Enzyklopädie in 30 Bänden. 21., völlig neu bearbeitete Auflage. Band 6, COMF-DIET, 2006.
1.1 Was ist Demografie?
Demographie: Bevölkerungslehre

▪ Wortstamm:
o demos (gr.) = Volk
o graphein (gr.) = schreiben

▪ fragt nach Gesetzmäßigkeiten der


o Bevölkerungsentwicklung
o und Bevölkerungszusammensetzung

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 8

Bildquelle: www.pixabay.com
1.2 Bestimmungsfaktoren demografischen Wandels

Veränderungen der Bevölkerung werden bestimmt durch …

Mortalität
Größe und (Sterbefälle)
Fertilität
(Geburten)
Zusammensetzung
der Bevölkerung

Gesellschaft als
geschlossenes System

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 9


1.2 Bestimmungsfaktoren demografischen Wandels

Veränderungen der Bevölkerung werden bestimmt durch …

Mortalität
Größe und (Sterbefälle)
Fertilität
(Geburten)
Zusammensetzung
der Bevölkerung

Gesellschaft als
offenes System

Migration
(Einwanderungen/
Auswanderungen)

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 10


1.2 Bestimmungsfaktoren demografischen Wandels
Die Bevölkerungsbilanzrechnung

N(0) → N(T)
N(0) + B(0,T) – D(0,T) + I(0,T) – E(0,T) = N(T)
N(0) Anzahl der lebenden Personen in der Bevölkerung zum Zeitpunkt 0
B(0,T) Anzahl der Geburten in der Bevölkerung zwischen Zeitpunkt 0 und T
D(0,T) Anzahl der Sterbefälle in der Bevölkerung zwischen Zeitpunkt 0 und T
I(0,T) Anzahl der Zuwanderungen in die Bevölkerung zwischen Zeitpunkt 0 und T
E(0,T) Anzahl der Abwanderungen aus der Bevölkerung zwischen Zeitpunkt 0 und T
N(T) Anzahl der lebenden Personen in die Bevölkerung zum Zeitpunkt T

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 11


1.2 Bestimmungsfaktoren demografischen Wandels
Die Bevölkerungsbilanzrechnung – Beispiel Deutschland

N(0) → N(T)
N(0) + B(0,T) – D(0,T) + I(0,T) – E(0,T) = N(T)

Beispiel Deutschland

N(31.12.2014) + B(2015) – D(2015) + I(2015) – E(2015) = N(31.12.2015)


81.197.500 + 737.575 – 925.200 + 2.136.954 – 997.552 ≈ 82.150.000

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 12


1.2 Bestimmungsfaktoren demografischen Wandels
Die Bevölkerungsbilanzrechnung

Zur Veranschaulichung…

http://www.census.gov/popclock/

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 13


1.3 Bevölkerungswachstum in Europa
Bevölkerungsentwicklung in Europa von 700 bis 1950

▪ Anstieg des Bevölkerungsbestandes mit Übergang zu agrarischer


Lebensweise. Schätzung Christi Geburt: 25 Mio. in Europa
▪ Bis etwa 8. Jhdt: unter 30 Mio.
▪ Allmählicher Bevölkerungsanstieg bis 1300 auf 73 Mio.
▪ Rückgang (Seuchen, Hungersnöte) / Stagnation (Ressourcen)
▪ Stetiges langsames Wachstum bis Mitte 18. Jhdt.
▪ Ab Mitte 18. Jhdt. Bevölkerung nimmt in zuvor unbekanntem
Ausmaß zu: „demografische Revolution“
→ Heute mehr als ½ Mrd. Menschen
▪ …Wachstum verlangsamt sich im 20. Jhdt. wieder
→ Was sind die Ursachen?!

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 14

Quelle: Esser, 1993, S. 278


1.3 Bevölkerungswachstum in Europa
Das „Gesetz“ des demographischen Übergangs
…zeigt sich im Verlaufe der Industrialisierung/Modernisierung in ganz Europa.
→ 3 Stadien

Allgemeine
Geburtenziffer

Allgemeine
Sterbeziffer

prätrans- früh mittel spät posttrans-


formativ Transformationssphase formativ

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 15

Quelle: Esser, 1993, S. 288


1.3 Bevölkerungswachstum in Europa

Bevölkerungswachstum aktuell und Projektionen

▪ Zwei gegenläufige Tendenzen:


o Enormes Wachstum der Weltbevölkerung findet vor allem
in den sogenannten Entwicklungsländern statt
o Stagnation und Schrumpfung in vielen westlichen Staaten

▪ Bevölkerungsvorausberechnungen:
https://esa.un.org/unpd/wpp/

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 16


2. Demografischer Wandel
und Erwerbsarbeit

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 17


2.1 Fertilität
Fertilität in Deutschland – 1957 bis 2015
Zusammengefasste Geburtenziffer (Kinder je Frau)
2,50
2,25
2,00
1,75
1,50
1,25
1,00
0,75
0,50
0,25
0,00
1957
1959
1961
1963
1965
1967
1969
1971
1973
1975
1977
1979
1981
1983
1985
1987
1989
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
Deutschland Gesamt Deutschland Ost Deutschland West

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 18

Quelle: Statistisches Bundesamt


2.1 Fertilität
Fertilität und Erwerbspersonenpotenzial (Arbeitskräfteangebot)

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 19

Quelle: IAB Kurzbericht, 06/2017, S. 3


2.1 Fertilität
Fertilität und Erwerbspersonenpotenzial (Arbeitskräfteangebot)

Erwerbspersonenpotenzial =
Erwerbstätige + Arbeitslose + Stille Reserve

Mögliche langfristige Folgen:


▪ Fachkräfteengpässe (Arbeitgeberseite)
▪ Abnahme Wettbewerb (Arbeitnehmerseite)
▪ Zunahme Wettbewerb (Arbeitgeberseite)

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 20

Quelle: IAB Kurzbericht, 06/2017, S. 3


2.2 Migration
Migration in (West-)Deutschland, 1950 bis 2015
2.700.000

2.200.000

1.700.000

1.200.000

700.000

200.000

-300.000

2015
1950
1952
1954
1956
1958
1960
1962
1964
1966
1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
1986
1988
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
Saldo Zuzüge Fortzüge
25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 21

Quelle: Statistisches Bundesamt


2.2 Migration
Migration in (West-)Deutschland, 1950 bis 2015
2.700.000

2.200.000
Migration nach 2015:
www.destatis.de
1.700.000

1.200.000

700.000

200.000

-300.000

2015
1950
1952
1954
1956
1958
1960
1962
1964
1966
1968
1970
1972
1974
1976
1978
1980
1982
1984
1986
1988
1990
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
Saldo Zuzüge Fortzüge
25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 22

Quelle: Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Wanderu


2.2 Migration
Ethnizität – Messkonzepte

▪ Staatsangehörigkeit (Nationalität)
o Inländer
o Ausländer

▪ Migrationshintergrund (Generationenkonzept)
o 1. Generation (eigene Migrationserfahrung)
o 2. Generation (Eltern sind zugewandert)
o 3. Generation (Großeltern sind zugewandert)

Chancen und Herausforderungen der Arbeitsmarktteilhabe


von Personen mit Migrationshintergrund!
25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 23
2.3 Mortalität und Normallebenslauf
Lebenserwartung in Deutschland, 1871/81 bis 2009/11
Alter in Jahren
90 83
79 78
80 74 72
68 67
70 65
59
60 56
48
50 45
38 36
40
30
20
10
0
1871/81 1901/10 1924/26 1949/51 1970/72 1991/93 2009/11
Frauen Männer
Quelle: Statistisches Bundesamt, Sterbefälle. Durchschnittliche weitere Lebenserwartung ab 0 Jahren.
Anmerkung: ab 1991/93 Gesamtdeutschland. Vorher früheres Bundesgebiet.

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 24


2.3 Mortalität und Normallebenslauf
Sterbetafeln für Deutschland, verschiedene Geburtsjahrgänge

1871/81:
Hohe Sterblichkeit im ersten Lebensjahr, frühe
Kindheit. Auch nach Kindheit noch durchgängig
hohe Risiken des Todes über den Lebenslauf
→ Tod konnte jederzeit eintreten

Nachfolgende Geburtsjahrgänge:
Kurve biegt sich nach oben

Aktuelle Situation:
Tod ist aus frühem und mittlerem
Erwachsenenalter fast
vollständig verschwunden
→ Konzentration der Todesfälle auf
das höhere Alter → Lebenslauf ist
vorhersehbar geworden

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 25

Quelle: Marc Luy. www.lebenserwartung.info


2.3 Mortalität und Normallebenslauf
Sterbetafeln für Deutschland, verschiedene Geburtsjahrgänge

1871/81:
Hohe Sterblichkeit im ersten Lebensjahr, frühe
Kindheit. Auch nach Kindheit noch durchgängig
hohe Risiken des Todes über den Lebenslauf
→ Tod konnte jederzeit eintreten

Nachfolgende Geburtsjahrgänge:
Kurve biegt sich nach oben

Aktuelle Situation:
Tod ist aus frühem und mittlerem
Erwachsenenalter fast
vollständig verschwunden
→ Konzentration der Todesfälle auf
das höhere Alter → Lebenslauf ist
vorhersehbar geworden

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 26

Quelle: Marc Luy. www.lebenserwartung.info


2.3 Mortalität und Normallebenslauf
Der Normallebenslauf… Was heißt eigentlich Lebenslauf?

Lebenslauf als Perspektive auf individuelles Leben …


… von der Geburt bis zum Tod.

Alter

0 80

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 27


2.3 Mortalität und Normallebenslauf
Grundidee hinter der Institutionalisierung des Lebenslaufs (Kohli)
„Zweifellos ist der Alternsprozess und die Begrenzung der
Lebenszeit des Menschen eine universale soziale Tatsache,
oder genauer: ein universales Problem, für das in allen
Gesellschaften strukturelle Lösungen gefunden werden
müssen.“ (Kohli, 1998, S. 2, Hervorhebung C.E.)

„Lebenslauf kann (…) als eine soziale Institution


konzeptualisiert werden…“ (Kohli, 1998, S. 1)

Alter

0 80

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 28


2.3 Mortalität und Normallebenslauf
Der „Normallebenslauf“
▪ Ablauf der Lebenszeit als neue Perspektive (Verzeitlichung)
▪ Lebensalter als strukturierende Dimension (Chronologisierung)
▪ „Normallebenslauf“ ist um das Erwerbssystem herum organisiert
▪ Schulsystem und Alterssicherungssystem an Lebensalter orientiert
(Schulpflicht bzw. gesetzliches Rentenalter)
→ verbindliche Altersgrenzen
▪ Dreiteilung in Vorbereitungs-, Aktivitäts- und Ruhephase
(Kindheit/Jugend, „aktives“ Erwachsenenleben, Alter)

Alter

0 18 65/67 80
25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 29
Bildquelle: www.flaticon.com
2.3 Mortalität und Normallebenslauf
Der „Normallebenslauf“
▪ Ablauf der Lebenszeit als neue Perspektive (Verzeitlichung)
▪ Lebensalter als strukturierende Dimension (Chronologisierung)
▪ „Normallebenslauf“ ist um das Erwerbssystem herum organisiert
▪ Schulsystem und Alterssicherungssystem an Lebensalter orientiert
(Schulpflicht bzw. gesetzliches Rentenalter)
→ verbindliche Altersgrenzen
▪ Dreiteilung in Vorbereitungs-, Aktivitäts- und Ruhephase
(Kindheit/Jugend, „aktives“ Erwachsenenleben, Alter)

Rente
Erwerbsarbeit Erwerbsarbeit

Alter

0 18 65/67 80
25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 30
Bilderquellen: Trage, Buch: www.flaticon.com
Ortsschild: www.pixabay.com
2.3 Mortalität und Normallebenslauf
Der „Normallebenslauf“

Wie realistisch ist der „Normallebenslauf“?

Rente
Erwerbsarbeit Erwerbsarbeit

Alter

0 18 65/67 80
25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 31
Bilderquellen: Trage, Buch: www.flaticon.com
Ortsschild: www.pixabay.com
2.4 Überblick
Demografie und Erwerbsarbeit – vielfältige Zusammenhänge
▪ Fertilität/ Abnahme der Bevölkerung
o Fachkräfteengpässe/ Fachkräftemangel (Arbeitgeberseite)
o Konkurrenz nimmt ab (Arbeitnehmerseite), Konkurrenz nimmt zu
(Arbeitgeberseite)?
▪ Migration
o Dringend benötigte Fachkräfte
o Herausforderung der Arbeitsmarktintegration versch. Gruppen
▪ Mortalität/ Alterung
o Erhöhung des Lebensalters → Normallebenslauf
o Weiterbildungsbedarfe älterer Erwerbstätiger
o Rentensystem, Gesundheitssystem (Finanzierung)
▪ Bevölkerungsgröße bestimmt über Spezialisierung von Erwerbsarbeit und
Arbeitsteilung
25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 32

… und vieles mehr!


Fragen zur Wiederholung
▪ Was ist Demografie?
▪ Welche drei Faktoren sind für den demografischen Wandel insbesondere prägend
(Bestimmungsfaktoren)?
▪ Wie hat sich die Bevölkerung in Europa über die Jahrhunderte entwickelt? Was
besagt das „Gesetz“ des demografischen Übergangs?
▪ Warum kommt es laut Projektionen des IAB langfristig zu einem Rückgang des
Erwerbspersonenpotenzials? Welche Konsequenzen kann dieser Rückgang des
Erwerbspersonenpotenzials haben?
▪ Wie lässt sich Ethnizität messen?
▪ Zum „Normallebenslauf“ (Martin Kohli):
o Was bedeutet „Verzeitlichung“ und was „Chronologisierung“?
o In welche drei Phasen ist der Normallebenslauf unterteilt?

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 33


Ausblick
Block 2: Demografie, Postmoderne und Wertewandel

Quelle: Hurrelmann, 2014, S. 17

Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen (Sitzung 6)


Mittwoch, 02.12.2020, 13.15-14.45 Uhr

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 34


Vielen Dank für Ihr Interesse!

25. November 2020 | Christian Ebner | Sitzung 5 | Seite 35


Platzhalter für Bild, Bild auf Titelfolie hinter das Logo einsetzen

Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 6: Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Block 2: Demografie, Postmoderne, Wertewandel

Sitzung Datum Thema


1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2019 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 2


Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Arbeitsorientierungen aus historischer Perspektive


2. Das Generationenkonzept
3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 3


Quelle Bild: Diercke.de
Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Volti, Rudi (2008): An introduction to the sociology of work and


occupations. Los Angeles: Pine Forge Press. S. 14-16.
▪ Mannheim, Karl (1928): Das Problem der Generationen (S. 38-53).
In: Kohli, Martin (Hrsg.; 1978): Soziologie des Lebenslaufs. Darmstadt
und Neuwied: Luchterhand.
▪ Berger, Johannes (1996): Was behauptet die Modernisierungstheorie
wirklich – und was wird ihr bloß unterstellt? In: Leviathan, 24(1)
(S. 45-63).
▪ Inglehart, Ronald (1998). Modernisierung und Postmodernisierung.
Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Wandel in
43 Gesellschaften (S. 11-15; 45-77). Frankfurt a.M./New York.

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 4


1. Arbeitsorientierungen in
historischer Perspektive

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 5


Bildquelle: www.pixabay.com
1. Arbeitsorientierungen in historischer Perspektive
Einstellungen zu Erwerbsarbeit im Wandel der Zeit

▪ Antike: Erwerbsarbeit als etwas, das es zu vermeiden galt.


Assoziation zwischen Arbeit und Sklaverei

▪ Christentum und Neues Testament: Arbeit als Fluch und Segen


o Arbeit als gottgewollt („Ora et labora“) vs.
o Arbeit als Buße für menschliche Sündhaftigkeit („Im Schweiße deines
Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde
werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu
Erde werden.“ 1. Mose 3)

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 6


Bilderquelle: www.pixabay.com
1. Arbeitsorientierungen in historischer Perspektive
Einstellungen zu Erwerbsarbeit im Wandel der Zeit

▪ „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ (Weber)


o Protestantismus als idealistischer Vorbote des Kapitalismus
o Protestantismus, insbesondere Calvinismus: Vorherbestimmung als zentrales
Element des Glaubens (Himmel/ Hölle)
o Materieller Erfolg auf Erden → Schicksal der Menschen nach dem Tod →
Glorifizierung von Wohlstand
o Protestantisches Arbeitsethos: Harte Arbeit (bedeutet Gott zu dienen); keine
„Verschwendung“ von Zeit; Investition des Ersparten, um noch wohlhabender
zu werden, Sparsamkeit; asketischer Lebensstil.
o Dagegen traditionelles Christentum: Wohlstand auch negativ konnotiert („Es
ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins
Reich Gottes komme.“ Markus 10)

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 7


2. Das Generationenkonzept

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 8


2. Generationen als „Träger“ von Arbeitsorientierungen
Demografische Differenzierungen und biologische Reproduktion

Aus der biologischen Reproduktion des Menschen ergeben


sich auf „natürliche“ Weise grundlegende Differenzierungen
der Bevölkerung – nach Geschlecht, Alter und Generation

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 9


2. Generationen als „Träger“ von Arbeitsorientierungen
Geschlecht und Alter

Die Alterspyramide zeigt die


Verteilung der Bevölkerung auf
Altersgruppen zu einem bestimmten
Zeitpunkt getrennt nach Geschlecht.

Bevölkerung in Deutschland, 1910 (in Tausend)

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 10


2. Generationen als „Träger“ von Arbeitsorientierungen
Geschlecht und Alter

Die Alterspyramide zeigt die


Verteilung der Bevölkerung auf
Altersgruppen zu einem bestimmten
Zeitpunkt getrennt nach Geschlecht.

Bevölkerung in Deutschland, 1960 (in Tausend)

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 11


2. Generationen als „Träger“ von Arbeitsorientierungen
Geschlecht und Alter

Die Alterspyramide zeigt die


Verteilung der Bevölkerung auf
Altersgruppen zu einem bestimmten
Zeitpunkt getrennt nach Geschlecht.

Alterung und Schrumpfung


der Bevölkerung

Bevölkerung in Deutschland, 2012 (in Tausend)

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 12


2. Generationen als „Träger“ von Arbeitsorientierungen
Drei Perspektiven auf Zeit – Alter, Periode und Kohorte

▪ Alter (chronologisches Lebensalter). Soziologische Relevanz /


individuelle Handlungsspielräume:
o Institutionalisierte Altersgrenzen (Heirat, Alkohol, Rente)
o Körperliche und geistige Möglichkeiten (Zeugungsfähigkeit, physische
u. geistige Leistungsfähigkeit,…) → hohe Varianz!
o „Restlebenszeit“ entscheidet über Planungen

▪ Periode (Kalenderzeit): Bedingungen der aktuellen Situation


▪ Kohorte: Teilpopulation der Bevölkerung, die bestimmte
Ereignisse erlebt hat.
o v.a. Geburtskohorte (Kohorten mit Gemeinsamkeit d. gleichen
Geburtsjahres)
o (andere Typen von Kohorten: z.B. Heiratskohorten,
Schulabgangskohorten etc.)
02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 13
2. Generationen als „Träger“ von Arbeitsorientierungen
Was ist eine „Generation“ nach Karl Mannheim (1928)?

„Der Generationszusammenhang bedeutet also zunächst nach


der bisherigen Beschreibung nicht mehr als eine besondere
Art der gleichen Lagerung verwandter „Jahrgänge“ im
historisch-sozialen Raume.“ (S. 42)

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 14


2. Generationen als „Träger“ von Arbeitsorientierungen
Zum Begriff der Lagerung (S. 41-42)

„Eine jede Lagerung schaltet also primär eine große Zahl der möglichen Arten und
Weisen des Erlebens, Denkens, Fühlens und Handelns überhaupt aus und
beschränkt den Spielraum des sich Auswirkens der Individualität auf bestimmte
umgrenzte Möglichkeiten.“

„Aber mit dieser Fixierung der negativen Beschränkung ist noch nicht alles erfasst.
Es inhäriert einer jeden Lagerung im positiven Sinne eine Tendenz auf bestimmte
Verhaltungs-, Gefühls- und Denkweisen, die aus dem eigenen Schwergewicht der
Lagerung heraus vom Soziologen aus verstehend erfaßbar ist. Wir wollen also in
diesem Sinne, von einer, einer jeden Lagerung inhärierenden Tendenz sprechen,
die aus der Eigenart der Lagerung selbst bestimmbar ist.“

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 15


2. Generationen als „Träger“ von Arbeitsorientierungen

Generationen – Beispiel Generation Y

Quelle: Hurrelmann, 2014, S. 17

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 16

16
3. Generationen, Wertewandel
und Arbeitsorientierungen

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 17


3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen
Ronald Inglehart – Zur Person

▪ *1934
▪ Geburtsort: Milwaukee (USA)
▪ Wichtige Themen u.a.:
o Modernisierungstheorie
o Wertewandel
o Wertestudien (z.B. WVS; Euro-Barometer)
▪ Hauptwerk(e):
o The Silent Revolution
o Modernisierung und Postmodernisierung

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 18


3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen
Postmodernisierung – Zweifacher Wandel
▪ Modernisierung als Komplex miteinander zusammenhängender
sozialer Veränderungen, wie: Industrialisierung, Arbeitsteilung und
Massenproduktion, Urbanisierung, Bürokratisierung, Demokratisierung etc.

▪ Übergang zur Postmoderne/ Postmodernisierung:


Entwickelte Industriegesellschaften verändern soziopolitische
Strukturen in zwei Beziehungen:
o Sozioökonomische Struktur („Institutionelle Struktur“)
o Wertsysteme

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 19

19
3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen
Institutioneller Wandel und Wertewandel
▪ Ausgangslage seit dem Zweiten Weltkrieg:
o Zunehmendes Wirtschaftswachstum
o Expansion des Wohlfahrtsstaates
o Expansion des Dienstleistungssektors
o Zunahme hochqualifizierter Tätigkeiten

▪ Veränderte Wertestruktur:
o Werte definieren, was für eine Gesellschaft wichtig, lohnend und
erstrebenswert ist (Milton Rokeach)
o Postmodernisierung als „alles durchdringender Wandel der
Weltanschauungen“ (Inglehart 1998, S. 14)

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 20


3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen
Ingleharts Kernthese
▪ Verschiebung von „materialistischen“ Werten hin zu
„postmaterialistischen“ Werten!
▪ Materialistische Werte
o Ökonomische Sicherheit
o Physische Sicherheit

▪ Postmaterialistische Werte
o Individuelle Selbstverwirklichung
o Lebensqualität

Warum ist es zu dieser Werteverschiebung gekommen?

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 21


3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen
Frage: Wie kann es zu einer solchen Werteverschiebung kommen?

▪ Theorie des intergenerationellen Wertewandels


→ Zwei Schlüsselhypothesen:
o Die Mangelhypothese: Die Prioritäten eines Individuums reflektieren die
sozioökonomische Umwelt. Den höchsten subjektiven Wert haben solche
Dinge, die relativ knapp sind.
o Die Sozialisationshypothese: Die Entwicklungsjahre (Jugend) prägen die
Wertvorstellungen des Menschen besonders stark
→ Fundamentaler Wandel vollzieht sich vor allem dann, wenn
die nachkommende Generation die vorherige in der Gesellschaft ablöst
→ Wertewandel im „Generationensprung“

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 22


Bildquelle: www.pxaybay.com
3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen
Frage: Wie kann es zu einer solchen Werteverschiebung kommen?

Ökonomischer Wohlstand
Wohlfahrtsstaatliche Absicherung Wertewandel
Gesellschaft
(Makroebene)

Mangelhypothese
Sozialisationshypothese
Individuum
(Mikroebene)
Sichere Existenz/ Postmaterialistische
Gefühl von (finanzieller) Sicherheit Wertorientierung

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 23


3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen
Sicherheit und Unsicherheit: zwei entgegengesetzte Wertsysteme

Unsicherheit Sicherheit
1. Politik Bedürfnis nach starken Führern Geringere Wertschätzung politischer
Autorität; Parteienpluralismus
Fremdenfeindlichkeit/ Exotisches bzw. Neues ist anregend/
Fundamentalismus Umweltschutz
2. Normen zu Maximierung der Reproduktion nur individuelle sexuelle
Sexualität/ in der heterosexuellen Familie mit Selbstverwirklichung, steigende Toleranz
zwei Elternteilen gegenüber Homosexualität
Familie

3. Religion Wertschätzung höherer Macht nachlassende religiöse Autorität


Absolute Normen flexible Normen
Berechenbarkeit situationsabhängige Ethik
Betonung v. Sinn und Zweck des Lebens

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 24


3. Generationen, Wertewandel und Arbeitsorientierungen
Sicherheit und Unsicherheit: Konsequenzen für
Arbeitsorientierungen und ökonomische Prioritäten

▪ Unsichere Gesellschaften
o Priorität auf Wirtschaftswachstum
o Leistungsmotivation
o Materialistische Arbeitsorientierung (Geld, Aufstieg)

▪ Sichere Gesellschaften
o Lebensqualität hat höhere Priorität als Wirtschaftswachstum
o Postmaterialistische Arbeitsorientierung (interessanter Job, flexible
Arbeitszeit, gesellschaftlich wichtige Arbeit)

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 25


Fragen zur Wiederholung
▪ Welche Einstellungen zu Erwerbsarbeit herrschten in der Antike und im
nachfolgenden Christentum vor?
▪ Inwiefern hat der Protestantismus den Übergang zum Kapitalismus befördert? Was
kennzeichnet das protestantische Arbeitsethos?
▪ Was bedeuten die drei unterschiedlichen Perspektiven auf Zeit: Alter, Periode und
Kohorte?
▪ Was ist eine „Generation“ nach Karl Mannheim und was bedeutet in diesem
Zusammenhang „Lagerung“?
▪ Was versteht man unter dem „Übergang zur Postmoderne“?
▪ Was sind materialistische und postmaterialistische Werte?
▪ Was besagt die Theorie des intergenerationellen Wertewandels?

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 26


Ausblick

„OPEN SESSION“, Mittwoch 09.12.2020; Onlinevideo

Fragen bis spätestens 04. Dez. 2020 an:


c.ebner@tu-braunschweig.de

Betreff: Frage Vorlesung, Sitzung X

Inhalt
▪ Informationen zur Klausur
▪ Beantwortung der eingegangenen Fragen

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 27


Vielen Dank für Ihr Interesse!

02. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 6 | Seite 28


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Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 8: Beschäftigungsverhältnisse im Wandel

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Sitzung Datum Thema
Block 3: Ungleichheit und Arbeit im Wandel

1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,


Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2020 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 2


Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Vom Normalarbeitsverhältnis zu
„atypischer“ Erwerbsarbeit
2. Der Niedriglohnsektor
3. Prekarität in Deutschland

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 3


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Mückenberger, Ulrich (1985): Die Krise des


Normalarbeitsverhältnisses. In: Zeitschrift für Sozialreform, 31(7),
S. 415-434.
▪ Günther, Lisa; Katharina Marder-Puch (2019): Selbständigkeit.
Statistisches Bundesamt
▪ Grabka, Markus; Schröder, Carsten (2019): Der Niedriglohnsektor in
Deutschland ist größer als bislang angenommen. In DIW-
Wochenbericht, 14, S. 250-256
▪ Allmendinger et al. (2018): Prekäre Beschäftigung und unsichere
Haushaltslagen im Lebensverlauf: Gibt es in Deutschland ein
verfestigtes Prekariat? In: WSI Mitteilungen, 71 (4), S. 259-269.

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 4


1. Vom Normalarbeitsverhältnis
zu „atypischer“ Erwerbstätigkeit

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 5


1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Atypische Erwerbstätigkeit vs. „Normalarbeit“
Das Normalarbeitsverhältnis in Anlehnung an Ulrich Mückenberger
(1985) ist durch mindestens drei Merkmale gekennzeichnet:
▪ Erwerbstätigkeit in Vollzeit (Arbeitszeit)
▪ abhängige Beschäftigung (Arbeit für einen Betrieb)
▪ Dauerhaftigkeit (unbefristeter Arbeitsvertrag)

Zwei Interpretationen von „normal“:


▪ normativ (= wünschenswert)
▪ typisch (= tritt mehrheitlich auf)

Atypische Erwerbstätigkeit als „Abweichung“ vom Normalarbeitsverhältnis

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 6

6
1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Erwerbstätigkeit in Deutschland, 1996-2011, 15-64 Jahre

Normalarbeitsverhältnis

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 7

Quelle: Allmendinger / Hipp / Stuth (2013), S. 32. 7


https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2013/p13-003.pdf
1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Normalarbeit, atypische Beschäftigung, Selbständigkeit, 2018/1991

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 8

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, S. 357


1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Normalarbeit, atypische Beschäftigung, Selbständigkeit, 2018/1991

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 9

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, S. 357


1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Exkurs: Minijobs

▪ Geringfügiges Beschäftigungsverhältnis: Monatliches Arbeitsentgelt


von 450 Euro darf nicht überschritten werden („450-Euro-Job“)

▪ Minijobber*innen zahlen keine Beiträge für die Kranken-,


Arbeitslosen- oder Pflegeversicherung → kein Leistungsanspruch
▪ Aber: Pflichtversichert in Rentenversicherung (Befreiungsmöglichkeit)
▪ Mehrere Minijobs möglich
o Insgesamt nicht mehr als 450 Euro
o Versicherungspflichtig Beschäftigte: nur ein Minijob
▪ Rechtsgrundlage: SGB IV

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 10

Quelle: https://www.arbeitsagentur.de/lexikon/minijob
1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Normalarbeit, atypische Beschäftigung, Selbständigkeit, 2018/1991

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 11

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, S. 357


1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Selbständigkeit – Wer zählt als selbständig?

„Personen, die einen Betrieb oder eine Arbeitsstätte gewerblicher


oder landwirtschaftlicher Art wirtschaftlich und organisatorisch als
Eigentümerinnen und Eigentümer oder Pächterinnen und Pächter
leiten (einschließlich selbstständiger Handwerkerinnen und
Handwerker) …
… sowie alle freiberuflich Tätigen, Hausgewerbetreibenden und
Zwischenmeisterinnen und Zwischenmeister.

Zu den Selbstständigen zählen auch von den Arbeitsagenturen


geförderte Selbstständige, z.B. Empfängerinnen und Empfänger von
Einstiegsgeld und Gründungszuschuss.“

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 12

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, S. 383


1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Selbständigkeit – Selbständigenanteil an Erwerbstätigen

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 13

Quelle: BMAS 2018


1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Selbständigkeit – Motive für Existenzgründung

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 14

Quelle: Günther/ Marder-Puch (2019)


1. Normalarbeit und atypische Erwerbsarbeit
Selbständigkeit – Schwierigkeiten für Selbständige

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 15

Quelle: Günther/ Marder-Puch (2019)


2. Der Niedriglohnsektor

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 16


2. Der Niedriglohnsektor
Veränderung des Bruttostundenlohns von Arbeitnehmern, 1995-2017

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 17

Quelle: Grabka / Schröder (2019)


2. Der Niedriglohnsektor
Niedriglohnbeschäftigung, 1995-2017

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 18

Quelle: Grabka / Schröder (2019)


2. Der Niedriglohnsektor
Niedriglohnbeschäftigung, 1995-2017
▪ Niedriglohn = Bruttostundenlohn geringer als 2/3 des Medians

▪ Rund 9 Mio. Niedriglohnbeschäftigungsverhältnisse (rd. 25%)

▪ Einer der größten Niedriglohnsektoren in Europa

▪ Allgemeiner Mindestlohn unter Niedriglohnschwelle →


kein Sinken des Niedriglohnsegments, aber Lohnanstieg
innerhalb des Segments

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 19

Quelle: Grabka / Schröder (2019)


2. Der Niedriglohnsektor
Exkurs: Mindestlohn
Ausnahmen zum Mindestlohn

• Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung,


• Auszubildende,
• Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung nach
Beendigung der Arbeitslosigkeit,
• Praktikanten, wenn das Praktikum verpflichtend im Rahmen einer
schulischen oder hochschulischen Ausbildung stattfindet,
• Praktikanten, wenn das Praktikum freiwillig bis zu einer Dauer
von drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder
Aufnahme eines Studiums dient,
• Jugendliche, die an einer Einstiegsqualifizierung als Vorbereitung zu
einer Berufsausbildung oder an einer anderen Berufsbildungsvorbereitung nach
dem Berufsbildungsgesetz teilnehmen,
• ehrenamtlich Tätige und Selbständige

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 20


Quelle: DGB
https://www.dgb.de/schwerpunkt/mindestlohn/mindestlohn-
2019-was-aendert-sich-in-2019
3. Prekarität in Deutschland

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 21


3. Prekarität in Deutschland
Prekarität – Begriffsbestimmung

▪ Die Idee der Prekarität (précarité) stammt aus der französischen


Soziologie (Robert Castel; Pierre Bourdieu)

▪ Prekarität beschreibt Unsicherheiten und Risiken in Bezug auf


Lebenslagen und Erwerbstätigkeit

▪ Prekarität als Zone zwischen Inklusion (Normalarbeitsverhältnisse


mit Sozialversicherungsansprüchen) und Exklusion (verfestigte
Arbeitslosigkeit und Armut)

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 22


3. Prekarität in Deutschland

Offene Fragen
o Wie ist das Verhältnis zwischen der (prekären) Beschäftigung
von Personen und prekärer Lebenslage der Haushalte, und

o handelt es sich beim Prekariat um eine zeitlich stabile soziale


Gruppe, deren Mitglieder langanhaltend oder dauerhaft
einer erhöht riskanten sozialen Lage ausgesetzt sind?

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 23


3. Prekarität in Deutschland
Studiendesign (Allmendinger et al. 2018)
▪ Dimensionen risikohafter Beschäftigung: niedriges Einkommen,
mangelnde soziale Absicherung, Arbeitsplatzunsicherheit

▪ Dimensionen risikohafter Haushaltslagen: schlechte


Wohnbedingungen, unzureichende finanzielle Situation, besondere
Belastungen, fehlende rechtliche Absicherung.

▪ Zeitfenster (1993-2002 und 2003-2012)

▪ 9841 Personen mit 98 410 Personenjahren

▪ Methode: Sequenzmusteranalyse und Clusterung von Personen mit


ähnlicher Erwerbslage und Haushaltslage
16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 24
3. Prekarität in Deutschland
Dauer prekärer Beschäftigungen und prekärer Haushaltslagen

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 25


Quelle: Allmendinger et al. 2018, S. 265
3. Prekarität in Deutschland
Dauer prekärer Beschäftigungen und prekärer Haushaltslagen

Zone relativer Sicherheit


(Quadrant 1)
▪ Umfasst 62% aller Personen
▪ Prekäre Beschäftigung:
Durchschnittl. Dauer: 1 Jahr
▪ Prekärer Haushalt:
Durchschittl. Dauer: 1,7 Jahre

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 26


Quelle: Allmendinger et al. 2018, S. 265
3. Prekarität in Deutschland
Dauer prekärer Beschäftigungen und prekärer Haushaltslagen

Zone gefährdeter Sicherheit


(Quadrant 2)
▪ Umfasst 12% aller Personen
▪ Lange prekäre Beschäftigung:
Durchschnittl. Dauer: >6 Jahre
▪ Prekärer Haushalt:
Durchschnittl. Dauer: 2 Jahre
▪ Häufigste Formen prekärer
Beschäftigung: Einfache,
körperlich schwere Arbeit,
hohes Arbeitslosigkeitsrisiko,
Niedriglohn

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 27


Quelle: Allmendinger et al. 2018, S. 265
3. Prekarität in Deutschland
Dauer prekärer Beschäftigungen und prekärer Haushaltslagen

Zone gefährdeter Sicherheit


(Quadrant 3)
▪ Umfasst 14% aller Personen
▪ Prekäre Beschäftigung:
Durchschnittl. Dauer: 2 Jahre
▪ Langer prekärer Haushalt:
Durchschnittl. Dauer: 6,5 J.
▪ Häufigste Formen prekärer
Haushalte: Fehlende
Ersparnisse; unzureichende
Absicherung,
Armutsgefährdung

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 28


Quelle: Allmendinger et al. 2018, S. 265
3. Prekarität in Deutschland
Dauer prekärer Beschäftigungen und prekärer Haushaltslagen

Zone anhaltender Prekarität


(Quadrant 4)
▪ Umfasst 12% aller Personen
▪ Lange prekäre Beschäftigung:
Durchschnittl. Dauer: 6 Jahre
▪ Langer prekärer Haushalt:
Durchschnittl. Dauer: 7,5 J.
▪ Häufigste prekäre Arbeit:
einfache, körperlich schwere Arbeit,
Niedriglohn, Arbeitslosigkeitsrisiko …
▪ Häufigste Formen prekärer
Haushalte: Fehlende Ersparnisse;
beengte Wohnverhältnisse, …

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 29


Quelle: Allmendinger et al. 2018, S. 265
Fragen zur Wiederholung
▪ Zum Normalarbeitsverhältnis in Anlehnung an Ulrich Mückenberger:
o Durch welche drei Merkmale ist das Normalarbeitsverhältnis mindestens
gekennzeichnet?
o Welche zwei Interpretationen von Normalität sind mit dem Normalarbeitsverhältnis
verbunden?

▪ Was kennzeichnet Mini-Jobs?


▪ Wer zählt alles als „selbständig“?
▪ Zu Niedriglohnbeschäftigung
o Wie berechnet man typischerweise die Niedriglohnschwelle?
o Warum hat die Einführung des Mindestlohns nicht zu einem Sinken des
Niedriglohnsegmentes geführt?
o Welche Ausnahmen gibt es aktuell (2019) beim Mindestlohn?

▪ Zu Prekarität
o Was ist Prekarität?
o Welche drei Zonen von Prekarität unterscheidet Allmendinger et al. 2019?

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 30


Ausblick
Block 3: Arbeit und Ungleichheit im Wandel

Arbeit und Geschlecht (Sitzung 9)


Mittwoch, 13.01.2021, ab 13.15 Uhr Video unter Stud.IP

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 31


Schöne Feiertage!!!

16. Dezember 2020 | Christian Ebner | Sitzung 8 | Seite 32


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Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 9: Arbeit und Geschlecht

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Sitzung Datum Thema
Block 3: Ungleichheit und Arbeit im Wandel

1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,


Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2020 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 2


Zum Einstieg …
Abiturientenquoten von Jungen u. Mädchen in Deutschland seit 1965

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 3


Quelle: Helbig, 2010, S. 670 3
Zum Einstieg …
Abiturientenquoten von Jungen u. Mädchen in Deutschland seit 1965

Welche Chancen haben Männer und Frauen


im System der Erwerbsarbeit?

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 4


Quelle: Helbig, 2010, S. 670 4
Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Beschäftigung von Frauen und Männern im Wandel


1.1 Rechtliche Regelungen zur Erwerbsarbeit von Frauen
1.2 Erwerbstätigenquoten und Normalarbeit

2. Unterschiede im Status von Frauen und Männern


im Erwerbssystem
2.1 Der Gender Pay Gap
2.2 Berufliche Geschlechtersegregation

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 5


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Allmendinger, Jutta; Leuze, Kathrin; Blanck, Jonna (2008): 50 Jahre


Geschlechtergerechtigkeit und Arbeitsmarkt. In: APuZ 24-25. S. 18-25.

▪ England, Paula; Folbre, Nancy (2005): Gender and Economic Sociology.


In: Neil Smelser and Richard Swedberg (eds.): The Handbook of
Economic Sociology. 2nd Edition. Russel Sage Foundation. S. 627-649.

▪ Hausmann, Ann-Christin; Kleinert, Corinna (2014): Berufliche


Segregation auf dem Arbeitsmarkt: Männer- und Frauendomänen
kaum verändert. In: IAB-Kurzbericht, No. 9/2014.

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 6


1. Beschäftigung von Frauen
und Männern im Wandel

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 7


1.1 Rechtliche Regelungen im Wandel
Rechtliche Entwicklungen nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland
Zentrale Gesetze / Vereinbarungen 1949 – 1980 (Auswahl)

▪ 1949: Grundgesetz Artikel 3 → "Männer und Frauen sind gleichberechtigt“


Dennoch: Erwerbstätigkeit von Ehefrauen nur mit Zustimmung des Ehemannes

▪ 1958: Gleichberechtigungsgesetz → Ehefrauen dürfen arbeiten, wenn


Hausfrauen-Tätigkeiten nicht zu kurz kommen („Hausfrauenehe“).

▪ 1977: Eherechtsreform → Hausfrauenehe wird als gesetzliches Leitbild


aufgegeben. Ehegatten regeln Haushaltsführung im gegenseitigen
Einvernehmen

▪ 1980: Bundesrepublik unterzeichnet UN-Konvention zur Unterbindung


jeglicher Diskriminierung gegen Frauen

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 8


1.1 Rechtliche Regelungen im Wandel
Rechtliche Entwicklungen nach der deutschen Wiedervereinigung
Zentrale Gesetze / Vereinbarungen 1990 – heute (Auswahl)

▪ 1992: Arbeitszeitgesetz → Erlaubnis von Nachtarbeit für Frauen

▪ Ab 2002: „Acquis Communautaire“ der EU → Acht Richtlinien zur


Geschlechtergerechtigkeit: gleiches Entgelt, gleicher Zugang zu Berufen und
Beförderungen

▪ 2006: Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU →


Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) („Antidiskriminierungsgesetz“)

▪ 2015: Frauenquote für Großbetriebe (Aufsichtsräte)

▪ 2021: Frauenquote für Großbetriebe (Vorstand)

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 9


1.2 Erwerbstätigenquoten und Normalarbeit
Angestelltensoziologie

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 10


1.2 Erwerbstätigenquoten und Normalarbeit
Frauen und Männer in „Normalarbeit“, 1996-2011, hier: gesamt

Normalarbeitsverhältnis

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 11

Quelle: Allmendinger / Hipp / Stuth (2013), S. 32. 11


https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2013/p13-003.pdf
1.2 Erwerbstätigenquoten und Normalarbeit
Frauen und Männer in „Normalarbeit“, 1996-2011, getrennt
Männer Frauen

Normalarbeitsverhältnis

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 12

Quelle: Allmendinger / Hipp / Stuth (2013), S. 32. 12


https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2013/p13-003.pdf
1.2 Erwerbstätigenquoten und Normalarbeit
Normalarbeit, atypische Beschäftigung, Selbständigkeit n. Geschlecht

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 13

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, S. 364


1.2 Erwerbstätigenquoten und Normalarbeit
Arlie Hochschild (1989/2012): „The Second Shift“

▪ Traditionelles “male breadwinner model”: Männer haben


bezahlten Job, Frauen arbeiten zu Hause
▪ Heute: Frauen gehen verstärkt bezahlter Arbeit nach,
übernehmen aber weiterhin den größten Teil der
Reproduktionsarbeit (Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege)
▪ Die “zweite Schicht” führt dazu, dass sich die Arbeitslast
insgesamt für Frauen erhöht hat

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 14


2. Unterschiede im Status von Frauen
und Männern im Erwerbssystem

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 15


2.1 Der Gender Pay Gap
Definition und Entwicklung des Gender Pay Gap
Der Gender Pay Gap beschreibt den geschlechtsspezifischen Verdienstunterschied
(Bruttostundenlohn) zwischen Frauen und Männern.

Entwicklung des Gender Pay Gap in Deutschland, 2006-2018


% 25
23 23 23 23
22 22 22 22 22
21 21 21 21
20

15

10

0
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 16
Quelle: Statistisches Bundesamt Online
2.1 Der Gender Pay Gap
Einige Erklärungen für den Gender Pay Gap (England 2005)

▪ Kultur (Werte, Normen, Rollenvorstellungen):


o Gesellschaftliche Vorstellungen darüber, welches Geschlecht für einen
bestimmten Beruf „passend“ und geeignet ist
(Primärsozialisation und Sekundärsozialisation)
o Vorstellungen bestehen bei Firmen, aber auch Arbeitsanbietern

▪ Netzwerke:
o Soziale Homophilie: Informelle Netzwerke bilden sich vermehrt auf
Grundlage ähnlicher Personeneigenschaften → geschlechtersegregierte
Netzwerke (schon in der Kindheit stark ausgeprägt)
o Zugang zu gut bezahlten Positionen erfolgt auch informell über
Netzwerke → Benachteiligung von Frauen
o Geschlechtersegregierte Netzwerke „ermuntern“ Männer und Frauen
typische Männer- und Frauenjobs zu übernehmen

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 17


2.1 Der Gender Pay Gap
Einige Erklärungen für den Gender Pay Gap (England 2005)

▪ Diskriminierung
o Frauen werden bei gleicher Leistung geringer entlohnt
o Crowding-Annahme → Frauen werden beim Zugang zu Männerberufen
diskriminiert → Überangebot beim Zugang zu Frauenberufen →
Überangebot senkt Löhne

▪ Arbeitsmarkterfahrung: Humankapitaltheorie: Kindererziehung führt


zu Erwerbsausfall → Verlust / keine weitere Akkumulation firmenspezifischen
Humankapitals → Produktivität und Löhne sinken

▪ “Compensating differentials”: “Entlohnung” besteht aus monetären und nicht-


monetären Komponenten (z.B. gute Arbeitszeiten, weniger “belastende” Erwerbsarbeit). Annahme:
Frauen haben größeres Interesse an nicht-monetären Aspekten der Erwerbsarbeit. Allerdings:
schwache bis keine empirische Evidenz

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 18


2.1 Der Gender Pay Gap
Einige Erklärungen für den Gender Wage Gap (England 2005)

▪ “Männerberufe” werden besser bezahlt als


“Frauenberufe”: Devaluations-These: Firmen zahlen geringere Löhne wenn Berufe vor
allem von Frauen ausgeübt werden. Sowohl Männer als auch Frauen verdienen weniger in einem
weiblichen Beruf. Mechanismen:
▪ Kulturell: Entscheidungsträger unterschätzen den Beitrag weiblicher Arbeit für die
Unternehmensziele.
▪ Institutionell: Sind Löhne erst einmal gesetzt, werden sie kaum mehr grundlegend verändert

Empirische Analyse der Geschlechtersegregation nach Beruf

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 19


2.2 Berufliche Geschlechtersegregation
Zusammensetzung verschiedener Berufe nach Geschlecht

▪ Erhebliche Variation in der Zuammensetzung (“Komposition”)


von Berufen nach sozio-demografischen Merkmalen
(z.B. Geschlecht, Nationalität, Bildung etc.)

▪ In Bezug auf Geschlecht häufig Unterscheidung zwischen


o Männerberufen (Frauenanteil unter 30%)
o Mischberufen/ integrierten Berufen (zwischen 30% und u. 70%)
o Frauenberufen (Frauenanteil 70% und mehr)

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 20


2.2 Berufliche Geschlechtersegregation
Frauenanteile in den 30 Berufen mit den meisten Beschäftigten
- Westdeutschland 1976 und 2010, in Prozent -

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 21

Quelle: Hausmann/ Kleinert 2014, S. 3


2.2 Berufliche Geschlechtersegregation
Frauenanteile in den 30 Berufen mit den meisten Beschäftigten
- Westdeutschland 1976 und 2010, in Prozent -

▪ „Frauendomänen“: Pflege, Erziehung, Reinigung, einfache Büro- und


Schreibtätigkeiten
▪ „Männerdomänen“: technische und verarbeitende Berufe
▪ Geschlechtergemischte Berufe: vor allem kaufmännische und
gastronomische Berufe
▪ Frauenanteile im Laufe der Jahre kaum verändert

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 22

Quelle: Hausmann/ Kleinert 2014, S. 3


2.2 Berufliche Geschlechtersegregation
Segregation

▪ Ein hohes Maß an Segregation liegt vor, wenn eine bestimmte


soziale Gruppe (z.B. Frauen, Akademiker, Migranten etc.) auf
bestimmte Segmente der Gesellschaft (z.B. Regionen, Berufe
etc.) stark konzentriert und in anderen unterrepräsentiert ist.
▪ Im Falle einer größeren Durchmischung ist Segregation niedrig.
Beispiel: Räumliche Segregation nach Langzeitarbeitslosigkeit, Berlin

Quelle: Sozialstrukturatlas Berlin 2013


13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 23
2.2 Berufliche Geschlechtersegregation
Berufliche Segregation nach Geschlecht

▪ Berufliche Geschlechtersegregation liegt vor, wenn Frauen bzw.


Männer auf bestimmte Berufe konzentriert sind und in anderen
stark unterrepräsentiert sind.
▪ Ausmaß der Segregation kann mithilfe statistischer Kennziffern
berechnet werden.
▪ Gebräuchlichste Maßzahl → Dissimilaritätsindex D:
Gibt den Anteil von Frauen und Männern an, die ihren Beruf wechseln
müssten, um in jedem Beruf eine ausgewogene Verteilung zu erhalten. Die
Verteilung ist ausgewogen, wenn der Anteil von Frauen und Männern in jedem
Beruf mit der Verteilung von Frauen und Männern unter allen Erwerbstätigen
korrespondiert.

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 24


2.2 Berufliche Geschlechtersegregation
Berufliche Segregation nach Geschlecht
Entwicklung der beruflichen Segregation* und des Frauenanteils, 1976-2010

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 25

Quelle: Hausmann/ Kleinert (2014), S. 5


Fragen zur Wiederholung
▪ Was bedeutet „male breadwinner model“?

▪ Was versteht man in Anlehnung an Arlie Hochschild unter der „zweiten


Schicht“?

▪ Was versteht man unter dem Gender Pay Gap?

▪ Wie lässt sich der Gender Pay Gap erklären?

▪ Wie werden in statistischen Analysen (z.B. Hausmann/ Kleinert 2014)


„Männerberufe“, „Mischberufe“ und „Frauenberufe“ identifiziert?

▪ Segregation
o Was ist Segregation?
o Was versteht man unter beruflicher Geschlechtersegregation?
o Was drückt der Dissimilaritätsindex d aus?

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 26


Ausblick
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Digitalisierung der Arbeitswelt (Sitzung 10)


Mittwoch, 20.01.2021, ab 13.15 Uhr Video unter Stud.IP

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 27


Bildquelle: www.pixabay.de
Vielen Dank für Ihr Interesse!

13. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 9 | Seite 28


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Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 10: Digitalisierung der Arbeitswelt

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Sitzung Datum Thema
1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2020 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 2


Sitzung Datum Thema
1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2020 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021
Fragen bisArbeit und Geschlecht
spätestens 07. Februar 2021 an:
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
c.ebner@tu-braunschweig.de
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 Betreff: Frage
03.02.2021 StressVorlesung, Sitzung X
in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 3


Sitzung Datum Thema
1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Klausurtag: Dienstag, 2. Veranstaltungsüberblick


März 2021; Prüfungsbeginn ist 14:45 Uhr.
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
Klausur im März ist als Präsenzklausur unter strengen
3 11.11.2020 (Abstand,
Hygienebedingungen Die Industriegesellschaft
Maske, Raumlüftung, Desinfektion etc.)
angesetzt… wir beobachten
4 18.11.2020 Diedas Infektionsgeschehen
postindustrielle Gesellschaftaber genau und
überlegen
5 im25.11.2020 auch einen möglichen
Hintergrund Demografischer Wandel und„Plan B“ →
Erwerbsarbeit
Check: Veranstaltung 13!
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 planen
ALLE, die 09.12.2020 Open Session
an der Klausur teilzunehmen, senden bitte eine Email an
8 16.12.2020
das Sekretariat Beschäftigungsverhältnisse
des Lehrstuhls: im Wandel
Stefanie Bremer-Miller; s.bremer-miller@tu-
braunschweig.de
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
Bitte schreiben Sie in die Email:
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
▪ Betreff: Teilnahme Klausur „Wandel der Arbeitswelt“, 2. März
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
▪ Vor- und Nachname, Matrikelnummer, Studiengang, Modul, in dem die
12 abgelegt
Prüfung 03.02.2021 Stress
werden sollin der Arbeitswelt
Danke!13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 4


Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Rückblick: Technologische Entwicklungen


2. Digitale Technologien in der Lebens- und
Arbeitswelt

3. Digitalisierung und Arbeitskräftesubstitution


3.1 Routine-Tätigkeiten und Nicht-Routinetätigkeiten
3.2 Skill-Biased Technological Change

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 5


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Popitz, Heinrich (1995): Der Aufbruch zur artifiziellen Gesellschaft. Zur


Anthropologie der Technik. Tübingen: Mohr.
▪ Carstensen, Tanja (2015): Neue Anforderungen und Belastungen durch
digitale und mobile Technologien. In: WSI Mitteilungen, Nr. 3
(S. 187-193).
▪ Autor, David; Frank Levy und Richard Murnane (2003): The skill
content of recent technological change. An empirical exploration. In:
The Quarterly Journal of Economics (S. 1279-1333).

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 6


1. Rückblick:
Technologische Entwicklungen

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 7


1. Rückblick: Technologische Entwicklungen
Technologische Revolutionen und fundamentale Technologien
„Technikgeschichte beginnt mit der Technologie des Werkzeugs“ (Heinrich Popitz)
→ 500.000 v. Chr.: dreiseitig bearbeitete Faustkeile aus Feuerstein

Erste technologische Zweite technologische Dritte technologische


Revolution: Revolution: Revolution:

▪ Agrikultur ▪ Maschine ▪ Kerntechnologien


(ca. ab 8000 v. Chr) (2. Hälfte 18. Jhdt.) (20. Jhdt.)

▪ Feuerbearbeitung ▪ Chemie
(ca. ab 6000 v. Chr) (1. Hälfte 19. Jhdt.) ▪ Mikroelektronik
(2. Hälfte 20. Jhdt.)
▪ Städtebau ▪ Elektrizität
(ab 3000 v. Chr.) (2. Hälfte 19. Jhdt.)

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 8


Bilderquellen: Erste/zweite techn. Revolution: pixabay.de
Dritte techn. Revolution: www.flaticon.com
1. Rückblick: Technologische Entwicklungen
Technologische Revolutionen und fundamentale Technologien
„Technikgeschichte beginnt mit der Technologie des Werkzeugs“ (Heinrich Popitz)
→ 500.000 v. Chr.: dreiseitig bearbeitete Faustkeile aus Feuerstein

Erste technologische Zweite technologische Dritte technologische


Revolution: Revolution: Revolution:

▪ Agrikultur ▪ Maschine ▪ Kerntechnologien


(ca. ab 8000 v. Chr) (2. Hälfte 18. Jhdt.) (20. Jhdt.)

▪ Feuerbearbeitung ▪ Chemie
(ca. ab 6000 v. Chr) (1. Hälfte 19. Jhdt.) ▪ Mikroelektronik
(2. Hälfte 20. Jhdt.)
▪ Städtebau ▪ Elektrizität
(ab 3000 v. Chr.) (2. Hälfte 19. Jhdt.)

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 9


Bilderquellen: Erste/zweite techn. Revolution: pixabay.de
Dritte techn. Revolution: www.flaticon.com
1. Rückblick: Technologische Entwicklungen
Technologische Revolutionen und fundamentale Technologien
„Technikgeschichte beginnt mit der Technologie des Werkzeugs“ (Heinrich Popitz)
Mikroelektronik als „Startpunkt“
→ 500.000 v. Chr.: dreiseitig bearbeitete der
Faustkeile aus Feuerstein

Digitalisierung!
Erste technologische Zweite technologische Dritte technologische
Revolution: Revolution: Revolution:
Digitalisierung als fundamentaler Bestandteil
▪ Agrikultur ▪ Maschine ▪ Kerntechnologien
unserer
(ca. ab 8000 v. Chr) Lebens- und
(2. HälfteArbeitswelt!
18. Jhdt.) (20. Jhdt.)

▪ Feuerbearbeitung ▪ Chemie
(ca. ab 6000 v. Chr) (1. Hälfte 19. Jhdt.) ▪ Mikroelektronik
(2. Hälfte 20. Jhdt.)
▪ Städtebau ▪ Elektrizität
(ab 3000 v. Chr.) (2. Hälfte 19. Jhdt.)

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 10


Bilderquellen: Erste/zweite techn. Revolution: pixabay.de
Dritte techn. Revolution: www.flaticon.com
2. Digitale Technologien in der
Lebens- und Arbeitswelt

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 11


2. Digitale Technologien in der Lebens- und Arbeitswelt
Computerisierung – Was sind Computer?
▪ Bestandteile von Computern
o Hardware: mechanische und elektronische Bauteile = physisch, „greifbar“
o Software: Programme zum Betreiben von Computern = immateriell

▪ Funktionsweise
o „Symbolische Verarbeitung“ (symbolische Prozessoren): speichern, 0100110
1010101
abrufen, handeln auf Grundlage abstrakter Informationen (binäre Zahlen, 1101010
früher Lochkarten)
o Programme: Gespeicherte Anweisungen, die eindeutig angeben, welche
Aktionen der Computer bei jeder Eventualität durchführen soll

▪ Typen von Programmen/ Software (ISO/IEC 2382)


o Systemsoftware und Unterstützungssoftware: z.B. z. B. Betriebssystem,
Gerätetreiber, Datenbankmanagementsysteme, Virenscanner etc.
o Anwendungen: schaffen unmittelbaren Nutzen
(z.B. Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationssoftware, Browser etc.)
20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 12
Bild: Commodore 64. Quelle: Wikipedia.
2. Digitale Technologien in der Lebens- und Arbeitswelt
Computerisierung – Einfluss auf die Lebenswelt

▪ Haushaltsführung: z.B. Waschmaschinen, Spülmaschinen, „smart home“

▪ Freizeitverhalten: modernere Fernseher, Spielekonsolen/Gaming

▪ Information und Orientierung: z.B. (unternehmensinterne) Wikis,


Online-Kurse, Wetter Apps, Navigationssysteme

▪ Konsum: z.B. Online-Kaufhäuser, Online-Empfehlungen

▪ Vernetzung und Kommunikation: z.B. Facebook, Instagram,


Online-Partner/ Freundschaftsbörsen, Twitter, etc.)

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 13

Bilderquelle: www.pixabay.com
2. Digitale Technologien in der Lebens- und Arbeitswelt
Computerisierung – Zur Verbreitung von Computern

▪ Computer als fester Bestandteil der meisten Arbeitsplätze


(Carstensen 2015)
o 64 % aller Erwerbstätigen nutzen mindestens einmal pro Woche Computer
o 55 % aller Erwerbstätigen einen Computer mit Internetzugang,
o 33 % aller Erwerbstätigen nutzen für die Arbeit ein Smartphone
o E-Mails alltäglich: Im Durchschnitt 18 E-Mails pro Tag pro Erwerbstätigem/r

▪ Achtung: Computernutzung variiert deutlich nach Beruf!

Frage: In welchen Berufen werden Computer


heute noch weniger häufig eingesetzt?

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 14


2. Digitale Technologien in der Lebens- und Arbeitswelt
Die Auswirkung der Digitalisierung auf die Arbeitswelt
(Carstensen 2015)

▪ Neue Arbeitsinhalte: Bearbeiten von E-Mails, Recherchen im Internet/ Intranet,


digitale Datenbanken, Wikis etc.; IT-Sicherheit

▪ Entstehung neuer Berufe: Informatik (Fachinformatiker/-in, IT-System-


Elektroniker/-in, Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement; Kaufmann/-frau für
IT-System-Management), Online-Journalismus, Web Design, Social Media Management

▪ Neue Arbeitsformen: z.B. „Crowdsourcing“, Crowdwork/ Microwork


▪ Karriere und Rekrutierung: Karrierenetzwerke, soziale Medien, zunehmende
Selbstvermarktung

▪ „Entgrenzung“ von Erwerbsarbeit und Privatleben…


… Inhalt der kommenden Vorlesung …
20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 15
3. Digitalisierung und
Arbeitskräftesubstitution

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 16


3. Digitalisierung und Arbeitskräftesubstitution
Zur Ersetzbarkeit menschlicher Arbeit durch Computer

“According to our estimates, about 47 percent


of total US employment is at risk”
(Frey/Osborne 2013)

Wird menschliche Arbeit in Zukunft


durch Computer und Roboter ersetzt?!
Literatur:
Autor, David/ Levy, Frank/ Murnane, Richard (2003): The skill
content of recent technological change. An empirical exploration.
In: The Quarterly Journal of Economics, pp. 1279-1333

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 17


Bildquelle: www.pixabay.de
3. Digitalisierung und Arbeitskräftesubstitution
Ausgangsüberlegungen

▪ Der Preis für Computer sinkt rapide!


→ Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der Einsatz von
Computern daher möglicherweise kostensparend

▪ Die Leistungsfähigkeit (Schnelligkeit) von Computern steigt an


▪ Der Tätigkeitsumfang vergrößert sich
→ Aus betriebswirtschaftlicher Sicht führt der Einsatz von
Computern daher möglicherweise zu erhöhter Produktivität
Commodore 64
Veröffentlichung: 1982 (bis 1994)
Prozessor: 1,023 MHz
Arbeitsspeicher 64KB
Datenträger: 170-KB Disketten

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 18


Bild: Commodore 64. Quelle: Wikipedia.
3. Digitalisierung und Arbeitskräftesubstitution
Ausgangsüberlegungen

TU Braunschweig – Phoenix

https://www.tu-braunschweig.de/it/dienste/21/phoenix

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 19


Bildquelle: www.pixabay.de
3. Digitalisierung und Arbeitskräftesubstitution
Roboter
Was sind und machen Roboter?

o Roboter (robota = Zwangsarbeit [tschechisch]) als Bewegungsautomaten,


die mechanische Arbeit verrichten
o Roboter werden von Computerprogrammen gesteuert

Definition gemäß Verein Deutscher Ingenieure (VDI):


„Industrieroboter sind universell einsetzbare Bewegungsautomaten mit
mehreren Achsen, deren Bewegungen hinsichtlich Bewegungsfolge und
Wegen bzw. Winkeln frei (d. h. ohne mechanischen bzw. menschlichen Eingriff)
programmierbar und gegebenenfalls sensorgeführt sind.
Sie sind mit Greifern, Werkzeugen oder anderen Fertigungsmitteln ausrüstbar
und können Handhabungs- und/oder Fertigungsaufgaben ausführen.“
- VDI-Richtlinie 2860 -

Die motorischen Leistungen von Robotern verbessern sich stetig!


20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 20
Bild: Industrieroboter
Quelle: Wikipedia
3. Digitalisierung und Arbeitskräftesubstitution
Zur Ersetzbarkeit menschlicher Arbeit durch Computer

Wird menschliche Arbeit in Zukunft


durch Computer und Roboter ersetzt?!

Hängt vor allem von der ausgeübten Tätigkeit ab!

▪ Autor, David; Frank Levy und Richard Murnane (2003): The skill
content of recent technological change. An empirical exploration. In:
The Quarterly Journal of Economics (S. 1279-1333).

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 21


3.1. Routine- und Nicht-Routinetätigkeiten

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 22


3.1 Routine- und Nicht-Routinetätigkeiten
Übernahme von Tätigkeiten durch den Computer
▪ Routine-Tätigkeiten = Tätigkeiten, die auch durch Computer
bewerkstelligt werden können:
o Folgen programmierbaren Regeln
o Beispiele: Sortierarbeit, einfache repetitive Montage, Aufzeichnungen
machen, Temperaturregelung in Stahlfabrik, Geld auszahlen, …
→ Computer Kapital kann Beschäftigte ersetzen (Substitution)
▪ Nicht-Routine-Tätigkeiten: Tätigkeiten, die (noch) nicht von
Computern übernommen werden können. Beispiele:
o Verhandeln/ Überzeugen
o Lehre
o Managementaufgaben
o Hausmeisterdienste
▪ Außerdem: Computer unterstützen/entlasten Individuen bei komplexen
Tätigkeiten, z.B. bei Kalkulationen, Übersetzungen…
20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 23
3.1 Routine- und Nicht-Routinetätigkeiten
Und in Zukunft?

▪ Für viele kognitive, aber auch manuelle Tätigkeiten gilt:


o (noch) kein Verständnis darüber, wie die genauen
Prozeduren ablaufen…
o und wie sie in Computercode übersetzt werden können
o Begrenzung durch aktuellen Stand der Technik

▪ Michael Polanyi (1966): „We can know more than we can tell …
The skill of a driver cannot be replaced by a thorough schooling
in the theory of the motor car;… “ (implizites Wissen)

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 24


3.1 Routine- und Nicht-Routinetätigkeiten

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 25


Quelle: Spiegel-Online 25
3.2 Skill-biased technological change

Tragen bestimmte Qualifikationsgruppen ein


erhöhtes Risiko von Computern und Robotern
ersetzt zu werden?

Polarisierungsthese:
Aufgrund der technologischen Entwicklung und Digitalisierung wird vor
allem die Beschäftigung der mittleren Qualifikationsebene negativ
beeinflusst, während die Beschäftigung im Bereich hoch- und
niedrigqualifizierter Qualifikationen stagniert oder sogar ansteigt.

Gilt das auch für Deutschland?


20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 26
3.2 Skill-biased technological change
Empirische Befunde – Arbeitslosenquoten nach Qualifikation

Quelle: Weber & Weber (2013).


IAB-Kurzbericht, S. 2

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 27


Fragen zur Wiederholung
▪ Welche fundamentalen Technologien umfasst:
o Die erste technologische Revolution?
o Die zweite technologische Revolution?
o Die dritte technologische Revolution?

▪ Was kennzeichnet Computer und Roboter?

▪ Welche Einfluss hatten und haben Computer…


o auf die Lebenswelt der Menschen?
o auf die Arbeitswelt?
▪ Aufgrund welcher beiden Entwicklungen haben Computer und Roboter zunehmend
das Potenzial, menschliche Erwerbstätigkeit zu ersetzen?

▪ Was versteht man allgemein unter „Routinetätigkeiten“ und „Nicht-


Routinetätigkeiten“?

▪ Was besagt die Polarisierungsthese?

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 28


Ausblick
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Arbeitszeit und Work-Life-Balance (Sitzung 11)


Mittwoch, 27.01.2021, ab 13.15 Uhr Video unter Stud.IP

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 29


Vielen Dank für Ihr Interesse!

20. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 10 | Seite 30


Platzhalter für Bild, Bild auf Titelfolie hinter das Logo einsetzen

Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 11: Arbeitszeit und Work-Life-Balance

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Sitzung Datum Thema
1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2020 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 2


Sitzung Datum Thema
1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2020 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021
Fragen bisArbeit und Geschlecht
spätestens 07. Februar 2021 an:
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
c.ebner@tu-braunschweig.de
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 Betreff: Frage
03.02.2021 StressVorlesung, Sitzung X
in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Klausurtag: Dienstag, 2. März 2021

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 3


Teilnahmeleistungen in der Vorlesung
Für Studierende, die eine unbenotete „Teilnahmeleistung“
erwerben wollen:
Bitte senden Sie im Laufe des Semesters ein 4-seitiges PDF-Dokument an
mich: c.ebner@tu-braunschweig.de ; Email-Betreff: Aktive Teilnahme
Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“, WiSe 2020/21

Das 4-seitige Dokument soll folgendermaßen aufgebaut sein:


▪ 1. Seite des Dokuments soll nur folgende Informationen enthalten:
o Überschrift: Aktive Teilnahme in der Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“ (Prof. Ebner),
Wintersemester 2020/21
o Vor- und Nachname; Studiengang; Modul (z.B. A1); Matrikelnummer
▪ Auf Seite 2 bis 4 soll auf jeder Seite der Inhalt jeweils einer
Vorlesung zusammengefasst werden; die 3 gewählten Vorlesungen
sollen dabei aus unterschiedlichen thematischen Blöcken stammen
27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 4
Aufbau der heutigen Vorlesung

1. Zeit – Vorbemerkungen

2. Arbeitszeit und ihre Strukturierung

3. Work-Life-Balance und Entgrenzung

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 5


Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Zerubavel, Eviatar (1976): Timetables and Scheduling: On the Social


Organization of Time. In: Sociological Inquiry, 46 (2), S. 87-94.
▪ Voß, Günter (1998): Die Entgrenzung von Arbeit und Arbeitskraft. Eine
subjektorientierte Interpretation des Wandels der Arbeit. In: Mitteilungen
aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 31(3), S. 473-487.

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 6


1. Zeit – Vorbemerkungen

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 7

Quelle: www.pixabay.com
1. Zeit – Vorbemerkungen
Zeit als Forschungsgegenstand
▪ Zeit als interdisziplinärer Forschungsgegenstand
o Philosophie, Physik, Biologie, Psychologie, Anthropologie, Ökonomie und
Soziologie

▪ „Klassiker“ der Soziologie mit einem Fokus auf „Zeit“:


o Emile Durkheim
o Max Weber
o Pitirim Sorokin
o Robert Merton
o Alfred Schütz

▪ Bekannter Zeitsoziologe aus Deutschland:


o Hartmut Rosa

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 8


1. Zeit – Vorbemerkungen
Was ist Zeit?

„Was ist also die Zeit?


Wenn mich niemand darüber fragt, so weiß ich es; wenn
ich es aber jemandem auf seine Frage erklären möchte,
so weiß ich es nicht.“

- Augustinus Aurelius (354 - 430) -

Quelle: Augustinus, Bekenntnisse (Confessiones), 397-401. XI, 14

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 9


1. Zeit – Vorbemerkungen
Allgemeine Perspektiven auf Zeit (Sorokin/Merton 1937)
▪ Physisch-mathematische Zeit (z.B. Isaac Newton)
o Zeit als Größe mit deren Hilfe sich die Dauer und Abfolge von Ereignissen und
die Geschwindigkeit von Objekten exakt bestimmen lässt.
o Internationales Einheitensystem für physikalische Größen (frz. Système
international d’unités [SI]) → Zeit (t) wird in Sekunden ausgedrückt

▪ Soziale Zeit (z.B. Emile Durkheim)


o Zeit wird von Individuen subjektiv wahrgenommen und beschrieben
o Gesellschaftliche Zeitarrangements: Unterteilung in Tage, Wochen, Monate,
Jahre, Jahreszahlen → intersubjektive Realität
o Zeitstandards: z.B. Uhrzeit, Kalender, Zeitzonen (https://24timezones.com/#/map)
o Periodischen Auftreten von Riten, Festen und öffentlichen Zeremonien wie
Ostern, Weihnachten, Neujahr, Fasching/Karneval …
o Soziale Konventionen der Zeit werden durch Sozialisation erlernt (Benutzung
von Uhren und Kalendern; Bedeutsamkeit von Pünktlichkeit etc.

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 10


1. Zeit – Vorbemerkungen
Zeitpläne („Timetables“) (Zerubavel 1976)
▪ Zeitpläne als Ausgangspunkt der Analyse von Strukturen der
sozialen Organisation von Zeit (Zerubavel 1976)
▪ Zeitplan als (mindestens) zweidimensionale Matrix
(Ereignisse; Zeit)
▪ Beispiel für Zeitpläne: Projektplan, Stundenplan, Fahrplan,
Kalender, …

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 11


1. Zeit – Vorbemerkungen
Zeitplan – Analysedimensionen nach Zerubavel
▪ 1. Dauer („Duration“) = Zeit, die ein Ereignis andauert

▪ Zwei Möglichkeiten der Beschreibung von Dauern


o Quantitativ: Dauer in Sekunden, Minuten, Stunden etc. als zählbare,
Einheiten; Messung über z.B. Armbanduhr, Stoppuhr; Zeit vom
Kontext entkoppelt! (z.B. Wartezeit beim Arzt wird gleich gemessen
wie Zeit bei Handballturnier)
o Qualitativ: „bald“, „eine Weile“, „zu lang“. Kontextabhängig! Weniger
unkonkret: „noch zwei Patienten, bis Sie dran sind“; „ich komme,
wenn ich mein Bier ausgetrunken habe…“

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 12


1. Zeit – Vorbemerkungen
Zeitplan – Analysedimensionen nach Zerubavel
▪ 2. Sequenz („Sequence“) = Sequenzielle Ordnung von Zeit:
Ereignisse sind zeitlich voneinander durch ein „vorher“ und
ein „nachher“ abgegrenzt.

▪ Beispiele für sequentielle, rigide Zeitordnungen:


o Ablauf eines festlichen Abendessens
o Feste Abfolgen von Kirchenzeremonien (Predigt, Vater Unser etc.)
o …

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 13


1. Zeit – Vorbemerkungen
Zeitplan – Analysedimensionen nach Zerubavel
▪ 3. Timing = Wann findet ein Ereignis statt? Kann nur in festem
Zeitbezugssystem (z.B. Kalender) definiert werden

▪ Beispiele für Timing:


o Elternabend am 17. April um 16 Uhr
o Regelmäßigkeiten: Feiern am Wochenende
o …

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 14


1. Zeit – Vorbemerkungen
Zeitplan – Analysedimensionen nach Zerubavel
▪ 4. Tempo = Ausmaß/Zahl der Aktivitäten in einem
vorgegebenen Zeitraum
o Hohes Tempo = viele Aktivitäten in gegebenem Zeitraum
o Niedriges Tempo = wenige Aktivitäten in gegebenem Zeitraum

▪ Beispiele für Tempo:


o Arbeitswelt: Viele Aufgaben in kurzem Zeitraum erledigen müssen
o Subjektive Gefühle: z.B. „zu oft“; „warum hast Du Dich jetzt schon
wieder zwei Wochen lang nicht gemeldet?“

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 15


1. Zeit – Vorbemerkungen
Kontrolle über Zeitpläne – Zeitsouveränität
▪ Individuen haben selten absolute Kontrolle über ihre
Zeitpläne → Beschränkungen durch Umwelt und Person
(sozial, natürlich)

▪ Soziale Gruppen haben unterschiedlich hohe


Zeitsouveränität (z.B. gering: Busfahrer, Notärzte etc.)

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 16


2. Arbeitszeit und ihre
Strukturierung

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 17


2. Arbeitszeit und ihre Strukturierung
Was ist Arbeitszeit?
„Arbeitszeit“ im Folgenden als Zeit, die für Erwerbsarbeit
aufgebracht wird. (Achtung: Es fällt auch Arbeit außerhalb des
Erwerbssystems an…)

OECD-Statistik:
Durchschnittliche Arbeitszeit eines Erwerbstätigen 2015 in
der OECD schätzungsweise 1766 Stunden pro Jahr
(OECD Employment Outlook 2016: 233).

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 18


2. Arbeitszeit und ihre Strukturierung

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 19


2. Arbeitszeit und ihre Strukturierung
Arbeitszeitstrukturierung in Deutschland
Tempo/ Zeit-
Dauer Timing/Lage Sequenz
Verdichtung Souveränität
70%
62%
60%
54%
51%
50% 47% 48%

40%

30% 27% 28%


24% 25%

20%
14%
12%
10% 6%

0%

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 20

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung 2012


2. Arbeitszeit und ihre Strukturierung
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

▪ Das ArbZG vom 6. Juni 1994 als Umsetzung


europäischer Richtlinien

▪ Das Gesetz gilt für alle Arbeitnehmer,


ausgenommen Beamte und Soldaten

▪ Das Gesetz im Internet:


https://www.gesetze-im-internet.de/arbzg/BJNR117100994.html

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 21


2. Arbeitszeit und ihre Strukturierung
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

▪ Das ArbZG regelt u.a.


o Dauer der Arbeitszeit (§3): Werktägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht
überschreiten. Ausweitung auf 10 Stunden möglich, aber im Durchschnitt dürfen
8 Stunden innerhalb von sechs Kalendermonaten nicht überschritten werden
o Ruhepausen (§4): Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei Arbeitszeit von
mehr als sechs bis zu neun Stunden; 45 Minuten bei Arbeitszeit von mehr als
neun Stunden insgesamt. (…)
o Nacht- und Schichtarbeit (§6): z.B. Recht auf arbeitsmedizinische
Untersuchungen; Recht der Umsetzung auf Tagesarbeitsplatz in bestimmten
Lebenslagen; Recht auf bezahlte freie Tage oder Zuschläge
o Sonn- und Feiertagsruhe (§9): „(1) Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und
gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.“ Aber:
Ausnahmeregelungen in §10…

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 22


2. Arbeitszeit und ihre Strukturierung
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

▪ Das ArbZG regelt u.a.


o Dauer der Arbeitszeit (§3): Werktägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht
überschreiten. Ausweitung auf 10 Stunden möglich, aber im Durchschnitt dürfen
8 Stunden innerhalb von sechs Kalendermonaten nicht überschritten werden
o Ruhepausen (§4): Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei Arbeitszeit von
Frage:
mehrWelche
als sechs bisBerufsgruppen sind vom
zu neun Stunden; 45 Minuten Arbeitsverbot
bei Arbeitszeit von mehr als
an Stunden
neun Sonntagen und
insgesamt. (…) Feiertagen ausgenommen?
o Nacht- und Schichtarbeit (§6): z.B. Recht auf arbeitsmedizinische
Untersuchungen; Recht der Umsetzung auf Tagesarbeitsplatz in bestimmten
Lebenslagen; Recht auf bezahlte freie Tage oder Zuschläge
o Sonn- und Feiertagsruhe (§9): „(1) Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und
gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.“ Aber:
Ausnahmeregelungen in §10…

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 23


3. Work-Life-Balance
und Entgrenzung

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 24


3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Work-Life-Balance

▪ Work-Life-Balance = Ausmaß in dem das


Privatleben/Familienleben mit Erwerbsarbeit in Einklang steht

Zeitliche Perspektive auf Work-Life-Balance


Frage: Wie häufig gelingt es Ihnen, bei der Arbeitszeitplanung auf
ihre familiären und privaten Interessen Rücksicht zu nehmen?

40,5
59,5

häufig manchmal/nie
27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 25

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung 2012


3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Arbeitszeiten und Work-Life-Balance
% Möglichkeit guter Vereinbarkeit (häufig)
Arbeit selber planen ja 61 Arbeitszeit-
Arbeit selber planen nein 49 Souveränität
Sonntags ja 44

Sonntags nein 62

Timing Samstags ja 47

Samstags nein 64

Nachtarbeit ja 41

Nachtarbeit nein 61

49+h 38

41-48h 53

Dauer 35-40h 62

21-34h 71

<=20h 77

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Zeitsouveränität: „Wie häufig kommt es vor, dass Sie Ihre Arbeit selber planen und einteilen können?“
(häufig, manchmal, selten, nie)
27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 26

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung 2012


3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Entgrenzung von Arbeit (Voß 1998)

Ein Perspektivwechsel…
„Entgrenzung“ von Privatleben/Familienleben
und Erwerbsarbeit

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 27


3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Entgrenzung von Arbeit (Voß 1998)

▪ Entgrenzung als „sozialer Prozeß (…), in dem unter bestimmten


historischen Bedingungen entstandene soziale Strukturen der regulierenden
Begrenzung von sozialen Vorgängen ganz oder partiell erodieren bzw.
bewußt aufgelöst werden.“ (Voß 1998, S. 474)

▪ Auslöser: Flexibilisierung von Erwerbsarbeit = Aufbrechen von


Strukturen mit dem Ziel einer Dynamisierung und Verflüssigung
bestehender Grenzen. Beispiele:
o Deregulierung von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen (rechtliche Ebene)
o Abnehmende Tarifbindung (Ebene der Sozialpartnerschaft)
o Dezentralisierung und Hierarchieabbau, Gruppenkonzepte und
Projektarbeitsformen, entstandardisierte Arbeitszeiten (Unternehmensebene)
o Verstärkte Eigenverantwortlichkeit von Arbeitnehmern (individuelle Ebene)

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 28


3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Der Arbeitskraftunternehmer – entgrenzte Arbeitskraft

▪ Entgrenzung von Arbeit → neue Anforderungen an


Erwerbstätige/Arbeitskraft →„Arbeitskraftunternehmer“!

▪ Merkmale des Arbeitskraftunternehmers:


o Sicherung der Arbeitsleistung durch betriebliche Kontrolle hin zu →
„Selbst-Kontrolle“ und Selbststeuerung der Arbeitenden
o „Selbst-Ökonomisierung“ der Arbeitskraft: Fähigkeiten müssen
verstärkt ausgebaut und außer- wie innerbetrieblich angeboten werden
o Verstärkte Notwendigkeit der „Alltags-Organisation“ um neuen
Anforderungen an ihre Arbeitskraft gerecht zu werden

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 29


3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Entgrenzung von Arbeit und Privatleben

Lange Zeit galt:


Strikte Trennung/Grenzen zwischen Privatleben und
Erwerbsarbeit!

Privatleben Erwerbsarbeit

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 30


Bilderquelle: www.freepik.com
3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Entgrenzung von Arbeit und Privatleben

„Entgrenzung“ von Erwerbsarbeit und Privatleben = Aufheben der


strikten Trennung/Grenze zwischen beiden Sphären!

Privatleben Erwerbsarbeit

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 31


Bilderquelle: www.freepik.com
3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Entgrenzung von Arbeit und Privatleben – Sozialdimensionen

▪ Entgrenzung vollzieht sich entlang verschiedener


Sozialdimensionen (Voß 1998):
o Raum
o Zeit
o Eingesetzte Technik
o Sozialorganisation
o Tätigkeitsinhalt
o Motivation und Sinn

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 32


3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Entgrenzung von Arbeit und Privatleben – Sozialdimensionen

▪ Raum: Abbau fester Grenzen zwischen Arbeitsorten und


privaten Lebensorten

▪ Zeit: Durchmischung von Arbeits- und Privatzeiten (wg.


flexibler Arbeitszeiten)

▪ Hilfsmittel/Technik: Durchmischung des privaten und


betrieblichen Besitzes von Arbeitsmitteln und ihrer Nutzung

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 33


3. Work-Life-Balance und Entgrenzung
Entgrenzung von Arbeit und Privatleben – Sozialdimensionen

▪ Arbeitsinhalt/Qualifikation: Qualifizierung für was?


Was gehört zur Arbeitstätigkeit und was nicht?

▪ Sozialorganisation: Arbeitskontakte als private Kontakte,


dienstliche Sozialevents, Nutzung privater Beziehungen für
berufliche Zwecke und umgekehrt...

▪ Sinn/Motivation: Durchmischung von Arbeits- und


Lebensmotivationen. Arbeit als aufgewertete Lebenssphäre,
Privatheit als verstärkt beruflich zu nutzender Bereich…

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 34


Fragen zur Wiederholung
▪ Welche beiden Perspektiven auf Zeit unterscheiden Pitirim Sorokin und Robert Merton (1937)?
Was kennzeichnet diese Perspektiven jeweils?
▪ Welche vier Analysedimensionen beschreibt Eviatar Zerubavel (1976) für die Untersuchung von
Zeitplänen? Was bedeuten diese Dimensionen? Was ist Arbeitszeitsouveränität?
▪ Zum Arbeitszeitgesetz (ArbZG):
o Für wen gilt das Arbeitszeitgesetz?
o Welche Regelungen bestehen in Bezug auf: Dauer der Arbeitszeit; Ruhepausen, Nacht-
und Schichtarbeit, Sonn- und Feiertagsruhe?
▪ Was versteht man unter „Work-Life-Balance“, „Entgrenzung“, „Flexibilisierung“?
▪ Welche drei Merkmale kennzeichnen den „Arbeitskraftunternehmer“ nach Günter Voß (1998)?
▪ Welche Sozialdimensionen hinsichtlich der Entgrenzung von Arbeit und Privatleben
unterscheidet Günter Voß (1998)? Was kennzeichnet diese Dimensionen jeweils?

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 35


Ausblick
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Stress in der Arbeitswelt (Sitzung 12)


Mittwoch, 03.02.2021, ab 13.15 Uhr auf Stud.IP

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 36


Vielen Dank für Ihr Interesse!

27. Januar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 11 | Seite 37


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Vorlesung „Wandel der Arbeitswelt“


Sitzung 12: Stress in der Arbeitswelt

Prof. Dr. Christian Ebner (c.ebner@tu-braunschweig.de)


Lehrstuhl für Soziologie (Schwerpunkt Arbeit und Organisation)
Sitzung Datum Thema
1 21.10.2020 Thematische Einführung, Organisatorisches,
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

Veranstaltungsüberblick
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
3 11.11.2020 Die Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
5 25.11.2020 Demografischer Wandel und Erwerbsarbeit
6 02.12.2020 Postmoderne und Wandel von Arbeitsorientierungen
7 09.12.2020 Open Session
8 16.12.2020 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
12 03.02.2021 Stress in der Arbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Prüfungstag: Dienstag, 2. März 2021

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 2


Sitzung Datum Thema
hat Lehrampel
1 21.10.2020 Thematischeauf „rot“ gesetzt…
Einführung, Organisatorisches,
Block 4: Die Zukunft der Erwerbsarbeit

TU Braunschweig
→ keine Präsenzklausuren
Veranstaltungsüberblick
erlaubt!
2 28.10.2020 Arbeit in der vorindustriellen Zeit
Digitale-Prüfung am 2. Die
3 11.11.2020 März 2021
Industriegesellschaft
4 18.11.2020 Die postindustrielle Gesellschaft
Hinweise:
5 25.11.2020
- Computer/Laptop Demografischer
mit Tastatur Wandel
und stabile und Erwerbsarbeitnötig
Internetverbindung
- Erste6Hinweise
02.12.2020
zu Prüfung → sieheund
Postmoderne Wandel
Email von Arbeitsorientierungen
via Stud.IP
- Weitere
7 Details: nächste
09.12.2020 Sitzung,
Open 10.02.2021
Session
8 16.12.2020 Beschäftigungsverhältnisse im Wandel
Außerdem: Fragen zu Vorlesungsinhalten bis spätestens 07. Februar
9 13.01.2021 Arbeit und Geschlecht
2021 an:
10 20.01.2021 Digitalisierung der Arbeitswelt
c.ebner@tu-braunschweig.de
11 27.01.2021 Arbeitszeit und Work-Life-Balance
Betreff:
12 Frage Vorlesung,
03.02.2021 Sitzung
Stress in derXArbeitswelt
13 10.02.2021 Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise
Prüfungstag: Dienstag, 2. März 2021

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 3


Aufbau der heutigen Vorlesung
1. Ausgangslage: Psychische Erkrankungen
und Arbeitsunfähigkeit
2. Stresstheorien
2.1 Begrifflichkeiten
2.2 Der Stressprozess
2.3 Soziale Positionen, Rollen, Rollenstress
2.4 Prominente Stresstheorien
3. Arbeitszeit als Stressor in der Arbeitswelt
(aus der Forschung)
4. Erklärungsversuche: Anstieg psychischer Erkrankungen
03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 4
Literatur zur heutigen Veranstaltung

▪ Lohmann-Haislah, Andrea (2012): Stressreport Deutschland 2012.


Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden. Kapitel 2. Dortmund.
S. 11-24.
▪ Pearlin, Leonard (1989): The Sociological Study of Stress. In: Journal of
Health and Social Behavior, 30(3), S. 241-256.

Weitere Stresstheorien:
Caplan, Robert (1987): Person-Environment Fit Theory and Organizations: Commensurate
Dimensions, Time Perspectives, and Mechanisms. In: Journal of Vocational Behavior 31,
S. 248-267.
Karasek, Robert (1979): Job Demands, Job Decision Latitude, and Mental Strain: Implications for
Job Redesign. In: Administrative Science Quarterly, 24(2), S. 285-308.
Siegrist, Johannes (1996): Adverse Health Effects of High-Effort/Low-Reward Conditions. In:
Journal of Occupational Health Psychology, 1(1), S. 27-41.

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 5


1. Ausgangslage:
Psychische Erkrankungen
und Arbeitsunfähigkeit

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 6


Bildquelle: www.freepik.com
1. Ausgangslage: Psychische Erkrankungen/Arbeitsunfähigkeit
Anteile der zehn wichtigsten Krankheitsarten an den AU-Fällen, 2018

https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 7

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2019, S. 20


1. Ausgangslage: Psychische Erkrankungen/Arbeitsunfähigkeit
Anteile der zehn wichtigsten Krankheitsarten an den AU-Tagen, 2018

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 8

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2019, S. 19


1. Ausgangslage: Psychische Erkrankungen/Arbeitsunfähigkeit
AU-Tage und AU-Fälle psychischer Erkrankungen, 1997 bis 2018

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 9

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2019, S. 21


1. Ausgangslage: Psychische Erkrankungen/Arbeitsunfähigkeit
AU-Tage und AU-Fälle psychischer Erkrankungen, 1997 bis 2018

Wie kommt es zu Stress und psychischen


Erkrankungen im Erwerbssystem?

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 10

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2019, S. 21


2. Stresstheorien

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 11


Bildquelle: www.pixabay.com
2.1. Begrifflichkeiten
Was ist Stress?

▪ Stress als „…das Ergebnis eines Ungleichgewichts zwischen


äußeren Anforderungen und den zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten, diese zu bewältigen.“ (Lohmann-Haislah 2012, S. 13)

▪ Wie äußert sich Stress beim Menschen? (Lohmann-Haislah 2012, S.18)


o Physiologisch: Ausschüttung von Hormonen (Cortisol, Adrenalin,
Noradrenalin); Anstieg von Blutzuckerspiegel, Herzschlag, Blutdruck →
Körper mobilisiert Kraftreserven, macht sich kampf-/fluchtbereit
o Psychisch: Unruhe, Angst, Anspannung

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 12


Bildquelle: www.pixabay.com
2.1. Begrifflichkeiten
Was sind Stressoren?

▪ Stressoren = potentielle Auslöser/Ursachen von Stress

▪ Vielfältige Beispiele für Stressoren am Arbeitsplatz:


o Lärm
o Kälte
o schwere Lasten tragen
o Zeit- und Termindruck
o kognitiv komplexe Tätigkeiten
o hoch emotionale Ereignisse
o schlechte Beziehung zu Vorgesetzen oder Kollegen
o Unsicheres Beschäftigungsverhältnis
o Einführung neuer Software
o …

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 13


Bildquelle: www.pixabay.com
2.2 Der Stressprozess
Das Stressprozess-Modell in Anlehnung an Leonard Pearlin (1989)

Stressoren Stress Langfristige


▪ (Lebens-)Ereignisse
„Chronizität“ Stressfolgen
(Erholung?)
▪ „Chronische“ ▪ Burnout
Stressoren ▪ Depression
▪ Herzkrankheiten
▪ Alkoholismus
▪ ..

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 14


2.2 Der Stressprozess
Das Stressprozess-Modell in Anlehnung an Leonard Pearlin (1989)
Infokasten „Burnout“
▪ Einflussreichste Definition: Christina Maslach

▪ Diagnoseinstrument (Fragebogen):
Stressoren
Maslach Burnout Inventory (MBI) Stress Langfristige
▪ (Lebens-)Ereignisse
„Chronizität“ Stressfolgen
▪ ▪ Das (Erholung?)
Burnout-Syndrom äußert sich in drei Dimensionen:
„Chronische“ ▪ Burnout
oStressoren
Emotionale Erschöpfung [emotional exhaustion]: Gefühl ▪ Depression
der Überforderung / emotionale Erschöpfung durch ▪ Herzkrankheiten
Arbeitsanforderungen ▪ Alkoholismus
o Depersonalisation [depersonalization]: Rückzug / Aufbau ▪ ..
von Distanz zu Mitarbeitern und Arbeit
o Verminderte Leistungsfähigkeit [reduced personal
accomplishment]: Einschätzung, dass man
Arbeitsanforderungen nicht mehr erfüllen kann

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 15


Bildquelle: www.pixabay.com
2.2 Der Stressprozess
Das Stressprozess-Modell in Anlehnung an Leonard Pearlin (1989)

Mediatoren → „intervenieren“, d.h. sie unterbrechen bzw. mildern den


Einfluss von Stressoren auf Stress oder mildern Stressfolgen

Stressoren Stress Langfristige


▪ (Lebens-)Ereignisse
„Chronizität“ Stressfolgen
(Erholung?)
▪ „Chronische“ ▪ Burnout
Stressoren ▪ Depression
▪ Herzkrankheiten
▪ Alkoholismus
Mediatoren ▪ ..
▪ Ressourcen (Bildung, Geld etc.)
▪ Persönlichkeitsmerkmale
▪ Coping
▪ Soziale Unterstützung
▪ …
03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 16
2.2 Der Stressprozess
Das Stressprozess-Modell in Anlehnung an Leonard Pearlin (1989)

Mediatoren → „intervenieren“, d.h. sie unterbrechen bzw. mildern den


Einfluss von Stressoren auf Stress oder mildern Stressfolgen

Coping → Individuelles Handeln mit dem Ziel Probleme oder deren Auswirkungen
Langfristigezu
Stressoren Stress
vermeiden oder abzuschwächen
▪ (Lebens-)Ereignisse
„Chronizität“ Stressfolgen
(Erholung?)
▪ „Chronische“ ▪ Burnout
Formen von Coping: a) ändern der Situation, die Stressoren hervorbringt; b) Umdeuten
der Situation, um Bedrohung zu reduzieren; c) Symptome von Stress ▪in Grenzen
Stressoren Depression
halten
▪ Herzkrankheiten
▪ Alkoholismus
Mediatoren ▪ ..
▪ Ressourcen (Bildung, Geld etc.)
▪ Persönlichkeitsmerkmale
▪ Coping
▪ Soziale Unterstützung
▪ …
03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 17
2.2 Der Stressprozess
Das Stressprozess-Modell in Anlehnung an Leonard Pearlin (1989)

Gesellschaftliche Strukturen und Kultur

Stressoren Stress Langfristige


▪ (Lebens-)Ereignisse
„Chronizität“ Stressfolgen
(Erholung?)
▪ „Chronische“ ▪ Burnout
Stressoren ▪ Depression
▪ Herzkrankheiten
▪ Alkoholismus
Mediatoren ▪ ..
▪ Ressourcen (Bildung, Geld etc.)
▪ Persönlichkeitsmerkmale
▪ Coping
▪ Soziale Unterstützung
▪ …
03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 18
2.3 Soziale Positionen, Rollen, Rollenstress
Soziale Positionen und soziale Rollen I

▪ Soziale Position als „Ort“, den ein individueller Akteur


in einem sozialen Beziehungsgeflecht einnimmt (z.B. Trainerin;
Hausfrau; Arbeitsloser; Ärztin; Vorgesetzter; Managerin, Vater, Patin etc.)

▪ Mit sozialen Positionen sind gesellschaftliche Ressourcen


verbunden (z.B. Macht, Ansehen, Einkommen)
▪ Mit sozialen Positionen sind soziale Rollen verknüpft.
Soziale Rollen = Bündel sozial geteilter Erwartungen, die an
die Inhaber bestimmter sozialer Positionen gerichtet sind
▪ Rollen sind meist Teil eines größeren Rollensets. Rollen sind
teilweise komplementär (z.B. Ehemann/Ehefrau; Mutter/Kind;
Angestellter/Vorgesetzter; Schüler/Lehrer etc.)
03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 19
2.3 Soziale Positionen, Rollen, Rollenstress
Soziale Rollen als Stressoren – 5 Typen

▪ Rollen-Überlastung: Anforderungen an Energie und


Ausdauer übersteigen die Leistungsfähigkeit des Individuums
▪ Interpersonale Konflikte in Rollensets: Probleme zwischen
Personen, die in zueinander komplementären Rollen
miteinander interagieren
▪ Inter-Rollen-Konflikt: Nicht vereinbare Anforderungen
multipler Rollen
▪ Rollengefangenschaft: Unfreiwillige Übernahme einer Rolle
▪ Rollen Restrukturierung: Veränderungen lang etablierter
Erwartungs- und Interaktionsmuster
03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 20
2.4 Prominente Stresstheorien – Auswahl

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 21


2.4 Prominente Stresstheorien – Auswahl
Effort-Reward Imbalance Model (Siegrist 1996)

▪ Fokus: Anstrengung und Belohnung (Status) im Job


▪ Annahme: Anstrengung im Job wird von Gesellschaft belohnt
(Austauschprozess, Reziprozität)
▪ Drei Typen gesellschaftlicher Belohnungen:
o Geld,
o Achtung/Wertschätzung,
o Statuskontrolle (z.B. Jobstabilität)

▪ Stress als Folge eines Ungleichgewichts zwischen


Anstrengung (hoch) und Belohnung (niedrig)!

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 22


2.4 Prominente Stresstheorien – Auswahl
Person-Environment Fit Theory (Caplan 1987)

▪ Fokus: Passung zwischen Person und Organisation


(prominent auch bei French, Rodgers, Cobb [1974])
▪ Zwei Konzepte der Passung
o Needs-Supplies Fit: Passung zwischen den Bedürfnissen des Arbeitnehmers
(z.B. Lohn, Freiheit) und den entsprechenden Angeboten der Organisation
o Demands-Abilities Fit: Passung zwischen den Anforderungen in der
Organisation (z.B. Berechnungen mit Excel) und den Fähigkeiten der Person

▪ Eine unzureichende Passung („misfit“) stellt einen Stressor


dar und kann zu negativen Stressergebnissen führen

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 23


2.4 Prominente Stresstheorien – Auswahl
Job Strain Model [Anforderungs-Kontroll Modell] (Karasek 1979)

▪ Fokus: Zusammenspiel zwischen Arbeitsanforderungen und


Kontrolle (Handlungsspielräume)
▪ 4-Felder-Tafel mit 4 Typen von Jobs:

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 24

Quelle: Lohmann-Haislah, 2012, S. 15


3. Arbeitszeit als Stressor
in der Arbeitswelt
(aus der Forschung)

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 25


3. Arbeitszeit als Stressor in der Arbeitswelt
Rückblick: Arbeitszeitstrukturierung in Deutschland
Tempo/ Zeit-
Dauer Timing/Lage Sequenz
Verdichtung Souveränität
70%
62%
60%
54%
51%
50% 47% 48%

40%

30% 27% 28%


24% 25%

20%
14%
12%
10% 6%

0%

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 26

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung


3. Arbeitszeit als Stressor in der Arbeitswelt
Psychovegetative Beschwerden

„Sagen Sie mir bitte, ob die folgenden gesundheitlichen Beschwerden


bei Ihnen in den letzten 12 Monaten während der Arbeit bzw. an
Arbeitstagen häufig aufgetreten sind“ (ja/nein)

▪ Schlafstörungen
▪ Müdigkeit/Mattigkeit
▪ Nervosität/Reizbarkeit
▪ Niedergeschlagenheit
▪ Emotionale Erschöpfung
▪ Körperliche Erschöpfung

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 27

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung


3. Arbeitszeit als Stressor in der Arbeitswelt
Ergebnisse
▪ Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen
Arbeitszeitstrukturen und psychischen Beschwerden
▪ Durchgängig signifikante Effekte für Dauer, Timing, Tempo,
Sequenz und Arbeitszeitsouveränität

▪ Besonders starke (negative) Effekte auf psychische Gesundheit:


Zeitdruck, Nachtarbeit, keine Ruhepausen
▪ Anschlussfrage: Wie lassen sich Arbeitszeitstrukturen in
Deutschland mit Blick auf Folgen für die Gesundheit optimieren?

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 28 28


4. Erklärungsversuche: Anstieg
psychischer Krankheiten

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 29


4. Erklärungsversuche: Anstieg psychischer Erkrankungen
AU-Tage und AU-Fälle psychischer Erkrankungen, 1997 bis 2018

Wie lässt sich der Anstieg psychischer


Erkrankungen erklären?

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 30

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2019, S. 21


4. Erklärungsversuche: Anstieg psychischer Erkrankungen
Veränderungen in der Arbeitswelt als Auslöser? Beispiele …

▪ Tertiarisierung: Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft;


Zunahme von geistigen und interaktiven Tätigkeiten
▪ Digitalisierung: Verbreitung von Computern, Informations- und
Kommunikationstechnologien (neue Anforderungen; Entgrenzung;
Erreichbarkeit)

▪ Zunahme an Arbeitskraftunternehmertum (Eigenverantwortung etc.)


▪ Beschleunigung: Höheres Tempo, Zeitdruck, Zeitknappheit
▪ Zunahme prekärer Arbeitsformen (z.B. Befristung; Croudwork)
▪ und vieles mehr …

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 31


Fragen zur Wiederholung
▪ Was ist Stress und wie äußert sich dieser beim Menschen?
▪ Was sind Stressoren? Nennen Sie konkrete Beispiele
▪ Was versteht man unter „Mediatoren“ in der Stressforschung? Welche Mediatoren lassen sich
unterscheiden? Was heißt und wie funktioniert „coping“?
▪ Was ist eine soziale Position, was ist eine soziale Rolle, was sind Kennzeichen davon?
▪ Welche Typen von Rollenstress lassen sich nach Leonard Pearlin (1989) unterscheiden und was
bedeuten sie?
▪ Was postulieren die folgenden Stressmodelle?
o Effort-Reward Imbalance Model (Siegrist 1996)
o Person-Environment Fit Theory (Caplan 1987)
o Job Strain Model [Anforderungs-Kontroll Modell] (Karasek 1979)
o Was ist „Burnout“? Wie äußert sich das Burnout Syndrom?
o Welche Veränderungen in der Arbeitswelt können als mögliche Erklärungen für die Zunahme
psychischer Erkrankungen unter Erwerbstätigen herangezogen werden?

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 32


Ausblick
Block 5: Abschluss der Vorlesung

Zusammenfassung, Ausblick und Klausurhinweise (Sitzung 12)


Mittwoch, 10.02.2021, ab 13.15; unter Stud.IP

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 33


Vielen Dank für Ihr Interesse!

03. Februar 2021 | Christian Ebner | Sitzung 12 | Seite 34

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