Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
GUIDE TO BERLIN
ANOTHER STORY OF SOLE FROM A VANS ORIGINAL
IN STORES NOw
vans.com/vansbook
© 2009 VANS INc.
© 2009 adidas AG. adidas, the Trefoil logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
VICE GUIDE TO BERLIN
Cover–Foto von Andy Kania
Charlottenburg 50 STADTPLAN 86
CHEFREDAKTEUR HERAUSGEBER
Tom Littlewood (tom@viceland.de) Benjamin Ruth (benjamin@viceland.de)
MUSIK ADVERTISING
Andreas Richter (andreas@viceland.de) Benny Eichelmann (benny@viceland.de)
Carsten Kritscher (carsten@viceland.de)
REDAKTION Julia Hofbauer (julia@viceland.de)
Barbara Dabrowska (barbara@viceland.de)
Martina Kix (martina@viceland.de) ONLINEMARKETING
Gabriel Platt (gabriel@viceland.de)
FASHION
Nina Byttebier (nina@viceland.de) EVENTS
Nicolas Mönch (nicolas@viceland.de)
KORREKTUR
Konrad Lehnert LAYOUT
Benni Pollach (benni@viceland.de)
TEXTE
Barbara Dabrowska, Martina Kix, PRODUKTION
Andreas Richter, Juliane Liebert, Daniel Graf (daniel@viceland.de)
Felix Nicklas, Neale Lytollis
DISTRIBUTION
FOTOS Miriam von Toffl
Andy Kania, Max Paul, Jan Au, (distribution@viceland.de)
Maxime Ballesteros, Christoph Voy,
BUCHHALTUNG
Georg Roske, Tanja Kernweiss,
Karin Helfer (karin@viceland.de)
Barbara Dabrowska, Tanja Krokos
RECHTSBERATUNG
ILLUSTRATIONEN
Schlüschen & Müller Berlin
Hanna Andersson
VERANTWORTLICH
PRAKTIKANTEN
Tom Littlewood
Inez Kreiten, Victor Stoljarow,
Juliane Liebert, Max Bondy, Sarah Braun CEO, VICE MEDIA GROUP EUROPE
Andrew Creighton
US REDAKTEUR
(andrew@viceuk.com)
Jesse Pearson
(jessep@viceland.com)
VICE Germany, Brunnenstr. 196
EU REDAKTEUR 10119 Berlin, Germany
Andy Capper Phone: +49 30 4005449-10
(andy@viceuk.com) Fax: +49 30 4005449-20
Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt und Eigentum der VICE Deutschland GmbH. Vervielfältigung und
Verwertung ist nur mit schriftlicher Erlaubnis des Herausgebers zulässig. Informationen über Abonnements auf www.viceland.de
Münzstrasse 14-16/Max-Beer-Strasse | 10178 Berlin
Phone: 030 600 59 21 9 | Mail: store@wesc-berlin.de
6 VICE BERLIN www.wesc.com
MITARBEITER OakleyReinvent.com Oakley Icon Ltd.: (+41) 448296100, www.oakley.com
MAXIME BALLESTEROS
Fotograf Maxime hat nach seinem Kunststudium
in St. Etienne Frankreich hinter sich gelassen, um
sich in Berlin dem, was er als intellektuelle Foto-
grafie bezeichnet, sowie der Dokumentation der
Partywelt Berlins zu widmen. Für den Vice Guide
to Berlin ist er in der prallen Sonne mit drei großen
Kameras hinter einem Panzer her gerannt und hat
Staub eingeatmet wie ein Kohlebergbauer.
TRINKEN
Gibt es noch einen anderen Ort auf der Welt, wo du zum Preis von
65 Cent ein leckeres, kühles Bier kriegst? OK, wahrscheinlich in
irgendwelchen Möchtegernländern im Nahen Osten, aber es gibt
einfach weit und breit nichts, was ein Sterni im Preisleistungs-
verhältnis UND Geschmack schlägt.
DROGEN
Wir haben alle kein Geld für
Drogen mehr, darum sammeln
wir die Spritzensets aus dem Au-
tomaten am Kotti jetzt nur noch
WOHNEN zum Spaß. Es gibt sie in allen
Früher war Wohnen in Berlin so billig, unterschiedlichen Farben und
dass du für deinen Flaschenpfand Formen, am begehrtesten sind
einen ganzen Plattenbau für drei Jahre bei uns die grünen langen. Also
für dich alleine hattest. Seit alle nach schickt sie uns, wenn ihr noch
Berlin ziehen, musst du fünfzehn Be- welche habt, wir tauschen gegen
werbungsgespräche mit eingebildeten die kurze rosa Ausführung.
Designstudenten führen, um für zwei
Wochen ihre Abstellkammer zu kriegen
PROTEST!
und pro Klonutzung extra zu blechen. In Berlin leben hauptsächlich Studenten und Künstler,
kurzum, Leute, die nichts zu tun haben und ständig gegen
irgendetwas protestieren. Meistens demonstrieren die
Linken gegen die Demos der Rechten und umgedreht.
Dabei werden sie für gewöhnlich von einem nochmal so
großen Schwarm von Fotojournalisten verfolgt.
10 VICE BERLIN
EinLEITUNG
NA DENN
WILLKOMMEN IN BERLIN, DU PFLAUME
Die Leute kommen aus den unterschiedlichsten Gründen nach Berlin. Entweder
wollen sie hier ein Café für Schwule eröffnen, Schauspiel studieren, „was mit
Medien machen“ oder Partys organisieren. Merkst du was? Nach Berlin ziehen
bedeutet, dem Ernst des Lebens zu entfliehen.
Genau dafür bietet die Stadt die besten Voraussetzungen. Berlin ist ständig in
Foto: Georg Roske
Bewegung. Die Leute, die keine Lust mehr auf Hundescheiße und Hartz4 gespon-
sertes La Dolce Vita haben, fliehen und dafür strömen enthusiastische Menschen
mit Studienabschlüssen und frischen Ideen aus aller Herren Länder in die Stadt,
um dann nach einem halben Jahr festzustellen, dass sie einer von einer Milliarde
12 VICE BERLIN
EinLEITUNG
sind. Aber das ist egal, denn jeder feiert das Gefühl, hier machen zu können, was
man will. Egal wie bescheuert du aussiehst, es interessiert hier niemanden.
Davon abgesehen ist wirklich jeder gleich beschissen dran. Die Stadt ist pleite, die
Studenten leben vom Geld ihrer Eltern, die Kreativen und urbanen Bohemians
sind chronisch unterbezahlt und der Rest lebt von Stütze. Allerdings ist das noch
lange kein Grund, in Existenzkrisen abzurutschen. Die Mietpreise sind lachhaft
und das, was du jeden Monat irgendwie zusammen kratzt reicht aus, um jede
zweite Nacht die Sau rauszulassen. Tatsächlich hat Berlin zu Recht den Ruf ein
gutes Nachtleben zu haben.
All die anderen Klischees, die über die Stadt kursieren, sind meistens ein klein wenig
übertrieben. Es ist nicht so, dass du hier ständig den Ikonen des Zeitgeschehens
begegnest, die gerade in einem Café in Mitte an ihren neuen Drehbüchern, Top
10-Hits oder Krebsheilmittelstudien schreiben. Es sei denn, du zählst Gestalten
wie Daniel Brühl oder Jana Pallaske oder MTV-Moderatoren dazu.
Und auch die Legende, sich hier im Zentrum des kulturellen und politischen
Geschehens zu befinden ist Quatsch, weil keiner so richtig weiß, wo das Zentrum
überhaupt ist. Irgendjemand kam mal auf die Idee, Berlin durch Eingemeindungen
so lange aufzupimpen, bis die Stadt so riesig ist, dass sich niemand zurecht findet
und es Viertel gibt, die du in deinem Leben nie besuchen wirst. Der Berliner sagt
übrigens nicht Viertel, sondern Kiez und verteidigt seinen eigenen bis aufs Blut.
Der Berliner an sich ist übrigens im Grunde seines Herzens ein liebenswerter
Mensch, doch nach außen gibt er sich als patziges Arschloch zu erkennen. Damit
diese Eigenart auch glaubwürdig rüberkommt, wurde die Berliner Schnauze
erfunden. Sie ist in ihrer Urform nur noch selten anzutreffen, da es so etwas wie
echte Berliner kaum noch gibt, aber Immigration und Gangsta Rap haben schon
zu neuen, wirklich amüsanten Weiterentwicklungen geführt. Man sagt ja auch,
Sprache ist lebendig. Berlin ist es ebenfalls. Herzlich willkommen!
14 VICE BERLIN
MITTE
DAS Mitte ist das Zentrum des Universums. Zumindest des Universums Berlins. Von
dort strahlt die Coolness der Hauptstadt auf die ganze Bundesrepublik aus wie
ZENTRUM
der leckgeschlagene Reaktor in Tschernobyl. Aber bevor du jetzt denkst, dass
der ganze heiße Scheiß aus diesem Stadtteil kommt – das ist nur der Fiebertraum
DES
eines delirierenden Telenovela-Drehbuchautoren. In Wirklichkeit rennen alle
nur nach Mitte, um dort ihren Latte zu trinken, während sie sich gegenseitig
maßlos mit ihrer Coolness auf die Nerven gehen.
FIRMAMENT – Schröderstr. 8
Das Firmament ist einer dieser Klamottenläden, bei denen du beim ersten Besuch
Foto: Christoph Voy
20 VICE BERLIN
MITTE
und Millionen von Touristen überlebt, also wird sie auch deinen Besuch noch
überstehen. (S. 86, Nr. 7)
DOLORES – Rosa-Luxemburg-Str. 7
Im Dolores bekommst du großartige, gesunde Burritos und Salate. Du solltest
dich nur nicht über den Heuschreckenschwarm an Leuten aufregen. Oder dar-
über, dass du bei jeder Zutat ungefähr drei Optionen zur Auswahl hast und die
Leute vor dir sich über jede von ihnen mindestens drei Minuten lang den Kopf
zerbrechen. (S. 86, Nr. 1)
Monsieur Vuong – Alte Schönhauser Str. 46
Davor stehen immer entweder zehntausend Menschen Schlange, oder es ist
gerade geschlossen. Ihr könnt es gerne probieren, aber wir bezweifeln, dass ihr
Glück habt. Wahrscheinlich kochen die da gar nicht.
CITYSTAY – Rosenstr. 16
Wenn die vom Citystay Hostel sagen, es liegt zentral, meinen sie das so: Es
befindet sich im Zentrum von Mitte direkt beim Alexanderplatz. Außerdem
haben sie ein wirklich angenehmes Interieur, eine Terrasse, einheimisches
Store, Berlin
Rochstr. 18 Opening Hours
10178 Berlin Mo-Sa 12-20 Uhr
www.dunderdon.com
22 VICE BERLIN
MITTE
Personal und gutes Frühstück. Eigentlich willst du dich gar nicht vom Hostel
entfernen, sondern den Rest deines Lebens unter den, für Hostelverhältnisse,
unglaublich hygienischen Duschen verbringen. Dafür bist du doch nach Berlin
gekommen, oder?
WEINBERGSPARK
Der Weinbergspark ist so popelig klein, dass du gerade mal fünf Minuten
brauchst, um einen repräsentativen Gesellschaftsquerschnitt zu beobachten.
Der fängt ganz unten bei den Pennern an, die vorne auf den Bänken sitzen.
(Geh nicht zu nah an ihnen vorbei, manchmal müssen sie sich ganz plötzlich
übergeben.) Bahne dir auf halber Höhe den Weg vorbei an den Pärchen, die auf
der Wiese zwischen den Müllhaufen rummachen und komm schließlich ganz
oben an, bei den todschicken Touristenfamilien, die sich auf der Terrasse des
Nola’s Schweizer Torten reinstopfen.
KIM – Brunnenstr. 10
Das Kim besteht aus Chrom und Glas, ist so weiß und sauber und derart 80er
New Wave, dass du mit jedem in diesem Laden ungeschützten Geschlechtsverkehr
auf der Toilette haben könntest, ohne dir irgendwas einzufangen.
24 VICE BERLIN
Prenzlauer Berg
KINDERKACKE Nachdem du erst mal „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ krakeelst und mit dem Le-
ben abgeschlossen hast, ziehst du am besten sofort nach Prenzlauer Berg. Dort
hängst du dann, je nach Geschlecht, entweder mit den alleinerziehenden Vätern
Nachdem du erst mal „ScheiSSe, ScheiSSe, im Mauerpark oder den alleinerziehenden Müttern auf dem Käthe-Kollwitz-
ScheiSSe“ krakeelst und mit dem Leben Platz ab. Die wenigen Singles, die du im Prenzlauer Berg antriffst, sind auch
abgeschlossen hast, ziehst du am Besten bedauerlich einfach zu kategorisieren: Sie haben noch nicht mitbekommen,
sofort nach Prenzlauer Berg. dass der Zug abgefahren ist und ziehen weiter ihre kleine Hipster-Show ab.
Trotzdem gibt es einige Relikte aus Zeiten, in denen P-Berg, wie die Assis es
nennen, noch cool war und den Charme der Bronx versprüht hat.
FRAROSA – Zionskirchstr. 40
Foto: Andy Kania
Die Weinerei ist einer dieser Kollektiv-Läden, die auf antiautoritäre Erziehung
und gescheiterte Existenzen, sprich arbeitslose Schriftsteller setzen. Im Kampf
mit deinem schlechten Gewissen entscheidest du abends selbst, wie viel du für
die Vier-Gänge-Menüs inklusive Wein bezahlst.
PAULE 19 – Paul-Robeson-Str. 19
Um hier „dazuzugehören“, musst du schon eine Uniform tragen und einen richtig
fiesen Ossi-Akzent drauf haben. In dieser lächerlichen DDR-Kneipe kannst du dich
für 14 Cent ins Koma saufen und dir richtig üblen Kommunistenpop anhören.
NAPOLOJONSKA – Kastanienallee 43
Auf der schattigen Seite der Kastanienallee kannst du dich an einem Teller frisch
gebackener Waffeln vergehen, die unter einer Pfütze aus Eiscreme, Schokosauce,
Bananen, Zimt, Sirup, Grafschafter Goldsaft und Puderzucker verschwinden.
SAHARA – Gleimstr. 25
Diese Typen verkaufen das mit Abstand beste Schawarma vom Prenzlauer Berg
und gehören außerdem zu den wenigen Imbissläden der Stadt, bei denen du dir
keine Gedanken machen musst, ob du da Hund isst ...
30 VICE BERLIN
Prenzlauer Berg
32 VICE BERLIN
Prenzlauer Berg
MAUERPARK
Sobald es Sommer wird, quillt der Park über vor Gras und scheiß Bongos und
das Einzige, woran du noch denken kannst, ist ein Maschinengewehr, mit dem
du wild um dich ballerst. Dafür gibt es dort jeden Sonntag einen Flohmarkt,
den du dir mindestens einmal ansehen solltest.
34 VICE BERLIN
KREUZBERG
lost in
Kreuzberg ist eine alte Hure. Die Art von Hure, die zwar unfassbar verkommen
ist und von der du dir die Syphilis eingefangen hast, zu der du aber trotzdem
translation
immer wieder rennst, weil sie weiß, was du willst. Klar, du kannst überall in
Berlin saufen gehen, aber nirgends in der Stadt ist die Chance so groß, am
frühen Morgen von einer Hundertschaft Bullen verkloppt zu werden, obwohl
du nur nach Hause gehen wolltest. Wenn du dann noch von den freundlichen
in KREUZBERG wirst du hoffnungslos
jungen Männern, die leger an der Ecke herumlungern, abgezogen und von den
versumpfen, weil du nichts von dem, Crustpunks mit Bier bespuckt worden bist, möchtest du endgültig wegziehen.
was du dir vornimmst, jemals hinkriegst. Aber das ist ähnlich Erfolg versprechend wie alles, das du dir in Kreuzberg
vornimmst: Du kommst eh niemals dazu.
IL CASOLARE – Grimmstr. 30
OK, dem Chef des Il Casolare gehört zwar inzwischen eh ganz Berlin und in
jedem Stadtteil bekommst du die gleichen Pizzen und Pastagerichte, aber es ist
immer wieder nett, seine Pizza durch wahlloses Fingerzeigen auf die rigoros
nur auf Italienisch verfasste Karte zu ordern.
SPÄTZLE EXPRESS – Wiener Str. 14a
Bis auf bereits fette Menschen sollte jeder in diesen Laden gehen, um sich die
Arterien mit den in Fett gebratenen Spätzle mit noch mehr Fett zu verstopfen.
Schade, dass man Fett dort nicht einfach pur trinken kann.
1 EURO PIZZA AM SCHLESISCHEN TOR
Keine Ahnung, wie oft uns dieser Laden schon das Leben gerettet hat, als
wir völlig hacke um acht Uhr morgens einfach irgendwas in uns reinstopfen
wollten. (S. 88, Nr. 1)
BURGERMEISTER – Schlesisches Tor
Foto: Tanja Kernweiss
Zeit, über seinen schmuddeligen Bruder zu sprechen. Wären beide Dönerbuden SAMEHEADS STORE – Nostitzstr. 11
Prostituierte und das Aussehen eher sekundär, würde man sich für Türkyem Die drei aus England emigrierten Brüder, die auch diese unglaublich harten
entscheiden, da die Typen einem den Börek direkt in den Mund nötigen. Hipster-Raves organisieren, verkaufen in ihrem Laden allerhand Designer-
T-Shirts und Secondhandzeugs.
PALOMA BAR – Skalitzer Str. 135
(Eingang: die unappetitliche Betontreppe hoch, dann links.) – Wir befinden COLORS – Bergmannstr. 102
uns wieder im Berlin der 80er. Das Treppenhaus ist übersät mit gebrauchtem Berlin ist stilprägend. Vor allem die Obdachlosen legen styletechnisch einige
Spritzbesteck der netten Junkies vom Kaisers-Markt nebenan. Der Laden ist Kunstgriffe vor. Wenn du wie jeder in der Stadt versuchen willst, ebenfalls
klein, eng und verschwitzt und es gibt nur eine Toilette. wie ein Luxuspenner auszusehen, kannst du hier Secondhand-Klamotten in
Kilo-Paketen kaufen.
FETTE ECKE – Schlesische Str. 16, Ecke Cuvrystraße
Dieser Laden ist top, wenn ihr Roadies aufreißen wollt, die sich während der GÖRLITZER PARK
Konzerte im Lido gegenüber an der Bar einen reinstellen. Wer die Schüssel in der Mitte des Parks kennt, in der sich an sonnigen Tagen alles
und jeder trifft, kennt auch den Drang, die ganzen Hippies und all die Hunde-
MINI BAR – Graefestr. 77 scheiße, aus denen der Park besteht, in einer großen Toilette runterzuspülen.
Wie schon der Name vermuten lässt, kannst du dich in der Mini Bar auf engstem
Raum ordentlich betrinken. Wie sie es geschafft haben, dort noch ein DJ-Pult BADESCHIFF – Eichenstr. 4
reinzuzirkeln, weiß wohl nicht mal der DJ selbst. Besuch das Badeschiff nur am frühen
Morgen oder im Winter. Die Nach-
MONARCH – Skalitzer Str. 134 mittage im Sommer sind die pure De-
Es gibt billiges Bier, einen Kicker, einen leicht nach Mainstream anmutenden mütigung in der Warteschlange. Nur
Mix aus Soul, Garage, Electro, und Schnaps am späten Abend, während die ein paar Meter vom Wasser entfernt
U-Bahnen an den Panoramafenstern vorbeirauschen und man Wetten auf die transpirierst du für Stunden in sen-
sich mit der Polizei prügelnden Junkies am Kotti abschließen kann. gender Hitze und hoffst vergeblich
darauf, dass ein paar Leute vor dir
MOTTO BUCHLADEN – Skalitzer Str. 68 ohnmächtig werden, damit du in der
Sieht aus wie eine schöne, alte Bibliothek, die sich aber des ganzen langweiligen Schlange aufrückst.
alten Schunds entledigt hat und nun nur noch ausgewählte Fanzines, Kunstpu-
blikationen, Mode, Designzeitschriften und krude Magazine führt. HÜHNERHAUS – Görlitzer Str. 1
Jeden Abend bildet sich dort die längs-
Foto: Max Paul
mit kaltem, leblosem Blick voller Hass an. Sie denken, du würdest ihnen den
Platz in der Schlange streitig machen wollen. Es gibt ständig Prügeleien. Ach
ja: Es geht um halbe Hähnchen vom Grill. (S. 88, Nr. 3)
ADMIRALSBRÜCKE
Die Admiralsbrücke ist der Ort, an dem du laue Sommernächte verbringen
solltest. Mit einem Bier in der Hand, einer Frau im Arm, unter dir der träge
dahinfließende Kanal und irgendjemand, der seine Gitarre rausholt und „House
of the Rising Sun“ anstimmt. Wenn dir das zu klischeebeladen ist, kannst du
dich aber auch mit den anderen hippen Kids dort treffen, um dich über Gitar-
renspieler und die Pärchen lustig zu machen.
C
COMEBACKPACKERS – Adalbertstr. 97
M
Wenn du direkt in einem von der deutschen Presselandschaft als „sozialen
Brennpunkt“ bezeichneten Stadtteil unterkommen willst, dann empfehlen wir Y
dir das Comebackpackers am Kottbusser Tor. Der Eingang ist ein bisschen ver- CM
steckt, aber wenn du dann drin bist, bist du kein Gast mehr in Berlin, sondern MY
lebst wie die fünf übrig gebliebenen echten Berliner in mit Flohmarktmöbeln
CY
eingerichteten Zimmern. (S. 88, Nr. 4)
CMY
In Kreuzberg gibt es noch die Läden, die genau das führen, was man wirklich braucht.
40 VICE BERLIN
FRIEDRICHSHAIN
KIDS, KIDS, ... Insekten erst ins Labor bringen und ihre Nährwerte bestimmen lassen musste,
bevor er sie in Deutschland verkaufen durfte. (S. 89, Nr. 1)
Die Vorhölle auf Erden. SIGIRIYA – Grünberger Str. 66
Friedrichshain ist eine Nahtoderfahrung. Jetzt, da der Bürgerkrieg in Sri Lanka Geschichte ist, werden die ganzen
sri-lankischen Flüchtlinge, die hier als Köche gejobbt haben, wieder abzie-
hen und uns alleine lassen mit unseren Currywürsten, Bratkartoffeln und
Wie in einem Ghetto leben in Friedrichshain all diejenigen, die gerade erst in Dürum-Dönern. Schade, denn ihre Küche ist das Beste, was dieser Stadt je
Berlin angekommen sind, zwischen Linksextremen, Rasta-Kiddies und Emos. passiert ist.
Während sie alle auf den Semesterbeginn warten (oder darauf, dass ihre Band
durchstartet oder die kommunistische Revolution ausbricht und sich die Völ- SOL Y MAR – Krossener Str. 20
Foto: Max Paul
ker zum letzten Gefecht für die Menschenrechte aufschwingen), verbringen Bevor du wie ein Idiot um den Boxhagener Platz rennst und versuchst, zwischen
sie ihre Zeit mit genau vier Aktivitäten: An sonnigen Tagen zwängen sie sich den überteuerten Frühstücksoptionen den idealen Brunch zu finden, geh gleich
auf das kleine grüne Karree des Boxhagener Platzes, um den Bongospielern zum Sol Y Mar. Der über und über tätowierte Pirat, der da arbeitet, macht
DACHKAMMER – Simon-Dach-Str. 39
Sie haben es mit der Gemütlichkeit etwas übertrieben. Immer, wenn wir da
zum Warmtrinken (Fuck „Vorglühen“, wir sind nicht mehr in der Steinzeit!)
hingingen, erwachten wir am nächsten Morgen unverrichteter Dinge in einem
der saubequemen 50er-Jahre-Sessel und wussten nicht, wo wir waren. (Aber
das Frühstück ist auch OK.)
44 VICE BERLIN
NEUKÖLLN
zu faul sind, uns dorthin zu schleppen. Da alle Neuköllner, die wir kennen,
sagen, dass sie zum Partymachen immer nach Kreuzberg rüberfahren, reden
wir uns bisher erfolgreich ein, dass wir nicht allzu viel verpassen.
SONNENALLEE
Die Sonnenallee ist in erster Linie eine ewig lange Aneinanderreihung von
Internetcafés. Wie, du brauchst sowas nicht, du hast ein iPhone? In Neukölln?
Auf offener Straße benutzt? Du hattest ein iPhone. (Falls es dich tröstet: In dem
Laden Ecke Treptower Straße kriegst du für fünf Euro ein neues.)
SYNDIKAT – Weisestr. 56
Angesichts seines, ähm, Jahrhunderte (?) andauernden berüchtigten Rufes rei-
chen hier eigentlich die Stichworte: links - Kicker - Bier - Punks - Holztische.
Du kannst es dir vorstellen.
TICKET? Neukölln genauso im Kommen ist wie vor drei Jahren der Wedding. Wenn du
Glück hast, halten sie den Mund und hören sich die Kiezcomedy-Folgen auf
dem kneipeneigenen Radiosender an. (S. 88, Nr. 5)
Neukölln ist der Ort in Berlin,
an dem alles nur einen Euro kostet. MOVIEMENTO – Kottbusser Damm 22
Kinos, in denen man Filme im Original sehen kann, sind rar geworden, deshalb
ist das Moviemento mit seiner ausgezeichneten Filmauswahl ein kleines Juwel.
Neukölln ist der Ort in Berlin, an dem alles nur einen Euro kostet. Von den Auch wenn die Leinwände ungefähr so groß sind wie dein Fernseher und ab
Mieten über die Döner bis hin zu bizarren 11. September-Panoramen, die in und an ein Schwall Pissegeruch durch den Saal weht, der von den Obdachlosen
den unzähligen Schrabbelläden auf der Karl-Marx-Allee feilgeboten werden. ausgeht, die sich das Kino als Unterkunft ausgesucht haben.
Da alles nur einen Euro kostet, soll Neukölln seit Kurzem plötzlich das neue
große Ding sein, wenn du Künstler, Freigeist oder Hartz-IV-Empfänger bist – LAIKA – Emserstr. 131
Foto: Max Paul
oder aus Schweden kommst. Ständig wird davon gesprochen, dass ein neuer Bei unserem ersten Besuch im Laika trugen alle Tierkostüme. Das war nichts
Club, eine neue Galerie oder irgendein neuer Hype in Neukölln das Licht der Laika- oder Neuköllnspezifisches, wie sich herausstellte, sondern eine Motto-
Welt erblickt. Leider ist es soweit ab vom Schuss, dass wir irgendwie immer party. Bei unserem zweiten Besuch sang eine Lotte-Lenya-Imitatorin Zwanziger-
jahrechansons und fluchte über das Publikum. Das war, wie sich herausstellte,
keine Mottoparty, sondern Kunst. Na ja, egal, wir lieben das Laika. Gibt in
der Ecke ja auch sonst nicht viel zu lieben.
Ä – Weserstr. 40
Wenn das Ä in F’hain oder Prenzlberg wäre, wäre es nicht weiter erwähnenswert,
weil es tausend Äs und Ös in F’hain und Prenzlberg gibt: trashiges Interior,
bemüht hippes Publikum, ab und an Veranstaltungen, auf denen man anderswo
schon mal war. Da es aber in der Oranienstraße Neuköllns, der Weserstraße,
liegt, rechnen wir den Jungs hoch an, dass sie es hier und nicht im faschistischen
Ausland betreiben. Versuch nicht, dich dort zu verabreden, wenn der andere
den Laden nicht kennt. Er schickt dich sonst nach dem dritten Wiederholen des
Lokalnamens zum Logopäden. (S. 88, Nr. 6)
48 VICE BERLIN
CHARLOTTENBURG
HEY FRIEDE und (so Gott will) mit einer Baskenmütze wohlfühlen, dann ist die Paris Bar
perfekt. Klein, stimmungsvoll und voller Kunstdrucke und Spiegel. Du findest
sogar einen dieser schwarz-weiß gefliesten, total avantgardistischen Böden unter
CHARLOTTENBURG ist der Ort in Berlin, deinen Füßen. Lieblingslokal vieler Schauspieler und Regisseure ... wenn mal
Foto: Christoph Voy
an dem alles TOTAL IN ORDNUNG IST. wieder „Zutritt nur für Arschlöcher“-Abend ist.
LIETZENSEE PARK
Wenn du all deine Energie damit verplempert hast, auf dem Ku’damm her-
ASHOKA – Grolmanstr. 51
Das indische Restaurant Ashoka ist aus zweierlei Gründen historisch relevant.
Erstens war es Berlins erstes indisches Restaurant und hat schon seit 1975 auf.
Zweitens ist es bis jetzt der einzige Laden, der indisches Essen serviert, das nicht
schmeckt wie ein in Pisse mariniertes, überfahrenes Tier. Allein das macht es
schon mehr als außergewöhnlich.
MSUCHTNACHFILM – Kantstr. 28
Eins der bestgehütetsten Geheimnisse von Charlottenburg. Das Msuchtnach-
Film ist eine Opiumhöhle voller klassischer, obskurer, gelöschter und schwer
zu findender Filme. Besessene Filmfanatiker kriegen sich kaum ein vor Begeis-
terung, weil es hier auch noch eine Riesenauswahl an seltenen Filmsoundtracks
gibt. Dirty Dancing? Gerne doch. Einmal nach hinten durch und dann auf der
rechten Seite.
52 VICE BERLIN
ANDERE VIERTEL
und Soundprojekte zeigen. Wahrscheinlich verläufst du dich schon auf dem Weg
dahin, weil dir ein paar schäbige Weddinger den falschen Weg sagen, oder spätes-
tens, wenn du drin bist. Am besten du kämpfst dich alleine durch das Labyrinth
im Keller nach oben, dahin, wo sie früher kleinen Kommunistenkindern das
Schwimmen beigebracht haben. Wenn du ein Schild siehst, auf dem „Ich wollte
meiner Frau ein Kind kaufen“ steht, bist du im Paradies angekommen.
PERLEN
Alleine schon wegen des besten Kimchi, was du in Berlin jemals finden wirst,
lohnt es sich, doch mal in den Wedding zu fahren. Der Chefkoch ist ein echter
Samurai, aber trotzdem der liebenswerteste, weichherzigste Mensch, dem du
je begegnen wirst.
STATTBAD WEDDING – Gerichtsstr. 65 – Wedding Ricardo Villalobos legt hier auf. Jedes Wochenende, wirklich. Na gut, und wenn
In diesem alten Schwimmbad werden ständig irgendwelche Großausstellungen nicht er, dann ist es eben Ritchie Hawtin. Einige Gäste lassen währenddessen
veranstaltet, wo bis zu 20 Künstler gleichzeitig ihre Bilder, Videoinstallationen ihre Beine im Wasser baumeln und andere haben legeren Sex auf der Bar.
Robinson Crüsoé is just one of the amazingly important people you could meet at a wanky Berlin
art gathering. Just don’t forget to bring Kurt, your recycled shopping bag friend - unless of course
you enjoy spending all night talking to Swedish hair bloggers or Americans.
Boy! The music scene here is mental. No one Hey! Turkey Ass Manchild, your band left the
told me Winnie Mandela had died and been stage half an hour ago. Stop whining about
reincarnated in the body of Spotty, the guitar how your dad slapped up your soft ass-cheeks
playing trainee doctor. with a sandpaper-covered gerkin and put on
some pants.
56 VICE BERLIN
DOs & DON’Ts
A lot of people say that Kraftwerk represent the only important contribution Germany has made
to world youth culture, but those haters haven’t heard Otto, Wilhelm and Günther’s Neu Jesus
Beatbox Crew! They’re taking back Berlin, one defiled virgin at a time.
The Bratwurst is not just a funny name for a Though officially disbanded after that little
gay strip club, it also contributes to over 95% 1939-45 slip up, the German Navy is now back
of the German economy. That makes Mr and with a bang. They mainly patrol The Bratwurst
Mrs Mustard here, more powerful than Donald looking for stray buoys.
Trump’s latest ex-wife.
58 VICE BERLIN
DOs & DON’Ts
Each year in Berlin, the entire city unites for the UFOs (Urine Firing Olympics). When Rudi the
midget entered this year’s high piss contest, it was always going to end in wet shoes.
This little look is a mainstay in Berlin Disko- Marlene, you really need to chill yourself down
theks. The theory is: the more stupid you look, with those Quadruple Vodka Slushies. Sure,
the less you care, and the less you care, the we’re all happy they got rid of the wall, but that
more dick you get. was 20 years ago and you’re still my mother.
60 VICE BERLIN
DOs & DON’Ts
Berlin is the fashion capital of Germany. This means, the streets are overrun with erodite, aryan
gods and goddesses like this hunky love piece. See, world? Who needs eugenics now?
Berlin is so cheap, everyone can afford the People say Berlin is full of “history”, which is
finest wines and the hottest girls - even your a nice way of saying, “amazingly bad things
second-hand shoes are getting in on it. went down here”. Strange then, how history
keeps repeating itself.
62 VICE BERLIN
VICE FASHION
EINE FAHRT
INS BLAUE T-Shirt von Irie Daily
Tasche von Freitag, eigenes Top, Schal von Drykorn, Rock von Drykorn.
Clément: Shorts von Dunderdon, eigenes Top, Schuhe von DC. T-Shirt von Adidas, Hosenanzug von Dunderdon.
Seyna: eigenes Top, Rock von Drykorn, Schuhe von Camper, Sonnenbrille von Oakley.
Clément: T-Shirt von Irie Daily. Seyna: Hemd von Irie Daily,
Sonnenbrille von Oakley. Tiphaine: T-Shirt von Irie Daily,
Sonnenbrille von WeSC.
DER Du bist also hier, weil du tatsächlich dieser Legende von Berlin als „dem
aufregendsten Ort der Welt“ aufgesessen bist. Es interessiert dich zwar
SÜNDENPFUHL
wahrscheinlich keine Spur, aber historisch betrachtet entstand sie aufgrund
der Teilung der Stadt und dem Enklavenstatus Westberlins vor dem Fall der
Mauer. Irgendwann verschmolz der kapitalistisch aufgepäppelte Teil der Stadt
UND WENN SIE SONST NICHTS KÖNNEN, HIER mit dem heruntergewirtschafteten Zentrum des sozialistischen Paradieses und
WEISS MAN NOCH, WIE MAN PARTY mACHT. es entstand ein sympathisch wiedervereinigtes Berlin, in dem es an jeder Ecke
gleich beschissen stinkt, dessen Haushalt bis in alle Ewigkeit unausgeglichen
sein wird und in dem jeder machen kann, was er will. Berlin bedeutet Freiheit,
deswegen kommen sie zu Tausenden angerannt, die Jungen, die Talentierten,
die Kreativen, die Bekloppten, nur, um von den Verheißungen des liberalen
Berlins zu kosten und endgültig durchzustarten. Spätestens nach zwei Mona-
ten stellen sie aber fest, dass sie nicht allein sind und es schon drei Millionen
andere Web-Agentur-Start-ups, T-Shirt-Labels und Jungschauspieler gibt.
Aber wir können stolz auf diese Leute sein. Anstatt den Kopf in den Sand zu
stecken, sich zu erschießen oder nach München zu ziehen (was in etwa auf
dasselbe hinaus läuft), leben sie von Gastrojobs oder Stütze und finden ihren
neuen Lebensinhalt darin, jeden Tag zu feiern, als sei es der letzte. Dadurch
haben sie aus Berlin das gemacht, was es heute ist. Ein Sündenpfuhl, der es
zu absolutem Weltruhm gebracht hat.
BAR 25 – Holzmarktstr. 25
Ein sagenumwobenes Afterhourmekka. Wenn überall sonst schon die Lichter
angehen, du aber noch nicht genug hast, kannst du immer noch in die Bar
25 stolpern – sie ist am Wochenende durchgehend geöffnet. Manche Leute
verbringen ganze Wochenenden dort. Na ja, manche Leute scheinen dort zu
wohnen. Befürworter sehen in ihr ein freigeistiges Zentrum des hedonistisch
determinierten Liberalismus. Kritiker nennen sie ein Auffangbecken für Drogen-
opfer. Beides meint natürlich das Gleiche. Sie sieht aus wie eine Mischung aus
einem feuchten Traum Karl Mays und einer Nomadensiedlung, die momentan
Foto: Max Paul
WEST GERMANY – Skalitzer Str. 133 Ecke für die Hardcore-Homos ein, überziehe das Ganze mit einem mythischen
Das West Germany ist eine ehemalige Arztpraxis. Erstaunlicherweise haben die Schleier, befiel dem Türpersonal, niemals zu lächeln und schon rennt dir das In-
Betreiber es geschafft, jedes Indiz der Vergangenheit zu vernichten. Im Aufgang und Ausland jede Woche die Bude ein und du rangierst in allen internationalen
empfängt dich ein Pissebukett und sobald du den Laden betrittst, hast du das Rankings der besten und verrücktesten Clubs auf den vordersten Plätzen. Klingt
Gefühl, reinstes Asbest einzuatmen. Es ist so etwas wie die Antithese zu den einfach, ist es dann letztendlich aber wohl doch nicht. Nicht wahr, Tresor?
schicken Mitte-Läden und ein Auffangbecken für Scenester, die sich mehr für
ihre verrückten Frisuren und (mit Absicht) löchrigen Klamotten interessieren PICKNICK – Dorotheenstr. 90
als für die Bands, die dort spielen. Was eine Schande ist, denn das Booking dort Das Picknick hat seinerzeit die Obhutspflicht für die Berliner Hipster vom Rio
ist ausgezeichnet. übernommen. Dann eröffnete allerdings in unmittelbarer Nähe das Scala und
keiner wusste so richtig, wo es jetzt eigentlich cooler ist, die neuen XL-Blusen
MAGNET – Greifswalder Str. 212/213 (Mädchen) und pointed shoes (Jungs) spazieren zu tragen. Das Scala ist allerdings
Bei vielen Leuten gilt es als nicht besonders cool, im Magnetclub abzuhängen. mittlerweile schon wieder der Schnelllebigkeit des Berliner Nachtlebens zum
Lustigerweise sind es dann genau diese Leute, die du ständig dort triffst. Der Opfer gefallen. Das heißt, wir können wieder ruhiger schlafen, denn wir haben
Magnet ist das Schweizer Taschenmesser unter den Berliner Clubs. Er ist Touristen- weniger essenzielle Entscheidungen zu treffen.
schleuse, Pubertätsbeschleuniger, stilistisch vielseitige Konzert- und Partylocation
und der Laden mit den widerspenstigsten Sanitäranlagen. Den Betreibern ist es
irgendwie gelungen, dem hässlichen Loch einen gewissen Charme zu verleihen.
Du solltest den Magnet trotzdem niemals bei Tageslicht betreten.
GOLDENGATE – Jannowitzbrücke
Total verkommener Afterhour-Spot, in dem jedem der Beteiligten und Anwesenden
eigentlich alles egal ist und in dem du dir schon beim Öffnen des Hosenstalls
irgendeine Geschlechtskrankheit einfängst. Alle vier Takte der immergleichen
Techhouse-Beschallung wirst du von irgendwelchen zittrigen Typen um etwas
angebettelt.
WATERGATE – Falckensteinstr. 49
Das Watergate hat eine Vergangenheit als mittelmäßiger Hip-Hop- und
Drum’n’Base-Schuppen, an die sich aber niemand mehr erinnert, weil sich das
Publikum diese Teile des Langzeitgedächtnisses längst weggekokst hat. Heute ist
es einer der renommiertesten Technoclubs der Stadt mit einer netten Lichtanlage
und einem netten Blick auf die Spree. (S. 88, Nr. 7)
76 VICE BERLIN
EIN TAG MIT PEACHES
DRECKIG!
„If I had one Wish? I‘d wish that berlin
Would stay fucked up forever.“ PEACHES
aus der Tasche zu ziehen und will eigentlich die Weltherrschaft. Ihr Kopf
und logistisches Zentrum ist der Wedding. Dort haben Künstler wie John
Bock ihr Studio in riesigen alten Fabrikhallen und produzieren Projekte am
Fließband. Nicht aber, weil die Atmosphäre zwischen den sozial Schwachen
und Hartz-IV-Empfängern „inspirierend“ ist, sondern, weil die Mieten am
billigsten und die Aufmerksamkeit am höchsten ist. Die ausführenden Organe
sind die insgesamt 440 Galerien in denen jährlich geschätzte 6000 nationale
und internationale Künstler ausstellen. Alle natürlich privat finanziert, von
den Reichen, die in Berlins Vorstädten oder der Kantstraße wohnen und auf
kleine Jungs mit Farbspritzern im Gesicht stehen. Die Vorherrschaft über
die „Kunst“ hat bereits die Torstraße übernommen, weil du dort ein weißes
Zimmerchen mit bunten Bildern neben dem nächsten findest. Der Eliteclub
der Armut, die Künstlersozialkasse, belegt, dass auf 10.000 Einwohner in
Berlin 80 Künstlern kommen, Tendenz steigend. Dann musst du noch alle
zugezogenen Mitläufer addieren und du hast eine gigantische Untergrundar-
mee, die bei der Berlin-Biennale versucht, die Stadt auf die Bühne des inter-
In der Strychnin Galerie sieht es aus, wie in Tim Burtons Wohnzimmer. nationalen Kunstgeschehens zu heben. Das ist ihnen aber nicht mal in der
Zeit des Kunstmetropolenhypes gelungen und so verschwinden die, „die den
AN DIE WAND
Durchbruch schaffen wollen“, inzwischen doch wieder nach New York. Die
anderen dümpeln weiter in Berlin vor sich hin und vertreiben sich ihre Zeit
damit, ihre Werke im Mauerpark auf dem Flohmarkt zu verkaufen, während
Jeder macht HIER irgendwann sie von Ruhm und Weltherrschaft träumen.
zwangsläufig „irgendwas mit Kunst“, AM
WAHRSCHEINLIchSTEN WOHL EINE GALERIE. STRYCHNIN – Boxhagener Str. 36
Das ist die Galerie in der Boxhagener, die nicht aussieht wie eine Baustelle oder
eine Hippie-Kommune, sondern wie Graf Draculas private Kunstsammlung.
Als sich in Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts schon langsam die Anar- Den Raum mit den Graffitis, die nicht einmal in den 80ern cool gewesen wären,
chisten durchsetzten und den Impressionismus aus ihren rotweinblutenden musst du einfach ignorieren.
Lenden pressten, wurden in Berlin noch fleißig Kaiserbilder gemalt. Das
erste bisschen Moderne, wurde im Keim erstickt, als der Verein der Berliner MERRY KARNOWSKY – Torstr. 175
Künstler Munch ausstellen wollte und ein paar Tage später aufgrund „öf- Die behinderte kleine Schwester vom Haupthaus in Los Angeles wurde mir von
fentlicher Empörung“ die Ausstellung wieder schließen musste. Heute ist einem stadtbekannten Kunstkritiker als „schon anspruchsvoll, aber nicht zu
Kunst in Berlin wie Scientology: wäscht dein Gehirn, versucht dir das Geld dick aufgetragen“ beschrieben. Wieder so eine Artsy-Floskel.
LODOWN GALLERY WESTBERLIN – Brunnenstr. 56 Galerien der Welt schaffte, um dort von Champagner schlürfenden Yuppies
Dank Lodowns großzügiger Spende für diesen Eintrag, konnte dieser Guide in bestaunt zu werden? Das hier ist eine davon. Willkommen. Der Schampus steht
Farbe gedruckt werden. hinten rechts. (S. 87, Nr. 10)
UNSERE
STRASSEN In diesem EDEKA hat Maxim immer geklaut. An der
Kasse hat er eine Tüte Zwiebelringe bezahlt und die
AN EINEM Taschen mit Haribo, Zigaretten und Wodka vollgestopft.
Heute macht er das nicht mehr und legt jeden Abend
WUNDERSCHÖNEN eine Tüte Zwiebelringe an den Eingang, um sich post-
hum für seine Tat zu entschuldigen.
SONNTAG GINGEN
WIR MIT k.i.z.
DURCH KREUZBERG
SPAZIEREN.
Fotos: CHRISTOPH VOY Vom Royal Bunker durften wir kein Foto
machen, weil K.I.Z. Angst haben, dass sie
tote Katzen vor die Tür gelegt bekommen
und hunderte Mädchen am Eingang zelten.
Deshalb hier die Hundehütte von Fred, dem
Hund des Managers Beat.
Das war der Spielplatz von K.I.Z., als die Jungs etwa
zwölf Jahre alt waren. Damals gab es noch nicht den
Nachbau der Titanic, auf dem Tarek für uns „My heart
will go on“ singt.