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D.

Schenk: Hans Frank 2007-1-090

Schenk, Dieter: Hans Frank. Hitlers Kronjurist gen werden, doch sei hier ein kurzer Le-
und Generalgouverneur. Frankfurt am Main: S. benslauf mitgeteilt. Nachdem Frank 1924 in
Fischer 2006. ISBN: 3-1007-3562-5; 485 S. die SA aufgenommen wurde und kurz da-
nach zum Dr. jur. promovierte, stieg er im-
Rezensiert von: Benjamin Obermüller, Bonn mer weiter in der NS-Hierarchie auf. 1927
wurde er Parteimitglied und gründete 1928
Seit Jahrzehnten faszinieren die vorderen Rei- den Nationalsozialistischen Deutschen Juris-
hen der nationalsozialistischen Führung die tenbund. Adolf Hitler ernannte Frank ein Jahr
historische Forschung. Umso erstaunlicher später zum Leiter der Rechtsabteilung der
ist es, dass es nur über wenige führen- NSDAP. In zahlreichen Prozessen verteidig-
de Nationalsozialisten/innen wissenschaft- te Frank „seinen Führer“. Nach der Machter-
lich brauchbare Biografien gibt. Über Adolf greifung 1933 wurde Frank zum „Reichskom-
Hitler findet man, und das verwundet kaum, missar für die Gleichschaltung der Justiz und
derer einige.1 Eine auf breiter Quellenbasis für die Erneuerung der Rechtsordnung“ er-
stehende und alle wesentliche Aspekte seines nannt. Bevor er also 1939 Generalgouverneur
Lebens berücksichtigende Arbeit über Joseph des besetzten Polen wurde, hatte Hans Frank
Goebbels steht hingegen noch aus.2 Gleiches schon eine beachtliche Karriere als Jurist hin-
gilt für die Person Heinrich Himmlers.3 Nun ter sich. Er trieb dabei stets die Aushöhlung
wurde der Generalgouverneur für das besetz- des etablierten Rechtssystems voran und half
te Polen, Hans Frank, zum „Untersuchungs- in verantwortlichen Positionen mit, das „neue
gegenstand“ des ehemaligen Kriminaldirek- Deutschland“ auch juristisch neu auszurich-
tors im Bundeskriminalamt und freien Autors ten.
Dieter Schenk, der in der Vergangenheit vor Als „König von Polen“ war Frank durch
allem durch seine Bücher über den Gauleiter seine Politik zudem mitverantwortlich für
Albert Forster und die „braune Vergangen- den Mord an Millionen von Polen und Ju-
heit“ des BKA einen gewissen Bekanntheits- den. Auf der Krakauer Burg Wawel fürst-
grad erlangte.4 Schenk, von Hause aus kein lich residierend (von Parteigenossen wurde
Historiker, gliedert seine Untersuchung in das Generalgouvernement höhnisch „Frank-
drei große Abschnitte. Zunächst wird Franks Reich“ genannt), ließ er als Chef der Zivil-
Wirken als „Kronjurist der Bewegung“ in den verwaltung unter anderem polnische Kunst-
Blick genommen, bevor im zweiten Abschnitt schätze des Adels und der Kirche plün-
seine Rolle als Generalgouverneur detailliert dern. Mit dem Fortschreiten des Krieges wur-
nachgezeichnet wird. Im letzten und kürzes- de Franks Machtbereich jedoch zunehmend
ten Teil widmet sich Schenk der Flucht und eingeengt. Heinrich Himmler und Reinhard
Haftzeit sowie der Verurteilung Franks bei Heydrich, die ärgsten Widersacher Franks, si-
den Nürnberger Prozessen 1946. Ein Epilog cherten sich Eingriffsrechte im Generalgou-
von Hans Franks ältestem Sohn Niklas ver- vernement. Frank konnte zwar stets auf die
vollständigt die Studie. Rückendeckung Hitlers zählen, die innerpar-
Auf die einzelnen Stationen im Leben Hans teilichen Kritiker (vor allem Goebbels, Bor-
Franks kann an dieser Stelle nicht eingegan- mann, Speer und Himmler) wurden jedoch
lauter. Als Hitler im Sommer 1942 die rich-
1 Genannt sei nur die bisher beste und umfassendste terliche Unabhängigkeit endgültig abschaff-
Biografie von: Kershaw, Ian, Hitler. Band 1: 1889-1936,
München 1998, Band 2: 1936-1945, München 2000. te, bedeutete dies freilich auch für Hans
2 Die hervorragende Studie von Ulrich Hövel behandelt Frank einen herben Verlust, war seine Maxi-
nur Goebbels Lebensphasen bis 1933: ders, Joseph Go- me doch immerhin: „Kein Reich ohne Recht“.
ebbels. Ein nationaler Sozialist, Bonn 1992. Im Januar 1945 wurde Frank in Neuhaus am
3 Die Biografie von Richard Breitman behandelt freilich

nur die Zeit bis 1943 und spart die letzten Kriegsjahre Schliersee von den amerikanischen Streitkräf-
aus: ders., Heinrich Himmler. Der Architekt der „End- ten festgenommen. Zwei Selbstmordversuche
lösung“, Zürich 1996. in der Gefangenschaft scheiterten. In Nürn-
4 Schenk, Dieter, Hitlers Mann in Danzig. Gauleiter
berg wurde er wegen Verschwörung gegen
Albert Forster und die NS-Verbrechen in Danzig-
Westpreußen, Frankfurt am Main 2000; Ders., Auf dem den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbre-
rechten Auge blind. Die braunen Wurzeln des BKA, chen gegen die Menschlichkeit angeklagt. In
Frankfurt am Main 2003.

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den letzten beiden Punkten wurde er am 1. wolle er uns seinen Fleiß präsentieren. So wer-
Oktober 1946 schuldig gesprochen und zum den über drei Seiten Querschnitte von Reden
Tode durch den Strang verurteilt. Die Hin- ausgebreitet, die Hans Frank als Reichsminis-
richtung erfolgte 15 Tage später am 16. Okto- ter 1938 hielt – weshalb, wird nicht ersichtlich.
ber 1946 in Nürnberg. Auf jeder zweiten Seite finden sich Auflistun-
Franks ältester Sohn Niklas hat in zwei an- gen, unkommentierte Nennungen und über-
klagenden und sehr polemischen Büchern in- lange Zitate. Dies ist umso bedauerlicher, als
zwischen mit beiden Elternteilen abgerech- es Schenk doch zwischendurch immer wie-
net, der Zorn auf Hans und Brigitte Frank der gelingt, den richtigen Ton zu treffen und
scheint bei ihm bis heute tief zu sitzen. Schenk das Leben und Wirken Franks durchaus ge-
besitzt demgegenüber mehr Distanz zu sei- konnt zu schildern, so etwa im Kapitel über
nem Untersuchungsgegenstand. Dennoch ist den „Völkermord an den Juden“.
es nicht ganz unproblematisch, wenn sich Die Studie von Schenk wird der wissen-
Nicht-Historiker/innen auf dem Feld der his- schaftlichen Forschung wohl kaum inhaltli-
torischen Forschung bewegen. Zweifellos hat che Impulse geben. Dafür ist sie handwerk-
es in der Vergangenheit auch von fachfrem- lich zu fehlerhaft und methodisch zu deskrip-
den Autoren brauchbare Untersuchungen ge- tiv ausgefallen. Die Chance zu einer wissen-
geben, doch verwechselt das Gros von ihnen schaftlich fundierten und umfassenden Bio-
die Geschichtswissenschaft oftmals mit einem grafie Hans Franks, auf die in der Forschung
„Aufschreiben der Geschichte“. Leider trifft seit langem gewartet wird, hat Schenk nicht
das auch auf die vorliegende Studie zu. Zwar genutzt.
scheute Schenk keine Mühen und bereiste ei-
ne Vielzahl deutscher und auch polnischer HistLit 2007-1-090 / Benjamin Obermüller
Archive, um originäre Quellen heranziehen über Schenk, Dieter: Hans Frank. Hitlers Kron-
zu können. Als wichtigste Quelle ist dabei jurist und Generalgouverneur. Frankfurt am
das über 10.000 Seiten starke Diensttagebuch Main 2006. In: H-Soz-u-Kult 07.02.2007.
Hans Franks zu bezeichnen. Außer den um-
fangreicheren Tagebüchern von Joseph Go-
ebbels und dem Dienstkalender Heinrich
Himmlers gibt es hierzu keine vergleichba-
re Quelle. Hinzu kommen die umfangreichen
deutschen und englischen Forschungen zum
Generalgouvernement, allen voran die Stu-
dien von Dieter Pohl. Die Materialgrundlage
kann also ohne Zweifel als günstig bezeich-
net werden. Die Auswertung dieser Quellen
und Literaturtitel durch Schenk kann jedoch
nicht befriedigen, der Autor hat sie größ-
tenteils unkommentiert wiedergegeben. Wer-
den beispielsweise minutiös einzelne Termine
Franks aus dem Diensttagebuch aufgezählt,
und man fragt sich als Leser/in ernsthaft, wo-
zu das notwendig ist. Zudem bleiben zum
Teil seitenlange Zitate, von denen zwei bis
drei Zeilen allemal ausgereicht hätten, vom
Autor weitgehend unkommentiert. Als weite-
res Manko erweist sich das eher undifferen-
zierte Sammeln von Informationen, aus deren
Flut die Historiker/innen die Aussagekräf-
tigsten für seine Analyse heraussuchen, Über-
flüssiges jedoch fortlassen sollte. Nicht so bei
Schenk, von dem es fast den Anschein hat, als

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