Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
1007/s102730050456x
DIENSTLEISTUNGEN
Abbildung 1 Tabelle 1
Anteil ausgewählter Länder an den Deutscher Dienstleistungsverkehr mit dem
Weltdienstleistungsexporten Ausland 19952004
%
20,0 Dienstleistungen Dienstleistungen
USA insgesamt ohne Reiseverkehr
17,5
Exporte Importe Saldo Exporte Importe Saldo
15,0
in %
12,5 Mrd. Euro des BIP Mrd. Euro
1995 60,1 92,8 32,7 1,8 46,9 48,7 1,8
10,0
Frankreich Großbritannien 1996 65,8 98,9 33,1 1,8 52,2 53,4 1,2
7,5 Deutschland 1997 75,0 110,1 35,1 1,9 59,2 62,3 3,1
5,0 1998 77,5 115,9 38,4 2,0 61,0 66,9 5,9
Japan
Italien 1999 80,8 126,9 46,1 2,3 63,7 74,3 10,6
2,5
Asean41 2000 92,7 141,8 49,1 2,4 72,5 84,4 11,8
0,0
2001 101,1 151,3 50,3 2,4 81,0 93,3 12,3
80
82
84
86
88
90
92
94
96
98
00
02
04
2002 112,3 148,7 36,4 1,7 92,2 93,2 1,0
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
20
20
kationen oder Residenzpflichten, für ausländische An- Die Entwicklung der deutschen Dienstleistungsex-
bieter schwieriger. Damit wirken diese Regulierungen porte ist kontinuierlich aufwärts gerichtet und wurde
wie Handelsbarrieren. zuletzt insbesondere von der dynamischen Entwick-
lung bei EDV- und Informationsleistungen, den sons-
Deutschland im internationalen tigen unternehmensbezogenen Dienstleistungen und
Dienstleistungshandel vorn den Versicherungsdienstleistungen angetrieben.
Mit einem Weltmarktanteil von 16% sind die USA Von den USA unterscheidet sich Deutschland ins-
derzeit der größte Exporteur von Dienstleistungen (vgl. besondere bei Auslandsreisen, bei den Lizenzen und
Abbildung 1). Deutschland erreicht bei den Dienst- Patenten sowie bei den sonstigen unternehmensbe-
leistungsexporten weltweit mit einem Weltmarktanteil zogenen Dienstleistungen. Hier weisen die USA einen
von 6,4% nach Großbritannien (8%) den dritten Platz. deutlichen Überschuss in der Dienstleistungsbilanz
Deutschland ist Nettoimporteur von Dienstleistungen auf, während die deutsche Bilanz defizitär ist. Dieses
mit einem Defizit in der Dienstleistungsbilanz von 37,7 Grundmuster hat sich in den Jahren 1993 bis 2002 im
Wesentlichen kaum verändert (vgl. Tabellen 3 und 4).
Mrd. Euro (1,7% des BIP) im Jahr 2004 (vgl. Tabelle 1).
Nur bei den Versicherungsdienstleistungen zeigt der
Diese Bilanz ist im Wesentlichen auf die Reisefreudig-
keit der Deutschen zurückzuführen, wie ein Vergleich
der Struktur der deutschen Dienstleistungsexporte
Tabelle 2
mit den Dienstleistungsimporten zeigt (vgl. Tabelle 2).
Deutsche Dienstleistungsexporte und
Ohne die hohen Tourismusimporte wäre die deutsche
importe 2002
Dienstleistungsbilanz in den letzten Jahren in etwa (in %)
ausgeglichen gewesen. Während in den Bereichen Exporte Importe
54 Wirtschaftsdienst 2006 • 1
DIENSTLEISTUNGEN
Tabelle 3 Tabelle 4
Dienstleistungsbilanz nach Sektoren 1993 Dienstleistungsbilanz nach Sektoren 2002
(in US$) (in US$)
Vergleich zuletzt ein neues Bild, das für Deutschland Länder mit hochwertigem
positiv ausfällt. Dienstleistungsangebot im Vorteil
Während der Anteil der Dienstleistungsexporte am Lange Zeit wurden Dienstleistungen in der Außen-
Gesamtexport in Deutschland und Japan um etwa handelstheorie als nicht handelbar angesehen. Der
15% schwankt, bewegt sich dieser Anteil in den USA grenzüberschreitende Verkehr von Waren stand im
und Großbritannien zuletzt um 30% (vgl. Abbildung Mittelpunkt. Als im Zuge des rasch wachsenden in-
2). Daran lässt sich das unterschiedliche Spezialisie- ternationalen Dienstleistungshandels deutlich wurde,
rungsmuster im Außenhandel ablesen: Großbritannien
dass diese Annahme nicht mehr haltbar war, disku-
und die USA sind offenbar stärker in den internationa-
tierte man zunächst, ob die traditionellen Ansätze des
len Dienstleistungshandel eingebunden als Deutsch-
Heckscher-Ohlin-SamuelsonModells (HOS) auch für
land oder Japan.
Dienstleistungen gelten könnten. Dazu wurden die
Dienstleistungen, die in direktem Zusammenhang HOS-Modelle um einen weiteren Produktionsfaktor,
mit dem Warenhandel stehen, gewinnen immer mehr etwa Humankapital, ergänzt. Erklärungsgrundlage für
an Gewicht. Die hohe Exportdynamik Deutschlands den internationalen Handel blieb aber die unterschied-
im Warenhandel sowie ein hoher Exportanteil an liche Faktorintensität bei der Produktion und die
technologieintensiven Waren (Investitionsgüter) lässt
unterschiedliche Faktorausstattung der betreffenden
eine bessere Positionierung im damit verbundenen
Länder: relativ (human-)kapitalreiche Länder expor-
Dienstleistungsexportgeschäft erwarten. Direkt mit
tieren relativ (human-)kapitalintensive Güter, relativ
dem Warenverkehr verbunden sind Transportleistun-
arbeitsreiche Länder relativ arbeitsintensive Güter.
gen, die einen Anteil an den Dienstleistungsausfuhren
von etwa 25% aufweisen. Auch dürften die sonstigen Erkenntnisse der neuen Außenhandelstheorie,
unternehmensbezogenen Dienstleistungen zu einem deren Hauptaugenmerk auf der Erklärung wechsel-
nennenswerten Teil den Zusammenhang widerspie- seitiger Exporte gleicher bzw. ähnlicher Güter zwi-
geln. In diesem Bereich stiegen die Einnahmen (Anteil schen Industrieländern liegt, ließen den HOS-Ansatz
etwa 46%) von 2000 bis 2004 um 28%, während die schließlich immer mehr in den Hintergrund treten, da
Ausgaben (Anteil etwa 53%) um gut 2% zurückgin-
die Homogenitätsannahmen des Modells offenkundig
gen. Der Negativsaldo hat sich damit zuletzt zurück-
nicht der Realität des internationalen Handels sowohl
gebildet. Diese Entwicklung steht im Einklang mit der
für Güter als auch für Dienstleistungen entsprechen.
gleichzeitigen Verbesserung der Warenhandelsbilanz.
Als Indiz passt zu diesem Bild, dass sich das Be- Um empirische Anhaltspunkte für sektorspezifische
schäftigungswachstum in Deutschland im Bereich der Vorteile eines Landes im internationalen Dienstleis-
sonstigen unternehmensbezogenen Dienstleistungen tungshandel zu finden, kann ein Revealed Compa-
seit 1990 im OECD-Vergleich überdurchschnittlich rative Advantage (RCA) einzelner Länder geschätzt
entwickelt hat1. werden2. Danach hat ein Land j einen komparativen
1
Vorteil, wenn für ein Gut i das Verhältnis der Exporte Xij
Vgl. A. W ö l f l : The Service Economy in OECD Countries, STI Wor-
king Paper, 2005/3, OECD, Paris, S. 30. zu seinen Gesamtexporten Xj größer ist, als der Quo-
Wirtschaftsdienst 2006 • 1 55
DIENSTLEISTUNGEN
4
leistungsprodukte, die unter vollständiger Konkurrenz
8
0
19
19
19
19
19
19
19
19
19
19
20
20
20
Q u e l l e : IWF: World Economic Outlook , September 2005. miteinander im Wettbewerb stehen, wird nunmehr die
Annahme der monopolistischen Konkurrenz zugrunde
gelegt. Die durch die Skalenerträge bedingten Grö-
tient aus den gesamten Ausfuhren dieses Gutes Xiv zu ßenvorteile und die Präferenzen der Konsumenten
den gesamten Exporten Xv eines Vergleichsgebietes v. für unterschiedliche Produkte liefern eine modellthe-
oretische Erklärung für den vor allem zwischen In-
RCAij = (Xij / Xj)/(Xiv / Xv) dustrienationen zu beobachtenden intra-industriellen
Als Vergleichsgebiete kommen ein anderes Land, Handel auch mit Dienstleistungen. Steigende Ska-
eine Wirtschaftsgemeinschaft (OECD, G7-Staaten) lenerträge entstehen im Dienstleistungsbereich durch
oder die gesamte Welt in Frage. Es wird vermutet, die Fixkosten des Aufbaus eines Markennamens, der
dass ein Dienstleistungssektor i bei einem RCA größer Entwicklung einer Technologie oder der Einrichtung
1 einen Wettbewerbsvorteil hat, weil sich die Export- eines Servicenetzes. Die mit dem Markennamen eines
struktur dann gegenüber dem Vergleichsgebiet besser Dienstleisters verbundene Reputation ermöglicht es,
darstellt. Für einen RCA kleiner eins (und > 0) hat der die asymmetrische Informationsverteilung zwischen
betreffende Sektor international einen Nachteil3. Anbieter und Kunden hinsichtlich der Qualität der zu
erbringenden Dienstleistung und das damit möglicher-
Diese Methode, die noch auf der Heckscher-Ohlin-
weise verbundene Marktversagen zu überwinden.
SamuelsonTheorie, d.h. der Annahme homogener,
vergleichbarer Dienstleistungsgüter basiert, liegt der Für die wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen,
Abbildung 3 zugrunde. Der Dienstleistungshandel die aus diesem Außenhandelsmodell abgeleitet wer-
und die Auslandsumsätze der USA, Deutschlands, den können, ist folglich mitentscheidend, ob die anfal-
Großbritanniens und Japans sind Untersuchungsge- lenden Fixkosten globaler, regionaler oder nationaler
genstand. Dabei wurden sechs Sektoren (Finanzen, Natur sind. In diesem Zusammenhang spielt die Kom-
Versicherungen, Computer und Informationsdienste, patibilität der nationalen Regulierungen miteinander
Kommunikationsdienste, Kultur- and Freizeitdienst- daher eine entscheidende Rolle. Nur wenn nationale
leistungen sowie Patent- and Lizenzeinnahmen) un- Regeln unterschiedlicher Volkswirtschaften unterein-
ander vergleichbar sind, können diese als Kosten den
2
Vgl. B. B a l a s s a : Trade Liberalization and ‚Revealed‘ Comparative Ausfuhren bzw. Einfuhren anteilig kalkulatorisch zuge-
Advantage, in: The Manchester School of Economic and Social Stu- schlagen und können mögliche Skalenvorteile durch
dies, Vol. 32, 1965, S. 99123; R. L a n g h a m m e r : Revealed Compa-
rative Advantages in Service Trade of the USA, EU, and Japan. What bessere Kompatibilität berechnet werden. Nicht ver-
Do They Tell Us?, in: Journal of World Investment & Trade, Volume 5, gleichbare oder gar inkompatible nationale Regulie-
Nr. 6, 2005.
rungen bewirken hingegen bei jedem neuen Marktein-
3
Dieser Revealed Comparative Advantage Ansatz kann durchaus
tritt einen hohen Fixkostenblock bzw. verhindern den
auch kritisch betrachtet werden. So führt die unsymmetrische Skalie-
rung (Nachteil 0 – 1; Vorteil >1) zu einer Verzerrung des Vergleichs von Marktzutritt ganz. Transparenz und Vergleichbarkeit
komparativen Vor- und Nachteilen. Vgl. K. L a u r s e n : Revealed Com- sind also essentielle Voraussetzungen, um die Vorteile
parative Advantage and the Alternatives as Measures of International
Specialisation, Danish Research Unit for Industrial Dynamics, Working einer Öffnung der Dienstleistungsmärkte abschätzen
Paper Nr. 9830, 1998. Inzwischen ist eine Vielzahl von weiteren An- zu können.
sätzen zur Ermittlung des Revealed Comparativ Advantage entwickelt
worden. Vgl. T. L. Vo l l r a t h : A Theoretical Evaluation of Alternative
Der Gravitationsansatz
Trade Intensity Measures of Revealed Comparative Advantage, in:
Weltwirtschaftliches Archiv, Vol. 127, 1991, S. 265280. Die hier
verwendete Berechnungsmethode wird häufig in Vergleichsstudien
Nach der Veröffentlichung einheitlich ermittelter bi-
genutzt. lateraler Dienstleistungshandelsdaten durch die OECD
56 Wirtschaftsdienst 2006 • 1
DIENSTLEISTUNGEN
Abbildung 3
Revealed Comparative Advantage (RCA)1 für ausgewählte Dienstleistungssektoren in den USA,
Deutschland, Großbritannien und Japan, 19912002
Finanzdienstleistungen Versicherungsdienstleistungen2
300 350
Großbritannien
300 Großbritannien
250
250
200 200
150 Deutschland
150
100
USA
50 USA
100
Deutschland
0
50 Japan
Japan 50
0 100
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Dienstleistungen für persönliche Zwecke, Kultur und Freizeit Patente und Lizenzen
400 250
350
200
300 Japan
250
Großbritannien 150 USA
200
1
RCAia = (Xia/Xa)/(Xig/Xg) * 100, wobei X – Dienstleistungsexporte, i – Dienstleistungssektor, a – jeweiliges Land, g – G7Staaten total. RCAia > 100
bedeutet ein Wettbewerbsvorteil. 2 Für Deutschland 19911992 und für Japan 19911992, 1999 und 20012002 werden „negative“ Exportwerte
ausgewiesen. Grundsätzlich ergibt sich der Export von Versicherungsdienstleistungen aus den eingenommenen Versicherungsprämien, dem
durch Reserven erzielten Einkommen abzüglich der fälligen Versicherungsleistungen aus Schadensfällen. „Negative“ Exportwerte für Versiche-
rungsdienstleistungen können sich in einzelnen Jahren dann ergeben, wenn z.B. bei Naturkatastrophen Versicherungsleistungen die Summe der
Prämieneinnahmen übersteigen. Außerdem wird aufgrund von Erfassungsproblemen in der Regel darauf verzichtet, Einkommen aus der Anlage
von Reserven zu erfassen.
Q u e l l e : OECD Statistics on International Trade in Services: Detailed Tables by Service Category, 1993-2002, 2004 Edition, eigene Berechnungen.
für die Jahre 1993 bis 20024 sind in den vergangenen Das Gravitationsmodell besagt, dass der bilaterale
zwei Jahren eine Reihe von empirischen Studien zu Handel zwischen zwei Ländern eine Funktion ihrer
den Bestimmungsgründen des zu beobachtenden Größe (gemessen durch das BIP) und der Distanz
Handelsmusters erarbeitet worden. Diese Studien zwischen ihnen ist. Der Gravitationsansatz war lange
beruhen überwiegend auf dem so genannten Gravi- umstritten, da er nicht nur im Widerspruch zur herr-
tationsmodell5. schenden Außenhandelstheorie stand, sondern auch
Wirtschaftsdienst 2006 • 1 57
DIENSTLEISTUNGEN
58 Wirtschaftsdienst 2006 • 1
DIENSTLEISTUNGEN
beeinträchtigen alle kostenerhöhenden Faktoren das Exportland auf das bilaterale Handelsvolumen. Die
Handelsvolumen bei Dienstleistungen, gleichgültig, ob Autoren der Studie wählen zwei OECD-Indikatoren:
sie im Ausfuhr- oder im Einfuhrland ergriffen werden. einen Maßstab für Marktzugangsschranken zu Dienst-
Deshalb schadet etwa eine Erhöhung der Lohnkosten leistungsmärkten in den Export- und Importländern
im importierenden Land indirekt auch der Wettbe- und einen Maßstab, der neben den Marktzugangs-
werbsfähigkeit der Dienstleistungsunternehmen im schranken selbst noch andere Regulierungen (z.B. öf-
exportierenden Land. Der O-Ring-Ansatz begründet fentliches Eigentum an Unternehmen, Preiskontrolle,
damit den entscheidenden Unterschied zur Annahme gesetzliche Geschäftsbeschränkungen) enthält. Wenn
komparativer Kostenvorteile in traditionellen Außen- deregulierte Märkte von Dienstleistungsimporten
handelsmodellen. In einem traditionellen HOS-Modell überschwemmt werden würden, müsste der Effekt
würde die relative Wettbewerbsfähigkeit eines expor- asymmetrisch sein. Das ist aber nicht der Fall.
tierenden Landes und somit das Handelsvolumen
Eine Zwischenbilanz der bislang veröffentlichten
durch kostensteigernde Regulierungen im importie-
Studien zum Muster des internationalen Dienstleis-
renden Land gesteigert werden. Die Untersuchung
tungshandels zeigt, dass die These, dass Länder mit
ergibt, dass das Pro-Kopf-BIP des importierenden
einem hohen BIP pro Kopf bei nationaler und inter-
Landes keinen signifikanten Einfluss hat. Dies lässt
nationaler Öffnung von ausländischen Billig-Dienst-
sich auf die mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen
leistungen überschwemmt werden, nicht bestätigt
einhergehenden hohen Löhne zurückführen8.
werden kann. Dieses Ergebnis wird auch von den
Keine Nachteile durch Liberalisierung hier berechneten Revealed Comparative Advantages
(RCAs) gestützt, die vor allem für die USA und Groß-
Eine weitere neue Studie, die mit dem Gravitati-
britannien, die im internationalen Vergleich weniger
onsansatz arbeitet, findet einen symmetrischen Effekt
Regulierungen im Dienstleistungsbereich aufweisen,
des BIP pro Kopf, d.h. reiche Länder exportieren und
starke Wettbewerbspositionen im internationalen
importieren gleichermaßen mehr Dienstleistungen. Die
Dienstleistungshandel zeigen.
Größe des Heimatmarktes spielt somit ebenso eine
Rolle wie die des ausländischen Absatzmarktes. Die Erhebliche Handelshemmnisse im
Autoren finden zudem einen positiven Zusammenhang Dienstleistungsbereich
zwischen Güterexporten und Dienstleistungsimporten
Eine Besonderheit der Handelspolitik im Bereich
eines Landes, der auf die Nutzung etwa von Transport-
der Dienstleistungen ist, dass unter dem General
und Finanzdienstleistungen aus dem Destinationsland
Agreement on Trade in Services (GATS) nicht nur der
der Güterexporte hindeutet. Sie kommen außerdem
eigentliche grenzüberschreitende Handel von Dienst-
zu dem Ergebnis, dass der Grad der ökonomischen
leistungen (Modus 1) erfasst wird, sondern auch die
Freiheit stärker auf die Dienstleistungsexporte als
Nutzung von Dienstleistungen im Ausland (Modus 2),
auf die -importe wirkt. Dieser von den Autoren ver-
die Umsätze ausländischer Tochtergesellschaften im
wendete Index umfasst sowohl Messgrößen interner
Inland (Modus 3) und die vorübergehende Anwesen-
Liberalisierung (z.B. Staatstätigkeit, Arbeitsmarktre-
heit von natürlichen Personen, die im Inland Dienst-
gulierung, Berufsfreiheit) als auch eine Messgröße
leistungen erbringen (Modus 4). Bei Modus 3 und 4
externer Liberalisierung (Freiheit zum internationalen
zeigt sich eine sehr enge Verwandtschaft zur internati-
Handel)9. Diese Studie bestätigt die im Hinblick auf
onalen Mobilität von Produktionsfaktoren (Kapital und
eine weitgehende interne und externe Deregulierung
Arbeit). Vor allem für den Faktor Arbeit ist diese poli-
des Dienstleistungssektors gehegten Befürchtungen
tisch sehr umstritten. Der Unterschied zwischen Mo-
nicht, dass die Öffnung zu einer Überschwemmung
dus 4 und Migration ist, dass Migration langfristig, also
mit ausländischen (Billig-)Dienstleistungen führt.
für länger als ein Jahr definiert wird. Der internationale
Dieses Ergebnis wird auch im Rahmen eines O- Dienstleistungshandel setzte sich Ende der 90er Jahre
Ring-Ansatzes gestützt10. Dort ergibt die Untersu- folgendermaßen zusammen: Der Anteil von Modus 1
chung eine symmetrische Auswirkung des Grades der machte 41,0% aus, der von Modus 2 ergab 22,0%,
inländischen Produktmarktregulierung im Import- und der von Modus 3 erreichte 33,8% und der von Modus
4 kam auf 4,1%11.
8
Vgl. ebenda, S. 19.
9
Vgl. F. K i m u r a , H. L e e : The Gravity Equation in International Trade
in Services, European Trade Study Group Conference, University of 11
Nottingham, September 9-11, 2004, S. 8 f. Vgl. G. K a r s e n t y : Assessing trade in services by mode of sup-
ply, GATS 2000: New Directions in Services Trade Liberalisation,
10
Vgl. D. M i r z a , G. N i c o l e t t i , a.a.O., S. 13. Brookings Institution, Washington DC, 2000, S. 33-56.
Wirtschaftsdienst 2006 • 1 59
DIENSTLEISTUNGEN
Tabelle 4
Spezifische Konzessionen der EU und einzelner EUMitgliedstaaten im Dienstleistungsbereich
im Rahmen der DohaRunde, Stand Februar 20031
Land/Modus Restriktionen Restriktionen MZ + IB
bei Marktzugang (MZ) bei Inländerbehandlung (IB)
1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4
Belgien 57,1 89,4 84,5 0,4 56,6 90,3 86,7 2,2 56,9 89,8 85,6 1,3
Dänemark 60,2 89,4 85,8 2,7 59,3 90,3 84,5 4,4 59,7 89,8 85,2 3,5
Deutschland 56,6 87,6 81,9 1,8 55,3 88,5 85,0 2,2 56,0 88,1 83,4 2,0
Griechenland 55,8 89,4 83,6 4,9 54,9 90,3 85,8 0,9 55,3 89,8 84,7 2,9
Spanien 57,5 89,8 78,3 1,3 57,5 90,3 86,7 1,3 57,5 90,0 82,5 1,3
Frankreich 51,8 88,5 79,2 9,7 54,0 90,3 84,5 2,7 52,9 89,4 81,9 6,2
Irland 56,6 89,8 85,8 0,0 55,8 90,3 86,7 0,9 56,2 90,0 86,3 0,4
Italien 50,4 88,9 77,0 5,3 49,1 90,3 85,4 9,3 49,8 89,6 81,2 7,3
Luxemburg 61,5 89,8 86,7 0,4 60,2 90,3 86,7 0,9 60,8 90,0 86,7 0,7
Niederlande 59,7 89,8 86,7 0,0 58,4 90,3 86,7 0,9 59,1 90,0 86,7 0,4
Österreich 65,5 87,2 82,3 6,2 62,4 88,1 85,0 1,8 63,9 87,6 83,6 4,0
Portugal 54,0 89,8 74,8 2,7 53,1 90,3 84,1 6,6 53,5 90,0 79,4 4,6
Finnland 58,8 77,0 74,3 0,9 58,8 78,3 75,2 57,1 58,8 77,7 74,8 29,0
Schweden 57,5 80,5 74,3 1,3 56,6 81,4 74,8 3,1 57,1 81,0 74,6 2,2
Großbritannien 60,6 89,8 86,7 3,5 59,3 90,3 86,7 0,9 60,0 90,0 86,7 2,2
Ungewichteter
Durchschnitt 57,6 87,8 81,5 2,7 56,8 88,6 84,3 6,3 57,2 88,2 82,9 4,5
Variationskoeffizient 0,3 0,3 0,3 0,2 0,2 0,2 0,3 0,9 0,2 0,2 0,3 0,5
EU gewichtet2 56,2 88,4 81,4 3,9 55,6 89,4 85,1 3,8 55,9 88,9 83,3 3,8
1
Tatsächliche Konzessionen als Anteil an der maximal möglichen Erbringungsform, gewichtet mit Offenheitsgrad oder Bindungen (0; 0,5; 1); je
höher der Wert, desto offener ist der Dienstleistungssektor in dieser Erbringungsform. 2 Gewichtet mit dem Anteil des jeweiligen Mitgliedstaates
am EU-Bruttonationaleinkommen 2000.
Q u e l l e : R. L a n g h a m m e r : The EU Offer for Service Trade Liberalisation in the Doha-Round. Evidence for a Not-Yet-Perfect Customs Union,
in: Journal of Common Market Studies, Vol. 43, Nr. 2. (Juni 2005), S. 311-325.
60 Wirtschaftsdienst 2006 • 1
DIENSTLEISTUNGEN
Neue ausländische Anbieter können eine sorgfältige Dienstleister in den USA haben den weltweit größ-
Überprüfung bestehender Regulierungen im Inland ten Heimatmarkt. Dass viele Dienstleistungen von
notwendig machen. Durch Abschottung nach außen steigenden Skalenerträgen gekennzeichnet sind,
genießen inländische Anbieter Knappheitsrenten. stärkt ihre Wettbewerbsposition.
Infolge einer Marktöffnung bei gegebenen nationalen Ein hohes Pro-Kopf-Einkommen erhöht die inländi-
Regelungen können künstliche Knappheitsrenten nun- sche Nachfrage nach Dienstleistungen und verstärkt
mehr bei ausländischen Anbietern anfallen, da diese noch einmal die Kostenvorteile.
den nationalen (Über-)Regulierungen nicht unterliegen, Eine konsequente Deregulierung der heimischen
sondern den Regeln ihres Herkunftslandes (Herkunfts- Produktmärkte trägt zur Verbesserung der Wettbe-
landprinzip). Bei einer im internationalen Vergleich werbsfähigkeit im inländischen Dienstleistungssektor
starken Regulierung des inländischen Dienstleistungs- bei und verschafft der heimischen Dienstleistungs-
sektors steigen somit die Wettbewerbsnachteile für in- wirtschaft Vorteile bei fortschreitender internationaler
ländische Anbieter verglichen mit dem hypothetischen Marktöffnung. Selbst beim Status quo der begrenzten
Fall einer geschlossenen Volkswirtschaft. Offenheit internationaler Dienstleistungsmärkte kann
dies zu einem Exportimpuls führen, da alle Untersu-
Die Argumente zum Schutze inländischer Kon-
chungen darauf hindeuten, dass die Ausfuhren stärker
sumenten gegenüber potentiell minderwertigen
als die Einfuhren ansteigen.
ausländischen Dienstleistungen erscheinen vor dem
Mit einem im internationalen Vergleich hohen Pro-
Hintergrund der zu beobachtenden fast vollständigen
Kopf-Einkommen, einem hohen Ausbildungsstand,
Liberalisierung des Modus 2 diskussionswürdig. Aus-
einer erstklassigen Kommunikations- und Verkehrsin-
landsreisende sind den dortigen Anbietern von Dienst-
frastruktur sowie einem starken internationalen Enga-
leistungen ebenfalls mehr oder weniger „schutzlos“
gement vieler deutscher Dienstleistungsunternehmen
ausgesetzt. Wenn man also der Auffassung ist, dass
verfügt Deutschland über gutes Rüstzeug, um über
von ausländischen Dienstleistungen tatsächlich eine
seine Grenzen hinaus auf offene Dienstleistungsmärk-
Gefahr für inländische Konsumenten ausgeht, dann
ten zu bestehen.
müsste man eigentlich auch für Nutzungseinschrän-
kung solcher Dienstleistungen durch Reisende (z.B. Die Wertschöpfungsquote im deutschen Warenhan-
del wird in erheblichem Ausmaß auch von Dienstleis-
Reparaturen, Zahnbehandlungen, Finanzdienstleis-
tungen, die hier als Vorleistungen eingehen, geprägt.
tungen) oder gar eine Beschränkung der Reisefreiheit
Die verbesserte Wettbewerbssituation deutscher
eintreten. Informationen über die Qualifikationen eines
Unternehmen insbesondere bei technologieintensiven
im Ausland ansässigen Dienstleisters und über die
Produkten, wie sie im steigenden Warenhandelsüber-
Qualität der von ihm angebotene Dienste können in-
schuss zum Ausdruck kommt, dürfte ein wichtiger
des über Zertifizierungen bereitgestellt werden. Diese
Grundstein sein, um die Herausforderungen auch
Informationen kann sich der Konsument in seinem
im internationalen Dienstleistungsmarkt zu meistern.
Heimatland leichter beschaffen als im Ausland. Außer-
Von der technologieintensiven Struktur der Warenex-
dem können bei Angeboten im Inland weitere Regulie-
porte Deutschlands dürften positive Wirkungen auf
rungen, wie z.B. die Gewerbeordnung, greifen. Dage-
die Dienstleistungsexporte ausgehen, da diese Güter
gen abzuwägen sind die Möglichkeiten und Grenzen
häufig intensive Beratungs- und Wartungsleistungen
des Landes, in dem der ausländische Anbieter seine
erfordern.
Dienste erbringt, die Einhaltung ausländischer Vor-
Eine empirische Analyse der komparativen Vorteile
schriften zu überprüfen.
der einzelnen Sektoren zeigt, dass deutsche Unter-
Schlussfolgerungen nehmen heute in wichtigen Branchen wie z.B. Ver-
sicherungen sowie EDV- und Informationsleistungen
Aufgrund stark steigender Skalenerträge in vielen einen Wettbewerbsvorteil auf den Weltmärkten haben.
Dienstleistungsbranchen spielt die Größe des Heimat- Die Befürchtung, dass ein hochentwickeltes Land wie
marktes für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschland von ausländischen Dienstleistungsex-
einer Volkswirtschaft eine wichtige Rolle. Je größer porten überschwemmt wird, wenn der internationale
der Heimatmarkt ist, desto niedriger sind die Durch- Dienstleistungshandel liberalisiert wird, wird hingegen
schnittskosten und damit umso höher die Kostenvor- von den vorliegenden empirischen Studien nicht be-
teile eines Anbieters. stätigt.
Wirtschaftsdienst 2006 • 1 61