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RAPROMED 2000 Hoffmann, J.

: ThermoJet und medizinische Modelle - Ein Erfahrungsbericht

ThermoJet und medizinische Modelle


- Ein Erfahrungsbericht -

Dipl.-Ing. Jens Hoffmann TU Dresden, Institut für Produktionstechnik


Professur Produktionsautomatisierung /
Steuerungstechnik
01062 Dresden

Einführung................................................................................................................... 2
Arbeitsweise des Multi Jet Modelling .......................................................................... 2
Herstellung medizinischer Modelle ............................................................................. 3
Einsatz des Multi Jet Modelling................................................................................... 4
Anwendungsbeispiel ................................................................................................... 5
Das Europäische Netzwerk PHIDIAS ......................................................................... 7
Zusammenfassung ..................................................................................................... 7

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RAPROMED 2000 Hoffmann, J.: ThermoJet und medizinische Modelle - Ein Erfahrungsbericht

Einführung
Für die Herstellung medizinischer Modell speziell für den Einsatz auf dem Gebiet der
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie war bisher der Einsatz der Stereolithographie
vorherrschend. Dieses Verfahren, als erste Technologie aus der Gruppe des Rapid
Prototyping am Mark eingeführt, zeichnet sich durch eine Reihe von Vorteilen für
diesen speziellen Einsatz aus (Bild 1). Einige weitere Verfahren wie das Lasersintern
oder auch das FDM - Verfahren konnten ebenfalls bei bestimmten Einsatzfällen gute
Ergebnisse erzielen.

Vorteile Nachteile
- hohe Wiedergabegenauigkeit - hohe Materialkosten
- gute Oberflächengüte - hohe Investitionskosten für die
- durchsichtiges Material Anlagentechnik
innere Strukturen sind sichtbar hoher Maschinenstundensatz
- Material gut bearbeitbar Anlagentechnik nur bei
- Material gut mechanisch belastbar Dienstleistern verfügbar
- filigrane Strukturen darstellbar - Stützgeometrie ist als Datensatz
- unverbrauchte Materialreste seperat zu erzeugen
einfach entfernbar zusätzliche Software erforderlich
- hoher Finishaufwand
Beseitigung Stützgeometrie,
Nachhärten, Oberflächenfinish
hoher Zeitaufwand

Bild 1: Vor- und Nachteile des Einsatzes der Stereolithographie bei der Fertigung
medizinischer Modelle

Arbeitsweise des Multi Jet Modelling

Baurichtung Materialzufuhr
der Werkstücke durch 352 Düsen
Arbeitsrichtung
des Druckkopfes
geschmolzenes
Thermoplast

schichtweise
gefertigtes
Werkstück

Bild 2: Grundprinzip des MJM (Beispiel: ThermoJet von 3D Systems)


Ein neuer Trend innerhalb der Entwicklung von Verfahren für die Fertigung von
Modellen und Mustern ist das Concept Modelling. Hierbei werden innerhalb der
Produktentwicklung bereits zu einem sehr frühem Zeitpunkt auf dem vorhandenen

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3D-Datensatz basierende Muster hergestellt. Diese Verfahren sind im Einsatz sehr


kostengünstig. Einschränkungen gibt es (derzeit) bei der Belastbarkeit dieser Teile.
Eines der Verfahren aus dieser Gruppe ist das Multi Jet Modelling (MJM), welches im
System ThermoJet der Firma 3D Systems realisiert wurde. Dem Institut für
Produktionstechnik der TU Dresden steht seit Ende 1999 eine entsprechende Anlage
zur Verfügung.
Das Grundprinzip besteht aus einem modifizierten Tintenstrahldruckkopf, welcher mit
Hilfe von Heizelementen in der Lage ist, schmelzfähige Kunststoffe aufzutragen (Bild
2 und Bild 3). Zusätzlich ist eine 3. Achse als Basis für die Generierung von
räumlichen Objekten integriert. Sie gestattet den Aufbau in Z-Richtung.
Kühlluft Rohmaterial Düse
Absaugung
Steuerung
Heizung
Walzenfräser Ventil

flüssiges
Material
fertiges (Tropfen)
Werstück erstarrte
Oberfläche
Bauplattform
Support

Antrieb zur
Positionierung
der Z-Achse

Bild 3: Grundprinzip (Detail) des MJM (Beispiel: ThermoJet von 3D Systems)


Das Grundprinzip des MJM verlangt die Nutzung einer relativen Stützstruktur (auch
als Support bezeichnet), die für das Fixieren der aufgebrachten Werkstofftropfen zum
Aushärten und zur Integration in das Werkstück erforderlich ist. Sie wird mit Hilfe
spezieller Software automatisch durch die Steuerung des Systems erzeugt. Der
Anlagenbediener hat nur indirekt durch die Definition der Baulage des Teiles die
Möglichkeit auf die Gestaltung dieser Struktur. Sie muss nach dem Abschluss des
Bauprozesses manuell entfernt werden.

Herstellung medizinischer Modelle


Die Bereitstellung der Ausgangsdaten erfolgt analog zur bisherigen Arbeitsweise
durch die verschiedenen Tomographen. Mit der entsprechenden Software erfolgt wie
bisher die Aufbereitung der Informationen für den Bauprozess. Dazu zählt ebenso
die Beseitigung eventuell vorhandener Artefakte sowie die Festlegung des für die
Modellfertigung relevanten Bereiches. Anschließend werden die Daten im
entsprechenden neutralen Übergabeformat für das Fertigungssystem bereitgestellt
(Bild 4).

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Ausgangsbasis
CT- oder MRT-
Aufnahmen als
Datensatz S Schritt 3 Schritt 4
T Erzeugung des Herstellung des Modells
L Schichtkonturdatensatzes - Datenaufbereitung
- Berechnung aus (Umformatierung in SLI)
Schritt 1 Schritt 2 Schnitten - Erstellung des Supports
Selektion der relevanten Vektorisierung - Erzeugung des - generative Fertigung
CLI-Datensatzes - Finishen
Informationen - Berechnung der
- Aufnahmebereich Kontur in jeder
Schritt 3 Schritt 4
- relevante Struktur Aufnahme
(Knochen, Organ) Erzeugung des drei- Herstellung des Modells
Beseitigung von Artifakten dimensionalen Datensatz - Datenaufbereitung
M - Schnitten
Berechnung aus (Platzieren, Skalieren)
- generative Fertigung
J - Erzeugung des - Finishen
M STL-Datensatzes
Unterschiede zwischen Stereolithographie Ergebnis
(STEREOS 400) und Multi Jet Modelling (ThermoJet): patienten-
spezifisches
- Nutzung verschiedener Datenschnittstellen und entsprechend 3D-Modell
Erzeugung verschiedener Datensätze
- Aufwand für die Vorbereitung des Datensatzes für die Fertigung
der Modelle
- Erzeugung der erforderlichen Stützgeometrie

Bild 4: Herangehensweise bei der Herstellung medizinischer Modelle mittels


Stereolithographie bzw. Multi Jet Modelling
Im Unterschied zu den bisher verwendeten RP-Systemen steht als Schnittstelle zur
Datenübergabe nur das STL-Interface zur Verfügung. Dies beinhaltet eine
geschlossene Beschreibung der Oberfläche der Teile mit Dreiecksfacetten. Um eine
hohe Wiedergabequalität der Modelle zu erreichen ergibt sich für die Dateien einen
relativ großer Umfang. Er kann bei einer mittleren Auflösung durchaus 50 - 70 MB
erreichen. Diese Tatsache bringt teilweise verschiedene Probleme im Handling mit
sich.

Einsatz des Multi Jet Modelling


Die Nutzung der MJM-Technologie für die Fertigung medizinischer Modelle ist
speziell im Vergleich zur bekannten Stereolithographie durch bestimmte Vor- und
Nachteile gekennzeichnet (Bild 5). Hauptvorteil speziell des auf dem MJM
basierenden ThermoJet-Systems ist die sehr einfache Bedienung der Anlage sowie
ihre geringe Umweltbelastung durch verschiedenste Emissionen. So ist der Einsatz
der Systeme direkt im Büro quasi als „Drucker für dreidimensionale Objekte“ möglich.
Die Systeme können mit der entsprechenden Hard- und Software in ein vorhandenes
lokales Netzwerk integriert werden.
Der Hauptnachteil ist die geringe Materialvielfalt mit den damit verbundenen
begrenzten Materialeigenschaften. Durch den Bedarf an schmelzbaren Kunststoffen
ist jedoch die Breite der verwendbaren Materialien auf bestimmte Harze begrenzt.
Diese Materialien ermöglichen im Rahmen des Einsatzes bei der Herstellung von
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medizinischen Modellen über die Beurteilung der Anatomie (Modelloperationen)


hinaus auch den Einsatz der Teile als verlorenes Modell im Rahmen des Feingusses
für die Herstellung von Implantaten.
Die mechanische Belastbarkeit der erzeugten Teile ist sehr gering, so dass der
Einsatz weitgehend auf Konzept- und Anschauungsmodelle beschränkt ist. Die
Fertigungsgenauigkeit ist beim ThermoJet hoch. Sie bewegt sich nach
Herstellerangaben im Bereich von 1/10 mm.

Vorteile Nachteile
- hohe Wiedergabegenauigkeit - hohe Materialkosten
- gute Oberflächengüte - geringe mechanische Belastbarkeit
- undurchsichtiges Material des Materials
äußere Strukturen gut sichtbar - Material eingeschränkt
- geringe Investitionskosten für die mechanisch bearbeitbar
Anlagentechnik - undurchsichtiges Material
geringer Maschinenstundensatz innere Strukturen nicht sichtbar
- filigrane Strukturen darstellbar
- geringer Fertigungszeitaufwand
- geringer Finishaufwand
- automatische Generierung des
Supportdatensatzes

Bild 5: Vor- und Nachteile des Einsatzes des Multi Jet Modellings bei der
Fertigung medizinischer Modelle
Ein weitere Vorteile des ThermoJet-Systems sind die erforderlichen geringen
Investitionen bei der Anschaffung des Systems und die daraus resultierenden
niedrigen Maschinenkosten bei der Fertigung der Modelle. Die Materialkosten sind
speziell beim ThermoJet derzeit noch identisch mit denen der Stereolithographie.
Einen Nachteil des Einsatzes des MJM stellt die benötigte Supportstruktur dar. Diese
muss manuell entfernt werden. Besonders bei sehr filigranen Strukturen kommt es
dabei sehr schnell zu Beschädigungen des Modells. Weiterhin ist eine physische
Darstellung von inneren Strukturen (z.B. Nervenkanälen in Knochen) nur begrenzt
möglich. Einerseits sind diese Hohlräume auf Grund der Farbe des verwendeten
Modellwerkstoffes nicht sichtbar und andererseits werden sie zur Fixierung der
Materialtropfen während des Bauprozesses mit Supportstruktur gefüllt. Diese muss
bei einem Öffnen des Modells ebenfalls entfernt werden.
Vorteilhaft speziell gegenüber der Stereolithographie ist die Reduzierung der
erforderlichen Nacharbeit auf das Entfernen der genannten Stützgeometrie. Weitere
Arbeitsschritte wie das Entfernen der Polymerreste oder das Nachhärten der Modelle
unter UV-Licht sind bei der MJM-Technologie nicht erforderlich. Dies senkt die
Fertigungskosten weiter.

Anwendungsbeispiel
Mit dem seit Ende 1999 an der TU Dresden verfügbaren System wurden in
Fortführung der bereits seit mehreren Jahren laufenden Zusammenarbeit seit Juli
2000 mehrere Modell gefertigt. Es handelte sich dabei um Schädelteilmodelle für die
Vorbereitung von Operationen in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Die

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entsprechenden Daten wurden mit Hilfe eines Spiral-Computertomographen bereit-


gestellt.
Wie auch bei den anderen Modellfertigungsverfahren ist es beim MJM von Interesse,
die für die anschließenden Betrachtungen relevanten Bereiche zu selektieren. Dies
kann zu einer merklichen Reduzierung des zur Fertigung erforderlichen Aufwandes
führen.
Die Bauzeiten für die Modelle lagen bei einer Höhe zwischen ca. 12 und 17 cm bei
10 bis 17 Stunden pro Stück. Zum Entfernen der Stützgeometrie entstand ein
zeitlicher Aufwand von jeweils etwa 3 bis 4 Stunden.
An Hand der folgenden Bilder soll ein Eindruck von der Herstellung der Modelle
vermittelt werden. Im folgenden Bild 6 wurde eine beliebige Schicht des Modells
herausgegriffen. In Verbindung dazu wird die spätere Lage der Schicht im
Gesamtmodell dargestellt. Außerdem vermittelt die entsprechende CT-Aufnahme
einen Eindruck von den realen Verhältnissen am Patienten.

Schädelteilmodell
(Zwischenschicht)
Wirbelsäule

Lage der
dargestellten
Fertiges Modell Schicht

Support
(Stützkonstruktion)
Unterkiefer

Oberkiefer
CT-Aufnahme
der Schicht
Bauplattform
Bild 6: Modell während des Bauprozesses mit CT-Aufnahme
Natürlich interessiert am Modell besonders die dreidimensionale Umsetzung der vor-
handenen 21/2-dimensionalen Informationen. Dies kann, wie in Bild 7 dargestellt, auf
verschiedenen Wegen geschehen. Eine Möglichkeit bildet die Visualisierung am
Rechnerbildschirm, auch als Virtual Reality bekannt. Die physische Darstellung mit
Hilfe verschiedener Techniken ermöglicht aber wesentlich detailliertere Aussage über
das Objekt.
Bevor das Modell zum Einsatz kommen kann, muss die für die Fertigung
erforderliche Stützstruktur entfernt werden. Unmittelbar nach der Herstellung
präsentiert sich das Modell wie im mittleren Bild dargestellt.

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- Basis: 136 Aufnahmen eines Spiral-CT


- Umsetzung mittels Materialise-Software
- Datenübergabe über STL-Schnittstelle
- Fertigung mittels ThemoJet von 3D-Systems
(Multi Jet Modelling, Bauzeit: 17 h 30 min)

Schattierte Darstellung
der STL-Datei

Modell mit Support


auf der Bauplattform Fertiges Modell
Bild 7: Der Weg vom STL-Datensatz zum fertigen Modell

Das Europäische Netzwerk PHIDIAS


Die Europäische Union fördert als Beitrag zur Verbreitung moderner Technologien
ein Netzwerk zum Thema „Technologie für die Herstellung von medizinischen
Modellen mittels Rapid Prototyping und medizinischen Scantechniken:
Qualitätserhöhung und Anwendungsentwicklung“. An diesem Netzwerk sind
insgesamt 40 Partner aus 11 europäischen Ländern beteiligt. Neben
Hochschulinstituten zählen dazu auch mehrere Dienstleister für Rapid Prototyping,
Softwareentwickler und klinische Einrichtungen. Das Institut für Produktionstechnik
der TU Dresden ist im Ergebnis der Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät
bei der Nutzung der vorhandenen Stereolithographieanlage zur Herstellung von
Teilen auf der Basis von CT- und MRT-Daten als ein Partner in dieses Netzwerk
integriert worden.
Wie bereits aus dem Titel hervorgeht, besteht das Hauptziel dieses Netzwerk in einer
Verbesserung der bei der Herstellung von medizinischen Modellen erzielbaren
Qualität der Modelle einerseits sowie in einer Verbreitung der bei der Herstellung und
dem Einsatz dieser physischen Objekte gewonnenen Erfahrungen andererseits.
Neben der Durchführung von Schulungen und Workshops werden dazu Fallstudien
und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und auf Konferenzen genutzt. Die dabei
anfallenden Kosten werden aus den zur Verfügung stehenden Projektmitteln
beglichen.

Zusammenfassung
Die Nutzung des ThermoJet-Systems für die Herstellung von medizinischen
Modellen auf der Basis von Computertomographiedaten ist praktikabel. Im Vergleich
zu den bisher verwendeten Verfahren Stereolithographie und Lasersintern bietet
dieses neue Verfahren wesentliche Vorteile in Bezug auf die entstehenden
Herstellungskosten sowie die benötigte Fertigungszeit.
Reserven bestehen noch bei der Entwicklung des Modellbaumaterials sowie bei der
Nutzung der Modelle für die Herstellung von Implantaten.

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