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MARIA ILEANA MOISE MIHAELA VLISMAS

DEUTSCHLANDKUNDE
© Editura FundaŃiei România de Mâine, 2001
ISBN 973-582-469-8

Redactor: Janeta LUPU


Tehnoredactare: Vasilichia IONESCU
Coperta: Marilena GURLUI

Bun de tipar: 12.11.2001; Coli tipar: 6,25


Format: 16/61 x 86

Editura şi Tipografia FundaŃiei România de Mâine


Splaiul IndependenŃei, nr. 313, Bucureşti, Sector 6, O. P. 78
Telefon: 410 43 80; Fax. 411 33 84; www.SpiruHaret.ro
UNIVERSITATEA SPIRU HARET
FACULTATEA DE LIMBI ŞI LITERATURI STRĂINE

Lector drd. MARIA ILEANA MOISE


Asistent MIHAELA VLISMAS

INTRODUCERE ÎN CULTURA
ŞI CIVILIZAłIA GERMANĂ

DEUTSCHLANDKUNDE

Editura FundaŃiei România de Mâine


Bucureşti, 2001
INHALTSVERZEICHNIS

Seite
Vorwort ……………………………………………………... 7
1. Deutschland, ein Land in Europa ………………………… 9
2. Die deutschen Bundesländer ……………………………... 16
3. Bevölkerung und Bevölkerungsgruppen …………………. 27
4. Landschaften, Gewässer, Klima ………………………….. 33
5. Berlin, ein Mosaik ………………………………………... 50
6. Der Umweltschutz ………………………………………... 62
7. Kultur, Bildung und Forschung ………………………………… 72
8. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik ………………………... 79
9. Staatlicher Aufbau, Verfassung und Rechtsordnung …….. 94
Bibliographie ………………………………………………... 100

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VORWORT

Wer sich vornimmt, eine Sprache,Kultur und schöne Literatur zu


studieren, ja sogar zu ergründen, ist sich selbst verpflichtet, sich auch
Kenntnisse über Land und Leute, Wirtschaft und Politik, Bildung und
Umwelt anzueignen, die Landeskunde in all ihren Bereichen
heranzuziehen. Das gilt auch für die deutscheSprache und Literatur.
Damit man die literarischen und kulturellen Phänomene in ihrer
Gesamtheit versteht, muss der Lernende auch mit der Lage und
Bedeutung des Landes unter den anderen Staaten auf dem Kontinent
und in der Welt, mit seiner Landschaft, mit dem Zustand der
wirtschaftlichen Entwicklung, mit der Bevölkerung und den
Bevölkerungsgruppen, mit ihren Sitten und Bräuchen vertraut sein.
Spezifische und allgemeine Probleme, mit denen sich das Land und
die Menschen konfrontieren, wie Umweltschutz, soziale Fragen,
kulturelle und Bildungsaspekte gehören zweifelsohne zu solchen
landeskundlichen Kenntnissen. Und erst wenn man sich bemüht, diese
Kenntnisse zu erwerben und auch einen Einblick in die deutsche
Gesellschaft zu gewinnen, kann man Anspruch erheben, das
literarische und kulturelle Phänomen richtig verstehen zu können.
Die vorliegende Sammlung nimmt sich vor, den Studenten
landeskundliche Texte zu bieten, die sowohl ein sachliches
informatives Material, als auch Alltagsaspekte beinhalten und auf
diese Weise das Gemälde eines Volkes, einer Sprache, einer Kultur
ergänzen.
Die Sammlung richtet sich an die Studenten des 1. Jahrgangs
(Fernunterricht) und soll für sie eine angenehme Lektüre wie auch
eine Anregung zum weiteren Selbststudium darstellen.
Viel Erfolg bei der Arbeit !

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DEUTSCHLAND, EIN LAND IN EUROPA

Schauen wir uns den Fahrplan für eine Reise mit dem Zug von
West nach Ost quer durch Europa, von Paris nach Moskau, an. Die
Fahrt führt auch durch Deutschland, von Paris über Köln, Hannover,
Berlin, Warschau nach Moskau.
Die Bundesrepublik Deutschland liegt im Herzen Europas und hat
auf allen Seiten an seinen Grenzen Nachbarn, insgesamt neun Staaten.
Kein anderes Land in Europa hat so viele Nachbarstaaten .Im Westen
grenzt es an die Niederlande, an Belgien, Luxemburg und Frankreich,
im Süden grenzt Deutschland an die Schweiz, an Österreich, im Osten
an die Tschechische Republik und an Polen, im Norden hat Deutschland
Grenze an Dänemark. Die Nordsee und die Ostsee bespülen die
nördlichen und nordnordöstlichen Küsten Deutschlands.
Diese Mittellage ist noch ausgeprägter seit der Wiedererlangung
der staatlichen Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990. Eingebunden
in die Europäische Union und die NATO, bildet Deutschland eine
Brücke zu den mittel-und osteuropäischen Staaten.
Das Staatsgebiet der BRD ist rund 357.000 qkm groß. Die
längste Ausdehnung von Norden nach Süden beträgt in der Luftlinie
876 km, von Westen nach Osten 640 km. Die äußersten Grenzpunkte
sind: List auf der Insel Sylt im Norden, das sächsische Deschka im
Osten, das bayerische Oberstdorf im Süden und Selfkant (Nordrhein-
Westfalen) im Westen. Die Grenzen der Bundesrepublik haben eine
Länge von insgesamt 3758 km.
Deutschland hat eine Bevölkerung von rund 82 Millionen
Einwohner und eine Bevölkerungsdichte von 229 Menschen pro
Quadratkilometer.
41 Jahre lang existierten zwei deutsche Staaten nebeneinander in
Europa. Die Verfassung und der politische Aufbau der beiden Staaten
waren unterschiedlich. Die Deutsche Demokratische Republik war ein
sozialistischer Staat.

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Es gab keine privaten Fabrikbesitzer, keine privaten Bauernhöfe,
keine privaten Hausbesitzer. Die Industrie, alle großen Agrarflächen,
alle großen Wohngebäude und alle öffentlichen Verkehrsmittel waren
Gemeineigentum, d.h. sie gehörten dem Staat oder den
Genossenschaften …….. .
Im Sommer und Herbst des Jahres 1989 sind mehr als 225.000
Menschen aus der DDR geflohen. Sie sind auf Umwegen durch
Ungarn, durch die Tschechoslowakei und Polen in die Bundesrepublik
Deutschland gekommen.
Im Herbst 1989 begannen in der DDR große, friedliche
Demonstrationen. Die Demonstranten forderten Reisefreiheit,
Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und freie Wahlen. Viele
hunderttausend Menschen riefen “Wir sind das Volk” und forderten
demokratische Reformen. Das politische System der DDR brach
zusammen. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) und
die Regierung verloren die Macht im Staat. Neue politische Parteien
entstanden. Die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland wurde
geöffnet. Die Berliner Mauer brach zusammen. Am 18. März 1990
gab es in der DDR die ersten freien Wahlen. Eine neue echte
Demokratie war entstanden. Am 3. Oktober 1990 wurde die DDR mit
der Bundesrepublik Deutschland vereinigt. Auf dem Gebiet der DDR
bildeten sich fünf neue Bundesländer: Thüringen, Sachsen,
Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern; Berlin
Ost und Berlin West wurden vereinigt und bildeten das Bundesland
Berlin. Berlin ist auch die neue Hauptstadt Deutschlands. Der 3.
Oktober ist der Tag der Deutschen Einheit, der nationale Feiertag der
Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein
föderalistischer Staat.
Zwischen den zehn alten und den fünf neuen Bundesländern gibt
es große wirtschaftliche und soziale Unterschiede. “Einigkeit und
Recht und Freiheit” – das sind die großen Verpflichtungen für die
Zukunft Deutschlands und Europas.
Die Bundesrepublik Deutschland ist seit ihrer Gründung im Jahr
1949 eine treibende Kraft der europäischen Einigung. Die Gründer der
Bundesrepublik Deutschland hatten klar erkannt: Die europäische
Einigung stärkt die Stellung Europas in der Welt und dient Frieden,
Freiheit und Wohlstand auf dem Kontinent. Durch den europäischen
Integrationsprozess wurde ein transparentes System der engen
gegenseitigen Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Ziel des
friedlichen Interessenausgleichs aller geschaffen.

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Dieses höchst erfolgreiche System ist nicht von heute auf morgen
entstanden. Zusammen mit Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und
den Niederlanden schuf die Bundesrepublik Deutschland 1952 erst die
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und gründete
dann 1957 die Europäische Wirtschaftsge-meinschaft (EWG) sowie die
Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM). Mit der Einheitlichen
Europäischen Akte von 1986, dem “Vertrag über die Europäische
Union”, unterzeichnet in Maastricht am 7. Februar 1992, und mit dem
neuen Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 sind weitere
wichtige Schritte auf dem Wege der Einigung Europas gelungen.
Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die Wirtschafts – und
Währungsunion begründet, deren dritte und letzte Stufe mit der
Einführung einer gemeinsamen Währung, dem Euro, am 1. Januar 1999
begonnen hat. Außerdem hat die EU seit Inkrafttreten des Maastrichter
Vertrags eine gemeinsame Außen- und Sicher- heitspolitik und eine
gemeinsame Politik im Bereich Justiz und Inneres. Damit sind die
Voraussetzungen zur Entwicklung in eine echte umfassende politische
Union geschaffen worden.
Ein weiterer Schritt zur Vertiefung der Europäischen Integration ist
der neue Vertrag von Amsterdam, der gleichzeitig die Voraussetzungen
für künftige Erweiterungen der Union schafft. In ganz Europa sollen
Freiheit, Frieden und Wohlstand herrschen,die die EU für ihren Teil des
Kontinents bereits verwirklicht hat. Aufgabe der EU ist, die Folgen der
jahrzehntelangen Teilung infolge des Ost- West-Konflikts zu überwinden
und Verbindendes zu schaffen. Deutschland wird dazu seinen Beitrag
leisten. Die Union will den Beitritt weiterer, insbesondere mittel-und
osteuropäischer Staaten, darunter auch Rumäniens.
Zu den Zielen der Vereinten Nationen-Charta hat sich die
Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung bekannt. Die
politische Lage in Deutschland und in Mitteleuropa ließ jedoch lange
Zeit den Beitritt zu den Vereinten Nationen nicht zu. Erst der
Abschluß des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen
Demokratischen Republik im Dezember 1972 machte den Weg frei
für den Beitritt beider deutscher Staaten am 18. September 1973.
Der Europarat (EuR) stand bei seiner Gründung 1949 am
Anfang der europäischen Integration und Zusammenarbeit. Der EuR
hat 40 Mitgliedstaaten. Seit 1990 hat er 16 Mitgliedstaaten aus Mittel-
und Osteuropa aufgenommen.

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Deutschland arbeitet aktiv mit in der Europäischen Kommission
gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), deren Mandat vom Wiener
EuR-Gipfel 1993 beschlossen worden war. ECRI überprüft die
nationale Situation der Mitgliedstaaten des EuR bei der Bekämpfung
von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz
und schlägt Maßnahmen auf lokaler, nationaler oder europäischer
Ebene vor.
(nach “Kleine Deutschlandkunde”, 2. Auflage, 1996 “Tatsachen
über Deutschland – Presse- und Informationsamt der Bundesregierung”)

Etwa 110 Millionen Menschen auf der Welt sprechen Deutsch


als Muttersprache. Deutsch spricht man in Deutschland, Österreich, in
einem Teil der Schweiz, im Fürstentum Liechtenstein und – neben
Französisch und Luxemburgisch – im Großherzogtum Luxemburg.
Deutschland, Österreich und die Schweiz sind föderative Staaten.
Österreich,dasLand der Kunst und des Weins, besteht aus neun
Ländern und hat 7,5 Millionen Einwohner. Die Österreichische
Republik gibt es seit 1918. Die Hauptstadt Wien ist auch der geistige
und kulturelle Mittelpunkt – Theaterstadt, Opernstadt, Stadt der Museen
und kulturellen Kaffeehäuser. Salzburg mit seiner Tradition und den
Festspielen zieht alljährlich viele Besucher in die Geburtsstadt von
Wolfgang Amadeus Mozart an. Wichtige literarische Zentren sind Graz
und Klagenfurt.
Die Schweiz besteht seit 1291, ist also siebenhundert Jahre alt.
Sie hat 26 kleine Kantone mit insgesamt 6,4 Millionen Einwohnern.
Es gibt vier Nationalsprachen. 70 Prozent der Schweizer sprechen
Deutsch, 20 Prozent Französisch, 9 Prozent Italienisch und 1 Prozent
spricht einen Dialekt (Rätoromanisch). Die Hauptstadt ist Bern.
Wichtige geistige Zentren sind Zürich, Genf, Basel. Weltberühmt sind
nicht nur die Schweizer Schokolade und der Schweizer Käse, sondern
auch der Schweizer Franken.
Erläuterungen:
*die Bevölkerungsdichte: Anzahl der Einwohner auf einem
bestimmten Raum (densitatea populaţiei)
*die Verfassung: Grundsätze, in denen die Form eines Staates und
die Rechte und Pflichten seiner Bürger festgelegt sind (constituţia)
*das Bundesland: in bestimmten Bereichen und in einem
bestimmten Ausmaß selbständig verwaltetes Land innerhalb eines Staates
(land federal)
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*öffentlich: 1. für alle hörbar, sichtbar oder zugänglich
2. den Staat, die Allgemeinheit betreffend (public)
*sich bekennen zu + D: für jemanden/etwas eintreten (a crede în;
a interveni pentru cineva/ceva)
*der EuR- Gipfel: das Treffen der Präsidenten der Mitgliedstaaten
des EuR (întâlnirea la vârf la Consiliul Europei)
*die Fremdenfeindlichkeit: der Fremdenhass, feindliches Verhalten
den Fremden gegenüber (xenofobie)
*Festspiele (Plural): sich wiederholende zusammenhängende
Folge festlicher Aufführungen von Schauspielen, Filmen, Werken der
Musik an einem bestimmten Ort, zB die Salzburger Festspiele (festival)

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DIE DEUTSCHEN BUNDESLÄNDER

Deutschland war immer in Länder gegliedert, aber die Landkarte


änderte im Laufe der Jahrhunderte häufig ihre Gestalt. Die größten
Veränderungen brachten in neuerer Zeit die Napoleonischen Kriege zu
Beginn des 19. Jahrhunderts, der Preußisch-Österreichische Krieg von
1866, der Erste und der Zweite Weltkrieg, der die Besetzung
Deutschlands und die Auflösung Preußens, des größten deutschen
Staates, zur Folge hatte. Die 16 Bundesländer in ihrer heutigen Gestalt
sind größtenteils nach 1945 gebildet worden; alte landsmannschaftliche
Zusammengehörigkeit und geschichtliche Grenzbeziehungen wurden
dabei berücksichtigt.
Bis zur Vereinigung Deutschlands im Jahre 1990 bestand die
Bundesrepublik aus elf Ländern, die in den ehemals westlichen
Besatzungszonen gegründet wurden und sich in den Jahren 1946 und
1957 demokratische Verfassungen gegeben hatten.
In der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone wurden auf
dem Gebiet der späteren DDR fünf Länder gebildet, die zum Teil auf
alten staatlichen Traditionen fußten. Bereits im Jahre 1952 wurde
diese Struktur jedoch von der DDR-Führung aufgelöst und eine
zentralistische Gebietsverwaltung eingeführt. Nach der ersten freien
Wahl am 18. März 1990 beschlossen die Parlamentarier die Neubildung
von fünf Bundesländern, die im Wesentlichen die Gestalt aus der Zeit
vor 1952 erhielten. Am 3. Oktober 1990 wurde der Beitritt der DDR und
damit der Länder: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen,
Sachsen-Anhalt, und Thüringen zur Bundesrepublik vollzogen; Ostberlin
wurde mit Westberin vereinigt.
Heute ist die Bundesrepublik Deutschland also in 16 Bundesländern
gegliedert; Bundeshauptstadt ist Berlin. Die Bundesrepublik ist ein
föderativer Staat, d. h. die Bundesländer haben weitgehende
Autonomie, besonders in der Kulturpolitik. Die Bundesländer haben
eigene Regierungen und Parlamente; die “Landtage” heißen. In den
Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen heißen die Regierungen

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“Senat”; die Parlamente in Hamburg und Bremen – “Bürgerschaft” –
und in Berlin “Abgeordnetenhaus”. Die meisten Bundesländer sind in
Regierungsbezirke eingeteilt; und diese wiederum in Landkreise
gegliedert. Die kleinste Verwaltungseinheit ist die Gemeinde. Auch
sie hat ein Parlament; das “Gemeinderat” heißt.
Die Länder der Bundesrepublik Deutschland sind:
Land Einwohnerzahl Hauptstadt
In Millionen
Baden-Württemberg 9,6 Stuttgart
Bayern 11,2 München
Berlin 3,4 Potsdam
Brandenburg 2,6
Bremen 0,7
Hamburg 1,6
Hessen 5,7 Wiesbaden
Mecklenburg-Vorpommern 2,0 Schwerin
Niedersachsen 7,2 Hannover
Nordrhein-Westfalen 17,1 Düsseldorf
Rheinland-Pfalz 3,7 Mainz
Saarland 1,1 Saarbrücken
Sachsen 4,9 Dresden
Sachsen-Anhalt 3,0 Magdeburg
Schleswig-Holstein 2,6 Kiel
Thüringen 2,7 Erfurt
Deutschland 79,1 Berlin

Im Folgenden werden die Bundesländer kurz vorgestellt:

Baden-Württemberg
Vielfältige Natur. Baden-Württemberg gehört zu den landschaftlich
reizvollsten Regionen der Bundesrepublik. Der Schwarzwald ist ein
waldreiches Mittelgebirge und beliebtes Erholungsgebiet. Der
Bodensee, das “Schwäbische Meer”, die grünen Flußtäler von Rhein
und Donau, Neckar und Tauber, die rauhe Schwäbische Alb und das
sanfte Markgr≅flerland mit seinen Weinbergen sind vielbesuchte
Ausflugs- und Urlaubsziele.
Kultur. Die Region Mittlerer Neckar mit der Landeshauptstadt
Stuttgart ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Das
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Ulmer und das Freiburger Münster sind das Zeugnis der architektonischen
Meisterschaft im Süden Deutschlands. Das Heidelberger Schloß und
die Altstadt ziehen Besucher aus aller Welt an.
Industrie. Alte Handwerkstradition und modernes Unternehmertum
sind die Fundamente der Industrielandschaft Baden-Württembergs.
Das Land ist hoch industrialisiert und gehört zu den wirschaftlich
stärksten Bundesländern. Die längste Tradition hat hier die
Feinmechanik (Uhren). In und um Stuttgart sind nur Weltfirmen wie
die Dailmer-Benz AG, Bosch, IBM, SEL oder Porsche ansässig: hier
wie überall in Baden-Württemberg ist die Wirtschaft in hohem Maße
mittelständig organisiert.
Wissenschaft und Forschung. Zu den zahlreichen wissenschaftlichen
Einrichtungen in diesem Bundesland gehören das Kernforschungszentrum
Karlsruhe, das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg und
mehrere Max-Planck-Institute ebenso wie neun Universitäten. Die im
Jahre 1386 gegründete Heidelberger Universität ist die älteste in
Deutschland überhaupt, während Karlsruhe die älteste deutsche
Technische Hochschule hat.
(Verändert und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Bayern
Natur. Seine Attraktivität verdankt Bayern dem Zauber seiner
Landschaften. Es lockt mit der Bergwelt der Alpen, wo Deutschlands
höchstes Bergmassiv, die Zugspitze (2962m) liegt. Hinzu kommen auch
die malerischen Seen im hügeligen Alpenvorland, dem Bayerischen
Wald oder die Täler an der Donau, Main und ihren Nebenflüssen,
sowie die Städte, durch welche die “Romantische Straße” führt.
Tradition mit Zukunft. Früher galt München als ländliche
Hauptstadt, als urbaner Mittelpunkt des größten deutschen Agrarlandes.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ es sich gern “Deutschlands heimliche
Hauptstadt” nennen und avancierte zum Zentrum einer zukunftorientierten
Wirtschaftsregion (Auto- und Flugzeugbau, Elektro- und Elektronik-
industrie, Versicherungs- und Verlagswersen). Mit ihrer Universität
und anderen Hochschulen, dem Max-Planck-Institut oder dem
Atomforschungs-Reaktor ist die bayrische Landeshauptstadt auch ein
bedeutendes Zentrum von Wissenschaft und Forschung.
Industrie. Zusammen mit Fürth und Erlangen bildet Nürnberg einen
Ballungsraum mit Maschinenbau, Elektro- und Spielzeugindustrie als
wichtigsten Branchen (Siemens AG, Quelle, Grundig). Regensburg hat
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eine junge Elektro- und noch jüngere Autoindustrie (BMW).
Handwerklich-industrielle Traditionen führen Ostbayern die Glashütten
(Zwiesel) und Porzellanmanufakturen auf hohem Niveau (Rosenthal) fort.
Kultur. Regensburg zeigt ein weitgehend erhaltenes mittelalterliches
Stadtbild. Nürnberg, die Stadt Albrecht Dürers (1471-1528), bewahrt in
ihren Kirchen und Museen spätmittelalterliche Kunstschätze. Juwelen des
Barock und des Rokoko sind die Kirchen der Klöster Banz und Ettal,
die Basilika Vierzehnheiligen und die “Wieskirche” bei Steingaden,
ebenso die ehemalige fürstbischöfliche Residenz Würzburg. München
beherbergt im “Deutschen Museum” auch die weltgrößte Sammlung zur
Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik. Die Schlösser des
bayrischen “Märchenkönigs” Ludwig II., Herrenchiemsee, Linderhof und
Neuschwanstein sind heute Besuchermagnete, desgleichen die Städte
Rothenburg ob der Tauber, Nördlingen mit ihren mittelalterlichen
Fachwerkhäusern.
(Verändert und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Berlin
Bewegte Vergangenheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg war
Berlin lange Zeit das Symbol der deutschen Teilung und Zentrum des
“Kalten Krieges”. Die drei Westsektoren und Ost-Berlin entwickelten
sich seit der fηnfziger Jahren immer mehr auseinander. Im Jahre 1961
wurde die Mauer gebaut, die Ost- und Westberlin bis 1989 trennen sollte.
Europäische Kulturmetropole. In den “Goldenen Zwanzigern” war
Berlin nicht nur Hauptstadt, sondern mit drei Opernhäusern, mehreren
großen Orchestern, Dutzenden von Theatern und Museen auch
Kulturhauptstadt Europas.
Wissenschaft und Forschung sind in Berlin durch die nach
Wilhelm und Alexander von Humboldt benannte Universität, die Freie
Universität im westlichen Teil und die Technische Universität vertreten.
Hinzu kommen noch zahlreiche andere Insititute, z. B. das Hahn-
Meitner-Institut (Forschungen im Bereich Kern- und Reaktorenphysik),
das Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik und die Stiftung
Preußischer Kulturbesitz.
Industrie. Bis heute ist Berlin Europas größter Industriestandort
mit Branchen wie Maschinenbau, Nahrungs- und Genußmittelindustrie,
Pharmaindustrie, Textil- und vor allem Elektroindustrie.

(Verändert und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)


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Brandenburg
Natur. Wenn die Berliner die Großstadt satt haben, dann fahren
sie in die Mark Brandenburg, wo sie viele Seen, schöne Flußlands-
chaften und Kieferwälder zur Erholung finden. Eine der reizvollsten
Landschaften ist der Spreewald, wo sich der Flu8 in viele kleine Arme
und Kanäle zerteilt. So bildet er natürliche Wasserstraßen, auf denen sich
der Verkehr vorwiegend auf Kähnen bewegt.
Geschichte und Kultur. Potsdam, die Hauptstadt des Bundeslandes,
ist mit der preußisch-deutschen Geschichte aufs engste verbunden, seit
König Friedrich II (1712-1786) Potsdam zu seiner Residenz machte.
Seine Bauten, insbesondere die in dem herrlichen Park von
Sanssoucci, haben das Ende Preu8ens als Staat überdauert. Dort führte
der aufgeklärte Monarch philosophische Gespräche mit Voltaire
(1694-1778), hier empfing er auch andere berühmte Gäste wie Johann
Sebastian Bach (1685-1750). Brandenburg war auch die Tagungsstätte
der Potsdamer Konferenz, auf der im Sommer 1945 die politischen
Führer der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion weltreichende
Beschlüsse über da besiegte Deutschland faßten.
Industrie. Brandenburg ist flächenmäßig das größte Land der
neuen Bundesländer. Land- und Fortswirtschaft zählen zu seinen
wichtigsten Wirtschaftszweigen. Industriell bedeutsam sind die Regionen
Eisenhüttenstadt (Stahlproduktion) und Cottbus (Braunkohleförderung).
In Frankfurt an der Oder sind Elektrotechnik und Gerätebau vertreten.
(Verändert nach “Die Bundesrepublik Deutschland. Lesetexte
zur Landeskunde” und “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Bremen
Bremen ist eine Hansestadt und zusammen mit Bremerhaven ein
Stadtstaat, das kleinste Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.
Neben San Marino ist es die zweitälteste noch bestehende
Stadtrepublik der Welt.
Geschichte. Im Jahr 1358 wurde die Stadt Mitglied im
Städtebund der Hanse, der bis ins 16. Jahrhundert den Handel in Nord-
und Osteuropa beherrschte.
Industrie. Bremens Industrie beschränkt sich nicht auf
Schifffahrt und Schiffbau; in der Stadt entwickelte sich zusätzlich eine
leistungsfähige Flugzeug- und Raumfahrtindustrie. Auch Fahrzeug,
Elektrotechnik sowie Nahrungs- und Genußmittelindustrie sind hier zu
Hause. Bremerhaven ist das Zentrum der deutschen Polarforforschung.
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Kultur. Am Marktplatz aus Bremen erheben sich der gotische St.
Petri-Dom und das prachtvolle Renaissance-Rathaus. Davor steht die
Rolandssäule, Symbol der Stadtfreiheit und ebenso ein Wahrzeichen
für Bremen sowie das Denkmal der Stadtmusikanten, Tierfiguren nach
dem Märchen der Brüder Grimm.
(Verändert und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Hamburg
Neben Bremen ist Hamburg der zweite Stadtstaat. Stolz nennt
sich die größte deutsche Hafenstadt “Tor der Welt”, da Hamburg der
wichtigste Seehafen der Bundesrepublik und zugleich ihr größter
Au8enhandels- und Transitplatz ist. Hamburg gilt auch als die
zweitgrößte Stadt in der Bundesrepublik Deutschland.
Kultur. Ein berühmter Sohn der Stadt ist der Komponist
Johannes Brahms (1833-1897); zeitweilig haben hier G. E. Lessing,
F. G. Kloppstock und M. Claudius gewirkt.
Wissenschaft und Forschung. Die Hamburger Universität ist eine
der größten in der Bundesrepublik; viele wissenschaftliche Institute
dienen der Forschung.
(Verändert und gekürzt nach “Die Bundesrepublik Deutschland.
Lesetexte zur Landeskunde” und “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Hessen
Natur. Zwischen Bergen liegen schöne Täler mit vielen alten
Ritterburgen, stille Waldlandschaften. Besonders auffallend ist in
Hessen die Konzentration vieler Badeorte mit Mineralquellen auf
einem kleinen Raum. Diese Konzentration ist einzigartig in Europa.
Der berühmteste Kurort ist die Landeshauptstadt Wiesbaden mit
vielen Quellen, darunter Thermalquellen, die schon die Römer
kannten und nutzten. Landschaftlich reizvoll liegen die Universitäts-
städte Marburg und Gießen sowie die Stadt Wetzlar.
Kultur. Frankfurt, die Geburtsstadt von J. W. Goethe (1749-1832)
ist heute eine Stadt der Kunst, des Theaters und der Verlage. Die
Frankfurter internationale Buchmesse ist die größte Bücherschau der
Welt. Kassel ist wegen ihrer reichen Sammlungen mit niederländischer
Malerei und wegen der “documenta”, der weltweit größten Präsentation
von Gegenwartskunst bekannt.

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Industrie und Handel. Die Rhein-Main-Region ist nach dem
Ruhrgebiet und neben Berlin das größte Wirtschaftszentrum Deutschlands.
Hier haben ihren Sitz u. a. Firmen wie Hoechst und Opel oder Degussa. Ein
weiteres Industriezentrum für Maschinen-, Lokomotiv-, Waggon- und
Automobilbau liegt in Kassel.
Schon immer war Frankfurt ein bedeutendes Handelszentrum.
Jedes Jahr treffen sich hier Geschäftsleute aus aller Welt zu
internationalen Frühjahrs- und Herbstmessen. Die Stadt gilt als
Metropole der Finanzwelt. Davon zeugen die vielen riesigen
Bankhochhäuser, die das Stadtbild prägen.
(Vereinfacht und gekürzt nach “Die Bundesrepublik Deutschland.
Lesetexte zur Landeskunde” und “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Mecklenburg-Vorpommern
Natur. Der größte Reichtum dieses Bundeslandes ist die
unzerstörte Natur, das Wasser und seine Seen. Es hat von allen
Bundesländern die längste Osteseeküste mit vielen Badeorten,
vorverlagerten Inseln und geschützten Buchten. Die Insel Rügen mit
ihren schroffen Kreidefelsen hat schon immer Maler angelockt, z. B.
Caspar David Friedrich. Im Süden des Landes reiht sich ein See an
den andern, die Mecklenburgische Seenplatte. An einem dieser
schönen Seen liegt Schwerin, eine ehemalige herzogliche Residenzstadt,
heute die Landeshauptstadt.
Wirtschaft. Das Land ist arm, es gibt kaum Industrie, in den
Küstenstädten kämpfen die Werften gegen internationale Konkurrenz.
Wichtigste Wirtschaftszweige sind Landwirtschaft, Ackerbau und
Viehzucht. Ständige Erwerbsquellen sind auch die Küsten- und
Binnenfischerei. Beste Chanchen bietet der Tourismus, der noch
aufgebaut werden muß.
(Vereinfacht und gekürzt nach “Die Bundesrepublik Deutschland.
Lesetexte zur Landeskunde” und “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Niedersachsen
Natur. Die drei Großräume dieses Bundeslandes sind: der Harz,
das Weserbergland und Norddeutsche Tiefebene mit der Lüneburger
Heide, das bekannteste Naturschutzgebiet Norddeutschlands. Eine
Welt für sich sind die Moore des Emslandes, die Marschwiesen hinter
den Nordseedeichen und die Ostfriesischen Inseln im Wattenmeer.
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Kultur. Die Universitätsstadt Göttingen hat in der Geschichte der
Naturwissenschaften eine bedeutende Rolle gespielt. Hier wirkte auch
der Mathematiker und Astronom C. F. Gauß (1771-1859).
Die Niedersächsischen Städte können auf eine reiche
Vergangenheit zurückblicken. Davon erzählen viele Dome, Burgen und
Klöster im Renaissancestil, z. B. Goslar, Braunschweig, Hildesheim, u. a.
Industrie. Da fast ein Drittel des Landesoberfläche land-
wirtschaftlich genutzt wird, weist Niedersachsen eine breitgefächerte
Ernährungsindustrie auf (Schinken aus dem Oldenburger Land, Honig
aus der Lüneburger Heide).
Lange Tradition hat die Ausbeutung der Bodenschätze
besonders des Silbererzes im Harz. Ein wichtiger Wirtschaftszweig ist
auch Niedersachsens Kaliinindustrie. Braunschweig ist der Sitz der
Physikalisch-Technischen der obersten Bundesbehörde für das
Prüfungs-, Eich-, und Zulassungswesens. In Wolfsburg liegt das die
Volkswagen AG und VW-Stiftung. In Hannover ist die größte
Industriemesse der Welt.
(Vereinfacht und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Nordrhein-Westfalen
Natur. Es wäre falsch, sich Nordrhein-Westfalen als eine öde
Industrielandschaft vorzustellen, denn drei Viertel seines Bodens sind
von Wald bedeckt.
Kultur. Viele alte Städte, wie z. B. Köln und Bonn sind auf alten
römischen Siedlungen entstanden. Sie herbergen zahlreiche Museen,
Dome und schöne Bauten.
Industrie. Nordrhein-Westfalen ist das volkreichste Bundesland
mit der größten Bevölkerungsdichte. Das Land verdankte seinen
Wohlstand natürlich in erster Linie der Industrie, deren Entwicklung
durch Stein-, und Braunkohlelager und Erzvorkommen begünstigt
wurde. Heute wurde der Schwerpunkt der Industrie zugunsten der
Hochtechnologie (Elektronik) und Dienstleistungen verschoben.
Wichtige Zentren sind Essen, Dortmund und Duisburg. Bedeutend ist
auch die chemische Industrie in Leverkusen und die Textilindustrie in
Bielefeld und Krefeld.

(Vereinfacht und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

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Rheinland-Pfalz
Natur. Zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland suchen in den
Kurorten von Rheinland-Pfalz Erholung und Heilung. Da vulkanische
Gestein der Mittelgebirge läßt viele Mineralquellen hervorsprudeln.
Die Reben in der Pfalz, am Rhein, an der Mosel und Ahr erbringen
zwei Drittel der deutschen Weinernte.
Zu den schönsten Landschaften Deutschlands zählt das
sagenumwobene, burgengeschmückte, von zahllosen Dichtern, Malern und
Musikern verklärte Rheintal zwischen Bingen und Bonn. Auch die Täler der
Nebenflηsse Mosel, Nahe, Lahn und Ahr sind von bezaubernder Sch⎯nheit.
Am Fuße des Pfälzer Waldes verläuft die “Deutsche Weinstraße”.
Kultur und Geschichte. Am Rhein, in Speyer, Worms und Mainz
stehen die großen Kaiserdome aus dem Mittelalter. Der Mainzer
Kurfürst war Erzkanzler des “Heiligen Römischen reiches Deutscher
Nation”. In Worms stand die älteste Synagoge Deutschlands (begonnen
1034 in romanischem Stil). In Worms lehnte der Reformator Martin
Luther auf dem Reichstag von 1521 den Widerruf seiner Thesen ab; in
Koblenz kämpfte 300 Jahre später der liberale “Rheinischer Merkur”
gegen die napoleonische Herrschaft und gegen die Pressezensur. Das
Weltmuseum der Druckkunst, das Gutenberg-Museum in Mainz, zeigt
seine Schätze in der Geburtsstadt des Erfinders des des Buchdrucks
mit beweglichen Lettern, Johannes Gutenberg (1400-1468).
(Vereinfacht und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Saarland
Den Namen bekam das Bundesland von der Saar, einem Nebenfluß
der Mosel.
Geschichte. Das an Kohlengruben und Stahlwerken reiche Gebiet
wurde 1920 vom Deutschen Reich abgetrennt und unter Verwaltung des
Völkerbundes gestellt. 1935 entschied sich die Bevölkerung mit gro8er
Mehrheit fηr die politische Wiederanbindung an Deutschland. Ähnliches
geschah nach dem Zweiten Weltkrieg: Erneut wurde das Saargebiet
angetrennt. Seine Bevölkerung votierte in einer Abstimmung für die
Zugehörigkeit zur Bundesrepublik. Die Zustimmung Frankreichs bildete
einen Meilenstein auf dem Weg zur deutsch-französischen Verständigung.
Kultur und Forschung. In Saarbrücken sind Fach- und Hochschulen
konzentriert.
Industrie. Traditionelle Branchen sind die Glas- und Keramikindustrie.
(Vereinfacht und gekηrzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)
24
Sachsen
Natur. Das Elbsandsteingebirge der Sächsischen Schweiz ist nicht
nur seiner idealen Kletterbedingungen wegen ein attraktives Urlaubsziel.
Kultur. Leipzig, ein Zentrum des Verlagswesen; Dresden, im
Volksmund “Elbflorenz” ist noch immer ein erstrangiges Musikzentrum
mit der originalgetreu wiederaufgebauten Oper von Gottfried Semper
(1870-1878) im italienischen Renaissance-Stil errichtet, der Staatskapelle,
dem Kreuzchor, ein Eldorado der bildenden Kunst mit seinen ηberaus
reichhaltigen Sammlungen von Pretiosen im “Grünen Gewölbe” und von
Meisterwerken europäischer Malerei in der “Gemäldegalerie Alte
Meister”. Das Werk Johann Sebastian Bachs wird vom Thomanerchor in
ununterbrochener Tradition gepflegt.
Die Universität in Leipzig, Sachsens größter Stadt war vor allem
im 18. Jahrhundert ein geistiger Mittelpunkt, wo die angesehensten
Philosophen und Dichter lehrten und studierten, so auch Johann
Wolfgang von Goethe.
Industrie. Ununterbrochen ist seit 1710 die Kontinuität der
Porzellanmanufaktur in Meißen. Sachsen war aber auch das erste
deutsche Industrieland.
(Vereinfacht und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Sachsen-Anhalt
Natur. Das Harz-Gebirge mit seinem höchsten Berg, dem
Brocken (1142m), dem Blocksberg in Goethes “Faust”, reicht mit
seinem nordwestlichen Teil nach Niedersachsen.
Kultur. Die größte Stadt des Landes, Halle an der Saale, wurde
berühmt durch ihre Universität, die einst ein Zentrum der Aufklärung
in Deutschland war. Dom, Marktkirche und Roter Turm dominieren
im historischen Zentrum der alten Salzstadt, wo der Komponist
Georg Frierich Händel (1685-1759) geboren wurde. Eine andere
Universitätsstadt war Wittenberg an der Elbe, wohin Martin Luther als
Professor berufen wurde. Dort schlug er seine 95 Thesen an das Portal
der Schloßkirche und gab damit den Anstoß zur Reformation. Der
Dom der Kaiser- und Bischofsstadt Magdeburg ist eines der
mächtigsten sakralen Bauwerke Deutschlands. Tangermünde ist seiner
Backsteinarchitektur gilt als “nördliches Rothenburg”.
Industrie. Hier hat sich eine umfangreiche Lebensmittelindustrie
entwickelt; früher war es ein Chemie- und Braunkohlezentrum.
(Vereinfacht und gekürzt nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)
25
Schleswig-Holstein
Natur. Das Schicksal des nördlichsten Bundeslandes der
Bundesrepublik ist das Meer. Auf beiden Seiten ist Scheswig-Holstein
von Meer umschlossen, im Westen von der Nordsee, im Osten von der
Ostsee. Besonders die Nordsee hat die Küste zerrissen, Städte
überflutet und Inseln verschlungen. Die vorgelagerten Nordfriesischen
Inseln, von denen Sylt die größte ist, sind Reste ehemaligen Festlands.
Auch heute noch kämpfen Küsten- und Inselbewohner gegen die See,
die sie durch Deichbauten von Zerstörungen abzuhalten versuchen.
Aber das Meer nimmt nicht nur, es gibt auch. Zwischen Küste und
Inseln liegt das flache Wattenmeer, das nur bei Flut das Land
ηberspült. Bei Ebbe zieht sich das Meer zurück, so daß man das Watt
betreten kann. Hier gewinnt man neues Land.
Kultur. Die Romane Thomas und Heinrich Manns, Söhne dieser
Stadt, gingen von Lübeck in die Welt.
(Verändert nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)

Thüringen
Natur. Wegen seiner Lage und seines Waldreichtums wird
Thüringen auch “Deutschlands grünes Herz” genannt. Einen großen Teil
des Landes nimmt der Thüringer Wald ein, ein bewaldetes Mittelgebirge
(bis 984 m) mit sanften Höhen und tief eingeschnittenen Tälern.
Kultur. In Eisenach wurde 1685 Johann Sebastian Bach geboren.
Auf der naheliegenden Wartburg hielt sich Martin Luther 1521/1522
verborgen, dort übertrug er das neue Testament ins Deutsche, ein wichtiger
Schritt auf dem Wege zur neuzeitlichen deutschen Schriftsprache.
Der bedeutendste Mäzen des Landes war Herzog Karl-August
von Sachsen-Weimar (1757-1828). Er holte den Romancier und
Shakespeare Übersetzer Christoph Martin Wieland (1733-1813), den
Dichter und Sprachforscher Gottfried August Herder (1744-1803) und
vor allem Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) in seine Residenzstadt
nach Weimar, die um 1800 ein Kraftzentrum des Geistes, und nicht nur
des deutschen wurde. In Weimar entstanden einige von den
berühmtesten Werke von Goethe, z. B. die endgültige Fassung der
Faust-Dichtung.
Industrie. Wichtig ist die Produktion von Werzeugmaschinen
und feinmechanisch-optischen Geräten in Jena; Automobile werden
seit langer Zeit in Eisenach hergestellt.
(Verändert nach “Tatsachen über Deutschland” 1996.)
26
BEVÖLKERUNG UND BEVÖLKERUNGSGRUPPEN

Deutschland wird von rund 82 Millionen Menschen (darunter 7,3


Millionen Ausländern) bewohnt und gehört mit einer Bevölkerungsdichte
von 229 Menschen pro Quadratkilometer zu den am dichtesten
besiedelten Ländern Europas. Nur in Belgien, den Niederlanden,
Großbritannien und Nordirland ist die Bevölkerungs-dichte noch größer.
Die Bevölkerung in Deutschland ist räumlich sehr
unterschiedlich verteilt. Die seit der deutschen Vereinigung schnell
wachsende Region Berlin umfasst derzeit mehr als 4,3 Millionen
Einwohner. Im Industriegebiet an Rhein und Ruhr, wo die Städte ohne
deutliche Abgrenzung ineinander übergehen, leben mehr als elf
Millionen Menschen – etwa1100 pro Quadratkilometer.
Weitere Ballungsgebiete sind das Rhein-Main-Gebiet mit den
Städten Frankfurt, Wiesbaden und Mainz, die Industrieregion im
Rhein-Neckar-Raum mit Mannheim und Ludwigshafen, das
Wirtsschaftsgebiet um Stuttgart sowie die Einzugsbereiche von Bremen,
Dresden, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Nürnberg/Fürth.
Diesen dicht bevölkerten Regionen stehen sehr schwach besiedelte
Gebiete gegenüber, so zum Beispiel die Heide-und Moorlandschaften der
Norddeutschen Tiefebene, Gebiete der Eifel, des Bayerischen Waldes,
der Oberpfalz, der Mark Brandenburg und weite Teile Mecklenburg-
Vorpommerns.
Der Westen Deutschlands ist wesentlich dichter besiedelt als der
Osten. Dort leben auf rund 30 Prozent der Fläche weniger als ein
Fünftel (15,5 Millionen) der Einwohner Deutschlands. Von den 19
Städten mit mehr als 300.000 Einwohnern liegen zwei im östlichen
Teil Deutschlands.
Fast jeder dritte Einwohner der Bundesrepublik lebt in einer der
84 Großstädte. Dies sind rund 26 Millionen Menschen. Die Mehrheit
wohnt dagegen in Dörfern und Kleinstädten: Fast 6,6 Millionen sind in
Ortschaften mit bis zu 2000 Einwohnern zu Hause. 49,3 Millionen leben
in Gemeinden mit Einwohnerzahlen zwischen 2000 und 100.000.

27
Die Bevölkerungszahl in den alten und neuen Bundesländern ging
seit den siebziger Jahren zurück, da die Geburtenrate rückläufig war.
Mit 10,5 Geburten auf 1000 Einwohner pro Jahr (altes Bundesgebiet)
zählt Deutschland trotz eines Anstiegs der Geburtenzahlen 1996 zu den
Ländern mit der niedrigsten Geburtenrate der Welt. Der Anstieg der
Bevölkerungszahlen nach dem Zweiten Weltkrieg war im wesentlichen
durch Zuwanderung bedingt. Rund 13 Millionen deutsche Vertriebene
und Flüchtlinge kamen aus den früheren deutschen Ostprovinzen und
aus Osteuropa in das Gebiet des heutigen Deutschland.
Bis zum Bau der Berliner Mauer 1961 und der hermetischen
Abriegelung der Grenze durch die damalige DDR hielt eine große
Fluchtbewegung von Ost-nach Westdeutschland an. Seit Anfang der
sechziger Jahre kam eine erhebliche Anzahl von ausländischen
Arbeitnehmern in die alten Länder der Bundesrepublik, deren
expandierende Wirtschaft zusätzliche Arbeitskräfte benötigte.

Regionale Unterschiede
Das deutsche Volk ist im wesentlichen aus verschiedenen
deutschen Stämmen wie den Franken, Sachsen, Schwaben und Bayern
zusammengewachsen. Heute sind diese alten Stämme in ihrer
ursprünglichen Gestalt längst nicht mehr vorhanden, doch leben ihre
Traditionen und Dialekte in geschichtlich gewachsenen regionalen
Gruppen fort.
Mit der Bevölkerung der einzelnen Bundesländer sind die alten
Stämme jedenfalls kaum noch identisch. Die Länder, so wie sie heute
bestehen, sind zum großen Teil erst nach dem Zweiten Weltkrieg
unter Mitwirkung der Besatzungs – mächte geschaffen worden, wobei
die Grenzziehung auf Traditionen oft keine Rücksicht nahm. Zudem
haben die Flüchtlingsströme und großen Wanderungsbewegungen der
Nachkriegszeit, aber auch die Mobilität der modernen Industriegesell-
schaft die Grenzen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen mehr
oder weniger verwischt.
Unterschiedliche charakteristische Eigenschaften werden den Volks
– gruppen von alters her zugeschrieben. So gelten die Mecklenburger als
verschlossen, die Schwaben als sparsam, die Rheinländer als lebenslustig
und die Sachsen als fleißig und pfiffig – traditionelle Erfahrungen, die
heute noch immer im Sinn einer folkloristisch-heiteren Rivalität zwischen
den Bevölkerungsteilen willkommen sind.

28
Integrierte Volksgruppen
Die Lausitzer Sorben sind Nachfahren slawischer Stämme. Sie
besiedelten im Zug der Völkerwanderung im 6. Jahrhundert das Gebiet
ostwärts von Elbe und Saale; ihre erste urkundliche Erwähnung stammt
von 631. Im 16. Jahrhundert entstand unter dem Einfluss der Reformation
eine sorbische Schriftsprache. Während die Sorben im Zuge
demokratischer Bestrebungen im 19. Jahrhundert eine Phase nationaler
Wiedergeburt erlebten, wurde zur Zeit der nationalsozialistischen
Diktatur ihre Vernichtung geplant. Das wiedervereinigte Deutschland hat
sich zur Förderung der sorbischen Minderheit verpflichtet. Neben dem
Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig gibt es Schulen, Vereine
und weitere Institutionen zur Pflege der sorbischen Sprache und Kultur.
Die Friesen sind Nachfahren eines germanischen Stammes an
der Nordseeküste(zwischen Niederrhein und Ems) und haben sich –
neben ihrer eigenständigen Sprache – zahlreiche Traditionen bewahrt.
Im Landesteil Schleswig von Schleswig-Holstein, besonders um
Flensburg, lebt eine dänische Minderheit.

Ausländische Mitbürger
Deutschland ist ein ausländerfreundliches Land. Von den rund 82
Millionen Bewohnern der Bundesrepublik 1996 sind 7,3 Millionen
Ausländer; sie alle sind gerne nach Deutschland gekommen und im Land
geblieben. Jahrzehntelang war das Zusammenleben unproblematisch,
wobei sich der Kreis von den Italienern, den ersten Gastarbeitern, über
die Spanier und Portugiesen zu den Jugoslawen und Türken weitete.
Gelegentliche Spannungen im Alltag wurden durch Kollegialität,
Nachbarschaften und Freundschaften bei weitem aufgewogen.
Das Zusammenwachsen der EU und des Westens, die Auflösung des
Ostblocks sowie die Zuwanderung aus asiatischen und afrikanischen
Ländern bedingte eine deutliche Zunahme von Ausländern verschiedenster
Hautfarbe in Deutschland. Schon seit langem bilden die Türken mit 2,049
Millionen die größte Gruppe unter den Ausländern, gefolgt von Personen
aus dem heutigen Jugoslawien, Serbien/Montenegro, deren Zahl rund
754.000 beträgt. Aus Bosnien-Herzegowina leben rund 340.500 Personen
in Deutschland, aus Kroatien 201.900. Rund 599.000 Italiener, 362.500
Griechen, 185.000 Österreicher, 132.000 Spanier, 131.000 Portugiesen,
117.000 Briten, 113.000 Niederländer und 102.000 Franzosen stellen die
größten Kontingente aus den Ländern der EU. Rund 283.000 Polen,
101.000 Rumänen und 110.000 US-Amerikaner leben in Deutschland.

29
Hinzu kommen zum Beispiel 215.300 Menschen aus der
ehemaligen Sowjetunion, 56.000 aus Ungarn 83.000 aus Marokko,
26.000 aus Tunesien, 22.000 aus Ghana, 18.000 aus Brasilien, 63.000
aus Afghanistan, 35.000 aus China, 36.000 aus Indien, 111.000 aus der
Islamischen Republik Iran, 56.000 aus Libanon, 38.000 aus Pakistan,
58.000 aus Sri Lanka und 92.000 aus Vietnam.
Die Ausländer haben zum ganz überwiegenden Teil ihren
Wohnsitz im Westen der Bundesrepublik; rund 50 Prozent halten sich
schon zehn oder mehr Jahre in Deutschland auf. Mehr als zwei Drittel
der ausländischen Kinder sind hier geboren. Die Bundesrepublik hat
ihre Offenheit gegenüber den Ausländern nicht nur durch die
Aufnahme von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen bewiesen, sie
gehörte auch stets zu den Vorkämpfern der Freizügigkeit, der Berufs-
und Niederlas – sungsfreiheit in der Europäischen Union.
Rund 2,4 Millionen deutsche Aussiedler aus den Ländern des
früheren Ostblocks, vor allem aus dem Gebiet der ehemaligen
Sowjetunion, sind seit 1987 in die Bundesrepublik gekommen; im
Jahr 1996 waren es 178.000.
Politisch Verfolgten öffnet sich die Bundesrepublik in einem
international einmaligen Maße. So hat 1992 allein Deutschland fast 80
Prozent aller in der gesamten Europäischen Gemeinschaft Asylsuchenden
aufgenommen. 1989 suchten bei – spielsweise bereits 121.318 Ausländer
in Deutschland Asyl, 1991 kamen 256.112, und 1992 stieg die Zahl auf
438.191. Zugleich sank die Quote derer, die als tatsäch – lich politisch
verfolgt anerkannt werden konnten, auf unter fünf Prozent ab. Mit einer
von zwei Dritteln des Parlaments beschlossenen Verfassungsänderung
(“Asyl-Kompromiss”), die seit dem 1. Juli 1993 in Kraft ist und die vom
Bundesverfassungsgericht im Mai 1996 als verfassungsgemäß bestätigt
wurde, wird das Asylrecht-wie auch in anderen Ländern üblich- nun auf
seine eigentliche Funktion zurückgeführt, nämlich den Schutz derjenigen,
die aktuell politisch verfolgt sind und des Schutzes tatsächlich bedürfen.
So können sich Ausländer, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen, in
der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr auf dieses Grundrecht
berufen. Auch behält sich Deutschland unbeschadet der Genfer
Flüchtlingskonvention vor, diejenigen Staaten aufzulisten, in denen es
nach amtlichen Erkenntnissen keine politische Verfolgung gibt und daher
auch in der Regel keine Asylgründe bestehen. Jedem Asylbewerber aber
steht der Rechtsweg in Deutschland offen – bis hin zum
Bundesverfassungsgericht.

30
Die deutsche Ausländerpolitik wird von zwei Grundsätzen bestimmt:
der Integration der auf Dauer hier lebenden ausländischen Arbeitnehmer
und ihrer Familienangehörigen sowie der strikten Begrenzung des weiteren
Zuzugs aus Staaten außerhalb der Europäischen Union.
Fast die Hälfte der Ausländer lebt seit mindestens zehn Jahren in
Deutschland, 29 Prozent sind schon 20 Jahre oder länger hier. Von
den Ausländern, die sich seit mindestens zehn Jahren hier aufhalten,
sind knapp eine Million jünger als 25 Jahre; zwei Drittel von ihnen
sind hier geboren. Insbesondere für die in Deutschland geborenen
Ausländer soll der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft spürbar
erleichtert werden. Die Integration der seit langem hier lebenden
Ausländer wird durch viele Maßnahmen gefördert. So gibt es zum
Beispiel besondere Sprachförde – rungsprogramme und eine eigene
Sozialberatung für Ausländer.
Die Belange ausländischer Mitbürger nimmt die Beauftragte der
Bundesregierung für Ausländer wahr. Sie befasst sich mit Konzeption
und Einzelfragen der Ausländerpolitik und führt dazu Gespräche mit
deutschen und ausländischen Politi – kern, Vertretern der Sozialpartner
und anderen gesellschaftlichen Gruppen; insbe – sondere ist sie der
Ansprechpartner der in der Ausländerarbeit aktiven Organisationen.
Eine wichtige Aufgabe sieht die Beauftragte in der Vermittlung
umfas-sender und sachlicher Informationen über die Geschichte der
Ausländerbeschäfti –gung sowie deren wirtschaftliche Bedeutung, die
Entstehung und Entwicklung der deutschen Ausländerpolitik, die
menschlichen Aspekte der faktischen Einwande – rungssituation für
Ausländer wie Deutsche und schließlich über die politisch-rechtlichen
Bindungen der Bundesrepublik Deutschland aufgrund internationaler
Abkom – men und Erklärungen.
Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Einwanderungsland. Eine
konsequente Begrenzung des Zuzugs ist unverzichtbar, besonders im
Interesse der in Deutschland ansässigen Ausländer und ihrer Integration.
Der 1973 erlassene An – werbestopp für ausländische Arbeitnehmer aus
Nicht-EU-Staaten bleibt uneingeschränkt aufrechterhalten. Illegale
Einreise und Beschäftigung sind strafbar.
Die Einbürgerung von Ausländern, das heißt die Verleihung der
deut-schen Staatsangehörigkeit auf Antrag, ist im Reichs-und
Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 und in einigen Sondergesetzen
geregelt. Zuständig für die Einbürgerung sind in erster Linie die
Bundesländer. Um Ausländern, die hier geboren oder aufgewachsen
sind oder die seit mindestens fünfzehn Jahren in der Bundesrepublik

31
leben, den Abschluss ihrer Integration zu erleichtern, ist ihnen durch
die Paragraphen 85ff. des Ausländergesetzes in der Fassung vom 30.
Juni1993 ein Anspruch auf Einbürgerung gewährt worden.
Genauso wie die Bundesrepublik ihre eigenen Bürger gegen
Gewalttaten schützt, verfährt sie auch gegenüber ausländischen
Mitbürgern. Gewalt gegen Personen wird unerbittlich verfolgt und
hart bestraft, gleich ob sie von Aus – ländern ausgeht oder gegen
Ausländer angewandt wird. Die Bundesregierung sorgt im Namen der
deutschen Bevölkerung dafür, dass Deutschland ein gastfreundliches
Land ist und bleibt.
(nach “Tatsachen über Deutschland” -Presse-und Informationsamt
der Bundesregierung, 1998)

Erläuterungen:
*die Reformation: religiöse Erneuerungsbewegung des 16.
Jahrhunderts, die zur Bildung der evangelischen Kirchen führte
(Mişcarea Reformata)
*die Freizügigkeit: demokratisches Grundrecht, das es dem Bürger
überläßt, sich seinen Wohn-und Arbeitsort innerhalb des Staatsgebiets
frei zu wählen (dreptul de liberă deplasare)
*sich vorbehalten: sich die Möglichkeit offen lassen, gegebenenfalls
anders zu ent scheiden (a-şi rezerva dreptul)
*unbeschadet + Gen.: kennzeichnet, dass etwas für etwas
anderes nicht von Nachteil ist (fără prejudiciu)
*einwandern: sich in einem fremden Land niederlassen, um dort
eine neue Heimat zu finden (a imigra) – die Einwanderung (imigrare)
*der Antrag: an eine Behörde gerichtete schriftliche Bitte, ein
Gesuch (propunere, ofertă, cerere)
*zuständig(Adj.): verantwortlich, kompetent (ţinând de, competent)

32
LANDSCHAFTEN, GEWÄSSER, KLIMA

Wir wollen von Norden nach Süden durch Deutschland reisen.


Gestern waren wir auf der Insel Sylt in der Nordsee, dem nördlichsten
Punkt Deutschlands.
Heute früh stiegen wir in Hamburg – Hauptbahnhof in einen
Ferien-Reise-zug ein. Wir hörten noch aus dem Lautsprecher die
Ansage: ”Zum Alpen- See – Express, über Hannover, Würzburg,
München, Garmisch – Partenkirchen nach Innsbruck, Abfahrt 8.25 Uhr,
bitte einsteigen. Vorsicht am Zug ! Wir wünschen eine angenehme Reise.”
Südlich von Hamburg fährt der Zug sehr schnell, denn die Fahrt
geht auf langen geraden Strecken durch das Norddeutsche Tiefland. In
der weiten Ebene sehen wir große Getreidefelder und Wiesen,
dazwischen liegen einzelne Bauernhöfe, die von Bäumen umgeben sind.
Südlich von Hannover, nach eineinhalb Stunden Fahrt, ändert sich
die Landschaft. Am Horizont erscheinen Berge. Das ist das Deutsche
Mittelgebirge. Es sieht aus wie eine Spielzeuglandschaft: Da liegen
kleine Berge und Hügel mit Wäldern, dazwischen Felder und Wiesen,
und in den Flusstälern Städte und Fabriken. Es geht jetzt durch Tunnels
und über hohe Brücken. Um 12.42 Uhr erreicht der Zug Würzburg, wo
er auf einer großen Brücke den Main überquert. Jetzt sind wir in
Süddeutschland, und weiter geht die Fahrt durch das Mittelgebirge.
Südlich der Donau kommen wir in das Alpenvorland. Es liegt
wie ein großer,welliger, grüner Teppich vor den Alpen. Die Hügel
sind langgestreckt und niedrig, dazwischen liegen Wiesen und kleine
Seen. Kühe sind auf der Weide. Um 15 Uhr sind wir in München.
Südlich von München sehen wir am Horizont hohe Berge. Wir
sind nahe am Hochgebirge der Alpen. Um 16.30 Uhr steigen wir in
Garmisch-Partenkirchen aus. Jetzt sind wir ganz im Süden des Landes.
Wir sind 910 km weit gefahren. Hoch über der Stadt sehen wir die
Zugspitze, den höchsten Berg Deutschlands. Man kann mit der
Bergbahn auf den Gipfel hinauffahren. Er liegt beinahe 3000 m über
dem Meeresspiegel.

33
Die wichtigsten Ströme und Flüsse Deutschlands sind: der
Rhein, die Donau, der Main und der Neckar, die Mosel die Weser, die
Elbe und die Oder. Rhein, Weser, Elbe und Oder sind durch Kanäle
miteinander verbunden.
Im Westen hat Deutschland ein gemäßigtes, ozeanisches Klima,
während die östliche Hälfte des Landes ein mehr kontinentales Klima hat.
(nach “Kleine Deutschlandkunde” 1996)

Köln bei Nacht

Frühling, Sommer, Herbst und Winter: Überall in Deutschland


sind die Unterschiede zwischen den Jahreszeiten groß. Dabei hat die
Sonne einen starken Einfluss.
Am 21. Juni ist in Deutschland der längste Tag des Jahres. Dann
beginnt der Sommer. In Köln geht an diesem Tag die Sonne ungefähr
um 4.10 Uhr auf und um 20.40 Uhr unter. Wenn der Himmel wolkenlos
ist, dann wird es warm, manchmal sehr warm. Das Thermometer zeigt
25 bis 30 Grad Celsius im Schatten. In Deutschland ist der Juli der
wärmste Monat.
Am 21. Dezember beginnt der Winter. Dann ist der Tag am
kürzesten. In Köln geht die Sonne um 8.20 Uhr auf und um 16.20 Uhr
unter. In Deutschland sind die kältesten Monate der Januar und der
Februar. Dann gibt es Tage mit Temperaturen von –15 bis –20 Grad
Celsius.
Die wärmsten Gebiete Deutschlands, im Sommer wie im
Winter, sind die Täler des Rheins und seiner drei größten Nebenflüsse.
Diese Täler liegen im Schutz der Mittelgebirge.
Den Wärmerekord Deutschlands hat das Oberrheinische
Tiefland, etwa zwischen Freiburg und Mainz, mit einem Jahresmittel
von 10 Grad Celsius Außerdem gibt es am Nordrand des Deutschen
34
Mittelgebirges einige Wärmeinseln: im Münsterland zwischen Rhein
und Ems, im Wesertal sowie kleine Wärmeinseln bei Hannover, bei
Braunschweig, im Elbtal und bei Leibzig.
In der Mitte und im Süden Deutschlands liegen einige
Kälteinseln. Die Bayerischen Alpen und die höchsten Gebiete der
Deutschen Mittelgebirge sind die kältesten Gebiete. Den Kälterekord
in Deutschland hat die Zugspitze mit einem Jahresmittel von –5 Grad
Celsius.
Die Tageszeitung berichtet:
Montag, 14. März. In Süddeutschland, großen Teil Österreichs
und Norditaliens hat es am Wochenende eine der schwersten
Schneekatastrophen der letzten Jahrzehnte gegeben. Dabei haben
mindestens siebzehn Menschen das Leben verloren. In Lachen im Allgäu
fand ein Junge unter einer Dachlawine den Tod. Seit Samstagmorgen
schneit es. In den Tälern liegt der Schnee zwei Meter, auf den Bergen 5-6
Meter hoch. Der Schnee blockiert Straßen und Eisenbahnlinien. 50.000
Touristen sind in den Wintersportgebieten eingeschlossen.
Mittwoch, 16. März. Nach der Schneekatastrophe vom
Wochenende sind gestern die Temperaturen auf 8-10 Grad Celsius
gestiegen. Der Schnee taut, und es regnet. Die Flüsse Süddeutschlands
haben Hochwasser. Auf dem Neckar können keine Schiffe mehr fahren.
21 Straßen sind wegen Hochwasser gesperrt. In der Heidelberger
Altstadt steht das Wasser in den Straßen und Häusern.
So viele Niederschläge, Regen und Schnee, in wenigen Tagen
gibt es in Deutschland nur selten. Im März, wenn der Winter zu Ende
geht, fallen im allgemeinen nur wenig Niederschläge. Die meisten
Niederschläge fallen normalerweise im Sommer.
Westeuropa und der größte Teil Mitteleuropas haben ein
gemäßigtes, ozeanisches Klima. Im Winter ist es nicht zu kalt, im
Sommer nicht zu heiß. Es gibt auch keine Trockenzeit. In jedem Monat
gibt es Niederschläge.
Der Motor dieses Klimas befindet sich über dem Nordatlantik.
Wie in einem sehr großen Ventilator entstehen dort Westwinde. Sie
wehen die feuchte Luft vom Meer nach Europa hinein. Die Westwinde
bringen immer Wolken mit. Wo sie auf ein Gebirge treffen, dort gibt
es Niederschläge. Daher bekommen die Westseiten der Mittelgebirge
und die Nordseite der Alpen sehr viel Regen und Schnee.
Den Rekord in Deutschland haben die höchsten Berge der
Bayerischen Alpen. Dort gibt es Niederschläge von mehr als 2000 mm

35
im Jahr. Das sind durchschnittlich 7 Liter täglich. Aber oft fällt auf
den höchsten Gipfeln der Berge Schnee auch im Sommer.
Je weiter die Westwinde nach Osten in den Kontinent hinein
wehen, desto weniger Niederschläge gibt es. In der östlichen Hälfte
Deutschlands und in Osteuropa hat das Klima schon mehr kontinentalen
Charakter.
(nach “Kleine Deutschlandkunde” 1996 )

Erläuterungen:
*die Ansage: das Bekanntgeben, die Ankündigung (einer Sendung
im Radio) (comunicare, anunţare)
*die Streckeâ: bestimmte (von zwei Punkten begrenzte) Entfernung
(porţiune de drum, distanţă)
*das Tiefland: die Tiefebene (câmpie)
*wellig: wellenförmig (ondulat)
*der Meeresspiegel: Oberfläche des Meeres (nivelul mării)
*dabei: 1. nahe bei der betreffenden Sache; 2. während dieser Zeit;
3. obwohl; 4. hinsichtlich des eben Gesagten (la aceasta)
*wolkenlos: das Gegenteil von “bewölkt” (senin, fără nori)
*aufgehen: die Sonne geht im Osten auf (a răsări)
untergehen: die Sonne geht im Westen unter (a apune)
*der Nebenfluss: Fluss, der in einen größeren Fluss mündet
(afluentul)
*das Jahresmittel: der jährliche Mittelwert; im Durchschnitt,
durchschnittlich (media anuală)
*mindestens: wenigstens (cel puţin)
*die Dachlawine: Lawine, größere Masse von Schnee, die ins
Rutschen und Stürzen geraten ist (avalanlşa)
*tauen: schmelzen, zu Wasser werden; Tau bilden (a se topi, a se
dezgheţa, a cadea rouă)

Die deutschen Landschaften sind außerordentlich vielfältig und


reizvoll. Niedrige und hohe Gebirgszüge wechseln mit Hochflächen,
Stufenländern, Hügel-,Berg-und Seenlandschaften sowie weiten,
offenen Ebenen. Von Norden nach Süden unterteilt sich Deutschland
in fünf, große Landschaftsräume: das Norddeutsche Tiefland, die
Mittelgebirgsschwelle, das Südwestdeutsche Mittelgebirgsstufenland,
das Süddeutsche Alpenvorland und die Bayerischen Alpen.
a) Im Norden prägen seenreiche, hügelige Geest-und Lehmplatten
das Tiefland, durchsetzt von Heiden und Mooren sowie den fruchtbaren
36
Böden südwärts vor der Mittelgebirgsschwelle: Zu diesen
Tieflandbuchten gehören die Niederrheinische, die Westfälische und die
Sächsisch-Thüringische Bucht. Im Norden reichen die Marschen der
Nordseeküste bis zum Geestrand. Charakteristisch für die Ostseeküste
sind in Schleswig –Holstein die Förden, in Mecklenburg-Vorpommern
dominiert die Strandsee und Ausgleichsküste. Die wichtigsten Inseln in
der Nordsee sind die Ostfriesischen Inseln, unter anderen Borkum und
Norderney, die Nordfriesischen Inseln Amrum, Föhr, Sylt sowie
Helgoland in der Helgoländer Bucht. Rügen, Hiddensee und Fehmarn
liegen in der Ostsee. Die Ostseeküste ist teils sandige Flachküste, teils
felsige Steilküste. Zwischen Nord-und Ostsee liegt das niedrige
Hügelland der “Holsteinischen Schweiz”.
b) Die Mittelgebirgsschwelle trennt den Norden vom Süden
Deutschlands; das Tal des Mittelrheins und die hessischen Senken
dienen als natürliche Leitlinien des Nord-Süd-Verkehrs. Zu den
Mittelgebirgen gehören das Rheinische Schiefergebirge mit Hunsrück,
Eifel, Taunus, Westerwald, Bergischem Land und Sauerland, das
Hessische Bergland, das Weser-und Leinebergland im Westen und in
der Mitte Deutschlands. Im Herzen Deutschlands findet sich die
Gebirgsinsel des Harzes. Östlich gelegen sind die Rhön, der Bayerische
Wald, der Oberpfälzer Wald, das Fichtelgebirge, der Frankenwald, der
Thüringer Wald und das Erzgebirge.
c) Zum Südwestdeutschen Mittelgebirgsstufenland gehören die
Oberrheinische Tiefebene mit ihren Randgebirgen Schwarzwald,
Odenwald und Spessart, der Pfälzer Wald und das Schwäbisch-
Fränkische Stufenland mit der Alb.
d) In einem engen Tal zwischen Bingen und Bonn zwängt sich
der Rhein, die wichtigste Verkehrsachse in Nord-Süd-Richtung,durch
das Rheinische Schiefergebirge, dessen Hochflächen dünner besiedelt
sind als die geschützten, durch Weinbau und starken Fremdenverkehr
geprägten rechts-und linksrheinischen Tallandschaften.
e) Das Süddeutsche Alpenvorland umfasst die Schwäbisch-
Bayerische Hochebene mit ihren Hügeln und großen Seen im Süden,
dazu weite Schotterebenen, das Un-terbayerische Hügelland und die
Donauniederung. Charakteristisch für diese Landschaft sind Moorgebiete,
kuppenförmige Hügelketten mit Seen (Chiemsee, Starnberger See) und
kleine Dörfer.
f) Der deutsche Teil der Alpen zwischen dem Bodensee und
Berchtesgaden umfasst nur einen schmalen Anteil dieses Gebirges: Er
beschränkt sich auf die Allgäuer Alpen, die Bayerischen Alpen und die

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Berchtesgadener Alpen. Eingebettet in die Bergwelt der Alpen sind
malerische Seen, wie zum Beispiel der Königssee bei Berchtesgaden,
und beliebte Fremdenverkehrsorte, wie etwa Garmisch-Partenkirchen
oder Mittenwald.
(nach “Tatsachen über Deutschland, 1996 )

Auf einer Eisenbahnfahrt von Hamburg nach München kommt


man aus dem Norddeutschen Tiefland in das hügelige und bergige
Gelände Mittel-und Süd-deutschlands. Der Boden steigt von Norden
nach Süden allmählich an. Darum fließt fast alles Wasser, das sich aus
den Regenfällen und aus dem im Frühjahr schmelzenden Schnee in
Bächen und Flüssen sammelt, nach Norden zur Nordsee und zur
Ostsee. Nur im Süden Deutschlands gibt es einen großen Strom, der in
ein anderes Meer mündet; das ist die Donau. Sie führt viel Wasser aus
Baden-Württemberg und Bayern in das ferne Schwarze Meer.
Unter den deutschen Flüssen ist der Rhein der bekannteste. Der
Rhein hat seine Quelle auf einem hohen Berge in der Schweiz, dem
St. Gotthard. Als wilder Gebirgsbach stürzt der Vorderrhein zu Tal.
Zu ihm gesellt sich bald der Hinterrhein, und dann eilen beide vereint
dem Bodensee zu.
Bei Basel wendet sich der Rhein nach Norden. Er heißt von hier
ab Oberrhein und ist schiffbar. Sehr rege wird der Schiffsverkehr bei
dem großen Binnenhafen Mannheim-Ludwigshafen, wo der Neckar
einmündet. Auch der Main führt viel Wasser dem Rhein zu. Unterhalb
der Mainmündung biegt der Fluss nach Westen, bald darauf in einer
scharfen Wendung nach Nordwesten. Manchen Nebenfluss nimmt der
Mittelrhein auf, der größte ist die Mosel.
Bei Bonn beginnt der Unterlauf des Rheins, der Niederrhein. Er
ist ein breiter, mächtiger Strom. Selbst Seeschiffe sieht man bis
Duisburg-Ruhrort, den größten Binnenschifffahrtshafen Europas,
hinauffahren. Geruhsam fließt der Strom durch die weite Ebene. Dann
verläßt er deutschen Boden. In den Niederlanden teilt er sich in
mehrere Arme und bildet schließlich mit der Maas zusammen eine
weitverzweigte dreieckförmige Mündung.
Die Weser ist der einzige deutsche Strom, dessen Quelle und
Mündung innerhalb der Grenzen Deutschlands liegen. Vom Thüringer
Wald und vom Rhöngebirge plätschern Bäche und Flüsschen hinab
zur Werra und Fulda. Bei Hannoversch-Münden mündet die Fulda in
die Werra; von hier an heißt der Fluss Weser. Bis Bremen hinauf ist die
38
Weser für Seeschiffe befahrbar. Große Passagierschiffe aber fahren nur
bis Bremerhaven an der Wesermündung.
Die Elbe ist die große Wasserstraße zwischen Böhmen,
Sachsenund Hamburg. Die Elbe entspringt im Riesengebirge, sie fließt
durch Böhmen, durchbricht dann das Elbsandsteingebirge und fließt
nun auf deutschem Boden weiter. Auf ihrem Unterlauf, der Unterelbe,
fahren die Überseedampfer bis Hamburg. An der Mündung bei
Cuxhaven ist die Elbe 15 km breit.
Auch die Oder hat regen Schiffsverkehr. Aus Oberschlesien
bringen die Frachtkähne vor allem Steinkohle nach dem Ostseehafen
Stettin. Um den Wasserspiegel im Mittellauf zu heben, hat man in
einigen kleineren Nebenflüssen der Oder Staudämme errichtet, hinter
denen in den Zeiten reichlicher Wasserführung das Wasser in großen
Becken gesammelt wird.
Rhein, Weser, Elbe und Oder sind durch Kanäle miteinander
verbunden. Die Donau ist zwar länger als alle anderen deutschen
Flüsse, aber innerhalb der deutschen Landesgrenzen liegt nur etwa ein
Viertel der Stromlänge. Der Donau strömen die meisten Flüsse
Bayerns zu. So wird der größte Teil Süddeutschlands durch die Donau
und ihre Nebenflüsse nach dem Schwarzen Meer entwässert.
(nach Seydlitz, “Deutschland,1. Teil”, 1964)

Erläuterungen:
*die Geest,-en (das Geestland): hochgelegener, sandiger,
unfruchtbarer Boden an der Nordseeküste
*die Marsch,-en: flaches, sumpfiges Land am Meer mit sehr
fruchtbarem Boden (luncă, teren de aluviune)
*der Schiefer: aus vielen dünnen Schichten bestehendes Gestein
(ardezie, şist)
*der Schotter: zerkleinerte Steine zum Bau von Straßen und zum
Verlegen von Gleisen (prundiş)

Wichtige Orte und Landschaften


Das Schwäbisch – Bayerische Alpenvorland hat nur wenige Städte.
Bei Ulm, Donauwörth und Ingolstadt führen seit alter Zeit
Handelsstraßen über die Donau. Von diesen drei Brückenstädten hat sich
Ulm am stärksten entwickelt. Augsburg am Lech war im Mittelalter eine
reiche Stadt. Tüchtige Kaufleute trieben Handel mit den Ländern am
Mittelmeer. Weltberühmt wurde das Handelshaus der Fugger. Die
bedeutendste Stadt ist München, die Hauptstadt des Landes Bayern.
39
Die Wappenfigur der Stadt München, das sogenannte “Münchner
Kindl”, war ein Mönch. Das weist darauf hin, daß München ursprünglich
eine klösterliche Siedlung war. Sie ist von Tegernsee ausgegangen und
wird in lateinischen Urkunden als “villa” bezeichnet, d.h. Dorf.
Der Zauber Münchens beginnt mit dem Licht der bayerischen
Hochebene. In ihm erscheinen die Farben, vor allem das Weiße, das
Blaue und Grüne leuchtend hell; die Sicht ist weit. Die Atmosphäre
liegt zart wie eine Lichtglocke über dem Land. An föhnigen Tagen
sieht man die Alpen in vierzig Kilometer Entfernung zum Greifen nah.
Die Stadt selbst erscheint aus der Luft wie ein Teppich. Er
gleitet in ständig wechselnder Verzerrung unter uns her, und was sich
da dem Auge am ehesten preisgibt, sind die geometrischen Muster der
Parks und Schlösser am Stadtrand, die neuen Industriebauten und
Trabantenstädte, schließlich das Isarband und sein östliches Hochufer.
(nach Seydlitz “Deutschland”, Teil 1)

Eine Fahrt auf die Zugspitze


Am Morgen eines Maitages verläßt unser Zug, gezogen von
einer E-Lok, München-Hauptbahnhof. Bald sieht man schon in der
Ferne die Alpen wie eine gewaltige Mauer aufragen. Je weiter wir
nach Süden kommen, um so höher und steiler erscheint uns dieser
steinerne Wall. Wir fahren in den Bahnhof von Garmisch-
Partenkirchen ein. Einige Reisende wollen weiter nach Mittenwald,
das bekannt ist durch Geigenbau und Fremdenverkehr, oder noch
weiter über die österreichische Grenze nach Innsbruck in Tirol.
Wir aber steigen aus. Vor uns erheben sich die grauen Zacken
des Wettersteingebirges. Ganz rechts erglänzt im hellen Weiß ihrer
Schneedecke die fast 3000m hohe Zugspitze. Ein Aufstieg durch das
Höllental zu diesem höchsten Punkt Deutschlands ist schon eine
alpinistische Leistung, denn der Weg ist schwierig und gefährlich. An
einigen Stellen muss der Bergsteiger durch eine enge Klamm und auf
eingemauerten Eisenbolzen an einer steilen Wand entlang klettern.
Wie die meisten Besucher der Zugspitze benutzen wir aber die
Zahnradbahn, die in1 ¾ Stunden von Garmisch nach dem
Schneefernerhaus fährt. In rascher Fahrt geht es zunächst durch die
hellen Wiesen des weiten Loisach-Tales; aber schon in der Nähe des
Eibsees nehmen uns schattige, dunkelgrüne Wälder auf. Steiler geht es
bergan. Bald wird der Wald kümmerlicher und von Geröllhalden
unterbrochen. In etwa 1600 m Höhe ist die Baumgrenze erreicht
…….Plötzlich wird es dunkel: Wir fahren durch einen langen Tunnel,
40
immer weiter aufwärts bis zum Bahnhof Schneefernerhaus . Von hier
bringt uns eine Seilschwebebahn in wenigen Minuten noch 300 m
höher auf den Zugspitzgipfel.
(nach Seydlitz “Deutschland”, Teil 1 )

München

Die Bergstraße und die Weinstraße


Zwei Landschaften im Oberrheinland werden immer wieder
wegen ihrer Schönheit gepriesen und Jahr für Jahr von vielen
Tausenden aus nah und fern besucht: die Bergstraße am Ostrand und
die Weinstraße am Westrand der Ebene.
Eine Fahrt auf der Bergstraße, die am Fuße des Odenwaldes von
Darmstadt bis Heidelberg verläuft, ist am schönsten im Frühling.
Dann ist dieser Obstgarten ein einziges Blütenmeer. Zuerst erblühen
die Mandel-und Kirschbäume, dann folgen Quitten, Aprikosen,
Pflaumen, Birnen und Äpfel. Das Fahrtziel ist meistens Heidelberg.
Die winkligen Gassen der Altstadt schmiegen sich in das enge Tal, wo
der Neckar aus dem Odenwald in die weite Ebene hinaustritt. Am
Berghang ragt aus dem Laubwerk die malerische Ruine des
Pfalzgrafenschlosses hervor. In vielen Liedern wird die alte
Universitätsstadt besungen.
Von den Höhen über Heidelberg geht bei klarem Wetter der
Blick über die weite Ebene hinüber zu ihrem Westrand. Dort führt am
Fuße der Haardt eine zweite berühmte Straße entlang: die “Deutsche
Weinstraße”. Über Landau und Neustadt windet sie sich durch ein
sonniges, hügeliges Rebengelände und viele anheimelnde
Winzerdörfer. Nirgends in Deutschland wird so viel Wein geerntet

41
wie hier. Vor allem im Herbst, wenn nach der Weinlese die Pfälzer
ihre Winzerfeste feiern, kommen viele Fremde hierher.
(nach Seydlitz “Deutschland”,Teil 1)

Frankfurt am Main
Hessens größte und bedeutendste Stadt erstreckt sich zu beiden
Seiten des Mains zwischen dem Taunus im Nordwesten und den
Wäldern des einstigen Reichs forstes Dreieich im Südwesten. Die
kreisfreie Stadt mit ihren rund 660.000 Einwohnern ist die Wirtschafts-,
Finanz-und Verkehrsmetropole des vereinigten Deutschlands.
Verkehrsgeographisch liegt sie am Schnittpunkt großer Straßen und
Schienenwege sowie am Luftkreuz Rhein-Main und den
Großwasserstraßen Main und Rhein. Mit seinen Museen, Theatern,
Kunstsammlungen, der Alten Oper und einer lebendigen Stadtteilkultur
kann sich Frankfurt am Main auch im kulturellen Bereich sehen lassen.
Die Stadt besitzt heutzutage den Ruf, eine Museumsmetropole zu sein.
Dazu trägt hauptsächlich das in den 80er Jahren vervollständigte
“Museumsufer” auf der Sachsenhäuser Seite bei, das die Museen auf
der Innenstadtseite ergänzt.
Wir machen dort einen Spaziergang, wo Frankfurt am buntesten,
vielfältigsten, aufregendsten – am großstädtischsten ist. Als Ausgangspunkt
dient der Hauptbahnhof, dann geht es durch die Innenstadt und ehemalige
Altstadt über den “Eisernen Steg” nach Sachsenhausen.
Der Hauptbahnhof, im Jahre 1888 fertiggestellt, ist ein imposantes
Beispiel für vorausschauende Verkehrsplanung am Ende des 19.
Jahrhunderts. Als einer der größten Kopfbahnhöfe Europas schläust er
täglich rund 300.000 Menschen von und nach Frankfurt. Das
denkmalgeschützte Monument wilhelminischer Gründer-zeitarchitektur
empfängt den Besucher mit angemessener Hektik und
Weltstadtatmosphäre.
Tritt man aus der mächtigen Bahnhofsvorhalle, ist der erste
Eindruck: Frankfurt pur. Zur linken Seite hin sieht man die
architektonisch aufregenden Hochhäuser des einen Kilometer entfernten
Messeviertels, geradeaus und nach rechts die Fassaden alter Hotels. Zur
Stadtseite öffnet sich die Kaiserstraße. Vor allem in der warmen
Jahreszeit bietet sich hier ein buntes Gewirr städtischen Treibens.
Straßencafes und Restaurants wagen sich mit ihren Stühlen auf die
verkehrsberuhigte Straße vor und schaffen einen südländischen
42
Boulevard-Charakter. Touristen, einheimische Ausländer, Arbeitnehmer,
die zum Hauptbahnhof streben oder von dort kom-men, verbreiten ein
lebhaftes Großstadtfluidum – hier ist die Mainmetropole wirklich
international, zumindest auf der Straße.
Dies kann man vom angrenzenden Bankenviertel nur bedingt
sagen, denn die behauptete Weltoffenheit dieses Viertels versteckt sich
hinter Mauern und Glas-beton. Frankfurts Bankenviertel in der
Innenstadt ist weitgehend mit Glas und Beton versiegelt. Von Urbanität
spürt man nur wenig, hier herrscht eine Art Bunkermentalität, und nach
Feierabend verslumt die City gepflegt. Das fällt vielen Besuchern der
Stadt auf, und die Einheimischen wissen, dass ihnen Frankfurts City
nicht gehört. Sie gehört, abstrakt gesprochen, natürlich dem Geld, aber
noch mehr Städteplanern, denen es um Design und architektonische
Höhenrekorde geht, aber zu selten ums Wohnen und Zuhausefühlen.
(nach Edition Erde –Reiseführer )

Hafen Hamburg
Wenn man von Hamburg spricht, denkt man sogleich an den
Hafen, den größten deutschen Seehafen, wenngleich dieser rund 100 km
landeinwärts im Elbstrom liegt. In der Kette der europäischen
Nordseehäfen bildet er das östlichste Glied. Durch den Nord-Ostsee-
Kanal (zwischen Unterelbe und Kieler Förde) hat er direkte Verbindung
mit der Ostsee.
Der Hamburger Hafen ist ein offener Tidehafen ohne hemmende
Schleusen zwischen Elbstrom und Hafenbecken. Auf einer Fläche von
annähernd 75 Quadrat-kilometern gruppieren sich um zahlreiche
Hafenbecken modernste Terminals für den Güterumschlag, Lagerhäuser,
Speicher, Lager-bzw. Stapelfreiflächen und Güterbahnhöfe sowie eine
Vielzahl von Industriebetrieben (Werften, Raffinerien, Metallwerke u.v.a..),
denen Seeschiffe die Rohstoffe direkt anliefern.
Das Kerngebiet des Hamburger Hafens bildet seit 1888 der rings
umzäunte Freihafen. Innerhalb dieses Zollausschlussgebietes können
alle Waren frei von Zollformalitäten beliebig lange gelagert, gehandelt
oder auch verarbeitet werden. Eine Besonderheit im Freihafengebiet
ist die gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbaute mächtige Speicherstadt
mit ihren hohen Backsteinfassaden, Giebeln, Simsen und Türmen. Auf
den “Böden” der Speicher lagern hochwertige Importgüter und werden
dort auch z.T. weiterverarbeitet.

43
Den Gütertransport zu Wasser innerhalb des Hafens besorgt die
Hafenschiffahrt mit einer beachtlichen Flotte von Barkassen, Schleppern
und “Schuten” genannten Lastkähnen.
Dem Passagierverkehr dienen die St.-Pauli-Landungsbrücken
beim Alten Elbtunnel: Hafenfähren, Hafenrundfahrten, Elbschiffahrt;
am Ostende befindet sich der Liegeplatz des Museumsschiffes
“Rickmer Rickmers .
Mit insgesamt über 2600 Brücken, von denen rund 1000 über
Gewässer hinwegführen, gilt Hamburg als eine der brückenreichsten
Städte in Europa. Die größte und längste der Hamburger Brücken ist
die 1974 fertiggestellte Köhlbrandbrücke, eine rund 520m lange, über
130m hohe Pylonen geführte Schrägseilbrücke, welche die östlichen
mit den westlichen Hafenteilen verbindet.

Rügen
Oh Land der dunklen Haine,
Oh Glanz der blauen See,
Oh Eiland, das ich meine,
Wie tut’s nach Dir mir weh!
Nach Fluchten und nach Zügen,
Weit übers Land und Meer,
Mein trautes Ländchen Rügen,
Wie mahnst du mich so sehr !

E.M.Arndt, “Heimweh nach Rügen”, 1842

Rügen ist mit 926 Quadratkilometer Fläche die größte Insel


Deutschlands. Die Gesamtlänge ihrer Küstenlinie misst 574 km. Die
größte Aus-dehnung von Nord nach Süd beträgt 51,4 km, die von Ost
nach West 42,8 km. Kein Ort der Insel ist mehr als 7 km von der
Küste entfernt. Insgesamt leben in vier Städten und 41 Gemeinden
rund 78.000 Menschen auf Rügen. Größte Stadt ist die Hauptstadt
Bergen. Es gibt rund 2.000 km Straße, 80 km Schiene, 24 Häfen,
7 Seebäder, 6 Sanatorien.
Wohl alles wahr, aber man merkt sofort, dass man mit
nüchternen Zahlen und Daten der Insel in ihrer Vielfalt alles andere
als gerecht werden kann. Rügen ist einfach mehr, soviel mehr, dass es
sich in seiner Ganzheit nur sehr ungenügend durch ein paar Fakten
einfangen läßt.

44
Rügen, das ist ein großer Wurf der Schöpfung, dem man sich
eigentlich nur poetisch nähern kann. Was hier die Natur im
Zusammenspiel vonWind, Wasser, Gezeiten und Strömungen unter
der Leitung des Meisters Zeit hervorge-bracht hat, ist in seiner
großartigen Schönheit ein wahres Meisterstück. Wild zerklüftete
Küsten, stille Buchten und dunkle alte Wälder, endlose schneeweiße
Bänder feinsten Sandstrandes, weiße Felsen im grünen Wasser,
abgeschiedene Seen und tosende Brandung, urwüchsige Moore und
sumpfige Wiesen, sanfte Hügel, schattige Haine, geschützte Täler und
sturmumtoste kahle Kliffe, üppige Flora und karge Steinmeere.
Wahrlich ein Stück Natur, das seine Besucher ins Schwärmen
geraten läßt. Nicht umsonst ist Rügen geradezu zum Synonym für die
deutsche Roman-tik geworden, die ihre Sehnsucht nach dem
Einfachen und Reinen, dem Bäuerlichen und Heimatverbundenen hier
stillen konnte. Die Natur als innige religiöse Empfindung, in der sich
eine ungeheure Wahrheit offenbart, in der der Mensch schicksalhaft
seinen Lebenszyklus durchschreitet.
(nach “Rügen, Hiddensee” – Urlaubshandbuch,
Reise Know-How Verlag)

Leipzig
Den meisten Besuchern Leipzigs, die zum ersten Mal an die Pleiße
kommen, geht es wie dem Münchner Kabarettisten Peter Spielbauer, der
eingestand, ”eigentlich gar kein Bild von Leipzig” besessen zu haben.
Wie der Münchner sind sie meist erstaunt: So weltoffen, urban und heiter
wie Leipzig begrüßt kaum eine andere deutsche Stadt ihre Besucher. Und
noch eins verblüfft: Statt mit verrussten Ruinen und einer kaum
atembaren Luft präsentiert sich Leipzig als eine der grünsten Großstädte
Deutschlands. Nur wenige Schritte von der Innenstadt entfernt erstrecken
sich ausgedehnte Parks und Wälder.
Wer Leipzig vor der Wende erlebt hat, wird die Stadt heute nicht
wiedererkennen. So kunstvoll, farbenprächtig und denkmalgetreu ist
sie restauriert worden, dass einen manchmal der ketzerische Gedanke
befällt, eine dieser düsteren, verdreckten Vorstadtstraßen in Leutzsch
oder dem Ostviertel mit ihren bröckelnden Gründerzeithäusern hätte
man konservieren sollen zur Erinnerung an die DDR-Zeit, als Leipzig
trotz des Verfalls lebte und lebte und lebte .”Leipzig kommt” -das
Motto, mit dem die Stadt seit der Wende für sich Reklame macht,
trifft ein Lebensgefühl.

45
Wohin man auch blickt, wird gebaut, verändert, umgemodelt.
”Alles ist ein bisschen unwirklich. Nicht ganz zu verstehen. Und
irgendwie auch: wie auf dem Theater”, notierte die Schriftstellerin
Angela Krauß, als sie 1995 nach längerer Abwesenheit wiederkam.
Und tatsächlich, wären nicht überall die Beweglichkeit, der nüchterne
Eifer und die gewitzte Neugier der Leipziger zu spüren, kämen einem
die neuen Bürohäuser und Hotels mit ihren Glasfassaden,
Pseudobalkonen und Erkern wie die Kulissen eines Stückes vor, das
niemals gegeben werden wird. Die Theatralik gehört dazu. Leipzig
überschlägt sich: Die älteste Oper und das älteste Stadttheater, das
höchste Denkmal und den höchsten Rathausturm in Deutschland
findet man hier, die neueste Messe, das modernste Telekommuni-
kationsnetz, den größten Kopfbahnhof Europas. Und für alle Fälle hat
sich der Tourist-Service mit dem größten Weihnachtskalender der
Welt für das Guinnessbuch der Rekorde beworben.
Im Vergleich zu den Dresdnern, mit denen sie seit jeher
konkurrieren, und allen anderen gemütlichen Sachsen gelten die
Leipziger als fix. Als “fischelant” (von frz. vigilant = wendig) gelten
sie, als “helle, heeflich und heemtücksch” (so der Titel eines Kabarett-
programms) charakterisieren sie sich selbst. Unbezweifelbar sind sie
Sachsen – und höchst stolz darauf. Niemals könnte ein anderer
deutscher Volksstamm in derselben Weise Witze über die Sachsen
machen wie über die Ostfriesen: Die besten werden alle schon in
Dresden und Leipzig erzählt.
Seit 1990 gilt Leipzig als Boomtown des Ostens. Im Wende-
Übermut verkürzte man den Stadtnamen auf LE und genoss den
Gleichklang mit der kalifornischen Metropole. Nach der Wende
wurden allein in Großprojekte wie das neue Güterverkehrszentrum bei
Radefeld und die Neue Messe, in den Ausbau der Verkehrsstruktur
und des hypermodernen Telekommunikationsnetzes sowie in die
Sanierung der Stadt mindestens 12 Mrd. DM investiert. Weitere 5
Mrd. fließen in das neue Braunkohlekraftwerk Lippendorf südlich der
Stadt. Doch von der Oberliga der deutschen und europäischen Städte,
in der Leipzig gerne wieder wie in den 20er Jahren mitmischen
möchte, ist es noch ein Stück weit entfernt.
(nach Dumont – Reisetaschenbuch “Leipzig”)

46
Die Pfalz im Rhein
oberhalb von Koblenz

Der Romantische Rhein


Als Romantischer Rhein wird hier der 126 Kilometer lange
Abschnitt des Mittelrheins zwischen Bingen und Koblenz bezeichnet.
Dieses Teilstück misst nicht einmal ein Zehntel der Gesamtlänge des
Stroms, die von der Quelle im südostschweizerischen Kanton
Graubünden bis zur Mündung in der Nordsee 1320 km beträgt.
Erdgeschichtlich gesehen ist der Schiefergebirgsdurchbruch des
Romantischen Rheins noch relativ jung, aber es hat einige hundert
Millionen Jahre gedauert, bis Strom und Landschaft jenes wild-
romantische Bild boten, das uns heute vertraut ist. Gebirge waren
aufgepresst worden, Klüfte und Tiefebenen waren entstanden. Im
Wechsel von Eis-und Warmzeiten verwitterten die Gesteinsmassen.
Wind hob fruchtbare Lößerde auf und lagerte sie an anderen Stellen ab,
Schotter bildete Anlagerungen im Strom, die noch heute zu sehen sind.
Kelten, Franken und schließlich Römer siedelten an den Ufern
des Rheins, der in geschichtlicher Zeit immer wieder Ziel von
Eroberern war. Im Mittelalter entstanden auf den Höhen am Rhein viele
Burgen, gebaut von geistlichen und weltlichen Herren. Alle wollten
Besitz sichern, Macht und Einfluss gewinnen und durch das Erheben
von Zöllen zu Geld kommen. Die Heerscharen des Dreißigjährigen
Krieges waren am Rhein, die Ludwigs des Vierzehnten und die
Napoleons, und auch nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts
hatten die jeweils alliierten Siegermächte links und rechts des Rheins
ihre Truppen stationiert.
Am Romantischen Rhein herrscht ein mildes Klima, das einen
frühen Frühling begünstigt und im Jahr rund 1500 Sonnenstunden
bietet: Die Höhenzüge von Taunus, Westerwald, Hunsrück und Eifel
47
schützen das regenarme Tal vor rauhen Winden. Als beste Reisezeit
gelten die Monate von Mitte Mai bis Anfang Oktober. Aber auch bis
zur Weinlese Ende Oktober gibt es noch viele milde sonnige Tage, die
zu Wanderungen oder Radtouren in herbstbunte Wälder locken. Dabei
seien die Weinlehrpfade nicht vergessen, die es in vielen Orten gibt.
Am linken Rheinufer führt die “Rheingoldstraße” von Rhens bis
Rheindiebach. Durch Wälder, malerische Städte und Weinorte, vorbei
an ausgedehnten Weinhängen, zieht sie sich zu den Rheinhöhen
empor und bietet an vielen Punkten prächtige Ausblicke. Sie ist über
die Autobahn zu erreichen.
Die romantische Ferienstraße am rechten Rheinufer ist die
“Loreley – Burgenstraße”. Sie beginnt am Loreleyfelsen, führt an
Burgen und Burgruinen vorbei und endet in Kaub. Viele Rastplätze
mit Informationen über Wanderwege laden zum Ausruhen und zum
Weiterwandern ein.
(nach Bucher “Der Romantische Rhein”-Reisen in Deutschland)

Erläuterungen:
*Handel treiben: a face comerţ
*die Fugger: bedeutendstes Handels-und Bankhaus des
Frühkapitalismus in Deutschland
*das Wappen: graphisch besonders gestaltetes Abzeichen als
Kennzeichen einer Person, Familie oder Körperschaft (blazon, stemă)
*föhnig: wenn der Föhn weht
*zum Greifen nah: sehr nahe
*die Trabantenstadt: einheitlich gestaltetes Wohngebiet mit eigenem
Zentrum, das am Rande einer Großstadt liegt (oraş satelit)
*die Klamm,-en: felsige Schlucht(mit Wasserfall)-(chei în munţi,
strungă)
*die Geröllhalde: abfallende Seite eines Berges, Hang mit losen
Steinen (pantă cu prundiş)
*der Winzer: jemand, der Wein anbaut (viticultor)
*vorausschauend: vorsichtig (prevăzător, precaut)
*das Zollausschlussgebiet: Gebiet außerhalb des Zollvereins
(zona exclusă din uniunea vamală)
*der Giebel: 1.dreieckige Wand untern Dächern, 2.dreieckige
Fläche über Fenstern, Türen (fronton, coama unei case)
*der/das Sims: das Gesims: waagerecht verlaufender Vorsprung
an einer Mauer (pervaz)
*der Erker: vorspringender Teil an Gebäuden (balconaş, foişor)
48
*die Hafenfähre: Schiff, mit dem Fahrzeuge und Personen über
einen Fluss über gesetzt werden können (bac, pod umblător)
*jemandem/einer Sache gerecht werden: jemanden/etwas
angemessen beurteilen (a aprecia corect pe cineva/ceva)
*verwittern: durch die Einflüsse der Witterung-Regen, Kälte,
Hitze o.ä.-langsam zerfallen (a fi mâncat devreme)
*Lößerde: (geol.) loess

49
BERLIN, EIN MOSAIK

Bedeutung der Lage


Berlin liegt in der Mitte Europas. Auf der Landkarte findet man
es etwa auf der Breite von London und auf der Länge von Neapel.
Bevor Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt wurde, lag die
Hauptstadt geopraphisch auch im Herzen des 1871 gegründeten
Deutschen Reiches. Sie war nicht nur national, sondern auch
international ein Knotenpunkt der wichtigen Verkehrslinien zwischen
Ost und West und Nord und Süd. Berlin wurde zu einer Weltstadt.
Sie liegt in der großen Ebene des norddeutschen Flachlandes.
Die Höhenunterschiede sind gering. Der Kreuzberg (ein Bezirk von
Berlin) ist mit 66 Metern über dem Meeresspiegel im Häusermeer
kaum noch auszumachen. Die höchsten Erhebungen sind der gro8e
Müggelberg im Ostteil der Stadt (115m) und der 120 Meter hohe -
künstliche- Teufelsberg im Westen. Durchschnittlich liegt Berlin 34
Meter über dem Meeresspiegel.
Eine Mischung aus Seewinden vom Atlantik und kontinentaler
Luft prägt das Klima. Rings um Berlin liegen ausgedehnte Wälder und
Seen, aber auch das Stadtgebiet selber besteht zu 40% aus Grün- und
Wasserflächen. Die Statistiker haben berechnet, daß auf jeden West-
Berliner rund 41 Quadratmeter Wälder und Seen, Flüsse und
Parkanlagen kommen.
Die Bodenfläche von 883 Quadratkilometern macht Berlin zur
größten deutschen Stadt; sie würde fast das gesamte Ruhrgebiet
bedecken.

Geschichte
Der Name der Stadt wird zum ersten Mal urkundlich in Jahre
1237 erwähnt. Was der Name “Berlin” bedeutet, ist nicht bekannt.
Lange Zeit glaubte man, es handle sich um eine slawische Siedlung.
Viele Leute glauben, der Name der Stadt hänge mit dem Wappentier
Berlins, dem Bären, zusammen und bezeichne vielleicht ein kleines

50
“Bärlein”, wie es eine Sage um der Markgrafen Albrecht glauben
machen will. Dieser habe auf der Bärenjagd eine Höhle mit einem
jungen Bären gefunden und an dieser Stelle die Stadt gegründet. Nach
einem alten Wörterbuch aber bedeutet der Name nicht das Tier “Bär”,
sondern “einen starken, aus Steinen gemauerten Querdamm”.
Neuere Untersuchungen verbinden den Namen “Berlin” mit einem
Personennamen, u. zw. “Berlichingen” oder verkürzt “Berlingen”. Das
historisch älteste Berlin soll eine Wendensiedlung gewesen sein, ein
Fischerdorf.
Berlin entwickelte sich aus zwei Kaufmannssiedlungen, die auf
halbem Wege zwischen den Burgen Spanndau und Köpenick – an der
schmalsten Stelle des Spreetales zu beiden Seiten einer Furt angelegt
wurden: das wenig ältere Berlin am nordöstlichen Ufer und Cölln auf
einer Spreeinsel gegenüber, dort wo heute der Bezirk Mitte – in Berlin
(Ost) liegt.
Ihren raschen Aufschwung von einem kleinen Brückenort zum
bedeutsamen Spreeübergang verdankte die Doppelstadt zu einem guten
Teil den politischen und wirtschaftlichen Interessen der
brandenburgischen Markgrafen aus dem Hause der Askanier. Es gelang
ihnen, den alten Fernhandelsweg Magdeburg-Posen, der über Köpenick
und Spandau führte, etwas zu verlagern und über Berlin-Cölln zu leiten.
Das Berlin von den Markgrafen gewährte Niederlagsrecht verpflichtete
alle durchreisenden Kaufleute, ihre Waren einige Tage in der Stadt
anzubieten. Eine geschickte Zollpolitik begünstigte den über Berlin
gehenden Zwischenhandel und die Ausfuhr landwirtschaftlicher
Produkte. Berliner Kaufleute lieferten Roggen, Wolle und Eichholz, aus
Osteuropa kommende Felle und Häute und andere Waren bis nach
Hamburg, Flandern und England.
Begünstigt durch das Wohlwollen der Markgrafen, nahm die
Stadt einen raschen Aufschwung. 1280 trat in Berlin, das damals die
größte landesherrliche Münzenanstalt beherbergte, der erste märkische
Landtag zusammen. In dieser Zeit sind beide Städte Mitglieder der
Hanse, des mächtigen Städtebundes im Ostseeraum, geworden. So
konnte sich Berlin-Cölln behaupten und blieb die wirtschaftlich
blühende Stadt in der Mark. 1393 stand sie an der Spitze eines großen
märkischen Städtebundes, der dem Raubrittertum ein Ende machen
sollte.
1442 setzte aber Friedrich I seine Hoheitsansprüche durch, die
Union der beiden Städte wurde aufgehoben, die patrizianische
Ratverfassung zerschlagen, die Teilnahme an Bündnissen verboten.

51
1443 begann man mit dem Bau des Schlosses in Cölln. Die
Umwandlung Berlins zur landesherrlichen Residenz hatte vielfältige
Folgen. Der kurfürstliche Hof und die Behörden prägten fortan das
städtische Leben. Die alten Kaufmannsfamilien mußten sich anpassen,
wurden zu Hoflieferanten und Kreditgebern, bemühten sich aber auch
um landesherrliche Ämter. Mit dem Hof kamen zahlreiche Adlige
nach Berlin, mit den Behörden viele Juristen. Die steigende Nachfrage
nach Gebrauchsgütern und Luxuswaren zog auch viele Handwerker
nach Berlin.
Da weder alle Behörden noch die Höflinge im Schloß
untergebracht werden konnten, mußte gebaut werden.
Im Sommer 1540 verkündete man im Namen des Kurfürsten die
Reformation in Brandenburg.
Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Stadt von den
Heeresdurchzügen verwηstet; am Ende des Krieges war sie völlig
ruiniert.
1658 begann die Befestigung der Stadt.
Um die Bevölkerungsverluste auszugleichen förderte der Große
Kurfürst die Einwanderung. Er erließ ein Edikt, das allen Einwohnern
Religionsfreiheit zusichert, und holte dadurch Menschen in sein Land,
die anderswo wegen ihres Glaubens verfolgt waren. Es kommen Juden
aus Wien, Protestanten aus den Niederlanden und aus Böhmen,
Hugenotten aus Frankreich. Diese Menschen bringen Kenntnisse und
Fertigkeiten mit, die aus Berlin eine blühende und tolerante Stadt
machen.
Um 1700 war fast jeder fünfte Einwohner Berlins französischer
Herkunft. Die Hugenotten erhielten das Recht auf Selbstverwaltung,
eigene Schulen und Kirchen.
1701 wurde der Kurfürst Friedrich III der erste König von
Preußen und ging in die Geschichte unter dem Namen Friedrich I ein.
Berlin wurde königliche Residenz, nachdem der König die
verschiedenen Städte vereinigte. Das Schloß Charlottenburg wurde in
dieser Zeit gebaut: eine Sommerresidenz für die Königin Charlotte.
Mit der Stiftung der Akademie der Künste (1696) und der
Akademie der Wissenschaften (1700) gab Friedrich I wichtige Anstöße
für das geistige Leben.
Friedrich II ist in der europäischen Geistesgeschichte mit dem
Begriff der “Aufklärung” verbunden. Der Statur nach war er eher
klein. Friedrich der Große baute sich eine Sommerresidenz außerhalb

52
Berlins: Schloß Sanssouci in Potsdam. Potsdam wurde dadurch zur
“schönen Schwester Berlins”.
Am 27. Oktober 1806 zog Napoleon in die Hauptstadt Preußens
ein. Die Quadriga und andere Kunstwerke Preußens ließ er nach Paris
schaffen. Die zweijährige Besatzungszeit erlegte der Stadtschwere
Opfer auf.
Trotz der blutigen Ereignisse von 1848 erreichte die industrielle
Revolution zwischen 1850-1870 ihren Höhepunkt. Es entstanden
Tausende Fabriken und Banken, die Straßen wurden augebaut.
1871 wurde das Deutsche Reich gegründet und Berlin wurde
Reichshauptstadt.
Nach der Revolution von 1918 wurde aus der Monarchie eine
Republik, und die Stadt Berlin erhielt ein neues Wappen; der Bär steht
jetzt aufrecht und trägt eine rote Mauer-Krone. 1954 erhielt Westberlin
ein etwas verändertes Wappen; der Bär ist der gleiche geblieben, seine
Krone ist jetzt golden und zeigt die Stadtmauern und Blätter.
Nach der Kapitulation Deutschlands am 2. Mai 1945 war Berlin
sehr zerstört. Von den 4,3 Millionen Menschen blieben nur 2,8. Es wurde
repariert und geflickt. Die legendären Trümmerfrauen bestimmten das
Straßenbild.
Nach der Niederlage kamen die vier Hauptsiegermächte USA,
Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich mit ihren Truppen in die
Stadt, um die Entwicklung des Landes von hier aus zu lenken. Es
wurde ein straffes Besatzungsregime errichtet. Deutschland und Berlin
wurde in mehrere Besatzungszonen untergliedert; jede Siegermacht
sollte in ihrer Zone die Oberste Gewalt ausüben. So wurde Berlin eine
Viermächtestadt und diente als Kontrollzentrum in Deutschland. Die
Zonenaufteilung war einzigartig; für die Westmächte war Berlin eine
Besatzungsinsel, umgeben von sowjetischer Zone.

Bau der Mauer


Im August 1961 wurde entlang der Demarkationslinie zwischen
dem russischen Sektor und den Westzonen eine Mauer errichtet. Auch
an der Grenze zum Umland, der DDR, wurde diese Mauer hergezogen.
28 Jahre lang war Westberlin von dieser Mauer umschlossen, die durch
viele zus≅tzliche “Sicherheitsmaßnahmen” unüberwindlich war.
Am 9. November 1989 öffnete sich aber die Mauer. Die DDR-
Bürger konnten nach Westberlin gehen, fahren. Bereits in der Nacht
strömten Tausende zum Kurfürstendamm. Die Trabis rollten in den
Westteil der Stadt. Sie werden mit Rufen und Klatschen, mit Sekt und

53
Schokolade und Bananen begrüßt. Die Freude ist auf beiden Seiten
riesengroß. Ein anderer Teil der Bevölkerung drängt zum Brandenburger
Tor. Sie feiert die Mauereröffnung auf der Mauer. Schon nach einigen
Tagen kann man durch die Mauer hindurchsehen, denn die Mauerspechte
waren flei8ig an der Arbeit.

Meinungen zur Maueröffnung


Einige Berliner erzählen, wie sie das unerwartete Ereignis
empfunden haben:

Rentnerin Marianne Dolch aus Berlin Lichtenberg:


“Ich hab’s erlebt, wo die Mauer zu war und wir Rentner, als wir
Rentner waren, durften wir dann nach West-Berlin fahren. Es war
furchtbar, diesen Zwang, den wir 40 Jahre am Kopf hatten. Und am
neunten auf einmal war die Mauer weg, das kann man überhaupt nicht
beschreiben, das kann auch keiner verstehen, der nie unter diesem
System gelebt hat. Eine Befreiung, das kann man eben nicht
beschreiben, der Mensch, der’s nicht kennt, der eingesperrt war, der
kann das nicht verstehen, wie frei man sich jetzt fühlt”.

Martina Gerber (31) aus Berlin-Mitte:


“Für mich war’s wie ein Schock, weil es, ich bin mit der Mauer
aufgewachsen und in dem Moment, ich habe nicht damit gerechnet,
überhaupt, daß sich noch mal was ändern wird. Und erlebt habe ich’s
am neunten November zu Hause vor dem Fernseher. Ja, und konnte es
nicht fassen, und am zehnten November war ich das erste Mal in
West-Berlin und überhaupt im westlichen Ausland”.

Kerstin (16) aus Berlin-Mitte:


“Ich hab das nachts direkt mitgekriegt, als das losging, ich bin
wachgeworden von Autolärm, Menschrufen, und alles war richtig
fröhlich und so. Ich bin dann runtergegangen, und die Menschen
waren total glücklich. Ich fand das auch gut, aber jetzt, naja, also ganz
so toll finde ich es jetzt nicht mehr. Es ist irgendwie anders geworden.
Wenn ich jetzt rüber fahre oder so, einkaufen gehe, ich fühle mich
dort nicht so richtig zugehörig, irgendwie fühle ich mich dort fremd,
ich meine, ich kann mich kleiden, wie die Leute dort, kauf diesselben
Klamotten, aber irgendiwe fühle ich mich dort nicht zugehörig”.

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Arne (Student) vom Prenzlauer Berg:
Ja, wie ich Berlin erlebe. Als eine lebendige Stadt, geteilt noch
immer, denk ich, nicht mehr durch Mauern, aber durch Menschen,
verschiedene Menschen, die sich so langsam zusammenfinden”.

Ingrid Bachem (Lehrerin) aus Hermsdorf:


“Für mich persönlich ist der östliche Teil der Stadt immer noch
fremd. Das tägliche Leben ist so sehr auf den westlichen Teil für mich
konzentriert, daß ich das ganze Berlin noch gar nicht als solches
empfinde”.

Heike (Student) aus Lichtenrade:


“Also ich fühle mich in Ostberlin eher wie ein Tourist als wie in
meiner eihenen Stadt. Der Vorteil ist, daß ich jetzt endlich andere
Stadtteile sehen kann, interessante Sachen, wie z. B. den jüdischen
Friedhof in Weißensee, und im Umland fahren kann und nicht immer
die Häusermauer vor mir habe. Selbst in der Universität sitzen jetzt
viele aus dem Osten. Einerseits ist das natürlich eine Erschwernis in
den Seminaren, da es sehr, sehr voll ist in der Uni, aber andererseits ist
es sehr interessant, weil sie dann natürlich berichten darüber, wie sie
gelernt haben und ihre Meinung zum Ausdruck bringen, was eine
Bereicherung der Gesprächsstoffe darstellt”.

Bernd (Lehrer) aus Zehlendorf:


“Ich freue mich, daß ich alles sehen kann, jetzt wann immer ich
will. Aber diese ganze Problematik, daß nämlich der Westen mehr
oder weniger den Osten so schluckt und diese ganze Lebensweise, die
jetzt die ehemaligen Ostdeutschen und Ostberliner annehmen müssen,
das bedrückt mich sehr, daß sie weniger Geld kriegen, daß sie mehr
arbeiten müssen, und so weiter und so fort. Sie sind so
problembelastet, und die ganze finanzielle Situation ist ja so im argen,
daß die mir auch leidtun. Da ist ein Punkt, der ist sehr wund”.

Arne (Student) vom Prenzlauer Berg:


“Was mich stört. Überhaupt westliche Behörde aus dem Westteil
der Stadt führen sich ständig im Ostteil als Sieger auf, und der
Ostberliner Normalbηrger kommt sich ständig als Bittsteller und
Besiegter vor”.

(Vereinfacht nach Städteportrait Berlin Inter Nationes 1992)

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Berlin heute
Eine Entscheidung für Berlin als Hauptstadt ist auch ein
Bekenntnis zum neuen Europa. Die sich abzeichnende europäische
Friedensordnung unter Einfluß der östlichen Nachbarn rückt Berlin in
die Mitte eines gemeinsam zu gestaltenden europäischen Lebens- und
Wirtschaftsraumes von Lissabon bis Moskau. Berlin wird damit
politisch wie geistig-kulturell zur Brücke zwischen Ost und West.
Auch ökonomisch kann Berlin bei der Annäherung zwischen
Ost und West wichtige Aufgaben übernehmen, nicht zuletzt wegen der
von der ehemaligen DDR gepflegten traditionellen Verbindungen zum
osteuropäischen Wirtschaftsraum.

Die Bezirke von Berlin


– Charlottenburg
– Friedrichshain
– Hellersdorf
– Höhenschönhausen
– Köpenik
– Kreuzberg
– Lichtenberg
– Marzahn
– Mitte
– Neukölln
– Pankow
– Prenzlauer Berg Reinickendorf
– Schöneberg
– Spandau
– Steglitz
– Tempelhof
– Tiergarten
– Treptow
– WeddingWeißensee
– Wilmersdorf
– Zehlendorf

Das historische Zentrum der Stadt


Das historische Zentrum Berlins liegt im Ostteil der Stadt. Fast
alle Gebäude wurden im Krieg zerstört und sind wiederaufgebaut
worden.

56
Deutschland
1937

Deutschland
1945

Deutschland
1949

57
Das Brandenburger Tor, eines der Tore Berlins, bildete bis
1920 die Stadtgrenze. Das ältere Brandenburger Tor wurde 1789
abgerissen und in seiner jetzigen Form nach dem Vorbild der Propyläen
der Akropolis neu erbaut. Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor ist
ein Werk des Bildhauers Gottfried Schadow: die Friedensgöttin bringt
auf einem Viergespann den Frieden in die Stadt. Das Tor hat in den
200Jahren seiner Geschichte viel erlebt; es ist nicht ohne Grund ein
Symbol für Berlin geworden.
Die Berliner Universität wurde 1810 gegründet. Ihr geistiger
Vater war Wilhelm von Humboldt und setzte sich dafür ein, daß sein
Ideal der absoluten Freiheit von Lehre und Forschung verwirklicht wurde.
Zu den Professoren gehörten viele Nobelpreisträger: die Physiker Max
Planck, Albert Einstein, die Chemiker Otto Hahn, Emil Fischer, der
Mediziner Robert Koch, Philosophen Hegel und Fichte.
Berlin ist heute die größte Universitätsstadt der Bundesrepublik.
Außer der Humboldt Universität gibt es noch die Technische Universität
in Charlottenburg sowie zahlreiche andere Hochschulen.
Unter den Linden ist die Prachtstraße Berlins und wurde im 18.
Jahrhundert angelegt. Als Vorläufer der Straße führte seit 1573 ein
kurfürstlicher Reitweg zum Tiergarten. Im 19. Jahrhundert entstanden
hier eine Reihe von klassizistischen Bauten.
Heinrich Heine schrieb die folgenden Zeilen aus Berlin, Unter
den Linden 24: “Wirklich ich kenne keinen imposanteren Anblick, als
von der Hundebrücke stehend nach den Linden hinaufzusehen. Rechts
das hohe prächtige Zeughaus, das neue Wachthaus, die Universität
und Akademie. Links das Palais, das Opernhaus, die Bibliothek usw.
Hier drängt sich Prachtgebäude an Prachtgebäude…”. Ernst Theodor
Amadeus Hoffmann kennzeichnete die Straße Unter den Linden als
“Sammelplatz der höheren durch Stand und Reichtum zu üppigerem
Lebensgenuß berechtigten Publikums”. Ähnlich beeindruckt war auch
Johann Wolfgang Goethe, der bei seinem einzigen Besuch in Berlin
Unter den Linden 23 im Gasthaus “Zur Sonne” wohnte.
Die Museumsinsel nimmt das ganze Dreieck zwischen Spree,
Kupfergraben und Altem Museum ein. Ihre Bebauung geht auf eine
königliche Order aus dem Jahre 1841 zurηck, die bestimmte, daß das
Gelände auf der Nordspitze Cöllns zu einem Kunst und der Altertums-
Wissenschaft geweihten Bezirk ausgebaut werde. Die Anlage der
verschiedenen Museen begann 1843, 1930 wurde der Ausbau mit dem
1909 begonnen Pergamonmuseum abgeschlossen.

58
Das Neue Museum wurde 1843/47 nach den Entwürfen von
Friedrich August Stüler, einem Schüler Schinkels, errichtet. Hier
waren früher die Prähistorische, die Ethnologische und die Ägyptische
Sammlung, teilweise das Antiquarium, die Kunstsammlung und das
Kupferstichkabinett zu sehen.
Mit einer Seitenfront zur Spree liegt hinter einer Seitenpergola und
einem von Bronzeskulpturen gezierten Vorgarten die Nationalgalerie. Sie
wurde unter der Leitung des Architekten Johann Heinrich Stracknach
Entwürfen von Friedrich August Stηler 1866/76 ursprünglich zur
“Festhalle” erbaut.
Die Mitte der Museumsinsel, mit Zugang ηber den
Kupfergraben, nimmt den unter dem Namen Pergamonmuseum
zusammengefaßte Gebäudekomplex ein. Das Pergamonmuseum
enthält mehrere Sammlungen und ist nach der berühmtesten der hier
gezeigten Sehenswürdigkeiten – dem Pergamonaltar – benannt. Der
Bau eines speziellen Museums in Berlin war notwendig geworden, als
sich die Zeugnisse materieller Kunst häuften, die damals Archeologen,
unter ihnen Schliemann, Dörpfeld und Humann, in Vorderasien und
Ägypten ausgegraben hatten. Vorher mußten die Antikenbestände in
mehreren Gebäuden untergebracht werden. Das Pergamonmuseum
wurde nach den Plänen von Alfred Messel unter der Leitung von
Stadtbaumeister Ludwig Hoffmann errichtet. Die ηber zwanzigjährige
Bauzeit (1909-1930) ist auf die sehr schwierige Fundamentgründung
in dem morastigen Baugrund, kriegs- und krisenbedingte
Unterbrechungen sowie kulturpolitische Probleme zurückzuführen.
Das Pergamonmuseum beherbergt das Vorderasiatische Museum, die
Antikensammlung, das Islamische Museum, die Ostasiatische
Sammlung und das Museum für Volkskunde.
Das Bodemuseum erbaut 1897/1904 nach Plänen von Ernst
Ihne, wurde als Kaiser-Friedrich-Museum eröffnet und trägt heute den
Namen seines Begründers Wilhelm von Bode.
Während des zweiten Weltkrieges fielen allein auf die
Museumsinsel mehr als 50 Bomben. Unersetzliche Schätze gingen
dabei verloren.
Die großen Sammlungen sind heute auf beide Teile der Stadt
verteilt.
In Berlin-West liegen drei große Museumszentren. In Dahlem
werden die v⎯lkerkundlichen und asiatischen Sammlungen gezeigt.
Zur Zeit befindet sich dort noch die Gemäldegalerie, mit europäischer
Malerei des 13. bis 18. Jahrhunderts, das Kupferstichkabinett und die

59
Skulpturengallerie. Sie sollen in Neubauten umziehen, wenn das
zweite Museumszentrum am Kemperplatz (Bezirk Tiergarten)
fertiggestellt ist. Dort sind bereits die Nationalgalerie mit europäischer
Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, das Kunstgewerbemuseum, die
Staatsbibliothek, die Philharmonie, das Musikinstrumenten-Museum
sowie das Bauhaus-Archiv.
Das dritte Museumszentrum, das Schloß Charlottenburg und
Umgebung, umfaßt u. a. archäologische Sammlungen und französische
Gemälde des 18. Jahrhunderts.
Die hier konzentrierten Staatlichen Museen zu Berlin zählen
heute Millionen von Besucher.

Musikstadt Berlin.
Das Musikleben trägt wesentlich zum Ansehen Berlins als
deutsche und internationale Kulturmetrole bei. Deutsche, Komische
und Staatsoper pflegen das klassische Fach, wagen aber hin und
wieder einen Abstecher ins Zeitgenössische. Für’s Variete sind der
Friedrichsstadtpalast und der Wintergarten an der Potsdamerstraße
zuständig. Die Operette, einst eines der Berliner Glanzstückchen,
feiert jetzt wieder ihr Revival im Metropolitantheater am Bahnhof
Friedrichsstraße. Das zeitkritische Revue trägt neben vielen
Kleinausgaben in den Off-Theatern einen großen Namen: “Linie 1”,
das Stück, mit dem das GRIPS-Theater mitten ins Westberliner
Randgruppenleben griff und einen musikalischen Dauerbrenner
zündete. Auch an Berufsorchestern fehlt es nicht: die Berliner
Philharmoniker, das deutsche Symphonie-Orchester Berlin, das
Rundfunk-Sinfonieorchester, das Berliner Sinfonie-Orchester und die
Berliner Symphoniker setzen in Repertoire und Zielgruppen
unterschiedliche Akzente.
Die seit 1951 im Herbst stattfindenden “Berliner Festwochen”
stellen alljährlich ein farbiges internationales Programm vor. Die
berliner Festwochen kombinieren Musikdarbietungen, Ausstellungen
und weitere begleitende Veranstaltungen, meistens unter einem
bestimmten Thema.

Theaterstadt-Berlin.
In Berlin gab es bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts nur
verhältnismäßig wenig Theater, eine “Theaterstadt” wie Wien oder
München konnte sich auf dem Boden preußischer Strenge und
protestantischer Ordnungsliebe nicht so recht entwickeln. Mit dem

60
Wachstum der Stadt entstanden aber als Folge eines bürgerlichen
Repräsentationsanspruchs viele Privattheater jenseits des bestehenden
Hoftheaters und Saaltheaters. Nach 1889 eroberte aber die Moderne
die Bühne.
Den Ruf als Theaterstadt verdankt Berlin vor allem der
kulturellen Blütezeit der Zwanziger Jahre.
Heute spannt sich der Bogen vom klassischen und modernen
Drama ηber Volkstheater. Es gibt sowohl staatliche als auch
Privatbühnen.

Film
Die Berliner Internationalen Filmfestspiele haben sich seit 1951,
neben Venedig und Cannes, zu einer der bedeutendsten Filmschauen
entwickelt.

61
DER UMWELTSCHUTZ

In dem neugeschaffenen Artikel 20a des Grundgesetzes wurde


der Umweltschutz 1994 zum Staatsziel erhoben: ”Der Staat schützt
auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen
Lebensgrundlagen”. Diese Aufgabe wirkt in sämtliche Politikbereiche
hinein und umfasst u.a. das Konzept der Kreislaufwirtschaft, die
Verwirklichung einer umweltschonenden Mobilität sowie die
Aussöhnung von Landwirtschaft und Naturschutz.
Auch Industrie und Wirtschaft haben erkannt, dass Ökonomie und
Ökologie keine Gegensätze sein müssen, sondern Umweltschutz auch
vom ökonomi – schen Standpunkt her notwendig ist. Der konsequente
Schutz von Luft, Wasser und Boden ist Voraussetzung für eine gesunde
dauerhafte wirtschaftliche Entwicklung. In Deutschland sind sehr viele
Personen direkt und indirekt für den Umweltschutz tätig. Hier hat sich
eine moderne Umweltschutz industrie entwickelt, die fortschrittliche
Techniken zur Verhinderung bzw. Beseitigung von Umweltschäden
anbietet.
Umwelt-High-Tech made in Germany ist so zu einem weltweit
gefragten Exportprodukt geworden; der Anteil der deutschen
Umweltschutzindustrie am Welthandel beträgt mehr als 18 Prozent.

Die Umweltpolitik
Auf Bundesebene ist das Bundesumweltministerium für den
Umweltschutz zuständig. Ihm unterstehen das Umweltbundesamt in
Berlin, das Bundesamt für Naturschutz in Bonn und das Bundesamt
für Strahlenschutz in Salzgitter. Auch einige Bundesländer haben
eigenständige Umweltministerien. Wichtige Aufgaben des Umwelt-
schutzes werden auf lokaler Ebene von Städten und Gemeinden
wahrgenommen.
Drei Prinzipien leiten die Umweltpolitik der Bundesregierung:

62
~das Vorsorgeprinzip: Umweltpolitik soll so angelegt sein, dass
Gefahren abgewehrt und Umweltbeeinträchtigungen so weit wie
möglich vermieden werden;
~das Verursacherprinzip: Nicht die Allgemeinheit, sondern
derjenige, der die Umwelt belastet oder schädigt, ist verantwortlich und
trägt die Kosten der Vermeidung oder Beseitigung von Umweltschäden;
~das Kooperationsprinzip: Bei der Lösung von Umwelt-
problemen beteiligt der Staat die Wirtschaft, die Bürger und die
gesellschaftlichen Gruppen, denn jeder einzelne trägt Verantwortung
für die Umwelt.
Der Umweltschutz in Deutschland hat ein im internationalen
Vergleich hohes Niveau erreicht: In allen Verursacherbereichen
wurden - vor allem seit den achtziger Jahren – strenge Grenzwerte für
Schadstoffeinträge in Luft und Gewässer durchgesetzt. Damit konnte
in den alten und inzwischen auch in den neuen Bundesländern die
Umweltqualität deutlich verbessert werden.
In den neunziger Jahren liegen die Schwerpunkte der
Umweltpolitik in Maßnahmen zu einem effizienteren Energieeinsatz,
zur Schließung von Stoffkreisläufen und zur Verringerung des
Flächenverbrauchs.
Nationale Maßnahmen allein reichen indessen nicht aus, denn die
Belastung von Luft, Flüssen und Meeren kennt keine nationalen
Grenzen. Gemeinsa – mes Handeln erfordert insbesondere die Lösung
der globalen Umweltprobleme wie Klimaveränderung, Abbau der
Ozonschicht und Rückgang der biologischen Viel – falt. Die
Bundesregierung betreibt deshalb auch international eine engagierte
Umweltpolitik, besonders in der EU, aber auch in zahlreichen
internationalen Organisationen. Eine herausragende Bedeutung kommt
den internationalen Verhandlungen im Klimaschutz zu. Als Gastgeber
der ersten Vertragsstaatenkonferenz zur Klimaschutzkonvention in
Berlin engagiert sich Deutschland hier besonders intensiv.

Die Luftreinhaltung
Wie in anderen Industrieländern wird die Luft in Deutschland von
Schadstoffen belastet, die vor allem aus dem Betrieb von Industrie und
Gewerbe, aus dem Straßenverkehr, Heizungen und Kraftwerken
stammen. Die Umweltbelastung zeigt sich besonders deutlich an den
Waldschäden und am Sommersmog. 1996 waren 57 Prozent der Bäume
schwach bis deutlich geschädigt, lediglich 43 Prozent galten als gesund.
Die menschliche Gesundheit, Böden und Gewässer, Gebäude und

63
Kunstdenkmäler müssen deshalb vor weiteren Belastungen durch
verunreinigte Luft geschützt werden.
Gegen die Luftverschmutzung wurde ein umfassendes
Programm entwickelt. Luftverunreinigungen werden schon an der
Quelle erfasst und drastisch abgebaut. So werden zum Beispiel die
Schadstoffe, die aus Kraft-und Fernheizwerken sowie mit
Autoabgasen in die Luft gelangen, durch Filter bzw. Katalysatoren
zum großen Teil reduziert. Die Emissionen von Schwefeldioxid aus
Industriefeuerungen und Kraftwerken sanken aus diesem Grund in den
alten Bundesländern zwischen 1980 und 1994 auf weniger als ein
Drittel, die von Stickstoffoxiden um rund 50 Prozent. Die Emission
von Schwefeldioxid aus den Kraftwerken der alten Bundesländer sank
von 1983 bis 1993 um rund 80 Prozent. Bei den Stickstoffoxiden
wurde eine Verminderung von über 60 Prozent erreicht.
Im Verkehrsbereich wird die Belastung der Umwelt durch die
Einführung des bleifreien Benzins reduziert, dessen Verkaufsanteil
bereits 95 Prozent beträgt. Die Belastung der Luft durch die
Schadstoffe Stickstoffoxid, Kohlenwasser – stoff und Kohlenmonoxid
konnte besonders durch die Einführung des geregelten Dreiwege-
Katalysators zur Abgasreinigung zunehmend verringert werden.
Heute müssen alle neuen Personenkraftwagen mit Benzinmotor EU-
weit Abgaswerte einhalten, die grundsätzlich nur mit einer solchen
Abgasreinigungsanlage erreicht werden können. Das starke
Verkehrswachstum- besonders im Straßengüterverkehr-hat jedoch die
bisher erzielten Minderungen zum Teil kompensiert. Auch die Kohlen
– dioxid-Emissionen des Verkehrs, der Verkehrslärm und die
Flächenzerschneidung durch den Verkehrswegebau erfordern weitere
planerische und technische Maßnahmen, um eine umweltverträgliche
Mobilität in Deutschland zu ermöglichen.
Im Juli 1995 ist das sogenannte ”Sommersmog-Gesetz” in Kraft
getreten. Danach wird das Fahren von hochemittierenden Benzin-und
Dieselfahrzeugen verboten, wenn 1. an mindestens drei Messstationen
im Bundesgebiet, die mehr als 50 und weniger als 250 km
voneinander entfernt sind, ein Stundenmittelwert von 240
Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft erreicht wird und wenn 2.
derartige Ozonkonzentrationen auch am nächsten Tag im Bereich
dieser Messstationen zu erwarten sind. Die Fahrverbote gelten an dem
auf die Bekanntmachung folgenden Tag ab sechs Uhr morgens und
dauern 24 Stunden.

64
Schutz vor Lärm
Vor allem in Ballungsräumen ist Lärm, besonders Verkehrslärm,
zu einer schwerwiegenden Belastung der Bevölkerung geworden.
Maßnahmen zur Lärmbekämpfung sind deshalb zwingend: Für die
Planung und den Bau von Wohngebieten, Verkehrs-und
Industrieanlagen gibt es rechtlich verankerte Auflagen, um die
Bevölkerung vor unzumutbarem Lärm zu schützen. Darüber hinaus
werden Wohnstraßen zu “verkehrsberuhigten” Zonen umgestaltet, die
Geräuschgrenzwerte für Straßenfahrzeuge werden herabgesetzt, und
es werden Anreize für den Einsatz leiserer Flugzeuge geschaffen.
Immer mehr Straßen erhalten schallschluckende Beläge. Auch in der
Industrie und am Bau werden lärmmindernde Techniken einge – setzt.
Mit dem Umweltzeichen “Blauer Engel” werden die Verbraucher auf
lärmarme Produkte, Maschinen und Geräte hingewiesen.

Schutz der Gewässer


Entscheidende Verbesserungen wurden auch beim Schutz der
Gewässer mit verschärften Vorschriften zur Abwassereinleitung sowie
dem Bau neuer Kläranlagen, vor allem der biologischen
Abwasserbehandlung durch Industrie und Gemeinden, erreicht. War
in stark verschmutzten Flüssen wie dem Rhein oder dem Main Anfang
der siebziger Jahre der Artenreichtum drastisch zurückgegangen, so
leben dort heute aufgrund der verbesserten Wasserqualität wieder
annähernd so viele Arten wie in den zwanziger Jahren des
Jahrhunderts. Weiterer Sanierungsbedarf besteht trotz spürbarer
Verbesserungen für viele Seen und Flüsse in den neuen
Bundesländern.
Einen wesentlichen Beitrag zum Gewässerschutz leistet auch das
Abwasserabgabengesetz. Es veranlasst Gemeinden und Industrie, die
Schad-und Nährstoffe im Abwasser sehr stark zu reduzieren. Ein
wichtiger Schritt zur Reduzierung der Nitrateinträge durch die
Landwirtschaft wurde mit der Düngerverordnung getan, die seit
Januar1996 die Grundsätze der guten fachlichen Praxis auf dem
Gebiet der Düngung näher regelt.
Viele Schad-und Nährstoffe gelangen über die Flüsse und die Luft
ins Meer. Auch Schifffahrt und Erdölgewinnung tragen zur Belastung
der Meere bei, und die Fischerei beeinträchtigt die Meeresumwelt in
immer stärkerem Maße. Diese Probleme lassen sich nur durch
solidarisches Handeln aller Staaten lösen. Schritte zur weiteren
drastischen Verringerung des Schad-und Nährstoffeintrags in der

65
Nordsee sind auf deutsche Initiative zuletzt auf der 4. Internationalen
Nordsee-Schutzkonferenz 1995 beschlossen worden.
Inzwischen wurden auf Grund der Beschlüse vorangehender
Nordsee schutzkonferenzen von allen Staaten die Verklappung von
Industrieabfällen und die Verbrennung von Abfällen eingestellt.
Die Ostseeanliegerstaaten arbeiten seit 1974 in der Helsinki-
Kommission zum Schutz der Ostsee zusammen. 1992 verabschiedeten sie
ein “Internationales Ostseeaktionsprogramm”, durch dessen Umsetzung
innerhalb der nächsten 20 Jahre die größten Verschmutzungsquellen saniert
werden sollen.
Nach den außergewöhnlichen Hochwassern 1993/94 und im Januar
1995 an Rhein und Mosel sowie im Juli 1997 an der Oder hat der
vorbeugende Hoch wasserschutz wieder öffentliche Aufmerksamkeit
gefunden. Eine umweltverträgliche Hochwasservorsorge zielt besonders
auf eine Begrenzung der Bodenversiegelung, die ortsnahe Rückhaltung und
Versickerung von Niederschlagwasser, die möglichst naturnahe Gestaltung
der Flüsse, die Erhaltung und Ausdehnung der Überschwemmungsgebiete.

Abfallwirtschaft und Schutz des Bodens


Mit dem Kreislaufwirtschafts-und Abfallgesetz von 1994, das
im Oktober 1996 in Kraft getreten ist, wurde das bislang geltende
Abfallgesetz abgelöst. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz bedeutet eine
Abkehr von dem Weg der Abfallbeseitigung hin zu einer
Kreislaufwirtschaft mit der Folge, dass rohstoffliche Ressourcen
wirksam geschont, abfallarme Produkte entwickelt und so auf Dauer
das gesamte Konsum-und Produktionssystem zu einer Kreislaufwirts-
chaft umgestaltet werden wird.
Das Prinzip der Produktverantwortung wurde durch die
Verpackungsverordnung erstmals rechtlich verankert. Durch sie
wurden Hersteller und Vertreiber von Verpackungen verpflichtet, ihre
Erzeugnisse nach Gebrauch zurückzunehmen und zu verwerten. Die
Wirtschaftsbeteiligten haben für Verpackungsabfälle 1992 das
privatwirtschaftlich organisierte “Duale System Deutschland” (DSD,
“Grüner Punkt”) aufgebaut, welches das Einsammeln gebrauchter
Verpackungen beim Ver – braucher und die stoffliche Verwertung
übernommen hat. Die Kosten werden über den Produktpreis finanziert.
In freiwilligen Selbstverpflichtungen der Produktverantwortlichen
sieht die Bundesregierung ein Instrument das die Möglichkeit zu
rechtlichen Regelungen ergänzen kann. So haben sich 1996 die
Automobilindustrie und weitere beteiligte Wirtschaftskreise gegenüber

66
der Bundesregierung verpflichtet, die zu beseitigenden Abfälle aus der
Altauto-Entsorgung von derzeit rund 25 Gewichtsprozenten bis zum
Jahr 2002 auf maximal 15 Gewichtsprozente und bis zum Jahr 2015 auf
maximal fünf Gewichtsprozente zu verringern. Gleichzeitig wird ein
flächendeckendes Rücknahme –und Verwertungssystem für
Personenkraftwagen in Deutschland aufgebaut. Die Hersteller und
Importeure verpflichten sich darüber hinaus, ihre Fahrzeuge mindestens
bis zum Alter von zwölf Jahren kostenlos zurückzunehmen.
In Ergänzung zu dieser Selbstverpflichtung hat die
Bundesregierung die Altautoverordnung beschlossen, in der die
Umweltstandards für Altautoverwertungsbetriebe festgelegt werden.
Bei Hausmüll und hausmüllartigen Gewerbeabfällen, Sperrmüll
und Kehricht ist für die neunziger Jahre ein Rückgang der Abfälle um
14 Prozent bei einer Verwertungsquote von 30 Prozent festzustellen.
Bei produktionsspezifischen Abfällen sank das Aufkommen um 22
Prozent bei einem Anstieg der Verwertungsquote auf 59 Prozent.
Auch bei Sonderabfällen bestätigt sich dieser Trend.
Mit der Bodenschutz-Konzeption der Bundesregierung von 1985
wurden zum erstenmal Anforderungen des Umweltmediums Boden
formuliert. Mit dem Bundesbodenschutzgesetz werden die
Voraussetzungen für einen wirksamen Bodenschutz geschaffen. Die
einheitlichen Anforderungen, die das Gesetz bundesweit stellen wird,
bilden die Grundlage für ein effizientes Vorgehen der Behörden. Ziel
ist es, die Funktionen des Bodens nachhaltig in ihrer
Leistungsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen, wobei die
Funktion als Lebensgrundlage und Lebensraum für Tiere, Pflanzen
und Bodenorganismen ausdrücklich genannt wird. Hierzu sind
Gefahrenabwehr-und –beseitigungsmaßnahmen sowie Maßnahmen
zur Vorsorge gegen künftige nachteilige Einwirkungen auf den Boden
zu ergreifen. Damit wird der Boden als Umweltmedium nicht nur
mittelbar, sondern künftig auch unmittelbar – wie die Luft oder das
Wasser – durch ein Bundesgesetz besonderem Schutz unterstellt .Das
Gesetz begründet Pflichten unter anderem zur Vermeidung und
Abwehr von Bodenbelastungen sowie zur Sanierung des Bodens.
Diese Grundpflichten gewährleisten, dass der Boden nachhaltig nicht
in seiner Leistungsfähigkeit überfordert wird.

Reaktorsicherheit und Strahlenschutz


Als Industrienation ist Deutschland auf eine sichere
Energieversorgung angewiesen. Dabei muss die Energiegewinnung

67
umwelt-und ressourcenschonend sein. Der Einsatz von Kernenergie
hat den Vorteil, dass –anders als bei der Verbrennung von Kohle, Öl
oder Gas – kaum klimagefährdende Schadstoffe in die Umwelt
gelangen. Grundlage der Sicherheitsmaßnahmen für Kernkraftwerke
in Deutschland ist das Atomgesetz.
Es stellt hohe Sicherheitsanforderungen an Genehmigung, Bau
und Betrieb von Kernkraftwerken sowie an die Entsorgung radioaktiver
Abfälle. Im Genehmigungsverfahren sind die Betreiber von
Kernkraftwerken zum Nachweis verpflichtet, dass bei zu
unterstellenden Störfällen die Auswirkungen in der Umwelt unter den
vorgeschriebenen Höchstwerten der Strahlenschutzverordnung bleiben.
Das Gesetz verpflichtet zu einer schadlosen Verwertung bzw.
Beseitigung radioaktiver Reststoffe. Das Bundesamt für Strahlenschutz
unterstützt die Bundesregierung bei der Aufsicht über die Anwendung
des Atomgesetzes.
Für die Anwendung ionisierender Strahlen, etwa
Röntgenstrahlen, aber auch den Umgang mit radioaktiven Stoffen in
Medizin, Forschung und Technik sind neben dem Atomgesetz im
Strahlenschutzvorsorgegesetz, in der Strahlenschutzverordnung oder
auch in der Röntgenverordnung strenge Obergrenzen vorgeschrieben.
Seit Jahresbeginn 1997 besteht auch ein Schutz gegenüber
nichtionisierender Strahlung durch die sogenannte “Elektro-Smog-
Verordnung”, die Grenzwerte für bestimmte ortsfeste Anlagen im
Nieder- und Hochfrequenzbereich vorsieht.

Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung


Naturschutzpolitisches Leitbild der Bundesregierung ist die
Erhaltung der biologischen Vielfalt als Lebensgrundlage des
Menschen und aus Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung.
Die biologische Vielfalt umfasst neben der Artenvielfalt auch die
Vielfalt der Lebensräume und die genetische Vielfalt innerhalb der
Populationen einer Art.
Von den weltweit bisher beschriebenen rund eine Million
wildlebenden Tierarten und fast 400.000 wildlebenden Pflanzenarten
kommen in Deutschland knapp 45.000 Tierarten und etwa 28.000
Pflanzenarten vor. Der Bestand an Arten ist allgemein rückläufig. 50
Prozent der in Deutschland erfassten Wirbeltierarten gelten als
gefährdet, fünf Prozent als ausgestorben. Als bedroht oder
ausgestorben gilt ferner ein Drittel aller Pflanzenarten. Hauptursachen
des Artenrückganges sind:

68
~die Belastung und Zerstörung der Lebensräume durch
Siedlungs-und Verkehrswegebau und das früher in der Landwirtschaft
praktizierte “Ausräumen” der Landschaft
~großräumige Schad-und Nährstoffeinträge aus Landwirtschaft,
Industrie und Verkehr
~großflächige Veränderungen im Wasserhaushalt.
Vorrangige Aufgabe des Naturschutzes ist es, noch vorhandene
natürliche oder naturnahe Gebiete zu erhalten, sie gegebenenfalls
durch Renaturierungsmaßnahmen wiederherzustellen, sie miteinander
zu vernetzen und ihre Belastung durch Schadstoffeinträge zu
reduzieren.
In Deutschland gibt es derzeit (1998) rund 5000
Naturschutzgebiete, die rund 1,8 Prozent, sowie mehr als 6000
Landschaftsschutzgebiete, die rund 25 Prozent der deutschen
Landesfläche umfassen. Darüber hinaus gibt es 12 Nationalparks mit
einem Flächenanteil von rund zwei Prozent, davon 80 Prozent Watt-
und Wasserflächen an Nord-und Ostsee. Flächenmäßig bedeutsamer
als die Naturschutzgebiete sind die Landschaftsschutzgebiete, von
denen einige zu 67 großräumigen Naturparks zusammengefasst
wurden. Anders als in den Naturschutzgebieten sind Landwirtschaft
sowie Erholungsnutzung hier vorgesehen.
Im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen
Union ist die Schaffung eines europaweiten Biotop-Verbundsystems
(“Natura 2000”) vorgesehen, das unter anderem einen genetischen
Austausch zwischen einzelnen Schutzgebieten ermöglichen soll.
Darüber hinaus beteiligt sich Deutschland aktiv am Zustandekommen
und der Weiterentwicklung internationaler Naturschutzübereinkommen.
Zu nennen sind insbesondere:
~das Bonner Übereinkommen zur Erhaltung wandernder
wildlebender Tierarten
~die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und die Vogelschutz-
Richtlinie der EU
~das Berner Übereinkommen zur Erhaltung der europäischen
Wildtiere und Wildpflanzen, das durch die Zusammenarbeit west-und
osteuropäischer Staaten im Europarat noch an Bedeutung gewinnen
wird
~das Washingtoner Übereinkommen über den internationalen
Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen.
Neben den Aktivitäten im Bereich des “klassischen”
Naturschutzes und der nachhaltigen Naturnutzung müssen die

69
Rahmenbedingungen für eine flächen sparende und
ressourcenschonende Raum-und Siedlungsentwicklung auf allen
Raumplanungsebenen weiterentwickelt werden .So werden sowohl
das Raumordnungsgesetz als auch das Baugesetz novelliert .Parallel
dazu werden auf Bundesebene Leitfäden und Hilfestellungen für
nachhaltige Siedlungskonzepte erarbeitet, die in einen Agenda-21-
Prozess auf regionaler und lokaler Ebene eingebunden sind.
(nach “Tatsachenüber Deutschland” - 1998
Presse-und Informationsamt der Bundesregierung”)

Erläuterungen:
*die Kreislaufwirtschaft: Recycling-Wirtschaft
*der Ballungsraum: der Verdichtungsraum (spaţiu/zonă cu den-
sitate mare)
*die Sanierung: die Genesung, die Besserung (însănătoşirea)
*verabschieden: (trans.) annehmen und für gültig erklären (ein
Gesetz) (a adopta)
*die Vorsages: vorsorgliche Maßnahmen, die für später etwas
sichern sollen (precauţie)
*der Artenrückgang: die Verminderung der Tier-und Pflanzenarten
(scăderea numărului de specii)
*das Watt: seichter Streifen der Nordsee zwischen Küste und
vorgelagerten Inseln (estuar)

Küstenschutz
Seit Jahrhunderten bemühen sich die Küstenbewohner, die
Außenküste vor Abtragung und Zerstörung zu schützen. Mit
Steinwällen, Buhnen, Deichen, Wellenbrechern oder Aufspülungen
versuchen sie, ihre Heimat vor den Urkräften der See zu bewahren.
Doch trotz aller Anstrengungen sind zwei Drittel der Außenküste
Mecklenburg-Vorpommerns Abtragungsküste. Die Strömungen,
insbesonders aber winterliche Sturmfluten nagen unaufhaltsam an den
Ufern und spülen kontinuierlich Landmasse mit sich fort. Auch die
mühevolle Bepflanzung der Stranddünen mit Strandhafer und das
Anlegen von Küstenschutzwäldern können den Landverlust nur
bedingt aufhalten.
Alle diese Maßnahmen dienen aber nicht nur dazu,
Küstenrückgang zu vermeiden, sondern schützen auch die Bewohner
vor Tod und Verderben. Verheerende Überschwemmungen forderten
in der Vergangenheit immer wieder zahlreiche Menschenleben und
70
zerstörten Haus und Hof. Darüber hinaus sind die verschiedenen
Uferzonen wichtiger Lebensraum für vielerlei seltene Tier-und
Pflanzenarten.
Um die Menschen zu schützen und die einzigartige
Küstenlandschaft für die kommenden Generationen zu erhalten, ist es
unerlässlich, die Schutzbestimmungen zu beachten.
Verantwortungsbewusstes Verhalten und Aufklärung sind die
Bedingungen dafür, dass man sich auch im nächsten Sommer noch an
den Stränden erholen kann.

Die “Zehn Gebote”des Küstenschutzes


1.Benutzen Sie nur die gekennzeichneten Strandzugänge. Übersteigen
oder beschä digen Sie keine Einzäunungen.
2.Bauen Sie keine Sandburg näher als 2 m an den Dünenfuß.
3.Keine Äste von Büschen und Bäumen abbrechen.
4.Benutzen Sie Steilufer nicht für Klettereien oder als Rutschbahnen.
5.Kein Feuer oder Rauchen im Küstenschutzwald.
6.Überqueren Sie Deiche nur an den gekennzeichneten Stellen.
7.Fangen oder beunruhigen Sie keine Tiere.
8.Pflücken Sie keine Blumen und Pflanzen.
9.Entsorgen Sie Ihren Abfall sachgerecht.
10.Befahren Sie nur die erlaubten Wege und parken Sie nur auf den
ausgewiesenen Plätzen.

Erläuterungen:
*der Steinwall: längere durch Anhäufen von Steinen entstandene
Erhebung im freien Gelände (dig, mal întărit)
*die Buhne,-n: quer in einen Fluss oder ins Meer gebauter
Damm, der das Ufer schützen soll (dig pentru apărarea malului)
*der Deich: Damm an der Küste, am Flussufer zum Schutz gegen
Überschwemmungen (dig, stăvilar)
*der Wellenbrecher: Damm im Meer (dig de larg)
*die Düne: durch den Wind entstandene, hügelartige Ablagerung
von Sand (dună)

71
KULTUR, BILDUNG UND FORSCHUNG

Nirgendwo ist die föderale Struktur der Bundesrepublik deutlicher


ausgeprägt als auf dem Gebiet des kulturellen Lebens. Es gab in
Deutschland nie eine zentrale Metropole, wie sie Paris für Frankreich
und London für England darstellt. Das kulturelle Eigenleben der Länder
hat kleine und große Kulturzentren unterschiedlichen Profils entstehen
lassen, kulturelles und wissenschaftliches Leben entfaltet sich selbst in
den kleinsten Städten und Gemeinden.
Diese Vielfalt läßt sich schon an der regionalen Verteilung der
verschiedenen kulturellen Institutionen und Aktivitäten in Deutsch-
land darstellen. Die Deutsche Bibliothek, bundesunmittelbare Anstalt
des öffentlichen Rechts, hat Standorte in Frankfurt am Main, Leipzig
und Berlin. Das Bundesarchiv, mit der Hauptdienststelle in Koblenz,
verfügt über Außenstellen u. a. in Berlin, Potsdam, Freiburg i. Br. und
Bayreuth. Die größte Konzentration von Medien hat Hamburg
aufzuweisen, Köln und Düsseldorf sind Zentren des modernen
Kunstlebens. Die Akademien der Wissenschaften haben ihren Sitz in
Berlin, Düsseldorf, Darmstadt, Göttingen, Halle, Heidelberg, Leipzig,
Mainz und München. Die bedeutendsten Museen finden sich in Berlin,
München, Nürnberg, Köln und Stuttgart. Die beiden wichtigsten
Literaturarchive liegen in Marbach und Weimar.
Deutschland ist also ein Land mit vielen kulturellen Zentren. Eine
abgelegene kulturelle “Provinz” gibt es nicht. Niemand muß Hunderte
von Kilometern weit fahren, um ein gutes Theater zu sehen oder ein
bedeutendes Konzert zu hören. Auch die kleinsten Städte beherbergen
wertvolle Bibliotheken oder interessante Kunstsammlungen. Dies geht
auf die Zeit zurück, als Deutschland aus vielen Fürstentümern bestand,
die alle Ehrgeiz hatten, ihre Residenzen zu Kulturzentren zu machen,
oder auf selbstbewußte Bürger, die in ihrer Stadt die Künste und
Wissenschaften förderten.
Die meisten kulturellen Einrichtungen der Bundesrepublik werden
von den Gemeinden unterhalten. Die Gesetzgebung in kulturellen

72
Angelegenheiten ist – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Sache der
Länder, jedes Bundesland gestaltet das Bildungswesen mehr oder
weniger selbständig. Dieser Kulturföderalismus hat allerdings auch
seine Schattenseiten; Lehrpläne und Abschlüsse der Schulen weichen
von Land zu Land oft voneinander ab. Hier können sich Probleme
ergeben, wenn eine Familie in ein anderes Bundesland umzieht und die
Kinder dort keinen “Anschluß” finden.

Die Schulen
Das Grundgesetz gibt jedermann das Recht, seine Persönlichkeit
frei zu entfalten und Schule, Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die
Bildungspolitik verfolgt dabei das Ziel, jedem einzelnen eine optimale
Förderung und eine qualifizierte, seinen Interessen entsprechende
Ausbildung zu ermöglichen. Jedem soll sein Leben lang die Chance
offengehalten werden, sich persönlich, beruflich oder politisch zu
bilden.
Das gesamte Schulwesen steht unter Aufsicht des Staates. Auf
Grund des föderativen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland sind
die Zuständigkeiten im Bindungswesen zwischen Bund und Ländern
aufgeteilt. Die Länder tragen insbesondere die Verantwortung für das
allgemein- und berufsbildende Schulwesen sowie fηr die Kindergärten.
Es gibt daher in den 16 Ländern der Bundesrepublik unterschiedliche
Schularten und Schulsysteme. Eine gemeinsame und vergleichbare
Grundstruktur des Schulwesens wird durch das “Abkommen zwischen
den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet
des Schulwesens” sichergestellt. Daneben gibt es Vereinbarungen der
Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland (KMK), z. B. zur Neugestaltung der
gymnasialen Oberstufe, zu einheitlichen Prüfungsanforderungen in der
Abiturprüfung und über die gegenseitige Anerkennung von
Abschlüssen an Gesamtschulen, die das notwendige Maß an
Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit im Schulwesen sichern.
Die Schulpflicht besteht vom vollendeten sechsten bis zum 18.
Lebensjahr, also für zwölf Jahre. Zur Erfüsllung der Schulpflicht
müssen neun (in einigen Bundesländern zehn) Jahre lang eine
Vollzeitschule und danach die Berufsschule in Teilzeitform bzw.
weiter eine Vollzeitschule besucht werden. Die Lernmittel, vor allem
die Schulbücher, werden den Schηlern zum Teil ebenfalls kostenlos
überlassen.

73
Der Religionsunterricht ist mit Ausnahme der bekenntnisfreien
Schulen nach dem Grundgesetz ordentliches Lehrfach. Vom 14.
Lebensjahr können die Schüler selbst entscheiden, ob sie daran
teilnehmen wollen.

Der Kindergarten gehört nicht zum staatlichen Schulsystem,


sondern zum Bereich der Jugendhilfe. Träger der Kindergärten sind
weit überwiegend Kirchen, Wohlfahrtsverb≅nde und Gemeinden,
manchmal auch Betriebe und Vereine.
Der Besuch des Kindergartens ist freiwillig.
Das Schulsystem. Mit sechs Jahren kommen die Kinder in die
Grundschule. Sie umfaßt im Allgemeinen vier Jahre, in Berlin und
Brandenburg sechs Jahre. In den meisten Bundesländern erhalten die
Kinder in den ersten Schuljahren noch keine Zensuren, sondern
allgemeine Beurteilungen. Nach den gemeinsamen Jahren in der
Grundschule wechseln die Schüler in eine andere Schulform um. Dort
besuchen sie zunächst je nach Bundesland eine Orientierungs-,
Förder- oder Beobachtungsstufe (Klasse 5 und 6), in der sie und ihre
Eltern die Entscheidung für einen bestimmten Schultyp noch
überdenken oder ändern können. In Bayern folgt auf den Besuch der
Grundschule die unmittelbare Entscheidung für einen weiterführenden
Schultyp.
Rund ein Drittel der Kinder besucht im Anschluß an die
Grundschule die Hauptschule. Wer diese nach neun oder zehn Jahren
verläßt, tritt meist in die Berufsausbildung ein und besucht daneben
mindestens bis zum 18. Lebensjahr eine Berufsschule.
Die Realschule steht zwischen Hauptschule und höherer Schule.
Sie umfaßt i. d. R. sechs Jahre von der 5. bis zur 10. Klasse und führt zu
einem mittleren Bildungsabschluß, der zum Besuch einer Fachschule
oder Fachoberschule berechtigt. Er gilt als Voraussetzung für eine
mittlere Laufbahn in der Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst.
Ein Drittel aller Schüler erreicht den mittleren Abschluß.
Das i. d. R. neunjährige Gymnasium (5. Bis 13. Schuljahrgang, in
den neuen Bundesländern mit Ausnahme von Brandenburg zur Zeit nur
bis zum 12. Schuljahrgang) ist die traditionelle höhere Schule in
Deutschland. Ihre frühere Gliederung in altsprachliches, neuspra-
chliches und mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium gibt es
heute kaum noch. Die Regel ist heute in den Gymnasien der alten
Bundesländern die reformierte Oberstufe (11. bis 13. Schuljahr), in der
ein Kurssystem die herkömmlichen Klassenverbände abgelöst hat. In

74
den Kursen sollen sich die Schüler neben bestimmten Pflichtgebieten
hauptsächlich mit den Fächern beschäftigen, die sie besonders
interessieren und welche ihren neigungen entsprechen. Durch diese
Wahlmöglichkeiten wird ihnen der Übergang zur Hochschule
erleichtert.
Neben den Gymnasien mit reformierter Oberstufe gibt es noch
Sonderformen wie z. B. das Wirtschaftsgymnasium oder das
Technische Gymnasium.
Das Reifezeugnis oder Abitur berechtigt zum Studium an
wissenschaftlichen Hochschulen. Die Zahl der Abiturienten hat
gegenwärtig so stark zugenommen, daß es nicht fηr alle, die studieren
wollen, einen Studienplatz nach Wunsch gibt. Aus diesem Grund
gelten in besonders gefragten Studiengängen
Aufnahmebeschränkungen, die eine Verteilung der zur Verfügung
stehenden Studienplätze nach Abiturnote und Eignungstests
notwendig machen.
Ein weiteres Modell ist die Gesamtschule, welche die drei
traditionellen Schulformen zusammenfaßt. bei dieser Schulform
werden die Kinder i. d. R. von der 5. bis zur 10. Klasse betreut. Einige
Gesamtschulen haben eine eigene Oberstufe, die wie die gynmasiale
Oberstufe gestaltet ist. Der Schηler kann je nach Fähigkeit Kurse mit
höheren oder einfacheren Anforderungen belegen. Berufskundlicher
Unterricht wird in den Lehrplan einbezogen. Die Abschlüsse an den
Gesamtschulen sind in allen Bundesländern anerkannt. Die
Gesamtschule hat sich im Laufe der letzten Jahre als Fortsetzung der
Tradition der alten Volksschule neben dem immer öfter angestrebten
Gymnasium als zweite starke Säule in der Schullandschaft etabliert;
die Haupt- und Realschulen mußten demgegenüber Einbußen an
Beliebtheit bei den Schülern und Eltern hinnehmen.
Der zweite Bildungsweg bietet denjenigen die Möglichkeit,
Versäumtes nachzuholen, die wegen verschiedenen Gründen während
der Schulzeit Abschlüsse nicht machen konnten. Abendgymnasien
geben Berufstätigen die Möglichkeit, sich neben ihrer täglichen Arbeit
auf die Reifeprüfung vorzubereiten.

Die Hochschulen
Die älteste deutsche Hochschule, die Universität Heidelberg,
wurde 1386 gegründet. Mehrere andere Universitäten haben bereits ihre
500-Jahrfeier hinter sich, darunter die traditionsreichen Universitäten
von Leipzig (1409) und Rostock (1419). Daneben bestehen auch ganz

75
junge Universitäten – mehr als 20 sind erst nach 1960 gegründet
worden.
Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war für die
Universitäten das Bildungsideal bestimmend, das Wilhelm von
Humboldt in der 1810 gegründeten Universität Berlin verwirklichen
suchte. Die Hochschule Humboldtscher Prägung war für eine kleine
Zahl von Studenten gedacht. Sie sollte vor allem eine Stätte reiner
Wissenschaft, zweckfreier Forschung und Lehre sein. Dieses Ideal
entsprach zunehmend nicht mehr den Erfordernissen der modernen
Industriegesellschaft. Neben den sich nur langsam entwickelnden
Universitäten entstanden Technische Hochschulen, Pädagogische
Hochschulen und insbesondere in den 70er und 80er Jahren unseres
Jahrhunderts – Fachhochschulen. Auch die Bildungspolitik wandelte
sich: Die _ffnung der Hochschulen grundsätzlich für alle junden
menschen wurde allgemein annerkanntes Ziel der Hochschulpolitik.
Wenn 1960 nur 8% eines Altersjahrganges ein Studium begannen,
bewirbt sich heute etwa jeder Dritte um einen Studienplatz.
Die Hochschulen sind Einrichtungen der einzelnen Länder. Der
Bund regelt die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens und
beteiligt sich insbesondere an der Finanzierung des Hochschulbaus
und der Hochschulforschung.
Hochschularten. Die qualitativ bedeutendste Säule des
Hochschulwesens sind die Universitäten und ihnen gleichgestellte
Hochschulen. Das Studium an diesen Hochschulen wird mit einer
Diplom-, Magister- oder Staatsprüfung abgeschlossen. Anschließend ist
eine weitere Qualifizierung bis zur Doktorprüfung (Promotion) oder bis
zum Abschluß eines Graduiertenstudiums möglich.
Die Fachhochschulen als jüngster, aber zunehmend, aber
zunehmend attraktiver Hochschultyp vermitteln vor allem in den
Bereichen Ingenieurwesen, Wirtschaft, Sozialwesen, Design und
Landwirtschaft eine stärker praxisbezogene Ausbildung, die mit einer
Diplomprüfung abschließt.
In zwei Bundesländern, neben Hessen vorrangig Nordrhein-
Westfalen, gibt es seit den siebziger Jahren Gesamthochschulen. Sie
vereinigen verschiedene Hochschularten unter einem Dach und bieten
entsprechend mehrere Möglichkeiten von Studiengängen und
-abschlüssen an.
Freier Zugang und Numerus Clausus. Der gewaltige Andrang zu
den Hochschulen hat trotz aller Ausbaumaßnahmen dazu geführt, daß
för eine zunehmende Zahl auch gro8er Fächer bundesweite

76
Zulassungsbeschränkungen, der Numerus Clausus, eingeführt werden
mußte, da die Studienplatzkapazität nicht ausreicht. Bei nur örtlichen
Zulassungsbeschränkungen durch die Zentralstelle für die Vergabe
von Studienplätzen (ZVS) in Dortmund vergeben. I. d. R. entscheiden
sich die Durchschnittsnoten des Abiturzeugnisses und die Wartezeit
über die Zulassung. Bei bundesweit besonders gefragten
Studiengängen – zur Zeit Medizin, Zahn – und Tiermedizin – gibt es
ein sogenanntes Besonderes Auswahlverfahren. Danach sind für die
Zulassung neben der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses und der
Wartezeit Tests und Auswahlgespräche maßgeblich.
Die Erwachsenenbildung
Viele Bürger nutzen alljährlich die zahlreichen Angebote zur
Weiterbildung. Die Volkshochschulen wurden Ende des 19.
Jahrhunderts nach skandinavischem Vorbild gegründet. Sie vermitteln
praktische, aber auch theoretische Kenntnisse. Das heutige Angebot
reicht von der Astronomie Über Fremdsprachen, Kunst- und
Kunstverständniskursen bis zur Zen-Meditation.
Die meisten sind Abendhochschulen, ergänzt durch die
Heimvolksschulen, die mehrtägige und längere Kurse anbieten.
Besonders gefragt sind Sprachkurse, Gesundheitsbildung sowie
künstlerisches und handwerkliches Gestalten. Auch kann man in der
Schulzeit versäumte Schulabschlüsse nachholen.
Aus- und Fortbildung im Beruf. Bei den Fort- und
Weiterbildungsaktivitäten ist ein bemerkenswerter Anstieg zu
verzeichnen. Jeder dritte Arbeitnehmer hat im letzten Jahr an Kursen
und Lehrgängen teilgenommen. Die Teilnehmer sollen entweder eine
höhere berufliche Qualifikation erreichen, ihre Fertigkeiten im
erlernten beruf auffrischen oder im Zuge der Umschulung einen ganz
neuen Beruf erlernen.

Wissenschaft und Forschung


Früher galt Deutschland als Land der Wissenschaft. Die
deutschen Universitäten waren in vielen Disziplinen der Natur- und
Geisteswissenschaft führend. Bis zum Zweiten Weltkrieg fielen zehn
von 45 Physik-Nobelpreisen und 16 von 40 Chemie-Nobelpreisen an
Deutsche.
Forschungseinrichtungen. In der Bundesrepublik Deutschland wird
Forschung in drei unterschiedlichen Sektoren betrieben: in den
Hochschulen, in öffentlichen und privaten außeruniversitären, nicht-

77
industriellen Forschungseinrichtungen und in den Forschungsabteilungen
der Wirtschaft.
Daß an Hochschulen geforscht wird, ist eine alte deutsche
Tradition. Die Einheit von Forschung und Lehre ist seit Wilhelm von
Humboldt, der Anfang des letzten Jahrhunderts die preußischen
Universitäten reformierte, ein fest verankertes Prinzip des
Hochschullebens. Die Hochschulen sind in der Bundesrepublik das
Fundament der Forschung, die einzige Institution, deren Forschung
alle Wissenschaftsdisziplinen umfaßt. Der Schwerpunkt der
Grundlagenforschung liegt in den Hochschulen, die die Ausbildung
des wissenschaftlichen Nachwuchses und damit die beständige
personelle Erneuerung in der Forschung sichern.
Die außeruniversitäre Forschung baut in erster Linie auf der
Hochschulforschung auf. In diesem Sinne kommt an den Hochschulen
der anwendungsorientierten Grundlagenforschung wachsende
Bedeutung zu.
Eng mit der Hochschularbeit sind die sieben Akademien der
Wissenschaften in Düsseldorf, Göttingen, Heidelberg, Leipzig, Mainz
und München sowie die erst kürzlich neugegründete Berlin-
Brandenburgische Akademie der Künste. Sie sind Zentren der
wissenschaftlichen Kommunikation und unterstützen vorwiegend
langfristige geisteswissenschaftliche Vorhaben.
Von unerlässlicher Bedeutung für die Hochschulforschung ist die
Forschungsgemeinschaft (DFG), sowie die Max-Planck-Gesellschaft
und die Frauenhofer Gesellschaft.

78
WIRTSCHAFT UND WIRTSCHAFTSPOLITIK

Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den international


führenden Industrieländern. Mit ihrer wirtschaftlichen Gesamtleistung
steht sie in der Welt an dritter Stelle; im Welthandel nimmt sie sogar
den zweiten Platz ein. Seit 1975 wirkt die Bundesrepublik in der
Gruppe der sieben großen westlichen Industrieländer (den sogenannten
“G-7”) mit, die einmal jährlich auf den “Wirtschafts-Gipfeln” ihre
Wirtschafts-und Finanzpolitik auf der Ebene der Staats-und
Regierungschefs abstimmen.
1996 erreichte das Bruttoinlandsprodukt in den alten
Bundesländern die Rekordmarke von 3143,30 Milliarden DM. Jeder
Einwohner erwirtschaftete damit statistisch 43.200 DM. Der
preisbereinigte, also reale Wert des Bruttoinlandsprodukts hat sich in
den vergangenen 25 Jahren verdoppelt, in vierzig Jahren sogar
verfünffacht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war oft vom “Deutschen
Wirtschaftswunder” die Rede. Ludwig Erhard, der erste
Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, hielt wenig von
diesem Bild. Er sagte, es habe sich keineswegs um ein Wunder
gehandelt, sondern “es war nur die Konsequenz der ehrlichen
Anstrengun – gen eines ganzen Volkes, das nach freiheitlichen
Prinzipien die Möglichkeit einge – räumt erhalten hat, menschliche
Initiative, menschliche Freiheit und menschliche Energien wieder
anwenden zu dürfen”.
Das Wirtschaftssystem in der Bundesrepublik hat sich seit dem
Zwei – ten Weltkrieg zu einer sozialen marktwirtschaftlichen Ordnung
entwickelt. Das Grundgesetz einer solchen Wirtschaft garantiert die
Freiheit der privaten Initiative und das Privateigentum. Unter dem
Leitmotiv “So wenig Staat wie möglich, so viel Staat wie nötig” fällt
dem Staat in der Marktwirtschaft in erster Linie eine Ordnungs-
aufgabe zu. Er setzt die Rahmenbedingungen, unter denen sich die
Marktvorgänge abspielen. In diesem Rahmen entscheiden die

79
Millionen Haushalte und Unternehmen frei und selbständig, was sie
produzieren und konsumieren möchten. Die Frage, welche und wie
viele Güter erzeugt werden und wer wieviel davon erhält, wird vor
allem auf Märkten entschieden. Der Staat verzichtet auf direkte
Eingriffe in die Preis-und Lohngestaltung.
Voraussetzung für das Funktionieren des Marktmechanismus ist
der Wettbewerb. Ohne Konkurrenz kann es keine Marktwirtschaft
geben. Der Wettbewerb sorgt dafür, dass das Gewinnstreben der
einzelnen in Aktivitäten mündet, die der optimalen Güterversorgung
aller Nachfrager dient. Er fördert die Leistungsbereitschaft und zwingt
Unternehmen dazu, sich mit Hilfe günstiger Preise, besserer
Produktqualitäten, günstiger Zahlungs-und Lieferbedingungen oder
zusätzlicher Serviceleistungen hervorzutun. Zugleich fördert der
Wettbewerb die Verfahrens-und Produktinnovation und zwingt zur
Rationalisierung und zum sparsamen Umgang mit knappen
Ressourcen. Offener Wettbewerb ist hart für alle Teilnehmer.Immer
wieder versuchen daher Unternehmer, den Wettbewerbsdruck zu
verringern, sei es durch Absprachen mit den Konkurrenten, sei es
durch den Zusammenschluss von Firmen.
Solche Versuche soll das Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) von 1957 unterbinden.
Das Gesetz verbietet Abreden und Verträge, die die Marktverhältnisse
durch Beschränkung des Wettbewerbs beeinflussen; es wurde
inzwischen mehrfach ergänzt, um seine Wirksamkeit gegenüber
veränderten Kartellstrategien zu gewährleisten. Die Einhaltung des
Gesetzes überwachen das Bundeskartellamt in Berlin und die
Kartellbehörden der Länder. Im Zuge der europäischen Integration
und der Globalisierung der Wirtschaft verlagert sich die
Wettbewerbspolitik zunehmend auf die Europäische Kommission in
Brüssel.
Ziel der Bundesregierung war und ist es,öffentliche
Unternehmensbeteiligungen und Unternehmen wie die Deutsche
Bundesbahn, die Deutsche Reichsbahn der ehemaligen DDR oder die
Deutsche Bundespost schrittweise in privates Eigentum zu überführen,
um auch in diesen Bereichen mehr Wettbewerb, finanzielle
Entlastungen für die öffentlichen Haushalte und eine effizientere
Versorgung für den Bürger zu erreichen.
Bei einigen Berufszweigen, in denen grundsätzlich freier
Wettbewerb herrscht, hat der Gesetzgeber den Zutritt zum Markt von
bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht. So müssen

80
Handwerker und Einzelhändler vor der Errichtung eines
Gewerbebetriebs berufliche Kenntnisse nachweisen. Bei anderen
Berufen verlangt der Staat eine besondere Ausbildung und ein
bestimmtes Alter. Das gilt zum Beispiel für Berufe im
Gesundheitswesen, in der Rechts-, Wirtschafts- und Steuer- beratung.
Im Rahmen der Tarifautonomie handeln Arbeitnehmer und
Arbeitgeber -Sozialpartner genannt-ihre Tarifverträge frei aus. Diese
regeln die Höhe der Löhne, die Arbeitszeit, die Urlaubsdauer und die
allgemeinen Arbeitsbedingungen. Den Organisationen der Sozial-
partner, den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, kommt im
Wirtschaftsleben eine große Bedeutung zu. Ihre Hauptaufgabe ist es, die
Interessen ihrer Mitglieder entschieden, aber auch mit Augenmaß zu
vertreten. Aber zugleich tragen sie eine hohe gesamtwirtschaftliche
Verantwortung. Ihre Auseinandersetzungen können das Funktionieren
des Wirtschaftssystems tiefgehend beein flussen.
Eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftspolitik bleibt die
Verringerung der Arbeitslosigkeit. Der Schlüssel zu mehr
Beschäftigung liegt in höheren Investitionen. Um eine angemessene
Rentabilität der Investitionen zu sichern, ist die Bundesregierung
bemüht, die Eigenkräfte des Marktes, vor allem durch Anreize für
individuelle Leistung, zu stärken. Der Einfluss des Staates auf die
Wirtschaft wird eingeschränkt, marktwidrige Regulierungen werden
abgebaut. Das ermöglicht einen freieren Wettbewerb und erleichtert
die Anpassung an neue Entwicklungen.
Die Bundesrepublik bejaht den freien Welthandel und ist gegen
jede Form von Protektionismus.Da sie rund ein Drittel ihres
Bruttoinlandsprodukts exportiert, ist sie auf offene Märkte
angewiesen. Für die deutsche Wirtschaft ist es lebenswichtig, den
Europäischen Binnenmarkt auszubauen und sich außerhalb der
Europäischen Union alte Märkte zu erhalten und neue zu erschließen.
Dem marktwirtschaftlichen Kurs nach innen entspricht nach außen das
beharrliche Eintreten für offene Märkte und freien Welthandel.
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, den Umbrüchen in Mittel-,
Ost- und Südosteuropa und der deutschen Wiedervereinigung hat sich
nicht nur die politische Landkarte Europas umwälzend verändert.
Darüber hinaus steht auch die westliche Welt vor neuen und
schwierigen Aufgaben, die von hoher Arbeitslosigkeit und der
Notwendigkeit struktureller Anpassungen geprägt sind. Die
Bundesrepublik Deutschland stellt keine Ausnahme dar. Eine
Sonderstellung nimmt sie nur in einer Hinsicht ein: Sie ist der einzige

81
Staat auf der Welt, der gleichzeitig die Herausforderungen des Ostens
und des Westens zu bewältigen hat.
Die Bundesrepublik ist auch heute noch ein Land mit hohem
Produktivitäts- und Einkommensniveau, weit entwickelten
Sozialleistungen und großem Wohlstand. Um diesen hohen Standard
zu halten, ist die Anpassung an neue Ent – wicklungen in der
Wissenschaft, in der Technik und auf den Weltmärkten unerlässlich.
Ein teurer Standort kann sich nur solange behaupten, wie er ein guter
Standort ist. Dafür sorgt der harte Wettbewerb in einer international
immer stärker verflochtenen Wirtschaft. Zugleich bietet diese
Verflechtung neue Chancen für eine den Be – dürfnissen der
Menschen entsprechende kostengünstige Versorgung mit Gütern und
Dienstleistungen, für neue Perspektiven auf den Weltmärkten und
damit auch für neue Beschäftigungsmöglichkeiten.
(nach “Tatsachen über Deutschland”, 1998)

Aufschwung-Ost – Aufgabe aller Deutschen


Der wirtschaftliche Entwicklungsstand in Ostdeutschland war
im Oktober 1990 desolat.Einer sehr leistungsfähigen, international
wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft im Westen stand eine Staats-
wirtschaft im Osten gegenüber, die für den Integrationsprozess äußerst
schlecht gerüstet war.
Der Umbau der in hohem Maße unrentablen Wirtschaft zu
konkurrenzfähigen Betriebsstrukturen erforderte große gemeinsame
Anstrengungen aller Beteiligten, der Wirtschaft, des Staates,
insbesondere aber der ostdeutschen Bürger, die den Erneuerungs-
prozess bis heute entscheidend vorangebracht haben. Häufig mussten
neue Tätigkeiten erlernt werden, vielfach Ortswechsel oder gar
Arbeitslosigkeit hingenommen werden.
Eine Schlüsselrolle bei der Umstrukturierung der Wirtschaft in
den neuen Bundesländern spielte in der ersten Phase nach der
“Wende” die 1990 gegründete Treuhandanstalt, eine Anstalt des
öffentlichen Rechtes. Ihr gesetzlicher Auftrag war es, das ehemalige
Volksvermögen der DDR zu sanieren, zu privatisieren oder-wenn
erforderlich- stillzulegen.
Der Wirtschaftsstandort “Neue Bundesländer” ist heute im
internationalen Vergleich für ausländische Investoren attraktiv. Dies
zeigen die Investitionen von rund 1700 ausländischen Unternehmen
aus etwa 50 Ländern. Darunter sind auch eine Reihe weltbekannter
internationaler Konzerne, wie z.B. General Motors, USA(Auto-
82
mobilindustrie), Elf Aquitaine, Frankreich(Energiewirtschaft), Dow
Chemical, USA(Chemische Industrie), Advanced Micro Devices,
USA(Computerindustrie), Samsung, Südkorea(Elektronikindustrie)
und Kvaerner, Norwegen(Werften).
Ausländische Investoren finden eine moderne Infrastruktur vor.
DasAusbildungsniveau, die Motivation und die Flexibilität der
Arbeitskräfte ist aner – kanntermaßen vorbildlich. Zudem erhalten
ausländische Investoren die gleichen, im europäischen Vergleich
besonders hohen Fördersätze wie inländische Investoren.
Die Fortschritte beim Aufbauprozess spiegeln sich in
dynamischen Wachstumsraten wider. Bis 1995 wuchs die ostdeutsche
Wirtschaft in hohem Tempo mit realen Wachstumsraten von 8,9(1993),
9,9(1994) und 5,3 Prozent(1995). Die hohen Steigerungsraten
beruhten in erster Linie auf der regen Bautätigkeit, die in den ersten
Jahren besonders ausgeprägt war.
Ziel der Politik der Bundesregierung bleibt der Aufbau einer
leistungsfähigen ostdeutschen Wirtschaft, die aus eigener Kraft am
Markt besteht und genü-gend Beschäftigungs-und Einkommens-
chancen bietet.
Vordringlich ist die Minderung der Probleme am Arbeitsmarkt.
Hier – bei bedarf es auch in Zukunft noch gewaltiger Anstrengungen
der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der öffentlichen Hand.
(nach “Tatsachen über Deutschland”, 1998)

Wohnen in Deutschland
Das Angebot an Wohnraum reicht in Deutschland vom kleinen
Einzelzimmer über die Mietwohnung und das Einfamilienhaus bis zur
großen Villa. Es gibt heute rund 35,9 Millionen Wohnungen, davon
gut 28,9 Millionen in den alten Bundesländern; rund 41,7 Prozent der
Wohnungen wurden nach einer Erhebung im Jahr 1993 hier von den
Eigentümern selbst bewohnt, 58,3 Prozent werden vermietet.
Wohnungen in Mehrfamilienhäusern sind überwiegend
Mietwohnungen. Seit Ende der siebziger Jahre haben
Eigentumswohnungen ständig an Bedeutung gewonnen. Ihr Anteil an
allen bewohnten Wohnungen beträgt inzwischen 7,1 Prozent; der
größte Teil hiervon(56,7 Prozent) dient jedoch als Kapitalanlage, ist
also vermietet.
17,5 Prozent der Mietwohnungen in den alten Bundesländern
waren 1993 Sozialwohnungen, deren Bau vom Staat gefördert wird

83
und die für kinderreiche Familien, Behinderte, alte Menschen und
Bürger mit geringem Einkommen bestimmt sind.
Die Wohnungspolitik steht auch in Zukunft vor großen
Aufgaben: Von 1989 bis 1994 stiegen in Deutschland die
Fertigstellungen im Wohnungsneubau kontinuierlich an. Nach der
verstärkten Investitionsphase, die 1994 mit 572.883 Wohnungen und
1995 mit 602.757 Fertigstellungen im Wohnungsneubau auf einem
sehr hohen Niveau geführt wurde, wird ab 1996 erstmals wieder eine
Abnahme der gesamtdeutschen Wohnungsbauinvestitionen
prognostiziert. Die Wohnungsbaufertigstellungen in den neuen
Bundesländern erhöhten sich von dem Tiefpunkt im Jahr 1992 mit
11.477 Wohnungen auf 104.214 Wohnungen im Jahr 1995. Auch
1996 und 1997 haben ein hohes Niveau an Fertigstellungen registriert.
Zwischen den alten und den neuen Bundesländern gibt es noch
große Unterschiede in der Wohnungsqualität und der verfügbaren
Wohnfläche. In den neuen Bundesländern sind trotz vieler
Verbesserungen nach wie vor viele Wohnungen in einem schlechten
Zustand; oft fehlen noch moderne sanitäre Einrichtungen; die
Heizungen sind veraltet. Die Sanierung der Altbauten in
Ostdeutschland muss fortgesetzt werden, auch wenn mit den vom
Bund dafür bereitgestellten Finanzierungshilfen bereits deutliche
Qualitäts- und Standardverbesserungen in mehr als der Hälfte des
gesamten ostdeutschen Wohnungsbestandes erreicht werden konnten.
Für den sozialen Wohnungsbau in den neuen Ländern hat der Bund
von 1991 bis 1997 rund sieben Milliarden DM an Finanzhilfen
bereitgestellt, die auch für Modernisierungs- und Instandsetzungs-
maßnahmen verwendet werden können.
Wohnen gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen.
Deshalb hat in Deutschland jeder,dessen Einkommen für ein
angemessenes Wohnen nicht ausreicht, einen gesetzlichen Anspruch
auf Wohngeld. Es wird auf Antrag als Zuschuss zur Mie te oder zu
den Kosten des Wohneigentums gezahlt, doch nur bis zu bestimmten
Einkommensgrenzen. Für besonders einkommensschwache Haushalte,
die zugleich Sozialhilfe erhalten, gelten Sonderregelungen.
Die durch Verdichtung und Verstädterung charakterisierte
Siedlungs – struktur in Deutschland sowie die Unterschiede zwischen
den alten und neuen Län – dern prägen auch die Flächennutzung. Der
Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche des
Bundesgebietes beträgt rund 11,3 Prozent. Er liegt im früheren
Bundesgebiet mit 12,7 Prozent deutlich über dem Wert in den neuen

84
Ländern mit 7,9 Prozent. In Deutschland dominiert nicht eine einzige
große Metropole das Siedlungssystem; es ist vielmehr eine Vielzahl von
größeren Städten und Ballungszentren relativ ausgewogen verteilt.
(nach “Tatsachen über Deutschland”, 1998)

Wo leben die Menschen am dichtesten beieinander? Natürlich in


den großen Städten und Verdichtungsräumen. Der größte
Verdichtungsraum Deutschlands ist das Rhein-Ruhr-Gebiet. Hier
liegen viele Städte dicht beieinander. In diesem Gebiet leben ungefähr
11 Millionen Menschen. Das ist durchschnittlich jeder 7. Einwohner
Deutschlands.
Die Zonen der größten Bevölkerungsdichte bilden zusammen
zwei Sied – lungsbänder. Das eine Band geht durch das Rheintal bis in
das mittlere Neckartal. Das andere geht am nördlichen Rand des
Mittelgebirges durch Deutschland.
Außerdem gibt es in Deutschland sechs große
Verdichtungsräume, die mit diesen Siedlungsbändern keine
Verbindung haben: Berlin, Hamburg, Bremen, der Verdichtungsraum
Saar(Saarbrücken), Nürnberg und München.
Immer mehr Menschen leben in Städten und
Verdichtungsräumen. In Deutschland sind es heute schon 86 Prozent
der Bevölkerung.
Alle Staaten in der Mitte Europas haben eine große
Bevölkerungsdichte. In einem Kreis von 1000 km um Deutschland
liegen alle großen Verdichtungsräume Europas, viele europäische
Hauptstädte und alle großen Industriegebiete. Mehr als 300 Millionen
Menschen leben in diesem Kreis.
Natürlich gibt es auch viele Zonen mit geringer
Bevölkerungsdichte: in den Alpen, in den höheren Lagen des
Mittelgebirges und im Norddeutschen Tiefland. In diesen Zonen gibt
es viel Landwirtschaft, große Wälder und nur kleine Städ-te und
Dörfer. Auf dem Land kann man sich vom Leben und von der Arbeit
in den Städten und Industriegebieten erholen.

Siedlungsband Nord-Süd Siedlungsband West-Ost


Rhein-Ruhr-Gebiet Aachen
(Duisburg Rhein-Ruhr-Gebiet
Düsseldorf (Mönchen-Gladbach
Köln Düsseldorf
Bonn) Duisburg
85
Koblenz Dortmund)
Rhein-Main Bielefeld
(Mainz Hannover
Wiesbaden Braunschweig
Frankfurt Magdeburg
Darmstadt) Halle
Rhein-Neckar Leipzig
(Ludwigshafen Chemnitz
Mannheim Dresden
Heidelberg)
Karlsruhe
Stuttgart
Freiburg
(nach “Kleine Deutschlandkunde, 1996)

Erläuterungen:
*der Haushalt: Einnahmen und Ausgaben eines Staates (buget)
*das Augenmaß: Fähigkeit, etwas mit dem Auge zu messen
(măsură aproximativă, apreciere)
*Dienstleistungen: Leistungen/Arbeiten in der Wirtschaft, die
nicht der Produktion von Gütern dienen (prestări de servicii)
*desolat(lat.): 1.vereinsamt; 2.trostlos, traurig (singuratic; trist,
mâhnit)
*Treuhand: fremdes Vermögen oder fremde Rechte auf Grund
einer Vollmacht verwaltet (custodie-fără garanţii juridice)
*sanieren: heilen, gesund machen, wirtschaftlich gesunden (a
însănătoşi)
*stilllegen: außer Betrieb setzen, einen Betrieb einstellen (a opri,
a înceta, a închide o fabrică)
*die Kapitalanlage: Investition (plasament de capital, investiţie)
*die Fertigstellung: abgeschlossene Herstellung von etwas
(terminarea lucrării, finisare)
*Instandsetzungsmaßnahmen: Maßnahmen zur Reparatur
(măsuri pentru reparaţii)
*der Standort: Ort/Punkt, an dem man sich gerade befindet (loc,
poziţie, amplasament)
*die Sanierung: Begriff der Stadtplanung mit dem Ziel der
Verbesserung der Wohnverhältnisse und des Wohnumfeldes

86
Die Industrie
Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist die Industrie. In
Deutschland beschäftigten die rund 47.000 Industriebetriebe 1996 an
die 6,5 Millionen Menschen. Allerdings hat sich das industrielle
Gewicht in der Volkswirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich
verringert. Im Gefolge eines langfristigen Strukturwandels ist der Anteil
der Industrie an der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche
zwischen 1970 (alte Bundesländer) und 1996 von 51,7 auf 33,4 Prozent
zurückgegangen. Dagegen stieg der Anteil der öffentlichen und privaten
Dienstleistungsbereiche an der wirtschaftlichen Gesamtleistung stark
an. Der private Dienstleistungsbereich erwirtschaftete 37,5 Prozent der
Bruttowertschöpfung. Handel und Verkehr kommen auf einen Anteil
von 13,8 Prozent.In der Industrie konnten stark expandierende
Wirtschaftszweige wie die Informations-und Kommunikationstechnik
oder Branchen wie die Luft-und Raumfahrtindustrie, die selbst unter
einem erheblichen Beschäftigungsrückgang leidet, die Schrumpfung
“alter”Industriezweige wie Textil-oder Stahlindustrie nicht wettmachen.
Nur etwa 1,7 Prozent der Industriebetriebe sind Großunternehmen
mit mehr als 1000 Beschäftigten; fast drei Viertel sind dagegen Betriebe
mit weniger als 100 Mitarbeitern. Die Industrie in Deutschland ist
vorwiegend mittelständisch strukturiert. Allerdings arbeiten rund 32
Prozent aller Industriebeschäftigten in Großbetrieben mit mehr als 1000
Menschen. Allein der Siemens-Konzern beschäftigt 373.000
Arbeitnehmer. Auf die kleine Gruppe der Großunternehmen entfallen
knapp 40 Prozent des Gesamtumsatzes der Industrie.
Weltbekannt und oft auch weltweit mit Niederlassungen,
Produktionsoder Forschungsanlagen präsent sind Firmen wie die
Autohersteller Volkswagen, BMW und Daimler-Benz, die
Chemiekonzerne Hoechst, Bayer und BASF, die Ruhrkohle AG, der
Elektrokonzern Siemens, die Energiekonzerne VEBA und RWE oder
die Bosch-Gruppe. Fast alle Großunternehmen sind zudem ein
wichtiger Auftraggeber für eine Vielzahl von kleinen und mittleren
Zulieferfirmen.
Mit 660.000 Beschäftigten am Ende des Jahres 1996 und einem
Jahresumsatz von 243 Milliarden DM ist die Automobilindustrie einer
der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Nach den
Vereinigten Staaten und Japan ist Deutschland der drittgrößte
Automobilproduzent der Welt. Von den 4,8 Millionen
Kraftfahrzeugen, die 1996 in Deutschland hergestellt wurden, gingen
rund 59 Prozent in den Export. Auch in den neuen Bundesländern

87
88
kann die Automobilindustrie auf eine große Tradition zurückblicken.
Ihre Modelle aus den Zeiten der DDR-Wirtschaft hatten allerdings
nach der Vereinigung im Wettbewerb keine Chance mehr. Einige
große westdeutsche Automobilhersteller haben sich in Sachsen und
Thüringen mit dem Bau neuer Fertigungsstätten engagiert. Die
westdeutsche Automobilindustrie hat in den neuen Bundesländern
rund zehn Milliarden DM investiert.
Der Maschinen-und Anlagenbau stellt mit seinen über 6500
Produktionsstätten die größte Zahl von Betrieben in der deutschen
Industrie. Nur rund zwei Prozent der Betriebe haben mehr als 1000
Mitarbeiter. Das sind hauptsächlich Unternehmen, die Serienerzeugnisse
herstellen oder komplexe Großanlagen konzipieren und fertigen. Knapp
90 Prozent der Maschinenbauunternehmen sind Klein-und Mittelbetriebe
mit unter 300 Beschäftigten. Sie haben sich auf bestimmte Fachgebiete
spezialisiert. Als Ausrüster der Industrie kommt dieser Branche eine
wichtige Funktion für die gesamte Wirtschaft zu. Die Produktpalette ist
im internationalen Vergleich ein – zigartig und umfasst mehr als 20.000
verschiedene Erzeugnisse – von Armaturen über Druckmaschinen und
Landmaschinen bis hin zu Werkzeugmaschinen. 1996 er – zielte der
Maschinenbau –mit seinen 1.021.000 Beschäftigten größter Arbeitgeber
der deutschen Industrie- einen Gesamtumsatz von rund 258 Milliarden
DM. Rund 44,4 Prozent des Umsatzes wird im Exportgeschäft gemacht.
Damit bestritt die Bundesrepublik Deutschland ein Fünftel der gesamten
Maschinenausfuhr der westlichen Industrieländer.
Die Chemische Industrie ist einer der wichtigsten Zweige der
Vorleistungsgüterproduzenten in der Bundesrepublik; sie nimmt dank
modernster Technologie und eines hohen Forschungsaufwands weltweit
eine führende Position ein. Drei Großunternehmen der Chemie-Bayer,
BASF und Hoechst- zählen auch weltweit zu den wichtigsten
Konzernen; daneben gibt es zahlreiche erfolgreiche mittelständische
Unternehmen.
Die Elektrotechnische und Elektronik- Industrie gehört mit einem
Umsatz von 243 Milliarden DM (1996) und rund 895.000 Beschäftigten
ebenfalls zur Spitzengruppe der Industriezweige. Die metallerzeugende
und –bearbeitende Industrie kam 1996 auf einen Umsatz von 216,1
Milliarden DM und beschäftigte rund 853.000 Mitarbeiter. Der Bergbau
erzielte 1996 einen Umsatz von 29,2 Milliarden DM bei 166.700
Beschäftigten. Über 50,3 Milliarden setzte 1995 die Feinmechanische
und Optische Industrie zusammen mit dem Bereich Mess-und
Regeltechnik um. In vielen Sektoren nehmen diese Firmen international

89
eine starke Stellung ein. Die Luft-und Raumfahrtindustrie
erwirtschaftete 1996 mit rund 59.000 Mitarbeitern einen Umsatz von
rund 16 Milliarden DM. Sie stellt höchste Anforderungen an Ausrüster-
und Zulieferbetriebe und wirkt auf vielen Gebieten als Pionier moderner
Technologie. Mit ihren großen europäischen Kooperationsprogrammen
(zum Beispiel Airbus, Ariane) ist sie ein Motor der Zusammenarbeit
zwischen europäischen Industrieunternehmen.

Die Technik
Ob Automobile oder Arzneimittel, optische Geräte,
Werkzeugmaschinen oder ganze Kraftwerke- die Bundesrepublik
Deutschland beliefert den Weltmarkt mit hochwertigen Produkten. Sie
zählt auf vielen Technologiefeldern zur Spitzengruppe der
Industrienationen. Auf der Rangliste des deutschen Patentamtes standen
auf dem Gebiet der internationalen Anmeldungen 1994 unter den zehn
ersten sechs deutsche Unternehmen. Bei forschungsintensiven Produkten
erzielte die deutsche Industrie 1994 mit rund 120 Milliarden DM einen
deutlichen Exportüberschuss. Dabei war der Bereich höherwertige Technik
mit breit gestreuter Angebotspalette eine Domäne der deutschen Industrie.
Für den Standort Deutschland ist entscheidend, dass die
Wirtschaft im internationalen, immer stärker von Wissenschaft und
Hochtechnologie geprägten Wettbewerb mithalten kann. Nur so lassen
sich im internationalen Handel hohe ”Austauschwerte” erzielen und
damit heimische Arbeitsplätze und Einkommen sichern. Dies erfordert
jedoch die Bereitschaft zum Strukturwandel in Wirtschaft und
Gesellschaft und eine Orientierung der Unternehmen auf
wirtschaftliche Wachstumsfelder und –regionen. Als rohstoffarmes
Land mit hohem Einkommen-und Sozialstandard ist Deutschland seit
jeher darauf angewiesen, in der Weltwirtschaft mit einem hoch
entwickelten Güterangebot präsent zu sein. Moderne Technologien
sowie rationelle und kostengünstige Fertigungsmethoden, zudem
effiziente betriebliche Organisationsstrukturen bilden dafür die
Grundlage.
Eine deutsche Domäne ist die Umweltschutztechnologie.
Deutsche Unternehmen haben hier mit 20,5 Prozent den
zweithöchsten Welthandelsanteil nach den USA. Aktiv sind deutsche
Unternehmen auch im Bereich der Biotechnologie,einer der
Schlüsseltechnologien für die nächsten Jahrzehnte. Hier nehmen die
USA eine eindeutige Vorreiterrolle ein.

90
Das Handwerk
Im Vergleich zur Industrie ist das Handwerk in der
Bundesrepublik Deutschland der weit ältere und traditionsreichere
Wirtschaftsbereich. Im Mittelalter stand das deutsche Handwerk in
hoher Blüte. Davon zeugen die mächtigen Dome und die kunstvoll
verzierten Zunfthäuser in vielen Städten. Aber auch heute ist das
Handwerk ein Wirtschaftsfaktor von Gewicht. 1995 gab es in den 127
Berufen des Handwerks 563.000 selbständige Unternehmen mit
insgesamt 6,1 Millionen Beschäftigten. In den neuen Ländern rangiert
das Handwerk als größter Wirtschaftssektor vor der Industrie.
Die Industrie benötigt die Leistung der handwerklichen
Betriebe, die sich als flexible Lieferanten von Vor- und Teilprodukten
bewähren. Andererseits bilden die Handwerksbetriebe das Bindeglied
zwischen Industrie und Verbraucher, denn hochwertige
Industrieerzeugnisse müssen gewartet und repariert werden. Aber
Handwerker produzieren auch selbst. Bäcker, Konditoren und
Schlachter sorgen für ein vielfältiges Angebot an Lebensmitteln.
Häuser werden in Deutschland immer noch überwiegend von
Maurern, Zimmerleuten, Installateuren und Malern errichtet und
ausgebaut. Aus zwei weiteren Gründen hat das Handwerk für die
deutsche Wirtschaft eine besondere Bedeutung. Zum einen bietet es
Raum für eine große Zahl von selbständigen Existenzen und ist damit
eine Art Schule für den unternehmerischen Nachwuchs. Zum anderen
zählen die Handwerksbetriebe zu den wichtigsten Ausbildungsstätten.
Dort erlernen rund 39 Prozent aller Lehrlinge einen Beruf.
Der bedeutendste Handwerkszweig, gemessen an der Zahl der
Beschäftigten, ist das Handwerk der Maurer, Beton-,Stahlbeton-und
Straßenbauer. Einen eindrucksvollen Überblick über die Vielfalt der
handwerklichen Produktion gibt die in jedem Frühjahr in München
veranstaltete Internationale Handwerksmesse.

Die freien Berufe


Die freien Berufe sind ein wichtiger Teil des deutschen
Mittelstandes. Sie erwirtschaften einen Anteil von rund sechs Prozent
des Bruttoinlandsprodukts. Anfang 1997 gab es in Deutschland rund
591.000 Selbständige in den Freien Berufen mit rund 2,2 Millionen
Beschäftigten und 170.000 Auszubildenden. Damit stellen sie rund
sieben Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland. Die freien Berufe
zeichnen sich durch eine große Vielfalt von Berufen und

91
Berufsbildern aus. Im Wesentlichen lassen sich folgende
Schwerpunkte bilden:
~ freie heilkundliche Berufe (z.B. Ärzte, Zahnärzte,Apotheker)
~freie rechts- und wirtschaftsberatende Berufe (z.B. Rechtsanwälte,
Steuerberater, Notare)
~freie technische und naturwissenschaftliche Berufe (z.B.
Architekten, Ingenieure, Sachverständige)
~ freie Kulturberufe (z.B. Künstler, Journalisten, Pädagogen,
Übersetzer)

Die Landwirtschaft
Rund die Hälfte der knapp 36 Millionen Hektar Gesamtfläche
werden in der Bundesrepublik Deutschland landwirtschaftlich genutzt.
Deutschland ist damit nicht nur ein hochentwickeltes Industrieland,
sondern verfügt auch über eine leistungsfähige Landwirtschaft, die
eine breite Palette qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel erzeugt. Die
deutsche Landwirtschaft nimmt darüber hinaus Aufgaben wahr, denen
in einer modernen Industriegesellschaft immer größere Bedeutung
zukommt: Sie ist der Garant für funktionsfähige ländliche
Siedlungsräume und erhält die über Jahrhunderte gewachsenen
Kulturlandschaften. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen hat sich
auch in der Landwirtschaft in den letzten 40 Jahren ein tiefgreifender
Strukturwandel vollzogen.
Die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte sind Milch,
Schweineund Rindfleisch sowie Getreide und Zuckerrüben. Regional
spielen aber auch be – stimmte Sonderkulturen wie Wein, Obst und
Gemüse sowie andere Gartenbauer – zeugnisse eine große Rolle. 40
Prozent der Verkaufserlöse der pflanzlichen Produktion entfallen auf
Gartenbauerzeugnisse.
Die Tierhaltung wird im früheren Bundesgebiet überwiegend in
kleineren Beständen betrieben. Sogenannte Agrarfabriken sind die
Ausnahme: 1994 wurden etwa 66 Prozent der Milchkühe in Beständen
mit weniger als 40 Tieren und knapp 83 Prozent der Mastschweine in
Beständen mit weniger als 600 Tieren gehalten. Rund 60 Prozent der
Verkaufserlöse der gesamten Landwirtschaft werden über die
Tierproduktion erwirtschaftet.
Wie in der Landwirtschaft hat sich auch in der Fischerei in den
letzten Jahrzehnten ein Strukturwandel vollzogen. Die Küstenländer
haben weltweit ihre Fischereizonen auf 200 Seemeilen ausgedehnt;
traditionell wichtige Fischbestände wurden durch Überfischung

92
dezimiert, nicht zuletzt infolge des exzessiven Einsatzes moderner
Fangmethoden.Angesichts dieser Entwicklung ist die deutsche
Fischerei – flotte stark geschrumpft. Wichtigstes Fanggebiet für
Deutschland ist die Nordsee, gefolgt von der Ostsee, den westbritis-
chen und grönländischen Gewässern.
(nach “Tatsachen über Deutschland”, 1998)

Erläuterungen:
*die Wertschöpfung: creare de valori
*expandieren(lat.): erweitern(Einflussbereich) (a extinde)
*der Umsatz: Wert oder Menge aller Waren, die in einem
bestimmten Zeitraum verkauft wurden
*die Vorleistung: livrare anticipată
*die Vorreiterrolle: rol de ştafetă
*warten(trans.): pflegen, betreuen(die Maschine, das Auto)
*der Erwerbstätige: persoana în câmpul muncii
*der Sachverständige: der Fachmann (specialistul)
*der Verkaufserlös,-e: Einnahme aus einem Verkauf, finanzieller
Ertrag

93
STAATLICHER AUFBAU, VERFASSUNG
UND RECHTSORDNUNG

Das Grundgesetz für Deutschland wurde 1949 geschaffen, um dem


staatlichen Leben Ordnung zu geben. Seit dem 3. Oktober 1990 gilt es für
das ganze Deutschland. Heute sind alle drei Staatsgewalten, die Gerichte,
die Verwaltung, die Polizei und die Streitkröfte an die Grundrechte
gebunden.
Die Grundlagen der Staatsordnung. Fünf Prinzipien prägen die
staatliche Ordnung des Grundgesetzes: Deutschland ist Republik und
Demokratie, Bundesstaat, Rechtsstaat und Sozialstaat.
Die republikanische Staatsform findet ihren Ausdruck vor allem in
der Bezeichnung “Bundesrepublik Deutschland”. Äußerlich tritt sie
dadurch in Erscheinung, daß der durch Wahl berufene Bundes-präsident
das Staatsoberhaupt ist. Grundlage der demokratischen Staatsform ist das
Prinzip der Volkssouveranität. Die Verfassung sagt, daß alle Staatsgewalt
vom Volke ausgeht. Dabei hat sich das Grundgesetz für die mittelbare,
die repräsentative Demokratie entschieden. Das heißt, die Staatsgewalt
muß durch das Volk anerkannt und gebilligt werden, sie wird aber außer
bei Wahlen nicht unmittelbar durch Entscheidungen des Volkes ausgeübt.
Dieses ist “besonderen Organen” der Gesetzgebung, der vollziehenden
Gewalt und der Rechtssprechung anvertraut. Das Volk selbst übt die ihm
zustehende Staatsgewalt vornehmlich in der periodisch wiederkehrenden
Wahl des Parlaments aus. Formen unmittelbarer Demokratie wie
Volksentscheid oder Volksbegehren sieht das Grundgesetz anders als
manche Landesverfassung nur ausnahmsweise vor, nämlich nur für den
Fall der Neugliederung des Bundesgebietes.
Das Grundgesetz eröffnet die Möglichkeit, politische Parteien, die
die demokratische Staatsordnung beeinträchtigen oder beseitigen wollen,
durch das Bundesverfassungsgericht zu verbieten.
Die Verfassungsentscheidung für den Bundesstaat bedeutet, daß
nicht nur dem Bund, sondern auch den 16 einzelnen Bundesländern die
Qualität von Staaten zukommt. Sie haben eine eigene, auf gewisse
Bereiche beschränkte Hoheitsgewalt, die sie durch eigene Gesetzgebung,
Verwaltung und Rechtssprechung wahrnehmen. Nach der Verteilung der
staatlichen Aufgaben und Zuständigkeiten auf Bund und Länder liegt das
94
Schwergewicht der Gesetzgebnung tatsächlich beim Zentralstaat, dem
Bund, während die Länder vor allem für die Verwaltung, d. h. die
Ausführung der Gesetze, zuständig sind.
Kernstück des Rechtsstaatsprinzips ist der Gedanke der Herrschaft
des Rechtes. Ein wesentliches Element seiner Verwirklichung ist die
Gewaltteilung. Die Funktionen der Staatsgewalt sind voneinander
unabhängigen Organen der Gesetzgebung der vollziehenden Gewalt und
der Rechtssprechung anvertraut. Die Bedeutung der Gewaltenverteilung
liegt in der Mäßigung der Staatsgewalt durch wechselseitige Kontrolle
und Begrenzung. Sie dient damit dem Schutz der Freiheit des einzelnen.
Zweites wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips ist die
unverbrüchliche Geltung des Rechts für alles staatliche Handeln.
Das Grundgesetz kann nur mit der Zustimmung von zwei Dritteln
der Mitgliedern des Bundestages (Parlament) geändert werden. Einige
Bestimmungen des Grundgesetzes dürfen nicht geändert werden. Zu
diesen Verfassungsgrundsätzen gehören die bundesstaatliche Ordnung,
die Gewaltenteilung, die Prinzipien der Demokratie, des Rechts- und
Sozialstaates.
Die Verfassungsorgane. Verfassungsorgane mit vorwiegend
legislativem Charakter sind der Bundestag und der Bundesrat. Die
exekutiven Aufgaben, also das staatliche Handeln, nehmen vor allem die
Bundesregierung mit dem Bundeskanzler und der Bundespräsident wahr.
Die Funktion der Rechtssprechung kommt auf Verfassungsebene dem
Bundesverfassungsgericht zu.
Der Bundespräsident ist Staatsoberhaupt der Bundesrepublik
Deutschland. Er wird von der Bundesversammlung gewählt, einem
Verfassungsorgan, das nur zu diesem Zweck zusammentritt. Es besteht
aus einem Bundestagsabgeordneten sowie einer gleich großen Zahl von
Delegierten, die von den Länderparlamenten gewählt werden. Gewählt
wird der Bundespräsident mit der mehrheit der Stimmen der
Bundesversammlung für eine Amtszeit von fünf Jahren. Eine einmalige
Wiederwahl ist zulässig.
Der Bundespräsident vertritt die Bundesrepublik Deutschland
völkergerechtlich. Er schließt im Namen des Bundes Verträge mit
ausländischen Staaten ab; er beglaubigt und empfängt die Botschafter.
Die Außenpolitik selbst ist Sache der Bundesregierung.
Der Bundespräsident ernennt und erläßt die Bundesrichter, die
Bundesbeamten, die Offiziere und Unteroffiziere. Er kann Straftäter
begnadigen; er prüft das verfassungsmäßige Zustandekommen von
Gesetzen, anschließend werden sie im Bundesgesetzblatt verkündet.

95
Er schlägt dem Bundestag einen Kandidaten für das Amt des
Bundeskanzlers vor und ernennt und entläßt auf Vorschlag des Kanzlers
die Bundesminister.
Der Bundespräsident verkörpert die Einheit des politischen
Gemeinwesens in besonderer weise. Er steht für das über alle
Parteigrenzen hinweg Verbindende in Staat und Verfassungsordnung.
Der Bundestag ist die Volksvertretung der Bundesrepublik
Deutschland. Er wird vom Volk auf vier Jahre gewählt. Eine vorzeitige
Auflösung ist nur ausnahmsweise möglich und liegt in der Hand des
Bundespräsidenten. Die wichtigsten Aufgaben des Bundestages sind die
Gesetzgebung, die Wahl des Bundeskanzlers und die Kontrolle der
Regierung.
Das Plenum des Bundestags ist das Forum der großen
parlamentarischen Auseinandersetzungen, vor allem, wenn dort
entscheidende Fragen der Außen- und Innenpolitik diskutiert werden. In
den zumeist nicht öffentlichen Sitzungen der Parlamentausschüsse wird
die entscheidende Vorarbeit für jedes Gesetz geleistet.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags werden in
allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.
Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht
gebunden und nur ihrem Gewissen verantwortlich. Sie haben also ein
freies Mandat. Entsprechend ihrer Parteizugehörigkeit schließen sie sich
zu Fraktionen oder Gruppen zusammen.
Die Stärke der Fraktionen und Gruppen bestimmt die zahlenmäßige
Zusammensetzung der Ausschüsse. Der Präsident des Bundestags wird
nach altem deutschen Verfassungsbrauch aus den Reihen der stärksten
Fraktion gewählt.
Der Bundesrat ist die Vertretung der 16 Bundesländer und wirkt
bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit. Im Gegensatz
zum Senatssystem von Bundesstaaten wie den USA oder der Schweiz
besteht der Bundesrat nicht aus gewählten Volksvertretern. Den
Bundesrat bilden Mitglieder der Landesregierungen oder deren
Bevollmächtigte. Je nach Einwohnerzahl haben die Länder drei, vier fünf
oder sechs Stimmen, sie können nur einheitlich abgegeben werden.
Mehr als die Hälfte der Gesetze ben.tigt die Zustimmung des
Bundesrats, d. h. sie können nicht ohne oder gegen den Willen des
Bundesrats zustande kommen. Zustimmungsbedürftig sind Gesetze vor
allem dann, wenn wesentliche Interessen der Länder berührt werden,
etwa wenn sie in die Finanzen oder in die Verwaltungshoheit der Länder
eingreifen.

96
Im Bundesrat tritt das Landesinteresse immer wieder vor
Parteiinteressen, die Abstimmungen können dann zu anderen Ergebnissen
führen, als es die Mehrheitsverhältnisse der politischen Parteien erwarten
lassen.
Aus dem Kreis der Länder wählt der Bundesrat nach einem
feststehenden Turnus für jeweils ein Jahr seinen Präsidenten.
Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und den
Bundesministern. Der Bundeskanzler nimmt innerhalb der
Bundesregierung und gegenüber den Bundesministern eine selbständige
Stellung ein. Er führt im Bundeskabinett den Vorsitz. Ihm allein steht das
Recht der Kabinettbildung zu; er wählt die Minister aus und macht den
für den Bundespräsidenten verbindlichen Vorschlag ihrer Ernennung
oder Entlassung. Der Kanzler entscheidet außerdem über die Zahl der
Minister und legt ihre Geschäftsbereiche fest. Die starke Stellung des
Kanzlers beruht vor allem auf seiner Richtlinienkompetenz: Er bestimmt
die Richtlinien der Regierungspolitik. Die Bundesminister leisten im
Rahmen der Richtlinien ihren Geschäftsbereich selbständig und in
eigener Verantwortung.
Nicht zu Unrecht wird das deutsche Regierungssystem auch als
“Kanzlerdemokratie” bezeichnet. Der Bundeskanzler ist das einzige vom
Parlament gewählte Kabinettmitglied, und er allein ist ihm verantwortlich.
Das Bundesverfassungsgesetz in Karlsruhe wacht über die
Einhaltung des Grundgesetzes. Es entscheidet beispielsweise in
Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern oder zwischen einzelnen
Bundesorganen. Nur dieses Gericht darf feststellen, ob eine Partei
freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet und deshalb
verfassungswidrig ist; in diesem Fall ordnet es die Auflösung der Partei an.
Es pröft Bundes- und Landesgesetze und ihre Vereinbarkeit mit
dem Grundgesetz, erklärt ein Gesetz als verfassungswidrig.
Jeder Bürger hat das Recht, eine Verfassungsbeschwerde einzulegen,
wenn es sich durch den Staat in seinen Grundrechten verletzt fühlt.
Die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland ist die 3.
Strophe des “Liedes der Deutschen”. Der Text wurde von August
Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) gedichtet; die Melodie
stammt von Joseph Haydn (1732-1809). Nationalfeiertag ist der 3.
Oktober, der Tag der Deutschen Einheit.

Einigkeit und Recht und Freiheit


Danach laßt uns alle streben
für das deutsche Vaterland!
brüderlich mit Herz und Hand!
97
Einigkeit und Recht und Freiheit
sind des Glückes Unterpfand.
Blüh im Glanze dieses Glückes,
blühe, deutsches Vaterland.

Föderalismus und Selbstverwaltung


Die 16 Bundesländer sind keine Provinzen, sondern Staaten mit
eigener Staatsgewalt. Sie haben eine eigene Landesverfassung, die den
Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen
Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes entsprechen muß. Im
übrigen haben die Länder weitgehend freie Hand bei der Gestaltung
ihrer jeweiligen Verfassung.
Die bundestaatliche Ordnung steht in einer langen
Verfassungstradition, die nur durch den Einheitsstaat der
Nationalsozialisten 1933-1945 unterbrochen wurde. Deutschland zählt
zu den klassischen Ländern der föderalistischen Staatlichkeit. Der
Föderalismus hat sich bewährt, er ermöglicht es, regionalen
Eigenheiten und Problemen weitaus besser gerecht zu werden, als dies
eine zentrale Regierungsgewalt leisten könnte.
Der deutsche Föderalismus verbindet ähnlich wie in den USA
oder der Schweiz die Einheit nach außen mit der Vielfalt nach innen.
Die Bewahrung der regionalen Vielfalt ist die traditionelle Aufgabe
der Föderalismus.
Der Bundestaat soll vor allem die Freiheit sichern. Die
Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern ist ein
wesentliches Element im System der Gewaltenteilung und –balance.
Das föderative System erlaubt einen Wettbeweb zwischen den
Ländern. Es ermöglicht außerdem, regional unterschiedlichen
Mehrheitsverhältnissen besser gerecht zu werden.
Zur ausschließlich dem Bund zustehenden Gesetzgebung gehören
z. B. die auswärtigen Angelegenheiten, die Verteidigung, das Währungs-,
Geld- und münzenwesen, Luftverkehr und ein Teil des Steuerrechts.
Einzelne Gesetzgebungsbereiche sind innerhalb der
Rahmenvorschriften des Bundes den ländern überlassen. Dazu zählen
beispielsweise das Hochschulwesen, Natur- und Landschaftspflege,
Raumordnung und Wasserhaushalt.
Eine bundeseigene Verwaltung gibt es im Wesentlichen nur im
Auswärtigen Dienst, bei der Arbeitsvermittlung, bei Zoll,
Bundesgrenzschutz und Bundeswehr. Der großteil der
Verwaltungsarbeit wird von den Ländern selbständig durchgeführt.

98
Die Gerichtsbarkeit des Bundes ist im Wesentlichen beschränkt auf
das Bundesverfassungsgericht und die Obersten Gerichte. Diese
Gerichte sorgen für eine einheitliche Auslegung des Rechts. Die
übrigen gerichte sind Landesgerichte.
Den Ländern stehen in der Gesetzgebung die Bereiche zu, die
der Bund nicht ausfüllt oder die im Grundgesetz nicht dem Bund
zugewiesen sind. Damit bleibt den ländern heute als gegenstand der
Gesetzgebung der ganz überwiegende Teil des Bildungswesens und
die Kulturpolitik als Ausdruck der “Kulturhoheit”. Hinzu kommen das
Gemeindegericht und das Polizeiwesen.
Die kommunale Selbstverwaltung als Ausdruck der Bürgerfreiheit
hat in deutschland Tradition. Sie läßt sich auf die Privilegien der freien
Städte im Mittelalter zurückführen, als das Städtebürgerrecht die
Menschen von den Fesseln der feudalen Leibeigenschaft befreite. Da
Grundgesetz greift diese Tradition auf. Ausdrücklich garantiert es die
kommunale Selbstverwaltung in den Städten, Gemeinden und Kreisen.
Danach haben diese das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu
regeln. Alle Städte, Gemeinden und Kreise mössen demokratisch
organisiert werden.
Das Selbstverwaltungsrecht umfaßt vor allem den öffentlichen
Nahverkehr im kommunalen Bereich, den örtlichen Straßenbau, die
Versorgung mit Strom, Wasser und Gas, die Abwasserversorgung, die
städtebauliche Planung. Hinzu kommen der bau und die Unterhaltung von
Schulen, Theatern und Museen, Krankenhäusern Sportstätten und Bädern.

Parteien und Wahlen


Die Parteien spielen in der Bundesrepublik Deutschland eine
maßgebliche Rolle bei der Gestaltung der Politik.
Seit den ersten gesamtdeutschen Wahlen 1990 simd im
Deutschen Bundestag sechs Parteien vertreten. Es sind: die Christlich
Demokratische Union Deutschlands (CDU), die Sozialdemokratische
Partei Deutschlands (SPD), die Freie Demokratische Partei (FDP), die
Christlich Soziale Union (CSU), die Partei des Demokratischen
Sozialismus (PDS) und die Listenverbindung bündnis 90/Die Grünen.
Im Bundestag bilden CDU und CSU eine gemeinsame Fraktion.
Die Wahlen zu allen Volksvertretungen sind allgemein,
unmittelbar, frei, gleich und geheim. Wahlberechtigt ist jeder Deutsche,
der das 18. Lebensjahr vollendet hat.

99
BIBLIOGRAPHIE

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in Hannover.
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Baedeker.
***Leipzig, Reisetaschenbuch (1998), Du Mont Buchverlag,
Köln.
***Der Romantische Rhein, Reisen am Romantischen Rhein
(1996), Bucher.
***Tatsachen über Deutschland (1996) Societäts-Verlag.

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