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2021. 04. 09.

Bundesrepublik Deutschland – Entwicklung 1949-1990 | bpb

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Bundesrepublik Deutschland – Entwicklung 1949-1990

1. Innenpolitische Grundlegung
Die Entstehung der BRD ist geprägt von der politisch-moralischen und materiellen Katastrophe des "Dritten Reiches" und der
Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Kommunismus. Dem "antifaschistischen" Konsens der unmittelbaren
Nachkriegszeit entstammen wesentliche Strukturprinzipien der Parteien- und Verbändelandschaft: die Einheitsgewerkschaft,
der einheitliche → Bauernverband, die überkonfessionelle → CDU und → CSU, die Öffnung der → SPD gegenüber neuen
Schichten und die Vereinigung der nationalliberalen und linksliberalen Traditionslinien in der → FDP.

Während der Blockade BEs durch die Sowjetunion 1948/49 kam ein antikommunistischer Konsens hinzu. Auf dieser Grundlage
gingen die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder auf das Angebot der Westmächte ein, einen Staat aus den
Westzonen zu errichten – zunächst als Provisorium oder "Transitorium" (Th. Heuss) bis zu einer gesamtdeutschen Lösung
betrachtet. Die so entstandene BRD sollte nach der von dem ersten SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher formulierten "Magnet-
Theorie" so attraktiv gemacht werden, dass die Sowjets ihre Zone allein mit militärischer Macht nicht halten könnten.

Die breite sozialistische Grundstimmung der Nachkriegszeit bis weit in die CDU hinein wich in den 50er Jahren der → Sozialen
Marktwirtschaft, die von dem ersten Wirtschaftsminister Erhard vertreten wurde. Sie wurde mit dem "Wirtschaftswunder"
assoziiert, das breiten Schichten die Möglichkeit eröffnete, sich einen nie gekannten Wohlstand zu erarbeiten. Nach drei
Jahrzehnten Kriegen und Krisen brachte die neue Ordnung zum ersten Mal wieder ein Gefühl der Sicherheit und Normalität.
Auf die → Wahlen wirkte sich dies 1953 und 1957 in einem "Wahlwunder" aus: 1957 erreichte die CDU/CSU die absolute
Mehrheit.

Entgegen den liberalen Ideen Erhards blieben Staatseingriffe, Bankenmacht und korporatistische Arrangements in Wirtschaft
und Gesellschaft entscheidend (Abelshauser 2011). Eine weitgreifende → Sozialpolitik bildete "Integrationsklammern"
(Kleßmann 1991). Die 12 Mio. Ostvertriebenen bekamen einen "Lastenausgleich". Ein Umsiedlungsprogramm erleichterte
ihnen den Weg in die Industriezentren. Im "sozialen Wohnungsbau" errichteten gewerkschaftliche und kirchliche Träger mit
staatlicher Hilfe Mio. Mietwohnungen. Kriegsopfer erhielten Renten. Wenige Monate vor der Bundestagswahl 1957 wurden die
Altersrenten wesentlich erhöht und zugleich an die Einkommensentwicklung gebunden ("dynamisiert"), erst seitdem lagen sie
überwiegend über dem Existenzminimum. Die staatliche Umverteilungsquote übertraf in den Gründungsjahren der BRD die
aller anderen westlichen Länder. Im ständigen Wettbewerb zwischen den beiden großen → Parteien bildeten sich stabile
Muster des Sozial- und Verteilungsstaates aus, alle Beteiligten gewöhnten sich an wachsende Erträge und staatliche
Leistungen. Nach dem Stolz auf die eigene ökonomische Leistung, dem Wirtschaftspatriotismus, entwickelte sich das
Vertrauen in den Sozialstaat.

2. Einbindung in westeuropäisch-atlantische Strukturen


Schon vor der Gründung der BRD waren die westlichen Besatzungszonen in den Marshall-Plan und die auf ihm fußenden
europäischen Handelsstrukturen einbezogen worden. Westintegration war der Kern der → Außenpolitik des ersten
Bundeskanzlers Adenauer. Die BRD sollte fest im westeuropäischen und atlantischen Zusammenhang verankert und auf diese
Weise gesichert und vor nationalen Sonderwegen bewahrt werden. Adenauer war bereit, gegenüber dem Westen weitreichende
Kompromisse zu schließen. Mit diesem pragmatischen Vorgehen gelang es ihm, der westeuropäischen Einigung Schubkraft zu
geben und die Bundesrepublik als Partner in die europäische und atlantische Staatengemeinschaft zu führen (→
Europapolitik).

Im Petersberger Abkommen 1949 erreichte Adenauer das Ende der westlichen Demontagen. Die BRD trat gleichzeitig in die
Ruhrbehörde ein und sanktionierte so eine Sonderkontrolle des Kerns der deutschen Industrie. 1952 entstand mit der
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und den Benelux-Staaten zusammenwirkte. 1955 wurde die BRD Partner in der Westeuropäischen Union (WEU) und der NATO
(→ Äußere Sicherheit/Verteidigung/NATO). Sie verzichtete auf eigene atomare, biologische und chemische (ABC-) Waffen und
erlangte die Souveränität – vorbehaltlich der Viermächte-Zuständigkeiten für BE und Gesamtdeutschland. Bestandteil des
Vertragspakets war ein Abkommen mit Frankreich über die endgültige Abtrennung des Saarlandes (→ Land Saarland), das mit
einem "europäischen Statut" unter französischem Ein uss verbleiben sollte. Als das saarländische Volk dieses Modell mit
großer Mehrheit in einer Abstimmung ablehnte, gelangte das SL 1957 an die BRD zurück. Die Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957/58 gab Westeuropa einen stabilen ökonomischen Unterbau, öffnete Unternehmen
ebenso wie Konsumenten einen großen Markt und wurde schrittweise erweitert und vertieft.

3. Kalter Krieg und Verfestigung der Teilung Deutschlands


So konstruktiv und kompromissbereit Adenauer seine Politik nach Westen gestaltete, so in exibel und verständnislos war er
gegenüber dem Osten. Jedes sowjetische Angebot wurde mit Misstrauen betrachtet, Kompromisse mit der Sowjetunion oder
der → DDR galten als unmoralisch. Befürworter von Verhandlungen mit dem Osten wurden kommunistischer Sympathien
bezichtigt. Dies traf im westlichen D auf Befürchtungen und Sicherheitsängste der Bevölkerung. "Sicherheit" und "Keine
Experimente" waren zentrale Slogans der Regierung in den Wahlkämpfen.

Schon der EVG und den Pariser Verträgen stimmte die SPD aus Sorge um die Wiedervereinigung nicht zu. Als die UdSSR 1952
und nochmals 1955 das Angebot einer Wiedervereinigung mit freien Wahlen unter der Bedingung der Neutralität Ds machte,
polarisierte sich die Debatte um die Außenpolitik. Die mit den Westverträgen verbundene Wiederbewaffnung und das Streben
nach Atomwaffen 1958/59 riefen Kriegsängste hervor. Aggressive Äußerungen wie die Forderung Adenauers nach einer
Neuordnung Osteuropas oder Straußsche Überlegungen zu einem Präventivschlag gegen den Osten verstärkten diese Ängste.
Nicht nur die SPD, sondern auch viele FDP-Politiker und J. Kaiser (CDU), der Minister für gesamtdeutsche Fragen, wollten das
sowjetische Angebot ausloten. Adenauer kündigte immer wieder an, die wachsende Überlegenheit des Westens werde die
Wiedervereinigung bringen ("Politik der Stärke"). In der Praxis war die Wiedervereinigung aber für die Regierung Adenauer "im
besten Fall eine sekundäre Angelegenheit", entscheidend blieb immer der sacro egoismo des Weststaates (Besson 1970: 129,
152). Auch die Wellen von → Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Wiederbewaffnung 1950/53 ("Ohne-mich-
Bewegung") und gegen die Atomrüstung in D 1958/59 ("Ostermarsch-Bewegung") konnten an der Aufrüstung im Herzen
Europas nichts ändern. Zwar erhielt die Bundesrepublik keine Atomwaffen, wie das Strauß als Verteidigungsminister geplant
hatte. Stattdessen wurde die → Bundeswehr konsequent in die NATO integriert und stützte sich auf amerikanische
Atomwaffen. In Mitteleuropa wurde das dichteste Waffenarsenal der Welt stationiert.

In den folgenden Jahren schien jedoch nicht der Westen, sondern der Osten stärker zu werden. Mit dem spektakulären Sputnik-
Start 1957 wurde ein sowjetischer Vorsprung in der Raketentechnik deutlich. In der nuklearen Hochrüstung entwickelte sich ein
"Gleichgewicht des Schreckens", der einen Nuklearkrieg zum allseitigen Selbstmord gemacht hätte. Unter der dynamischen
Führung Chruschtschows versuchte die UdSSR die DDR zu stabilisieren und die Westmächte aus Berlin zu verdrängen. Als der
amerikanische Präsident Kennedy daraufhin nur die Sicherheit Westberlins und der freien Zugänge dorthin als essentials
de nierte, baute die DDR die Berliner Mauer und vollendete damit die Teilung Ds. D war gespalten, aber in der BRD waren die
Grundlagen für ein stabiles demokratisches Gemeinwesen gelegt worden. Das deutsche Nationalgefühl wurde europäisch
überformt, der Staat durch die Einbindung in stabile europäische und atlantische Zusammenhänge neu orientiert. Ein
moralisch-politischer Meilenstein war das Abkommen mit Israel über deutsche Zahlungen zur "Wiedergutmachung". Es wurde
nicht mit der Mehrheit der Regierungsparteien, sondern mit den Stimmen der SPD und großer Teile der CDU rati ziert.

4. Entspannungspolitik und Friedensbereitschaft


1962-1989
Auch nach dem Bau der Mauer hielt die Bundesregierung am Alleinvertretungsanspruch für D fest. Zwei deutsche Botschaften
gab es nur in Moskau, die Aufnahme von Beziehungen zur DDR durch andere Staaten beantwortete die BRD mit dem Abbruch
der Beziehungen (Hallstein-Doktrin). 1965 führte diese selbst gesetzte Erpressbarkeit zu dem Fiasko, dass die BRD in der
arabischen Welt kaum mehr vertreten war. Im Westen drohte ebenfalls zunehmend Isolation, weil Adenauer die
Entspannungspolitik behinderte. Au ockerungsversuche des Außenministers Schröder (CDU) in Richtung auf die
Ostblockstaaten unter Umgehung der DDR scheiterten 1964. Auch die weitergehenden Versuche der Großen → Koalition 1966-
1969 waren nicht erfolgreich und ver ngen sich im Streit zwischen den Koalitionspartnern, die CDU/CSU blockierte auch die
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Erst die sozialliberale Koalition 1969-1982 brachte den Mut auf, die existierenden Grenzen anzuerkennen, um sie durchlässiger

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zu machen und auf dieser Grundlage ein neues, friedliches Verhältnis zu Osteuropa zu suchen. Im Gegenzug konnte in
Viermächteverhandlungen die Beilegung des ständig schwelenden Berlin-Kon ikts erreicht werden. Die harten
Auseinandersetzungen um die Ostpolitik und die Übertritte einiger → Abgeordneter zur CDU/CSU führten 1972 zum
erfolglosen Versuch eines Misstrauensvotums gegen Bundeskanzler Brandt und schließlich zu Neuwahlen, in denen die
Regierung mit deutlicher Mehrheit bestätigt wurde. Zum ersten Mal wurde die SPD in dieser Wahl stärkste Fraktion im →
Bundestag. Mit dieser Wahlentscheidung wurde die Friedenspolitik nach Osten bestätigt. Auch die CDU/CSU schloss sich in
den folgenden Jahren dieser Grundorientierung an, als sie 1982 wieder an die Regierung kam. Mit der Vermittlung eines
"Milliardenkredits" an die DDR 1983 sprang auch Strauß, der sich jahrzehntelang in der West-Ost-Konfrontation pro liert hatte,
auf den Zug der Entspannung auf.

Innenpolitisch unkontrovers war die Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft. In Brandts Kanzlerzeit gelang
der Beitritt Großbritanniens. In der Kanzlerzeit H. Schmidts wurde das deutsch-französische Sonderverhältnis als Antriebskern
europäischer Entscheidungen aktiviert. Angesichts der Schwächung des Dollars wurde eine europäische Währungszone mit
der DM als Ankerwährung gebildet. Die BRD wurde zum größten Handelspartner aller EU-Länder außer Spanien und Irland. Da
die deutschen Exportinteressen weit über die EU hinausgehen, tritt die BRD von jeher für eine offene Handelspolitik nach außen
ein, mit Ausnahme der protektionistischen Landwirtschaftspolitik. Für ihr Selbstverständnis sind diese Weltoffenheit und
Friedensbereitschaft konstitutiv geworden, sie wird deswegen als Export- und Handelsstaat charakterisiert (Rosecrance 1987).

Sicherheitspolitisch konnte das deutsch-französische Verhältnis wegen der Sonderrolle Frankreichs in der NATO nicht
fruchtbar gemacht werden. Die USA blieben die entscheidende Führungsmacht der NATO und der eigentliche
Sicherheitsgarant, vor allem in Bezug auf West-Berlin. Die Bundesrepublik wurde andererseits wegen der konventionellen
Stärke der Bundeswehr als Alliierter für die USA immer wichtiger.

Das gefährliche Ausmaß der sowjetischen Raketenrüstung Ende der 70er Jahre wurde zuerst von Bundeskanzler Schmidt
kritisiert. Als Reaktion kündigte die NATO eigene Raketen an, falls die sowjetische Hochrüstung nicht eingestellt werde
("Doppelbeschluss"). Zusätzliche Besorgnis löste der sowjetische Einmarsch in Afghanistan aus, der dann zur Wahl Reagans
als US-Präsident und seinem harten Konfrontationskurs beitrug – einem Nachwinter des Kalten Krieges. Die
Raketenaufstellung rief in der BRD leidenschaftliche Reaktionen hervor ("Friedensbewegung"), die das pazi stische
Selbstverständnis der deutschen Gesellschaft sichtbar machten.

Jedoch waren beide deutsche Staaten während des neuen Ost-West-Kon ikts, der "Nachrüstung" im Westen und der östlichen
Reaktion einer weiteren Raketenaufstellung bemüht, die Spannungen zu begrenzen, statt wie früher die Konfrontation zu
schüren. "Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen" wurde ein gesamtdeutsches Leitwort. Die Ereignisse machten
dem sowjetischen Führungspersonal einerseits klar, dass der Westen reaktionsfähig blieb, andererseits aber, dass D sich
entscheidend gewandelt hatte und ein Friedenskonsens entstanden war. Im Frühjahr 1989 wurde dies noch einmal deutlich, als
D angesichts der sowjetischen Abrüstung unter Gorbatschow die Stationierung neuer amerikanischer Kurzstreckenraketen
verweigerte und diese Haltung in den USA als "Genscherismus" kritisiert wurde.

5. Wirtschaftswachstum und Internationalisierung


1962-1989
Auch als 1960 die Vollbeschäftigung erreicht, die Kriegszerstörungen weitgehend beseitigt, der Vorkriegs-Lebensstandard
überschritten und die Nachholbedürfnisse befriedigt waren, ging das epochale Wirtschaftswachstum weiter. D hatte nach dem
Krieg mit einem niedrigen Lebensstandard begonnen. Aufgrund niedrigerer Löhne und der Unterbewertung der DM auf dem
Weltmarkt bis 1969 war es besonders konkurrenzfähig, die Kapitalbildung hoch. Vor allem wenig industrialisierte Regionen wie
BY (→ Freistaat Bayern) pro tierten von der Zuwanderung von Großunternehmen wie Siemens und von Branchenkernen aus
den Vertreibungsgebieten, der DDR und Berlin.

Als 1961 der Arbeitsmarkt erschöpft und der Zustrom aus der DDR abgeschnitten war, zudem der Aufbau der Bundeswehr dem
Arbeitsmarkt Kräfte entzog, ging die BRD in großem Ausmaß zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte über. Zunächst
wurden sie für ein bis zwei Jahre angeworben. Da aber ganze neue Produktionslinien etwa bei den Automobilunternehmen auf
ihrer Arbeitskraft beruhten, wurden viele von ihnen für die Industrie unverzichtbar und zu Stammarbeitern. Die Vertragszeiten
verlängerten sichdieser
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In den 60er Jahren gewann die BRD Selbstbewusstsein hauptsächlich über ihre ökonomische Leistung, und in der Zeit der
Vollbeschäftigung hatten fast alle Bürger eine reale Möglichkeit, daran zu partizipieren. Da Arbeitskräfte knapp waren,
entwickelten sich die unteren Einkommen günstig. Als die dringendste Wohnungsnot befriedigt war, nahm der Eigenheimbau
zu. Alle Schichten wuchsen immer mehr in die Konsumgesellschaft hinein, die über ihr standardisiertes Angebot nivellierend
wirkte. Die großen Bevölkerungsumschichtungen verstärkten diesen Prozess, und regionale ebenso wie konfessionelle
Identitäten verloren an Relevanz. Insgesamt kam es zu einer Homogenisierung der Bevölkerung und der Lebensstile. Immer
mehr Menschen arbeiteten als abhängig Beschäftigte. Der Anteil der Landwirte in den alten → Bundesländern sank zwischen
1950 und 1997 von 24,6 % auf 2,5 %, ihr Anteil an der Wertschöpfung auf 1,1 %. Die Zahl der mithelfenden Familienangehörigen
und Hausangestellten ging zurück, die Anteile kommerzieller und administrativer Dienstleistungen nahmen zu.

Während die Lebenserfahrung 1914-45 in extremer Weise nationalstaatlich eingeschnürt worden war, wurde die BRD von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt ein offeneres Land. Jahr für Jahr reisten mehr Menschen als Touristen ans Mittelmeer und in andere
europäische Länder, seit den 80er Jahren auch stärker nach Afrika, Asien und Amerika. Die kommerzielle Unterhaltungskultur
prägte eine Generation nach der anderen. Im Film setzten sich amerikanische Genres vom Western bis zu den soap operas
durch. Auch die Hochkultur gewann ihre Internationalität zurück. Wirtschaft und Wissenschaft wurden internationaler, auch
hier wurde Englisch zur dominierenden Sprache.

Solange die Wirtschaft wuchs, konnte immer mehr verteilt werden. Insbesondere wuchsen die Infrastrukturausgaben. Straßen,
Autobahnen und Kanäle, Wasser- und Abwassersysteme, Gas- und Ölleitungen wurden modernisiert. Die Renten konnten mit
dem Rhythmus des Wachstums erhöht werden. Mit dem Erfolg der Rentenformel ergab sich allerdings eine Unausgewogenheit
zwischen den Leistungen für die Alten und denen für die Kinder. Kindergeld und Kinderfreibeträge blieben bis 1998 sehr
bescheiden. Benachteiligt blieben durch die Rentenformel, die sich am Verdienst orientierte, die Mütter. Früher als in anderen
Industrieländern gingen die Kinderzahlen zurück. 1970 elen sie unter die Reproduktionsrate, die nachwachsenden Jahrgänge
sind seitdem um ein Drittel schwächer als die Erwachsenen-Jahrgänge. Mit der Wiedervereinigung wiederholte sich der
Geburtenrückgang in Ostdeutschland in zugespitzter Weise, die Geburten elen zeitweilig auf ein Drittel der Ausgangswerte.

6. Reformen, Ölschocks und Parteienkonfrontation


In der inneren und äußeren Stabilität der Anfangsjahrzehnte der BRD, nach all den Katastrophen, erfuhren die
Bundesdeutschen die → Demokratie als Ordnung, die Sicherheit und Wohlstand brachte. Dies kam zunächst der
Regierungspartei zugute, die mit ihren Führungs guren Adenauer und Erhard Sicherheit und Wohlstand verkörperte. Erst als
der Kanzler selbst in der Krise um seine Nachfolge 1959-63 diesen Mythos zerstörte, schlug die Stunde der Opposition.

In der Berlin-Krise seit 1959 und besonders angesichts des Mauerbaus 1961 entstand vielfach der Eindruck, Adenauer reagiere
hil os. In der Bundestagswahl 1961 verlor die CDU/CSU ihre absolute Mehrheit. Die FDP, die angekündigt hatte, mit der CDU,
aber ohne Adenauer zu regieren, konnte den Kanzler zunächst nicht zum Amtsverzicht zwingen und belastete sich mit dem
Odium des "Umfallens". Die Spiegel-Affäre 1962, in der Verteidigungsminister Franz Josef Strauß die staatliche Verfolgung
dieses kritisch über ihn berichtenden Magazins organisieren ließ, führte zu einer kritischen Wendung der Öffentlichkeit. Punkt
für Punkt wurden illegale Machinationen und Falschaussagen aufgedeckt, Strauß musste zurücktreten und Adenauer sein
Ausscheiden für 1963 ankündigen.

Mit Erhard als Kanzler feierte die CDU 1965 noch einmal einen glanzvollen Wahlsieg, der aber schon ein Jahr später vom
Gesichtsverlust in Erhards Kompetenzbereich abgelöst wurde. Überhitzung der Wirtschaft hatte die → Bundesbank zu
Diskonterhöhungen veranlasst, die durchschlugen und schließlich im Febr. 1967 zu 637.572 Arbeitslosen führten – eine Zahl,
die damals erschütternd wirkte.

Die CDU verlor 1966 die Wahl in NRW, das sie zwei Jahrzehnte regiert hatte (→ Land Nordrhein-Westfalen). Bundeskanzler
Erhard trat zurück, das bürgerliche Bündnis war zerrüttet. Stattdessen wurde die erste Große Koalition unter Kiesinger (CDU)
gebildet. Mit Wirtschaftsminister Karl Schiller stellte für die nächsten Jahre die SPD die ökonomische Identi kations gur. Er
vermittelte die Vorstellung einer Globalsteuerung der Wirtschaft durch den Staat und der Einbeziehung aller Akteure in der
"Konzertierten Aktion". Der rasche ökonomische Aufschwung, der den Einbruch von 1966/67 mehr als wettmachte, bestätigte
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Ausbau des Gesundheitswesens, der sozialen Sicherung und der Infrastruktur. Die Bundesländer schufen in Gebietsreformen
größere kommunale Gebietseinheiten. Die staatlichen Konfessionsschulen elen weitgehend der Bildungsreform zum Opfer, in
→ Bayern wurde dies mit einem Volksbegehren durchgesetzt. Steigende Übergangsquoten zu weiterführenden Schulen, bis
dahin vielfach mit Unbehagen betrachtet, wurden allgemein anerkanntes Ziel.

Die Große Koalition hatte zwiespältige Effekte. Einerseits wurden ihre Stabilitätserfolge und modernisierenden Reformen zur
Grundlage aller künftigen Politik. Andererseits wurde sie wegen ihrer erdrückenden Mehrheit als undemokratisch empfunden.
Das Gemeinschaftsdenken, das zu Beginn der BRD noch allgemein verbreitet gewesen war, hatte der Übernahme des
britischen Parlamentarismus-Modells Platz gemacht: Einer leistungsfähigen Regierung sollte eine starke → Opposition
gegenüber stehen.

Die Befürchtung von Demokratieverlust mischte sich mit anderen Themen. Eines war der Vietnam-Krieg, der das
amerikanische Modell entzauberte und kommunistische Befreiungskämpfer faszinierend erscheinen ließ. Ein anderes war die
nationalsozialistische Vergangenheit, die in den 60er Jahren zum Thema wurde und deren Schrecken durch den großen
Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963-1965, durch die Debatten um die Verjährung von NS-Verbrechen und auch durch
literarische Auseinandersetzungen wie Hochhuths Anklage-Drama "Der Stellvertreter" ins Bewusstsein vieler jüngerer
Deutscher getreten war. Obwohl der Prozess und die offene Auseinandersetzung Zeichen für die neue Qualität der deutschen
Demokratie waren, nährten sie bei vielen einen generellen Verdacht gegenüber staatlicher Macht. Zum Ausdruck kam diese
Furcht bei der Debatte um die Notstands-Gesetzgebung (→ Notstandsverfassung), mit der der Katastrophen- und
Verteidigungsfall geregelt werden sollte. Ängste vor dem Chaos und kommunistischer Bedrohung auf der einen Seite standen
Ängsten vor einem neuen Faschismus auf der anderen gegenüber – eine Ex-post-Bewältigung der Vergangenheit mit falschen
Adressaten.

Überhaupt löste die Studentenbewegung eine neue Ideologisierung aus, es entstanden neue Kon iktfronten in Politik und
Gesellschaft. Sprach man vorher vom "Ende der Ideologien", so wurden nun Probleme ideologisch aufgeladen und
überfrachtet. Die Wahlkämpfe der folgenden Jahre lebten von diesem Gegensatz.

Die Wahlen von 1969, die über das eher spezielle Problem einer Aufwertung der DM ausgetragen wurden, ermöglichten eine
Regierungsbildung aus SPD und FDP und damit den ersten wirklichen Machtwechsel. Dies rief bei der CDU/CSU, die stärkste
Partei blieb, Aggressionen hervor. Über Abwerbungs- und Kon iktstrategien suchte sie die neue Regierung Brandt/Scheel zu
stürzen. Als offensichtlich wurde, dass auch Geld im Spiel war, entstand Erregung in der Bevölkerung. Erst das eindeutige
Ergebnis der Wahlen von 1972 brachte eine Klärung.

War die Große Koalition eher technokratisch aufgetreten, so strahlte die sozialliberale Koalition Reform-Enthusiasmus aus. Die
Themen blieben die gleichen – Bildung, Wissenschaft, Forschung, Infrastruktur, Verkehr und Städtebau, Gesundheit und
Sozialpolitik. Nun wurde allerdings nicht nur Wachstum, sondern auch Reform angestrebt, was Widerstände auslöste. Vor
allem bei Schulen und Hochschulen ergab sich eine brisante Mischung aus Reformwille, Statusängsten und Ideologisierung.
Solange es immer mehr zu verteilen gab, ließen sich derlei Diskrepanzen verkraften. 1972 erlebte die Verteilungspolitik einen
neuen Höhepunkt, als die CDU/CSU mit einer kurzzeitigen Stimmenmehrheit im → Bundestag noch über die Rentenformel
hinausging und zusätzliche Erhöhungen durchsetzte.

Die Ölpreiskrise von 1973/74 setzte diesem Typus von Verteilungspolitik ein Ende. Die Verwerfungen in der Weltwirtschaft
schlugen auch auf die BRD durch. Es gab vorübergehend keine Zuwächse zu verteilen, und seither ist es nicht mehr gelungen,
die Vollbeschäftigung wiederherzustellen. H. Schmidt übernahm nach dem Rücktritt W. Brandts 1974 das Kanzleramt und
wurde schnell zur Vertrauens gur der Deutschen in den neuen ökonomisch-politischen Weltkon ikten. Die Bewältigung der
Wirtschaftskrise und die produktive Zusammenarbeit der Tarifparteien mit der Regierung ließ Wissenschaftler sogar das
Wahlkampfschlagwort "Modell Deutschland" ernst nehmen.

Das Reformklima aber war mit der neuen Lage beendet. Da es weniger zu verteilen gab, wurden Kon ikte bitterer. Die
Ideologisierung setzte sich fort, der CSU-Vorsitzende Strauß versuchte das Unbehagen mit einem Kurs der totalen
Konfrontation auszunutzen, erreichte aber damit nur die Isolierung der CDU/CSU in der Opposition und eine Verhärtung der
innenpolitischen Lage. Gespenster-Kampagnen über "Systemveränderung" bestimmten die → Bildungspolitik. Auch die
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Konfrontation bei den Themen → Extremismus und → Terrorismus. Die spektakulären Anschläge kleiner Gruppen und die
Reaktion des Staates prägten ein Klima des Verdachts und der Angst. Intellektuelle und Politiker wurden als "Sympathisanten"
der RAF verdächtigt. In einer Zitatensammlung des CDU-Generalsekretärs Geißler wurde sogar der Präsident des
Bundeskriminalamtes in diesen Verdacht einbezogen, dem andererseits Kritiker wie Enzensberger vorwarfen, einen
"Sonnenstaat" mit totaler Kontrolle anzustreben. Abgelöst wurde dieses Thema seit 1979 durch Kampagnen gegen "Asylanten",
die 1980-1982 zum ersten Mal auch Gewaltanschläge zur Folge hatten.

Der zweite Ölpreisschub 1979/80 wurde von der Regierung Schmidt nicht mit einem Reformkonzept angegangen, sondern mit
Einschnitten in den Staatshaushalt. Der Abschwung wurde dadurch verstärkt. Nur die aggressiv betriebene Kanzler-Kandidatur
von F. J. Strauß sicherte der Regierung Schmidt 1980 noch einmal eine breite Mehrheit. Die → Arbeitslosigkeit stieg an und
belastete die Sozialkassen, was zu Einschnitten führte und innerhalb der SPD Unzufriedenheit weckte. Gleiches galt für den
von Schmidt initiierten NATO-Beschluss über die "Nachrüstung" angesichts der sowjetischen Raketenstationierungen. Schwere
Einbrüche der SPD in Landtagswahlen folgten. Die FDP setzte sich daraufhin von der SPD ab. Sie forderte eine "Wende" und
Einschnitte ins "soziale Netz". Ihre Taktik der langsamen Demontage des Kanzlers Schmidt wurde von diesem schließlich mit
der Entlassung von Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff beantwortet. Mit einem konstruktiven Misstrauensvotum wählten
CDU/CSU und FDP daraufhin am 1.10.1982 H. Kohl zum Kanzler.

Angesichts der verbalen Radikalität der politischen Auseinandersetzungen überraschte viele das Ausmaß der Kontinuität nach
der "Wende". Es gab nur wenige grundlegende Einschnitte. Die Abschaffung der Förderung des sozialen Wohnungsbaus (→
Wohnungspolitik) wurde nach der Wiedervereinigung wieder rückgängig gemacht. Das Mutterschaftsgeld wurde zunächst
gekürzt, dann 1986 vor der Wahl in Erziehungsgeld umbenannt, auf nicht berufstätige Frauen erweitert und schließlich wieder
aufgestockt. Auch die CDU/CSU pro lierte sich in der folgenden Zeit mit Themen wie dem Umweltschutz. Wesentlich trug dazu
der Wahlerfolg der Grünen bei, denen es 1983 als erster Partei nach dreißig Jahren gelang, neu in den Bundestag einzuziehen.
Entgegen ihrem Image als "Anti-Partei" hatten sie letztlich eine integrative Funktion. Sie führten viele Gruppen, die sich in der
Tradition der Studentenbewegung fundamental-oppositionell verstanden hatten, wieder in den politischen Prozess zurück.

Literatur
Literatur wird einheitlich im zweiten folgenden Teil genannt

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 7.,
aktual. Au . Heidelberg: Springer VS 2013. Autor des Artikels: Dietrich Thränhardt

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