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Inflation

Der papierene Selbstmord


Für eine Rettung des Weltfinanzsystems ist es vermutlich schon zu spät
von Roland Baader

Von Lenin, der gewiss etwas von Revolution und Umsturz braucherpreisinflation in den USA null Prozent. Im Verei-
verstanden hat, soll der Satz stammen: „Wer die kapitalisti- nigten Königreich waren die Verbraucherpreise zu Beginn
sche Gesellschaft zerstören will, muss ihr Geld zerstören.“ des Zweiten Weltkriegs niedriger als im Jahr 1800 (das heißt:
Skurrilerweise hat Lord Keynes das sicherste Mittel hierzu es herrschten 139 Jahre lang stabile Preise). Der freie Markt
genannt, nämlich die Inflation. Ausgerechnet der Lord Key- garantiert diese Stabilität, wenn das Geldangebot stabil bleibt,
nes, der die modernen Ökonomen zu Inflationisten gemacht was beim Goldgeld gewährleistet war. Mit dem reinen Pa-
hat, und der doch mit seinen Lehren den Kapitalismus vor piergeld und den Lehren von Lord Keynes war das alles zu
dem Sozialismus retten wollte. In einer Schrift von 1920 Ende. Aber die vulgärwissenschaftliche keynesianische Theo-
führte er aus: „Mit dem kontinuierlichen Prozess der Infla- rie vom Segen der Inflation und von der Notwendigkeit
tion kann der Staat heimlich und unbeachtet einen großen einer antizyklischen Fiskalpolitik ist natürlich Musik in den
Teil des Reichtums seiner Bürger konfiszieren. Mit dieser Ohren der Politiker. Gibt sie ihnen doch die scheinbar wis-
Methode können die Regierungen nicht nur konfiszieren, senschaftliche Legitimation für ihre endlosen Ausgaben- und
sondern willkürlich konfiszieren. Der Prozess stellt alle ver- Verschuldungsorgien.
borgenen Kräfte der ökonomischen Gesetze in den Dienst Gewiss stimuliert ein Geld- und Kreditschub anfäng-
der Zerstörung, und er macht es auf eine Art und Weise, lich die Konjunktur, aber in die falsche Richtung. Man schaue
die nicht einer aus einer Million Menschen zu erkennen ver- sich an, mit welchen groben Verzerrungen der ökonomi-
mag.“ Leider muss ich ergänzen, dass zu diesen schimmer- schen Parameter die Amerikaner heute leben: Eine Kon-
losen Menschen inzwischen auch die meisten Ökonomen sumquote am Volkseinkommen von 70 und mehr Prozent
gehören, und nicht zuletzt – wie gesagt – wegen der Key- und eine Sparquote von Null. Wir werden in den kom-
nesschen Lehren. menden Monaten und Jahren erleben, mit welch schmerz-
Das sicherste und einfachste Mittel zur Zerstörung ei- hafter Strenge die Marktkräfte in Richtung normaler Quo-
ner jeden Währung ist also die permanente Inflation – und ten drängen werden. Eine relativ hohe gesamtwirtschaftli-
Inflation heißt Vermehrung der Geldmenge oder des so- che Sparquote ist nämlich für eine stetig wachsende und
genannten Geldangebots (inklusive der Kredite natürlich). stabile Volkswirtschaft notwendig, weil nur das investiert
Und diese unablässige Vermehrung kann nur in einem Pa- werden kann, was real gespart wurde. Das wusste sogar
piergeldsystem erfolgen, genauer: unter der Domäne eines Keynes mit seiner makroökonomischen Gleichung I = S
Papiergeldes ohne Einlösepflicht in wertbeständige Sach- (Investition gleich Ersparnis). Nach künstlich entfachten
werte – vorzugsweise Gold und Silber. In einem solchen Booms kommt es immer wieder zu Einbrüchen, zu Rezes-
System entstehen beliebige Milliardensummen vermittels sion oder Depression, weil die Politik des leichten Geldes,
eines Federstrichs – sei es des Notenbankpräsidenten, der des billigen Kredits, das Vorhandensein überreichlicher Er-
Bankvorstände oder des Finanzministers. sparnisse signalisiert, die real gar nicht vorhanden sind. In-
Seit Jahrzehnten bindet man den Bürgern den Bären vestitionen, die von dieser Illusion angeregt werden, erwei-
auf, zum Wirtschaftswachstum bedürfe es einer moderaten sen sich später als falsch und verlustträchtig. Es kommt zu
Inflation – also des stetigen Geldmengenwachstums. Das schmerzhaften Korrekturen.
ist Unsinn. Es gab zum Beispiel vor dem Ersten Weltkrieg Dieses papierene Geldsystem herrscht seit dem Ende
ein Jahrhundert des gesunden Geldes. In diesem Jahrhun- des Goldstandards, also grob gesprochen seit 1913 – welt-
dert erhöhte sich der Reichtum der Welt mehr als in allen weit und ausnahmslos. In seiner die ganze Erde umspan-
vorangegangenen Zeiten der Menschheit. In diesem Jahr- nenden Ausschließlichkeit ist das ein welthistorisch einzigar-
hundert des Goldes hat der Staat das Geld und den Kredit tiges Experiment. Logischerweise fiel die Abkehr vom
nicht manipuliert. Die Währungen mussten nicht „gema- Goldgeld zeitlich zusammen mit der Gründung des „Fe-
nagt“ werden. Zwischen 1820 und 1913 betrug die Ver- deral Reserve Systems“ – oder der amerikanischen Zen-

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Es hätte die große Inflation der zwanziger Jahre nicht gegeben, durch die
Millionen von Deutschen ihre Ersparnisse verloren haben. Auch die
Weltwirtschaftskrise wäre der Menschheit erspart geblieben.
tralbank, kurz das (oder auch die) FED genannt – im Jahr tivlos halten. Wir haben seit fast 100 Jahren ein sozialisti-
1913. Im reinen Papiergeldstandard muss das Geldange- sches, staatsmonopolistisches und marktfremdes Geld, das
bot im Prinzip monopolisiert werden, damit die Banken den Blutkreislauf des Kapitalismus sukzessive vergiftet und
sich nicht gegenseitig in den Bankrott treiben, indem sie den in dessen Zusammenbruch enden muss. Doch die Ökono-
papierenen Geldmüll immer billiger anbieten. Und um nichts men verstehen nicht nur nichts mehr vom Geld (nach wie
anderes als Müll handelt es sich dabei, denn Papiergeld – so vor ist das einzig herausragende und von kaum einem Öko-
hat schon Voltaire geschrieben – kehrt früher oder später nomen gelesene Werk der Geldtheorie das Buch von Lud-
immer zu seinem inneren Wert zurück: zu Null. wig von Mises „Theorie des Geldes und der Umlaufsmit-
Der Bankier Ferdinand Lips hat die Gründung der FED tel“ von 1924), sondern sie verstehen somit konsequenter-
und die Abkehr vom Goldgeld als „die größte Tragödie in weise auch nicht mehr, was Inflation ist. Der amerikanische
der Geschichte der Welt“ bezeichnet. Das klingt im ersten Ökonom Robert Sennholz hat recht, wenn er die moderne
Moment übertrieben, ist es aber nicht. Man bedenke: Ohne Volkswirtschaftslehre als „Inflationomics“ bezeichnet. Eine
die Einführung des ungedeckten Papiergeldes hätte es den der ganz wenigen Ausnahmen in Deutschland ist Thorsten
Ersten Weltkrieg nicht gegeben. Mit Gold als Geld hätte Polleit, Professor an der Frankfurter Hochschule für Finan-
man ihn nicht länger als drei Wochen führen können. Des- zen und Management. Von ihm stammen die Sätze: „Die
halb wurde ja die Goldwährung bei Kriegsausbruch abge- Manipulation der Zinssätze ist das Rezept für Desaster“ –
schafft. Somit hätte es auch die große Inflation und die und: „Die Ursache der internationalen Kreditkrise hat einen
Währungsreform der zwanziger Jahre nicht gegeben, durch Namen, nämlich das staatsgelenkte Papiergeld-Regime.“
die Millionen von Deutschen ihre Ersparnisse und ihre Exi- Fassungslos verfolge ich seit Jahren den Ökonomen-
stenzen verloren haben. Auch die große Weltwirtschaftskri- Streit um die Relevanz der sogenannten „zweiten Säule“
se wäre der Menschheit erspart geblieben. Und ohne diese für die geld- und zinspolitischen Entscheidungen der Zen-
Ereignisse wäre Hitler nicht an die Macht gekommen. Eben- tralbanken. Bis zur Wende zum neuen Jahrtausend war es
sowenig Lenin, Stalin und Konsorten. Auch der Zweite für Zentralbanker unumstritten, dass sie sich zur Ausrich-
Weltkrieg hätte nicht finanziert werden können, noch wäre tung ihrer Politik sowohl an der sogenannten „Inflation“
er ohne die vorangegangenen Ereignisse überhaupt denk- (gemeint ist die Rate der Preissteigerung) als „erster Säule“
bar gewesen. als auch an der „zweiten Säule“, nämlich der Geldmengen-
Mit Gold als Geld wären den Deutschen nicht nur Krieg, beobachtung, orientieren sollten. Inzwischen sind die mei-
Zerstörung und Diktatur erspart geblieben, sondern auch sten Ökonomen der Ansicht, man könne und solle auf die-
die zweite Währungsreform von 1948. Ebenso der Kauf- se zweite Säule verzichten, weil seit längerer Zeit kein Zu-
kraftverlust der D-Mark, der sich von 1950 bis zur Ablö- sammenhang mehr ersichtlich sei zwischen Geldmengen-
sung durch den Euro auf 95 Prozent akkumuliert hatte – Entwicklung und Inflation. Das ist aber nicht nur termino-
sowie der Kaufkraftverlust des Euro von schon wieder 50 logisch falsch, sondern schlimmer noch: Es ist auch inhalt-
Prozent innerhalb der wenigen Jahre seit seiner Einführung. lich falsch. Unsäglich falsch. Studien von ernsthaften Öko-
Und ohne das papierene Falschgeld würde jetzt die Welt nomen belegen eine zwar zeitverzögerte, aber geradezu Eins-
nicht vor dem Abgrund einer finanziellen Katastrophe ste- zu-Eins betragende Korrelation zwischen Geldmengenzu-
hen, welche die westliche Zivilisation auslöschen kann. Die wachs und Aufwärtsdriften des Preisniveaus.
internationale Vernetzung und wechselseitige Abhängigkeit Auch Bundesbank-Studien belegen das. Im Unterschied
der Banken im Ozean aus Papiergeld-Krediten und -Schul- zu fast allen sogenannten Wirtschaftswissenschaftlern haben
den hat nämlich dazu geführt, dass es nicht – wie in frühe- die Bundesbank-Ökonomen auch nicht übersehen, dass es
ren Krisen – beim Zusammenbruch einiger Banken blei- nicht nur eine Konsumgüter-Preisinflation gibt, sondern auch
ben muss, sondern dass nunmehr innerhalb kurzer Zeit das eine Vermögensgüter-Preisinflation – eine „asset price in-
Bankensystem der ganzen Welt zusammenbrechen kann. flation“. Sie schadet dem Geldwert genauso wie die Kon-
Es ist einfach nicht zu begreifen, dass angesichts solcher sumgüterpreis-Inflation. Auch sie führt zu Fehlallokationen
Erfahrungen und der sich schon lange abzeichnenden Ge- knapper Ressourcen und zieht eine nicht marktgerechte
fahren die weitaus meisten Ökonomen das „fiat money“, Verteilung von Vermögen nach sich. Die steigenden Preise
das Zentralbankwesen und das Bruchteilsreserven-Banken- für Aktien, Immobilien und andere Vermögensgüter lok-
system („fractional reserve banking“) für gut und alterna- ken immer mehr Sparer an, die ebenfalls – wie ihre Nach-

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So konnte man im „Handelsblatt“ lesen: „Die Inflation in Simbabwe hat
7.635 Prozent erreicht. Ursache ist eine Rezession, durch die sich
Nahrung, Benzin und Importe verteuern.“ Dümmer geht es nicht mehr.
barn und Kollegen – an den Preissteigerungen partizipieren schon lange – aber besonders krass in jüngerer Zeit – in
wollen. So kommt es zu Vermögenspreis-Blasen, deren den Medien verfolgen. Sogar in seriösen Zeitungen wie der
späteres Platzen die Volkswirtschaft schwer schädigt. „FAZ“ und dem „Handelsblatt“ wird bezüglich der aktuell
Man konnte in den Jahren, in denen der vormalige FED- hochschnellenden Konsumgüter-Preisinflation in Deutsch-
Präsident Alan Greenspan die Schleusen für das aus heißer land und Europa so gut wie nie auf die wahre Ursache –
Luft geschaffene Geld weit geöffnet hat, staunend beob- nämlich auf das in der EU seit Jahren zwischen 5 und 13
achten, wie sich in den USA eine „asset price“-Blase nach Prozent schwankende Geldmengenwachstum – verwiesen.
der anderen gebildet hat: Zuerst die Aktienblase, dann die Stattdessen kann man Kommentare lesen wie: „Verantwort-
Immobilien- und Hypothekenblase, und dann die Blase der lich für den Preisschub sind hauptsächlich Energie und
sogenannten Derivate, der um zwanzig Ecken herum ver- Nahrungsmittel. Auf sie geht mehr als die Hälfte der Ge-
brieften Schulden und Kredite. Sie alle sind entweder be- samtpreissteigerung gegenüber Ende 2006 zurück.“
reits geplatzt oder sie werden noch platzen. Mit furchtba- Wie unsinnig solche Erklärungen sind, erkennt man,
ren Folgen. Irgendwann treten nämlich im überhitzten Fi- sobald man die richtigen Begriffe verwendet. Dann müsste
nanzsektor Verluste auf und bringen den Kredit- und Geld- der besagte Kommentar nämlich lauten: „Die Teuerung
schöpfungsprozess zur Notbremsung. Danach beginnt eine kommt von der Teuerung“ – ähnlich dem Berliner Spruch:
unheilvolle Abwärtsspirale: Fallende Vermögenspreise, Li- „Die Armut kommt von der Povertee.“
quiditätsengpässe, wankende Banken, sinkender Konsum, Geradezu kabarettreif war die Meldung der Nachrich-
rückläufige Investitionen, Firmenzusammenbrüche und sin- tenagentur Reuters, die Ende August 2007 im Streuverfah-
kende Beschäftigung. Rezession oder gar Depression hal- ren an Dutzende (oder vielleicht Hunderte) von Zeitungs-
ten Einzug. Für die letzten drei Jahre des aktuellen Jahr- redaktionen ging. So konnte man denn auch im seriösen
zehnts steht uns vielleicht noch Schlimmeres ins Haus. „Handelsblatt“ lesen: „Die Inflation in Simbabwe hat 7.635
Ein paar Worte zur Terminologie, weil auch sie heute Prozent erreicht. Ursache ist eine seit neun Jahren andau-
nicht mehr stimmt: Die „ alten“ Ökonomen in und aus der ernde Rezession, durch die sich Nahrung, Benzin und Im-
Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg – genauer: vor Keynes porte immer weiter verteuern.“ Dümmer geht es nicht mehr.
und seinen Voodoo-Lehren – wussten noch, dass „Inflati- Der Verbrecher Mugabe, der die Notenpressen Tag und
on“ Geldmengenvermehrung bedeutet. Das, was aus die- Nacht laufen lässt und immer noch mehr Nullen auf die
ser Geldmengenaufblähung zwangsläufig folgt, nannte man Geldscheine drucken lässt, hält sich den Bauch vor Lachen.
(zur Unterscheidung von „Inflation“) Güterpreisinflation Es sei hier wiederholt: Die einzige Ursache dessen, was
oder Teuerung. Was man heute Inflation nennt, ist also ei- man heute als Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus be-
gentlich ihre Folge. Die Güterpreisinflation oder Teuerung zeichnet, ist die Vermehrung der Geldmenge. Nichts sonst.
ist eine Folge der Inflation – also der Geldmengenaufblä- Die Preise für Benzin, Strom und Lebensmittel können
hung. Aber bleiben wir einmal dabei, das Steigen einiger, durch Veränderungen der Angebots- und Nachfragever-
vieler oder aller Preise „Inflation“ zu nennen. Dann muss hältnisse noch so stark steigen: Es kann hierdurch keine Preis-
die unumstößliche Wahrheit – das eherne Gesetz der Geld- niveau-Erhöhung stattfinden, wenn die Geldmenge nicht
theorie – lauten: Die einzige Inflationsursache ist Geldmen- zugleich steigt oder vorher gestiegen ist. Wenn alle Konsu-
genvermehrung. Nichts sonst! Milton Friedman, weltbe- menten oder Nachfrager dasselbe Geldvolumen zur Ver-
rühmter Ökonom und Nobelpreisträger, hat das in den fügung haben wie zuvor, dann werden sie – wenn sie mehr
Satz gegossen: „Inflation is always and everywhere a mo- für die teureren Güter ausgeben wollen oder müssen – ihre
netary phenomenon.“ (Inflation ist immer und überall ein Käufe an anderer Stelle und bei anderen Gütern verringern.
monetäres Phänomen, was bedeuten soll: Sie ist ein geld- Das drückt den Preis dieser Güter nach unten, sodass das
mengenspezifisches und kein durch „Kostendruck“ oder Preisniveau insgesamt gleich bleibt. Das folgt nicht nur aus
Preispolitik verursachtes Ereignis. Die Erhöhung der Um- der zwingenden Logik, dass man den Wasserpegel einer
laufsgeschwindigkeit des Geldes im Stadium einer fortge- Badewanne nicht erhöhen kann, wenn man kein zusätzli-
schrittenen Preisinflation ist letztlich auch nichts anderes als ches Wasser reinschüttet, sondern es ließ sich auch in der
eine Geldmengenerhöhung). Praxis der Goldwährung über 100 Jahre lang beobachten:
Was aus den geldtheoretischen Kenntnissen der Öko- Von 1790 bis 1913 war die Kaufkraft des Dollars konstant.
nomenzunft seit Keynes geworden ist, kann man allerdings Es gab einige geringe Auf- und Ab-Bewegungen, aber im

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Prinzip war der Dollar von 1913 derselbe wie der von 1850 zur Bezahlung von Handwerker-Rechnungen, dann kön-
und wie der von 1790. Und das trotz umwälzender Verän- nen auch diese Empfängerbanken 90 Prozent davon als
derungen in der Güterwelt des 19. Jahrhunderts wie etwa Darlehen vergeben – vierter, fünfter und sechster Lufgeld-
der Erfindung und Ausbreitung der Dampfmaschine, der zauber, und so weiter... So entsteht also das „easy money“
Elektrifizierung oder des Eisenbahnwesens. kaskadenartig, ohne dass dahinter ein echter Sachwert stün-
Wer vermehrt denn nun die Geldmenge – und wer ist de. (Der Prozess kann natürlich auch durch direkte Verkäu-
somit der Verursacher der ständigen Teuerung oder anders fe von Staatsschuldscheinen an die Zentralbank eingeleitet
gesagt des ständigen Kaufkraftzerfalls der Währungen? Es werden).
gibt auf den ersten Blick drei Schuldige: Erstens die Zen- Ohne das beliebig vermehrbare Papiergeld könnte es
tralbanken, die mit ihrer Zinspolitik und ihren sonstigen weder die permanenten Haushaltsdefizite des Staates ge-
Aktivitäten (zum Beispiel der sogenannten Offenmarktpo- ben noch eine Überexpansion der Kreditmengen durch die
litik) die Geld- und Kreditnachfrage steuern. Zentralban- Banken, noch wären Zentralbanken erforderlich – und de-
ken sind Inflationsmaschinen – und das ist ihr Zweck. ren Zinspolitik schon gar nicht. So wie es ohne Alkohol
Zweitens die Regierungen, die mit ihren Haushaltsdefiziten keine Betrunkenen geben könnte, so auch ohne fiat money
die Staatsschulden erhöhen – und somit auch das Geldvo- keine Inflation (Geldmengenvermehrung) – und somit auch
lumen. Wenn Politiker die Möglichkeit haben, beliebig Geld keine Preisinflation. Ohne Inflation (also ohne Geldmen-
für Zwecke des Stimmenfangs zu schaffen, dann tun sie genvermehrung) auch keine Inflation der Konsumgüterprei-
das auch. Und drittens die Banken, die im „fractional reser- se und keine Inflation der Vermögensgüterpreise. Und ohne
ve“-System aus den Einlagen der Kunden die bis zu 10- Preisinflation keine Kaufkraftvernichtung des Geldes und
fache Geldmenge in Form von Krediten zaubern können keine wertevernichtenden Finanz- und Wirtschaftskrisen.
(jedenfalls in ihrer Gesamtheit – also im Konzert aller Ban- Warum in Dreiteufels Namen akzeptieren dann die
ken). Bürger die Inflation? Weil alle, die den Leuten etwas offizi-
Ein genauerer Blick zeigt aber, dass all diese Aktivitäten ell verkünden können, Inflationisten sind:
der drei Verursacher der Kredit- und Liquiditätsschwem- Die Politiker, die Ökonomen, die Journalisten, die Ban-
me nur im „fiat money“-System möglich sind, ja von die- ker und die Zentralbanker. Die Politiker lieben die Inflati-
sem System sogar systematisch herausgefordert werden. Die on, weil sie auf diesem Weg heimliche Steuern eintreiben
tiefste Quelle allen Übels ist also das reine Papiergeldsy- können. Die Bürger bezahlen nämlich mit dem Kaufkraft-
stem. Es lockt die menschlichen Schwächen mit Sirenen- verlust ihrer Einkommen und Ersparnisse indirekt die aus-
klängen – und niemand ist, wie Odysseus, bereit, sich an ufernden Staatsschulden, die sich im Ausmaß der Inflation
den Mast anzubinden. Und es ist, auch wenn ich mich wie- entwerten und endlos fortgesetzt werden können. Nicht
derhole, das zerstörerischste System, das die Herrschenden nur das, was der Staat in Form von Steuern einzieht, kann
jemals erfunden haben. von den Bürgern nicht mehr ausgegeben werden, sondern
Schauen wir uns die Entstehung von Luftgeld einmal auch das, was der Staat an Schuldengeld ausgibt, muss von
am Beispiel der FED an: Das Schatzamt der Vereinigten den Bürgern – via Inflation – „zwangsgespart“ werden,
Staaten stellt einen Staats-Schuldschein aus und verkauft die- weil es die Kaufkraft ihres restlichen Geldes vermindert.
sen an eine Bank X gegen entsprechende Überweisung auf Es bleibt sich gleich, ob ich jemandem von 100 Euro 30
das Treasury-Konto – erstes Herbeizaubern von Luftgeld. Euro per Steuer wegnehme oder ob ich seine 100 Euro so
Bank X hat nun also eine verbriefte Forderung an den US- entwerte, dass er nur noch für 70 Euro Waren und Dienste
Staat. Sie verkauft diese Forderung (also den Schuldschein) kaufen kann. Das durch verminderte Kaufkraft – also durch
an die Zentralbank (FED). Die FED richtet der Bank X im den abnehmenden Wert der Einkommen und Ersparnisse
Gegenzug ein Guthaben ein – zweites Herbeizaubern von verlorene Geld ist nicht einfach „weg“, es hat sich nicht
Luftgeld. Bei einem Mindestreservesatz von 10 Prozent „aufgelöst“, sondern andere haben es ausgegeben, vorzugs-
verleiht Bank X 90 Prozent ihres neuen Guthabens an an- weise die Schatzmeister der staatlichen Institutionen.
dere Banken. Diese Banken haben nun neue Sichteinlagen Hinzu kommen bei Inflation die fiskalischen Vorteile
und können wiederum je 90 Prozent davon an ihre Kun- der sogenannten „kalten Progression“ – also das Hochrut-
den ausleihen – dritter Luftgeld-Zauber. Wenn die Kunden schen der Einkommenssteuerzahler in immer höhere Pro-
mit ihren Kreditgeldern Überweisungen vornehmen, etwa gressionsstufen auch dann, wenn ihre Einkommen real sta-

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Der Mensch wird frech-fordernd und gereizt, korrupt, gierig und
neidisch, hasserfüllt und streitsüchtig, verschwenderisch, lethargisch.
Geld und persönlicher Charakter sind miteinander verbunden.
gnieren und nur nominell steigen. Das Ganze ist ein infa- Prämien für die Krankenversicherung sind in den USA seit
mes Macht- und Pfründe-Spiel. Die Inflation ist der Preis 2001 um 78 Prozent gestiegen, die Löhne in derselben Zeit
für den gigantischen Betrug der politischen Kaste an den aber nur um 19 Prozent. Auf längere Sicht sieht es noch
Bürgern. Das strategische Konzept des Betruges lautet: Wie trüber aus: 1940 kostete eine U-Bahnfahrt in New York
nehme ich, Staat, den Leuten – möglichst ohne dass sie es einen Nickel, also 5 Cent, heute 2 Dollar – also das Vierzig-
merken – so viel von ihren Einkommen und Vermögen fache.
weg, dass ich sie damit in Abhängigkeit von mir und mei- Bei uns sieht es nicht viel besser aus. Ich konnte mir als
nen milden Gaben bringen kann, in eine Abhängigkeit, die 11-jähriger Junge (also im Jahr 1951) am Kiosk eine Brezel
mir Macht und üppige Versorgung meiner Exekutoren ein- für 5 Pfennige kaufen. Heute kostet das Ding einen Euro –
bringt? also ebenfalls das Vierzigfache.
Die Ökonomen lieben die Inflation, eine sogenannte Aktuell wird die Preisinflation in den USA mit 4,1 Pro-
„mäßige Inflation“ jedenfalls, weil sie – getreu den Keynes- zent angegeben. Der Statistiker John Williams hat den In-
schen Lehren – glauben, sie fördere Wachstum und Be- dex kürzlich mit den Methoden gemessen, wie sie von den
schäftigung. Und die Journalisten plappern das nach. statistischen Ämtern der USA noch 1980 angewendet wor-
Die Banker sehen die Inflation als Preis des „fiat money“, den waren und die noch weniger verfälscht waren als heu-
für das papierene Falschgeld, das sie lieben, weil sie damit te. Das Ergebnis: Im Dezember 2007 lag die wahre Teue-
viel mehr Kredite gegen Zinsen vergeben können als sie bei rung bei fast 12 Prozent. Das ist auch der Grund dafür,
einer Goldwährung ausleihen könnten. Die Zentralbanker dass die FED die Geldmenge M3 seit fast einem Jahr nicht
bekommen ebenfalls Zinsen für die aus heißer Luft gezau- mehr publiziert. Angeblich, weil sie keinen Aussagewert
berten Kredite, die sie den Banken und dem Staat gewäh- mehr habe, in Wirklichkeit aber, weil sie ein zuverlässiges
ren. Indiz für die tatsächliche Preisinflation ist, die ihrer Steige-
Und die Bürger akzeptieren die Inflation, weil sie die rung auf dem Fuße folgt. Für das Jahr 2007 belief sich das
besagten Inflationisten für „Koryphäen“ halten und weil Wachstum der US-Geldmenge M3 (nach Williams’ vorsich-
das Wissen über das Wesen des Geldes verlorengegangen tigen Berechnungen) auf mehr als 15 Prozent. Und aktuell
ist. Die Menschen können nicht mehr zwischen Geld (ge- wächst sie weiter mit Raten, die dem 6- bis 7-fachen des
nauer: Geldersatz) und Reichtum unterscheiden. Ahnungs- Sozialproduktswachstums entsprechen.
los glauben sie, der Staat versorge sie mit Geld und Wohl- Die wahre Preisinflation oder der tatsächliche Kaufkraft-
stand, wenn er nur genug Papier- und Kreditgeld erzeugt verlust ist aber noch weitaus höher als solche Zahlen nahe-
und unter die Leute streut. In Wahrheit nimmt er ihnen mit legen. Preisinflation würde beispielsweise auch dann herr-
jedem aus heißer Luft erzeugten Kreditgeld-Euro oder schen, wenn das Preisniveau stabil bliebe. Der Produktivi-
-Dollar Wohlstand und Eigentum, Vermögen und Erspar- tätsfortschritt würde nämlich bei unveränderter oder nur
nisse weg, und letztlich auch ihre Freiheit. Der Staat kann leicht steigender Geldmenge dafür sorgen, dass die Preise
den Leuten kein anderes Geld geben als das, was er ihnen permanent leicht sinken würden – etwa um 1 bis 1,5 Pro-
zuvor abgenommen hat oder zugleich abnimmt oder spä- zent pro Jahr, wie die Erfahrung aus der Goldwährungs-
ter abnehmen wird. Anderes, wirklich eigenes, mit produk- zeit lehrt. Der Ökonomie-Professor Mark Brandly schätzt,
tiver Tätigkeit erworbenes Geld, kann der Staat nicht ha- dass die Preise heute 34 mal niedriger wären, wenn das
ben. Geldangebot seit 1959 unverändert geblieben wäre. Ein
So erklärt sich auch, dass beispielsweise ein 30-jähriger 20.000-Dollar-Auto würde dann heute nur 600 Dollar ko-
amerikanischer Arbeiter heute mit seinem Durchschnitts- sten. Stattdessen ist allein in den zehn Jahren zwischen 1996
verdienst von (inflationsbereinigt) 35.000 Dollar pro Jahr und 2006 die Weltgeldmenge (M3) um 50 Prozent mehr
5.000 Dollar weniger nach Hause bringt als sein Vater im gestiegen als das Weltsozialprodukt. (Das Welt-BIP um 60
Jahr 1974. Eigentlich müssten ihm 33 Jahre Produktivitäts- Prozent, die Weltgeldmenge um 90 Prozent).
fortschritt heute, in realer Kaufkraft gemessen, das Dreifa- Betrachtet man einen längeren Zeitraum, so wird ei-
che des Verdienstes von 1974 einbringen. Stattdessen ist er nem schwindelig: In den USA ist die Geldmenge von 1959
– dank des permanenten Kaufkraftverlustes – ärmer ge- bis 2004 von 302 Milliarden US-Dollar auf 9.500 Milliar-
worden. Die Preisinflation liegt seit vielen Jahren beim drei- den gestiegen, eine Explosion um dreitausend Prozent. In
bis fünffachen der offiziell verkündeten Zahlen. Allein die derselben Zeit ist die Kaufkraft des Dollars um 85 Prozent

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gesunken. Die Immobilien-, Kredit- und Hypothekenbla- eine Hyperinflation wie in Simbabwe. Andererseits ist ein
sen der letzten Jahre konnten nur deshalb so gigantischen Hochschaukeln der Vermögensgüterpreise auf die jetzt er-
Umfang annehmen, weil Greenspan ab 2001 beim Geld- reichten astronomischen Ziffern höllengefährlich. Setzt näm-
angebot den Turbo eingeschaltet hat. Die Geldvermeh- lich eine Abwärtsspirale ein, und das tut sie irgendwann,
rungsrate schoss 2001 auf 20 Prozent hoch, schwankte in dann kann das – bei der inzwischen erreichten Fallhöhe –
den folgenden drei Jahren um 10 Prozent pro Jahr – und zu einem Einstürzen des Weltfinanz-Kartenhauses führen,
erreichte gegen Ende 2007 fast 18 Prozent. In den meisten zu einem Einsturz, von dessen Ausmaß und Schrecken wir
europäischen Staaten waren die Zahlen nicht viel besser. keine Vorstellung haben. Es ist nicht mehr undenkbar, dies-
Wahrlich beängstigend, ja geradezu apokalyptisch wer- bezüglich sogar von einem möglichen Untergang der west-
den die Zahlen, wenn man die Summe aller inzwischen an- lichen Zivilisation zu reden.
gehäuften Finanzanlagen (ohne Immobilien, aber inklusive Eine leise Ahnung davon hat wohl die Zentralbanken
der sogenannten Derivate) betrachtet. Diese wird auf welt- der Welt beschlichen, als sie in der zweiten Augusthälfte 2007
weit 300.000 Milliarden Dollar geschätzt. Und das bei ei- dem Bankensystem 300 Milliarden Dollar an Liquiditätshil-
nem Weltsozialprodukt von rund 50.000 Milliarden Dollar. fen zur Verfügung stellten. Das entspricht, um eine Vorstel-
Das bedeutet: Sollten sich die derzeitigen Turbulenzen an lung von der Höhe des Betrages zu vermitteln, einer Sum-
den Finanzmärkten fortsetzen oder gar verschlimmern – me von 50 Dollar auf jeden Kopf der Weltbevölkerung
und sollten dann auch nur 20 Prozent dieser Finanzanlagen von 6 Milliarden Menschen. Überflüssig zu sagen, dass der-
abgeschrieben werden müssen, so würden sich die Verluste art wahnwitzige und die Existenz der halben Menschheit
zu einem Betrag summieren, der um 20 Prozent über dem bedrohende Entwicklungen unter der Domäne ehrlichen
Weltsozialprodukt liegt. Marktgeldes (Gold- und Silbergeldes) völlig unmöglich
Dass der Teufelskreis aus Kreditschöpfung und Ver- gewesen wären.
schuldung nun seinem Ende zusteuert, mag die Tatsache Noch ein paar Worte zu den moralischen – besser: un-
erläutern, dass aktuell jeder Dollar Mehrverschuldung in den moralischen – Folgen der Inflation: Es sei hier an das Ein-
USA nur noch ein zusätzliches Sozialproduktswachstum von gangszitat von Lenin erinnert: Die Zerstörung des Geldes
20 Cents erzeugt. In den 50er Jahren lag diese Relation noch zerstört die Gesellschaft. Der Autor Erich Leverkus hat
bei 73 Cents. Ich bin sicher, dass die Domäne des reinen trefflich formuliert: „Die Inflationsgesellschaft ist eine Ell-
Papiergeldes die nächsten zehn Jahre nicht überleben wird. bogen-Gesellschaft.“ Die steigenden Geldmengen treffen
Es wird zusammenbrechen. Was danach kommt, kann nie- auf eine nicht im gleichen Ausmaß erhöhte (oder gleich
mand voraussagen. Sicher ist nur, dass es noch keinen Feh- gebliebene) Gütermenge. Die Situation gleicht der einer
ler, keine Narretei, keinen Wahn und kein Verbrechen gege- Kollektivspeisung, bei der mehr Essensmarken ausgegeben
ben hat, die vom Staat und seinen Schranzen noch nicht werden als Portionen vorhanden sind. Erst kommt es zu
begangen worden wären. Es ist also höchst unwahrschein- Gerangel, Geschubse, Vordrängeln und Streit, dann schließ-
lich, dass man ein vernünftiges und seriöses Nachfolge- lich zu Schlägereien, Raub, Diebstahl, Betrug und massiver
Geldsystem installieren oder zulassen wird. Gewaltanwendung.
Es sind aber noch andere Zahlen in Umlauf, deren Der Mensch ist vom Instinkt nicht so eingeschränkt wie
Zuverlässigkeit ich allerdings nicht prüfen kann. So sollten die Tiere. Deshalb ist er in allem potentiell maßlos. Wenn
sich beispielsweise die im dritten Quartal 2007 weltweit ein „maßloses Geld“ – wie das schrankenlos vermehrbare
umlaufenden Derivate auf 680 Billionen US-Dollar belau- Papiergeld – sein Leben durchdringt, schwinden die Zwänge
fen (deutsche Billionen, amerikanische „trillions“). Das wäre und reißen die Stränge, die ihn an die Realität anbinden. Er
das 48-fache des US-Sozialprodukts von 14 Billionen Dol- verfällt allen Arten des Illusionismus, seien sie charakterli-
lar – oder mehr als das 13-fache der Marktkapitalisierung cher, materieller, finanzieller, ideologischer, politischer, mi-
aller Aktien weltweit von rund 51 Billionen Dollar. Alles litärischer oder ersatzreligiöser Natur. Er wird frech-for-
Horrorziffern. Einerseits könnte man zynischerweise fast dernd und gereizt, verschlagen und korrupt, gierig und nei-
von Glück reden, dass sich die Fluten aus den Geld- und disch, hasserfüllt und streitsüchtig, vergnügungssüchtig und
Kreditschleusen der Geldangebotszauberer hauptsächlich in verschwenderisch, oder lethargisch und ziellos. Geld und
die Märkte für Vermögensgüter ergossen haben – und we- persönlicher Charakter sind eben auf vielfältige und subtile
niger in die Konsumgütermärkte. Wir hätten sonst längst Weise miteinander verbunden. Das Selbstwertgefühl eines

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Harte Arbeit, auch für die Familie und die Kinder und für die Zukunft der
Nachkommen, wird als dumm und einfältig betrachtet, Schulden machen
und die Staatstöpfe anzapfen als clever und pfiffig.
Menschen wird wesentlich davon beeinflusst, wie die Ge- und der Zusammenbruch eintreten, werden diese entmün-
sellschaft seine Arbeit bewertet – und Geld dient dabei als digten Staatsmündel ohnehin wieder nach dem starken Mann
Bewertungsmaßstab. und der alles regelnden Partei rufen. „Wie der Albatros als
Wenn sich die Unterscheidung zwischen echtem Geld Vorbote des Sturms“, hat Ortega y Gasset geschrieben, „so
und Falschgeld aufzulösen beginnt – wie das beim „fiat tritt der Mensch der Tat stets am Horizont auf, wenn eine
money“ systematisch und besonders in der Inflation des neue Krise ausbricht“ – und führt die Massen in die Barba-
„fiat money“ der Fall ist, dann geht der vielleicht wichtigste rei zurück. Und vom amerikanischen Ökonomen Marc
Wertmessfaktor und Bewertungsmaßstab verloren. Die Thornton stammen die Worte: „Man muss begreifen, dass
betroffene Gesellschaft wirft ihre Tabus über Bord und das gegenwärtige ‚fiat money’-System ein bewusst krimi-
verkommt auch hinsichtlich ihrer Verhaltensregeln. Der In- nelles System ist, das Gewinner und Verlierer produziert,
flation des Geldes folgt die Inflation der Wertempfindun- wobei die Gewinner der Staat und seine Helfer sind, und
gen – das heißt sie entwickeln sich in Richtung Beliebigkeit alle anderen die Verlierer. Nur ein marktwirtschaftliches
und lösen sich schließlich ganz auf. Das, was die Ökono- Geldsystem eliminiert die Möglichkeit zur Inflationierung
men „Zeitpräferenz“ nennen, verändert sich dramatisch. Das und von Konjunkturzyklen.“ Es würde auch, so ergänze
Hier und Jetzt wird wichtig; die Zukunft soll der Teufel ich, die uferlose Machtausdehnung des Staates begrenzen
holen. Irgendjemand – vorzugsweise der Staat – wird uns und dem immer dreisteren Zugriff der politischen Eliten
schon über die Runden retten. Harte Arbeit, auch für die auf das Leben und das Eigentum der Bürger Einhalt ge-
Familie und die Kinder und für die Zukunft der Nach- bieten.
kommen, wird als dumm und einfältig betrachtet, Schul- Womit wir beim letzten Punkt angelangt wären, näm-
den machen und die Staatstöpfe anzapfen als clever und lich bei der Frage, wie ein solches marktwirtschaftliches
pfiffig. Sparen und Vorsorgen werden mehr und mehr zum Geldsystem beschaffen sein sollte.
Laster – und Konsum und unablässiger Genuss zur Tu- Das beste aller Systeme wäre eine reine Goldwährung.
gend. Die Menschen fallen in einen Zustand permanenten Doch weil das voraussetzen würde, dass alle Staaten mit-
Nicht-Erwachsenseins. Spaß muss sein, auch wenn er in machen oder doch wenigstens die wichtigsten Industriena-
immer unerträglicherer Form aus der Glotze kommt. Das tionen, können wir diese Lösung als illusorisch abhaken. Es
Leben wird zum Videospiel, angetrieben vom „easy money“ bleibt die Möglichkeit einer zweitbesten Lösung – und die
und vom Kreditkarten-Geld. heißt „konkurrierende Privatwährungen“ oder einfach
Letzlich ist diese Kreditabhängigkeit der Weg in die „Marktwährungen“. Sie einzuführen, wäre relativ einfach.
Staatsabhängigkeit. Weil sie keine Reserven für schlechte Tage Es bedürfte dazu dreier Schritte:
mehr haben, werden die Leute bei jeder unerwarteten grö- Erstens: Abschaffung der „legal tender“-Gesetze. Es
ßeren Belastung durch Krankheit, Arbeitslosigkeit oder müssten also alle rechtlichen Regulierungen beseitigt wer-
Großreparaturen hilflos und rufen nach dem Staat. Die den, mit denen das staatsmonopolistische Geld zum einzig
Kinder beobachten das und lernen, dass man sich weniger zulässigen „gesetzlichen Zahlungsmittel“ erklärt wird.
auf Vater und Mutter verlassen sollte, sondern auf die staat- Zweitens: Zulassung privater Münz-Prägeanstalten – wie
lichen Sozialversicherungen und Hilfswerke. Altersvorsor- es sie beispielsweise in Kalifornien vor 1864 schon gegeben
ge und Bildung der Kinder überlässt man ohnehin der Bü- hat. Der Staat könnte weiterhin auf Zahlung der Steuern
rokratie und den öffentlichen Institutionen. Inflation und mit papierenen Euros bestehen, aber die Bürger müssten
staatliche Abzocke lassen den Mittelstand ausbluten und die Freiheit haben, bei allen Verträgen und Transaktionen
führen in die Massenproletarisierung. Was den großen so- auch anderes, privat geprägtes Geld zu verwenden oder zu
zialistischen Menschheitsverbrechern mit ihrer Zentralpla- vereinbaren. Natürlich nur im wechselseitigen Einverständ-
nung und mit der Abschaffung des Eigentums nicht gelun- nis, wie das bei privaten Vertragsschlüssen ohnehin selbst-
gen ist, nämlich den „neuen Menschen“ zu kreieren, ein geist- verständlich ist.
loses, besitzloses, verantwortungsloses, sittenloses, bindungs- Drittens: Verfassungsrechtliches Verbot jeder Art von
loses, gewissenloses und religionsloses Ameisenwesen, das Steuern oder Abgaben auf Wertsteigerungen der Privat-
scheint der politischen Demokratie-Kaste mit der monetä- münzen oder auf deren Verwendung. Also keine Steuern
ren Zentralplanung und der Reichtumsillusion des „easy auf die Münzen selber, auch wenn die Geschäfte, die damit
money“ sukzessive zu gelingen. Wenn dann die große Krise getätigt werden, nach wie vor der üblichen Besteuerung

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unterworfen wären. Diese Geldarten würden also sowohl eigentümlich frei


untereinander als auch gegenüber dem Staatsgeld in einen ISSN 1617-5336 www.ef-magazin.de
Stabilitätswettbewerb eintreten, und es wäre dabei völlig
egal, wohin sich die Preise für Gold und Silber oder für erscheint 10 mal pro Jahr (monatlich – bei zwei Doppelausgaben pro
andere unterlegte Sachwerte entwickeln. Jahr) Einzelpreis Inland: 8,00 EUR inkl. Porto/Vp. Bezugs-
Nicht genau so, aber ganz ähnlich lauten die Vorschlä- preise für ein Jahr (10 Hefte): Inland: 76,00 EUR inkl. Por-
ge, die der große Ökonom und Nobelpreisträger Fried- to/Vp. Europa: 86,00 EUR inkl. Porto/Vp. Übersee: 100,00
rich A. von Hayek in seinem Alterswerk „Denationalization EUR inkl. Porto/Vp. Schüler, Studenten oder Zwangsdienstleistende,
of Money“ (Entstaatlichung des Geldes) gemacht hat. Die die Probleme haben, ein Abonnement zu finanzieren und die selbst
letzten drei Sätze des Buches sollten wir uns so tief einprä- keinen Sponsor finden, erhalten ein gesponsertes Abonnement zu 38,00
gen, als wären sie mit glühenden Eisen in den dahinsiechen- EUR inkl. Porto/Vp. Das Abonnement verlängert sich automa-
den Kadaver des heutigen Inflationsgeldes eingebrannt: Der tisch um ein Jahr, wenn es nicht bis 3 Monate vor Ablauf des laufen-
Vorschlag zur Einführung konkurrierenden Privatgeldes den Abonnements schriftlich gekündigt wird.
„deutet den einzigen Weg an, auf dem wir noch hoffen Herausgeber und Chefredakteur: André F. Lichtschlag,
können, der anhaltenden Entwicklung aller Regierungen in M.A. Email: Lichtschlag@ef-magazin.de
Richtung auf den Totalitarismus Einhalt zu gebieten, der Redaktion: Thorsten Boiger, Robert Grözinger und Da-
vielen scharfen Beobachtern als unvermeidbar erscheint. Ich vid Schah. Ulrich Wille (Lektorat und besondere Aufga-
wünschte, ich könnte den Rat geben, langsam vorzugehen. ben). Carlos A. Gebauer, Arne Hoffmann und Claus Vogt
Aber die Zeit mag kurz sein.“ (Kolumnen & mehr). Roland Pimpl,
Lange vorher hatte Hayeks akademischer Lehrer, Lud- Kaspar Rosenbaum und Chris Vigelius (ständige
wig von Mises, geschrieben: „Es gibt keinen Weg, den fina- Mitarbeit).
len Zusammenbruch eines Booms zu vermeiden, der durch Redaktionsbeirat: Dipl.-Volksw. Roland Baader, Dr. ha-
Kreditexpansion erzeugt worden ist. Die Alternative kann bil. Stefan Blankertz, Dr. habil. Hardy Bouillon, Dr. Detmar
nur sein: Entweder die Krise kommt früher – als ein Er- Doering, Prof. Dr. Gerd Habermann, Prof. Dr. Hans-Her-
gebnis der freiwilligen Einstellung der Kreditexpansion – mann Hoppe, Prof. Dr. Guido Hülsmann, Robert Nef, lic.
oder später als eine finale und totale Katastrophe des be- iur., Prof. Dr. Erich Weede.
treffenden Währungssystems.“ Karikaturen (Seite 7 und Capitalista-Portraits): Götz
Man mag aus den Worten dieser intellektuellen Gigan- Wiedenroth (www.wiedenroth-karikatur.de)
ten erahnen, wie ernst es Hayek mit den beschwörenden Graphik: André F. Lichtschlag (Layout und Titellayout)
Sätzen war: „Ich wünschte, ich könnte den Rat geben, lang- Bildquellen: Alle Fotos, sofern nicht anders angegeben,
sam vorzugehen. Aber die Zeit mag kurz sein.“ stammen aus dem Archiv der Lichtschlag Medien und
Sie war kurz, zu kurz. Jetzt ist es wohl zu spät. Wir Werbung KG sowie aus den privaten Archiven der Auto-
werden erleben, wie man die Agonie des Weltfinanzsystems ren.
dem Kapitalismus zuschreiben wird – und nicht seinem Verlag: Lichtschlag Medien und Werbung KG. Malven-
Zerstörer, dem sozialistischen Staatsgeld. Was der papiere- weg 24. 41516 Grevenbroich. Tel. 0 21 82 - 570 45 00. Fax
ne Selbstmord wirtschaftlich und politisch nach sich ziehen 0 21 82 - 570 40 41.
kann: Die Generation unserer Eltern und Großeltern hat es Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 8.
erlebt. Ich hatte gehofft, dass es unserer Generation und Bankverbindung: Lichtschlag Medien und Werbung KG,
unseren Kindern erspart bleiben möge. Eine wohl vergeb- Raiffeisenbank Grevenbroich e.G., (BLZ 370 693 06) Kto.-
liche Hoffnung. Nr. 6 704 288 016, Internationale Bankverbindung: BIC
CODE / SWIFT: GENO DE D1 GRB, IBAN: DE 08
3706 9306 6704 2880 16, Steuer-Nummer: 114/5712/1105.
Literatur Namentlich gekennzeichnete Beiträge werden von den Autoren selbst
Ludwig von Mises: Theorie des Geldes und der Umlaufs- verantwortet und geben nicht in jedem Fall die Meinung des Heraus-
mittel. gebers wieder.
Friedrich A. von Hayek: Denationalization of Money. Druck: IDEE Druckhaus GmbH, Otto-Hahn-Str. 14,
Roland Baader: Geld, Gold und Gottspieler. 50181 Bedburg, Tel. 0 22 72 / 9 99 90.

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