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Jezicne vjezbe VIII (207 W.

)
Linke Machtperspektive

Die geplante erste rot-rot-grüne Koalition in einem westdeutschen Bundesland verhilft der SPD
in Bremen trotz Wahldesaster zum Machterhalt. Die Risiken der linken Koalition tragen vor
allem die Grünen.

Der Eimer mit der Tünche steht bereit. SPD, Grüne und Linkspartei schwingen schon kräftig den
Pinsel und verklären ihr geplantes Linksbündnis zu einem Projekt politischer Avantgarde, das
Bedeutung für ganz Deutschland habe. Die Stichworte lauten „Reformpolitik“, „bundesweiter
Vorreiter“, „progressive Politik“.

Progressiv an dem Bündnis ist allerdings nicht einmal die Fassade. Dieselbe Tünche wird in
Bremen schon viele Jahrzehnte verwendet. Aus Sicht der Bremer stellt sich das Verhältnis zum
Rest Deutschlands so dar: In der Hansestadt werden die Ideen entwickelt, die später andernorts
übernommen werden – Bremen als politisches Labor der Republik. Parteipolitisch betrachtet,
stimmt das sogar: 1979 haben die Grünen es dort erstmals in ein Landesparlament geschafft. Und
2007 gelangte die Linkspartei in Bremen zum ersten Mal in ein westdeutsches Landesparlament.
Insofern scheint es fast konsequent, wenn in Bremen nun auch das erste rot-rot-grüne Bündnis in
Westdeutschland zustande kommt.

Die beanspruchte Vorreiterrolle begründet sich dem Selbstverständnis nach jedoch nicht
parteipolitisch, sondern inhaltlich. Und da klafft ein Abgrund zwischen Anspruch und
Wirklichkeit. Das gilt insbesondere für die Sozialpolitik. Seit 1945 wird Bremen ohne
Unterbrechung von einem sozialdemokratischen Bürgermeister regiert.
ROT-ROT-GRÜN IN BREMEN

Fast nirgends klaffen die Lebenswelten von Arm und Reich so weit auseinander. Wegen der
Schulden war dann kein Geld mehr übrig, um die Schulen instand zu halten. Halbgare
pädagogische Konzepte sowie eine verfehlte Integrationspolitik taten ein Übriges.

Derzeit hätte Bremen die Gelegenheit, die Abwärtsspirale zu durchbrechen. Hamburg zeigt
bereits, wie man eigene Defizite im Bildungssektor beheben kann und von der Renaissance der
Stadt profitieren kann. Die bisherige rot-grüne Regierung hat mit ernsthafter Sparpolitik das
Vertrauen geschaffen, dass Bremen künftig 400 Millionen Euro Sanierungshilfe vom Bund
bekommt – im Jahr. Auch bei innerer Sicherheit und in der Wirtschaftspolitik wurde der Kurs
allmählich korrigiert.

Die Bremer Linkspartei versichert zwar, dass man die Schuldenbremse einhalten werde, und
präsentiert sich für westdeutsche Verhältnisse ungewöhnlich gefestigt und pragmatisch. Wie tief
die Doktrin gleichwohl sitzt, lässt sich unter anderem daran ablesen, dass die
Fraktionsvorsitzende auf dem Parteitag ein großes Bildnis Che Guevaras präsentierte. Wenn die
Linkspartei clever ist, arbeitet sie auf diesem Feld mit der SPD gegen die Grünen zusammen und
macht es in Innen- und Integrationspolitik genau andersherum. Im Ergebnis kehren dann unter
dem Deckmantel progressiver Reformpolitik die alten bremischen Politikkonzepte zurück.

Für die Linkspartei beinhaltet Rot-Rot-Grün in Bremen vor allem Chancen. Für die SPD bietet
Rot-Rot-Grün die einzige Möglichkeit, trotz ihrer historischen Wahlniederlage weiter das
Rathaus zu besetzen, und sie griff mit brachialem Machtwillen zu. Das ist erklärlich, denn es
spricht nichts dafür, dass die Partei in der Opposition bessere Aussichten hätte zu regenerieren.
Für den linksgerichteten Bremer Landesverband ist das besonders erfreulich, denn dadurch
verschiebt sich die gesamte SPD weiter in seine Richtung.

Die größten Gefahren birgt Rot-Rot-Grün ohne Zweifel für die Grünen. In Bremen hat die Partei
über Jahre unter Mühen belegt, dass sie es mit Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik ernst meint
und dafür auch stagnierende Wahlergebnisse hinnimmt.

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