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Reinhard Müller
Das Alte Testament erzählt von Kriegen, die Israels Feinden den Untergang
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bringen. Diese Kriege werden von Jahwe, dem Gott Israels, geführt.
Am Schilfmeer kämpft Jahwe sogar allein auf der Seite Israels. Die Israeliten
nehmen das Schwert, wenn Jahwe es befiehlt: Sie erobern das Land und rotten
die Kanaanäer aus. Weil Jahwe ihnen beisteht, können sie sich in der Zeit der
Richter und Könige ihrer übermächtigen Feinde erwehren. Immer wieder greift
Israels Gott in die Kriege seines Volkes ein: Er lässt Stadtmauern einstürzen,
schleudert Steine vom Himmel, erweckt geisterfüllte Helden, die Israel in die
Schlacht führen, stiftet unter den Feinden solche Verwirrung, dass sie überein-
ander herfallen, und rettet Jerusalem vor den Assyrern, indem er durch seinen
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1 Vgl. S.-M. Kang, Divine War in the Old Testament and in the Ancient Near East
(BZAW 177), 1989, 108; B. Oded, War, Peace and Empire. Justifications for War in As-
syrian Royal Inscriptions, 1992, 9–27.
diese Könige belagerten Hazrak. Und sie richteten einen Wall auf, höher als der Wall von
Hazrak; und sie hoben einen Graben aus, tiefer als [sein] Grabe[n]. Aber ich erhob meine
Hände zu Be≠elsche[may]n, worauf Be≠elschemay[n] mir antwortete […]. Be≠elschemayn
[wandte sich] zu mir durch Seher und durch Wahrsager. [Und] Be≠elschemayn [sagte zu
mir:] Fürchte dich nicht; denn [ich] habe [dich] zum Köni[g] gemacht, [und ich werde] dir
[beiste]hen, und ich werde dich befreien von all [diesen Königen, die] eine Belagerung ge-
gen dich eröffnet haben […].«2
Zakkur leitet seine Königswürde nicht von einer dynastischen Linie her,
sondern davon, dass Be≠elschemayn, der Wettergott des Himmels3, ihn berufen
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hat; anscheinend hatte er den Thron usurpiert4. Deshalb stellt er den Angriff
Birhadads und seiner Verbündeten als Testfall für seine Berufung dar: Ange-
sichts der feindlichen Übermacht betet der König zu dem Wettergott, und die-
ser antwortet mit einem Heilsorakel, das »durch Seher und durch Wahrsager«
übermittelt wird. Das Orakel bestätigt, dass Be≠elschemayn auf der Seite Zak-
kurs steht: Der Gott beginnt seine Rede an den König mit der geprägten For-
mel »Fürchte dich nicht!«5. Zur Begründung erinnert Be≠elschemayn an Zak-
kurs Inthronisation und verheißt ihm seinen Beistand für den Kampf. Zakkurs
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Sieg gerät so zum Beweis für die göttliche Legitimation des Usurpators. Indem
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Zakkur in der zweiten Hälfte der Inschrift berichtet, dass er die zerstörten
Festungen wiederhergestellt und Tempel gebaut hat6, bezeugt er, wie nachhal-
tig sein Triumph gewesen ist.
Auch in Israel sprach man davon, dass Gott und König im Krieg zusammen-
wirken. Am deutlichsten lässt sich das aus frühen Psalmen entnehmen, die für
einen königlichen Beter gedichtet wurden. Ein Beispiel ist Ps 3, ein Gebet um
Rettung aus der Belagerung:
»Jahwe, wie zahlreich sind meine Feinde,
viele sind, die gegen mich aufstehen!
Aber du, Jahwe, bist mir ein Schild,
meine Ehre und der mein Haupt erhebt.
2 A:2–15 (Übersetzung von W. C. Delsman, in: TUAT I, 1985, 626f; Text: H. Don-
sinen, Fear Not: A Study on an Ancient Near Eastern Phrase (in: M. A. Sweeney / E.
Ben Zvi [Hg.], The Changing Face of Form Criticism for the Twenty-First Century,
Grand Rapids/MI / Cambridge 2003, 122–161), 148ff.
6 B:1–28 (Übersetzung von Delsman [s. Anm. 2]).
106 (2009) Jahwekrieg und Heilsgeschichte 267
Der Beter beginnt, indem er die Übermacht seiner Feinde beklagt. Sein Aus-
ruf »wie zahlreich sind …!« (V. 2) ist allerdings keine geprägte Form der Klage,
sondern entspricht dem Bewunderungsruf, der die Fülle der göttlichen Werke
preist8: Auch wenn die Feinde noch so zahlreich sind, ist der Beter gewiss, dass
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Jahwe ihn bewahren kann. Das wird in der Mitte des Psalms (V. 4.7) entfaltet:
Jahwe ist dem Beter Schild9 und Ehre10; indem er das Haupt des Beters erhebt,
beendet er die Not, in der dieser sein Haupt sinken ließ11. Der Beter bekennt,
dass er die Belagerer nicht fürchtet; er spricht von »Zehntausenden an Kriegs-
volk«, um zu betonen, wie sehr er auf Jahwes Überlegenheit vertraut12. Weil die
Feinde gegen ihn aufgestanden sind (V. 2), beschließt er sein Gebet, indem er
Jahwe bittet, zu seiner Rettung aufzustehen (V. 8*)13.
Das Triumphlied, das in Ps 18,33ff* enthalten ist, beschreibt, wie Gott und
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Ps 3,2.4.7.8aa. – Durch verschiedene Nachträge wurde das Gebet in den Horizont
der nachexilischen Frömmigkeit gestellt: In V. 3 wird die Feindbedrängnis als religiöse
Anfeindung gedeutet, indem die Vielen von V. 2 hier über die Gottverlassenheit des Be-
ters sprechen. Demgegenüber heben V. 5f die Erhörungsgewissheit des Beters hervor. In
V. 8ab.b wird das Motiv der Feinde mit der Gruppe der Frevler (vgl. Ps 1) verknüpft. V. 9
ist eine wahrscheinlich ältere Ergänzung, die das Motiv der Rettung aus V. 8aa auf das
Gottesvolk bezieht.
8 So in Ps 104,24; vgl. 36,8; 66,3; 92,6.
9 Vgl. Ps 18,3.36; 28,7; 144,2.
10 Die nächste Parallele bietet Ps 21,6: Die Ehre des Königs verdankt sich Jahwe.
11 In der Liturgie von Ps 24,7–10, die die Rückkehr des triumphierenden Jahwe der
Heerscharen aus der mythischen Schlacht inszeniert, wird die Erhebung des Hauptes
von den Toren der Stadt ausgesagt; vgl. R. Müller, Jahwe als Wettergott. Studien zur
althebräischen Kultlyrik anhand ausgewählter Psalmen (BZAW 387), 2008, 149–154.
12 Vgl. Ps 27,3; zu den »Zehntausenden« vgl. Ps 91,7.
13 Die Bitte zitiert wahrscheinlich den sog. Ladespruch Num 10,35, eine kurze Ge-
betsformel, die auf den Beginn der Schlacht blickt, ursprünglich jedoch nichts mit der
Lade zu tun hat.
268 Reinhard Müller ZThK
Der irdische Krieger ist Abbild des göttlichen: Er wird mit Kraft umgürtet,
wie Jahwe sich »mit Macht gürtet« (Ps 93,1; vgl. 65,7); er wird auf seine Höhen
gestellt, wie Jahwe über die Höhen der Erde schreitet (Dtn 33,29; Am 4,13;
Mi 1,315). Der Beter wird von seinem Gott im Kriegshandwerk unterwiesen
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Bogen unterwiesen wird (V. 35*), entspricht einem Ritual, das in einer Episode
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des Elisazyklus begegnet (2Kön 13,14–17)19. Als der israelitische König Joasch
14 Ps 18,33f.35*.38f. – In V. 36f.40f.43 lässt sich eine Bearbeitung greifen, die sich
durch die Anrede an Jahwe von dem ursprünglichen Lied abhebt; sie diente zusammen
mit V. 3.30 dazu, das Triumphlied mit dem Danklied zu verknüpfen, das in V. 4–20 ent-
halten ist (dazu Müller, Jahwe [s. Anm. 11], 18–42). Kern dieses Danklieds ist eine poe-
tische Schilderung der Theophanie eines Wettergottes, der als zorniger Bogenschütze
vorgestellt ist (V. 8–16). Wahrscheinlich wurden die beiden Stücke zusammengestellt,
weil der königliche Bogenschütze in V. 35 als Abbild des göttlichen verstanden werden
kann. Umfangreiche jüngere Nachträge finden sich in V. 2.21–29.31f.42.44–51.
15 Eine Variante bietet Hi 9,8, wo von den »Höhen des Meeres« die Rede ist. Der iko-
zum Untergange Niniveh’s, Bd. II: Texte: Die Inschriften Assurbanipals und der letzten
assyrischen Könige (Vorderasiatische Bibliothek 7/2), 1916, 210f. Das Motiv hebt hervor,
dass die Götter dem König beistanden, während er von der Kindheit zum Mannesalter
heranwuchs. Zur Parallele mit Ps 18,35 vgl. E. Otto, Politische Theologie in den Kö-
nigspsalmen zwischen Ägypten und Assyrien. Die Herrscherlegitimation in den Psal-
men 2 und 18 in ihren altorientalischen Kontexten (in: Ders. / E. Zenger [Hg.], »Mein
Sohn bist du« (Ps 2,7). Studien zu den Königspsalmen [SBS 192], 2002, 33–65), 53.
18 Vgl. Keel (s. Anm. 16), 272–277.
19 Zu einem vergleichbaren neuassyrischen Ritual vgl. Otto (s. Anm. 17), 52f; G.
Karner, »Ein Siegespfeil von Jahwe«. Eine neuassyrische Parallele zu 2Kön 13,14–20
(WZKM 96, 2006, 159–195).
106 (2009) Jahwekrieg und Heilsgeschichte 269
Der Prophet wirkt als Mittler zwischen Jahwe und dem König: Er überträgt
die göttliche Kraft auf die königlichen Hände, um den König zur Schlacht zu
befähigen; indem er ihm zuspricht, dass sein Sieg Jahwe gelten wird, schließt
sich der Kreis der magischen Kraftübertragung. Die Vollständigkeit des Sieges
wird von dem Propheten mit einer Wendung benannt, die auch in dem könig
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20 Nach der Septuaginta. Derselbe Ruf begegnet auch bei der Himmelfahrt Elias im
Mund Elisas (2Kön 2,12); er dürfte von Elisa auf Elia übertragen worden sein (vgl. E.
Würthwein, Die Bücher der Könige, Teil 2: 1. Kön. 17–2. Kön. 25 [ATD 11,2], 1984,
275).
21 Genauer V. 1–6*.10b.11–13* (vgl. Y. Minokami, Die Revolution des Jehu [GThA
Sieg in einen unvollständigen Sieg ummünzt (vgl. Würthwein, Könige [s. Anm. 20],
365f).
24 Vgl. M. Weippert, »Heiliger Krieg« in Israel und Assyrien. Kritische Anmerkun-
gen zu Gerhard von Rads Konzept des »Heiligen Krieges im alten Israel« (in: Ders.,
Jahwe und die anderen Götter. Studien zur Religionsgeschichte des antiken Israel in ih-
rem syrisch-palästinischen Kontext [FAT 18], 1997, 71–97), 97; S. M. Maul, Der Sieg
über die Mächte des Bösen. Götterkampf, Triumphrituale und Torarchitektur in Assy-
rien (in: E. Zenger [Hg.], Ritual und Poesie. Formen und Orte religiöser Dichtung im
Alten Orient, im Judentum und im Christentum [HBS 36], 2003, 47–71), bes. 55f, 70f.
25 Vgl. Müller, Jahwe (s. Anm. 11), 236–248.
270 Reinhard Müller ZThK
Im Zusammenhang des Alten Testaments hat sich das Bild des Krieges jedoch
tiefgreifend gewandelt. Am deutlichsten zeigt sich das an der Erzählung von Is-
raels Rettung am Meer (Ex 14). Die älteste Fassung ist das Urbild des heilsge-
schichtlichen Jahwekrieges26:
»[…] Als die Israeliten ihre Augen aufhoben, siehe, da war Ägypten aufgebrochen hinter
ihnen her, und sie fürchteten sich sehr. Mose aber sprach zu dem Volk:
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Hier kämpfen Gott und Mensch nicht gemeinsam: Jahwe allein streitet ge-
gen Ägypten (V. 25b).
Das Motiv der göttlichen Alleinwirksamkeit im Krieg gibt es auch außerhalb
des Alten Testaments. Ein Beispiel findet sich in einem Abschnitt einer In-
schrift des Assurbanipal, in dem der neuassyrische König von einem überaus
gefährlichen Gegner erzählt: Als der Angriff Assurbanipal in äußerste Furcht
versetzt, schildert er der Göttin Ištar die Notlage. Sie antwortet mit der Formel
»Fürchte dich nicht!« und fährt fort: »Wegen deines Gebetes, das du ausgespro-
chen hast, wobei deine Augen sich mit Tränen füllten, erbarme ich mich.«28 In
einem Traum empfängt ein Prophet eine weitere Botschaft der Göttin an den
König:
»Du sollst hier bleiben an deinem Platz. Iss Speise, trinke Bier, veranstalte Musik und
preise meine Gottheit, während ich hingehe, die fragliche Arbeit erledige und (dich) die
Wünsche deines Herzens erreichen lasse! Dein Antlitz lasse ich nicht fahl werden, deine
Füße sollen nicht schwanken, du sollst nicht deinen Schweiß abtupfen in der Hitze des
Gefechtes!«29
26
Vgl. Ch. Levin, Der Jahwist (FRLANT 157), 1993, 343.
27
V. 10ba.13aa(bis tîra’u).14.21a(ab wajjôlæk).24aa.b.27(ab wajjašåb).
28 Prismenklasse B V 63–70. Übersetzung nach R. Borger, Beiträge zum Inschrif-
Der König muss nicht selbst in die Schlacht ziehen. Die Göttin erledigt seine
kriegerische »Arbeit«. Anschließend berichtet Assurbanipal freilich im üb
lichen Stil der Königsinschriften, dass er den Feldzug durch den Beistand der
Götter zum Sieg geführt habe30. Dass er vorher behauptet, die Göttin allein
habe die Bedrohung abgewehrt, soll ihn als rechtmäßigen Herrscher erweisen.
Der Vergleich mit dieser Inschrift macht die Eigenheit der Erzählung vom
Meerwunder sichtbar: Jahwe kämpft nicht für einen König, sondern für Israel
(V. 25b). Mose tritt zwar als traditioneller Heilsprophet auf; er richtet sein Ora-
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kel aber nicht an einen Herrscher, sondern an die Israeliten (V. 13f*). Dass diese
nicht selbst kämpfen, erhält so einen vollkommen anderen Sinn: Sie verfügen
über keinerlei militärische Macht, sind aber in ihrer Gesamtheit genauso gott
unmittelbar wie ein König. Israel braucht kein Königtum, um als Volk beste-
hen zu können. Dieser Gedanke sucht im Alten Orient seinesgleichen.
Die Überlieferung vom Meerwunder mag eine alte Erinnerung enthalten,
die auf die Zeit der Anfänge Israels zurückgeht (vgl. Ex 15,21). Die vorliegende
Gestalt der Erzählung setzt jedoch Formen voraus, die aus dem Königtum
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stammen: Das Heilsorakel (V. 13f*) und die kriegsentscheidende göttliche Hilfe
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am Morgen (V. 24*) waren ursprünglich auf die Theologie der Weltordnung be-
zogen, die am Königshof ausgebildet wurde31.
Entscheidend ist aber die Distanz zum Königtum, die die Erzählung gleich-
zeitig einnimmt: So wie hier dürfte man kaum von Israel geredet haben, so-
lange es noch ein Königreich dieses Namens gab. Wahrscheinlich setzt der Text
bereits dessen Untergang voraus, zu dem es durch die assyrischen Feldzüge der
Jahre 734–32 und 724–22 v. Chr. kam.
Redaktionsgeschichtliche Erwägungen lassen umgekehrt vermuten, dass die
Urform der Erzählung schon früh zu einem Erzählzyklus über Israels Auszug
aus Ägypten gehört hat32. Die Erzählung selbst könnte bald nach 722 entstan-
30
B V 77ff (vgl. aaO 225f); Hecker (s. Anm. 28), 83f.
31
Zum Heilsorakel vgl. Nissinen (s. Anm. 5), 148–158; zum Motiv der Gotteshilfe
am Morgen, die dem Beginn der Schlachten im Morgengrauen (1Sam 11,11) entspricht,
vgl. vor allem Ps 46,6; 57,8–12; 59,17 sowie B. Janowski, Rettungsgewißheit und Epi-
phanie des Heils. Das Motiv der Hilfe Gottes »am Morgen« im Alten Orient und im Al-
ten Testament, Band I: Alter Orient (BWANT 59), 1989.
32 Als Gerüst der Exoduserzählung erweist sich wahrscheinlich das sogenannte
Wüstenitinerar, das mit dem Aufbruch der Israeliten aus dem ägyptischen Ramses (Ex
12,37a) beginnt und mit der Ankunft in der Oase Kadesch endet (Num 20,1ab). Ex 14*
(mit 15,20f.22aa) wurde zwar erst nachträglich zwischen die Itinerarnotizen Ex 13,20
und 15,22ab eingeschoben; die Meerwundererzählung dürfte aber bereits zur ältesten
Moseerzählung gehört haben, die im Rahmen des Wüstenitinerars entstand: Die Mose-
überlieferung, die in Ex 2* vor das Wüstenitinerar gestellt wurde, zielte ursprünglich
wahrscheinlich vor allem auf die zentrale Rolle des Mose in Ex 14*; die beiden Todes-
und Begräbnisnotizen, die in Num 20,1b (Mirjam) und Dtn 34,5f* (Mose) schon früh
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den sein: Das Motiv der »Israeliten« (benê ji5ra’el) als einer wehrlosen Men-
schengruppe lässt an Angehörige des einstigen Nordreiches denken, die vor den
Assyrern auf der Flucht waren.
Vor dem altorientalischen Hintergrund zeigt sich die geistesgeschichtliche
Bedeutung des Textes: In Ex 14* wird das Motiv des kämpfenden Gottes von
der Macht des Königs getrennt. In der Erzählung spricht bereits eine Gemein-
schaft, die sich jenseits eines eigenen Königtums befindet. Sie definiert sich da-
durch, dass sie ihre Verteidigung ganz ihrem Gott überlässt.
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Dass Jahwe allein den Krieg führt, findet sich im Alten Testament allerdings
nur selten. Anders als in Ex 14 tritt das Gottesvolk in den meisten alttestament
lichen Kriegserzählungen durchaus handelnd auf. Warum stehen die beiden
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Vorstellungen nebeneinander?
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Ein Beispiel, an dem sich der Wandel zur heilsgeschichtlichen Perspektive grei-
fen lässt, sind die Kriegsgesetze von Dtn 20. Ihr Kern, der wahrscheinlich in
der späten Königszeit verfasst wurde, gibt militärische Anweisungen zur Be
lagerung von Städten34. Irgendwann nach dem Ende des judäischen Königtums
(586 v. Chr.) wurde das deuteronomische Gesetzbuch in einen Erzählzusam-
mit dem Itinerar verknüpft wurden, entsprechen der Tatsache, dass Mose und Mirjam in
Ex 14* und 15,21f hintereinander als Schlüsselfiguren auftreten. Die meisten anderen
Szenen mit Mose als Hauptperson kamen nachweislich später hinzu.
33 Jos 2*; Ri 3*; 4*; 7*; 9*; 11*; 14–16*; 1Sam 11*; 13f*; 23*; 30*; 31*; 2Sam 5*; 10–12*;
menhang gestellt, der vom Exodus, von Israels Wanderung durch die Wüste
und der Eroberung des verheißenen Landes handelt. Im Blick auf diesen heils-
geschichtlichen Rahmen wurde den Kriegsgesetzen eine Präambel hinzuge-
fügt:
»Wenn du zur Schlacht ausziehst gegen deine Feinde und Pferde und Wagen siehst,
Kriegsvolk zahlreicher als du, sollst du dich nicht vor ihnen fürchten; denn Jahwe, dein
Gott, ist bei dir, der dich hinaufführt aus dem Land Ägypten« (Dtn 20,1f).
Hier ist an die Landnahme gedacht. In ihr kommt der Exodus zum Ziel:
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Jahwe führt sein Volk aus Ägypten nach Palästina hinauf und lässt es das Land
erobern. Mit dem Motiv der überlegenen Feinde, das aus der Kriegstheologie
des Königtums stammt, dürfte die Militärmacht der Kanaanäer im Blick sein 35.
Die Glieder des Heilsorakels werden in Anlehnung an ältere Kriegsgesetze36
in einen Rechtssatz eingebettet und entsprechend abgewandelt: Die beruhi-
gende Formel »Fürchte dich nicht!« wird durch das strikte Verbot »Du sollst
dich nicht fürchten!« (lo’ tîra’) ersetzt, das für den Moment erlassen wird, in
dem die Israeliten die stärkeren Feinde erblicken. Die traditionelle Verheißung
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des göttlichen Beistands wird mit dem Exoduscredo verknüpft, das Israels ge-
schichtlich begründete Gottunmittelbarkeit zum Gegenstand hat.
Dass die Furcht untersagt wird, ist durch den heilsgeschichtlichen Hori-
zont begründet: Bei der Einnahme des versprochenen Landes käme Furcht
vor den Feinden dem Abfall von dem Gott des Exodus gleich37. Der Rechtssatz
von Dtn 20,1 wurde also nicht als zeitlos gültiges Gesetz verfasst: Er ist viel-
mehr auf den einmaligen Eroberungskrieg bezogen, der Israel bevorsteht, als
Mose seine große Abschiedsrede hält.
Eine jüngere Bearbeitung ergänzt, dass vor der Schlacht ein Priester auftre-
ten soll, um eine kurze Ansprache zu halten:
»Höre Israel! Ihr nähert euch heute der Schlacht gegen eure Feinde: Euer Herz werde
nicht weich, fürchtet euch nicht, entsetzt euch nicht und erschreckt nicht vor ihnen. Denn
Jahwe ist euer Gott, der mit euch geht, um für euch mit euren Feinden zu kämpfen, dass
er euch rette« (Dtn 20,3f).
Der Priester beginnt mit den ersten Worten von Israels Grundbekenntnis
(Dtn 6,4): »Höre Israel!« Danach redet er wie Mose am Meer (Ex 14,13f) die Is-
raeliten in der Mehrzahl an, um sie angesichts des nahen Kampfes zur Furcht-
losigkeit zu mahnen. Unter den paränetischen Wendungen begegnet auch die
Formel der Beruhigung, die in der Form »Fürchtet euch nicht!« mit Ex 14,13
übereinstimmt. Anschließend werden die Mahnungen wie in einem Heilsora-
kel begründet. Auch dazu dient Ex 14 als Vorlage. Von dort wird das Motiv des
Gottes, der für Israel kämpft (V. 14.25), übernommen und in einen Satz über Is-
raels Gottesverhältnis eingefügt: Indem Jahwe für die Israeliten kämpft und sie
vor der feindlichen Übermacht bewahrt, erweist er sich als ihr Gott. In der
Wendung »Jahwe ist euer Gott« klingt das Bekenntnis von Dtn 6,4 zum zwei-
ten Mal an (»Jahwe, unser Gott […]«)38.
Die Ansprache des Priesters mildert das Verbot der Furcht, das die Präam-
bel zu den Kriegsgesetzen (Dtn 20,1) ausspricht, ab: Dazu lehnt sie sich an die
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klassische Form des Heilsorakels an, hebt aber nach dem Vorbild von Ex 14
ausschließlich Jahwes Handeln hervor. Auf diese Weise wird der traditionsge-
schichtlich vorgegebene Synergismus von Jahwe und Israel korrigiert.
lungen des Alten Testaments. Ein vielerorts belegtes Element, das zu diesen Be-
arbeitungen gehört, ist die Formel der Übergabe: »Jahwe hat eure Feinde in
eure Hand gegeben!« (Jos 10,19). Auch sie wurde im Königtum geprägt: Ihr
Sitz im Leben war das Heilsorakel, das vor der Schlacht an den König erging.
In dieser Funktion findet sich die Formel in außeralttestamentlichen Prophe-
tien39 und vereinzelt auch im Alten Testament40.
Nach dem Verlust des Königtums legte es sich nahe, die Formel im umgekehr-
ten Sinn zu verwenden. Das zeigt das redaktionelle Rahmenwerk des Richter
buches, das wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts verfasst
wurde: Immer wenn die Israeliten Jahwe verlassen, gibt Jahwe sie in die Hand ih-
rer Feinde41. In diesem Gebrauch der Formel spiegeln sich die Katastrophen des
Königtums, die sich seit dem 8. Jahrhundert ereignet und im 6. Jahrhundert zum
endgültigen Verlust der Eigenstaatlichkeit geführt hatten42.
In der Mehrzahl der Belege wird die Formel jedoch wie im Heilsorakel ge-
braucht; freilich ist dabei nicht vom König die Rede, sondern vom Gottesvolk:
Beginnend mit der Landnahme gibt Jahwe die Feinde, die stets als weitaus
38
Vgl. Jos 24,17: »Denn Jahwe ist unser Gott […]«.
Vgl. Kang (s. Anm. 1), 43f. 39
40 Vgl. 1Sam 23,4; 1Kön 22,6.12.15.
41 Ri 2,14; 6,1; 13,1. Eine Variante bietet das Motiv, dass Jahwe die Israeliten in die
überlegen gezeichnet werden, in die Hand der Israeliten43. In diesem Sinn hebt
die Formel hervor, dass das Gottesvolk seine Siege allein Jahwes überwältigen-
der Macht verdankt. Literargeschichtliche Erwägungen machen wahrschein-
lich, dass diese Stellen weder quellenhaft sind, noch zu den ersten Redaktionen
des Geschichtswerks gehören; sie dürften viel später in die Texte eingetragen
worden sein.
Im Rahmen der Geschichte des Gottesvolkes unterstreicht die Formel der
Übergabe also zweierlei: Einerseits hat sich Jahwe im Krieg immer dann gegen
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Israel gewandt, wenn es ihm den Anlass bot. Andererseits hat Israel seine
Feinde nur durch das geschichtliche Wirken seines Gottes besiegen können.
Die heilsgeschichtliche Deutung des Krieges führte dazu, dass das menschliche
Handeln neu bewertet wurde. Das zeigt sich besonders am Motiv des Geistes
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Jahwes, das das Bild der Richterzeit und der Anfänge des Königtums geprägt
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hat: Die Richter, die Israel immer wieder aus der Hand der Feinde retten, wer-
den von Jahwes Geist zum Kampf befähigt44. Literarkritische Argumente füh-
ren zu dem Schluss, dass dieses Motiv nicht aus den alten Heldenerzählungen
stammt, die im Richterbuch enthalten sind45: Ehud, Gideon und Jiftach werden
ursprünglich nicht als charismatische Führer des Gottesvolkes gezeichnet, son-
dern als Kriegshelden mit königlichen Zügen. Noch das redaktionelle Rah
menwerk des Richterbuches schreibt das Bild fort, indem es die Richter als kö-
nigsgleiche Herrscher darstellt46. Dass hingegen Jahwes Geist die Richter er-
füllt und zur Rettung Israels bewegt habe, wird erst viel später in die Texte
eingetragen. Durch dieses Motiv werden aus Heldenfiguren göttliche Werk
zeuge, die für sich selbst keine Macht beanspruchen. Der geschichtsmächtige
Geist Jahwes, der je und dann einzelnen Menschen verliehen wird, unterstreicht
Israels Gottunmittelbarkeit.
Denselben Zweck erfüllen die Szenen, in denen Jahwe in den Kampf ein-
greift. Mit ihnen wird der Anteil des menschlichen Handelns zurückgedrängt:
Bei einer Entscheidungsschlacht der Landnahme wirft Jahwe gewaltige Hagel-
43 Vgl. z. B. Ex 23,31; Num 21,2f; Dtn 2,24; Jos 10,19; 11,8; 21,44; 24,8.11; Ri 3,28; 7,15;
1Sam 17,47. Die Formel kann auch auf den jeweiligen Anführer des Gottesvolkes bezo-
gen sein, worin im Horizont der heilsgeschichtlichen Erzählung der alte königstheologi-
sche Gebrauch nachklingt, vgl. z. B. Num 21,34; Jos 6,2; 8,1; Ri 3,10; 4,7; 7,9.
44 Vgl. Ri 3,10; 6,34; 11,29; 14,6.19; 15,14; 1Sam 11,6.
45 Vgl. R. Müller, Königtum und Gottesherrschaft. Untersuchungen zur
steine vom Himmel, so dass, wie es heißt, »mehr waren, die durch die Hagel-
steine starben, als die Israeliten durch das Schwert getötet hatten« (Jos 10,11).
Gideon wird von Jahwe vor der Schlacht beauftragt, den Großteil der Israeliten
nach Hause zu schicken, damit, wie Jahwe sagt, »Israel sich nicht gegen mich
rühme und spreche: ›Meine Hand hat mich gerettet.‹« (Ri 7,2). Jahwe schreckt
die Feinde durch Donner und Erdbeben47 und lässt sie das Schwert gegeneinan
der richten48. Literargeschichtlich erweisen sich die fraglichen Stellen als späte
Nachträge. Sie rücken Jahwes Handeln in den Vordergrund, um zu zeigen, wie
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Dtn 7,2 (vgl. 20,17) befolgt worden sein. Zwar ist das mit Sicherheit unhisto-
risch52; in der Geschichte des Gottesvolkes räumt das Gebot des Banns den Is-
raeliten aber eine überraschend aktive Rolle ein. Den Anlass bot die Fiktion der
Landnahme und das darin enthaltene Bild der Landesbewohner: Der Bann zielt
darauf, dass die Israeliten bei der Eroberung des Landes nicht mit dem Götzen-
dienst der Kanaanäer in Berührung kommen53.
Die umgekehrte Tendenz lässt sich beispielhaft in Josuas Abschiedsrede
greifen (Jos 24). Im Rückblick auf Meerw under und Landnahme betont Josua
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die Ausschließlichkeit von Jahwes Handeln: Israels Gott allein habe die Lan-
desbewohner vertrieben; das Gottesvolk habe das Land weder mit dem Bogen
noch mit dem Schwert in Besitz genommen (V. 12)54. Dieser Tendenz ent-
spricht, dass die Erzählung vom Meerwunder den Nachträgen zum Jahwekrieg
mehrfach als Vorbild gedient hat55.
Einnahme der Stadt Sichem (vgl. Gen 34,26–29) durch Jakob die Rede ist. Einen Beweis
für das theologische Gewicht von Jos 24,2–13 bietet das späte Klagelied des Volkes Ps 44,
dessen Beginn auf Jos 24,12 anspielt (V. 4; vgl. V. 7).
55 Vgl. Ex 14,24b mit Jos 10,10; Ri 4,15; 1Sam 7,10 und Ex 14,28b mit Ri 4,16.
56 Vgl. R. Smend, Das alte Israel im Alten Testament (in: Ders., Bibel und Wissen-
schaft abfand58. Frühestens gegen Ende des 6. Jahrhunderts begannen die Ju-
däer, sich im Bild des heilsgeschichtlichen Israel als königslose Religionsge-
meinde zu verstehen59. Erst seither konnte sich die Frage stellen, wie der Krieg
jenseits der Königsherrschaft neu zu bewerten sei.
Das literargeschichtliche Gefälle, das in den Texten beobachtet werden
kann, zeigt allerdings, dass die Motive des Jahwekrieges erst verhältnismäßig
spät in die Erzählungen eingetragen wurden. Die Bearbeitungen bauen bereits
auf einer vielschichtigen theologischen Entwicklung auf.
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Die Neubewertung des Krieges musste davon ausgehen, dass sich Jahwes krie-
gerisches Handeln zuletzt gegen seine Verehrer gerichtet hatte. Das lehrten die
Katastrophen des Königtums, die sich zwischen 734 und 586 v. Chr. ereignet
hatten, und die vielfältige Deutung dieser Katastrophen in den prophetischen
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58
Vgl. Müller, Königtum (s. Anm. 45), 238–246.
Vgl. aaO 245f. 59
60 Besonders deutlich lässt sich dieser Zusammenhang in 1Sam 7,2–14* erkennen.
Vgl. auch Ri 3,10.28; 4,6–9.15f; 7,2–8.10–15.22; 11,29.32f. Dasselbe gilt für das Ge-
schichtsbild der Chronik: »Für den Chronisten ist ›Krieg‹ per definitionem ein Krite-
rium für das Verhältnis der betroffenen Menschen zu Gott: Gott wohlgefälliges Verhal-
ten wird durch einen günstigen Ausgang der Schlacht belohnt, wobei es von untergeord-
neter Bedeutung ist, wie dieses Resultat erzielt wird« (S. Japhet, 2 Chronik [HThKAT],
2003, 245).
61 Vgl. Num 14,40–45; Dtn 1,41–45; Jos 7,1–5; Ri 3,12f; 4,1–3; 6,1–6; 10,7–9; 1Sam
4,1–11.
62 Vgl. dazu Ch. Levin, Die Verheißung des neuen Bundes in ihrem theologiege-
schichtlichen Zusammenhang ausgelegt (FRLANT 137), bes. 79–129, sowie für das
Deuteronomium zusammenfassend Veijola, Deuteronomium (s. Anm. 53), 4f.
106 (2009) Jahwekrieg und Heilsgeschichte 279
kommen im Namen Jahwes der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, die
du geschmäht hast. An diesem Tag wird dich Jahwe ausliefern in meine Hand, und ich
werde dich erschlagen und deinen Kopf von dir abtrennen, und die Leiche des Philisterhee
res werde ich an diesem Tag den Vögeln des Himmels und dem Getier der Erde geben, so
dass die ganze Erde erkennt, dass Gott bei Israel ist.
Und diese ganze Gemeinde soll erkennen, dass Jahwe nicht durch Schwert und Speer
rettet, denn Jahwe gehört der Krieg, und er wird euch in unsere Hand geben!« (1Sam
17,45f.47).
vertraut er auf die Macht des göttlichen Kriegers Jahwe64; die Vögel des Him-
mels und die Tiere der Erde verleihen dem Geschehen kosmische Dimensio-
nen65. Vor diesem Hintergrund wird das monotheistische Gottesbild enthüllt:
Davids Tat zeigt der Welt, dass Gott in Israel zu finden ist. Der universale An
spruch, den der jüdische Monotheismus erhebt, tritt unübersehbar hervor66.
Ein Nachtrag nimmt die jüdische Gemeinde in den Blick: Durch Davids
wunderbaren Sieg soll sie erkennen, dass der Krieg allein Jahwes Sache ist; als
einziger Gott aller Welt kämpft Jahwe für sein Volk, ohne dass die Israeliten
Kriegswaffen in die Hand nehmen.
Eine nahezu gleichlautende Parallele findet sich in der chronistischen Erzäh-
lung von Joschafats Verteidigungskrieg gegen Ammoniter und Moabiter (2Chr
20): »[…] nicht euer ist der Krieg, sondern Gottes« (V. 15). Dementsprechend
wehren die Judäer den Angriff ausschließlich durch Psalmgesänge ab. Unter
63 Zur Staffelung und literargeschichtlichen Stellung des Abschnitts vgl. E. Aure-
lius, Wie David ursprünglich zu Saul kam (in: Ch. Bultmann / W. Dietrich / Ch.
Levin [Hg.], Vergegenwärtigung des Alten Testaments. Beiträge zur biblischen Herme-
neutik, FS R. Smend, 2002, 44–68), 58–60.
64 Zur Gottesbezeichnung »Jahwe der Heerscharen« vgl. bes. Ps 24,10 (dazu Mül-
Im Bild des Jahwekrieges spiegelt sich die militärische Machtlosigkeit der Re
ligionsgemeinde. Ihre Kehrseite waren die Anfeindungen, unter denen das Ju-
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den Mund gelegt, er wolle »Schmach über ganz Israel« bringen (1Sam 11,2b).
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Auch von Goliat wird erzählt, dass er die Israeliten verhöhnt habe (1Sam 17,10
u. ö.). Dieselben Begriffe und Wendungen finden sich in späten Klageliedern,
die von der Zerstreuung des Gottesvolkes und fortdauernden Schmähungen
durch die Völker handeln70.
Im Blick auf Jahwes rettendes Handeln in Israels Frühgeschichte wurde die
Spannung zwischen der heilvollen Vergangenheit und der bedrückenden Ge-
genwart bewusst: Einst hatte Jahwe Israel von den Feinden befreit; jetzt war
nichts davon zu spüren. Das Judentum fand sich in der Situation der Unter
drückung wieder, die in den heilsgeschichtlichen Jahwekriegen oft am Anfang
steht71. Damit legte es sich nahe, dass Jahwes kriegerisches Handeln eine escha-
tologische Dimension hat. Dieser Gedanke deutet sich bereits in einer frühen
Bearbeitung der Erzählung vom Meerwunder an, die das Heilsorakel des Mose
erweitert hat:
67
Vgl. Joschafats Gebet in 2Chr 20,6 sowie Ri 7,14; 1Sam 4,8; 1Kön 20,28.
68
Vgl. auch Ri 7 sowie 2Chr 13,2–19 und 14,8–14.
69 Vgl. 2Chr 20,17, wo auf Moses Rede in Ex 14,13f angespielt wird (vgl. Japhet [s.
ration (in: Ders., Moses Erben. Studien zum Dekalog, zum Deuteronomismus und zum
Schriftgelehrtentum [BWANT 149], 2000, 176–191), 181–185. Zu Ri 6,6a vgl. Ps 79,8; zu
1Sam 11,2b vgl. Ps 44,14; 79,4; zu 1Sam 17,10 vgl. Ps 44,17; 74,10.18; 79,12.
71 Vgl. neben Ex 14 bes. Ri 3,8.12–14; 4,2f; 6,1ff; 10,7ff; 13,1; 14,4; 1Sam 7,2ff;
»Stellt euch hin und seht die Rettungstat Jahwes, die er heute für euch tun wird! Denn
wie ihr die Ägypter heute gesehen habt, werdet ihr sie nie wieder sehen für immer«
(Ex 14,13).
Das wiederholte »heute« lädt die Leser ein, sich mit den Israeliten zu identifi-
zieren, denen die Rettung durch das Meerwunder noch bevorsteht. In den
Ägyptern werden die Feinde der Religionsgemeinde sichtbar72. Die »Rettungs-
tat Jahwes« (j ešû≠at jhwh) besteht in dieser Perspektive darin, dass Israels Gott
sein Volk in der Zukunft davor bewahren wird, von seinen Feinden vernichtet
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zu werden. Die endgültige Befreiung von den Feinden erhält einen eschatologi-
schen Sinn: Der Jahwekrieg in Israels Frühzeit nimmt vorweg, dass Jahwe in
der Endzeit die Feinde seines Volkes »für immer« besiegen wird. Die Motive
der heilsgeschichtlichen Jahwekriege finden sich daher auch in Abschnitten der
prophetischen Bücher, die Jahwes endzeitlichen Kampf gegen Israels Feinde
ausmalen (vgl. vor allem Jes 13; Ez 38f; Joel 4; Sach 14).
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Die alttestamentliche Sicht des Krieges wurzelt im Denken des Alten Orients.
In den eisenzeitlichen Königtümern Israel und Juda, aus denen die ältesten
Kriegsüberlieferungen des Alten Testaments stammen, hat man dieses Denken
geteilt: Gott und König wirken im Krieg zusammen, um die Ordnung der Welt
gegen übermächtige Feinde zu verteidigen. Diese Vorstellung zählt nicht zu
den Propria des Alten Testaments.
In den alttestamentlichen Erzählungen ist der Jahwekrieg jedoch streng auf
die Geschichte des Gottesvolkes bezogen, die sich aus dem Alten Orient heraus
hebt und der religionsgeschichtlich einzigartigen Stellung des Judentums jenseits
des Königtums entspricht. Schon das Urbild des Jahwekrieges, die Erzählung
vom Meerwunder (Ex 14), setzt wahrscheinlich den Untergang des Nordreiches
Israel voraus. Die Kriegstexte aus den Königtümern Israel und Juda dürften hin-
gegen erst weit nach dem Ende des judäischen Königtums an die heilsgeschicht
liche Perspektive angepasst worden sein.
Für die theologische Deutung sind besonders zwei Aspekte wichtig: Zum
einen zeigt sich, dass der Religionsgemeinde nur eine quietistische Haltung
zum Krieg angemessen ist. Obwohl Jahwe in den heilsgeschichtlichen Kriegs-
erzählungen häufig mit den Israeliten zusammenwirkt, lässt sich immer wieder
zwischen den Zeilen lesen, dass die Gemeinde nicht zum Schwert greift, son
dern den Krieg ihrem Gott überlässt. Das verweist auf die Tatsache, dass die
militärische Machtlosigkeit eine entscheidende Bedingung für die Entstehung
des Judentums war73. Zum anderen ist der Jahwekrieg nicht davon zu trennen,
dass Jahwe sich gegen Israel wenden konnte; die Kriegserzählungen schildern,
wie er sein Volk beschützt, es aber auch für seinen Ungehorsam straft. Der par-
tikularen Ausrichtung des Jahwekrieges steht Jahwes geschichtsmächtige Un
abhängigkeit von seinem Volk entgegen, die im monotheistischen Gottesbild
gipfelt.
Zwischen der Vorstellung des Jahwekrieges, die vom Königtum auf das Got-
tesvolk übertragen wurde, und dem Universalismus der monotheistischen Re-
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ligion besteht zudem eine sachliche Spannung: Jahwe kämpft auf der Seite sei-
nes Volkes und beansprucht zugleich, der einzige Gott aller Welt zu sein. Aus
diesem Grund betonen manche eschatologische Texte, dass Israels Gott in ei-
ner heilvollen Zukunft den Krieg überwinden wird: Er wird die Kriegswaffen
der Erde zerstören, damit die Völker ihn als Gott erkennen (Ps 46,9–12) und
sein Volk in Sicherheit wohnen kann (Hos 2,20; Sach 9,10; Ps 76,4–7). Die Völ-
ker werden zum Zion pilgern, wo Jahwes Richterspruch sie dazu bringen wird,
dass sie ihre Kriegswaffen zu Geräten des Ackerbaus umschmieden (Jes 2,4 /
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werden sich dem Gottesvolk anschließen74. Dass die Völker Anteil an Israels
Heil erhalten werden, wurde sogar nachträglich in Weissagungen über den end
zeitlichen Völkerkampf eingefügt75. Der Gedanke, dass Jahwe die Feinde seines
Volkes besiegt, ist nicht das letzte Wort des Alten Testaments zum Krieg ge-
blieben.
Das Bild des Jahwekrieges behält jedoch ein hohes Gewicht. Die Wirkungs-
geschichte, die im Ganzen schwer überschaubar ist, lässt erahnen, dass der
heilsgeschichtliche Rahmen den Jahwekrieg nicht davor feien konnte, in voll-
kommen andere Zusammenhänge übertragen zu werden: Die Erzählungen la-
den die Leser ein, sich in den Israeliten wiederzuerkennen, und die Kriege, die
das Gottesvolk gegen übermächtige Feinde führt, können für die religiöse Deu-
tung neuer Kriege zum Vorbild dienen; angesichts des vielfach bezeugten
Synergismus gerät das quietistische Ideal leicht aus den Augen. Ein Urteil über
diese Dimension der alttestamentlichen Kriegstexte sollte aber nicht gefällt
werden, ohne dass ihr traditionsgeschichtlicher Hintergrund, ihr literarischer
Zusammenhang und ihr theologiegeschichtlicher Ort berücksichtigt werden.
Außerdem ist nicht zu vergessen, dass das Alte Testament mit dem priester-
schriftlichen Motiv der Gottebenbildlichkeit des Menschen einen ebenso wirk-
mächtigen Gedanken enthält, der die religiös-partikulare Wertung des Krieges
73 Dass die Makkabäer die militärische Enthaltsamkeit aufgaben, musste daher frü-
Summary
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The motives of the Yahweh war in the Old Testament are rooted in the war theology of the
Ancient Near East, according to which God and king collaborate in a battle in order to
defend order in the world against the powers of chaos. In the war narratives of the Old
Testament, beginning with Exodus 14*, kingship was replaced by Israel as God’s people.
During the Persian period, the idea of Yahweh was incorporated subsequently into the war
texts from the kingship era. This presupposes the kingship catastrophes between 722 and
586 BCE and reflects the enduring military powerlessness of the Jewish community.
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76 Vgl. O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Wesen und Wirken, Theologie
des Alten Testaments, Bd. 2: Jahwe, der Gott Israels, Schöpfer der Welt und des Men-
schen, 1998, 301–312.