Sie sind auf Seite 1von 4

Abschlusserklärung des RTP in London am 22.

November 2010

Öffentliche Stellungnahme des Russell Tribunals über Palästina im Anschluss an die


Londoner Tagung über die Mittäterschaft von Unternehmen an
Völkerrechtsverletzungen durch Israel

Die Londoner Tagung des Russell Tribunals über Palästina (RTP) fand statt vom 20.-21.
November 2010 in den Räumen der Law Society, 113 Chancery Lane, London WC2A 1PL.

Während der letzten beiden Tage hörte das Tribunal Zeugenaussagen, die zwingende Beweise
lieferten für die Mittäterschaft von Unternehmen an israelischen Verstößen gegen das
Völkerrecht in Zusammenhang mit Waffenlieferungen, dem Bau und der Aufrechterhaltung
der illegalen Trennmauer sowie der Anlage und Unterhaltung illegaler Siedlungen und deren
Versorgung mit insbesondere finanziellen Dienstleistungen. All dies ereignete sich im
Rahmen einer illegalen Besetzung palästinensischen Gebietes.

Die Anhörungen der Zeugen haben deutlich gemacht, dass diese Handlungsweisen nicht nur
moralisch verwerflich sind, sondern auch dass diese Unternehmen wegen schwerer Verstöße
gegen internationale Menschenrechte und humanitäre Rechtsnormen gesetzlich haftbar zu
machen sind. Was die gegenwärtige Situation von anderen unterscheidet, in denen dazu
aufgerufen wurde, international Maßnahmen zu ergreifen, ist, dass in diesem Falle sowohl
Israel als auch die Unternehmen, die als Mittäter an Israels gesetzwidrigen Handlungen
beteiligt sind, eindeutig gegen internationale Menschenrechte und humanitäres Recht
verstoßen.

Die erste Zusammenkunft des Tribunals, die im März 2010 in Barcelona stattfand, stellte die
Mittäterschaft der EU und ihrer Mitgliedsstaaten an Israels Verstößen gegen internationales
Recht fest. Dazu gehören: der illegale Bau der Mauer auf palästinensischem Gebiet; die
systematische Errichtung illegaler ausschließlich jüdischer Siedlungen auf besetztem
palästinensischem Gebiet; die illegale Blockade des Gazastreifens sowie zahlreiche illegale
Militäroperationen gegen palästinensische Zivilisten, insbesondere während der Operation
„Gegossenes Blei” in Gaza vom Dezember 2008 bis Januar 2009. Diese Straftaten stellen
Kriegsverbrechen und/oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

Außerdem stellt das RTP fest, dass in der internationale Gemeinschaft klares Einvernehmen
darüber besteht, dass Israel in eklatanter Weise seine internationalen Verpflichtungen
missachtet. Es stellt weiterhin mit tiefem Bedauern fest, dass die Fortsetzung dieser
vollkommen unbefriedigenden und unakzeptablen Tatbestände zugelassen wurde und wird.
Dennoch hat Israels anhaltende Straflosigkeit und Missachtung seiner staatlichen
Verpflichtungen als Mitglied der Vereinten Nationen und gegenüber der UN-Charta dieses
Land zu einer Sonderstellung gegenüber der internationalen Gemeinschaft verholfen.
Dementsprechend macht das RTP alle Unternehmen, die als Mittäter an Israels schweren
Verstößen beteiligt sind, darauf aufmerksam, dass sie sich durch die Fortsetzung ihrer
geschäftlichen Aktivitäten auf die falsche Seite von Meinung, Moral und Gesetz auf
internationaler Ebene stellen. Dadurch begeben sich sowohl Israel als auch die Unternehmen
eindeutig in eine Position, in der sie die Integrität und Glaubwürdigkeit von internationalem
Gesetz und der sie stützenden Institutionen untergraben.
Die wichtigsten Fragen, die sich die Kommission in London stellte, waren:
1. An welchen Verstößen Israels gegen internationales Recht sind Unternehmen
beteiligt?
2. Was sind die rechtlichen Konsequenzen der Aktivitäten von Unternehmen,
die israelischen Gesetzesverstößen Vorschub leisten?
3. Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung und welche Verpflichtungen haben
Staaten in Bezug auf Mittäterschaft von Unternehmen?

Zur Beantwortung dieser Fragen werden der umfassende Bericht der Londoner Tagung, der
Anfang Dezember 2010 verfügbar sein wird, sowohl die entscheidenden Beweise
zusammenfassen, die in Bezug auf Mittäterschaft von Unternehmen gehört wurden, als auch
spezielle juristische und außerjuristische Konsequenzen und Mittel bestimmen.

Das Tribunal hat das Versagen der Staaten festgestellt, trotz gesetzlicher Vorschriften
geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Israels Gesetzesverstöße und illegale Handlungen zu
beenden oder Unternehmen für ihre Mittäterschaft an Israels Handlungen zur Rechenschaft zu
ziehen. Somit ist die Zivilgesellschaft aufgefordert, einzuschreiten und im Sinne eines
politischen Kurswechsels aktiv zu werden, der Menschenrechte und internationales
humanitäres Recht respektiert. Dies schließt eine große Anzahl von Maßnahmen zur
Unterstützung des palästinensischen Aufrufs zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen
(BDS) mit ein.

Unternehmen spielen eine sehr entscheidende Rolle dabei, Israel in die Lage zu versetzen, in
der es Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen kann.
Bürgerbewegungen, über die das RTP Hinweise erhalten hat, sind in der Lage, diese
Unternehmensaktivitäten in den Brennpunkt zu rücken, dazu gehören auch Boykotts. So
ziehen Aktieninhaber Unternehmen zur Rechenschaft, Pensionskassen ziehen durch Illegalität
belastete Investitionen zurück. Es gibt weitere Aktivitäten, die Unternehmen mit dem Ziel ins
Rampenlicht stellen, die Unternehmenskultur zu verändern. Im israelischen Kontext ergreift
die Zivilgesellschaft wirksame Mittel, um Recht durchzusetzen. Deshalb ruft das RTP Staaten
dazu auf, die Rechte all derer zu schützen, die solche rechtmäßigen BDS-Aktionen initiieren
oder durchführen.

Zwölf Unternehmen und die EU waren eingeladen worden, um an der Sitzung in London
teilzunehmen, aber alle lehnten ab. Drei Unternehmen und die EU hatten Briefe geschickt, die
in die Beweisführung aufgenommen wurden. Sie werden als Anhang den Schlussfolgerungen
der Sitzung des Tribunals in London beigefügt.
In den Schlussfolgerungen des RTP wird auch eine möglichen Haftpflicht mehrerer
Unternehmen festgestellt, wie

a) G4S, ein multinationales britisch-dänisches Unternehmen, liefert


Durchleuchtungsgeräte und Ganzkörperscanner an mehrere militärische Kontrollpunkte im
Westjordanland, die alle als Teil der Trennmauer errichtet wurden, deren Verlauf der
Internationale Gerichtshof in seinem Gutachten vom 9. Juli 2004 für illegal erklärt hat. G4S
lieferte ebenfalls Scanner für den Erez Grenzübergang in Gaza. G4S operiert in
Siedlungsgebieten, liefert Gefängnisausstattung für die palästinensischen politischen
Gefangenen und für Anlagen der israelischen Polizei in den Siedlungen.

b) Elbit Systems, ein führendes israelisches multinationales Unternehmen, arbeitet eng mit
dem israelischen Militär zusammen an der Entwicklung von Rüstungstechnologie, die vom
israelischen Militär bei ihren Einsätzen benutzt wird, um sie im Anschluss daran zu
vermarkten und an andere Länder weltweit zu verkaufen. Elbit lieferte zum Beispiel die
unbemannten Flugkörper, auch Drohnen genannt, die flächendeckend und illegal in Gaza
eingesetzt wurden. Dessen ungeachtet hat die britische Armee Elbit vor kurzem einen Auftrag
für die Entwicklung der nächsten Generation von UAV-Systemen (unbemannte Luftfahrzeuge
– Anm.d.Ü.), auch bekannt als das „Watchkeeper Programm” im Wert von über einer
Milliarde Dollar erteilt. Das britische Unternehmen UAV Engines Limited, eine
hundertprozentige Tochtergesellschaft von Elbit, wird die Flugzeugtriebwerke produzieren.
Ernste Besorgnis in Bezug auf den Einsatz von Drohnen gilt ihrer Wahllosigkeit. Diese wird
durch die Tatsache verdeutlicht, dass für jeden angeblichen Kämpfer, der durch Drohnen
getötet wird, zehn Zivilisten sterben. Der Norwegische Staatsfonds zog als Konsequenz auf
diese Mittäterschaft bei Menschenrechtsverletzungen seine Investitionen in Elbit Systems
zurück.

c) Caterpillar, mit Hauptsitz in den USA, liefert spezialausgerüstete D9 Militärräumfahrzeuge


nach Israel, die für folgende Zwecke eingesetzt werden: die Zerstörung palästinensischer
Häuser, den Bau von Siedlungen und der Mauer, und Militäreinsätzen in bewohntem Gebiet
im Gazastreifen. In all diesen Fällen verursachen sie den Tod und Verletzungen von Zivilisten
und verheerende militärisch nicht zu rechtfertigende Sachschäden.

d) Cement Roadstone Holdings, ein irischer multinationaler Konzern, erwarb 25% des
israelischen Konzerns Mashav Initiative and Development Ltd, der wiederum zu 100% im
Besitz von Nesher Israel Cement Enterprises Ltd ist. Dieses ist Israels einzige Zementfabrik
und liefert 75-90% allen Zements in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten.
Dieser Zement wird unter anderem für den Bau der illegalen Trennmauer verwendet.

e) Dexia, ein französisch-belgisches Unternehmen, finanziert israelische Siedlungen im


Westjordanland über seine Tochtergesellschaft Dexia Israel Public Finance Ltd.

f) Veolia Transport, ein französischer Konzern, ist in den Bau der Stadtbahn in Ostjerusalem
envolviert. Veolia betreibt ebenfalls den Buslinienverkehr in den illegalen israelischen
Siedlungen und auch Deponien auf palästinensischem Gebiet, wo der Müll aus den
israelischen Siedlungen abgeladen wird.

g) Carmel Agrexco, ein israelischer Konzern, exportiert Agrarerzeugnisse wie Orangen,


Oliven und Avocados aus den illegalen Siedlungen im Westjordanland. Er exportiert auch
palästinensische Produkte mit der gefälschten Herkunftsbezeichnung „made in Israel”. Das
Tribunal hörte Zeugenaussagen, die belegen, dass G4S, Elbit Systems und Caterpillar
zugeben, ja sogar in ihren Werbematerialien aktiv damit prahlen, dass ihre Ausrüstungen
während des Gazakonflikts eingesetzt wurden, was gesetzwidrig zu getöteten und verletzten
Zivilisten und zu weitreichenden massiven Schäden an ihrem Eigentum führte.

Zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Unternehmen, die von Opfern ihrer Mittäterschaft
geltend gemacht werden, sind möglich in den Ländern, in denen diese Konzerne ansässig oder
sehr präsent sind. Wirtschaftsakteure können für den Verstoß gegen innerstaatliche
Rechtsvorschriften strafrechtlich verfolgt werden, zum Beispiel für Geldwäsche und/oder
Verschleierung und/oder internationale Straftaten einschließlich der Plünderung von
Naturressourcen. In vielen Ländern umfassen innerstaatliche Gesetze internationales Recht
einschließlich internationalen humanitären Rechts und der Menschenrechte. Und dies ohne
jede Beeinträchtigung universeller Rechtssprechung des Internationalen Strafgerichtshofs.
Der Abschlussbericht der Londoner Tagung des Tribunals wird detaillierte Beispiele solcher
potentiellen Rechtsstreitigkeiten vorführen und Aktionen der Zivilgesellschaft/der BDS-
Bewegung besonders hervorheben und fördern, die dazu beitragen, die Rechenschaftspflicht
von Unternehmen zu erlangen

Das Tribunal war beeindruckt von dem Umfang und der Tiefe des Beweismaterials, das bei
den Tagungen vorgelegt wurde.

Das Tribunal ist den Zeugen gegenüber für ihre Zeit, ihre Großzügigkeit und für ihren Mut zu
größtem Dank verpflichtet, besonders denen gegenüber, die ein beträchtliches persönliches
Risiko auf sich genommen haben.

Das Russell Tribunal wird in den nächsten beiden Jahren zwei weitere Tagungen abhalten.
Die dritte Sitzung in Südafrika wird prüfen, ob das Verbrechen der Apartheid auf Israel
zutrifft. Nach der vierten Sitzung wird es [das RTP] seinen umfassenden Bericht
veröffentlichen.

Die Kommission des RTP setzte sich aus den folgenden Mitgliedern zusammen:

• Stéphane Hessel, französischer Botschafter, Ehrenpräsident des RTP, Frankreich


• Mairead Corrigan Maguire, Nobelpreisträgerin 1976, Nordirland
• John Dugard, Professor für internationales Recht, ehemaliger UN-Sonderbericht-
erstatter zur Lage der Menschenrechte in den palästinensischen Gebieten, Südafrika
• Lord Anthony Gifford, Kronanwalt, Rechtsanwalt in Großbritannien und Staatsanwalt
in Jamaika
• Ronald Kasrils, Schriftsteller und Aktivist, ehemaliger Minister der britischen
Regierung, Südafrika
• Michael Mansfield, Rechtsanwalt, Präsident der Haldane Society of Socialist Lawyers,
Großbritannien
• José Antonio Martin Pallin, emeritierter Richter der Zweiten Kammer beim Obersten
Gerichtshof, Spanien
• Cynthia McKinney, ehemaliges Mitglied des US-Kongresses und 2008
Präsidentschaftskandidatin der Grünen Partei, USA

Siehe
http://www.russelltribunalonpalestine.com/en/sessions/london-session/findings

Übersetzung: Angelica Seyfrid

Das könnte Ihnen auch gefallen