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REDEN?
§1
Nur von Buddha hält Anna Reiter nichts, denn, Zitat Anfang, der
Dude hat seine Frau verlassen, grad als sie ihr Kind bekommen
hat, um die Erlösung zu suchen. Aus dieser Motivation heraus
ist der Buddhismus entstanden. Anna Reiter hält es daher für
ratsam alle geistigen Theorien auf die Frage zu prüfen: und
wenn du Kinder hast? Das nimmt dem ganzen Shit meistens
den Wind aus den Segeln, Zitat Ende. Internet-Suchmaschinen
jedenfalls lassen auch schwangere Frauen nicht alleine, Jesus
adoptiert die Kuckuckskegel und Bakeneko tötet Embryonen.
Summa Summarum: Gott, Garfield und Google sind
gleichwertige Entitäten.
§3
Der Raum hingegen wird nicht illusioniert. Was bei Anna Reiter
besonders Eindruck macht, sind die stark gemalten, eindeutig
ambivalenten Relationen, in den Figuren zueinander stehen,
die unglaublich sinnlichen Empfindungen, die sich wie
Puzzleteile aneinander fügen. Man erkennt durch die
Empfindungen, wie die Figuren miteinander verbunden sind.
Und das bezieht sich nicht nur auf die Figuren im Bild, sondern
manchmal scheint es, als ginge es auch um eine Person, die im
Bildraum abwesend ist. Entweder gar nicht da und vermisst,
oder sie steht imaginiert vor dem Bild oder das Bild baut
zusammen mit einem selbst, den es anspricht, einen
imaginierten Raum auf. So baut das zweidimensionale Bild
einen Raum auf, aus Figuren, die im Bilde sind, und welchen,
die nicht im Bilde sind: Das Gemälde erschließt sich den Raum,
der vor einem steht. Mehr Dimensionen lassen sich aus einer
Fläche nicht herausholen, vor allem nicht einer Fläche, die
Raum oder Zeit nicht illusionieren will, sondern deren
Flächigkeit demonstrativ bewahrt und gestärkt wird.
§4
Die Welt ist eine Zitrone und Kunst ihr ausgepresster Saft,
sagte Jakob Burkhard 1889 und fragte prophetisch schon
damals: Warum konnte Anna Reiters Kunst nur hier und jetzt
entstanden sein? Was sagt sie aus über unsere Befindlich-
Zeitlich- und Örtlichkeiten? Wohin weist sie? Wir leben in einer
Perfi-Perfect World, also an einem Ort, der uns schon durch
seine Phonetik in zuckersüßes Staunen versetzt. Sie haben es
vielleicht mitgekriegt: Mit der Globalisierung und dem Internet,
dem größten Archiv das jemals entstanden ist, sind Zeiten und
Orte zusammengerückt und auf dem Smartphone macht es
keinen Unterschied mehr, ob man mit jemandem in Buxtehude
oder Bangcock chattet. Aber: Der Eindruck bleibt zwei-
dimensional. Und sind wir ehrlich: Keine Kunst- oder Kulturkritik
darf ohne den Hinweis auskommen, dass die Welt immer
oberflächlicher wird. Nur diesmal ist es empirisch beweisbar.
Sie, werte Fleischeswesen, sind der Beweis, wenn Sie sich
zuhause dieses Video angucken, auf Ihrem Bildschirm, statt die
Kunst in voller Dimensionalität und Größe im Museum zu
erleben. Anna Reiter hält der Oberflächlichkeit unserer Welt den
Spiegel vor. Die Verdrängungen und Übertragungen unserer
Zeit kämpfen sich ans Licht. Ihre Majestizität und ihr Stolz
jedoch kennt keine Tiefe, ist nur Oberfläche und Farce, fixiert
aber die Liebe, die widerständig hervorquellt, die frostigen
Ängste und das schäumende Glück und die kochende Wut, die
zärtliche Sinnlichkeit und das Isvinjetrr, das Gefühl einer
abgestanden Cola. All diese Lebenselixiere kämpfen sich durch
die zwei Dimensionen, die harten Grenzen der Malerei. Und
auch, wenn unsere Welt so zweidimensional geworden ist, weil
es einfacher ist mit nur zwei Dimensionen zu planen und zu
denken, so müssen wir immer kämpfen für die anderen neun
Dimensionen. Wir müssen kämpfen für die Anerkennung
unserer Gefühle und ihr Ausleben in einer rationalisierten,
autistischen Welt, wir müssen die Trommeln schlagen für
andere Menschen und selbst Gegenstände, nichts unversucht
lassen, wenn unsere Beziehungen zu ihnen und Beziehungen
anderer untereinander halten und sich neue knüpfen sollen.
Relationen und Emotionen sind der Sinn des Lebens, auch in
einer oberflächlichen Welt. Und wenn sie nächste Woche mit
ihren ArbeitskollegInnen zoomen, wissen Sie, was Bakeneko
meint.