MITTEILUNGEN
aus der Berliner Justiz und Rechtsanwaltschaft
Bearbeitung : Dr. Gerhard Nehlert, Senatsrat beim Senator für Justiz
Personalnachrichten
Senats Verwaltung für Justiz
Ernannt: Zum LGDir. der LGRat Heinz-Günther Briese.
Zum LGRat die GerAss. Olaf Bergmann, Karlheinz
Meyer, Gerhard Schmiedeke. Zum RegAmtm. der
JOInsp. Otto Engelmann»
Abgeordnet: Die GerAss. Hilger Haunschild, Fritz Karl
Piglosiewicz.
Ausgeschieden: GerAss· Helmut Schuster.
Gerichte
Ernannt: Zum SenPräs. die KGRäte Dr. Hans Günther
Klein, Willi Guddat. Zum KGRat die LGRäte Franz
Joseph Herrmann, Dr. Wolfgang Hörnlein. Zum AGDir.
der LGDir. Walter Melzer. Zum LGDir. die LGRäte
Dr. Selmar Bühling, Dr. Albert Hahn, der AGRat Helmut
Hein, der LGRat Dr. Otto Schulze. Zum LGRat der
GerAss. Hans Winter, die beauftr. Richter Arthur Braß,
Elisabeth Renger, Dr. Rudolf Himmel, Gottfried Kreien-
bring. Zum AGRat die GerAss. Kurt Siebert, Wilhelm
Wienecke. Zum GerAss. der Ass. Kurt von Eicken. Zum
JAmtm. die JOInsp. Erwin Bluhm, Ernst Luke.
Als Hilfsrichter an das KG einberufen: Die LGRäte Martin
Meltzer, Gottfried Kreienbrink.
Mit der Verwaltung einer Richterstelle beauftragt: Günter
Berge, Joachim Hellmer, Hans Kamann, Horst Koppen,
Dietrich Krauskopf, Johanna Lorenz, Harro Hilbig,
Günther Piechulek, Lothar Harloff, Günter Preuß,
Günter Siegmund-Schultze, Helmut Stahlberg.
Beurlaubt: LGRat Ekkehard Papke zur Dienstleistung bei
dem VerwGericht Berlin, GerAss. Dr. Otto Uhlitz zur
Dienstleistung bei dem Abgeordnetenhaus von Berlin.
Ausgeschieden: SenPräs. Dr. Erich Eue, LGDir. Ernst
Arendt, die LGRäte Dr. Joachim Graeser, Hermann
Thielebeule, Walter Schurig, Edgar Winkler, GerAss.
Horst Wähle, die beauftr. Richter Hans Wolfgang
Heidemann, Dr. Lothar Gellrich.
Verstorben: AGR Julius Hoesch.
Staatsanwaltschaft
Ernannt: Zum Vertreter des GenStA bei dem KG der
OStA Dr. Alfred Hülff. Zum Vertreter des GenStA bei
dem LG der OStA Dr. Hans Helmuth Görcke. Zum
OStA der EStA Herbert Kuntze. Zum StA der GerAss.
Horst-Günther von Obernitz. Zum AA die beauftr. AA
Kurt Karger, Klaus Metzel, Ernst Jahn, Friedrich Röhl,
Heinz Tens*
Mit der Verwaltung beauftragt: Einer StAStelle AA Man-
fred Zahn, StA z. Wv. Konrad Zöllner. Einer AAStelle
Werner Imhof
Rechtsanwaltschaft
Neuzulassungen: Walter Altenkirch, Dr. Alberto Emanuel,
Wolfgang Franzelius, Dr. Richard Haendel, Siegfried
Kroll, Irmela Lahl, Dr. Kurt Maschke, Dr. Karl-Heinz
Sonnewald, Dr. Werner Schettler, Ingrid-Leonore Thur,
Peter Paul Tiktin, Kurt Zimmermann, Bruno Bessau,
Jürgen Bösche, Walter Brüggemann, Heinz Hübner,
Dr. Hans-Günther Koch, Hans-Joachim Kühne, Dr.Bert
S. Muller, Dr. Max Rosenzweig, Erika Schmidt-See-
bach, Dr. Hermann Schwerin, Helga-Ingrid Weinberg,
Joachim Zachert.
Notariat
Ernennungen: Dr. Paul Burchardt, Hasso Fügart, Dr.
Günther Jacobi, Dr. Friedrich Liebeskind, Walther
Maaß, Heinrich Salbach, Joachim Schaumann, Dr. Ger-
hard Trettner, Dr. Max Baum, Dr. Oskar Brömel,
Georg Eberhardt, Dr. Willy Kästner, Günther Kobow,
Dr. Karl Priestoph.
Tätigkeit der Justizbehörden im Jahre 1955
Der Senator für Justiz hat über die Tätigkeit der Justiz-
behörden im Jahre 1953 (für 1952 vergl. JR 53/353) folgen-
den Bericht gegeben (aus: „Berlin 1953, Jahresbericht des
Senats", Kulturbuch-Verlag GmbH, Berlin W 30, Passauer
Str. 4, — auszugsweise —):
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Verwaltungstätigkeit
Von den Ereignissen im Jahre 1953 verdient die Er-
richtung des Obersten Rückerstattungsgerichts als
höchste Instanz für die Berliner Rückerstattungssachen in
Berlin besondere Beachtung. Den Vorsitz in diesem Gericht
führt ein schwedischer Jurist, Beisitzer sind ein ameri-
kanischer, ein englischer, ein französischer und drei deutsche
Richter. An dem Gericht sind insgesamt 70 Personen tätig
darunter 21 Dolmetscher»
Auf dem Sondergebiet der Rückerstattung und
Entschädigung trat ein weiterer Geschäftsanstieg im
Jahre 1953 ein, der es erforderlich machte, beim LG die
Wiedergutmachungskammern von 14 auf 15 und die
Entschädigungskammern von 3 auf 6 zu vermehren. Auch
im Jahre 1954 wird mit einem weiteren Ansteigen gerechnet
werden müssen. Durch Entscheidungen der Berliner
Rückerstattungsbehörden sind bisher Vermögenswerte mit
einem Gesamtbetrage von 175528103 DM zurückerstattet
worden* An diesen Aufgaben sind zur Zeit beteiligt das
Wiedergutmachungsamt mit 20 Abteilungen, die bereits
genannten 15 Wiedergutmachungskammern des LG sowie
3 Wiedergutmachungssenate des KGs.
Die bereits vor Kriegsende tätig gewesenen Sach-
verständigenkammern für Werke der Literatur,
der Tonkunst, der bildenden Künste, der Foto-
grafie sowie für Muster und Modelle wurden
wieder errichtet und haben zum Teil ihre Arbeit bereits
aufgenommen. Aufgabe der Kammern ist es, Sachverstän-
digengutachten in gerichtlichen Verfahren zu erstatten.
Auf dem Gebiet der Wertpapierbereinigung ist der
Höhepunkt der Bereinigung der Reichsmarkpapiere über-
schritten. Zur Zeit arbeiten 17 Kammern für Wertpapier-
bereinigung am LG an dieser für die Wiederherstellung des
Volksvermögens besonders wichtigen Aufgabe mit dem
Ergebnis, daß seit dem Herbst 1949 bisher etwa iioooo
Fälle entschieden worden sind. Da jetzt nur noch mit dem
Eingang von etwa 30000 bis 40000 Fällen zu rechnen ist,
kann angenommen werden, daß die Bereinigung der Reichs-
markwertpapiere in Berlin zu Beginn des Sommers 1954
im allgemeinen zum Abschluß gekommen sein wird.
Die Bereinigung der deutschen Schuldverschreibungen,
die auf ausländische Währung lauten, hat erst begonnen.
Zu dem Auslandsbondsbereinigungsgesetz sind im
Laufe des Berichtsjahres sieben DVO ergangen, die der
Vorbereitung dieser Arbeit dienen. Mengenmäßig ist mit
einem wesentlich geringeren Anfall bei den Justizbehörden
zu rechnen, da die Hauptaufgabe in der Hand der Auslands-
bevollmächtigten liegt, die vom Bund bestellt und zugleich
auch für Berlin tätig sind»
Von der Möglichkeit, eine weitere Hinausschiebung
des Termins für die Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse
zu erreichen, die sich durch § 80 des D-Markbilanz-
gesetzes in der Fassung des Berliner Änderungsgesetzes
vom ii. 12.51 eröffnet hat, haben im Berichtsjahr 38
Unternehmen Gebrauch gemacht.
In 30 Fällen ist die Umwandlung von Kapitalgesell-
schaften in Personalgesellschaften oder Einzelhandels-
unternehmen nach den Vorschriften des Umwandlungs-
gesetzes von 1934 zugelassen worden.
Der Strafvollzug wurde im Jahre 1953 dadurch an das
in der Bundesrepublik geltende Recht angeglichen, daß
die Bestimmungen der Dienst- und Vollzugsordnung für
die Gefangenenanstalten vom i. 8. 23 über den Vollzug der
Untersuchungshaft durch eine neue Untersuchungshaft-
vpllzugsordmmg vom 12.2.53 abgelöst wurden; diese ist
einheitlich in den m Ländern der Bundesrepublik und in
Berlin am 1.5*53 Kraft getreten. Sie trägt allen Er-
fordernissen eines Rechtsstaates nach klarer Unterscheidung
zwischen Untersuchungshaft und Strafhaft Rechnung und
legt in ihren Grundsätzen fest, daß die Untersuchungshaft
nur dem Zwecke dienen darf, die Flucht des Beschuldigten
oder die Verdunkelung des SachVerhaltes zu verhüten.
Hervorzuheben ist ferner die ständige Mitarbeit der
Senatsverwaltung im Strafvollzugsausschuß der Justiz-
ministerkonferenz. Sie erstreckt sich insbesondere auf die
Regelung der Strafvollstreckung und den Strafvollzug
317
bei erstinstanzlichen Urteilen des BGH, den Vollzug der
Untersuchungshaft für den BGH, den Vollzug der Siche-
rungsverwahrung, die Erhebung von Haftkosten, die Ge-
fangenenbeschäftigung, die Besoldung der Aufsichts-
beamten u« a« m.
An Einzelgnadensachen waren bei der Senats-
verwaltung bis zum 31.12. 53 insgesamt 300 Neueingänge
zu verzeichnen. Von 129 dem Gnadenausschuß des Ab-
geordnetenhauses vorgelegten Gnadensachen waren 102
vom Senator für Justiz in eigener Zuständigkeit zu ent-
scheiden und 27 dem Senat zur Entscheidung vorzulegen.
Auf dem Gebiet des Strafregisterwesens ist im Be-
richtsjahr ebenfalls unter Beseitigung kriegsbedingter Vor-
schriften eine klare Regelung für die Bearbeitung von
Straflöschungsgesuchen durch A V. v. 20. 5.53 erzielt worden.
In Spandau wurde für das Gebäude des neuen Amts-
gerichts der Grundstein gelegt.
Durch Neueinstellungen konnte die infolge des
starken Geschäftsanstiegs in den Vorjahren eingetretene
Überlastung der Berliner Richter und Staatsanwälte weit-
gehend behoben werden. Die Berliner Justiz hat der Tra-
dition der früheren preußischen und der Reichs Justiz ent-
sprechend auch im Jahre 1953 einen großen Teil der bei
anderen Behörden gebrauchten Juristen gestellt. Hierdurch
und durch die Neueinstellungen war es möglich, sämtliche
geeigneten Assessoren, die die zweite juristische Staats-
prüfung abgelegt haben, sowie zahlreiche politische Flücht-
linge einzustellen. Durch die Herabsetzung der Altersgrenze
der Richter auf das 65. Lebensjahr ist ein weiterer Bedarf an
Juristen entstanden* Zum Ende des Jahres 1953 traten
35 Richter, Staatsanwälte u. Amtsanwälte in den Ruhestand
Die Zahl der am Ende des Jahres 1953 im West-Berliner
Justizdienst (ohne Wiedergutmachungsämter) beschäftigten
Kräfte betrug 703 Richter und Staatsanwälte, 29 Amts-
anwälte und 3700 nichtrichterliche Kräfte gegenüber 640
Richtern und Staatsanwälten, 28 Amtsanwälten und rd.
3420 nichtrichterlichen Kräften am Ende des Jahres 1952.
In diesen Zahlen sind 851 Kräfte des Strafvollzugsdienstes
gegenüber 840 im Vorjahre enthalten.
Der Richterwahlausschuß berief in insgesamt 17
Sitzungen 97 Richter (ohne Verwaltungsrichter) auf Lebens-
zeit in das Richteramt. Hierdurch war es möglich, den
Anteil der beauftragten Richter von 34 vH im Vorjahre
auf 24.5 vH herabzusetzen. In drei Fällen gelangte der
Ausschuß zu einer ablehnenden Entscheidung.
Das J u s t i z p r ü f u n g s a m t prüfte im Laufe des Be-
richtsjahres 177 Rechtskandidaten und 117 Referendare.
77 vH der Rechtskandidaten und 92.5 vH der Referendare
bestanden die Prüfungen.
Wegen der Übernahme der der Justizverwaltung unter-
stellten Treuhandstelle Reichspatentamt durch den
Bund haben Verhandlungen mit dem Bundesjustizminister
geschwebt. Der von der Treuhandstelle eingerichtete
Auskunftsdienst, der im Laufe der Zeit zu einem unschätz-
baren Hilfsmittel für die Wirtschaft der Bundesrepublik
und Berlins geworden ist, hat sich — auch in finanzieller
Hinsicht — günstig entwickelt. Gegenwärtig hat er monat-
lich etwa 900 Anfragen aus dem In- und Ausland zu ver-
zeichnen, in denen Auskünfte über den Stand der Technik
und der gewerblichen Schutzrechte auf allen in Frage
kommenden Gebieten erbeten werden.
Im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland sind
wesentliche, grundlegende Veränderungen gegenüber dem
Vorjahre nicht eingetreten. Mit anderen Ländern als Öster-
reich und der Schweiz konnte der unmittelbare Rechts-
hilfeyerkehr wegen der noch nicht erfolgten Übernahme
der in Betracht kommenden Abkommen auf Berlin bisher
nicht aufgenommen werden. Der Verkehr zwischen der Se-
natsverwaltung für Justiz und den deutschen Auslandsver-
tretungen hat sich bewährt und wickelt sich im allgemeinen
reibungslos ab. An Rechtshilfeersuchen sind im Jahre 1953
rd. 700 Fälle in Zivilsachen und 50 Fälle in Strafsachen
von der Senatsverwaltung für Justiz bearbeitet worden. Die
Ersuchen im Verhältnis zu Österreich und der Schweiz
sind darin nicht enthalten, da sich dieser Rechtshilfeverkehr
unmittelbar zwischen den Gerichten abspielt. Mit der weiteren
Übernahme der Rechtsverkehrsabkommen, die zwischen der
Bundesrepublik und dem Ausland wieder in Kraft gesetzt
worden sind oder abgeschlossen werden, wird sich auch im
Verhältnis zu anderen Ländern der Rechtsverkehr verein-
fachen und auf die Ebene der Gerichte verlagern. Im Be-
richtsjahr konnte außerdem eine Reihe von Ausliefe-
rungsverfahren zum Abschluß gebracht werden.
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Die Regelung des R e c h t s h i l f e v e r k e h r s mit dem so-
w j e t i s c h besetzten Teil Deutschlands bedurfte drin-
gend einer neuen gesetzlichen Grundlage. Außerdem mußte
Vorsorge getroffen werden, um Flüchtlingen, die im so-
wjetisch besetzten Gebiete aus politischen oder anderen
Gründen zu Unrecht strafrechtlich verfolgt worden waren,
die gesetzliche Möglichkeit einer Rehabilitierung zu geben.
Für beide Fragenbereiche bietet nunmehr das Gesetz über
die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen
vom 2. 5. 53 die Rechtsgrundlage; es ist in Berlin an die
Stelle des Landesgesetzes vom 9. i. 51 getreten. Geregelt
ist namentlich die Behandlung von Ersuchen von oder an
Justizbehörden im sowjetisch besetzten Gebiet betreffend
Zulieferung, Ladung, Vollstreckung, Auskunft aus dem
Strafregister sowie von sonstigen Rechts- und Anatshilfe-
ersuchen. Dabei muß darauf Bedacht genommen werden,
den Behörden des sowjetisch besetzten Gebietes nur unter
Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze Rechts- und Amts-
hilfe zu leisten. Die Bedeutung dieses Gesetzes liegt vor
allem darin, daß die in dem Berliner Gesetz bereits aufge-
stellten Grundsätze für die Gewährung von Rechtshilfe
gegenüber dem sowjetisch besetzten Teil Deutschlands nun-
mehr von allen Ländern der Bundesrepublik übernommen
worden sind; dadurch ist eine einheitliche Handhabung
des Rechtshilfeverkehrs mit dem sowjetisch besetzten Ge-
biet gewährleistet.
Die Beschränkung der deutschen Gerichtsbar-
keit ist erfreulicherweise gelockert worden. In Zivilsachen
sind etwa 70, in Strafsachen etwa 180 Ennächtigungsge-
suche den Besatzungsdienststellen zugeleitet worden. Im-
mer noch ungeklärt sind zahlreiche schwierige Fragen, die
mit d. Rechtsstellung der sog. Treuhänder zusammenhängen.
Ebenso wie in den Vorjahren wurden aus dem Kreise
der Bevölkerung, aber auch von anderen Behörden in stei-
gendem Umfange Bitten um R e c h t s a u s k ü n f t e an die
Senatsverwaltung für Justiz gerichtet. Vielfach war damit
der Wunsch verknüpft, den Gerichten allgemeine Richt-
linien oder sogar Weisungen im Einzelfalle zukommen zu
lassen. In zahlreichen Fällen wurden Eingaben an den Se-
nator für Justiz gerichtet, in denen Personen, die einen
Rechtsstreit verloren haben, ein Eingreifen der Senatsver-
waltung für Justiz in eine gerichtliche Entscheidung oder
deren Korrektur verlangen. Derartigen Gesuchen konnte
in keinem Falle entsprochen werden. Das Bonner Grund-
gesetz hat — ebenso wie auch die Verfassung von Berlin —
die Lehre von einer scharfen Trennung der Gewalten kon-
sequent durchgeführt. Danach ist die Rechtsprechung durch
die Gerichte vollkommen unabhängig und nur an das Ge-
setz gebunden. Die Senatsverwaltung für Justiz ist kein
Organ der Rechtsprechung, sondern oberste Verwaltungs-
behörde auf dem Gebiete der Justiz. Ihr steht damit keinerlei
Einflußnahme auf die Rechtsprechung der unabhängigen
Gerichte — sei es durch allgemeine Richtlinien, sei es im
Einzelfall — zu. Selbst der Anschein, daß eine Einfluß-
nahme beabsichtigt sein könnte, muß unbedingt vermieden
werden. Ein solcher Anschein könnte erweckt werden, wenn
die Senatsverwaltung für Justiz in einer Rechtsfrage, über
die nur die unabhängigen Gerichte zu entscheiden haben,
ein Rechtsgutachten erstattete, selbst dann, wenn im Einzel-
fall ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist. Nur der Rechts-
anwaltschaft ist es vorbehalten, Rechtsauskünfte zu erteilen.
Die große Anzahl der Eingaben zeigt, wieviel mehr Auf-
merksamkeit von den dafür berufenen Stellen, insbesondere
der Presse, der Aufklärung der Bevölkerung über die funda-
mentalen Grundsatze der Verfassung zugewendet werden
müßte. Nur soweit es sich um Rechtsfragen handelte, die
nicht von Gerichten zu entscheiden sind, sondern Aufgaben
der Verwaltung oder die Gesetzgebung betreffen, wurden
anderen Fachressorts oder ausländischen Vertretungen
größere Rechtsgutachten erstattet.
Gesetzgebung
An gesetzgeberischer Arbeit auf dem Gebiete des Per-
sonalrechts ist vor allem das Gesetz betreffend die Ver-
sorgung der Richter und Staatsanwälte zu nennen.
Der bereits im Jahre 1952 dem Parlament vorgelegte Ent-
wurf wurde in 15 Sitzungen des Justizausschusses einge-
hend beraten und von ihm verabschiedet.
In verschiedenen Besprechungen mit den übrigen Lan-
desjustizverwaltungen wurde auf Grund des Rahmen-
gesetzes des Bundes über die Besoldung der Richter und
Staatsanwälte eine Besoldungsordnung entworfen. Der
Entwurf trägt als wesentliche Neuerung der Sonderstellung
der Richter Rechnung, indem er die Richterbesoldung von
der allgemeinen Besoldungsordnung gesondert geregelt. Zu-
gleich berücksichtigt er den Grundsatz der Gleichartigkeit
der Gerichtszweige durch besoldungsmäßige Gleichstellung
der Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit denen der
ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Auch an der N e u o r d n u n g der Arbeits- und So-
zialgerichtsbarkeit hat die Senatsverwaltung für Justiz
wesentlich mitgewirkt. Es mußte dabei insbesondere die
Einbeziehung der Richter dieser Gerichtszweige in das
Richtergesetz, das Höchstrichtergesetz, die Reichsdienst-
strafordnung u. das RichterversorgungsG vorbereitet werden.
Anfang des Jahres 1953 wurde die Justizausbildu ngs-
o r d n u n g vom 24. i. 53 verabschiedet und im Laufe des
Jahres von den Justizbehörden durchgeführt.
Das Gesetzzur Wie der he rstellung der Gesetzes-
einheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts
vom 3· 3. 53 ändert und ergänzt eine größere Anzahl von
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, um die auf
diesem Gebiet teilweise verlorene Einheit dieses wichtigen
Gesetzes wiederherzustellen. Insbesondere werden die durch
das Testamentsgesetz herausgelösten Vorschriften wieder
in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt, ohne daß inso-
weit wesentliche sachliche Änderungen erfolgen. Außerdem
werden einige Vorschriften von geringerer Bedeutung aus
dem allgemeinen Teil, dem Mietrecht und dem Sachen-
recht geändert und den neuesten Ergebnissen der Recht-
sprechung angepaßt·
Das Fideikommiß- und S t i f t u n g s r e c h t , das im
Bundesgebiet bereits am 28.12. 50 durch Gesetz geändert
worden ist, wurde in Berlin durch Gesetz vom 12. n. 53
dem Bundesrecht nachträglich angeglichen. Hierdurch wur-
den die für das Erlöschen der Fideikommisse bestimmten
Fristen verlängert, die obersten Landesbehörden zur Aus-
übung gewisser Aufsichtsbefugnisse ermächtigt und die Zu-
ständigkeit des Bundesgerichtshofes vorgesehen, wenn
Streit oder Ungewißheit über die örtliche Zuständigkeit
eines Fideikommißsenats oder Fideikommißgerichts bestand.
Für die Annahme an Kindes Statt waren in Berlin
gewisse Erleichterungen durch Gesetz vom n. 12. 50 er-
gangen, die den Vorschriften des Bundesgesetzes vom 8. 8.
50 entsprachen. Beide Gesetze sahen vor, daß von dem Er-
fordernis der Kinderlosigkeit bei der Annahme an Kindes
Statt durch das zuständige Amtsgericht Befreiung bewilligt
werden kann, wenn der Annahme an Kindes Statt keine
überwiegenden Interessen der ehelichen Abkömmlinge des
Annehmenden entgegenstehen und wenn keine Gefährdung
der Interessen des Anzunehmenden durch das Vorhanden-
sein ehelicher Abkömmlinge zu befürchten ist. Beide Ge-
setze traten mit dem Ende des Jahres 1952 außer Kraft. Die
Gründe, die zum Erlaß der Gesetze geführt haben, bestehen
aber fort. Auch in Zukunft ist noch mit vielen berechtigten
Wünschen zu rechnen, Adoptionen trotz Vorhandenseins
ehelicher Abkömmlinge des Annehmenden durchzuführen.
Das Gesetz über die Verlängerung der Geltungsdauer des
Gesetzes zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt
vom 14. 2. 53 verlängert aus diesem Grunde die Geltungs-
dauer des Gesetzes vom 8. 8. 50 bis zum 31. 12. 55. Beide
Gesetze sind durch Gesetz vom 24. 2. 53 für Berlin über-
nommen worden*
Das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der
Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g vom 20.8.53 stellt die Rechts-
einheit auf dem Gebiete des Vollstreckungsrechts wieder
her; das in der Zivilprozeßordnung und im Gesetz über die
Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung nieder-
gelegte Vollstreckungsrecht bedurfte schon seit 1914 der
Vereinheitlichung, da es — hauptsächlich seit 1932 — durch
zahlreiche Vorschriften ergänzt worden war, die in den ver-
schiedensten Gesetzen und Verordnungen enthalten waren.
Gleichzeitig wurden einige vordringliche Reformwünsche
berücksichtigt. Das angeführte Gesetz soll der Ausgangs-
punkt einer späteren umfassenden Neuordnung des Voll-
streckungsrechts sein.
Von besonderer Bedeutung ist das von der Senatsver-
waltung für Justiz bearbeitete Gesetz zur Änderung des Ge-
setzes über die V o l l s t r e c k u n g von E n t s c h e i d u n g e n
a u s w ä r t i g e r G e r i c h t e vom 26.2.53. Es bringt gegen-
über dem nunmehr außer Kraft getretenen Berliner Gesetz
über die Vollstreckung von Entscheidungen auswärtiger Ge-
richte vom 31. 5. 50 eine tiefgreifende Umgestaltung der
bisherigen Regelung. Während früher die Zwangsvoll-
streckung aus im sowjetischen Besatzungsgebiet erwirkten
Schuldtiteln nur auf Antrag des Schuldners für unzulässig
erklärt werden konnte, setzt sie nunmehr grundsätzlich vor-
aus, daß sie zu vor auf Antrag des Gläubigers für zulässig er-
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klärt worden ist. Lediglich bei den auf Grund einer strei-
tigen Verhandlung ergangenen Entscheidungen in einer Un-
terhaltssache bleibt es bei dem bisherigen Verfahren. Dies
gilt auch für die Vollstreckung von Titeln der in § 794
Abs. i Ziff. i und 5 ZPO bezeichneten Art.
Durch Gesetz vom 21. 7. 53 wurde das gerichtliche Ver-
f a h r e n in Landwirtschaftssachen vereinheitlicht. Die
dem Bundesgesetz entgegenstehenden Berliner Vorschriften
sind durch das Mantelgesetz vom 18, 9. 53 außer Kraft ge-
setzt worden.
Das BundesG zur Änderung der Vorschriften über das
Schiffsregister v. 26.5.51 paßt die Vorschriften d. Schiffs-
registerordnung dem Gesetz über das Flaggenrecht der See-
schiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe vom 8. 2.
51 an. Die Übernahme des Bundesgesetzes vom 26. 5. 51
konnte erst im Jahre 1953 durch Gesetz vom 2. 9. 53 er-
folgen, weil sie die Übernahme des Flaggenrechtsgesetzes
voraussetzte und diese erst durch Ges. v. 26. 5. 53 erfolgte.
Besondere Aufgaben entstanden auf dem Gebiete des
Kostenrechts. Durch das Gesetz zur Änderung landes-
rechtlicher Kostenvorschriften vom 20. 3. 53 wurden in An-
gleichung an das übernommene Bundesgesetz über Maß-
nahmen auf dem Gebiete des Kostenrechts vom 7. 8. 52 die
Sätze der Landesgebührenordnung für Rechtsanwälte und
Gerichtsvollzieher, der Justizbeitreibungsordnung, der Ju-
stizverwaltungskostenordnung und der Preußischen Schieds-
mannsordnung erhöht. Diese Gesetze stellen nur vorläufige
Maßnahmen dar. Daneben ist auf Bundesebene eine allge-
meine grundsätzliche Reform des gesamten Kostenrechts
in Angriff genommen worden, an der Berlin insbesondere
in einem hierfür gebildeten Arbeitsausschuß mitwirkt.
Auf dem Gebiete des Gerichtsvollzieherwesens
wirkte die Senatsverwaltung bei der Schaffung einer bundes-
einheitlichen Fassung der Geschäftsanweisung für Gerichts-
vollzieher mit. Ferner wurden durch allgemeine Verfügungen
die Gebührenanteile der Gerichtsvollzieher neu geregelt so-
wie ein neuer Tarif für die von den Gerichtsvollziehern als
bare Auslagen den Parteien in Rechnung zu stellenden Fahr-
kosten festgesetzt.
Im allgemeinen Handelsrecht sind durch Über-
nahme des Gesetzes über die Kaufmannseigenschaft von
Handwerkern vom 31. 3. 53 und des Gesetzes über das
Recht der Handelsvertreter vom 6. 8. 53, die beide im Wege
der Änderung des Handelsgesetzbuches ergangen und in
dieses organisch eingefügt worden sind, weit zurückrei-
chende Reformpläne verwirklicht worden. Das erste Gesetz
eröffnet den Handwerkern den ihnen vorher verschlossenen
Zugang zum Handelsregister und läßt sie wie alle anderen
Gewerbetreibenden die Eigenschaft eines Vollkaufmanns
erwerben, wenn ihr Unternehmen einen in kaufmännischer
Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Durch das
andere Gesetz ist das Recht der Handelsvertreter auf eine
neue, den wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen dieses
Berufsstandes Rechnung tragende Grundlage gestellt wor-
den. An die Stelle der wenigen Vorschriften in den §§ 84
bis 92 des Handelsgesetzbuches ist nunmehr eine umfas-
sende Regelung getreten, die insbesondere eine gesetzliche
Bestimmung des Begriffes „HandelsVertreter" enthält, die-
sen von dem Begriff des Arbeitnehmers und des arbeitneh-
merähnlichen Vertreters abgrenzt und schädigenden Aus-
wirkungen wirtschaftlicher Überlegenheit des Geschäfts-
herrn über den Handelsvertreter vorbeugt.
Auf dem Gebiete des W i r t s c h a f t s r e c h t s i s t besonders
wichtig der Abschluß und die Ratifizierung des Abkommens
über deutsche Auslandsschulden vom 27. 2. 53. Dieses Ab-
kommen hat umfangreiche innerdeutsche Ausführungsbe-
stimmungen erforderlich gemacht, die in dem Gesetz vom
24. 8. 53 erlassen worden sind. Für die Gerichte in Berlin
haben sich daraus schwierige neue Aufgaben ergeben, von
denen namentlich die dem Landgericht Berlin als auschließ-
lichem Gerichtsstand zugewiesenen Streitsachen wegen Er-
stattung unberücksichtigt gebliebener Zahlungen an die
Konversionskasse für deutsche Auslandsschulden sowie die
gerichtlichen Entscheidungen über die Fragen der Wieder-
herstellung von dinglichen Sicherungen für sogenannte
Goldmarkforderungen spezifisch ausländischen Charakters
zu erwähnen sind. Auch ist durch das Ausführungsgesetz
Berliner Landesrecht insoweit geändert worden, als § 2
Nr. 4 des Berliner Grundpfandrechtumstellungsgesetzes in
§ 113 des AusführungsG eine neue Fassung erhalten hat.
Im Zusammenhang mit dem Abkommen über deutsche
Auslandsschulden verdienen die Verhandlungen über die
sogenannten S c h w e i z e r f r a n k e n - G r u n d s c h u l d e n , an
denen Berlin maßgeblich beteiligt war und die zum Ab-
319
schloß einer besonderen Vereinbarung vom 23.2. 53 ge-
führt haben, besondere Beachtung. Im Laufe des Jahres
1953 wurden weitere Verhandlungen über die Neugestal-
tung der Richtlinien für die Spruchpraxis der deutsch-
schweizerischen Vertrauensstelle für Goldhypotheken ge-
führt. Diese Vertrauensstelle entscheidet über die Fest-
setzung des Reinertrages der Grundstücke, die mit Schwei-
zerfranken-Grundschulden belastet sind. Für Berlin sind
diese Entscheidungen von besonderer Bedeutung, weil allein
43 Mio. Schweizerfranken-Grundschulden in West-Berlin
belegen sind gegenüber nur 41 Mio. Schweizerfranken-
Grundschulden in den übrigen Ländern des Bundesgebiets.
Das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des
Wertpapierbereinigungsgesetzes vom 20.8.53 re-
gelt das Verfahren, das die Bereinigung von bereits fälligen
Schuldverschreibungen zum Abschluß bringt, und enthält
weitere Ergänzungsvorschriften z. WertpapierbereinigungsG.
Das Gesetz über weitere Ergänzungen und Änderungen
des D-Markbilanzgesetzes sowie über die Ausgabe von
Aktien in Deutscher Mark vom 20.12. 52 stellt seinem In-
halt nach mehr ein Ergänzungsgesetz zur Wertpapierberei-
nigung dar, weil es in einer Reihe von Vorschriften den Um-
tausch von Reichsmarkaktien und die Ausgabe von neuen
Einzelurkunden für solche Reichsmarkaktien regelt. Außer-
dem spricht es für das Bilanzwesen aus, daß eine Fort-
setzung solcher Unternehmen, die eine Neufestsetzung ihrer
Kapitalverhältnisse nicht fristgerecht vorgenommen haben
und deshalb aufgelöst sind, nur bis zum Ablauf des Jahres
1953 beschlossen werden kann; nach diesem Zeitpunkt
kann nur eine Liquidation oder Neugründung [erfolgen.
Außerdem haben inzwischen Erörterungen über ein wei-
teres ErgänzungsG zumD-MarkbilanzG begonnen, das evtl.
die Wertansätze der §§ 19 und 22 DMBG ergänzen soll.
Im Bereich des Währungs- und Umstellungs-
rechts ist die bereits im Jahresbericht für 1952 erwähnte
Frage der Regelung der bei Berliner Gerichtskassen vor dem
9. 5» 45 bewirkten Geldhinterlegungen weiterhin Gegen-
stand eingehender Verhandlungen mit den Fachverwal-
tungen gewesen, nachdem sich bei der Vorbereitung des
in der Berichtszeit von Berlin übernommenen Umstel-
lungsergänzungsgesetzesherausgestellt hatte, daß dieses
die erwartete Lösung nicht bringen würde. Eine abschlie-
ßende Regelung wird weiterhin mit Nachdruck beim Bunde
angestrebt. Zur weiteren Durchführung des Grund-
pfandrechtumstellungsgesetzes in der Neufassung
vom 15. i. 53 erging neben einer für die Grundbuchämter
bestimmten Allgemeinverfügung eine zweite Durchfüh-
rungsverordnung vom 2.11.53, die zur Koordinierung
mit den Vorschriften des Lastenausgleichsrechts die Über-
tragung der den Finanzämtern bei der Umstellung^der
Grundpfandrechte zusteh. Befugnisse auf die mit der Verwal-
tung der Hypothekengewinnabgabe beauftr. Stellen vorsieht.
Im Vordergrund der Gesetzgebungsarbeit stand auf
dem Gebiete des Strafrechts die sogenannte „Kleine
Strafrechtsreform 44 , die im Jahre 1952 mit der Über-
nahme des Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. 8«
51 für Berlin begonnen worden war. Das Zweite Strafrechts-
änderungsgesetz vom 6. 3. 53 stellt die Anwerbung oder Zu-
führung eines Deutschen zum Wehrdienst im Ausland unter
Strafe. Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. 8. 53
bereinigte vor allem den Text des Strafgesetzbuches von
verschiedenen Unebenheiten und Zweifelsfragen, die durch
die fortschreitende Entwicklung der staatsrechtlichen Ge-
setzgebung und der allgemeinen Zeitverhältnisse entstanden
waren. Sie bezog ferner verschiedene Strafrechtsnormen,
die bisher i n Nebengesetzen geregelt waren, in das Straf-
gesetzbuch ein und änderte in einigen Fällen den Straf-
rahmen. Als wichtigste Neuerung brachte sie die Strafaus-
setzung zur Bewährung und die bedingte Entlassung durch
den Richter·
Im Anschluß an das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz
wurde das Strafgesetzbuch selbst in seiner neuen, ab 1.1.
54 geltenden Fassung bekanntgemacht«
Schon vor der Neuwahl des zweiten Deutschen Bundes-
tages waren im Bundesjustizministerium die Arbeiten an
der Großen Strafrechtsreform in Angriff genommen wor-
den; sie sollen nunmehr in enger Fühlungnahme mit den
Landesjustizverwaltungen vorangetrieben werden. Die Re-
formarbeiten werden nach einem vom Bundesjustizmini-
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sterium entworfenen Plan durchgeführt. In Berlin wurde
zur Vorbereitung der von t der Landesjustizverwaltung ab-
zugebenden gutachtlichen Äußerung eine „Landeskommis-
sion" für die Strafrechtsreform gebildet, die unter dem Vor-
sitz des Senators f. Justiz vorerst ihre Arbeiten abschloß.
Wichtige Teile des Nebenstrafrechts wurden umge-
staltet. So wurde das Verkehrsstrafrecht durch das
Straßenverkehrsgesetz vom 19. 12. 52, das im Januar 1953
in Berlin übernommen wurde, neu gestaltet. Das Gesetz
brachte u. a. eine Neufassung der Bestimmungen des Straf-
gesetzbuches über Verkehrs- und Transportgefährdung
mit sich. Zum Schutz der Jugend wurde mit dem Gesetz
über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften vom
9. 6. 53 die Möglichkeit geschaffen, den Bezug von Schmutz-
und Schundliteratur durch Jugendliche weitgehend aus-
zuschalten. Durch Neufassung des Gesetzes zur Be-
k ä m p f u n g der Geschlechtskrankheiten vom 23. 7.
53 wurde auch auf diesem wichtigen strafrechtlichen Ne-
bengebiet ein Fortschritt erzielt.
Im S t r a f v e r f a h r e n s r e c h t hat das bereits erwähnte
Dritte Strafrechtsänderungsgesetz ebenfalls wichtige Än-
derungen gebracht und zahlreiche Unklarheiten und Un-
richtigkeiten in den bestehenden strafverfahrensrechtlichen
Gesetzen beseitigt. Hervorzuheben ist die Ausdehnung des
Zeugnisverweigerungsrechts auf weitere Personenkreise,
denen Berufsgeheimnisse zugänglich werden, und die Mög-
lichkeit für den Richter, im Wege der Bewährungsaufsicht
die von ihm Verurteilten oder bedingt Entlassenen zu leiten
und zu beaufsichtigen. Für diese Zwecke sollen neben den
Richter haupt- oder ehrenamtliche Bewährungshelfer
treten. Die Rechtsstellung und Tätigkeit dieser Bewäh-
rungshelfer soll durch Landesgesetz geregelt werden; für
Berlin ist ein entspr. Gesetzesentwurf in Vorbereitung.
Nach dem neuen Jugendgerichtsgesetz vom 4.8.
53 kann der Richter eine verhängte Strafe zur Bewährung
aussetzen oder den Jugendlichen bedingt entlassen; er muß
ihn aber unter Aufsicht eines Bewälurungshelfer? stellen
und ihm Auflagen erteilen, über deren Einhaltung der Be-
währungshelfer zu wachen hat. Im Gegensatz zum Er-
wachsenenstrafrecht kann der Jugendrichter sogar die Ver-
hängung der Jugendstrafe aussetzen, wenn nicht mit Si-
cherheit beurteilt werden kann, ob in der Straftat eines Ju-
gendlichen schädliche Neigungen in einem Umfange her-
vorgetreten sind, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist.
Bedeutsam ist weiterhin die Ausdehnung des Jugenstraf-
rechts auf die Gruppe der Heranwachsenden, d. h. der Ju-
gendlichen von 18 bis unter 21 Jahren. Auf sie sind eben-
falls die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften des
Jugendgerichtsgesetzes anzuwenden, wenn der Täter nach
seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Ju-
gendlichen gleichsteht oder wenn die Tat eine offensicht-
liche Jugendverfehlung gewesen ist. Danach können Her-
anwachsende in geeigneten Fällen vor den schweren Folgen
einer kriminellen Strafe bewahrt werden.
Eine Ergänzung der strafverfahrensrechtlichen Gesetze
bilden die Richtlinien für das Strafverfahren, die
dem Staatsanwalt Weisungen, dem Richter aber wertvolle
Hinweise für die Bearbeitung von Strafsachen geben. Durch
die vollkommene Überarbeitung der alten Richtlinien vom
13. 4. 35, die inzwischen überholt waren, und durch Neu-
fassung der am i. 8. 53 in allen Ländern der Bundesrepublik
und in Berlin in Kraft getretenen Richtlinien wurde ein
beachtlicher Fortschritt erzielt. Weitere Ergänzungen in
Hinblick auf die bes. Verhältnisse in Berlin sind vorbereitet.
Auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung ist die
Wiedereinführung des erweiterten Schöffengerichts her-
vorzuheben, das mit zwei Amtsrichtern besetzt ist; vor ihm
sollen namentlich die Fälle verhandelt werden, die wegen
des Umfanges der Sache die Mitwirkung eines zweiten Be-
rufsrichters notwendig machen.
Die Arbeiten zur Neuordnung des Gnadenwesens
sind in Berlin soweit abgeschlossen, daß alsbald minder
Vorlage eines neuen Gesetzes über das Gnadenrecht ge-
rechnet werden kann»
Im Ergebnis ist festzustellen, daß neben der umfang-
reichen verwaltenden Tätigkeit der Schwerpunkt der Ar-
beit der Senatsverwaltung für Justiz wie auch in den ver-
gangenen Jahren bei der Rechtsangleichung und Rechts-
vereinheitlichung d.Bln.Rechts m.d. Bundesrecht gelegen hat.