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Die NORDISCHE ZEITUNG ist


die Stimme des Artglaubens. Sie wird
von der Artgemeinschaft – Germani-
sche Glaubens-Gemeinschaft we-
sensgemäßer Lebensgestaltung e.V.,
Postfach 55709, 22567 Hamburg,
herausgegeben und verlegt und er-
scheint vierteljährlich.

Die Stimme des Artglaubens Menschen unserer Art, die Beiträge


zur Entwicklung nordischer An-
schauungen auf religiösem, weltan-
Im Einsatz für schaulichem, kulturellem, erzieheri-
schem, gemeinschaftsbildendem,
 Lebensschutz, insbesondere Überleben unserer Art künstlerischem und wissenschaftli-
chem Gebiet geben wollen, steht sie
 Erhaltung des nordischen Kulturerbes und Förderung einer wesens- zur Verfügung.
gemäßen Kultur Dabei müssen namentlich gekenn-
zeichnete Beiträge nicht in jedem
 Verwirklichung einer sinnerfüllten Lebensgestaltung Falle mit der Auffassung der Schrift-
leitung oder der Leitung der Artge-
meinschaft übereinstimmen.
Schriftleiter und verantwortlich für
den Inhalt, soweit Beiträge nament-
lich nicht gekennzeichnet sind: Jür-
Inhaltsverzeichnis gen Rieger, Auguste-Baur-Str. 22,
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kennzeichnete Artikel verantworten
Die Götter Germaniens die Verfasser.
Prof. Dr. Hans Naumann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zahlungen auf das Konto: Die Artge-
meinschaft, Postbankkonto 5 28 51-
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Hartmut Schiffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 dem postalischen Ausland: unter
Angabe des €-Betrages mit Aus-
landspostüberweisung oder Scheck,
Die germanische Mythologie im 19. und 20. Jahrhundert spesenfrei für den Empfänger.
Theobald Bieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Die von der Artgemeinschaft – Ger-
manische Glaubensgemeinschaft we-
Unseren jungen Gefährten – sensgemäßer Lebensgestaltung e.V.
Aus Deutschlands Vorzeit: Die Jungsteinzeit – Teil 1 . . . . . . . . . . . 14 verwendete Form der Irminsul ist re-
gisterrechtlich geschützt und darf nur
Unseren jüngsten Gefährten – von Mitgliedern der Artgemein-
Sneewittchen – Teil 1 – Hermann Claudius und Theodor Storm . . . . 16 schaft verwendet werden.
Wir setzen an den Beginn unserer
Jahreszählung nicht die Geburt eines
Filmbesprechung – Christus, von dem niemand weiß, ob
Der 13te Krieger – Jürgen Mosler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 und ggf. wann er geboren wurde, son-
dern die Hochblüte des Gestirnhei-
Unsere Gesundheit – ligtums Stonehenge.
Brunnenkresse als Frühjahrssalat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Bezugsgebühr 18,– € jährlich, für
Mitglieder und Förderer im Jahres-
beitrag enthalten. Bestellungen für
Neues vom alten Feind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 nur ein Jahr gelten als automatisch
um ein weiteres Jahr verlängert,
wenn nicht bis zum 31. 12. gekündigt
wird. Wenn innerhalb eines Jahres
Heidenspaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 bestellt wird, werden die bereits er-
schienenen Hefte nachgeliefert; die
Bestellungen gelten immer für ein
Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kalenderjahr.

Beilagenhinweis: Einer Teilauflage liegen Mitteilungen der Leitung und die Einladung zum Gemeinschaftstag bei.
Umschlagbild: Thor und die Riesen, Gemälde von M. E. Winge, Leinwand, um 3690 n. St. (Nationalmuseum Stockholm).
enn wir nach den Göttern

W Deutschlands suchen, so werden


wir nur wenige Anhaltspunkte
Die Gö†er Germanien+
hier finden. Es hat sich die Gottheit
eines gänzlich anderen Kulturkreises Irminsul (universalis columna quasi fer wäre vielleicht die Formulierung,
einen Teil Germaniens sehr frühe er- sustinens omnia, Rudolf von Fulda), daß die göttlichen Mächte, dereinst dem
obert und hat diesen Teil Germaniens in altsächs. reganogiscapu vgl. altnord. Geheimnis des magischen Weltbildes
Verbindung mit anderen wirkenden ragnarök und mindestens der Name, entsprungen, ihren Völkern stets dieje-
Ursachen zu Deutschland gemacht. In- wenn auch nicht die Figur Aurvandill = nigen Ideale vorleben, deren sie auf ih-
dem die Bildungsstufe „gemeingerma- Orendel kommen hinzu. Einiges von all rer jeweiligen Bildungsstufe bedürfen,
nisch“ bei uns erlosch, entweichend diesem reicht, wie man sieht, bis weit um zu der Form sich lebend zu ent-
nach Norden, und die Bildungsstufe über die Völkerwanderung hinab. Aus wickeln, die ihnen vom Schicksal ge-
„deutsch“ begann, war davon auch die den gedeckten Einzelheiten dürfen wir prägt worden ist. In jenen allegorischen
Götterwelt betroffen. Eine Zeitlang getrost auf das ungedeckte Ganze Erklärungen der Götter und ihrer Taten
lebte sie weiter im Volksglauben. Aber schließen. Diese sonderbaren Relikt- indessen aus gutem oder schlechtem
schon über tausend Jahre wirkt das trümmer des Südens beweisen, daß die Wetter verriet sich eine Zeit, die sich ein
Christentum prägend auf den deutschen geschlossene mythologische Landschaft schöpferisches, bildhaftes Denken der
Volksglauben ein, nicht mehr das Hei- des Nordens einst bis zu uns gereicht Menschen nicht mehr vorstellen
dentum1. hat. Allgemeine Erwägungen und konnte. In Wirklichkeit schuf damals
Daß jedoch die hauptsächlich nur nord- Schlüsse aus anderen Gebieten, denen ein starkes Geschlecht weit über sich
germanisch bezeugte Götterwelt und zufolge wir überhaupt in weitem Maße selbst hinaus, und sich steigernd, wie-
das nordgermanische Weltbild in den die nordgermanische Kultur als ein derholte es sich selbst in seinen Göttern.
großen und in vielen kleinen Zügen Echo und Spiegelbild schon vergange-
ner südgermanischer auffassen dürfen,
einst auch Besitz Südgermaniens war:
kommen hinzu. Norwegen war nicht Die Götter Epikurs
mit dieser Annahme wird man heute ge-
trost zur älteren Anschauungsweise sehr schöpferisch; daß sich Island noch Aus den Äußerungen, die Citero in „De
zurückkehren dürfen. Denn wo nur im- neue Göttergestalten schuf, ist unwahr- natura deorum“ seinem Epikureer
mer einmal die stark verschütteten süd- scheinlich. Das Gemeinskandinavische Vellejus über die antiken Götter in den
germanischen Quellen fließen, da wer- reicht mit tausend Maschen in das Ge- Mund legt, ergibt sich, wenn man sie zu-
den sie auch sofort durch die nordischen meingermanische hinein. Die Götter- sammenzieht, etwa folgende Vorstel-
Zeugnisse bis ins Unwesentliche hinein welt des Nordens war einst auch die uns- lung von diesen5:
bestätigt und unterstützt. Ich nene rasch rige, als wir uns noch nicht aus dem ge-
meingermanischen Kulturkreis los- Die Götter sind ewig und glückselig. Sie
das Wichtigste in kurzen Formeln:
gelöst hatten. Wir werden sehen, daß es tragen zwar menschliche Gestalt, weil
Wodan und Frigg nicht nur einzeln, son-
eine gemeingermanische aristokratisch- keine Form schöner ist als die menschli-
dern in den der bekannten ehelichen
idealistische Hochreligion gegeben hat, che, indessen ist ihre Gestalt nicht kör-
Verbindung im Norden wie bei Paulus
die uns längst nicht so unbegreifbar perlich, sondern nur gleichsam körper-
Diaconus. Friggs Bild in überraschen-
bleibt, wie die Skeptiker gewöhnlich lich, ihr Blut nur gleichsam Blut. Ihr Le-
der Weise schon südgermanisch. Ihr
meinen. ben verbringen sie in glückseligster
Sohn Balder mit den Eltern im Kreise
Weise in allem nur erdenkbaren Über-
besorgter Götter: nur die Torheit, in die Aber nicht mehr die Naturkräfte und
fluß, ohne Zorn, ohne Zuneigung, denn
sich einst heut unbegreiflicher Überkri- urmythich-kosmischen Bezüge, die in
alles, was von Zorn oder Zuneigung er-
tizismus überschlug, konnte am Balder den Göttergestalten sich etwa symboli-
griffen wird, ist unvollkommen. Sie tun
des zweiten Merseburger Zauberspru- sieren, werden den Philologen von
nichts, sie leben in ewiger Ruhe der
ches irre gehen. Aber wer würde Fulla, heute in erster Linie berühren, sondern
Seele, denn ohne Ruhe der Seele gibt es
die scheinbar so nebensächliche Schwe- die menschlichen, die ideellen, die gei-
nicht Freiheit, nicht Glück. Sie sind in
ster und Zofe der Frigg, aus dem Nordi- stigen Kräfte. Die Ideen, die die Namen
keine Geschäfte verwickelt, sie glühen
schen auch fürs Südgermanische zu er- germanischer Götter tragen, die seeli-
nicht von Wollust, sie führen nicht
schließen wagen, wenn nicht eben die- schen Antriebskräfte, Willensziele und
Krieg, sie hassen einander nicht, sie
ser Merseburger Zauberspruch wäre? Lebensideale, die in göttlicher Gestalt
jammern nicht, sie klagen nicht, sie er-
Oder Njörd, wenn nicht die Taciteische verehrt werden, die menschlichen Le-
freuen sich nur ihrer Weisheit und Tu-
Nerthus wäre? Tyr = Teiwas, lebendig bensformen, Seinsweisen, Interessen-
gend. Sie sind nicht wie jene geplagten
im Süden noch zur Zeit der Wochen- sphären, erfüllten oder unerfüllten
Götter, die ohne Unterlaß sich um die
tagsnamengebung, ist jetzt schon aus Wünsche, die unter diesem oder jenem
Himmelsachse drehen, die Welt regie-
dem 2. Jahrhundert v. Chr. für Südger- Namen vergöttlicht sind, zu erkennen,
ren, den Lauf der Gestirne, die Jahres-
manien durch die Inschrift von Negau muß das Geschäft des Germanisten
zeiten, den Wechsel und die Ordnung
bezeugt2. Die Verbindung von Loga- sein, damit er die Ergebnisse der dürfti-
der Dinge erhalten, für Meer, Erde,
thore = Lodurr, der Langform des Kurz- gen dichterischen und kunsthandwerk-
Menschen sorgen, in lästige und müh-
namens Loki, und Vigithonar = lichen Denkmäler in etwas ergänze und
same Geschäfte verwickelt. Die Welt?
Vingthorr mit Wodan auf der Norden- die Wissenschaft vom germanischen
Die Welt ist von der Natur selbst ge-
dorfer Spange3 läßt Außerordentliches Menschen vermehre. Eine Untersu-
schaffen, ohne besondere Hilfsmittel
im gemeinsamen religiösen Besitz ver- chung de natura deorum Germaniae
und ganz leicht. Dazu benötigte sie kei-
muten. Die Worte, Gleichungen und muß zuletzt zu einer Untersuchung de
nen deus ex machina wie jene jämmerli-
Sachen Yngwi = Ingwaz im Namen der natura deorum Germanorum werden,
chen Theaterdichter. Was glückselig
nach ihm benannten Amphiktyonie, so wie einst Ciceros „De natura
und unsterblich ist, hat keine Arbeit und
Ingunar-Freyr, der ingwäonische Herr; deorum“ zu einem Stück antiker Gei-
macht niemandem Arbeit. Quod bea-
Forseti = Fosete; Hludana = Hlodyn; stesgeschichte geworden ist. „Der
tum et immortale est, id nec habet nec
idisi = disir; fairguni = Fjörgynn; irmin = Mensch schafft sich seine Götter nach
exhibet cuiquam negotium.
iörmun; Fessel = hain4; Muspilli; seinem Bilde“: so hieß einst die positivi-
Mittilagart; Erde und Oberhimmel; stische Wendung des Satzes: „In seinen Man sieht schnell, wie mit solchen Vor-
Yggdrasil und die Vorstellung von der Göttern spiegelt sich der Mensch“. Tie- stellungen die idealisierte Lebensform

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des epikureischen Philosophen selbst in ausgelassenen Charakter, der desto auf- vor Epikur im griechischen Geist, dem
den Himmel versetzt ist. Lust, nicht fallender ist, als der Rahmen des sie offenbar entspricht. Sie führt, wie
Tätigkeit, ist das höchste ethische Prin- Ganzen so tieftragisch und voll Unter- wir sehen werden, zu einer noch völlige-
zip. Untätig sind die vollkommenen gangsstimmung erscheint. ren Trennung der Gottheit vom Men-
Götter, ein schöner Luxus der Welt, Vergleichend mögen wir erkennen, daß schen nach seinem Tode. „Eins ist der
denn alle Tätigkeit entspringt nur einem ganz grundsätzlich kein Unterschied be- Menschen, ein andres der Götter Ge-
Mangel, einem Bedürfnis, einer Unvoll- steht zwischen den Göttern Epikurs und schlecht“ sagt Pindar; „das eine ist gar
kommenheit. den Göttern Germaniens in bezug auf nichts, ewig fest aber bleibt die Burg des
ihren ideal-anthropomorphen Charak- ehernen Himmels“. Die orphische Reli-
Demgegenüber leben die Götter Ger- gion und esoterische Mysterienreligio-
maniens ein tätiges, lebenerfülltes Ede- ter. Nur in Grad und Art der Kultur liegt
hier der Unterschied. Dort schon die nen mögen sich in diesen Punkten frei-
lingsideal in einer Welt, die ihrer bedarf. lich gänzlich anders verhalten als die
Unser Cicero, Snorri, hat leider ver- Lebensform des epikureischen Philoso-
phen – hier, kaum vergleichbar, noch olympische Religion. Uns interessiert
säumt, seinen Sprecher, den ,Hohen‘ in hier nur diese.
der ,Gylfaginning‘, rasch etwa folgende die Lebensform kriegerischer Bauern-
Züge zusammenstellen zu lassen: edelinge. Gingen wir, wie wir eigentlich So tiefe Kluft trennt freilich die Götter
sollten, von den Göttern Epikurs zurück Germaniens von ihren Menschen nicht.
Natürlich sind die Götter den vitalen zu den Göttern Homers, so würden Sie sind eines Geschlechts und im Werte
Funktionen unterworfen; Gestalt ist auch die Lebensformen, infolge ähnli- einander mehr angeglichen. Hier steht
hier körperlich und Blut ist Blut: sie at- cherer Kulturlage, bekanntermaßen, die Gottheit, weniger vollkommen ge-
men, essen, trinken, schlafen, lachen, äußerlich wenigstens, gleicher werden, dacht, nicht außerhalb der Welt, son-
weinen, werden geboren und sterben und bei anderen früheren außerhomeri- dern auch sie unterliegt wie der Mensch
sogar – nicht den Tod Balders meine ich schen griechischen Komplexen möchte ihrem Schicksal, und mit dem Tode des
jetzt, der dereinst wieder aufersteht, sich die Gleichheit womöglich noch er- Menschen erhöht sich, worauf wir noch
sondern den völligen unerbittlichen höhen. Innerlich freilich offenbart sich kommen, beider Wesen Zusammen-
Tod am Ende der Weltperiode. Sie sind, schon hier ein tiefer Unterschied. gehörigkeit. Hier nähert sich germani-
wie rechte Fürsten, ewig unterwegs, sie sches mehr dem christlichen Empfinden
reiten oder fahren; sie gehen zum Thing, im Zusammengehörigkeitsgefühl von
wo sie auf ihren Gerichtsstühlen sitzen Mensch und Gott. In sváso god „unsere
und raten und dichten; sie reiten zu krie- ganz eigenen, unsere lieben Götter“
gerischen oder Liebesabenteuern. Sie sagt der Germane, wie er vom Freund,
obliegen der Jagd und dem Fischfang, dem Bruder vom Gefolgsgenossen, ja
sie brauen Bier und berauschen sich vom eigenen Kinde sagt7 und wie dann
gern. Sie sitzen bei Trunk in ihren Hal- der deutsche Christ wieder vom „lieben
len beisammen und reden über ihr Ta- Gott“, vom „lieben Herrn Jesus“, von
gewerk, ihre Waffen, ihre Tapferkeit. der „lieben Maria“, vom „lieben Kai-
Störenfriede jagen sie hinaus in den ser“, vom „lieben Kinde“ spricht8. Es ist
Wald, der niemals sehr weit von der die Verbundenheit von Fürst und Ge-
Halle ist, dann setzen sie sich wieder folgsmann, in der sich der Germane zur
zum Trunk. Schwerter, Rosse, Ringe Gottheit sieht, welche er nicht für voll-
sind ihre kostbarsten Güter, Helme und kommener und nur für relativ mächti-
Brünnen tragen sie gern. Sie schließen ger als seinen eigenen Fürsten hält.
Blutsbrüderschaften. Sie haben ihre Gleichsam wie aus dem jahrhunderte-
Diener. Sie können in Schwermut ver- langen schöpferisch-prägenden Erleb-
fallen, z. B. aus Liebespein. Sie spielen nis der Völkerwanderung heraus, die
Brett. Sie schmieden sich Waffen und Führer und Gefolgschaft nach hero-
Handwerkszeug. Sie befragen die Lose, ischer Laufbahn früher oder später un-
z. B. wo es noch Essen gebe, wenn sie Brakteat von Trollhättan, Tyr darstellend.
trennbar dem gemeinsamen Untergang
ihre eigenen Vorräte aufgezehrt haben entgegenführte, so ist dies heroisch-tra-
und einmal zu bequem sind, von neuem Denn schon bei Homer sind die Götter gische Erlebnisprinzip für Mensch und
jagen zu gehen. Ja – und hier vergißt sich die Selig-Vollkommenen, die in der ewi- Gottheit aufs Weltganze bezogen und
gleichsam der Glaube – sie sind so voll- gen Herrlichkeit ihres Göttersaales zur Grundlage des Weltbildes gemacht.
kommen menschlich gedacht, daß sie hoch über den Menschen leben, un- Dem Griechen aber leben die olympi-
Tempel haben in ihren Gehöften, selber berührt von deren Dürftigkeit und Leid. schen Götter entfernt und unzerstörbar
Priester sind und Opfer vollziehen. Schon bei Homer lassen sie sich ihre in olympischer Höhe und Geschieden-
Wem?: – dürfen wir nicht fragen, son- „Seligkeit nicht trüben durch allzu heit.
dern nur: warum? Warum haben sie ernstliche Teilnahme am Menschen und
Tempel und opfern und sind Priester zu- seiner Qual“, wie Otto sagt6. Denn die Gewiß, es fehlt den germanischen Göt-
gleich? Und wenn man hier nicht ganz Menschen sind gar arme hilflose Ge- tern die Atmosphäre von Amt, Gesetz,
letzte und tiefste Opferauffassungen schöpfe, für die es keine Rettung gibt Schrift und bürgerlich-festlich geregel-
und religionswissenschaftliche Hinter- gegen Alter und Tod. Schon hier ist die tem Jahr; Stadtkultur haben die germa-
gründe annehmen will, wozu keine Ver- Gottheit im Gegensatz zu anderen Reli- nischen Götter nicht mehr erlebt, sie zo-
anlassung vorliegt, kann die Antwort gionen nicht ernstlich beschäftigt mit gen nicht mehr als Bürger in das gastli-
lauten: Weil die menschlichen Edeling dem lebenden Menschen und seiner che Tor einer ihnen geweihten Polis ein.
und Häuptlinge dies Amt zu ihren Ob- Not, und der Gang der Welt ist vorbe- Ihr geistiger Raum ist noch der Groß-
liegenheiten zählten. Zur Vervollstän- stimmt durch die Moira, welche die bauernhof und die Fürstenhalle. In den
digung ihres Bildes also! Und weil sie so Götter selbst nicht berührt. Sie stehen Händen von Hausvätern und Jarlen
durchaus Menschen sind, diese Götter außerhalb der Welt und jenseits der treffen wir sie, die nebenbei ihre eige-
Germaniens, Doppelgänger unserer Moira. Die Vorstellung von der unge- nen Priester sind, noch nicht in den
eigenen Vorfahren, deshalb tragen ihre störten Vollkommenheit der Götter lag Händen von Druiden, fester und aus-
Geschichten jenen heiteren, menschlich also, wie es scheint, schon vorgebildet schließlicher Priesterkasten oder von

2 Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St.


Literaten, Philosophen, bildenden
Künstlern. So wird uns ihre Schönheit
und Plastizität nicht vor Augen geführt.
Daß sie in der Vorstellung gleichwohl
bestand, lehrt die mehrfach vorhandene
Figur des geliebten schönen Götter-
jünglings. Aus tiefer Frühzeit teilt uns
schon Vellejus Paterculus (2, 107) jene
Äußerung eines alten Semnonen mit,
der am Ufer der Elbe den Imperator
Tiberius in seiner cäsarischen Pracht er-
blickte und sich staunend mit dem Ruf
entfernte Hodie vidi deos, „Heut hab’
ich, o Cäsar, die Götter gesehen“ – weil
seine Vorstelung von der Gottheit so
stolz, waffengeschmückt und schön be-
reits war. Und Jahrhunderte später be-
richtet die Landnáma (cap. 207) von den
Hjaltisöhnen: als sie zum Thing kamen,
waren sie so schön gekleidet, daß die
Leute dachten, die Asen wären gekom- Rekonstruktion des Zierplättchens auf dem Helm von Vendel, Wodan darstellend.
men, at aesir vaeri komnir9. Oft ist, wie
bei Heimdall, die göttliche Erscheinung
ein Gemälde von Weiß und Gold. Die Dämonen brechen aus der Wildnis Religionsgeschichtlich äußerst wert-
Leuchtender Glanz geht von ihr aus, der Natur hervor, sie wirken inmitten volle Reste alter Tiergestaltigkeit sind
„schimmernd“ ist ein Götterepithet, der irdischen Welt und inmitten der noch vorhanden, aber kaum mehr als
Ruhm und Schönheit werden immer be- Menschen; die Götter kommen aus bei den Olympischen auch. In der
tont. ihren Hallen und Gehöften in entrück- Hauptsache ist hier wie dort das Hei-
ten Regionen, die ihre eigentliche Hei- lige-Tier-Attribut an die Stelle der Tier-
Freilich, wenn Poseidonios von Apa- mat sind, wenngleich noch sichtbar gestaltigkeit getreten. Der Weg vom
meia als Lebensprinzip der nordeuro- wird, daß Asgard zunächst nicht im Dämon zur Gottheit hat hier wie dort
päischen Völker den thymos erkennt, Himmel, sondern irgendwo auf der über die Menschengestalt geführt. Man
jene ganz seelische Religion von „star- Erde lag – ein Gehöft auf einer Höhe, ersieht an den Göttern, wie der mensch-
ken und wilden Kräften, deren Tugend, wie eines Jarls Gehöft gern etwas höher liche Geist von Element und Stoff und
Pracht, Instinkte und Gefährlichkeit“, gelagert ist über der unter ihm siedeln- ungeheuerlichem Grausen primitivsten
wie Reinhardt sagt, „der Ethiker als den Gemeinschaft. Dahinein aber glitt Weltbegreifens glücklich erlöst ist. Und
Energien des bloßen Zornes kennt“, so die Vorstellung von Asgard als himmli- nur in dem Maße, wie sich die Götter
bewähren solchen thymos natürlich die scher Götterburg – auch bei den Süd- mit dem erlösten Geiste nur weiter wan-
Götter der nordeuropäischen Völker, germanen. deln, bleiben sie mit dem Menschen ver-
als deren summierte Kräfte, erst recht. wandt.
Man mag des prächtigen und gefährli- Die Dämonen sind visionär geschaut,
Dem Urmythischen ist auch die ge-
chen Asenzorns gedenken, wie er Thor, versc hwommen, vielgestaltig, miß- und
meingermanische Religion wie die ho-
wie er Freyja ergreift. mischgestaltig, wandelbar, gräßlich,
merische längst entrückt, und hier wie
verstümmelt, alle Maße der Phantasie
Nur in der jüngeren Ersacheinungsform dort ragen nur noch ein paar vereinzelte
durchmessend, energisch in ihrer Funk-
Wodans gestaltet sich das Prinzip der groteske Relikte aus der Urmythenzeit
tion, scharf zufassend, selbst unfaßlich,
Südvölker, der logos, mehr und mehr herein. Derlei Primitivitäten sidn für
leibhaftige Kollektivvorstellungen; sie
aus, so daß der Mythos erzählen kann, den Religionswissenschaftler wichtiger
scheinen immer wieder zurückzusinken
Odin habe ihn dem toten Sohn noch ins als für den Philologen, den sie vielleicht
in die Natur und den Boden, der sie ewig
Ohr geraunt. Eine reine Poliskultur allzulange beschäftigt haben. Sie tragen
wieder erzeugt. Sie sind unberechenbar
hätte die Götter Germaniens genau so zum Gepräge der Religion im Ganzen
böse oder kindlich gut, oft beides zu-
gezähmt wie die Olympischen. Die Dä- längst keine wichtigen Züge mehr; wir
gleich, und sie sind stets so mißtrauisch,
monenstufe an sich liegt hinter den Göt- können sie hier übergehen.
tückisch, beschränkt und dumm wie der
tern Germaniens freilich nicht anders Auch von den entlehnten und impor-
primitive Geist, dessen Welt sie füllen10.
wie hinter den Olympischen weit tierten Figuren und Einzelzügen in der
zurück. Die Götter Germaniens tragen viel- germanischen Götterwelt kann hier
leicht ein paar der dämonisch-verführe- nicht gesprochen werden. Niemand
Keine Dämonen rischen Züge mehr noch an sich als die zweifelt mehr an solchem Import in der
Olympischen, denn die Natur ist verfüh- germanischen wie wie der der homeri-
Die Dämonen sind noch als primitive rerischer als die Stadt und bleibt dem schen Religion. Die geistigen Grund-
Horde gedacht, ihnen fehlt der persön- Dämonischen näher. Aber im allgemei- kräfte indessen scheinen von ihm sehr
liche Charakter, aber die Götter Ger- nen sind auch sie durchaus schon viel weniger berührt, vielmehr: sie wir-
maniens sind Individualitäten bereits plastisch gesehen, scharf umrissen, ein- ken sich stark an ihm aus.
mit bestimmten Funktionen, die die Dä- gestaltig, unwandelbar, weniger ener-
monen nicht haben, mit einer Arbeits- gisch zufassend, faßlich und berechen- Die bäuerliche Sphäre
teilung in der Weltgeschichte nach dem bar. Wodan hat seine mystischen Fähig-
Abbild menschlicher Ordnung. Die Dä- keiten und seine Verwandlungskunft, Aber da hebt sich nun deutlich und für
monen gehen noch nackt, zottig, tier- seine „ärgerliche Zauberei“, wie Snorri uns hier zugleich wichtiger eine bäuerli-
haft; die Götter gehen bekleidet, wehr- sagt, weniger mit den Dämonen als mit che Sphäre göttlicher Lebensumstände
haft, jagdmäßig, sportsmäßig gerüstet Zauberern und Medizinmännern ge- heraus. Die Welt mit ihren neun Hei-
einher. mein. men sieht bald wie ein Komplex von

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neun riesigen Einzelhofsiedelungen bäuerlichen Handmühle aus der Sintflut
aus, wie ein weit auseinandergezogenes retten. Die Wanin Gullveig kommt zu
Haufendorf mit der Weltesche als Dorf- den Asen ganz sagamäßig wie eine Zau-
baum11, wo der Brunnquell entspringt berfrau ins fremde Bauerngehöft, sie
und der Gerichtsanger liegt, auf dem die beredet die jungen Göttinnen wie uner-
Götter täglich beraten, bald wieder ruft fahrene neugierige Bäuerinnen. Daß
sie mehr den Eindruck von neun weit man am Strande angetriebene Baum-
auseinanderliegenden Dörfern hervor. hölzer findet, sie zu Figuren zurecht-
Wald- und flußreich ist auch dies mythi- haut, anmalt und bekleidet, ist ein Bild
sche Dorflandschaftsbild, wie das natür- einfachen Lebens. Weil sichs um Götter
liche es in Germanien war, Furten handelt, so verleihen sie diesen Figuren
führen durch die Flüsse und müssen ver- auch Wärme und Leben, und so sind die
teidigt werden. Haine und Büsche lie- Der alte Stein im Turm der Martinskirche in ersten Menschen erschaffen. Zu beson-
Dunningen, offensichtlich Wodan mit den
gen stets dicht auch bei den mythischen Wölfen Geri und Freki darstellend. deren Spekulationen bietet all dies
Siedelungen, schaurige und liebliche. keinen Anlaß. Irgendwelche Symboli-
Verlockt man, so verlockt man aus der sierungen liegen nicht vor. Die Kuh
Siedelung in den Wald (so Loki die dinnen, glättet den Pferden die Mäh- Audumbla bedeutet nicht die Regen-
Idun); man verabredet das Stelldichein nen, goldgehörnte Kühe gehen zu sei- wolke, ist auch keine Allegorie der Le-
in den Wald, wird in den Wald verjagt. nem Hof und schwarze Stiere. Viele benskraft, sondern sie ist eben schlecht-
Grabhügel liegen vor den mythischen Kleinode besitzt er, Schwester oder weg eine Kuh, eine mythische Kuh,
Siedelungen, wie sie vor den irdischen Mutter und Gattin führen ihm den nicht anders wie die griechische Wun-
liegen. Auch von den mythischen Haushalt. Knechte hat er, die seine Wie- derziege Amaltheia, die den jungen
Gehöften werden die großen Hallen am sen mähn, Odin kann sich unerkannt bei Zeus mit ihrer Milch ernährt, eben
sichtbarsten, die Biersäle mit Zaun, ihm als Erntearbeiter verdingen. schlechtweg eine mythische Ziege ist.
Gattertor, Brücke, Bänken im Fleet. Von den Göttern steht Thor in engster Denn Kuh – das ist der Beginn alles
Auch der Hirte vorm Gehöft, Hahn und Beziehung zu dieser Riesengruppe, we- Guten, Inbegriff und Bürgschaft des
Hund am Gehöftbaum sind auf die sentlich und aktiv; er ist selbst der ver- Bäuerlich-Notwendigen, Milch, Zug-
metaphysischen Bezirke übertragen. göttlichte Bauer, der ergrimmende kraft für den Pflug, warmer Stallduft
Bricht der Gott auf, so rüstet er Roß Dorfheld, den die Gemeinschaft immer und Geborgenheit, alles aus Erlebnis
oder Gefährt im Gehöft; mitten im Hof dahin postiert, wo es besonders gefähr- und erster Erfahrung heraus. Daß die
erwartet er, wenn’s eilig, den rückkeh- lich ist, plump, grobschlachtig und mit Kuh schon mit da ist am Anfang der
renden Boten. Mühlen und Ingesinde gewaltigem Zuschlagen, kein Gott des Dinge, ist ein Denkmal, das ihr der ger-
sind im Gehöft, neben der Halle der Gedankens und der Rede, sondern der manische Bauer gesetzt hat. Die Kuh
Tempel. Gehöfte, Fluren, Flüsse und großartigen, verläßlichen, aber manch- und der Baum! Denn so entsprach es
Haine tragen ihre Namen; es gibt hier mal auch allzu blind-ungehemmten seiner Grundvorstellung von der Welt:
eine göttliche Flurnamenkunde, in jeder Macht. Ritterlich sollte man den göttli- der große Baum gehörte dazu, der alte
Beziehung ein sauber und peinlichst ge- chen Bauern nicht nennen, wenn er ein- mit den hochliegenden Wurzeln, wie
ordnetes mythisches Weltinventar. mal dem Riesen gegenüber das selbst- der Blick des Kindes zu allererst ihn
Nicht alles hier ist Werk der Poeten; als verständliche Gastrecht wahrt. Man einst sah im Gehöft des Vaters und dann
Ganzes entspringt es der Sehweise, der empfand immer, daß Thor irgendwie wieder im Dorf: Hofbaum, Dorfbaum,
Denk- und Lebensform des altgermani- nicht ganz zu den Asen gehört. Ihn hat Weltbaum, um den sich die neun Heime
schen Bauern. Wo ist eine zweite My- eine andere Interessensphäre aus ge- ordnen, die realen und die mythischen,
thologie, die so bäuerlich pedantisch ein staltet. Thor, das ist Sippe und Heimat, wie sich die Hofgebäude und die Dorf-
metaphysisches Siedelungsbild ausbaut Stamm und Blut, Dasein der heiligen gehöfte ordnen um ihren Baum. –
und benamst, desgleichen die tägliche bewahrten Bindungen. Thor ist das Hei-
Lebensführung der Mythischen so bis lige und die Idee des Blut-, Boden-,
ins kleinste angibt und regelt? Sippe-verbundenen Daseins, der Gott Die heroische Sphäre
Besonders eine bestimmte Riesen- der bäuerlichen Gemeinschaft, der
Darüber lagert sich nun jene andere Le-
gruppe ist in diese agrarische Perspek- eigentliche Gott der Frömmigkeit,
benssphäre mit den heroischen und den
tive gerückt und erscheint wie ein altes Menschenlands Schützer und Freund
tragischen Lichtern. Zu den bäuerli-
göttliches Großbauerngeschlecht. Zwar des besiedelten Raums, der vielnützi-
chen Lebensumständen gesellen sich
gibt es eine archaischere, kollektiver ge- gen Erdflur. Thor ist das Herkommen,
die Ideale des Kriegers. Diese Sphäre
dachte Riesen- und Riesinnengruppe, die Summe des Alten und der heimi-
rettet uns einige alte Götter, vergißt de-
die in Felshöhlen haust und mit Steinen schen Überlieferung, das breite bejahte
ren Herkunft und uralt-heilige Funk-
wirft. Schlechte Wege führen von hier lebendige Dasein der bäuerlichen Sip-
tion, verleiht aber ihnen und ihren ural-
über Menschenland zum Götterheim pen, der Nachbar und der Freund, gera-
ten Zügen neuen Sinn, man kann sagen,
wie zwischen feindlichen Bauernge- dezu das Volkstum. Thor ist der Stamm,
im Stil und Geist des Heldenliedes.
meinden. Gern aber und oft sind die wie er aus Sippen besteht.
Häuptlingsgehöfte jener anderen Diese heroische Lebenssphäre macht
Die Wächterfähigkeiten Heimdalls
Gruppe beschrieben, und sie erscheint aus Tyr, uralt-ererbtem Himmelsgott,
sind, wiewohl märchenhaft, doch bäuer-
überhaupt wie ein altes entthrontes tita- nicht eigentlich einen blutigen Mars
lich bemessen: das Gras hört er wachsen
nisches Göttergeschlecht. oder wütenden Ares, sondern den ver-
und die Wolle auf den Schafen.
läßlichen stillen und beherzten Gefolgs-
Da sitzt der Riese wie ein großer Erb- Der Urriese Ymir (Örgelmir) mit der mann, die verkörperte Idee der Uner-
bauer auf dem Hügel vor seinem Gehöft Kuh Audumbla ist der riesische Häusler schrockenheit, ungesellig, allein. Tyr ist
oder auf dem Hochsitz in seiner Halle, mit seiner einzigen Kuh, durch Allitera- der brave Krieger; aus fremder entlege-
weise, patriarchalisch und vornehm tion ihr verbunden, wie „Kerl und Kuh“ ner Sippe gekommen, unverheiratet
oder fröhlich und arglos wie ein Kind, nun einmal sprichwörtlich zusammen- und ohne Eigengehöft in Asgard, dient
„Knaben gleich, die ins Blaue sehn“12, gehören. Der Urriese Bergelmir, riesi- er seinen Herren nun treu, hält er für sie,
dreht Goldbänder für seine Grauhün- scher Bauer, kann sich im Kasten seiner ohne mit der Wimper zu zucken, die

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Hand in des Wolfes Rachen (die germa- halten für eine bestimmte Funktion der trügerisch in der Schlacht fallen läßt,
nische Wendung der Geschichte des heroischen Idee im Himmel. Dunkel findet schließlich die tragisch-schöne
Mucius Scaevola!), und hilft er den Kes- nur ist erkennbar, was sie vorher gewe- Erklärung, daß er gerade ihrer beson-
sel zu holen aus der Sippe des riesischen sen. Aber was sie sind, ist für uns wichti- ders in seiner Gefolgsschar bedarf. Sie
Vaters, der jenseits der Eliowagar ger, als was sie waren. werden zu ihm erhoben, um bei ihm zu
haust. Der alte Eingott ward in ein grup- „Makelloser Männerfürst im hochge- sein. Der erschütterte Verlaß auf den
penhaft verbundenes Dasein gestellt, er zimmerten Hause“ heißt gern auch der Gott wird wieder hergestellt, denn auch
konnte noch nicht allein weiter gedacht eine oder andre kleinere Gott. Großer das Bild dieser metaphysischen Welt ist
werden, weil der Mensch noch nicht al- Fürst, Großkönig ist bekanntermaßen rauh, es dröhnen die Zeiten. Zusam-
lein gedacht werden konnte; sein Amt Odin, mit den großartigen wie mit den menbruch einer Welt steht bevor, liegt
ward das einfache treue zuverlässige bedenklichen Zügen etwa der Mero- in der Luft; Völkerwanderungszeiter-
Kriegertum. So waltete die Maschinerie wingerkönige ausgestattet, vornehm lebnis vielleicht! Das goldene Zeitalter
der germanischen Denkgesetzlichkeit und ungerecht, galant, böse, rasch un- ist nicht gegenwärtig, es war einst und
an dieser Gestalt. gnädig, hochgesinnt und machiavelli- wird wieder sein, niemals ist es jetzt;
stisch-skrupellos, tatkräftig, verschla- jetzt ist nur Krieg mit den riesischen
Die heroische Lebenssphäre machte
gen, klug, falsch, schneidenden Hohns, Mächten und schlimme Zeit. Balder ist
aus Widar einen schweigsamen Dümm-
„so edel und schön von Ansehn, daß tot und – ein zweiter neuer tragisch-
ling, der aber später die große Tat tun
wenn er unter seinen Freunden saß, je- heroischer Zug in der fremden Mär-
wird, sie benötigt ihn für den Tag der
dermann das Herz im Leibe lachte“, chenlegende vom gestorbenen Gott – er
Rache; sie vergißt auch von Wali alles
sagt Snorri. Besorgt um Schicksal und steht nicht wieder auf: Hier hält Hel den
Andre und macht die Rache für Balder
Zukunft der Welt wie ein Fürst um die Gott unerbittlich fest, erst im neuen
zum alleinigen Sinn seines Daseins. Es
Schlacht, geht er nur darauf aus, die Äon wird er wieder erscheinen. Eben
ist damit in die weitgewanderte fremd-
Sturmfahne zu erheben, Speere zu rö- die ihn schützen wollten, führten seinen
ländische Balderlegende vom getöteten
ten, mit Frauen zu kosen. Nach Weis- tragischen Tod herbei wie im Helden-
Götterjüngling eine ganz neue spezi-
heit und Bildung fremder Mächte be- lied. Der Verräter war auch hier wieder
fisch heroisch-germanische Rolle einge-
gierig vor allen Göttern wie die germa- in den eigenen Reihen, Blutsbruder
fügt worden. Tyr und Widar, „an dem
nischen Könige allezeit vor ihren Völ- Loki. – Freyr gab sein Schwert um Lie-
die Götter einen guten Schutz haben in
kern, setzt er Buchstaben wie die Mero- beslohn in die Hände der riesischen
aller Bedrängnis“, wie Snorri sagt, se-
wingerfürsten13, prägt er die Dichtkunst, Mächte; so ist auch dieses andern schö-
hen wie Patrone der Gefolgsmannen
die Gesetzgebung, die keilförmige nen Götterjünglings tragischer Tod mit
aus. Widar und Wali sind zu heroischen
Schlachtordnung. Mächtig ist er der dem eigenen Schwert heldenliedmäßig
Mitteln geworden, im Sinne der Poesie.
Rede und des Wortes, wie der Führer es von der Hand des Gegners gewiß. – Ein
Man kennt die Rolle des Wächters aus sein muß und der germanische König es Schild ist die Sonne, Windhelm heißt
dem Beowulfepos. So muß auch die stets war. Der Mythos vergißt nicht, der Himmel, Hengste bringen den Tag
Asenburg ihren göttlichen Wächter ha- auch das Bild des rede-ohnmächtigen wie die Nacht. Ein Schild liegt
ben, Heimdall, den Markwart des Him- Königs in den Himmel zu versetzen: in über der Bierkufe in der Halle
mels. Da ist Ullr, der schöngerüstete Jä- Hönir, der hilflos ist, wenn ihm sein der Hel. Schilde sind die
ger und Bogenschütze; da ist die Göttin soufflierender Ratgeber fehlt. Wandtäfelung in der Halle
Skadi. Was ist lappisch oder finnisch an Odin, das ist der Staat, soweit der Götter. Symbolhaft für
ihr außer den Skiern? Sie ist eine junge, er aus Gefolgschaften be- das ganze, bis ins Letzte
frühgermanische Frau, dianahaft mit steht, Herr der Elite, durchgeformte Weltbild
Bogen, Jagd, Brünne, Helm und muti- Führeridee und Großkö- tafeln die Götter bei
gem schnellen Gang, ein kvenns- nigsgedanke, Staatengrün- Schwertbeleuchtung.
körungr, ein Kernweib, wie die Saga das dung, Tat, Loslösung, Nobi- Schwerter leuchten in ihrer
nennt. Ob schon die Südstämme, etwa lität, Führerglück, Erfolg Halle während des Mahles,
die Langobarden, auch einen Dichter bei Frauen, Glanz, Beute, andere Beleuchtung brau-
nach dem Vorbild der irdischen Königs- Abenteuer, schimmernde chen sie nicht.
halle in ihren Himmel Wodans und Hochburg, fremde weite Wo ist ein zweites Mal
Freas versetzten, wissen wir nicht; der Welt. Hier ist die nichtbäu- eine ganze Religion so
Norden gliederte sich, gewiß nicht ganz erliche Seite im germani- zum Heldenlied gewor-
aus sich selbst, einen göttlichen Königs- schen Menschen göttlich den wie hier? Natürlich
skalden seinem Himmel ein. Da ist Frija verehrt, der Schritt vom ist die Religion nicht ein
selbst, die himmlische Häuptlingsfrau, Dasein zum Leben. Hier Echo der Poesie, auch
die ihrem Gatten zum Aufbruch den sind die Werte der Per- die Poesie natürlich
Reisesegen spricht, die manchmal nicht sönlichkeit, nicht die nicht ein Echo der Re-
ganz dieselbe Politik wie der himmliche der Gemeinschaft, ligion. Es handelt sich
Häuptling treibt, besorgte Mutter des ewiger Wettbewerb, nicht um Nachbildung
göttlichen Heldenjünglings zugleich, Zucht und Krieger- oder Übertragung.
Balders, wie Helche in der Dietrich- ehre, Rede, Geist, Dich- Aber der gleiche Idea-
dichtung; sie preist die rasche beherzte tung, Schrift, Strategie, lismus hat beide Aus-
Heldenhaftigkeit des Sohns, aber sie kluger Rat, das vor- drucksformen ergrif-
wird, wie es heißt, den Jüngling niemals wärtstreibende, über- fen, die gleiche Seh-
wieder stolz am Abend ins Gehöft ein- zeugende Wort und weise, Denk- und Le-
reiten sehn – wie die Mutter der Etzel- die stete Bereit- bensform der frühger-
söhne die ihrigen. Diese Götter bekom- schaft für Schicksal. manischen Krieger
men wie Helden ihre Aristie, sie werden Der alte dämonische hat sie einander so ähn-
beritten, sie erhalten ihre wunderbare Zug, daß Odin gerade lich gemacht. Wir dür-
Geburt. Sie sehen aus wie Wesen aus die Besten, Glück- Bronzefigur des Donar aus Island, fen die geistige wie
der heroischen Sphäre. Der Geist des lichsten, Begünstig- 10. Jahrhundert n. d. Ztr. künstlerische Leistung
Heldenliedes hat diese Götter festge- sten unversehens und (Thodminjasafin Reykjavik) ruhig bewundern. Aber

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das Glanzstück fehlt noch, es bilde den im Jenseits. Die Götter bedürfen der Götter und Einherjer gegen die gesamte
Schluß! menschlichen Hilfe gegen ihren furcht- Welt der Unholde und Dämonen am
Die Götter Germaniens sind nahe dem baren Feind. Aus der mangelnden oder jüngsten Tag: eine ungeheure Gesamt-
lebenden Menschen, wenn er sie anruft unvollkommenen Allmacht der so vision des Zweiten Todes, eine Kollek-
in Ernte, Schiffahrt, Krieg, Zweikampf, menschlich geformten Götter ergeben tivauseinandersetzung mit ihm und ein
Krankheit, Liebe, Ehe und in allen sich Aktivität, Aufgabe und höchste summarisches Unterliegen der Götter-
Frauenangelegenheiten. Sie sind auch Pflicht des Kriegers, der sich nicht nur seite. Man darf sich von der Forschung
nahe dem Toten. für die kurze Spanne seines irdischen nicht verwirren lassen, die in den letzten
Daseins, sondern für diese ganze Welt- Jahren Sekundärmotive des Konglome-
Die olympischen Götter haben mit den periode, für diesen Äon als Gefolgs- rats Ragnarök in den Vordergrund
Toten nichts zu tun; die Toten sind mann seiner Götter fühlt. Hier ist es gerückt hat. Das Zentralmotiv des ger-
machtlose Schemen, ihr Reich ist den nicht die Gottheit, die das unendlich manischen Weltuntergangs ist gemäß
Göttern ein Greuel, dessen Berührung tröstende, unheimlich suggestive Wort der kriegerischen Haltung durchaus die
sie meiden. Die olympischen Götter zu ihrer Gemeinde spricht, sondern der große Endschlacht, „zu der am Ende
gehören ausschließlich auf die Seite des Mensch könnte es hier zu seinen Göt- der Tage die Einherjer mit Odin gegen
Lebens, denn sie selbst sind die Ideen le- tern sagen: „Siehe ich bin bei euch alle den Wolf ausziehn“, wo die Götter ster-
bendigsten Lebens. Der Tod ist begrif- Tage bis an der Welt Ende.“ ben, thá er regin deyja16, der Götter-
fen als Verlust des Lebens, als eine kläg- kampf, das Göttersterben. Daher auch
liche Verminderung. Kein Kult, kein Der Welt Ende! – Man muß sich klar
machen, welch eine Erscheinung unter der Name Ragnarök „Götterschicksal“
Glaube trägt den Verstorbenen ins für die ganze Erscheinung, die sich
Reich der Gottheit, der Mensch geht germanischen Händen aus dem Motiv
vom Weltuntergang geworden ist. Man durch dies Zentralmotiv von andern
nicht zu seinen Göttern ein nach seinem Weltuntergangsvorstellungen völlig un-
Tode, der Tote ist von seinen Göttern muß ferner vergleichen, wie andere, ro-
here Kriegerkasten den Kampf des Ein- terscheidet. Der Brand der Götterburg
verlassen, schon der Sterbende ist es, an oder, wenn Snorri richtig interpretiert
dem sich sein Schicksal vollzieht14. zelkriegers nach seinem Tode behan-
deln. Man muß drittens sehen, wie das hat, der Weltbrand, woher er nun moti-
Der germanische Krieger begreift den germanische Ingenium beide Motive visch auch gekommen sein mag, ist da-
Tod so nicht, auch die Frauen um ihn miteinander verband, den Weltunter- bei nur ähnliches Beiwerk wie der
herum begreifen den Tod so nicht, man gang und den Kampf des Einzelkriegers Brand der Halle beim Burgundenunter-
denke an die Tochter Egils. Der aus- nach seinem Tod. gang.
schließlich heroische Daseinszweck er-
Man muß dazu wissen, daß hinter dem Das Ingenium der Fidschiinsulaner ließ
lischt ihnen unmöglich im Augenblick
Tod im Glauben vieler Völker die Vor- noch jeden Kreiger einzeln auf seiner
des Todes, vielmehr enthüllt er sich hier
stellung von einem Zweiten Tod steht, Reise ins Jenseits seinen letzten Kampf
erst ganz. Sterben wird begriffen als Na-
bei dem nichts mehr übrig bleibt, – eine mit dem mythisch apperzipierten Zwei-
hen der Gottheit, und der Tod als Ent-
mythische Apperzeption der völligen ten Tod ausfechten, in eintöniger Wie-
bietung zu ihr. Gewiß nicht leicht oder
Verwesung. Ehrgeiz, Energie, Lebens- derholung, mit ungewissen und von Fall
lachend, aber doch im Glanz der Krie-
und Tatenlust der Kriegerkulturen su- zu Fall verschiedenem Ausgang. Im
gerehre geht man in die grünen Heime
chen diesen Zweiten Tod zu vermeiden, Germanischen überschreitet die Ge-
der Götter, um daselbst einen noch rei-
den sie sich als Vernichtung durch einen samtheit die verhängnisvolle Brücke,
neren Heroismus gesteigerter weiter zu
leichenverschlingenden, scheußlich-dä- die zu den letzten Kämpfen führt. Das
leben. Der tote Krieger ist von seinen
monisch-tier- oder menschen-gestalti- germanische Ingenium sammelte und
Göttern nicht verlassen, nichts Geringe-
gen Unhold vorstellen. An der Brücke konzentrierte diese Kämpfe mit andern
res als ihr Reich ist zugleich sein Para-
über den Totenstrom oder am Eingang Motiven zu einer summarischen Abma-
dies. Mensch und Gottheit sind nach
zum Totenreich erwartet er sie. Fällt chung, zu einer großartigen Symphonie,
dem Tode eng beieinander, wie sie es im
z.B. der tote Fidschikrieger im Kampf zu einer gewaltigen Weltkatastrophe
Christentum sind, zu dem der Übergang
mit dem gefährlichen leichenfressenden mit gänzlich eindeutigem Ausgang. Der
von hier aus unendlich leichter ist als
Samu, so kocht und frißt ihn der Un- gestorbene Gott Balder ersteht an die-
von der olympischen Religion. „In mei-
hold. Überwindet er ihn, so ist der er- sem Vernichtungstage der Götter wie-
nes Vaters Hause sind viele Wohnun-
sehnte Eintritt in das Kriegerparadies der auf zur Einleitung eines neuen
gen“, der Satz gilt auch hier. Nur daß in
sein Lohn.15 Äons, nur sein Losbitten aus der Unter-
diesem aristokratischen Kriegerpara-
welt kurz nach seinem Tode war vom
dies nicht jene metasoziale Gleichheit So wie nun in Germanien die Auferste- tragischen Bedürfnis vereitelt worden.
der Menschen vor der Gottheit herrscht hung des gestorbenen Gottes Balder Hier, in den Ragnarök, ist die Tragik un-
wie im christlichen. Herren und hinausgezögert ist bis ans Ende der erbittlicher, weil die Vernichtung nicht
Knechte sitzen hier in gesonderten Hal- Tage, so auch der Kampf des toten Ein- mehr überwunden werden kann.
len wie beim Burgundenuntergang in zelkriegers mit dem Vernichtungsdä- „Voran reitet Odin im Goldhelm und in
Attilaburg, und die Frauen sitzen in die- mon. Da die Götter selber Krieger sind, schöner Brünne mit seinem Speer
ser vorhöfischen Zeit wiederum geson- steht ihnen der gleiche große Kampf be- Gungnir“, sagt Snorri, die andern Asen
dert. vor, und dieser bedeutet zugleich gemäß und Einherjer folgen ihm in ihren
dem kriegerisch-tragischen Charakter Rüstungen. Dies faszinierende Bild
Die Götterdämmerung des Germanischen den Weltuntergang. wird gnadenlos ausgelöscht, damit ein
Die große göttliche Trias Odin, Thor, großartiges Zeugnis der heroisch-tragi-
Der tote Germanenkrieger ist von sei- Freyr erhält ihre unverkennbare Aristie schen Weltanschauung entstehe.
nen Göttern nicht verlassen, ja viel- wie die Trias der Könige beim Burgun-
mehr: er verläßt seine Götter nicht. Der- deruntergang. Aber Vernichtung ist das Schon das einzelne Heldenleben auf Er-
gleichen gibt es kaum in anderer Reli- Los dieser wie jener und all ihrer Krie- den verlangt eine höchste und letzte Be-
gion. Der Mensach spart sich für seine ger mit ihnen. Das Motiv vom letzten währungsprobe, die man nicht vermei-
Götter auf. Er teilt ihr Schicksal mit ih- Kampf des Einzelkriegers ist kollekti- den darf, weil sie das Dasein krönen soll.
nen, den Weltuntergang, die Götter- viert, erweitert und dichterisch verklärt Der Untergang, dem man wissend und
dämmerung, die Ragnarök. Dies ist der zu dem großartigen Gemälde von der todgeweiht entgegenfährt, bietet sie.
ausdrückliche Sinn des Kriegerdaseins furchtbaren Endschlacht der gesamten Das letzte gefährliche Schicksal muß zu-

6 Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St.


gleich die höchste Erfüllung und schön- 4 Helgakvida Hundingsbana II 30; Tacitus Germa- 11 Völuspa 19, Grimnismal 29, 30, 26 ff. ein kompli-
nia cap. 39. zierteres Bild der Weltesche mit allerhand mytho-
ste Vollendung des irdischen Daseins logischem Apparat, den nur die vergleichende Re-
sein in Mut und Ruhm. Gefahr ist ge- 5 Zusammengezogen aus Liber I cap. 16–20. ligionswissenschaft erklären kann.
steigertes Leben. Mut ist erhöhtes Le- 6 Walter F. Otto, Die Götter Griechenlands, S. 165. 12 Hymiskvida 2.
bensgefühl in der Gefahr. Ruhmliebe, 13 Wie Chilperich, der darin den römischen Kaiser
7 Vgl. Vafthrudnismal 17 und 18 von den Göttern;
mit der man sie aufsucht, ist Liebe zur Heliand 1494 vom Freund; Hel. 1710, Gudrun- Claudius nachahmte. Ich fürchte, dies und nichts
Vollkommenheit. Mit dem Gefühl, voll- arkvida III 8, Atlakvida 41 vom Bruder; ags. Gene- anderes ist der Ursprung von Odins Runenkunst.
kommen zu werden, daher ruhmwürdig sis 168, 8 vom Gemahl und Herr, ebda. 97, 7 vom 14 Walter F. Otto, Die Götter Griechenlands S. 33,
Verwandten; Beowulf 29, 1934, 2040, 2518 vom Ge- 175, 342.
zu sein, hält man dem Untergang stand. folgsmann; Beow. 520 vom Erbsitz; Beow. 1868 15 Hans Naumann, Primitive Gemeinschaftskultur S.
„Ich sterbe den Heldentod“ bedeutet vom Volksgenossen; Hildebrandslied 53, Hildi- 29, 39; Fraengers Jahrbuch für historische Volks-
gefühlsmäßig: „Ich bin im Begriff, voll- brands Sterbelied 4, Atlakvida 41, Hamdismal 10, kunde I, 1925, S. 23 f.
ags. Genesis 14 vom eignen Sohn.
kommen zu werden“. Der Einzelne lebt 16 Vafthrudnismal 47.
nur für seine letzte Bewährungsprobe, 8 Nach Luther, Sendbrief vom Dolmetschen, Werke 17 Hans Naumann und Günther Müller, Höfische
ed. Clemen 4, 185 f.
die zugleich sein irdischer Tod ist. Aber Kultur (D. Vierteljahrsschrift Buchreihe Bd. 17,
1929), S. 45 ff.; Zeitschrift für Deutschkunde 41,
nun eben wird dies persönliche Prinzip 9 Vgl. cap. 28 (26) der Völungasaga von Sigurds An-
1927, S. 809. Man mag auch an das ritterliche Wap-
kunft: „Ich glaube, hier kommt einer von den Göt-
ins Weltganze übertragen und auf die so tern! Dieser Mann ist ganz mit Gold geschmückt“ pen Christi am Gittertor der Marienburger
kriegerisch-menschlich gedachten Göt- usw. Hochmeisterkapelle erinnern. Übrigens hebt sich
ter, und auch der Zweite Tod des Ein- auch in Luthers Katechismus über mehr bäuerli-
10 Hans Naumann, Grundzüge der deutschen Volks- chen Lebensumständen eine mehr kriegerische
zelnen wird in diesen heroischen Dienst kunde 1 S. 78, 2 S. 76. Sehweise heraus.
gestellt. An dem letzten großen Unter-
gang teilnehmen zu können auf Götter-
seite, bei der summarischen Bewäh-
rungsprobe der Götter, der göttlichen
Krieger, diesen helfen zu können, dar-
auf kommt alles an. „Siehe ich übe mein
Waffenspiel alle Tage und bin bei Euch
bis an der Welt Ende.“ So erhielt Ein-
zelleben wie Götterschicksal wie Welt-
ganzes zugleich einen Sinn, und dieser
Art und Erbe im Spricwort
Sinn ist für Welt wie Götter wie Einzel-
schicksal das gleiche: der Sinn der Nibe- esonders im deutschen Sprach- „Er gleicht ihm aufs Haar“, pflegen die
lungen. Wo hat jemals die heroische
Idee unter den Menschen eine gleich
großartige Weltauffassung entworfen
B raum lassen Brauchtum und Sinn-
spruch erkennen, wie tief in der
Volksseele der Glaube an ein naturge-
Basen und Vettern zu urteilen. Von
zwei gleichgearteten Geschwistern sagt
man: „Sie sei über oan Loast (Leisten)
wie hier? Wo hat sie sonst noch gang- setzliches Geschehen verankert war. gschlagt.“ Im ganzen deutschen Sprach-
bare Motive mit so unverkennbarer Ge- Auf Schritt und Tritt begegnet man gebiet ist das Sprüchlein beheimatet:
walt gewandelt und zugleich erfüllt? denn auch in Tirol und Vorarlberg, was „Wie die Alten sungen,
Die Götter Germaniens, sagten wir, zo- hier beispielhaft erwähnt wird, feinsin- So zwitschern die Jungen.“
gen sich nach Norden zurück, aber sie nigen Wortspielen ergebundenen Den-
nahmen die heroische Idee nicht mit, kens und Empfindens, die sich ja nir- Der Lechtaler hat sich daraus einen be-
weil sie nicht ausschließlich an sie ge- gends besser bilden und erhalten konn- sonders schönen Vers gemacht:
bunden war. Ja, sie übertrug sich, da sie ten als in den abgelegenen Bergtälern. „Wie d’ Uargglo (Orgel), so der To(n),
ein Erbe aus dem Germanischen und Entstehung und Fortbestand einer Wie der Vater, so der Soh(n),
ein Ferment des deutschen Wesens Rasse sind nur aus der Artbeständigkeit Wie d’ Mutter, so die Töchter,
wurde, immer wieder von neuem auch heraus zu erklären. Ihr Kennzeichen ist Nur a bissele schlechter!“ …
auf das Göttliche. Von der Heroisierung die nie abirrende Erbsicherheit, von der Jede Bäuerin kann es bestätigen:
im „Heliand“ bis zum ritterlichen Gott ein Sprichwort sagt: „Art läßt nicht von „Wie d’Henna, so d’ Oar (Eier)“,
der höfischen Zeit und des Deutsch- Art.“ Die allerwegs vorhandene Reim-
herrrenordens und bis zu Luthers Gott, und jeder Bauer weiß:
freudigkeit hat daraus den Vers gezim-
dem er aus den Psalmen das Bild von mert: „Wie d’ Kua, so’ s Kalb“
festen Burg, der guten Wehr und den
„Art lat it vo Art, oder:
guten Waffen auswählt, trug unsere
Frömmigkeit gern immer ein heroisch- Außer ’s ist a Pudlart!“ „Wie der Bom, so die Frucht.“
kriegerisches Gepräge. Der Heliand- Die deutsche Sprache widmet dem Art- Jeder Lehrer wird es in seinem Beruf er-
dichter beschrieb Jesus als einen Hel- begriff auffallend viele Wortspiele: Art fahren haben:
den, der sehend und wissend in den Un- und Unart, Eigenart und eigenartig, ar- „Wie der Acker, so die Ruaba (Rüben),
tergang nach Jerusalem zog. Auch hier tig und unartig, arteigen und artfremd, Wie der Vater, so die Buaba.“
ward gelehrt, daß das Leben keinen Artbeständigkeit, Artung und Entar-
Sinn habe, wenn man es nicht für tung usw. Die Beobachtung des Erbge- Sagt der Lechtaler: „Es fallt koa Öpfl
Großes und Weithinleuchtendes hinge- schehens ergab eindeutige Urteile, und vom a Birabom“, meint der Schwabe:
ben könne.17 aus diesen formten sich diese unver- „A’r Frucht erkennt ma da Bomm!“
rückbaren Begriffsbestimmungen. Fa- Ähnlichkeit innerhalb der Sippe hat den
Prof. Dr. Hans Naumann Spruch geformt: „Oa Kittl – oa Tuach.“
milienähnlichkeiten sind ja zumeist so
augenfällig, dies nicht allein im äußeren Einer wertvollen Sippe anzugehören ist
Anmerkungen:
Erbbild, im Erscheinungsbild, sondern eine hohe Ehre. Jedes Sippenmitglied
1 Vgl. dazu meinen Göttinger Vortrag „Christentum
auch in der inneren Veranlagung, also in ist sich seiner guten Herkunft bewußt:
und deutscher Volksglaube“, Zeitschrift für „I bin it auf der Brennsuppe daher-
Deutschkunde 42, 1928, S. 321 ff. der gesamten Erbanlage, daß sie gar
nicht übersehen werden können. „Wie gschwumma“, gibt er zu verstehen.
2 Zeitschrift für deutsches Altertum 66, S. 1 ff.
3 Siehe darüber zuletzt W. Krause, Zeitschrift für aus dem Gesicht geschnitten“ ähnelt Jede gesunde Sippe wehrt sich gegen
deutsches Altertum 64, S. 273. der Sohn seinem Vater oder Großvater. den Einbruch ungesunder Art; sie weiß,

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daß die Nachkommenschaft die Eigen- Kind und Kindeskind! sie will also wohl- „A Wib ohn a Ma
schaften beider Elternteile mit ins Le- bedacht sein, damit man nicht an sich Ist wie a Henn ohn a Hah’,
ben bekommt und der Einklang des slebst die Wahrheit erleben muß: A Ma ohn a Wi,
Erbgutes nur gewährleistet ist, wenn er „In Eile gefreit, Wie a Haus ohn an Kami!“
auch im Elternpaar vorhanden war, den In Muße bereut“, Erfüllt die Ehe den Zweck der Ge-
nur: „A scheans Hafele geit (gibt) schlechtstrennung, so bejaht allein der
scheana Schearbla (Scherben).“ und der Schwabe hat daher recht, wenn
er warnt: Wille zum Kinde den Sinn der Ehe.
Dieses Wortspiel überzeugt von der „Kinder binden die Ehe“, sagt ein altes
Wichtigkeit richtiger Gattenwahl. „Hei- „D’ Maadt (Magd) ka gang, Sprichwort, ein anderes:
rate kein Mädchen, das die einzige ’s Wib blibt hang (bleibt hängen).“
„A Eah ohn a Kind
Feine in ihrer Sippe ist“ rät ein norwegi- Ebenso recht hat der Tiroler, wenn er Ist wie a Baur ohn a Rind“,
sches Sprichwort. Der Deutsche kennt sagt:
ein ähnliches: „Man heiratet nicht das und ein drittes:
„Heiriga und grata (geraten),
Mädchen, sondern die ganze Familie“, Ist gsotta und brata. „Kinderlose Eh’
und der Alemanne sagt: „Wie d’ Füle Heiriga und gfahlt Ist gefüllt mit Weh.“
(vgl. filia = Tochter), so d’ Familie.“ Ist gebürsta und gstralt (gekämmt).“ Die an Leib und Seele gesunde Frau
Daß jede Überängstlichkeit aber eben- Vorschnelle Freite hat jedoch nichts mit trägt bewußt oder unbewußt die Sehn-
so falsch ist wie die Achtlosigkeit ge- Frühehe zu tun. Diese hat im Gegenteil sucht nach letzter Erfüllung in sich, die
genüber den wahrnehmbaren Eigen- für die Ehepartner selbst, für ihre Nach- ihr durch das Glück und die Sorge der
schaften anderer Sippen, besagt das kommen und damit auch für Heimat Mutterschaft allein geschenkt wird.
schwäbische Sprichwort: „Selta a und Volk nur Vorteile. Der mit der Kinderlosigkeit bedeutet für die Frau
Stauda ohn’ an dürre Ast.“ Wenn also Jungheirat etwa verbundene härtere ein hartes Verzichtenmüssen, denn:
ein einzelnes Sippenglied irgendwie Wirtschaftskampf kann sich nie anders
versagt, darf dies nicht der ganzen Sippe „A Frau ohn a Kinderlälla
denn kräftigend und festigend auswir- Ist wia a Kuah ohna Schälla!“
aufgebürdet werden! ken. Altmeister Goethe hatte auch das
Der Russe kennt das Sprichwort: Bluterbe im Sinne, als er das herrliche Die jeder Rasse eigene Artbeständig-
„Heiratest du die Tochter, Dichterwort prägte: keit jauch bei gänzlich verschiedenen, ja
besieh dir die Mutter.“ „Was du ererbt von deinen Vätern, geradezu gegensätzlichen Lebensbe-
Äußere Vorzüge können täuschen: erwirb es, um es zu besitzen!“ dingungen gab für die Lebenskunde
eine ganz neue Blickrichtung frei. In der
„Kurze Roß und lange Rinder, Das im ganzen deutschen Sprachgebiet Folge konnte, durch die Zwillingsfor-
Schöne Weiber, wenig Kinder.“ verbreitete Sprichwort: schung wissenschaftlich untermauert,
Auch Geld und Gut sind kein Anreiz für „Jung gefreit die richige Erkenntnis gewonnen wer-
den gut veranlagten Freier: Hat noch niemals gereut“, den: „Erbgut ist wichtiger als Umwelt!“
„Wer nach Batzen freit, ist also voll und ganz berechtigt, ebenso Der Biologe Prof. Just, Greifswald, faßt
ist nicht gescheit.“ die guten Ratschläge, die uns die Tiroler diese Wahrheit in die Worte zusammen:
Der in seiner gesamten Haltung unver- Schwaben geben: „Erbgut prädestiniert, Umwelt reali-
dorbene Mensch läßt seine seelischen siert“, was nichts anderes besagen will,
„D’ Jungfraua und d’ Eier därf ma nit als daß Umwelteinflüsse die in der Erb-
Regungen selbsttätig weben und stre- z’ lang aufheba!“
ben. Wer ihnen Gewalt antut, fällt der anlage ruhende Vorherbestimmung so
und: oder so auszuwerten und zu verwirkli-
Natur in den Arm. Diese fände den Weg
viel sicherer und besser: „Was zusam- „Junga Mädla und Hennafleisch chen vermögen. Der altrömische Den-
men gehört, kommt auch zusammen“, Hat verschaffa der Heiliggeist, ker Horatius gab demselben Gedanken
denn: „Gleich und gleich gesellt sich Alte Wiber und Affa, Raum, indem er schrieb: „Du magst die
gern“, oder: „Jeder Besen find sein Die hat der Tuifl verschaffa …“ Natur mit der Mistgabel auszutreiben
Stiel“ und: „A jeds Hafele findt sein versuchen, sie wird doch wieder zurück-
Die Verwandtenehe wird vom Volks- kehren.“ Ähnliches sagt Goethe:
Deckl.“ Im Lechtal pflegt man zu sagen: mund abgelehnt. Wenn sie auch die
„Der lingg Patscha hat alba (immer) Erbanlage nicht verändert, kann sie „Setze den Frosch auf einen goldenen
noch an rechta gsunda!“ Unter Patscha doch durch die Ausprägung verdeckter Stuhl,
sind Hausschuhe zu verstehen. Zugleich rezessiver schädlicher Erbdefekte schä- Er hüpft doch wieder in seinen
versteht man darunter dumme, unbe- digend wirken. Pfuhl!“
holfene Menschen. Der Merksatz sagt
„Heiraten ins Blut Auch Hölderlin bekennt sich zum Pri-
uns also, daß ein „Sichfinden“ auch bei
Tun nicht gut“, mat des Erbgutes: „Unbeständig ist das
jenen Mitbürgern stattfindet, die als
asozial gelten. Diese Sorte von Men- oder: Wünschen vor dem Schicksal, denn wie
schen findet sich am raschesten: „Nahes Bluat du anfängst, wirst du auch bleiben. So-
„Schlimp und Schlamp Tuat koa guat“ viel auch wirket die Not und die Zucht –
Findt anand im ganza Land.“ das meiste nämlich vermag die Ge-
sind daher sehr ernst zu nehmende burt!“ Die allerwegs lebendige Spruch-
Dem ersten Übel entspringt immer wie- Winke. weisheit des deutschen Volkes kleidete
der ein neues, noch größeres, denn: „’s Der Ledigenstand ist nicht der natürli- diesen Gedanken in den schlichten Satz:
Ukrutt waxat voram Waiza“, da ja die che, denn sonst verlöre sich der Sinn von „Wie man in die Wiege gelegt wird, so
Fortpflanzung ebenso hemmungslos „zweierlei Leut“, wie der Volkswitz ins Grab!“ Was der Mensch in seiner
wie das Heiraten geschieht. sagt. Mann und Weib sind nicht nur von Erbmasse mit sich trägt, kann wohl ge-
Richtige Gattenwahl ist weit wichtiger Natur aus zu ihrer gegenseitigen Ergän- fördert oder gehemmt werden, nie und
als die Berufswhal. Wohl kann diese zung bestimmt, sondern auch zur Ver- nimmer aber kann er seine Erbanlage
einen Menschen für sein ganzes Leben ewigung ihrer Zeitlichkeit im Kinde. abstreifen wie ein unbequemes Klei-
unglücklich machen, falsche Gatten- Unverheiratete schauen also folgender- dungsstück; der Volksmund sagt daher
wahl aber überträgt ihre Folgen auf maßen aus: sehr treffend: „Man kann nicht aus sei-

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ner Haut heraus!“ Ein anderer Volks- „Schwarz gebora, Die Kardinalfrage war: was ist von den
reim gibt zu verstehen: Ist Putz und Wäsch verlora.“ Mythen echtes Volksgut, was ist Dich-
„Angeborene Weis’ Jeder Kenner eines guten Tropfens tung späterer Zeit – wie wir auch bei den
Geht schwer aus’m Gleis.“ weiß: „Am saura Bier ist Hopfa und Märchen mit ihren mythischen Stoffen
Malz verlora.“ zwischen volkstümlicher Überlieferung
Die Natur ist stärker als die Kultur: und Kunstdichtung unterscheiden. Der
„Ob schändlich oder hehr, Alles Erbgeschehen ist ein unbestechli- an sich gewiß anziehende Gedanke, daß
Natur geht über Ehr.“ cher Richterspruch, der schon vor der sich alle Mythologien in einer höheren
Geburt gefällt wurde: „An Mohra ka ma Einheit verbinden müssen (er wurde
Was man nicht als Erbe mitbekommen it weiß wäscha!“ Naturgesetze kennen
hat, kann man nie erwerben, sonst von Friedrich Creuzer, Görres und an-
kein Wenn und kein Aber, das sagt uns deren ausgesprochen), ist bald einer an-
müßte jedermann Held und Heiliger, auch der Scherzreim:
Führer und Feldherr, Denker und Dich- deren Auffassung gewichen, der näm-
ter, Erfinder und Entdecker, Könner „Wenns Wörtl Wenn it wär, lich, daß sich auf diesem Gebiete sogar
und Künstler sein oder werden können. Wär der Aff scho lang a Bär!“ stammestümliche Unterschiede geltend
Dem ist aber leider nicht so, denn: Hartmut Schiffer machen. Eine scharfe Trennung wurde
namentlich zwischen nordischer (skan-
dinavischer) und deutscher Mythologie
gemacht, wobei auf den Norden
zunächst das stärkere Gewicht gelegt
wurde.

Die germanixe M¥thologie Das war begreiflich, denn Skandinavien


verfügte ja über die reichsten mytholo-
gischen Schätze aus germanischer Früh-

im 19. und 20. Jahrhundert zeit. Da waren die Lieder der Edda, die
isländischen Sagas, die mythenerfüllen
ersten neun Bücher der Dänischen Ge-
schichte des Saxo Grammaticus usw.
Die heutigen Auffassungen zum germanischen Götterhimmel sind nicht zu verste- Was konnten die Südgermanen, die
hen, ohne den Gang der Forschung zu kennen. Ferner sind in den letzten Jahrzehn- Deutschen, diesem Reichtum entgegen-
ten immer einmal wieder Nachdrucke von erstmals vor 100 Jahren verlegten stellen? Nichts als einzelne Bruch-
Mythologien (z.B. von Golther, Meyer oder Paul Herrmann) erschienen, denen aber stücke, die hier und da ein glücklicher
regelmäßig nicht ein kritischer Anhang beigegeben war. Grund war einfach, daß in Zufall der Vergessenheit entrissen
unserer Zeit dieses Gebiet kaum noch wissenschaftlich bearbeitet wurde. Auch um hatte. Alles, aber auch alles, hatte der
die älteren Mythologien einzuordnen, ist dieser Überblick erforderlich. Eifer Ludwigs, des sogenannten From-
men zerstört. Vielleicht, daß sich hier
Die Anfänge der Brüder Grimm denkbar? Welch rei- aus Märchen, örtlichen Bräuchen usw.
che Schätze haben sie aus unserer müt- noch etwas ermitteln ließ. Die nordische
In einem Lebensabriß, den Edward terlichen Erde herausgeholt, und in
Schröder im 53. Bande der Allgemeinen Überlieferung aber bot Schwierigkei-
welch hohem Maße haben sie damit ten: sie war jung, denn sie ging kaum
Deutschen Biographie dem deutsch- nicht nur die Wissenschaft, sondern un-
schweizerischen Mythen- und Sagenfor- über das 8. Jahrhundert unserer Zeit-
ser ganzes Leben bereichert! Nicht nur rechnung zurück. Solange man an der
scher Ernst Ludwig Rochholz ihre Gegenwart hat den lebendigen
(1809–1892) gewidmet hat, heißt es: Meinung festhielt, daß die Germanen
Hauch ihrer Tätigkeit gespürt, auch wir mit den indogermanischen Bruderstäm-
„Zur Mythologie und zum Kultus der Heutigen haben teil an dem Erbe, das
heidnischen Vorzeit zog es ihn immer men aus Asien eingewandert waren,
sie uns hinterlassen haben. Was sie ge- konnte man annehmen, sie hätten die
wieder mächtig hin. In 26 handschriftli- schaffen haben, bleibt unser nie wieder
chen Quartbänden umfaßt sein Nachlaß Grundlagen ihrer mythischen Vorstel-
zu verlierendes Eigentum. lungen aus der fernen Urheimat mitge-
als ,Ahnenerbe‘, was er in mehr als
50järhiger Arbeit für ,Geschichte, Spra- bracht. Je mehr sich aber die Alteinge-
Man darf sich nun nicht vorstellen, daß sessenheit des Germanentums auf nor-
che, Satzung, Sitte und Lage der deut- vor dem Auftreten der Brüder Grimm
schen Schweiz, zunächst des Aargaus‘ dischem Boden herausstellte, um so
die Mythologie völlig brach gelegen mehr wurde die Ursprünglichkeit der
aus urkundlichen Quellen aller Art zu- hätte; im Gegenteil: kaum ein anderes
sammengebracht hatte.“ Mag die Wis- nordischen Mythologie bestritten. Mit
Gebiet der Vorzeitkunde als gerade sie aller Erbitterung entluden sich die
senschaft auch bei Rochholz „den Ge- scheint die Gemüter in den ersten Jahr-
gensatz zwischen seiner sehr richtigen, Kämpfe um sie in den letzten zwei Jahr-
zehnten des 19. Jahrhunderts in gleich zehnten des 19. Jahrhunderts, aber aus-
kritischen Beurteilung der Richtungen starkem Maße bewegt zu haben. Das
der neueren Sprachforscher und der gekämpft wurden sie noch nicht.
macht die starke Anziehungskraft, die
mangelnden Klarheit und Festigkeit sei- das Gebiet auf jeden ausübt, der mit ihm Den Vorrang nordischer Mythologie er-
ner Ausführungen aus der Grammatik“ in Berührung kommt. Kein anderes Ge- kennen wir z. B. aus H. A. M. Bergers
hervorgehoben haben, – welch ein biet als die Mythologe ist aber auch im „Nordischer Götterlehre“, 1826 (einem
Übermaß hingebender Liebe bekunden gleichen Maße der persönlichen Ausle- Wörterbuch nordischer Mythologie,
diese 26 handschriftlichen Bände aus gung ausgesetzt, denn sie baut sich auf ähnlich der 1816 erschienenen Veröf-
seinem Nachlasse! Sie sind ein leuch- einer anderen Ebene auf als beispiels- fentlichung Nyerups) und dann vor al-
tendes Beispiel für alle, denn wie wäre weise die Vorgeschichte und greift un- lem aus dem reichhaltigen und kaum
ein Fortschreiten der Wissenschaft mittelbar in das geistige und seelische auszuschöpfenden „Priscae veterum
möglich, wenn ihr nicht durch unendli- Leben unserer Vorfahren ein. Wie stark borealium mythologiae lexicon“ des
che Kleinarbeit der Weg freigemacht prallten schon am Ende des 18. Jahr- Finn Magnusen, 1828. Dieses, in Ver-
würde? hunderts die Gegensätze in den Rich- bindung mit der „Geschichte des Hei-
Wie wäre ohne diese Kleinarbeit zum tungen Adelung-Rühs einerseits und dentums im nördlichen Europa“ J. F.
Beispiel das umfassende Lebenswerk Herder-Gräter anderseits aufeinander! Mones, 2 Bände, 1822/23, bildet noch

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nach Wolfgang Golthers „Handbuch lehrsamkeit, ja den ganzen äußeren Ap- Er „mußte Ähren lesen“ – das bedeutet,
der germanischen Mythologie“, 1895, parat, meistens auch den Inhalt ihrer Li- daß sein Werk als eine möglichst voll-
„Den Höhepunkt der mythologischen teratur; aber darüber hinaus dürfen wir ständige Sammlung der Überlieferun-
Forschung vor Uhland und J. Grimm. anderseits nicht vergessen, wie nachtei- gen zu gelten habe. Diese Überlieferun-
Es war viel Tatsächliches geboten, des- lig dieselben zugleich gewirkt haben, in- gen aber in ein System zu zwängen, lag
sen Wert noch heute andauert und dem sie den freien, wilden, naturkräfti- ihm fern. „Ich bekenne – hießt es in der
durch die verkehrten Meinungen, wel- gen Geist der germanischen Völker Vorrede an Dahlmann –, daß mir wenig
che die Verfasser über die Erklärung künstlich durch römisches Gift zur Im- daran gelegen hat, in den Unzusam-
des fleißig zusammengetragenen Stof- potenz herabzubringen suchten. Sie menhang unserer fast ganz aus der Fuge
fes hegten, nicht beeinträchtigt wird.“ sind es, die unsre alte Nationalpoesie di- geratenen Mythen ein System zu ent-
Die verkehrte Auslegung Finn Magnu- rekt oder indirekt totgeschlagen, unsrer decken, das der deutschen Götterlehre
sens bestand für Golther hauptsächlich gesamten Anschauungsweise die unter den übrigen des Altertums eigen
darin, daß bei ihm die Sternstunde allzu schändliche Fessel der lateinischen wäre.“
stark hervortrat: „Danach wären die Sprache angelegt und dadurch das Auf- Eine andere Arbeitsweise zeigt das
Germanen vorwiegend Sternanbeter blühen der deutschen Prosa verhindert gleichzeitige Schaffen Ludwig Uhlands,
gewesen und hätten überaus genaue haben. Was würde unsre mittelalterli- dem es darauf ankam, einzelne Götter-
astronomische Kenntnisse sehr künst- che Literatur, namentlich unsre Ge- gestalten herauszuheben und im vollen
lich zu Mythen verwandt.“ Nach meiner schichtsschreibung, ohne den verderbli- Umfang der Überlieferung zu zeichnen.
Überzeugung hat der gestirnte Himmel chen Einfluß der Pfaffen und Mönche Als erste Frucht seiner Forschungen er-
allerdings die Mythologie nicht nur der geworden sein!“ schien 1836 „Der Mythus von Thor nach
Germanen, sondern wohl aller Völker, Den Germanen zurückzugeben, was ih- nordischen Quellen“, dessen Titel
zutiefst beeinflußt. nen gehörte und im Laufe der Zeiten schon auf die Beschränkung auf den
verlorengegangen war, war das Ziel der nordischen Mythenkreis hinweist. Eine
Welch hohe Stellung die Mythologie unsterblichen „Deutschen Mytholo- weitere Arbeit Uhlands über Odin ist
einnahm, ersehen wir namentlich aus gie“, die Jakob Grimm 1835 erscheinen erst nach seinem Tode im 6. Bande der
der „Literarischen Einleitung in die ließ. Ebenso wie mit den Kinder- und „Schriften zur Geschichte der Dichtung
nordische Mythologie“ von E. F. Koep- Hausmärchen war hier eine Sammlung und Sage“ erschienen.
pen, 1837, der in der Vorrede meinte, ins Leben getreten, die den Zeitgenos-
ein einziger Vers der Edda sei mehr Neben Uhlands Schrift über Thor sind
sen einen ungeheuren Reichtum aus die im gleichen Jahre erschienenen
wert als alle in den Museen von Kopen- ferner Vergangenheit erschloß. Hier
hagen und Stockholm aufgespeicherten „Untersuchungen zur Geschichte der
wie überall hat sich Jakob Grimm als teutschen Heldensage“ von Joseph
Schätze. Was mag wohl E. F. Thomsen, der treue Eckart des deutschen Volkes
der doch fast im gleichen Augenblicke Franz Mone zu nennen, denn daß die
und als ein Mann bewährt, der sich dem Heldensagen wie Beowulf und die Ni-
den „Leitfaden für nordische Alter- deutschen Wesen im tiefsten verpflich-
tumskunde“ hinausgehen ließ, zu einem belungen in das mythische Zeitalter
tet fühlte. Sein Werk steht unter den Er- zurückgreifen, braucht kaum hervorge-
solchen Satze gesagt haben? Vielleicht scheinungen des 19. Jahrhunderts über
hat er gedacht: was nützen mir alle my- hoben zu werden. Für die Nibelungen
germanische Mythologie da wie ein Kö- ist dies uns Heutigen durch die Schöp-
thologischen Vorstellungen, die mir un- nig unter seinem Gefolge; denn, wer
ter der Hand zerrinnen können; da fungen Friedrich Hebbels und Richard
auch immer später andere Wege einge- Wagners ohne weiteres klar. Für Beo-
ziehe ich doch die „materielle“ Hinter- schlagen hat, ist in erster Linie durch Ja-
lassenschaft unserer Ahnen vor, aus der wulf hat dann Heinrich Leo den mythi-
kob Grimm angeregt und befruchtet schen Gehalt herausgelöst in der Schrift
ich mir ein wirkliches Bild von ihrem worden. Wir kennen den weitgespann-
Leben und ihren Gewohnheiten ma- „Beowulf, das älteste deutsche, in an-
ten Begriff „deutsch“, mit dem Jakob gelsächsicher Sprache erhaltene Hel-
chen kann. Daß der eine wie der andere Grimm arbeitete, wenn wir an seine
Standtpunkt einseitig und darum nicht dengedicht nach seinem Inhalte und
deutsche Grammatik oder an die „Ge- nach seinen historischen und mytholo-
zu befürworten ist, versteht sich von schichte der deutschen Sprache“ den-
selbst. Ich erinnere hier an die im 1. gischen Beziehungen betrachtet. Ein
ken. Im gleichen Sinne strebt seine Beitrag zur Geschichte alter germani-
Bande meiner „Geschichte der Germa- deutsche Mythologie nach Vereinheitli-
nenforschung“, S. 110, mitgeteilte, dem scher Geisteszustände“, 1839. Der „my-
chung des germanischen Mythenschat- thische Inhalt“ ist hier im 2. Kapitel
17. Jahrhundert angehördende Ansicht zes. Man kann dem freilich entgegen-
Morhofs, wir erfaßten „im Gewölk die- (S. 18–47) behandelt worden.
halten, daß Jakob Grimm die nordische
ser Fabeln (der Edda) gelegentlich ein Mythologie ausschließen wollte; das In der Verbindung der Mythologie mit
Stück Wahrheit, wenn wir auch fürchten Nordische dürfe, wie in der Einleitung der Heldensage erblickte Karl Müllen-
müssen, dabei mitunter statt einer Juno gesagt wird, nur da in seine Darstellung hoff eine westenliche Grundlage der
eine Wolke zu umarmen“. In eigentüm- einfließen, wo es „seinem Inhalt oder deutschen Altertumskunde. Eine ei-
licher Weise leuchtet diese Auffassung seiner Richtung nach mit dem des inne- gentliche „Mythologie der Helden-
späteren Ansichten, namentlich der Ge- ren Deutschlands zusammentrifft“. Der sage“, die sich schon im Titel als solche
genwart, voran. folgende Satz „Alles übrige, der nordi- ausweist, hat meines Wissens erst 1886
Einmal hat aber Koeppen seinem ge- schen Lehre allein Eigentümliche, Wilhelm Müller gegeben.
preßten Herzen Luft gemacht und einer gehört nicht hierher“ ist aber schon in Wilhelm Müller – das war derselbe, der
Anschauung Raum gegeben, die noch der zweiten Auflage ausgelassen wor- 1844 eine Ergänzung oder einen Ab-
heute stärkste Beachtung verdient: „Es den – vermutlich doch deshalb, weil es schluß der deutschen Mythologie Jakob
ist eine von den Geistlichen aller Zeiten eben nicht gut zu umgehen war. Um Grimms geben wollte mit seinem Buche
emsig verbreitete, jedenfalls schief ge- aber eine falsche Kritik auszurotten, „Geschichte und System der altdeut-
stellte Behauptung, das Christentum „habe ich wohl eingesehen, daß ich schen Religion“. Der Verfasser be-
und die Hierarchie seien dem Auf- nicht von einer Darstellung der nordi- kennt, sein Buch auf Grund des Werkes
blühen der Wissenschaft und Literatur schen Fülle, vielmehr der deutschen Ar- Jakob Grimms aufgebaut zu haben; die-
besonders günstig gewesen. Wahr ist es, mut ausgehend, Ähren lesen mußte, ses habe überhaupt den Ausgangspunkt
unsere Väter verdanken der Kirche die keine Garben schneiden durfte“ (Vor- für alle künftigen Untersuchungen zu
Schreibkunst, Bücher und Bücherge- rede an Dahlmann). bilden. Dann fährt er fort: „Für mich

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war auch die Verbindung des einzelnen der aber meine Kräfte noch schwerlich zusammengestellt, und es ist bis zum Er-
und die Gewinnung neuer Ideen aus ausreichen. doch erst wenn sie gelöst ist, scheinen des großen Werkes von Martin
dem vorhandenen Stoffe die Haupt- kann die Hoffnung sich erfüllen, welche Ninck, „Wodan und der germanische
sache.“ Jakob Grimm mochte dieses Myth. VIII. ausgesprochen wird, daß Schicksalsglaube“, 1935, das einzige sei-
Buch seines einstigen Schülers als einen endlich der Punkt erscheinen werde, auf ner Art geblieben. Der mannhafte, un-
Einbruch in sein ureigenes Gebiet auf- dem der Wall zwischen deutscher und serer Gegenwart sehr nahe kommende
gefaßt haben und erteilte ihm eine ab- nordischer Mythologie zu durchstechen Standpunkt Menzels bekundet sich
sprechende und sehr persönlich ge- sei und beide zusammenrinnen in ein schon in der Einleitung: „Spuren eines
färbte Kritik. Gegen sie wandte sich größeres Ganze.“ Simrocks Buch blieb uralten Zusammenhangs des altdeut-
Müller 1845 in einem „offenen Schrei- einige Jahrzehnte hindurch für eine schen Göttermythus mit dem indischen
ben“, das aber keine Lösung der Span- weite Leserwelt führend, aber eine wis- und persischen lassen sich nachweisen,
nung brachte. senschaftliche Nachfolge war ihm nicht aus der gemeinsamen arischen Wurzel
Wilhelm Scherer, der Biograph Jakob beschieden. ist aber wie im Gangestal und in Iran, so
Grimms, ist auf diesen Zweikampf nicht In dem gleichen Jahr erschien die wieder im Norden Europas je ein ganz
eingegangen, aber seine Sätze über „Deutsche Mythologie fürs deutsche anderer Baum gewachsen. Gar keinen
Grimms Mythologie verraten, daß er Volk. Vorhalle zum wissenschaftlichen Einfluß aber übten auf die nordische
hier die Partei Wilhelm Müllers ergrif- Studium derselben“ von Theodor Cols- Götterlehre Griechen und Römer, die
fen haben würde. Und da sich bei ihm horn. Als „Vorhalle“ war dieses Buch vielmehr welchen vom Norden her
eine immerhin durchsichtige Kritik zum vor allem für die junge Welt bestimmt; empfingen, denn das sogenannte klassi-
Wort meldete, darf man hier von einem es ist mit der Liebe und Begeisterung sche Altertum war viel geschmeidiger,
„Streit der Fakultäten“ sprechen, ähn- geschrieben, der der Stoff verdient. empfänglicher und passiver als der
lich wie wir ihn vor zwei Menschen- stahlfeste, durchaus männliche Nor-
Eine direkte Nachfolge erwuchs der den.“ Wenn sich indessen bei Menzel
altern in dem Verhältnis der Sprach- Mythologie Jakob Grimms zunächst
forschung zur Urgeschichtsforschung Berufungen auf indische Mythologie
durch J. M. Wolf, der 1852 im Anschluß finden, so haben wir in ihnen nicht Aus-
kennengelernt haben. an sie eine „Deutsche Götterlehre; ein strahlungen der zeitgenössischen ver-
1843 erschien die Deutsche Mythologie Hand- und Lesebuch für Schule und gleichenden Mythologie zu erblicken,
Jakob Grimms in erweiterter zweiter, Haus“ herausgab und zugleich den sie gehen vielmehr in die Zeit der Ro-
1854 in dritter, mit der zweiten überein- ersten Band der „Beiträge zur deut- mantik zurück, stammen also aus Creu-
stimmenden, Auflage. Aber zwischen schen Mythologie“ erscheinen ließ. Ein zer, Görres, Rhode usw. Sehr beachtlich
diesen beiden Auflagen hatte die my- Jahr später begründete er die „Zeit- ist das Kapitel „Götterheimat und gol-
thologische Forschung ein anderes Ge- schrift für deutsche Mythologie und Sit- denes Zeitalter am Nordpol“ (S. 320 ff.),
sicht erhalten: da hatte sich durch Adal- tenkunde“. Er sah sich für seine Lei- denn es erscheint wie ein Vorläufer von
bert Kuhn, Wilhelm Schwarz und an- stungen belohnt durch die ihm „ge- Gedanken, die erst ein halbes Jahrhun-
dere die indogermanische Sprachfor- weihte“ von R. Hocker veranstaltete dert später festere Gestalt gewinnen. –
schung dieses Gebietes bemächtigt und Sammlung „Deutscher Volksglaube in Es sei hier übrigens nachgetragen, daß
der philologischen Methode eine my- Sang und Sage“, 1853. Das war eine bereits 1822 Heinrich Leo eine kleine
thologische beigesellt. Und wenn von herrliche nach Stoffgebieten geordnete Schrift „über Odins Verehrung in
nun an die vergleichende Mythologie Zusammenstellung dichterischer Ga- Deutschland“ verfaßt hatte – eine für
neben der vergleichenden Sprachfor- ben der Mythologie und Sage, begin- jene Zeit nicht unbedeutende Leistung,
schung in den Vordergrund trat, so nend mit der Seherin Weissagung die sich aber mit Menzels Buche nicht
konnte dies auf einer besser durchgear- (Völuspa) und dem Liede von der vergleichen läßt.
beiteten Grundlage geschehen, als sie Heimholung des Hammers durch Thor
den Forschungen Friedrich Creuzers – beides nach der erst 1851 erschiene- Um 1855 steig ein Name rasch am Him-
und seiner Zeitgenossen beschieden nen Übersetzung der Edda durch Karl mel der Mythologie empor: Wilhelm
war. Simrock. Man sieht, welcher Reichtum Mannhardt. Dieser hat später seinen
„Erst die vergleichende Mythologie sich damals den Deutschen erschloß! „Antiken Wald- und Feldkulten aus
kann die Aufgabe (der Mythendeu- Dazu kommt noch eine kleine Schrift nordeuropäischer Überlieferung“, 1877,
tung) lösen, die als höchstes Ziel der ohne Verfassernamen: „Mythen, Sagen ein für sein ganzes Leben wie für den
Forschung bei jeder einzelnen vor- und Märchen aus dem deutschen Hei- Gang der mythologischen Forschung
schweben muß.“ So heißt es denn auch, dentume“, 1855. Das Buch erhält be- sehr aufschlußreiches Vorwort beigege-
dem Fortschritt der Zeit entsprechend, sonderen Reiz durch die mythische Er- ben, in dem er bekennt, von Jakob
gleich am Beginn des „Handbuches der klärung von zwölf Märchen. Als An- Grimm die erste Anregung erhalten zu
Deutschen Mythologie mit Einschluß hang ist beigefügt eine Übersicht über haben. Denn so heißt es dort: „Der
der nordischen“, von Karl Simrock, die heidnischen Gebräuche beim Weih- Wunsch, einem befreundeten Dänen
1853. Bei aller Verehrung für Jakob nachtsfeste, aus der Osterzeit und beim Widerpart zu halten, der mit dem gebo-
Grimm hat Simrock doch einen anderen Fest der Sommersonnenwende. Zu der- renen Schleswig-Holsteinen (Mann-
Weg eingeschlagen als dieser: „Unser selben Zeit wurden „die deutschen hardt wurde 1831 zu Friedrichsstadt ge-
Verfahren ist das Umgekehrte von dem, Volksfeste, Volksbräuche und deut- boren) als auszeichnenden Vorzug sei-
welches J. Grimm befolgte. Er hat, wie scher Volksglaube in Sagen, Märlein nes Volkes wieder und wieder dessen
er sich ausdrückt, die nordische Mytho- und Volksliedern“ in zwei Bänden, 1854 herrliche Götterwelt vorhielt, veran-
logie nur zum Einschlag, nicht zum Zet- und 1858, gesammelt von Montanus laßte mich, mich um J. Grimms ,Deut-
tel seines Gewebes genommen. Wenn (eigentlich Vinzenz von Zuccalmaglio; sche Mythologie‘ zu bemühen. Es waren
ich sie hier zum Zettel nehmen und das „Montanus“ bedeutet „aus dem [ehe- die Sommerferien; der Augustapfel-
Deutsche im engern Sinn nur als Ein- maligen] Herzogtum Berg“ [heute Ber- baum warf mir seine rotbackigen
schlag benutzen will, so liegt darin die gisches Land] im Rheinlande). Früchte in den Schoß. so habe ich, da-
Anmaßung nicht, meine Arbeit der des 1855 begegnen wir wieder einmal einer mals Sekundaner, das schwererrungene
Meisters an die Seite zu stellen. Was ich Sonderdarstellung: dem Buche „Odin“ Meisterwerk von Anfang bis Ende gele-
gebe, ist nur ein Versuch, eine Aufgabe von Wolfgang Menzel. In ihm wurden sen – und die Richtung meines Lebens
zu lösen, welche die Zeit gestellt hat, zu zum ersten Male alle Mythen um Odin war entschieden.“

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Den Anschluß an Jakob Grimm bekun- den der Wald- und Feldkulte zusam-
dete Mannhardt, als er für den 3. und 4. mengefaßt, von denen der erste 1875
Band der Wolfschen Zeitschrift für unter dem Titel „Der Baumkultus der
deutsche Mythologie als Herausgeber Germanen und ihrer Nachbarstämme“
zeichnete; im Jahre 1859 stellte die Zeit- erschien; der zweite („Antike Wald-
schrift ihr Erscheinen ein. Auch sein und Feldkulte aus nordeuropäischer
1860 erschienenes Werk „Die Götter Überlieferung“, 1877) wurde bereits
der deutschen und nordischen Völker“ oben erwähnt. Und neben Mannhardts
läßt noch den Einfluß Grimms erken- Werke kann hier gleich des ähnlichen
nen; diesem Werke sollte noch ein zwei- Charakters wegen Heino Pfannen-
ter Band folgen, der aber nie erschienen schmidts Werk „Germanische Ernte-
ist – Mannhardt hatte sich inzwischen feste im heidnsichen und christlichen
einem weiteren Gebiete zugewandt. Cultus, mit besonderer Beziehung auf
Niedersachsen“, 1878, genannt werden,
Vergleichende Mythologie beherrscht das natürlich mit germanischer Mytho-
dann auch die letzte größere Abhand- logie in engster Verbindung stand. Im
lung Wilhelm Grimms „Die Sage von Wilhelm und Jakob Grimm. gleichen Jahr (1878) wurde die vierte,
Polyphem“, 1837 (s. auch Kleinere von Elard Hugo Meyer besorgte, Auf-
Schriften, Band 4). Man kann die starke Einfühlung in alles Volkstümli- lage der Deutschen Mythologie Jakob
„Sage“ aber auch als „Mythe“ auffas- che dadurch, daß er für seinen schlesi- Grimms mit dem dritten Bande abge-
sen, denn dieser gehört doch Polyphem schen Landsmann Karl Holtei dasselbe schlossen.
als ein Sohn des Poseidon sicher an. wurde wie Müllenhoff für Klaus Groth
Grimm gibt einen Überblick über die und den „Quickborn“. So sah alles nach außen hin vertrauens-
große Verbreitung dieser Mythe, die erweckend aus. Hatte sich denn wirk-
sich unter mehrfachen Abwandlungen In jenen Jahren – um 1860 – trat ein lich Paul de Lagarde geirrt, als er – eben-
bei den verschiedensten Völkern findet; neues Gebiet in den Kreis germanischer falls 1878 – die bittere Klage ausstieß:
in der nordischen Überlieferung sei ihr Wissenschaft ein: die deutsche Volks- „1835 erschien ein Buch, das zu den
Sinn jedoch am klarsten ausgesprochen: kunde, von der allerdings der „Große Epochemachendsten gehört, die je ge-
die Überlistung des Riesen durch einen Meyer“, Band 15, 1878, noch keine No- druckt worden sind, Jakob Grimms
Zwerg. (In der Odyssee ist Polyphem tiz genommen hat. Aber einerlei, sie deutsche Mythologie; geschrieben ist es
der Riese, Odysseus der Zwerg.) Zur war da. Als ihre ersten Anreger darf mit der vollen Empfindung deutschen
Ergänzung der Abhandlung Wilhelm man sicher Herder, Arndt und vor allem Wesens und deutscher Poesie. Wieviele
Grimms ist das Kapitel „Die Polyphem- die Brüder Grimm betrachten; zum leben, die es so genossen haben und ge-
sage“ in Carus Sternes Tuiskoland, wirklichen Durchbruch haben ihr aber nießen, wie sein Verfasser es gemacht?
S. 549 ff., heranzuziehen. erst Männer wie der am Anfang dieses Die unschuldig herben Formen deut-
Aufsatzes genannte Ernst Ludwig schen Rechts sind unsern Zeitgenossen
Vielleicht hat die Arbeit Wilhelm Rochholz, Karl Weinhold und – von an- so tot wie die alten Sagen und Bräuche
Grimms Karl Weinhold zu seiner im fol- derer Richtung her – Wilhelm Heinrich unserer Nation. Wir haben nie eine
genden Jahre erschienenen Abhand- Riehl verholfen. Auch Wilhelm Mann- deutsche Geschichte gehabt, wenn nicht
lung „Die Riesen im germanischen hardt darf man diesen Männern beige- etwa der regelrecht fortschreitende
Mythus“ angeregt. Der Name Karl sellen. Gewiß, er hat andere Wege ein- Verlust deutschen Wesens deutsche
Weinhold hat in unserer Gegenwart geschlagen als Jakob Grimm vor ihm, Geschichte sein soll.“ („Die Religion
wieder neuen Klang dadurch gewon- aber er hat doch nur ein bestimmtes Ge- der Zukunft“ in den „Deutschen Schrif-
nen, daß man sein „Altnordisches Le- biet erweitert, das der sogenannten ten“.)
ben“ (1856) in einer neuen Gestalt her- „niederen“ Mythologie, die aber doch
ausgebracht hat. Seinem ausgezeichne- ein wesentlicher Bestandteil des ganzen Dieses Wort wird erst verständlich,
ten Werke „Die deutschen Frauen im ist. Wie weit sich schon 1868 der Wir- wenn wir betrachten, was gewisser-
Mittelalter“, 1851, waren noch zu seinen kungskreis des damals 37jährigen er- maßen „unsichtbar dazwischen geht“.
Lebzeiten zwei weitere Auflagen be- streckte, erkennt man aus dem Titel- Alle Überlieferungen aus der Vorzeit
schieden. Wie stark in Karl Weinhold blatt der kleinen Schrift „Die Korn- waren dem deutschen Volke entfrem-
der Geist Jakob Grimms lebendig war, dämonen“; er war nämlich nach diesem det worde; sie lebten nur in einem streng
bestätigen die Worte Conrad Müllers in „Privatdozent der Berliner Universität, für sich abgeschlossenen Kreise der
den „Germanischen Erinnerungen an Mitglied des Gelehrtenausschusses des Wissenschaft, und selbst aus diesem
die Alma mater Vratislaviensis“, 1911: Germanischen Museums zu Nürnberg, konnte man oft genug geradezu germa-
„Alle Stimmen kommen darin überein, der Gesellschaft für deutsche Sprache nenfeindliche Aussprüche hören. Uns
daß, wie es einmal Paul Pietsch aus- zu Berlin, der archäologischen Gesell- Heutige überrascht gewiß, daß ein Mit-
drückte, seit Jakob Grimm niemand schaft zu Moskau, corresp. Mitglied des arbeiter der Allgemeinen Deutschen
mehr die Aufgabe und den Bereich der Vereins für Siebenbürgische Landes- Biographie im 9. Bande, 1879, über
germanischen Wissenschaft so weit und kunde, der gelehrten estnischen Gesell- Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
so tief auffaßte wie er, daß sich auch kei- schaft zu Dorpat, der lettisch-literari- schreiben konnte: „Das Gedicht eines
nem ihrer jüngeren Vertreter die deut- schen Gesellschaft zu Riga und Mitau, Skalden … hat das freilich zweifelhafte
sche Philologie wieder so klar als die des Geschichts- und Altertumsvereins Verdienst, die altnordische Mythologie
Wissenschaft am eignen Volk gestaltet zu Narwa, des Vereins zur Kunde Ösels in die deutsche Literatur eingeführt zu
wie ihm. Er beackerte wirklich die deut- zu Arensburg und des Comité Flamand haben.“ Überhaupt ist die Allgemeine
sche Gesamtflur und begnügte sich de France zu Dünkirchen“. Das bedeu- Deutsche Biographie bei allen unbe-
nicht mit einigen abgerissenen Streifen. tet, daß ihm von allen diesen Kreisen – steitbaren Verdiensten ein Kapitel für
Seine Forschungen reichten von der go- und noch darüber hinaus – bedeutende sich. Es gibt kaum einen Vertreter des
tischen und altnordischen Welt über das Anregungen für seine Sammlung volks- klassischen Altertums, sofern er nur
ganze Mittelalter hin bis zur deutschen kundlich-mythologischer Stoffe zuflos- eine Abhandlung vom Stapel gelassen
Dichtkunst des 19. Jahrhunderts.“ Und sen. Seine für alle Zeiten wichigen Un- hat, der in ihr nicht Aufnahme gefunden
gerade hier bewies Karl Weinhold seine tersuchungen hat er in den beiden Bän- hätte. Dagegen vermissen wir recht oft

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bedeutende Germanisten. So findet sich burgen Nordeuropas“, 1893), über den durch den engen Verkehr mit den Kel-
z. B. über August Raszmann (geboren deutschen Gelehrtendünkel zuteil wer- ten, die die Phantasie der Nordgerma-
1817, gestorben 1891), der 1857/58 das den ließ, als positiv und als eine Reini- nen befruchtet haben“. Wie hätte man
sehr bedeutende Werk „Die deutsche gung der vergifteten Atmosphäre emp- von den Germanen auch anders denken
Heldensage und ihre Heimat“ in zwei fand. können!
Bänden herausgegeben hat, keine Silbe.
Und auch später noch, nach 1900, müs- Freilich: der Streit um Selbständigkeit Alles in allem kann man von den Lei-
sen sich so berkannte Männer wie Carus oder Abhängigkeit der germanischen stungen der achtziger und neunziger
Sterne und Elard Hugo Meyer mit we- Mythologie ging weiter; ihm konnte Jahre des vorvorigen Jahrhunderts sa-
nigen Zeilen im „Nekrolog“ abspeisen auch Karl Müllenhoff mit dem 5. Bande gen: die Analytiker, d. h. die Auflöser,
lassen. seiner Deutschen Altertumskunde, hatten volle Arbeit getan. Für die un-
1892, in dem er sich besonders mit heimliche Ernüchterung in der Welt der
Schwerster Rückschlag aber kam aus Sophus Bugge auseinandersetzte, nicht Mythologen sprechen einige Sätze
dem Kreise der Mythologen selbst, die Einhalt gebieten, so sehr er das auch ge- Friedrichs von der Leyen aus dem Jahre
ihr Gebiet zum Tummelplatze heftig- hofft haben mochte. 1897: „Gerade die Geschichte dieser
ster Fehden und Anfeindungen mach- Wissenschaft (der Mythologie) zeigt
Übrigens hat Elard Hugo Meyer 1891
ten. Wie sollten sich Außenstehende deutlicher als irgend eine andere das
neben der Eddischen Kosmogonie noch
noch in diesem Wirrwarr der Meinun- stets wachsende Mißtrauen der For-
eine „Germanische Mythologie“ er-
gen zurechtfinden! Wie geflissentlich scher gegen ihre eigene Gelehrsamkeit
scheinen lassen, in der alle Götterer-
war man bemüht, der Edda und über- und ihren eigenen Scharfsinn. Früher
scheinungen in bloße Naturgewalten
haupt dem nordisch-germanischen schwelgte man in dem stolzen Ver-
ausgelöst wurden – ähnlich wie wir es
Kreise jede Selbständigkeit der Einfin- trauen, die ganze Mythologie unserer
aus früheren Werken von Wilhelm
dung oder des Urteils abzusprechen! Es deutschen Vorzeit entdeckt zu haben,
Schwartz kennenlernten. Für Carus
kam von nun an nicht mehr darauf an, und war glückselig im Besitz dieses
Sterne bot dieses Werk willkommenen
alle dichterischen Erscheinungen des Schatzes … Und heute? Da hat man
Anlaß, seinem Verfasser, der ihn (Carus
Nordens von innen heraus zu ent- längst die Hoffnung aufgegeben, daß
Sterne) weidlich an den Ohren gezaust
wickeln, überall mußten vielmehr Ent- ein Aufbau der deutschen oder gar der
hatte, einige recht drastische Hinweise
lehnungen aus der Fremde herangeholt indogermanischen Mythologie gelingen
zu geben. Man kann von einem „Glück“
werden, durch die jene erst existenz- könne, da hat man einsehen gelernt, daß
sprechen, daß Elard Hugo Meyer 1898
fähig wurden. Als hauptsächliche fast alle Deutungen falsch waren, und
die „Deutsche Volkskunde“ herausge-
Quelle für alle Entlehnungen galt hat den Glauben daran eingebüßt – da
geben hat. Durch dieses wirklich fri-
zunächst das Christentum. Als geradezu wittert man in den Überlieferungen
sche, lebendige Buch hat er vieles wie-
zerstörerisch erwiesen sich hier überall christliche und unechte Be-
dergutgemacht.
zunächst Sophus Bugges „Studien über standteile … An die Stelle des jugendli-
die Entstehung der nordischen Götter- Das Urteil über seine Germanische My- chen Überschwangs und der siegesfro-
und Heldensagen“, übersetzt von Oscar thologie war bei den Zunftgenossen hen Begeisterung trat eine kühle, oft
Brenner, 1881/89 in drei Heften erschie- durchaus nicht einheitlich: Wolfgang spöttische Skepsis, eine vernünftige
nen. Den gleichen christlichen Spuren Golther hat sie gelobt, Friedrich Kauff- Nüchternheit – nicht einmal eine
folgt Elard Hugo Meyer 1889 mit der mann, damals in Jena, hat sie in Grund schmerzliche Resignation“ (Beilage zur
„Völuspa, eine Untersuchung“, und und Boden verurteilt. Und als 1903 Allgemeinen Zeitung Nr. 100 vom 5.
1891 mit der „Eddischen Kosmogonie“. seine „Mythologie der Germanen“ er- Mai 1897). Es will doch etwas besagen,
schienen war, schrieb Wilhelm Ranisch, daß gerade Wolfgang Golthers „Hand-
In den damals schon recht lebhaften der zwei Jahrzehnte später das Ragna- buch der germanischen Mythologie“,
Streit platzte 1891 Carus Sternes (Ernst rök-Werk Axel Olriks in der Überset- 1895, dem Verfasser Anlaß zu diesen
Krauses) „Tuisko – Land, der arischen zung herausgab: „Ebenso wenig kann Äußerungen gab.
Götter und Stämme Urheimat“ wie eine ich Meyer folgen in dem, was er über das
Bombe hinein. Wohl kam auch hier die Christentum in der nordischen Götter- „Eine Neutralität, wie die von Golther
vergleichende Mythologie (die vier dichtung lehrt. Daß ein nordischer durchgeführte – sagt v. d. Leyen weiter-
Jahre später von Wolfgang Golther als Dichter des 11. oder 12. Jahrhunderts, hin – nimmt der Darstellung die lebens-
überlebt ausgegeben wurde) zum der zugleich ein gelehrter Theologe war, volle Wärme“, und doch ist sie geeignet,
Worte, aber es war eine andere verglei- eine Summa Theologiae in eine Rätsel- „allen, die sich danach sehnen, eine
chende Mythologie als diejenige, die sprache umdichtete, die im Norden klare Einsicht in die deutsche Mytholo-
seit den fünfziger Jahren das Feld be- sonstwo durchaus ohne Beispiel ist, gie zu gewähren“. Besonders wohl-
hauptet hatte. Für diese war, genau wie bleibt nach wie vor eine bare Unmög- tuend berührte es v. d. Leyen, daß
für die vergleichende Sprachwissen- lichkeit. Der Einsicht freilich, daß Golther sich, wo es nur irgend ging, an
schaft, Vorderasien die Urheimat aller christliche Anschauungen den Dichter Ludwig Uhland anschloß, denn „dieser
arischen Stämme und damit auch die der Völuspa beeinflußten, wird man erkannte und schilderte das Wesen uns-
Urquelle ihrer Überlieferungen. Nun sich – besonders nach A. Olriks pfad- rer alten Götter, wie kein anderer – sein
drehte Carus Sterne den Spieß um, und weisender Schrift ,Om Ragnarök‘ – Auge blickte in die Seele unsrer Vor-
in seiner Darstellung erhielt der germa- nicht mehr verschließen dürfen.“ zeit, und darum geben seine Schriften
niche Norden ein bis dahin unerhörtes den Gestalten Thors und Odins gleich-
Maß von Selbständigkeit – auch dem In einer sehr gelehrten Schrift „Kelten sam ihr altes Dasein zurück. Das ist
klassischen Altertum gegenüber. War und Nordgermanen im 9. und 10. Jahr- mehr, als Jakob Grimm vermochte – in
es da ein Wunder, wenn die ganze hundert“, 1896, holte Eugen Mogk die seiner Mythologie sind mir die Partien
„Meute“ der Mythologen über Carus Kelten als die Befruchter des germani- am liebsten, welche die lieben Gestalten
Sterne und sein Buch herfiel? Etwas schen Nordens heran. Zwar wurde ihm unsres deutschen Märchens, die Elfen,
Förderliches, Positives, hat der ganze einmal deutlich, „daß der Einfluß der Nixen und Kobolde schildern. Auch
Streit nicht geboren, es sei denn, da´man Germanen auf die Iren größer ist als der darin unterscheidet sich Uhland von Ja-
die glänzende Abfertigung, die Carus der Iren auf die Norweger“; aber doch kob Grimm, daß er eine Entwicklungs-
Sterne seinen Gegnern in dem berühmt kam er zu dem Schlusse, daß die Blüte geschichte des Cultus zu zeichnen ver-
gewordenen Vorwort (zu den „Troja- der isländischen Literatur „gezeitigt ist suchte – das erstreben heute unter an-

Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St. 13


deren die Forschungen Karl Wein- raum von sechs Jahrzehnten überbrückt
holds –, und Golther folgt auf diesen
Pfaden dem Meister gleichfalls nach.“
hat, so ist auch das bezeichnend – und
zugleich auszeichnend für Uhland; denn E+ iy noc wie ein holde+ Kind
Trotz aller „Nüchternheit“ und aller dieser war nicht nur ein feinsinniger und xaut un+ freundlic fragend an.
„Neutralität“ kann v. d. Leyen also Forscher, sondern auch ein echt volk- E+ eilt die Zeit, da+ Jahr verrinnt –
Wolfgang Golther seine Anerkennung hafter Dichter – und Dichter sind nach
du neue+ Jahr, wie bliqy du dann?
doch nicht versagen, und in der Tat: sein einem Worte von Alexander von Peez
„Propheten – die früheste und letzte Es- Du wiry dereiny in guter Ruh
Buch gibt eine lückenlose Übersicht
über die germanische Mythologie nach sens des Volksgeistes ist in ihnen leben- zu deinen tausend Ahnen gehn.
den Quellen des ersten Jahrtausends dig und, wie sie ohne Urkunden die Dann laß auc un+, gereift wie du,
unserer Zeitrechnung. Es kann daher Vorzeit verstehen, so gießen sie zeit-
weise hellen Schein in künftige Jahr- dem näcyen Jahr in+ Auge seh’n.
auch noch der Gegenwart von Nutzen
sein. Und wenn Golther wieder an Uh- hunderte“. J. O. Pla‚mann
land angeknüpft und damit einen Zeit- Theobald Bieder

geschichte in das allgemeine Blickfeld


getreten war, außerhalb unserer Be-
Unseren jungen Gefährten trachtung lassen, weil es noch keine
Ortsgebundenheit gab. Wir stellen hier
vielmehr den Menschen in die Mitte,
der mit seinem Volkstum unsere Ah-
nenreihe eröffnete.
Und darum müssen wir mit der Jung-
Au+ Deutxland+ Vorzeit: steinzeit beginnen, weil wir in ihr die er-
sten Spuren dieses Menschen und den
Beginn seiner Eroberung des deutschen

Die Jungyeinzeit Lebensraumes entdecken.


Die Jungsteinzeit wird manchmal in der
Sprache der Wissenschaft auch noch
Teil 1 Neolithikum genannt, eine Wortbil-
Ab dieser Ausgabe der „Nordischen Zeitung“ beginnen wir in mehreren Folgen dung, die aus dem Griechischen
unter der Rubrik „Unseren jungen Gefährten“ mit einer reichlich bebilderten stammt, wo néos neu, jung heißt und
Reihe aus Deutschlands Vorzeit. lithos Stein. Wenn wir in die Jungstein-
zeit zurückwandern, kommen wir, von
unseren Tagen ab gezählt, 5 Jahrtau-
Warum wir mit der hat, den Menschen aus dem Neandertal sende zurück, das heißt etwa in die Zeit
bei Düsseldorf, ohne ausgeprägtes Kinn des 3. Jahrtausends vor unserer Zeit-
Jungsteinzeit beginnen und mit fliehender Stirne. Auch nicht rechnung. Und über ein Jahrtausend hat
Seit man sich ernsthaft mit Vorge- von den Menschen, die am Ausgang der dieses letzte Zeitalter des Steines ge-
schichte beschäftigt hat, ist man über- Altsteinzeit den deutschen Boden be- dauert!
eingekommen, den zweiten Zeitraum, wohnten, obgleich sie im Körperbau
den sie umfaßt, in drei Abschnitte zu den heutigen Menschen fast glichen; Die wichtigsten Merkmale
gliedern, die nach dem jeweils für Werk- denn auch sie zogen noch immer unstet der Jungsteinzeit
zeug und Waffe gebräuchlichen Werk- umher, den eiszeitlichen Tieren, Ren-
stoff benannt werden. Man unterschei- tier, Mammut, Nashorn nach. Wir kön- Im Gegensatz zu der Altsteinzeit, wo
det somit eine Stein-, eine Bronze- und nen diese Zeiträume, lange ehe die Vor- der Stein nur zugehauen, geschlagen
eine Eisenzeit. Alle drei werden wie-
derum in sich unterteilt, die Steinzeit
zum Beispiel in Alt-, Mittel- und Jung-
steinzeit.
Warum wollen wir nun unsere Ein-
führung in die Vorgeschichte Deutsch-
lands erst mit der Jungsteinzeit begin-
nen? Gab es nicht schon sehr viel früher
ein bewegtes Leben auf deutschem Bo-
den?
Gewiß! Aber wir wollen hier nicht von
Erdzeitaltern vor Jahrmillionen spre-
chen, ihren Gesteinen, ihren Pflanzen,
ihren Bäumen und ihren Tieren. Auch
nicht von dem Eiszeitalter, dem Dilu-
vium vor Jahrzehntausenden, wo
schweifende Jäger (Nomaden)
Deutschland durchzogen, von einem
Körperbau, der sich gewaltig von dem
des heutigen Menschen unterschieden Abb. 1: Altsteinzeitliche Höhle

14 Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St.


verwendet wurde, kannte die Jungstein-
zeit für Werkzeug und Waffe bereits
den geschliffenen und durchbohrten
Stein. Doch mit dieser neuen Erfindung
erschöpft sie sich keineswegs. Entschei-
dend ist, daß der Mensch, der bisher ein
schweifender Jäger war, nun zum
seßhaften Bauern und Viehzüchter
wurde. Er baute Getreide an, Gerste,
Weizen, Hirse, und Hülsenfrüchte, la-
gerte sich Vorräte in Scheunen ein, Abb. 3: Steinhaus von Fallingbostel
zähmte sich Haustiere, das Pferd, Rind,
Schaf, die Ziege, das Schwein. Auch der
Hund war schon sein treuer Begleiter. Ernst und feierlich ragen sie in der ein- Wer hat nun diese
samen Heidelandschaft auf.
Der Mensch, der bisher seinen Unter- Riesensteingräber erbaut?
schlupf in Höhlen (Abb. 1) und Zelten Die Wissenschaft der Vorgeschichte
gesucht hatte, zimmerte sich nun ein nennt sie Megalithgräber, nach dem Ein kraftvolles Volk, das seine Toten
wohnliches Haus. Neben dem Stein war Griechischen mégas = groß und lithos = mit diesen Denkmälern für die Ewigkeit
das Holz sein wichtigster Werkstoff. Stein. Sie finden oder fanden sich über ehren wollte, ein Volk aus zwei engver-
Und der Mensch der Jungsteinzeit ganz Norddeutschland, vom Rhein bis wandten Rassen, der nordischen und
schaffte sich seinen Hausrat, formte sich zur Weichsel, von Südschweden bis an der fälischen. Ihr Unterschied lieg kurz
Gefäße von hoher Vollendung, wußte den Rand des deutschen Mittelgebirges. gesagt darin, daß der nordische Lang-
sie liebevoll und mit Geschmack zu Als Baustoff sind die Jahrhunderttau- schädel schmal und hochstirnig ist, der
schmücken. sende vor unserer Zeitrechnung vom fälische, der nach seinem großen Vor-
Gletschereis gebrachten und verstreu- kommen in Westfalen genannt wird,
Wir werden nie erfahren, wie die Völker zwar auch ein Langschädel, aber mehr
geheißen haben, die damals unser Va- ten Findlinge oder erratischen Blöcke
(verirrte Blöcke) verwendet worden. breitgesichtig ist. Wenn auch kein Hel-
terland bevölkerten, nie wissen, wie sie denlied die Heldentaten dieses Volkes
gesprochen haben. Wir bescheiden uns Die älteste Form besteht aus drei bis
singt, so viel ist gewiß: Seine Denkmäler
damit , sie nach den ihnen eigentümli- vier Tragsteinen, auf denen der mäch-
künden von dem festen Band einer
chen Gefäßformen und Zierweisen, tige Deckstein lastet. Man nennt sie Do-
Volksgemeinschaft! Nur ein gemeinsa-
nach ihren Waffen oder aufgefundenen men, ein Wort, das aus dem Keltischen
mer Wille konnte solche gewaltige Bau-
Wohnplätzen zu benennen. stammt und soviel wie Tisch bedeutet.
ten errichten, Decksteine vom Gewicht
Denn man hielt die Dolmen anfangs für
bis zu 600 Zentnern mit den einfachsten
DER NORDISCHE KREIS Opfertische. Als Beispiel bilden wir den
Hilfsmitteln aufzutürmen.
Dolmen von Birkenmoor, Kreis Han-
Wenden wir uns den sechs wesentlich- nover ab (Abb. 2). Aus dieser einfache- Vor Jahrtausenden standen diese Bau-
sten Völkergruppen der Jungsteinzeit ren Form hat sich das sogenannte Gang- ten nicht so kahl in der Ebene wie heute.
zu! grab entwickelt, dessen weit größere Sie waren von einem sandigen Erdhügel
Kammer sechs oder mehr Tragsteine überwölbt, der erst im Laufe der Zeiten
durch Regen und Sturmwind abge-
Die Riesensteingräber bilden, welchen Raum auch zwei oder
schwemmt und fortgeweht worden ist.
mehrere Decksteine überdachen. In die
Wer durch die Lüneburger Heide wan- Grabkammer führt ein Gang, der länger Leider hat menschlicher Unverstand bis
dert, durch Schleswig-Holstein, Pom- oder kürzer sein kann und gleichfalls vor noch nicht langer Zeit zahllose die-
mern oder die nördliche Mark Bran- überdacht ist. Die bekanntesten Gang- ser ehrwürdigen Zeugen der Vorzeit
denburg, trifft zuweilen auf riesige gräber sind die „Sieben Steinhäuser“ zerstört, sie als Steinbrüche für den
Steinblöcke, die erst bei genauerer Be- bei Fallingbostel in der Lüneburger Straßenbau ausgebeutet. Im Kreise
trachtung nicht als regellos aufgetürmt, Heide und der Denghoog auf der Insel Ülzen in der Lüneburger Heide haben
sondern als Teile eines planmäßigen Sylt. Sie vertreten die beiden Arten, das im Jahre 1846 noch 219 Riesensteingrä-
Baues erkennbar werden. Dichter ha- Lang- und das Kurzganggrab (Abb. 3 ber gestanden, bei einer Zählung kurz
ben diese Steinbauten besungen, Maler und 4). vor dem 1. Weltkrieg sind es nur noch 14
gewesen.
Die Riesensteingräber waren nicht nur
für einen einzigen Toten bestimmt, son- Abbildung 5 zeigt den Bau eines sol-
dern dienten als Erbbegräbnis einer chen Riesensteingrabes. Die wuchtige
ganzen Sippe. Durch den offenen Gang Deckplatte ist vorher durch ein Holz-
konnten immer wieder Verstorbene in gerüst abgestützt, einige Trägersteine
das Grab hineingetragen werden stehen bereits, der Schlußstein für die
(Nachbestattung). Über- und nebenein- Schmalseite wird mit Hilfe von Hebeln
ander haben so ganze Geschlechterfol- und Rollen herangebracht. Der
gen lang ausgestreckt im gleichen Bauführer gibt den kräftigen Männerar-
Grabe ihre letzte Ruhe gefunden. In men das Zeichen zum Anheben.
dem offenen Gang wurden Totenopfer Soweit diese Riesensteingräber nicht
abgehalten und im Winter Totenfeuer ausgeplündert waren,
Abb. 2: Der Dolmen angezündet, damit die Ver- fand man in ihnen
storbenen nicht frie- außer den Gebei-
sie im Bilde verherrlicht, Sagen und ren sollten. nen der Toten
Märchen ranken sich daran. „Hünen“,
sagt der Volksmund, Menschen von rie-
sigem Wuchs sollen darin ruhen. Es sind
die Riesensteingräber, die gewaltigsten
Denkmäler aus Deutschlands Vorzeit. Abb. 4: Denghoog auf Sylt (Querschnitt)

Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St. 15


1. Mädchen:
Ich fürchte mich vor dem Gesicht.
Die neue Königin mag ich nicht.
2. Mädchen:
Ein’ Königin ist nicht wie ich.
Ich lieb sie stolz und hoffärtig.
3. Mädchen:
Ich mag sie auch nicht dumm und dick.
Doch hat sie einen bösen Blick.
1. Mädchen:
Sie hat den Teufel wohl im Blut.
Sneewittchens Mutter, die war gut.
3. Mädchen:
Der König, der ist worden schwach,
sieht seinem Weibe alles nach.
1. Mädchen:
Auch, wenn sie mit Sneewittchen
schilt.
3. Mädchen:
Abb. 5: Bau eines Riesensteingrabes Und war doch sonst so gut und mild.
Steingeräte und Tongefäße. Auch im Muster dieser Gefäße sind mit einem 4. Mädchen:
Jenseits sollte der Tote seine Werk- spitzen Stäbchen oder Knöchel (Tief- Jaja – das Weib, das ist verrucht.
zeuge und Waffen nicht entbehren, stichverzierung) eingeritzt oder einge- Und nichts als pure Eifersucht!
nicht hungern und dürsten; gefundene stochen. Wir staunen heute über die 2. Mädchen:
Gefäße enthielte Reste von Speise und schönen gleichmäßigen Formen, die Pst! Pst! Halt deine Zunge an!
Trank. Aus dem Formenreichtum der noch ohne Töpferscheibe aus freier Hat manche damit fehlgetan.
Gefäße sind zwei besonders bezeich- Hand gebildet worden sind, über die 1. Mädchen:
nend: der Becher mit trichterförmigem sinnvoll angebrachten, straffen Verzie- Sneewittchen zwar – das Kind ist
Hals und die Kragenflasche, deren kra- rungen, überkreuzte Linien, Zickzack schön.
genähnlicher Hals zum bequemeren und Raute. Ich sah es heute morgen gehn.
Halten der Flasche gedient hat. Die (Fortsetzung folgt im nächsten Heft) 4. Mädchen:
Doch immer traurig geht’s einher,
denn es hat keine Mutter mehr.
3. Mädchen:
Die Wasserkrüge sind gefüllt.
Unseren jüngyen Gefährten Kommt, daß die Königin nicht schilt!
Alle singen:
Das Wasser hält nicht auf,
hat immer seinen Lauf.
Es rinnet für und für.
Sneewi†cen O wär’ mein Liebster hier!
(ab)

1. Bild Au weh! Der Stich, der war nicht gut. 3. Bild


(Man hört winterliches Schlittengeläute mit Vom Finger tropft das rote Blut, Zimmer der Königin mit dem
Jauchzen, danach) drei Tropfen Blut rot in den Schnee – Spieglein
Rufe: ach – hätte ich ein Kindlein eh’ Königin:
Frau Königin, schaut auf uns her. so rot wie Blut, so weiß wie Schnee, Man kennt mich als die Königin
Wir lieben Euch von Herzen sehr. so blond wie die Sonne. Mir ist, durch alle meine Lande hin.
Was hockt Ihr am Fenster dort? als ob vor Freud’ ich sterben müßt – Ich bin die schönste aller Frau’n.
Kommt mit, wir wissen bessern Ort! Ist schöner keine mehr zu schau’n.
Der Schnee liegt hoch, der Schnee 2. Bild Wann’s eines Tages anders wär’,
liegt weit. Am Schloßbrunnen wär’ ich die Königin nicht mehr.
Kommt mit zur großen Fröhlichkeit! (Mehrere Mädchen mit Krügen usw.) Spieglein, Spieglein an der Wand,
Königin: Sie singen miteinander: wer ist die Schönste im ganzen
Fahrt immer zu! Fahrt immer zu! Der Brunnen tropft und tropft. Land?
Der Königin geziemt die Ruh. Mein Herze – hoch! – es klopft. Spieglein:
(Das Lärmen verzieht sich) Es klopft und hört nicht auf Frau Königin, Ihr seid die Schönste
so wie des Brunnens Lauf, hier.
Königin (für sich): so wie das Wasser für und für.
Was sollen wir mit Schlitten- Aber Sneewittchen ist tausendmal
O wäre doch mein Liebster hier! schöner als Ihr.
glöckchen?
Ich näh am ewigen Kinderröckchen. 1. Mädchen: Königin:
O weh mir armen Königin, Hat alle Lieb doch ihre Zeit. Schweig! Wer wär’ schöner wohl als
die keines Kinds ich selig bin. Längst hat der König neu gefreit. ich!
Der Schnee so weiß, der Schnee so 2. Mädchen: Dein Spruch ist falsch! Besinne dich!
rein – Ist schön, die neue Königin, Spieglein, Spieglein an der Wand,
könnt’ eines Kinds ich fröhlich sein! hat einen hohen harten Sinn. wer ist die Schönste im ganzen Land?

16 Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St.


Spieglein: Sneewittchen: Halt, Jäger halt!
Frau Königin, Ihr seid die Schönste Nichts von dem Kind! Erzähl vom
hier. Wald!
Aber Sneewittchen ist tausendmal Jäger:
schöner als Ihr. Der Wald stand stumm. Und es
Königin: geschah.
Ich dank’ dir, daß du mich belehrt. Kein Aug’ das Königskind mehr sah –
Es hat doch niemand noch gehört? Sneewittchen:
So lügst du nicht. Dein Spruch ist Wo blieb es dann?
wahr.
Jäger (hart): Wir sind am Ort.
Sneewittchen sei des Lebens bar.
Auch du kommst nimmer von hier
Der König sprach – ich saß dabei –
fort.
daß es der Mutter ähnlich sei
Mach schnell, bedecke dein Gesicht!
mit jedem Jahre mehr. O nein:
Ich soll dich töten – und kann es nicht.
ich muß und will die Schönste sein!
Der Jäger komme! Sneewittchen:
Mich töten? Du? O Jägersmann,
Jäger: Königin? hab’ nie doch Böses dir getan.
Jäger:
Königin: Es war einmal ein Königskind – Jäger:
Hier dieses – nimm es ruhig hin – Die Königin befahl es mir.
Sneewittchen:
Jäger: Sneewittchen:
War ich es?
Den Ring von Gold? O Grauen! O Grauen! – Fort von ihr!
Königin: Und dieses hier! Jäger: Das war wunderschön,
wie keines auf der Welt zu sehn. Jäger:
Sneewittchen, nimm’s geheim mit dir – So laufe fort! Lauf fort waldein!
du hörst es – keiner darf es sehn. Sneewittchen: Und möge Gott dir gnädig sein!
Tief in den Bannwald sollst du gehn. Das war ich nicht. (Sneewittchen ab)
Dort töte es!
Jäger: Da kam der Neid Jäger:
Jäger: Königin – nein! und bracht’ ihm Bitternis und Leid. Wie bin ich froh, ich Jägersmann,
Königin: Das Königskind – daß ich die Untat nicht getan!
Wenn ich’s befehle, muß es sein! (Fortsetzung im nächsten Heft)
Ihr Herze bringst du mir als Pfand.
Jäger:
Frau Königin, mir bebt die Hand –
Königin:
Das gibt sich. Tu nach dem Gebot!
Jäger:
Ich will es tun – O große Not!
(ab)
Königin:
Nun, kluges Spieglein an der Wand,
hat sich dein Sprüchel bald gewandt.
4. Bild
Im Königshof
Jäger:
Sneewittchen!
Sneewittchen:
Jäger?
Jäger: Königskind,
komm mit mir, wo die Rehlein sind!
Sneewittchen:
Die Rehlein mit den Augen blank?
Jäger:
Die Rehlein, wohl!
Sneewittchen:
Habt Dank! Habt Dank!
Allein – was schaust du mich so an,
so eigen an, du Jägersmann?
Mir wird so ängstlich zu Mut –
Jäger:
Nimm Mantel nun und Tuch und Hut.
Der Wald ist weit. Wir schreiten baß.
Sneewittchen:
Und du erzählst vom Walde was,
von dem Getier, von Baum und Wind –

Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St. 17


den Göttern der Heiden ruhen.“ – Aber
er ist sich nach all diesen Erlebnissen im

Filmbesprecung
Buchbesprechungen Glauben an Allah nicht mehr so sicher.
Um so mehr sind es die Wikinger im
Glauben an ihre Götter – fröhlich win-
ken sie ihm zu und loben ihre nordi-
schen Götter.

Der 13te Krieger Erfreulich an diesem Film ist auch, daß


es sich bei den Schauspielern fast aus-
schließlich (bis auf den Araber, der von
dem in Malaga geborenen, westischen

A m Montag, den 4. Nebelung 3802


n.St., wurde zu später Stunde im
ZDF als deutsche Fernseh-Erst-
aufführung ein Film ausgestrahlt (auch
Spanier Antonio Banderas dargestellt
wird) um nordische Charaktere han-
delt. Die Namen der meisten Schauspie-
ler sind auch nicht amerikanisch
von den Fernsehzeitungen als „Spitzen- (Hauptdarsteller: Vladimir Kulich,
Film“ eingestuft – was aber meistens Dennis Storhøi, Mischa Hausermann).
nichts zu sagen hat), den ich für sehr be- Die dargestellten Wikinger sehen ras-
merkenswert halte, obwohl ich neuen sisch größtenteils wirklich so aus, wie
Filmen gegenüber, vor allem wenn sie man sich echte Wikinger vorstellt.
dann auch noch aus den USA kommen, Insgesamt gesehen handelt es sich bei
äußerst kritisch eingestellt bin. diesem Film um ein modernes Märchen
Es handelt sich um den Film „Der 13te aus der Zeit unserer Vorfahren – aber
Krieger“, gedreht im Jahre 3799 n. St., sehr gut gemacht: gute Darsteller, dü-
Regisseur: John McTiernan (dem Na- stere Farben, bombastische Musik,
men nach ist er schottischer Abstam- Ein anderer Wikinger fällt ins Wort: spannend bis zur letzten Minute und ein
mung). „DORT TREFFE ICH MEINE bißchen wie die alten Sagen.
Nun kurz zu der Handlung des Films: AHNENREIHE VON BEGINN AN!“ Aber vor allem bringt uns dieser Film
Die Schlacht wird mit Hilfe des Glau- das Heidentum als etwas Positives her-
Im Jahre 922 n.d.Ztr. schlägt es einen
bens an die germanischen Götter ge- über – und nicht die Wikinger sind dies-
jungen, poetisch begabten Araberfür-
wonnen. Es gibt viele Opfer – aber sie mal die Bösen, sondern die anderen, die
sten aus Bagdad (welch Parallelen!!) zu
sind nicht umsonst – die Dörfer der Wi- in diesem Film passend als „Halbmen-
den Wikingern, bei denen mysteriöse
kinger werden gerettet. Selbst eine schen“ dargestellt werden.
Bestien ihr Unwesen treiben. Verhüllt
von nächtlichen Nebeln, verwüsten sie anschließende germanische Baumsarg- Ein wirklich sehr empfehlenswerter
schutzlose Dörfer der Wikinger. Der bestattung wird in den Film eingefloch- Film, der inzwischen auch als DVD er-
Weissagung nach können nur 13 aus- ten. hältlich ist.
erwählte Krieger den Kampf gegen die Nach der Rettung der Wikingerdörfer Im Übrigen basiert die Geschichte auf
dunklen Horden gewinnen. Und: Der heißt es nun Abschied nehmen von dem den historischen Aufzeichnungen des
13. Krieger muß ein Fremder sein. Der 13ten Krieger, dem Mann aus Bagdad. arabischen Chronisten Ahmed Ibn
gesuchte Mann ist dann dieser Fürst aus Der Araber kann auf einem Wikinger- Fahdlan, der im 10. Jahrhundert n.d.Ztr.
Bagdad. schiff zurück in seine Heimat reisen. – durch Zentralasien reiste und auf eine
Aus religiösen Gründen (für ihn exi- „Lebt wohl, Nordmänner“, sind seine Gruppe nordischer Krieger traf.
stiert nur Allah als Gott) kommt dieser letzten Worte, „Allahs Segen möge auf Jürgen Mosler
anfangs mit den heidnischen Wikingern
und ihrem Anführer, dem hünenhaften
Krieger Buliwyf, überhaupt nicht zu-
recht. Von Kampf zu Kampf gegen die
Unterwelt sieht er jedoch ein, daß ge-
rade die heidnische Lebensart mit ihrer
Gläubigkeit und Todesverachtung am
Unsere Gesundheit
Ende zum Siege verhelfen wird.
Beim Endkampf gegen eine Art Halb-
menschentum (im Film werden diese
auch so, nämlich als halb Mensch und
halb Tier bezeichnet, und sie sehen auch
so aus) kommt es dann zum filmischen
Brunnenkre‚e al+
Höhepunkt:
Der Wikingerführer stellt sich dem
Kampf mit den Worten:
Frühjahr+salat
„Hinter den Toren von Walhalla, wo die er immer die Möglichkeit hat, enden mit 4 bis 5 Blättern vorsichtig ab,
tapferen Männer für alle Ewigkeit leben
– dort treffe ich dann meinen Vater,
dort treffe ich meine Mutter, meine
W sich von Februar ab aus einem
fließenden Wasser im Freien
oder auch vom Wochenmarkt frische
so daß nicht die lose im Schlamm sitzen-
den Wurzeln und Stengel herausgeris-
sen werden.
Schwester und meine Brüder!“ Brunnenkresse zu besorgen, sollte diese
Braucht man das Sammelgut nicht auf
Gelegenheit wahrnehmen.
Der Mann aus Bagdad: „Sie bitten mich, einmal, kann man sich für 2 bis 3 Tage
meinen Platz zwischen ihnen einzuneh- Man schneidet mit einem scharfen Mes- einen Vorrat in den Keller legen auf
men!“ ser oder der Schere die jungen Trieb- feuchtem Sand oder feuchtes Papier; so

18 Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St.


hält er sich frisch, wenn er ein- bis zwei- kräuter um diese Zeit aus dem Blumen- hieß es. „Wenn die Leute sich die Texte
mal am Tage mit frischem Wasser be- topf am Fenster: Schnittlauch, Petersi- und Lieder genau angesehen hätten,
sprengt wird. lie, Rosmarin, Salbei usw. Aus dem hätten sie einen sehr christlichen Got-
Wegen der möglichen Unreinigkeiten Freien: Gänzeblümchen. Getrocknet: tesdienst gesehen“, wies Williams die
im Wasser, anhaftenden Wurmeiern, Basilikum, Quendel, Thymian, Korian- Vorwürfe zurück.
legt man die Brunnenkresse zunächst der, Portulak und andere mehr in der
eine halbe Stunde in Salz- oder Essig- zusagenden Geschmackszusammen- Millionenverluste mit dem
stellung. Auch ein oder zwei gekochte
wasser und wäscht dann mehrmals gut
Pellkartoffeln gehören, zerdrückt, in die „Osservatore Romano“ und
nach. Durch das Salzwasser werden die
Blätter leicht weich, darum ist es gut, sie Salattunke. Die kunstvolle Bereitung Radio Vatikan
nach dem Waschen einige Stunden auf der Salattunke ist immer entscheidend Der Vatikan könnte seine Verlust brin-
ein sauberes Tuch im kühlen Raum aus- für den Wohlgeschmack des Salates! genden Medienaktivitäten einschrän-
zubreiten, dann werden Stengel und Das gilt zugleich für alle Wild- und Kul- ken. Das sagte der für die Finanzen des
Blätter wieder straff. tursalate. Jene lieblose Art der Salatbe- Kirchenstaates zuständige Kardinal,
reitung, wobei man sich die Blätter aus Sergio Sebastiani, in einem Interview
Vor dem Anrichten schneidet man die einem Schüsselchen mit Wasser
Triebe mit den Blättern fein, wie Endi- des „Spiegel“. Die Tageszeitung „L’Os-
schwimmend herausfischen muß, sollte servatore Romano“ und Radio Vatikan
viensalat, und gibt sie erst kurz vor dem endgültig der Vergangenheit an-
Anrichten in die Salattunke. hätten im vorigen Jahr mehr als 20 Mil-
gehören! lionen Euro Verlust erwirtschaftet,
Die Salattunke sollte stets außer mit Öl, Wegen ihres Reichtums an Vitaminen, sagte Sebastiani. „Das geht auf Dauer
Weinessig oder Zitrone und Salz mit fri- Mineralsalzen und drüsenanregenden nicht, da müssen wir etwas tun.“
schen und getrockneten Gewürzkräu- Stoffen gehört die Brunnenkresse zu
„Wir überlegen derzeit zum Beispiel, ob
tern bereitet werden. Frische Gewürz- den wertvollen Frühjahrs-Wildsalaten.
man die Zahl der Sprachen, in der
,L’Osservatore Romano‘ erscheint, re-
duzieren, oder ob man manche Radio-
Das einzige Ziel programme preiswerter produzieren
kann“, sagte der Kardinal. Die vatikani-
Mein innerst´ Sein verlangt nach andern Taten schen Medien würden auch in Zukunft
auf Werbung verzichten, auch wenn
als nach dem Kreislaufkampf um Trank und Speis´; diese, beispielsweise von Coca-Cola,
Ich kann sehr wohl so wie die Asiaten viel Geld bringen könnte. „Wir wollen
Auskommen mit der hohlen Hand voll Reis! das auch künftig lieber nicht“, sagte Se-
bastiani.
Mein einzig´ Ziel ist, soviel Zeit zu haben, Radio Vatikan, mit Programmen in
Um ohne Hast, gelass´ner Ruhe voll, etwa 60 Sprachen einer der größten
Ganz zu entfalten meines Geistes Gaben Rundfunksender der Welt, ist traditio-
Am Werk, das allen weiterhelfen soll! nell der größte Verlustbringer für den
im Herzen Roms gelegenen Kirchen-
Doch nicht das Anerkanntsein ist mir wichtig; staat. Im Vorjahr hatte der Vatikan zum
Ich lernt´ im Schatten leben ohne Leid ... ersten Mal seit acht Jahren wieder ein
Defizit registriert.
Die eitle Sucht nach Ruhm ist lachhaft nichtig:
Das wahre Urteil spricht der Nachfahr´n Zeit! Vor allem die Krise an den Börsen hin-
terließ ein Haushaltsloch von rund 3,5
Verschworen hab´ ich mich der Welt von morgen, Millionen Euro. Im Jahr 2000 war noch
Als Pionier mit Undank oft belohnt. ein Überschuß von neun Millionen
Euro erwirtschaftet worden.
Das Schöpferische thront ob Harm und Sorgen,
Wenn nur dem Wirken Zukunft innewohnt! Afrikanische Klänge in der
HEINRICH ANACKER Ahrensböker Marienkirche
Teil drei des Projektes „Mensch-Kunst-
Kirche“ in Ahrensbök: am Sonntag, 29.
September 02, spielte ab 11 Uhr in der
evangelischen Marienkirche die
Neue+ vom alten Feind Gruppe Afrikaner.de. Die afrikani-

Erzbischof zum Druiden der jüngst verstorbenen Königinmutter,


des Schauspielers Richard Burton und
geweiht des früheren britischen Premiermini-
Rowan Williams (52), Erzbischof von sters David Lloyd George
Wales und neuerdings Primas der angli- Vor der Zeremonie hatten konservative
kanischen Staatskirche, ist in einer Jahr- Kreise der anglikanischen Kirche die
hunderte alten keltischen Zeremonie Teilnahme Williams’ kritisiert. Der
zum Druiden geweiht worden, berichtet künftige Erzbischof von Canterbury
die BBC. Williams befindet sich damit habe die Außenwirkung auf nicht-wali-
in der prominenten Gesellschaft etwa sische Kirchenmitglieder zu bedenken,

Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St. 19


schen Darbietungen wurden „als ein
Kirchenkonzert der ganz besonderen Heidenspaß
Art“ angekündigt.
Afrikanische und deutsche Musiker ha-
ben gemeinsam afrikanische Kunst und Schnelles Echo
europäische Klassik in merkwürdiger
Art und Weise zusammenzubringen Der kleine Jens hilft dem Pfarrer
versucht. So wurden Johann Sebastian beim Bau eines Hühnerstalls. Nach
Bach und Bob Marley mit afrikanischen getaner Arbeit überreicht ihm der
Trommeln und Kirchenorgel musika- Geistliche einen Umschlag: „Das ist
lisch vereint. Prokofieffs Romeo und für deine Mühe!“
Julia erklangen mit afrikanischen Ge-
sängen, und Beethovens fünfte Sinfonie Aufgeregt reißt der Junge das Pa-
explodierte in einem rhythmischen pier auf und findet einen Zettel:
Trommelfeuerwerk. Die Veranstalter: „Du bist Gottes Sohn, du brauchst
„Der Gruppenname Afrikaner.de ist keinen Lohn!“
nicht etwa eine Internetadresse, auf der In voller Pracht hat der Julbock von Gaevle
afrikanische Musik und Bilder der
heuer das neue Jahr erlebt: Meist wird der riesige Zwei Tage später sind alle Hühner
Ziegenbock aus Stroh, seit 1966 ein vorweih- verschwunden, an der Stalltür ist ein
Gruppe zu hören und zu sehen sind. nachtliches Wahrzeichen der schwedischen
Vielmehr verbirgt sich darin das Wort- Kleinstadt, von Gewalttätern vorzeitig zerstört. Zettel: „Du bist Gottes Diener und
spiel ,Afrika und die Erde‘. Dieser Zu- Zuletzt blieb er 1997 so lange stehen. brauchst keine Hühner!“
sammenhang zieht sich wie ein roter Fa-
den durch das Konzertprogramm.
Gleichzeitig ist das afrikanische Orgel-
konzert eine musikalische Hommage an
Bischof Desmond Tutu und an Dr. Al-
bert Schweitzer.“
Nacricten
In Berlin Entsetzen über Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen
Antisemitsmus So lügen sie alle Tage Leni Riefenstahl. Wie die Strafbehörde
am Donnerstag, dem 100. Geburtstag
In Berlin haben sich führende Vertreter Das linke FORMAT brachte einen
der Regisseurin bestätigte, prüft sie eine
von Politik und Kirchen entsetzt über Bericht über Leni Riefenstahl mit der
Aussage Riefenstahls zu den in ihrem
antisemitische Beschimpfungen gegen Behauptung, sie hätte in einem ihrer
„Tiefland“ als Komparsen eingesetzten
den Vorsitztenden der Jüdischen Ge- Filme mit einer Gruppe von Zigeu-
Sinti und Roma. So hatte Riefenstahl im
meinde, Alexander Brenner, gezeigt. nern getanzt, die anschließend nach
April dieses Jahres in einem Interview
Bei seiner Ansprache zur Rückbenen- Auschwitz deportiert worden seien.
mit dem Magazin der „Frankfurter
nung einer Spandauer Straße in „Juden- In Folge 52/99 antwortet Leni Riefen- Rundschau“ erklärt: Alle „Zigeuner“,
straße“ waren aus einer Menge von 40 stahl: die in dem Film mitspielen, habe sie
Menschen Buhrufe, Pfiffe sowie „Juden „,In einer Szene tanzt Riefenstahl mit nach Kriegsende wiedergesehen; kei-
raus“-Rufe ertönt. einer Zigeunertruppe, die später nach nem einzigen sei etwas passiert. Der
Der Präsident des Abgeordnetenhauses Auschwitz deportiert wurde.‘ Dies ist Verein Roma e.V. hält diese Aussage,
Momper (SPD) nannte den Vorfall eine eine schwerwiegende Beleidigung wie er auf einer Pressekonferenz in
„Schande“. „Wir sind an einem Punkt und Verleumdung. Das Amtsgericht Köln mitteilte, für „Holocaustleug-
angekommen, wo es kaum noch Hemm- München hat dies bereits in einem nung“. Im Extremfall drohen der
schwellen gibt“, so der Antisemitismus- Urteil vom 30.11.1949 bewiesen. Die 100jährigen fünf Jahre Haft.
forscher Wolfgang Benz von der Tech- angeblich nach Auschwitz deportier-
nischen Universität. ten Tieflandzigeuner sind seinerzeit Schwerttanzgruppe im
persönlich zu den Gerichtsverhand- Aufbau
lungen erschienen und bestätigten,
Schon Tacitus berichtet über germani-
daß sie nie in Auschwitz deportiert
sche Schwerttänzer. In England und in
waren und von der Produktion und
einigen Teilen Deutschlands hat sich die
mir außergewöhnlich gut und zuvor-
Überlieferung bewahrt, und wir wollen
kommend behandelt wurden. Im
daran anknüpfen. Männer, die mitwir-
Laufe der damaligen Untersuchun-
ken möchten, melden sich bei Wolfgang
gen konnte ich dem Gericht auch
Dünkel, Postfach 2 48, 71350 Winnen-
Briefe vorlegen, in denen sich einige
den.
bei der Produktion mitwirkende Zi-
geuner ,für die schönste Zeit ihres Le- Eigenes Archiv statt
bens‘ herzlich bedankten.“ Fernsehen
Leni Riefenstahl, 82343 Poecking
Für diejenigen, die es leid sind, sich von
öffentlichen und privaten Medien über
Ermittlung gegen das Fernsehgerät mit Lügen und Hetze
gegen unser eigenes Volk berieseln zu
Jeder, der schon einmal den bekannten Leni Riefenstahl lassen, gibt es neuerdings eine Möglich-
Freizeitpark „Panorama-Park“ im Sauerland
Wegen des Verdachts der Volksverhet- keit, sich diesem entziehen:
besucht hat, kennt wahrscheinlich diese
Ortsbeschilderung. Ein Schelm, wer Böses dabei zung und der Verunglimpfungdes An- In Zusammenarbeit mit der Friedrich-
denkt … denkens Verstorbener ermittelt die Wilhelm-Murnau-Stiftung (die fast alle

20 Nordische Zeitung 1, 71. Jg. / 3803 n. St.


Rechte auf alte deutsche Filme hat) Wer dazu neigt, sich wirklich nur derar- die ein solcher Anschluß im Monat mitt-
wird zur Zeit von einer Dortmunder tig gute Filmproduktionen sowie Doku- lerweile kostet, könnte man sich monat-
Firma ein Filmarchiv auf DVD veröf- mentationen anzusehen, steht sich auch lich 1 bis 2 Filme aus deutschen Produk-
fentlicht, welches zuvor noch nie kom- finanziell besser dabei, einen eventuell tionen in hervorragender Qualität zule-
plett auf DVD oder VHS erschienen ist. vorhanden Kabelanschluß abzumelden gen, ohne sich dann noch über das
Dabei handelt es sich um deutsche Film- und sich nach und nach ein eigenes schlechte Fernsehprogramm aufregen
produktionen aus den Jahren 1930 bis Filmarchiv anzulegen. Für die Kosten, zu müssen.
1960. Geplant sind jedes Jahr 30 bis 40 Jürgen Mosler
Titel. Durch die heute zur Verfügung
stehenden technischen Möglichkeiten
sind diese digitalen Versionen der Filme
von einer Qualität, die es nie vorher ge-
geben hat. Dieses 12 Meter lange und 2,5
Bisher erschienen sind vor allem auch Meter breite Wikingerschiff
(von eimem Schiffsbaumeister
einige Filme von Veit Harlan, wie z.B. mit Hilfe von ABM-Kräften
Der Große König (ungekürzte Fas- vor zwei Jahren aus echtem
sung!), Die Goldene Stadt (einem der Holz hervorragend
ersten deutschen Farbfilme), Immen- nachgebaut) schwimmt
see, Verwehte Spuren usw., sowie viele mittlerweile jedes Jahr
Filme mit Schauspielern wie Heinz zwischen Mülheim/Ruhr und
Kettwig für Touristen (die
Rühmann, Hans Albers und Hans natürlich selber 4-5 Stunden
Moser sowie Leni-Riefenstahl-Produk- mitrudern müssen).
tionen.

Gemeingermanischer ergänzter Futhark:

ABCDEFGH I JKLMNOPQRSTUVWXYZ ÄÖÜ


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z Ä Ö Ü

Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft we- trag nach Selbsteinschätzung, mindestens aber 55,– € im Jahr,
sensgemäßer Lebensgestaltung e.V. ist die größte heidnische Ge- worin der kostenlose Bezug der Nordischen Zeitung, unseres
meinschaft Deutschlands (dazu noch Mitglieder in anderen ger- Gefährtschaftsbriefes und unserer Flugblätter, ferner der Neu-
manischen Völkern) mit tiefreichenden Wurzeln. Sie wurde 1951 erscheinungen der „Schriftenreihe der Artgemeinschaft“ ent-
gegründet und vereinigte sich 1965 mit der Nordischen Glaubens- halten ist.
gemeinschaft e.V., die 1928 gegründet worden war und sich 1954
in Nordisch-religiöse Gemeinschaft umbenannt hatte. Mit den be-
reits 1924 gegründeten Nordungen fand 1983 die Vereinigung  Wenn Sie keiner Bekenntnis- oder Religionsgemeinschaft an-
statt. In der Artgemeinschaft wird ferner das Gedankengut der gehören und sich neu binden wollen, das „Artbekenntnis“ und
1913 von Ludwig Fahrenkrog gegründeten Germanischen Glau- das „Sittengesetz unserer Art“ voll bejahen sowie überwiegend
bens-Gemeinschaft (GGG) fortgeführt und weiterentwickelt,
nordisch-fälische Menschenart verkörpern, können Sie Antrag
nachdem diese 1957 ihre Tätigkeit eingestellt hatte, im Vereinsre-
gister gelöscht wurde, und die Reste ihrer aktiven Mitglieder zur auf Aufnahme als MITGLIED in die Artgemeinschaft stellen.
Artgemeinschaft bzw. Nordisch-religiösen Gemeinschaft gekom- Sie zahlen einen Monatsbeitrag (nach Selbsteinschätzung) in
men waren. Höhe von mindestens 1 % des Nettoeinkommens. Mindestbei-
trag ist ein Betrag von 5,– € je Monat. Im Mitgliedsbeitrag ein-
Wir können auf eine jahrzehntelange Erfahrung bei der Neuge-
geschlossen ist die kostenlose Lieferung der Nordischen Zei-
staltung eines uns gemäßen Glaubens verweisen, da wir die älteste
germanisch-heidnische Glaubensgemeinschaft mit durchgängigem tung und des Gefährtschaftsbriefes, unserer Mitteilungen und
Wirken sind. Bei uns finden Sie nicht nur ein reges Gemeinschafts- Flugblätter, von Neuerscheinungen der „Schriftenreihe der
leben auf den regelmäßig wiederkehrenden Gemeinschaftstagen, Artgemeinschaft“ und der Reihe „Werden und Wesen der Art-
sondern über die „Nordische Zeitung“, zwei Schriftenreihen, eine religion“. Die Mitglieder der Artgemeinschaft sind gleichzeitig
Buchreihe sowie Einzelschriften auch eine geistige Auseinander- Mitglied im Familienwerk, das einen Familienlastenausgleich
setzung mit dem Christentum, Darstellung alter Bräuche und die erstrebt, Beitrag: gestaffelt (von € 0,– bei drei Kindern bis
Durchformung eines arteigenen Glaubens. Wegen der großen € 95,– bei kinderlos jährlich, Ermäßigung möglich). Mit
Nachfrage sind von zahlreichen Veröffentlichungen, die wir her- Eingang Ihres Antrages auf Aufnahme werden Sie zunächst im
ausgebracht haben, viele bereits vergriffen. Nur wenn Sie laufend Regelfall ein Jahr als Anwärter bis zur endgültigen Entschei-
mit uns Verbindung pflegen, können Sie mithin sicher sein, auch dung über Ihre Mitgliedschaft geführt und haben in dieser Zeit
alle neuen Veröffentlichungen von uns zu bekommen. bereits die Beiträge zu zahlen, erhalten andererseits die für
Sie haben drei Möglichkeiten, mit uns in Verbindung zu bleiben, Mitglieder bestimmten Leistungen mit Ausnahme der Mittei-
wozu Sie bitte einen Vordruck bei uns anfordern. lungen. Die Entscheidung über Ihre Aufnahme fällt im Regel-
 Die am wenigsten verpflichtende ist, daß Sie die NORDISCHE fall erst, nachdem Sie einen unserer Gemeinschaftstage be-
ZEITUNG für 18,– € einschließlich Versand jährlich bestellen. sucht haben, und sowohl Sie als auch wir feststellen konnten,
 Wenn Sie auch zu Tagungen eingeladen und über die gemein- ob wir zueinander gehören. Wenn Sie aufgenommen wurden,
schaftsinneren Angelegenheiten im Bild sein wollen, aber nicht haben Sie eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 30,– €
aus einer Bekenntnis- oder anderen Religionsgemeinschaft zu zahlen, wofür Sie die Mitgliedsnadel, nach unserer Wahl
austreten oder sich noch nicht neu binden möchten, können Sie einige noch lieferbare Schriften aus unseren Schriftenreihen
FÖRDERER werden. Als Förderer bezahlen Sie einen Bei- und einen früheren Jahrgang der Nordischen Zeitung erhalten.

Nordische Zeitung im Internet: http://www.nordzeit.de/ · http://www.asatru.de/ · http://www.artgemeinschaft.org/ · E-Mail: Asatru@GMX.net

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