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Das

Yolkstestament

derDeutschen

Ein Geleitwort

zu der vom »Justitut zur Erforschung des jüvischen

Einflusses aus das deutsche kirchliche Leben«

herausgegeben-n

Botschaft Gottes

von

ErtchFromm
Obkrpsarker in Altenburs

Verlag Georg Wigand in Leipzig


USommlssiousoerlapUv
Alle Rechte vom Verlage vorbehalten

Printscl in set-many

Otto Wigand’sche Buchbtuckersi, Leipzig 1940


Mottot

Jch habe das Neue Testament oekdeutfcht


auf mein bestes Vermögen und auf mein
Gewissen« Jch habe damit niemand ge-
zwungen, daß er es lese, sondern ich habe
es frei gelassenund allein zu Dienst getan
denen, die ee nicht besser machen können.
Es ist niemand verboten, ein bessereszu
machen. Es ist mein Testament nnd meine
Dolmetschung und soll mein bleiben und
sein

Martin Luther (WA XXX, 2; 833)


Inhalt

Seite
1. Was wir wollen . . . . . . . . . . . 5
g. Die Notwendigkeit unserer Arbeit . . . . . 6

Z. Was ist ,,Botschaft Gottee«? . . . . . . · 14


4. Die ,,Botschaft Gottes« deutsch . . . . . . g-
5. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . 41
Jesus der Heiland . . . . . . . . . . 41

Jesus der Gottessoha . . . . . . . . . 44

Jesus der Herr . . . . . . . . . . . 47

S. Schlußbetmchtungea . . . . . . . . . . 49

Anhang . . . . . . . . · . . . . . . 51
1. Was wir wollen

Die Botschaft Gottes in Jesus Christus hat von Anfang


an durch lange Jahrhunderte hindurch die Geschichte des
frommen deutschen Lebens entscheidend mitbestimmt. Heute
aber ist es zu einer ernsten Frage geworden, ob Jesus Christus
auch weiterhin dem deutschenVolke auf seinem Wege zu Gott
der Heiland sein kann. Es wird leidenschaftlich darum ge-
rungen, ob das deutsche Volk in Zukunft sein Schicksal noch
gestalten soll und darf im Ausblick zu dem Gott, den uns
Jesus Christus als »Vater« erfahren läßt.
Der Ausgang dieses Ringens wird auf das zukünftige Ge-
schick des deutschen Volkes bedeutsamen Einfluß ausüben. Es
ist darum wichtig, daß die deutschen Menschen, denen die
Entscheidung auferlegt ist, ein lebendiges und wahrhaftiges
Bild in sich zu tragen von dem Wirken, Sterben und Siegen
Jesu von Nazareth, von seiner Verkündigung und dem gott-
frohen Leben, das er vermittelt. Nur dann können sie sich
Rechenschaft geben iiber die Kräfte, die durch die Begegnung
mit der christlichen Botschaft in der deutschen Geschichte wirk-
sam wurden. Nur so können sie es verstehen lernen, warum
unsre Väter Christen wurden und blieben. Nur so können
sie in Wahrhaftigkeit die Bedeutung erkenne-n, die Jesus
Christus auch fiir den Glauben der deutschen Menschen haben
wird, die zur Erkenntnis ihrer völkischen Verantwortung er-
wacht sind. .
Wir wollen einen Beitrag zu dieser notwendigen Besin-
nung leisten, indem wir mit unsrem Büchlein unsrern Volk
»die Botschaft Gottes« in Jesus Christus in neuer Gestalt
vorlegen. Wir selbst haben iiber unsrer Arbeit erfahren
dürfen, wie vieles, was uns lange bekannt und wohl vertraut
war, eine neue Beziehung zu unsretn Leben und damit ein
neues Leuchten bekommen hat. So sind wir der Zuversicht,
daß auch diejenigen, die unser Buch aufgeschlossen lesen, etwas
—spüren von der Kraft, die auch fiir uns heute von Jesus
Christus ausgeht, nnd seine Botschaft so vernehmen, daß sie
dem Herzen Licht, Tapferkeit und Frieden gibt. Es ist unser
Wunsch, daß die Suchenden, die Fragenden, die Ringenden
in unsretn Volke, vor allem in der deutschen Jugend, dadurch
gerufen werden, mit Jesus an den »Vater« zu glauben und
mit ihm nach Gottes ewigem Reich zu streben.

2. Die Notwendigkeit unserer Arbeit

Var-deutsche Die christliche Botschaft ist zu unsern Vätern nicht als


FZTFLIM religiöse Verkündigung orientalisch-asiatischen Wesens ge-
kommen. Sie begegnete den in das römische Reich einbrechen-
den wandernden Germanenstämmen als der Glaube der Grie-
chen uud Römer-. Die seßhaften Germanenstätntne im deut-
schenRaum empfingen sie aus der Hand der stammoerwandten
Angelsachsen und Franken. Sie hat ihnen jene geistige Ein-

6
,-

heit geschenkt,die sie aus ihrem Sonderdasein zum Zusammen-


schluß führte und in den Dienst des Reiches ries. .
So ist die Botschaft Gottes in Jesus Christus auch von
den deutschen Menschen von vornherein deutsch verstanden nnd
deutsch verkündet worden. Sie hat zur Entfaltung des deut-
schen Wesens entscheidende Formlriifte beigetragen, die aus
ihm nicht wieder herausgelöst werden können. Diese-s deutsche
Christusverständnis läßt sich deutlich in den ältesten Zeugnissen
deutschen Christenglaubens nachweisen, sowohl in dem
Glaubenslied des »Heliand« aus dem Niedersachsenland wie
in den Christusdarstellungen der romanischen Kunst, in denen
Christus von den germanischen Vorstellungen des Heil bringen-
den Heerkönigs aus verstanden wird.
Freilich erlag später, als die Herrlichkeit des Reiches dahin- Luther-I
Bibel
sank, dieses frühe deutsche Christentum den Fremdeinflüssen
der römischen Papstkirche, und die Herrschaft ihres Geistes
legte sich lähmend über das deutsche Leben. Da wurde durch
Martin Luther den Deutschen die Botschaft Gottes in Jesus
Christus neu geschenkt. Als er auf der Wartburg das Neue
Testament sprachgewaltig und geistesmächtig verdeutschte,
zeigte er den deutschen Bauern, Bürgern und Handwerker-n
ihren Heiland und machte ihnen in dem Bilde Jesn Christi
ihren Gott anschaubar, der sich in seiner die Menschen suchen-
den und befreienden Güte ihnen unmittelbar zuwandte. Seine
grundstiirzende resormatorische Glaubenserkenntnis fand in
panlinischen Glaubenssätzen einen ehrwürdigen und ihr Nach-
druck und Ansehen verleihenden Ausdruck und konnte so auch
von den schlichten deutsch-enMenschen in Luthers deutscher
Bibel immer wieder gefunden werden. Aber er hat damit,
so sehr er es auch selbst meinen konnte, nicht die alte Botschaft

7
des Paulus in der Kirche erneuert, sondern mit ihr seinem aus
echt dentschem Ringen erwachsenen religiösen Neuverständnis
der christlichen Botschaft zum Siege verholfen. Darum zer-
brach er mit der Losung von der »Rechtfertigung allein aus
Glauben« die knechtende Macht der damaligen Romkirche.
Darum wurde die Verkündigung von der ,,Freiheit eines
Christenmeuschen« die Quelle neuer echter brüderlicher Gemein-
schaft der deutschen Menschen in Haus, Beruf und Volk.

Luthers deutsche Bibel hat so den Weg frei gemacht zu


einer Erneuerung des deutschen frommen Lebens. Zahllose
deutsche Menschen kamen durch sie zu einem Glauben, der
sie Gottes froh und gewiß machte. In diesem Glauben haben
sie gottgehorsam und gottgeborgen ihr hartes Schicksal er-
füllt. Aus ihm haben sie die Kraft und Freudigkeit gewonnen,
mit der sie Not und Tod trotztew Als »Wort Gottes« ist
darum die Lutherbibel in den Landeskirchen der deutschen
Reformation der Mittelpunkt des frommen Lebens geworden
und hat dent deutschen Volke Segen gebracht auf Jahr-
hunderte hinaus bis in unsre Tage hinein. So haben in der
Zeit der Gegenreformation treue Menschen, wie die Salz-
burger Emigranten, die Hugenotten, die mährischen Brüder
sich von der Heimat ihrer Väter losgerisien, als man ihnen die
Bibel nehmen wollte. Sie hat damit Bewegungen weittragen-
der geschichtlicher Bedeutung geschaffen, deren Auswirkungen
heute noch spürbar sind. Man kann sie auch nicht wegdenken
aus der deutschen Geistesgeschichte. Sie ist tief hinein ver-
woben in das Schaffen unsrer großen Dichter und Denker.
Worte und Sprüche der Lutherbibel sind zum lebendigen
Eigentum frommer deutscher Herzen geworden und rufen

8
heute noch zu gläubiger Tat und spenden Trost und Kraft zu
geduldigem Tragen im Leid. Ihre altvertraute Sprache ist
durch den steten Umgang mit ihr im kirchlichen Unterricht
und in der christlichen Verkündigung vielen ernsten Deutschen
lieb und wert geworden, so daß sie auch heute noch von ihr
nicht lassen mögen.
Luthers deutsche Bibel wird darum, wie sie ist, unter uns
das Mahnmal seines deutschen Christenglaubens bleiben und
uns mit dem tapfersten Glauben unsrer Väter verbinden. Sie
wird als Quell ihres Herzglaubens auch denen weiter dienen,
die mit ihr verwachsen f nd weil sie mit ihr m entscheidenden
Stunden ihres Lebens Gott begegnet sind
Dieses große deutsche Werk Luthers wollen wir nicht an-
tasten, wenn wir nun mit der »Botschaft Gottes« dem deut-
schen Volk einen neuen Weg zu einer echten Begegnung mit
Jesus Christus zu bahnen versuchen. Aber wir sind der Über-
zeugung, daß unsre Arbeit notwendig ist, ja als eine echte-
Fortsetzung des Werkes Luthers aus Luthers Geist heraus
in Angriff genommen werden mußte um unsres Volkes
willen.
Luther hat gewiß sein Werk gegen die Besser-wisset seiner DasVeri
mächtnis
Zeit in Schutz genommen und verteidigt. Aber er hat nie- derBibel-
mals den Anspruch erhoben, daß seine Verdeutschung der arbeit
Outhers
Bibel allzeit alleinige Geltung beanspruchen müsse oder gar
der vollkommene und unabänderliche deutsche Ausdruck der
Botschaft Gottes sei. Ein Blick in eine jener Bibeln, die er
bei seiner Arbeit benutzte, zeigt deutlich, wie er unermüdlich
an der Verbesserung seiner Bibelübersetzung gearbeitet hat.
Bis zu seinem Tode hat er immer wieder durchgestrichen
und übergeschrieben, alte Ubertragungen verworfen und neue

9
gesucht. Sein Bemühen ist nicht nur auf fortschreitende
sprachliche Glättung seines Textes gerichtet. Er sucht viel-
mehr immer neu den Inhalt der Botschaft Gottes sachgemäß
zu formen. Die »Meinung« des ,,Wortes Gottes« wollte er
wiedergeben, aber er wollte sich nicht sklavisch an den Wort-
laut des überlieferten fremdsprachigen und darum auch fremd
denkenden und fremd fühlenden Textes binden.
Das Vermächtnis, das in seiner unablässigen Arbeit an
der Bibelverbesseruug liegt, wird nicht dadurch bewahrt, daß
man sich in Ehrfurcht vor seinem gewaltigen Werk verpflichtet
glaubt, auch im kirchlichen Gebrauch die Bibel möglichst
genau so zu erhalten, wie sie uns Luther erhalten hat. Wenn
man nur mit großen Bedenken vereinzelte unverständlich
gewordene Ausdrücke und Satzbildungen ausmerzte, erhielt
man wohl einen kirchlich anerkannten einheitlichen Bibeltext.
Aber man versäumte es so, die Volksbibel mit dem Urtext
in Einklang zu erhalten, für dessenErforschung und Deutung
sich die theologische Forschung in mühseligem Ringen einsetzt.
Man erreichte zugleich, daß die Kreise der deutschen Men-
schen immer größer werden, die die Botschaft Gottes im
Gewande der Lutherbibel nicht mehr verstehen können, ja, sie
dauernd mißverstehen müssen. Hier liegt eine der Ursachen
dafür, daß so viele nicht nur dem kirchlichen Leben entfremdet
werden, sondern auch einen Zugang zu Jesus Christus nicht
mehr gewinnen können.
Die Diese »Bibelnot«, an die wir damit rühren, hat ihren Ur-
»Bibelnot’ sprung nicht nur in dem Wandel, den die deutsche Sprache
in den letzten Jahrhunderten seit Luthers Tod erfahren hat.
»Man kann ihr darum auch durch Erklärungen und Erläute-
rungen des Luthertextes oder durch neue wörtliche liber-

TO
tragungen des Urtextes nicht begegnen. Sie beruht vielmehr
darauf, daß uns seither eine neue Erkenntnis der Lebens-wirk-
lichkeit, in der wir stehen, zugewachsen ist. Diese hat nun in
der Weltanschauung des Nationalsozialismus eine das ganze
Volk zur Lebenseinheit zusammenschtniedende Formung er-
halten. Von da aus gehört die Lutherbibel ihrem Wesen
nach in das 16. Jahrhundert, dessengrößte Gabe sie ist. Aber
sie kann füsr Menschen, die ganz iu der großen Wirklichkeit
unsrer Tage stehen, nicht das bedeuten, was sie den Menschen
der Lutherzeit war.
Einst wurde die Bibel ohne Einschränkung auf allen Lebens-
gebieten als unerschütterliche Grundlage aller Wahrheits-
erkenutnis anerkannt und hingenommen. Wir aber können
nicht darüber hinwegsehen, daß sie zu uns in Begriffen, An-
schauungen und Lebensbeziehungen redet, die zeitgebunden sind.
Ihre Aussagen können darum heute nur noch bedingt, teilweise
gar nicht mehr als zutreffender Ausdruck unsrer Erkenntnisse
und Einsichten gelten. Soweit es sich um Fragen der Natur-
erkenntnis, der Geschichtsbetrachtung oder des Rechtslebens
handelt, wird das allgemein als selbstverständlich zugestanden.
Aber es ist auch auf dem eigentlichen religiösen Gebiet ebenso-
Die biblische Formuug des Christenglanbens ist nicht mehr
ohne weiteres auch der wahrhaftige Ausdruck unsres Christen-
glaubens. Wir können sie nicht mehr einfach als maßgebend
übernehmen, nachdem uns die religiousgeschichtliche Forschung
den Blick für die zeitgeschichtlichen und religionsgeschichtlichen
Zusammenhänge in der biblischen Überlieferung geöffnet und
die nationalsozialistisrhe Weltanschauung uns zu bewußtem
Deutschsein in jeder Hinsicht und zu entschiedener Absage an
allen jüdis chenGeist erzogen hat. Wir verstehen es,daß dieBibel

stI-
gerade ernsten deutschen Menschen den Weg zu einer echten
- Christusbegegnung versperrt, wenn man sie zur einzigen und
—unantastbaren Norm für den Christenglauben aller Zeit er-
« klärt. Denn sie trägt die zeitgefchichtlichen Deutungen des
Christusbildes und die Erweiterungen des Evangeliums, die
« anerkanntermaßen zu einem großen Teil judenchristlichen Ein-
fliissen entstammen, weiter und rechtfertigt sie. So wird
( immer neu das Vorurteil möglich-, daß das Christentum Ein-
bruchsstelle und Tarnung jiidischen Geistes sei. Damit aber
ist der Botschaft Gottes der Weg zu den deutschen Herzen
verschlossen.
NeueWege Wir können heute den deutschen Menschen die Botschaft
Gottes in Jesus Christus nur dann verständlich und eindriieks
lich vermitteln, wenn wir bewußt dem Tatbestand Rechnung
tragen, daß wir den köstlichen Schatz des Evangeliums in seiner
geschichtlichen Gestalt nur wie in irdenen Gefäßen haben.
Wir müssen darum die großen und wichtigen Erkenntnisse
geschichtlicher und religiöser Art, die die deutsche theologische
Wissenschaft erarbeitet hat, für das fromme Leben unsres
Volkes ehrsiirchtig auswerten. Dann müssen wir versuchen,
die überlieferte Botschaft Gottes aus der Bindung an ver-
gangene zeitgefchichtliche Vorstellungen und Denkformen zu
lösen, um sie so als Antwort auf die besonderen Fragen und
Anliegen unsrer Gegenwart wesentlich und lebensmächtig in
heute oerständlicher Sprache darzubieten.
Das ist die Aufgabe, die wir gesehen haben. Wir haben
uns an ihre Lösung gewagt, obwohl wir die Schwierigkeiten
kennen, denen ein solches Unternehmen unterliegt. Wir
wissen, daß die Frucht unsrer Arbeit ein erster Anfang ist an
einem großen Werk, nnd sind gewiß, daß an ihm mit ganzer

12
Hingabe weiter-gearbeitet werden muß, wenn es bleibenden
Wert für das deutsche Leben haben soll. Aber wir sind der
Uberzeugung daß diese Aufgabe jetzt angegriffen werden
mußte. Wir sind zugleich des frohen Glaubens, daß auch
heute noch ein aufgeschlossenes Menschenherz erkennen kann,
was in der uns gegebenen Überlieferung des Neuen Testa-
mentes ein uns rufendes nnd segnendes Wort Gottes sein
kann. Wir stehen auch damit ganz in der Gefolgschaft
Luthers. Denn von der »Erfahrung seines Gewissens« aus
ist er frei geworden Von der Knechtschaft unter den Buchstaben
des geschriebenen Wortes. Jhm war frohe Botschaft Gottes
nur in dem Bibelwort, das ,,Christum treibt«. Vondiefer
Normiaus hat er alle Schriften des Neuen Testatnentes be-
urteilt. wurde er genötigt, bei seiner Bibeliibertragung
So
mit der ihm überkoimnenen Anordnung der Schriften im
Neuen Testament zu brechen. Schriften, wie den Brief an
die Hebräer, den Jakobus- und Judasbrief und die Offen-
barung Johannes, die er beanstandcte oder oerwarf, hat er
gleichsam in einen Anhang verwiesen, indem er sie ohne
laufende Zählung an den Schluß feines Neuen Testamentes
stellte. Luther freilich auch dadurch nicht verhindern
hat
können, daß man später in den Kirchen der Reformation diese
Haltung nicht mehr verstand und wieder maßgeblich werden
ließ, was er abgewiesen hatte. Es genügt eben nicht, in Vor-
reden und Anmerkungen kritifche Bemerkungen niederzulegen,
wenn sich diese nicht auch auf die Gestaltung des Textes aus-
wirken. haben aus dieser Erkenntnis die Folgerungen
Wir
gezogen. Wir haben in Übereinstimmung mit Luthers Grund-
haltung unsre fiir weiteste Kreise des deutschen Volkes be-
stimmte Darstellung der ,,Botschaft Gottes« von den Stoffen

13
entlastet, in denen wir eine reine und lautere Ausprägung
ihres Inhaltes fiir unser Volk nicht sehen können. Es er-
scheint uns richtiger-, unserm Volke zu einer klaren Erkenntnis
des Wesentlichen in dieser Botschaft Gottes zu verhelfen, als
eine vollständige Wiedergabe alles IIberlieferten zu bieten, die
nur dazu dienen kann, die klaren Linien zu verwischen. Die
« Herausgabe einer kritischen Gesamtausgabe des Neuen Testa-
mentes, die den fragenden Menschen unsre Entscheidungen im
einzelnen begründet, bleibt vorbehalten.

3.Was ist »Botschast Gottes "?

Besinnung Es ist christliche Überzeugung, daß wir Menschen in der


Erscheinung Jesu Christi die Antwort erhalten auf die letzten
Fragen unsres Daseins, vor die uns Schicksal, Schuld und
Tod stellen. Wenn wir auf seine Worte hören und ihm im
Glauben nachfolgen, so lernen wir, verantwortlich, und frei
und stark zugleich, im Leben zu stehen, und können die uns
gestellte Lebensaufgabe nach Gottes Willen meistent-
Fiir die Jüngers Jesu war Jesus selbst in der Vollmacht
seiner Verkündigung und in der Kraft seiner Gottesgemeius
schaft, die er in seinem Heler und Kämpfen, Sterben und
Siegen offenbarte, Botschaft Gottes nnd Mittler eines
neuen Lebens. Für die späteren nachkommenden Geschlechter
wirkt er durch die überlieferung seiner Jüngergemeinde von
seiner Botschaft und von seinem Lebenswerk hindurch. Wir
begegnen ihm in dem von ihm erzeugten Leben, das in die Ge-
schichte eingegangen ist, uud haben Gemeinschaft mit ihm,

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sofern wir Anteil haben an diesem von ihm ausgehenden und
durch uns hindurchstriimenden Leben.
So umfaßt fiir ans die Botschaft Gottes nicht nur die
Wirklichkeit Jesn Christi in Lehre nnd Leben, sondern auch
das Zeugnis der glaubenden Gemeinde von ihm und von dem
durch ihn gewirkten Leben mit Gott. Diese Botschaft wird in
der Uberlieferung der ersten Christenheit in mannigfache-:
Weise dargelegt nnd entfaltet. Jn ihren Grundzügen können
wir sie etwa folgendermaßen umschreibem
Gottes tiefstes Wesen bleibt der forschenden Erkenntnis
Entfaltung
der
der Menschen ein Geheimnis. Er fich aber den «Botschaft"
offenbart
Menschen in Jesus Christus als allem Suchen des Menschen Gottes
zuvorkommende und ihn Verwandelnde schöpferische Liebe.
«Der Mensch hat sein Leben ans Gottes erhaltendem und
lenkendem Schaffen. Sofern er sich aus der Gemeinschaft
mit Gott löst und eigne felbstfiichtige Wege geht, verfällt er
dem Verderben. Sände und Schuld enden im Tode. Gott
aber will nicht das Verderben des Menschen. So beantwortet
er das Verhalten des Menschen nicht in rechnender Ver-
geltung mit Lohn und Strafe. Er geht vielmehr dem Men-
schen nach und sucht ihn, auch wenn er ihn hart angreift.
Der Mensch soll sich zu ihm hinwenden. Aus der Gemein-
schaft mit Gott soll er fein wahres Leben empfangen, mit
Gott fein Lebenswerk wirken nnd schaffen an Gottes Reich.
Gottes Vergebung öffnet dem Menschen den Weg zum
Herzen Gottes. Gottes Liebe hat die Kraft, ihn zu wandeln-
Sie überwindet sein Mißtrauen und führt ihn zu Glauben
und Vertrauen. Wenn so der Mensch gottgehorsam and
gottaufgeschlossen lebt und in Gott geborgen fein Schicksal
meistert, ist er zum ,,Sohn Gottes« geworden.

IS
Als ,,Sohn Gottes« gewinnt der Mensch das rechte Ver-
hältnis zu feinen Mitmenschen Er begegnet ihnen als Bru-
der. Des Vaters Art muß aus den Söhnen leuchten. Darum
wird auch die wahre Verbandenheit unter den Menschen ge-
gründet auf Vergebungsbereitschaft, tätige Hilfe und unzer-
störbar-en Gemeinschaftswillen.
So gewinnt der Mensch das wahre Leben, der sich ganz
der Gottesliebe, die ihn sucht, aufschließt und sie zur tragenden
Macht seine-s Lebens werden läßt. Wer sich gegen sie Ver-
hårtet, bleibt im Tode und verfällt dem Gericht.
Wo diese Liebe Gottes verkündigt und durch tätigen Einfatz
bezeugt wird, da wird die Wirklichkeit Gottes erfahren. Da
bricht das Reich Gottes an. Denn der Ansturm der bösen
Mächte zerfchellt an den Menschen Gottes, und Gottes
Herrschaft setzt sich in ihnen und an ihnen durch gegen die
Gewalten des Verderbens, die als Krankheit, Bosheit und
Todesgrauen die Menschen umwittern
Diese Gottesliebe, die die Welt wandelt, ist in Jesus
Christus leibhaftig erschienen. Er ist ,,Bild« und ,,Wort«
Gottes. Jn ihm wird Gottes tiefstes Wesen anfchaubar. Er
erweist es in dem Umgang an den Menschen in seiner helfen-
den Liebe und feinem richtenden Ernst. Er bricht dem Reich
Gottes die Bahn hinein in die Welt. So wird er der ent-
scheidende Mittelpunkt des Weltgeschehens, der ,,Bringer
der Welteuwende«·
Als der einzigartige ,,Sohn Gottes«, der durch Leiden und
Sterben vollendet wird, der nicht im Tode bleibt, sondern sich
als lebendig nnd Leben schaffend kund tut, ist er das ,,Urbild«
dessen, was wir Menschen werden sollen. Weil er in seinem

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Leid-en und Sterben den Sieg über die Zerstörermächte er-
weist und durch den Tod zum Vater dringt, ist er der »Hei-
land«, ,,Beistand« und »Bruder« auf dem Wege zu Gott
für alle, die ihm gläubig folgen.
Am schlichtesteu ist diese Botschaft Gottes ausgedrückt in Jesu
Botschaft
den Bildern und Gleich-nisten der Verkündigung Jesu. Er
Vom
verwendet einzigartig in der Geschichte der Menschheit mit «Bater’
Bewußtheit das Symbolwort »Vater«, um das Wesen
Gottes zu beschreiben, das er den Menschen gegenüber offen-
bart. Damit überbietet er alles, was in den andern Religionen
über das Verhältnis zwischen Gott und Mensch nnd auch
über das Verhältnis der Menschen untereinander gesagt
wird. Der Lebensernst seiner Gottschau und das aus ihr er-
wachsende Gottvertrauen, das alle Lebensangst und Schicksals-
not zu überwinden vermag, läßt alle sonst mögliche Gott-
beziehung des Menschen weit hinter sich, vorausgesetzt, daß sie
wirklich wie bei Jesus zu der das ganze Leben des Menschen
tragenden Wirklichkeit wird. Die Botschaft vom »Vater«
beruft alle Menschen, die sie annehmen, zu Gottes Söhnen,
die in den Spuren Jesu ihren eignen Gottesweg vollenden,
nnd offenbart im Zeichen des Kreuzes Jesu das Wesen solcher
Gottessohnschaft als Gehorsam und Treue, Gottgeborgenheit
und Zuversicht, als Sieg durch Kampf und Opfer, Leiden
und Tod hindurch.
Die Botschaft vom »Vater« ist das Herzstück der Ver-
kündigung Jesu. Sie ist von ihm nicht nur durch Leben und
Sterben bewährt worden. Sie steht auch hinter aller andern
christlichen Verkündigung Am deutlichsten zeigt sich ihre
Macht in der Tatsache, daß die Christengemeinde sich nicht
mehr wie das griechische Alte Testament zu »Gott dem

2 Fromm l7
Herrn« bekennt, sondern zu »Gott unserm Vater nnd dem
Herrn Jesus Christus«. Daß dieser Wandel eintreten konnte,
ist ein deutliches Zeichen für die Kraft dieser Christusbotschaft.
Denn es ist bekannt, mit welcher Zähigkeit gerade Bekennt-
nisformeln sich erhalten, auch wenn der Glaube längst ge-
storben ist, der in ihnen seinen Ausdruck suchte.
Diese Botschaft Jesn vom »Vater« ist reicher Und um-
fassender als die paulinische Losung der ,,Rechtfertigung allein
ans Glauben«, von der Luther ausging, als er Sendung und
Gabe Jesu Christi zu nmschreiben suchte. Unsere Grund-
auffassung der christlichen Botschaft geht also über die refor-
materische Erkenntnis Martin Luthers
hinaus, schließt sie
aber vollinhaltlich ein. Luther konnte sich darauf beschränken,
in einer gemeinchristlichen Umwelt sein besonderes, an Paulus
geformtes Verständnis des christlichen Weges zu Gott darzu-
stelleu. Wir aber müssen heute unserm Volk sagen, was
denn christlicher Glaube seinem Wesen nach ist.
Das»Steine Wir greifen damit das ursprüngliche Anliegen des Neuen
Testament’
Testamentes auf, dessen Wesen ein bekannter Theologe mit
Recht als »Urkunde der kirchengriindenden Predigt« be-
schrieben hat. Wir verstehen es als eine Selbstdarstellung des
christlichen Glaubens, die dazu dienen will, andre zum Glau-
ben an Christus zu führen. «So machen wir es weder zu einer
Sammlung von Lehrsätzen iiber den christlichen Glaub-en,
deren Anerkennung wir fordern müßten, noch zu einem histo-
rischen Bericht, aus dem wir geschichtliche Kenntnisse über
Jesus Christus und seine Gemeinde erheben wollen. Wir
wollen vielmehr aus ihm jene ,,"Wirklichkeit" Jesu Christi
aufzeigen, in der uns die Botschaft Gottes erreicht. Sie steht
hinter den durchaus zuverlässigeu Erinnerungen, die uns von

IS
Jesu Leben, Sterben und Siegen und von dem Leben und der
Verkündigung der erstenfChristengemeinde in den Schriften
des Neuen Testamentes enthalten sind. Jn dieser ,,Wirklich-
keit Jesn Christi«, auf die sich aller Christenglanbe unaufgeb-
bar gründet, redet Gott zu uns. Darum gaben wir unserm
Buche den«Titel: »Die Botschaft Gottes«.

Diese Botschaft Gottes bieten wir in vier Teilen, die sich Waswir
bringen
szwanglos aus der Uberlieferung des Neuen Testamentes
ergeben.
Der erste Teil »Jesns der Heiland« bringt die
Jesusiiberlieferungen der drei ersten anngelien, die eine ge-
meinsame wesentlich einheitliche Schau Jesu bieten und ihrem
Aufbau nach auf gemeinsame Uberlieferungeu zurückgehen.
Sie wurden ergänzt durch einige Jesusworte aus andrer alter
Uberlieferuug Hier tritt uns Jesus entgegen als der in Gott
wirkende und an ihn gebundene Mensch, der die Botschaft
vom »Vater« bringt und die Glaubenden in das Reich Gottes
führt« ·

Der zweite Teil enthält unter dem Titel ,,Jes us der


G o t t e s s o h n« die Botschaft des Johannesevangeliums,
die Jesus verkündigt als den einzigartigen Sohn des ewigen
Gottes, der mit seinem Kommen der Welt das Leben schenkt
und in Tat nnd Rede auschaubar macht, wie Gott den Glau-
benden in seine Herrlichkeit verklärt und in seine göttliche
Ehre hineiunimmt.

Der dritte Teil »J« e s u s d e r H e r r« bietet das Christus-


zenguis der Apostelbriefe nnd läßt die vielgestaltige Verkün-
digung ausklingen, die uns das Wirken Jesu in der glauben-
den Gemeinde und seine bleibende Gemeinschaft mit ihr deutet.

2· 19
Jm letzten Teil bringen wir unter der Uberschrift »Das
Werden der Christusgemeinde« einen geschicht-
lichen Abriß über die Entwicklung der urchristlichen Gemeinde
bis zum Tode des Paulus mit Stücken der Apostelgeschichte
und der Apostelbriefe, um den Hintergrund auszuzeigen, auf
dem die Verkündigung Jesu Christi laut geworden ist.
Verschiedentlich wurde au uns der Wunsch herangetragen,
die Überlieferung der drei ersten anngelien, die wir unter der
Überschrift ,,Jes us der Heiland« bieten, möge mit dem Johan-
neseoangelium, dessen Botschaft wir unter der Überschrift
,,Jesns der Gottessohn« bringen, zu einem einheitlichen Jesus-
bild zusammengefaßt werden.
Wir verstehen durchaus, welches ernste Anliegen dieser
Wunsch zum Ausdruck bringt. Lebendige christliche Ver-
kündigung will dem deutschen Menschen eiu eindrucksvolles
Glaubensbild Jesu Christi zeichneu. Jhr kommt es nicht auf
die Fülle der Einzeliiberlieferung an. Sie benutzt sie lediglich
als Baustein für dieses Glaubensbild, das sie ans der eigensten
laubenserfahrung heraus prägt. So haben es alle Evan-
gelien getan. Jn besonderem Maße gilt das jedoch von dem
Johannesevangelium So ist es später wieder im ,,Heliand"
geschehen So wird es von allen Evangelienharmonien an-
gestrebt
Und doch mußten wir dem Wunsche, ein einziges Bild
Jesu Christi zu gestalten, uns versagen. Denn tatsächlich
lassen sich nur die drei ersten Evangelien zu einem solchen
einheitlichen Bild zusammensassen, weil sie in Stoffauswahl,
Aufriß und Haltung zusammenstimmen Die wissenschaftliche
Forschung nennt sie daher auch die synoptischen Evangelien,
d. h. die Evangelien, die unter einer gemeinsamen Schau

20
betrachtet werden müssen. Das Johannesebangelium aber
hat bis in die Einzelheiten der Gestaltung hinein eine andere
Haltung. Bei ihm sind alle Einzelberichte völlig der tragen-
den Leitidee eingeordnet, die von griechisch-arischer Geistes-
haltung aus den Sinn des Wirkens und Sterbens Jesu auf-
zeigen will. So ist das Johannesevangelium ein in sich ge-
schlossenes Kunstwerk. Aus ihm kann weder ein organisch Ts
hereingehörender Stein ausgebrochen werden, noch kann zu
ihm ans den andern Evangelien ein fremder Stoff zugefügt
werden, ohne seine Einheit zu zerstören und sein eigenartiges
Christuszeugnis (ogl. S. 44ff) zu verwischen und zu ent-
stellen. «

So haben wir es sorgezogeu, die Botschaft von »Jesus


dem Heiland« und die Botschaft von »Jesus dem Gottes-
sohn« nebeneinanderzustellen. So leuchtet einerseits aus der
Überlieferung der drei ersten Evangelien die geschichtliche
Eigenart der Verkündigung und des Wirkens Jesu auf,
während das Johannesevangelium das Wesen seiner Sen-
dung eindrucksvoll deutet.
Wir haben uns bemüht, durch erklärende Seitenschriften
den Aufbau des Ganzen sichtbar zu machen und das Ver-
ständnis der einzelnen Sinnabschnitte zu erleichtern.

Stücke in gebundeuer nnd ungebundener Rede sind durch


den Drucksatz voneinander unterschieden worden.
Die sprachliche Gestaltung will das sinngemäße Vorlesen
ermöglichen. Darum sind Erläuterungen, wenn sie an ein-
zelnen Stellen zum Verständnis des Sachverhaltes notwendig
waren, ohne besondere Kennzeichnnng in den Text eingefügt
worden.

21
Da es uns wichtiger erschien, die Botschaft Gottes in Jesus
Christus in ihrem wesentlichen Inhalt eindrücklich darznsiellen,
als die ganze Fülle des überlieferten Stoffes mit allen Wie-
derholungen, zeitgeschichtlich bestimmten Erörterungen, Weiter-
bildungen und Abwandlungen darzubieten, haben wir ge-
glaubt, Stücke ähnlichen Inhaltes sortlassen zu können, wenn
sie zur Sache nicht wesentlich Neues sagen. Das gilt neben
einzelnen Jesusgeschichten und Jesusworten vor allem von
den zahlreichen sittlich-religiösen Mahnungen der Apostel-
briefe, zumal diese natürlich teilweise starke zeitgeschichtliche
Prägung aufweisen.

4. Die »Botschast Gottes» deutsch

Allgemeine Unser Volk steht vor der geschichtlichen Aufgabe, aus


Bemer-
kungen seinem Leben alle jene Einslüsse anszuschalten, die zu einer
Übersremdung oder Entartung deutschen Wesens führen
können. Dieser Aufgabe durfte sich auch unsre Darstellung
der Botschaft Gottes nicht entziehen, obgleich1sich daraus eine
besondere Schwierigkeit für unsre Arbeit ergab.
Ohne Bedenken konnten wir einzelne religiose Ausdrücke
verdeutschen, die zwar in ihrer zeitgeschichtlichen Prägung
paliistinische Herkunft oder den Zusammenhang mit palästini-
schem Denken verraten, aber allgemeine Bedeutung haben, die
auch dem deutschen Menschen ohne weiteres zugänglich ist.
Ebenso konnten wir ohne Schwierigkeiten palästinische Orts-
. namen nnd Sachbeziehungeu tilgen, wo sie für das Verständ-
nis eines Stückes nebensächlich oder belanglos waren, aber dem

22
heutigen Leser nur einen unnötigen Anstoß geben mußten.
Hier blieben wir ganz in der Linie, die auch Luther für eine
Verdentschung der Bibel als richtig angesehen hat.
, die zu lösen war, liegt aber wesent- KeinWesens-
Die eigentliche Frage,
zusammen-
lich tiefer. vollzieht sich im Rahmen jüdischen haugzwisch
Jesu Wirken en
Volkstums und innerhalb der jüdischen Religionsgetneinschaft. derBotschaft
Gottesund
Die Berichte über ihn zeigen ihn in Zusammenhängen, die jüdischer
sich aus der besonderen Eigenart jüdischen Lebens ergeben. Frömmigkeit
Seine Verkündigung setzt Vorstellungen der jüdischen Re-
ligion nnd Frömmigkeit voraus. Die überlieferte urchristliche
Botschaft von ihm verwendet jüdische Begriffe und Anschau-
ungen, um seine Bedeutung zu kennzeichnen. »Das Problem
ist also dies: Bedingt dieser geschichtliche Zusammenhang auch
ein-enWesenszusammenhang zwischen Christentum und Juden-
tum, zwischen Jesus und der jüdischen Art?
Müßte diese Frage bejaht werden, dann wäre eine Ver-
schleierung dieses Wesenszusammenhanges oder gar seine
Ansmerzuug aus der Darstellung der Botschaft Gottes eine
gröbliche Entstellung der uns gegebenen Uberlieferung Dann
hätten wir unsre Arbeit aufgeben müssen, weil sie dann an
dieser Tatsache endgültig gescheitert wäre.
Diese Frage muß aber beweint werden. Denn es besteht
ein solcher Wesenszusammeuhang zwischen der Botschaft
Jesu und jüdischer Art und Frömmigkeit nicht. Jm Gegen-f
teil, es ist ein nnüberbriiekbarer Gegensatz zwischen der Ver-
kündigung Jesu und der der ersten Christenheit einerseits und
jüdischer Gottesanschauung und Frömmigkeit anderseits als
von vornherein wesensmäßig gegeben festzustellen
Jesus selbst ist Galiläer. Als solcher ist er mit aller Jesus
unddas
Wahrscheinlichkeit nicht Jude. Die Beweise, mit denen man Judentum

23
herkömmlicherweise meint, seine Zugehörigkeit zum jüdischen
Volkstum nachweisen zu können, sind nicht stichhaltig Be-
sonders die Stammbäume, die man gern heranzieht, erweisen
sich bei näherer Prüfung als Erfindungen ans dogmatischen
Gründen. Sie wollen das judenchristliche Dogma stützen, daß
Jesus ein Davidssohn sei, weil die sonstige alte Uberlieferung
dazu keinen Anhaltspuukt bot. Denn die uns gegebene Form
der Stammbiiume läßt nur den Schluß zu, daß im Gegenteil
gute Überlieferungen im Umlauf waren, nach denen weder die
Mutter und der Vater Jesu, noch auch sein Großvater Men-
schen jüdischen Blutes waren.
Wichtiger aber als diese Schlußfolgerungen ist das Zeug-
nis, das die Gesamthaltuug Jesu ablegt. Er ist zwar aus-
gewachsen als Glied der jüdischen Religionsgemeinschaft, in
die die Galiläer am Ende des zweiten vorchristlichen Jahr-
hunderts hineingezwungen worden waren. Selbstverständlich
hat er darum das ganze jüdische Religionswesen gekannt: Er
schlägt die Schriftgelehrteu mitunter mit ihren eigenen
Waffen. Er verwendet in der jüdischen Religion gebräuch-
liche Vorstellungen und Begriffe. Aber er geht in allen ent-
scheidenden Fragen seinen eigenen Weg. Seine Gottesauf-
fassung ist mit der jüdischen unvereinbar. Der Vatergott,
dessen Liebe die Menschen sucht und heimführt, steht dem
eifersüchtigen Vergeltergott der jüdischen Frömmigkeit stracks
entgegen. Die Stellung Jesu zum Gesetz ist uujüdisch. Wenn
er auch gelegentlich aus das Gesetz in seinen Aue-einander-
setzuugen zurückgreift, so ist es ihm nirgends eine Autorität,
der er sich bedingungslos beugt, wie es jüdischer Haltung ent-
spricht. Seinem sittlichen Denken ist die jüdische Kasuistik
völlig fremd. Seine Worte und Weisungen wachsen heraus

24
aus dem Wissen um die religiös-sittliche Bestimmung des
Menschen, die von Gott gefordert ist und auf die hin das
Einzelverhalten ausgerichtet wird. Das Gottesbild wirkt
sich aus auf das Handeln des Menschen. So erscheint
Jesus mehr einem griechischen Weisheitslehrer verwandt als
einem jüdischen Schriftgelehrten. Man kann ihn deshalb
schlechthin nicht als einen innerjüdischen Reformer begreifen,
sondern nur als einen Kämpfer, der das ganze jiidische Wesen
an der Wurzel angreift.
Die Auffassung des Reiches Gottes, die sich aus den Gleich-
nissen Jesu ergibt, sein Selbstverständnis als Freudenbote und
Heiland, seine Weltschan mit dem Kampf der miteinander
ringenden Gegenmåchte vou Gut und Böse, Licht nnd Finster-
nis, Gott und Satan weisen hin auf starke Einflüsse aus der
arischen Gedankenwelt des Parsismus, die ihm durch die eigen-
artige, den Juden verhaßte Frömmigkeit gewisser galiliiischer
Kreise vermittelt sein dürfte.
Von solchen Voraussetzungen aus hat Jesus auf Grund
seiner einzigartigen Gottgemeinschaft seine eigne Verkün-
digung in bewußtem Gegensatz zu der Haltung der Pharisäer
nnd Schriftgelehrten ausgestaltet. Da diese als die typischen
Vertreter des jiidischen Wesens in jener Zeit gelten müssen,
vollzieht sich sein ganzes Wirken in unablässigem Kampf mit
ihnen und ihrem Anhang. Das Ende dieses Kampfes ist die
von Jesus gewollte Auseinandersetzung in Jerusalem, die mit
dem Tode Jesu am Kreuz endet. Die Tatsache, daß Jesus
nicht nach- dem jiidischen Brauch gesteinigt, sondern durch
den Spruch des Hohen Rates dem römischen Landpfleger zur
Kreuzigung ausgeliefert wird, ist dabei von größter Bedeu-
tung. Sie stellt eindeutig heraus, daß die maßgebenden Führer

25
der jüdischen Volks- nnd Religionsgemeinde ihn als einen von
Gott Verworfenen betrachten, der im Namen jüdischer Re-
ligions- und Gottesausfassung ans der jüdischen Religionss
gemeinschaft endgültig ausgeschlossen werden muß. Darum
soll er nach römischer Sitte durch das Kreuz getötet werden.
Klarer kann nicht bezeugt werden, wie abwegig es ist, wenn
man die Verkündigung nnd das Wirken Jesu als Vollendung
der israelitisch-jiidischen Religionsgeschichte und als auf Läu-
terung jüdischer Frömmigkeit gerichtet verstehen will. Die
Botschaft vom Vatergott mit den Folgerungen, die Jesus
daraus zog, ist unvereinbar mit jüdischer Art und jüdischem
Denken.
Die Derselbe Gegensatz gegen das Judentum kommt zum Ans-
Urgemeinde
unddas druck in dem Verhalten der galiläischen Jünger. Nach den
Judentum »Erscheinungen des Auferstandenen", die ihnen in Galiläa
zuteil geworden sind, ziehen sie nach Jerusalem zurück. Sie
erwarten aber nicht, wie es spätere judenchristliche Geschichts-
darstellung behauptet, dort in der »heiligen Stadt« die Wie-
derkehr des Messias. Vielmehr verkünden sie in der Stadt
der Kreuzigung die Erhöhung des Gekreuzigten und seine
lebendigeGegenwart den Führern des Volkes zum Gericht.
Diese Verkündigung wird dann auch folgerichtig der Anlaß
zum Zusammenstvß mit dem Hohen Rat und zu den ersten
obrigkeitlichen Maßnahmen gegen die nrchristliche Gemeinde.

Jesu Gedanken werden am klarsten aufgegriffen von dem


Kreise der Hellenisten, denen die galiläischen Jünger Jesu
nahestanden. Sie gehören von Anfang an zur Christen-
gemeinde, können sogar noch von Jesus selbst gewonnen sein.
Jn ihnen dürfen wir, wenigstens zu einem großen Teil, Nicht-

26
judeu sehen, die von der christlichen Botschaft ergriffen wur-
den. Jhr bedeutendster Führer war Stephanus, der als erster
das Todesschicksal Jesu teilte nnd gesteinigt wurde. Diese
Männer haben den Gegensatz gegen Gesetz und Tempeldienst
hervorgehoben, der ihnen das Vermåchtuis der Botschaft Jesu
war, und haben Jesu Werk ohne Beziehung auf jüdische
Heilserwartungen zur Darstellung gebracht. Sie verkünden
Jesus als ,,Herzog des Lebens« und als ,,Heiland", dessen
Gabe das »ewige Leben« ist. Jn ihren Kreisen hat man die
Erinnerung an Jesus besonders treu gepflegt und wohl auch
die ersten Geschichten und Worte von Jesus weitererzählt
und gesammelt. Jhre Gedanken sind schon in den ältesten
Berichten über das Leben der urchristlichen Gemeinde nach-
weisbar und wirken weit hinaus über Paulus hin bis in den
Hebräerbrief und das Johannesevangelium. Sie haben sie
nach dem Tode des Stephanus hinausgetragen in die weite
Welt. Es bleibt beachtenswert, daß ihre ,,heidenchristliche
Gemeindegründung« in Antiochia der Ausgangspunkt für die
Weltmission des Christentums geworden ist. Sie hat von
Anfang an nicht die Juden erfaßt. Diese sind vielmehr ihre
stärksten Widersacher gewesen. Sie gewann vielmehr jene
Kreise der Nichtjuden, die von der Sehnsucht nach dem
Glauben an den einen und höchsten Gott getrieben, sich bis
dahin zu den jüdischen Gemeinden gehalten hatten, weil die
Juden vorgaben, ihr ,,Jahwe« sei »Gott der Herr«. Es
bleibt bemerkenswert, daß mit dem Auftreten der christlichen
Botschaft die jüdische Mission in der arischen Welt der
Griechen und Römer ihre Anziehungskraft verliert und die
Suchenden unter ihnen sich der Botschaft von Jesus Christus
zuwenden.

27
Paulus Die Missionsarbeit dieser hellenistischen Kreise führt später
unddas
Judentum Paulus weiter. Er hat das Neue erfaßt, das mit Jesus
Christus in die Welt getreten ist. So hat er von Antiochia
aus die Botschaft von Jesus Christus unermüdlich unter den
größten Opfern durch Kleinaf en nach Griechenland getragen
Er hat die Selbständigkeit der christlichen Botschaft gegen-
über dem Judentum und seine Unvereinbarkeit mit jüdischem
Wesen in steter Auseinandersetzung mit Juden und Juden-
christen herausgestellt. Die »Rechtfertigung aus Glauben
allein« löst den jiidischen Vergeltungsglauben auf. An Stelle
des jüdischen Gesetzesdienstes tritt die herrliche Freiheit der
Söhne Gottes. Christus ist des Gesetzes Ende nnd macht frei
von der Versklavung unter die Schicksalsmächte. Mit Jesus
Christus beginnt eine neue Welt und ein neues Menschen-
tum. Nur wer mit dem Alten, mit dem jiidischen Wesen,
völlig bricht, kann ein Christ sein. Das zeigt am deutlichsten
seine Auseinandersetzung mit Petrus in Antiochia.
Freilich ging er dabei von jüsdischeuVoraussetzungen aus
und bediente sich dabei der Mittel des jiidischen Denkens. So
konnte gerade die starke Bindung des lutherischen Christen-
tums an die Lehre des Paulus dazu führen, daß auch deutsche
Menschen in ihrer Verkündigung des Christentnms jene jü-
dischen Voraussetzungen immer nen in das deutsche christliche
Lehren und Denken hineintragen. Sie nahmen nämlich nicht
nur jene echt christlichen Anliegen auf, von denen das Denken
des Paulus bewegt wird nnd in denen er das echte Erbe Jesu
weiterträgt in einer wunderbaren Jnnigkeit seines Glaubens,
um es in deutscher Weise zur Darstellung zu bringen. Sie
prägten vielmehr dem frommen deutschen Denken auch jene
Gedanken ein, die aus-dem jiidischen Denken stammen und

28
der christlichen Botschaft widersprechen, die darum von Pau-
lus auch im Fortgang seiner Darlegungen in sich aufgelöst
und in ihr Gegenteil verkehrt werden. So sah man nicht,
daß die Botschaft von der zRechtfertigung durch Gottes
Gnade aus Glauben allein« die Voraussetzung eines »Ge-
richtes nach den Werken eines festgelegten äußeren Gesetzes«
völlig aufhebt, weil eben ein Gericht, das nicht unter dem Ge-
sichtspunkt der vergeltenden Gerechtigkeit erfolgt, sondern an
ihre Stelle die schenkende Gnade setzt, kein Gericht mehr ist.
Man erkannte darum nicht, daß diese Losung nicht der voll-
kommene Ausdruck der mit ihr gemeinten christlichen Wahr-
heit ist. So zwang man gar oft das deutsche christliche Denken
in fremde wunderliche Gedanken hinein, durch die so manch-
mal die schlichte Herrlichkeit der Gottesbotschaft Jesu verdeckt
wurde. Hier liegt auch die Ursache für weitverbreitete ein-
seitige Fehlurteile über die Bedeutung des Paulus und das
ihm folgende christliche Denken.
« Den Gegensatz, in dem Jesusnnd seine Botschaft dem Das
Johannes-
Judenturn gegenübersteht, hat am eutschiedensten zuletzt das
evangelium
Johannesevangelium zum Ausdruck gebracht. Gerade weil in unddas
Judentum
ihm aus dichterischer gläubiger Schau heraus das ganze
Lebenswerk Jesu dargestellt und gedeutet wird, ist seine Hal-
tung aufschlußreich nnd wichtig. Für das Johannesevangelium
sind die Juden ganz deutlich geradezu die Vertreter der sata-
nischen Gegenmacht. So verschließen sie sich aus letzten We-
senstiefen heraus dem Wirken Jesu und stellen sich seiner
suchenden Liebe entgegen. Darum werden sie als Kinder des
Teufels bezeichnet, der ein Vater der Lüge ist von Anbeginn
und ein Menschenmörder. Der Anspruch der Juden, echte
Gottesoffenbarung zu besitzen, wird schon im Vorspruch rest-

29
los verneint und ihr Gesetzesdienst als schwerstes Hemmnis
für die Gewinnung des wahren Lebens erwiesen. Aller
messianifche Schriftbeweis und alle Berufung auf Mose
wird mit harter Entschiedenheit abgetan. Der Sohn Gottes
allein führt zur Freiheit, ist der Weg und die Wahrheit
und
das Leben. Er schenkt die Gemeinschaft mit dem Vater. So
wird hier aus arischeni Denken heraus in treuem Festhalten
an der Grundhaltung Jesu die christliche Botschaft dargestellt.
Juden- Obwohl also der Gegensatz zum Judentum die in der Bot-
christliche
schaft nnd dem Wirken Jesu gegründete Wesenshaltung des
Einflüsse
christlichen Glaubens ist, waren jedoch schon in sehr alter Zeit
innerhalb der christlichen Gemeinde Bestrebungen am Werke,
die diesen Gegensatz zu mildern oder gänzlich zu verwischen
suchten. Die neutestameutliche Überlieferung zeigt deutlich
Spuren davon, wie hart und leidenschaftlich sie«sich durchzu-
setzenversuchten.
Die Träger dieser Bestrebungen waren die Judaisten. Sie
sind erst später in Jerusalem in die christliche Gemeinde ein-
gedrungen und haben anscheinend sofort zu einer Spaltung
der Gemeinde den Anlaß gegeben. Jhr Führer ist in zu-
nehmendem Maße Jakobus, der Bruder Jesu. Er hat sich
zu Lebzeiten Jesu seinem Rufe verschlossen, gab erst auf
Grund einer Christuserfahruug nach Ostern feinen Wider-
stand gegen ihn auf und kam dann zur Gemeinde. Die Juda-
isten haben den Glauben Jesu an den Vatergott nicht in
seiner ganzen Tiefe verstanden. Sie haben vielmehr den
Vater Jesu Christi mit dem Gott Abrahams, Jsaaks und
Jakobs gleichgesetzt. Sie haben auch seinen Zusammenstoß
mit den religiösen Führern des Judentums in seiner inneren
Notwendigkeit nicht begriffen. Sie versuchten daher Jesus

30
von der jüdischen Vorstellungswelt und von den jüdischen
heiligen Schriften aus zu verstehen und zogen seine Botschaft
zunehmend in den Rahmen der ihnen überkommenen Fröm-
migkeit zurück. Nach Ausschaltung der Hellenisten und dem
Fortgang der-galiläischen Jünger von Jerusalem formten sie
folgerichtig das Leben der Jerusalemer Gemeinde als christlich
erweitertes und abgewandeltes Judentum ans.
Dieses Judenchristentum hat zwar mit der Zerstörung
Jerusalems seine Bedeutung verloren. Seine Uberbleibsel
wurden später von der Großkirche als sektenhafte Verirrung
bekämpft. Dennoch hat es auf die christliche Lehre und die
christliche Anschauung über Jesus und das Werden seiner
Gemeinde Einfluß gewonnen. Jn dem Geschichtsbild der
Apostelgeschichte hat sich eine judenchristlich bestimmte Auf-
fassung von den Anfängen der Christengemeinde niederge-
schlagen und bestimmt noch heute die allgemeine Anschauung.
Das Matthäusevangelium, in dem eine Verzeichnnng des
Jesnsbildes in judenchristlichem Sinne festzustellen ist, ist an
den Anfang des Neuen Testamentes gestellt worden und be-
einflußt dadurch in stärkstem Maße das durchgängige Christus-
verständnis.
Dieses judenchristlich verzeichnete Jesnsbild zeigt sich im Das
Matthäusevangelium darin, daß in ihm die alte Überlieferung, Matthäust
evangelimn
die es mit dem Markusevangelium und dem Lukasevangelium
teilt, so überarbeitet und umgebogen und ergänzt worden ist,
daß Jesus als Ziel und Höhepunkt der alttestamentlichen
Religionsentwicklung erscheint. Was Moses und die Pro-
pheten begannen, das wird von Jesus zur letzten Entfaltung
gebracht. Nach dieser Darstellung erkennt Jesus das von
Mofe gegebene Gesetz als verbindlich an, drängt allerdings

31
auf seine rechte Erfüllung durch die Tat und stellt sein ewiges
Recht heraus gegenüber den Satzungen der Schriftgelehrten.
Er wird zu dem von den Propheten verkündigteu ,,Messias"
und Judenkönig gemacht. Es wird ein Schriftbeweis auf-
gebaut, der oft unter völliger Verkehrung des Wortsinnes
der herangezogenen alttestameutlichen Schriftstelleu nachweisen
soll, daß in Jesus die israelitisch-jüdische Zukunftshoffnung
ihre Erfüllung gefunden hat. So wird aus dogmatischen
Gründen ein Statumbaum aufgebaut, der begründen foll, daß
er seiner Abstammung nach ein Nachkomme Davids nnd in
entscheidender Welteustuude der Träger der Verheißungen
sei. Zugleich werden auf Jesus die glutvollen Vorstellungen
der volkstümlichen jüdischen Enderwartung übertragen, ganz
im Gegensatz zu der Zurückhaltung, die Jesus selbst ihnen
gegenüber an den Tag legte.
Der Gegensatz zu der Samariter- und Heidenmission der
Hellenisten und des Paulus wird durch neugebildete Jesus-
worte unterbaut, und die Worte und Gleichniffe Jesu werden
inhaltlich der rabbinischen Uberlieferung angenähert. Es ge-
schieht das, was mit einem Herreuwort als Ideal gezeichnet
wird: Ein jeder Schriftgelehrter, der für das Reich des
Himmels unterwiesen ist, gleicht einem Hausherrn, der aus
seinem Schatz hervorholt »Neues« — das ist das Evangelium
— »und Altes« — das ist seine jiidische Überlieferung!
Dabei soll freilich nicht verschwiegen werden, daß diesen
Einflüssen gegenüber die Gegenwirkungen, die von der ge-
schichtlichen Wirklichkeit Jesu ausgehen, deutlich spürbar
sind. Die von ihm ausgehende Personwirkung war so stark,
daß sein Lebensbild nicht einfach von diesen überkommeneu
Vorstellungen und der wuchernden Oegende eingesponnen wer-

32
den konnte. So hat man bemerkenswerterweise z. B.»die
jüdischen Enderwartnngen nicht in das Erdenleben Jesu ein-
getragen, sondern nur mit der Erwartung des Wiederkommen-
den verbunden. Vor allem aber hat die geschichtliche Wirk-
lichkeit Jesu die an ihn herangetragenen jiidischen Vorstel-
lungen weithin umgeformt. So wurde schließlich der jüdische
Messtasbegriff zum Inbegriff des Antichrist, während der
Begriff ,,Christus« in seinem Gehalt sich so weit von seinem
Ursprung löste, daß er zur Bezeichnung des von Gott erkorenen
Trägers der ewigen Gottesoffenbarnng schlechthin werden
konnte. So kann das Johannesevangelinm seine Gleichsetzung
mit dem tragenden Weltgrund, dem ,,Logos« der Griechen,
vornehmen und eine spätere Zeit von dem »ewigen Christus«
sprechen.
Jn der Apostelgeschichte finden sich in gleicher Weise Die
liber-
Apostel-
liefernngen solcher judenchristlichen Grundhaltung Sie gehen gefchichte
von der Voraussetzung aus, daß die Wiederkehr des Aufer-
standenen als des Messias nur in Jerusalem, der heiligen
Stadt des auserwählten Volkes, erwartet werden könne. So
werden die Erinnerungen an Erscheinungen Jesu in Galiläa
getilgt. Die Jünger werden vielmehr von dem Auferstandenen
in Jerusalem besucht und erhalten den ausdrücklichen Befehl,
nicht aus Jerusalem zu weichen.«)

«) Diese Beobachtung bestimmt unsere Anordnung der Oster-


berichte, die ihrem Wesen nach stark legendör gestaltet sind. Die
GeschichteJesu des Heilandes haben wir abgeschlossenmit Berich-
ten über Begegnungen, die Jünger mit dem ,,Auferstandenen«in
Galiläa hatt-en,wohin sie nach der furchtbaren Enttäuschung des
Kreuzestodes Jesu zurückgekehrtwaren. Wir bringen zunächsteine
ausgezeichneteund alte Überlieferung aus dem Anhangskapitel 21

s Fromm 33
Paulus gründete seinen Apostelansprnchz kraft dessen er
seine Botschaft ohne Bindung an das jüdische Gesetz ausge-
staltete, auf eine Christnsbegegnung vor Damaskus, durch die
er zum Apostel der weiten nichtjüdischen Völkerwelt bestellt
word-en sei. Um ihn zu bekämpfen nnd nnglaubwiirdig zu
machen, verlegte man die Erscheinungen des ,,Auferstandenen«
vor den Jüngern von Galiläa nach Jerusalem, um damit den
Vorrang Jerusalems hervorzuheben. Man tilgte ferner jede
Erinnerung an die Entstehung galiläischer Gemeinden, die
doch später vorhanden erscheinen. Man begrenzte vor allem
die Erscheinungen des ,,Auferstandenen« und seinen Umgang
mit den Jüngern auf vierzig Tage. Auf den so. Tag ver-
legte man die Ausgießung des Heiligen Geistes, in der
Paulus nach I.Kor. 15,5 deutlich ebenfalls noch eine Er-
scheinung des ,,Auferstandenen« sieht. Dadurch war Paulus
zum Betrüger gestempelt, denn feine spätere Christusbegegs
nung war nun unmöglich und mußte anders gedeutet werden
des Johannesevangeliunts, das anerkanntermaßen nicht zur ur-
sprünglichen Gestalt dieses Evangeliums gehört. Dagegen haben
wir die eigentlichen johanneischenOsterbcrichte des Johannesevan-
geliums im Zusammenhang der Botschaft von »Jesus dem Gottes-
sohn" belassen. Angefügt ist der Schluß des Mutthäusevangeliums.
Die eigentlichenBerichte über Begegnungen mit dem »Auferstan-
denen« in Jerusalem betreffen nicht den engerenJüngerkreis Jesu,
sondern die in Jerusalem verbliebcnen Frauen und andre Anhänger
Jesu —- z. B. die Emmausjünger, in denen wir wahrscheinlichVer-
wandte Jesu sehen dürfen. Ja ihnen spiegeln sich die Anfänge der
Jerusalemer Gemeinde wieder. Deshalb stehen sie am Anfang des
vierten Teiles »Das Werden der Christusgemeinde". Erscheinungen
vor den Jüngern in Jerusalem sind erst nachträglich unter dem
Einfluß der judenchristlichenGeschichtsschauvon Galiläa gelöst und
nach Jerusalem verlegt worden«

34
als die Erscheinungen, die den ersten Jüngern zuteil geworden
waren. Die Hervorhebung Jerusalems soll zugleich den An-
spruch der judenchristlichen Gemeinde auf Leitung der Heiden-
mission begründen nnd stützen. So wollte man der Tatsache
entgegenwirken, daß christliche Gemeinden, die in Galiläa
und an anderen Orten bestanden, selbständige Missionsarbeit
trieben. Das ist freilich nur zu einem Teil gelungen, aber das
zur Unterstützung dieser Bemühungen geformte Geschichtsbild
hat sich durchgesetzt. So kommt es, daß in der Apostelgesrhichte
die jerusalemitische Urgemeinde mit den Aposteln, später Ja-
kobus, an der Spitze als die legitime Hüterin des Erbes Jesu
erscheint. Von ihr aus soll sich dann unter besonderer gött-
licher Führung die Ausbreitung der christlichen Botschaft
unter Judengenossen, Samaritanern und Nichtjuden Bahn
gebrochen haben. Die ersten Christen erscheinen als treue
Glieder der jiidischen Religionsgemeinde. Jerusalem bleibt
Mittelpunkt der christlichen Mission, so daß auch Paulus
immer wieder dorthin zurückkehren muß. Nur ganz von ferne
spürt man noch an einzelnen Stellen den leidenschaftlichen
Kampf, der die urchristliche Geschichte durchtobt.
Dieses Geschichtsbild mag man durchaus würdigen als
einen beachtenswerten Versuch früherer Juden, ans ihrem
Ehristusglauben heraus die Wirklichkeit Jesu in Beziehung
zu setzenzu den großen Jnhalten ihrer eignen Vergangenheit
Jn dieser zeitgeschichtlichen Bediugtheit und Begrenztheit
kann es anerkannt werden als ein -Beispiel dafür, wie immer
wieder die Begegnnng mit Jesus Christus auch eine neue Er-
fassung seines Wesens aus artgetnäßen Voraussetzungen
fordert. Aber niemals darf dieses judenchristliche Christusver-
ständnis als allgemeingiiltig hingestellt und zur angeblich allein

gr-
35
richtigen Grundlage eines echten Christusverständnisses ge-
macht werden. Die angebliche ,,Heilsgeschichte«, die eine ge-
schlosseneund ausschließliche Gottesoffenbarnng über das Alte
Testament, d. h. durch die israelitisch-jüdische Geschichte hin-
durch zu Jesus hin behauptet, muß als eine verhängnisvolle
Ikachwirkung jüdischer religiöser Überheblichkeit innerhalb
des Christentums abgelehnt werden. Jn Jesus Christus finden
die religiösen Ansätze andrer Völker mit höherem Recht ihre
Erfüllung als die jüdischen.
Unsere Aus diesem Tatbestand ergab sich unsere Arbeitsweise. Um
Arbeitsweife das Bild
des Heilandes nach den drei ersten Evangelien zu ge-
a)Jesus
derHeiland stalten, mußten wir von den uns überlieferten Schriften zu-
rückgehen auf die in ihnen verarbeitete Überlieferung. Diese
ist heute noch mit Deutlichkeit zu erheben, da diese Evangelien
in ihrem Aufbau weithin übereinstimmen und Geschichten und
Worte aus dem Leben Jesu in gleicher Weise bringen, so daß
abgesehen von der Sonderüberlieferung, die sie benutzen, ge-
meinsame Quellen vorausgesetzt werden müssen. Durch ge-
wissenhaften Vergleich läßt sich in den Grundzügen heraus-
stellen, wie die ursprüngliche Überlieferung gewesen ist, aus
der die Evangelisten geschöpft haben und wie sie sie in charak-
teristischer Weise ihren Grundauffassungen entsprechend ab-
wandeln. So läßt sich auch erschließen, wo die Stimme Jesu
erklingt und die ihm eigentümliche Botschaft und die Wirk-
lichkeit seines Lebens durchlenchtet, und wo die glaubende Ge-
meinde aus ihrem Glauben und ihrer Verehrung heraus
unter dem Zwang ihrer geschichtlichen Aufgaben weiter ge-
dichtet, neu gestaltet, verändert und gedeutet hat. Denn diese
Christengemeinde hat ja diese Überlieferung nicht nur als Er-
innerung an Jesus und sein Wirken weitergetragen, sondern

36
zugleich als Bekenntnis ihres Glaubens und war der Über-
zeugung, daß eben Jesus Christus der Garant ihres eignen
Glaubens sei. So bekommen wir durch unsre Arbeit zwar
nicht ein Lebensbild des ,,historischen Jesus", wohl aber ein
Glaubensbild, wie wir es heute aus den uns überlieferten
Berichten empfangen, das ihn als gestaltende Macht hinter
allen Ausfagen des christlichen Glaubens und geschichtsniäch-
tige Wirklichkeit in ihrem innersten Gegensatz zu allem jü-
dischen Wesen offenbart. So hatten wir die Möglichkeit,
ohne die Absicht einer ,,falschen Modernisierung« jene Stücke
auf Grund gewissenhafter methodischer Sichtung auszuschei-
den, die erkennen lassen, daß in sie judenchristliche Gedanken-
gänge eingedrungen sind. Daß aus diesem Grunde die Form
der Überlieferung, die das Matthäusevangelium bietet, nur
mit großer Vorsicht verwertet werden konnte, liegt auf der
Hand. Die Gliederung des Stoffes nach Sachgruppen ergab
sich ungezwungen. Dabei haben wir größere Zusammenhänge,
die in der Überlieferung gegeben sind, wie die Bergrede, nach
Möglichkeit erhalten.

Für das Johannesevaugelium genügte es, die spätere Über- b)Jesusder


arbeitung, die vor allem im 2I. Kapitel sichtbar wird und in Gotte-Flehn
den andern Teilen des Evangeliums die so oft ermüdenden nnd
das Verständnis erschwerenden Wiederholungen hervorruft,
wieder auszuscheiden. Dabei konnten wir uns in freier Ent-
scheidung weithin an neuesteArbeiten anerkannter theologischer
Forscher anschließen.
Um das Werden der Christusgemeinde aufzuzeigen, waren c)Das
wir genötigt, in knappen Zwischenbemerkungen Werdender
die Grund-
Christus-
züge der Entwickelung erkennbar zu machen, wie. sie sich aus gemeinde

37
den guten alten Überlieferungsstürken der Apostelgeschichte er-
schließen läßt. So lösten wir die überlagernde jndenchristliche
Geschichtsfchau heraus, deren Wesen wir oben beschrieben.
Wir versuchten aber durch die Wiedergabe der lebendigen
Einzelberichte eine Anschauung zu geben von den Verhält-
nissen, unter denen die Botschaft von Jesus Christus sich in
der alten Welt ausbreitete Jm übrigen haben wir hier be-
wußt die zeitgeschichtlichen Beziehungen der einzelnen Stücke
erhalten. Denn dieser geschichtliche Abriß soll nur bedingt
nnd unter voller Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen Be-
grenztheit seiner Berichte für die heutige Verkündigung der
Botschaft Gottes herangezogen werden. Er dient vielmehr in
erster Linie dem stillen Lesen fragender Menschen und dem
Unterricht

ä)Jesus Andre Gesichtspunkte ergaben sich für unsre Arbeit bei der
derHerr
Darstellung des Christuszeugnisses der Apostelbriefe.

Die Paulusbriefe sind Gelegenheitsschriften, die wahr-


scheinlich vielfach von Mitarbeitern des Apostels nach vor-
heriger gemeinsamer Besprechung verfaßt worden sind. Sie
erheben als solche niemals den Anspruch, als ein Ganzes für
die Verkündigung einer späteren Zeit maßgebend zu sein.
Wir konnten also ohne Bedenken alle jene Stücke ausscheiden,
die nur aus dem besonderenAnliegen einer bestimmten Stunde
oder in der Beziehung auf eine einmalige geschichtliche Lage
verständlich sind, also nicht unmittelbar die Botschaft Gottes
enthalten. Soweit solche Stücke für das Verständnis der
Entwickelung der Christusgemeinde wesentlich sind, wurden sie
in dem geschichtlichen Anhang mit der Überlieferung der
Apostelgeschichte vereint. Sonst aber wurden sie ganz fort-

38
gelassen. Es handelt sich dabei vor allem um jene Ausfüh-
rungen, in denen sich Paulus mit seiner eignen Vergangenheit
und mit den religiösen Ansprüchen des Judentums auseinan-
dersetzt. Er unterwirft dabei die Botschaft Gottes zeitgefchicht-
lichen und personbedingten Deutungen, wie es gewiß not-
wendig war, um die ihm aufgetragene geschichtliche Ent-
scheidung durchzuführen Aber was er so aus seiner besonderen
für uns vergangenen Kampflage heraus gesagt hat, kann
nicht zu einer allgemein gültigen Darstellung christlicher
Glaubenswahrheit erklärt werden. Sonst dienen gerade jene
Ausführungen des Apostels, mit denen er sich gegen jiidisches
Wesen und Denken wendet, dazu, in die heutige christliche
Verkündigung fremdes jiidisches Gedankengut einzutragen
oder in ihr zu verfestigen. Wie verhängnisvoll sich das aus-
wirkt, kann leider an dem Einfluß festgestellt werden, den die
Ausführungen, die Paulus über die alttestamentlichea Ver-
heißungen, über das wahre Israel und die echteNachkommen-
schaft Abrahams gemacht hat, auf die Gestaltung der christ-
lichen Lehre von der Kirche gewonnen haben.
Dagegen haben wir vor allem jene Gedankengänge wieder-
gegeben, in denen Paulus die Botschaft, die Jesus Christus
bringt, als ihr Diener und Bote grundsätzlich verstanden hat
und in einer das Herz bewegenden Weise verkündet. Wir
konnten dabei die wesentlichen zusammengehörigen Aus-
führungen der Briefe geschlossen aufnehmen, ohne sie ausein-
anderzureißen, da sie zumeist unter einem einheitlichen Ge-
sichtspunkt überliefert sind. So ergab sich auch hier die Gliede-
rung ungezwungen. Auch trat so stets der für die christliche
Botschaft wesenhafte Zusammenhang zwischen Glaubens-

39
erkenntnis und praktischer Glaubenshaltung des Lebens klar
hervor. Aus diesem Grunde nahmen wir auch von einer
Sachgliederung innerhalb der zusammengehörenden Stücke
Abstand. Sie hätte nur zu einer Häufung gleichgearteter
Ausführungen geführt. Anderseits wäre es schwierig gewesen,
sie durchzuführen Denn es läßt sich vielfach nicht ausmachen,
unter welchem Gesichtspunkt die einzelnen Worte eingeordnet
werden sollen, da sie zumeist mehreren Gruppen zugerechnet
werden können. So aber erreichten wir, daß die Mannig-
faltigkeit dieser christlichen Verkündigung ebenso hervortritt
wie gleichzeitig ihre Einheit in der Beziehung auf Jesus
Christus, der für sie die Weltenwende bedeutet.
Die meisten andern Apostelbriese boten wenig grundsätzliche
Schwierigkeiten und konnten nach den gleichen Gesichtspunkten
gestaltet werden. Besondere Eigenart hat nur der sogenannte
Hebräerbrief. Er schildert in seinem Hauptteil die Herrlich-
keit des Christenstandes mit Hilfe einer für uns heute unver-
ständlichen Beweisführung aus dem Alten Testament, um
den Glaubensmut einer bedrängten Christengemeinde zu stär-
ken. Zu diesen Ausführungen haben wir heute keinen un-
mittelbaren Zugang. Jedoch sind in diese Ausführungen hin-
eingesprengt seelsorgerliche Stücke eines so lebendigen Christus-
zeugnisses, daß sie noch viel unmittelbarer als die dogmatischen
Ausführungen des Paulus zu unserm Herzen sprechen. Es
sind Ausführungen, die mit dem ältesten Christuszeugnis det
Gemeinde und den Evangelien aufs engste Verbunden sind.
Wir konnten sie daher herausheben und an den Anfang des
dritten Teiles stellen, in dem wir das christliche Zeugnis von
,,Jesus dem Herrn« bringen.

40
5. Einzelfragen

Es bleiben noch einige wichtige Fragen übrig, zu denen


unsre Gestaltung der einzelnen Teile der ,,Botschaft Gottes«
führt. Ihnen wollen wir nunmehr nachgehen.

Jesus der Heiland

Es ist für viele deutsche Menschen unsrer Tage schwer, ein Die
Wunder
Verständnis für die Wundergeschichten zu gewinnen, die von
Jesus erzählt werden. Unser Denken, das genötigt ist, das
Naturgeschehen gesetzmäßig in ewigen Ordnungen zu erfassenf
kann mit den Berichten wenig anfangen, die von Geschehnisien
Kunde geben, die aller uns möglichen Erfahrung widersprechen
oder entzogen sind. Es kommt hinzu, daß wir wissen, daß die
Zeitgenossen Jesu als Kinder einer Zeit, die von einer in der
Natur herrschenden Gesetzmäßigkeit nichts wußte, solche das
regelmäßige Geschehen übersteigernde oder durchbrechende Er-
eignisse geradezu als Beglaubigung göttlicher Sendung
werteten. Wir brauchen nur an die Zeichenforderung der
Pharisäer zu denken. Diese Anschauung haben die Jünger
Jesu geteilt, obwohl Jesus selbst alle solche Beglaubigungss
wunder entschieden abgelehnt hat. Es ist also nicht verwunder-
lich, wenn die Jüngergemeinde unter dem gewaltigen Ein-
druck, den die Persönlichkeit Jesu hinterlassen hat, große Er-
lebnisse zu einer Wundertat Jesu answeitete, wie es etwa
bei der Stillung des Sturmes oder der Brotvermehrung bei
der Speisung geschah, oder gar, geleitet von ihrem Glauben
an den »Herrn über alles«, Wunderlegenden erzählte.
Dabei ist in der Überlieferuug der drei ersten Evangelien
noch nicht zu erkennen, daß diese Legenden als Gleichnisse oder
Transparente eines sonst nicht darstellbaren Geschehens in der
ewigen Welt verstanden und gedeutet werden sollen und
dürfen, wie es itn Rahmen des Johannesevangeliums ge-
schieht. Anderseits ist der so erschließbare Gehalt der Wunder-
geschichten oft anderwärts eindeutiger zum Ausdruck gebracht.
So entstellt die von vielen vermißte Erzählung von der Auf-
erweckung des Jünglings zu Nain geradezu die urchristliche
Botschaft. Während diese, wie es der ,,Anferstehung und
Erhöhung« Jesu Christi entspricht-, die Auferweckung in eins-
neues Leben Verkündet, wird dort von einer Wiederkehr in
das irdische Leben berichtet.
Mag es also für den heutigen Glauben an Jesus Christus
unwichtig sein, wie sich der einzelne zu der Tatsächlichkeit der
berichteten Wunder und ihrer möglichen Deutung stellt, so
mußten wir dochdie Berichte über die wundersamen Heilungen
Jesu bringen, weil sie unlöslich zum Bilde des Heilands ge-
hören. Sie sind Zeugnisse dafür, daß Jesus in besonderem
Maße Gaben zu eigen waren, durch die er — wie auch andre
geistesmächtige Persönlichkeiten der Geschichte — Macht
hatte über die Seele der Leidenden, die ihm gläubig begegneten.
Es mag dabei beachtet werden, daß alle Heilungen sich auf
solche Krankheits-formen beziehen, die ihre Ursache im Seelen-
leben der Erkranlten haben. Diese Heiltaten aber bringen
anschaulich zum Ausdruck, wie das Reich Gottes wirkende
Macht hat, die sich auch in die äußeren Dinge hinein aus-
wirkt, und wie Jesus als Bringer des Gottesreiches und
Träger seiner Kräfte sich den Leidenden und Gebundenen ver-
stehend nahte und sie von ihrer Not befreite.

42
Die sogenannten Kindheitsgeschichten können, wie im Be- Die
Kindheitsi
reich der wissenschaftlichen Forschung wohl allgemein zuge- geschichtet-
standen wird, nicht als Berichte über geschichtliche Ereignisse
angesehen werden, Und doch sind sie tief in das Volksemp-
finden eingedrungen, weil sie in wundersam zarter Weise zum
Ausdruck bringen, wie schlichter dankbarer Glaube die Er-
scheinung Jesu verstand und im Gewand frommer ehrfiirchs
tiger Dichtung sein Geheimnis zu deuten versuchte. So stehen
siein engster Beziehung zu der Verkündigung der Apostel
von Jesus dem Herrn, die wir in dem dritten Teil bringen.
Freilich hat sich ihrer besonders die judenchristliche Dog-
matik bemächtigt und iu sie Züge eingetragen, die Jesus als
Davidssohn und Jungfrauensohn erweisen sollen, wie es be-
stimmte Anliegen einzelner christlicher Kreise forderten. Wir
haben diese Züge ebenso ausgeschaltet, wie die Verknüpfung
mit den Geburtslegenden des Täufers.
Mit dem Ostergeschehen schließt die Geschichte Jesu. Es Ostern
verkündet den Sieg des Gekreuzigteu, der durch die Art seines
Todes für die Menschen feiner Zeit als ein von Gott Ver-
worfener erscheint. Er ist der Grund des christlichen Glaubens.
Die durch das schmachoolle Ende Jesu verstörten Jünger
werden nach ihrer Flucht nach Galiläa hinein in ihren alten
Lebenskreis ganz in das Gottesverhältnis Jesu hereingenom-
men. Durch den neuen Geist, der ihnen nun geschenkt wird,
tragen sie in sich die unzerstörbare Gewißheit, daß Jesus von
Gott zu Gott erhöht ist undnnn bei Gott machtvoll für die
Seinen eintritt und sich ihnen von Gott her als helfend und
gegenwärtig bezeugt bis zur Vollendung der Welt.
Die Jünger haben diese entscheidendeWende ihres Lebens,
die von der geschichtlichen Wirklichkeit Jesu von Nazareth

43
unabtrenubar ist, auf »Erscheimmgen des Auferstandeuen«
zurückgefiihrt, ohne daß sie damit das in dem Qstergeschehen
liegende Geheimnis Gottes deuten können oder wollen. Die
Berichte darüber wurden selbstverständlich ganz aus dem
Denken jener Zeit heraus geformt. Manche Vergröberung
aus volkstümlichen Vorstellungen heraus dringt in sie ein«
So haben wir nur die älteren Berichte der Galiläa-
erscheinnngen aufgenommen. Die späteren jndenchristlich
gefärbten Erzählungen iiber Jerusalemerscheinungen wurden
aus bereits erörterten sachlichen Gründen neben dem Bericht
des Apostels Paulus dem geschichtlichen Anhang zugewiesen.
Kindheitsgeschichten und Osterberichte lassen so fiir alle, die
nicht am Äußeren haften bleiben, sondern ihren Sinn ver-
stehen wollen, als Umrahmung des Heilandsbildes glaubens-
innig das Geheimnis Jesu aufleuchten: Tief in Gott ver-
borgen ist sein Ursprung. Hin zu Gott dringt er durch fein
Leiden und Sterben. Er besiegt den Tod nnd bezeugt sich als
der Lebendige und Ewige über alle Zeiten hinweg.

Jesus dchottessohn

Grund- Das Johanneseoangelium hebt Jesus Christus weit hinaus


haltung iiber alle jene Menschen, die jiidisches beziehungsweise alt-

testamentliches und griechisches Denken als Künder der gött-


lichen Wirklichkeit kennt. Er ist mehr als die alttestament-
lichen Propheten, die den Geist Gottes haben und den Willen
Gottes künden. Er ist mehr als die Menschen, die mit ihrer
Vernunft nach der Ansicht der Griechen den ,,Logos« be-
greifen. Sie machen den »Logos«, der ihnen der Inbegriff
aller Kräfte ist, die das Weltall erfijllen nnd zur Ordnung

44
gestalten, als sittliches Grundgesetz des menschlichen Daseins
kund. Von Jesus aber kündet das Johannesevangelium:
»Der ,Logos· ist in Jesus Christus Mensch geworden.« Jn
einer uns heute nicht mehr fremden Weise setzt es also die
Jdee und den Träger der Jdee nnlöslich in eins, weil ihm in
Jesus Christus alles, was in dem Begriff ,,Logos« zusammen-
gefaßt ist, anschaubar geworden ist.
Aus dieser Schau wachsen die großen Reden des Evan-
geliums heraus, die immer neu aufweisen wollen, daß Jesus
beides ist, einmal ,,Bild« und »Offenbarung« des verborgenen
Gottes, dessen Wirklichkeit in ihm erscheint, dann aber auch
das ,,«Urbild« der Mensch-en, die sich ihm anvertrauen und
als die Seinen in sein Bild gestaltet werden. Von dieser
Grundauffassung der letzten Wirklichkeit Jesu aus werden
alle einzelnen Züge der Darstellung seines Lebens verständlich.
Darum müssen auch die einzelnen Gestalten, denen Jesus
gegenübertritt, ebenso wie er selbst, als die Träger einer Wirk-
lichkeit aufgefaßt werden, die«in ihnen ihre Verkörpernng
findet. So macht das Johannesevangelium den Täufer Jo--
hannes zum Vertreter des vorchristlichen, auf Jesus warten-
den und hinweisenden Zeugentums und stellt in Nikodemus
das Schriftgelehrtentum und in Pontius Pilatus den Macht-
anspruch des römischen Weltreiches dar, dem in Jesus Chri-
stus das Gottesreich in seiner Größe und Freiheit gegenüber-
tritt. Jn dem Lieblingsjiinger, in Thomas nnd in dem Blind-
gebornen werden die verschiedenen Typen des Jüngertnms
aufgezeigt, während die Juden jene Welt vertreten, die sich
grundsätzlich der Wahrheit Verschließt und ihr entgegenstellt.
Sie sind die Kinder des Teufels.

45"
Wunder So werd-en im Johannesevangelium die Wundergeschichten
nnd
nicht mehr als eigentliche Tatsachenberichte verstanden. Sie
Zeichen
sind zu Zeichen und Sinnbildern der in Jesus Christus er-
scheinenden Gotteswahrheit geworden. Bei dem Weinwunder
bei der Hochzeit zu Kann haben wir das ausdrücklich auch im
Text zum Ausdruck gebracht, weil sonst diese Erzählung
immer mißverstanden werden muß. Aber die den Wundern
angeschlossenen Reden begründen die gleiche Auffassung auch
bei den andern Wundergeschichtem bei dem Brotwunder, bei
dem Wandeln auf dem Meere und bei der Heilung des
Bliudgebornen. Die Auferweckung des Lazarus will sinnbild-
lich darstellen, wie Jesus der Spender des ewigen und wahren
Lebens ist. Darum ist sie fiir das Johannesevangelium der
Angelpunkt für das Verständnis des Kreuzes: Das ist das
große Geheimnis seiner Liebe und das große Rätsel zugleich,
daß Jesus den Tod leiden muß, weil er der Welt das Leben
gibt. So wird zugleich das Kreuz der Höhepunkt seiner Selbst-
offenbarung: ,,Niemand hat größere Liebe denn daß er sein
Leben läßt fiir seine Freunde.« Wer diese Schau des Johan-
nesevangeliums einmalergriffen hat, wird gepackt von der
dichterischen Kraft eines Glaubens, der die vorhandenen legen-
denhaften IIberliefernngea dem Grundanliegen seiner Bot-
schaft dienstbar macht. Der wird mit Freude und Auf-
geschlossenheit auf das hören, was gerade dadurch sichtbar ge-
macht werden soll.
Gerade im Johannesevangelium wollen die Seitenschriften
immer wieder die in ihm gegebenen inneren Zusammenhänge
zwischen Bericht und Deutung aufweisen.
,Logos’ Besondere Schwierigkeiten bot- die Wiedergabe des Wortes
,,Logos« in dem »Vorspruch« zum Johannesevangelinm. Es

46
umfaßt riel mehr als unser deutscher Begriff ,,Wort«, mit
dem es Luther wiedergegeben hat und den man auch heute
noch gern festhält, um den Anschluß an das Alte Testament
dadurch herzustellen. Was der Begriff meint, haben wir
oben dargelegt:« ,,Ordnung und Gesetz der Welt.« Wir
haben versucht, das alles zum Ausdruck zu bringen, indem
wir es zusammenfaßten in dem Begriff des »ewigen Geistes«.
Der ,,ewige Geist« ist für uns jene schöpferische Kraft,
die alles Werden trägt und der ganzen Welt den Sinn gibt.
Er hat seine Boten und Zeugen in den großen Kündern und
Helden. Er wird in seinem Wesen in der menschlichen Er-
scheinung Jesu Christi oerkörpert Denen, die sich ihm auf-
schließen, hilft er zum wahren Leben, und er birgt sie in das
heilschaffende Wirken des Vaters.
Diese Verwendung des Begriffes »Geist« ist sachlich da-
durch gerechtfertigt, daß Paulus den »neuen Menschen«
Christus als lebenschaffenden Geist charakterisiert, und den
Geistbegrifs seinerseits dem griechischen Logosbegriff annähert,
indem er den Geist Gottes als Quell der tragenden Kräfte
der christlichen Gottesgemeinschaft beschreibt.,
Zugleich stellt dieser Begriff ungesucht den Anschluß an die
großen Gedanken unserer deutschen Dichter und Denker her.

Jesus der Herr

Daß ,,belehrende, philosophische und Spruchbücher schwer Das


zu übersetzen sind«, hat schon Luther einmal festgestellt. Für Denken
desPaulus
den Übersetzer liegen aber bei den neutestamentlichen Brieer,
zumal bei denen des Paulus, noch besondere Schwierigkeiten
vor. Paulus denkt anders als wir. Wir könnenreligiöse

47
Aussagen nur machen aus der Besinnung auf· unsre religiöse
Erfahrung heraus in einer ernsten Entscheidung unsres Ge-
wissens. Jn all unsern Glaubensaussagen schwingt ein per-
sönliches Moment des Bekennens mit. Paulus aber macht
seine Aussagen so, daß man diese persönliche Beziehung nicht
spürt. Er spricht so oon den Dingen des Glaubens, als wenn
es sich unt feststehendeWirklichkeiten handle, die auch außer-
halb der lebendigen Begegnung mit dem Menschen ihr Wesen
haben könnten. Dadurch gewinnt seine Ausdrucksweise etwas
Starres und Unanschauliches. Er macht Schlüsse, die uns
durchaus nicht einleuchten. Hier liegt die Erklärung dafür,
daß alle Seltsamkeiten des theologischen Denkens bis in unsre
Tage immer wieder in der Berufung auf Paulus ihre Be-
gründung gesucht und gefunden haben.
Wir standen also vor der Tatsache, daß man die Gedanken-
gänge des Paulus dadurch nicht verständlich machen kann,
daß man die oon ihm gebrauchten Worte und Begriffe ein-
fach in die deutsche Sprache hinein überträgt. Vielmehr muß
immer wieder ganz deutlich gesagt werden, was Paulus eigent-
lich meint. Aus dem Ganzen seiner Verkündigung heraus
mußten also seine einzelnen oft formelhaften Aussagen inhalt-
lich gefüllt werden. Wir konnten z. B. nicht Don einem Zu-
rechtbringen Gottes, von der »Rechtfertigung«, reden, ohne
klarzustellen, daß damit die Überwindung der Ablehnung
Gottes durch den Menschen gemeint ist, die sich dann voll-
zieht, wenn der Mensch in Jesus Christus der ihn versöhnen-
den Liebe Gottes begegnet.
Die Außerdem steht die Sprache der Briefe unter dem Stil-
Sprache
gesetz der griechischen Rhetorik. Darum werden in den ein-
desPaulus
zelnen Sätzen die Begriffe gehäuft, lange Kettenschlüsse an-

48
einander gereiht und Nebengedanken breit ausgeführt. Die
kirchliche Sprache hat das weithin nachgeahmt. Dadurch ist
sie uns heute vielfach fast unerträglich geworden in ihrer
Schwiilstigkeit und Phrasenhaftigkeit. Wir konnten in dieser
Hinsicht nur durch rücksichtslose Bereinfachung des Ausdrucks
Abhilfe schaffen und uns bemühen, die Gedanken in ihrem
eigentlichen Sinn wiederzugeben, indem wir die Formeln in-
haltlich füllten.

6. Schlußbetrachtungen

.Diese Ausführungen können nicht alles erklären und er-


läutern, was zu unsrer Verdeutschung der »Botschaft Gottes«
zu sagen ist, die wir als Beitrag aus dem großen Kriegs-
geschehen unserm deutschen Volk vorlegen. Sie wollen nur
zeigen, wie das verstanden sein will, was wir bieten, und zu-
gleich deutlich werden lassen, worin wir die lebendige Gottes-
stimme der christlichen Botschaft hören.
Wir wissen, daß unser Buch nicht das abschließende Wort
ist, das zu der religiösen Frage in Deutschland heute gesagt
werden muß. Aber wir glauben, daß es eine gute Grundlage
ist für weiteres Ringen und Forschen, das sich darum müht,
das große Glaubenserbe der Väter als eine lebendige Kraft
auch unsrer Gegenwart und unsrer Zukunft aufzuweisen, und
es hineingießt in die Erkenntnis, die uns als Deutsch-en sonder-
lich geschenkt worden ist. Denn das ist das Wichtigste, daß
alle Wahrheiten, die aus der »Botschaft Gottes« den Weg
zum Herzen deutscher Menschen finden, auch hineingetragen
werden in unser deutsches Leben. Darin wird vollendet, was

4 Fromm 49
der ,,Helianddichter«, unser Martin Luther und all die an-
dern großen deutschen Seher und Künder begannen. Nur
dann wird lebensmäßig jene Einheit errungen werden zwischen
der ewigen »Botschaft Gottes« in Christus Jesus und der in
unserm Blut liegenden Wirklichkeit deutschen «Wesens, auf
die unsre geschichtliche Führung hinzielt.
Mögen darum recht viele deutscheMenschen sichdie Mühe
machen, zu lesen und in das Gelesene suchend und fragend ein-
zudringen! Die Stunde ist zu ernst, als daß es genügen
könnte, von uns gewählte Formulierungen von einer vorge-
faßten Meinung aus oder durch billige Berufung auf die
Lutherbibel einfach abzutnn. Es wird niemand gezwungen-
sein, alles anzuerkennen und hinzunehmen. Über gar manches
kann man verschiedener Meinung sein. Aber auch dort, wo
man meint, uns nicht zustimmen zu können, wird man zugeben
müssen, daß wir ernstlich mit den Fragen gerungen haben.
Wir werden uns freuen, wenn aus einer sachlichen Ans-
sprache ein Besseres wird, das unserm Volke dient.
Diejenigen Leser, die sich weiter in die hinter unsrer Ver-
deutschung der »Botschaft Gottes« stehenden Fragen vertiefen
möchten, werden auf die wissenschaftlichen Veröffentlichungen
hingewiesen, die ausführlich auf das eingehen, was hier nur
angedeutet werden konnte.

Zur weiteren Vertiefung werden empfohlen:

G r u n d m a n n , Jesus der Galiläer und das Judentum (Berlug


Georg Wigand, Leipzig).

L e i p o l d t , Jesu Verhältnis zu Griechen und Juden (Vetlag Georg


Wigand, Leipzig).

60
G r u n d m a n n , Die Gottegkindschaft in der GeschichteJesu und
ihre religionsgeschichtlichenVoraussetzungen (Verlag Deutsche
Christen, Weimar).

G r u n d m a n n , Aufnahme und Deutung der Gestalt Jesu im


Urchristentum (Verlag Deutsche Christen, Weimar).

S che n k e, Urchristentum,völkischgesehen(Berlag DeutscheChristen,


Weimar).

Pohlmann, Der Gottesgedanke Jesu als Gegensatz gegen den


israelitisch-jüdischenGottes-gedenken(Berlag Deutsche Christen,
Weimar). «

Ferner: Die Veröffentlichungen des ,,Jnstitute zur Erforschung des


jüdischen Einflusses auf due deutsche kirchliche Lebeu", Eisenach,
Reuterweg ea.

Anhang

Ju der Schriftenreihe »Um Evangelium und Kirche« r-


schien als Heft 18 eine Broschüre von Pfarrer Karl Fischer
in Dresden: »Das Volkstestament der Deutschen Christen«
—- herausgegeben Von der Bekennenden Evangelisch-luther.
Kirche Sachsens, Dresden-A. I, Johann-Georgen-Allee 31.
Diese Schrift ist bezeichnend fiir die Art, wie eine Auseins
andersetzung nicht geführt werden sollte, weil sie sachlich
nicht klärt und nur zur Aufputschung von Leidenschaften
führt, die fruchtlos bleibt.
Jch habe, nachdem ich diese Schrift gelesen hatte, dem
Verfasser einen Brief geschrieben, der nur auf einzelne beson-

4· 51
ders in die Augen springende Punkte eingeht, also keinesfalls
eine in die Tiefe gehende Auseinandersetzung mit ihr dar-
stellt. Da aber in diesem Brief einige Fragen behandelt
werden, die das Wesen unsrer Arbeit —- und auch die Art,
wie man sie mißdeutet, herausstelleu, fiige ich diesen Brief
mit kleinen Änderungen auf Wunsch meinen Begleitworteu
zur ,,Botschaft Gottes« bei.

Altenburg, den 31. August 1940


Pieterstraße 32

Sehr geehrter Herr Pfarrer!

Daß um die ,,Botschaft Gottes« eine Aussprache und eine


Auseinandersetzung entbrennen würde, war vorauszusehen.
Eine solche Aussprache ist zu begrüßen, weil sie zur Klärung
beitrågt. Voraussetzung dafür ist aber eines: Die Aussprache
muß ein Ziel haben: den Dienst an unserm um die letzte
Wahrheit seines Lebens ringenden Volke. Sie muß getragen
sein von einem unbeirrbaren Wahrheitsernst und muß auch
die Anliegen des Gesprächspartners ernst nehmen.
Leider läßt Jhr Büchlein »Das Volkstestament der Deut-
schen Christen« alles vermissen, was wirklich einer fruchtbaren
Aussprache dienen könnte. Es stellt sich dar als eine Kampf-
schrift, die darauf ausgeht, das Werkchen, das sie behandelt,
herabzusetzen und zu verdächtigen. Es ist bedauerlich, das fest-
stellen zu müssen. Aber nach dem Beispiel, das Sie selbst
bringen, bleibt kein andres Urteil übrig. Sie haben nie etwas
gespürt Don unserm Anliegen, wenn Sie es wagen können,
uns auf eine Linie zu stellen mit einem »Menschen, der mit

52
brennender Zigarre und spitzen Fingern die Familienbibel
vom Regal nimmt« und dem dann die wackere Hausfrau in
gerechter Empörung dieses Heiligtum entreißt! Dieser Ver-
gleich ist eine Verächtlichmachung unsres innersten Wollens «").
Sie geben zu, daß von der ,,Botschaft Gottes« nur der
erste Teil vorliegt, dem also weitere Teile notwendig folgen
müssen. Sie sind ja inzwischen auch fertiggestellt und sind im
Druck. Aber trotzdem sagen Sie: »Wir können nur dankbar
sein, daß uns auf diese Weise endlich die Frage beantwortet
wird, was die Deutschen Christen von der Heiligen Schrift
eigentlich gelten lassen.« Da Sie bei Ihren Ausführungen
immer den Maßstab der Quantität anlegen und von Aus-
lassungen reden, ist es natiirlich sehr gewagt, aus einem Teil
solche Folgerungen zu ziehen, zumal bekanntlich die drei ersten
Evangelien am wenigsten Stoff zu dogmatischen Feststellungen
bieten. Es mutet sehr eigenartig an, wenn Sie also feststellen,
daß Jesus Christus für die Deutschen Christen nicht der Herr
ist, sondern »nur« ein ,,Seudling des Höchsten«. Jch stelle
fest, daß das »nur« von Ihnen gesetzt ist und daß der dritte
Teil der ,,Botschaft Gottes« den Titel trägt ,,Jesus der
Herr«. Merkwürdig! Aber wenn dieser Teil einmal er-
scheint, dann ist Ihr Büchlein längst unterwegs und hat sein
Werk getan: Jhre Leser wissen dann Bescheid!

«) Es ist ebenso eigenartig, wenn der Verfasser die Ausdrucks-


weise Chukchills aufnimmt und meint, man könne die Deutschen
Christen nicht daran hindern, ihren Rückzug aus der christlichenGe-
meindezu organisieren »wenn sie ihn sogar für einen siegreiche-I
Rückng halten«. Es widerstrebt mir, bei dieser Ausdrucks-weisedes
Verfassers auch auf geistige Beziehungen zu englischemChristentum
zu schließen,von dem wir uns allerdings restlos geschiedenwissen.

53
Sie sagen, wir bieten eine »fortlanfende Zusammenstellung
von Jesusgeschichten, die im einzelnen nicht erkennen läßt,
woher der Text stammt, sondern sieh die am geeignetsten er-
scheinend-eForm aus dem einen der Evangelien auswählt·«
Sie sagen ferner, daß die »Evangelien bereits Bekenntnis-
biicher der christlichen Gemeinde sind, und daß es sinnlos und
unmöglich ist, hinter diese Bücher zurückzugeheu und aus dem
Bekenntnis zu Jesus Christus das ,geschichtliche· Leben Jesu
von Nazareth mit seiner ,schlichten« Botschaft herauszu-
schälen.« ·
Zunächst ist aus dem Verzeichnis am Schluß genau er-
sichtlich, woher der Text stammt. Zweitens dürften Sie,
wenn Sie zu unserm Büchlein zur Feder greifen, wissen, daß
sehr wohl hinter den drei ersten Evangelien gemeinsame Über-
lieferungen der christlichen Gemeinde stehen, die von den Evan-
gelisteu unter ganz bestimmten, heute feststellbaren Gesichts-
punkten dogmatischer Art bearbeitet worden sind, so daß an
vielen Stellen die Uriiberlieferung etwas andres sagt, als sie
der Evangelist sagen lassen will. Sie dürften auch wissen,
daß diese dogmatische Arbeit der Christengemeinde auch an den
Worten Jesu nicht Halt gemacht hat, sondern sie für den
Kampf ihrer Richtungen gegeneinander zurechtgemacht hat.
Sie dürften auch wissen, daß es in diesem Kampf, wie das
Zeugnis auch des Paulus beweist, nicht viel anders zugegangen
ist, als in dem hinter uns liegenden Kirchenkampf, in dem eine
Flut von Lüge und halber Wahrheit im Namen Jesu
Christi in das deutsche Volk hineingeleitet worden ist.
wissen also um das innere Recht unsrer Arbeit. Sie
Sie
wissen, daß wir durchaus nicht nur »die am geeignetsten -
der Leser denkt natürlich: fiir unsere modernen Veränderungs-

54
nnd Reinigungswünsche — erscheinende Form« ausgewählt
haben, sondern auf eine Textform zurückgingeu, die durchaus
verantwortet werden kann. Sie sagen aber Ihren Lesern
davon nichts! Sie selbst haben sich auch nirgends nur darum
gemiiht, sich einmal zu fragen, welche ernsten Gründe hinter
der Auswahl stehen. Nein! Sie wissen ja von vornherein,
daß wir im Unrecht sind. Und nun bringen Sie Beispiele,
an denen bewiesen werden soll, daß es so ist —- und der Leser,
der ja ahnungslos ist, folgt Ihnen mit Gruseln über soviel
Bosheit.
Und dabei machen Sie es sich bequem: Sie drucken zum
Vergleich den Luthertext ab. Ia, ist denn der der Maßstab?
Dann hätten Sie sich die einleitenden Sätze sparen können
und wir uns die ganze Arbeit. Wir haben Sie nicht gehin-
dert, den Luthertext schöner und richtiger zu finden. Wir
glauben, daß er nicht mehr geeignet ist, suchenden deutsch-en
Menschen unsrer Tage den Weg zu Christus zu bahnen.
Das ist ein Gegensatz der Meinung.
Aber Sie geben selbst zu, daß es nicht so einfach damit ist.
So wissen Sie auch, daß Luther einen fremdsprachigen Text
verdentscht hat. Sie wissen auch, daß Luther zum Ausdruck
bringen wollte, was der Text meint, und nicht die Worte
übersetzen, die in dem fremden Text stehen. Aber das sagen
Sie Ihren Lesern nicht. Sie sagen nur mit billigem Spott,
wir setztenstatt »Arme« —- ,,Gottsucher«. Das ist natürlich
etwas anderes. Aber Sie sagen nicht, daß über dieses Wort
»arm« dort, wo wir es mit »Gottsucher« wiedergeben —- wir
tunes ja nicht immer! —- in jedem ernsten Kommentar eine
lange Auseinandersetzung steht über die Bedeutung dieses
Wortes. Sollten Sie wirklich nicht wissen, daß der Begriff

55
,,anu«w« (dessen Wiedergabe das griechische ,,ptoohos« =
arm ist) in einer Linie liegt, auf der man bei seiner sachlich
richtigen Wiedergabe für unsre Zeit auf den Begriff »Gott-
sucher« kommen kann? «) Aber von dem Mühen um eine
treffende Verdeutschung eines solchen zeitgeschichtlich fest um-
rissenen Begriffs haben Sie sich entbunden!
Und dann schreiben Sie den Satz: »Es ist seltsam, daß das
Wort ,Sünder· gern in Anführungsstrichen gesetzt oder um-
schrieben wird mit ,die ihr für Sünder haltet«, als ob es
sich nur um vermeintliche nnd nicht um wirkliche Sünder
handle, womit der leichtfertigen Behandlung einer der ernstesten
Fragen Tor und Tür geöffnet ist, und das mit Hilfe einer
,Ubersetzung« des Neuen Testamentes!«
Das haben Sie mit Bedacht geschrieben! Denn nun muß
ja den Lesern das Gruseln über den Rücken laufen. Das
Wörtlein ,,gern«, Herr Pfarrer, stammt von Ihnen und ist
zu sehr durchsichtig-Im Zweck eingefügt. Sollte ich in dieser
Vermutung fehlgreifen, so bin ich gern bereit, diesen Bor-
wurf zurückzunehmen. Denn Sie wissen natü(rlich, daß diese
Anführungsstriche nur dort stehen —- meines Wissens auch
nur ein einziges Mal (!) auf Seite 18, wo allerdings
ebenso das Wort ,,Gerechte« in Anführungsstriche gesetzt ist
—- dort, wo es sich um die von den jüdischen Pharisäern ge-
formte Bezeichnung für die »amhaa.rez« (= das Volk, das
das jüdische Gesetz nicht in pharisäischer Weise beobachtet und
darum von Gott verflucht ist) handelt. Es wird auch Ihnen

«) Inzwischen wurde die Wiedergabe der ersten Seligpreisung


geändert. Sie lautet: »Selig, die ihr ausschaut nach Gott. Gott
kommt zu euch«

56
deutlich sein, daß Jesus diese Beurteilung der Freunde des
Jakobus nicht geteilt hat. Sie gehören zn denen, die den Rat-
schluß Gottes an sich nicht zunichte mach-en. Vielleicht prüfen
Sie einmal nach, wie wenig Jesus von sich ans diesen Begriff
braucht. Wie sollte das denn in dieser Geschichte, wo er
den Sprachgebranch der Pharisäer aufnimmt, um ihn zu
ironisieren, anders ausgedrückt werden als es geschah? Die
Auslegung, die wir vertreten, ist doch wahrlich nicht ein
Fündlein der Deutschen Christen!
Im übrigen haben wir uns redlich gemüht, deutlich zu
machen, was unser Volk heute aus dem Wort ,,Sünder.« nie
heraushört, was doch aber damit gemeint ist. Die Sünder
waren doch wirklich alles andre als GesindeL In Jesu Augen
waren dabei manche hochanstündige Herren, die ihrer religiösen
Vollkommenheit völlig bewußt waren. Ist es wirklich so ab-
wegig, da einmal um Verständnis zu werben, indem man
sagt: ,,Gottentfremdete« oder »vor Gott Verstockte«? Aber
das sagen Sie nicht, daß hier ernste Fragen liegen. Ihre
Leser sollen wissen, daß man nur eins sagen darf: ,,N«ein!«
Sie messen unsre Arbeit an den von Ihnen als uner-
schütterlich ausgegebenen Wahrheiten des ,,Bekenntnisses«.
Sie wissen natürlich, daß dieses Bekenntnis geschichtlich ge-
worden ist und sich geschichtlich gewandelt hat. Sie wissen
vielleicht auch, daß Sie, wenn Sie Ihre Auffassung des Be-
kenntnisses als alleinige Norm christlicher Verkündigung auf-
richten, viele echte deutsche Christenmenschen in Vergangenheit
und Gegenwart in die Verdammnis weisen. Sie wissen viel-
leicht auch, daß sich alles Bekenntnis auf die Botschaft von
Christus gründen muß und in ihr die Norm hat, nach der es
sich zu richten hat. Sie wissen vielleicht auch, daß die Norm

57
nicht der Buchstabe der Heiligen Schrift ist, sondern allein
das, was in ihr Wort Gottes ist, nämlich das Leben weckende
Zeugnis von Christus, das »was Christum treibet«.
Das sagen Sie aber Ihrem Leser nicht. Vielmehr nehmen
Sie in Ihrer Auffassung des Bekenntnisses die Norm, um
unsre Arbeit zu verurteilen, ohne auch nur ein einziges Mal
die Frage auszuwerfen, ob nicht unser ehrliches Wissen um
das Neue Testament uns (anch Sie!) zu der in der ,,Bot-
schaft Gottes« vertretenen Auffassung zwingen könnte.
Nicht wahr, dann müßte allerdings die Formulierung des
Bekenntnisses von da aus beurteilt werden. Und dem w o l l e n
Sie ausweichen. Das sagen Sie aber nicht! Nein, Sie
sagen, wir gingen von einem Vorurteil aus. Aber von
Ihrem Vorurteil schweigen Sie. ..
Wir kennen keine HeilsgeschichteI So klagen Sie uns an.
Sie meinen damit die heilsgeschichtliche Auffassung, die bei
einem Juden, der zu Christus durchdrang in die Freiheit des
Glaubens, verständlich ist. Er konnte in Jesus Christus den
Gottgesandten sehen, der alles Große nnd Gute seiner Väter-
geschichte zur Erfüllung brachte, allerdings auf Kosten eines
völligen Bruches mit jüdischer Frömmigkeitsentfaltnng. Ist
das aber auch unser Gottesweg?
Es gibt für uns eine Heilsgeschichte, die hat der Herr aller
Geschichte damit gesetzt, daß er Christus eingehen ließ in das
deutsche Leben nach der Völkerwandernng und dadurch unsre
ganze innere Geschichte bestimmte. Dieser Heilsgeschichte
halten wir die Treue. Aber was damals solche jndenchristliche
Frömmigkeit der« Botschaft von Iesus aufprägte —- im
Gegensatz zu der ganzen Botschaft Jesu nnd zu seinem Kampf
und Sterben —- ist für uns niemals bindend. Jedenfalls gibt

58
es im Neuen Testament eine heilsgeschichtliche Schan, die
wesentlich anders ist, etwa in der Areopagrede des Paulus,
die fiir uns als Nichtjnden weit näher liegt.
Sie bemühen sich mit emsigen Fleiß, für unsre Arbeit, fiir
unsre Verdeutschungen Gründe anzugeben, die unsre Arbeit
irgendmöglich in Mißkredit bringen sollen. Aber Sie fragen
nicht, ob irgendein deutscher Mensch heute etwas weiß von
Fasten als religiöser Pflicht — und so können Sie auch nicht
ahnen, daß gerade die Übertragung ,,Entsagung« oder
,,Opfer« den Sachverhalt wiedergeben will und vielleicht
allein wiedergeben kann. Wie weit es geht, beweist die Tat-
sache, daß Sie schreiben: ,,...glaubt Grundmann siir den
christlichen Märtyrertod statt ,Bluttaufe« das Wort
,Todesweihe« einführen zu ntiisssen." Mir ist noch nicht
bekannt geworden, daß das Wort ,,Bluttaufe« in der Luther-
bibel zu finden ist. Ob nicht schon der Begriff ,,Märtyrer-
tod« eine Verschiebung ist, wo doch Jesus von der Vollendung
seines Werkes spricht, die durch feinen Tod eintritt?
Sie wollen beweisen, daß wir aus Sorge vor ,,Jndaismen«
einen Eingriff in den Text gemacht haben, über den »sich jeder
das notwendige Urteil selbst fällen mag«. Man spürt, welche
Suggestion in den Worten liegt, die Sie schreiben. Nur
schade, daß Sie nicht wissen, daß die Worte »Du sagst es«,
die Pilatus beim Verhör als Antwort Jesu empfängt, deut-
lich den Ton auf dein ersten Wort »Du« tragen und in der
aramäischen Umgangssprache eine ,,Verneinung« bedeuten.
Und wenn dann Pilatus ironifierend die Anklage der Juden
aufnimmt, wie will man das in deutscher Sprache in einem
gedruckten Text (der dann vorgelesen werden soll), anders
ausdrücken als es geschah. Jch bin erstaunt, wie wenig Sie

59
wirklich einmal die Dinge überdacht haben, ehe Sie zum An-
griff übergingen. Das allerdings ist die von uns vertretene
Uberzeugung, daß Jesus niemals der Juden König hat sein
wollen, und daß, wie es aus unsrer Darstellung hervorgeht,
die Anklage, er sei ein Messias, bewußter jiidischer Betrug
nnd Anlaß zum Justizmord ist.
Sie möchten freilich, daß wir alle Judaismen und alle
judenchristliche Verzeichnuug des Jesusbildes dem heutigen
Menschen gegenüber verteidigen. Damit verraten Sie nur,
daß Ihnen die Judenfrage, die heute das Schicksal des deut-
schen eVolkes bestimmt, niemals eine ernste Frage gewesen ist.
Wir nehmen darum auch gebührend zur Kenntnis, daß Sie
nichts andres sein wollen als »Biirger mit den Heiligen« —-
wir wissen, daß im Epheserbrief mit diesen Heiligen die Juden
gemeint sind, zu deren Heil nun auch die andern zugelassen
werden, die nicht Juden sind. Vielleicht überlegen Sie sich die
Folgerungen einmal, die bei dieser Betonung Ihrer Haltung
gezogen werden müssen.
Wir überlassen Jhnen auch die Beantwortung der Frage,
ob es nicht Geist des Rabbinentums ist, den Sie ans einer
von Luther begreiflicherweise stets beiseitegetanen Schrift des
Neuen Testamentes schöpfen, wenn Sie so auf die Unver-
sehrtheit (und Unantastbarkeit) des Buchstabens pochen.
Paulus hat einmal gesagt: »Der Geist macht lebendig.« Sie
müssen dem eVorwurf still halten, daß Sie nicht ein einziges
Mal Jhre Leser dahin führen, daß Sie darüber nachsinnen,
ob denn wirklich die im Wort, Leben und Sterben nnd Sieg
Jesu liegende Botschaft etwas gewinnt oder klarer nnd deut-
licher wird, wenn man die von Jhnen vermißten Stücke wieder
hinzutut. Wir glauben, daß das Fortgelassene nichts Neues

60
und nichts Wesentliches bringt — abgesehen davon, daß ein-
zelne Stücke, die Sie vermissen, im Johannesevangelium
oder in der Darstellung des Werdens der Christusgemeinde
gebracht werden, wo sie dann von selbst in das richtige Licht
treten.
Überrascht hat allerdings die Tatsache, daß Sie Legendeu
im Neuen Testament nicht anerkennen, daß Sie dichterische
Darstellungen von Glaubenswahrheiten in ihm nicht finden
wollen. Haben Sie niemals gespürt, wieviel Hemmungen
ehrlichem Suchen gegenüber der christlichen Botschaft gerade
dadurch erwachsen, daß diese Legenden und Verhüllungen von
unserm Volk immer als Tatsachen und wirkliche Begeben-
heiten in der äußeren Welt verstanden werden miissen? Haben
Sie niemals gespürt, wie etwa die Geschichte vom Jüngling
zu Nain eine völlig falsche Auffassung der Auferstehung
zwangsläufig mit sich bringt?
Wir hätten also Jhrerseits schon etwas mehr Ernst, Ge-
wissenhaftigkeit nnd Ehrfurcht erwarten dürfen. Vielleicht
lernen Sie auch einmal verstehen, daß ,,mit Jesus glauben«
das Größte und Höchste ist, was uns Menschen geschenkt
werden kann. Niemals wird dem Menschen das Wagnis
eignen Glaubens erspart F- und echter Glaube an Gott, der
also zugleich Gottgehorsam und Gottgeborgenheit ist, wird
niemals sein ohne das Kreuz. Haben Sie es notwendig, auch
hier ehrfurchtslos hineinzugreifen in die trageude Wahrheit
jenes Glaubens, der andre froh und stark und gewiß macht?

Jch erinnere Sie an einige Lieder: »Nur mit Jesus


will ich Pilger wandern. . .« — ,,. . . führ uns an der Hand
bis ins Vaterland!«

61
Jch erinnere Sie an den Begriff der ,,Nachfolge Jesu«,
an das ,,Aufschanen auf den Anfänger und Vollender unsres
Glaubens«.
Wäre es nicht doch richtiger gewesen, etwas bescheidener
zu sein? Oder sollte eben nur ein kirchenpolitischer Gegensatz
neu in unser Volk hineingetragen werden?
Jch bin gespannt, wie das Volkstestament aussieht, mit
dem Sie dem deutschen Volk, in der Sprache, die es heute
spricht, die Botschaft Gottes sagen wollen«

Heil Hiklekk

(gez.) F r o in m , Oberpfarrer
Die Botschaft Gottes

Eine Übersetzung und Verdeutschung der in

den drei ersten Evangelien


verwendetenJesus-Überlieferungen

304 Selten. Handlithes Taschenformat


Tell l—lV, biegsamerLeinenband RM 1.40
Teill »Fesus der Heilandy gesondert30 Pf.

Endlich ist ein neues Testament erschienenfür die heutige Zeit ——-
für die Deutschenvon heute. Bei dieser Übertragung wurde all das
berücksichtigt,was die moderne Wissenschaft in den letzten hundert
Jahren als richtig und unanfechtbar erkannt hat. Wie stark die
deutschenMenschen daran interessiert sind, sieht man daran, daß
vom ersten Teil in kurzer Zeit über 150 ooo Exemplare abgesetzt
wurden-

,,Die ,Botschaft Gottes« kann den Konfirmanden in die Hand


gegeben,den Soldaten ins Feld gesandt werden, sie ist für den
suchendenund fragenden deutschenMenschen bestimmt, der zum
Neuen Testament, wie es uns überliefert worden ist, keinen Zugang
mehr hat! Diese Herausgabe bedeutet ein Ereignis ersten
Rat-ges Sorgen wir dafür, daß dieses Ereignis zu seinen not-
wendigen Auswirkungen kommt! Volks-Testament muß es
durch uns nun voll und ganz werden«
»D«NatlonalllrcheinSachseuiAnhalt«,Sanversleben

Durch jede Buchhandlung zu beziehen

Verlag Deutsche Christen in Weimar, Postsach 443


Kommissionsverlag Georgngand,Leipzlg,Postfach 38
zur relcscssen Wuøusrcckisuns

erschienen

im Verlag Deutsche Christen, Weimar:

Prof Dk.Grundmann:
»Die Gotteskindschast in der Geschichte Fesisi
JDie Entjudung des religiösen Lebens»
Lic. Schenke: »Das Christentum im ersten Jahrhundert,
völiisch gesehen»
In Vorbereitung-
Prof Dk.Grundmann: »Wer war Jesus von Nazareth?«
AufdieseFrage,dieheute
dasganzedeutsche
Volkbeschästigt,
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Schriftantworten

im Verlag Georg Wigand, Leipzig:

Prof. Dr. Walter Grundmann:


»Fesus der Galiläer und das Judentum-
256Seiten KartoniertRM 3.80,Ganzleinen
NM 4.60
In Vorbereitung:
Prof. D. Dr. Johannes Leipoldt:
»Fesu Verhältnis zu Griechen und Juden»
248Seiten KartoniertRM 4.60,Ganzieinen RM 5.80
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Bücherbeantworten dieFrage,wieJesuszumJudentum
standundoberselbst
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ihres gegenseitigen Verhältnisses
S i e ungs berichte derersten Arbeitstagung desjii-
desInstitutszurErforschung
oischen aufdasdeutsche
Einflusses Lebenvomi. bisZwist-H1940in Wittenberg
iirchliche
Herausgegeben von Prof. Dr. Walter Grundmann
248Seiten KattoniertRM 5.50,Gans-leistenRM 6.50
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