Sie sind auf Seite 1von 4

Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung – Wikipedia 23.11.

22, 10:36

Theorie der wirtschaftlichen


Entwicklung
Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung ist ein wirtschaftswissenschaftliches Werk
des österreichisch-deutsch-amerikanischen Ökonomen Joseph Schumpeter. Es erschien zuerst
1911[1]. Das Werk gehört zu den bekanntesten Werken der Wirtschaftswissenschaften des 20.
Jahrhunderts. Schumpeter veröffentlichte das Werk im Alter von 28 Jahren als Professor in
Graz. Es fand viel Anerkennung und machte den jungen Autor in der Fachwelt bekannt.

1926 erschien eine überarbeitete und gekürzte Ausgabe, die bis heute mehrfach wieder
aufgelegt wurde. Hier wurde das wichtige zweite Kapitel komplett überarbeitet und das siebte
Kapitel Das Gesamtbild der Volkswirtschaft gestrichen. Der Titel wurde erweitert, vor allem
mit dem Zweck, dem Missverständnis entgegenzuwirken, es handele sich um ein Buch über
Wirtschaftsgeschichte.

Inhaltsverzeichnis
Kerngedanke
Inhaltsübersicht des Buches
Erklärung des Konjunkturzyklus
Rezeption
Ausgaben
Literatur
Fußnoten

Kerngedanke
Im Gegensatz zum wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream, der sich vorwiegend mit
Marktgleichgewichten beschäftigte, sah Schumpeter kapitalistische Märkte prinzipiell im
Ungleichgewicht. Ähnlich wie Karl Marx, dessen wissenschaftliche Leistung Schumpeter
zeitlebens hoch schätzte, erklärte er die Dynamik der kapitalistischen Entwicklung aus sich
selbst heraus.

Oft aufgegriffen und zitiert wird das Kernstück des Buches, die Beschreibung des Wesens und
der Bedeutung unternehmerischer Innovation als Durchsetzung neuer Kombinationen von
Produktionsfaktoren. Die Schlüsselrolle in der wirtschaftlichen Dynamik spielen die

https://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_der_wirtschaftlichen_Entwicklung Seite 1 von 4


Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung – Wikipedia 23.11.22, 10:36

Pionierunternehmer, die nach neuen Kombinationen suchen und diese – auch gegen
Widerstände – umsetzen („dynamischer Unternehmer“).

Schumpeter unterscheidet fünf Fälle neuer Kombinationen:

Produktion eines neuen Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes,
Einführung einer neuen Produktionsmethode,
Erschließung eines neuen Absatzmarktes,
Eroberung neuer Bezugsquellen von Rohstoffen oder Halbfabrikaten,
Neuorganisation der Marktposition, z. B. Schaffung oder Durchbrechung eines Monopols.

„Neue Kombinationen“ (später heißt es „Innovationen“) können unter Anderem eine


„Andersverwendung des Produktionsmittelvorrats der Volkswirtschaft“ sein, das heißt, dass
Anderes oder anders produziert und vertrieben wird. Später hat Schumpeter diesen Prozess der
Durchsetzung von neuen Kombinationen im Hinblick darauf, dass er eingespielte Praktiken in
der Arbeitswelt verdrängt, als „schöpferische Zerstörung“ bezeichnet.

Unternehmer ist nach Schumpeter nur der, der eine neue Kombination (Innovation) durchsetzt.
Die Prämie für die Neuerung stellt der Unternehmergewinn dar. Der innovative Unternehmer
erzielt zunächst einen Monopolgewinn, der Nachahmer auf den Plan ruft, so dass die
Gewinnspanne mit der Zeit dem Wettbewerb zum Opfer fällt. Wenn er Unternehmer bleiben
will, muss er weiter nach neuen Kombinationen suchen. Die Funktion des Kapitalisten ist es
hingegen, Kapital in Form des Kredits zur Verfügung zu stellen, für das er einen Kapitalzins
erhält; er trägt auch das finanzielle Risiko. Vom dynamischen Unternehmer grenzt Schumpeter
den „Wirt schlechtweg“ ab; das ist der Unternehmer, der in traditioneller Weise, ohne „neue
Kombinationen“ durchzusetzen, mit einem konkurrenzüblichen Normalgewinn wirtschaftet.

Bei der Beschreibung der Motivation des Unternehmers benutzt Schumpeter eher
psychologische als ökonomische Kategorien. Der Traum und der Wille, ein privates Reich zu
gründen, Siegerwille und Freude am Gestalten trieben den Unternehmer an, nicht
Bedürfnisbefriedigung, Nutzenkalkül oder Gier.[2]

Inhaltsübersicht des Buches


Während Schumpeter im ersten Kapitel das Wirtschaftsleben als statisches Gleichgewicht bzw.
Kreislauf schildert – „in jahraus jahrein wesentlich gleicher Bahn“[3], beschäftigt er sich im
zweiten Kapitel mit dem Phänomen und den Konsequenzen der wirtschaftlichen Entwicklung,
unter der Schumpeter echte Neuerungen versteht. Entwicklung bedeutet Ausbrechen aus
gewohnten Bahnen, spontane und diskontinuierliche Änderungen, die sich nicht äußeren
Anstößen verdanken oder aus quantitativen Änderungen ergeben.

Diese Innovationen gewinnen Gestalt in neuen Produkten, neuen Produktionsmethoden oder


Geschäftsmodellen, der Erschließung neuer Absatzmärkte oder Rohstoffquellen sowie neuen
Organisationsformen. Entscheidend sind laut Schumpeter hierbei nicht die Ideen und Konzepte
an sich, sondern die Durchsetzung der neuen Kombination von Produktionsmitteln. Hierbei
komme es auf dreierlei an: den richtigen „Blick“, die Intuition, da es für das Neue keine
vorhandenen Daten oder Handlungsregeln gibt, sodann die innere Freiheit und Energie, sich

https://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_der_wirtschaftlichen_Entwicklung Seite 2 von 4


Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung – Wikipedia 23.11.22, 10:36

vom Gewohnten abzustoßen, und schließlich die Fähigkeit, vielfältigste Widerstände zu


überwinden. Diese Fähigkeiten und ihre Wirkung auf andere, nicht aber der bloße
Eigentümerstatus, die entsprechende Risikoübernahme oder die Machtbefugnis machen für
Schumpeter den Unternehmer (wie auch Führerschaft im Allgemeinen) aus. Insgesamt ist die
Unternehmerfunktion „das eigentliche Grundphänomen der wirtschaftlichen Entwicklung“.[4]

Aus diesen Zusammenhängen ergeben sich – wie Schumpeter im weiteren Verlauf des Werkes
darlegt – die weiteren Aspekte und Faktoren wie Kredit und Kapital (3. Kapitel), der
Unternehmergewinn oder Mehrwert (4. Kapitel), der Kapitalzins (5. Kapitel) und der Zyklus
der Konjunktur (6. Kapitel), aber auch „der Auftrieb und das Sinken der kapitalistischen
Welt“[5], die Schumpeter zum Gegenstand seines Buches Kapitalismus, Sozialismus und
Demokratie machte.

Erklärung des Konjunkturzyklus


Schumpeter erklärt den Konjunkturzyklus aus der Störung des Marktgleichgewichts durch das
scharenweise Auftreten innovativer Unternehmer (im Aufschwung ziehen erfolgreiche
Pionierunternehmer andere nach sich). In dessen Verlauf führt das zur Aufzehrung des
Unternehmergewinns. Es kommt zum Abschwung, das heißt zur Anpassung der Volkswirtschaft
an das Neue mit Preisverfall und Kreditdeflation und schließlich zu einem neuen Gleichgewicht.

Rezeption
Heute gilt Schumpeters Buch als Klassiker; die zeitgenössische Rezeption war allerdings
hauptsächlich kritisch. Schumpeters Lehrer Eugen von Böhm-Bawerk kritisierte die Definition
der Begrifflichkeit als „widerspruchsvoll nach Bedarf abwechselnd weit und wieder eng“, lehnte
die Kapitaltheorie und insbesondere die im Buch vertretene Zinstheorie ab. Schumpeters
Ansicht von der Existenz „zinsloser Phasen“ im Wirtschaftsprozess sei empirisch widerlegt, die
Vorstellung vom Zins als Produkt des Unternehmergewinnes sei falsch. Trotzdem bezeichnete
Böhm-Bawerk in seiner Rezension Schumpeter als „feinen theoretischen Kopf“.[6]

Ausgaben
Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin 1911; Neuausgabe hrgg. von Jochen Röpke
und Olaf Stiller, Berlin 2006.
Zweite, gekürzte und überarbeitete Ausgabe 1926 unter dem Titel Theorie der
wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit,
Zins und den Konjunkturzyklus

Literatur
Jesko Dahlmann: Das innovative Unternehmertum im Sinne Schumpeters: Theorie und
Wirtschaftsgeschichte. Metropolis Verlag, Marburg 2017, ISBN 978-3-7316-1269-8.
Herbert Matis: Der „Entrepreneur“ als dynamisches Element im Wirtschaftsprozess.
Schumpeters Beitrag zur Theorie unternehmerischen Verhaltens (Vortrag im Wiener

https://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_der_wirtschaftlichen_Entwicklung Seite 3 von 4


Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung – Wikipedia 23.11.22, 10:36

Rathaus am 27. November 2000), Picus Verlag, Wien 2002, ISBN 978-3-8545-2388-8.
Allen Oakley: Schumpeter's Theory of Capitalist Motion. A Critical Exposition and
Reassessment., Edward Elgar Publishing, Aldershot 1990. ISBN 1-85278-055-X.

Fußnoten
1. Harald Hagemann: Schumpeter, Joseph Alois. In: Neue Deutsche Biographie (NDB).
Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 755 f. (Digitalisat).
2. Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn,
Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, Berlin 1987, S. 132ff.
3. Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn,
Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, Berlin 1987, S. 93
4. Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn,
Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, Berlin 1987, S. 110
5. Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn,
Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, Berlin 1987, S. 122
6. Heinz D. Kurz/Richard Sturn: Schumpeter für jedermann. Von der Rastlosigkeit des
Kapitalismus. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt/Main 2012 ISBN 978-3-89981-260-2,
S. 161ff.

Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?


title=Theorie_der_wirtschaftlichen_Entwicklung&oldid=223448193“

Diese Seite wurde zuletzt am 5. Juni 2022 um 12:15 Uhr bearbeitet.

Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; Informationen zu den Urhebern
und zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien (etwa Bilder oder Videos) können im Regelfall durch Anklicken
dieser abgerufen werden. Möglicherweise unterliegen die Inhalte jeweils zusätzlichen Bedingungen. Durch die
Nutzung dieser Website erklären Sie sich mit den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzrichtlinie einverstanden.
Wikipedia® ist eine eingetragene Marke der Wikimedia Foundation Inc.

https://de.wikipedia.org/wiki/Theorie_der_wirtschaftlichen_Entwicklung Seite 4 von 4

Das könnte Ihnen auch gefallen