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Geschäftsmodelle

sinnvoll entwickeln
und die Wertschöpfung
steigern Wie Bürgerenergiegemeinschaften
ihren Beitrag zum Klimaschutz erhöhen

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BÜRGE
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HEUTE
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MORGE

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Inhalt
1 Worum geht es? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 01

1
2 Von der Strategie zur Wertschöpfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 02
Mit einer guten Strategie fit für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 03
Lohnende Geschäftsmodelle identifizieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 07
Werte in der Energiegenossenschaft schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3 Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien. . . . . . . . . 16


Solarstrom vom Dach: Gute Kund*innen, gute Dächer, gute Geschäftsmodelle . . . . . .
Photovoltaik-Anlagen für Privatpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
17 Worum geht es?
Gemeinsam eine Photovoltaik-Tochterfirma aufbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Solarselbstbau: Photovoltaik-Anlagen selbst aufs Dach bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Etwas für den Klimaschutz tun – das ist Motivation und Antrieb für das
Stecker-Solarmodule: Sonnenenergie mit Ansteckungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Engagement der Menschen, von dem die Bürgerenergie lebt. Die meisten
Bürgerenergiegemeinschaften basieren auf ehrenamtlichem Einsatz, der
Die Energiewende im Großen: Photovoltaik-Freiflächen in Bürger*innenhand . . . . . . . 26
eine Vielfalt an fachlicher Kompetenz umfasst. Eine fruchtbare Saat mit
PPA: Strom aus PV-Freiflächen direkt vermarkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Photovoltaik-Freiflächen und Energiegenossenschaften: Erfolgsfaktoren. . . . . . . . . . . . . 32
weitreichendem Potenzial. Diese Broschüre fokussiert sich auf Bürgerener-
Maximale Wertschöpfung vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 giegenossenschaften (BEGen), wobei sich viele Inhalte auch auf andere
Volle Bürger*innen-Wind-Kraft voraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Rechtsformen übertragen lassen.

4 Energiegenossenschaften bringen
Ressourcen und Potenziale optimal nutzen In Bewegung bleiben bei Veränderungen
die Wärmewende mit auf den Weg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Im Ehrenamt ist die Zeit knapp und kostbar. Umso wichtiger Das Leben ist charakterisiert durch stetige Veränderung.
Mit Wärmeprojekten die Wertschöpfung steigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 sind passende Geschäftsmodelle, mit denen die Kompeten- Die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine, politische Rahmen-
Wärme, schnelles Internet und Sonnenstrom vom Dach. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 zen innerhalb der BEGen optimal genutzt werden und sich bedingungen, der Fachkräftemangel u.a. spiegeln dies in
der Beitrag zum Klimaschutz steigern lässt. Deshalb sind
Wärme- und Energiekonzept für ein neues Quartier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 der Energiebranche beispielhaft wider. BEGen müssen diese
lohnende Geschäftsmodelle und eine Erhöhung der Wert- Veränderungen im Blick haben und darauf reagieren. Diese
schöpfung Kernthemen dieser Broschüre. Wenn Energiege-
Broschüre bietet dazu aufschlussreiche Informationen zu
5 Energiegenossenschaften gestalten nossenschaften ihre Tätigkeitsfelder erweitern, sichern sie
lohnenden Projekten.
ihre Zukunft, schaffen leichter den Schritt hin zu bezahlten
die Verkehrswende mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Kräften und werden attraktiver – sowohl gegenüber ihren
Mobilität in Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Mitgliedern als auch gegenüber ihren Stakeholdern.
Bündnis Bürgerenergie vermittelt Wissen
„Wirtschaftlichkeit ist stark vom Standort der Ladestation abhängig“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Im Rahmen des Projekts „Energiegenossenschaften in der
Einige BEGen haben in hauptamtliche Arbeitskräfte in- Nutzung von erneuerbaren Energiequellen“ legt das Bünd-
6 Liegt die Zukunft der Bürgerenergie in der Sharing Economy? . . . . 50 vestiert. Wie werden diese finanziert und wo werden sie nis Bürgerenergie (BBEn) nun die dritte Broschüre vor, wel-
beschäftigt – in der Genossenschaft oder einer Tochter- che von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geför-
gesellschaft? Je mehr Wertschöpfungsstufen BEGen selbst dert wird. Ihre Themen wurden u.a. in zwei vorausgehenden
abdecken können, umso mehr Werte schaffen sie. Doch Workshops entwickelt und inhaltlich sowie redaktionell vom
Impressum welche zusätzlichen Wertschöpfungsstufen lassen sich über- Netzwerk Energiewende Jetzt, einem der Gründungsmitglie-
nehmen? Dies zeigen die Praxisbeispiele aus den Geschäfts- der des Bündnis Bürgerenergie, mitgestaltet.
feldern Stromproduktion aus Sonnen- und Windenergie,
Wärme und Elektromobilität.

B 1
BürgerEnergieGenossenschaft Kraichgau eG, www.beg-kraichgau.de

Austausch mit Vertreter*innen von Bürgerwerke-Mitgliedsgenossen-


schaften im Jahr 2018 über Strategien und Entwicklungspotenziale.

Mit einer guten Strategie


fit für die Zukunft
2 Messbare Ziele und eine gut entwickelte, passende
Strategie sind das A und O für die Weiterentwicklung
von Bürgerenergiegenossenschaften (BEGen). Der erste
Ohne Projekte wird die BEG zunehmend unattraktiv für neue
Aktive. All das sind Merkmale einer strategischen Krise.

Von der Strategie Schritt dazu ist eine gründliche Analyse der Stärken und
Schwächen, Chancen und Risiken.
Wollen Genossenschaften sich weiterentwickeln und ihre
Ziele erreichen, brauchen sie andere Strategien. Das ist ein
strukturierter Prozess und baut idealerweise auf der jeweili-

zur Wertschöpfung Viele BEGen haben sich aus dem Bedürfnis heraus ge-
gründet, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen,
gen Vision und Mission auf.

die Abhängigkeit von fossilen Energien zu reduzieren, die Vision und Mission: Daseinsberechtigung und Nutzen
In diesem Kapitel geht es um wesentliche Aspekte der Weiterentwicklung von Bürger- Wertschöpfung vor Ort zu steigern und Bürger*innen eine Eine Vision soll inspirieren, die Mission gibt den Geschäfts-
energiegenossenschaften (BEGen). Eine Strategie und messbare Ziele, die auf einer Geldanlage und Partizipationsmöglichkeiten anzubieten. Mit zweck und die großen Ziele vor. Beispiele einer Vision sind:
viel Motivation und Engagement haben die Verantwortlichen • Eine atomstromfreie, nachhaltige, preisgünstige, dezentra-
gründlichen Analyse aufbauen, bilden die Grundlage für den Weg in eine nachhaltige Zu- Projekte geplant und umgesetzt. Mit den sich verändernden le und effiziente Energielandschaft mit Bürgerbeteiligung.
kunft. Ein wichtiger Bestandteil der Strategie ist die Identifikation und Auswahl lohnender Rahmenbedingungen sind in den letzten Jahren neue Pro- (Teckwerke eG, www.teckwerke-buergerenergie.de)
jekte seltener geworden, zeitweise stagniert die Zahl sogar. • Wir elektrisieren den Kraichgau! Mit unserem Engagement
Geschäftsmodelle. Dies wird anhand einer bewährten Methode an praktischen Beispielen Was ist passiert? Alte Geschäftsmodelle wie die Volleinspei- tragen wir zur Sicherung unserer gemeinsamen Klima- und
beschrieben. Ein dritter Text widmet sich dem Thema Wertschöpfungstiefe. Welche wert- sung bei Solarprojekten haben nicht funktioniert, neue sind Energiezukunft bei – für uns und nachfolgende Generatio-
schöpfenden Leistungen sollten Energiegenossenschaften selbst erbringen, damit sie komplexer geworden, Mitbewerber*innen bekommen die nen. (BürgerEnergieGenossenschaft Kraichgau eG,
Aufträge, bei den Verantwortlichen wächst die Frustration. www.beg-kraichgau.de)
erfolgreich Projekte realisieren und deren Wirtschaftlichkeit steigern können?

2 3
Beispiele einer Mission sind: Die Analyse: SWOT-Matrix
• Wir nehmen die Energieversorgung selbst in die Hand und Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken
erzeugen selbst den Strom, den wir verbrauchen. (HEG Ein Teil der Analyse widmet sich externen Faktoren. Auf
Heidelberger Energiegenossenschaft eG, Basis von Fakten, Meinungen und Einschätzungen wird das
www.heidelberger-energiegenossenschaft.de) Umfeld beleuchtet, in dem sich die BEG bewegt. Lassen sich • Referenzprojekte in PV-Dachanlagen • keine neuen Projekte/Stagnation
• Gemeinsam setzen wir uns aktiv für den Ausbau der erneu- bestimmte Punkte nicht klar belegen, ist es sinnvoll, mit • hohes Fachwissen vorhanden • Kooperationen ohne Nutzen
erbaren Energien in Leipzig und der Region ein – bürgernah Hypothesen zu arbeiten. Können die Mitglieder bestimmte • Genossenschaft ist gut vernetzt • keine strategische Planung
und dezentral. (Energiegenossenschaft Leipzig EGL eG, Punkte nicht beantworten, wird dies ebenfalls festgehalten. • hohe Zahl an aktiven Mitgliedern • Vorstände sind überlastet
www.energiegenossenschaft-leipzig.de) Denn diese Punkte verbleiben als Risiken. Einige wichtige • gute Eigenkapitalquote • strukturierte Akquise fehlt
Fragen, die sich Verantwortliche stellen sollten, sind hier • gute Öffentlichkeitsarbeit • „Festbeißen“ in komplexen Projekten
Vision und Mission spiegeln die Daseinsberechtigung und aufgelistet:
den Nutzen der Genossenschaft wider. Sie sind Kern der
Motivation für die Aktiven, Unterstützer*innen, Mitglieder • Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen betreffen Ihr SWOT-Matrix
und Kund*innen. Geschäft? Welche Veränderungen sind zu erwarten? Was
hat das für Auswirkungen?
Genossenschaften sollten sich überlegen, mit welchen zwei • Wie groß ist Ihr Markt? Wie viele Kund*innen, Partner*in- • Durch Krieg in der Ukraine hat Ausbau • stark schwankende Energiepreise
Sätzen sie zum Ausdruck bringen können, welche inspirie- nen, Akteur*innen umfasst er? Wie viele Dienstleistungen? der Erneuerbaren hohe Priorität • drohende Lieferengpässe
rende Zukunft sie sich für die Genossenschaft vorstellen und • Wer sind die Kund*innen? Wie lassen sich diese gruppieren? • Klimaschutz ist Megathema • Fachkräftemangel
was sie unternehmen, damit diese Zukunft Realität wird. • Kennen die Kund*innen Sie? • Einführung der PV-Pflicht • Projekte werden komplexer
Wie nehmen diese Sie als Genossenschaft wahr? • wachsendes Interesse an • wenig Interesse der Kommune
• Was sind die Kaufgründe? Was ist den Kund*innen wichtig? Eigenverbrauch bei Kunden
Was sind die Gründe, um zum Beispiel Ihren Ökostrom zu
beziehen oder einen Vertrag über den Kauf einer Solar-
anlage zu schließen? Quelle: Netzwerk Energiewende jetzt e.V.
• Wie sind die Margen und Renditen in den einzelnen
Geschäftsfeldern?
• Wer sind die Wettbewerber in Ihrem Marktgebiet?
Was kennzeichnet diese? • Was sind die Hürden, um in den Markt einzutreten, etwa • Auf welchen Stärken beruht Ihr Erfolg?
um ein E-Carsharing-Projekt aufzubauen? Ist mit neuen • Wie können Sie diese Stärken nutzen?
Mitbewerber*innen zu rechnen? • Gibt es etwas, was Sie einzigartig und
• Was wird sich technologisch ändern? unverwechselbar macht?
• Welche sozialen, gesellschaftlichen Vorteile kann Ihre BEG • Welche Schwächen hindern Sie daran,
erzeugen? Ihr volles Potenzial auszuschöpfen?
Interne Analyse • Wie können Sie diese Schwächen abbauen?
• Wie ist das Verhältnis zwischen Angeboten und Diese Betrachtung ist für jedes Geschäftsfeld gesondert • Wie können Sie auf Risiken reagieren?
Als Erstes wird die Genossenschaft selbst, Aufträgen? Was sind die Gründe für Absagen? vorzunehmen. Es stellt sich für Photovoltaik (PV)-Dachanla- • Welche Chancen können Sie nutzen?
ihre Entwicklung und der aktuelle Stand • Wer sind Ihre Kund*innen? gen anders dar als für PV-Freiflächenanlagen, Wärme oder
beleuchtet. Wie viel Umsatz machen Sie mit diesen? Mobilitätslösungen. Aus der Summe aller relevanten, d.h. aller für den Erfolg
Was sind gute Kund*innen, was schwierige? kritischen Punkte, ergibt sich eine sogenannte SWOT-Ma-
Folgende Fragen führen zu aussage- Was lässt sich daraus ableiten? trix. In der Auflistung werden die relevanten Punkte an
kräftigen Antworten: • Wie viel Zeit bringt der Vorstand monatlich auf? Die Ergebnisse bilanzieren erster Stelle genannt.
Was ist davon Administration und Verwaltung? Resultat der internen und externen Analysen, englisch
• Wie haben sich Bilanz und Gewinn in den letzten Wie viel Zeit bleibt für Strategie, Vertrieb, SWOT-Analyse, ist ein Profil mit Stärken und Schwächen, Die Ergebnisse in der Matrix bilden die Grundlage für
drei Geschäftsjahren entwickelt? Projektentwicklung, Betrieb usw.? Chancen und Risiken. Üblicherweise wird dieses in einer die Maßnahmen, die beschlossen und eingeleitet werden
Sind Sie geschrumpft oder gewachsen? • Auf welche Kompetenzen haben Sie Zugriff? Matrix visualisiert. Chancen und Risiken werden aus der sollten. Kritische Erfolgsfaktoren bei der Weiterentwicklung
• Welche Geschäftsfelder tragen hauptsächlich Welche Kompetenzen würden Sie gerne voran- Betrachtung des externen Umfelds deutlich, Stärken und der BEG sind meist die Entlastung der Vorstandschaft, das
zum Unternehmensergebnis bei? bringen? Schwächen aus der internen Analyse. Betrachtet werden Gewinnen weiterer Aktiver, die weitere Professionalisierung
• Wie hat sich die Mitgliederzahl entwickelt, • Wer sind Ihre Partner*innen? sollten vor allem die Aspekte, die für den Erfolg relevant mit bezahlten Kräften sowie das (Weiter-)Entwickeln loh-
wie viele Aktive haben Sie gewonnen? Was ist deren Beitrag? sind: nender Geschäftsmodelle.

4 5
2 | Von der Strategie zur Wertschöpfung

Lohnende Geschäftsmodelle
identifizieren
Auf welche Geschäftsmodelle sollte sich die Energie- dauert es, bis sich Ergebnisse erzielen lassen? Ein Jahr,
genossenschaft konzentrieren? Wo hat sie Stärken? drei Jahre? Wie groß ist der Markt und wie gut können die
Mit einer bewährten Methode lassen sich Geschäfts- BEGen Projekte skalieren? Wie ist die Nachfrage bei den
modelle bewerten und Entscheidungen für die Zukunft Kund*innen? Wie hoch sind die Risiken, etwa die Abhängig-
treffen. keit von Gesetzen, den Entscheidungen von Gemeinde- und
Stadträten usw.?
Bürgerenergiegenossenschaften (BEGen) erzeugen Strom
SMARTe Ziele • der Zahl der Stromkund*innen, aus Photovoltaik(PV)- oder Windenergieanlagen, versorgen Mit der hier vorgestellten Systematik können BEGen alle Ge-
Die strategische Ausrichtung mündet in SMARTe Ziele, die • dem Zuwachs an Mitgliedern, Bürger*innen mit Wärme, bieten Ökostrom an, offerieren schäftsfelder und Geschäftsmodelle einordnen. Zwei Beispiele:
den angestrebten Erfolg konkretisieren. Diese Ziele sollten in • der Anzahl Aktiver und ihre Zufriedenheit, Menschen die Möglichkeit, gemeinsam klimafreundlich mobil
den drei Planungshorizonten kurzfristig (aktuelles Geschäfts- • der Mobilisierung von Bürger*innen, zu sein, bauen Ladeinfrastruktur auf usw. Die Auswahl der
jahr), mittelfristig (drei bis fünf Jahre) und langfristig (zum • der Anzahl bezahlter Kräfte, Geschäftsfelder und -modelle resultiert nicht immer aus Beispiel 1:
Beispiel 2030 oder 2035) zum Ausdruck gebracht werden. • der Bekanntheit und dem Image, begründeten und strukturiert hergeleiteten Entscheidungen. Projektierung, Bau und Verkauf von kleinen PV-Anlagen
• der Anzahl der Kund*innen und deren Zufriedenheit, Sie hängt oft von Interessen der Verantwortlichen ab oder Einige BEGen planen, bauen und verkaufen kleine PV-An-
Die Ziele sollten SMART formuliert werden, d.h.: • der Wertschöpfung in der Region, von Wünschen der Mitglieder. Doch bei BEGen sind zeitliche lagen an ihre Mitglieder und interessierte Bürger*innen.
• Spezifisch, positiv und so konkret wie möglich, • der Ausschüttung von Dividenden und Darlehenszinsen an Ressourcen ein knappes Gut. Deshalb ist eine Fokussierung Sie gewinnen Kund*innen und Mitglieder und projektieren
• Messbar, anhand von qualitativen und quantitativen die Mitglieder, wichtig, um den Beitrag zur Energiewende zu steigern und die Anlagen, bei Bedarf auch mit Wallbox und Speicher. Sie
Messgrößen, • dem Wissensaufbau innerhalb und außerhalb der Genos- zu beschleunigen sowie um die Genossenschaft als Unter- kaufen das Material ein, übernehmen einen Teil der Montage
• Attraktiv, also interessant und lohnend für die Mitwirkenden, senschaft usw., nehmen weiterzubringen. bzw. beauftragen Dienstleister, regeln den Netzanschluss
• Realistisch, innerhalb der vorgegebenen Zeit und mit den • dem qualitativen Beitrag zu den Zielen der Bundesregie- und verkaufen die fertigen PV-Anlagen. Je nach Interesse
vorhandenen Mitteln erreichbar, rung, des Paris-Agreements etc. Kann und will die Energiegenossenschaft Zeit, Energie und bieten sie den Kund*innen für den zusätzlich benötigten
• Terminiert, mit definierten Zeiten, in der die Ziele erreicht Geld in den zeitaufwendigen Aufbau eines E-Carsharing-Pro- Strom einen Ökostromtarif an.
werden sollen. Die strategische Entwicklung ist ein andauernder Prozess, jektes stecken oder fokussiert sie sich auf den Ausbau ihrer
den Vorstand, Aufsichtsrat und Aktive regelmäßig neu jus- Kernkompetenz im Bereich PV? Möchte sie bezahlte Kräfte Die Abbildung auf Seite 8 zeigt die Bewertung der Markt-
Ein Beispiel: Wir möchten bis Ende 2022 die Zahl tieren sollten. Deshalb sollten Genossenschaften nach der beschäftigen und setzt deshalb auf Geschäftsmodelle mit attraktivität des Geschäftsmodells. Die Größe der Kreise
unserer Mitglieder von 360 auf 430 erhöhen, davon festgelegten Zeit analysieren, ob die Maßnahmen erfolg- den größten Chancen zur Finanzierung von Angestellten? beschreibt den potenziellen Beitrag zum Ergebnis der Ener-
sollen mindestens 40 Prozent Frauen sein. reich waren, mit denen sie die Strategie umsetzen wollten. giegenossenschaft (Umsatz-Aufwand).
Haben sie ihre Ziele erreicht oder nicht? BEGen sollten die Das in diesem Text vorgestellte Vorgehen praktiziert eine
Idealerweise beschließt die Genossenschaft die Ziele in jeweiligen Begründungen diskutieren und die Ziele wo nötig Reihe von BEGen bereits. Sie stellen sich folgende überge- Das Modell ist sehr attraktiv und verspricht eine hohe Um-
Vorstand und Aufsichtsrat und kommuniziert sie öffentlich: anpassen. Und vor allem ist es wichtig, die eigenen Erfolge ordnete Fragen: satzrendite. Die Nachfrage von Kund*innen ist hoch. Ob
auf der Homepage, in Mitglieder-News, in der Generalver- zu feiern! die Genossenschaft erfolgreich ist, steht und fällt mit der
sammlung. Das schafft Verbindlichkeit und dient als An- • Was macht die Energiegenossenschaft schon PV-Kompetenz der Beschäftigten und ob sie Zugriff auf ein
sporn. Gleichzeitig erreichen BEGen eine öffentliche Wahr- Zudem sollten sie gemeinsam besprechen, ob die Ziele jetzt mit Erfolg? DC-Montageteam hat sowie Elektriker, die die AC-seitigen
nehmung ihres Engagements: bei möglichen Kund*innen, ihrem Selbstverständnis entsprechen, das zur Bewältigung • Wie ausgeprägt ist die eigene Stärke bei den Arbeiten übernehmen. AC-seitig bezeichnet hier alle Leis-
möglichen neuen Aktiven, bei neuen Partner*innen. der Klimakrise notwendig ist. Welche Klimaziele sollten Geschäftsmodellen? tungen, die nach dem Wechselrichter ausgeführt werden,
BEGen sind auf die Maximierung der Wirkung ausgelegt nach ihrer Meinung nachverfolgt werden? Geht es um • Wie attraktiv ist das Marktumfeld für diese Leistungen? vom Kabelanschluss über den Einspeisezähler bis zur Inbe-
und nie ausschließlich auf Gewinnmaximierung. Sie sollten Klimaneutralität für die Sektoren Energiewirtschaft, Indus- triebnahme der Anlage. Mit dem DC-Montageteam sind – ein-
in Worten und Zahlen ausdrücken, was für sie Erfolg aus- trie, Verkehr und Wärme bis 2030, 2035 oder später? Was fach ausgedrückt – die Arbeiten auf dem Dach und bis zum
macht und welche Wirkungen sie erreichen wollen. Das heißt das konkret für ihre Region? Welchen Anteil an der Marktattraktivität bewerten Wechselrichter gemeint.
lässt sich auf zahlreichen Ebenen beschreiben: Entwicklung hin zu diesen Zielen wollen sie als Genossen- Bei der Einschätzung des Marktumfeldes kommen verschie-
schaft daran haben – ein Promille, ein Prozent oder mehr? dene Faktoren zusammen. Wie intensiv ist der Wettbewerb
• dem Unternehmensergebnis, In welchen der Sektoren wollen sie ihren Anteil leisten? Und in den aktuellen Geschäftsmodellen? Welche Renditen
• den vermiedenen Treibhausgasemissionen, schließlich: Was sollte sich bei ihnen ändern, damit diese lassen sich erwirtschaften? Wie hoch sind die Eintrittshür-
• dem PV-Zubau in Kilowatt-Peak (kWp), Ziele Wirklichkeit werden? den? Mit welchen Vorlaufkosten ist zu rechnen? Wie lange

6 7
2 | Von der Strategie zur Wertschöpfung

Bewertung der Marktattraktivität des Geschäftsfeldes PV-Dachanlage < 30 kWp Bewertung der Marktattraktivität des Geschäftsfeldes Stromvertrieb an Endkunden

Marktattraktivität Marktattraktivität

hoch hoch
Bewertungskriterien: Bewertungskriterien:
PV-ADA • Wettbewerbsintensität (Enpal, etc.) mittel • Wettbewerbsintensität (Enpal, etc.) mittel
+ Speicher
+ Wallbox • Rendite (>10%) sehr hoch • Rendite aus Umsatz mittel bis gut
• Eintrittshürde mittel bis hoch • Eintrittshürden gering

PV-ADA • Vorlaufkosten (ca. 20 bis T€) mittel • Vorlaufkosten gering


<30kWp • Zeit bis Ergebniswirksamkeit (6Mon.) kurz • Zeit bis Ergebniswirksamkeit kurz
„Solarteur“
• Marktgröße (lokal bis regional) groß • Marktgröße (lokal) groß
• Nachfrage von Kund*innen groß • Nachfrage von Kund*innen mittel
• Risiken mittel • Risiken gering
• Ergebnisbetrag hoch • Ergebnisbetrag gering bis groß

niedrig hoch niedrig hoch

Eigene Wettbewerbsstärke Eigene Wettbewerbsstärke

Quelle (beide Grafiken): Netzwerk Energiewende jetzt e.V.


Beispiel 2:
Stromlieferung an Endkunden
Zahlreiche Energiegenossenschaften bieten Ökostrom oder • Könnten Partner die Leistung erbringen? Hier ein fiktives, jedoch realistisches Beispiel: Eine BEG hat Im Vergleich sind die Modelle 4 und 5 am vorteilhaftesten.
auch Ökogas an, etwa unter den Marken Bürgerstrom oder • Hat sie Referenzen und zufriedene Kund*innen? ein E-Carsharing-Projekt mit zwei Fahrzeugen aufgebaut, Das Geschäftsmodell E-Carsharing lohnt sich derzeit wirt-
Solidarstrom. Sie arbeiten dabei mit energiewirtschaftlich • Hat sie die Leistungsfähigkeit, um Projekte vertreibt Ökostrom und -gas, betreibt acht PV-Dachan- schaftlich nicht. Andererseits ist die Verkehrswende wichtig
erfahrenen Partnern zusammen, seien es Stadtwerke vor umzusetzen? Wo ist die Grenze? lagen in Volleinspeisung sowie zwei Anlagen bei Gewerbe- und die öffentliche Aufmerksamkeit hoch.
Ort oder bundesweit tätige BEGen wie die EWS Schönau • Kann sie zu Marktpreisen anbieten? betrieben mit Direktlieferung. Zudem hat sie gerade ein
oder die Bürgerwerke. Die Bürgerwerke sind als Dachgenos- • Wer sind ihre Kund*innen? Hat sie Zugang zu diesen? Nahwärmnetz in einer Neubausiedlung gebaut. Die BEG entscheidet nun, welches Gewicht sie zukünftig auf
senschaft die gemeinsame Gesellschaft von mehr als 100 • Wie wird die Genossenschaft wahrgenommen? welche Geschäftsmodelle legt. Die vorhandenen personellen
lokalen Energiegemeinschaften und wickeln die gesamte Kennen die potenziellen Kund*innen sie? Im E-Carsharing fehlen noch regelmäßige Fahrzeugnutzer*in- und finanziellen Ressourcen werden überwiegend für jene
Wertschöpfungskette ab, vom Stromeinkauf über den On- • Ist klar, was den Kund*innen wichtig ist? nen. Das Geschäft steht am Anfang und ist derzeit nicht Geschäftsmodelle eingesetzt, die rechts oben in der Grafik
linevertrieb bis zur Abrechnung mit den Kund*innen. Die Was sind deren Kaufgründe? rentabel. Der Vertrieb von Strom und Gas bietet eine stetig angesiedelt sind.
einzelnen Mitgliedsgenossenschaften werben vor Ort Strom- • Wodurch unterscheidet sich die BEG von Mitbewerbern? wachsende, sichere Einnahmequelle. Aktuell fehlen jedoch
kund*innen an und erhalten dafür kontinuierlich eine Marge. Hat sie Alleinstellungsmerkmale? Aktive, die Stromkund*innen werben. Bei den PV-Anlagen • Das Geschäftsmodell E-Carsharing wird moderat
• Kann sie das Kapital aufbringen? hat die Genossenschaft sich eine hohe Kompetenz erarbeitet weiterentwickelt.
Der Vorteil der Ökostromprodukte ist die hochwertige • Kann sie die Projektrisiken tragen? und verfügt über gute Referenzen. Sie hat Projekte mit Dach- • Für den Vertrieb von Ökostrom und -gas soll ein
Produktqualität von 100 Prozent Ökostrom aus Anlagen in eigentümer*innen mit hohem Eigenverbrauch realisiert. Vertriebsteam aus Aktiven aufgebaut werden.
Deutschland, eine hohe Glaubwürdigkeit und ein zusätzliches Wenn eine junge Genossenschaft gerade ihr erstes Projekt • Das Modell Volleinspeisung bei PV-Dachanlagen wird zu
Wertversprechen, wenn eigene Anlagen der BEG im Portfolio realisiert, ist ihre Wettbewerbsstärke niedrig. Das ändert Bei der Nahwärme besitzt die Genossenschaft Kompeten- dem Zeitpunkt wieder stärker in den Blick genommen,
des Lieferanten sind. Außerdem lässt sich der Stromvertrieb sich, wenn sie mehrere Projekte vorweisen kann bzw. ge- zen im Vorstand, sie hat ein erstes Projekt realisiert und ein wenn die EEG-Vergütungen eine auskömmliche Rendite
gut mit anderen Geschäftsmodellen kombinieren, etwa dem eignete Partner*innen gefunden hat, die den Einstieg in das zweites ist in Arbeit. versprechen.
Mieterstrom oder der Direktlieferung an Endkunden. Geschäftsmodell erleichtern und die Risiken vermindern. • Das Geschäftsmodell PV-Direktlieferung wird stark ausge-
Je mehr Kompetenzen in der Genossenschaft aufgebaut In ihrer Strategieklausur ordnen die Verantwortlichen die baut. Die PV-Pflicht bei Neubauten, steigende Stromkosten,
werden, umso größer ist ihre Wettbewerbsstärke. Geschäftsmodelle in einer Matrix an (siehe Abbildung auf die wegfallende EEG-Umlage u.a. lassen eine höhere Markt-
Die eigene Wettbewerbsstärke entwickeln Seite 10 oben). Die Größe der Kreise beschreibt jeweils den attraktivität erwarten.
Ein anderer Teil bei der Bewertung von Geschäftsmodellen Ergebnisbeitrag, die blassen Kreise die Situation Ende 2021. • Das Geschäftsmodell Nahwärme wird mit externen Part-
ist die Stärke der Energiegenossenschaft selbst: Was leistet Geschäftsmodelle bewerten Am attraktivsten sind die Geschäftsmodelle im rechten nern stark ausgebaut. Hier sehen die Verantwortlichen das
sie bzw. was kann sie sich erarbeiten? Kriterien sind hier: BEGen können Marktattraktivität und eigene Wettbewerbs- oberen Quadranten. Sie bieten hohe Rendite, einen großen höchste Potenzial. Es gibt ein wachsendes Interesse von
• Hat sie die Fachkunde und die Zeit, um das Geschäftsmo- stärke in einer Grafik kombinieren und dabei verschiedene Markt usw. Die Energiegenossenschaft bringt hier eigene Kommunen. Angesichts des Krieges in der Ukraine muss die
dell umzusetzen? Geschäftsmodelle betrachten. Stärken ein, einen guten Kundenzugang, Referenzen, Glaub- Abkehr von fossilen Brennstoffen beschleunigt werden.
würdigkeit usw.

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2 | Von der Strategie zur Wertschöpfung

Bewertung von Geschäftsfeldern unter Berücksichtigung der Marktattraktivität und der eigenen Wettbewerbsstärke
Werte in der Energie-
hoch
genossenschaft schaffen
5

Welche wertschöpfenden Leistungen können Bürger- somit der Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähig-
Marktattraktivität

2 4
energiegenossenschaften (BEGen) selbst erbringen? keit eines Unternehmens. Die einzelnen Schritte hin zur
5 Mit dieser Frage beschäftigen sich viele Genossen- Gesamtleistung werden Wertschöpfungsstufen genannt; die
4 schaften, die sich weiterentwickeln möchten. Gesamtheit aller Stufen ist die Wertschöpfungskette.
2

In jeder Stufe werden Werte geschaffen. Die Ergebnisse


BEGen schaffen Werte für die Gemeinschaft und die Gesell- einzelner Wertschöpfungsstufen können intern angehäuft,
3
schaft insgesamt. Sie produzieren grüne Energie, stärken extern gekauft oder auch verkauft werden. Je mehr Wert-
die Teilhabe von Bürger*innen an der Energiewende, sorgen schöpfungsstufen eine Energiegenossenschaft selbst er-
1 3 dafür, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. bringt, desto mehr Werte schafft sie für das Unternehmen.
Am Beispiel Photovoltaik (PV) sieht das konkret so aus, wie
1 Mit wertschöpfenden Leistungen in der Genossenschaft in der Abbildung unten dargestellt. Hier ist die Wertschöp-
niedrig hoch sollten sich Genossenschaften genauer beschäftigten, wenn fungskette in die Stufen Akquise, Entwicklung, Bau und
sich Projekte nicht mehr rechnen oder wenn sie ihre Klima- Betrieb aufgeteilt.
Eigene Wettbewerbsstärke
schutzwirkung steigern möchten.
Es braucht jede einzelne Stufe mit ihren jeweiligen Leistun-
 1 E-Carsharing 2 Vertrieb Strom/Gas     3 Dach-PV, Volleinspeisung 4 Dach-PV, Direktlieferung 5 Nahwärme gen, bis das Ergebnis erzielt ist: eine Strom produzierende
 Größe des Kreises = Ergebnisbetrag Wertschöpfung: eine Definition PV-Anlage, eine Wärmeversorgung, die Kund*innen eine
Quelle: Netzwerk Energiewende jetzt e.V. Unter Wertschöpfung versteht man die Gesamtleistung warme Heizung liefert, eine Ladestation, an der sie ihr
eines Unternehmens abzüglich der erbrachten Vorleistun- Elektrofahrzeug aufladen können, usw. Die Planung eines
gen wie Material, Personalkosten usw. Wertschöpfung ist Projekts erfolgt erst dann, wenn ein Vertrag vorliegt;
Im nächsten Schritt definiert die Genossenschaft konkrete Zusammenarbeit mit den beiden ausführenden Unterneh-
Ziele, differenziert nach geplantem Ausbau, angestrebter men intensivieren und spätestens 2023 eigene personelle
Rendite und Gewinn. Daran anschließend planen die Verant- Kapazitäten aufbauen.
wortlichen die Maßnahmen, mit denen sie die priorisierten
Geschäftsmodelle (weiter-)entwickeln möchten. Als geeignete Maßnahmen kommen z.B. infrage:
• Erstellen von Stellenprofilen für den Personalbedarf; Wertschöpfungsstufen Geschäftsfeld PV
• Die BEG möchte bis Ende 2023 zwei Wärmenetze in Be- Suchen, Finden und Einbinden von weiteren ehren-
trieb haben und einen Zubau von 2.000 Kilowatt (kW) er- amtlichen und bezahlten Kräften,
reichen; bis 2026 sollen es vier Netze sein und der Zubau • konkrete Marketing- und Vertriebsmaßnahmen, Akquise Entwicklung Bau Betrieb
soll sich verdoppelt haben. • gezielte Schulung und Weiterbildung der Aktiven,
• Bei den PV-Dachanlagen hat die Genossenschaft Ende • Delegieren von administrativen Aufgaben des Vorstands, 1. Marketing 5. Planung 9. Materialbeschaffung 13. kaufmännische
2021 650 Kilowatt-Peak (kWp) installiert. Bis Ende 2023 damit mehr Zeit für Strategie, Personalführung und (Leistung, Kunden, 6. Genehmigung 10. Installation Betriebsführung und
will sie mindestens 1.500 zusätzliche kWp installieren und Vertrieb bleibt. Preis, Nutzenver- (Netzverträglichkeit/ 11. Bauleitung, Abnahme, Stromvermarktung
sprechen u.a.) Baugenehmigung bei schlüsselfertige 14. technische Betriebs-
strebt eine Nettorendite von fünf Prozent an. Bis 2026
2. Projekte identifizieren, Freiflächen) Übergabe/Verkauf führung inkl. Monitoring
soll der jährliche Zubau mindestens 1.000 bis 1.500 kWp Alle Maßnahmen sollten regelmäßig verfolgt und auf die Kunden ansprechen, 7. Ausschreibung 12. Projektübernahme 15. Wartung
betragen. gewollte Wirkung hin untersucht werden. Dies ist Aufgabe Interesse vermitteln 8. Finanzierung und Betreiber 16. Rückbau oder
• Die Zahl der Stromkund*innen soll von 290 Ende 2021 auf des Vorstands und sollte an den Aufsichtsrat kommuniziert 3. Machbarkeit/Angebot Repowering
4. Rechte sichern
500 Ende 2023 und auf 1.000 im Jahr 2026 wachsen. werden.
Vertrag abschließen
• Zusätzlich zur erfolgreichen Zusammenarbeit mit einem
freiberuflichen Projektentwickler möchte die Genossen-
schaft 2022 einen eigenen Projektierer einstellen.
• Im Bereich Nahwärme will sie die vertrauensvolle
Quelle: Netzwerk Energiewende jetzt e.V.

10 11
Material wird erst gekauft, wenn eine solide Planung vor- Wertschöpfung konkret: Kleine Dachanlagen
liegt; ein Projekt wird erst dann in Betrieb genommen, wenn Am Beispiel des Geschäftsmodells „PV-Aufdachanlagen < 30
der Bau abgeschlossen ist. kWp“ lässt sich die Wertschöpfung in den einzelnen Stufen
näher betrachten. Im vorigen Kapitel ist das Geschäfts-
modell schon unter dem Aspekt der Marktattraktivität
Die Wertschöpfungsstufen erweitern beschrieben worden. Die Energiegenossenschaft akquiriert,
Die meisten Energiegenossenschaften haben mit der Rolle plant, baut und verkauft kleine PV-Anlagen für Mitglieder
der Geldgeberin und Betreiberin begonnen: Sie haben und interessierte Privatpersonen.
Dacheigentümer*innen mit geeigneten Dächern gefunden,
eine Solarteurfirma hat gebaut, die Genossenschaft hat die Dieses Geschäftsmodell setzt zum Beispiel die HEG Heidel-
Finanzierung gesichert und sich um den laufenden Betrieb berger Energiegenossenschaft eG um und hat dafür u.a.
der Anlage gekümmert. zwei Projektentwickler eingestellt. In Rheinland-Pfalz hat
die proregionale energie eG mit zwei weiteren BEGen eine
Das hat sich geändert. BEGen müssen sich heute gezielt gemeinsame Gesellschaft gegründet. (siehe den Text über
selbst um Projekte kümmern, Marketing und Vertrieb sind die GenoTechnik GmbH & Co. KG in dieser Broschüre). In
die Schlüsselworte. Sie müssen lernen, Kunden zu finden, sie Thüringen baut die Bürgerenergie Imtal eG aus Weimar ein
kompetent anzusprechen und mit einem Werteversprechen hauptamtliches Team zur Projektentwicklung auf. Welchen
hinsichtlich Qualität, Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit Nutzen versprechen sich die BEGen davon?
sowie Preis zu gewinnen. Kund*innen erwarten, dass die Ge-
nossenschaft ihnen diese Versprechen einlöst. Zuerst ist klar, dass die Genossenschaften die Akquisition
selbst leisten müssen. Das Ergebnis dieser Wertschöpfungs-
Im Kern geht es also um eine größere Wertschöpfungstiefe. stufe – fertig kalkulierte und mit Dachnutzungsverträgen
Welche wertschöpfenden Leistungen in welchen Wertschöp- gesicherte Projekte – wird am Markt quasi nicht angeboten
fungsstufen sollte die BEG selbst erbringen, damit sie erfolg- oder nur zu hohen, marktüblichen Kosten.
reich Projekte realisieren kann und deren Wirtschaftlichkeit
steigert? Die Erfahrung aus Coachings zahlreicher BEGen
ist: Wir nehmen wahr, dass eine Reihe von Energiegenossen-
schaften mehr Projektentwicklungsaufgaben selbst in die
Hand nehmen, etwa die Dachbewertung, die Planung mit-
hilfe von Tools, die Kalkulation des Projekts usw.

Mit diesen Fragen können BEGen das Thema Wertschöpfung


für sich konkretisieren:
• Was können sie besonders gut? Was fällt ihnen leicht?
Was sind ihre Stärken?
• Welche Leistungsfähigkeit haben sie?
• Welche Kompetenzen fehlen ihnen?
Welche Auswirkungen hat das?
• Welche Chancen eröffnen sich, wenn sie diese
Kompetenzen aufbauen? Wie lange brauchen sie dafür?
• Sind die nötigen Kompetenzen am Markt vorhanden? In
Form von Angestellten, bezahlten Experten oder als Part-
nerbetrieb? Haben sie Zugriff darauf?
• Welche Wertschöpfungsstufen sind besonders wichtig und
machen den Erfolg eines Projekts aus?
• Welche Wertschöpfungsstufen sind wirtschaftlich
besonders attraktiv?

Aus den Antworten auf diese Fragen leitet sich zum Beispiel
Eröffnungsfest der PV-Freiflächenanlage in Kirchardt ab, was die Energiegenossenschaft zukünftig selbst tun und
der EnerGeno Heilbronn-Franken eG (s. Seite 32) welche Dienstleistungen sie extern beauftragen sollte.

12 13
Wertschöpfung aus einzelnen Stufen

in €

8.000

7.000

6.000

5.000
Installation
4.000
Materialbeschaffung
3.000
Projektentwicklung/Bauleitung
2.000

1.000

vergüteter tatsächlicher Wertschöpfung


Personalaufwand Personalaufwand

Quelle: Netzwerk Energiewende jetzt e.V.

Anders sieht es aus bei Solarteurleistungen. Hier gibt es


Vergleichsangebote, die meist die Wertschöpfungsstufen
Projektentwicklung/Bauleitung, Materialbeschaffung und
Installation beinhalten. Die Planungsleistung wird dabei im
Regelfall nicht gesondert ausgewiesen, sondern ist in den
Preisen für die Lieferung und Montage enthalten.

Das Beispiel in der Abbildung oben zeigt, welche Wertschöp-


fung eine BEG in den einzelnen Stufen realisieren kann. Der
vergütete Personalaufwand entspricht dem Marktpreis, den
Kund*innen bezahlen und den auch Mitbewerber*innen
anbieten. Der tatsächliche Personalaufwand ist der Aufwand Fazit
innerhalb der Genossenschaft, wenn sie die Wertschöpfung
selbst erbringt. Die Differenz daraus ist die erwirtschaftete Für BEGen lohnt es sich auf jeden Fall, sich
Wertschöpfung bereits nach Abzug der eigenen Personal- intensiv mit dem Thema Wertschöpfung zu
kosten. beschäftigen.

Das Beispiel zeigt auch, dass die höchste Wertschöpfung Die Möglichkeiten, mehr Leistungen in den
aus der Projektentwicklung/Bauleitung erwirtschaftet wird. einzelnen Wertschöpfungsstufen zu erbrin-
Die relativ höchste Wertschöpfung lässt sich aus der Mate- gen, variieren allerdings je nach Geschäfts-
rialbeschaffung erzielen, denn hier ist der zeitliche Aufwand feld. Das wird in den einzelnen Kapiteln dieser
für die erzielte Wertschöpfung gering. Aus diesen Erfah- Broschüre näher beschrieben.
rungen heraus erbringt zum Beispiel die HEG Heidelberger
Energiegenossenschaft die gesamte Akquise, die Projekt-
entwicklung, den Materialeinkauf und Teile der Installation
selbst. Sie generiert damit Werte, die sonst ein beauftragter
Dienstleister abgeschöpft hätte.

14 15
Solarstrom vom Dach:
Gute Kund*innen, gute Dächer,
gute Geschäftsmodelle
Solarstrom vom Dach ist technisch bewährt, günstig, tatsächlich entscheidet. Ähnlich ist es bei verzweigten Kon-
akzeptiert und das Hauptgeschäftsfeld der meisten zernen. Als ideal haben sich inhaber*innengeführte Betriebe
Bürgerenergiegenossenschaften (BEGen). Es lässt sich und Privathaushalte herausgestellt: Hier ist klar, wer ent-
erfolgreich betreiben. scheidet, und meist ist auch klar, bis wann entschieden wird.

Eine Verhinderungspolitik von Regierungen, Vereinigungen Das passende Wertversprechen


zur Normensetzung und Netzbetreibern hat den Solaraus- Zu wissen, was den Kund*innen wichtig ist, ist das A und O
bau im letzten Jahrzehnt weitgehend „an die Kette gelegt“. erfolgreicher Projektakquise. Was ist der Antrieb, nach einem
Dennoch haben BEGen beim Photovoltaik(PV)-Ausbau Angebot der Genossenschaft zu fragen? Was motiviert sie
Nischen gefunden. Was war der Schlüssel für den Erfolg? Sie zum Kauf? Die Unabhängigkeit von fossilen Energien, das
haben mit den passenden Kompetenzen und den richtigen Bedürfnis nach Autarkie und Selbstversorgung, der Wunsch,
SoLocal Energy e.V. bei einem Selbstbau-Projekt auf dem Dach Geschäftsmodellen bei den richtigen Kund*innen nach den Energiekosten einzusparen oder nachhaltiger zu produzieren?
richtigen Dächern gesucht. Möchte der/die Kund*in eine PV-Anlage, zusätzlich einen Spei-
cher, eine Wallbox oder eine Ladestation? Vielleicht auch eine
intelligente Steuerung zur Unterstützung der Heizung?
Gute Kund*innen
Kund*innen der BEG sind Personen, Unternehmen oder Or- Für das Wertversprechen ist zudem wichtig zu wissen, nach
ganisationen, die mit der BEG ein Geschäft abschließen. Ein welchen Kriterien Kund*innen sich für ein Produkt und
solches Geschäft ist hier ein Dachnutzungsvertrag, der Kauf eine*n Anbieter*in entscheiden. Ist es der günstige Preis, die

3
einer PV-Anlage, ein Leasing- oder ein Wartungsvertrag. hohe Qualität, die regionale Herstellung der Produkte, der
Kund*innen haben ein Bedürfnis und die Genossenschaften Komfort im Betrieb, der Liefertermin, „alles aus einer Hand“,
haben dafür eine kostenpflichtige Lösung. eine kompetente Ansprechperson vor Ort usw.? Wer nach
dem ersten Kund*innenkontakt diese Fragen beantworten
Gute Kund*innen sind solche, die bereits grundsätzlich kann, kann ein passgenaues Angebot erstellen – oder ver-
wissen, was eine Energiegenossenschaft ist. Richtig gut wird zichtet darauf, wenn die Chancen auf einen Auftrag schlecht

Geschäftsmodelle mit Strom


es, wenn die Kund*innen die konkrete BEG kennen und deren sind, und setzt die so gewonnene Zeit anders ein.
Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit schätzen.

Die meisten potenziellen Kund*innen wissen nicht, für wel- Kund*innen gezielt auswählen

aus erneuerbaren Energien che Ideen BEGen stehen und was sie konkret an Leistungen
bieten. Das zeigt, wie wichtig eine gute Öffentlichkeitsarbeit
ist. Wo findet etwa ein inhaber*innengeführtes Unternehmen
Für die meisten BEGen ist es gut, wenn die Kund*innen nicht
selbst investieren wollen. Besonders gut sind Kund*innen mit
hohem Stromverbrauch und wenn das Verbrauchsprofil gut
auf der Website der Genossenschaft Informationen über mit dem Erzeugungsprofil der PV-Anlage zusammenpasst.
Die Produktion von Solarstrom ist das Kerngeschäft der meisten Bürgerenergiegenossen- interessante Direktlieferungsmodelle? Kommuniziert die Damit ist eine hohe Wirtschaftlichkeit zu erwarten. Immer
schaften (BEGen). Der starke Photovoltaik(PV)-Ausbau ist ein zentraler Hebel der Ener- Genossenschaft überhaupt, für welche Kund*innengruppen sollte die BEG eine Risikobetrachtung vornehmen. Wird der/
sie tätig ist? die Kund*in über 20 Jahre den Strom abnehmen? Wird das
giewende. Deshalb geht es in diesem Kapitel schwerpunktmäßig um Geschäftsmodelle im Unternehmen so lange am Standort sein? Wie wirtschaftlich
Bereich PV: Was sind Erfolgskriterien bei PV-Dachprojekten? Wie lohnenswert sind Bau und Für die BEG ist wichtig zu wissen, wer bei den Kund*innen solide ist es? Welche Bonität hat es? Wie hoch ist das Insol-
Verkauf von kleinen und großen Anlagen? Welche Chancen bieten sich BEGen bei PV-Freiflä- die Entscheidungen trifft und wie lange Entscheidungen venzrisiko? Rechnet sich ein Projekt auch, wenn in ein paar
brauchen. Der Zugang zu Entscheider*innen ist zentral. Bei Jahren kein Verbrauch mehr unter dem Dach stattfindet und
chenanlagen? Das Kapitel schließt ab mit einem genossenschaftlichen Windprojekt. Kommunen ist es manchmal schwierig zu ermitteln, wer nur die EEG-Vergütung in Anspruch genommen wird?

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3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Solarstrom vom Dach

Bei guten Kund*innen sind Dacheigentümer*innen und Zu guten Rahmenbedingungen gehören außerdem:
Stromnutzer*innen identisch. Jede Ansprechperson und • Es gibt keine Verschattung/Hindernisse,
jede*r Entscheider*in weniger macht ein Projekt einfacher • die Kabel sind einfach zu verlegen,
und wahrscheinlicher in der Umsetzung. • der Wechselrichter kann nah am Hausanschluss installiert
werden,
• ein Blitzschutz ist vorhanden,
Ein gutes Dach • der Hausanschluss ist nicht veraltet und der Schaltschrank
Was macht ein gutes Dachprojekt aus? Es ist so wenig kom- bietet genug Platz.
plex wie möglich. Bei den meisten Genossenschaften sind
zeitliche und personelle Kapazitäten ein knappes Gut. Neue, BEGen sollten sowohl hinsichtlich der Kund*innen als auch
innovative Projekte sind meist kein lohnendes Geschäftsmo- der Dächer eine Kriterienliste erstellen, um Projekte früh-
dell. Komplexe Messkonzepte bei Aufstockungen bestehen- zeitig zu bewerten.
der PV-Anlagen, Ergänzungen zu Blockheizkraftwerken,
Insellösungen, Mieterstrom usw. wurden von Gesetzgebern
und Netzbetreiber*innen so komplex gemacht, dass sie nur Ein gutes Geschäftsmodell
Montage einer kleinen PV-Dachanlage
mit hohem Aufwand zu realisieren sind. Deshalb sollten sich Die Energiegenossenschaft braucht schließlich ein Modell,
BEGen auf das konzentrieren, was sie gut können, wenig das die Kund*innenbedürfnisse erfüllen kann. Das alte
Risiken birgt und sich immer wieder umsetzen lässt. So Modell lautete: Wir mobilisieren Kapital zu moderaten Kon-
steigern sie ihre Wirkung.

Ein gutes Dach sollte in den kommenden 30 Jahren nicht


ditionen. Kapital wird jedoch oft nicht mehr benötigt.

Es braucht also ein Umdenken bei den Geschäftsmodellen.


Photovoltaik-Anlagen
mehr saniert werden müssen und eine ausreichende Statik
für die Zusatzlast durch die PV-Anlage aufweisen. Für die
Zahlreiche BEGen sind bei Unternehmen aus dem Rennen,
wenn diese selbst investieren möchten. Andere sind in der für Privatpersonen
Dachhaut gibt es ein kostengünstiges Unterkonstruktionssys- Lage, eine bezahlte Planung anzubieten oder sogar eine
tem. Ideal ist es, wenn ein Gerüst oder ein Kran vorhanden fertige PV-Anlage.
ist, weil gerade andere Baumaßnahmen stattfinden. Allein Viele Menschen wünschen sich eine eigene Photovoltaik Verkauf und Planung: Eigene Kompetenzen nutzen
hierdurch lassen sich die Baukosten um mehr als zehn BEGen sind wirtschaftende, sozial ausgerichtete Unter- (PV)-Anlage auf dem Dach – doch es sind bisher nur we- Das Gewinnen von Kund*innen über Mitglieder, Empfehlun-
Prozent verringern. nehmen. Sie müssen sich wie andere Unternehmen an die nige Bürgerenergiegenossenschaften (BEGen) in diesem gen und gezielte Werbung schien gut umsetzbar. Die HEG
veränderten Markterfordernisse anpassen, aktuell etwa an Geschäftsfeld unterwegs. Was es dazu braucht, zeigt das ist in der Region durch zahlreiche Projekte bekannt, bestens
Lieferengpässe und ausgelastete Solarteurfirmen. Deshalb Beispiel der Heidelberger Energiegenossenschaft. vernetzt, hat mit Laura Zöckler eine kompetente Vorständin
sollten sie sich immer wieder die folgenden Fragen stellen: für Öffentlichkeitsarbeit und viel Vertriebserfahrung. Einen
• Wie verändert sich das Umfeld? großen Sprung in der Nachfrage gab es durch die ZDF-Sen-
• Welche Chancen ergeben sich daraus? Es begann damit, dass die HEG Heidelberger Energiegenos- dung „plan b“ im Mai 2021, in der die HEG als Bürgerenergie-
Fazit: Erfolgreiche Kann die Genossenschaft diese nutzen? senschaft bei einem PV-Projekt keine*n Solarteur*in fand. Protagonistin vorgestellt wurde.
Energiegenossenschaften • Auf welche Stärken kann sie aufbauen? Gleichzeitig fragten verstärkt Mitglieder an, ob die Genos-
• Welchen Nutzen bietet sie Kund*innen? senschaft für sie Solaranlagen baut. Angesichts fehlender Die Planung – von der Erstberatung über Angebot und Ver-
• konzentrieren sich auf wenige (meist ein • Was muss die Genossenschaft ggf. unterlassen, Fachfirmen und der steigenden Nachfrage stellten sich die tragsschluss bis zum Ortstermin mit Feinaufmaß – gehört zu
oder zwei) erfolgreich betriebene Geschäfts- was verändern? Verantwortlichen die Frage: Können wir das Geschäftsfeld den Kernkompetenzen des angestellten Projektentwicklers.
modelle, • Welche Strukturen sind nötig, um zukunftsfähig Planung, Bau und Verkauf von kleinen PV-Anlagen selbst
• bauen Kompetenz in der Projektentwicklung auf, zu bleiben? aufbauen – und lohnt es sich? „Wir waren uns einig, dass es
• schaffen attraktive Arbeitsstellen, • Welche fachlichen Kompetenzen muss sie entwickeln bzw. mehr Solarteur*innen braucht, um die Energiewende voran- Material: Die passende Beschaffungsstrategie
• steigern durch die bezahlten Kräfte ihre an sich binden? Als Freiberufler*innen oder Angestellte? zubringen“, sagt Vorstand Andreas Gißler, der gleichzeitig „Der Gewinn liegt im Einkauf“, sagt EvO-Geschäftsführer An-
Kompetenz und Wirkung, • Für was braucht sie Kooperationen oder Partner*innen? Geschäftsführer der eigenen Tochtergesellschaft Energie dreas Gißler. Die EvO meldete sich bei den wichtigsten Groß-
• gliedern die Projektentwicklung in eine Toch- vor Ort (EvO) ist. händlern an und bezieht dort Module, Unterkonstruktion,
tergesellschaft aus. Das lagert u.a. das Risiko Erfolgreiche BEGen haben irgendwann die Entscheidung Wechselrichter und Elektromaterial. Das meiste wird direkt
aus der Energiegenossenschaft aus, belastet getroffen, dass sie nur mit bezahlten Kräften ihre Wirkung Die EvO hatte einen Projektentwickler eingestellt, der große auf die Baustellen geliefert. Aktuell ist die Beschaffung eine
nicht deren Bilanz und erlaubt schnelles steigern können. Damit bauen sie erfolgskritische Kompe- PV-Anlagen für die BEG plante. Zusammen mit ihm ana- große Herausforderung und zeitintensiv: Material ist nicht
marktkonformes Handeln. tenzen selbst auf. Ein Beispiel ist die GenoTechnik GmbH & lysierten die Vorstände anhand der Arbeitspakete, was die verfügbar, Liefertermine werden kurzfristig verschoben, die
Co. KG, die in dieser Broschüre vorgestellt wird. Tochtergesellschaft selbst umsetzen kann und wie sich das Preise steigen stark. Die EvO hat deshalb die Beschaffungs-
wirtschaftlich darstellen lässt. strategie geändert und bestellt z.B. Module auf Vorrat.

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3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Solarstrom vom Dach

Die HEG hat der Tochterfirma dafür ein sechsstelliges Darle-


hen zur Verfügung gestellt. Die Verantwortlichen haben eine
wickler sich zur Elektrofachkraft weitergebildet und kann
unterstützende Tätigkeiten selbst ausführen. Gemeinsam eine Photovoltaik-
Spedition mit Lagerkapazität gefunden, die fristgerecht die
Module an die Baustellen liefern kann. „Die größere Menge
reduziert unseren Einkaufspreis so, dass wir darüber die
Netzanmeldung: Den „Papierkram“ abarbeiten
Netzanfragen, die Registrierung im Marktstammdatenregis-
Tochterfirma aufbauen
Lagerung und Zustellung refinanzieren können“, so Gißler. ter und die Fertigmeldung übernehmen Mitarbeiter*innen
der EvO bzw. sie unterstützen den/die Elektriker*in dabei.
Die pro regionale energie eG aus Rheinland-Pfalz hat BürgerEnergieGenossenschaft eG – den Wunsch teilzuhaben,
DC-Installation: Feste Partner finden gemeinsam mit zwei weiteren Energiegenossenschaften und wir haben das direkt befürwortet“, so Vogel weiter. Da-
Zur DC-seitigen Installation gehören alle Komponenten einer Lohnt das Geschäftsfeld? die Gesellschaft GenoTechnik GmbH & Co. KG gegründet. mit hat die GenoTechnik ein größeres Einzugsgebiet und die
Solaranlage, die vor dem Wechselrichter geschaltet sind, vor Die „Energie vor Ort“ hat 2021 mehr als 30 Solaranlagen Diese projektiert, baut und vertreibt Photovoltaik(PV)- Genossenschaften teilen sich Chancen und Risiken.
allem Solarmodule und -kabel. Die HEG-Tochtergesellschaft für Privatpersonen gebaut. Sie beschäftigt seit Sommer Anlagen.
begann zuerst, ein eigenes Team für den Bau zu qualifizie- 2021 einen zweiten Projektentwickler und seit März 2022
ren. Doch stellten die Verantwortlichen fest, dass erfahrene eine Projektassistenz. Für 2022 sind 40 bis 50 kleine PV- Das Geschäftsmodell: PV-Anlagen projektieren,
Montageteams schneller Anlagen mit guter Qualität bauen. Anlagen geplant (< 10 kWp). Die Solarpflicht in Baden-Würt- Beraten, planen und an die Dacheigentümer*innen PV-An- bauen und verkaufen
Die Zielmarke: 10 kWp/Tag inklusive Gerüst im Sommer. temberg und der derzeitige Krieg in der Ukraine haben die lagen übergeben: Die pro regionale energie eG aus Diez PV-Dachanlagen zu planen, zu bauen und zu verkaufen, brin-
Nachfrage in die Höhe schnellen lassen, die Wartezeiten ist schon länger im Geschäftsfeld PV-Anlagenbau aktiv. ge Wertschöpfung in das eigene Unternehmen, so Manfred
Deshalb hat die EvO eine Rahmenvereinbarung mit einem für die Kund*innen werden länger. „Das Geschäftsfeld Die Detailplanung, der Materialeinkauf und die Montage Vogel. „Durch die Tochtergesellschaft haben wir die Dinge
Montageunternehmen aus der Region getroffen, das mittler- lohnt sich mittlerweile für uns, wir refinanzieren darüber wurden von externen Dienstleistern übernommen. 2021 selbst in der Hand und können die Anlagen schneller auf
weile einige PV-Anlagen für Kund*innen der HEG gebaut hat. Personal und entwickeln die Tochtergesellschaft weiter“, beschlossen die Verantwortlichen dann, eine Tochterfirma die Dächer bringen.“ Aktuell sei das die einfachste und güns-
Aktuell wird die Zusammenarbeit mit einem weiteren jungen resümiert Geschäftsführer Gißler. Wichtig sei gewesen, die für PV-Dachanlagen zu gründen. „Einerseits wollen wir mehr tigste Art, erneuerbaren Strom zu erzeugen. Die Akzeptanz
Montageteam aufgebaut, um nicht von einem einzigen passenden Partner zu finden und die Prozesse zu standardi- Wertschöpfung schaffen, andererseits wollen wir unseren in der Bevölkerung sei hoch und die meisten Dächer rechne-
Dienstleister abhängig zu sein. sieren. Außerdem müsse man aufmerksam das Marktumfeld Beitrag zur Energiewende leisten“, sagt Manfred Vogel, Vor- ten sich. „Strom wird ein knappes Gut werden. Die neue Re-
im Blick haben, um schnell reagieren zu können. stand der pro regionale energie eG und Geschäftsführer der gierung sagt, 2030 soll Schluss sein mit der Kohlekraft. Also
GenoTechnik: „Im Laufe der Vorbereitungen äußerten zwei raus aus den fossilen Energieträgern: Wir können gar nicht
AC-Installation: Elektriker*in einbinden Dem gegenüber stehen die Risiken durch steigende Preise befreundete Bürgerenergiegenossenschaften – die Energie- schnell genug damit anfangen zu bauen“, sagt Geschäftsfüh-
Für die Arbeiten nach dem Wechselrichter, wie zum Beispiel und die unsichere Liefersituation. Als Konsequenz konzen- genossenschaft Oberes Mühlbachtal eG und die UrStrom rer Vogel. Die Gesellschaft ist auch offen dafür, Anlagen für
der Smart-Meter-Einbau, die Einrichtung des Wechselrich- triert sich die HEG als weiteres Standbein verstärkt auf grö-
ters oder der Netzanschluss der Anlage, hat die EvO eine ßere Anlagen. „Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren
Vereinbarung mit einem örtlichen Elektromeister getroffen. Energien in der Region voranbringen. Bei großen Anlagen
Dieser kann mit den festen Aufträgen der EvO kalkulieren ist der Hebel einfach größer“, so Gißler.
und sein Team auslasten. Zudem hat der eigene Projektent-

Mit bezahlten Kräften


Wertschöpfungsstufen der EvO: Bau und Verkauf kleiner PV-Anlagen an Privatpersonen Genossenschaften entwickeln

1. Marketing (Leistung, Kundengruppen, Preis, Wertschöpfungsschritt wird von Wie können wir mehr Wirkung erzielen? Diese finanziert? Wann rechnen sich die Investitio-
Genossenschaft nicht selbst ab
Nutzenversprechen, Werbung) gedeckt.
Frage stellen sich zahlreiche Bürgerenergiege- nen? Einige Energiegenossenschaften haben
Akquise 2. Projekte identifizieren/Kunden ansprechen/ nossenschaften (BEGen). Doch ehrenamtlich Service- oder Projektgesellschaften gegrün-
Interesse ermitteln geführte BEGen haben begrenzte zeitliche det. Diese entwickeln mit fest angestellten
3. Machbarkeit/Angebot und fachliche Ressourcen und Kapazitäten. Kräften neue Projekte oder übernehmen
4. Vertrag abschließen Eine Reihe von Genossenschaften investiert Dienstleistungen für die Genossenschaft.
in Personal und erbringt möglichst viele So wird das Risiko aus der Energiegenossen-
Entwick- 5. Planung wertschöpfende Tätigkeiten in lohnenden Ge- schaft ausgelagert. Die Bilanz wird nicht
lung schäftsfeldern mit eigenen Kräften. Dies er- belastet und die Dividende ist nicht gefährdet.
6. Materialbeschaffung Kontakt fordert die Bereitschaft der Verantwortlichen, Im schlimmsten Fall geht allerdings das
7. Bauleitung, DC-Installation Risiken einzugehen. Wie wird das Personal Stammkapital verloren.
Bau und 8. AC-Installation, Unterstützung durch HEG Heidelberger
Verkauf Elektrofachkraft der EvO Energiegenossenschaft eG
9. Abnahme, schlüsselfertige Übergabe/Verkauf info@heidelberger-energiegenossenschaft.de

Quelle: Netzwerk Energiewende jetzt e.V.


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3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Solarstrom vom Dach

die Eigentümer*innen-Genossenschaften zu planen und zu


bauen, die dann von diesen in Eigenregie betrieben oder zum Solarselbstbau: Photovoltaik-Anlagen
Beispiel als Mieterstromprojekte angeboten werden.

Mit bezahlten Kräften zum akzeptierten Player selbst aufs Dach bringen
Die GenoTechnik beschäftigt aktuell zwei Mitarbeitende in
Teilzeit für zwei bzw. zweieinhalb Tage pro Woche. Manfred
Vogel als Geschäftsführer mit einem 20-Stunden-Vertrag Solaranlagen können nur Profis installieren? Weit ge- Welche Voraussetzungen sind nötig?
arbeitet mit hohem persönlichem Einsatz derzeit faktisch fehlt! Beim Solarselbstbau bekommt die Energiewende in Selbstbauer*innen müssen nicht handwerklich ausgebildet
in Vollzeit daran, das Unternehmen aufzubauen. Die Mit- Bürger*innenhand eine ganz neue Dimension. Doch was sein, dennoch gibt es ein paar Voraussetzungen für die
arbeitenden sind in der Projektplanung und Umsetzung bedeutet Selbstbau überhaupt, woher kommt die Idee Mithilfe. Die wichtigste zu Beginn: Motivation! Wer Lust auf
tätig und gehen auch selbst mit aufs Dach. Unterstützung in und was ist zu beachten? Solarselbstbau mitbringt, ist gut gerüstet. Wer jetzt noch
kaufmännischen Angelegenheiten leistet auch Stefan Scholz, schwindelfrei ist, umso besser. Handwerkliches Geschick
Vorstand der pro regionale energie eG. ist von Vorteil, doch vor Ort lässt sich einiges dazulernen.
Was bedeutet Selbstbau? Es sind immer Menschen mit Fachkenntnis da, die mit Rat
Allerdings ist ein Neustart in ein eigenes Solarunternehmen Beim Solarselbstbau ist der Name Programm: Große Teile und Tat zur Seite stehen.
aktuell mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Es mangelt einer Solaranlage lassen sich problemlos und ohne spezielle
bundesweit an geeignetem Personal und an fast allen Geschäftsführer Manfred Vogel vor einem PV-Modul Vorkenntnisse installieren. Einige Initiativen und Energiege-
PV-Komponenten. Der Großhandel kommt den Auftrags- nossenschaften bauen Solaranlagen mit der Hilfe ihrer Mit- Risiken und Rechtliches: Was ist zu beachten?
eingängen nicht mehr nach und nimmt daher kaum weitere glieder und ihres Netzwerks auf. Planung, Gerüstbau und die Eine Herausforderung des Selbstbaus ist, dass ein Solar-
Unternehmen auf. Wartezeiten von bis zu einem Jahr sind Elektroarbeiten übernehmen Profis, die Unterkonstruktion teurbetrieb die Anlage abnimmt und die Gewährleistung
heute keine Seltenheit. und Modulmontage übernehmen freiwillige Helfer*innen, die übernimmt. Grundsätzlich gilt: Für Produkte trägt der oder
durch Menschen mit Fachkenntnis betreut werden. die Verkäufer*in die Gewährleistung, für die Installation
„Rein ehrenamtlich wäre der Aufbau der GenoTechnik die planende und bauleitende Firma.
nicht zu leisten. Aber das ehrenamtliche Engagement aus
den beiden Partner-Energiegenossenschaften im Bereich Woher kommt die Idee? Wer sich um den Versicherungsschutz der Helfenden
Kundenakquise ist sehr hilfreich und wichtig! Die Zusammen- Die Idee zum Solarselbstbau ist 2013 in der Schweiz ent- sorgt, kann beruhigt sein. Dieser besteht, wenn sauber
arbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen läuft sehr gut“, standen (https://selbstbau.ch). Dort wurden bereits über protokolliert wird, wer wann unentgeltlich hilft. Wichtig
so Vogel. „Aber unser Ziel ist natürlich, die GenoTechnik so 400 Photovoltaik(PV)-Anlagen mit einer Leistung von ist, dass die Arbeitssicherheitsvorschriften eingehalten
weit voranzubringen, dass wir weitere Beschäftigte anstellen insgesamt mehr als 5 Megawatt-Peak (MWp) im Selbstbau werden und vor Arbeitsbeginn eine Einweisung stattfindet.
können.“ Dafür muss die Gesellschaft naturgemäß profitabel installiert. Auch in Deutschland haben einige Organisatio- Das sollte auch dokumentiert werden. Eine zusätzliche
sein, auch wenn Gewinnmaximierung nicht das oberste Ziel nen mit dem Solarselbstbau begonnen, zum Beispiel der Bauhelfer-Gruppen-Unfallversicherung wird empfohlen
ist: „Es gehört zu unserer Philosophie, unsere Kund*innen SoLocal Energy e.V. aus Kassel, die BEG 58 eG aus Wetter und kostet i.d.R. nur zehn Euro pro Person und Projekt.
gut und fair zu beraten. Das ist es, was Genossenschaften an der Ruhr oder der Bremer SolidarStrom. Die Betriebshaftpflicht übernimmt die bauleitende Firma.
auszeichnet.“

Von der Zukunft der GenoTechnik hat Manfred Vogel eine Welche Vorteile hat der Selbstbau? Wie läuft der Bau ab?
klare Vorstellung: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Beim Solarselbstbau geschieht die Energiewende im wahrs- Beim Solarselbstbau ist es wichtig, die Mithelfenden gut
drei Jahren in unserer Region wahrgenommen werden und ten Sinne des Wortes aus Bürger*innenhand. Helfer*innen zu betreuen. Ob diese Helfenden Mitglieder der Organi-
ein akzeptierter Player im Bereich PV sind – mit allem, was haben ein gutes Gefühl, wenn sie beim Bau der Anlage sation werden müssen, um beim Solarselbstbau dabei zu
dazugehört: Speicherlösungen, Wallboxen, Anwendungen im mitgewirkt haben, und schätzen den Wert der Energie, die sein, entscheiden die Organisationen selbst. Während der
Wärmebereich. Und bis 2030, das hoffe ich, haben wir 80 dann auf dem Dach erzeugt wird. Projektierung werden technische Planungen sowie die Ter-
Prozent erneuerbare Energien im Netz.“ minierung mit den Helfer*innen besprochen. Der Bau der
Neben der Identifikation und dem ideellen Wert hat der ersten Solarselbstbau-Anlage kann mit einem Workshop
Solarselbstbau auch wirtschaftliche Vorteile. Der Fachkräf- für alle verbunden werden. So wird sichergestellt, dass
Kontakt temangel macht auch vor der Installation von Solaranlagen Sicherheitsmaßnahmen bekannt sind und eingehalten wer-
keinen Halt. Durch viele helfende Hände können Projekte den. Wenn die Anlage dann fertiggestellt ist, wird sie mit
GenoTechnik GmbH & Co KG schneller umgesetzt werden und durch solidarische Finan- einer Solar-Party eingeweiht. Beim Solarselbstbau geht es
Manfred Vogel zierungsmodelle können sich möglichst viele Menschen schließlich auch um Gemeinschaft.
manfred.vogel@genotechnik.de eine PV-Anlage leisten.
www.genotechnik.de

22 23
3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Solarstrom vom Dach

Wer realisiert Selbstbauprojekte?

Der SoLocal Energy e.V. aus Kassel hat bereits Stecker-Solarmodule:


mehrere Solarselbstbau-Projekte umgesetzt.
So wurde in der Nähe von Fulda mithilfe von
vier Menschen in 1,5 Tagen eine Solaranlage mit
Sonnenenergie mit
Ansteckungseffekt
13 Kilowatt-Peak (kWp) installiert.
www.bit.ly/3wncmc6

Der Bremer SolidarStrom hat ebenfalls bereits


mehrere Solarselbstbau-Projekte umgesetzt. SoLocal Energy beliefert Kund*innen mit dem Lastenrad.

Im September 2021 wurde z.B. eine Mieterstrom-


Solaranlage in Bremen mit einer Leistung von Stecker-Solarmodule sind klein, flexibel einsetzbar und Nordhessen an. SoLocal Energy macht auch für Gering-
24,5 kWp aufs Dach gebracht. bieten einen niedrigschwelligen Einstieg in die Energie- verdiener*innen ein niedrigschwelliges Angebot mit fairen
www.bit.ly/3yDuBvj wende. Pauschalpreisen. Dies ist möglich durch niedrig gehaltene
Fixkosten und stetige Optimierung der Abläufe, etwa
Die BEG 58 hat sogar eine 56 kWp-Anlage rea- durch Sammelbestellungen, telefonische Beratung und
lisiert, 18 Menschen haben hier insgesamt 240 Kerstin Lopau, Vorständin des SoLocal Energy e.V., setzt Workshops. Zudem werden Materialkosten eins zu eins an
Stunden gearbeitet. auf Stecker-Solarmodule, „weil viele Menschen damit die Kund*innen weitergegeben. Letztlich schafft es SoLocal
www.bit.ly/3Mn2vZn persönlich etwas für den Klimaschutz tun können“. Die So- Energy sogar, ihre Dienstleistung hauptamtlich zu finanzieren.
larmodule, auch Mini-Photovoltaik(PV)-Anlage, Plug & Play-
Die Beispiele zeigen: Von kleinen Anlagen bis zu Solaranlage oder Balkonmodul genannt, lassen sich einfach
zeitintensiven Installationen lässt sich gemein- per Kabel und Steckdose an das Hausnetz anschließen und Die Bergische Bürgerenergiegenossenschaft macht’s
schaftlich viel erreichen! haben eine Nennleistung von 300 bis 600 Watt. So sind sie anders
SoLocal Energy bei einem Selbstbau-Projekt auf dem Dach vor allem für Mieter*innen in der Stadt und auf dem Land Auf die Ausgangssituation und Zielsetzung kommt es
eine interessante Bürgerenergie-Beginner*in-Option mit an: Die Bergische Bürgerenergiegenossenschaft (bbeg)
überschaubaren Anschaffungskosten. veranstaltet ehrenamtlich Workshops gegen eine geringe
Teilnahmegebühr. Sie bietet im Raum Wuppertal Sammel-
bestellungen für Stecker-Solarmodule über das Solar Info
Selbstbau als Geschäftsfeld am Beispiel des SoLocal Zu guter Letzt wird die Anlage angeschlossen, in Betrieb Wirtschaftlich lohnend Zentrum (SIZ) an. Dabei erhalten die Besteller*innen einen
Energy e.V. genommen und durch die Mitglieder betreut. Die Wirtschaftlichkeit ist für viele nicht der treibende Rabatt auf den Listenpreis, zahlen keine Frachtkosten und
Organisationen, die Solarselbstbau als neues Geschäftsfeld Faktor, doch können sich die Module bei einer Lebenszeit die Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) erhält eine geringe
etablieren möchten, können dies zum Beispiel durch die Diese Form des Selbstbaus fördert sehr die Gemeinschaft von mehr als 20 Jahren nach fünf bis 15 Jahren amortisie- Vermittlungsprovision als Aufwandsentschädigung. Ein ech-
Übernahme der Bauleitung sowie der Planung der PV-Anla- und steigert die Wertschätzung der gewonnenen Energie. ren. Das hängt ab von der Leistung und Ausrichtung der tes Geschäftsmodell sind Balkonmodule für die Genossen-
ge tun. Die Wertschöpfungskette eines solchen Vorhabens Doch sie hat auch wirtschaftlich Vorteile. Durch die Hel- Module, den Sonnenstunden am Standort, dem Anteil des schaft aber nicht. „Wir nutzen Stecker-Solarmodule für die
umfasst vier Stufen. fer*innen wird der Fachkräftemangel umgangen, dank der selbst verbrauchten Stroms, dem Strompreis und den An- Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung – und dieses
Eigenleistung entsteht ein Kostenvorteil anderen Anbie- schaffungskosten. Ziel erreichen wir“, so bbeg-Vorständin Rita Titz-El Azzar.
Die Akquise steht an erster Stelle: Hier sind passende ter*innen gegenüber und durch das solidarische Finanzie-
Projekte zu identifizieren. Der SoLocal Energy e.V. bildet rungsmodell können sich mehr Menschen eine Solaranlage Neben den ökologischen und finanziellen Vorteilen
aus mehreren an PV-Anlagen interessierten Mitgliedern leisten. „machen Stecker-Solarmodule die Energiewende in der
eine Gemeinschaft. Die Projektgemeinschaft finanziert die Stadt sichtbar und erzeugen einen Ansteckungseffekt“,
Anlagen gemeinschaftlich und baut sie auch zusammen auf. sagt Kerstin Lopau. Der Wunsch nach einer unabhängigen
Die Projektentwicklung startet, wenn eine passende Gemein- Stromversorgung werde bei den Verbraucher*innen grö-
schaft gefunden ist und die Helfer*innen zugesagt haben. Ansprechpartner*innen für ßer und ein Beratungsgespräch zu Balkonmodulen führe Eine Markübersicht zu Modulen ...
Mit einem Angebot inklusive Detailplanung geht es in die Solarselbstbau-Interessierte: immer öfter auch zum Bau einer Dachanlage.
Bieter*innenrunde. Hier bieten die Mitglieder der Gemein- ... liefert die Deutsche Gesellschaft
schaft die Summe, die sie zur Verfügung haben. Werden die Christian Gutsche für Sonnenenergie
gesamten Kosten in der Bieter*innenrunde gedeckt, folgen Bremer SolidarStrom Beraten, bestellen, installieren www.pvplug.de/marktuebersicht
Bauplanungstreffen, um die Finanzierung sicherzustellen (Solidarische Ökonomie Bremen e.V.) Als gemeinnütziger Verein und Solarteurbetrieb in einem
und das Material zu beschaffen. Dann beginnt der Bau der christian.gutsche@bremer-solidarstrom.de bietet SoLocal Energy Beratung, Weiterverkauf, Trans- und
Anlage mit den Helfer*innen. port und Installation von Stecker-Solarmodulen im Raum
Kerstin Lopau MachdeinenStrom.de
SoLocal Energy e.V. www.machdeinenstrom.de/balkonkraftwerk_anbieter
kerstin.lopau@solocal-energy.de
24 25
3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Die Energiewende im Großen

Die Energiewende im Großen: Photo- für den PV-Zubau. Die Widerstände vor Ort sind meist deut-
lich geringer als bei der Windenergie, wenn die Anlagen
Die Wertschöpfungstiefe erweitern
Welche Wertschöpfung eine Bürgerenergiegenossenschaft
in einem transparenten Verfahren entwickelt werden, die (BEG) realisieren kann, hängt stark davon ab, ob und in wel-
voltaik-Freiflächen in Bürger*innenhand Bürger*innen frühzeitig eingebunden sind und sie finanziell
beteiligt werden.
chem Umfang sie sich selbst einbringt, Vorlaufkosten trägt
und bereit ist, Risiken einzugehen. Der Kauf von Anteilen
an einer fertigen Anlage ist derzeit oft wirtschaftlich wenig
attraktiv.
Es wächst stark, ist wirtschaftlich attraktiv und bietet reduzierten Fleischkonsum lassen sich Ressourcen schonen Hohe Marktattraktivität
viele Chancen zur Beteiligung von Bürger*innen: Das und Flächen für PV mobilisieren. Im Vergleich zur Windenergie ist die Flächenakquise leich- Energiegenossenschaften, die den Einstieg in das Ge-
Geschäftsfeld Photovoltaik(PV)-Freiflächenanlagen ist ter und sind die Vorlaufkosten geringer. Die Machbarkeit schäftsfeld ernsthaft erwägen, sollten zuerst prüfen, wel-
für Energiegenossenschaften hochinteressant. Ein weiteres Potenzial birgt die teilweise Umwidmung von lässt sich viel früher erkennen und kalkulieren und plötzlich che Wertschöpfungsstufen
Flächen für Energiepflanzen. Dabei handelt es sich über- aufkommende Risiken auf der Zielgerade sind die absolute • strategisch relevant und damit unbedingt von ihnen zu be-
wiegend um den Anbau von Mais für Biogasanlagen. Auf Ausnahme. Insgesamt liegt die Zeit für die Projektentwick- setzen sind,
Der Strombedarf in Deutschland wird bis 2030 auf etwa einem Hektar PV-Freifläche lässt sich etwa 50- bis 100-mal lung meist bei unter zwei Jahren. Auch die Abhängigkeit • wirtschaftlich interessant sind und besetzt werden sollten,
700 bis 800 Terawattstunden (TWh) steigen und soll zu mehr Strom erzeugen als aus einem Hektar Maisanbau, von Komponentenherstellern ist deutlich geringer als bei • aus Gründen fehlender Kompetenz und Kapazität mit Part-
80 Prozent aus regenerativen Quellen stammen. Auf PV- der in einer Biogasanlage verstromt wird. Rein rechnerisch der Windenergie. Zudem sind die Vergütungen für den nern oder Dienstleistern erbracht werden sollten.
Freiflächenanlagen entfällt ab 2026 ein jährlicher Ausbau reicht überschlägig die Hälfte der Biogasmais-Anbaufläche erzeugten Strom derzeit und auch perspektivisch hoch, Was sollten wir können, was können wir schon und was
von 11 Gigawatt (GW), 2021 waren es gerade mal 1,5 GW. für die angestrebte Stromversorgung aus PV-Freiflächen in Freiflächenanlagen können mittlerweile auch ohne EEG- wollen wir zukünftig können? Diese Entscheidung nimmt
Es geht also um eine Zunahme um den Faktor 8. Durch Deutschland. Daneben ist Strom aus Freiflächen mit Vergü- Vergütung auskommen. Deshalb sind – in einem starken jede BEG für sich vor. Sie kann als Orientierung die Grafik
den politischen Willen sind PV-Freiflächen mit der größte tungen von etwa 5 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) auch Wettbewerb um Flächen – eine Vielzahl an Projektentwick- zu Wertschöpfungsstufen auf dieser Seite nutzen. Die
Wachstumsmarkt. um 75 Prozent günstiger als Strom aus Biogasanlagen. ler*innen gleichzeitig unterwegs. Entscheidung, was die Genossenschaft selbst erbringt und
für was sie Dritte einbindet, sollte laufend geprüft werden.

Ausreichend Flächen Hohe Akzeptanz Wertschöpfungsstufen im Geschäftsfeld PV-Freiflächenanlagen


Anlagen auf versiegelten Flächen (Straßen, Stellplätze, De- Ausgesprochen viele Eigentümer*innen sind bereit, Flächen
ponieflächen u.a.) reichen für den angestrebten PV-Zubau zu verpachten. Das ist nicht verwunderlich, denn die mög- 1. Marketing Leistung, Kundengruppen, Preis, Nutzenversprechen, Werbung
nicht aus. Bei landwirtschaftlichen Flächen ist das anders. lichen Pachterträge sind meist um mehr als eine Zehnerpo- 2. Markterkundung (Projekte identifizieren/Kunden ansprechen/Interesse ermitteln)
Sie werden zu 60 Prozent für die Produktion von Futtermit- tenz höher als bei der Verpachtung an landwirtschaftliche 3. Machbarkeit prüfen (Regionalplanung, Natur- und Artenschutz, Stadtplanung, etc.)
Akquise
teln und damit für die Fleischproduktion genutzt. Mit einem Nutzer*innen. Viele Kommunen sind mittlerweile auch offen 4. Flächen sichern (Pachtangebote erstellen/Verträge abschließen)
5. Zustimmung Kommune (Standortkonzept/Gremienvorstellung/Aufstellungsbeschluss)
Flächennutzung in Deutschland
6. Finanzierung Projektentwicklung sichern oder Einbindung von Partnern
Gesamtfläche Deutschland Landwirtschaftlich genutzte Fläche 7. Technische Konzeptvergleiche/Entwurfsplanung /Netzanschlussplanung
8. Biodiversitäts-Konzept
9. Bauleitung/Baugenehmigung
Futtermittel 10. Öffentlichkeitsarbeit (Projekt-Kommunikation/Teilhabe /Akzeptanzsteigerung)
60% Entwicklung 11. technische Ausführungsplanung
Siedlungs-, Verkehrs-, 12. Wirtschaftlichkeitsberechnungen/Szenarien/Cash-Flow-Model
Wasserflächen Umland 13. Stromvermarktung
7,8 Mio. ha
14. EEG-Ausschreibung
Waldfläche
11,4 Mio. ha Nahrungsmittel 15. Finanzierung
22% 16. Beschreibungen Material/Ausschreibungen/Beschaffung
17. Beschreibungen Dienstleistungen und Montage/Ausschreibungen/Vergaben
Bau 18. Bau, Montage, Installation
Landwirtschaftlich Energiepflanzen
genutze Fläche 14% 19. Bauüberwachung/Projektmanagemenet
16,6 Mio. ha
20. Abnahme und schlüsselfertige Übergabe/Dokumentation/Verkauf
Industriepflanzen
2%
21. Projektübernahme und Betreiber
ha=hektar
Betrieb 22. kaufmännische Betriebsführung inkl. Monitoring
23. technische Betriebsführung inkl. Monitoring
Brache & Stillegung
2% 24. Flächenpflege
25. Wartung
Quelle: FNR nach Statistischem Bundesamt, 26. Rückkehr oder Repowering Quelle: Netzwerk Energiewende Jetzt e.V.
BMEL (Stand: 2020) (c) FNR 2021
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3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Die Energiewende im Großen

Mit zunehmender Erfahrung und Vertrautheit mit dem Fehlt der BEG die Kompetenz, fehlende Leistungen zu
Geschäftsfeld können Genossenschaften mehr Aufgaben beschreiben und die Erfüllung vergebener Leistungen zu
selbst erbringen. kontrollieren, sollte sie ein externes Projektmanagement
beauftragen.
Grundsätzlich sollte die BEG immer in der Lage sein, geeig-
nete Projekte zu identifizieren und am besten auch die Flä-
chen zu sichern. Die Sicherung der Nutzungsrechte an den Wertschöpfung vor Ort halten: die passende eigene Rolle
Flächen ist der Schlüssel für alle weiteren Aktivitäten. Der/ finden und entwickeln
die Rechteinhaber*in bestimmt das Konzept, die Ausgestal- Mögliche Rollen von BEGen sind aktuell:
tungsvarianten, die öffentliche Wahrnehmung und so weiter. • Finanzielle Beteiligung an fertiger Anlage als
Diese Wertschöpfungsstufe ist damit strategisch relevant. Darlehensgeberin,
• Minderheitsgesellschafterin an fertiger Anlage ohne
Gerade in ländlich geprägten Gebieten sind BEGen die „ge- Aufgaben der technischen oder kaufmännischen
borenen Partnerinnen“ für lokale Akzeptanz und Bürger*in- Betriebsführung,
nenbeteiligung. Sie sollten daher aktiv auf Kommunen in • Minderheitsgesellschafterin an fertiger Anlage
ihrem Marktgebiet zugehen und sich als notwendig einzu- mit Aufgaben der technischen oder kaufmännischen
Vorstand der Bürgerenergiegenossenschaft BENG eG vor einer ihrer
beziehende Akteurinnen der Bürger*innenbeteiligung ins Betriebsführung, PV-Freiflächenanlagen
Spiel bringen. Daher ist das Konzept zur Zustimmung der • Mehrheits- oder Alleingesellschafterin an fertiger
Kommune ebenfalls strategisch relevant. Ohne die Mitwir- Anlage mit Verpflichtung zur Abnahme von Leistungen der
kung der Standortkommune gibt es keine PV-Freiflächenan- technischen und/oder kaufmännischen Betriebsführung, Eine echte und bewusste Wahl hat die BEG, wenn sie Rechte Die Wahl der richtigen Projektpartner*in hat Auswirkungen
lage. Sie stößt in fast allen Fällen das Bauleitplanverfahren • Mehrheits- oder Alleingesellschafterin an fertiger Anlage zur Flächennutzung besitzt und vielleicht auch die Zustim- darauf, in welchem Umfang sich die Genossenschaft und
an und muss die zugehörigen Satzungen beschließen. Hier ohne Verpflichtung zur Abnahme von Leistungen der tech- mung des Gemeinderats zur Einleitung des Bauleitplanver- ihre Mitglieder in den kommenden 20 bis 30 Jahren am Be-
kann die BEG ihre Alleinstellungsmerkmale zur Geltung nischen und/oder kaufmännischen Betriebsführung, fahrens hat. Dann kann sie sich Partner*innen suchen, die ihr trieb des Solarparks erfreuen kann.
bringen, beispielsweise • Flächensicherung, Mehrheits- oder Alleingesellschafterin, den größten Nutzen am Projekt rechtsverbindlich zusichern.
• lokale und regionale Wertschöpfung, technische und kaufmännische Betriebsführung, Für die Bewertung, wie lohnend die Zusammenarbeit mit In den letzten Jahren sind neue Akteur*innen am Markt
• Mitsprache und Akzeptanzsteigerung, • Flächensicherung, Zuarbeit und Mitwirkung an der Pro- Projektentwickler*innen ist, sind folgende Fragen nützlich: aufgetreten, die aus der Bürgerenergie stammen und für
• Ausrichtung am Gemeinwohl, jektentwicklung, Mehrheits- oder Alleingesellschafterin, • In welchem Umfang wird die BEG mit eingebunden? BEGen attraktive Partnerschaften anbieten: Sie tragen zum
• Nutzenversprechen an Flächeneigentümer*innen, technische und kaufmännische Betriebsführung, • Wie sind die Rollen verteilt in Bezug auf Verantwortlichkeit, Beispiel die Vorlaufkosten, bieten ein Vorkaufsrecht zu
Kommune, Bürger*innen, • Qualifizierung in allen Aufgabenbereichen der Akquise, der Mitwirkung und informelle Einbindung? vorab definierten Konditionen an, ermöglichen eine höhere
• landwirtschaftliche Nutzungskonzepte und Steigerung Projektentwicklung, des Projektmanagements sowie der • Wird die BEG bei allen relevanten Entscheidungen ein- Rendite als marktüblich und qualifizieren auf Wunsch ambi-
der Biodiversität, technischen und kaufmännischen Betriebsführung, Mehr- gebunden (Ost-West- oder Südaufständerung, Batteriespei- tionierte Akteur*innen der Bürgerenergie.
• Bekanntheit und Vertrauenswürdigkeit der Akteur*innen. heits- oder Alleingesellschafterin. cher, Produktqualität und Langlebigkeit, Produktherkunft,
Steigerung der Biodiversität, Bewirtschaftungskonzept,
Als strategisch und wirtschaftlich relevant hat sich wei- Die jeweilige Rolle bestimmt sich aus dem Selbstverständ- Wege der Stromvermarktung usw.)?
terhin die Vermarktung oder Veredelung des erzeugten nis der BEG. Wofür braucht es sie? Was will sie erreichen? • Wer trifft die Entscheidungen?
Stroms herausgestellt. In den EEG-Ausschreibungen lassen An welchen Wirkungen misst sie ihren Erfolg? Je wirkungs- • Wie sieht das Konzept der regionalen Wertschöpfung aus?
sich Erlöse von circa 5 ct/kWh erzielen, bei Stromliefer- orientierter und ambitionierter eine Genossenschaft ist, • Welche Vorteile hat die Standortgemeinde?
verträgen im Frühjahr 2022 zwischen acht 8 und 9 ct/kWh desto mehr strebt sie eine substanziell wichtigere Rolle an. • Welche Fachkunde und Leistungsfähigkeit hat der/die Fazit
bei Laufzeiten von zehn Jahren. Auch die Direktlieferung mögliche Partner*in?
an große Stromabnehmer*innen über eigene Leitungen ist • Von welchen Werten ist der/die mögliche Partner*in Das Geschäftsfeld PV-Freiflächenanlagen
attraktiv und eine Prüfung wert. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“: geleitet? ist eines der interessantesten für Energie-
Die passenden Partner*innen finden • Welche Referenzen hat der/die Projektierer*in in der genossenschaften. BEGen besitzen hier
Darauf aufbauend können die Verantwortlichen der Ge- Partner*innen aussuchen kann nur, wer etwas anzubieten Zusammenarbeit mit BEGen? Alleinstellungsmerkmale. Das Geschäfts-
nossenschaft ihre Leistungen individuell ausgestalten. hat und gefragt ist. Manche BEG zieht „nur“ die Rolle als • Was kostet die Projektentwicklung? feld wächst stark und lässt eine gute
Wirtschaftlich interessant sind zum Beispiel die Vergabe Minderheitsgesellschafterin eines fertigen Solarparks in • Was kostet die Beteiligung am Solarpark? Sind die Angaben Wirtschaftlichkeit erwarten. Es bietet das
von Fachlosen, also die Aufteilung der Leistungen nach Betracht. Trotzdem sollte sie sich bewusst sein, dass durch fest, verbindlich mit Gleitung oder unverbindlich? Potenzial für weitere Professionalisierung
Fachgebieten, und die eigenverantwortliche Material- sie bei den Entscheider*innen im Gemeinderat und in der • Wer sind die Ansprechpartner*innen? Wie vertrauensvoll und bezahlte Kräfte und einen großen Wei-
beschaffung. Das spricht gegen das Konzept der General- Bevölkerung die Akzeptanz des Projektes gesichert werden wirken und handeln die Personen? Kann sich die Genossen- terentwicklungsschub.
unternehmer*innen, bei denen vielfach die konkreten soll. Bei dieser Konstellation ist die Genossenschaft gefragt, schaft die Zusammenarbeit als angenehm und vertrauens-
Leistungen und Qualitäten nicht vorab benannt sind. kann aber meist nur Ja oder Nein sagen. voll vorstellen?

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3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Die Energiewende im Großen

PPA: Strom aus PV-Freiflächen überhaupt einer Bürgerenergiegenossenschaft.“ Hilfreich


sei bei den ausgiebigen Gesprächen gewesen, dass die
EWS ebenfalls eine Genossenschaft sei „und ein gleiches
direkt vermarkten Verständnis von Bürgerenergie hat“. Dennoch gab es für
diesen Pilotfall kaum Erfahrungen, auf die man unbesehen
zurückgreifen konnte.

Auch wenn das reformierte Gesetz für die Bürgerenergie und eine Reihe weiterer Einzelheiten. Nach Ablauf sind Der Regelungsbedarf beginnt schon bei der Frage, ob eine
so manche Verbesserung enthalten soll: Geht’s nicht beide frei, die Zusammenarbeit neu aufzusetzen oder sich feste Strommenge zur Lieferung vereinbart wird oder der
auch ohne EEG und Marktprämien? Wie man Ökostrom anders zu orientieren. abnehmende Vertragspartner die gesamte Erzeugung
ökonomisch sinnvoller vermarkten kann, zeigt ein Modell- erhält (letzteres nennt sich „pay as produced“). Was sich
projekt aus Niederbayern. „Wir hatten eine Freifläche gesichert und in der Ausschrei- recht einfach anhört, ist es in Wirklichkeit nicht, wenn man
bung den Zuschlag für knapp 4 Cent pro kWh bekommen“, sich mit der Strombeschaffung eines Versorgers näher
sagt EGIS-Vorstand Pascal Lang über die Anfänge der noch befasst. Die EWS, so erklärt Vorstand Alexander Sladek,
Zu den „frühen Vögeln“ gehört die Energiegenossenschaft ungewöhnlichen PV-Vermarktung. „Aber da war schon berechnen den Strombedarf ihrer Kundinnen und Kunden
Inn-Salzach (EGIS eG) eher nicht. Sie entstand 2013, als klar, dass es eine Alternative braucht.“ Von der geplanten auf der Basis von Viertelstunden-Werten bis zu drei Jahre
der genossenschaftliche Gründungsboom schon stark 4,3-MW-Solaranlage waren jährlich etwa 4,5 Millionen Kilo- im Voraus und kaufen diese Menge mit Terminkontrakten Unterzeichnung des PPA-Vertrags zwischen EGIS und EWS

ausgebremst war. Dafür ist sie eine der besonders dynami- wattstunden Stromerzeugung zu erwarten, damit ging man ein, sofern sie nicht aus eigenen Anlagen stammen. Das
schen Akteur*innen im Land: Die EGIS baute trotz widriger auf Partnersuche. Interessenten gab es etliche, denn neben Problem ist – anders als etwa bei Wasserkraft – die schwan-
Umstände kleine und große Solardachanlagen und bereits den klassischen Stadtwerken sind auch Industriebetriebe kende Erzeugung. Was passiert, wenn fest eingeplante
neun Freiflächen-Photovoltaik(PV)-Anlagen mit zusammen erpicht auf Ökostrom zu einem länger kalkulierbaren Preis, Strommengen ausbleiben, aus welchem Grund auch immer? Preis und Laufzeit liegen natürlich auch im Interesse der
etwa 45 Megawatt (MW) Leistung. Sie realisierte Anlagen etwa weil es deren Kund*innen immer öfter so erwarten Und wer haftet dann? „Kurzfristige Zukäufe wegen Unter- kreditgebenden Banken. Dabei gilt üblicherweise: je länger,
mit Direktvermarktung des Stroms – und 2020 schließlich und vor allem, weil es langfristig wirtschaftlicher ist und deckung müssen teuer bezahlt werden“, sagt Sladek, „da desto besser. Allgemein lässt sich sagen, dass sich die
das erste genossenschaftliche PPA („Power Purchase resilienter macht. steckt einfach ein Risiko drin.“ Umgekehrt war die EGIS an Finanzinstitute längst auf PPAs eingestellt haben, manche
Agreement“) in Deutschland. einem seriösen Partner interessiert, der nicht plötzlich – – wie etwa die Umweltbank – bieten inzwischen sogar einen
wie im letzten Herbst da und dort geschehen – vom Markt Mustervertrag zum Download an. Christian Marcks von der
Nicht alle finden den Fachbegriff passend – man solle doch Erste Solarstrom-PPA mit einer Bürgerenergie- verschwindet. GLS Bank erinnert daran, dass nicht immer eine Megawatt-
lieber von einem „Stromabnahmevertrag“ sprechen, der ein genossenschaft Freiland-PV Basis für einen PPA-Vertrag sein muss: „Das
PPA ja schließlich sei. Simpel ausgedrückt finden sich ein*e Handelseinig wurde die EGIS nach mehreren Monaten geht auch mit Unternehmensdächern.“ Besonders inhaber-
Stromproduzent*in und ein*e Abnehmer*in und schließen Detailarbeit schließlich mit den „Stromrebellen“ der EWS Vergütung und Laufzeit sind zentral geführte mittelständische Betriebe mit hohem Strombedarf
einen Handel ab. Dieser enthält Vereinbarungen über Schönau. „Es war vor zwei Jahren gerade erst das fünfte Zwei Faktoren sind für beide Seiten von überragender gelten bei ambitionierten Akteur*innen der Bürgerenergie
Liefermengen, Kilowattstunden-Preis, Laufzeit des Vertrags Solarstrom-PPA in Deutschland“, sagt Lang, „und das erste Bedeutung: beide Seiten von überragender Bedeutung: als „Traumkunden“, wenn es um Ökostrom-Direktbeliefe-
Vergütung und Vertragslaufzeit. EGIS und EWS nennen den rung geht: Die hätten kurze Entscheidungsläufe und – mit
vereinbarten Preis nicht, lassen aber keinen Zweifel, dass etwas Glück – eine Unternehmensleitung, die mitdenke, so
er höher liegt als der Ausschreibungszuschlag der Bundes- Lang.
netzagentur. EGIS-Vorstand Lang nennt ihn auskömmlich,
obwohl in einer „Flautenzeit“ vereinbart. Inzwischen hat
sich aber der Markt steil entwickelt und es werden höhere
Preise erzielt als Anfang 2020. Man spricht jetzt (im April
2022) von 6 bis 7 Cent pro Kilowattstunde. Abhängig sind
diese Tarife auch von der Laufzeit des PPA-Vertrags. Hier
gelten fünf Jahre als Standard, er kann mittlerweile aber
fast jede beliebige Laufzeit annehmen. Kurze Verträge über
ein Post-EEG-Windrad bringen in der Regel mehr ein, es gibt
auch 20-jährige Vereinbarungen mit dynamischer Preis-
klausel. Für größere Unternehmen ist langfristige Kalkula-
tionssicherheit ein Wert, den man durchaus zu honorieren
bereit ist.

PV-Freiflächenanlage der EGIS eG 30 31


3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Die Energiewende im Großen

Photovoltaik-Freiflächen und Energie- Maximale Wertschöpfung vor Ort


genossenschaften: Erfolgsfaktoren Wie eine Gemeinde in der Pfalz den Ausbau erneuerbarer Energien
im Sinne des Gemeinwohls zum Standard machen möchte.
sch aft eG
Einige Bürgerenergiegenossenschaften (BEGen) haben seit Eifel Energiegenossen
Jahren Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) in ihrem (EEGON) Dirk Wagner, Ortsbürgermeister des 1.400-Seelen-Dorfs verstehen. Gemeinsam mit allen Beteiligten möchten wir
Besitz und bauen kontinuierlich zu. Hier sind die Steckbriefe Reichenbach-Steegen, hat ein Ziel: Investor*innen vor die Energie gemeinschaftlich gewinnen und verteilen. Das
dazu. Ein Projekt der Energiegenossenschaft Inn-Salzach Gründung: 2009 Ort gewinnen, die Kommune, Bürger*innen, Landwirt*in- bedeutet, dass wir auch mit Nachbargemeinden zusammen-
eG wird im Text zu PPA auf den Seiten 30f in dieser Bro- Mitglieder: über 830 nen einbeziehen, um in Solaranlagen und einen Windpark arbeiten, um die örtlichen Begebenheiten beim Trassenbau
schüre genauer beschrieben. Anzahl PV-FFA: 3 zu investieren. optimal zu nutzen.
Leistung: 8,3 MWp
land-Pfalz
Bundesländer: Rhein Vor welchen Hürden stehen Sie?
m: sei t 20 10 kon tinuierlich
Zeitrau Herr Wagner, was ist Ihr Vorhaben? Es stellen sich viele Fragen: Wie viel Fläche können wir
Ausschreibungen : ja
aft Inn-Salzach eG
Energiegenossensch Ohne EEG-Vergütung
: nein Auf uns sind Projektierer*innen zugekommen, die in verwenden, wann wird das ganze umgesetzt? Außerdem
(EGIS) so nd erh eit en : Be tei ligung an schlüs- unserer Gemeinde Photovoltaik(PV)-Anlagen mit einer müssen wir die Akzeptanz der Bürger*innen gewinnen,
Be
lag en , Pa rtnerschaft mit Leistung von 20 Megawatt (MW) bauen möchten. Unser Ziel uns mit Grundstückeigentümer*innen, Landwirtschaft und
selfertigen An
Gründung: 2013 ieversorger
einem regionalen Energ ist, so viele dieser Flächen wie möglich in den Händen der Naturschutz auseinandersetzen. Die Pläne müssen sich
00
Mitglieder: knapp 1.5 Gemeinde zu lassen und so die maximale Wertschöpfung außerdem wirtschaftlich darstellen lassen. Die erste Hürde
Anzahl PV -FFA: 10 vor Ort zu generieren. Wir möchten mit Projektierer*innen, war, den Gemeinderat während einer Klausurtagung von
gawatt-Peak (MWp)
Leistung: etwa 45 Me Bürger*innen, Landwirt*innen, der Kommune und allen dem Vorhaben zu überzeugen.
yer n, Sachsen, Thürin-
Bundesländer: Ba Was ist das Gemeinsame an den Modellen? Die Genossen- weiteren Beteiligten auf Augenhöhe arbeiten.
gen schaften sind strategische Partnerschaften eingegangen, Was sind die nächsten Schritte?
tinuierlich
Zeitraum: seit 2014 kon sie haben die Anlagen meist mit ein und demselben/der- Was ist so besonders an Ihrem Projekt? Wenn der Grundsatzbeschluss der Gemeinde da ist, geht
Ausschreibungen: ja selben Projektpartner*in umgesetzt. Bei einigen Projekten, Alle Beteiligten sollen sich dem Gemeinwohl verpflichten. es darum, die Bevölkerung und die Nachbarkommunen
: ja
Ohne EEG-Vergütung wie der Freiflächenanlage Kirchardt der energeno, haben Wir wünschen uns Investor*innen und Betreiber*innen di- mitzunehmen. Dann kann die Projektierung starten. Es wird
en : Ka uf schlüsselfertiger
Besonderheit sich Energiegenossenschaften zusammengeschlossen, um rekt vor Ort, die die Infrastruktur aufrechterhalten und die schon 2025, 2026 werden, bis alles umsetzungsreif ist.
ft mit einem aus
Anlagen, Partnerscha das Projekt gemeinsam zu stemmen. Möglichkeiten dezentraler erneuerbarer Energieversorgung
n, bundesweit
der Region stammende Welche drei Dinge wünschen Sie sich in Bezug auf erneu-
ten tw ickler, deren Ge-
agierenden Projek Alle drei Genossenschaften erbringen nach und nach mehr erbare Energien für Ihre Gemeinde?
rstand der BEG ist
schäftsführer auch Vo Aufgaben mit eigenem Personal. Der Betrieb der PV-FFA Offenheit für erneuerbare und zukunftsorientierte Energien
trägt bei ihnen maßgeblich zum Geschäftserfolg bei. in der Bevölkerung. Außerdem sollen Kinder und Jugend-
liche in solche Projekte einbezogen werden. EEE – Erneuer-
bare Energien Education sozusagen.
Energiegenossenschaft Was sind die Erfolgsfaktoren?
Heilbronn-Franken eG (energen
o) Aus Sicht der Genossenschaften gibt es verschiedene Er- Was ist Ihr Antrieb?
Gründung: 2010 folgsfaktoren. Dazu gehören Ich möchte Beschlüsse fassen, die nachhaltig sind, und dass
Mitglieder: über 1.500 • die Bereitschaft in Vorstand und Aufsichtsrat, stark zu Kommunen und Politiker*innen aus der Ohnmacht kommen
Anzahl PV-FFA: 4 wachsen, und die eigene Machtposition begreifen. Wir sind alle in der
Leistung: 20 MWp • eine realistische Analyse der eigenen Kompetenz- und Verantwortung, Macht zu übernehmen. Wenn wir diese im
Bundesländer: Baden-Württemb Kapazitätsdefizite, Sinne des Gemeinwohls generieren, dann habe ich keine
erg,
Brandenburg, Sachsen-Anhalt • das Finden eines Partners/einer Partnerin, der/die die Zur Person Angst vor der Zukunft.
Zeitraum: seit 2014 kontinuierlic Stärken der Genossenschaft zu schätzen weiß und die
h
Ausschreibungen: ja Arbeitsweise einer Genossenschaft kennt, Dirk Wagner ist in der dritten Amtszeit
Ohne EEG-Vergütung: nein • die überwiegende Finanzierung der Vorlaufkosten Bürgermeister der 1.400 Einwohner*innen
Besonderheiten: eigene Flächen durch den/die Projektpartner*in, starken Gemeinde Reichenbach-Steegen im
akquisi-
tion, Partnerschaft bei der Projekti
erung • eine faire Vergütungsvereinbarung, Beteiligungskosten, Landkreis Kaiserslautern.
mit einem aus der Region stammen
den, die über dem Marktpreis liegen,
bundesweit agierenden Projekte
ntwickler • die Möglichkeit zum Lernen im laufenden Projekt.

32 33
3 | Geschäftsmodelle mit Strom aus erneuerbaren Energien | Die Energiewende im Großen

Falkenhöhe GmbH & Co. KG und natürlich bei den öffentli- Wer hat die Flächensicherung gemacht und die Menschen
chen Vorstellungen des Projekts. vor Ort einbezogen?
Dies hat in erster Linie der Projektierer übernommen. Beim
Was hat der Projektierer übernommen? Einstieg der Teckwerke waren bereits die meisten Verträge
Er übernahm die Projektentwicklung des Windparks, den geschlossen. Die Menschen vor Ort wurden so einbezogen,
Bau der Infrastruktur und auch die Baubegleitung. dass wir ihnen Möglichkeiten angeboten haben, sich bei den
Teckwerken und auch konkret am Projekt zu beteiligen. Die
Wie ist die Aufteilung der Vorlaufkosten und Risiken ge- Nachfrage war von Anfang an groß und die Menschen vor
wesen? Sind die Teckwerke mit ins Risiko gegangen? Ort sind uns prinzipiell sehr offen begegnet.
Ja, die Teckwerke sind schon vor der endgültigen Genehmi-
gung der gebauten Anlagen eingestiegen. Dennoch lag das Gab es das Thema fehlende Akzeptanz, weil die
Hauptrisiko – aufgrund der langen Vorlaufzeit und den bis Teckwerke keine Genossenschaft vor Ort ist?
dahin erfolgten Ausgaben – beim Projektierer. Nein. Wir haben auch weitere Genossenschaften mit ins
Boot genommen, die zum Teil im Umkreis liegen, wie etwa
Sind die Teckwerke als Genossenschaft in die Ausschrei- die BürgerEnergiegenossenschaft Biederbach & Elztal. Diese
bung gegangen? Genossenschaften haben sich finanzstark beteiligt, hatten
Die Vorstände der am Windpark Die Teckwerke haben den Prozess mit koordiniert und aber nicht das fachliche Know-how, um das Projekt zu ent-
beteiligten Energiegenossenschaften
begleitet. In die Ausschreibung ist die Projektgesellschaft wickeln. So bekam das Vorhaben den wichtigen regionalen
Windpark Falkenhöhe GmbH & Co. KG gegangen. Auf diese Charakter und eben auch ein großes Maß an Akzeptanz.
Bau der Windenergieanlage Projektgesellschaft laufen die Genehmigungen und auch
sämtliche Verträge, die für den Bau und den Betrieb erfor- Und welche Genossenschaft übernimmt die Betriebs-
derlich sind. Hauptgesellschafterin der Projektgesellschaft führung?

Volle Bürger*innen- sind die Teckwerke. Die kaufmännische Betriebsführung liegt bei den Teckwer-
ken.

Wind-Kraft voraus Ist das Projekt übertragbar? Was würden Sie heute an-
ders machen, zum Beispiel bei der Bürgerbeteiligung?
(Lacht) Ja, generell ist solch ein Projekt auf andere Energie-
genossenschaften übertragbar. Natürlich gibt es bei jedem
Die Teckwerke Bürgerenergie eG erzeugt zusammen mit wurden die Ausgleichsmaßnahmen abgeschlossen, als Projekt Besonderheiten, die individuell zu berücksichtigen
anderen Genossenschaften, Stadtwerken und Privatper- 4.850 Bäumchen gepflanzt wurden. sind.
sonen grünen Strom im Windpark Falkenhöhe.
Um die regionale Wertschöpfung zu gewährleisten, wurden Und – ganz klar: Ja, wir würden nach wie vor die Bürger*in-
lokale Firmen in den Bau der WEA involviert, etwa beim nen so bald wie möglich beteiligen. Das fördert die Akzep-
Nach über zehn Jahren Planungszeit hat die Teckwerke Straßen- und Wegebau, dem Kabeltiefbau, der ökologischen tanz in der Region und natürlich auch die Identifikation der
Bürgerenergie eG ihren Windpark Falkenhöhe im Schwarz- Baubegleitung u.a. Menschen mit „ihrem“ Windpark.
wald im Sommer 2021 in Betrieb genommen. Der Windpark
besteht aktuell aus drei Windkraftanlagen, Typ Vestas V 136, Die Teckwerke Bürgerenergie eG hat sich zum Betrieb des
mit einer Nabenhöhe von jeweils 149 Metern. Die Nennleis- Windparks mit weiteren Bürgerenergiegenossenschaften,
tung beläuft sich auf 4,2 Megawatt (MW) pro Windenergie- Stadtwerken und Privatpersonen zur Windpark Falkenhöhe
anlage (WEA). GmbH & Co. KG zusammengeschlossen.

„Windkraftanlagen sind für die CO2-Bilanz und den Wir- In einem Interview liefert Olaf Essig Hintergrundinformatio-
kungsgrad unschlagbar“, so Felix Denzinger, Vorstand der nen zum Projekt.
Teckwerke. „Jedes Jahr versorgen wir mit dem Windpark Mehr Informationen …
Falkenhöhe rund 10.000 Haushalte mit Ökostrom.“ Rund … gibt es auf der Website
20.500 Tonnen CO2 werden pro Jahr vermieden. „Schon Welche Teile der Wertschöpfungskette haben die Teck- des Windparks Falkenhöhe
nach weniger als sechs Monaten arbeiten die Windräder werke selbst übernommen, welche Teile wurden ver- www.windpark-falkenhoehe.de
CO2-neutral. Das bedeutet, dass das erzeugte CO2 beim geben? Kontakt: olaf.essig@teckwerke.de
Aufbau, dem Betrieb und dem Abbau berücksichtigt ist“, Wir waren aktiv bei der Finanzierung, der EEG-Ausschrei-
ergänzt Vorstandskollege Olaf Essig. Im Dezember 2021 bung, der Strukturierung der Projektgesellschaft Windpark

34 35
Mit Wärmeprojekten die
Wertschöpfung steigern
Neben nachhaltiger Stromerzeugung und umweltfreundlicher Mobilität ist das Thema
Wärme entscheidend für eine erfolgreiche Energiewende. Welche Optionen haben Ener-
giegenossenschaften hier?

Bürgerenergiegenossenschaften (BEGen) stehen für den de- (siehe Abbildung unten). Das gleiche gilt für die Nettowär-
zentralen Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort durch die mebereitstellung nach Energieträgern in Wärmenetzen im
Bürger*innen einer Gemeinde. Vor allem das Errichten von Jahr 2020 (siehe Abbildung auf Seite 38).
Photovoltaik(PV)-Anlagen war lange das Hauptbetätigungs-
feld von BEGen. Doch das bürgerschaftliche, genossen-
schaftliche Engagement für eine lebenswerte Klima- und Wärmeprojekte als Hauptgeschäftsfeld
Energiezukunft reicht weiter. Die Energiewende umfassend Dass sich die Bürger*innen dieser Bedeutung bewusst sind,
zu verstehen, bedeutet auch ein Umdenken bei den Themen ist schon länger bekannt. Bereits 2012 stellte die damalige
Mobilität und Wärme. Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz
Baden-Württemberg fest, dass sich „[d]as Augenmerk
ecovillage mit Erdwärmesondenfeld […] verstärkt auf Nahwärmegenossenschaften“ richtet.

4
Warum Wärmeprojekte wichtig sind In ländlichen Regionen entstanden seit 2004 sogenannte
Nur mit der Wärmewende kann die Energiewende nicht Bioenergiedörfer, die einen großen Teil ihres Strom- und
gelingen. Das zeigen die Statistiken, die das Bundesministe- Wärmebedarfs mit überwiegend regional bereitgestellter
rium für Wirtschaft und Klimaschutz 2022 im Rahmen der Biomasse selbst decken. Die Internetseite der Fachagentur
Eröffnungsbilanz Klimaschutz veröffentlicht hat, deutlich. Nachwachsende Rohstoffe listet mittlerweile mehr als 160
Beim Endenergieverbrauch für Raumwärme und Warmwas- Bioenergiedörfer in Deutschland auf.

Energiegenossenschaften bringen
ser in Wohngebäuden in den Jahren 2008 bis 2019 ist der www.energiewendedörfer.de/bioenergiedoerfer-uebersicht-
Anteil an erneuerbaren Energien im Vergleich sehr gering deutschland

die Wärmewende mit auf den Weg Endenergieverbrauch für Raumwärme und Warmwasser in Wohngebäuden

Die Wärmewende ist zentral für unsere Energie- und Klimazukunft und bei einer wach- TWh

senden Zahl von Energiegenossenschaften Thema. Wärme wird neben Photovoltaik das 700
628 624
598 607 594 583 602 611
567 564 577 572
zukünftige Geschäftsfeld für Energiegenossenschaften sein, so die Einschätzung von ge-
600 Erneuerbare
nossenschaftlichen Expert*innen. Wärme ist auch ein Hebel zur Professionalisierung einer Kohle
500
Energiegenossenschaft. Fernwärme
400
Strom
300
In diesem Kapitel wird der Bogen weit gespannt: Die Praxisbeispiele reichen von einem Bio- Gas
200
energiedorf, das Wärme und schnelles Internet bereitstellt und nun das Dorf mit Solarstrom Öl
100
versorgen will, bis zum städtischen Wohnquartier, das klimaneutral erschlossen werden soll.
Welche Wertschöpfungsstufen Energiegenossenschaften abdecken können und wie sich 0
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
Projekte skalieren lassen, ist Thema des Überblicktextes am Anfang des Kapitels.
Quelle: BMWK, 2021; DWD, 2020; dena 2021
36 37
4 | Energiegenossenschaften bringen Wärmewende mit auf den Weg

Ein prominentes Beispiel für eine solche BEG mit Vorbild- auch skalierbare Geschäftsmodelle. Die Errichtung von Wertschöpfungskette für Wärmeprojekte
funktion ist die WeilerWärme eG aus Pfalzgrafenweiler Nahwärmenetzen in Neubaugebieten oder in städtischen
(www.waerme.weilerwaerme.de). Sie wurde 2009 von Sanierungsquartieren können solche Modelle sein, die mit
1. Information und Erstbeteiligung
Bürger*innen der Schwarzwaldgemeinde mit dem Ziel ge- entsprechender Anpassung auf andere Gemeinden ange- 2. Machbarkeitsstudie/Risikoanalyse
gründet, die Genossenschaftsmitglieder mit günstiger, un- wandt werden können. Mit Wärmeprojekten dieser Art hat Akquise 3. Interessenbekundung einholen
abhängiger und umweltfreundlicher Wärme zu versorgen. die BürgerEnergieGenossenschaft Kraichgau eG Erfahrung. 4. Marketing (Kund*innen ansprechen, Preis, Nutzenversprechen, Werbung)
5. Verträge abschließen
Heute sind an das Nahwärmenetz der WeilerWärme eG ein 6. nach Inbetriebnahme Nekund*innen werben
Großteil der privaten Haushalte im Ort sowie zahlreiche Die 2010 in Sinsheim-Adersbach gegründete BEG Kraichgau
öffentliche Gebäude angeschlossen. Sie erhalten erneuer- eG hat in der Gemeinde Mauer bei Heidelberg ihr erstes Nah-
7. Planung (Netzplanung, …)
bare Heizwärme aus einem Holzhackschnitzelwerk, einer wärmenetz errichtet. Seit dem Beginn 2020 werden dort im
Entwicklung 8. Angebote einholen/erstellen
Biogasanlage und mehreren Blockheizkraftwerken. Die Wei- Endausbau 24 Ein- und Mehrfamilienhäuser im Neubaugebiet 9. Genehmigung (z.B. Baugenehmigung)
lerWärme wurde bereits in unserer Broschüre „Ökosystem sowie eine angrenzende Wohnungseigentümergemeinschaft 10. Finanzierung (Förderanträge,   Eigen- und Fremkapital)
der Bürgerenergie“ vorgestellt. mit nachhaltiger Wärme aus 100 Prozent erneuerbaren Ener-
gien versorgt. Die Versorgung sichern eine 40 Quadratmeter 11. Materialbeschaffung
(m2) große Solarthermieanlage und ein Holzpelletkessel mit Bau 12. Bau (Tiefbau, Hausübergabestationen, Heizzentrale, …)
Verschiedene Geschäftsmodelle für Wärmeprojekte 13. Abnahme und schlüsselfertige Übergabe/Verkauf
250 Kilowatt (kW) Leistung. Hinzu kommen ein Solar-Carport
Ein Nahwärmenetz in der gesamten Gemeinde aufzubauen, sowie eine Ladestation für Elektroautos.
ist ein Modell, nach dem BEGen Wärmeprojekte lokal umset- 14. kaufmännische Betriebsführung inkl. Wärmevermarktung
15. technische Betriebsführung inkl. Monitoring
zen können. Häufig steht ein solches Vorhaben in Verbin- Bei dem zweiten Wärmeprojekt, das die BEG Kraichgau Betrieb 16. Einkauf
dung mit dem Wunsch, die Ortschaft in ein Bioenergiedorf eG aktuell durchführt, sind die Maßstäbe höher angelegt. 17. Wartung
umzuwandeln — wie es beispielsweise in Pfalzgrafenweiler Im Rahmen einer Quartierssanierung in der Gemeinde 18. Kundenbetreuung

der Fall war. Kirchardt wird ein Nahwärmenetz aufgebaut, an das ein Hervorgehobene Wertschöpfungsstufen = können von BEG übernommen werden Geplantes Nahwärmenetz,
Sinsheim-Adersbach
Pflegeheim-Neubau und weitere, energetisch sanierte priva-
Für die dafür verantwortlichen BEGen sind die Wärme- te sowie kommunale Gebäude angeschlossen werden. Die Quelle: Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau eG
projekte, die mit der Qualifizierung einer Kommune Heizzentrale wird mit einer 180 m2 messenden Solarther-
als Bioenergiedorf zusammenhängen, meist einmalige mieanlage und zwei Holzhackschnitzelkesseln mit jeweils
Unternehmungen. Doch gibt es für Genossenschaften 450 kW Leistung betrieben.
Das dritte Wärmeprojekt befindet sich momentan in der Abbildung oben links stellt eine beispielhafte Wertschöp-
Planungsphase. Hierbei handelt es sich um die Errichtung fungskette für Wärmeprojekte dar. Die Wertschöpfungsstufen
eines Nahwärmenetzes in Sinsheim-Adersbach (Abbildung 1, 3 bis 6, 10, 14 und 18 können — wenn auch mit großem
oben rechts). Aufwand — von einer BEG selbst übernommen werden. Dabei
Nettowärmebereitstellung nach Energieträgern in Wärmenetzen engagiert sie sich als Investorin für das Vorhaben sowie als
Die Heizzentrale soll, im Unterschied zu den beiden anderen Betreiberin des Nahwärmenetzes. Sie steht im Kontakt mit
Projekten, mit Solarthermie, Holzkessel und Wärmepumpe den Kund*innen bzw. akquiriert Neukund*innen. Die Wert-
betrieben werden. Außerdem soll eine PV-Anlage errichtet schöpfungsstufen 2, 7 bis 9, 11 bis 13 und 15 bis 17 müssen in
werden. der Regel vergeben werden. Hier kann sich die BEG aufgrund
17,6 % erneuerbare Energien 47,0% Erdgas
der spezifischen Aufgaben oder der Haftungsrisiken nicht
Kombinationen wie diese, bei denen der Aufbau einer einbringen. Der Bau sollte beispielsweise komplett an eine*n
0,5 %  Übrige Heizzentrale mit dem Errichten von PV-Anlagen oder Lade- Generalunternehmer*in übertragen werden, um die damit
6,3 %  Abwärme stationen verbunden wird, erweitern die Geschäftsmodelle verbundenen Risiken zu minimieren. Auch die Führung des
der BEGen. Außerdem können Wärmeleitungen parallel zu laufenden Betriebs kann an ein Unternehmen überstellt
0,9 % Mineralöl
einem neuen Stromnetz oder schnellerem Internet verlegt werden.
werden, um Synergieeffekte zu schaffen.
8,5 % Abfall (nicht biogen)
Für die BEG bleibt dann lediglich das Risiko, dass die Idee
eines nachhaltigen Nahwärmenetzes nicht aufgehen könn-
Wertschöpfung bei Wärmeprojekten te, weil zu viele Kund*innen nach erfolgreichem Projekt-
5,6 % Braunkohle
Das Besondere an Wärmeprojekten, die von einer BEG start wieder aus dem Wärmenetz aussteigen. Dieses Risiko
13,5 % Steinkohle durchgeführt werden, ist, dass die Wertschöpfung in der scheint mit Blick auf die Praxisbeispiele sehr gering – vor
Kommune bzw. Region, also vor Ort bei den Bürger*innen allem im Vergleich zu dem Nutzen, den der Ausbau erneu-
bleibt — auch wenn die Genossenschaft nicht alle Stufen der erbarer Wärme für eine erfolgreiche Energiewende sowie
Quelle: BWKW, 2021; Destatis, BDEW, Stand: 12/2021
Wertschöpfungskette abdecken kann. eine lebenswerte Klima- und Energiezukunft hat.

38 39
4 | Energiegenossenschaften bringen Wärmewende mit auf den Weg

Energiegenossenschaften als kompetente


Projektpartner*innen Verwaltungsangestellte mögliche Ansprechpersonen. Im Wärme, schnelles Internet und
Wärmeprojekte sind für Initiator*innen vor allem dann privatwirtschaftlichen Bereich läuft der Kontakt häufig
interessant, wenn diese nicht an ein Fernwärmenetz oder
eine Erdgasversorgung angeschlossen sind und dies auch
über Verwaltungsratsmitglieder oder die Hausverwaltung
einer Wohnungseigentümergemeinschaft, über Eigen-
Sonnenstrom vom Dach
weiterhin nicht gewünscht ist. So steigt etwa das Interesse tümer*innen oder Unternehmer*innen, Betreiber*innen
an nachhaltigen Nahwärmenetzen, seit die Energieunab- von großen sozialen Einrichtungen wie Pflegeheimen
hängigkeit nicht mehr nur klimapolitisches, sondern auch und Kirchen. Gegenüber den Projektpartner*innen und Die Bürgerenergiegenossenschaft Erfurtshausen eG Aktive der BEG. Die Genossenschaft ist Betreiberin des Nah-
sicherheitspolitisches Ziel ist. Dabei kann es für die Initiati- Kund*innen wird eine Genossenschaft vor allem dann hat ein Nahwärme- und ein Glasfasernetz verlegt. Nun wärmenetzes und gründete gemeinsam mit anderen Bio-
ve vielfältige Gründe geben: ernst genommen, wenn sie über ein breites Ingenieurs- geht die Energiegenossenschaft in ihrem Energiekon- energiedörfern und den Stadtwerken Wetter im Landkreis
• Neubaugebiete werden geplant oder Straßensanierungen wissen in den Bereichen Hoch-/Tiefbau, Energie und Hei- zept für das Dorf einen weiteren Entwicklungsschritt. Marburg die Einkaufsgenossenschaft BioEnergieService
stehen an; zungsbau verfügt und damit auf komplexe Fragestellungen Sie will Photovoltaik(PV)-Dachanlagen projektieren Marburger Land eG.
• große Abnehmer mit einer Leistung ab 100 kW, wie bei- direkt und kompetent antworten kann. und bauen.
spielsweise kommunale Liegenschaften, Wohnungseigen-
tümergemeinschaften oder Unternehmen, müssen ihre Welche Bedeutung die Politik der Wärmewende beimisst, PV-Dachanlagen als neues Geschäftsfeld
Wärmeerzeugung erneuern oder möchten auf erneuerbare spiegelt sich auch in den vielen Förderprogrammen wider, Erfurtshausen: Nahwärme kombiniert mit Glasfaser- „Wir haben eher nach innen geschaut und uns dort opti-
Energien umsteigen; die den Ausbau erneuerbarer Energien, die energetische netzausbau miert und nicht überlegt, wie wir expandieren können. Wir
• Bürger*innen fordern gemeinsam ein lokales Wärmenetz. Sanierung und damit die Umsetzung von Wärmeprojekten 2010 stand eine Dorferneuerung an in Erfurtshausen, machen das alles im Ehrenamt“, betont Riehl. Nun sei der
unterstützen. Einen Überblick bieten die Seiten der KfW einem Stadtteil von Amöneburg östlich von Marburg. Eine Ausbau des Nahwärmenetzes praktisch abgeschlossen. Weil
Auf kommunaler Ebene sind meist Bürgermeister*innen, Bank oder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Machbarkeitsstudie ermittelte, dass der Anschluss an das Geschäftsziel ist, den Mitgliedern preiswerte erneuer-
einzelne Mitglieder bzw. Fraktionen des Gemeinderats oder Klimaschutz. ein Nahwärmenetz mit Lieferung der Grundlast aus einer bare Energien zur Verfügung zu stellen, führten die Erfurts-
bestehenden Biogasanlage wirtschaftlich sinnvoll sei. hausener eine Marktanalyse unter ihren Mitgliedern durch.
Der prognostizierte Preis sei zwar ein Cent pro Kilowatt- Das Ergebnis: 41 Haushalte äußerten Interesse an einer
stunde teurer gewesen als Öl, „trotzdem haben alle dafür neuen PV-Anlage. So geht die Genossenschaft aktuell das
gestimmt“, erinnert sich Vorstand Bernd Riehl stolz. „Wir Geschäftsfeld Planung und Bau von PV-Anlagen an. „Wir
wollten weg von fossilen Brennstoffen und etwas fürs Kli- wollen zusätzliche Einnahmen generieren und uns weiter
ma tun! Auch die Unabhängigkeit von totalitären Staaten, professionalisieren“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Dr.
Einkaufsgenossenschaft: Kriegs- und Krisengebieten, woher die meisten fossilen Volker Seumer. Zwei Aspekte seien wichtig: „Geld innerhalb
Kräfte bündeln durch Energieträger kommen, war uns wichtig. Das ist heute der Genossenschaft zu verdienen und weiterhin etwas für
aktueller denn je“, so Bernd Riehl. die Umwelt zu tun. Frei nach dem genossenschaftlichen
Kooperation Grundgedanken: Das Geld des Dorfes dem Dorfe!“
Anfangs dachte niemand an das Thema Internet. Erst
Genossenschaften in Mittelhessen sowie durch einen Besuch bei einer Quartierslösung inklusive
die Stadtwerke Wetter haben sich 2015 zur Glasfasernetz sei man auf die Idee gekommen, den Bewoh-
Einkaufsgenossenschaft BioEnergieService ner*innen auch schnelles Internet zu bieten. „Die Breit-
Marburger Land verbunden. Die Dach- bandtechnologie fördert die Digitalisierung im Dorf“, sagt
genossenschaft hat sich das Ziel gesetzt, Hintergrundinformationen Riehl. Aktuell versorgt die Bürgerenergiegenossenschaft
Verbrauchsgüter und Dienstleistungen zentral (BEG) 156 Gebäude, das sind 80 Prozent aller Liegenschaf-
für die einzelnen Mitglieder zu beschaffen und Eröffnungsbilanz Klimaschutz, ten, mit Wärme und Glasfaser.
die einzelnen Genossenschaften zu entlasten. Bundesministerium für Wirtschaft
Zu den Aufgaben gehören beispielsweise die und Klimaschutz, Januar 2021
Ausschreibung, Auswahl und die Beschaffung www.bit.ly/3GHjSCb Die Wertschöpfungsstufen in Erfurtshausen
von Holzhackschnitzeln. Die Akquise und die Betreuung der Kund*innen haben die
Broschüre „Bürger machen Energie“ Aktiven der Energiegenossenschaft Erfurtshausen eG selbst
www.bit.ly/3M8F3xZ übernommen. „Wir hatten relativ wenig Planungskosten,
weil wir selbst viel mitgearbeitet haben“, sagt Riehl. Die
Projekte der BürgerEnergieGenossenschaft Energiegenossenschaft hat dem Planungsbüro bei der Tras-
Kraichgau eG senoptimierung aktiv zugearbeitet, die wasserschutzrecht-
www.beg-kraichgau.de/projekte liche Genehmigung eingeholt, Förderungen beantragt. Der
Rohbau und die Erdarbeiten der Nahwärmezentrale wurden
extern vergeben, der Innenausbau erfolgte ebenfalls durch

Feierliche Einweihung der Nahwärmezentrale

40 41
4 | Energiegenossenschaften bringen Wärmewende mit auf den Weg

Wärme- und Energiekonzept


Wie deckt ecovillage den Strombedarf? trag von ecotopia in der Lieferung von Strom und Wärme
Voraussetzung für die strombasierte Wärmeerzeugung an alle Mieter*innen und an die Wohnungsbaugenossen-
sind Photovoltaik(PV)-Anlagen, die auf 80 Prozent der schaft sowie die Kund*innen der ecotopia.
für ein neues Quartier Dachfläche des ecovillage gebaut werden. Insgesamt
steht eine Dachfläche von 13.000 Quadratmetern zur
Verfügung. Die geplante installierte Leistung beträgt am Welche Herausforderungen sind zu bewältigen?
Ende etwa 1.200 Kilowatt-Peak (kWp). Mit einem Strom- Im Frühjahr 2022 liegen einige Herausforderungen vor
Wie lässt sich ein Neubauquartier für 1.000 Menschen Welche Wärmeversorgung bekommt das Quartier? speicher mit einer Mindestkapazität von 500 Kilowatt- der Energiegenossenschaft:
klimaneutral mit Strom und Wärme versorgen? An Die im September 2020 neu gegründete Ecotopia Dienst- stunden (kWh) können im Quartier dann mindestens 55 • die Entwicklung geeigneter Tools für die automatisierte,
dieser Aufgabe arbeitet die ecotopia eG mit großem leistungsgenossenschaft Hannover eG (kurz ecotopia eG) Prozent des vor Ort erzeugten Stroms selbst verbraucht netzdienliche Betriebsführung, die beispielsweise die
Engagement. Die Genossenschaft hat viel vor: Sie will hatte von Beginn an die Aufgabe, eine Reihe komplexer werden. In diesem Strombedarf sind der Haushaltsstrom, Laufzeiten der 37 Wärmepumpen mitsamt ihrer Wasser-
Pionierin auf dem Weg in die klimaneutrale „All Elect- Aufgaben in kurzer Zeit zu lösen. Neben dem organisatori- der Strom für die Wärmepumpen und für die Elektromobi- Pufferspeicher optimiert, die wirtschaftlich sinnvolle, netz-
ric Society“ werden. schen und strukturellen Aufbau der Genossenschaft stand lität enthalten. Für den Reststrombezug wird ecotopia mit dienliche Einbindung des Stromspeichers gestaltet und die
die Konzeption der Energieversorgung im Mittelpunkt: Die einem Anbieter von inländischem, idealerweise regional Ladesäulen als integralen Bestandteil des Gesamtsystems
Wahl der passenden Wärmeversorgung, die Konzeption der erzeugtem Ökostrom zusammenarbeiten. versteht;
Das ecovillage Hannover ist ein neues, genossenschaftli- Stromversorgung mit Mieterstrom, Speicher, Ladeinfra- • die Planung des Erdwärmesondenfeldes, das unter einem
ches Wohnquartier am Rand der niedersächsischen Landes- struktur, die Auslegung des Arealnetzes usw. Die Dimensionierung des Netzanschlusses wird von der städtischen Grundstück mit begrenztem Flächenbedarf
hauptstadt. Geplant sind 500 Wohnungen für rund 1.000 maximal möglichen PV-Einspeisung bestimmt, so stellen Platz findet. Hierfür beschäftigen sich die Verantwort-
Bewohner*innen. Das Besondere ist: Das Quartier geht auf Die erste „Hausaufgabe“ der BEG war ein Variantenver- die Wärmepumpen des ecovillage keine zusätzlichen An- lichen mit neuen Bohrtechnologien. Außerdem wollen sie
die Initiative der zukünftigen Bewohner*innen zurück. In gleich für die Wärmeversorgung des Quartiers. Fünf Varian- forderungen an das öffentliche Verteilnetz. Eine netzdien- Pioniere auf dem Weg in die klimaneutrale „All Electric
einem demokratischen, in Arbeitsgruppen strukturierten ten wurden mit Unterstützung eines Planungsbüros und liche Betriebsführung des Gesamtsystems ist möglich. Society“ werden.
Prozess, an dem regelmäßig mehr als 100 Menschen eines Forschungsinstituts miteinander verglichen: Die Anforderungen an eine zu 100 Prozent klimaneutrale
beteiligt waren und sind, entstanden die Grundzüge der • vollversorgendes Biogas-Blockheizkraftwerk (BHKW) mit Strom- und Wärmeversorgung werden mit dem entwickel- Vor dem Hintergrund der aktuellen Strompreisentwick-
ecovillage-Konzeption: Tiny Living auf begrenzten Wohn- Nahwärmenetz, ten Konzept übererfüllt. Das ecovillage wird ein Plus-Ener- lungen halten die Verantwortlichen der ecotopia es für
flächen, 40 Prozent geförderter Wohnungsbau, Passivhaus- • dezentrale Luftwärmepumpen, gie-Quartier. Auf dem Grundstück wird jahresbilanziell möglich, den zukünftigen Bewohner*innen des ecovillage
Standard, autofreie Räume im Quartier mit Gärten und • eine Kombination aus kleinem BHKW und dezentralen Luft- mehr als die benötigte Energie aus Sonne und Erdwärme das beste am Markt verfügbare Angebot für die Strombe-
Gemeinschaftsflächen, nur 100 Auto-Stellplätze und eine wärmepumpen, gewonnen. lieferung zu machen – und das beste Angebot für die lang-
klimaneutrale Energieversorgung bei Strom und Wärme. • Erdwärmesonden, ein kaltes Nahwärmenetz und Wärme- fristige, klimaneutrale Heizung und Warmwasserberei-
pumpen in den Gebäuden, tung. Die Genossenschaft hofft, dass sich stromseitig alle
• eine vollversorgende Pyrolyse-Anlage mit Nahwärmenetz. Welche Wertschöpfungsstufen deckt ecotopia ab? zukünftigen Bewohner*innen des ecovillage für ecotopia
Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) als Dienstleisterin Im Zuge der Grundentscheidung für das Energiekonzept entscheiden werden. Die Werbung der Stromkund*innen
für die Wohnbaugenossenschaft Rahmenbedingung für alle Varianten war die Klimaneutrali- hat das von der Genossenschaft beauftragte Planungs- und neuer Quartiere, die an einer klimaneutralen Wärme-
Die ersten konzeptionellen Überlegungen zur Realisierung tät auf Endenergiebasis. In einem demokratischen Willens- büro einen Förderantrag für „Wärmenetze 4.0“ gestellt, versorgung interessiert sind, wird eine weitere Aufgabe
einer klimaneutralen Versorgung des ecovillage mit Strom bildungsprozess mit rund 100 Beteiligten entschied sich das ein Innovationsförderprogramm des Bundesministeriums sein, die von der Genossenschaft umzusetzen ist.
und Wärme entstanden 2019 in der Energie AG. Dort ecovillage für ein kaltes Nahwärmenetz, Erdwärmesonden für Wirtschaft und Klimaschutz. Das Modul I, in dem die
waren Laien und Energietechnikexpert*innen zusammen- und Wärmepumpen in den Gebäuden. Dies war die an die- Planung bis Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung)
gekommen. Nach Gründung der ecovillage-Wohnbaugenos- sem Standort wirtschaftlich und ökologisch beste Lösung. erstellt wird, ist bald abgeschlossen. Für die Förderung Die Vision
senschaft im Oktober 2019 mit 70 Gründungsmitgliedern des Baus ist ein weiteres Modul (Realisierungsförderung) Mit der Strom- und Wärmeversorgung des ecovillage
(inzwischen gibt es über 700 Genoss*innen) kam die Frage vorgesehen. Hannover will die ecotopia eG als Energieversorgerin ein
auf, welches Konzept geplant und realisiert werden soll und multiplikationsfähiges Grundmodell für klimaneutral und
wer Betreiber*in der energietechnischen Anlagen werden Machbarkeitsstudie, technische Planung, Bau der An- kostengünstig versorgte zukünftige Neubauquartiere
kann. lagen: Diese Elemente der Wertschöpfung deckt ecotopia schaffen.
nicht ab. ecotopia-Genoss*innen werden jedoch die
Eine Wohnbaugenossenschaft kam hierfür aufgrund steuer- gleichstromseitigen Arbeiten für einige PV-Dachanlagen
licher Rahmenbedingungen nur bedingt infrage. Zudem unterstützen, insbesondere die Montage der Module. Die
fehlte der Wille, die Verantwortung für die Energieversor- ecotopia eG hat die Konzeptentwicklung vorangetrieben, Kontakt
gung selbst zu übernehmen. Daher entschied sich die Ener- ist Bauherrin der energietechnischen Anlagen und
gie AG des ecovillage für die Gründung einer eigenen BEG. Energieversorgerin des Quartiers, finanziert das Projekt, Ecotopia Dienstleistungsgenossenschaft
hat die Förderanträge gestellt, macht das Gesamtprojekt- Hannover eG (ecotopia eG)
management und betreibt schließlich die Anlagen für Davenstedter Straße 200, 30455 Hannover
mindestens 20 Jahre. Am Ende besteht der zentrale Bei- Vorstandssprecher: Kirein Franck
ecovillage mit
Erdwärmesondenfeld, E-Mail: info@ecotopia-hannover.de
siehe auch Seite 36 www.ecotopia-hannover
42 43
Mobilität in Gemeinschaft
Für die Verkehrswende braucht es Konzepte. Eines davon ist
E-Carsharing. Das Geschäftsfeld ist komplex, Unterstützung bie-
tet die Dachgenossenschaft Vianova eG.

Eine wachsende Zahl von Bürgerenergiegenossenschaften Projektierung


(BEGen) bietet mit E-Carsharing Menschen ein Angebot,
die gemeinsam nachhaltig mobil sein möchten. Mit einem Geschäftsmodelle
Carsharing-Fahrzeug lassen sich je nach Ausgangssituation Für E-Carsharing bieten sich verschiedene Geschäftsmo-
acht bis 20 private Pkw ersetzen. Werden die Fahrzeuge mit delle an, die je nach Voraussetzung verschiedene Vor- und
lokalem Ökostrom betrieben, steigert das den Beitrag zum Nachteile haben.
Klimaschutz weiter. • Öffentliches E-Carsharing: Die BEG eröffnet eine Car-
sharing-Station und vertraut darauf, dass sich genügend
In diesem Geschäftsfeld warten viele komplexe Aufgaben Nutzer*innen anmelden. In diesem Modell ist das Risiko für
auf die Genossenschaftsmitglieder, die allein schwer zu die Genossenschaft relativ hoch. Es braucht Zeit, bis sich
bewältigen sind. Deshalb haben 15 Genossenschaften 2020 ausreichend Nutzer*innen angemeldet haben. Deshalb ist
die Dachgenossenschaft für Mobilität in Gemeinschaft Via- es hilfreich, vorher Nutzer*innenumfragen zu machen und
Eine von circa 100 Ladepunkten eines Bürgerladenetzes der Inselwerke eG nova eG gegründet. Sie unterstützt Genossenschaften mit das Carsharing erst dann zu starten, wenn sich genügend
Dienstleistungen, Tools und Know-how bei der Umsetzung Personen verbindlich angemeldet haben.
ihrer Mobilitätsprojekte. • E-Carsharing mit Ankermieter*in: Ein*e Ankermieter*in
übernimmt einen Teil der monatlichen Kosten. Dafür hat er

5
Welche Schritte sind für ein E-Carsharing-Projekt nötig? oder sie exklusive Nutzungszeiten für das Fahrzeug. Außer-
Welche kann die Genossenschaft vor Ort übernehmen? halb dieser Zeiten steht das Elektroauto öffentlich zur
Welche erledigt sinnvollerweise die Dachgenossenschaft? Verfügung. Ankermieter*innen können Gemeinden sein,
ein ambulanter Pflegedienst, ein lokales Unternehmen u.a.
• Nachbarschafts-E-Carsharing: Eine feste Gemeinschaft von
sechs bis acht Haushalten teilt sich die monatlichen Kosten
für ein Elektroauto und kann so private (Zweit-)Fahrzeuge

Energiegenossenschaften gestalten abschaffen. Dieses Modell ist für die Genossenschaft wie
für die Nutzer*innen attraktiv. Die festen monatlichen
Einnahmen sichern das Angebot längerfristig ab, die Men-

die Verkehrswende mit


schen vor Ort bekommen Planungssicherheit.

Bausteine einzelner Wertschöpfungsstufen bei der E-Mobilität

Die Energiewende braucht klimaschonende Mobilitätslösungen. Doch wird die ökologische Geschäftsmodelle Tarife
Parkplätze
Projektierung Ladesäulen
Verkehrswende nur gelingen, wenn Menschen ihre Mobilität verändern. Den Kern neuer Marketing Verträge E-Autos
Verkehrskonzepte bildet das E-Carsharing. Gemeinsam CO2-frei mobil sein ist das Motto der
Energiegenossenschaften, die E-Carsharing-Projekte auf den Weg bringen. Ein bundesweites Nutzen Reservieren Fahren Abrechnen
BürgerLadenetz und der Ausbau einer genossenschaftlichen E-Ladeinfrastruktur, die mit
Ökostrom betrieben wird, ist ein zweiter Baustein des Geschäftsfeldes E-Mobilität. Was sich
Nutzer*innen-
für einzelne Energiegenossenschaften lohnt und wo es kompetente Partner*innen braucht, Service Fahrzeugbetreuung gemeinschaft Hotline Support
ist Thema dieses Kapitels.
Quelle: Vianova eG
44 45
5 | Energiegenossenschaften gestalten die Verkehrswende mit

• E-Carsharing für Studierende: Eine Universität oder Hoch- gemeinsam mit anderen die Verkehrswende voranbringen,
schule bietet Studierenden mit dem Semesterticket ein flexibel sein ohne hohe Fixkosten, Fahrspaß usw.
attraktives Mobilitätsangebot inklusive E-Carsharing an.
Die Fixkosten für das E-Carsharing werden über den
Semesterbeitrag abgedeckt und die monatlichen Carsha- Nutzung
ring-Einnahmen fließen zurück an die Hochschule. Zudem Die Reservierung ist über die App der Vianova einfach mög-
können sich Anwohner*innen zum regulären Carsharing- lich. Dabei können die Nutzer*innen zwischen privaten und
Tarif anmelden. dienstlichen Fahrten unterscheiden. Die Fahrzeuge lassen
sich mit der App öffnen und schließen. Der Fahrzeugschlüs-
sel befindet sich im Handschuhfach zusammen mit einer
Tarife und Verträge Ladekarte für öffentliche Ladesäulen.
Die Dachgenossenschaft stellt Musterverträge und Tarife
bereit, die jede BEG an ihre Gegebenheiten anpassen kann. Jeweils am Anfang des Folgemonats erhalten die Nutzer*in-
Der Abschluss der Verträge ist Aufgabe der Genossenschaft nen eine Rechnung oder der Betrag wird einfach vom Konto
vor Ort. abgebucht. Auch eine Kreditkartenzahlung ist möglich.
Dieser Prozess wurde von der Vianova komplett automati-
siert, damit die Genossenschaften sich auf den Aufbau der
Parkplätze, Ladesäulen, E-Autos Nutzer*innengemeinschaften fokussieren können.
Die Parkplätze organisiert die Genossenschaft vor Ort. Sie
können auf öffentlichem Raum bei der Kommune beantragt
werden. Bürgerenergiegenossenschaften bauen seit ein paar Service
Jahren ein BürgerLadenetz auf. Auf diese Expertise kann Die Betreuung der Fahrzeuge, von der Reinigung über Repa-
beim Bau der Ladesäulen zurückgegriffen werden (siehe raturen bis zum jährlichen TÜV, ist Aufgabe der Genossen-
das Interview mit Madlen Haney in dieser Broschüre). Die schaft vor Ort.
Beschaffung der Elektroautos kann direkt vor Ort oder durch
Sammelbestellungen mehrerer Genossenschaften gesche- Die Vianova eG bietet in Kooperation mit der Inselwerke eG
hen, was günstigere Angebote ermöglicht. einen Hotline-Support an, der den Nutzer*innen bei allen
Problemen mit den Fahrzeugen oder der App weiterhilft.
Das gewährleistet eine professionelle Unterstützung. Die
Marketing Dachgenossenschaft hat zudem Konzepte entwickelt, wie
Aufgabe der Genossenschaft vor Ort ist, mit passenden Wer- Genossenschaften Nutzer*innengemeinschaften aufbauen
bemaßnahmen Nutzer*innen anzusprechen und mit einem können, und gibt dieses Wissen gerne weiter.
guten Wertversprechen zu überzeugen: CO2-frei mobil sein,

gemeinsam-mobil.net! Fazit
Die Plattform für Mobilität in Gemeinschaft Das Geschäftsfeld ist komplex, die Renditen
(www.gemeinsam-mobil.net) des Deutschen sind (noch) gering. Doch Autos mit Logo der
Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes e.V. Genossenschaft erzeugen eine hohe Auf-
und der Vianova eG fördert den Wissensaufbau merksamkeit. Es braucht ein Geschäftsmodell,
und -austausch zwischen Genossenschaften mit das sich trägt, eine ausreichende Zahl regel-
Mobilitätskonzepten, bietet ein Projekt-Tool und mäßiger Nutzer*innen, ein kluges Tarifsystem,
stellt genossenschaftliche Mobilitätsprojekte in Fahrzeuge, Stellplätze und Ladestationen
Deutschland vor. sowie einen guten Service. Die Genossen-
schaften vor Ort brauchen zeitliche Kapazität,
um das Geschäftsfeld zu erschließen, und
Aktive für die zahlreichen Teilaufgaben. Bürgerladenetz der Inselwerke eG am
Kunsthaus Usedom in Neppermin

46 47
5 | Energiegenossenschaften gestalten die Verkehrswende mit

„Wirtschaftlichkeit ist
stark vom Standort der
Ladestation abhängig“
Die Inselwerke eG hat auf Usedom seit 2016 ein Lade- Madlen Haney

netz aufgebaut. Heute bietet sie bundesweit Dienst-


leistungen im Bereich Ladeinfrastruktur für Elektro-
autos an. Ein Gespräch mit Vorständin Madlen Haney.

Was sind Eure Geschäftsmodelle?


Wir betreiben Ladestationen auf Usedom und auf dem Eine weitere Wertschöpfungsstufe ist das Errichten der
Festland in der Region. Dann verkaufen wir Ladestationen Ladesäulen. Agiert die Genossenschaft ehrenamtlich und
an Kund*innen wie Gewerbebetriebe und Hoteliers, die hat kein Installationsteam, muss sie die Arbeiten extern
das Thema für sich erkannt haben. Des Weiteren pachten beauftragen. Traut sie sich zum Beispiel Tiefbauarbeiten zu,
wir Standorte, also Stellplätze, auf denen wir auf eigenes kann sie einen Teil der Arbeiten selbst übernehmen – etwa
Ein E-Auto lädt erneuerbaren Strom an der Ladesäule.
Risiko Ladestationen errichten und betreiben. das Aufstellen der Säulen und der Ladestationen. Erst für THG-Quote
den Anschluss braucht es einen Elektrofachbetrieb. Nicht
zuletzt ergeben sich aus dem Kontakt mit den Kund*innen Die Treibhausgasminderungsquote ver-
Was bieten die Inselwerke Genossenschaften, Unter- auch weitere Projektmöglichkeiten. Insofern kann die pflichtet Mineralölkonzerne, ihren CO2-Aus-
nehmen und Kommunen? Ladeinfrastruktur auch als Erweiterung des bestehenden stoß bis 2030 um 25 Prozent zu senken.
Zu unseren Dienstleistungen zählen die Planung öffentli- Portfolios fungieren. Sie stärkt die Positionierung der Wer mehr emittiert als erlaubt, hat Straf-
cher Ladepunkte, die Fernwartung, eine Störhotline sowie Energiegenossenschaft als Anbieterin für Energielösungen zahlungen zu leisten. In einem modernen
die Abrechnung von Ladevorgängen. Wir verkaufen die in der Region. „Ablasshandel“ können die Konzerne die
passende Hardware und nach Wunsch den Service dazu. von E-Fahrzeugen gesparten Emissionen
Zusammen mit den Bürgerwerken bauen wir außerdem kaufen und so Greenwashing betreiben.
bundesweit ein flächendeckendes BürgerLadenetz aus und Lohnen sich Ladesäulen als Geschäftsfeld oder sind der Auch die Betreiber*innen von Ladesäulen
stellen deutschlandweit Energiegenossenschaften Know- Beitrag zur Verkehrswende und die öffentliche Wirkung können seit 2021 an dem Handel mit der
how und unsere Dienstleistungen zur Verfügung. die Hauptnutzen? THG-Quote teilnehmen.
Der kommunikative Mehrwert und die Sichtbarkeit sind häu-
fig noch der Hauptnutzen für Energiegenossenschaften. Die
Was können Bürgerenergiegenossenschaften (BEGen) Wirtschaftlichkeit ist stark abhängig vom Standort. Einige
vor Ort an Wertschöpfung generieren im Geschäftsfeld Ladesäulen bei unseren genossenschaftlichen Partner*in-
Ladeinfrastruktur? nen lassen sich jetzt schon wirtschaftlich gut darstellen, vor
BEGen vor Ort können gut Standorte identifizieren, mit allem an belebten Standorten mit hoher Fluktuation. Seit
den Akteur*innen ins Gespräch kommen sowie die Verträ- diesem Jahr wird darüber hinaus jede geladene Kilowatt-
ge abschließen. Weitere Tätigkeitsfelder für die Genossen- stunde mit einer Treibhausgasminderungsquote (THG-Quo-
schaft vor Ort sind der Stromverkauf an den Stationen, die te) vergütet. Dadurch sinkt die Schwelle zur Wirtschaftlich- Kontakt
dazugehörige Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunika- keit deutlich.
tion rund um die Themen Ladenetz und E-Mobilität in der Inselwerke eG
Region. Eisenbahnstr. 92/93
16225 Eberswalde
E-Mail: ladestation@inselwerke.de
Tel: 038372 – 140 002
www.inselwerke.de
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Liegt die Zukunft der Bürger-
energie in der Sharing Economy?
Die Bürgerenergie ist seit vielen Jahren kreativer und wichtiger Teil der Energiewende.
Sie arbeitet kontinuierlich daran, weitere Teile der Wertschöpfung selbst zu erbringen und
innovative Konzepte umzusetzen. Folgt in Zukunft das Energy Sharing als das zentrale Ge-
schäftsmodell der Bürgerenergie?

Bürger*innen als Initiator*innen der Energiewende nutzen und per App buchen können. Enzyklopädien werden Lange wurde sie gegenüber der individuellen Eigenver- und Spanien realisiert wird. Ein erster Erfolg unserer Arbeit
Seit Jahrzehnten sind Fortschritte in der deutschen nicht mehr zentral erarbeitet und gedruckt, sondern online sorgung benachteiligt, doch mit der Abschaffung der EEG- ist, dass die neue Bundesregierung die Umsetzung von Ener-
Energiepolitik vor allem auf zwei Dinge zurückzuführen: gemeinsam geschrieben und weiterentwickelt. Landwirt- Umlage ändert sich das. Es gibt zwar immer noch zu viel gy Sharing als Ziel in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen
erstens auf öffentlichen Druck. Die Energiewende wäre schaft wird immer öfter von Gemeinschaften getragen und Bürokratie und Graubereiche, aber nie war der Zeitpunkt hat. Das Bündnis Bürgerenergie bleibt dran und wird alles
ohne den beharrlichen Protest der Anti-Atomkraft- sowie die Ernte geteilt. Die Liste weiterer erfolgreicher Sharing- besser als jetzt, um gemeinsame Eigenversorgungsprojekte dafür tun, dass die Bürgerenergie ein neues und relevantes
der Klimaschutz-Bewegung undenkbar. Und zweitens auf Konzepte lässt sich problemlos weiterführen. anzugehen. Geschäftsmodell erschließen kann. Dies schaffen wir nur
das immense Engagement von Pionier*innen. Als sonst gemeinsam mit möglichst vielen Bürger*innen und Bürger-
keine*r die erneuerbaren Energien ausbauen wollte, haben Und in der Energiewirtschaft? Hier steckt die Digitalisie- Wirklich interessant wird es aber erst, wenn auch das Netz energiegemeinschaften – vielleicht hast auch Du Lust, Mit-
Bürger*innen das selbst in die Hand genommen. Daraus rung in Deutschland tatsächlich noch in den Kinderschu- zum Teilen von Energie genutzt wird und größere Gemein- glied im Bündnis Bürgerenergie zu werden?
hat sich ein dynamisches Ökosystem der Bürgerenergie hen. Intelligente Zähler sind viel zu teuer, bislang ohne schaften Strom systemdienlich produzieren, handeln, spei-
entwickelt, immer gespeist aus dem Wunsch nach Teilhabe Mehrwert und noch kaum in Gebrauch. Die Verbreitung chern und nutzen können. Die Europäische Union definiert Energy Sharing ist die logische Weiterentwicklung der bis-
und Gestaltung vor Ort. von Dienstleistungen zur Flexibilisierung der Netznutzung, dies als Energy Sharing und gibt den Mitgliedstaaten vor, herigen Bürgerenergiekonzepte. Darin verbinden sich die
beispielsweise das intelligente Laden und Entladen von dies als zwingendes Recht von Bürgerenergiegemeinschaf- bisherigen Erfolge der Bürgerenergie in idealer Weise: Bei
Bürgerenergiegemeinschaften, Genossenschaften, kleine Solarbatterien, Wärmepumpen oder Batterien für Elektro- ten umzusetzen. Beim Energy Sharing werden Menschen Finanzierung, Bau und Betrieb von Anlagen, Eigenversor-
Gruppen vor Ort und einzelne Bürger*innen haben die autos, wird systematisch unterbunden, obwohl es diese Mitglied in einer Bürgerenergiegesellschaft, erzeugen gungsmodellen oder neuen elektrischen Nutzungsmodellen
dezentrale Energiewende nicht nur initiiert, sondern waren Anwendungen dringend für eine dezentrale Energiewende Strom in Gemeinschaftsanlagen und teilen den darin er- wie E-Carsharing, Ladestationen oder Wärmepumpen ist
und sind bis heute vorantreibende Kräfte. Sie bilden das braucht. zeugten Strom. die Bürgerenergie schon lange Vorreiter. Es wird Zeit, dass
Rückgrat für die notwendige, beschleunigte und gerechte diese Modelle in durchdachten Energy Sharing-Regularien
Energiewende mit hoher Akzeptanz und Beteiligung. Immer Die Zukunft eröffnet neue Chancen für die Bürgerenergie Das Bündnis Bürgerenergie kämpft für eine Energiewen- zusammengeführt werden. Dann kann Bürgerenergie noch
wieder haben sie aus der Not eine Tugend gemacht und so Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels. Die Menschen, de in Bürger*innenhand mehr zu einer erfolgreichen Energiewende beitragen.
innovative Projekte und neue Geschäftsmodelle entwickelt. die sich selbst mit erneuerbaren Energien versorgen, sind Leider ist die alte und bis jetzt auch die neue Bundesregie-
schon lange Vorreiter in Sachen Flexibilisierung: Sie passen rung der europarechtlichen Verpflichtung zur Einführung
Herausforderungen des digitalen Zeitalters ihr Verbrauchsverhalten an die dezentrale Solarstrompro- des Energy Sharing nicht nachgekommen. Das Bündnis
Auch die Digitalisierung ermöglicht neue Wirtschafts- duktion an und erhöhen so ihren Selbstversorgungsgrad. Bürgerenergie legt schon seit Langem Konzepte vor, wie es
modelle wie die Sharing Economy: Gerade junge Menschen Auch die gemeinsame Eigenversorgung gewinnt immer in Deutschland umgesetzt werden könnte. Und wir schauen
wollen Autos nicht mehr besitzen, sondern gemeinsam mehr an Bedeutung – ganz im Sinne der Sharing Economy. uns auch an, wie Energy Sharing z.B. in Österreich, Italien

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Impressum

Gefördert durch:

Herausgeber: Bündnis Bürgerenergie e.V. (V.i.S.d.P.)

Projektleitung: Janina Kosel/Bündnis Bürgerenergie e.V.

Konzeption und Redaktion: Janina Kosel/Bündnis Bürgerenergie e.V.


und Rainer Lange/Netzwerk Energiewende jetzt e.V.

Texte: Franz Bruckner (37-40), Luis Flaig (37-40), Kirein Franck (42-43),
Amina Günter (21-22, 34-35, 41, 48-49), Tom Jost (30-31), Janina Kosel (1, 25),
Rainer Lange ((2, 3-14, 16, 19-20, 36, 44)), Torsten Schwarz (3-14, 17-18, 26-29,
32) Philipp Veit (45-46), Katharina Wawer (23-24, 33), Malte Zieher (50-51),
Schlussredaktion: Kristina Simons mit freundlicher Unterstützung von
Green Planet Energy eG

1. Auflage

Gestaltung & Illustration: Frühling – Studio für Gestaltung |


Annika Huskamp & Birgit Metzger | fruehling.berlin

Druck und Verarbeitung: dieUmweltDruckerei GmbH


Gedruckt auf: 100 % Recyclingpapier
Stand: Juli 2022

Bildnachweise: Daniel Förderer/Bürgerwerke eG (2), BürgerEnergie-


Genossenschaft Kraichgau eG (3), EnerGeno eG (12), SoLocal Energy e.V. (16),
Heidelberger Energiegenossenschaft eG (19), Manfred Vogel (22),
SoLocal Energy e.V. (24, 25), Bürgerenergiegenossenschaft BENG eG (29),
EGIS EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG (30), Maxsolar GmbH (31),
Dirk Wagner (33), Windpark Falkenhöhe GmbH & Co. KG (34),
ecovillage eG(36), BürgerEnergieGenossenschaft Kraichgau eG (39),
Regina Gerlach-Rhiel (41), ecovillage (42), Torsten Roman/Inselwerke eG (44,
47), Frank Haney/Inselwerke eG (48), René Tettenborn/Inselwerke eG (49)

buendnis-buergerenergie.de
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