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 Lucius & Lucius Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 40, Heft 4, August 2011, S. 191–207 191

Das Konzept der Aneignung in der qualitativen


Rezeptionsforschung
Eine wissenssoziologische Präzisierung im Anschluss an die und in Abgrenzung von den
Cultural Studies

The Concept of Appropriation in Qualitative Reception Studies


A Specification Informed by the Sociology of Knowledge with Respect to Cultural Studies
Approaches

Alexander Geimer
Freie Universität Berlin, Arbeitsbereich Qualitative Bildungsforschung, Arnimallee 11, 14195 Berlin, Germany
ageimer@zedat.fu-berlin.de

Zusammenfassung: Dieser Beitrag diskutiert das in der (vor allem deutschsprachigen) sozialwissenschaftlichen Medien-
und Rezeptionsforschung populäre Konzept der Aneignung, das insbesondere auf Arbeiten aus dem Bereich der Cultural
Studies zurückgeht, welche die Aktivität, Kreativität und den Eigensinn von RezipientInnen akzentuieren. Die Cultural
Studies haben damit Pionierarbeit für eine qualitative resp. rekonstruktive Rezeptionsforschung geleistet. Es finden sich
jedoch Tendenzen einer Romantisierung und Idealisierung der Aktivität des Zuschauers, die eine inflationäre Verwen-
dung des Aneignungskonzepts nahelegen. In Abgrenzung von diesen – vorrangig poststrukturalistisch und interaktionis-
tisch geprägten – Positionen und im Anschluss an Ansätze innerhalb der Cultural Studies, die Aneignung als spezifische
Praxis der Rezeption begreifen, schlägt der Beitrag eine wissenssoziologische Präzisierung des Aneignungskonzeptes vor
dem Hintergrund eigener Studien vor. Dies führt zu einer Differenzierung in eine produktive und reproduktive Aneig-
nung, welche die Lesarten-Typologie nach Stuart Hall (dominant, ausgehandelt, oppositionell) weiterführt und differen-
ziert.
Schlagworte: Qualitative Medienforschung; Cultural Studies; Wissenssoziologie; Film, Aneignung, Rezeptionsfor-
schung, Publikumsforschung.

Summary: This paper discusses the currently very popular concept of appropriation in (especially German) media and
audience studies, which is being developed by cultural studies and focuses on the creativity and self-will of spectators.
Despite the fact that cultural studies researchers have, in this way, accomplished pioneering work in terms of qualitative
reception studies, there have been tendencies to romanticize and idealize audience activity. In contrast to such (post-
structuralistic and interactionistic) positions and in continuation of approaches in cultural studies which conceptualize
appropriation as a specific practice of reception this article proposes a specification inspired by the sociology of know-
ledge and by the author’s empirical findings. This leads to a differentiation of productive vs. reproductive appropriation
that is able to further illuminate Stuart Hall’s reading-triad: dominant; negotiated; oppositional.
Keywords: Qualitative Media Studies; Cultural Studies; Sociology of Knowledge; Film; Appropriation; Reception Stu-
dies; Audience Studies.

1. Rezeption als aktive Aneignung und Wegener 2005; Ayaß & Bergmann 2006; Geimer &
Medien-Zuschauer-Interaktion in der Ehrenspeck 2010), die eine Fokussierung der kon-
qualitativen Medien- und textbezogenen Aktivität von ZuschauerInnen vo-
Rezeptionsforschung der rantreiben, wodurch sich Engführungen der lange
Zeit dominierenden quantitativen Wirkungsfor-
Sozialwissenschaften
schung überwinden lassen (vgl. Ayaß 1993; Morley
Wir finden derzeit in der sozial- und bildungswis- 1999; Keppler 2001; Schrøder 2000; Barker 2006;
senschaftlichen Medien- und Rezeptionsforschung Gçttlich 2008), indem die Alltagswelt und dort an-
ein Erstarken qualitativer, rekonstruktiver Positio- gesiedelte Praktiken der Rezeption und Thematisie-
nen (vgl. Ehrenspeck & Schäffer 2003; Mikos & rung von Medienangeboten in den Blick geraten.
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Um die Aktivität des Rezipienten zu betonen, soziologie nach Mannheim (1980) bzw. Bohnsack
spricht man vielerorts auch von einer Interaktion (2008) und Ergebnisse aus empirischen Studien des
von Medium und Rezipient (z. B. Morley 1992: Verfassers aufgegriffen.
283; Jensen 1995: 11; Livingstone 1996: 172;
Thompson 1995: 44; Winter 2003: 435). Vor 30
Jahren hat Iser (1970: 7) in diesem Sinne die Rezep- 2. Medienprodukt- und Rezeptionsanalyse
tion von Literatur folgendermaßen charakteristiert: der Cultural Studies
„Bedeutungen literarischer Texte werden über-
haupt erst im Lesevorgang generiert; sie sind das Die Cultural Studies haben ihre Untersuchung der
Produkt einer Interaktion von Text und Leser.“ Die- Mediennutzung neben und zusammen mit den For-
se Medium-Rezipienten-Interaktionen lassen sich schungsbereichen Jugend, Gender, Race, Pop- und
vielfältig und aus einer kognitionspsychologischen, Fankultur als einen Schwerpunkt ihrer Disziplin
systemtheoretischen oder praxeologischen/hand- etabliert (Bromley 1999: 22). Denzin (1999: 118),
lungstheoretischen Perspektive fassen (vgl. den Über- der zwar die Heterogenität der Cultural Studies ak-
blick in Geimer 2010a: 61ff.). Letztere hat in jüngs- zentuiert, stellt zugleich fest, dass allen „konkur-
ter Zeit die qualitative Rezeptionsforschung er- rierenden Versionen […] ein Interesse an kulturellen
heblich dominiert. Hierbei stellen die Cultural Stu- Texten, an gelebter Erfahrung und an der artikulier-
dies – im angloamerikanischen wie mittlerweile ten Beziehung zwischen Texten2 und Alltagsleben“
auch im deutschsprachigen Raum1 – den wohl ohne gemein ist. Hinsichtlich dieses grundlegenden For-
Zweifel populärsten qualitativen Ansatz zur Analy- schungsinteresses haben sich zwei methodologische
se von Medienrezeptionen dar. Strategien in der Medienforschung der Cultural
Die Cultural Studies insistieren nachdrücklich auf Studies entwickelt: die zumeist ethnografische Un-
der Konzeption eines kreativen Zuschauers, fordern tersuchung der Rezeption und Aneignung von Me-
eine spezifische „Aneignungsforschung“ (Hepp dienprodukten in konkreten, lebensweltlichen Kon-
2010: 165ff.) und haben den vor allem im deutsch- texten und die semiotisch-strukturalistische bzw.
sprachigen Raum verwendeten Begriff der Aneig- diskursanalytische Textanalyse der Produkte (vgl.
nung in der Medienforschung entscheidend (mit)ge- zu dieser Unterscheidung: Fiske 2001a: 45; Denzin
prägt. Im anglo-amerikanischen Raum wird der 1999: 119; Ang 1995: 20ff.; Nightingale 1993:
Begriff der „appropriation“ zwar teilweise auch 165ff.; Condit 1989: 104). Diese methodologischen
(vgl. Hepp 1998: 23; Jenkins 1992: 284), aber we- Strategien gründen je vorrangig in einem der beiden
niger systematisch genutzt. Stattdessen kursiert hier Paradigmen, in deren Spannungsfeld die Cultural
„the notion of ‚active audiences“ (Schrøder & al. Studies erst entstanden sind: dem Kulturalismus,
2003: 124). Die Rede vom aktiven, kreativen bzw. der vor allem auf die Analyse der Besonderheit der
eigensinnigen Zuschauer flankiert zumeist die An- Alltagspraxis setzte, und dem Strukturalismus, der
eignung in deutschen Publikationen. Dazu merkt insbesondere die Analyse der Konstitution von Sub-
etwa Gçttlich (1997: 109) den Diskurs der Cultural jekten durch deren ideologisch strukturierte, sozio-
Studies (stark) vereinfachend an, der Ausgangs- kulturelle Umwelt in den Blick nahm (vgl. Hall
punkt der Analyse sei „oftmals die einfache Annah- 1999: 131f.). Das zentrale Anliegen der Cultural
me, ‚that the audience is always active“ (vgl. Gçtt- Studies fasst Hall demgemäß als dritten Weg (zwi-
lich 2008: 395; Weiß 2001: 294). schen Kulturalismus und Strukturalismus), der eine
„Erfassung der Spezifität unterschiedlicher Prakti-
Der vorliegende Beitrag stellt das Rezeptionsmodell
ken“ zum Ziel habe, ohne dabei „das Ensemble,
der Cultural Studies in seinen zentralen Varianten
das sie [die Praktiken, A.G.] konstituieren, aus dem
vor und schlägt eine Fortentwicklung ihrer Perspek-
Blick zu verlieren“ (Hall 1999: 133). In der Me-
tive in der Medienforschung zugunsten einer Präzi-
dienforschung der Cultural Studies ist dieses Anlie-
sierung des Konzepts der Aneignung vor. Dazu wer-
gen durch Triangulation der Methodologien von
den Hinweise von Ansätzen aus dem Bereich der
Cultural Studies selbst, die Perspektive der Wissens-
2
Der Textbegriff der Cultural Studies ist äußerst weit ge-
fasst und bezieht sich nicht lediglich auf schriftliche Texte,
1
Genau genommen sind die Cultural Studies, die hier in- sondern auf jegliche Medienprodukte und zumeist alle
teressieren, auch ein Teil der angloamerikanischen Au- ihre Formen der Repräsentation. Wenn ich im Weiteren
dience und Media Studies, welche sie jedoch in den letzten von Medien(produkten) spreche, beziehe ich mich vor
Jahrzehnten stark prägen (Barker 2006); vgl. zur Karriere allem auf audiovisuelle Medienangebote (also bspw. nicht
der Cultural Studies die Arbeiten von Mikos (2008: Internetforen, aber Filme, die über das Internet zu bezie-
177ff.) und Gçttlich & Winter (1999: 35). hen sind).
Alexander Geimer: Das Konzept der Aneignung in der qualitativen Rezeptionsforschung 193

Diskurs- und Rezeptions- bzw. Aneignungsfor- Ideologiekonzept inspiriert, demzufolge Alltagsak-


schung eingelçst. teure in einer – durch Staatsapparate wie zivilgesell-
Den Startschuss für diese Triangulation gab Halls schaftliche Agenturen (u. a. Presse, Medien) gestütz-
„Encoding/Decoding“-Modell (Hall 1980, 1994), ten – Komplizenschaft mit der hegemonialen
das die Medienanalysen der Cultural Studies be- Macht stehen (vgl. Gramsci 1991–2002: 783), wel-
gründete. Hall konzipierte die Interpretation einer che jedoch fragil, weil von Widersprüchen durch-
Medienbotschaft vermittelt durch sozial struktu- zogen ist. So erscheint prinzipiell die Mçglichkeit
rierte Dekodierungs- bzw. Lesartenpositionen, die gegeben, den herrschenden Verhältnissen die Zu-
eine klassenspezifische Positionierung gegenüber ei- stimmung zu versagen, die eigene Unterwerfung
nem dominanten (zumeist hegemonialen) Code im- abzulehnen und damit Subjektivität alternativ her-
plizierten. Er unterschied die drei – mittlerweile zustellen (vgl. Winter 2003: 434). Vor diesem Hin-
berühmten – Dekodierungspositionen: dominant tergrund einer brüchigen und widersprüchlichen
(-hegemonial), ausgehandelt, oppositionell (Hall kulturellen Ordnung (und einer insofern aufkünd-
1980; 1994). Das recht starre Schema des frühen baren Unterordnung der Akteure) geht die Herstel-
Encoding/Decoding-Modells auf der Grundlage ei- lung einer ideologischen Einheit in Medienproduk-
ner soziokulturellen Klassentheorie wurde von ten nicht ohne Unterdrückung und Auslassung von
Morley (1992) insofern weiterentwickelt, als dieser widerständigen, sich nicht so einfach fügenden Ele-
die Notwendigkeit einer umfassenderen Analyse menten vonstatten. Die Aufgabe einer ideologiekri-
von Kontexten der Medienrezeption hervorheben tischen Diskursanalyse ist daher doppelt bestimmt.
konnte, die nicht nur Klassen, sondern überhaupt Einerseits sollen dominante ideologische Rahmun-
soziale Einheiten zu berücksichtigen habe, deren gen in Form von Vorzugslesarten bzw. „preferred
Mitglieder kulturelle Orientierungen teilen: „To un- readings“ (Hall 1980: 136) herausgearbeitet wer-
derstand the potential meanings of a given message, den. Andererseits gilt es Lücken, Brüche und Wider-
we need a ‚cultural map of the audience […] – a sprüche aufzuspüren, die sich der Rahmung entzie-
map showing the various cultural repertoires and hen und diese unterlaufen, sowie festzustellen,
symbolic resources available to differently placed inwiefern subversive Lesarten mçglich sind – eine
subgroups within that audience.“ (Morley 1992: Perspektive, die verstärkt in Anschluss an Hall he-
283) In der so gefassten Medium-Zuschauer-Inter- rausgearbeitet wurde und eine Relativierung der
aktion tragen Zuschauer Diskurse an das Medien- Rolle eines „preferred reading“ im Rezeptionspro-
angebot heran und nutzen die vom Medienangebot zess bedeutet (vgl. Fiske 2001a, 2001b; Hall 1994).
zur Verfügung gestellten Diskurse zur Dekodierung Zugleich ist zwischen dem „preferred reading“
(vgl. Winter 2003: 435). Die Bedeutungskonstruk- eines Medienangebots und jenen Codes zu unter-
tionen des Zuschauers sind demzufolge weder be- scheiden, die in einer gegeben Diskursgemeinschaft
liebig, noch wird der Zuschauer vom Medientext in dominant-hegemonial auftreten. Das „preferred
einer spezifischen Zuschauer- und Subjektposition reading“ kann sich auch letzteren gegenüber oppo-
verortet. sitionell verhalten, so dass sich eine Übernahme des
Gemäß dieser Perspektive ist jeder Medientext – „preferred reading“ (in einer dominanten Lesart)
ebenso wie das im Sinne der poststrukturalistischen nicht zwangsläufig kongruent zu hegemonialen
Cultural Studies dezentrierte, sprachliche Univer- Codes einer Diskursgemeinschaft verhalten muss.
sum generell (Winter 2003: 438) – durch Polysemie Das bedeutet, dass der professionelle Code der Pro-
gekennzeichnet. Die ideologiekritische Analyse des duzentInnen nicht mit den dominant-hegemonialen
Bedeutungspotenzials ist Gegenstand der diskurs- Codes der kulturellen Umwelt, in der das Angebot
analytischen Tradition der Medienanalysen der produziert wird, übereinstimmen muss, wie z. B. im
Cultural Studies, denn Medientexte sind nicht nur Falle einer kritischen „Arte-Dokumentation“ zur
durch Offenheit, sondern zugleich auch durch ideo- Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen
logische Rahmungen gekennzeichnet, die bestimm- Praktiken und Diskursen. Diese Differenzierung ist
te Lesarten näher legen als andere. Die Vorannah- in dem ursprünglichen Encoding/Decoding-Modell
men der Cultural Studies ähneln diesbezüglich der nicht ausreichend thematisiert, wie Hall (1994:
ideologiekritischen Screen-Theory (Wren-Lewis 263) selbst im Rückblick artikuliert: „it treats the
1983: 184), ohne jedoch deren psychoanalytisch institutionalization of communication as too one-
begründeten Determinismus hinsichtlich der Wir- dimensional, too directly articulated to a dominant
kung ideologisch strukturierter Medienprodukte ideology.“
auf rezipierende Subjekte zu übernehmen. In dieser Mit der Mçglichkeit einer subversiven Aneignung
Hinsicht sind die Cultural Studies von Gramscis von Produkten, dessen „preferred reading“ dem
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kulturell dominant-hegemonialen Code entspricht, dical contextualism“ (Ang 1996; Grossberg 1999;
schließen die Cultural Studies auch an die Kritik de Morley 1996a) bestimmt. Es handelt sich um einen
Certeaus an Foucault an. Dieser wandte sich gegen „‚methodologischen Situationalismus, der die von
den in seinen Augen verabsolutierenden Charakter Grund auf situierte, immer kontextgebundene Art
der frühen Foucaultschen Diskurstheorie, die kein und Weise unterstreicht, in der Menschen im Alltag
Jenseits des Diskursiven kenne. De Certeau (1988: dem Fernsehen und anderen Medien begegnen, in
110) geht indessen von „klein[en] und minoritä- der sie es […] interpretieren, genießen und in der
r[en] Praktiken“ der Akteure aus, die sich der sie darüber nachdenken und reden“ (Ang 1997:
Macht von Diskursformationen entziehen und die 90). Diese Perspektive konnte die qualitative Re-
vor allem im alltäglichen Konsum zu finden sind. zeptionsforschung international und über die Gren-
De Certeau (1988: 23f., 89f.) nennt diese eigensin- zen von Disziplinen hinweg inspirieren. Zugleich
nigen Praktiken „Taktiken“ und meint damit For- sind jedoch in Varianten der Cultural Studies Ver-
men des Konsums, die nicht in der herrschenden, einseitigungen angelegt, die eine inflationäre Wen-
diskursiven Ordnung aufgehen (de Certeau 1988: dung der aktiven Aneignung und der Überbetonung
13). An derart gefasste Taktiken des Gebrauchs von Kreativität in der Rezeption begünstigen.
knüpfen die Cultural Studies an (vgl. Fiske 2008:
42), um einen Akteur einzuführen, der in einer ‚rei-
nen Diskursperspektive nicht auftaucht und der 3. Zur mangelnden Unterscheidbarkeit von
sich medial bereitgestellten Subjektpositionen in Rezeption und Aneignung in Varianten
der Aneignung von Medienangeboten widersetzen der Cultural Studies: Tendenzen der
kann. Die alltägliche Konsumkultur kann so zu ei- Reifikation von Zuschaueraktivität und
nem Platz der eigensinnigen Aneignung und zum
-kreativität
„Ort des Widerstands“ (Winter 2007: 30) werden.
Dem Vergnügen an der Populärkultur kommt dem-
Die Prämisse des „radikalen Kontextualismus“
zufolge eine politische Bedeutung zu, da es „Elemen-
(Ang 2008: 61) und der „performativ, interpretativ-
te des Oppositionellen, Ausweichenden, Skandal-
interaktionistische Ansatz“ (Denzin 1999: 117) in-
haften, Offensiven, Vulgären und Widerständigen“
nerhalb der Cultural Studies legen eine Analysehal-
(Fiske 2008: 58) beinhaltet.
tung der „situationalen Rahmung von Rezeptions-
Ein solches Konzept der Aneignung ist kaum mit prozessen“ (Gçttlich 2008: 284) nahe, die auf
der (frühen) Foucaultschen Diskursanalyse zu ver- solche Interpretationsstrategien und Dekodierungs-
einbaren, es gewinnt in der Absetzbewegung von ei- praktiken von Medienprodukten fokussiert, die we-
nem, auf den Alltags-Akteur übergreifenden, Dis- niger in Habitus (im Sinne Bourdieus) oder funda-
kurs-Determinismus seinen Sinn und verlangt nach mentalen Lebensorientierungen (im Sinne einer
einem Korrektiv der diskursanalytisch-semiotischen strukturalen Bildungs- bzw. Sozialisationstheorie)
Textanalyse in Form der Analyse konkreter Rezep- bzw. Orientierungsrahmen, Deutungsmustern oder
tionsprozesse. Die weitgehend ethnografisch ver- stabilen Selbst- und Fremdtypisierungen (im Sinne
fahrende Rezeptions- und Aneignungsforschung der Methodologien qualitativer resp. rekonstrukti-
interpretiert daher „Kultur als eine Folge von fort- ver Forschung) verankert sind. Vielmehr bezweifeln
laufenden Interaktionspraktiken“ (Denzin 1999: prominente Cultural Studies-VertreterInnen in grund-
120), wobei speziell medialen Erfahrungen in ihrem legender Weise, dass stabile Erfahrungsstrukturen,
Bezug zur Alltagserfahrung eine besondere Rolle mit denen ein Medienprodukt interagieren kçnnte,
zugeschrieben wird. Diese Forschungstradition ist überhaupt (noch) existieren. So meint Fiske, dass
teils vom interpretativen Paradigma der Soziologie die Postmoderne zu einer sozialen Diversität ge-
geprägt (Winter 1995: 116; 2003: 443; Denzin führt habe, welche die Rede von stabilen, sozialen
1992: 46ff.), bspw. der Chicagoer Schule, der Eth- Gruppen verunmçgliche. Stattdessen sei von „so-
nomethodologie, Goffmans Arbeiten zur Selbstprä- zialen Formationen“ (Fiske 2008) bzw. „popular
sentation, und zeichnet sich teils eher durch Paralle- formations“ (Fiske 1989) auszugehen, die sich be-
len in handlungstheoretischen Grundlagen aus.3 ständig verändern, deren Mitglieder ständig wech-
Die empirischen Methoden der Cultural Studies seln und deren Dasein also von einem „nomadic
sind dementsprechend von der Prämisse eines „ra- wandering through ever changing positions“ (Gross-
berg 1997: 136) geprägt sei. Auch in den Augen von
3
Krotz (1997: 74ff.) sieht eher eine Verwandtschaft und Corner (1998: 269) geht die ethnografische Erfor-
fordert eine stärkere Orientierung der Cultural Studies am schung des Publikums entscheidend auf solche „as-
Symbolischen Interaktionismus. pects of the turn towards Postmodernism“ zurück.
Alexander Geimer: Das Konzept der Aneignung in der qualitativen Rezeptionsforschung 195

Medienprodukte funktionieren vor diesem Hinter- Es ist insbesondere der Begriff der Aneignung, der
grund als symbolische Ressourcen für lokal und auf den Eigensinn von Rezeptionsprozessen wie die
situativ sich vollziehende Bedeutungsaushandlungs- Aktivität des Zuschauers verweist und somit die
prozesse innerhalb wechselnder „popular forma- Gefahr der Idealisierung der Aktivität in alltägli-
tions“. Ein übergreifender Konsens findet demnach chen Rezeptionsprozessen mit sich bringt (vgl.
ebenso wenig statt wie (gruppenspezifisch) stabile Weiß 2001: 294). So konnte die Aneignung zwar
Erfahrungsstrukturen (vgl. Hepp 2007: 345ff.), mittlerweile zu einem Schlüsselbegriff der (vor al-
vielmehr befinden sich Akteure in einem beständi- lem deutschsprachigen) Medienforschung avancie-
gen „Kampf um Macht“ (Fiske 2001b: 87), der sich ren, der Kreativität, Aktivität und Eigensinn in Re-
als „Kampf um Bedeutung“ in Medienprodukten zeptionsprozessen bezeichnet, aber sie ist zugleich,
niederschlägt. Fiske (1989: 23) fasst die sich (vor al- wie auch Wegener (2008: 50) hervorhebt, „medien-
lem über Medien vermittelt) ständig neu strukturie- theoretisch doch nach wie vor wenig ausgearbeitet
rende Sozialität in seinem Begriff der „Leute“: und bislang nur auf einzelne Aspekte des Medien-
„The people […] are a shifting set of allegiances gebrauchs und seine Folgen bezogen worden“. In
that cross all social categories; various individuals ähnlicher Weise führt auch Gçttlich (2008: 396),
belong to different popular formations at different der sich auf den Kreativitätsbegriff von Joas stützt,
times, often shifting between them quite fluidly.“ die unspezifische Verwendung von Konzepten der
Unter diesen Voraussetzungen wird „Subjektivität qualitativen Rezeptionsforschung (wie Interaktion,
in einem poststrukturalistischen Sinn als eine no- Aktivität und Aneignung) auf deren unzureichende
madische Gestalt“ (Winter 2008a: 308) begriffen, handlungstheoretische Fundierung zurück.
„die Allianzen je nach Problemlage und Situation Obschon also eine präzise Klärung des Konzepts
eingeht, wechselt und neu knüpft“. der Aneignung noch aussteht, begreifen unter-
Während die Cultural Studies einerseits Pionier- schiedliche Positionen in der Medienforschung die
arbeit geleistet und jener Perspektive in der Medien- Aneignung als Kernmerkmal des Medienhandelns,
forschung Vorschub gewährt haben, gemäß welcher wie z. B. Keppler: „Die Situation der medialen
„erst die Zuschauer […] die Texte im Prozess der Wahrnehmung ist also immer eine Situation der An-
Aneignung [schaffen]“ (Winter 1995: 108), so be- eignung der medialen Präsentationen. Durch diese
steht andererseits in dem Modell der (durch Medien Aneignung sind mediale und reale Situation mitei-
vermittelten) ständigen Verschiebung und Neudefi- nander verzahnt. Diese Aneignung verleiht dem
nition sozialer Gruppen eine Tendenz, die Macht Wahrgenommenen eine Bedeutung im Kontext der
der Zuschauer und ihren Eigensinn in der Rezep- übrigen Lebenssituationen. Sie vollzieht sich als in-
tion von Medienangeboten zu idealisieren, wie terpretative und kommunikative Handlung inner-
auch David Morley (2006: 102) in seiner Arbeit halb der alltäglichen Situation“ (Keppler 2006: 34,
über „Unanswered Questions in Audience Research“ H.i.O.). Ganz ähnlich äußert sich Hepp (2010:
hervorhebt: „Some recent audience work has exag- 165; vgl. 2005): „Zwar ist es sinnvoll, von Rezep-
gerated, and wrongly romanticized the supposed tion im Sinne von Lesen, (Fern-)Sehen oder Hçren
power and freedoms of media consumers.“ Es sind, in Abgrenzung zum weiteren Gebrauch von Me-
Morley zufolge, Annahmen der Erosion sozialer dienprodukten (beispielsweise den Gesprächen über
Bindungen und des Zerfalls sozialer Strukturen, die diese) zu sprechen, jedoch ist damit im Sinne der
dieser Romantisierung der Kreativität in der Me- Cultural Studies eine spezifische Form der Aneig-
dienrezeption Schwung verleihen: „The recent nung selbst gemeint, indem bereits die Rezeption
swing away from theories of social determination, keine ‚Übernahme von Inhalten darstellt, sondern
towards the now widely held presumption of the umfassend alltagsweltlich lokalisiert ist“. Schon Fa-
‚undecidability of these influences, has thus given ber (2001: 26) problematisierte die unpräzise Ver-
rise to what may be among the most pernicious of wendung des Aneignungsbegriffs als „Schlagwort
the myths that have come to dominate our field“ der Medienrezeptionsforschung“ und plädierte vor
(Morley 2006: 108). Kritische Positionen, wie die dem Hintergrund einer begriffsgeschichtlichen Aus-
Morleys oder etwa Kellners (1995: 33), haben zu einandersetzung für eine deutlich enger gefasste
der sogenannten „Revisionismusdebatte“ geführt, Konzeption, die weder die situationsspezifische
die sich innerhalb der Cultural Studies sowie in Ab- Aushandlung während der Rezeption (primäre The-
grenzung von diesen vollzog.4 matisierungen) noch Aushandlungsformen danach
(sekundäre Thematisierungen) als Kern einer An-
4
Vgl. auch die Auseinandersetzung zwischen Curran und eignung begreift. Faber (2001: 34) votiert dafür,
Morley in Curran et al. 1996. jene Formen der primären oder sekundären Thema-
196 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 40, Heft 4, August 2011, S. 191–207

tisierung als Aneignung zu bezeichnen, in denen der das Konzept der „handlungsleitenden Themen“
Rezipient „zwischen dem Text und seiner Erfah- nach Charlton & Neumann-Braun (1992),5 um he-
rungswelt einen Zusammenhang herstellt“. Sie dif- rauszustellen, dass Zuschauer bestimmte in ihrer
ferenziert dann aber vier Formen der Aneignung Lebenswelt relevante Themen in Medienangeboten
(„assoziative“, „intellektuell-spielerische“, „expli- ausmachen und in Rezeptionsprozessen aufgreifen
zite“, „implizite Aneignung“), die erneut so offen kçnnen, freilich aber nicht müssen (vgl. Mikos
sind, dass eine unübersichtliche Vielzahl an Rezep- 2003: 280; 2007: 36). In diesem Sinne hebt Winter
tionsprozessen darunter fassbar wäre. (1995: 125) hervor: „nicht alle Zuschauer und Re-
Eine mangelhafte Ausarbeitung des Aneignungsbe- zeptionspraktiken sind produktiv“.
griffs trifft nicht nur auf die Medienforschung zu, Die Praxis der Aneignung untersucht Winter an-
sondern die Sozial- und Bildungswissenschaften im hand von Horrorfilm-Fans bzw. anhand deren
Allgemeinen, die das Konzept unterschiedlich (häu- „spezialisierte[r] Fankultur, die sich in differenzier-
fig alltagssprachlich) ohne definierte Bedeutung ge- ten Aneignungspraktiken sowie in damit verbunde-
brauchen. Entsprechend konstatiert Winkler, dass nen filmischen Wahrnehmungs- und Erlebnisweisen
der Aneignung weder ein eigener theoretischer Ort, ausdrückt“ (Winter 1995: 194). Winter weist insbe-
noch eine spezifische Disziplin zuzuweisen sei, was sondere auf den impliziten und präreflexiven Cha-
ein gewisses „Paradox“ (Winkler 2004: 74) bedeu- rakter der anhand von Horrorfilmen produzierten
te, da der Ausdruck zwar „regelmäßig, eben fast Bedeutung und deren Funktion für die Alltagspra-
alltagssprachlich, aber nicht terminologisch verwen- xis hin und siedelt die Praxis der Aneignung – mit
det“ wird. Mit Aneignung sind also unterschiedliche, Verweis auf Bourdieus (1980) „sens pratique“ – we-
teils widersprüchliche Aspekte verknüpft, wie In- sentlich „auf der Ebene des praktischen Bewusst-
korporierung, Verinnerlichung, Aushandlung, mehr seins“ an (Winter 1995: 200; vgl. auch Weiß 2001:
oder weniger reflexive Deutung, kreative Interpreta- 52ff.; Mikos 2007: 38). Anhand des Falles „Rudi“
tion, eigensinnige Verwendung, persçnliche Nut- kann Winter zudem zeigen, wie der Umgang mit
zung, mehr oder weniger zielgerichtetes Lernen usw. Horrorfilmen eine implizite Form der Bewältigung
der eigenen Familienvergangenheit darstellt. In ähn-
licher Weise hat auch Jenkins (1992: 284) in Serien-
4. Aneignung als präreflexiv-implizite Praxis Fan-Studien festgestellt, dass Fans „strong parallels
des Verstehens: Die Rezeptionspraktiken between their own lives and the events of the series“
der produktiven und reproduktiven herstellen, was er mit dem Begriff der Aneignung
Aneignung („appropriation“; ebd.) bezeichnet.
Im Kontext eines solchen Zu-Eigen-Machens von
4.1 Ein wissenssoziologisches Konzept der Medien scheint insbesondere die Herstellung eines
Aneignung. Anschlüsse an Varianten der Passungsverhältnisses zwischen einer filmisch insze-
Cultural Studies nierten Praxis und der eigenen Alltagspraxis bzw.
der diese anleitenden Lebensorientierungen bedeut-
Die Cultural Studies werfen in der Rezeptionsfor- sam. Filme werden in einer solchen Praxis der Re-
schung nicht nur das skizzierte Problem der Aneig- zeption vor dem Hintergrund von in der eigenen
nung auf, sondern kçnnen auch zu seiner Lçsung Lebenswelt relevanten Orientierungen verstanden
beitragen. Schließlich lassen sich Hinweise für ein und implizit auf diese bezogen (ohne dass dies den
konturiertes Konzept der Aneignung solchen Ansät- Rezipienten als ein intentionaler Akt der Rezeption
zen der Cultural Studies entnehmen, welche die Ei- bewusst ist). In diesem Sinne mçchte ich den Begriff
gensinnigkeit und Aktivität der Zuschauer weniger der Aneignung spezifizieren; dazu schließe ich an
voraussetzen – etwa als Produkt der Freisetzung von Bohnsack und Konzepte der praxeologischen Wis-
traditionellen, sozialen Bindungen und Folge einer senssoziologie (Bohnsack 2007) an: „Eine Aneig-
Dezentrierung und Pluralisierung gesellschaftlicher nung setzt ein Verstehen voraus, d. h. Aneignung ist
Semantiken – und eine kreative Aneignung somit
nicht als Grundmerkmal des Medienhandelns nahe- 5
Die strukturanalytische Rezeptionsforschung nach Charl-
legen, sondern als spezifischen Typus des Handelns
ton & Neumann-Braun (1992) interpretiert u.a. Inter-
mit Medien, mithin als eine Praxis der Rezeption be- aktionsprotokolle von sozialen Situationen, in denen
greifen. So greift Mikos (2003: 280) bspw. das Kon- Medieninhalte sich als relevant erweisen, und rekonst-
zept der „Lebenswelt“ der Wissenssoziologie nach ruiert anhand der Objektiven Hermeneutik die Bedeutung
Berger & Luckmann (1980) bzw. Schütz (Schütz & und Funktion, die Medien in einer spezifischen Situation
Luckmann 2003) auf und bezieht sich zugleich auf zukommt.
Alexander Geimer: Das Konzept der Aneignung in der qualitativen Rezeptionsforschung 197

dann mçglich, wenn es den Rezipient(inn)en ge- gemäß den Standards der dokumentarischen Me-
lingt, mit ihrem eigenen konjunktiven Erfahrungs- thode (vgl. Bohnsack 2008) – insbesondere die Re-
wissen an das medial vermittelte Wissen anzuschlie- konstruktion von fallinternen und materialüber-
ßen“ (Bohnsack 2009: 130, Hervorhebung: A.G.). greifenden Homologien zur Identifikation von
Bohnsack bezieht sich hier auf Mannheims Kon- Orientierungsfiguren, die sich durch fallexterne He-
zept eines atheoretisch-impliziten Erfahrungswis- terologien voneinander abgrenzen lassen (kompara-
sens (vgl. Mannheim 1980: 218), das (ähnlich dem tive Analyse). Untersucht wurden vor allem Passa-
Habitus nach Bourdieu) seinen Trägern nur bedingt gen des dichten Nacherzählens eines spezifischen
reflexiv zugänglich ist und als dauerhaftes, genera- Films und detaillierte Beschreibungen der Rezep-
tives Regelsystem die Alltagspraxis hervorbringt. tionserfahrungen mit verschiedenen Filmen (unter
Dabei kommt Prozessen eines präreflexiven Verste- anderem ‚Lieblingsfilme). Gemäß der Narrations-
hens von Vorgängen und Sachverhalten (bzw. ihrer analyse verstricken sich die Jugendlichen in dieser
medialen Repräsentation) eine herausragende Be- Form der Kommunikation in Zugzwänge des Er-
deutung zu, indem diese Aspekte des Sozialen un- zählens, die eine Gleichartigkeit der Konstitution
mittelbar – ohne die Notwendigkeit einer expliziten von (Film)Erfahrung und (Film)Erzählung produzie-
Deutung, Interpretation und situativen Aushand- ren (vgl. Nohl 2006a: 33ff.; Bohnsack 2008: 92ff.).
lung – im Rahmen des eigenen Erfahrungsraums Indem die Praktiken der Aneignung anhand unter-
dekodiert werden kçnnen (vgl. Mannheim 1980: schiedlicher Materialsorten (Interviews, schriftliche
272). Ausgehend von der Beobachtung, dass Re- Nacherzählungen) sowie anhand mehrerer Passagen
zeptionsprozesse unter den Bedingungen eines im- innerhalb der jeweiligen Materialsorte rekons-
pliziten, atheoretischen Verstehens bisher nicht aus- truiert wurden und die Auswahl der Passagen sich
reichend Berücksichtigung fanden, forderte bereits zugleich an den Relevanzen der Beforschten (Er-
Michel (2006: 394) die Entwicklung einer „praxeo- zählpassagen und „Fokussierungsmetaphern“; vgl.
logischen Rezeptionsforschung“ hinsichtlich der Bohnsack 2008: 138) orientierte, ist gemäß den
Rezeption von Fotografien. Gütekriterien der qualitativen resp. rekonstruktiven
Im Unterschied zu anderen Ansätzen der Rezep- Sozialforschung auszuschließen, dass Analyseergeb-
tionsforschung und den genannten poststrukturalis- nisse ein Artefakt zufällig unterschiedlicher Formen
tisch bzw. interaktionistisch ausgerichteten Varian- des Redens über Filme sind. Insofern gehen mçgli-
ten der Cultural Studies, mçchte ich, um der teils che Einwände wie etwa jene, dass Formen der An-
inflationären Verwendung des Begriffs der Aneig- eignung nur zufällig zu unterscheiden seien, oder
nung im Kontext jeglicher Aktivität der Rezipienten überhaupt eine Aneignung nur zufällig und unab-
entgegenzuwirken, dann von einer Aneignung spre- hängig von ihrem Stattfinden nachzuweisen sei,
chen, wenn sich die Rezeption nicht auf der Ebene fehl. Aus Platzgründen kann im Weiteren keine de-
eines situativen Aushandelns von Bedeutung in taillierte Darstellung der Interpretationen wiederge-
wechselnden Kontexten, sondern auf der Ebene ei- geben werden (vgl. Geimer 2010a); es werden also
nes unmittelbaren Verstehens von (insbesondere nur ausgewählte Interviewpassagen vorgestellt (und
bildlichen) Sinnstrukturen vollzieht. Eine solche auf die methodisch wichtige Identifikation von Ho-
Konzeption ermçglicht Differenzierungen, die ich mologien zu weiteren Passagen und zu schriftlichen
im Weiteren an zwei Fällen illustrieren und damit Film-Nacherzählungen wird hier verzichtet).
Praktiken einer produktiven und reproduktiven An- An dieser Stelle ist anzumerken, dass es weitere
eignung vorstellen werde. Praktiken gibt, die nicht Verstehensprozessen, son-
dern Interpretationsprozessen aufruhen, z. B. die
Unterstellung von Autorintentionen durch Wissen
4.2 Methodisch-methodologische Anmerkungen über Mittel und Wege der Kommunikation von
zur Rekonstruktion und Differenzierung von Botschaften, die sich in der Suche nach der Bedeu-
Praktiken der Aneignung tung und (intraindividuellen bzw. intersubjektiven)
Aushandlung des Sinns eines Films vollzieht. Gera-
Die nachstehenden Ausführungen geben einen Ein- de vor dem Hintergrund weiterer Praktiken der
blick in die Ergebnisse einer empirischen Analyse Rezeption gewinnt die Aneignung zunehmend an
von 14 Interviews und schriftlichen Film-Nacher-
zählungen von Berliner Jugendlichen im Alter von
18 bis 22 Jahren.6 Die Untersuchung fokussierte –
katbildungsprozesse Jugendlicher zur Todesthematik und
filmische Instruktionsmuster“ (Leitung: Lenzen & Ehren-
6
Die Daten entstammen dem DFG-Projekt „Kommuni- speck).
198 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 40, Heft 4, August 2011, S. 191–207

Kontur,7 doch das kann an dieser Stelle nicht weiter des persçnlichen Glücks in einer als komplex und
ausgeführt werden. widersprüchlich erfahrenen Umgebung) einleitet:
(Fortsetzung von oben) …also man muss jenauer hinku-
cken um den Film schçn zufinden. Is einfach so /äh/ also
4.3 Produktive Aneignung sie spielt /äh/ en Mädchen, wat ihre Eltern nich kennt und
/äh/ du siehst /äh/ sie immer nur Barfuß rumrennen. Sie is
Lars’ (20, Hauptschulabschluss, arbeitslos) Rezep- total feddich, total schüchtern und /äh/ steht den janzen
Tach im Buchladen und det is ne Liebesjeschichte zwi-
tionsgewohnheiten sind von einer existenziellen Su-
schen ihr und /äh/ Tom Tom. Tom Tom is en Schizophre-
che geprägt: Er versucht „Metaphern“ aus Filmen
ner /äh/ Sammy für alle. Der immer in diesem Assiheim
zu ziehen – wie er selbst seine Rezeptionspraxis vor allem mçglichen Leute irjendwat macht und dabei nie
kennzeichnet. Es handelt sich um das Extrahieren an sich denkt so. Und er, ja keene Ahnung, sie /äh/ jeht, er
von für ihn bedeutsamen Destillaten eines Films. jeht die Straße lang und sieht sie […] und sie sacht nischt,
Voraussetzung dafür ist, dass Filmbilder auf eigene jeht weiter aber einfach die die vçllige Individualität in
Erfahrungsbilder und Orientierungen zu beziehen der Szene und trotzdem die Schçnheit, weeste, die dabei
sind. Deutlich wird diese Rezeptionspraxis bspw. is, siehe och der janze Look, wie jesacht, der Hausflur, al-
anhand seiner Erzählung des Films MILLION let brçckelt von den Wände ab, sie hat irjend so ne
DOLLAR HOTEL (2000), der Lars in hohem Ma- Stretchjeans an, so en, irjend so en Pullover, so en 80, Jah-
re Style Pullover und so ne komische Casio Uhr, weeste.
ße beeindruckte:
Total schlimme Frisur. Augenringe so aber einfach wun-
„dat spielt in nem Assiheim in San Francisco und der janze derschçn. So und ja (2) keene Ahnung also ob die Leute
Look von dem Film is total dreckich und ik liebe det wenn nu großartig /äh/ /äh/ gebildet sind oder nich, weeste jeder
ja och so im wirklichen Leben, weißte so /äh/ dat Kiez, wo kann glücklich sein, jeder und ob Penner oder meinetwe-
ik wohne, weeste, allet ja Szenebezirk, weeste allet dre- gen Verschiss oder wat wees ike. Weeste.
ckisch, aber ja man muss einfach jenau hinkucken, weeste
und in dem Film is et wirklich so, dass das provoziert is, Die Parallelisierung der eigenen und filmischen Bil-
also man muss jenauer hinkucken um den Film schçn zu- derwelt mündet zunächst in eine Schilderung einer
finden.“ Hauptfigur und dann in eine lange und detaillierte
Die Bilder einer filmisch inszenierten Praxis werden Beschreibung der Interaktion von zentralen Prota-
von Lars mit seiner eigenen Alltagspraxis paralleli- gonisten (hier gekürzt). Lars beendet diese Ausfüh-
siert, der filmische Eindruck gleicht dabei jenem, rungen (zu einem seiner Lieblingsfilme) mit einer
den das Bild seiner Umgebung (Berliner Szene- wiederholten Beschreibung der Hauptfigur und
Stadtteil) auf ihn ausübt: „man muss jenau hingu- zieht dann sein ‚Destillat des Films. Ohne hier die
cken“, und erst dann kann man den Film wie seinen detaillierte Interpretation ganz wiedergeben zu
„Kiez“ schçn finden. Auf diese Gegensätzlichkeit kçnnen, wird deutlich, dass erstens die bildliche
zwischen „dreckisch“ und „schçn“ bezieht sich Kongruenz zwischen filmischer und eigener Alltags-
Lars mehrfach, um seine Rezeptionserfahrung von welt für diese Destillatbildung entscheidend ist
MILLION DOLLAR HOTEL zu schildern. Die (auch die „kaputte“ Erscheinung der beiden Haupt-
Kongruenz, gemäß der sowohl Filmwelt als auch figuren ist in seinen Augen durch eine „vçllige
Alltagswelt „ranzig und hässlich aber trotzdem Individualität in der Szene und trotzdem […]
wunderschçn“ erscheinen, führt schließlich zur Schçnheit“ gekennzeichnet). Das Passungsverhält-
Entwicklung einer jener handlungsleitenden Meta- nis zwischen Film und Alltag liegt also auf einer
phern: „jeder kann glücklich sein“ (siehe Transkript spezifisch bildlichen Ebene, so dass vor allem die
unten). Bilder der eigenen Praxis und einer im Film „Bilder Vehikel von Erfahrungen“ (Mitchell 2008:
inszenierten Praxis werden dabei aneinander zu- 241) sind. Die Narration des Films wird von Lars
nehmend angenähert, mimetisch angeglichen und entsprechend nicht in eine spezifische Relation zu
abgeglichen. Im Film inszenierte Praxis und eigene seiner Alltagspraxis gerückt. Zweitens führt das
Alltagspraxis bilden wechselseitig füreinander Me- Passungsverhältnis zwischen filmisch inszenierter
taphern, bis eine Schlussfolgerung aus diesem Pro- und selbst er- und gelebter Alltagspraxis zu einer
zess der Parallelisierung erfolgt, die neues Wissen spontanen Modifikation verinnerlichter Orientie-
generiert und eine neue Orientierung gegenüber rungen. Anhand der bildlichen Repräsentation ei-
Sachverhalten (hier hinsichtlich der Mçglichkeit ner Praxis („schçner“ Alltag im „Assiheim“) er-
schließt er sich die Einsicht, dass Glück nicht von
konkreten Lebensbedingungen abhängig sein muss
7
Zur Nutzung von Filmen als Ressource zur Inszenierung („ob Penner oder meinetwegen Verschiss oder wat
des Selbst und von Selbstpräsentation in Interaktionen wees ike“). Wenn Hepp (2010: 133) feststellt, dass
beispielsweise: Geimer 2010a: 33ff. „sich die Erzählungen von Spielfilmen als Teil um-
Alexander Geimer: Das Konzept der Aneignung in der qualitativen Rezeptionsforschung 199

fassender Mythologien begreifen [lassen], denen die grund von „Parallelen in meinem eigenen privaten
Funktion zukommt, bestehende lebenspraktische Leben […] besonders mitnehmen“. Während Lars
Widersprüche vereinbar zu machen“, so ist dem derartige Parallelen nutzt, um eigene Orientierun-
nur zuzustimmen und besonders auf die visuelle gen auszubilden und zu modifizieren (Metaphern-
Dimension der jener Versçhnung zugrunde liegen- bildung, siehe oben), spiegeln sich für Arnia eigene
den Aneignungsprozesse zu verweisen. Orientierungen in Filmen, wodurch diese reprodu-
Die aus Filmen extrahierten Metaphern dienen Lars ziert und aktualisiert werden (siehe unten). Daher
zwar der Versçhnung von alltäglichen Widersprü- mçchte ich im Falle der Rezeptionspraxis von Lars
chen, verhalten sich jedoch widersprüchlich zum von einer produktiven Aneignung sprechen und die
Alltag, indem sie kaum explizit zu machen sind.8 Rezeptionspraxis von Arnia eine reproduktive An-
Als Mittel der Selbstvergegenwärtigung und Ausbil- eignung nennen.
dung von Handlungstendenzen sind sie kaum un- Die produktive Aneignung von Filmen dient Lars
mittelbar in Interaktionen einzubringen, sondern: zur Bewältigung einer biografischen Krise. Sein All-
„an denen kann man sich eigentlich nur festhalten, tag pendelt zwischen einem Chaos aus Feiern, Er-
weil in dem Moment, wo man se jebraucht, so da holungsphasen, Versuchen, mehr oder weniger legal
klingen se vielleicht manchmal blçde so“. Entspre- zurechtzukommen und durch Praktika (erwerbs)-
chend kann Lars auch handlungsleitende und orien- biografische Kontinuität herzustellen – dadurch,
tierungsbildende Metaphern, die ihn im Aufkündi- dass nichts zu Ende geführt wird und wieder-
gen einer Beziehung stützen („Wege trennen sich im kehrende „Abstürze“ kaum Kontinuität zulassen,
Leben“), nicht der (ehemaligen) Partnerin gegen- kommt Lars über ein „Improvisieren“ nicht hinaus,
über offen legen. Dennoch unterstützen sie ihn in kämpft aber darum, diese Situation zu überwinden:
seinem Handeln und leiten dieses an. Formen der Ik nehm heutzutage wieder Drogen, kann ja, peil aber al-
Aneignung müssen also keineswegs kommunikativ let so um mich rum, weeste. Ik koof mir wat ik will, so. Ik
verhandelt und ausgehandelt werden, um ihre Gül- /äh/ häng niemand of de Tasche. Ik verschenk sogar noch
tigkeit zu erhalten, vielmehr ist gerade das vielen viel, weeste. Ik /äh/ fahr in Urlaub, allet so wat. Och wenn
Jugendlichen kaum mçglich. In diesem Sinne äußert et immer noch improvisiert is. Aber et funktioniert.
sich etwa Arnia (20, Studentin): Der wiederholte Versuch, auf (legale) Weise zu-
Ich rede nich so gerne über Filme, wenn ich ihn, wenn ich rechtzukommen, geht sicherlich auch auf Lars’ bil-
sie gerade angeschaut hab. Meine Mutter lässt dann im- dungsbürgerliches Herkunftsmilieu zurück, mit
mer direkt so’n paar Kommentare fallen. Ich brauch im- dem er jedoch gebrochen hat und das für seinen All-
mer so’n bisschen, also entweder bin ich gerade so verzau- tag und seine Biografie keine unmittelbare Bedeu-
bert, dass ich dieses verzauberte Gefühl noch so’n tung mehr besitzt. Umso mehr versucht Lars über
bisschen anhalten oder dabehalten mçchte, so dass ich es die Rezeption von Filmen – und die mimetische Än-
nicht zerreden mçchte. Oft kann man, find ich, auch über
näherung an eine bildlich repräsentierte Praxis –
Sachen nich sprechen, weil sie einfach für sich schon spre-
chen.
stabile Orientierungen auszubilden und so die bio-
grafische Krise zu bewältigen.
Arnia mçchte den Eindruck eines Films („dieses
verzauberte Gefühl“) mçglichst lange bewahren,
was bedeutet, dass sie dieses „Gefühl“ im Reden 4.4 Reproduktive Aneignung
gewissermaßen preis- und hergibt. Man spricht also
besser gar nicht darüber, weil manche Sachen „ein- Die Praxis der reproduktiven Aneignung, womit
fach für sich schon sprechen“ und man ihnen ihre ich das Wiedererkennen von elementaren Orientie-
eigene Sprache nicht nehmen sollte. Es sind insbe- rungen in Medienprodukten bezeichnen mçchte,
sondere nicht-sprachliche und visuelle Sinnstruktu- lässt sich anhand der folgenden Interview-Passage
ren, die ihre eigene Sprache sprechen, und sich rekonstruieren, bei der es sich um die Antwort Ar-
leicht „zerreden“ lassen – entsprechend vergleicht nias (20, Studentin) auf die Frage nach einem Film,
Arnia an anderer Stelle (siehe unten) die Rezeption der sie besonders beeindruckt hat, handelt:
von Filmen, die sie „berühren“ auch mit der Erfah- (9) Hm, bestimmt einzelne Sequenzen, ansonsten, wenn
rung von „Liedern“ oder „Gerüchen“, welche sich ich mich gerade, also ich hab gerade versucht, so’n paar
bekanntlich schwer versprachlichen lässt. Auch in Filme so’n bisschen so einzublenden, ähm is es bei mir mit
ihrem Fall handelt es sich um Filme, die sie auf- Filmen ein bisschen wie mit Liedern und mit Gerüchen.
Also wenn ich an nen Film denke, dann kommt bei mir,
dann kann ich das Gefühl wachrufen, was der Film bei
8 mir ausgelçst hat. So, aber jetzt zu sagen, okay, ähm, die-
Vgl. diesbezüglich auch die Bemerkungen zum Fall
„Rudi“ bei Winter 1995: 200. ser Film, oach, nehmen wir Philadelphia. Dieser Film hat
200 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 40, Heft 4, August 2011, S. 191–207

bei mir ähm Ängste wachgerufen, also ich selber hab zum und deren Auswirkungen auf den Alltag an. Die
Beispiel seit 20 Jahren Diabetes. Und ich weiß nich, Passage beendet sie dann entsprechend dem dis-
kennst ja den Krankheitsverlauf, weil man sich nich, weil tanzierenden Beginn mit der Aussage „ohne dir
man nicht 100 % sich darum kümmert, kann es Spätschä- jetzt meine ganze Familiengeschichte erzählen zu
den hervorrufen nach 5 bis 10 Jahren. Ich bin 20 Jahre
wollen oder meine Vergangenheit, gibt’s sicherlich
Diabetikerin, noch total jung, aber trotzdem muss ich ei-
gentlich dauernd damit rechnen, dass ich irgendwas be-
einige Filme, die aufgrund von Parallelen in mei-
komme, sprich, wenn ich mal ne Blasenentzündung hab, nem eigenen privaten Leben mich besonders mit-
weil ich einfach mit ner kurzen Jacke Fahrrad gefahren nehmen oder zum Nachdenken anregen“. Weil ihre
bin, und dann ne Blasenentzündung bekomme, denke ich Rezeptionspraxis stark von ihrer persçnlichen Lage
direkt, oh Gott, das kçnnten Nierenschäden sein, so was. (wie sie auch an anderer Stelle bspw. in Bezug auf
Jetzt wär’s aber zu viel zu sagen, okay, wenn ich jetzt Phi- berufliche Orientierungen ausführt) und ihrem Er-
ladelphia gucke, und da geht es um einen heranrückenden fahrungsraum abhängig ist, bedeutet das Reden
Tod, dann bring ich das mit mir in Verbindung und ver- über die Praxis einer Aneignung auch ein Reden
zweifel. Selten. über sich selbst und ihre mit der Krankheit verbun-
Dass der Erinnerungsprozess (von fast zehn Sekun- denen Ängste, die sie in vielen Filmen wiederer-
den) mit einer Metapher aus der Filmsprache (‚ein- kennt (so auch in der Nacherzählung eines ganz
blenden) umschrieben wird, ist bemerkenswert: anderen Films), was sie im Rahmen der Interview-
Das Wie des Prozesses des Erinnerns wird mit den situation aber nicht als angemessen empfindet.
Begriffen aus der Fachsprache des Was umschrie- Daher die Distanzierung und Relativierung von der
ben. Es handelt sich dabei um eine ‚privatsprachli- Aussage zu Beginn und am Ende dieser Passage.
che Form einer metaphorischen Übertragung, wie Eine solche Distanzierung findet sich auch am Ende
sie ähnlich in den konventionalisierten Film-Meta- der eingeschobenen Beschreibung ihrer Krankheit
phern wie ‚Filmriss oder ‚filmreif stattfindet. In wieder, wenn es heißt: „Jetzt wär’s aber zu viel zu
dieser ‚privatsprachlichen Eigenart dokumentiert sagen, okay, wenn ich jetzt Philadelphia gucke, und
sich bereits der enge Zusammenhang von filmisch da geht es um einen heranrückenden Tod, dann
inszenierter und alltäglich erlebter Alltagspraxis, bring ich das mit mir in Verbindung und verzweifel.
der Arnias Rezeptionspraxis immer wieder eigen Selten“. Dieser Distanzierung ist zugleich schon ih-
ist. Dies manifestiert sich auch in den weiteren Aus- re Aufhebung eingeschrieben: Während es zunächst
sagen, in denen sie, da sie zunächst kein Beispiel be- heißt „Jetzt wär’s aber zu viel zu sagen….“, heißt
nennen kann oder mçchte, auf einer allgemeinen es am Ende „selten“. Die Befragte rahmt ihre Aus-
Ebene eines Vergleichs ihrer Filmerinnerung mit sage damit neu und stellt die bestehende Rahmung
dem Erinnern von „Liedern und Gerüchen“ ver- infrage: Sie präsentiert eine Aussage als Distanzie-
bleibt. Wenn sie an einen konkreten Film denkt, rung und distanziert sich dann von ihrem Distanzie-
kann sie das „Gefühl wachrufen“, das er „ausgelçst ren, packt somit die Aussage in die Form einer dop-
hat“, das bedeutet auch: weniger begrifflich-theore- pelten Negation, welche die Funktion hat, das
tisch nachträglich den Inhalt des Films erfassen und Reden über einen ungern thematisierten Gegen-
wiedergeben. Ihre Verbindung zwischen Film und stand – hier: Erfahrung von Angst aufgrund ihrer
Erinnerungsgefühlen ist stark assoziativ-intuitiv in Krankheit im Kontext des Filmeschauens – zu er-
einem impliziten und atheoretischen Wissen ver- leichtern. Es ist also davon auszugehen, dass Arnia
wurzelt. bei der Rezeption von PHILADELPHIA durchaus
Nachdem Arnia schließlich ein konkretes Beispiel ge- Assoziationen bezüglich des eigenen „heranrücken-
funden hat, präsentiert sie es, indem sie sogleich die den Tod[s]“ hatte, aber in dem Kontext des Inter-
Bedeutung des Films für sich selbst (aufschlussreich) views diese nicht vertiefen mçchte (daher auch:
relativiert: Einerseits führt sie das Film-Beispiel an „Jetzt wär’s aber zuviel zu sagen“). Entsprechend
(PHILADELPHIA, 1993) und benennt ihre persçnli- dieser Form eines Wiedererkennens eigener, angst-
che Lebenslage („Diabetes“), vor deren Hintergrund besetzter Orientierungen führt sie an anderer Stelle
sie dem Film Bedeutung zuschreibt, was zu dem Ge- im Interview in Bezug auf die Beendigung intimer
fühl des Berührt-Seins führt („Angst“), andererseits Beziehungen aus, dass Filme sie dann besonders be-
indiziert sie mit dem „so, aber jetzt zu sagen“ schon eindrucken, wenn sie sich darin wiedererkennt
zu Beginn, dass dem offenbar nicht ganz so ist, und („wenn ich da was wiedererkenne“) und beschreibt
führt ihre Ausführungen in einem distanzierenden dergleichen Erfahrungen folgendermaßen: „wenn
Modus ein (worauf auch das „oach“ hinweist). An Sachen aus meiner Vergangenheit in einem Film
diese Distanzierung von der eigenen Rezeptionspra- aufgerollt werden“ bzw. „irgendeine kleine Sequenz
xis schließt sich eine Beschreibung ihrer Krankheit des Filmes darauf anspielt“. Die Aussagegestalt ist
Alexander Geimer: Das Konzept der Aneignung in der qualitativen Rezeptionsforschung 201

strukturiert als würde der Film gerade sie und ge- und Rezeptionsanalyse hervorgehen. Die Forschung
nau sie adressieren, womit Arnia zum Ausdruck auch an medialen Abbildern erçffnet – über die Per-
bringt, dass Filme ihr dann ‚etwas sagen, wenn sie spektive dieses Beitrags hinaus – eine gesellschafts-
sich selbst darin spiegeln kann, indem sie ihre Ver- theoretische Rahmung der Medienforschung und
gangenheit und ihre Erfahrungen in Filmen wieder- damit Fragen wie: Wer produziert welche Formen
erkennt. von Bildern und Texten, die geeignet sind Orientie-
Wie sich Arnia Orientierungen hinsichtlich der rungen von welchen Rezipienten zu modifizieren
Themen Tod und Liebe anhand von Filmen ver- oder zu reproduzieren? Insbesondere zur Beantwor-
gegenwärtigt, so aktualisiert sie auch berufliche tung von Fragen dieser Art kçnnen die Cultural
Orientierungen in der Rezeption von Filmen, die Studies durch die oben geschilderte Verzahnung
sich mit Aspekten globaler, sozialer Ungleichheit von Produkt- und Rezeptionsanalyse wichtige Hin-
auseinandersetzen (wobei sie hervorhebt, dass Do- weise liefern. Wie Fiske (2001a: 46) hervorhebt,
kumentarfilme mit deutlich appellativer Botschaft kommt die Analyse im Sinne der Cultural Studies
dazu kaum in der Lage sind). Dabei werden politi- „zu einem befriedigenden Schluss, wenn sich die
sche Orientierungen bestätigt, die im professionel- ethnografischen Untersuchungen von historisch und
len Umgang mit Zahlen und Fakten (Arbeit bei der sozial verorteten Bedeutungen, die erzeugt werden,
UNO) unterzugehen drohen („Hey Mann, ich lese auf die semiotische Analyse des Textes beziehen“.
zwar dauernd irgendwelche Berichte von irgendwel- Zudem kçnnen die Cultural Studies mit ihrer ideo-
chen, wo eine Sonderorganisation über den Hunger logiekritischen Diskursanalyse zugleich eine politi-
der Welt, die Krankheiten der Welt etc., aber es is sche Kontextuierung des Medienhandelns im Zuge
doch mal was anderes, das an einem persçnlichen einer gesellschaftstheoretischen Rahmung vorneh-
Beispiel so filmisch dargestellt zu bekommen“). An- men lassen. Hier ist dem Begriff der Repräsentation
hand dieses Beispiels wird zugleich deutlich, dass der eine besondere Funktion beizumessen (vgl. Hall
Differenzierung von Aneignungsformen Grenzen 2009: 61ff.).
gesetzt sind, denn die Aktualisierung von biogra- Medienprodukte sind demnach als Zeichensysteme
fisch gewachsenen (hier beruflichen) Orientierun- zu konzipieren, die das Bezeichnete symbolisch her-
gen kann, wenn aktuelle Kontexte und Erfahrungen vorbringen und nicht in der Lage sind, dieses ledig-
zu einer ‚Abstumpfung dieser Orientierungen bei- lich abzubilden (etwa wie es ‚wirklich ist und sich
tragen, ebenfalls als eine Modifikation betrachtet ‚eigentlich verhält). Die Praktiken der Bezeichnung
werden. Es handelt sich also mit der Unterschei- und des Abbildens – Hall (ebd.) nennt sie „signi-
dung in Aneignungsformen vorrangig um eine ana- fying practices“, Morley (1996b: 282) spricht von
lytische Differenzierung, die in der sozialen Wirk- „signifying mechanisms“ – sind so gesehen konsti-
lichkeit in Mischformen anzutreffen ist. Die tutiv für die Repräsentation von Vorgängen, Sach-
rekonstruierten Praktiken der Aneignung sind da- verhalten und sozialen Kategorien. Kern einer
her auch insofern als idealtypisch zu verstehen, als entsprechenden Diskursanalyse von Medienpro-
sie Pole eines Kontinuums der Aneignung aufzei- dukten ist die Identifikation einer durch die spe-
gen, die sich keineswegs als eine strikt produktive zifische Repräsentation angelegten Vorzugslesart
Aneignung oder nur reproduktive Aneignung voll- („preferred reading“), die (häufig) dem dominant-
ziehen muss. hegemonialen Code einer Kultur, in welcher das
Medienprodukt hergestellt wurde, folgt. Die insbe-
sondere von Hall (1980) in seinem Encoding/Deco-
5. (Re)Produktive Aneignung im Verhältnis ding-Modell aufgeworfene Frage ist dann, wie oben
zum Konzept der Vorzugslesart dargelegt, inwiefern die RezipientInnen die domi-
(„preferred reading“) und der nante (ggfs. hegemoniale) Vorzugslesart überneh-
Lesarten-Typologie nach Hall men (dominante Lesart) oder sich mehr oder weni-
ger kritisch dazu positionieren (ausgehandelte Lesart
Dieser Beitrag fokussiert Rezeptionsprozesse in bzw. oppositionelle Lesart). Nachfolgende Autoren
Form einer Aneignung von Medien, das heißt auch: wie Fiske (2001a/b) und Morley (1996b) – und
die Perspektive der Produktanalyse wird systema- auch Hall (1994: 262) selbst im Rückblick – haben
tisch ausgeblendet und die Medien-Zuschauer- hervorgehoben, dass Repräsentationen nicht voll-
Interaktion nur rezipientenseitig beleuchtet; ein sol- kommen eindeutig angelegt sind und verschiedene
ches Vorgehen kann problematisiert werden, indem Formen der Ambivalenz – durch „Vielfalt, Undeut-
es methodologische Chancen wie Schwierigkeiten lichkeit, Lückenhaftigkeit und Widersprüchlich-
meidet, die aus der Relationierung von Produkt- keit“ (Winter 1995: 99ff.) – mit sich bringen: „So a
202 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 40, Heft 4, August 2011, S. 191–207

preferred reading is never fully successful, but it is eine wissenschaftliche Strukturierung der Polysemie
the exercise of power in the attempt to hegemonize des Medienprodukts zurückgeht: die Enthüllung
the audience reading“ (Hall 1994: 262; vgl. auch von (widersprüchlichen) Eigenschaften des Medien-
2009: 62). Daraus folgt, dass auch empirische Les- produkts, die (standortgebundenen) Interpreta-
arten der ZuschauerInnen widersprüchlich sein tionsleistungen der ForscherInnen oder die (antizi-
kçnnen, in einigen Aspekten und Momenten der pierten) Rezeptionsaktivitäten der ZuschauerInnen
Rezeption einer dominanten ideologischen Rah- (vgl. Morley 2006: 110). Diese zentrale Frage ist
mung folgen und diese zugleich in anderen unter- ein methodologisches Problem der Verknüpfung
laufen (vgl. Hall 1994: 255f.), so dass von eher do- von Produkt- und Rezeptionsanalyse im Allgemei-
minanten oder eher oppositionellen Lesarten zu nen.
sprechen ist und Formen einer Aushandlung über- Die Relation von Produkt- und Rezeptionsanalyse
wiegen (während die Extrempositionen als ideal- wird bspw. von Pietraß (2007: 669) wie von Kepp-
typisch anzusehen sind). ler (2001: 132) als eine Frage der Aktualisierung
Die Decoding-Seite dieses Modells ist um die As- von im Produkt angelegten Potenzialitäten gefasst.
pekte einer produktiven bzw. reproduktiven Aneig- Auch Nolda (2003: 171) spricht gemäß ihrer Lesart
nung zu ergänzen, die ebenfalls Pole eines Konti- von Fiske von „Aneignungsformationen“, die auf
nuums darstellen und hier nur eine idealtypische der Seite des Medienangebots identifiziert und in
Geltung beanspruchen. Das vorgeschlagene Kon- der Rezeption mehr oder weniger realisiert werden
zept der Aneignung liegt also quer zur Lesarten-Ty- kçnnen. Dabei stellt sich gleichfalls das umrissene
pologie von Hall (1980, 1994), kann diese ergänzen Problem, inwiefern identifizierte Rezeptionsmçg-
und durch diese ergänzt werden. Mit anderen Wor- lichkeiten eine Eigenschaft von Produktanalysen,
ten: Die Identifikation eines Rezeptionsprozesses der Produkte selbst oder ihrer (antizipierten) Re-
als eher dominante oder eher oppositionelle Lesart zeption darstellen. Dieser Beitrag ist nicht darauf
kann im Sinne dieses Beitrags bedeuten, dass sich ausgerichtet, diese weitgehend ungeklärten Fragen
Orientierungen von Rezipienten in einem Medien- der Relation von Produkt- und Rezeptionsanalyse
produkt spiegeln bzw. in dieses projiziert werden in der qualitativen Medienforschung aufzulçsen;
(reproduktive Aneignung) wie auch, dass Orientie- aus der Perspektive der „Politics of Interpretation“
rungen entsprechend modifiziert werden (produkti- (Denzin 1992; Kellner 1995; Grossberg 1997), die
ve Aneignung). Ob nun eine dominante oder oppo- für viele Cultural Studies-VertreterInnen maßgeb-
sitionelle Lesart vorliegt, kann aus der Perspektive lich ist, gäbe es in dieser Hinsicht keine Auflçsung
dieses Beitrags nicht unterschieden werden, weil und eben das wäre die Lçsung – also ein Anerken-
keine Relationierung von Produkt- und Rezeptions- nen einer nicht zu hintergehenden Politik auch der
analyse vorgenommen wird. Aus einer solchen Re- sozialwissenschaftlichen Interpretation von Me-
lationierung folgen jedoch auch einige methodolo- dienprodukten und damit einhergehenden Stellung-
gische Schwierigkeiten, die im Folgenden diskutiert nahme in einem Kampf um Bedeutung, der eine
werden und die Auseinandersetzung mit den Cultu- „objektive“ und „neutrale“ Interpretationstätigkeit
ral Studies abschließen. kaum zulässt (vgl. Hall 1994: 266).
Anhand einer ideologiekritischen Diskursanalyse Anstatt nun Mçglichkeiten einer (ideologiekriti-
eines Medienangebots werden die empirisch identi- schen) Interpretation von Medienangeboten im Ver-
fizierbaren Rezeptionspraktiken von ZuschauerIn- hältnis zu Mçglichkeiten der Interpretation ihrer
nen einer dem Produkt eingeschriebenen Vorzugs- Rezeption auszuloten, soll im Weiteren die Argu-
lesart, bzw. davon abweichenden und ebenfalls im mentation von Schrøder (2000: 235ff.) zur Vieldeu-
Produkt angelegten Lesarten, gegenübergestellt und tigkeit von Medienprodukten auf einer denotativen
in Relation zu diesen interpretiert (vgl. Wren-Lewis Ebene (des abgebildeten Was einer filmischen Dar-
1983: 186; Hall 1994: 264f.). In diesem Sinne wird stellung) aufgegriffen werden, um die hier vorge-
von VertreterInnen der Cultural Studies betont, nommene Engführung auf Praktiken der Aneignung
dass die Bedeutung eines Medientextes nicht objek- zu plausibilisieren. Schrøder zeigt anhand von
tiv festgestellt werden kann, („meaning can never Gruppendiskussionen über eine Werbesendung, wie
be totally fixed or closed“, so Morley 1980: 10), Zuschauer filmische Gegenstände auf solche deno-
wie zugleich herausgestellt, dass „all meanings do tativen Komponenten einengen, denen in ihrem ei-
not exist equally in the message; it has been structu- genen Relevanzrahmen keine Konnotationen zu-
red in dominance“ (ebd.). Die Gleichzeitigkeit der kommen kçnnen, die anhand des Vergleichs mit
relativen Offenheit und relativen Geschlossenheit einer (ideologiekritischen oder anders ausgerichte-
von Medienangeboten wirft die Frage auf, worauf ten) Produktanalyse zu beurteilen sind. Damit kçn-
Alexander Geimer: Das Konzept der Aneignung in der qualitativen Rezeptionsforschung 203

nen Verstehensleistungen vorliegen, die nicht als ei- und – will man aktive Aneignung im Sinne kreati-
ne Positionierung gegenüber potenziellen Lesarten ver Deutung etwa als Kompetenz verstehen – me-
gemäß einer Produktanalyse zu begreifen sind. Die- dienkompetent.9 Entsprechend ist Lars’ Rezep-
ses Argument greift auch Corner (2000) auf, der in tionspraxis (vgl. 4.3) kreativ zu nennen, aber nicht
dem Encoding/Decoding-Modell eine Differenzie- eindeutig zu beurteilen, ob die angeeignete Meta-
rung zwischen Prozessen eines grundlegenden Ver- pher „jeder kann glücklich sein“ (vgl. 4.3) seinem
stehens (von Denotationen) und solchen der Posi- weiteren (berufs)biografischen Werdegang und sei-
tionierung gegenüber dem Verstandenen (gemäß ner Persçnlichkeitsentwicklung mehr oder weniger
potenzieller Konnotationen) vermisst (vgl. Corner dienlich ist und kann unterschiedlich normativ ge-
1998: 271; 2000: 300). Hall allerdings hat diese wertet werden. Aus Perspektive einer „kritischen
Differenzierung ganz bewusst infrage gestellt und Pädagogik“ (vgl. Winter 2008b) der Cultural Stu-
versteht Denotation im Kontext von Ideologiekritik dies wäre mçglicherweise festzustellen, dass sich
als naturalisierte Konnotation (vgl. Hall 1980). Lars eine Metapher aneignet, die ihn potenziell er-
Dass Hall aber diesbezüglich selbst mitunter ein ge- mächtigt, sich selbst unabhängig von Leistungs-
wisses Unbehagen beschlich, wird in dem folgenden orientierungen gemäß disziplinierender Diskurse zu
Zitat deutlich, in dem er die Mçglichkeit intuitive- verstehen.10
rer und weniger ideologisch strukturierter Wissens-
formen anspricht, ohne diese systematisch in sei-
nem Modell berücksichtigt zu haben: „Are there 6. Fazit: Chancen und Grenzen des Konzepts
forms of understanding which are more intuitive, der Aneignung
which are not so ideologically structured, so ideolo-
gically driven, forms of knowledge which can’t be Ziel des Beitrags war es zunächst, das für die quali-
so clearly related to the codes? And I guess I don’t tative Medienforschung richtungsweisende Re-
know yet what I think about that, but I think that zeptionsmodell der Cultural Studies zu skizzieren,
is there.“ (Hall 1994: 270) Es sind vor allem solche mithin ihr Konzept der Kreativität und Eigensinnig-
Formen des Wissens in Interaktion mit einem keit des Zuschauers und den darauf eingestellten
Medienprodukt, die Varianten der Cultural Studies Begriff der Aneignung darzulegen. Dabei wird ei-
(Winter 1995: 200; Mikos 2007: 38) als Rezeptions- nerseits deutlich, dass einige jüngere, vor allem
formen vor dem Hintergrund eines „praktischen Be- poststrukturalistisch bzw. situationistisch-inter-
wusstseins“ – und damit als Aneignungspraktiken – aktionistisch geprägte, Ansätze dazu neigen, die
spezifizieren. Aus der wissenssoziologischen Per- Macht des aktiven Zuschauers zu überschätzen und
spektive dieses Beitrags, die an jene Varianten der so den Begriff einer (kreativen) Aneignung zu über-
Cultural Studies anknüpfen kann, folgt in dieser strapazieren. Andererseits finden sich aktuelle An-
Hinsicht, dass produktive wie reproduktive Aneig- sätze im Bereich der Cultural Studies, welche die
nungsformen, wie bereits festgestellt, im Sinne der Aneignung als spezifische Praxis der Rezeption und
Cultural Studies zwar sowohl als eher dominante Prozess einer existenziellen Verzahnung von Film-
oder eher oppositionelle Lesarten zu interpretieren und Lebenswelt begreifen. Ausgehend von diesen
sein kçnnen (was auch für das Anliegen der Cultu- Positionen wurde unter Rückgriff auf den wissens-
ral Studies von Relevanz sein sollte), aber ggf. auch soziologischen Begriff des Verstehens auf der Basis
in dem Kontinuum dieser Typologie kaum zu fassen atheoretisch-impliziten Wissens (Mannheim 1980)
sind.
Ebenso wie Prozesse einer Aneignung in der Rezep- 9
„Medienkompetenz besteht darin, die während des Auf-
tion nicht auftreten und im Falle ihres Auftretens wachsens erworbenen Erfahrungen interpretierend in die
nicht in Bezug zu einer (ideologiekritischen) Pro- Deutung von Mediensymbolisierungen einzubringen […]
duktanalyse zu beurteilen sein müssen, so sind sie Wenn es um ‚Handeln geht, besteht Interpretation also
auch nicht stets zu begrüßen; die Gleichung „kreati- nicht im schlichten Nachvollzug einer vorgegebenen Bot-
ves Medienhandeln“ = „positiv zu werten“ muss al- schaft, vielmehr kann es gerade darin sich erfüllen, daß
so nicht aufgehen. Eine (re)produktive Aneignung die Botschaft mit ihren Zwischenräumen gedeutet und so
aktiv angeeignet wird“, so Baacke (1997: 55).
etwa kann ebenso die Modifikation oder Aktuali- 10
Inwiefern diese Orientierungen auch in dem Film MIL-
sierung von Orientierungen gemäß negativ konno- LION DOLLAR HOTEL vom Produktionsteam um Wim
tierter Stereotypen implizieren (etwa gegenüber Wenders mehr oder weniger dominant gesetzt sind, und
Mitgliedern spezifischer sozialer Kategorien). In ob Lars eine eher dominante oder oppositionelle Lesart
diesem Sinne erweist sich bspw. die rechte Jugend- aufweist, wäre nur durch eine zusätzliche Produktanalyse
szene bekanntlich als ziemlich produktiv, kreativ festzustellen.
204 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 40, Heft 4, August 2011, S. 191–207

und in Bezug auf eigene Studien eine Präzisierung Phasen des Handelns (mit Medien und Menschen)
und Differenzierung des Aneignungsbegriffs vorge- die durch eine produktive Aneignung angestoßene
schlagen. Orientierungsbildung ausgebaut, differenziert, wei-
Aneignung ist dann als eine vorrangig präreflexive, ter modifiziert oder neutralisiert wird. Damit ist
implizite Praxis der Rezeption zu fassen, die auf ei- auch die Frage verbunden, inwiefern eine produkti-
nem stillschweigenden Erfahrungswissen beruht, ve Aneignung in bestimmten Lebensphasen (etwa
das ein unmittelbares Verstehen von Medienpro- Adoleszenz, Krisen etc.) oder Lebenslagen (etwa
dukten ermçglicht. Vor diesem Hintergrund konnte Milieus, Generation etc.) von gesteigerter Bedeu-
mit der Rezeptionspraxis einer produktiven Aneig- tung ist. Hier liegt eine Grenze der Reichweite
nung eine Form des Medienhandelns empirisch dieses Beitrags und eine Anschlussmçglichkeit an
rekonstruiert werden, die eine Modifikation von allgemeine Fragen der (Medien-)Sozialisation, (Me-
elementaren Orientierungen im Zuge der Film- dien-) Biografie und (Medien-)Bildung.
rezeption impliziert (vgl. 4.3). Diese Praxis der
produktiven Aneignung ist als eine Form der über
Medien vermittelten Transformation und impliziten Literatur
Gestaltung des Selbst zu sehen, die über ein situati-
ves Management der eigenen Gefühle hinausgeht Ayaß, R., 1993: Auf der Suche nach dem verlorenen Zu-
und als potenzieller Ausgangspunkt eines sponta- schauer. S. 27–41 in: W. Holly & U. Püschel (Hrsg.),
nen Bildungsprozesses (Nohl 2006b) zu verstehen Medienrezeption als Aneignung. Opladen: Westdeut-
ist (vgl. Geimer 2010b). Davon zu unterscheiden ist scher Verlag.
eine reproduktive Aneignung, in welcher sich ele- Ayaß, R. & J. Bergmann (Hrsg.), 2006: Qualitative Me-
thoden der Medienforschung. Reinbek: Rowohlt.
mentare Orientierungen in Filmen spiegeln bzw. in
Ang, I., 1995: Living Room Wars: Rethinking Media Au-
diese projiziert werden (vgl. 4.4). Die Untersuchun- diences for a Postmodern World. London & New
gen des Verfassers konnten an anderer Stelle (Gei- York: Routledge.
mer 2010a: 33ff.) zeigen, dass einige Jugendliche Ang, I., 1996: Ethnography and Radical Contextualism in
beide Aneignungsformen vermeiden und Filme vor- Audience Studies. S. 247–262 in: J. Hay, L. Grossberg
rangig vor stereotypen Normalitätshorizonten (et- & E. Wartella (Hrsg.), The Audience and Its Land-
wa in Bezug auf Mittel und Wege des Transports scape. Boulder: Westview.
von Botschaften über Medien) interpretieren oder Ang, I., 2008: Radikaler Kontextualismus und Ethnogra-
zur situationalen Selbstpräsentation und sozialen phie in der Rezeptionsforschung. S. 61–79 in: A. Hepp
Distinktion heranziehen, worauf in diesem Beitrag & R. Winter (Hrsg.), Kultur – Medien – Macht. Cultu-
ral Studies und Medienanalyse. Wiesbaden: VS.
nicht eingegangen werden konnte. Die hier themati-
Baacke, D., 1997: Medienpädagogik. Tübingen: Niemeyer.
sierte Differenzierung von produktiver und repro- Barker, M., 2006: I Have Seen the Future and It’s Not
duktiver Aneignung kann dazu dienen, das Hall’- Here Yet…: Or, On Being Ambitious for Audience
sche Lesarten-Modell (auch in Kontinuität zu Research. Communication Review 9: 123–141.
Ansätzen der Cultural Studies, vgl. 4.1) zu erwei- Berger, P.L. & T. Luckmann, 1980: Die gesellschaftliche
tern, da in diesem nicht spezifiziert ist, inwiefern Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt: Fischer.
medial bereitgestellte Diskurse die Alltagsdiskurse Bohnsack, R., 2007: Dokumentarische Methode und pra-
und Orientierungen der Zuschauer aktualisieren/re- xeologische Wissenssoziologie. S. 180-190 in: R.
produzieren oder modifizieren/transformieren (vgl. Schützeichel (Hrsg.), Handbuch Wissenssoziologie und
5). In diesem Kontext wurden Chancen und Proble- Wissensforschung. Konstanz: UVK.
Bohnsack, R., 2008: Rekonstruktive Sozialforschung –
me der Relationierung von Produkt- und Rezep-
Einführung in qualitative Methoden. Opladen: Bud-
tionsanalysen diskutiert, die noch weiterer Auf- rich.
merksamkeit bedürfen. Bohnsack, R., 2009: Qualitative Bild- und Videointerpre-
Abschließend ist anzumerken, dass Prozesse eines tation. Die dokumentarische Methode. Opladen: Bud-
(re)produktiven Aneignens im Sinne dieses Beitrags rich.
als grundlegende Verstehensprozesse in den Blick Bromley, R., 1999: Cultural Studies gestern und heute. S.
zu nehmen sind und weder erst vor dem Hinter- 9–24 in: R. Bromley, U. Gçttlich & C. Winter (Hrsg.),
Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung.
grund einer (ideologiekritischen oder anders ausge-
Lüneburg: Klampen.
richteten) Produktanalyse Sinn ergeben, noch zu ei- Charlton, M. & K. Neumann-Braun, 1992: Medienkind-
nem prinzipiellen Optimismus angesichts eines heit – Medienjugend: Eine Einführung in die aktuelle
kreativen Medienhandelns einladen kçnnen. Gera- kommunikationswissenschaftliche Forschung. Mün-
de hinsichtlich der Transformation von Publikums- chen: Quintessenz.
orientierungen ist danach zu fragen, wie in weiteren De Certeau, M., 1988: Kunst des Handelns. Berlin: Merve.
Alexander Geimer: Das Konzept der Aneignung in der qualitativen Rezeptionsforschung 205

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Autorenvorstellung

Alexander Geimer, geb. 1977 in Ludwigshafen/ Rhein. Studium der Soziologie und Neueren Dt. Literatur in Mannheim
und Tübingen. Promotion in Berlin; derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin am Arbeitsbereich Qualitati-
ve Bildungsforschung.
Forschungsschwerpunkte: Medien(rezeptions)forschung, Methodologien und Methoden qualitativ-rekonstruktiver So-
zialforschung, Sozialisations- und Bildungsforschung, Wissenssoziologie.
Wichtige Publikationen: Filmrezeption und Filmaneignung, Wiesbaden 2010; Praktiken der produktiven Aneignung
von Medien als Ressource spontaner Bildung, Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 2010; Fallkonstitution und Fallver-
stehen in Prüfentscheidungen. Zur Kontrolle impliziten, berufsbiographisch erworbenen Wissens in Prüfungen der Frei-
willigen Selbstkontrolle Multimedia (mit A. Hackenberg), Zeitschrift für qualitative Sozialforschung, 2009.

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