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https://doi.org/10.5771/1615-634x-2011-2-260
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Literatur · Besprechungen
Basis seiner Identität und zu dem Gesellschafts- turschau extrahieren Ruud Koopmans und Paul
vertrag, den wir mit dem öffentlich-rechtlichen Statham daraufhin drei theoretisch unter-
Rundfunk geschlossen haben, damit gerade er – scheidbare Formen europäisierter Öffentlich-
im Unterschied zu privat-kommerziellen Me- keit, auf die spätere Kapitel teils Bezug nehmen
dien – diesen Journalismus stützt und fördert; (vgl. 38ff.): Die erste ist eine „supranational Eu-
man müsse, schreibt sie (S. 184), den öffentli- ropean Public Sphere“, bei der (v. a. kollektive)
chen Organisationstyp journalistischer Medien Akteure aus ganz Europa interagieren und eu-
„wohl als den gesellschaftlich risikoärmeren ropaweite Massenmedien darüber berichten.
von zwei Kompromissen der organisatorischen Die zweite ist die „vertical Europeanization“,
Konkretisierung von Journalismus als Institu- bei der EU- und nationale Akteure miteinander
tion in der Massendemokratie begreifen.“ Am entweder „bottom up“ auf Initiative nationaler
Ende plädiert die Autorin dann für die Wieder- Akteure oder „top down“ auf EU-Initiative in-
entdeckung des Themas „innere Pressefrei- teragieren. Drittens unterscheiden sie eine „ho-
heit“ zur Sicherung der Autonomie des Journa- rizontal Europeanization“ mit einer „weak va-
lismus als Institution und sogar für eine Debatte riant“, bei der sich europäische Akteure länder-
über das Ende des offenen Berufszugangs zur übergreifend wahrnehmen, und einer „strong
Gewährleistung seiner Kompetenz. variant“, bei der sie zudem miteinander kom-
Damit liegt endlich mal wieder eine Studie munizieren.
vor, die den Journalismus als soziale Einrich- Diesen Modellen stellt das Projekt eine Fülle
tung ernst nimmt und sich mit Augenmaß und von Daten gegenüber, die durch einen mehrfa-
(auch ein wenig) Leidenschaft gegen die post- chen Vergleich angeleitet werden (vgl. über-
moderne Verwässerung seiner Funktion wen- blicksweise Koopmans/Statham, 47ff.): einen
det – nach dem Motto: Erlaubt ist, was gefällt. Ländervergleich (Deutschland, Großbritanni-
Sprachlich hätten die Indizienbeweise gern et- en, Frankreich, Niederlande, Spanien, Italien
was süffiger ausfallen dürfen. Auffallend die und Schweiz), einen Medienvergleich (unter-
zahlreichen Zeichensetzungsfehler. schiedliche Printmedien, Internet), einen Zeit-
Siegfried Weischenberg vergleich (1990 bis 2002) sowie einen Themen-
vergleich (von stark national geprägten Themen
wie Alterssicherung bis zu europäischer Inte-
Ruud Koopmans / Paul Statham (Hrsg.) gration). Zum Einsatz kamen verschiedene Me-
The Making of a European Public Sphere thoden (qualitative Interviews, eine standardi-
sierte Befragung, Dokumentenanalysen), wo-
Media Discourse and Political Contention bei eine aufwändige „claim-making analysis“
Cambridge u. a.: Cambridge University Press, von Printmedien das Herzstück darstellt.
2010. – 335 S. Codiert wurden mit dieser in Medien auffind-
(Communication, Society and Politics) bare „public speech acts (including protest
events) that articulate political demands, calls to
ISBN 978-0-521-13825-3
action, proposals, or criticisms, which, actually
„The Making of a European Public Sphere“ or potentially, affect the interests or integrity of
präsentiert Ergebnisse eines von 2001 bis 2004 the claimants or other political actors” (55).
geförderten EU-Projektes, an dem Teams aus In den folgenden empirischen Teilen des Bu-
sieben Ländern beteiligt waren. Analysiert ches beschäftigen sich die Autorinnen und Au-
wurde die (vermeintliche) Europäisierung po- toren mit unterschiedlichen Stufen des politi-
litischer Kommunikation und politischer Mo- schen Kommunikationsprozesses. Teil II un-
bilisierung „to address the unanswered questi- tersucht mittels der „claim-making analysis“
ons and myths about the emergence and per- die Sichtbarkeit („visibility“) unterschiedlicher
formance of a European public sphere by re- Akteure in europäischen Medien sowie die „in-
course to systematic empirical evidence“ (Stat- clusiveness“ (61) der entsprechenden Debatten.
ham, 277). Ruud Koopmans, Jessica Erbe und Martin F.
Zu Beginn des Buchs – im konzeptionell an- Meyer (63ff.) prüfen bspw., ob sich Urheber
gelegten Teil I – begründen Jos de Beus (13ff.) und/oder Adressaten medialer „claims“ euro-
und die Herausgeber (34ff.) zunächst die Rele- päisiert haben, und zeigen dabei einen der zen-
vanz dieser Stoßrichtung. Die EU-Politik des tralen Befunde des Buches auf: Sowohl dia-
bürgerfernen „permissiven Konsens“ sei ge- chron als auch synchron und sowohl länder- als
scheitert und die Bedeutung öffentlicher De- auch themenübergreifend dominieren nach wie
batten entsprechend gestiegen, allerdings weise vor einheimische Akteure und Themen die öf-
die bisherige Forschung zahlreiche Lücken und fentliche Debatte. Eine Europäisierung lässt
offene Fragen auf. Aus einer knappen Litera- sich nur mit zwei wesentlichen Einschränkun-
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