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Die Sammlung

Dorothee und
Konrad Fischer

Begleitheft

Düsseldorf
www.kunstsammlung.de
Einführung
vorherige Doppelseite
Konrad Lueg in seinem
Atelier, 1967 (Foto:
Konrad Fischer Galerie)

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Dorothee und Konrad Fischers Sammlung Schmalenbach hatte es 1959 erstmals auf der
­entstand aus dem engen Dialog mit den Künst- Documenta 2 in Kassel gesehen. Mit dem
lerinnen und Künstlern, die sie in ihrer Galerie ­Abstrakten Expressionismus Pollocks und seiner
ausstellten. Sie spiegelt deren Entwicklung Mitstreiter in den USA war New York zum neuen
­wider, aber auch die Freundschaften, die das Zentrum der ­bildenden Kunst geworden. Für
Galeristenehepaar mit vielen seiner Künstler aktuelle künstlerische Strömungen, die sich
verband. Die Auswahl umfasst alle wichtigen noch nicht hatten beweisen können, engagierte
Vertreter der konzeptuellen Kunst. Dazu sich Werner Schmalenbach getreu seiner
­kommen Werke der italienischen Arte Povera ­Erwerbsmaxime nur im Einzelfall.
und der wichtigsten deutschen Bildhauer der
ab 1950 geborenen Generation sowie Arbeiten Schmalenbachs Nachfolger Armin Zweite
jüngerer Künstlerinnen und Künstler, die eben- sammelte nicht nur Malerei, sondern vergrößerte
falls einen konzeptuellen Ansatz verfolgen. den Bestand der Kunstsammlung außerdem
durch den Ankauf von Skulpturen. So erwarb er
Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen neben wichtigen Werken von Joseph Beuys
konnte die Sammlung Dorothee und Konrad ­Arbeiten der Minimal Art und der Konzeptkunst,
­Fischer erwerben. Ein großer Teil der Werke und wie 48 Roaring Forties (48 Brüllende Vierziger),
das umfangreiche Archiv der Galerie w­urden 1988, von Carl Andre oder Serial Project
dem Museum geschenkt. Damit gewinnt das No. 1: B 2, 5, 8 (Serielles Projekt Nr. 1: B 2, 5, 8),
Haus eine Gruppe konzeptueller Kunst, die 1967, von Sol LeWitt.
sein Profil entscheidend er­weitert. Die Mehrzahl
der Künstler war hier ­bisher nicht vertreten. Konrad Fischer hatte zunächst unter dem
Mädchennamen seiner Mutter, Lueg, eine
Werner Schmalenbach, der erste Direktor künstlerische Laufbahn als Maler eingeschlagen,
der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, gemeinsam mit seinen Kommilitonen von der
­sammelte von 1962 bis 1990 nach dem Grund- Kunstakademie Düsseldorf, Gerhard Richter
satz, dass nur solche Kunst ins Museum ge­ und Sigmar Polke. Dabei konnte er einige Erfolge
höre, die ihre Qualität bereits bewiesen hat. Er verzeichnen, unter anderem eine Ausstellung
allein entschied nach seinen eigenen Maßstäben in der Galerie Schmela, in den 1960er Jahren
und beschränkte sich auf Malerei. So kaufte die wichtigste Galerie für zeitgenössische Kunst
er Meisterwerke der Klassischen Moderne; dazu in Düsseldorf. Nebenbei half Konrad Lueg
kamen 25 Werke von amerikanischen Künst- ­Alfred Schmela beim Hängen von Ausstellungen
lern, darunter Jackson Pollocks berühmtes und begleitete ihn auf Reisen. Schmela schlug
Number 32, 1950, (Nummer 32, 1950), 1950. dem Künstler 1967 schließlich vor, eine
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­ ependance der Galerie für junge Kunst


D für die Arbeiten der Schau, die dann an Ort
zu ­leiten. Als er das Angebot kurze Zeit später und Stelle entstanden. Kataloge erschienen
­zurückzog, entschloss sich Konrad Lueg, nicht, aber es gab jeweils individuell gestaltete
mit Unterstützung seiner Frau Dorothee Fischer Einladungskarten, auf die Fischer größten Wert
unter seinem bürgerlichen Namen selbst eine ­legte. Seine Galerie wurde aus dem Stand in-
Galerie zu gründen. Er mietete eine Tordurch- ternational bekannt.
fahrt in der Neubrückstraße 12, die er mit zwei
Glastoren zu einem Raum von etwa 3 × 11 × 3,90 Konrad und Dorothee Fischer verstanden
Metern schloss. Sie lag direkt neben der im sich eher als Gastgeber der Künstler, weniger
­selben Jahr eröffneten Kneipe Creamcheese, als Händler. Nicht von ungefähr trug die Galerie
legendärer Treffpunkt der damaligen Kunst- und den Namen »Ausstellungen bei Konrad Fischer«,
Musikszene. Unterstützt von seinem zu der Zeit der jeden Anklang an Kommerz vermied.
in New York lebenden Freund Kasper König – Die eingeladenen Künstler heben immer wieder
Kurator und späterer Direktor des Museums die gute Atmosphäre hervor, die an die eines
Ludwig in Köln – nahm Fischer Kontakt zu den ­Ateliers erinnerte und nicht an die eines kommer-
jungen amerikanischen Vertretern der Minimal ziellen Galerieraums. Das lag sicher auch daran,
und der Concept Art auf. Als Gegenreaktion auf dass Fischer selbst Künstler gewesen war und
den Abstrakten Expressionismus war ihnen das seine Frau Dorothee ebenfalls ein Studium an
Konzept wichtiger als die Ausführung durch der Kunstakademie absolviert hatte.
den Künstler selbst. Um subjektiven Ausdruck
zu vermeiden, griffen sie zu industriell herge- Wichtiger als der finanzielle Gewinn war
stellten Materialien. Ihre Werke nahmen aus- für Konrad Fischer die Vermittlung weiterer
drücklich Bezug auf den Raum und sollten vom Ausstellungen für seine Künstler. So baute er
Betrachter aktiv erfahren werden. Bei zwei ein ­internationales Netzwerk aus Galeristen,
Gruppenpräsentationen in Frankfurt 1967, an Sammlern, Kuratoren und Kritikern auf. In unmit-
denen Fischer / Lueg selbst als Maler beteiligt telbarer ­Umgebung pflegte er gute Kontakte
gewesen war, hatte er bereits einige dieser zu den ­Leitern der Kunstmuseen Krefeld und
­Arbeiten kennengelernt und war von ihnen be- des Städtischen Museums Mönchengladbach,
geistert. Konrad Fischers revolutionäre Idee: Paul Wember und Johannes Cladders, zu Karl
Der Künstler schickte keine fertigen Werke, ­Ruhrberg, dem Direktor der Düsseldorfer Kunst-
sondern entwickelte ein Konzept für den halle, sowie zu dessen Kurator und Nachfolger
­Ausstellungsraum, der Galerist zahlte ihm das Jürgen Harten. Konrad Fischer war die Per­
Flugticket, ließ ihn bei sich zu Hause wohnen sönlichkeit, die die Minimal Art und die Konzept-
und besorgte die notwendigen Materialien kunst in Deutschland und in Europa bekannt
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machte – und damit sogar zu ihrer Anerkennung mit neuen Ausstellungsformaten und jungen


in den USA beitrug. Künstlerinnen und Künstlern.

Fischer wirkte auch als Ausstellungskurator. In der Ausstellung »Wolke & Kristall«.


Mit seinem Jugendfreund Hans Strelow, der Die Sammlung Dorothee und Konrad Fischer
vor der Eröffnung seiner eigenen Galerie als präsentiert die Kunstsammlung Nordrhein-
Kunstkritiker arbeitete, rief er 1968 das Projekt Westfalen ihre hinzugewonnenen Werke erst-
Prospect mit internationalen Avantgardegalerien mals der Öffentlichkeit. Nun kann in der Gegen-
in der Düsseldorfer Kunsthalle ins ­Leben – als überstellung mit Arbeiten aus dem Bestand
Reaktion auf den nur auf deutsche Galerien be- des Museums die besondere Bedeutung des
schränkten Kölner Kunstmarkt. ­1969 war Fischer ­Umbruchs von Abstraktem Expressionismus
an der Ausstellung Konzep­tion / Conception. zur Konzeptkunst überzeugend anschaulich
Dokumentation einer heutigen Kunstrichtung werden. Das Archiv der Galerie mit Briefen,
im Städtischen Museum ­Leverkusen im Schloss Entwürfen, Einladungskarten usw. wird
Morsbroich beteiligt, der ersten Museumsschau ­exemplarisch mit den Beständen zu Carl Andre
zur Konzeptkunst. Im Auftrag von ­Harald und Bruce Nauman vorgestellt.
­Szeemann, dem künstlerischen Leiter der
­Documenta 1972, wählte Fischer gemeinsam Das Begleitheft gibt Informationen zu den
mit dem Kunsthistoriker und Fotografie­theo­ einzelnen Künstlern der Sammlung Dorothee
retiker Klaus Honnef 25 amerikanische und und Konrad Fischer. Die Texte wurden nach
­europäische Künstlerinnen und Künstler für Namen alphabetisch angeordnet. Die in dunkel-
die Abteilung »Idee + Idee / Licht« aus, die der  grauer Schrift gesetzen Titel bezeichnen Werke,
Konzeptkunst gewidmet war. die in der Ausstellung zu sehen sind.

Einen großen Anteil am Erfolg der Galerie


hatte Dorothee Fischer. In den Anfangsjahren
sicherte sie durch ihr Einkommen als Kunst­
erzieherin den finanziellen Bestand der Galerie
und sorgte auch für das Wohlergehen der
in der Wohnung der Fischers untergebrachten
Künstler. Außerdem dokumentierte sie sämt­
liche Ausstellungsaktivitäten fotografisch. Nach
dem Tod Konrad Fischers führte sie die Galerie
allein weiter und erweiterte das Programm
vorherige Doppelseite Günther Uecker, Konrad
Dorothee und Konrad Lueg, Ferdinand Kriwet und
Fischer, 1969 Gerd Hübinger während
(Foto: Gerhard Richter) einer Aktion bei der
Eröffnung der Kneipe
Creamcheese 1967 in
Düsseldorf (Foto: Manfred
Leve / © Nachlass Manfred
Leve, Courtesy Museum
Kunstpalast, AFORK,
Düsseldorf

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A
1 2
Carl Konrad Fischer beim
Aufbau eines Werks von
Konrad Fischer und Carl
Andre während der
Andre Carl Andre, Kölner
Kunstmarkt 1970 (Foto:
Eröffnung der Galerie am
21. Oktober 1967 (Foto:
© bpk / Angelika Platen) Manfred Leve  /  © Nachlass
Manfred Leve, Courtesy
Museum Kunstpalast,
(* 1935 Quincy, Massachusetts) AFORK, Düsseldorf

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Mit Carl Andre fängt alles an. Er ist so revolutionär, dass manche Carl Andre ist einer der
ist der erste, den Konrad Fischer Besucher die ­Galerie betreten ­wichtigsten Künstler für die
ausstellt. Und er ist der Künstler, und das Kunstwerk suchen, über ­Galerie und für die Sammlung,
der mit bis heute über 30 Aus- das sie doch gerade laufen. die ­Dorothee und Konrad Fischer
stellungen am häufigsten in der ­Konrad Fischer steht mit einem im Laufe der Jahre aufbauen.
Galerie gezeigt wurde. Als Fischer Schlag in der »ersten Reihe der ­Manche seiner Werke kaufen sie
dem US-Amerikaner 1967 ein avantgardis­tischen Kunsthänd- aus ihren Ausstellungen, andere
Flugticket schickt, kennt er ihn ler«, »ganz vorn«, wie die Kritik schenkt ­ihnen der Künstler. Nach
nicht persönlich und hat noch nie schreibt. Konrad Fischers Tod widmet
eines seiner Werke im Original Carl Andre dem Freund das Werk
gesehen. Es genügen ihm Ab­ Carl Andre zählt zu den Wolke & Kristall. Blei Leib Leid
bildungen aus internationalen Hauptvertretern der Minimal Art. Lied, 1996.
Kunstzeitschriften und die be- Die Metallplatten belässt er so,
geisterten Berichte seines Freun- wie sie nach seinen Plänen aus
des, des Kurators Kasper König, der Produktion kommen (Metal
aus New York. Requirements for Proposed
Show in Düsseldorf (Metallan­
Die Arbeit, die der Bildhauer forderungen für Ausstellungsvor- 1
zeigen wird, soll erst an Ort haben in Düsseldorf),1967) und
und Stelle entstehen, aber er ordnet sie seriell an. Er fasst
kommt bereits mit einer Idee »Skulptur als Straße« auf, die
nach Düsseldorf – die er sofort sich nicht von einem festen
verwirft. Nach eigener Aussage Standpunkt aus erschließt. Sie
hat Andre danach nie wieder will nicht nur ­ge­sehen, sondern
­eine Skulptur für eine Ausstel- vor allem ­»erlaufen« werden. In
lung konzipiert, ohne den für sie ihrem Bezug auf ihre Umgebung
bestimmten Raum zu kennen. sind Andres Bodenarbeiten
­»Orte«, die dem Betrachter wech-
Andre legt auf dem Boden selnde, durch den Raum mit­
der Galerie in der Neubrück­ bestimmte Wahrnehmungen des
straße 12 einhundert industriell eigenen Körpers vermitteln.
gefertigte Stahlplatten mit den
Maßen 0,5 × 50 × 50 Zentimeter Zwischen Andre und dem
aus. Ihre Gesamtform von 250  × Ehepaar Fischer entwickelt sich
1000 Zentimetern entspricht den schnell ein freundschaftliches
Proportionen des Raums von Verhältnis, eine »professionelle 2
­etwa drei Metern Breite und elf Leidenschaft«. 1968 findet auf
Metern Länge. ­Daneben zeigt der Konrad Fischers Anregung Carl
Künstler ­eine Zeichnung mit wei- Andres erste Museumsaus­
teren ­Kom­­­­binationsmöglichkeiten stellung im Städtischen Museum
der ­gleichen Anzahl von Metall­ Abteiberg in Mönchengladbach
platten (5 Sculptures (5 Skulp­ statt. Der Bildhauer wiederum
turen), 1967). mehrt den guten Ruf der Galerie
in den USA. Konrad Fischer
Die Schau mit dem Titel ­berichtet: »Nach der Andre-Aus-
­Ontologische Plastik ist Andres stellung brauchte ich überhaupt
erster Auftritt in Europa. Die nichts mehr zu sagen, das
­Bodenskulptur 5 ×  20 Altstadt ­machte Andre, der sagte: Fahr
Rectangle (Altstadt Rechteck) hin, ist prima.«
wird zur Legende. D ­ iese Kunst
Konrad Fischer und
Besucher auf Carl Andres
5 × 20 Altstadt Rectangle
während der Galerieeröff-
nung am 21. Oktober 1967
(Foto: Fred Kliché, Archiv
Dorothee und Konrad
Fischer)

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Richard
Artschwager B Lothar
Baumgarten

(1923 Washington, D.C. – ­ (* Rheinsberg)


2013 Albany, New York)

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Im Juni 1968 erobern Richard Nachdem Lothar Baumgarten lernt ihre Sprache, nimmt ihre
Artschwagers blps den Ausstel- 1970 ein Studium an der Kunst- Gebräuche an und geht mit
lungsraum Konrad Fischers in akademie Düsseldorf als Meister- ­ihnen zur Jagd. Dadurch ä­ ndert
der Neubrückstraße – schwarze schüler bei Josph Beuys beendet sich sein Blick auf ­seine e
­ igene
oder weiße plastische Zeichen hat, debütiert er im März 1972 Herkunft.
aus Holz, Kunstrasen oder mit seiner ersten Einzelausstellung
­Rosshaar. blps können überall Amazonas – Kosmos bei Konrad Auch 1982, 1992 und 1997
platziert werden und überra- Fischer. Sie findet sowohl in den nimmt Lothar Baumgarten an der
schend auftauchen, auch in Räumen der Andreasstraße 5, Documenta teil. Er ist einer der
der Stadt, auf der Straße oder die Fischer seit 1970 als Depen- international ­renommiertesten
auf Feldern und Wiesen. dance bespielt, als auch in der deutschen Künstler, insbesondere
­Gemalt kommen sie in Bildern Neubrückstraße 12 statt. Die ge- auf dem amerikanischen Konti-
­Artschwagers vor. zeigten ­Arbeiten sind programma- nent. S ­ eine Arbeit America
tisch für Baumgartens späteres ­›Señores Naturales‹,1983 / 84, im
Artschwager entwickelt Werk, ­seine künstlerische Ausein- Deutschen Pavillon auf der Bien-
die blps 1967 / 68 ausgehend von andersetzung mit Fragestellungen nale von Venedig wird mit dem
Skizzen und punktuellen schwar- der Anthropologie, die Reflexion ­Goldenen Löwen ausgezeichnet.
zen Übermalungen in Zeitschrif- über Denkmuster westlicher Stra- Für eine Einzelausstellung im
ten, die er isoliert, vergrößert und tegien und die Aufhebung der ­Museum of Contemporary Art in
ins Dreidimensionale überträgt. Zweiteilung von Kultur und Natur. Los Angeles entwickelt Baum-
Ein blp bedeutet nichts, ist nutzlos Zu sehen sind die titel­gebende garten 1989 den fotografischen
und dient allein dem zweckfreien konzeptuelle Lichtbildprojektion Essay CARBON, ein Projekt
Schauen. Diese Zweck­freiheit (1969−1970) und eine Gewächs­ über die industriellen Pionierleis-
soll auf seine unmittelbare Umge- haus­installa­tion mit kobaltblauen tungen bei der Besiedlung des
bung ausstrahlen. Nicht von ­Pigmenten, Grünkohl und leben- nordamerikanischen Westens.
­ungefähr hat ein blp die Form den Satur­niden, tropischen 1993 widmet ihm das Solomon
des menschlichen Blickfelds, die ­Faltern (Tropenhäuser (Guayana), R. Guggenheim Museum in
­Artschwager mit der eines 1969 – 1972). Baumgarten ins­ New York eine Einzelausstellung,
­Zeppelins oder ­einer an den zeniert die e
­ xotische Kulisse America Invention, 1985.
Ecken beschnittenen Breitlein- mit heimischem Gemüse. Die Galerie ­Fischer zeigt insge-
wand vergleicht. Die Be­zeich­ samt acht Einzelausstellungen
nung leitet er ab von dem militäri- Im selben Jahr zeigt der Lothar Baumgartens und vertritt
schen Begriff »blip«; das ist der Künstler auf der Documenta 5 ihn bis 1998.
mit einem Ton ver­bundene Punkt, die Lichtbildprojektion ­Eine ­Reise
der auf dem ­Radarschirm einen oder Mit der MS ­Remscheid
gesuchten Gegenstand anzeigt. auf dem Amazonas, 1968 / 72.
Die Reise hat in der Realität nicht
Die Ausstellung bei Konrad stattgefunden. Das Schiff stammt
Fischer ist der erste europäische von einem his­­to­rischen Ziga­
Soloauftritt des Künstlers. Der rettenbild, der fremde Kontinent
Kontakt zwischen Fischer und wird durch ethno­graphische
Artschwager kommt über Kasper ­Zitate und Fotografien einer nach-
König zustande. Es bleibt bei gebildeten Kulisse dargestellt.
­dieser einen Schau in der Galerie. Baumgarten verbindet Fiktion mit
Artschwager ist jedoch im März Realität und spiegelt die eigene
1969 an der legendären Aus­ Kultur in der fremden. Erst 1978 /
stellung Live in Your Head. When 79 reist er nach Südamerika
Attitudes Become Form von und verbringt über ein Jahr mit
­Harald Szeemann in der Berner ­Yanomami-Indianern am oberen
Kunsthalle beteiligt, die Fischer Orinoco in Venezuela. Er kleidet
maßgeblich mitgestaltet. sich wie seine Gast­geber,
Konrad Fischer und
Bernd und Joseph Joseph Beuys, 1983
(Foto: Konrad Fischer
Hilla Becher Beuys Galerie)

(1931 Siegen – 2007 Rostock / (* 1921 Krefeld –


1934 Potsdam – 2015 Düsseldorf) 1986 Düsseldorf)

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Konrad und Dorothee Fischer Schloss Morsbroich gemeinsam Joseph Beuys, der lange Zeit ­ umme Kiste zeigt. Im Dezember
D
­lernen Bernd und Hilla Becher mit dem Direktor Rolf Wedewer von Alfred Schmela vertreten folgt dort ­eine weitere mit der
während der gemeinsamen ­kuratiert. wird, stellt erst 1976 zum ersten ­Installation hinter dem Knochen
­Studienzeit an der Düsseldorfer Mal bei Konrad Fischer aus. wird gezählt – Schmerzraum,
Kunstakademie kennen. Seit den Die erste von insgesamt Er präsentiert Relikte der Aktion für die der Künstler den Raum
1960er Jahren fotografieren s­ ieben Ausstellungen in der Ga- Und in uns … unter uns … land- der Galerie vollständig mit
die beiden Künstler Indu­s­triebau­ lerie findet im Dezember 1970 unter, die er im Rahmen des ­Bleiplatten auskleidet.
ten in aller Welt. Im Sinne e ­ iner statt. 1972 richtet Konrad Fischer 24-Stunden-Happening am
»objektiven« Foto­grafie entwickeln mit Klaus Honnef auf der Docu- 5. Juni 1965 in der Wuppertaler
sie ein strenges Konzept. Die menta 5 eine eigene Abteilung Galerie Parnass durchgeführt
­Architekturen werden mit der zur Konzeptkunst ein. Dort zeigt hat. Es ist die letzte Veranstaltung
Plattenkamera bei langer Belich- er unter anderem auch Bernd und des Galeristen Rolf Jährling,
tungszeit von einem erhöhten Hilla Becher. Mit der Teilnahme ­dessen Haus mit den ersten
Standort aus großer Distanz auf- gelingt dem Künst­lerpaar der in- Happenings und Fluxusveran­
genommen. Sie befinden sich ternationale Durchbruch. staltungen in Deutschland
­immer in der Bildmitte. Laubwerk zu ­einer der besten Adressen
und umgebende Gebäude der 1960er Jahre geworden ist.
­werden durch Unschärfe und Die Fotografin Ute Klophaus 1
Überbelichtung ausgeblendet. hat Beuys‘ Aktion mit der Kamera
Unerlässlich ist gleichmäßige festgehalten. Sie erinnert sich
­Bewölkung, um diffuses Licht ohne später: »Zu Beginn der Aktion,
tiefe Schatten zu gewährleisten. bevor das Publikum kam, arran-
Die Bauten erscheinen als gierte Joseph Beuys seinen
­»anonyme Skulpturen«. Gleich­ Platz.  Von dort aus würde er
artige Bauwerke werden in 24 Stunden lang agieren. Den
­Serien als »Typologien« zusam- ­Mittelpunkt bildete die Kiste.«
mengefasst.
Die Gegenstände, die Beuys
Im Herbst 1969 organisieren bei Konrad Fischer zeigt, sind
Konrad Fischer und der Kunst­ die Überbleibsel dieses damali-
kritiker und spätere Galerist gen Aktionssockels: die Apfel­
Hans Strelow in der Kunsthalle sinenkiste, das Wachstuch und
Düsseldorf zum zweiten Mal das Glas mit den in Wasser
­Prospect. Die Parallelveranstal- ­eingelegten Algen (ursprünglich
tung zum Kölner Kunstmarkt Christrosen). Die beiden Foto-
steht unter dem Motto »Internati- grafien dokumentieren die
onale Vorschau auf die Kunst ­Situation vor Ort, ergänzt durch
in den Galerien der Avantgarde«. eine handschriftliche Installations­
16 Galerien zeigen Werke von anweisung des Künstlers. (Die
36 Künstlern. Ein internationales drei Teile des Aktionssockels von
Auswahlkomitee ernennt weitere »24 Stunden«, 5. Juni 1965, 0 –2
  4 h).
zehn, darunter Hilla und Bernd Die Collage geht in die Samm-
Becher. Prospect 69 ­präsentiert lung Dorothee und Konrad Fischer
ihre Fotografien erstmals im ein, das Werk selbst verkauft
­Kontext der Konzeptkunst. Wenige ­Fischer 1983 in eine öffentliche
Wochen später sind sie in der Sammlung nach Dunkerque
Ausstellung ­Konzeption / Con- in Frankreich. Anfang Mai 1983
ception. Dokumentation einer eröffnet der Galerist die neue
heutigen Kunstrichtung vertreten, Dependance in der Mutter-­­Ey-
die Konrad ­Fischer im Städti- Straße mit einer Einzelaus­
schen Museum Leverkusen im stellung, in der Joseph Beuys
Marcel Broodthaers
1971 / 72 in seiner Section
Cinéma, Musée d’Art
Marcel
Moderne, Département
des Aigles am Burgplatz 12
Broodthaers
in Düsseldorf, Foto:
­Joaquim ­Romero Frías,
Courtesy Museum
Kunstpalast, AFORK, (1924 Saint-Gilles / Sint-Gillis – 
Düsseldorf
1976 Köln)

22 23
1
Marcel Broodthaers beginnt Erst nach seinem Tod finden dort
­seine künstlerische Laufbahn ab 1978 drei Aus­stellungen statt.
als Dichter und Schriftsteller. Die ­letzte im Jahr 1990 präsentiert
1964 wechselt er zur bildenden unter anderem Où est la Signa-
Kunst. »Die Spiele der Bilder ture / Théorie de la Signature
und der Sprache sind parallele«, (Wo ist die Signatur / Theorie der
lautet seine Überzeugung. Schrift Signatur), 1971 – ein Portrait
und Sprache bleiben seine wich- des Mediums Film und zugleich
tigsten Mittel, die er nun statt ein Selbstportrait des Künstlers.
im Buch im Raum einsetzt. Die
räumliche Erfahrung wirkt seiner
Meinung nach unmittelbarer als
die einsame Lektüre. ­Außerdem
spielen auch die  Eigenschaften
des Ortes, in dem ein Werk
­gezeigt wird, ­eine wichtige Rolle.
1968 ­gründet Broodthaers in
seinem Haus in Brüssel das
­Musée d’Art Moderne, Départe-
ment des Aigles (Museum
­moderne Kunst, Abteilung Adler).
Mit dieser »Fiktion eines Muse-
ums« übt der belgische Künstler
grundsätzliche Kritik an der Insti-
tution und deren Deutungshoheit.

Über die Antwerpener Galerie


Wide White Space nimmt Marcel
Broodthaers an den von Konrad
Fischer und Hans Strelow orga­
ni­sierten Prospect-Ausstellungen
teil und ist auch in der Ausstellung
Konzeption / Conception. Doku-
mentation einer heutigen Kunst-
richtung im S ­ tädtischen Museum
Leverkusen im Schloss Mors­broich
vertreten, die Konrad ­Fischer
mit Rolf W­ edewer einrichtet. Be-
sondere Aufmerksamkeit findet
Prospect 71: Projection, die mit
110 Projektionen von 76 inter­
nationalen Künstlern allein den
­neuen Medien Fotografie, Film
und Video ­gewidmet ist.

Von 1970 bis 1972 lebt


­Marcel Broodthaers in Düssel-
dorf. Die Kunsthalle richtet
1972 eine ­Soloschau für ihn ein.
Doch in der Galerie Fischer
stellt er zu Lebzeiten nicht aus.
Installationsansicht
der Ausstellung
Prospect 71: Projection
(Foto: Manfred Tischer,
© by www.tischer.org,
Courtesy Kunsthalle
Düsseldorf)

24 25
Stanley Daniel
Brouwn Buren

(* 1935 Paramaribo) (* 1938 Boulogne-Billancourt)

26 27
Zur Schau Prospect 69 in der der Schritte, die er – mit einem Daniel Buren stellt als Stamm- einer großflächigen Installation
Kunsthalle Düsseldorf laden Schrittzähler ausgerüstet – vor künstler der Galerie Konrad ver­treten. Auf zwei Wänden,
­Konrad Fischer und Hans Strelow der Ausstellung bei seinen ­Fischer seit 1969 regelmäßig die übereck liegen, bringt der
16 internationale Avantgardega- ­Spaziergängen durch mehrere dort aus. Er beginnt seine ­Künstler im Wechsel weiße und
lerien ein. Darunter ist auch die Düsseldorfer Stadtteile zurück­ ­künstlerische Laufbahn ähnlich ­grüne Streifen an. Diese Streifen
junge, auf Konzeptkunst spezia­ gelegt hat. So stehen die Aspekte wie Konrad Lueg 1962 mit ­werden auch in der Katalog­
lisierte Amsterdamer G ­ alerie von Bewegung und Ortsbezug, ­Malerei, die er 1967 in einer ab- Zeitung abgedruckt. In der Folge-
Art & Project. Sie vertritt den nie- die in den »Ausstellungen bei rupten Verweigerungsgeste schau Prospect 69 installiert
derländischen Konzeptkünstler Konrad Fischer« in dieser Zeit ­anlässlich einer Ausstellung im er an ­denselben Wänden weiße
Stanley Brouwn. Brouwn ist ­eine große Rolle spielen, auch Pariser Salon de la Jeune Pein- und blaue Streifen.
­ursprünglich der internationalen hier wieder im Mittelpunkt. 1970 ture aufgibt. Zusammen mit den
­Fluxus-Bewegung zuzuordnen; erhält Brouwn in Mönchen­ anderen Mitgliedern der Gruppe Zur gleichen Zeit findet
seine ersten konzeptuellen Arbei- gladbach seine erste Einzel­aus­ BMPT –  zu der auch N­ iele Toroni ­Burens erste Ausstellung bei
ten entstehen Anfang der 1960er stellung in einem Museum. gehört, der 1976 bei Fischer aus- ­Fischer statt, die auch seine
Jahre. Er beschäftigt sich mit Als Konrad Fischer auf der stellt – zieht er seine Bilder zu- ­erste  Einzelausstellung ist. Posi­
­Abmessungen, Wegen und Ent- ­Documenta 5 im Jahr 1972 zu- rück. In einem Flugblatt nennt tion – Proposition beschränkt
fernungen zwischen Personen sammen mit Klaus Honnef eine die Künstlergemeinschaft unter sich nicht nur auf die Galerie, wo
und Orten. In den Schritten, die Abteilung zur Konzeptkunst anderem folgende Gründe: »Weil der Künstler einen kleinen Roll-
er schon gegangen ist und die ­einrichtet, nimmt er auch Werke Malen ein Spiel ist«, »Weil Malen container mit blauen und weißen
er noch gehen wird, offenbart von Stanley Brouwn darin auf. im Dienste stehen heisst von Streifen versieht, s­ ondern weitet
sich für ihn sein eigenes Leben. ­Ästhetik, Blumen, Frauen, Erotik  sich in die Stadt aus. Man findet
[…] vom Vietnam-Krieg«. Buren Burens Streifen an Plakatsäulen,
Als Ankündigung der Aus- beschließt, fortan nur noch mit der Bauzäunen, in einem Hotelzimmer
stellung Prospect 69 erscheint Abfolge von farbigen und weißen oder in e ­ iner Arztpraxis. In der
die elfte Ausgabe der Kunst­zeit­ Streifen zu arbeiten. Mit einer Aus­stel­lung Konzeption / Con­
schrift bulletin, die Art & Project Standardbreite von 8,7 Zentime- ception. Dokumentation einer
unregelmäßig herausgibt. Dieses tern sind sie für ihn »visuelle Werk- ­heu­tigen Kunstrichtung im Städ-
Heft ist Stanley Brouwn gewid- zeuge«, mit denen er öffentliche tischen Museum Leverkusen
met. Nur wenige Wochen später, oder ­private Räume neu bestimmt. im Schloss Mors­broich 1969, der
im Oktober 1969, beteiligt Fischer Er definiert sie als »Null-Malerei«. ersten ­musealen Konzept­kunst­
den Niederländer an der Aus­ Wesentlicher Bestandteil von aus­stellung in Deutschland, zei-
stellung Konzeption / Conception. Burens Konzept ist die Arbeit gen die Kura­toren Konrad Fischer
Dokumentation einer heutigen »in situ«, das Schaffen von Wer- und Rolf Wedewer auch Werke
Kunstrichtung im Städtischen ken »vor Ort, für, gegen und von ­Daniel Buren. Das Statement
Museum Leverkusen im Schloss ­gemäß diesem Ort«. Sie sind des Künstlers »Mise en garde!«
Morsbroich. Es ist die erste ­also fest damit verbunden und (Achtung!), ein kritischer Schlüssel­
­Museumsschau der Konzept- können nur dort ihre Wirkung text zur Konzeptkunst, wird in
kunst in Deutschland, kuratiert entfalten. Nach Ende der Aus- dem ausstellungsbegleitenden
gemeinsam mit dem Direktor Rolf stellung ­werden die Arbeiten zer- Künstlerbuch ver­öffent­licht  –
Wedewer. Aufgrund program­ stört; es bleibt von ihnen nichts ­Daniel B
­ urens erste deutsch­
matischer Übereinstimmungen als eine vom Künstler verfasste sprachige Publikation.
arbeiten Fischer und die beiden Beschreibung und kleinformatige,
Art & Project-Galeristen, Adriaan un­verkäufliche Souvenir-Photos.
van Ravesteijn und Geert van Damit verweigert sich Buren
Beijeren, in den folgenden Jahren dem ­bestehenden Kunstbetrieb.
immer wieder zusammen. Stanley
Brouwns erste von insgesamt Bereits 1968 ist der Künstler
fünf Einzelausstellungen bei in der von Konrad Fischer und
­Fischer wird im Dezember 1970 Hans Strelow gemeinsam organi-
eröffnet. Der Künstler präsentiert sierten Ausstellung Prospect 68
Aufzeichnungen über die Anzahl in der Kunsthalle Düsseldorf mit
C Alan
Charlton D
(* 1948 Sheffield)

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1971 erscheint in der Zeitschrift Alan Charlton gehört zum
Studio International ein Interview Künstlerstamm der Galerie. Seit
des Kunstkritikers Georg Jappe 1970 schafft er Gemälde in
mit Konrad ­Fischer. Alan Charlton, ­monochromem Grau, um die
gerade in seinem letzten Studien- Funktionen und Möglichkeiten
jahr an der Royal Academy und in von Malerei zu erforschen.
London vergeblich auf der Suche ­Dafür verwendet er sehr plasti-
nach Ausstellungsmöglichkeiten sche Bildträger, deren Keil­
in ­einer Galerie, liest es begeis- rahmen eine Standardttiefe
tert und fliegt kurzerhand nach von 4,5 Zentimetern aufweisen.
­Düsseldorf. Mit ein paar Dias Er zählt zu den wichtigsten
geht er zu Konrad Fischer und ­englischen Konzeptkünstlern.
sagt zu ihm: »Ich bin ein Künst- 1997, wenige Monate nach
ler aus London und m ­ öchte mit ­Konrad Fischers Tod, widmet
Ihnen eine Ausstellung machen.« Charlton den Katalog zu einer
Fischer lässt sich wortlos die großen Ausstellung in Nîmes
­Dias zeigen und sagt dann: dem Andenken des ­Galeristen
»Ich komme am Mittwoch nach und Freundes mit den Worten:
­London, um mir die Bilder an­ »der erste, der an mich glaubte«.
zusehen.« Er ist der ­Erste, der  
Charlton eine Ausstellung zusagt,
die mit sechs g­ roßen Square
­Hole Paintings (Bilder mit qua­
dratischen Öffnungen) im Jahr
1972 stattfindet – und wird ihm,
der zu den wenigen Malern
im Programm der G ­ alerie gehört,
noch viele w
­ eitere ausrichten.

Außerdem wird Konrad


­Fischer zum Ratgeber des noch
sehr jungen Charlton. 1975
reist er mit ihm nach New York,
macht ihn mit seinen amerika­
nischen Künstlern bekannt und
­arrangiert eine Ausstellung
bei Leo Castelli für ihn. Das Ver­
hältnis der beiden ist vergleich-
bar mit dem von Lehrer und
Schüler. Eine Ausstellung bei
Konrad Fischer ist für Charlton
»jedes Mal eine Art Prüfung.
Ich hatte immer das Gefühl, mein
Bestes geben zu müssen. […]
Wenn er auch nur einen Kom-
mentar abgab wie: ›Sieht gut
aus, Alan‹, war man schon voll-
kommen glücklich.«
Hanne Jan
Darboven Dibbets

(München 1941 – (* 1941 Weert)


2009 Rönneburg)

30 31
»Die Sache Düsseldorf ist wirklich nach Mönchengladbach ein­ Konrad Fischer lernt Jan Dibbets wächst usw. Es sind Demonstra-
herrlich. K. König hat a­ lles mit geladen. Vom 1. Januar bis kennen, als er sich noch Konrad tionen. Ich mache sie nicht,
uns erledigt, gestern abend sind 31. Dezember 1971 zeigt Fischer Lueg nennt. Sechs Wochen um sie zu behalten, sondern um
die beiden Kisten mit Panamerika entgegen seinen üblichen Ge- vor Eröffnung seines eigenen sie zu fotografieren. Das Kunst-
nach Düsseldorf abgeflogen, pflogenheiten das ganze Jahr lang Ausstellungsraums beteiligt sich werk ist das Foto.« So Square
sind heute morgen da. K. Fischer in der Andreasstraße eine Aus- Lueg / Fischer an der von Paul perspectief ­correctie / groot vier-
ist von dem ­benachrichtigt. Habe stellung der Künstlerin unter dem Maenz organisierten Ausstellung kant (Quadratische Perspektiv­
keinerlei Kosten, alles Sache Titel Ein Jahrhundert in ­einem Dies alles, Herzchen, wird ein- kor­rektur / großes Viereck), 1968,
der Galerie!«, schreibt Darboven Jahr. Sie demonstriert Darbovens mal Dir gehören. Sie findet am wo der ­Betrachter ein annähern-
ihren Eltern aus New York. Nach eigenwilliges System des Auf- 9.  September 1967 in der Galerie des ­Quadrat sieht, das sich vor
dem Studium lebt sie ab 1966 zeichnens von (Lebens-)Zeit, mit Dorothea Loehr in Frankfurt statt dem Hintergrund einer Wiese
zwei Jahre dort und bewegt dem sie deren Ver­fließen, Erle- und dauert nur diesen einen bild­parallel aufrichtet. Es handelt
sich in den Künstlerkreisen der ben und Erinnern u­ ntersucht. Abend, von 19.45 bis 21.55 Uhr. sich aber um das Foto eines Tra-
Stadt. Sol LeWitt, der ihre Lueg stellt zusammen mit sieben pezes, das der Künstler auf dem
­Konstruktionen, ihre neuesten anderen Künstlern aus, darunter Gras markiert hat. Die durch den
Zeichnungen auf kariertem Jan Dibbets. Dieser hat im Standort des Fotografen bedingte
­Papier, sehr schätzt, stellt ­Innenhof der Galerie den Inhalt perspektivische Verzerrung lässt
sie Galeristen und Kuratoren von fünfzehn Säcken Sägemehl es quadratisch erscheinen. Da
vor, so auch Kasper König. aus­gestreut und dabei in der die menschliche Wahrnehmung
Über ­diesen wiederum ergibt ­Mitte ein Oval ausgespart, bei zur einfachen, prägnanten Ge-
sich der Kontakt zu Konrad dem es sich aus dem Blickwinkel stalt tendiert, fällt die Vorstellung
­Fischer. Mit Darbovens Kon­ des Betrachters auch um einen eines plan auf der Gras­fläche
struktionen möchte er im ­perspektivisch verzerrten Kreis ­befindlichen Trapezes schwer.
­Dezember 1967 seine zweite handeln könnte. Nachdem Raum und Fläche treten in ein
­Aus­stellung nach der Präsen­ gleich zu Beginn alle B
­ esucher paradoxes Spannungs­verhältnis.
tation von Carl Andre be­ über das Sägemehl gelaufen
streiten – für die Künstlerin ihre sind, ist von dem Oval nichts Konrad Fischer zeigt insge-
erste Einzelaus­stellung. Kurz mehr zu sehen. Lueg ­gefällt samt zwölf Mal Arbeiten von
­vorher beschließt Fischer zur ­Dibbets’ Arbeit. Vom 15. August Jan Dibbets in seiner Galerie. Er
­Verärgerung Darbovens und bis zum 17. September 1968 zählt bis ­heute zu den Stamm-
­Königs, die Zeichnungen mit den ­richtet er, nun unter seinem wirk- künstlern. »In Düsseldorf machte
­seriellen Plastiken von Charlotte lichen Namen Konrad Fischer, ich ­Ausstellungen wegen Konrad.
­Posenenske zu kombinieren –  die erste Einzelausstellung Er war der wichtigste Händler,
angeblich um den schlauchförmi- des Niederländers in Deutsch- den es gegeben hat in den
gen Galerieraum zu gliedern. land aus. Durch ihn wird auch ­letzten 25 Jahren des 20. Jahr-
­Fischer versucht brieflich zu be- Paul Wember auf Dibbets hunderts. Alles, was speziell
schwichtigen: »Ein Trost für ­aufmerksam und lädt ihn nach war, war bei Konrad.«
­Hanne: eine 2-Frau Ausstellung Krefeld ein. Audio-visuelle
ist doch das gleiche wie eine ­Dokumentationen im Museum
­Einzelausstellung. Ich freue mich Haus Lange ist Dibbets erste
sehr Hanne kennen zu lernen Museumsausstellung.
und bitte grüße sie von mir.«
Das Verhältnis zur Galerie kann Zur Sammlung Dorothee und
­Darbovens Verärgerung aber Konrad Fischer gehören frühe
nicht dauerhaft beeinträchtigt ­Arbeiten des Niederländers, die
­haben, denn es folgt eine zentrale Themen seines Werks
­ganze Reihe weiterer Einzel­ vorstellen wie die Beobachtung
ausstellungen. Auf Anregung von von Licht, Perspektive und Raum.
Konrad Fischer wird Hanne »Ich mache die meisten dieser
­Darboven 1969 auch zu ihrer Arbeiten mit vergänglichen
­ersten Museumsausstellung ­Materialien: Sand, Gras, das
E F
nächste Doppelseite
Dan Konrad Fischer mit
GIlbert & George, 1973,
Flavin Foto: Konrad Fischer
Galerie

(1933 New York –


1996 Riverhead, N. Y.)

32 33
Vom 22. Mai bis 30. Juni 1967 1968 nimmt Dan Flavin an
zeigt die Studio Galerie der der Documenta 4 in Kassel teil,
­Johann Wolfgang Goethe-Uni­ die wegen der großen Zahl
versität in Frankfurt die Aus­ von Künstlern aus den USA als
stellung Serielle Formationen. ­»documenta americana« in
Die Organisatoren Paul Maenz, die Kunstgeschichte eingeht.
der spätere Galerist und Sein ehemaliger Künstlerkollege
­Kunst­sammler, und der Künstler ­Konrad Lueg, der jetzt wieder
Peter Roehr haben 48 inter­ ­unter seinem Geburtsnamen
nationale Künstler und Künstlerin- ­Konrad Fischer auftritt, lädt ihn
nen eingeladen. Paul Maenz 1969 zu einer Einzelausstellung
hat aus seiner Zeit als Art-Direktor nach Düsseldorf ein. Unter dem
bei einer amerikanischen Werbe- Titel Fluorescent Light zeigt
agentur, für die er in Frankfurt ­Flavin in der Neubrückstraße
und New York arbeitete, persönli- sechs Arbeiten mit Leuchtstoff-
chen Kontakt zu Künstlern in den röhren. Eine weitere Einzel­
USA. Der Amerikaner Dan Flavin ausstellung folgt 1981 in der­
hat hier in Frankfurt – wie Carl ­Platanenstraße.
Andre, Donald Judd und Sol
­LeWitt – einen seiner frühen
­Auftritte in Europa. Konrad Lueg
ist  ebenfalls vertreten. Die  Organi­
­satoren wollen mit der Ausstel-
lung ­»klarstellen, dass ­serielle
­Erscheinungsformen zwar ein
interna­tionales Phänomen, aber
zugleich Ausdruck ganz und gar
ver­schiedener künstlerischer
Strategien und Konzeptionen«
sind.

Dan Flavin gehört zu den be-


deutenden Künstlern der Minimal
Art. 1963 beginnt er, mit Licht
als Material zu experimentieren.
Weiße und farbige Leuchtstoff-
röhren werden zu seinem bevor-
zugten bildnerischen Mittel,
mit dem er Skulpturen und ganze
Räume gestaltet. Die Architektur
reflektiert das Licht. Es ver-
schmilzt mit dem Raum zu einer
Einheit. Auch die Besucher
­werden in Licht getaucht und so
in die Installationen ­einbezogen.
Flavin widmet viele seiner Werke
Künstlerkollegen und anderen
Persönlichkeiten der Kunstwelt
Untitled (to Don Judd, colorist) 1
(Ohne Titel (für Don Judd, Farb-
künstler)1), 1987.

G Gilbert & George
H
(* 1943 in St. Martin in Thurn /
* 1942 Plymouth)

36 37
Unter dem Motto »Art for All« der Ausstellung Konzeption /
(Kunst für alle) arbeiten Gilbert Conception. Dokumentation ei-
Proesch und George Passmore ner heutigen Kunstrichtung im
seit Ende der 1960er Jahre Städtischen ­Museum Leverkusen
in London als Künstlerduo im Schloss Morsbroich, 1970 und
­Gilbert & George. »Wir mögen 1971 an den Prospect-Schauen
Kunst, die visuell, sehr direkt in der Düsseldorfer Kunsthalle.
und bedeutungsvoll ist, oder  Auch in den folgenden Jahren
– wie wir dazu sagen –  die ­eine mehrt Konrad Fischer ihren inter­
­moralische Dimension besitzt. na­tionalen Ruf. Auf s­ eine Anre-
Wir reden über Sexualität, Reli­ gung hin richtet Rudi Fuchs, der
gion, Gefühle, Glück, Unglück ­Direktor des Van ­Abbemuseum
[…].« Die beiden Künstler halten in  Eindhoven, dem Duo mit
nichts vom »Elitedenken« in der ­Photo-Pieces 1971 – 80 die erste
Kunst, sie wollen alle Menschen große Ausstellung aus. Sie
ansprechen. Sie nutzen i­hre wird 1981 von der Kunsthalle
­eigenen Körper als Material, um Düsseldorf, der Kunsthalle Bern,
Kunst und Leben zu einer Ein- dem Centre national d’art et
heit zu verschmelzen. Mit dem de culture Georges Pompidou in
minimalistischen Programm Paris und der Whitechapel Art
­Konrad Fischers haben ihre Werke Gallery in London übernommen.
­wenig gemein. Der Galerist lernt
­Gilbert & George 1969 bei der 1980 jedoch trennen sich
Vorbesichtigung der berühmten Gilbert & George von Konrad
Ausstellung Live in Your Head. ­Fischer. Ihrer M­ einung nach kon-
When Attitudes B ­ ecome Form zentriert er sich zu sehr auf
in London kennen, die von Bern ­Amerika und den Minimalismus.
aus in mehrere ­europäische
Städte tourt. Da sie zu ihrer
­großen Enttäuschung nicht be­
teiligt sind, ent­schließen sich
­Gilbert & George zu einer Perfor-
mance als ­»Living Sculptures«
­(lebendige Skulpturen), um Auf-
merksamkeit zu erregen. G ­ esicht
und Hände mit  Metallfarbe be­
strichen, gelingt i­hnen eine Sen-
sation. Konrad F ­ ischer, der, wie
sie sagen, »zu der Zeit berühm­
teste Kunsthändler der Welt«, lädt
sie noch am s­ elben Abend nach
Düsseldorf ein. Zunächst em­­
pfiehlt er die beiden dem Direktor
der Kunsthalle Düsseldorf. Dort
führen sie 1970 The Singing
Sculpture (Die singende Skulptur)
in der Ausstellungsreihe b ­ etween
auf. Fischer sorgt für eine Tour-
nee der Performance durch ver-
schiedene deutsche Großstädte.
1969 beteiligt er das Duo an
Douglas
Huebler K Stephen
Kaltenbach

(1924 Ann Arbor, Michigan – (* 1940 Battle Creek, Michigan)


1997 Truro, Massachussetts)

38 39
Der junge, avantgardistische auf der Documenta 5 gemeinsam Stephen Kaltenbach gehört zu der
­Galerist, Publizist und Kurator mit Klaus Honnef eine eigene ersten Generation konzep­tueller
Seth Siegelaub stellt im Januar Ab­teilung zur Konzeptkunst ein- Künstler. 1967 richtet ihm das San
1969 in einem leerstehenden richtet, bezieht er wiederum ­Francisco Museum of Art ­eine
New Yorker Büro vier Künstler ­Huebler und auch die anderen ­Einzelausstellung aus, 1969
aus – Robert Barry, Joseph drei Künstler ein. das Whitney Museum of American
­Kosuth, Lawrence Weiner und Art in New York. 1969 nimmt
Douglas Huebler. Dieser installiert ­Kaltenbach an ­Harald Szeemanns
­eine Arbeit aus Sägemehl, die legendärer Schau Live in Your
nach sechs Stunden wieder ver- Head. When Attitudes Become
schwindet und allein in einer Fo- Form in der Kunsthalle Bern teil,
toserie festgehalten wird. im  selben Jahr auch an der  Aus­
Die Ausstellung zeigt nur wenige stellung Konzeption  / Con­ception.
Werke. Die eigentliche Präsen­ Dokumenta­tion ­einer heutigen
tation besteht aus dem Katalog Kunstrichtung im ­Städtischen
in Form eines Ringbuchs, in ­Museum Leverkusen im Schloss
dem  Huebler sein Konzept in einer Morsbroich, die Konrad Fischer
­programmatischen Erklärung ­gemeinsam mit dem ­Direktor Rolf
­darlegt: »Die Welt ist voll von Wedewer kuratiert. Trotz dieser
mehr oder weniger interessanten Kontakte ergibt sich ­keine Ausstel­
Dingen; ich möchte keine wei­ lung bei Fischer. Wo­möglich ist
teren hinzufügen. Ich ziehe es vor, dies auch der Grund dafür, dass
­einfach die Existenz der D
­ inge Kaltenbachs Arbeiten nur in weni-
in Bezug auf die Zeit und/oder den gen Gruppen­aus­stel­lungen in
Ort zu konstatieren.« Deshalb ­Europa zu ­sehen sind. 1974  /  75
entwickelt er ein Dokumentations- beteiligt er sich an ­Multiples. Ein
system aus Fotografien, Zeich- Versuch, die Ent­wicklung des
nungen, Landkarten und be- ­Auflagenobjekts darzustellen im
schreibenden Worten. ­Neuen Berliner Kunstverein, ab
­Mitte der 1990 werden Werke
Die vier Künstler sind im ­Kaltenbachs in Belgien, England
März 1969 an der Ausstellung und Israel gezeigt. 2005 schließ-
Live in Your Head. When lich widmet ihm Dorothee Fischer
­Attitudes Become Form in der seine ­erste europäische Einzelaus­
Berner Kunsthalle beteiligt, die stellung. Zur Sammlung ­Dorothee
Harald Szeemann mit Unter­ und Konrad Fischer ­gehört ein
stützung von Konrad Fischer ­Exemplar der wichtigen Serie Time
­einrichtet. Im Herbst lädt Fischer Capsules (Zeitkapseln) – Metall­be­
Siegelaub zur Mitwirkung an hälter, in deren Oberfläche Kom­
­Prospect 69 ein, der abermals men­­tare oder Anwei­sungen eingra-
mit Barry, Kosuth, Weiner und viert sind. Hier ist es der Satz »Where
Huebler antritt – ohne ein einziges are we ­going« (Wohin ­gehen wir),
Werk. Ihr Beitrag besteht aus eine Reflexion über das Leben und
vier  Kurzinterviews in der Kata- den Tod (Time Capsule WHERE
logzeitung. ARE WE GOING, 1969). Auf der
Time Capsule im New Yorker
Im Januar 1970 richtet ­Museum of Modern Art ist zu lesen,
­Fischer Douglas Huebler seine dass sie erst nach dem Ableben
erste Einzelausstellung in des Künstlers zu öffnen sei.
­Europa aus; bis 1974 folgen vier
weitere. Als der Galerist 1972
On Harald Jannis
Kawara Klingelhöller Kounellis

(* 1933 Kariya, Präfektur Aichi – (* 1954 Mettmann) (* 1936 Piräus)


2014 New York)

40 41
Vom 1. April bis Ende Juli 1969 Harald Klingelhöller ist einer der aber manche Details und Der gebürtige Grieche Jannis
schickt On Kawara Konrad jungen Absolventen der Düssel- ­Elemente haben auch einen Kounellis, der seit Mitte der
­Fischer täglich eine Ansichts­ dorfer Akademie, denen Konrad ­höheren Realisationsgrad«, 1950er Jahre in Italien lebt, ist
karte aus New York. Auf die Fischer 1983 eine Gruppen­ ­äußert der Künstler in diesem ­einer der Mitbegründer und
Rückseite stempelt der Künstler ausstellung in den Galerie­räumen ­Zusammenhang. ­wichtigsten Vertreter der Arte
bürokratisch-korrekt das Datum, in der Platanenstraße ausrichtet. ­Povera (»arme« Kunst). Sie
die genaue Zeitangabe, wann Zu dieser »gleichsam zweiten Seine erste Einzelausstellung ­wurde 1967 in Turin ins Leben
er aufgestanden ist, und seinen Künstlergeneration« ­gehören erhält Harald Klingelhöller 1985 gerufen. In seinen Arbeiten
Absender ( I Got Up ( 1 Apr. – auch Ludger Gerdes, Wolfgang bei Konrad Fischer. Bis zum ­nutzt Kounellis Alltagsgegen­
30  July 1969 ),1969 ). Diese Ar- Luy, Reinhard Mucha und Tod des Galeristen folgen zwei stände und Naturmaterialien –
beit (mit dem Titel I got up) ­Thomas Schütte. A ­ nfang der und unter der Ägide ­Dorothee bis hin zu toten und leben­den
setzt On ­Kawara noch jahrelang 1980er Jahre ist Minimal Art ­Fischers vier weitere. Bis heute Tieren. Im Januar 1969 präsen-
fort. ­Konzeptuelle Strenge ver- nicht mehr en vogue; g ­ roße gehört er zu den Stammkünstlern tiert der Künstler in seiner Instal-
bindet sich hier mit einer fast inti- ­Er­folge feiern die Neuen Wilden der Galerie. lation Dodici cavalli vivi in der rö-
men, ­persönlichen Mitteilung. und die Arte Cifra, Malerei, der mischen Galleria L’Attico zwölf
1970 sind die ersten 30 Postkar- ­Fischer nichts ab­gewinnen kann. Von dem Kunstkritiker lebende Pferde im Aus­
ten an Fischer in der Ausstellung Klingelhöller be­richtet, die Aus- ­Heinz-Norbert Jocks auf Harald stellungsraum. Diese aufsehener-
­between 5 in der Kunsthalle stellung sei als »die Düsseldorfer Klingelhöller angesprochen, regende Aktion gilt als Meilen-
­Düsseldorf zu sehen – On Antwort auf die wilde Malerei in ­antwortete Konrad Fischer stein in der Geschichte der Arte
­Kawaras erster Auftritt in Europa. Köln« verstanden worden schlicht: »Ihn fand ich einfach Povera. Im Herbst 1969 vertritt
Kurze Zeit später zeigt Konrad und »auf die Initiative von Thomas ­interessant.« ihn sein Galerist Fabio Sargentini
­Fischer mit made in New York ­Schütte« zustande ­gekommen. in der von Konrad Fischer und
from 1970 – 1971 On Kawaras Dieser stand schon l­ange mit Fi- Hans Strelow organisierten Schau
erste Einzelausstellung in der scher in engem persönlichen Prospect 69 in der Düsseldorfer
Galerie. Bis 2006 stellt der Kontakt und hatte bei ihm bereits Kunsthalle, zusammen mit einem
Künstler regelmäßig bei Fischer 1981 ­eine Einzelschau. Die betei- weiteren Repräsentanten der
aus. Die obsessive Reflexion ligten Bildhauer stellen später Arte Povera, Eliseo Mattiacci.
der eigenen Lebenszeit und der unter ­anderem im Krefelder Mu- Diese Ausstellung, bei der auch
Zeit überhaupt äußert sich auch seum Haus ­Esters und in der der Arte Povera-Galerist Gian
in den Bildern der Today Series Kunst­halle Bern ­zu­sammen aus. Enzo Sperone aus Turin vier
(Heute-Serie) (MAR.25, 1997, Sie werden als Gruppe der Künstler der Bewegung präsen-
1997; MAY 18, 1995, 1995; »Modellbauer« b ­ ezeichnet, ob- tiert, trägt in entscheidendem
NOV.3, 1996, 1996; 12DEC., wohl sie sich nicht als Gruppe Maße zum internationalen E ­ rfolg
2000, 2000; from Today Series, verstehen. der Arte Povera bei. Wenige
1966 – 2013). Sie speichern ­Wochen später beteiligt sich
die für 24 Stunden des T ­ ages, Harald Klingelhöller ent­ ­Jannis Kounellis an der von Harald
an dem sie gemalt wurden. wickelt seine Skulpturen durch Szeemann unter Mitarbeit von
Addition. Ihre Konstruktionen Konrad Fischer in der Kunsthalle
Auch unabhängig von ­erscheinen fragil und offen. Ihre Bern kuratierten Schau Live in
­Fischer erlangt On Kawara zu- Materialien sind größtenteils Your Head. When A ­ ttitudes Be-
nehmend internationales An­ ­vergänglich, hauptsächlich Pappe come Form. Diese zu ihrer Zeit
sehen. So ist er viermal – 1977, und Dämmplatten. Dadurch um­strittene und heute legendäre
1982, 1997 und 2002 – Teil­ ­wirken sie wie Modelle. »Meine Avantgardeausstellung ist
nehmer der Documenta. Auf Formen weisen durchaus viele von besonderer Bedeutung für
­Harald Szeemanns Documenta 5 Qualitäten des Modells auf. Das die Wahrnehmung der Arte
im Jahr 1972, für die Konrad Modell hat ja den Vorteil, dass ­Povera. Fischer kommt ab 1977
­Fischer mit Klaus Honnef die es eine Lösung vorschlägt, aber durch eine gemeinsam mit
Sektion zur Konzeptkunst, sie nicht einlöst. Das war eine ­Sperone in New York gegründete
»Idee + Idee / Licht«, einrichtet, ist Strategie, Sachen offen zu lassen Galerieniederlassung in engere
er jedoch nicht vertreten. und keine Abgeschlossenheit Berührung mit dieser Kunst.
zu erzeugen. Das war sehr wichtig, Im Januar 1979 zeigt Kounellis
L Jim
Lambie

(* 1964 Glasgow)

42 43
seine erste Soloschau bei Fischer; Nach Konrad Fischers Tod 2005 wird Jim Lambie für
fünf weitere sowie Beteiligungen ist seine Frau Dorothee allein für den Turner Prize nominiert, die
an Gruppenausstellungen folgen »Ausstellungen bei Konrad wichtigste Auszeichnung für
bis heute. Nach wie vor gehört ­Fischer« verantwortlich. Sie führt ­junge Kunst in Großbritannien.
Kounellis zu den Stammkünstlern das Engagement für die kon­ Zu diesem Zeitpunkt hat er
der Galerie. zeptuelle Kunst fort, setzt aber ­bereits durch die wiederholte
auch neue Akzente. So lädt Teilnahme an Gruppenaus­
sie 1998 und 1999 unter dem stellungen – auch in Deutsch-
­Titel Fischer’s Frische Fische land – Bekanntheit erlangt.
­junge Künstler und Künstlerinnen
zu Gruppenausstellungen ein.

Im Jahr 2000 präsentiert


­Dorothee Fischer einen jungen
Künstler, Musiker und DJ aus
der subkulturellen Szene Schott-
lands in einer Einzelausstellung.
Jim Lambie ist zu der Zeit bereits
mit polychromen Installationen
hervorgetreten, die er Zobops
nennt. Sie bestehen aus starkfar-
bigen Vinylbändern, die Lambie
auf den Boden klebt. Parallel
­zueinander angeordnet, wird ihr
Richtungsverlauf von Wänden,
Vorsprüngen und Einbauten mit-
bestimmt. Die so entstehenden
vibrierenden Muster bewirken
­einen psychedelischen Effekt,
der den Raum und den Betrachter
in Schwingung versetzt wie
­Musik. In der Platanenstraße zeigt
Lambie unter anderem auch ein
solches Zobop, das den Boden
des Galerieraums bedeckt.

In seiner zweiten Einzelaus-


stellung bei Fischer 2004
­präsentiert Lambie die Installation
Turntable (My Boyfriend’s Back)
(Plattenteller – auch: Drehtisch –
(der Rücken meines Freundes)),
2004, aus elf Tischplatten mit
Elektromotoren. Sie nimmt Bezug
auf die Musik, wie die bearbei­
teten Plattencover, die ebenfalls
in der Schau zu sehen sind.
Sol Richard
LeWitt Long

(1928 Hartford, Connecticut –  (* 1945 Bristol)


2007 New York)

44 45
Konrad Fischer begegnet ­ eschrieben, er möchte an vielen
g »Ich bin nie spontan so begeistert Sculpture at Konrad Fischer
­Werken von Sol LeWitt wahr- Plätzen in Europa ausstellen gewesen wie von Richard Long«, Düsseldorf. Der Bildhauer legt
scheinlich zum ersten Mal (über unser Unternehmen natür- erinnert sich Konrad Fischer auf dem Boden der Galerie
1967 in der Ausstellung Serielle lich) ich habe Bischoffsberger an die erste Begegnung mit einem 1318 Weidenstöcke in parallelen
Formationen in Frankfurt, an [sic!] Zürich und Meyer Esslingen Werk des britischen Künstlers. Längsreihen aus. Er hat sie im
der er sich selbst als Maler unter bis jetzt dafür.« 1969 ist LeWitt Sie findet 1967 statt, anlässlich ­River Avon Gorge gesammelt,
seinem Künstlernamen Konrad auch in der von Konrad Fischer der Gruppenausstellung Dies ­einer Schlucht in der Nähe von
Lueg beteiligt. und Rolf Wedewer kuratierten ­alles, Herzchen, wird einmal Bristol, durch die der Avon fließt.
Schau Konzeption / Conception. Dir gehören in der Frankfurter Die Arbeit wird sofort verkauft.
Sol LeWitt ist einer der Dokumentation einer heutigen Galerie Loehr, an der sowohl Später erwerben Dorothee und
­Mitbegründer der Minimal Art Kunstrichtung im Städtischen Long als auch F ­ ischer alias Lueg Konrad Fischer sie für ihre eige-
und der Konzeptkunst. In seinem Museum Lever­kusen im Schloss beteiligt ist. Der Bildhauer ist ne Sammlung zurück (Sculpture
Werk beschränkt er sich zu- Morsbroich vertreten. an dem spektaku­lären Ausstel- for Konrad Fischer (Skulptur
meist auf einfache geometrische lungsabend nicht persönlich für Konrad Fischer)). Die ­offizielle
und stereometrische Formen Konrad Fischer schätzt ­anwesend. Zu der Zeit studiert Website Richard Longs zeigt un-
in serieller Anordnung. Im Mittel- den Künstler sehr und widmet ihm er noch an der St. Martin’s ter dem Menüpunkt ­»Exhibitions«
punkt jedoch steht die Idee, insgesamt zwölf Einzelausstel­ School of Art  in ­London –  wie (Ausstellungen) als erstes die
die Konzeption einer Arbeit. Die lungen. Bis heute zeigt die Galerie auch ­Gilbert & George und Jan Aufnahme dieses Werks im Raum
Realisation ist zweitrangig. regelmäßig Sol Lewitts Werke. Dibbets. in der Neu­brückstraße 12.

»Wenn ein Künstler eine 2010 konnte in der Kunst- Richard Long ist einer der Doch nicht nur Sammler, auch
­konzeptuelle Form von Kunst sammlung ein besonderes wichtigsten Künstler der Land- die Künstlerkollegen schätzen
­benutzt, heißt das, dass alle ­Geschenk des Künstlers realisiert Art. Die Bewegung hat wie Longs Arbeiten. So kommt seine
­Pläne und Entscheidungen im werden, Scribbles: (KF), Wall die Minimal Art ihren Ursprung erste Ausstellung in den USA
­voraus erledigt werden und die Drawing #1227 (Kritzeleien: (KF), in den USA. Die Werke ent­stehen 1969 auf Vermittlung von Carl
Aus­führung eine rein mecha­ Wandzeichnung Nr. 1227), 2007. zumeist in der Landschaft und Andre zustande. 1972 ist er auf
nische A ­ ngelegenheit ist . […] Mit dieser Wand­­zeichnung reichen von kleinen Eingriffen mit der Documenta 5 vertreten, unter
Sie ist ­normalerweise unabhän- ­widmete Sol LeWitt anlässlich natürlichen Materialien bis hin anderem in der Abteilung
gig von der handwerklichen Ge- des zehnten Todestages Konrad zu der Bearbeitung ganzer Land- »Idee + Idee / Licht«, die Konrad
schicklichkeit des Künstlers. […] Fischers der engagierten A ­ rbeit striche mit schwerem Gerät. ­Fischer zusammen mit Klaus
Wie das Kunstwerk aussieht, seines Freundes und G ­ aleristen ­Richard Long unternimmt kon- Honnef einrichtet. 1989 erhält er
ist nicht allzu wichtig. […] Egal ein Andenken. Nach dem Tod Sol zeptionelle Wanderungen überall den wichtigsten britischen Preis
­welche Form es letztlich haben LeWitts 2007 wählte ­Dorothee auf dem Globus, die er mit Foto- für junge Kunst, den Turner Prize.
wird, es muss mit einer Idee Fischer in seinem N­ amen die grafien und Texten dokumentiert.
­anfangen«, führt Sol LeWitt in Kunstsammlung Nordrhein-­ Die Erfahrung von Raum, Zeit Die Liste der Ausstellungen
seinen ­Paragraphen über Westfalen als Adressaten für die und Natur steht dabei im Mittel- Richard Longs bei Konrad Fischer
­konzeptuelle Kunst aus. Schenkung aus. Erstmalig reali- punkt. Auf den Wanderungen ist lang; die letzte wurde im
siert wurde die A
­ rbeit nach den ­arrangiert der Künstler vergängli- ­November vergangenen Jahres
Carl Andre ist dabei be­ dokumentierten Anweisungen che ­­Stein- oder Holzskulpturen, eröffnet. Nach dem Tod des
hilflich, den Künstler für eine Aus- des Künstlers im Februar 2007 die er wieder entfernt oder der ­Galeristen schuf der Künstler
stellung bei Konrad Fischer zu in der Galerie Konrad Fischer. Verwitterung überlässt. In Museen 1997 die Arbeit Circle for Konrad
gewinnen. Sol LeWitt ist nach und Galerien installiert Long Wer- (Kreis für Konrad), die nun eben-
Andre und Hanne Darboven der ke aus Stein- oder Felsbrocken, falls in die Kunstsammlung Nord-
dritte, den der Galerist in der aus Treibholz und anderen Natur- rhein-Westfalen gelangt ist.
Neubrückstraße zeigt. Er hat hier materialien oder bringt Wand­
­seine erste Einzelausstellung in malereien mit ­farbigen Erden an.
Europa. Bereits vor der Eröffnung
am 6. Januar 1968 nutzt Konrad Der begeisterte Konrad
Fischer seine Kontakte, um ­ ischer lädt den erst 23jährigen
F
­dem Amerikaner weitere Auftritte Richard Long 1968 zu seiner
zu vermitteln: »Sol hat mir ­ersten Einzelausstellung ein,
Während Konrad Luegs
Aktion »Kaffee und Kuchen«
in der Galerie Schmela,
1966 (Foto: Reiner
Ruthenbeck)

46 47
M
1 2
Konrad Alfred Schmela (Mitte),
Konrad Fischer (rechts)
Konrad Fischer während
des Aufbaus der
Lueg und Unbekannte, ca. 1965
(Foto: Konrad Fischer
Documenta 5, 1972
(Foto: Konrad Fischer
Galerie) Galerie)

(1939 Düsseldorf – 
1996 Düsseldorf)

48 49
»Ich nenne mich als Maler Konrad mit ­Besucherbeteiligung. Be­ Trotz der Beachtung, die 2
Lueg (Lueg ist der Familienname eindruckt von der Abbildung ­seine Kunst findet, gibt Lueg um
meiner Mutter), um bei der ­einer Arbeit Roy Lichtensteins, 1970 die Laufbahn als Künstler
­Häufigkeit des Namens Fischer wollen er und G ­ erhard Richter auf und widmet sich unter bürger­
etwaigen Verwechselungen zu 1963 mit Sigmar Polke einen ­lichem Namen ausschließlich
entgehen«, sagte Konrad Lueg, ­»kapi­talistischen ­Realismus« als ­seiner Galeristentätigkeit. Hin und
dessen bürgerlicher Name ­»deutsche Pop-Art« begründen. wieder jedoch ist er weiterhin in
­Konrad Fischer ist. Lueg malt zunächst Alltagsmotive Gruppenausstellungen vertreten.
nach Fotos. Legendär seine 1970 zeigt Heiner Friedrich in
Konrad Lueg beginnt im ­Aus­stellungs­aktion mit Richter im München eine Einzelausstellung,
Wintersemester 1958 / 59 an Düsseldorfer Möbelhaus Berges 1980 Rudolf Zwirner in Köln.
der Kunstakademie Düsseldorf 1963: »Leben mit Pop – Eine Drei  Jahre nach seinem Tod findet
ein Malereistudium, zunächst Demon­stration für den kapitalisti- 1999 / 2000 die Retrospektive
bei Bruno Goller, dann bei Karl schen Realismus.« Ab 1965 ver- Ich nenne mich als Maler Konrad
­Otto Götz. Er lernt Kommilitonen bindet er Figuren und Ornamen- Lueg im P. S. 1, Contemporary
­kennen, die zu Weggefährten te, die er mit einer Musterwalze Art Center, New York, der Kunst-
werden, wie Sigmar Polke und für Wandgestal­tungen aufbringt. halle Bielefeld und im Stedelijk
Gerhard Richter. Mit ihm ver­ Die  Muster ­verselbstständigen Museum voor Actuele Kunst
bindet Konrad Lueg / Fischer eine sich immer mehr; schließlich (S.M.A.K.) in Gent statt.
lebenslange, wenn auch nicht spannt Lueg fertig gemusterte
konfliktfreie Freundschaft. Folien oder ­Textilien auf Keil­
rahmen.1964 zeigt er eine Einzel-
Bereits als Student pflegt ausstellung bei A ­ lfred Schmela
Lueg gute Kontakte in die in Düsseldorf, 1966 bei René
­Düsseldorfer Kunstszene. Beson- Block in Berlin. Im Dezember des-
ders wichtig ist ihm die enge selben Jahres nimmt er mit der Ak-
Freundschaft zu dem zehn Jahre tion »Kaffee und Kuchen« an der
älteren Künstler Peter Brüning, Ver­anstal­tungs­reihe Hommage
der ihn mit internationalen Kunst- an Schmela teil. Er verwandelt
strömungen bekannt macht. den Raum der G ­ alerie Schmela
­Gerhard Richter sagt sehr viel in ein klein­bürgerliches Wohn-
später über Lueg: »Er war sehr zimmer mit g ­ emusterten Wänden,
gut informiert und er hatte diese an denen eigene Folienbilder und
coole Art, wie Humphrey Bogart. Richters Porträt von Schmela
Er wusste, was los war und hängen. 1967 ist Konrad Lueg
wie die Dinge liefen. Er kannte an den programmatischen Aus- 1
die Spielregeln. Er war ­arroganter stellungen Serielle Formationen
als die anderen ­Studenten, und Dies Alles, Herzchen, wird
weil er mehr wusste und nicht einmal Dir gehören in Frankfurt
so sentimental war.« beteiligt. Dort lernt er Künstler
kennen, die er wenige Monate
Im Herbst 1962 muss später in seiner eigenen Galerie
­Konrad Lueg die Akademie un- aus­stellen  wird. 1968 entstehen
freiwillig verlassen. Er ist nun die ­»Schatten­wände«  –  mit Phos­
auf der Suche nach Ausstellungs- phor­farbe bestrichene Flächen
möglichkeiten, die er notfalls im ­abgedunkelten Raum,
auch ohne Unterstützung durch auf ­denen sich mittels Blitzlicht
eine Galerie ­organisiert. Sein die flüchtigen Schatten der
künstlerisches Werk entwickelt ­Be­trachter abbilden.
sich vom T ­ afelbild hin zu Aktionen
Robert Piero John
Mangold Manzoni McCracken

(* 1937 North Tonawanda, N.Y.) (1933 Soncino, Cremona –  (1934 Berkeley, Kalifornien – 
1963 Mailand) 2011 New York)

50 51
Robert Mangold gehört zu den So wird der Künstler bei der Dorothee und Konrad Fischer er- »Meine Arbeiten sind minimalis-
wenigen Malern, die Konrad von Konrad Fischer und Hans werben Piero Manzonis Achrome, tisch und reduziert, aber zugleich
­Fischer vertritt. Der Amerikaner Strelow im Herbst 1973 orga­ 1962, aus dem Besitz von Mia auch maximal. Ich versuche, sie
entwickelt in der ersten Hälfte nisierten Schau Prospect 73 in und Martin Visser, die sie über in prägnante und klare Aussagen
der 1960er Jahre seine charak­ der ­Kunsthalle Düsseldorf so- Kasper König kennenlernen. Die in dreidimensionaler Form zu
teristischen, unregelmäßigen wohl von der Galerie Fischer als beiden Sammler sind die e ­ rsten, überführen und sie z­ ugleich auf
­Bildformate. Er interessiert sich auch von der John Weber G ­ allery die in der Galerie Fischer kaufen. ein atemberaubendes Niveau von
für Grundprobleme der Malerei. repräsentiert. Fischer, der mit Sie bleiben ihr auch über die Schönheit zu h ­ eben«, charakteri-
So beschäftigt er sich mit der John W. Weber, dem ehemaligen ­Jahre hinweg treu. siert John M ­ cCracken selbst
Beziehung zwischen der äußeren Direktor der Dwan Gallery in ­seine Arbeiten. Während seines
Form des Bildes und seinem Los Angeles, seit 1968 in engem Manzoni fertigt das Objekt Malereistudiums am California
­inneren Aufbau aus Linien sowie – Austausch steht, vertritt Mangold mit dem für weihnachtliche College of Arts and Crafts in
häufig strukturierten –  farbigen fortan offiziell in Deutschland. ­Dekorationen gebräuchlichen ­Oakland von Ende der 1950er
Flächen. Anders als die Minimalis- Im April 1974 zeigt er in seiner »Engelshaar«. Der jung ver­ bis Anfang der 1960er Jahre ent-
ten arbeitet Mangold ­jedoch Galerie eine erste Einzelaus­ storbene Italiener gilt als Weg­ stehen ­seine ersten plastischen
nicht mit mathematisch berechen- stellung Mangolds, der bis zu bereiter der Konzeptkunst. Werke.
baren seriellen Formen und mit ­seinem Tod drei und unter 1958 stellt er eine erste Fassung
industriellen Materialien, die die ­Dorothee Fischers Leitung fünf von Linea m 1000 her – eine Auf der Biennale von Paris
handwerkliche Bear­beitung weitere folgen. ­Papierrolle in einem Metallzy­ 1967 sind McCrackens Arbeiten
durch den Künstler über­flüssig linder, auf die er eine 1000 ­Meter erstmals außerhalb Europas zu
machen. Er lässt der I­ntuition lange Linie zeichnet. Im selben sehen. »McCracken wird hier von
und dem Zufall Raum. Jahr entstehen M ­ anzonis erste denen, die seine Sachen dort
­Achromes. Es sind farblose ­sahen, sehr gelobt, ich habe leider
Seine erste Einzelausstellung ­Tafeln, auf die er mit Gips oder nur Fotos gesehen, aber auch in
zeigt Mangold 1965 in der Kaolin – ­einem weichen, leicht Farbe: Ich denke, er ist sehr gut!«,
­Galerie Fischbach in New York. formbaren Ton – getränkte Stoff- schreibt Konrad Fischer im No-
Marilyn Fischbach kooperiert stücke ­appliziert. Sie stellen vember an seinen Freund ­Kasper
ab 1968 mit Konrad Fischer und nichts dar, b­ edeuten nichts und König in New York. Im März 1969
sagt ihm ihre Unterstützung zu, bezeichnen nichts außer sich organisiert die Galeristin Ileana
als sie erfährt, dass er an Mangold selbst. Später verwendet Manzoni Sonnabend in Paris ­McCrackens
interessiert ist. Im März 1968 für seine Achromes auch andere erste Einzelausstellung in Europa.
­findet Mangolds erste europä­ »farblose« Materialien, bei­ Wenig später, im November
ische Einzelausstellung in der spielsweise W ­ atte, Glaswolle 1969, wird im niederländischen
Stuttgarter Galerie Müller statt. und  Glasfaser – oder eben Eindhoven die Ausstellung Kom-
Im April präsentiert der Münchner ­»Engelshaar«. pas IV Westkust USA eröffnet,
Galerist Heiner Friedrich, mit die anschließend in Dortmund
dem Fischer ebenfalls zusammen­ Manzoni sucht die Kunst von und Bern gezeigt wird. Vermut-
arbeitet, im Rahmen einer Grup- allen Ausdruckswerten zu  befreien lich lernt Fischer die Skulpturen
penausstellung Zeichnungen und ihren Kern frei­zulegen. Er des Amerikaners bei dieser Gele-
des Künstlers. Als Fischer von stellt die Autorschaft des Künstlers genheit nun end­lich im Original
Harald Szeemann aufgefordert und den Originalitätsanspruch kennen.
wird, auf der Documenta 5 von Kunst auf den Prüfstand. So
im Jahr 1972 gemeinsam mit ist sein sicher be­kanntestes Mehr als zehn Jahre später,
Klaus Honnef eine eigene ­Projekt die ­Edition von in Dosen am 15. Januar 1980, nimmt
­Abteilung »Idee + Idee / Licht« zur konser­vierter Künstlerscheiße ­Fischer den Faden wieder auf.
Konzeptkunst einzurichten, (merda d’artista). Er wendet sich schriftlich an
­bezieht er Arbeiten Mangolds die Meghan Williams Gallery in
ein und übernimmt diese im Konrad Fischer widmet Piero Los Angeles, die McCracken
­Anschluss in seine Galerie. Ab Manzoni keine Ausstellung. 1973 / zu ­jenem Zeitpunkt vertritt: »[…]
1974 vertritt die New Yorker 74 bietet er aber mehrere Werke ich habe dem ART­FORUM ent-
John Weber Gallery Mangold. des Künstlers zum V­ erkauf an. nommen, dass Sie im Februar
Titelseite der Katalog-
Mario Zeitung Prospect 68,
Kunsthalle Düsseldorf,
Merz 20.–29.9.1968

(1925 Mailand – 
2003 Turin)

52 53
­ ine Ausstellung mit John
e In der Ausstellung Prospect 68, l­etzten zwei Zahlen jeweils die
­McCracken haben w ­ erden. Ich die Konrad Fischer und Hans nächste. Merz findet hierin ein
war immer sehr an seiner Arbeit Strelow im September 1968 als Bild für ein stabiles, natürliches
in­teressiert und bin sehr neu­ Gegenreaktion auf den ersten Wachstum, das sich auf der
gierig, wie seine neuen Skulpturen Kölner Kunstmarkt in der Kunst- Grundlage des Vorausgegange-
­aussehen.« Weitere neun Jahre halle Düsseldorf organisieren, nen in die Unendlichkeit entfaltet.
vergehen, bis Fischer schließlich zeigt Mario Merz erstmals einen Mit insgesamt neun Ausstellun-
im November 1989 Arbeiten seiner heute so berühmten gen und mehreren Gruppen­­­
von McCracken in seiner Galerie ­Iglus. Den Künstler beschäftigt beteiligungen prägt Mario Merz
präsentiert. Es handelt sich zu- das ­labile Verhältnis zwischen das Programm von Konrad
gleich um die erste Einzelausstel- ­Natur und Kultur. Er strebt nach ­Fischer entscheidend mit.
lung des Künstlers in Deutsch- einer Welt, in der der Mensch
land. Neben anderen Werken im Einklang mit der Natur lebt.
wird hier auch Pilot, 1989, gezeigt. 1967 hat Merz sich mit Jannis
Kounellis, Giuseppe Penone und
anderen zu einer Gruppe zu­
sammengeschlossen, für die der
junge Kunstkritiker Germano
­Celant den Begriff Arte Povera
(»arme« Kunst) prägt. Zu
­Prospect 68 sind 16 internatio-
nale Avantgarde-Galerien ein­
geladen, jüngste Tendenzen der
Kunst in Kojen zu präsen­tieren.
Die Galeristin Ileana Sonnabend
wählt Merz, zwei w ­ eitere Künst-
ler der Arte Povera sowie
­Bruce  Nauman und ­Robert  Morris
aus. Konrad Fischer hat zu der
Zeit bereits Kontakt zu Celant,
dem Spiritus Rector der Arte
­Povera.  Prospect 68 und die von
­Fischer  mitorga­nisierte legendäre
­Ausstellung Live in Your Head.
When Attitudes Become Form in
der Kunsthalle Bern und w ­ eiteren
europäischen Städten tragen
entscheidend zur Internationali-
sierung dieser Kunstrichtung
bei. Im März 1970 zeigt ­Fischer
­Mario Merz zum ersten Mal in
­seiner Galerie. Es ist ­zugleich die
erste Soloschau des Künstlers
in Deutschland. Zu s­ ehen ist ein
Iglu mit fixierten F­ ibonaccizahlen
sowie eine Zeichnung mit Aus-
schnitten der berühmten Zahlen-
progression. In der von dem
­mittelalterlichen Mathematiker
Leonardo F ­ ibonacci entdeckten
Folge e­ rgibt die Addition der
Konrad Fischer und Mario
Merz, 1991 (Foto: Dietmar
Schneider)
Juan
Muñoz

(1953, Madrid – 
2001, Ibiza)

54 55
Als »Estimado Señor Konrado entfernt, um ihn in neuer Aus­
Pescatore« (sehr geehrter Herr richtung am Ausstellungsort zu
Fischer) adressiert der spanische montieren.
Künstler Juan Muñoz Konrad
­Fischer in wörtlicher Übersetzung Nach Konrad Fischers
des Nachnamens humorvoll in Tod trennt sich Juan Muñoz von
­einem Fax. Die beiden sind der Galerie – zum großen Be­­
­einander persönlich verbunden. dauern Dorothee Fischers.
Der Künstler gibt damit auch
Fischer entwickelt das Pro- ­seine einzige ständige Ver­
gramm seiner Galerie ­be­ständig tretung in Deutschland auf.
weiter, ohne den k­ onzeptuellen
Ansatz der ­Gründerjahre auf­zu­
geben. Daher ­öffnet er seine
­Galerie in den 1980er Jahren
für eine neue Künstlergeneration.
Ab 1988 nimmt Fischer Juan
Muñoz in das Programm von »Aus-
stellungen bei Konrad Fischer«
auf und zeigt die erste von insge-
samt drei Einzelpräsentationen
des Künstlers. Auch in Gruppen-
ausstellungen in der Galerie
sind die figu­rativen Arbeiten des
­Spaniers zu sehen. Zunächst
­arbeitet Muñoz mit architek­to­ni­
schen Elementen wie Balkonen
oder Treppengeländer. Er in­
stalliert sie im Raum als T ­ eile der
Architektur. Skulptur und Raum
werden zu einer E ­ inheit – ähnlich
wie bei Carl Andre, den Muñoz
selbst als ein Vorbild nennt. Seit
Ende der 1980er Jahre treten
mehr und mehr menschliche
­Figuren hinzu, die der Künstler
in ausdrück­lichem Bezug zum
Betrachter inszeniert.

1991 erhält Juan Muñoz


­eine Einzelschau in den Museen
Haus Esters / Haus Lange in
­Krefeld. Bei dieser Gelegenheit
entsteht Krefeld Banister (My 
favourite Banister) (Krefeld
­Treppengeländer (Mein Lieb­lings­
treppengeländer)). Den hölzernen
Handlauf hat der Künstler aus
dem historischen Gebäude des
Krefelder Kaiser Wilhelm Museum
N
nächste Doppelseite
Bruce Dorothee und Konrad
Fischer mit Bruce Nauman,
Nauman 1989 (Foto: Josef W.
Froehlich)

(*1941 Fort Wayne, Indiana)

56 57
»Er ermöglichte Dinge«, sagt Der Ausstellungsraum und die ­ ine Ausstellung), ­aus, eine um-
E
­Bruce Nauman über seinen Zeit werden zu Bestandteilen fassende Präsentation seiner
­engen Freund und Galeristen des Kunstwerks und neu erfahrbar. Werke, die nach D­ üsseldorf,
Konrad Fischer. Wie Carl Andre Eindhoven und ­Mailand weiter-
ist der Amerikaner einer der Bruce Nauman zielt auf reist.
­wichtigsten Künstler im Pro- die direkte physische Ansprache
gramm. Die jahrzehntelange des Betrachters und möchte Die freundschaftliche
­Zusammenarbeit dauert über ­eine ­direkte emotionale Reaktion ­Beziehung zwischen Konrad
­Konrad Fischers Tod hinaus provozieren. Er geht darin über ­Fischer und Bruce Nauman
bis heute an. die Minimal Art und die Konzept- geht weit über die Ausstellungs-
kunst hinaus. »Ich habe von tätigkeit ­hinaus. Auch für die
Den Kontakt zu Bruce ­Anfang an versucht, Kunst zu Sammlung des Ehepaares ist
­Nauman stellt Kasper König her, ­machen, die sofort voll da war. Bruce Nauman von programma­
nachdem er ihn 1966 im Atelier Wie ein Hieb ins Gesicht mit tischer Bedeutung. Six Sound
in San Francisco besucht hat. ­einem Baseballschläger, wie ein Problems for Konrad Fischer,
Auf Einladung von Fischer reist Schlag ins ­Genick.« Diese Ab- 1968 (#122) (Sechs Klangprob-
Nauman 1968 das erste Mal sicht verfolgt der Künstler in einem leme für Konrad Fischer (Nr. 122)),
überhaupt nach Europa, um vor vielge­staltigen Werk, das von aus der ersten Ausstellung er-
Ort eine neue Arbeit zu realisieren. Skulpturen über Videofilme und werben Dorothee und Konrad Fi-
Er bringt seine Violine mit, nimmt Performances bis zu interaktiven scher später vom Käufer, der die
Geräusche in der Galerie auf und Installationen reicht. Tonbänder wie Schleifen an die
schneidet sie dann zusammen. Wand gehängt hat, zurück.
6 day week – 6 sound problems Unmittelbar nach der
(Sechstagewoche – sechs ­Ausstellung bei Fischer folgen
Klangprobleme) heißt die Aus- für Nauman wichtige Auftritte
stellung, die vom 10. Juli bis zum in ­Europa. Noch im selben Jahr
8. August zu sehen oder besser nimmt er an der Documenta 4
zu hören ist. Ein Tonbandgerät in Kassel teil. Sie legt erstmals
auf einem Tisch, ein Stuhl, an den Schwerpunkt auf zeitge­
dem ein Stift b ­ efestigt ist, und nössische Kunst und wird später
sechs verschiedene Tonbänder. aufgrund der hohen Zahl von
Um ­einen Loop herzustellen, ­US-amerikanischen Teilnehmern
läuft das Band um den Tonkopf als »documenta americana«
und den Stift. An jedem Wochen­ ­bezeichnet. 1969 lädt Harald
tag wird ein a­ nderer Mitschnitt Szeemann Nauman zu der legen-
abgespielt (Six Sound Problems dären Schau Live in Your Head.
for Konrad Fischer (#122), When Attitudes Become Form in
1968): montags walking in the der Kunsthalle Bern ein. Solche
gallery (laufen in der Galerie), Ausstellungs­beteiligungen kom-
dienstags bouncing two balls men stets durch Fischers Kontak-
in the gallery (zwei Bälle in der te zustande, der laut Nauman
­Galerie hüpfen lassen), mittwochs ­»alle kannte«. In seinem Heimat-
violin sounds in the gallery (Vio­ land wird Nauman erst anschlie-
linklänge in der Galerie), donners- ßend von den M ­ useen wahr­
tags walking and bouncing balls genommen: Das Los Angeles
(laufen und Bälle ­hüpfen lassen), County Museum of Art und das
freitags walking and v­ iolin Whitney Museum of American
sounds (laufen und Violinklänge) Art richten 1972 Bruce Nauman:
und samstags violin sounds Work From 1965 to 1972.
and bouncing balls (Vio­linklänge An Exhibition (Bruce Nauman:
und Bälle hüpfen lassen). ­Arbeiten von 1965 bis 1972.
O P Giuseppe
Penone

(* 1947 Garessio)

60 61
Zu der Ausstellung Prospect 69 erstmals in seiner e ­ igenen
im September 1969 in der Kunst­ ­Galerie aus. Bis 1990 widmet
halle Düsseldorf laden ­Konrad er ihm drei ­weitere Einzelaus­
­Fischer und Hans ­Strelow ­16 stellungen; ­Dorothee ­Fischer
Avantgarde-Galerien ein. Dazu zeigt 1998 und 2007 / 08 eine
gehört die Galleria ­Gian Enzo Soloschau.
Sperone aus Turin. Sie ist das
­intellektuelle Zentrum der in pie-
montesischen Hauptstadt be-
gründeten Arte Povera. Neben
weiteren Ver­tretern dieser Kunst-
richtung präsentiert die Galerie
den jungen Italiener Giuseppe
Penone mit der 1968 entstan­
denen Fotoserie Alpi ­marittime.
Der Künstler dokumentiert darin
einen Auf­enthalt in den Seeal-
pen. Dort hat er sich in der Natur
bewegt und mit kleinen Eingriffen
an Bäumen und in Bachläufen zu
ihr Kontakt aufgenommen.
Wachstum und Fließen der Zeit,
das Verhältnis von Mensch, Natur
und Kunst sind die Themen, mit
denen er sich in seinem Werk
auseinandersetzt.

Anlässlich von Prospect 69


begegnen sich Konrad Fischer
und Giuseppe Penone wahr-
scheinlich zum ersten Mal. ­Nur
wenige Wochen später nimmt
­Fischer den Italiener in ­seine
­gemeinsam mit Rolf W ­ edewer
­kuratierte Ausstellung Kon­zep­
tion / Conception. Dokumentation
einer heutigen Kunst­richtung im
Städtischen Museum Leverkusen
im Schloss Morsbroich auf. Sie
gilt als ­erste  museale Präsentation
der ­Konzeptkunst in Deutschland.

1977 gründet Fischer ge-


meinsam mit Gian Enzo Sperone
eine Galerieniederlassung in
New York. Sperone, der Penone
weiterhin vertritt, vermittelt
­dessen Werke an Fischer für
den Verkauf in Deutschland.
1981 stellt Fischer schließlich
­Arbeiten des Künstlers ­
Manfred
Pernice Q R
(* 1963 Hildesheim)

62 63
Nach Konrad Fischers Tod 1996 Mittels Blitzlicht bildeten sich hier
übernimmt Dorothee Fischer die Schatten der Besucher
­allein die Leitung der Galerie. auf einer phosphoreszierenden
Sie führt das Programm fort Wandfläche ab.
und entwickelt es zugleich
­kon­sequent weiter. So werden
auch jüngere Künstler auf­ge­
nommen wie der 1963 geborene
Manfred Pernice. 1998 ist er
in der Galerie mit einer Einzel-
ausstellung zu Gast, der weitere
folgen. Die Skulpturen des
­Bildhauers aus beiläufigen, hand-
werklich bewusst unvollkommen
verarbeiteten Materialien wir-
ken wie Modelle. Sie erinnern
von fern an die Werke der
­»Modellbauer« Ludger Gerdes,
Harald Klingelhöller, Wolfgang
Luy, Reinhard Mucha und
­Thomas Schütte, die Konrad
­Fischer 1983 erstmals zeigte.
­Pernice integriert seine Arbeiten
in den jeweiligen Ausstellungs-
ort, indem er sich auf dessen
­Architektur und Beschaffenheit
bezieht.

Genau hier setzte auch


­Konrad Fischer 1967 mit seiner
innovativen Idee an, Künstler
­dazu einzuladen, ein Konzept
­eigens für seinen Ausstellungs-
raum zu entwickeln. Und schließ-
lich gibt es sogar Gemeinsam­
keiten mit den Arbeiten Konrad
Luegs. Wie dieser beschäftigt
sich Manfred Pernice mit dem
Ausstellen und der Aus­stellung
als solcher. Er inszeniert in
­seinen Installationen Werke
­anderer Künstler, vorgefundene
Objekte und Gebrauchsgegen-
stände und verweist in vielen
­seiner Titel explizit auf das Thema
»Ausstellungen«. Auch bei ihm
nimmt der Betrachter eine aktive
Rolle ein. Manfred Pernice macht
ihn zugleich zum »Betrachteten«,
wie es einst Konrad Lueg in sei-
ner Aktion »Schattenwände« tat.
Ulrich Robert
Rückriem Ryman

(* 1938 Düsseldorf) (* 1930 Nashville, Tennessee)

64 65
Im Frühjahr 1968 lernt Ulrich ­ inzelausstellungen und  ver­
E Konrad Fischer und der Münche- ­ onrad Fischer Werke, in denen
K
Rückriem in der Kölner Galerie mittelt ihn an weitere G
­ alerien ner Galerist Heiner Friedrich, er mit Conté-Kreide (Blue Line
Rolf Ricke den amerikanischen und Museen. der 1967 eine Einzelausstellung Drawing #2 (#69.224) (Blaue
Minimalisten Bill Bollinger kennen. des Malers Konrad Lueg ge­ ­Linienzeichnung Nr. 2 (Nr.
Dieser lädt ihn und seinen Künst- zeigt hat, kooperieren Ende der 69.224), 1969) oder Acrylfarbe
lerfreund Blinky Palermo nach 1960er Jahre und »teilen« sich auf Polyesterfilm (Untitled
New York ein. Kurz entschlossen ­einige Künstler. Einen Hinweis (#69.219) (Ohne Titel (Nr.
reisen die beiden nach Amerika. seines Freundes Kasper K ­ önig 69.219), 1969) und mit Email­
Über den dort lebenden Kasper aus New York auf Robert Ryman farbe auf Aluminium­platten
König machen sie die Bekannt- beantwortet Fischer d ­ aher zu- ­( Untitled (#73.312) (Ohne Titel
schaft mit Carl Andre, der Ende nächst abwartend. König hat ihm (Nr. 73.312),1973) arbeitet.
1967 die erste Ausstellung in eine Ausgabe der Newsweek ­Streifen von Malerkrepp rücken
Konrad Fischers junger Galerie mit einer Farbreproduktion eines die Frage nach dem ­Träger
bestritten hat. Andres Werk Werkes von Ryman geschickt. und den Grenzen des B ­ ildes ins
­beeindruckt Rückriem nachhaltig. Er schreibt zurück: »Gerne werde Blickfeld.
Er entschließt sich zu einem ich, wie abge­sprochen, eine
künstlerischen Richtungswechsel. ­Ausstellung Bob Ryman machen, Im Dezember 1968 eröffnet
Hat er zuvor für seine Skulpturen mir ist nur nicht klar was Bob Friedrich eine Einzelausstellung
Holz und Bandeisen verwendet, mit Friedrich ausgemacht hat.« Rymans in München. Die bei
bevorzugt er nun Steinblöcke ­Fischer in Düsseldorf ausgestell-
aus  dem Steinbruch, die er spaltet Als Ryman schließlich im ten Werke stammen von der
und zersägt, manchmal auch Herbst nach Deutschland fliegt, New Yorker Galeristin Marilyn
schleift und poliert. Die Zeichnung kommen beide Galeristen ge- Fischbach. Sie vertritt Ryman
Untitled (Ohne Titel), 1969, aus meinsam für die Reisekosten auf. in den USA. Im April 1969 weist
der Sammlung Dorothee und Am 21. November 1968 wird in sie Fischer darauf hin, er müsse
Konrad Fischer zeigt, wie die der Neubrückstraße die erste mit ihr bezüglich aller Unter­
Schnitte im Stein geführt werden Soloausstellung des amerikani- nehmungen und der auch schon
können. ­Schließlich setzt Rück- schen Künstlers in Europa er­ getätigten Verkäufe Rücksprache
riem die durch die Bearbeitung öffnet. Er zeigt Arbeiten aus halten. Im Mai unterbreitet sie ihm
ent­standenen Teile erneut zu ei- ­seiner Serie Classico, die im dann das Angebot, in Abstim-
nem Ganzen zusammen. Spalten März 1969 auch in der von mung mit ihr die Vertretung des
und Bohrlöcher zeugen vom Vor- ­Fischer mitverantworteten Kon- Künstlers in Europa zu
gehen des Künstlers. zeptkunstschau Live in Your ­übernehmen.
Head. When ­Attitudes B ­ ecome
Über König und Andre Form in der Kunsthalle Bern Konrad Fischer widmet
kommt Rückriem wiederum in zu sehen ist. ­Ryman bis 1992 insgesamt sechs
Kontakt zu Konrad Fischer. Einzelausstellungen. 2001 zeigt
Im Dezember 1969 präsentiert Ryman versteht Weiß als Dorothee Fischer eine S
­ oloschau
er in dessen Galerie erstmals Farbe mit unendlichen Möglich- des Künstlers.
­seine im Anschluss an die keiten, die er in allen ihren
­Amerikareise entstandenen neuen ­Schattierungen, farbigen Nuan-
Steinskulpturen. Bei der von cen und lichtbedingten Ver­
­Konrad Fischer mit­organi­sierten änderungen immer wieder neu
Schau ProspectPROJECTION erforscht. Sie ist für ihn Mittel
im Jahr 1971 ist Rückriem durch zur Untersuchung der Grund­
den Düsseldorfer Video­galeristen lagen von Malerei. Dabei nutzt er
Gerry Schum vertreten, mit dem ­neben Leinwand und Papier, ­
Fischer in jener Zeit ­kooperiert. Öl- und Gouachefarbe viele ver-
Bis 1989 widmet Konrad Fischer schiedene andere Bildträger
dem Bildhauer noch acht und Farb­materialien. So gehören
zur Sammlung Dorothee und
Das Gebäude
Neubrückstraße 12 mit
dem Galerieraum in der
Tordurchfahrt (Foto:
Dorothee Fischer)

66 67
S Fred
Sandback
Gregor
Schneider

(1943 Bronxville, N.Y. –  (* 1969 Rheydt)


2003 New York)

68 69
Wenige Monate nach Eröffnung ­ andback nicht mehr aus, ver­
S »Qualitätsvollen Nachwuchs
seiner Galerie fliegt Konrad mittelt ihn allerdings im Lauf ­finde ich zur Zeit nur in meiner
­Fischer zum ersten Mal in die der 1970er Jahre an weitere nächsten Umgebung, was
Vereinigten Staaten. Die zu der euro­päische Galeristen. mich erstaunt. In Amerika über-
Zeit sehr hohen Kosten teilt er haupt nicht«, stellt Fischer
sich mit dem Münchener Galeris- 1989 fest. Er entwickelt das Pro-
ten Heiner Friedrich. Im Gegen- gramm seiner Galerie ständig
zug soll dieser von seinen Recher- weiter. Ohne die Minimal Art und
chen in den USA profi­tieren. die Konzeptkunst zu vernach­
Über seine Reise berichtet Konrad lässigen, konzentriert er sich seit
Fischer: »Ich war zum ersten Mal den 1980er Jahren verstärkt
im April 1968 in ­Amerika, habe auf die jüngere Kunst in Europa,
die Leute ange­rufen, nicht Warhol später in Westdeutschland – 
oder ­Lichtenstein, ist ja unin­ ­insbesondere in Nordrhein-West-
teressant, sondern Judd. In seinem falen. Aus der Kunstakademie
Atelier habe ich Sandback ent- Düsseldorf gehen viele Künstler
deckt.« Bereits im Februar ist ihm hervor, die für Konrad Fischer
dieser junge Künstler von John i­nteressant sind.
W. Weber, dem Direktor der New
Yorker Dwan Gallery, empfohlen Gregor Schneider gehört
worden. zu der Generation junger Bild-
hauer, die ab den 1990er Jahren
Noch im April zeigt Heiner bei  Konrad Fischer Skulpturen und
Friedrich in einer Gruppen­ Installationen zeigen. Kurz nach
ausstellung Zeichnungen von seinem Studium erhält er 1993 in
Fred Sandback. Im Mai dann der Platanenstraße seine erste
richtet Fischer dem Künstler die Einzelausstellung. Hier verwirklicht
erste Einzelausstellung über- er unter anderem »Wandstücke«.
haupt ein. Sandback spannt
­elastische Schnüre und Drähte Schneiders Installationen
­zwischen Wand und Boden sind begehbare Skulpturen.
der Galerie, die wie Zeichnungen Er setzt sich in seinem Werk mit
im Raum Flächen und offene der Architektur auseinander.
­Volumen umschreiben. Später ­Seine Ausstellungsräume ver­
verwendet er Acrylgarn für seine ändert er bis zur Unkenntlichkeit
schwebenden Konstruktionen. und gestaltet sie zu Stätten oft
Sandback löst die traditionelle extremer physischer und psy­
Vorstellung von Skulptur als chischer Erfahrungen. Über J­ ahre
­abgeschlossenes Gebilde im hinweg baut er in dieser Weise
Raum auf. Die dünnen Linien, die sein Elternhaus in Rheydt um.
er in den Raum einschreibt, 2001 gewinnt Gregor Schneider
­treten mit diesem in eine Wechsel- mit dem im Deutschen Pavillon
beziehung. Der Künstler selbst ­installierten Werk Totes Haus u r
spricht von einer Zeichnung, Venedig 2001 den Goldenen
»die man bewohnen kann«. ­Löwen der Biennale in Venedig.
Im Jahr darauf sind Fotos und
Durch Konrad Fischers Ver- ­Videos dieser Arbeit bei Konrad
mittlung erhält Sandback im Fischer zu sehen. Bis heute ist
­Juli 1969 auch eine Soloschau
im Krefelder Museum Haus
­Lange. Fischer selbst stellt
Thomas
Schütte T
(* 1954 Oldenburg)

70 71
Schneider ein Stammkünstler der Als Student in den 1970er Jahren Er  hatte eine ganz klare
Galerie und stellt dort regel­ hilft Thomas Schütte in Konrad ­Einschätzung der Situation,
mäßig etwa alle drei Jahre aus. Fischers Galerie aus. Wahrschein- was man jetzt macht oder
lich hat er ihn über Gerhard nicht macht, oder ob man jetzt
­Richter kennengelernt, der neben Pause macht usw. … Konrad
Fritz Schwegler sein Lehrer an spielte für mich eine Rolle
der Düsseldorfer Kunstakademie ­zwischen Lehrer und Vater – 
ist. 1979 dann malt Schütte bei ­extrem wichtig.« Der K ­ ünstler
Fischer ein Wandbild in der ­berichtet, dass seine spä­tere
­Neubrückstraße – einen großen ­figurative Arbeit Fischer
Fisch – und realisiert zeitgleich »gar nicht passte«. Er habe
ein Kunstprojekt in der Platanen- sie aber trotzdem gezeigt:
straße, für das er zwei Türen ­»Solange es authentisch war,
gelb streicht. Nachdem Schütte und das war das Hauptkrite­
bereits 1980 eine Soloschau rium für seine ganze Gene­ration,
bei Rüdiger Schöttle in München dann war alles in Ordnung.«
präsentiert hat, folgt 1981 die Der Galerist wiederum äußert
erste einer langen Reihe von Ein- über Schütte, dass bei ihm
zelausstellungen bei Konrad ­»alles möglich ist, abstrakte wie
­Fischer. ganz figurative Formen. Dann
malt er mal Köpfe, mal Kacheln.
Thomas Schütte ist gegen- Oder er macht Skulpturen,
wärtig einer der wichtigsten manchmal Häuser oder Modelle.
deutschen Bildhauer. Er genießt Dann kehrt da Abstraktes
internationales Renommee. 2005 ­wieder. Jedesmal muss ich mich
erhält er den Goldenen Löwen neu in ihn hineinversetzen.«
der Biennale in Venedig. Bekannt
wird der Künstler mit Modellen Thomas Schütte zeichnet
für imaginäre Bauten. Sein außer­ den Freund an seinem Totenbett
ordentlich vielfältiges Werk und modelliert als »eine Art
­umfasst außerdem Skulpturen ­Memorial« vier Köpfe aus Ton mit
aus traditionellen Materialien Totenbinde, von denen e ­ iner
wie Ton oder Bronze, grafische nun mit der Sammlung D ­ orothee
Arbeiten wie Zeichnungen, und Konrad Fischer in den Besitz
Radie­rungen und Aquarelle und der Kunstsammlung Nordrhein-
schließlich ­reale Architektur. Westfalen gelangt ist (Blumen für
Konrad – Konrad (Grüner Kopf),
Konrad Fischer und Thomas 1997). Außerdem widmet T ­ homas
Schütte verbindet eine enge Schütte Fischer zwölf Blumen­
freundschaftliche Beziehung. Im aquarelle, Blumen für Konrad,
Interview erzählt der Bildhauer, 1997 / 98. Bis heute ist er Stamm­
er  sei Mitte der 1980er Jahre regel- künstler der Galerie.
mäßig jede Woche bei Dorothee
und Konrad Fischer zu Hause
zum Essen und Kartenspielen zu
Gast gewesen. Schütte spricht
sehr eindrücklich und persönlich
über den Galeristen: »Konrad war
der Hauptratgeber. Er konnte
zu jedem Problem einen Einzeiler
abgeben, der immer stimmte.
Niele
Toroni U V
(* 1937 Muralto)

72 73
Im Herbst 1969 findet in der Kunst- ­ oroni ­bezieht die Eigenheiten
T
halle Düsseldorf zum zweiten des j­eweiligen Raums in seine
Mal die Ausstellung Prospect Arbeit ein.
statt. Sie wird von Konrad
­Fischer und Hans Strelow orga- Niele Toroni stellt nie bei
nisiert – als Parallelveranstaltung Konrad Fischer aus. Der Galerist
zum Kölner Kunstmarkt, der kooperiert jedoch mit Yvon
sich auf deutsche Galerien ­Lambert in Paris und Françoise
­beschränkt. Fischer und Strelow Lambert in Mailand, die beide
­laden 16 internationale Avant­ ­Toroni mit großem Engagement
gardegalerien dazu ein, ihre repräsentieren.
Künstler im Rahmen einer
­Gruppenausstellung zu zeigen.
Zusätzlich kommt ein ebenfalls
international besetztes Aus­
wahlkomitee zusammen, in dem
unter anderem der Schweizer
­Kurator Harald Szeemann und der
Direktor der Kunstmuseen
­Krefeld, Paul Wember, Mitglied
sind. Es wählt weitere zehn Künst­
ler aus, darunter Niele Toroni.

Prospect 69 ist für Toroni


der erste Auftritt in Deutschland.
Der in der Schweiz geborene
Maler lebt seit 1959 in Paris.
1966 schließt er sich mit Daniel
Buren und zwei anderen Malern
zu der allerdings kurzlebigen
Künstlergruppe BMPT zusammen,
die die traditionellen Methoden
der Kunst in Frage stellt. Der
emotional aufgeladenen, gesti-
schen Malerei der 1950er Jahre
setzt sie ein konzeptionelles
­Vorgehen entgegen. ­Arbeitet
­Daniel Buren mit standardisierten
Streifen, reduziert N
­ iele Toroni
seine malerischen Mittel dauer-
haft auf die von ihm so genannten
»empreintes« –  Abdrücke des
­immer gleichen Pinselmodells
Stärke Nr. 50 in Abständen von
jeweils 30 Zentimetern auf einem
meist weißen Bild­träger. Dieser
besteht aus Papier, Leinwand,
Wachstuch oder ­Folie; aber auch
Wände, Böden oder Fenster
­eines Ausstellungsorts können
als M
­ algrund dienen.
Paloma
Varga Weisz W Lawrence
Weiner

(* 1966 Mannheim) (* 1942 New York)

74 75
Im Sommer 2000 zeigt Dorothee v­ ergrößert sie den Anteil der »1. Der Künstler kann das Werk
Fischer das neu konzipierte von der Galerie vertretenen Künst- herstellen. 2. Das Werk kann
­Ausstellungsformat Aroma. Die lerinnen. Die Werke der Bild­ ­angefertigt werden. 3. Das Werk
Gruppenausstellung vereint hauerin sind dort seitdem regel- braucht nicht aus­geführt zu
­Arbeiten junger mit Werken etab- mäßig zu sehen. Paloma Varga ­werden. Jede Möglichkeit ist
lierter Künstlerinnen und Künstler. Weisz zählt national wie internati- gleichwertig und entspricht
Neben Gregor Schneider, onal zu den anerkannten Künst­ der Absicht des Künstlers, die
­Manfred Pernice und anderen lerinnen der Gegenwart. So Entscheidung über die Aus­
präsentiert Paloma Varga Weisz ­richtet ihr das Castello di Rivoli führung liegt beim Empfänger
hier zwei Skulpturen und bei Turin 2015 eine große zum Zeitpunkt des Empfangs.«
­eine Reihe von Zeichnungen. ­Einzelausstellung ein. So lautet das künstlerische
­Credo von Lawrence Weiner.
Dorothee Fischer ist auf die Der Mitbegründer der Konzept-
Künstlerin bereits während kunst publiziert die progra­m­
der »Rundgänge«, den jährlichen matischen Sätze erstmals
Ausstellungen der Studenten­ im Ausstellungskatalog zu
arbeiten in der Düsseldorfer Aka- ­einer Gruppenausstellung, die
demie, aufmerksam geworden. der Avantgardegalerist Seth
Nach einer Berufsausbildung als ­Siegelaub Anfang 1969 in
Holzbildhauerin hat Varga Weisz ­einem leerstehenden New Yorker
bei Tony Cragg und Gerhard Büro organisiert. Im Jahr zuvor
Merz studiert. Vorbilder aus der hat Weiner bei Siegelaub bereits
Kunstgeschichte und über­ ein als Ausstellung konzipiertes
lieferte Darstellungsformen sind Buch veröffentlicht.
für sie wichtige Inspirations­
quellen. Die historische religiöse Lawrence Weiner nutzt die
Kunst, aber auch Märchen, ­Sprache als Material für Skulptur.
­Mythen und Legenden speisen Zumeist installiert er seine Texte
noch i­mmer den kollektiven auf Wänden im Museum oder im
Bilder­speicher unserer Kultur. öffentlichen Raum. Sie können
Die Bildhauerin greift darauf aber auch in einer Tageszeitung,
­zurück, um ihren Figuren einem Buch, auf einer Postkarte
­emo­tionale Kraft zu verleihen. oder einem Kanaldeckel in New
­Ihre  Mann­frauen, Tiermenschen York erscheinen. Anlässlich seiner
und Fabelwesen berühren Retrospektive im K21 lässt er
menschliche Grunderfahrungen 2008 eine Straßenbahn mit einem
und sprechen tiefe Schichten Satz aus dem Jahr 1995 be-
des Bewusstseins an. Damit schriften: EINE L­ INIE GEZOGEN
möchte Varga Weisz kein VOM ERSTEN STERN DER
­»konkretes Gefühl vermitteln, ABENDDÄMMERUNG BIS ZUM
aber im Betrachter eines aus­ ­LETZTEN STERN DER MORGEN-
lösen«, wie sie sagt. »Was DÄMMERUNG. Knapp und klar
aber bei jedem Einzelnen aus­ beschreibt Weiner Tätigkeiten,
gelöst wird, kann ich nicht Vorgänge oder Zustände. In den
­steuern. Ich kann nur das Aus­ Sätzen seiner Kunstwerke fehlt
sehen und den Ausdruck das Subjekt. Sie sind unpersönlich
der ­Figuren lenken.« formuliert, so neutral wie ihr
­Erscheinungsbild in serifenlosen
Anfang 2002 widmet Großbuchstaben. So lässt der
­Dorothee Fischer Varga Weisz Künstler Raum für die individuellen
­eine Einzelausstellung. Damit Vorstellungen des Lesers oder
X Y Z

76 77
des Ausführenden, ganz nach
dessen persönlichen E ­ rfahrungen
und Vorlieben. Jeder erhält
die Freiheit zum aktiven Handeln.
­Damit nimmt sich Weiner als
Schöpfer des Kunstwerks voll-
ständig zurück. Ob ausformu­
lierter Gedanke, geschriebener
Text oder konkrete Handlung –
alle Erscheinungsformen seiner
Arbeiten können dieselbe
­Gültigkeit beanspruchen.

Weiners Haltung fasziniert


­Fischer außerordentlich. Im April
1969 richtet er ihm eine Einzel-
ausstellung ein. Über Jahrzehnte
arbeiten der Künstler und die
­Galerie zusammen, zu deren
Stamm er immer noch gehört.
Die Kraft und die Popularität
von Lawrence Weiners Arbeiten
sind bis heute ungebrochen.
Im Nachruf auf Dorothee Fischer
erinnert Weiner 2015 – in der
für seine Wandinstallationen
­erprobten Form eines in Groß­
buchstaben gesetzten State-
ments – an die Zielsetzung von
Fischers Unternehmen:
»­ KONRAD & DOROTHEE
­ ISCHER ABANDONED THEIR
F
PERSONAL DREAM OF MAKING
ART & THREW WHATEVER
­R ESOURCES THEY COULD
MUSTER TO BEGIN A GALLERY
THAT WOULD BRING SOME
OF THE INTERNATIONAL
­ARTISTS TO DÜSSELDORF TO
MINGLE & EXHIBIT TOGETHER.«
(Konrad & Dorothee Fischer
­gaben ihren persönlichen Traum
Kunst zu machen auf und in­
vestierten alles, was sie hatten,
um eine Galerie zu gründen,
die einige internationale Künst­
lerinnen nach Düsseldorf bringen
würde, um sich zu treffen
und ­zusammen auszustellen.)
Dorothee und
vorherige Doppelseite Dorothee Fischer in der
Dorothee und Konrad Ausstellung Mit der
Fischer Ende der Möglichkeit gesehen zu
1960er Jahre, Fotograf werden. Dorothee und

Konrad Fischer –
unbekannt. Konrad Fischer:
Archiv einer Haltung im
MACBA Barcelona, 2010
­(Foto: Marta Perez,

Leben
© picture-alliance / dpa)

80 81

Am 27. März 1937 wird Dorothee Franke in 


Wuppertal geboren, Konrad Fischer am 
11. April 1939 in Düsseldorf. Von 1956 bis
1962 studiert Dorothee Franke Kunst für
das Lehramt an der Kunstakademie Düsseldorf,
Konrad Fischer ebenfalls dort von
1958 bis 1962 Malerei. 1961 lernen sie sich
an der Akademie kennen, 1964 heiraten
sie. 1967 wird »Ausstellungen bei Konrad
­Fischer« in der Neubrückstraße 12 in Düssel-
dorf eröffnet. 1970 wird Sohn Kasper David
1
­geboren und im selben Jahr ein zweiter
­Ausstellungsraum in der Andreasstraße 25
­eröffnet, mit einer Ausstellung von Gerhard
Richter. 1973 wird Tochter Berta Ada ge­
boren, der Ausstellungsraum in der Andreas-
straße aufgegeben. 1974 zieht die Galerie in
die ­Platanenstraße 7. Der Galerieraum in der
­Neubrückstraße wird noch bis 1980 betrieben.
Am 24. November 1996 stirbt Konrad Fischer
in Düsseldorf. Dorothee Fischer führt die
­Galerie fortan alleine weiter. 2007 eröffnet
sie die Konrad Fischer Galerie, Berlin. Am
9. Mai 2015 stirbt Dorothee Fischer in Düssel-
dorf. Berta Fischer übernimmt die Leitung
der Galerien in Düsseldorf und Berlin.
Impressum

82
Die Künstlerzitate über Konrad Herausgeber
und Dorothee Fischer sind dem
Band okey dokey Konrad Fischer Kunstsammlung Nordrhein-­
von Brigitte Kölle entnommen, Westfalen, Düsseldorf
der 2007 im Verlag der Buch-
handlung Walter König, Köln,
­erschienen ist. Das Buch enthält
unter anderem informative Inter- Konzept und Texte
views mit Künstlern, die mit der
Galerie F
­ ischer Kontakt hatten. Angela Wenzel

Dieses Begleitheft erscheint


­anlässlich der Ausstellung Grafische Gestaltung
»Wolke & Kristall«.
Die ­Sammlung Dorothee Simon Brenner, Sascha Lobe,
und ­Konrad Fischer Agnes Essig
24. September 2016 – ­ L2M3 Kommunikationsdesign
8. Januar 2017 GmbH, Stuttgart
K20 Grabbeplatz
Grabbeplatz 5
40213 Düsseldorf
Gesamtherstellung
Informationen zum
­Begleitprogramm: ­ Druckerei und Verlag
www.kunstsammlung.de Peter Pomp GmbH,
0211 . 83 81 -  204 Bottrop
service@kunstsammlung.de

Urheberrechte
© 2016 Kunstsammlung
Nordrhein-Westfalen

Für die abgebildeten Werke


von Carl Andre (S. 13, 14 / 15),
Konrad Lueg (S. 1, 10 / 11,
44 / 45), Mario Merz (S. 52, 78),
Reiner Ruthenbeck (S. 44 / 45)
und Günther Uecker (S. 10 / 11):
© VG Bild-Kunst, Bonn 2016;
von Marcel Broodthaers (S. 20):
© The Estate of Marcel
­Broodthaers / VG Bild-Kunst,
Bonn 2016
Gefördert durch:

Unternehmenspartner: Gefördert durch: Medienpartner:

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