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Gemeinte durch zeitlich passende Vergleiche aus dem Gebiete der bildenden Kunst zu
verdeutlichen, etwa so, wie wenn wir die Sitzfigur des Meten mit der Statue des Ran-
ofer oder die Holztafeln des Hesire mit den Reliefs im Tigrab vergleichen; beides ist AR,
und doch liegt geistig der gewaltige Unterschied zwischen der 3. und der 5. Dyn. da-
zwischen. Liegt da dann nicht der Gedanke nahe, daß uns in der Lehre für Kagemni
ein Literaturwerk erhalten ist, das wirklich aus dem f r ü h e n AR, vielleicht wirklich
aus der Zeit König Hunis vom Ende der 3. Dyn. stammt? Die 3. Dyn. ist die große
Zeit, in der die ägyptische Kultur zum ersten Male gesammelt und gefestigt vor uns
steht, — um nochmals die bildende Kunst heranzuziehen: in der Ausprägung des damals
neuen, klassischen Stiles. Sollte nun diese klassische Ausprägung nicht auch für die Lite-
ratur Gültigkeit haben? Immer wieder im Hinblick auf den \Verdegang der bildenden
Kunst im frühen AR wird man v o r der 3. Dyn. kaum eine ägyptische Weisheitslehre
in der formal vollendeten Art der beiden hier in Frage stehenden erwarten können. In
der Lehre für Kagemni liegt nach meinem Dafürhalten eine erste, aus klassisch ägyp-
tischem Geist geformte, wenn auch gedanklich noch reichlich primitive, im Ausdruck
aber urwüchsige Weisheitslehre vor, deren Reste sich in den Papyrus P R I S S E hinüber-
gerettet haben. Man sollte sie daher in Ubersetzungsbüchern als die sicher ältere der
beiden Lehren auch v o r der Lehre des Ptahhotep einordnen. Wer will wissen, ob nicht
der Schreiber des Papyrus P R I S S E geradezu den Auftrag hatte, die beiden — oder, wenn
wir den ausgewischten Text berücksichtigen, gar die drei — berühmtesten Weisheits-
lehren des AR in der Folge ihrer Entstehungszeiten abzuschreiben? Jedenfalls scheint
mir die Lehre für Kagemni als älteste der beiden ganz mit Recht am Anfang des Papyrus
zu stehen. Von Kagemni bis Ptahhotep dürften wir auf dem Gebiet der Weisheitslehren
den Entwicklungsgang der ägyptischen Geisteshaltung von der 3. zur 5. Dyn. ahnend
ermessen können.
Es sind gerade fünfzig Jahre vergangen seit der Herausgabe der „Märchen des
Papyrus Westcar" durch A D O L F E R M A N , der in seinem für immer vorbildlichen Kom-
mentar zugleich die Grundzüge der Geschichte der hieratischen Buchschrift zeichnete
und in seiner grammatischen Behandlung der Sprache des Textes den Unterbau für die
Grammatik des älteren Ägyptisch schuf. Seitdem ist das Verständnis dieses Textes
von einmaliger Bedeutung für die Entwicklung der Ägyptologie von vielen an zahl-
reichen Stellen gefördert worden, nicht zuletzt auch von K U R T S E T H E in seiner Bearbei-
tung der „Wundererzählungen vom Hofe des Königs Cheops" in den „Ägyptischen
Lesestücken" und in den „Erläuterungen" zu diesen. Aber abgeschlossen ist die Arbeit
am Westcar noch nicht, weder hinsichtlich der Lesung noch hinsichtlich des Inhalts.
Für Beides glaube ich an je einer Stelle etwas beitragen zu können.
Was die Lesung des Hieratischen anlangt, so möchte ich zunächst auf S E T H E S
Transkription des Wortes für den Empfangssaal des Palastes hinweisen, das er Lese-
stücke S. 30, 17; 31, 4 und 31, 5 ( = Weste. 8, 9; 8, 19 und 8, 20) so widergibt fl'^®
J^jPjjcrrD. Das ist die alte Lesung ERMANS, der Westcar Bd. I S. 50 auch Sinuhe 251 so
transkribiert ^TJ ©FLPJJCMI. ERMAN dachte damals an eine Ableitung des Wortes von
vjhl „ S ä u l e " ; heute bringen wir die Bezeichnung mit ί>· ® „überschwemmt
sein" zusammen. Jedenfalls ist die Umschrift mit falsch, die leider auch im Wörter-
buch Aufnahme gefunden hat. Das Zeichen ist mit ^ zu transkribieren, wie MÖLLER,
Palaeographie I Nr. 278 richtig angibt; die hieratische Form für j j ^ sieht ganz anders
aus (ebda. I Nr. 352).
Aber es gibt auch eine Stelle (Weste. 8, 17), wo sogar M Ö L L E R unrichtig gelesen
hat, wie ich glaube. In dem Satz ^ ^ | ^ Τ ™
Ω
„Du! man befehle nicht, Derartiges an dem heiligen Vieh zu
t u n " geben alle hieroglyphischen Transkriptionen das Zeichen zwischen ° und
\\
mit [j wieder, obwohl es nicht dessen normale hieratische Form hat, sondern die des ") ,
von dem es sich nicht unterscheidet. Das in dem Worte jj ~j| (j (j in der vorher-
gehenden Zeile Weste. 8, 16 sieht nicht anders aus als das angebliche ( in mn-t-irj, das
so sehr von der üblichen hieratischen Gestalt abweicht, daß M Ö L L E R , Pa aeographie I 282
diese Form als eine einmalige Sonderform des {j Weste. 8, 17 ausdrücklich vermerkt.
Wenn es ist, warum soll man nicht auch | umschreiben, also ° · Es liegt
1
hier einer der zahlreichen Fälle der Zusammenschreibung des zusammen Gesprochenen
vor: man sprach nicht mn-t irj, sondern mntirj und so kam dem Schreiber das verbin-
dende Zeichen | tj ganz von selbst in die Feder. Übrigens findet sich der Ausdruck
mn-t-irj im Westcar nur an dieser Stelle.
Wir denken uns die Wundergeschichten des Westcar gewiß mit Recht als von
einem öffentlichen Erzähler vorgetragen.. Und ich glaube, daß der Text selbst an einer
Stelle diese Auffassung beweist. Es handelt sich um die gegenseitigen Begrüßungen des
Prinzen Hardedef und des Weisen Dedi, Weste. 7, 16—8, 1: (als der Prinz bei Dedi
angelangt war) „da sagte der Königssohn Hardedef: ,Dein Befinden ist [oder ,sei'] wie
das jemandes, der lebt vor dem Altwerden [d. h. der es noch vor sich h a t ] trotz des
Alters, der Stätte des Sterbens, der Stätte des Einsargens, der Stätte des Begrabene,
und der schläft bis zum Morgen [d. h. die ganze Nacht durchschläft] und frei ist von
c=ii=J
Krankheiten, sogar ohne keuchenden Husten, "f" Q ^ [j (j [j ^ ^ • · Ich bin
hierhergekommen, um dich zu rufen, im Auftrage meines Vaters Cheops, daß du essest
die guten Dinge, die der König gibt, die Speisen derer, die in seinem Gefolge sind.'" „Da
sagte dieser Dedi: ,In Frieden, in Frieden, Hardedef, Lieblingskönigssohn seines Vaters.
Dich möge dein Vater Cheops loben, er möge deinen Platz unter den Alten nach vorn
rücken, dein K a möge streiten gegen deinen Feind, dein Ba möge den Weg kennen, der
zum Tor des Verhüllers des Müden führt.' "T ö ^ <=> | ^ • (Da streckte
der Prinz dem Weisen die Hände entgegen usw.)."
Die Stelle h a t E R M A N seinerzeit viele Schwierigkeiten gemacht, und diese sind bis.
heute nicht völlig behoben. Sie liegen, abgesehen vom Inhaltlichen, also den gewiß sehr
1 ) E R M A N , ÄZ. 56, 61 ff. — Die Stelle ist hieratisch leicht zugänglich: MÖLLER, Hierat. Lesestücke
Heft I Taf. 21, Β Zeile 13. Ebenda die Stellen für wlhj „Empfangssaal".
1) Für sie verweise ich auf den III. Teil meiner Untersuchung der Anreden, Anrufe, Ausrufe, Wünsche
und Grüße (Abh. Preuß. Ak. d. Wiss., 1941). — 2) Wohl im Anschluß an H . 0 . LANGES Ausführungen
zur Stelle in Recueil Champollion S. 735. — 3) Im übrigen siehe GRAPOW, Anreden usw. I S. 19. —
4) Für ein frühes Beispiel eines ähnlichen Zwischenrufes des Rezitators eines Totenspruches vgl. Sethes
Kommentar zu Pyr. 354.