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1941] HERMANN G R A P O W : ZU zwei Stellen des Westcar.

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Gemeinte durch zeitlich passende Vergleiche aus dem Gebiete der bildenden Kunst zu
verdeutlichen, etwa so, wie wenn wir die Sitzfigur des Meten mit der Statue des Ran-
ofer oder die Holztafeln des Hesire mit den Reliefs im Tigrab vergleichen; beides ist AR,
und doch liegt geistig der gewaltige Unterschied zwischen der 3. und der 5. Dyn. da-
zwischen. Liegt da dann nicht der Gedanke nahe, daß uns in der Lehre für Kagemni
ein Literaturwerk erhalten ist, das wirklich aus dem f r ü h e n AR, vielleicht wirklich
aus der Zeit König Hunis vom Ende der 3. Dyn. stammt? Die 3. Dyn. ist die große
Zeit, in der die ägyptische Kultur zum ersten Male gesammelt und gefestigt vor uns
steht, — um nochmals die bildende Kunst heranzuziehen: in der Ausprägung des damals
neuen, klassischen Stiles. Sollte nun diese klassische Ausprägung nicht auch für die Lite-
ratur Gültigkeit haben? Immer wieder im Hinblick auf den \Verdegang der bildenden
Kunst im frühen AR wird man v o r der 3. Dyn. kaum eine ägyptische Weisheitslehre
in der formal vollendeten Art der beiden hier in Frage stehenden erwarten können. In
der Lehre für Kagemni liegt nach meinem Dafürhalten eine erste, aus klassisch ägyp-
tischem Geist geformte, wenn auch gedanklich noch reichlich primitive, im Ausdruck
aber urwüchsige Weisheitslehre vor, deren Reste sich in den Papyrus P R I S S E hinüber-
gerettet haben. Man sollte sie daher in Ubersetzungsbüchern als die sicher ältere der
beiden Lehren auch v o r der Lehre des Ptahhotep einordnen. Wer will wissen, ob nicht
der Schreiber des Papyrus P R I S S E geradezu den Auftrag hatte, die beiden — oder, wenn
wir den ausgewischten Text berücksichtigen, gar die drei — berühmtesten Weisheits-
lehren des AR in der Folge ihrer Entstehungszeiten abzuschreiben? Jedenfalls scheint
mir die Lehre für Kagemni als älteste der beiden ganz mit Recht am Anfang des Papyrus
zu stehen. Von Kagemni bis Ptahhotep dürften wir auf dem Gebiet der Weisheitslehren
den Entwicklungsgang der ägyptischen Geisteshaltung von der 3. zur 5. Dyn. ahnend
ermessen können.

Zu zwei Stellen des Westcar.


V o n HERMANN GRAPOW.

Es sind gerade fünfzig Jahre vergangen seit der Herausgabe der „Märchen des
Papyrus Westcar" durch A D O L F E R M A N , der in seinem für immer vorbildlichen Kom-
mentar zugleich die Grundzüge der Geschichte der hieratischen Buchschrift zeichnete
und in seiner grammatischen Behandlung der Sprache des Textes den Unterbau für die
Grammatik des älteren Ägyptisch schuf. Seitdem ist das Verständnis dieses Textes
von einmaliger Bedeutung für die Entwicklung der Ägyptologie von vielen an zahl-
reichen Stellen gefördert worden, nicht zuletzt auch von K U R T S E T H E in seiner Bearbei-
tung der „Wundererzählungen vom Hofe des Königs Cheops" in den „Ägyptischen
Lesestücken" und in den „Erläuterungen" zu diesen. Aber abgeschlossen ist die Arbeit
am Westcar noch nicht, weder hinsichtlich der Lesung noch hinsichtlich des Inhalts.
Für Beides glaube ich an je einer Stelle etwas beitragen zu können.

Was die Lesung des Hieratischen anlangt, so möchte ich zunächst auf S E T H E S
Transkription des Wortes für den Empfangssaal des Palastes hinweisen, das er Lese-
stücke S. 30, 17; 31, 4 und 31, 5 ( = Weste. 8, 9; 8, 19 und 8, 20) so widergibt fl'^®
J^jPjjcrrD. Das ist die alte Lesung ERMANS, der Westcar Bd. I S. 50 auch Sinuhe 251 so

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22 HERMANN GRAPOW: ZU zwei Stellen des Westcar. [77. Band.

transkribiert ^TJ ©FLPJJCMI. ERMAN dachte damals an eine Ableitung des Wortes von
vjhl „ S ä u l e " ; heute bringen wir die Bezeichnung mit ί>· ® „überschwemmt
sein" zusammen. Jedenfalls ist die Umschrift mit falsch, die leider auch im Wörter-
buch Aufnahme gefunden hat. Das Zeichen ist mit ^ zu transkribieren, wie MÖLLER,

Palaeographie I Nr. 278 richtig angibt; die hieratische Form für j j ^ sieht ganz anders
aus (ebda. I Nr. 352).
Aber es gibt auch eine Stelle (Weste. 8, 17), wo sogar M Ö L L E R unrichtig gelesen
hat, wie ich glaube. In dem Satz ^ ^ | ^ Τ ™
Ω
„Du! man befehle nicht, Derartiges an dem heiligen Vieh zu
t u n " geben alle hieroglyphischen Transkriptionen das Zeichen zwischen ° und
\\
mit [j wieder, obwohl es nicht dessen normale hieratische Form hat, sondern die des ") ,
von dem es sich nicht unterscheidet. Das in dem Worte jj ~j| (j (j in der vorher-
gehenden Zeile Weste. 8, 16 sieht nicht anders aus als das angebliche ( in mn-t-irj, das
so sehr von der üblichen hieratischen Gestalt abweicht, daß M Ö L L E R , Pa aeographie I 282
diese Form als eine einmalige Sonderform des {j Weste. 8, 17 ausdrücklich vermerkt.
Wenn es ist, warum soll man nicht auch | umschreiben, also ° · Es liegt
1
hier einer der zahlreichen Fälle der Zusammenschreibung des zusammen Gesprochenen
vor: man sprach nicht mn-t irj, sondern mntirj und so kam dem Schreiber das verbin-
dende Zeichen | tj ganz von selbst in die Feder. Übrigens findet sich der Ausdruck
mn-t-irj im Westcar nur an dieser Stelle.

Wir denken uns die Wundergeschichten des Westcar gewiß mit Recht als von
einem öffentlichen Erzähler vorgetragen.. Und ich glaube, daß der Text selbst an einer
Stelle diese Auffassung beweist. Es handelt sich um die gegenseitigen Begrüßungen des
Prinzen Hardedef und des Weisen Dedi, Weste. 7, 16—8, 1: (als der Prinz bei Dedi
angelangt war) „da sagte der Königssohn Hardedef: ,Dein Befinden ist [oder ,sei'] wie
das jemandes, der lebt vor dem Altwerden [d. h. der es noch vor sich h a t ] trotz des
Alters, der Stätte des Sterbens, der Stätte des Einsargens, der Stätte des Begrabene,
und der schläft bis zum Morgen [d. h. die ganze Nacht durchschläft] und frei ist von
c=ii=J
Krankheiten, sogar ohne keuchenden Husten, "f" Q ^ [j (j [j ^ ^ • · Ich bin
hierhergekommen, um dich zu rufen, im Auftrage meines Vaters Cheops, daß du essest
die guten Dinge, die der König gibt, die Speisen derer, die in seinem Gefolge sind.'" „Da
sagte dieser Dedi: ,In Frieden, in Frieden, Hardedef, Lieblingskönigssohn seines Vaters.
Dich möge dein Vater Cheops loben, er möge deinen Platz unter den Alten nach vorn
rücken, dein K a möge streiten gegen deinen Feind, dein Ba möge den Weg kennen, der
zum Tor des Verhüllers des Müden führt.' "T ö ^ <=> | ^ • (Da streckte
der Prinz dem Weisen die Hände entgegen usw.)."
Die Stelle h a t E R M A N seinerzeit viele Schwierigkeiten gemacht, und diese sind bis.
heute nicht völlig behoben. Sie liegen, abgesehen vom Inhaltlichen, also den gewiß sehr

1 ) E R M A N , ÄZ. 56, 61 ff. — Die Stelle ist hieratisch leicht zugänglich: MÖLLER, Hierat. Lesestücke
Heft I Taf. 21, Β Zeile 13. Ebenda die Stellen für wlhj „Empfangssaal".

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1941] HERMANN GRAPOVV: ZU zwei Stellen des Westcar. 23

höflichen, aber unserm Empfinden fernstehenden Worten der eigentlichen Begrüßungen 1 ,


insbesondere des Dedi an den Prinzen, vor allem in den beiden Sätzen, die ich in Hiero-
glyphen gegeben und noch nicht übersetzt habe. ERMAN, der richtig gefühlt hat, daß
die Sätze „poetisch und altertümlich gefärbt" seien, „wie das auch schon das Fehlen
des Artikels bei den Substantiven zeigt" (Westcar Bd. I S. 45), wollte später in dem pw
das alte eigentliche Demonstrativum sehen, und er hat 2 daher in seiner „Literatur der
Ägypter" auf S. 70 und 71 „diese uns schwer verständlichen Begrüßungen im höheren
Stil" so übersetzt: „Sei mir gegrüßt, du Ehrwürdiger (du Königssohn)". Diese Über-
setzung ist unmöglich. Selbst zugegeben, daß altertümliche Sprechweise vorliegt, in der
pw ganz wohl für anredendes „dieser" (ERMANS „du") gebraucht sein kann 3 : „sei ge-
grüßt" könnte nur "J" ö <=> ^ ^ heißen; aber beidemal fehlt das Suffix der zweiten
Person, und für „mir" liegt vollends auch kein Anhalt vor.
Beide Stellen können nur, was auch SETHE in den Erläuterungen zu seinen Lese-
stücken vorschlägt, als nom. nom. Sätze aufgefaßt werden: „das ist das Begrüßen eines
Ehrwürdigen (eines Königssohns)", d. h. „so begrüßt man einen Ehrwürdigen (einen
Königssohn)". Aber damit sind die Sätze nur grammatisch erklärt, noch nicht inhaltlich
verstanden. Was sollen sie besagen? Sie schließen in beiden Fällen die eigentliche Be-
grüßung ab, an die der Prinz noch die Mitteilung über den Grund seines Kommens knüpft,
während der Weise mit keinem Wort seinen bereiten Gehorsam erklärt, an den Hof zu
folgen. Und es scheint, daß bisher allgemein angenommen worden ist, diese Wendungen
gehörten zu den Begrüßungen. Wir haben seinerzeit im Wörterbuch Bd. I I S. 373 den
Ausdruck um seiner Auffälligkeit halber eigens vermerkt: als Verbindung nd-hrt Ν pw
„so begrüßt man jem." am Schluß einer Begrüßung. Wir, d. h. ERMAN, S E T H E und ich,
haben damals offenbar geglaubt, daß wir es mit einer stehenden Redensart zu tun hätten,
die am Schluß solcher ausführlichen und feierlichen Begrüßungen üblich gewesen sei,
deren wir ja sonst kaum welche kennen.
Diese Auffassung ist gewiß nicht richtig. Es wäre doch merkwürdig, wenn ein
Grüßender selbst am Schluß seiner Ansprache sagte „so begrüßt man einen weisen alten
Herrn", obendrein zu dem Begrüßten selbst, wie hier in beiden Fällen. Etwas anderes ist
es, wenn solche Bemerkung zu sonstigen Zuhörern gemacht wird, um ihnen das Besondere
der Ansprachen verständlich zu machen, etwa solchen, die nicht gewöhnt sind, sich
Komplimente und höfliche Anreden zu sagen, die solche Förmlichkeiten nicht kennen.
Ich denke mir, daß der Erzähler der Geschichte bei seinen Zuhörern erstaunte Gesichter
bemerkt hat, als er ihnen die Begegnung zwischen dem Prinzen und dem Weisen schilderte
und dabei die fein stilisierten gegenseitigen Begrüßungen ausdrücklich anführte. Daher
fügte er den Ansprachen jedesmal hinzu „das ist das Begrüßen eines Ehrwürdigen (eines
Prinzen)" - so begrüßt man sich unter so gebildeten und vornehmen Herren. Nur so, als
Nebenbemerkungen4 des Erzählers, des Erzählers vor einfachen Leuten, sind diese beiden
Sätze überhaupt zu verstehen, die weder zu den Begrüßungen gehören noch zur eigent-
lichen Erzählung. ERMAN hat mit seinem feinen Sprachgefühl ganz richtig empfunden,
daß diese Begrüßungen zu der einfachen Sprache des sonstigen Textes nicht passen. Wie
sehr das der Fall ist, zeigt die notwendig gewesene Erklärung des Erzählers, der uns durch
die Mitteilung jener Begrüßungen an seine .Zuhörer ein paar Musterbeispiele höfischer
Komplimente bewahrt hat.

1) Für sie verweise ich auf den III. Teil meiner Untersuchung der Anreden, Anrufe, Ausrufe, Wünsche
und Grüße (Abh. Preuß. Ak. d. Wiss., 1941). — 2) Wohl im Anschluß an H . 0 . LANGES Ausführungen
zur Stelle in Recueil Champollion S. 735. — 3) Im übrigen siehe GRAPOW, Anreden usw. I S. 19. —
4) Für ein frühes Beispiel eines ähnlichen Zwischenrufes des Rezitators eines Totenspruches vgl. Sethes
Kommentar zu Pyr. 354.

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