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Giordano Bruno - Erinnerungen an einen großen Naturphilosophen, Märtyrer


und Wandler des Mittelalters zur Neuzeit anläßlich seines 400. Todestages
Dietmar Michalke Tel.: 0821/880558 2.2.2000
In diesem Jahre ereignet sich der 400. Todestag des Naturphilosophen Giordano Bruno. Am 17.
Februar 1600 wurde er in Rom auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er sich weigerte, seine von
der katholischen Kirche unerwünschten Lehren zu widerrufen. Dieser Jahresstag soll der Anlaß
sein, Bruno's Leben und Wirken zu skizzieren, aus heutiger Sicht zu würdigen und zu
kommentieren.
Das auslaufende 16. Jahrhundert war gekennzeichnet durch Umwälzungen, die das bis dahin
unumschränkt herrschende Papsttum in Frage stellten und seine Machtposition schmälerten. Der
calvinistische und lutherische Protestantismus hatten sich dauerhaft etabliert. In der Schweiz, in
der Tschechoslowakei, in weiten Teilen Deutschlands, aber auch in Groß Britannien und
Skandinavien hatte der Vatikan seine geistige Führung an den Protestantismus abgeben müssen.
Aber auch aus einer ganz anderen Richtung kamen neue Gedanken, die den Ansichten des
damaligen Katholizismusses diametral entgegenstanden. Der Astronom Nikolaus Kopernikus
entwickelte ein neues Modell unseres Planetensystems, das in der Lage war, schlüssige
Erklärungen für bis dahin rätselhafte Phänomene wie die scheinbaren Schleifenbewegungen der
Planeten zu liefern. Brisant daran war, daß sich in diesem Modell die Sonne im Mittelpunkt der
Planetenbahnen befand. Das bisherige Weltbild des Griechen Ptolemäus, das vom Vatikan wie ein
Dogma behandelt wurde, sah hingegen die Erde als Mittelpunkt des Planeten-/Sonnensystems, ja
des ganzen weltlichen Universums überhaupt an. Das päpstliche Rom stellte wiederum das
Zentrum des abendländischen Kulturkreises dar. Dadurch nahmen der Papst und seine Kirche eine
formal herausragende Stellung in der ihrer Meinung nach von Gott geschaffenen Welt ein. Das
heliozentrische Weltbild des Kopernikus wies nun dem Stellvertreter Gottes auf Erden einen
peripheren Platz gleichwertig mit mehreren anderen Planeten im Universum zu. Das neue Weltbild
wurde auch deshalb zum Politikum, weil sich bedeutende Denker der damaligen Zeit, wie Johannes
Keppler und Galilei, den Ansichten des Kopernikus anschlossen und es verifizierten. Es wurde
erstmals offensichtlich, daß systematisches Beobachten, Analysieren und Berechnen dem bloßen
Interpretieren der in der Bibel enthaltenen Aussagen zu Naturphänomenen überlegen war. Aber
auch die bis dahin uneingeschränkt für gültig gehaltenen Lehren der griechischen
Naturphilosophen wie die des Aristoteles gerieten mehr und mehr unter Beschuß.
1. Giordano Brunos Leben
Zu Beginn dieser Umwälzungen betrat mit Giordano Bruno ein Mann die Bühne der Geschichte,
dessen Leben selbst ein Spiegelbild dieses geistigen Wandels darstellte und der neben Galilei zur
zweitwichtigsten Symbolfigur des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit wurde.
Giordano Bruno wurde 1548 in Nola bei Neapel geboren. Eigentlich war sein Name Filippo Bruno.
Den Namen Giordano nahm er erst an, als er 1565 dem Dominikanerorden beitrat. Bruno studierte
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in der von Friedrich II. gegründeten Universität von Neapel. Schon 1566 geriet er in Konflikt mit
den offiziellen Vertretern der Kirche. Bruno lehnte die Marien- und Heiligenverehrung ab. Er
duldete keine Heiligenbilder in seiner Zelle. Wegen diesbezüglicher Äußerungen kam es zu einer
Anklage. Seinem Ordensvorgesetzten gelang es jedoch noch, die Klage niederzuschlagen. Im Jahre
1572 erhielt Giordano Bruno die Priesterweihe und er begann das Theologiestudium in Neapel.
1575 schloß er dieses Studium ab. Es folgte die Lektüre der damals verbotenen Schriften des
Erasmus von Rotterdam. In dieser Zeit geriet er in den Verdacht der Ketzerei in Fragen der
Dreifaltigkeit. Bruno tendierte zu einem unitarischen Standpunkt. Er entschloß sich zur Flucht -
zuerst nach Rom, dann weiter nach Genua und Noli in Ligurien. Seine Mitgliedschaft im
Dominikaner-Orden legte er nieder. Weitere Aufenthalte folgten in Savona, Turin, Venedig, Padua,
Brescia und Bergamo.
1578 verließ er schließlich Italien und begab sich nach Genf, das durch Calvin zu einem
protestantischen Zentrum geworden war. Dort trat Bruno zum Calvinismus über. Aber auch diese
Lehre fand nicht seine vollständige Zustimmung. Jedenfalls verfaßte und verbreitete er eine
Streitschrift gegen den Philosophieprofessor Antoine de la Faye, einem führenden Calvinisten.
Dafür mußte er kurzzeitig ins Gefängnis, bis er seine Thesen widerrief. Bruno verließ schließlich
Genf und zog 1579 nach Toulouse, wo er zunächst Privatvorlesungen abhielt. Er wurde
Ordentlicher Lektor für Philosophie an der Universität von Toulouse. Unter anderem hielt er
Vorlesungen über Aristoteles ab. Als 1581 die Konflikte zwischen Hugenotten und Katholiken
wieder heftiger wurden, mußte Bruno Toulouse verlassen. Er ging nach Paris. Zwar bekam er dort
als Glaubensabtrünniger nicht gleich eine ordentliche Lehrtätigkeit. Aber er erhielt eine Audienz
beim französischen König Heinrich III. Diesen beeindruckte er durch sein hervorragend geschultes
Gedächtnis. Eine anschließend verfaßte Schrift über die Gedächtniskunst widmete Bruno dem
König. Heinrich III. ernannte ihn daraufhin zum außerordentlichen Professor an der Universität
von Paris. Während dieser Zeit entstand neben einigen fachlichen Schriften auch eine Komödie.
1583 endete Brunos Aufenthalt. Es wird angenommen, daß Konflikte zwischen der Hofpartei des
Königs und der katholischen Liga unter der Führung des Hauses Guise Giordano Bruno
veranlaßten, nach London zu gehen. Ein Empfehlungsschreiben an den dortigen französischen
Botschafter Michel de Castelnau bewirkte, daß Bruno in dessen Haus aufgenommen wurde. Von
London aus knüpfte er Kontakte zur Universität Oxford, die aber mit einem Skandal endeten.
Anlaß waren Brunos Vorträge über den Renaissance-Philosophen Marsilio Ficino und - was
besonders wichtig ist - seine Verteidigung der kopernikanischen Lehre. Fortan betätigte sich Bruno
mehr in den gebildeten Hofkreisen, die im Gegensatz zur Universität neuen Gedanken
aufgeschlossener gegenüberstanden. In seiner Londoner Zeit entstanden sechs Werke, u.a. die
wichtige Schrift Über das Unendliche, das Universum und die Welten, auf die noch näher
eingegangen wird. Ende 1585 kehrte Bruno wieder nach Paris zurück. Hier waren es seine
Abhandlungen über die Lehren des Aristoteles, die im hohen Maße für Empörung sorgten.
Bruno reiste 1586 nach Deutschland, und zwar nach Marburg. Doch auch dort stießen seine
Ausführungen über Aristoteles auf Ablehnung, da dessen Lehren gemäß der Tradition für
unumstößlich gehalten wurden. So begab sich Bruno nach Wittenberg, wo er Vorlesungen über die
Schrift Rhetorica ad Alexandrum abhielt, die wahrscheinlich von Aristoteles stammte. Vermutlich
verfaßte Bruno auch hier einige Stellungnahmen zu Aristoteles Werken, die aber erst 1891
veröffentlicht wurden. 1588 hielt sich Bruno für kurze Zeit in Prag am Hofe Kaiser Rudolfs II. auf,
dem er eine Schrift widmete. Danach folgte ein Aufenthalt in Helmstedt, wo er vier Arbeiten über
die Magie verfaßte. Ab 1590 hielt er sich in Frankfurt auf, wo er aber bereits 1591 durch den Senat
der Stadt ausgewiesen wurde. Nach einem Besuch in Zürich kehrte er wieder nach Frankfurt
zurück, wo er ein Angebot des venezianischen Patriziers Giovanni Mocenigo erhielt, privaten
Unterricht zu erteilen. Vorher ging Bruno aber nach Padua, wo er sich wahrscheinlich um eine
Professur in Mathematik bewarb. Diese Stelle wurde jedoch an Galilei vergeben. So begab sich
Bruno also 1592 in das Haus des Venezianers Zuane Mocenigo - ein folgenschwerer Fehler, wie es

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sich bald herausstellen sollte! Bruno war inzwischen mehrfach exkommuniziert worden und hatte
sich durch seine kritische Haltung zu Glaubensdogmen, aber auch zu den Schriften Aristoteles
sowie seiner Beschäftigung mit der Lehre des Kopernikus die Feindschaft der Kirche und des
Bildungsestablishments zugezogen. Während seines fünfjährigen Aufenthaltes in Deutschland
konnte er relativ frei seine Lehren vertreten und war vor Verfolgung sicher. Offenbar fühlte sich
Bruno in Venedig ebenfalls sicher vor dem Zugriff aus Rom, denn Venedig war damals ein
unabhängiger Staat. Brunos Auftraggeber Mocenigo wollte zunächst in der Gedächtniskunst
unterrichtet werden. Aber er hielt Bruno wohl für einen großen Magier und versprach sich eine
Einweihung in dessen magische Geheimnisse. Da dieses nicht geschehen konnte, fühlte sich
Mocenigo hintergangen. Bruno plante indes, seinen alten Konflikt mit dem Vatikan beizulegen. Die
Neuauflage eine seiner Schriften wollte er zu diesem Zwecke dem neuen Papst Clemens VIII.
widmen. Als Bruno wegen dieser Arbeiten Venedig verlassen wollte, ließ Mocenigo ihn durch seine
Gefolgsleute festnehmen. Er drohte ihm, ihn bei der Inquisition wegen Häresie anzuzeigen, würde
ihn aber freilassen, falls Bruno ihm sein ganzes Wissen anvertraute. Aber Mocenigos Beichtvater,
der diese Vorgänge mitbekommen hatte, drohte Mocenigo mit der Verweigerung der Absolution,
wenn Bruno nicht der Inquisition übergeben würde. So wurde Bruno also an den venezianischen
Inquisitor Fra Gabriele Saluzzo ausgeliefert. Die Anklage wegen Ketzerei umfaßte eine lange Liste
von belastenden Äußerungen Brunos, die aus seinen Schriften, aber auch von Aussagen seiner
Mithäftlinge stammten. Es waren mehr theologische Themen als astronomische. So soll Bruno
Moses als einen großen Magier bezeichnet haben. Daß Moses mit Gott gesprochen haben soll, sei
eine reine Erfindung. Jesus sei Brunos Ansicht nach ein Zauberer und armer Wicht gewesen. An
seinen Wundern sei nichts Besonderes, da er - Bruno - in der Lage sei, größere zu vollbringen. Jesus
sündigte, als er Gott bat, den Kelch an ihm vorbeigehen zu lassen. Ferner soll Bruno die
Auferstehung Christi sowie seine Geburt durch eine Jungfrau verspottet haben. Eine Hölle würde
nicht existieren und niemand müsse sich vor ewigen Strafen fürchten. Gebete, Reliquien und
Heiligenbilder seien wirkungslos. Laut Mocenigo habe Bruno auf die Frage, an welche Religion er
sich denn halte, mit einem Zitat Ariostos geantwortet: "Ich bin ein Feind eines jeden Gesetzes und
jeden Glaubens." Vor der Inquisition widerrief Giordano Bruno vollständig seine beanstandeten
astronomischen und theologischen Thesen. Er hoffte wohl, mit einer leichten Bestrafung
davonzukommen. Aber inzwischen hatte Rom von Brunos Verhaftung erfahren. Der oberste
Inquisitor Kardinal Santaseverina forderte von Venedig die Auslieferung Brunos. Zunächst zögerte
die venezianische Regierung, gab aber dann dem Verlangen der Kurie nach. So wurde Bruno also
Anfang 1593 nach Rom überführt. Er sollte noch weitere sieben Jahre im Gefängnis verbringen. Es
herrschten entsetzliche Verhältnisse dort. Er durfte weder schreiben noch lesen. Er litt erheblich
an Unterernährung, denn damals mußten Angehörige für das Essen eines Häftlings aufkommen
und Giordano Bruno hatte niemanden. Es wurden allerlei Zeugenaussagen gegen ihn
zusammengetragen. Diese wie auch Brunos Werke wurden genauestens von dem Kardinal Robert
Bellarmin untersucht, der die Leitung des Inquisitionsverfahrens hatte. Es war derselbe Bellarmin,
der elf Jahre später das Strafverfahren gegen Galilei einleitete. Dem Papst wurde 1595 eine Liste
sämtlicher Werke Brunos vorgelegt. Zwei Jahre später mußte Bruno zu einer Liste beanstandeter
Thesen Stellung nehmen. Bis 1599 arbeitete Kardinal Bellarmin acht Anklagepunkte heraus. Zuerst
war Bruno bereit zu widerrufen. Aber dann wollte er wohl einige ihm besonders wichtige
philosophische Aussagen davon ausklammern. Papst Clemens VIII. sah jedoch davon ab, den
Widerruf mittels Folter zu erzwingen. Bruno reichte vergeblich mehrere Gesuche ein, mit dem
Papst direkt zu sprechen. Am 9. September 1599 verhandelte das Inquisitionsgericht ein letztes
Mal in seiner Angelegenheit. Es wurde ihm ein Ultimatum von 40 Tagen gestellt, um seine Thesen
zu widerrufen. Es wurde ihm mit Folter gedroht. Aber Giordano Bruno machte nun keinerlei
Anstalten mehr zu widerrufen. Vielleicht hatte er die Hoffnung aufgegeben, sich durch Widerruf zu
retten. Möglicherweise glaubte er auch, sein Märtyrertod würde die Ausbreitung seiner Ideen
fördern. Von seinen Beweggründen ist heute nichts mehr überliefert. Ein großer Teil der

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Prozeßakten des Falles Bruno ging nämlich verloren, als Napoleon ihn in Rom in seinen Besitz
brachte und nach Frankreich bringen ließ. Überliefert ist nur noch die Tatsache, daß Bruno nach
Ablauf des Ultimatums erklärte, er habe nichts zu widerrufen und er habe nichts geschrieben, das
widerrufen werden müsse. Am 20. Januar 1600 ordnete Papst Clemens VIII. seine Verurteilung als
Ketzer an und übergab ihn an die weltlichen Machthaber zur Hinrichtung. Am 8. Februar wurde
das Urteil gegen ihn verlesen: Bruno wurde als reueloser, starrköpfiger und verbissener Häretiker
bezeichnet. Seine Priesterschaft wurde ihm aberkannt und er wurde aus der Kirche ausgestoßen.
Seine Werke sollten öffentlich auf den Stufen des Petersdomes verbrannt werden und wurden auf
den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Bruno antwortete auf seine Verurteilung mit dem Satz:
"Ihr, die ihr meine Verurteilung verkündet, habt mehr Angst als ich, der sie entgegennimmt." Seine
Hinrichtung wurde noch aus unbekannten Gründen verschoben. Aber am Morgen des 17. Februars
1600 wurde er auf den Platz Campo dei Fiori gebracht. Er war ausgemergelt und körperlich
zerbrochen. Eine Gruppe Geistlicher begleitete ihn und versuchte bis zum Schluß, ihn zum
Widerruf seiner ketzerischen Ideen zu bewegen. Als er ein ihm hingehaltenes Kruzifix küssen
sollte, wendete er sich ärgerlich ab. Er sagte, er sterbe bereitwillig als Märtyrer und seine Seele
werde mit dem Feuer ins Paradies hinaufsteigen. Er wurde nackt ausgezogen, an den
Scheiterhaufen gefesselt und bei lebendigem Leibe verbrannt, während Kirchenvertreter fromme
Lieder und Litaneien sangen.
2. Giordano Brunos Gedanken
Giordano Bruno war mit seiner Methodik noch in der Tradition des mittelalterlichen
Gelehrtentums verwurzelt. Er beschäftigte sich mit Theologie, Magie, Philosophie und
Naturwissenschaften gleichermaßen. Darin unterschied er sich von Galilei, Keppler oder etwas
später Newton, die sich bereits auf die Naturwissenschaften spezialisierten. Als Mittel der
Erkenntnisfindung diente Bruno die Logik, der Disput und das Aufdecken von Widersprüchen in
bestehenden Weltbildern. Die genaue Beobachtung, das Experiment, das Messen und Wägen
natürlicher Phänomene und Größen zählte noch nicht zu seinen wissenschaftlichen
Vorgehensweisen. Sie erlangten erst ihre Bedeutung durch die Erfolge, die Galilei damit erzielte -
kurz nach Brunos Tod. Anders als seine Methodik waren jedoch seine inhaltlichen Positionen
ausgesprochen fortschrittlich und wiesen ihn zweifellos als einen Vorreiter des neuzeitlichen
Denkens aus, auch wenn es ihm noch nicht immer möglich war, seine Thesen zu beweisen.
2.1 Das Gottesbild bei Bruno
Die Vorstellungen, die Bruno von Gott hatte, wichen kraß von den Vorstellungen des Christentums
seiner Zeit ab. Für ihn gab es keinen Wesensunterschied zwischen Gott und der Welt. In seiner
Schrift Die Vertreibung der triumphierenden Bestie von 1584, die auch ein Grund zu seiner
Verurteilung durch die Inquisition war, schieb er: 'Göttlichkeit offenbart sich in allen Dingen' und
'Jedes Ding hat Göttlichkeit latent in sich'. Weiter heißt es 'Tiere und Pflanzen sind lebende Effekte
der Natur; diese Natur ... ist nichts anderes als Gott in den Dingen'. Hier wurde auf deutliche Weise
eine Gleichsetzung der Begriffe Gott und Natur vorgenommen, wie sie charakteristisch für den
Pantheismus ist. Vielleicht war Bruno noch nicht das materielle Wesen der Natur bewußt. So sah
er noch Materie und Geist als getrennte Dinge an, die aber für ihn gemeinsamer Ausdruck eines
verborgenen göttlichen Prinzips waren. Im Zeitalter Giordano Brunos hatte man ja noch keine
Kenntnisse über die Veränderungen materieller Substanzen durch chemische Vorgänge,
geschweige denn von den chemischen Bausteinen des Lebens oder dem Leben selbst. Deshalb mag
Bruno die Vorgänge in der Natur noch in einem geheimnisvollen, mystischen oder göttlichen Licht
gesehen haben. Die Tatsache, daß ihm von der Inquisition vorgeworfen wurde, er würde Beten als
wirkungslos ansehen, läßt jedoch vermuten, daß er sich längst von einem personalen Gottesbegriff
verabschiedet hatte. Ganz deutlich wird Brunos Einstellung in seinem Werk Über das
Unermeßliche, in dem es heißt: 'Er (=Gott) ist nicht der Gegenstand eines numerischen Gesetzes,
eines Gesetzes einer Messung oder einer Ordnung. Er selbst ist Gesetz, Zahl, Maß, Grenze ohne
Schranke, Ende ohne Ende, Handlung ohne Form.' Hier scheint Bruno Gott mit dem gleichzusetzen,

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was wir heute als die Naturgesetze bezeichnen würden und die Bruno damals noch nicht kennen
konnte. Dieser Pantheismus, bei dem der Begriff Gott als Synonym für die Naturgesetze verwendet
wird, hat nun aber keinerlei Abgrenzungen mehr zu einem Atheismus, bei dem die Erscheinungen
in der Natur allein aus den Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der Materie ohne Einwirken
eines übernatürlichen göttlichen Wesens abgeleitet werden. Schopenhauer bezeichnete später
solch einen Pantheismus als 'höflichen Atheismus'.
2.2 Brunos These von der Unendlichkeit des Universums
Eine weitere für die damalige Zeit provozierende These Giordano Brunos war seine Vorstellung
eines unendlichen Universums. Diese Idee übernahm er von dem römischen Dichter Lucretius. In
Brunos Schrift Über das Unendliche, das Universum und die Welten wird die Unendlichkeit des
Universums behandelt und begründet. Heute wissen wir, daß das Universum nicht unendlich ist.
Deshalb ist es interessant, Brunos Begründung zu erfahren und zu sehen, wo der Fehler steckt.
Stark verkürzt argumentiert er mit einer Definition des Begriffes Ort, die von Aristoteles stammte.
Mit dieser Definition führte Bruno einen Widerspruch im Falle einer endlichen Welt herbei. Aus
diesem Widerspruch folgerte er daher die Unendlichkeit der Welt. Jedoch sagt dieser
Gedankengang nicht wirklich etwas über das Universum aus, sondern lediglich über eine nicht
widerspruchsfreie Definition Aristoteles. Heute wird der Begriff Ort in der Geometrie anders
definiert. Ein zweites Argument von Bruno zielte auf die Vollkommenheit unserer Welt ab. Wenn
diese Welt nun endlich wäre, so könnten doch auch separat davon andere vollkommene Welten
existieren. Diese würden sogar die Vollkommenheit steigern. Am größten wäre die Vollkommenheit
aber, wenn die Welten die Unendlichkeit vollständig ausfüllen würden. Da das Universum ein
Höchstmaß an Perfektion darstellt, muß es also unendlich sein. Hiermit unterstellte Bruno zu
unrecht, daß die Natur irgendwelchen von Menschen erdachten Idealen entsprechen müsse.
Ausgehend von der Unendlichkeit des Universums leitete Bruno einige wichtige Aussagen ab. Er
schrieb weiter: Im Universum sind unzählige Globen wie der, auf dem wir leben und wachsen. ...
Einem Körper von unendlicher Größe (Anm.: wie das Universum) kann man kein Zentrum
zuordnen... Demzufolge ist weder die Erde noch irgendeine andere Welt das Zentrum. Mit dieser
Behauptung ging Bruno noch viel weiter, als der von ihm verehrte Kopernikus. Im Planetensystem
des Kopernikus tritt lediglich die Sonne an Stelle der Erde in das Zentrum. Alle Sterne befanden
sich weiterhin auf einer das Planetensystem umgebenden Kugelschale. Bei Bruno war nun unsere
Sonne einer der vielen tausend Sterne, die man nachts mit bloßem Auge sehen konnte. Viele
würden Planeten haben. Die Bedeutung der Erde verringerte sich nach kosmologischen Maßstäben
zur Bedeutungslosigkeit - ein eklatanter Widerspruch zur christlichen Lehre, nach der die
Menschheit die Krone der Schöpfung darstellte.
Später stellten sich Brunos Aussagen von dem unendliche Universum als falsch heraus. Der erste,
der überhaupt eine stichhaltige Aussage über die Endlichkeit des Universums machen konnte, war
Isaac Newton einige Jahrzehnte später. Newton hatte inzwischen mit dem Gravitationsgesetz eine
mathematische Beschreibung der Anziehungskräfte zwischen Massen gefunden. Er konnte damit
die Aussage belegen, daß das Universum entweder unendlich sein müsse oder aber nicht statisch
sein könne. Er argumentierte, in einem unendlichen Universum ist jeder Massepunkt in jeder
Richtung von unendlich vielen Massen umgeben. Ihre Anziehungskräfte wirken aus jeder Richtung
gleichermaßen auf den Massenpunkt, so daß dieser sich im Ruhezustand befinden kann. In einem
endlichen Universum hingegen gibt es ein Massezentrum. Die Kräfte, die vom Zentrum aus auf
einen Massepunkt wirken, sind größer als die vom Rande des Universums. Der Massepunkt würde
also ins Zentrum stürzen, es sei denn, die Massen würden rotieren oder durch eine Explosion
auseinandergetrieben. Jedenfalls könne ein endliches Universum nicht statisch sein. Den nächsten
Schritt zur Klärung dieser Frage war das Olbers-Paradoxon, benannt nach dem Bremer
Astronomen Olbers. Der rechnete aus, daß es in einem unendlichen Universum auch nachts taghell
sein müsse, weil die Anzahl der Sterne mit der Entfernung schneller anwächst, als die Helligkeit
abnimmt. Da es nachts aber dunkel wird, muß das Universum folglich endlich sein. Zusammen mit

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Newtons Aussage ergab sich also ein endliches Universum, das entweder explodierte, kollabierte
oder rotierte. 1916 verfaßte Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie. Zu seiner Bestürzung
wollte sich aus seinen Gleichungen kein statisches Universum ergeben. Er mogelte eine Größe, die
als kosmologisches Glied bekannt wurde, in die Gleichungen ein, um die Statik herbeizuführen. Er
hoffte, später noch eine Erklärung dafür zu finden. 1929 entdeckte Hubble, daß entfernte Galaxien
eine Rotverschiebung des Lichtspektrums aufwiesen, die eine Folge ihrer Fluchtgeschwindigkeit
war. Die Geschwindigkeiten nahmen mit der Entfernung der Galaxien zu, wie man es von einem
explodierenden Weltall erwarten würde. Einstein ließ das kosmologische Glied wieder
verschwinden und nachfolgende Physiker vervollständigten diese Entdeckungen zur sogenannten
Urknalltheorie, nach der das Universum aus einer Explosion heraus entstanden ist und seit dem
expandiert. Diese Theorie hat sich bis heute als konsistent mit zahlreichen Beobachtungen wie der
Hintergrundstrahlung oder der Verteilung der Elemente im Universum erwiesen. Wenn sie auch
noch einige Lücken insbesondere über die ersten Bruchteile einer Sekunde nach dem Urknalls
aufweist, so gleicht der Stand der Forschung doch heute einem Puzzle, bei dem nur noch wenige
Teile fehlen, das Gesamtbild aber bereits deutlich hervortritt.
Mehr Glück hatte Giordano Bruno mit seiner Aussage, daß die Sterne Sonnen wie unsere sind und
daß diese oftmals Planeten wie unsere Erde haben. Zwar war diese Behauptung zu Brunos Zeiten
überaus kühn. Aber seit wenigen Jahren ist man nun in der Lage, mittels sehr empfindlicher
Meßmethoden die Existenz von Planeten anhand kleiner Pendelbewegungen ihrer Sonnen
nachzuweisen. Bereits neun Sterne wurden entdeckt, um die Planeten oder Protoplaneten kreisen -
zuletzt der Stern Rho Coronae Borealis im Sternbild Krone.
3. Schluß
Giordano Brunos Bedeutung liegt weniger darin, daß er endgültige Wahrheiten geliefert hat. Seine
Möglichkeiten, Aussagen zu verifizieren, waren noch sehr begrenzt. Sein Verdienst war es
vielmehr, daß er selbstverständlich gewordene Vorstellungen und philosophische Autoritäten in
Frage stellte. Damit trug er entscheidend dazu bei, eine Epoche von 2000 Jahren zu überwinden, in
der so gut wie keine naturwissenschaftlichen Fortschritte erzielt wurden. Bis zur Zeit Brunos
begnügte man sich, die Werke von Aristoteles und die Aussagen der Bibel zu zitieren, ohne Fehler,
Widersprüche und offene Fragen aufzuarbeiten. Leute wie Bruno wurden durch ihre
undogmatische Sicht zu Vordenkern der Neuzeit. Bis zum auslaufenden 16. Jahrhundert haben sich
Astronomie, Philosophie und Theologie um gemeinsame Themen gekümmert. Seit Bruno trennten
sich die Wege jedoch. Die Religion beharrte weiterhin trotz neuer Erkenntnisse auf ihren Dogmen,
so daß noch heute Theologen wegen Auffassungen ihre Lehrerlaubnis verlieren, die bereits von
Bruno vertreten wurden. Deutliches Zeichen dieser starren Haltung ist die späte Karriere, die dem
Inquisitor Robert Bellarmin zuteil wurde. Bellarmin war ja für die Hinrichtung Brunos
verantwortlich. Auch eröffnete er noch das Verfahren gegen Galilei. Dieser Inquisitor wurde noch
im Jahre 1930 vom Vatikan heiliggesprochen! Die Nachfolger Brunos hingegen lösten sich von der
Metaphysik. Sie machten eine stürmische Entwicklung durch, während der die Entschlüsselung
der Himmelsmechanik, der Struktur der Materie, der Entstehung des Universums, der Galaxien,
Sterne und Planeten, der Bausteinen des Lebens und mit der Evolutionstheorie der Entwicklung
des Lebens und der Artenvielfalt weit vorangetrieben wurde. So vollzog sich allmählich ein Wandel
im Denken der Menschen, den der Physiker Harald Fritzsch so beschrieb: "Er (der Mensch)
erkennt, daß er sich nicht im Mittelpunkt des Alls befindet, sondern am Rande einer recht
unauffälligen Galaxie. Noch hat er keinen Kontakt zu anderen Bewohnern des Alls in anderen
Sternensystemen, aber er ahnt, daß er nicht allein ist. Auch hat der Mensch erkannt, daß er das
Produkt eines zwar komplizierten, aber rational erfaßbaren Entwicklungsprozesses ist, geprägt
durch den Lauf der Geschichte und durch das Wechselspiel zwischen Zufall und Notwendigkeit. Er
versteht, daß er in Zukunft ohne Götter leben muß und daß er für sein Schicksal selbst
verantwortlich ist. Er beginnt zu ahnen, daß das Weltall für seine Fragen nach dem Sinn des
Lebens keine Antwort bereithält, sondern daß er sich diese Antwort selbst geben muß."

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Giordano Bruno - ein anstößiger Denker


Tod auf dem Scheiterhaufen vor
vierhundert Jahren
Lange Zeit nahm Giordano Bruno neben seinem berühmten Zeitgenossen Galilei Galileo
eine eher randständige Bedeutung ein. Sein wissenschaftlich-philosophischer Rang und die
Wirkung seines umfangreichen Werkes waren von seinen Lebzeiten bis weit in die Moderne
umstritten.
Kein Zweifel, Bruno war ein unbequemer Philosoph und ist in seinem ereignisreichen Leben
immer wieder in das Ränkespiel verfeindeter Lager geraten.Sicherlich haben seine
Unnachgiebigkeit in philosophischen Fragen und seine nonkonformistische Haltung, etwa
sein vehementer Antiklerikalismus und seine antischolastische Position, die auch vor der
Lehre des Aristoteles nicht haltmachte, ihm nicht gerade große Beliebtheit eingetragen.

Brunos Lebenslauf
Geboren wurde Philippo Bruno - erst später im Kloster nahm er den Namen Giordano an -
1548 in Nola. Hier ist er auch aufgewachsen. Allerdings soll seine Kindheit nicht allzu
glücklich gewesen sein. Mit siebzehn Jahren trat er in Neapel in den Dominikanerorden ein,
erhielt 1572 die Priesterweihe und studierte Theologie. Dann geriet er in Konflikt mit der
Klosterleitung, der sich vor allem an seiner Ablehnung christlicher Heiligen- und
Marienverehrung entzündete. Als er der Ketzerei angeklagt wurde, verließ er den Orden und
nahm eine philosophische Wanderexistenz auf, die ihn durch eine Vielzahl von Stationen in
ganz Europa führte. Aus der nicht geplanten Flucht wurde, "ein konstruktiver Lebensweg,
auf dem sein philosophisches Werk Gestalt annehmen konnte", schreibt Wolfgang Wildgen
in" Das kosmische Gedächtnis. Kosmologie, Semiotik und Gedächtnistheorie im Werke
Giordano Brunos".
Bruno reiste durch Italien und Frankreich nach Genf, das er 1579, nachdem er sich kurz
zuvor immatrikuliert hatte, im Streit mit den Calvinisten verließ. In Toulouse hatte er 1579
kurzfristig einen Lehrstuhl für Philosophie inne. 1581 machte er sich in Paris einen Namen,
fuhr bald darauf nach England, wo er sich mit den anglikanischen Theologen in Oxford
überwarf. Einen literarischen Niederschlag fand diese Zeit in seiner in London
veröffentlichten Schrift "Das Aschermittwochsmahl" ("La cena de le ceneri"), in der der
unbequeme Philosoph schonungslose Polemik gegen den Oxforder Gelehrtenstand übte und
das Londoner Geistesleben heftig karikierte. Später gelangte er über Wittenberg nach Prag,
1589 an die Universität Helmstedt und dann nach Frankfurt. In Helmstedt wurde er nach
kurzer Zeit von Pastor Boethius aus der lutheranischen Gemeinde ausgeschlossen. Wie man
sieht: überall war der Nolaner nach kurzer Zeit persona non grata. Meistens wurde er nur
geduldet und hatte nicht die Chance, in den jeweiligen Lehrkörper integriert zu werden.
Aber an einigen Orten konnte er einige seiner Schriften publizieren, die ihre Wirkung nicht
verfehlten.
1591 erreichte ihn eine Einladung nach Venedig, die tragische Folgen haben sollte. Denn in
der Lagunenstadt fiel er der Denunziation seines dortigen Gastgebers Giovanni Mocenigo
zum Opfer. Giovanni Mocenigo, hat ihn aus Enttäuschung darüber, dass Bruno nicht wie
erwartet die Geheimnisse der praktischen Magie lehrte, angezeigt. Endlich hatte der

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Philosoph einen Mäzen und Bewunderer gefunden, und nun konnte er dem Ruf nicht
entsprechen, der ihm vorausgeeilt war.
Er wurde eingekerkert, nach Rom überstellt und schließlich, weil er sich weigerte, seine
Lehren zu widerrufen, zum Tod auf den Scheiterhaufen verurteilt. Am 17.Februar 1600
wurde das Urteil öffentlich vollstreckt. Ehe Giordano Bruno erstickte, reichte man ihm an
einem langen Stab das Kreuz, aber statt dies Zeichen zu küssen, drehte er sein Gesicht mit
letzter Anstrengung in die entgegengesetzte Richtung. Atheist ist Bruno indessen nie
gewesen.
Zwei Tage später war in der Römischen Zeitung"Avisi di Roma" zu lesen: "Der
abscheuliche Dominikanerbruder von Nola, über den wir schon früher berichtet haben,
wurde am Donnerstag Morgen auf dem Campio dei Fiori bei lebendigem Leibe verbrannt.
Er war ein ungemein halsstarriger Ketzer, der aus seiner eigenen Eingebung verschiedene
Dogmen gegen unseren Glauben fabrizierte, besonders aber gegen die Heilige Jungfrau und
andere Heilige. Der Elende war so hartnäckig, dass er gewillt war, dafür zu sterben." Ganz
anders fiel dreihundert Jahre später das Urteil von Bertolt Brecht über Bruno im "Mantel des
Ketzers"(1939)aus:"Giordano Bruno, der Mann aus Nola, den die römischen
Inquisitionsbehörden im Jahre 1600 auf dem Scheiterhaufen wegen Ketzerei verbrennen
ließen, gilt allgemein als großer Mann, nicht nur wegen seiner kühnen und seitdem als wahr
erwiesenen Hypothesen über die Bewegungen der Gestirne, sondern auch wegen seiner
mutigen Haltung gegenüber der Inquisition, der er sagte:'Ihr verkündet das Urteil gegen
mich mit vielleicht viel größerer Furcht, als ich es entgegennehme.'"

Die Kirche hat sich mit Bruno noch nicht


ausgesöhnt
Von 1603 bis 1965 standen Brunos Schriften auf dem Index librorum, der Liste
kirchlicherseits verbotener Bücher. Das mutet einigermassen paradox an, da Bruno alle
seine 1603 auf den Index gesetzten Schriften erst nach Verlassen des Ordens verfasst hatte
und das nicht als Theologe, sondern als Philosoph.
Der erste Konflikt mit den Glaubensinstitutionen war durch Brunos Interesse für die
erasmischen Kommentare der Kirchenväter und seine Verachtung der gefühlsbetonten
Marienverehrung entstanden. Hinzu kamen seine Zweifel am Dogma der Trinität sowie
seine angespannte Beziehung zur christlichen Offenbarungsreligion insgesamt. Einige
Autoren glauben sogar, dass Bruno das Christentum für eine bloße Perversion ägyptischer
Kulte gehalten habe. Aber auch Brunos und Antiaristotelismus, der vor dem großen Thomas
von Aquin nicht Halt machte, und sein Copernicanismus erregten Ärgernis.
Auch seine spätere Beschäftigung mit der Gedächtniskunst und den Lehren des Lullus
erregte den Argwohn der Kirche. War doch der Lullismus in ihren Augen eine sektiererische
Strömung. In gewisser Weise war der Lullismus des Giordano Bruno, nach Ansicht von
Wildgen, "noch anrüchiger als sein Copernicanismus, denn die Werke des Copernicus
standen noch nicht auf dem Index, und es hatte keine Verurteilung stattgefunden" (S.83).
Dagegen war Lullus bei der Gegenreformation, weil er Christliches mit islamischer und
jüdischer Weisheit in Verbindung gebracht hatte und sein Werk zur Alchimie und Magie
missbraucht wurde, in Misskredit geraten.
Sein Tod auf dem Scheiterhaufen sollte ein Schreckenszeichen für die Gegner Romas sein.
Er selbst wurde im 19.Jahrhundert zum Symbol der laizistischen Bewegung, durch deren
Initiative am 9.Juni 1889 ein Monument für Giordano Bruno auf dem Campo de Fiori, wo er
im Jahr 1600 verbrannt worden war, eingeweiht werden konnte. Diesem Festakt waren
jahrelange Kämpfe vorausgegangen. Studentenproteste, die die Absetzung des

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papstfreundlichen Bürgermeisters forderten, und der Druck eines internationalen


Ehrenkomitees waren dafür nötig gewesen, dem Victor Hugo, Ernest Renan, Herbert
Spencer, Ernst Haeckel, Georg Ibsen und Ferdinand Gregorovius angehörten. Der Vatikan
versuchte vergeblich, das Denkmal beseitigen zu lassen, und sprach, als ihm dies nicht
gelang, einen der Unterzeichner des Todesurteils von Bruno, Kardinal Bellarmin, heilig.
Nicht wenige sahen darin nur eine hilflose Trotzreaktion des Vatikans. Der damalige Papst
Leo XIII. hatte selbst anlässlich der Enthüllung des Brunostandbildes auf dem römischen
Campo dei fiori ein Sendschreiben an die gläubige Welt 1889 gerichtet mit folgenden
Worten :""Er(Bruno)hat weder irgendwelche Verdienste um die Förderung des öffentlichen
Lebens erworben. Seine Handlungsweise war unaufrichtig, verlogen und vollkommen
selbstsüchtig, intolerant gegen jede gegenteilige Meinung, ausgesprochen bösartig und voll
von einer die Wahrheit verzerrenden Lobhudelei."
Auch heute noch tut sich die Katholische Kirche mit dem anstößigen Philosophen schwer,
und es ist fraglich, ob die Kurie, Bruno an seinem vierhundertsten Todestag genauso
rehabilitiert wie kurzem Galilei. Offensichtlich sieht die Katholische Kirche in Giordano
Bruno immer noch einen Häretiker.

Brunos Philosophie
"Bis in unser Jahrhundert", schreibt Anne Eusterschulte in ihrer kleinen Studie "Giordano
Bruno zur Einführung", "sind die Einschätzungen des Brunoschen Werkes durch eine
außerordentliche Ambivalenz gekennzeichnet. Von den einen wird er gefeiert als
Wegbereiter neuzeitlicher Philosophie im Ausgang von der mittelalterlichen Scholastik und
als wichtiger Vertreter einer Emanzipationsbewegung in den Naturwissenschaften, die von
Kopernikus und Galilei zu Kepler führt. Von den anderen wird er als Anhänger eines
magisch verbrämten, unsystematisch-spekulativen Obskurantismus verworfen"(S.12/13).
Für viele steht Bruno für eine halbes Jahrhundert europäischer Geistesgeschichte, für das
Ende einer großen Epoche der Renaissance, und den Beginn einer neuen Ära, der Moderne.
Wofür aber steht er in Wirklichkeit, welche Zeichen hat er gesetzt?
Bruno, der angetreten war, um "das Denken aus dem Kerker eines verschulten blinden
Aristotelismus" zu befreien, und Aristoteles und seinen zeitgenössischen Anhängern
vorwarf, die Existenz der Vielheit negiert zu haben, nahm den Himmel als Maß der Dinge.
Er transzendierte die Zeit und sah die Welt sub specie aeternitatis, unter dem Gesichtspunkt
der Ewigkeit.
Bruno berief sich wohl auf Kopernikus, der die Ablösung des bis dahin gültigen
geozentrischen Systems des Ptolemäus eingeleitet und damit die bis dahin ausgezeichnete
Stellung des Menschen innerhalb der Schöpfung in Frage gestellt hatte, doch ging er über
seine Theorie der Erdbewegung hinaus und vertrat die These einer Selbstbewegung jedes
einzelnen Himmelskörpers innerhalb eines als unbegrenzt wahrzunehmenden Weltraums, in
dem es keinen absoluten Mittelpunkt, keine sphärische Seinsordnung, keinen äußeren Rand
oder Beweger gibt.
Sein Hauptthema war die Unendlichkeit des Universums, die unendliche körperliche
Substanz im unendlichen Raum, die lebendige kosmische Einheit, die sich, so Bruno, in der
Vielfalt im permanenten Umschlag des Entgegengesetzten, in der Wechselwirkung des
Verschiedenen erhält. Das Weltall war für Bruno nicht nur unbegrenzt und unendlich,
sondern auch erfüllt von unzähligen Welten, die womöglich ebenso bewohnt und belebt
seine wie die Erde. Zudem hatte er die Vorstellung, dass alle Körper beseelt seien und sich
in einer lebendigen Wechselwirkung im Universum befänden.
Bruno, der die Probleme des Erkennens der Frage nach dem Menschen und seinem Selbst-
und Weltbezug unterordnet, denkt nicht anthropozentrisch, für ihn sind alle lebendigen
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Wesen verschiedene Phänomene der einen universalen Existenz, zwischen den Pflanzen,
Tieren und dem Menschen besteht nur ein gradueller, kein qualitativer Unterschied, weil alle
ihren Ursprung aus derselben metaphysischen Wurzel haben. Für Bruno gab es weder
unbeseelte Materie noch Dualismus von Seele und Körper, Geist und Materie oder Instinkt
und Vernunft, denn derselbe Geist prägt alle und alles.Alle Kreaturen haben eine Intelligenz,
die ihren Bedingungen entspricht. "Die Natur ahmt die Wirksamkeit der Gottheit auf
bewundernswürdige Weise nach, und das menschliche Ingenium wetteifert wiederum mit
der Natur." Die Intelligenz begriff Bruno als eine göttliche Kraft, die allen Dingen als
Erkenntnisfähigkeit innewohnt, durch welche alle Lesewesen wahrnehmen, fühlen und in
irgendeiner Weise erkennen. Brunos Philosophie ist von vielen Interpreten sicher nicht zu
Unrecht als Pantheismus oder Hylozoismus klassifiziert worden.
Bruno sieht die Welt nicht nur als ein lebendiges Ganzes, sondern auch als ein Ganzes in
kontinuierlicher und ewiger Bewegung. Für ihn existierten keine Grenzen zwischen Objekt
und Subjekt, zwischen Mensch und Welt. Damit nahm er Martin Heidegger vorweg, für den
der Mensch bekanntlich nichts anderes war als ein "In-der-Welt-Sein", das heißt, "Das In-
Der-Welt-Sein" war den Philosophen des Seins nichts anderes als die Definition des
Menschen. Dieser Gedanke wurde von Bruno vorgeprägt. Er expliziert ihn freilich nicht
nach mit Hilfe von Begriffen, sondern von Bildern, mit denen er auszudrücken versuchte,
was andere Philosophen später mit Begriffen dingfest zu machen glaubten. Bruno war ein
Poet, ein Künstler, so Wildgen, "der mit Begriffen malt".
Doch wusste er auch, dass eine angemessene Erkenntnis des über die natürlichen Dinge
hinausgehenden unendlichen göttlichen Wirkens uns verwehrt ist, so dass wir"bestenfalls
auf die Spur der Erkenntnis des ersten Prinzips und der ersten Ursache kommen können."
Denn all unser Wissen ist Unwissen. Die Wahrheit an sich bleibt der menschlichen
Erkenntnis verschlossen. Der Status des Naturphilosophen oder Physikers markiert die
Grenze dessen, was der Mensch als begründbares Wissen erreichen kann. Obgleich Bruno
den Blick in die metaphysischen Abgründe der Welt und unserer Existenz richtete und den
Weg, der von der empirischen Realität zur Idee führt, durchlief, wurde er nicht müde, zu
wiederholen, dass die Sinne trügerisch seien, weil sie entweder die wahre Natur der Dinge
verbergen oder sie unter einer falschen Erscheinung präsentieren.
Während Bruno in seinem Werk "Über das Unendliche, das Universum und die Welten"
("De l'infinito, universo e mondi") die Aufgehobenheit jedes individuellen Lebens in der
Prozessualität der ewigen Natur betont und deutlich macht, dass der von unendlichem Leben
erfüllte Raum gewissermaßen eine ethische Norm verkörpert, nämlich die Akzeptanz aller
auf anderen Kontinenten oder auf anderen Welten möglichen Kulturen, Lebensweisen und
die Achtung aller Arten des Lebendigen", kommen in seiner Schrift "Die Vertreibung der
triumphierenden Bestie" ("Spaccio de la bestia trionfante")seine gesellschaftlichen Ideale
klar zum Ausdruck: Förderung des Wohls des einzelnen wie des Gemeinwohls, die Sorge
um das Vaterland und die Menschheit, zwischenmenschliche Großherzigkeit und mildtätige
Gerechtigkeit bis hin zur indirekten Forderung nach sozialem und kulturellem Engagement.
Im Grunde hat er schon auf Kants 1791 gestellte Frage: was heißt, sich im Denken
orientieren?, eine Antwort gegeben. Man muss die Welt befragen, wenn man wissen will,
wie sich der Mensch verhält, und wenn man wissen will, wie die Welt sich verhält, so muss
in das eigene Innere schauen, die Gesetze, die im Universum herrschen, herrschen auch im
Menschen.
Im Rückgriff auf Cusanus bedient er sich des Gedankens der coincidentia oppositorum, des
Zusammenfallens der Gegensätze im Unendlichen, so dass Gott überall anwesend ist. Bruno
sieht überall fließendes Leben. Da es keine Grenzen gibt, schließen auch Gut und Böse nicht
einander aus, sondern kommen beide zugleich vor. Weise aber ist der, der mit den
Gegensätzen in der rechten Weise umzugehen weiß und sich nicht an ihnen stößt. Bruno,

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der ein aristokratisches Konzept von Kultur vor Augen hatte, hielt nur den Gebildeten für
fähig, sich der Gegensätze bewusst zu sein und mit ihnen fertig werden.
In der Studie "Die Kabbala des Pegasus mit der Zugabe des Kyllinischen Esels"(Cabala del
cavallo pegaseo/L'asino cillenico) wiederum ist die Dummheit das eigentliche Thema.
Bruno ironisiert die heilige Unwissenheit, für die wahre Gottgefälligkeit allein in heiliger
Dummheit und Unwissenheit liegt, und äußert unverhohlenen Spott über die christliche
Prädestinations- und Gnadenlehre wie über die klerikale Knechtung der vernunftbegabten
Seelen gemäß dem Verdikt, Gottergebenheit zeige sich im Verzicht auf den
Vernunftgebrauch. Zugleich wird hier unüberhörbar die Selbstgefälligkeit des kirchlichen
Gelehrtenstandes und einer in gelehriger Schafsköpfigkeit gehaltenen Herde scharf
verurteilt. Bruno kritisiert die Vertreter einer Glaubensmacht, sofern sie vorgeben, im Besitz
des wahren Wissens zu sein und ergeht sich in polemischen Tiraden gegen geistige
Entmündigungspraktiken.

Brunos Gottesverständnis
Für Bruno war Gott "keine Intelligenz außerhalb der Welt, die diese im Kreise dreht und
leitet. Würdiger muss es für ihn sein, das innere Prinzip der Bewegung zu bilden, eine Natur
aus sich, von eigener Art, eine Seele für sich, an der alles teil,hat, soviel in seinem Schloss
und Leibe lebt."
Goethe schrieb später:
"Was wäre ein Gott, der nur von außen stieße
im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemts, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So dass was in Ihm lebt und webt und ist
Nie seine Kraft, nie seinen Geist vermisst."
Er war davon überzeugt, dass die Allmacht Gottes aktiv ist und ihr deshalb ein unendliches
Wirkungsobjekt entspricht.
Bei Bruno ist das übernatürliche Wesen der Gottheit, das in seiner Philosophie durchaus
eine systematische Begründungsfunktion hat, nicht im christlichen Sinne eines
extraterristischen Schöpfergottes zu verstehen. Die Lehre eines unendlichen Universums
lässt keinen solchen göttlichen Außenstandpunkt zu. Wenn die Welt ewig und unendlich ist,
welchen Sinn hat dann der Mythos von einem persönlichen Gott, der die Welt aus dem
Nichts geschaffen hat. Welterkenntnis führt zur Selbsterkentnis mit dem Ziel der
Gotteserkenntnis.
Seine Religionskritik steht zwar dem Kult kritisch gegenüber, lehnt diesen aber nicht in
Bausch und Bogen ab.Verehrung des Transzendenten ist für ihn eine Grundform
menschlichen Denkens, die sich für diesen Zweck Götterbilder sucht, weil der Mensch nicht
umhin kann, in den Naturdingen und in allen Menschen die Wirkung des Transzendenten,
des Gottes zu suchen. Hier kommt er Kant ganz nahe.

Worin liegt die Wirkung von Giordano


Bruno?
Brunos Spuren sind im Atomismus des Wittenberger Arztes Daniel Sennert ebenso
nachzuweisen wie im Naturverständnis von Spinoza oder im Monadenbegriff von Leibniz.
Immerhin hat Bruno als erster in der modernen Philosophie das Wort Monade gebraucht als

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unteilbare Einheit, als das konstituierende Element aller Dinge. Die einen halten ihn für
einen Magier, andere für einen Kosmologen, Schriftsteller, Utopisten oder genialen
Theoretiker. Von manchen Autoren, vor allem von jenen, die der Esoterik und der New-
Age-Bewegung nahestehen, wird Bruno gerade wegen seiner Nähe zu östlichen Weisheiten
und Seelenwanderungslehren sehr geschätzt. Um so dringlicher ist die unvoreingenommene
und systematische Erschließung seiner Schriften. Aber es ist schwierig, Brunos Wirkung
präzise zu erfassen. Daher hat es wohl auch nie Brunianer gegeben wie es etwa Galileianer,
Cartesianer oder Leibnizianer gegeben hat.
Bruno hat in der Tat vieles vorweggenommen, auch auf dem Feld der Wissenschaft, daher
verstanden ihn seine Zeitgenossen nicht. Galilei übernahm viele Ideen von Bruno, ohne ihn
nennen, vielleicht aus Vorsicht, denn es wäre nicht klug gewesen, erwähnte er den Namen
des Philosophen nicht, der von der Inquisition zum Scheiterhaufen verurteilt worden war.
Über Wirkung und Rezeption der Werke Brunos vom 16.bis zum beginnenden
19.Jahrhundert gibt es wenig zuverlässige Zeugnisse, kaum explizite Bezugnahmen, eine
offene Auseinandersetzung mit seinen Schriften und eine Berufung auf den Nolaner war mit
dem Risiko verbunden, als Sympathisant eines Irrlehrers in Verruf zu geraten. Brunos
Einflüsse liegen wohl eher im Verborgenen, etwa bei Spinoza oder Leibniz. Anstoß für ein
neuerliches Interesse an der Philosophie Brunos war eine Schrift F.H.Jacobis,in der Brunos
Philosophie als pantheistische Lehre und Grundlage der Schriften Spinozas betrachtet wird.
Hegel sah in Brunos Einheitsbewusstsein etwas Bacchantisches, das dann aber, unfähig zum
systematischen Gebären, in mystische Schwärmerei umgeschlagen sei.
Auch Schelling und Goethe haben sich mit Brunos Werk beschäftigt. Beide faszinierte
besonders der Gedanke der Weltseele, das Hervorgehen des Vielen aus dem Einen, die
Verschränkung innerer und äußerer Ursachen, das Prinzip der coincidentia oppositorum, die
Doppelbewegung von entwickelndem Herniedersteigen und erkennendem Aufsteigen,
kurzum das Themenfeld des Neuplatonismus, das die Goethezeit mitbestimmt hat.
Man hat ihm viele Attribute verliehen: Zunächst sah man in ihm den Vertreter eines neuen
Eklektizismus und Gegner des Christentums, dann verschiebt sich sein Bild vom Häretiker,
Lullisten, Dissidenten und Pantheisten zum Dialektiker des "Ineinfalls" der Gegensätze.
Zumeist fristete der Denker sein Dasein zwischen diffusem Okkultismus und
Antiklerikalismus, als Geheimtip unter den Kennern, als Märtyrer der Geistesfreiheit und
Opfer der Intoleranz, als fahrenden Ritter der Gedankenfreiheit. Cassirer sah in ihm den
Zeugen eines neuen Weltgefühls, Blumenberg interpretierte seine Philosophie als Beginn
der Neuzeit.
Eine entscheidende Wende bescherte, laut Blum, die englische Privatgelehrte Frances
A.Yates der Bruno-Forschung. Sie kam nämlich zu dem Schluss, dass Hermetismus und
Magie die wesentlichsten Elemente des Brunoschen Denkens gewesen seien. Durch ihren
Theoriensynkretismus habe Yates, meint Blum, alle Spielarten von Renaissance-
Okkultismus hoffähig gemacht und jene philosophischen Probleme wieder entdeckt, auf die
Philosophen wie Bruno zu antworten versuchten.

Brunos Rezeption während der letzten


Jahre
Wie aber ist es gegenwärtig mit der Rezeption seiner Bücher und Lehren bestellt. Wir
wollen einen kurzen Blick auf einige Bruno-Bücher werfen, die in den letzten Jahren
erschienen sind.

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• JOCHEN KIRCHHOFF: Giordano Bruno in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.


149 S. Rowohlt, Reinbek 1980; ISBN 3-499- 50285-2, DM 9,80
Kirchhoffs Bruno Monographie dürfte die erste in deutscher Sprache abgefasste
Einführung in Leben und Werk des italienischen Philosophen gewesen sein. Sie
erschien erstmals 1980 und wird auch immer wieder von neuem aufgelegt. Nicht von
ungefähr, denn sie ist auch heute noch gut lesbar, aktuell und durchaus ernst zu
nehmen - mit einer Ausnahme. Der Verfasser nimmt nämlich Brunos Philosophie in
Anspruch, um gegen den angeblichen Machtwillen der modernen mathematischen
Naturwissenschaft zu polemisieren. Bruno war sicherlich nicht der Wegbereiter eines
säkularisierten und verwissenschaftlichen Weltbildes. Vielmehr war er voller
Misstrauen gegenüber den zu seinen Lebzeiten erstarkenden Idealen experimenteller
Empirie und mathematischer Abstraktion, weil diese sich dem für ihn so zentralen
mystischen Einheitsgedanken nicht vereinbar waren. Aber ob man deshalb so weit
gehen kann, wie Kirchhoff es nahelegt, in Brunos naturwissenschaftlichem Ansatz
und kosmischer Metaphysik die einzig mögliche Alternative zur modernen
physikalischen Forschung zu sehen, das dünkt dann doch recht zweifelhaft.
Gerade im Fall des italienischen Philosophen Giordano Bruno sind die historischen
Quellen recht spärlich, dagegen sind die Interpretationen seiner Werke vielfältig,
widersprüchlich und manchmal auch etwas einseitig. Viele Autoren haben es daher
vorgezogen, sich in erster Linie mit Brunos abenteuerlichen Leben und seinem
spektakulären Ende zu befassen. Sie haben die biographischen Spuren seines Weges
von Nola bei Neapel bis zum Scheiterhaufen in Rom verfolgt und sich um die
Entschlüsselung seines Seelenlebens bemüht, oft unter Einbeziehung einer Lehren
und Ansichten gestellt.

• EUGEN DREWERMANN:Giordano Bruno oder Der Spiegel des Unendlichen.415


S.Kösel,München 1992; ISBN 3-466-20363-5, DM 44,-
Recht eindrucksvoll ist Brunos Porträt bei dem Paderborner Theologen Eugen
Drewermann ausgefallen - trotz einiger historischer Unstimmigkeiten. Allerdings
erfährt man dabei fast mehr von der Seelenlage des Autors als über den Dargestellten
selbst.Immerhin sind die Parallelen offenkundig: beide gelten als Ketzer. Nur wurde
Bruno 1600 verbrannt, während Drewermann, zwar amtsenthoben, seine Thesen
weiter vertreten kann. Wortgewaltig formuliert er sie in einer fiktiven Denkschrift
seines Helden - poetisch, blumenreich, wenn es um eigene Ansichten geht, schroff
und zugespitzt, wenn er von den Amtsträgern der Kirche spricht. Vor allem mit "den
gottverdammten, scheinheiligen und blutgierigen Dominikanern" (S.15) lässt
Drewermann seinen Bruno scharf ins Gericht gehen. Die Lehre der Kirche nennt
dieser "einen schrumpeligen Beutel veralteter Vorurteile.. einen schlaffen Sack mit
toten Hoden"(S.43). Dann wieder ergeht sich Bruno-Drewermann in lyrischen
Betrachtungen über die Liebe von Mann und Frau und hält Zwiesprache mit einer
fiktiven Diana.

• ANACLETO VERRECCHIA: Giordano Bruno, Nachtfalter des Geistes.


424 S. Böhlau, Köln 1999; ISBN 3-205-98881-7, DM 68,-
Schwungvoll und beredt,mit viel Anteilnahme für das tragische Schicksal seines
Helden verfolgt der italienische Kulturkritiker Verrecchia die Lebensspuren von
Giordano Bruno. Wie Drewermann spart er nicht mit markigen Sprüchen und
heftigen Attacken gegen die katholische Kirche. "Das Christentum", so schreibt er,
"war mit dem Schrei nach Erlösung angetreten und hatte sich in Italien und im
übrigen Europa in eine Teufelei verwandelt"(S.45) Obwohl im Mittelpunkt Brunos
"stürmische Durchquerung Europas"steht, wirft der Verfasser zwischendurch immer

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wieder einen Blick auf dessen Bücher und Gedankenwelt und vermittelt so eine
gerade für Laien informative Vorstellung von den Lehren und Thesen jenes Mannes,
der ihretwegen sogar den Tod auf dem Scheiterhaufen in Kauf nahm. Zugleich
zeichnet Verrecchia ein anschauliches Sittengemälde von Brunos Epoche.

• HANS ULBRICH/MICHAEL WOLFRAM: Giordano Bruno. Dominikaner, Ketzer,


Gelehrter. 226 S. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 1884; ISBN 3-8479-
901-0 DM 39,80
Der Lebensweg von Giordano Bruno wird in diesem Buch, beginnend mit dem
Abschied Brunos von seinen Eltern und seiner Heimatstadt Nola im Sommer 1561
über seine Odyssee bis hin zu seinem qualvollen Ende, in einem einfachen Stil,in
einem fast kindlichen Ton erzählt, so dass man zunächst glaubt, man habe es hier mit
einem Jugendbuch zu tun. Nach Ulbrich und Wolfram sind es vor allem schöne
Frauen, wie die attraktive Carubina, die den Nolaner anziehen, und sinnliche
Wünsche in ihm wecken. Die Autoren, die leider nicht näher vorgestellt werden,
fügen oft Texte und Zitate aus den Werken Brunos und anderen Schriftstellern
ein(Homer,Aretino,Rabelais u.a.), und so erfährt man auch einiges aus der
Gedankenwelt des Philosophen.
Wie der Franziskaner Wilhelm von Ockham habe Bruno die völlige Trennung von
weltlicher Philosophie und übernatürlicher Quelle, der Heilsgeschichte gefordert.
Denn, laut Bruno, könne der Verstand durchaus etwas für falsch erkennen, das die
Kirche für wahr hält. Bruno stellt sich damit, nach Auffassung der Autoren in die
Reihe der Denker der Spätscholastik, die bis an die völlige Auflösung der
mittelalterlichen Ideale des Gottesdenkens gelangten. Das aber sei Ketzerei. Ockham
war für solche Denken der Prozess gemacht worden, dem er sich nur durch die
Flucht entziehen konnte. Bruno war gewarnt: "Wer Theologie nicht als
Dogmengeschichte betreibt, betreibt keine Theologie!"(S-59).
Da für Ulbrich und Wolfram bei Bruno gleichwohl die Sehnsucht nach Wissen
stärker als manch andere Verlockung gewesen war, steht bei ihnen trotz aller
äußeren Vorkommnisse die geistige Entwicklung des Philosophen im Vordergrund.
Da sie aus der Welt ihres Protagonisten durchweg in der Gegenwart berichten, wirkt
ihre Darstellung unmittelbar und authentisch. Obwohl sie mehr Fragen als
Antworten formulieren und vielfach auf Vermutungen angewiesen sind, so dass
gezwungen sind, fiktive Tagebuchnotizen einzufügen und häufig auf ein "so muss es
gewesen sein", "vielleicht" auszuweichen, ermöglicht ihre allgemein verständliche
Darstellung philosophisch unbewanderten Lesern und Schülern einen ersten Zugang
zum Leben und zum Werk von Giordano Bruno mit einem plastischen, wenn auch
nicht so bombastischen Einblick wie Verrecchia in die damaligen gesellschaftlich-
politischen Zeitumstände.

• SERGE FILIPPINI. Der Ketzer vom Campo dei Fiori. Ein Giordano Bruno Roman.
470 S. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1999; 3-7466-1576-3 DM 19,90
Serge Filippini lässt in seinem schon 1992 bei Rütten und Loening unter dem Titel
"Der flammende Mensch" erschienenen und jetzt im Aufbau-Verlag unter der
Überschrift "Der Ketzer vom Campo dei Fiori", Giordano Bruno sieben Tage vor
seiner Hinrichtung zur Feder greifen, um in einer Mischung von Fakten und Fiktion
sein abenteuerliches Leben auf der Flucht vor der Inquisition, die ihn in viele Länder
Europas, an Königs- und Fürstenhöfe, an die berühmtesten Universitäten und in die
Häuser reicher genussfreudiger Freunde führte, Revue passieren zu lassen.
Bruno stellt sich selbst als Schriftsteller, Professor der Naturphilosophie, einstigen
Ratgeber des Königs von Frankreich, Meister des Gedächtnisses, der Literatur, der

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Wissenschaft, der magischen Künste und als Autor von vierzig Büchern vor, wobei
er die Zuversicht äußert, dass "die glorreiche Nachwelt" den "Reformator des
Himmels und des Wissens anerkennen" wird, während seine Feinde "in der Vorhölle
de Unwissenheit schmachten" werden (S.19).
Filippini streift zwar auch Brunos Auseinandersetzung mit Thomas von Aquin und
erzählt, dass Kardinal Cusa mit seiner "De docta ignoratia" seine Neugier erregt habe
ebenso der Katalane Raymundus Lullus, der ihm die Organisationsprinzipien des
sicheren Gedächtnisses vermittelte, sowie Brunos Begegnung mit Montaigne, aber
im Vordergrund stehen Brunos abenteuerliches Leben und unbändiger Charakter.
Nach Filippini soll sich Bruno seinen Lebensunterhalt als Liebesbote der Huren von
Santa Maria del Carmino verdient haben und soll, da er leicht aufbrausend war, auch
immer bereit gewesen sein, sich zu streiten und zu raufen. In jungen Jahren habe
Bruno als kräftiger Bursche und wahrer Haudegen sogar einen Priester im Streit
erstochen. Filippini unterstellt Bruno im Gegensatz zu Ulbrich und Wolfram
homosexuelle Neigungen und eine große Vorliebe für Amors Freuden. Frauen seien
ihm ein Gräuel gewesen. Plastisch beschreibt Filippinis Protagonist seine Richter,
seine Folter, die Qual seiner letzten Tage sowie kleine Wohltaten, die ihm sein
Kerkermeister gewährt. Offen bleibt allerdings, ob sich alles wirklich so zugetragen
hat, wie es hier erzählt wird oder ob nicht zuweilen die Phantasie mit dem in Paris
lebenden Autor(Jg.1950) durchgegangen ist.
Zumindest haben wir es hier in erster Linie mit einem farbenprächtigen,
bilderreichen, streckenweise auch blutrünstigen Roman, mit einem historischer
Schinken in saftiger Sprache zu tun, der dank einiger Anspielungen auf Brunos Werk
allenfalls einen romanhafter Zugang zu dem Philosophen eröffnet, der jedoch
philosophisch versierte Leser mitnichten zufriedenstellt.

• ANNE EUSTERSCHULTE. Giordano Bruno zur Einführung. 174 S. Junius,


Hamburg 1997; ISBN 3-88506-945-8, DM 24,80
Eine aktuelle, zuverlässige, dabei erfreulich sachliche und gut lesbare Einführung
nicht nur in das Leben, sondern vor allem in das Denken des Philosophen, die die
bisher vorgestellten Bruno-Bücher weit in den Schatten stellt, ist der Kasseler
Philosophiedozentin Anne Eusterschulte gelungen. Sie beschäftigt sich sowohl mit
dem italienischen Frühwerk als auch mit dem lateinischen Spätwerk von Bruno und
wirft einen kurzen Blick auf die Vielzahl seiner mnemotechnischer Schriften, zu
denen Bruno durch das Studium der Lehren von Lullus angeregt worden war.
Nach einer kurzen Skizze seines bewegten Lebensweges umreißt die Autorin die
wichtigsten Fragestellungen und Problemaspekte in Brunos Werk und erläutert in
einem zweiten Schritt die Weiterführung, Verortung und Bedeutung seiner
philosophischen Positionen. Der Band endet mit einem kurzen Ausblick auf die
bisherige, völlig unzulängliche Rezeption der Werke Brunos.

• PAUL RICHARD BLUM: Giordano Bruno. 169 S. Beck, München 1999; ISBN 3-
406-41951-8, DM 24,--
Blums Ausführungen stehen der Einführung von Eusterschulte in nichts nach, im
Gegenteil, in manchem sind noch informativer und aktueller. Geschickt verbindet er
die Schilderung von Brunos bewegtem Leben mit der Darstellung seiner
Philosophie, wobei man einen fundierten Einblick in Brunos nicht immer leicht
nachvollziehbare Denkwege und Werke, darunter auch unbekanntere Schriften,
erhält, mit all ihren Voraussetzungen, Folgen und Rezeptionen. Er schildert sein
Auftreten in den einzelnen Städten, seine Dispute und Kontroversen mit
zeitgenössischen Wissenschaftlern und geht dabei oft sehr ins Detail.

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Vor allem geht der in Budapest lehrende Philosophieprofessor ausführlich, unter


Berücksichtigung auch der neueren Forschung auf jene Philosophien und Systeme
ein, auf die Bruno reagiert, die er entweder weitergeführt oder denen er
widersprochen hat. Für Blum ist "der fahrende Ritter der Gedankenfreiheit" durchaus
ein Repräsentant seiner Epoche, war doch nicht nur er, sondern andere auch in allen
Teilen Europas fieberhaft auf der Suche nach Alternativen zum scholastischen,
metaphysisch belasteten Naturbegriff und schöpften wie zum Beispiel Hobbes,
Descartes und Locke, Newton aus den gleichen Quellen, die auch Bruno inspiriert
hatten, aus dem Atomismus, dem Stoizismus und den verschiedensten Formen von
Platonismus und Geheimwissenschaften , die sie aufnahmen und amalgierten
wurden.

• GERHARD WEHR: Giordano Bruno. 159 S., Deutscher Taschenbuch-Verlag 1999:


ISBN 3-423-31025-1, DM 16,50
Auch diese allgemein verständliche und dazu noch vorzüglich farbig bebilderte und
übersichtlich gegliederte Einführung dürfte im Bruno-Jahr anläßlich seines
400.Todestages aufmerksame Leser finden. Wehr erzählt Brunos Leben ohne
Effekthascherei, führt konzentriert und gut nachvollziehbar in seine Gedankenwelt
ein und berücksichtigt bei der Rezeptionsgeschichte auch entlegenere, esoterische
Strömungen und Denker wie Rudolf Steiner und Ken Wilber. In den Text
eingestreute, farbig abgesetzte zusätzliche Informationen über einzelne
Geistesgrößen und Ereignisse der Renaissance und andere Epochen erhöhen den
Reiz des attraktiv aufgemachten Bändchens. Als Einstieg in Leben und Werk Brunos
ist das mit Zeittafel, Literaturhinweisen und Register ausgestattete Bändchen
hervorragend geeignet, noch vor Eusterschulte und Blum.

• WOLFGANG WILDGEN. Das kosmische Gedächtnis. Kosmologie, Semiotik und


Gedächtnistheorie im Werke Giordano Brunos(1548-1600). 277 S. Peter Lang
GmbH, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 1998; ISBN 3-
631-32953-9 DM 84,--
Wolfgang Wildgen, Jahrgang 1944, seit 1981 Professor für Linguistik an der
Universität Bremen, konzentriert sich in seiner Studie ausschließlich auf die
Kosmologie und Semiologie bei Giordano Bruno.
Die Persönlichkeit, das Schicksal und die Art der geistigen Bewältigung seiner
ungünstigen Lebensumstände, die Wahrhaftigkeit und Autonomie des Denkers
Bruno hätten ihn fasziniert, gesteht Wildgen gleich zu Beginn seiner Abhandlungen,
in denen er seine eigenen jahrelangen Forschungen zur Semiotik Brunos und zu
deren Grundlagen in der Kosmologie und in der Gedächtnistheorie zusammenfasst,
wobei er eine bis ins Detail gehende und manchmal recht mühsam
nachzuvollziehende Interpretation von Brunos Systementwürfen vermittelt. Denn bei
Wildgen steht nicht so sehr Brunos Weltanschauung in ihrer Gesamtheit auf dem
Prüfstand, "sondern sein Versuch, eine Vielfalt von Detaillösungen in eine
wohlproportionierte, ins Unendliche reichende Wissensarchitektur zu integrieren"
(S.9).
Bruno habe, meint Wildgen, metaphysische, naturphilosophische, ethische,
semiotische und poetologische Aspekte zum Entwurf eines möglichst kohärenten
Bildes vereint, und dabei das antike Erbe als Ausgangspunkt benutzt. Der roten
Faden in seines Schaffens sei aber die Architektur unseres Wissens, das Gedächtnis
der Kultur- und Wissensgemeinschaft. Denn alles, was wir wissen und erschließen
können, wollte er in einer Einheit zusammen denken und als Zeichensystem
realisieren.

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Wildgen, der einzelne Stationen von Brunos Lebensweg aufgesucht hat, flicht seine
eigenen Reiseeindrücke in den Bericht mit ein und schildert, wie er versucht habe,
all diese Orte als Semiotiker, insbesondere aber die Stadt Rom im Lichte des
tragischen Schicksals von Bruno zu lesen. Daneben unternimmt der Verfasser eine
analytische Wanderung durch einige der erhaltenen Werke von Bruno. Er beginnt bei
den Quellen für seine Gedächtnistheorie und verfolgt
Die nach den Prinzipien einer copernicanischen Kosmologie aufgebaute
Gedächtnistheorie Brunos wird anhand seiner Texte rekonstruiert und als wichtiger
Beitrag zu einer theoretischen Zeichenlehre(Semiotik)interpretiert. Nachdem
Wildgen auch noch kurz auf die Nachgeschichte der gedächtnistheoretischen
Schriften Brunos eingegangen ist - diese waren beispielsweise bis weit ins
17.Jahrhundert sehr einflussreich -, kommt er auf die Aktualität von Brunos
gedächtnis- und sprachtheoretischen oder wissenschaftsphilosophischen Werkes zu
sprechen und vergleicht ihn in diesem Zusammenhang mit Charles Sanders Peirce
(1839-1914), dem Begründer der modernen Semiotik. Wildgens subtile
Untersuchungen und differenzierte Überlegungen dürften sicherlich nur einen
kleinen Leserkreis erreichen.

• NUCCIO ORDINE: Giordano Bruno und die Philosophie des Esels.


S. 266. Wilhelm Fink, München 1999;ISBN 3-7705-3341-0,DM 48,-
Nuccio Ordine, italienischer Universitätsprofessor und Herausgeber der kritischen
Ausgabe der Werke von Giordano Bruno, hat das geheimnisvolle Symbol des Esels,
Beispiel eines Koinzidierens opponierender Eigenschaften, zum Leitfaden für eine
durchaus unterhaltsame und zitatenreiche Einführung in Brunos verschlungene
Denkwege gewählt. Nicht von ungefähr, schließlich taucht das Bild des Esels in
Brunos Werken häufig auf.
1582 veröffentlichte Bruno ein Werk über Mnemotechnik "De umbris idearum" und
erwähnt darin eine verschollene Schrift mit dem Titel "Die Arche Noah", deren
Urheberschaft er später beansprucht. Schon in der "Arche" hat das Symbol des Esels
die Hauptrolle gespielt. In der "Kabbala des Pegaseischen Pferdes" und dem
angehängten "Kyllenischen Esel" wird das Grautier zum unbestrittenen
Hauptdarsteller. Hier bringt Bruno Überlegungen und Notizen ein, die er im Laufe
der Jahre gesammelt hat.
Allerdings war Bruno nicht der erste, der sich des Esels bediente, um seine
Gedanken und Ansichten zu veranschaulichen und bestimmte Themen miteinander
zu verknüpfen. Schon vor ihm gab es eine reichhaltige "Eselliteratur", die von den
Versen Machiavellis bis hin zu den Werken des Cornelius Agrippa reicht. Originell
ist bei Bruno jedoch die radikale Ausbeutung des Eselthemas, "die häufige
Wiederkehr und Zentralität des Motivs und der Bedeutungsreichtum, den er ihm
verleiht" (S.9).
Traditionell haftet dem Eseltum ein negatives metaphorisches Etikett an. Bruno hat
dieses nicht zuletzt zur Charakterisierung und Diffamierung seiner Gegner benutzt.
Viele Autoren und Interpreten Brunos haben nur den negativen Aspekt des Esels
gesehen. Aber Ordine hat auch einen positiven Pol des Eseltums ausgemacht. Gerade
das zweideutige Spiel - hier das negative Eseltum, dort das positive Eseltum - lässt
mit seinen Bedeutungsumkehrungen einen ergiebigeren Interpretationsansatz und
eine semantische Vieldeutigkeit zu, die sie in gewisser Hinsicht zum idealen Symbol
für die coincidentia oppositorum macht. In einem Kapitel skizziert Ordine die
Bedeutungsebene des Esels in ihrer Mehrdeutigkeit an den Gegensatzpaaren
wohltätig/dämonisch, stark/demütig, wissend/ unwissend. Alle diese Eigenschaften

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können auf Esel zutreffen. In Brunos "Vertreibung" und in der "Kabbala" ist das
Eseltum zwar die "triumphierende Bestie, die verbannt werden muss, weil sie unter
den Menschen dominiert, erhält aber andererseits am Sternenhimmel einen positiven
Platz. "Habt ihr denn noch niemals vernommen, dass die Torheit, Unwissenheit und
Eseltum dieser Welt in jener anderen Welt Weisheit, Gelehrtheit und Göttlichkeit
sind?"sagt Saulin in Cabbala.
Der Esel ist eine fügsame Figur in Brunos Spiel, das die symbolischen Eigenschaften
des Eseltums auf den Menschen selbst überträgt. Der göttlichen und menschlichen
Natur des Esels entspricht die Vorstellung vom Menschen als einem Vermittler
zwischen Tierhaftigkeit und Göttlichkeit.
Als Symbol des Unwissens hat der Esel sogar sprichwörtliche Bedeutung erlangt.
Der Nolaner selbst verwendet die Termini "Eselei", "Narrheit" und "Unwissenheit"
oft als Synonyme.
Am positiven Eseltum hebt Bruno die Eigenschaften: Bereitschaft zu harter Arbeit,
Demut und Geduld lobend hervor. Sie seien Voraussetzungen für das Entstehen der
Zivilisationen. Ohne sie sei es unmöglich, sich im Labyrinth der Erkenntnis zu
orientieren. Überdies lehrt uns der Esel, dass Demut, Geduld und Arbeit
unentbehrlich seien -und das gilt für jedes Gebiet -, um eine Untersuchung zu
beginnen und positive Ergebnisse zu erzielen. Dagegen wirkt sich das negative
Eseltum mit Müssiggang, Arroganz und Beschränktheit zerstörerisch auf die
Entwicklung des Wissens und den Fortschritt der Zivilisation aus.
Der Esel zeigt uns ferner,in Übereinstimmung mit der Gestalt des Sokrates als Silen,
dass man dem Schein nicht trauen darf, dass die Suche nach dem Wissen ohne Ende
ist, dass die Natur und unser Wissen von Vergänglichkeit und Wandel beherrscht
sind. Die skeptische und aristotelische Haltung war dagegen, nach Auffassung von
Bruno, zu starr und daher unfähig, eine positive Beziehung zum Wissen aufzubauen.
Der Stellenwert von der Unendlichkeit des Universums, der Unendlichkeit der
Erkenntnisprozesse, der Vielfalt, des ständigen Wandels der Formen in einem
pluralen Universum in Brunos Philosophie, verdeutlicht der Autor an der doppelten
Valenz des Eseltums.
Auch der italienische Autor reiht wie Kirchhoff und Wildgen Bruno in eine
Denktradition ein, die Qualität, nicht Quantität als das Wesentliche am Wissen
betrachtet und in der die Überzeugung vorherrscht, dass Kosmos und Leben nicht
durch rein mathematische Begriffe erklärt werden können .
Ordines Bruno-Buch besticht nicht zuletzt durch Klarheit der Gedankenführung,
durch Themenvielfalt und einen atemberaubendenden Parcours, der die Beziehungen
zwischen den verschiedenen Wissensgebieten im Werk Brunos raffiniert miteinander
verbindet: Philosophie und Literatur, Wissenschaft und Religion, Ethik und Ästhetik.
Seine Studie wird zweifellos die Neugier der Leser wecken, zu denen in erster Linie
Philosophen, Literaten und Naturwissenschaftler zählen dürften, und eine Lanze
brechen für Brunos außerordentliche philosophische Erfahrungen und Einsichten.

Schlussbetrachtung
Die Sekundärliteratur stieg in den letzten Jahren fast ins Unermeßliche. Brunos
eigene literarische Aktivität jedoch dauerte nicht länger als ein Jahrzehnt. Seine
Bücher, allesamt von großer expressiver Kraft, sind nicht gerade eine leichte
Lektüre. So modern er in seinen wissenschaftlichen und philosophischen Intuitionen

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war, so altertümlich war seine Schrift. Bruno geht es nicht um glatte Lösungen,
sondern um die Tiefe der Probleme. "Philosophie ist mein Beruf!"
Im Kerker verfasste er eine Vielfalt von Verteidigungsschriften, die allesamt noch
im Dunkel der Archive auf den Tag des Lichtes warten.
In einer Epoche, in der in einem theologisierten und klerikalisierten Europa freies
Denken Kerker und Tod mit sich brachte, erhob er die Stimme gegen
Obskurantismus und Dogmatismus und war der erste, der von "philosophischer
Freiheit" sprach.
Bruno hat es am eigenen Leibe erfahren: Denken ist anstößig und zwar immer dann,
wenn es dem Leitsatz des Horaz folgt: "Sapere aude!" Kant hat ihm die Übersetzung
gegeben:"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen - ein Mut, der
manchmal heute noch tödliche Folgen haben kann.
Über Giordano Bruno schrieb ich für die Monatszeitschrift "Zeichen der Zeit.
Lutherische Monatshefte" eine kurze Würdigung, erschienen in Heft 2/2000. Der
Bücherbericht wurde im großen und ganzen für den Philosophischen
Literaturanzeiger konzipiert. Einige der vorgestellten Bücher besprach auch für den
Besprechungsdienst für Öffentliche Büchereien, Reutlingen.)

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