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Logenrede Logik

die Ungleichheit des Standes in der Loge, die Pflichten erbaute, ist noch immer das vollkommenste Bild der
des Freimaurers, das Grundgesetz der Freimaurerei M(aurerei). Weisheit, Schönheit und Stärke erhoben
(meist die <Alten Pflichten> des JAMES A N D E R S O N 1723), sich auf seinen Grundpfeilern in majestätischer Pracht.
Weisheit, Toleranz, Selbstveredelung des Bruders, die [...] Meine B(rüder), das schönste Kleinod unseres
einzelnen Grade (Erkenntnisstufen) und ihre Bedeu- Ordens ist allgemeine Toleranz. Sie zu üben ist Weisheit,
tung, die Ordnung, Frauen in der Loge, die Brüderlich- und sie setzt eine gewisse Stärke und Schönheit der Seele
keit, Freiheit, Gleichheit und Religion (der <Große Bau- voraus [...] Veredlung der Menschheit - ein großer erha-
meister aller Welten>). Erst später mit der Aufklärung, bener Zweck der Maurerei, [...] dies, m(eine) B(rüder),
der zunehmenden Politisierung Ende des 18. und im ist die große königliche Kunst, die des wahren Weisen
19. Jh. wurden in den Logen auch politische (gesell- allein wert ist.» [4] Die Freimaurerei «ist eine Schule der
schaftspolitische) und weltanschaulich-religiöse The- Vernunft und Sittlichkeit, in welcher sich ihre Geweihten
men, sofern sie für die Freimaurerei bedeutsam waren, zu dem Zwecke der Menschheit und der Menschlichkeit,
behandelt und diskutiert. Vor der Aufklärung hielt man das ist, zur reinen sittlichen Güte und Glückseligkeit bil-
sich mit solchen Themen zurück, weil man in den Logen den.»^]
politische Streitigkeiten und weltanschaulich-religiöse Die Zitate verweisen besonders auf freimaurerische
Gegensätze als Polarisierungsgefahr fürchtete. Man Grundsätze und Verhaltensweisen, auf die die Brüder in
wollte Spannungen vermeiden. Dabei mag die Einstel- Instruktionen und Belehrungen immer wieder aufmerk-
lung mitentscheidend gewesen sein, daß der Wert des sam gemacht werden.
Bruders in der Freimaurerei nicht nach seinem Bekennt- Neben der L. spielt auch die freimaurerische Dichtung
nis zu einer Religionsgemeinschaft, zu einem Dogma (besonders die Lyrik, Epik, Romane, Erzählungen und
oder zu einer Partei beurteilt wird, sondern nach seiner
persönlichen Redlichkeit. Die letzte Instanz hat die Frei- Novellen), die dramatische Kunst und das Theater eine
maurerei unter dem Symbol des <Großen Baumeisters Rolle, während Witz, Scherz und Satire in der Freimau-
aller Weitem verankert. Dieses Symbol ist der religiöse rerei auf wenig Interesse stoßen.
Ausdruck freimaurerischen Bestrebens, auf eine Form Anmerkungen:
der Transzendenz hinzuwirken, in der es möglich ist, lvgl. dazu auch E. Lennhoff, O. Posner: Internationales Frei-
ohne dogmatische Festlegung sich menschlich in Einig- maurerlex. (1932, ND Wien 1980) Sp. 950f. - 2 vgl. H. Reinalter:
keit zu begegnen. Der <Große Baumeister> symbolisiert Aufklärung und Geheimges. (1989); ders.: Freimaurer und
den ewigen Hintergrund und den allumfassenden Rah- Geheimbünde im 18. Jh. in Mitteleuropa (41994); ders.: Die
men, aus dem das Leben Sinn und menschliche Verant- Rolle der Freimaurerei und Geheimges. im 18. Jh. (1995); W.
wortung erhält. Dotzauer: Quellen zur Gesch. der dt. Freimaurerei im 18. Jh.
(1991). - 3vgl. auch F. C. Endres: Die Symbole der Freimaurerei
Im 20. Jh. ist die Tendenz deutlicher, sich verstärkt (21977); J. Schauberg: Vergleichendes Hb. der Freimaurerei
auch gesellschaftspolitischen und sozialen Fragen zuzu- (ND 1974). - 4K. Gerlach: Berliner Freimaurerreden (1996) 27,
wenden und sich mit geistigen Strömungen auseinander- 169,247,253.-5 ebd. 344.
zusetzen, insbesondere nach 1945. Dieser Wandel fand
seinen entsprechenden Niederschlag in den gesell- Literaturhinweise:
schaftspolitischen Themen der L., wie z.B. Probleme des M. Agethen: Geheimbund und Utopie (1984). - R. Appel: Die
Friedens und der Friedenssicherung, Fragen der Kon- großen Leitideen der Freimaurerei (1986). - M. Voges: Aufklä-
rung und Geheimnis (1987). - D. A. Binder: Die diskrete Ges.
fliktbewältigung, Umwelt (Ökologie), Demokratie, Fun- (1988). - H. Schneider: Dt. Freimaurer Bibl. (1993). - H.-J.
damentalismus (Gegenaufklärung), das Fremde, Gren- Schings: Die Brüder des Marquis Posa (1996).
zen des Fortschritts, Folgen der Technik, Probleme der H. Reinalter
Industriegesellschaften und Risikogesellschaften etc.
Neben den Fragen der Thematik, der Gattung, des -» Aufklärung -> Formel Gattungslehre -> Geheimsprache
Redeaufbaus und der Stilmittel sind auch der Ort (Loge), -» Zeremonialstil
der Anlaß, der Redner (Logenbruder) und das Ritual
von Bedeutung. Die Logenrede dient u.a. der Pflege der
Lehrangelegenheiten, der Festigung des ethischen Kode-
xes und der spezifisch freimaurerischen und allgemeinen Logik (griech. λογική τέχνη, logiké téchnê; lat logica;
Wissensvermittlung. engl, logic; frz. logique; ital. logica)
Besondere Formen der argumentativen Rede finden A. Einleitende und definitorische Aspekte. - B.I. Antike. - 1.
Aristoteles. - 2. Megariker und Stoiker. - 3. Ausklang und Syn-
sich vor allem in der oft heftigen Auseinandersetzung mit these - Rhetorische L. - II. Mittelalter. - 1 . Die Zeit bis 1300. - 2.
polemischen, religiösen oder politischen Angriffen Die Zeit nach 1300. - III. Neuzeit: 16.-19. Jh. - 1 . Zurück zu den
gegen die Freimaurerei und in verschiedenen Verschwö- Quellen. - 2. Die L. von und nach Port Royal. - 3. Ende einer
rungstheorien. Epoche: Kant und Mill. - IV. Moderne. - 1. Formalisierung,
Was die Rhetorik der L. im engeren Sinne betrifft, läßt Algebra, Symbolische L. - 2. Alte und neue Probleme. - 3. Von
sich in den meisten - mit einer großen Bandbreite an der Modallogik zur informellen L.
Variationen und Abweichungen - je nach Themenstel- A . Einleitende und definitorische Aspekte. W ü r d e ein
lung und Anlaß im wesentlichen das systematische klas- Logiker der Antike, des Mittelalters oder sogar der Auf-
sische Einteilungsprinzip der Rede feststellen: Einlei- klärung neuere Handbuchartikel zur L. oder die großen
tung mit Hinweis auf den Anlaß, Darlegung des Sachver- Darstellungen von B O C H E N S K I (1962), K N E A L E / K N E A L E
halts, Argumentation und Beweisführung sowie Rede- (1962) oder B L A N C H E (1970/1996) zur Geschichte der L.
schluß. Die Sprache der meisten L. ist etwas pathetisch aufschlagen, so wäre er sicher überrascht, daß zwei große
und gemäß der freimaurerischen Ritualistik symbol- Gebiete seines dogischen Organon> - die <Topik> und die
trächtig: <Sophistischen Widerlegungen) - nur am Rande oder gar
«Sie wissen, meine Brüder, das erste Grundgesetz nicht (bei Blanché) behandelt werden. P R A N T L diskutiert
unserer Versammlung ist brüderliche Liebe. [...] Salo- in seiner großen <Geschichte der L. im Abendlande>
mons Tempel, den einst Hieram, unser Br(uder), (1855-1870) diese beiden Gebiete zwar noch etwas aus-

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fiihrlicher, begreift sie aber als Vorstufen oder rheto- aber auch das Wort oder den in ihm konventionell fixier-
risch-dialektische Abweichungen von der wahren L., die ten Begriff (oder auch beide) bezeichnen kann. Im letz-
für ihn im aristotelischen Syllogismus, sofern dieser aus ten Sinn ist auch seine Verwendung in der modernen
notwendig wahren Prämissen schließt, ihre höchste Prädikatenlogik zu verstehen, die manchmal auch als
Gestalt erhalten hat. [1] Deshalb moniert er auch bei den Termlogik bezeichnet wird - dies in Reminiszenz an die
STOIKERN, daß sie sich «mit doctrinärem Eigensinn» vom mittelalterliche L., die <Begriffe> (oft auch zusammen mit
Pfad der wahren L. entfernten, weil bei ihnen «das plato- ihrer sprachlichen Form) als Termini bezeichnete, woher
nisch-aristotelische Princip einer mit Philosophie über- auch die Bezeichnung terministische L. resultiert - , die
haupt verknüpften L. gar nicht vorhanden» sei. [2] Hier freilich nicht Prädikationen untersucht, sondern die
wird deutlich, daß Prantl die Geschichte der L. aus der Frage, wie man sich mit <Termini> bzw. sprachlichen
Sicht der im 19. Jh. dominierenden Auffassung der richti- Ausdrücken> auf Wirklichkeit bezieht. Sicherlich könnte
gen L. schreibt. Dieses post festum- Vorgehen kennzeich- man versuchen, das von einem Autor jeweils Gemeinte
net auch die modernen geschichtlichen Darstellungen, präzise mit genau festgelegten Termini zu bezeichnen;
für die jedoch die moderne symbolische L. die Richt- dies würde jedoch nicht nur zu einer kaum lesbaren Dar-
schnur bildet. In der modernen Forschung haben die stellung führen, sondern auch sachlich und historiogra-
epochemachenden Arbeiten von LUKASIEWICZ einerseits phisch insofern problematisch sein, als bei bestimmten
zwar neue Einsichten und Bewertungen (insbesondere Autoren die sprachlich-grammatische Seite mit den
der megarisch-stoischen Schule und der spätscholasti- inhaltlich-intensionalen Aspekten zusammengedacht
schen Konsequenzlehre) ermöglicht, andererseits aber wird. So kann etwa eine Übertragung des lat. propositio
führten sie allzu oft dazu, moderne Auffassungen in die als <Aussage> dann falsch werden, wenn von einem Autor
alten logischen Abhandlungen hinein zu interpretieren, damit zugleich auch die sprachliche Form mitgedacht
die einer genauen Analyse der jeweiligen Abhandlung wird. Da sich die Forschungsliteratur zu bestimmten
und ihres historischen Wissenskontextes nicht standhal- Autoren oder Epochen aufgrund ihrer langen For-
ten können. Das Problemfeld der L. ist zum ersten Mal schungsgeschichte ziemlich eng an den Sprachgebrauch
von Aristoteles in einer bis in die Neuzeit gültigen Form der untersuchten Abhandlungen hält, ist hier eine Über-
in seinem <Organon> ausgearbeitet worden: Die <Katego- nahme dieses forschungspraktisch eingespielten Sprach-
rien> behandeln Begriffe, die <Hermeneia> die Verbin- gebrauchs nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig.
dung von Begriffen zur Aussage, die <1. Analytikern die Betrachtet man nun den Kernbereich des logischen Pro-
Verknüpfung von Aussagen zu Schlüssen in der Form blemfeldes Wort/Begriff - Satz/Aussage - schlußfol-
von Syllogismen, die <2. Analytikern dann unter einer gernde Rede/Schluß, so lassen sich die beiden Randberei-
methodologischen und wissenschaftstheoretischen Fra- che Semiotik/Sprachphilosophie und Methodologie/Wis-
gestellung den wissenschaftlich-beweisenden Syllogis- senschaftstheorie genau bestimmen: die Semiotik unter-
mus, die <Topik> erörtert Schlüsse mit plausiblen und sucht 'unten' die Frage, wie sich Sprache und sprachliche
gemeinhin zugestandenen Prämissen (bzw. mit nicht Bedeutungen überhaupt erst konstituieren können, die
stringenten Folgerungen), und die <Sophistischen Wider- Methodologie untersucht 'oben', wie die drei Bereiche
legungen zeigen schließlich, wie man Schein- und Trug- durch Berücksichtigung von Standards des richtigen und
schlüsse widerlegen kann und muß. Zu diesem Problem- rechten Schlußfolgerns methodisch korrekt zusammen-
feld muß man jene Teile der <Rhetorik> rechnen, in gefügt werden müssen; in ihrer entwickelten Form sind
denen es um die L. rhetorischer Argumentation geht. beide in eine für die jeweilige Epoche konsistente
Begriffe, Aussagen, Schlüsse, letztere mit notwendigen Sprachphilosophie bzw. Wissenschaftstheorie eingefügt.
oder nur plausiblen Prämissen, mit denen man in strin- Die spezifische Gewichtung und Hierarchisierung der
genter und konsistenter Form folgern kann, und deren einzelnen Kern- und Randbereiche in einer bestimmten
uneigentlichen, nur scheinbar gültigen sophistischen Epoche ermöglicht eine relativ genaue Kennzeichnung
Formen, bilden zusammen mit der Methode das Pro- der jeweiligen geschichtlichen Form der L. bei einem
blemfeld der L . Wenn die L . von P O R T - R O Y A L (1662/ bestimmten Autor oder in einer bestimmten Epoche. Im
1683), die für die Neuzeit verbindlich wurde, genau diese Teil Β zur L. in der Antike, die bis zum Schwellenautor
vier Bereiche unterscheidet, stellt dies somit kein neues BOETHIUS (6. Jh.) reicht, wird zunächst untersucht, wie
logisches Problemfeld, sondern nur eine andere Form sich das logische Problemfeld bei Aristoteles ausschreibt
der Gliederung dieses Feldes dar. Versteht man das Pro- (Syllogistik mit Begriffs- und Satzlehre, dialektische L. in
blemfeld der L. in diesem Sinne, ist es vielleicht nicht Topik und Rhetorik, Sophistische Widerlegungen);
überraschend, daß es sich bis heute - sicher in vielfältiger wesentlich für die aristotelische L. ist einmal die Zerle-
und arbeitsteilig differenzierterer Form - erhalten hat: gung des apophantischen Logos, d.h. des einfachen
vom Wort über den Satz zur schlußfolgernden Rede und Behauptungssatzes in Subjekt und Prädikat sowie die
umgekehrt, im eigentlichen und uneigentlichen, aber Zentralität des Syllogismus, der freilich nicht nur den
auch im sophistischen Gebrauch. Der auf der sprachlich- stringenten und notwendigen Schluß (wie in den <1. Ana-
materialen Ebene befindlichen Reihe Wort-Satz-Rede lytiken)), sondern auch die plausiblen und mehr oder
entspricht zwar auf der inhaltlich-intensionalen Ebene weniger wahrscheinlichen dialektischen und rhetori-
die Reihe Begriff-Aussage-Schluß, dies schließt aber schen Schlußfolgerungen umfaßt. In all diesen Fällen
nicht aus, daß einzelne Autoren und Epochen, wie auch denkt Aristoteles die Folgerung von Prämissen auf Kon-
die Sekundärliteratur, diese Reihen nicht immer termi- klusionen im wesentlichen begriffslogisch - im Gegen-
nologisch unterscheiden. So wird etwa in der Aristoteles- satz zur zweiten großen Richtung der L. in der Antike,
oder Mittelalterforschung <Satz> oft im Sinne von <Aus- der stoisch-megarischen Schule, welche die schlußfol-
sage> verstanden, kann sich aber auch auf die grammati- gernde Rede als eine Beziehung von Aussagen begreift.
sche Form beziehen. Besonders schillernd ist der Abgeschlossen wird diese große Epoche der Herausbil-
Gebrauch des Terminus <Prädikat>, der einmal wie das dung der L. als wissenschaftliche Disziplin durch die
griechische <Rhema> das Verb und die Prädikation (Satz- spätantike Phase, eine «Periode der Kommentare und
aussage) von etwas über ein Subjekt (Satzgegenstand), Handbücher» [3], die man je nach Sichtweise als Periode

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der Synthese oder des Synkretismus beschrieben hat. Mehrdeutigkeiten in allen Bereichen des logischen Pro-
Hier sind die großen Aristoteleskommentare von A L E X - blemfeldes ergeben können), in Insolubilia (das sind
ANDER VON APHRODISIAS, PORPHYRIOS oder SIMPLIKIOS unlösbare, teilweise schon in der megarisch-stoischen
und die großen philosophiegeschichtlichen Darstellun- Schule unterschiedene Antinomien oder Paradoxien)
g e n v o n SEXTOS EMPEIRIKOS u n d DIOGENES LAERTIOS ZU und schließlich in der Obligationslehre festgeschrieben.
nennen, aber auch eine sich auf CICERO gründende rheto- Gegen diese mittelalterliche, oft formalistische L. ziehen
risch-topische Richtung, die zu einer Trennung von rhe- in der Renaissance, also zu Beginn der Neuzeit und der
torischen und dialektisch-logischen Topoi führte. Alle dritten logischen Epoche vor allem Vertreter der rheto-
diese Richtungen werden bei BOETHIUS in einer für das risch-dialektischen L. bzw. der Rhetorikdialektik spöt-
Mittelalter verbindlich werdenden Form festgeschrie- tisch zu Felde. Aus der Sicht der modernen Argumenta-
ben. Die mittelalterliche Epoche wird in zwei Phasen tionstheorie und informellen L. gilt diese Rhetorikdia-
geteilt: (1) bis etwa 1300; (2) bis zum ausgehenden Mit- lektik als konstruktives Weiterführen der topisch-rheto-
telalter im 15. Jh. In der ersten Phase wird die Ausschrei- rischen Tradition, die sich nicht nur auf Cicero oder
bung der L. im Sinne des bei Boethius überlieferten ari- QUINTILIAN, sondern auch auf den Aristoteles der
stotelischen <Organon> zwar beibehalten, aber doch in <Topik> und der <Rhetorik> berufen kann. Aus der Sicht
mehreren Hinsichten präzisiert. Inspirierend und inno- der aristotelischen und der modernen Logiker handelt es
vativ wirkten die direkten Übersetzungen aus dem Grie- sich schlicht um eine Phase des Niedergangs der L. Um
chischen (teilweise über die arabische Tradition vermit- hier zu einem historisch genaueren Urteil zu kommen,
telt) von Aristoteles' <Analytiken>, <Topik> und Sophi-
werden im Abschnitt <Zurück zu den Quellen, Neues aus
stischen Widerlegungen). Gerade auch die intensive
dem Alten finden, Scheitern» (B.III.l.) ausführlich die
Beschäftigung mit den <Sophistischen Widerlegungen),
in denen neben den logischen Trugschlüssen auch auf Dialektiken von AGRICOLA und PETRUS R A M U S interpre-
sprachlichen Mehrdeutigkeiten in Wörtern und Sätzen tiert. Ergebnis dieser Erörterung ist die vielleicht para-
basierende Scheinschlüsse behandelt werden, führt zu dox erscheinende Einsicht, daß gerade Agricola und
einem Bewußtwerden der Bedeutung der sprachlichen Ramus wesentlich zum endgültigen Niedergang der
Form von Begriffen, Aussagen und Schlüssen. Ergebnis Topik, die sich mit Beginn des 17. Jh. feststellen läßt, bei-
dieser L. der Sprache war einerseits die Herausbildung getragen haben. Der Grund ist einmal in der Entlogisie-
einer philosophischen Grammatik, andererseits die rung der Topik, die auf eine Reduktion des Schlußfol-
systematische Berücksichtung von für die L. bedeutsa- gerns und Argumentierens auf Begriffe hinausläuft, zum
men sprachlichen Erscheinungen. Dies führte zur Ent- andern in der Verweltlichung, ja sogar Ontologisierung
wicklung der terministischen L. bzw. der Suppositions- der topischen Begriffe - insbesondere bei Agricola - zu
lehre und zur Untersuchung der Synkategoremata. Die suchen. Diese Reduktion von Schluß und Aussage auf
terministische L. bzw. Suppositionslehre untersucht die Begriffe kennzeichnet alle deutschen L. der Aufklärung
Referenz von Ausdrücken auf außersprachliche Gegen- bis hin zu KANT. Die Erörterung führt deshalb am Ende
stände, die Abhandlungen zu den Synkategoremata ana- des letzten Abschnitts dieses Teils <Das Ende einer Epo-
lysieren Ausdrücke, die nur mit den autokategoremati- che: Kant und Mill> zur pointierten Feststellung, daß
schen Basisausdrücken verwendet werden können, also Kant die von Agricola verweltlichte und ontologisierte
etwa Quantoren wie <jeder> oder irgendeinen, Satzkon- Topik und L. als Begriffslogik ins reine Bewußtsein holt.
nektoren wie <denn> oder <außer wenn> oder auch Satz- Der Abschnitt <Das Richtige im Alten neu kombinieren:
operatoren wie <es ist möglich, daß> oder <ich glaube, Die L. von und nach Port-Royal> behandelt ausführlich
daß>. Um zu zeigen, wie diese logica moderna im Einzel- die L. von Port-Royal, die, wie schon betont, das logische
nen in dieser Periode ausgearbeitet ist, werden hier die Problemfeld mit der klaren Unterscheidung von idée
beiden großen Logiken des 13. Jh. von PETRUS HISPANUS (Begriff), jugement/proposition (Urteil/Aussage), rai-
und W I L H E L M VON SHERWOOD mit der dafür nötigen Aus- sonnement (Folgern) und méthode (Methode) für die
führlichkeit interpretiert. Wichtigstes Ergebnis wird Neuzeit verbindlich ausformuliert hat. Da Port-Royal im
sein, daß die vor allem von W I L H E L M vorgenommene Teil zur Methode sich vor allem auf DESCARTES stützt,
Reduzierung der topischen Schlüsse oder Argumente auf wird dessen Epistemologie, insbesondere in ihren for-
Syllogismen insbesondere deshalb scheitern muß, weil schungslogischen Aspekten, ausführlich behandelt. Die
topische Schlüsse mit relationalen Termen wie <gleich Bedeutung des bei Descartes immer wieder vorgenom-
mit>, <ähnlich> oder <mehr oder weniger als> - also die a menen Rückgriffs auf die Geometrie wird dann ausführ-
pari-, die Analogie - und die a fortiori-Schlüsse - nicht lich bei LEIBNIZ diskutiert, der mit seinen Versuchen, mit
auf Syllogismen reduzierbar sind. Die zweite ab 1300 algebraischen Mitteln eine universelle Begriffsschrift zu
beginnende mittelalterliche Phase reflektiert dieses entwickeln und bestimmte logische Ableitungen zu axio-
Scheitern insofern, als sie schrittweise die Topik aus dem matisieren, zu einem wichtigen Vorläufer der modernen
Logikgebäude herauslöst und gleichzeitig ihr Interesse mathematisch-symbolischen L. wird. Abgeschlossen
immer mehr auf jede Form von konsistenter Schlußfol- wird dieser Abschnitt durch detaillierte Untersuchungen
gerung, also nicht nur die syllogistische, lenkt. Ergebnis der Aufklärungslogiken von W O L F F , REIMARUS und LAM-
dieser Bewegung ist bei BURLEIGH, W I L H E L M VON O C K - BERT, die sich einmal durch eine Uminterpretation der
HAM oder W I L H E L M VON O S M A die dritte genuine Lei-
Begriffslehre hin zur Vernunftlehre (mit stark psycholo-
stung der mittelalterlichen L.: die Konsequenzlehre.
gisierenden Tendenzen bei Wolff) und durch eine Ausar-
Diese untersucht, welche Konsequenzen oder Folgerun-
gen sich aus einem bestimmten Antezedens oder Vorder- beitung der Forschungsmethode (insbesondere hinsicht-
satz notwendig ableiten lassen und formuliert diese in lich des Verhältnisses von Definitionen, Axiomen,
Form von regulae, d.h. von Schlußregeln. Das inzwischen Postulaten und Theoremen) kennzeichnen lassen. Auf-
differenzierte logische Wissen der Spätscholastik wird in fallend ist die durchgängig erzieherische und moralische
einer präziseren Suppositionslehre, in Sophismata (das Intention wie auch die Erweiterung der Trugschlußlehre
sind Abhandlungen zu Scheinschlüssen, die sich aus hin zu einer allgemeinen Lehre menschlichen Irrens, in
der auch hermeneutisch-philologische Aspekte des Ver-
stehens von Texten diskutiert werden. Der letzte Teil zur

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Moderne stellte insbesondere deshalb vor besondere schen Durchdringung. Hier sind die Pythagoräer und
Probleme, weil es im Hinblick auf Quantität, Vielfalt und Eleaten (PARMENIDES, ZENON) und vor allem die Sophi-
Differenziertheit der modernen Forschungen zur L. ver- sten (PROTAGORAS, GORGIAS) ZU nennen, aber auch PLA-
messen wäre, alle diese Richtungen in einem kurzen TON, auf dessen Ideenlehre und vor allem dessen
Abschnitt darstellen zu wollen. Ein derartiges Vorgehen Methode der Dihairesis (Begriffszerlegung) sich ARISTO-
hätte zudem zu einer Ansammlung von Details und Ein- TELES mehrfach bezieht. [1] Dieses Verfahren illustriert
zelfakten geführt, deren theoretische und forschungsge- Piaton im <Sophistes> in einer in der Geschichte der L.
schichtliche Bedeutung nur dem jeweiligen Experten berühmt gewordenen Zerlegung der Künste in hervor-
verständlich gewesen wäre. Um den Zielen dieses Wör- bringende vs. erwerbende, letztere in auf Konsens beru-
terbuchs gerecht zu werden, wird deshalb versucht, einen hend vs. durch Gewalt und letztere wiederum in beim
überschaubaren, auch dem Nicht-Experten verständli- Kampf vs. beim Nachstellen (Jagen) usw. [2] Wichtiger
chen Überblick aus einer linguistisch-rhetorischen Per- für die Entstehung der L. ist, daß die Philosophie beson-
spektive zu geben. Behandelt wird deshalb im Abschnitt ders in der platonischen Akademie in Dialogform - die
<Im Zentrum: Formalisierung, Algebra und symbolische noch in den platonischen Dialogen manifest ist - prakti-
L.> vom mathematisch-logischen Forschungszweig nur ziert wird; um auf diese τέχνη διαλεκτική (téchnê dialek-
die Symbolische L., d.h. die formale Prädikaten- und tiké), diese philosophische Gesprächskunst vorzuberei-
Aussagenlogik, wie sie sich in der inzwischen gemeinhin ten, hat sich eine besondere Form des Gesprächs, näm-
akzeptierten Form darstellt. Die relativ ausführliche lich das dialektische Übungsgespräch (γυμνασία, gymna-
Darstellung des Standardkalküls, die sicher vom Leser sia) entwickelt. Darauf bezieht sich die aristotelische
eine besondere Anstrengung verlangt, war allein schon <Topik>, die erste systematische Abhandlung in der
deshalb notwendig, weil im Abschnitt <Alte und neue Geschichte der L. Aristoteles will nämlich mit der
Probleme im Zentrum> die Grenzen dieses Kalküls an <Topik>, wie er in den ersten Sätzen dieser Schrift hervor-
zwei zentralen Problemen aufzeigt werden, nämlich dem hebt, eine «Methode liefern, durch die wir befähigt wer-
Problem der Referenz von Eigennamen und bestimmten den, über jedes vorgelegte Problem aus Endoxa (d.h. aus
Kennzeichnungen bei RUSSELL, QUINE u.a. und dem gemeinhin akzeptierten Meinungen) Schlüsse zu ziehen,
Kernproblem der L., dem Problem der Schlußfolgerung. und auch nichts Widersprüchliches zu sagen, wenn wir
Bei dieser Kritik bildet der Vater der modernen symboli- Rede und Antwort zu stehen haben» [3]; damit
schen L., G. FREGE, den Dreh- und Angelpunkt. Wesent- beschreibt Aristoteles nicht nur die allgemeinen Spielre-
liches Ergebnis dieser immanenten - d.h. aus den Annah- geln des dialektischen Übungsgesprächs, sondern auch
men der symbolischen L. heraus geführten - Diskussion die zentrale Aufgabe jeder L.: eine nachprüfbare
ist der Nachweis, daß weder die sprachliche Referenz auf Methode zu liefern, wie man im reflektierten Dialog
singulare Gegenstände noch das alltagslogische und wis- widerspruchsfrei Schlüsse ziehen kann. Es ist sicher das
senschaftliche Schließen von der symbolischen L. große Verdienst von E. KAPP [4], diesen Ursprung der L.
adäquat erklärt werden können. Dem schließt sich ein aus dem dialektischen Gespräch herausgearbeitet zu
kurzer Abschnitt zu Erweiterungen: Von der Modallo- haben, freilich um den Preis einer Vernachlässigung der
gik zur informellen Logik> an, der nicht nur einen groben logischen Aspekte der <Topik>.
Überblick über aktuelle Forschungsrichtungen gibt, son- Aristoteles verwendet in der <Topik> für das wider-
dern auch den Nachweis führen will, daß heute noch - spruchsfreie Schließen den Ausdruck συλλογισμός (syl-
zwar vielfältiger und arbeitsteilig differenzierter - das logismós), d.h. schlußfolgernde Rede. Schon in dieser
alte, schon bei Aristoteteles ausgeschriebene Problem- Schrift bedeutet syllogismós - wie auch in den späteren
feld der L. fortbesteht: vom Wort über den Satz zum <Analytiken> - Schluß (der je nach Art der Prämissen
Schluß, im eigentlichen und uneigentlichen, aber auch und der Stringenz der Folgerung weiter in einen apodik-
sophistischen Gebrauch. tischen, dialektischen, rhetorischen usw. Syllogismus dif-
ferenziert werden kann). Um diese verschiedenen For-
Anmerkungen: men der schlußfolgernden Rede zu bezeichnen, verwen-
lallg. C. Prantl: Gesch. d. L. im Abendlande, Bd. 1 - 4 (1855-70, det Aristoteles noch nicht den modernen Ausdruck
N D 1997); J.M. Bocheñski: Formale L. (1962); M. Kneale, W. <logisch>. In der Spätschrift, den <2. Analytiken), werden
Kneale: The Development of Logic (Oxford 1962); R. Blanché:
La logique et son histoire (Paris 2 1996). - 2 vgl. Prantl [1] 1,32 u.
vielmehr das Adjektiv λογικός (logikós) wie das Adverb
402. - 3 Bocheñski [1] 154; zum Einfluß der Stoa M.L. Colish: λογικώς (logikós) [5] im Sinne von dialektischen Schlüs-
The Stoic Tradition from Antiquity to the Early Middle Ages, 2 sen verstanden und deshalb auch gegen analytische
vol. (Leiden 1985). (αναλυτικώς, analytikös) Schlüsse mit notwendig wah-
ren Prämissen abgegrenzt. [6] Der Ausdruck <Logik>, der
Literaturhinweis: auf das griech. Adjektiv logikós in der Verbindung τέχνη
W. Marciszewski: Logic from a Rhetorical Point of View (1994). λογική (téchnë logikë) - Kunst/Wissenschaft der L. -
zurückgeht, wird erst im 1. Jh. v. Chr. von der peripateti-
B.I. Antike. Die Gründungs- und zugleich Hauptphase schen Schule als Terminus technicus im Sinne von
der antiken L. fällt in die Zeit von 350 bis etwa 200 vor <Werkzeug (Organon) des Denkens> verwendet, ein
Chr., in der sich die beiden großen Denkrichtungen, die Sprachgebrauch, der sich erst im 3. nachchristlichen Jh.
aristotelische und die megarisch-stoische L., herausbil- durchsetzen sollte [7] - daneben blieb noch die megari-
den. Danach beginnt eine lange Periode der Kommen- sche und stoische Bezeichnung <Dialektik> für die L. bis
tare zu diesen beiden Schulen, die bis Boethius im 6. Jh. in die Neuzeit bestehen.
n. Chr. dauern sollte - je nach Bewertung eine Periode 1. Aristoteles, a. Kategorien, Satz, Syllogismen.
des Synkretismus oder der Synthese. Die Vorphase wird <Organon> (im Sinne von <Werkzeug des Denkens>) ist
nicht gesondert besprochen, weil ihr Verdienst eher im gleichzeitig der Titel, den die späten Peripatetiker den
staunenden Sehen und Erfahren sowie praktischen logischen Schriften ARISTOTELES' (<Kategorien>, <Her-
Durchspielen sprachlich-logischer Probleme und Para- meneia> (<De interpretationo), <1. und 2. Analytiken>,
doxien liegt und weniger in deren begrifflich-systemati- <Topik>, <Sophistische Widerlegungen^ gaben. Die Rei-

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henfolge der im <Organon> überlieferten Schriften läßt Die Symbole a, i, e, o wurden in mittelalterlichen Lehr-
eine didaktische Intention erkennen: Die <Kategorien> werken eingeführt (sie sind aus Afflrmo und nEgO abge-
behandeln die Begriffe, <De interpretatione> die Verbin- leitet): «Jede Demonstration und jeder Syllogismus
dung von Begriffen im Satz, die <1. Analytikern die Ver- beweisen eine Zuordnung oder Nicht-Zuordnung auf ein
knüpfung von Sätzen zu Syllogismen, die <2. Analytikern Subjekt, und dies entweder universell oder partiku-
untersuchen dann den wissenschaftlich-beweisenden lär.» [15] Die Beziehungen zwischen diesen Aussagefor-
Syllogismus, die <Topik> und <Sophistische Widerlegun- men werden seit A P U L E I U S (2. Jh.) in folgendem logi-
gen) hingegen den nur wahrscheinlichen und scheinba- schen Quadrat veranschaulicht [16]:
ren Syllogismus. Diese Reihenfolge entspricht jedoch
nicht der Entstehungsgeschichte: <Kategorien>, <Topik>,
<Hermeneia>, «Sophistische Widerlegungen), <1. und 2. Universell Universell
bejahend konträr verneinend
Analytiken). Da Aristoteles (oder auch Kompilatoren)
einzelne Teile seiner Schriften ergänzt oder umgeschrie-
ben hat, finden sich etwa nicht nur in den <Analytiken>
Hinweise auf die <Topik>, sondern auch umgekehrt. Aus
der Sicht der rhetorischen L. wird man diesen Schriften
jene Stellen der <Rhetorik> hinzufügen müssen, in denen
Aristoteles die L. des Enthymems zu bestimmen sucht,
also vor allem II, 22 und 23. In allen Schriften bleibt die
allgemeine Bestimmung des Syllogismus, also der
schlußfolgernden Rede identisch: «Der Schluß (syllo-
gismós) ist eine Rede (lògos), bei der gewisse Dinge
gesetzt werden und etwas anderes als dieses Gesetzte mit
Notwendigkeit aufgrund dessen, was gesetzt wurde, Partikulär subkonträr Partikulär
folgt» [8]. Kurz: der Syllogismus ist eine «Prämissen- bejahend verneinend
Conclusio-Argumentation» [9]. Prämissen wie Konklu-
sionen sind Aussagesätze (lógoi apophantikoí), die (1) a- und o-Aussagen sind kontradiktorisch und können
wahr oder falsch sein können und die (2) ein Subjekt ent- nicht zugleich wahr sein, weil die Negation der ganzen
halten, dem ein Prädikat (rhéma) zugeordnet wird. Diese universellen Aussage «Es trifft nicht zu, daß alle Men-
Zuordnung wird in der kanonischen Form durch die schen mutig sind» (non-a) die Aussage «Einige Men-
Kopula ist gewährleistet (Dieser Mensch (S) IST groß schen sind nicht mutig» (o) ergibt; a- und e-Aussagen
(Ρ)): S ist P. Deshalb ist auch die Kopula IST implizit in sind bloß konträr, weil die Negation «Nicht alle Men-
einem Satz wie «Der Mensch geht umher» enthalten, der schen sind mutig» nicht nur den Grenzfall «Kein Mensch
deshalb - wie Aristoteles schon in der <Hermeneia> ist mutig», sondern auch «einige Menschen sind nicht
betont - bedeutungsgleich mit «Dieser Mensch ist mutig» meinen kann (deshalb können beide konträren
umhergehend» [10] ist. Aussagen zugleich falsch sein); subkonträre Aussagen
Aussagesätze können nach dem Modus, nach der Art können hingegen beide zugleich wahr sein, da ja «Einige
des Prädikats und nach dem Grad der Allgemeinheit Menschen sind mutig» durchaus mit «Einige Menschen
unterschieden werden. Hinsichtlich des Modus unter- sind nicht mutig» kompatibel ist; a- und i-Aussagen sind
scheidet Aristoteles die bejahende (apóphasis) und die schließlich subaltern, da aus «Alle Menschen sind mutig»
verneinende Aussage (katáphasis) - je nachdem, ob dem auf «Einige Menschen sind mutig» gefolgert werden
Subjekt, dem <Zugrundeliegenden> (hypokeimenon), ein kann. Aus diesen Unterscheidungen und Abkürzungen
Prädikat zugeordnet oder abgesprochen wird. Hinsicht- ergeben sich die im Mittelalter eingeführten Bezeich-
lich des zweiten Kriteriums lassen sich kategorial zehn nungen für bestimmte Schlußformen bzw. syllogistische
Satzarten unterscheiden: Substanz, Quantität, Qualität, Modi wie Barbara oder Darii:
Relation, Ort, Zeit, Lage, Besitz, Handlung, Erleiden.
(Pferd, drei Meter lang, weiß, doppelt, in der Schule, letz-
tes Jahr, sitzt, bewaffnet, schneidet, wird gebrannt). [11] Barbara
Hinsichtlich des dritten Kriteriums unterscheidet Aristo- maior Alle Menschen (B) sind sterblich (A) a
teles in der <Hermeneia> nur die singulären und die allge- minor Griechen (C) sind Menschen (B) a
meinen Sätze, denen grammatisch Eigennamen (Sokrates
geht umher) bzw. Gattungsnamen (Der Mensch ist sterb- conclusio Also sind Griechen (C) sterblich (A) a
lich) entsprechen. [12] Die allgemeinen Sätze werden
dann zwar in den <Analytiken> weiter in universelle (Alle Darii
Menschen sind sterblich), partikuläre (Einige Menschen maior Alle Athener (B) sind Griechen (A) a
sind Lehrer) und unbestimmte (Ein Mensch kann tanzen) minor Einige Musiker (C) sind Athener (B) i
- d. h. in denen weder Universalität noch Partikularität conclusio Also sind einige Musiker (C) Griechen (A) i
explizit benannt sind - unterschieden [13], in der Syllogi-
stik selbst werden aber die unbestimmten Aussagen als
partikuläre Aussagen behandelt. Dies bedeutet, daß man Die Prädikate in den Teilaussagen müssen keine essen-
sie im Sinne von einige und mindestens ein verstehen tiellen oder typischen Eigenschaften ausdrücken, da
kann. Da die Syllogistik letztlich auf Relationen zwi- auch Aussagen mit akzidentellen Prädikaten wie «Einige
schen Prädikaten beruht, fehlen in ihr auch die singulä- Griechen laufen umher» möglich sind. Aristoteles
ren Aussagen. Damit berücksichtigt die Syllogistik der bezeichnet den Term Β, der die Vermittlung zwischen
«Analytikern - wie schon die <Topik> [14] - vier Aussage- den beiden extremen (akrá) Termen garantiert, mittleren
formen: universell bejahend (a), universell verneinend Term, A ist der erste und größere Term, weil er zuerst
(e), partikulär bejahend (i), partikulär verneinend (o). genannt wird und eine größere Extension als der kleinere

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und letzte Term C hat. Entsprechend heißt die Prämisse mit Variablen zu tun hat.» [22] Für Lukasiewicz hat Ari-
mit dem extensional größeren Term A praemissa maior, stoteles sogar moderne aussagenlogische Ideen vorweg-
die zweite hingegen praemissa minor. Da die größere genommen, da man eine Formulierung wie «Wenn das A
Prämisse immer zuerst aufgeführt wird, heißt sie auch von jedem Β ausgesagt wird (p), und das Β von jedem C
Obersatz, die kleinere Prämisse hingegen Untersatz. Die (q), dann wird das A notwendig von jedem C ausgesagt
Schlußmodi Barbara und Darii gehören zur 1. Figur, da (r)» durchaus im modernen Sinne als Implikation <wenn ρ
in ihnen der mittlere Term zugleich als Subjekt und als und q, dann r> verstehen könne, symbolisiert:
Prädikat verwendet wird [17]; in der 2. und 3. Figur fun-
giert der mittlere Term nur als Prädikat bzw. als Subjekt. (P A q) r
Veranschaulicht (für den mittleren Term ist jeweils M Danach ist der Syllogismus ein Satz, der die Form einer
eingesetzt); vgl. Abb. 1. Implikation hat. [23] Gegen diese moderne Interpreta-

1. Figur (4. Figur) 2. Figur 3. Figur


maior Alle M sind A Alle A sind M Alle A sind M Alle M sind A
minor Alle C sind M Alle M sind C Kein C ist M Alle M sind C
conclusio Also sind alle C A Also sind einige CA Also sind kein C A Also sind einige C A

'· 1)
Die 2. und 3. Figur definiert Aristoteles formal nach der tion wendet PRIOR schon 1952 ein: «Die Analytica priora
Stellung des Mittelbegriffs in den Prämissen, die 1. Figur sind letztendlich kein Buch mit Syllogismen, sondern ein
bestimmt er zusätzlich extensional (C ist in M und M in A Buch über Syllogismen.» [24] Und in einer späteren
enthalten). Die 4. Figur, erst Ende des Mittelalters Abhandlung betont Prior, daß «eine Feststellung über
belegt, wurde seit der Renaissance fälschlicherweise einen Syllogismus nicht selbst ein Syllogismus» sei (a sta-
G A L E N (2. Jh. n. Chr.) zugeschrieben [18], Aristoteles tement about a syllogism is not itself a syllogism). [25]
selbst behandelt ihre Formen als indirekte Formen der 1. PATZIG, der sich in der ersten Auflage seiner Untersu-
Figur. [19] chung zur Syllogistik noch eng an Lukasiewicz hält, gibt
Das Anliegen der <1. Analytikern ist nun, nachzuwei- diese Position mit der zweiten Auflage auf. [26]
sen, welche der jeweils möglichen Modi bzw. Kombina- Ein weiterer Einwand gegen die These Lukasiewicz'
tionen von a, i, e und o in den einzelnen Figuren logisch ergibt sich, wie PRIMAVESI betont, daraus, daß Aristoteles
gültig sind. In der ersten Figur sind dies neben den im 1. Buch der <1. Analytiken) explizit die apodiktische
genannten Barbara und Darii die Modi Celarent (Kein M von der dialektischen Prämisse unterscheidet, wobei die
ist A; alle C sind M; kein C ist A) und Ferio (Kein M ist A; erstere von dem, der beweist (apodeiknyön), gesetzt
einige C sind M; einige C sind nicht A), d.h. die erste Prä- wird, während die letztere erst in einem bestimmten
misse ist immer universell (bejahend (a) oder verneinend Sinne vom Gesprächsteilnehmer erfragt werden
(e)), die zweite hingegen immer bejahend (universell (a) muß.[27] Hier verweist Aristoteles darauf, daß in der
oder partikulär (i)); kurz: «Wenn die drei Terme so mit- dialektischen Disputatio der Argumentierende zunächst
einander verknüpft sind, daß der letzte ganz im mittleren seinem Gegenüber eine Entscheidungsfrage stellt (etwa:
und der mittlere ganz im ersten enthalten oder nicht ent- Kann die Seele sich bewegen oder nicht) und die von die-
halten ist, dann liegt notwendig ein vollständiger Schluß sem gegebene Antwort als Ausgangspunkt und Prämisse
der äußeren Terme vor.» [20] Einer langen Tradition fol- seiner eigenen Argumentation nimmt. Da in beiden Fäl-
gend wurden die Syllogismen bisher als Schlußfiguren len nach Aristoteles ein Syllogismus vorliegt, ist klar, daß
bzw. Schlußmodi dargestellt. Dies entspricht nicht der ari- dieser nicht als ein Satz verstanden werden darf, sondern
stotelischen Darstellung. Aristoteles formuliert nämlich als Schluß, in dem die Prämissen und die Konklusion als
die Syllogismen als hypothetische Sätze der Form: «Wenn getrennte Sprechakte formuliert werden. Dem entspre-
chen Stellen, in denen sich Aristoteles explizit mit «aus
das A von jedem Β ausgesagt wird, und das Β von jedem C,
diesen so gesetzten (Prämissen) ergibt sich die Notwen-
dann wird das A notwendig von jedem C ausgesagt.» [21]
digkeit, daß ...» [28] auf die Schlußfigur selbst bezieht.
Diese Formulierung unterscheidet sich in dreierlei Hin-
sicht von einem konkreten Schluß wie etwa das oben gege- Ein weiterer von Primavesi vorgebrachter Einwand
bene Barbara-Argument: 1. Die Zuordnung des Prädi- ist, daß nach Aristoteles «die apodeiktische Prämisse ein
kats wird nicht mehr durch die Kopula IST vorgenommen, wahrer Satz mit Prinzipiencharakter, die dialektische
sondern durch die von der Grammatik des Griechischen Prämisse hingegen ein weithin anerkannter Satz sein soll.
unabhängigen Formulierung: «Wenn das Prädikat A von Solche inhaltlichen Bedingungen können aber von
einem Β ausgesagt wird [...]»; 2. statt konkreter Terme einem Gebilde wie <Das A kommt jedem Β zu> schwer-
werden Variablen verwendet; 3. der Syllogismus wird als lich erfüllt werden.» [29] Dieser Einwand ist nicht stich-
ein einziger Satz (und nicht in Form von drei unabhängi- haltig. Nicht nur, weil nicht alle in den <Analytiken>
gen Sätzen formuliert). Die Verwendung der Kopula SEIN behandelten Syllogismen wahre Sätze mit Prinzipiencha-
ist somit für die Bestimmung eines Satzes nicht notwen- rakter als Prämissen verlangen: «Die Apodeixis ist eine
dig, da dieser - unabhängig von den Konventionen einer Art von Syllogismus, nicht jeder Syllogismus ist aber eine
bestimmten Sprache - als eine Rede bestimmt werden Apodeixis» [30], sondern allein schon deshalb, weil man
kann, in der einem Zugrundeliegenden (Substanz) ein ja durchaus in einem ersten Schritt die beiden Schlußar-
Prädikat zugeordnet wird. Welche Bedeutung soll man ten nach dem Grad der Notwendigkeit ihrer Prämissen
der Verwendung von Variablen zumessen? Mit Ross und unterscheiden kann, um dann in einem zweiten Schritt
LUKASIEWICZ kann man Aristoteles als Begründer der
unabhängig vom spezifischen Inhalt zu untersuchen, wel-
formalen L. bezeichnen, unter der Voraussetzung frei- che Kombinationen von a, e, i, o bei Schlüssen logisch
lich, daß man mit BOCHENSKI einschränkt: «Es sieht so wahr bzw. stringent sind - genau das tut Aristoteles.
Hinzu kommt ein ganz wesentlicher Aspekt. Aus Aristo-
aus, als ob er selbst überhaupt nie bemerkt hat, daß er es

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teles' Ausführungen folgt ja, daß dialektische und apo- Barbara


deiktische Schlüsse verschiedene Arten des Schließens
darstellen, beide aber die gleiche Form der Rede darstel- A kommt allen Μ (Β) zu SCHLUSSGARANT
len, eben die, aus etwas Gesetztem auf etwas anderes als Μ (Β) kommt allen C zu (SG barbara)
das Gesetzte zu schließen. Aus diesem Unterschied zwi- Also kommt A allen C zu [logisches Gesetz]
schen inhaltlicher und logischer Wahrheit - genauer: zwi-
schen sachlicher Wahrheit und logischer Gültigkeit -
erklärt sich, daß Aristoteles nicht nur sagen kann, daß Als logisches Gesetz könnte dieser Schluß wie folgt for-
aus Wahrem immer Wahres erschlossen wird, sondern muliert werden: «Wenn A allen M zukommt, und M allen
auch, daß aus Falschem Wahres gefolgert werden kann - C, dann kommt A allen C zu», also ohne das Notwendig-
d.h. aus sachlich falschen Prämissen können logisch gül- keitsprädikat im Nachsatz. Somit läßt sich die Gültigkeit
tig sachlich wahre Konklusionen inferiert werden (ein eines konkreten Schlusses nachweisen, indem man zeigt,
triviales Beispiel: Alle Tiere sind fähig-zum-Schwimmen; (1) daß er ein Beispiel des Schlußmodus Barbara ist, oder
Fische sind Tiere; also sind Fische fähig-zum-Schwim- (2) daß er der Schlußregel SÄ barbara folgt, oder daß er (3)
men). [31] aus einem logischen Gesetz ableitbar ist. Spätantike und
Das gegebene Beispiel kann zugleich den zentralen Mittelalter (dem Beispiel von Apuleius oder von Boe-
Einwand gegen die Interpretation der aristotelischen thius folgend) werden im Gegensatz zu Aristoteles' For-
Syllogistik als Aussagenlogik illustrieren: selbst in seiner mulierung (2) die konfigurationale Darstellung (1) vor-
Schlußlehre, in der ja drei Aussagen miteinander ver- ziehen. Die Formulierung (3) als logisches Gesetz, das
knüpft sind, denkt Aristoteles die logischen Beziehungen innerhalb eines Aussagenkalküls begründbar ist, erfolgte
nicht als Beziehungen zwischen Sätzen, sondern als erst in der Moderne.
Beziehungen zwischen Konfigurationen von Prädikaten Damit läßt sich auch das Anliegen der aristotelischen
innerhalb von Sätzen. Die aristotelische L. bleibt wesent- Syllogistik einfach formulieren: Die <Analytiken> unter-
lich Begriffslogik. Daß dies gleichermaßen für die suchen Konfigurationen von drei generischen Termen X,
<Topik> und die <Sophistischen Widerlegungen) gilt, soll M und Y hinsichtlich ihrer wechselseitigen (Nicht-)Prädi-
im folgenden deutlich werden. Wie soll man dann die zierbarkeit nach den Modi universell oder partikulär,
Standardformulierung in den <1. Analytikern verstehen: wobei ein Term, der Mittelterm M, in beiden Prämissen
«Wenn das A von jedem Β ausgesagt wird, und das Β von vorkommt. Konfigurationen von Prämissen, die
jedem C, dann wird das A notwendig von jedem C ausge- bestimmte Konfigurationen der Konklusion notwendig
sagt»? Der entscheidende Hinweis ist in der Formulie- machen, sind gültige Syllogismen; ihre Geltung kann
rung selbst zu suchen. Aristoteles verwendet nämlich in durch einen Schlußgaranten der Form SG formuliert wer-
der Regel für die Formulierung von notwendigen Prä- den. Dieser konfigurationalen Bestimmung der L. ent-
missen die Präpositionalphrase έξ άνάγκης (ex anánkes), spricht nicht nur, daß Aristoteles von σχήματα
d.h. aus Notwendigkeit, um zum Ausdruck zu bringen, (schemata), d.h. von Figuren spricht, sondern auch, daß er
daß ein Prädikat einem Subjekt notwendig zukommt in den <Analytiken> nur die Konfigurationen, deren Kon-
(also etwa: das Prädikat Lebewesen (P) kommt dem Sub- klusion als notwendig beweisbar ist, als Syllogismen
jekt Mensch (S) mit Notwendigkeit zu); von dieser einfa- bezeichnet: «Wenn Β keinem C und A einigen Β [...]
chen oder absoluten Notwendigkeit ist die logische oder zukommt, so liegt auch kein Syllogismus vor» (vgl. etwa
relative Notwendigkeit zu unterscheiden, für die Aristo- das von Aristoteles selbst gegebene Beispiel: «Wenn weiß
(A) nur einigen Pferden (B) zukommt und Pferd (B) kei-
teles fast durchgängig die Nominalkonstruktion άνάγκη
nem Schwan (C), so liegt kein Syllogismus vor»), [36] Die
(anànkë) mit Infinitiv verwendet. [32] Die linguistische
gültigen Syllogismen der 1. Figur sind «vollkommen»
Struktur der Sätze, mit denen Aristoteles die Gültigkeit (téleios), weil sie «nichts anderes als das in den Prämissen
von Syllogismen formuliert, ist somit: Gesetzte voraussetzen», die Syllogismen der übrigen
SG «Wenn eine Konfiguration des Typs K¡ gegeben ist, Figuren sind «unvollkommen», da sie weiterer Sätze
dann ist eine Notwendigkeit gegeben (gilt notwendig), daß bedürfen. [37] Hinzu kommt, daß die Konklusionen der 2.
A von allen/einigen C (nicht) ausgesagt wird.» Figur immer negierend sind und die der 3. zwar affirmativ
Da es sich hier um logische Evidenzen handelt, erklärt sein können, dies aber nur partikulär. [38] Diese Privile-
sich, daß sich manchmal auch die Formulierung «... ist gierung der gültigen Syllogismen der 1. Figur ist nach
offenkundig (φανερόν, phanerón), daß ...» findet.[33] Bocheñski darauf zurückzuführen, daß sie «intuitiv evi-
Auch das Futur, das im Griechischen auch Notwendig- dent» [39] sind. Für PATZIG hingegen ist die Vollkommen-
keit ausdrücken kann, ist möglich. [34] Da in den Sätzen heit der ersten Figur - «und zwar unübertrefflich bei Bar-
mit der Struktur SG Vorder- und Nachsätze durch einen bara» - darin begründet, daß die «Transitivität der Rela-
Satzoperator, der die Art der logischen Beziehung zwi- tion <allgemein zukommen») unmittelbar sichtbar und
schen ihnen explizit benennt, verknüpft sind, kann man einsichtig ist. [40] Da damit jedoch die Tatsache, daß für
hier sicher nicht von einer Implikation im Sinne der Aus- Aristoteles auch die übrigen gültigen Syllogismen der 1.
sagenlogik sprechen. Das sagt sinngemäß auch Patzig, Figur (Celarent, Darii und Ferio) vollkommen sind, nicht
wenn er betont, daß «der Zusatz άνάγκη in einer Conclu- erklärt werden kann, scheint die von E B E R T vorgeschla-
sio anzeigen soll, daß das, was der Satz, der als Conclusio gene Lösung plausibler: Nimmt man nämlich in einem
auftritt, behauptet, notwendigerweise wahr ist, wenn die Barbara-Schluß (Alle M sind A; alle C sind M; also sind
Prämissen wahr sind.» [35] Um diese spezifische Form alle C auch A) in der unteren Prämisse irgendein Indivi-
von der aussagenlogischen Implikation terminologisch duum χ, für das der Subjektsterm C zutrifft, so muß auf-
eindeutig abzugrenzen, sprechen wir bei Sätzen mit der grund der Allaussage diesem x auch der Prädikatsterm M
Struktur SG von Schlußgaranten-, ein Schlußgarant zukommen; da M zugleich Subjektsterm der oberen Prä-
belegt damit die logische Gültigkeit eines Satzes der misse ist, muß diesem x auch der Prädikatsterm der obe-
Form A kommt einigen/allen C (nicht) zu aufgrund einer ren Prämisse A zukommen, d.h. alle C sind auch A. Die
bestimmten Konfiguration der beiden Vordersätze. Am gleiche Überlegung läßt sich offenbar auch für die ande-
Beispiel des Modus Barbara verdeutlicht:

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ren gültigen und vollkommenen Syllogismen durchfüh- Die Zurückführung auf das Unmögliche sei mit Aristo-
ren. [41] Das Gemeinte läßt sich wie folgt darstellen: teles am Modus Baroco verdeutlicht ( Α , Β und C seien
Athener, Grieche und Musiker)·, vgl. Abb. 2.
Barbara Zuerst wird die Konklusion 3. als falsch gesetzt, d.h.
die Wahrheit ihres kontradiktorischen Gegenteils (5t)
angenommen; wird dies als zweite Prämisse (4.) bei Bei-
behaltung der ersten Prämisse von Baroco (5.) einge-
setzt, erhält man einen Barbaraschluß mit A als Mittel-
term. Da nun die Konklusion 6. dieses Barbaraschlusses
das kontradiktorische Gegenteil der als wahr gesetzten 2.
Prämisse darstellt, muß dieser Barbaraschluß verworfen
werden, d.h. eine seiner beiden Prämissen muß falsch
sein; da 5. im Barbaraschluß in 1. als wahr angenommen
wurde, kann nur 4. falsch sein - d.h. sein kontradiktori-
sches Gegenteil 3. muß wahr sein. Dieses Beweisverfah-
ren läßt sich etwa auch für Darapti, einen Modus der 3.
Figur, anwenden: «Wenn A und Β jedem· C zukommen,
gilt notwendig, daß auch A einigen Β zukommt; wenn A
nun keinem B, aber Β jedem C zukommt, dann kommt A
keinem C zu. Aber die Annahme war, daß es allen
zukommt.» [44]
(3) Die Heraushebung besteht darin, daß man eine
Gruppe oder ein Individuum, die unter den Mittelbegriff
Hier ist auch für Darii (Alle M sind A ; einige C sind M; fallen, herausgreift, also etwa, wenn man im Modus
also sind einige C auch A ) unmittelbar einsehbar, daß aus Darapti (Wenn A (Grieche) jedem C (Athener)
der unteren Prämisse (einige C sind M ) sichtbar folgt, zukommt, und Β (Mensch) jedem C, dann kommt A eini-
daß einem x, dem C und M zukommt, notwendig auch A gen Β zu) die Gruppe mit dem Namen Kritias heraus-
zukommt. Von hier aus läßt sich auch das schon im Mit- greift; in diesem Fall gilt: «Allen mit Namen Kritias muß
telalter zur Erklärung vollkommener Syllogismen heran- A und Β (da sie ja C sind) zukommen, also gibt es einige
gezogene Prinzip des dictum de omni et nulli einsichtig B, denen A zukommt.» [45]
machen: «was von allem (oder keinem) einer Menge aus- b. Modallogik. Neben den bejahenden oder verneinen-
gesagt wird, wird auch von allem (oder keinem) in dieser den Syllogismen untersucht Aristoteles auch die moda-
Menge Enthaltenen ausgesagt». Eine neuere Untersu- len Syllogismen, d.h. Schlüsse, in denen Modalprädikate
chung von R. PATTERSON macht zudem plausibel, daß wie möglich oder notwendig vorkommen. Bis heute ist
Aristoteles selbst eine Variante dieses Prinzips, das allgemein anerkannt, daß diese Modallogik zum schwie-
offenbar den umgekehrten Weg als die Ebertsche Erklä- rigsten Gebiet der L. gehört. Deshalb kann Bocheñski
rung geht, bekannt war. [42] auch noch den mittelalterlichen Merkspruch « D e moda-
Die Privilegierung der vollkommenen Syllogismen libus non gustabit asinus» (Ein Esel wird an den Modal-
der 1. Figur zeigt sich auch darin, daß Aristoteles die schlüssen kein Gefallen finden) nicht nur zitieren, son-
gültigen Syllogismen der 2. Figur (Baroco, Festino, dern auch kommentieren: «aber man braucht keineswegs
Camestres, Cesare) und der 3. Figur (Bocardo, Ferison, ein Esel zu sein, um sich in diesem Labyrinth von
Felapton, Disamis, Datisi, Darapti) durch die drei fol- abstrakten Gesetzen zu verlieren: Theophrast, dann fast
genden Beweisverfahren auf die vollkommenen Syllo- alle Modernen, bis 1934, haben das System vollständig
gismen der 1. Figur zurückführt: (1) die Umkehrung mißverstanden.» [46] Die Jahresangabe bezieht sich auf
(Konversion), (2) die Zurückführung auf das Unmögli- die bahnbrechenden Arbeiten von A . BECKER zur aristo-
che (reductio ad impossibile) und (3) die Heraushebung telischen Modallogik. [47] Gleichzeitig betont Bocheñski
(éxthesis; extractio). [43] (1) Die Umkehrung ist bei ver- jedoch, daß viele Stellen «dunkel» seien und kommt zum
neinenden universellen Prämissen möglich, also etwa im abschließenden Urteil, «daß diese Modallogik, im
Modus der 2. Figur Cesare (man kann hier für Α , Β und Gegensatz zur assertorischen L., nur ein erster Entwurf
C respektive Fisch, Mensch und Grieche einsetzen): geblieben ist.» [48] Diese skeptische Beurteilung wird
«Wenn Β keinem A zukommt, und Β jedem C, dann von vielen modernen Logikern sogar verallgemeinert:
kommt C keinem A zu» - durch Umstellung der ersten «Die Modalitätenlogik ist weitgehend noch ein offenes
Prämisse erhält man Celarent («Wenn A keinem Β Feld der Forschung.» [49]
zukommt, und Β jedem C, dann kommt C keinem A Daß dieses Feld so offen geblieben ist, ist sicher auch
zu»), also einen vollkommenen Modus der 1. Figur. (2) darauf zurückzuführen, daß die gerade in diesem Gebiet

Baroco BEWEIS Barbara


1. Β kommt jedem A zu 5. Β kommt jedem A zu
2. Β kommt einigen C nicht zu - 4. A kommt jedem Ç zu
3. A kommt einigen C nicht zu φ 4, A kommt jedem C zu ^ 6. Β kommt jedem C zu
6. Φ 2.
~4.
also 3.

(Abb. 2)

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zentrale Frage der syntaktischen Form der sprachlichen telbar einsichtig, wenn man diese Sätze wie folgt veran-
Formulierung von Modalitäten entweder - wie bei Ari- schaulicht:
stoteles - überhaupt nicht oder wie bis weit in die
Moderne - nicht hinreichend reflektiert wurde. Im Zen- Zuschreiben [S ist P] ist M (Mp) S ist Ρ
trum der aristotelischen Modallogik stehen Überlegun- Negation [S ist P] ist nicht-M (~Mp) S ist nicht-P
gen zur semantischen Struktur von Modalausdrücken,
was natürlich auch die Reflexion auf mehrdeutige Aus- Diese Analyse gilt auch für die übrigen Modalprädikate
drücke einschließt. So zeigt Aristoteles in der <Herme- K(ontingent) (ένδεχόμενον, endechómenon), U n m ö g -
neia>, daß der Modalausdruck möglich mehrdeutig lich) (άδύνατον, adynaton) und N(otwendig) (άναγκαΐ-
ist. [50] Man kann nämlich (la) von jemandem, der ov, anankaíon) - zu denen er auch W(ahr) rechnet, was
gerade geht, sagen: «Es ist ihm möglich zu gehen», da er nicht mehr dem heutigen Verständnis entspricht. Da es
in allen Fällen um das (Nicht-)Vorliegen von Sachverhal-
ja faktisch geht; bei <Dingen, die zur Bewegung fähig
ten geht, bezeichnet man diese Prädikate auch als alethi-
sind> gilt somit: aus der Faktizität folgt die Möglichkeit -
sche Modi, d.h. als Modi, in denen es um die Wahrheit
als Satz formuliert: (lb) «Für Menschen ist es möglich zu von Aussagen geht. Wenn man nun das Mögliche und
gehen»; (2) in einem Satz wie «es ist möglich, daß er Kontingente im skizzierten Sinne als das, was nicht
nachher geht», bedeutet möglich hingegen etwas, das unmöglich ist, versteht, gelten offenbar folgende Bezie-
unter bestimmten Bedingungen realisiert werden, d.h. hungen [53]:
ein Faktum sein könnte, das aber auch nicht sein könnte.
Offenbar kann man in den Fällen (la) und (lb) statt Mp = Kp = -Up = ~N~p
möglich auch nicht unmöglich sagen. Nun ist beim not-
wendig Seienden, dem schlechthin Notwendigen, nur das d.h., wenn ein Sachverhalt ρ möglich oder kontingent ist,
möglich in der Bedeutung (1), nicht aber in der Bedeu- dann ist er auch nicht unmöglich und nicht notwendig
tung (2) verwendbar und wahr: man kann ja vom notwen- nicht der Fall. Ebenso gilt:
dig Seienden nicht sagen, daß es sich unter bestimmten
Bedingungen realisieren könnte. Daraus schließt Aristo- M~p = K~p = ~U~p = ~Np
teles, daß das Mögliche - freilich nur in der Bedeutung ~Mp = ~Kp = Up = N~p
(1) - aus dem (schlechthin) Notwendigen folgt, was ihn ~M~p = ~K~p = U—p = Np
wiederum spekulativ zur ontologischen Annahme führt,
daß das Notwendige und Nicht-Notwendige erste Prinzi- Da das Kontingente (das, was geschehen kann) sich
pien des Seins bzw. Nicht-Seins sind (und daß daraus die somit logisch wie das Mögliche verhält, scheint der
übrigen Modalitäten abgeleitet werden müssen), aber Unterschied ontologischer Natur zu sein; Aristoteles zer-
auch zur Annahme, daß das, was aus Notwendigkeit ist legt nämlich das Kontingente in «unbestimmtes» und
«das, was meistens geschieht» [54]; letzteres ist für ihn
(τό έξ άνάγκης, to ex anánkés), auch das Faktische ist.
mit dem έικός (eikós) verbunden, dem, «was meistens so
Diese ganze Stelle zeigt nun auch, wie bei Aristoteles
oder nicht so geschieht» [55], also dem Wahrscheinli-
sprachliche, logische und ontologische Überlegungen chen. Das, was wahrscheinlich geschieht, ist ja insofern
ineinander übergehen. Wenn auch im gegebenen Kon- bloß kontingent, als es nicht notwendig geschieht. Da das
text das ontologisch aus Notwendigkeit Seiende sprach- Kontingente bei Aristoteles somit mit dem Möglichen
lich vom begrifflich-logischen Notwendigen (άναγκάϊον, zusammenfällt, entspricht das später in Anlehnung an
anankaíon) unterschieden wird, so können in anderen das logische Quadrat entwickelte modallogische Quadrat
Kontexten, wie gezeigt, Sätze wie (1) «der Weise ist not- nicht den aristotelischen Unterscheidungen, da er für das
wendig glücklich» im gleichen Sinne wie (2) «es ist not- kontradiktorische Gegenteil des Notwendigen keinen
wendig, daß der Weise glücklich ist» verwendet werden. eigenen Terminus verwendet. [56]
Um hier Mißverständnissen vorzubeugen, hat das Mittel-
alter diese beiden Fälle terminologisch unterschieden;
(1) ist eine objektsprachliche Aussage de re (d.h. das Prä- Notwendig Unmöglich
dikat glücklich kommt dem Weisen tatsächlich zu), (2) ist daß ρ konträr daß ρ
hingegen eine metasprachliche Aussage de dictu. In der
neueren Forschung spricht man auch von (1) interner und
von (2) externer Interpretation. Es herrscht zwar Kon-
sens darüber, daß die Modalprädikate in der <Herme-
neia> im externen Sinne als de dicfu-Prädikationen zu
verstehen sind, für die < Analytikern ist dies jedoch heute
noch umstritten: so sind etwa für K N E A L E und B L A N C H E
die modalen Syllogismen de re-, für R E S C H E R hingegen de
dic/w-Prädikationen - für Patterson sind jedoch oft beide
Lesarten möglich. [51]
So zeigt Aristoteles in der <Hermeneia>, daß die Ver-
neinung von «Es ist möglich (δυνατόν, dynatón), daß der Möglich Kontingent ?
Mensch umhergeht» nicht «Es ist möglich, daß der subkonträr
(Kontingent) daß ρ
Mensch nicht umhergeht» ist, sondern «Es ist nicht mög-
daß ρ
lich, daß der Mensch umhergeht». Dies begründet er
durch die Analogie mit der Negation des einfachen Sat-
zes «der Mensch geht umher», die ja nicht «der Nicht- Man kann mit jedem Operator und der Negation alle
Mensch geht umher» lautet, sondern «der Mensch geht übrigen definieren, also etwa:
nicht umher». Daß in der Modalaussage der Satz «der Notwendig: Ν Kontradiktorisches Gegenteil: ~Np
Mensch geht umher» gleichsam das Subjekt, d.h. das Unmöglich: N~p
Zugrundeliegende (hypokeimenon) [52] ist, wird unmit- Möglich: ~N~p

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Nun kann ein Satz mit der Bedeutung (2) wie «Es ist wird man hingegen formulieren, wenn der Opponent ~p
möglich, daß er kommt» nicht nur meinen, daß er kommt behauptet hat (Symbolisiert: Sp.431 unten).
(p), sondern auch, daß er nicht kommt (~p). Im Gegen- Die unterschiedliche Abfolge der einzelnen Argumenta-
satz zum obigen unilateralen möglich, bezeichnet man tionsschritte ist nicht nur pragmatisch, rhetorisch oder
dieses als bilateral, da weder die Seite des Eintretens gesprächslogisch relevant, sondern gerade auch logisch:
noch die des Nicht-Eintretens von ρ ausgeschlossen wird. ein Proponent, der möglicherweise nicht sagt, signalisiert
Das ist auch die Bedeutung, die den Modalsyllogismen in ja zugleich, daß er zur Seite ~p tendiert, während er durch
den <1. Analytikern zugrunde liegt: möglicherweise) anzeigt, daß er eher ρ für wahr hält.
(M2) «Ich verstehe unter möglich sein und dem Mögli- Damit läßt sich eine schwierige Stelle in den <1. Analy-
chen das, was nicht notwendig ist, das aber als vorliegend tikern recht leicht klären. Unmittelbar nach der zitierten
angenommen werden kann, ohne daß dadurch Unmögli- Definition (M2) des bilateralen Möglich stellt Aristote-
ches vorliegt.» [57] les u.a. folgenden Äquivalenzen auf: «Das nicht möglich
Symbolisiert: Mp = ~Np A - Up Zukommen und das unmöglich Zukommen und das not-
wendig nicht Zukommen sind sicherlich dasselbe.» [59]
Aus dieser Definition folgen freilich einige «bizarre- Also:
ries» [58] im Verhalten des Notwendigen und Möglichen
hinsichtlich des Konträren und Kontradiktorischen. So -Mp -Up = N~p
ergibt das Konträre des Notwendigen das Unmögliche Diese Stelle scheint im Widerspruch mit der Definition
(N~p = Up), die Bildung des Konträren des Möglichen (M2) zu stehen, da hier möglich wie in der <Hermeneia>
hat aber keinerlei Auswirkung, da es das Mögliche ergibt unilateral zu verstehen ist, denn nur dieses ist, wenn
(M~p = Mp). Ebenso ist das kontradiktorische Gegenteil negiert, äquivalent mit unmöglich. Da es für BECKER
des Notwendigen eine einfache Aussage (~Np), während nicht vorstellbar ist, daß «eine mit so viel Unsinn bela-
das kontradiktorische Gegenteil des Möglichen eine Dis- stete Argumentation [...] auf Aristoteles zurückgeht»,
junktion ergibt (~Mp - Np ν Up). Nun finden sich solche plädiert er für eine Athetese, d.h. dafür, daß die ganze
<bizarreries> gerade auch in den natürlichen Sprachen. So Stelle unecht ist, da es ja sehr nahe liege, daß «ein emsi-
hat im Griechischen oder Deutschen die affirmative Ver- ger, aber nicht scharf denkender Leser» sich an die <Her-
wendung von möglich eine bilaterale Bedeutung, nicht meneia>-Stelle erinnert und die fragliche Stelle «einge-
aber die Negation nicht möglich: schaltet hat» [60], Achtet man hingegen auf Wortlaut und
(lb) Es ist möglich, daß er die Tat begangen hat (p oder Syntax dieser Stelle, erhält sie einen recht klaren Sinn.
~P) Aristoteles verwendet nämlich an dieser Stelle für das
(lu) Es ist nicht möglich, daß er die Tat begangen hat nicht möglich Zukommen das negierte Verb ουκ
(~P) ένδέχεσθαι (ük endéchesthai), das mit <nicht zukommen
Ein Satz wie (lu) wird normalerweise in Kontexten ver- können> übersetzt werden kann. Dieses Verb ist wie das
wendet, in denen der Proponent einer von einem Oppo- deutsche Modalverb können in affirmativer Form bilate-
nenten vorher gemachten Behauptung ρ widersprechen ral («Er kann morgen kommen» hat die gleiche Bedeu-
will. Daß in der Äußerung (lu) des Proponenten das uni- tung wie «Es ist möglich, daß er morgen kommt»),
laterale Möglich vorliegt, läßt sich auch daran erkennen, negiert sind endéchesthai und können aber unilateral
daß hier unmöglich verwendet werden könnte. Wie aber (verhalten sich also wie das negierte möglich (δυνατός,
kann man aber das bilaterale Möglich negieren? Im dynatós)). Nun sagt Aristoteles ausdrücklich im
Deutschen wird dies offenbar durch die Verwendung des Anschluß an seine Definition des bilateralen zukommen
Adverbs möglicherweise gewährleistet: Können, daß die Bedeutung dieses Ausdrucks klar wird,
(lb') Es ist möglicherweise so, daß er die Tat begangen wenn man ihn negiert (also nicht, daß die Bedeutung in
hat (p oder ~p) der Negation identisch ist mit der Bedeutung in der Affir-
(lu') Es ist möglicherweise nicht so, daß er die Tat mation). Dem folgen die zitierten Äquivalenzen: das
begangen hat (p oder ~p) nicht zukommen Können und das Unmöglich Zukommen
Damit gilt für das Deutsche nicht nur, daß das bilaterale und das notwendig nicht Zukommen sind dasselbe. Aus
Möglich durch möglicherweise nicht negiert werden muß, diesem kontrastierenden Verfahren kann - genauso
sondern auch, daß möglicherweise immer bilateral ist. wenig wie aus unserer Gegenüberstellung des bilateralen
Dies erklärt wiederum, daß in diesem Fall die elegantere Möglich und des unilateralen nicht Möglich - nicht gefol-
de re-Formulierung von «Er hat möglicherweise nicht die gert werden, daß Aristoteles die zitierten aus der Nega-
Tat begangen» bedeutungsgleich mit (lu') ist. Wenn nun tion folgenden Äquivalenzen im Sinne der bilateralen
aber die bilateralen möglich(erweise) und möglicherweise Ausdrücke zukommen Können bzw. Möglich versteht.
nicht die gleichen alethischen Bedeutungen haben, worin Doch eine weitere syntaktische Besonderheit des
unterscheiden sie sich? Offenbar wird man als Proponent Griechischen muß beachtet werden. Die Negationsparti-
einen Satz wie (lu') in der gleichen Situation wie (lu) for- kel kann im Griechischen vor und nach dem finiten Verb
mulieren, freilich nicht um zu zeigen, daß die These des stehen - im Gegensatz zum Deutschen, wo nur die Nach-
Opponenten unmöglich wahr sein kann, sondern um zu stellung möglich ist. Bei Voranstellung ist <endéchesthai>
argumentieren, daß dessen These nicht notwendig ist, da in der Regel unilateral, bei Nachstellung hingegen bilate-
beide Seiten möglich sind; einen Satz wie (lb) oder (lb') ral. Diese Konstruktion entspricht somit dem französi-
schen pouvoir appartenir (zukommen können): A ne peut
pas appartenir à Β bedeutet, daß A dem Β nicht zukom-
(lu) (lu') (lb/b') men kann; A peut ne pas appartenir à Β hingegen ist bila-
nicht möglicherweise möglicherweise) teral. Daraus folgt, daß bei nachgestellter Negationspar-
möglich nicht tikel im Griechischen (ένδέχεται ουκ ύπάρχειν, endéche-
Opponent ρ ρ ~p tai ük hypárchein) das deutsche <kann nicht zukommen>
Proponent ~p, da Up ~Np, ~N~p, falsch wäre, da dies unilateral ist. In einem Dialog bei
da auch -Up da auch ~Np Zurückweisung wäre auch nicht denkbar:

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Opp.: A kommt Β zu Möglichkeiten (= 8x3x64), die dahingehend untersucht


Prop.: A kann auch Β nicht zukommen [= bilateral] werden müssen, welche logisch gültig sind. Andererseits
aber reduziert sich diese Anzahl dadurch, daß viele Kom-
Von hier aus ist es zwar nicht falsch, wenn etwa Patter- binationen einfach nicht möglich sind (etwa in allen Prä-
son, darin einer langen Tradition folgend, betont, daß missen/Konklusionen die universelle Negation). Des-
<endéchesthai> uni- und bilateral verwendet wird. [61] halb hat Aristoteles nur die für seinen Zweck relevanten
Berücksichtigt man hingegen die Syntax der Negation, so untersucht. Becker und nach ihm Bochenski kommt das
wird diese Feststellung falsch, da die Stellung der Nega- Verdienst zu, diese übersichtlich dargestellt zu
tionspartikel <endéchesthai> eindeutig disambiguiert. haben. [64] Zu diesen gültigen gehören einfache Syllogis-
Beachtet man diese syntaktischen Gegebenheiten, ver- men aus der 2. Gruppe wie: «Wenn A notwendig jedem
lieren viele schwierige Stellen ihre Dunkelheit. [62] Von M zukommt, und M jedem C, dann kommt A notwendig
hier aus überrascht es weder, daß Aristoteles in den jedem C zu» oder die etwas komplexeren wie «Wenn A
<Analytiken> die Prämissen mit bilateralem Möglich fast möglicherweise keinem Β zukommt, und Β möglicher-
durchgängig durch <endéchesthai> mit (oder ohne) nach- weise einigen C, dann besteht die Notwendigkeit, daß A
gestellter Negationspartikel formuliert, noch, daß er das möglicherweise einigen C nicht zukommt» und «Wenn A
notwendig nicht Zukommen durch endéchesthai mit vor- keinem Β zukommt, und Β möglicherweise allen C, dann
angestellter Negationspartikel (bzw. Negationsprono- ergibt sich daraus die Notwendigkeit, daß A möglicher-
men) ausdrückt. So ist etwa die Standardformulierung weise keinem C zukommt». [65] Diese Beispiele zeigen,
für die universelle Negierung (Ne): tò Α ούδενί τω Β daß Aristoteles wie bei den assertorischen Syllogismen
ενδέχεται (ΰπάρχει,ν); to A üdení té Β endéchetai die logische Gültigkeit bestimmter Konfigurationen der
(hypárchein): d.h. das A ist bei keinem Β möglich. Neben Prämissen durch Schlußgaranten aufzeigt. Besondere
dieser Übersetzung, die eine dem Griechischen ver- Probleme, ja sogar Widersprüche, ergeben sich für diese
gleichbare Struktur hat, sind denkbar: das A kann kei- Modallogik aus drei Gründen:
nem Β zukommen; das A ist bei allen Β unmöglich; dieses
ist wiederum äquivalent mit: es ist unmöglich, daß A (1) Die Tatsache, daß das bilaterale Möglich mit einer
irgendeinem Β zukommt (diese Lösung wird oft vom eng- komplexen - disjunktiven - Aussage (Mp = ~Np Λ N~p)
lischen Übersetzer H . T R E D E N N I C K gewählt: «it is impos- äquivalent ist, die ja nicht mit der Basisstruktur des Syllo-
sible for A to apply to any B» [63]). Für die übrigen Not- gismus, der nur eine einfache Aussage zuläßt, vereinbar
wendigkeitsprämissen (alle, einige, einige nicht - Na, Ni, ist, führt besonders bei Syllogismen, deren Gültigkeit Ari-
No) verwendet Aristoteles fast ausschließlich die Präpo- stoteles durch eine Zurückführung auf das Unmögliche
sitionalphrase <aus Notwendigkeit) (ex anánkes). (reductio ad impossibile) zu belegen sucht, dazu, daß er
möglich ad hoc im unilateralen Sinn versteht. [66] (2) In
Nun sollten diese Ausführungen nicht nur zeigen, daß logischer Hinsicht prinzipieller ist, daß ein großer Teil der
Aristoteles die sprachliche Form nicht systematisch dis- von Aristoteles aufgeführten Syllogismen, in denen beide
kutiert hat, sondern gerade auch, daß er zentrale sprach- Prämissen nur möglich sind, nur dann gültig ist, wenn man
liche und logische Unterschiede wie die unilaterale und die obere Prämisse in einem bestimmten Sinn versteht. So
bilaterale Bedeutung der Ausdrücke des Möglichen sind für die meisten Kommentatoren [67] - mit Aus-
nicht nur gesehen hat, sondern auch in seinem Sprachge- nahme Alexanders [68] - Syllogismen wie (M]) gültig:
brauch berücksichtigt. Man könnte deshalb den Gemein-
platz, die aristotelische L. sei nicht allgemeingültig, da sie (M[) Alle Tübinger (B) sind möglicherweise CDU-Wäh-
ja in den Strukturen des Griechischen verhaftet sei, ler (A) (= Alle Β sind MM A)
umkehren, indem man darauf hinweist, daß Aristoteles Alle Leute-in-meinem-Garten (C) sind möglicher-
wesentliche logische Eigenschaften des Denkens und weise Tübinger (Έ1
Sprechens mit und in natürlichen Sprachen gesehen hat. Also sind alle Leute-in-meinem Garten (C) möglicher-
Nach diesen sprachlich-logischen Präzisierungen las- weise CDU-Wähler (A)
sen sich Aufbau und Gliederung der aristotelischen
Erörterung modaler Syllogismen leicht darstellen. Da Der Schluß (M,) ist offenbar deshalb ungültig, weil die
<zufällig zukommen> (kontingent) mit möglicherweise Unterprämisse aufgrund des bilateralen möglicherweise
zukommen) logisch identisch ist, und sich das Unmögli- auch den Fall ermöglicht, daß keiner derjenigen, die in
che (Up) als das Konträre des Notwendigen (N~p) meinem Garten sind, Tübinger ist; deshalb greift die
bestimmen läßt, untersucht Aristoteles in den Kapiteln Konklusion in diesem Fall gleichsam ins Leere. Man
8-22 der <1. Analytiken) nur die Syllogismen, deren Prä- kann dieses Problem lösen, wenn man einen Hinweis
missen Konfigurationen der drei alethischen Modalitä- Aristoteles' beachtet, wonach eine Modalaussage nicht
ten notwendig (N), (bilaterales) möglich (M) und einfach nur wie in (M]) verstanden werden kann, sondern auch
affirmierend (A) sind. Dies ergibt neun Möglichkeiten: im Sinne von [69]:
(M 2 ) Alle, denen möglicherweise Tübinger (B)
zukommt, kommt möglicherweise CDU-Wähler (A)
Gruppe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 zu (= Alle, die MM Β sind, sind MM A)
Opponent Ν Ν A M M A M N A Setzt man diese Prämisse in (M t ) ein, wird dieser Schluß
Proponent Ν A Ν M A M N M A gültig, weil ja aufgrund der durch die Prämissen ermög-
lichten Konfigurationen auch der Fall <A und ~B und
Die letzte Gruppe, die rein assertorisch ist und kein ~C> denkbar ist; d.h., selbst wenn keiner in meinem Gar-
Modalprädikat enthält, gehört nicht zu den modalen Syl- ten (~C) Tübinger ist (~B), ist nicht ausgeschlossen, daß
logismen, in denen zumindest ein N- oder M-Prädikat er doch CDU wählt (A), denn durch die Formulierung
vorkommen muß. Da jede dieser Gruppen mit Konklu- (M2) sind ja folgende Konfigurationen möglich: A und B;
sion drei Sätze enthält, die universell und partikulär beja- ~A und B; ~A und ~B und vor allem: A und ~B. Da nun
hend/verneinend (a, e, i, o) sein können, und diese wie- Aristoteles bei der Behandlung der einzelnen Schlüsse
derum in 3 Figuren vorkommen, ergeben sich zwar 1536 nicht expliziert, welche der beiden Bedeutungen von

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Möglichkeits- bzw. allgemein von Modalaussagen etwa dem Verdauen und dem Gesund-Sein behauptet; ist
gemeint ist, ist die Vermutung Beckers, daß die Stelle, an dieser behauptete Zusammenhang notwendig wahr, ist
der die beiden Bedeutungen Mx und M2 erläutert wer- der Schluß nicht nur logisch stringent, sondern auch apo-
den, erst nachträglich eingeführt wurde, sicherlich deiktisch. Es obliegt den Einzelwissenschaften, diese not-
berechtigt. [70] wendig wahren Obersätze und damit auch die essentiel-
(3) Prinzipieller in logischer und ontologischer Hin- len Ursachen und Gründe zu finden. Diese sind notwen-
sicht ist schließlich die bis heute umstrittene Frage, ob die dig allgemein: «Denn die Auffassung haben, daß dem an
aristotelische Modallogik de re oder de dictu zu verstehen der und der Krankheit leidenden Kallias das und das
ist, bzw. warum sie sowohl als de re als auch de dictu ver- Heilmittel geholfen hat und genauso dem Sokrates [...]:
standen werden muß. So ist etwa: das ist Sache der Erfahrung. Dagegen: die Auffassung
haben, daß dieses Heilmittel allen so Beschaffenen - die
Alle Katzen sind notwendig Tiere
dem Typ (είδος, eidos) nach als eines abgegrenzt wurden
Alle weißen-Gegenstände-auf-meinem-Dach sind not-
-geholfen hat, als sie an der und der Krankheit litten [...],
wendig Katzen
das ist Sache der Wissenschaft und Kunst (τέχνη,
Also sind alle Gegenstände-auf-meinem-Dach notwen-
téchne).» [77] Damit ist der apodeiktische Syllogismus
dig Tiere
für Aristoteles nicht bloß ein logisches oder epistemolo-
nur de re, nicht aber de dictu wahr. Aus den gesetzten gisches Gebilde, sondern geradezu der ontologische Ort,
Prämissen folgt zwar, daß jeder weiße-Gegenstand-auf- in dem sachlich-empirische und logische Notwendigkeit
meinem-Dach notwendig eine Katze ist, nicht aber, daß eine unzertrennliche Einheit bilden. Dies führte im 19. Jh.
die de dictu-Aussage: bei T R E N D E L E N B U R G , P R A N T L oder M A I E R zur These, daß
nicht nur die apodeiktischen Syllogismen, sondern die
Es ist notwendig (so), daß alle weißen-Gegenstände-auf-
Syllogistik überhaupt nur im Zusammenhang mit der ari-
meinem-Dach (C) Katzen (A) sind d. h.: N[alle C sind A]
stotelischen Wissenschaftstheorie und Metaphysik ver-
wahr ist: daß alle jetzt auf meinem Dach befindlichen standen werden kann. So formulierte Prantl in seiner
Tiere Katzen sind, ist ja seinsmäßig kein notwendiger, <Geschichte der L. im Abendlandes «Der Syllogismus
sondern bloß ein akzidenteller Tatbestand. Setzt man besitzt seine reale und ontologische Basis im Begriffe,
hingegen in der Unterprämisse <Siamkatzen sind not- und hiedurch hat er den Zweck, das vermittelte apodeik-
wendig Katzem, ist die Konklusion offenbar auch de tische Wissen des Seienden zu erzeugen, indem der
dictu wahr. [71] Dieses Problem stellt sich für die <Topik> Wesensbegriff als die nothwendige schöpferische Causa-
nicht, da dort eindeutig zwischen akzidentellen und lität desjenigen, was in dem Schlüsse zusammengeführt
essentiellen Prädikaten unterschieden wird, wurde, erkannt wird.» [78]
c. Vollkommene, notwendige und apodeiktische Syllo- Dem steht offenbar die moderne und seit Lukasiewicz
gismen. Bisher wurden die vollkommenen Schlüsse nur dominierende Auffassung diametral entgegen, für die
aus der Sicht der <1. Analytikern, d.h. rein logisch inhaltlich-materiale Gesichtspunkte von der Syllogistik
betrachtet. Nun sind für Aristoteles vollkommene fernzuhalten sind. Patzig geht sogar so weit, die Auffas-
Schlüsse auch epistemologisch relevant, da ja «nicht nur sung von Aristoteles, daß der Mittelbegriff den Erkennt-
die Mathematik», sondern alle Wissenschaften, die nisgrund angibt, als «bedenklich», ja sogar als «fast
«nach dem Warum suchen», ihre Beweise auf die Syllo- sophistisch» abzulehnen. Dabei ist für Patzig besonders
gismen der 1. Figur, insbesondere auf den Modus Bar- das von Prantl aus den <2. Analytikern entnommene Bei-
bara, stützen. [72] Hat man das Warum gefunden, ist dies spiel Stein des Anstoßes: danach wird in einem gültigen
notwendig immer affirmativ und allgemein. Die Ursache Syllogismus wie «Planeten (A) sind nicht-flimmernd
wird dabei immer durch den Mittelbegriff ausgedrückt: (M), das Nicht-Flimmernde (M) ist nahe (C); also sind
So ist etwa ein Spaziergang-nach-dem-Essen (C) gesund die Planeten (A) nahe (C)» nur das Daß, d.h. das in der
(A). Warum? Weil dadurch die Verdauung angeregt Konklusion genannte Faktum genannt, nicht aber das
wird (M). Schematisch: Warum erklärt. In der Formulierung: «das Nahe (M) ist
nicht-flimmernd (A); Planeten (C) sind nahe (M); also
Allem was-Verdauung-bewirkt (M) kommt gesund (A) zu
sind Planenten(C) nicht-flimmernd (A)» handelt es sich
Nach-dem-Essen-Spazierengehen (C) kommt bewirkt-
um einen wissenschaftlichen Syllogismus, in dem der
Verdauung (M) zu
Mittelbegriff «die real begriffliche Ursache» [79] be-
Also kommt Nach-dem-Essen-Spazierengehen (C)
nennt - wie Prantl ganz im Sinne von Aristoteles sagt.
gesund (A) zu
Für Patzig ist diese aristotelische These «eine ziemlich
Und weil M in diesem Schlußmodus immer Gattung von willkürliche Behauptung: [...] gewisse Sätze über die
C ist, die für Aristoteles immer auch das Wesen einer Arbeitsweise des Auges, andere Sätze der Astronomie
Sache ausdrückt, kann man auch einfach formulieren: müßten hinzukommen.» [80] Daß Patzig hier - damit
Der wesentliche Grund dafür, daß ein Spaziergang nach ganz seinem eigenen Credo widersprechend - inhaltlich-
dem Essen gesund ist, ist der, daß dieser die Verdauung materiale Aspekte vorbringt, läßt sich leicht zeigen. Da
anregt. [73] Entsprechend ist Mittelbegriff und wesentli- man nun Aristoteles kaum vorwerfen kann, daß er nicht
cher Grund dafür, daß der Mond (C) bei Mondfinsternis auf dem Stand der heutigen Naturwissenschaften ist,
verschwindet (A), die Tatsache, daß die Erde zwischen kann man die von ihm formulierte Gesetzmäßigkeit
Mond und Sonne tritt (M).[1A] Und schließlich ist der «Wenn ein Gegenstand uns nahe ist, dann flimmert er
essentielle Grund dafür, daß die Athener (C) [gegen die nicht» als einen in seiner Epoche als wissenschaftlich
Perser] Krieg führten (A) der, daß sie [mit der persischen wahr geltenden Satz nehmen und auf seine logische
Expedition] eine nicht provozierte Aggression (M) durch- Struktur reflektieren. Diese ist offenbar mit der in Sätzen
führten. [75] Da der Mittelbegriff in der 1. Prämisse ein- wie «Wenn etwas der Verdauung dient, dann ist dies
geführt wird, kommt «Alles», wie P R A N T L betonte, «auf gesund» identisch. Deshalb kann man auch auf die Frage,
den Obersatz» an. [76] In ihm wird, modern formuliert, warum Planeten (C) nicht flimmern (A), vernünftig mit
ein Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten, also <weil sie nahe (M) sind> antworten, oder auch argumen-

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tieren, daß Planenten nicht flimmern, da sie nahe (M) nen» (γένη των κατηγοριών, gène tön katëgoriôn). [86]
sind. Damit ist auch dieses Beispiel ein vollkommener Diese «vier Momente, außerhalb deren», wie Prantl ver-
Syllogismus im Modus Barbara, der die von Aristoteles merkt, «kein Urtheil oder Satz möglich ist» [87], lassen
in den <1. Analytiken) geforderten Kriterien vollständig sich extensional und essentialistisch bestimmen: so hat
erfüllt. Freilich muß beachtet werden, daß vollkommene das Proprium die gleiche Extension wie das Subjekt, es
Schlüsse weder mit notwendigen noch mit apodeiktischen drückt aber nicht dessen Wesen aus, das für Aristoteles
Syllogismen zusammenfallen. So ist etwa der oben durch die Gattung und damit auch durch die Definition
erwähnte Schluß «Katzen sind notwendig Tiere; alle wei- ausgesagt wird. Damit können die Prädikabilien mit
ßen Dingen auf meinem Dach sind notwendig Katzen; Hilfe der Merkmale ± koextensiv (mit dem Subjekt) und
also sind alle weißen Dinge auf unserem Dach notwendig ± wesentlich wie folgt dargestellt werden [88]; vgl. Abb. 3.
Tiere» nicht nur ein vollkommener, sondern auch ein Daraus ergibt sich der Aufbau der <Topik>: Nach dem
notwendiger Schluß de re. Da in ihm aber nur Akzidentel- einleitenden I. Buch werden in den Büchern II und III die
les verknüpft wird, ist er kein essentiell wahrer Schluß und Regeln bzw. Topoi der (Nicht-)Zuordnung von Prädika-
damit auch kein apodeiktischer Schluß. ten als Akzidens untersucht; in den Büchern IV und V
d. Topik. Der Zusammenhang mit der <Topik> ergibt dann die Topoi für die Gattung bzw. das Proprium und
sich nicht allein aus dem schon erwähnten gemeinsamen schließlich in den Büchern VI und VII die für die Defini-
Schlußbegriff («Ein Syllogismos ist eine Rede, in der aus tion. Es gibt also Topoi für das Akzidens (= T A k ), für das
gewissen Setzungen etwas anderes als das Gesetzte aus Proprium (= T Pr ), für die Gattung (= T G a ) und für die
Notwendigkeit aufgrund des Gesetzten folgt» [81]): auch Definition (= T D e ). Diese Regeln werden in der Regel in
in der <Topik> formuliert Aristoteles Schlußgaranten - Form von Anweisungen oder Gesetzmäßigkeiten an
meist auch in hypothetischen Sätzen - , um die Gültigkeit potentielle Dialektiker formuliert, damit diese logisch
(oder zumindest Plausibilität) eines bestimmten Schlus- und methodisch gerüstet am akademischen dialektischen
ses, genauer: einer bestimmten Konfiguration von Prä- Sprachspiel teilnehmen können. Dieses Sprachspiel
missen und Konklusionen, nachzuweisen. Das folgende bezeichnet Aristoteles als «der Übung und dem Auf-die-
Beispiel mag dies verdeutlichen (P = Prädikat; G = Gat- Probestellen» dienendes Gespräch und grenzt es gegen
tung; A = Art) [82]: das didaskalische Lehrgespräch und eristische Streitge-
spräch ab. [89] Wie das gegebene Beispiel schon deutlich
macht, besteht das dialektische Sprach- und Übungsspiel
Fragephase aus einer Frage- und einer Beweisphase. In der Frage-
Proponent: Können Dispositio- Sind Ρ und Ρ von G phase stellt der Fragende bzw. Proponent seinem Gegen-
nen (G) gut (P) und aussagbar? über, dem Opponenten, eine Entscheidungsfrage, ob ein
schlecht (P) sein? bestimmtes praedicabile einem Subjekt zukommt oder
Opponent: Dispositionen sind Ρ und Ρ sind nicht nicht, also etwa im gegebenen Beispiel, ob die konträren
weder gut noch von G aussagbar Prädikate gut und schlecht gleichermaßen Akzidentien
schlecht von <Disposition> sind. Bejaht der Opponent diese Frage,
so muß der Proponent in der Beweisphase argumentativ
Beweisphase das Gegenteil nachweisen. Aristoteles nennt dies άνα-
σκευάζειν (anaskeuázein), d.h. <Zerstören> der gegneri-
Proponent: Wissen (A) kann Ρ und Ρ sind schen These. Im umgekehrten Fall - wie im gegebenen
gut oder schlecht von A aus- Beispiel - spricht Aristoteles von κατασκευάζειν (kata-
sein sagbar skeuázein), d.h. dem <Wiederherstellen> bzw. dem Eta-
Also können auch Also sind Ρ blieren der vom Opponenten verneinten Zuordnung. [90]
Dispositionen gut und Ρ auch -— Die Regeln und Verfahren, die beide argumentativen
oder schlecht sein von G aussagbar Tätigkeiten ermöglichen, nennt Aristoteles Topoi.
Bei der Formulierung eines Topos geht Aristoteles
darstellungstechnisch nun meistens so vor, daß er (i)
Der Garant T A 1 läßt sich wie folgt umschreiben: zunächst einen Hinweis gibt, dem (ii) eine Anweisung
«Wenn zwei konträre Prädikate Ρ und Ρ von der Art A folgt, die (a) an einem konkreten Beispiel illustriert und/
aussagbar sind, dann sind Ρ und Ρ auch von der Gat- oder (b) allgemein formuliert sein kann; in der Regel folgt
tung G aussagbar.» dem (iii) die Funktionsangabe, ob das fragliche Verfah-
Ziel der <Topik> ist es, wie schon einleitend betont, ren dem Zerstören und/oder Wiederherstellen der These
Verfahren für die widerspruchsfreie Argumentation im des Opponenten dient; dem kann dann (iv) der Schlußga-
dialektischen Übungsgespräch bereitzustellen. Diese rant folgen. Also für das gegebene Beispiel (Abkürzun-
Argumentationen dienen der Klärung der Frage, wann gen in der 3. Spalte vom Verf.) [91]; vgl. Abb.4.
und unter welchen Bedingungen man zu Recht sagen Von diesen sind (ii) und/oder (iv) obligatorisch, die
kann, ein Ausdruck D sei die Definition eines Prädikats übrigen wie auch die Reihenfolge sind fakultativ. Was ist
P. [83] Eine Definition D muß nach der <Topik> die fol- für Aristoteles aber ein Topos? T H E O P H R A S T bezeichnet
genden Kriterien erfüllen: [84] (1) D muß Ρ zukommen nach Alexander von Aphrodisias nur die Schlußregel
(Akzidens); (2) in D muß der Gattungsbegriff G auftau- bzw. den Garanten (iv) als Topos. Dabei darf jedoch nicht
chen; (3) D muß das Proprium PR enthalten, d.h. zumin- übersehen werden, daß sich Theophrast sachlich nicht
dest ein unterscheidendes Merkmal. Diese vier mögli- wesentlich von Aristoteles unterscheidet, da er den Teil
chen Funktionen von Termen innerhalb eines Satzes - (i) als «Mahnung» bezeichnet. [92] Für Prantl, der
Akzidens, Proprium, Gattung, Definition - wurden im moniert, daß man vom Späthellenismus bis ins Mittelalter
Mittelalter seit A B A E L A R D (freilich meist mit den fünf «wie Cicero in der Topik bereits die ganze L. zu besitzen
Termen Gattung, Art, Differenz, Proprium, Akzi- glaubte», sind Topoi einfach «Gesichtspunkte [...], nach
dens) [85] als praedicabilia (Prädikabilien) bezeichnet, welchen wir bei der Bildung von Schlüssen sowohl uns
Aristoteles selbst spricht von «Klassen von Prädikatio- selbst vor der Täuschung bewahren, welche durch die

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koextensiv wesentlich
Akzidens - - Ein Schüler schreibt
Proprium + - Ein Quadrat hat vier gleichlange Seiten
Gattung - + Ein Quadrat ist ein Rechteck
Definition + + Ein Quadrat ist ein Rechteck mit vier gleichlangen Seiten
(Abb. 3)

Aspekte (der Formulierung) des Topos


AUSGANGSPUNKT: Opponent:
Ρ und Ρ kommen G nicht zu
(i) Hinweis Sieh bei den Arten der fraglichen Gattung nach, Kommen zumindest einer
ob zumindest einer Art die konträren Prädikate zukommen ACΡ und Ρ zu?
(ii) Anweisung
a) Beispiel Wenn Wissen <schlecht und gut> zukommt, dann gilt,
daß auch der Disposition <schlecht und gut> zukommt,
denn Disposition ist Gattung von Wissen
b) Allgemein Wenn einer Art die fraglichen konträren Prädikate zukommen, Wenn Ρ und Ρ einer AQ zu-
schließe, daß diese auch der zur Debatte stehenden Gattung kommen, dann schließe, daß
zukommen beide auch der G zukommen
(iii) Funktion Dient dem Etablieren
(iv) Garant (= TAIC-AI) Alles, was als Akzidens einer Art zukommt, kommt notwendig Ak(P,A) => Ak(P,G)
auch der Gattung als Akzidens zu
(Abb. 4)

Mannigfaltigkeit des äusseren [sie!] Seins und des äusse- eines Darstellungsblockes eines Topos stehen: «Da den
ren Sprachschatzes entstehen kann.» [93] Das andere Subjekten, denen sich die Gattung zuschreiben läßt, not-
Extrem, wonach ein Topos eine logische Gesetzmäßig- wendig eine der Arten zukommt, und da alles, was die
keit oder ein logisches Gesetz formuliert, wird schon in Gattung hat, [...] notwendig auch eine Art hat [...].» [99]
der Antike von THEOPHRAST und in der Moderne wieder Beide Konstruktionen können auch innerhalb eines Sat-
etwa von D E PATER vertreten. [94] Dazwischen steht die zes verwendet werden und dienen dann oft der argumen-
Auffassung von G R I M A L D I , daß die Topoi «logical modes tativen Abstützung einer konkreten Anweisung. So for-
of inference» [95], also logische Schlußarten, sind. Die muliert Aristoteles etwa im gegebenen Beispiel T A k . A 1 :
beiden letzten Auffassungen verknüpft Primavesi, inso- «Man kann auch [...] von der Art zur Gattung gehen,
fern er einerseits die Topoi als «Gesetzmäßigkeiten denn (γάρ) was der Art zukommt, kommt auch der Gat-
(Implikationen)» bestimmt, andererseits aber bei der tung zu; so z.B., wenn Wissen schlecht und gut ist, ist auch
Formulierung der einzelnen Topoi oft auch die Schlußan- Disposition schlecht und gut; denn (γάρ) die Disposition
weisungen (ii) b) mit aufführt. [96] Nun gilt offensichtlich, ist Gattung des Wissens.» [100] Diese Stellen legitimie-
daß der Topos T A k . A 1 (d.h. der Topos für das Akzidens ren, den Topos wie die hypothetischen Sätze in den A n a -
aus der Art) in den Teilen (ii) a), (ii) b) und (iv) themati- lytikern als Schlußgaranten (der auch als Anweisung for-
siert ist, freilich mit dem Unterschied, daß er in der kon- muliert sein kann) zu bestimmen, der die Gültigkeit eines
kreten Anweisung (ii) a) implizit vorausgesetzt ist, wäh- Arguments belegt. Einschränkend muß jedoch betont
rend er in der allgemeinen Anweisung (ii) b) und im werden, daß Aristoteles durchaus auch ein Verfahren,
Garanten (iv) explizit formuliert wird. Es ist also durch- das für das Zerstören oder für das Etablieren logisch
aus legitim, die allgemeine Schlußanweisung und den nicht stringent ist, als Topos bezeichnen kann. So ist etwa
Garanten als Topoi zu verstehen - das entspricht auch der Topos, der von der Art auf die Gattung schließt, nur
dem Sprachgebrauch Aristoteles', der beide als Topoi für das Etablieren gültig, nicht aber für das Zerstö-
bezeichnet, wie auch seiner Definition des Topos in der ren [101]: hat nämlich der Opponent behauptet, daß ein
<Rhetorik>, wonach Element (στοιχεΐον, stoicheíon) und bestimmtes Prädikat Ρ einem bestimmten Subjekt bzw.
Topos dasselbe sind, «denn Topos und Element ist das, einer bestimmten Gattung zukommt, so ist der Nachweis,
worunter viele Enthymeme fallen.» [97] Dennoch besteht daß Ρ einer Art dieser Gattung nicht zukommt, nicht
auch für Aristoteles zwischen Schlußanweisungen und logisch stringent, da es auch einer anderen Art dieser
Garanten ein logisches Bedingungsverhältnis, da er prin- Gattung zukommen könnte. Der umgekehrte Topos TAk_
zipiell letztere immer als Rechtfertigungen oder Präsup- GÌ, der von der Gattung auf die Art folgert, gilt hingegen
positionen für erstere formuliert. Die Rechtfertigungen nicht für das Etablieren, sondern nur für das Zerstören:
werden nämlich in der Regel mit dem Konnektor γάρ vertritt der Opponent nämlich die These, daß Ρ einem
(gár) eingeleitet, der dem Deutschen denn (fr. car, engl. bestimmten Subjekt bzw. einer Art zukommt, so ist der
for) [98] entspricht. Die syntaktische Funktion dieses Nachweis, daß Ρ dieser Art nicht zukommt, da es der Gat-
nachgestellten Konnektors ist, die vorher vollzogene tung dieser Art nicht zukommt, logisch nicht stringent.
Behauptung - hier die gegebene Anweisung - zu rechtfer- Offenbar folgt ein Topos wie T Ak . G1 , der nur für das Zer-
tigen. Werden die Gesetzmäßigkeiten hingegen mit Hilfe stören gilt, der Schlußregel des modus tollens, der umge-
des Konnektors έπεί (epeí; dt. da ja (bekanntlich)) als Prä- kehrte, nur für das Etablieren gültige Topos T Ak _ A , hinge-
suppositionen formuliert, können sie auch am Anfang gen folgt dem modus ponens:

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Opp. Ρ kommt G zu Ρ kommt nicht G zu auch der diesem ähnlichen Meinung (Si) zu; ein Beispiel
für den letzteren Topos ist: Wenn <Lebewesen> (P) Men-
Prop. ZERSTÖREN ETABLIEREN
schen (S) zukommt, dann gilt auch <Nicht-Mensch> (S)
<Wenn Ρ der G zu- <Wenn Ρ einer A zu- für Nicht-Lebewesen (P). [103] Die gegebenen Beispiele
kommt, dann kommt kommt, dann kommt zeigen weiter, daß man beim Proponenten die Suchphase
Ρ auch einer A zu> Ρ auch der G zu> und die Argumentationsphase unterscheiden muß. In der
Suchphase muß der Proponent je nach der vom Oppo-
Argument Argument
nenten vertretenen These eine geeignete konkrete
modus tollens modus ponens Implikation oder eine Äquivalenz (Bikonditional)
Ρ komm einer A nicht zu Ρ kommt einer A zu suchen, um dann die entsprechenden Aktivitäten des
Zerstörens und Etablierens mit dem modus tollens bzw.
Also kommt Ρ auch nicht Also kommt Ρ auch dem modus ponens ausführen zu können. Obwohl Ari-
G zu der G zu stoteles diese beiden Topoi nicht explizit von den übri-
gen Topoi abgrenzt, haben sie faktisch in der <Topik>
Die beiden Schlußregeln formuliert Aristoteles auch (bzw. im dialektischen Sprachspiel) eine umfassende
explizit als Topoi: «Bezüglich der zur Diskussion stehen- Funktion, insofern die übrigen Topoi sie gleichsam als
den These schau, ob es nicht etwas gibt, das die These logisches Schlußraster voraussetzen. Dieses Raster for-
impliziert, oder etwas, das notwendig der Fall ist, wenn muliert Beziehungen zwischen Sätzen, die übrigen Topoi
die These der Fall ist: will man etablieren, sucht man hingegen formulieren wie auch die hypothetischen
etwas, das die These impliziert (zeigt man nämlich, daß Garanten der Syllogistik Beziehungen zwischen Konfigu-
dies ist, so hat man auch gezeigt, daß die These zutrifft); rationen von Prädikaten. Da Aristoteles freilich die Tat-
will man zerstören, suche man etwas, das der Fall ist, sache, daß die beiden globalen Schlußmodi auch als
wenn die These der Fall ist (wenn wir nämlich zeigen, daß Beziehungen zwischen Sätzen unter Absehung der in
das aus der These Folgende nicht der Fall ist, hat man ihnen enthaltenen Prädikate formuliert werden können,
auch die These zerstört).» [102] Da nun diese beiden nicht systematisch diskutiert, gilt auch hier, daß man ihn
Schlußmodi für Aristoteles Topoi sind, müssen auch nicht als Vorläufer der modernen Aussagenlogik begrei-
beide als Schlußgaranten begriffen werden. Da es hier um fen kann. In der <Topik> geht es wie in den <Analytiken>
Beziehungen zwischen Sätzen geht, könnte der Topos des um Konfigurationen von Prädikaten, freilich mit dem
modus tollens TmoK auch mit Aussagevariablen formu- wesentlichen Unterschied, daß bei den Topoi Quantifi-
liert werden: «Wenn es eine Folgebeziehung 'p => q' gibt, zierung und Modalität ausgeblendet bleiben. Ersteres ist
und q nicht der Fall ist, dann kann man mit Notwendig- offenbar möglich, weil durch die essentialistische und
keit schließen, daß ρ nicht der Fall ist.» Vereinfacht: substanzlogische Bestimmung der Prädikabilien die
Quantität gleichsam mitgegeben ist: so muß ja allen
Gegenständen, von denen ein Gattungsbegriff ausgesagt
p=¡>q werden kann, zumindest ein Artbegriff zukommen. Das
~q zweite wird dadurch ermöglicht, daß die akzidentellen
Π = T
Mtoll Prädikate sich in den nur möglicherweise zukommenden
~P Prädikaten in Syllogismen wiederfinden, bzw. daß die
Gattungsprädikate (und damit auch die Definition) in
Da Aristoteles die Folgebeziehung nicht wahrheitsfunk- der <Topik> den notwendigen Prädikaten der Syllogistik
tional wie die moderne L. bestimmt, wird hier nicht von entsprechen. Daß in der <Topik> substanzlogische Bezie-
(materialer) Implikation im Sinne der modernen L. hungen thematisiert sind, läßt sich verdeutlichen, wenn
gesprochen. Das Zeichen '=>' ist somit neutral als irgend- man statt der Aussagenvariablen wieder die Konfigura-
eine Folgebeziehung zu verstehen. Damit lassen sich die tionen unseres Ausgangsbeispiels einsetzt:
logisch-argumentativen Aufgaben des Proponenten im
dialektischen Sprachspiel wie folgt symbolisieren:
Opp. —Ak(P,G)
Prop. I Ak(P.A) => Ak(P,G)
h
ZERSTÖREN ETABLIEREN ZERSTÖREN/
ETABLIEREN I Ak(P,A) :
TAIÍ-AI [Tpon]
Opp. ρ ~P ρ oder ~p Suchphase Ak(P,G)
q=>p
Prop, ρ => q poq
~q q In dieser Symbolisierung sind nun offenbar der Topos für
1 Argumen-
tationsphase das Akzidens aus der Art und der modus ponens nicht
~P ~P Ρ unterscheidbar. Gravierend ist freilich, daß dieser Topos
doppelt aufgeführt wird: nämlich als allgemeine Prä-
Hier ist der dritte mögliche Fall eingetragen, nämlich misse und als Schlußgarant. Damit ist die bisherige sym-
Topoi, die sowohl für das Zerstören als auch das Etablie- bolische Darstellung dieses Topos als Ak(P,A) =>
ren verwendbar sind. Beispiele sind etwa der Topos aus Ak(P,G) - die der Darstellung von Primavesi entspricht,
dem Ähnlichen (a simili) T Ak . siml : «Wenn das Prädikat Ρ der sich selbst auf Brunschwig stützt [104] - sachlich nicht
dem Subjekt S zukommt, dann kommt Ρ auch einem die- gerechtfertigt. Für Brunschwig ist ein Topos durch eine
sem ähnlichen Ss zu» oder der Topos aus dem Konträren Implikation zwischen zwei schèmes propositionnels, also
(e contrario) T A k . c l : «Wenn das Prädikat dem Subjekt S zwei Aussageschemata Zi und Σ2 gekennzeichnet. In
zukommt, dann kommt das konträre Ρ auch dem konträ- einem Aussageschema werden immer zumindest zwei
ren S zu». Aristoteles gibt für den ersten Topos folgen- Prädikate mit einem praedicabile verknüpft. Im gegebe-
des Beispiel: Wenn <bezieht-sich-auf-mehrere-Gegen- nen Fall ist Ak(P,A) das Schema Σ] und Ak(P,G) das
stände> (P) dem Wissen (S) zukommt, dann kommt Ρ Schema Wenn man nun wie Primavesi die Symbole P,

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A und G als Variablen interpretiert, ergibt sich offenbar (1) Topos aus der Extension (T Ga . Exll ): «Wenn das Prä-
keinerlei Gesetzmäßigkeit. Da diese sich erst dann dikat G dem S zukommt, und G eine kleinere Extension
ergibt, wenn man die zusätzliche Annahme macht, daß als S hat, dann ist G notwendig nicht Gattung von S.»
das Prädikat G Gattung von A ist, ist es nicht überra- (2) Topos aus den mehreren Arten (T Ga mA ): «Wenn
schend, daß auch Primavesi bei der Erläuterung der das Prädikat G dem A w zukommt, und neben dem A x
Topoi genau diese begriffslogische Beziehung explizit keine gleichrangigen A x , A y oder Az (d.h. als weitere
formuliert. Man muß somit hier nicht nur das akziden- Arten) existieren, dann ist G notwendig nicht Gattung
telle Zukommen, sondern auch begriffslogische Bezie- von A.»
hungen wie <X ist Gattung von Y> formulieren, also: (3) Topos aus der Graduierung (T Ga . Gradl ): «Wenn G
dem A zukommt, und G graduierbar ist, nicht aber A,
dann gilt notwendig, daß G keine Gattung von A ist.»
Ρ i s t AKZIDENS v o n A
G i s t GATTUNG v o n A

Also ist Ρ AKZIDENS von G


h = TAIC-AI
(4) Topos aus der Graduierung (T Ga . Grad2 ): «Wenn G
Gattung von A ist, und G graduierbar ist, dann muß auch
A graduierbar sein.»
(5) Topos aus der Differenz (T Ga . Diffl ): «Wenn G dem
A zukommt, und die Differenzen D¡, Dj und D k von G
Der diesem Schluß zugrunde liegende Schlußgarant TAlt_ dem A nicht zukommen, dann ist G notwendig keine
AI lautet demnach: «Wenn Ρ Akzidens von A ist, und G Gattung von A.»
Gattung von A, dann gilt notwendig, daß Ρ Akzidens von (6) Topos aus der Privation (TGa_Privl): «Wenn G dem
G ist.» Symbolisiert: A zukommt, und A eine Privation (Ermangelung) von A
ist, und G eine Privation G, dann gilt notwendig, daß G
Ak(P,A) Λ Ga(G,A) Ak(P,G)
Gattung von A ist.»
Hier sind A, P, und G Variablen für Prädikate. Von hier Für den letzten Topos gibt Aristoteles folgendes Bei-
aus erklärt sich auch, daß Aristoteles die Schlußanwei- spiel: «Wenn Blindheit (A) Ermangelung der Wahrneh-
sungen und die Schlußgaranten gleichermaßen als Topoi mung (G) ist, dann ist Sehen (A) eine Wahrnehmung
bezeichnen kann: beide haben ja die gleiche Form. Mehr (G).» [107]
noch: die Topoi, die Schlußgaranten der <Topik>, haben Bei der Behandlung der Topoi für die einzelnen Prädi-
auch die gleiche Form wie die Schlußgaranten der Syllo- kabilien geht Aristoteles zwar nicht systematisch, aber
gistik und auch die gleiche Funktion, da sie bei vorliegen- doch einheitlich vor, da er zunächst untersucht, ob etwa
der Konklusion mindestens zwei Konfigurationen von ein praedicabile falsch zugeordnet wurde - wenn etwa ein
Prädikaten formulieren, aus denen mit Notwendigkeit Ρ als Akzidens ausgegeben wird, obwohl es Gattung ist
auf diese Konklusion gefolgert werden kann. Im Unter- (hier ist Akzidens nicht wie fast durchgängig bei Aristo-
schied zur Syllogistik bestehen diese Konfigurationen teles im inklusiven, sondern im exklusiven Sinne zu ver-
freilich nicht aus quantifizierten Prädikaten, sondern aus stehen) [108]; dem folgen Überlegungen, welche die
in der ersten Prämisse durch die praedicabilia, in der jeweils anderen Prädikabilien einbeziehen (so müssen
zweiten Prämisse hingegen durch begriffslogische Bezie- etwa alle Prädikate einer Definition Akzidentien (im
hungen (die auch praedicabilia sein können) verknüpfte inklusiven Sinne) sein; daran schließen sich Topoi an, die
Prädikate. Das läßt sich durch die Neuformulierung der sich aus der Mehrdeutigkeit und Nicht-Bekanntheit von
bisher behandelten Topoi veranschaulichen: Prädikaten ergeben können, dann Fragekomplexe, die
(1) Topos aus der Gattung (TAk_G1): «Wenn Ρ Akzi- logische Beziehungen betreffen wie Opposition, Ähn-
dens von G ist, und A¡, A¡, und A k Arten von G sind, dann lichkeit und das Mehr oder Weniger. Auf Sprache im
kommt Ρ auch notwendig zumindest einem A¡, A p und weitesten Sinn beziehen sich Topoi wie: [109]
A k als Akzidens zu.» (1) «Wenn Ρ dem S zukommt, und P' ein geläufigerer
(2) Topos aus dem Ähnlichen (TAk_sl): «Wenn Ρ Akzi- Ausdruck als Ρ ist, dann kommt P' auch S zu.»
dens von S ist, und S mit Ss ähnlich ist, dann ist Ρ auch (2) «Wenn Ρ dem S zukommt, und Ρ mehrere Bedeu-
Akzidens von Ss.» tungen I„ Ij, ... Ik hat, dann kommt S auch mindestens
(3) Topos aus dem Konträren (TAk_G1): «Wenn Ρ Akzi- eine der Bedeutungen I; L,.. ,Ik zu.»
dens von S ist, und S und Ρ konträre Prädikate von S und (3) «Wenn SK ein dem S verwandtes/abgeleitetes Sub-
Ρ sind, dann kommt S auch Ρ zu.» jekt ist, und Ρ dem SK zukommt, dann kommt Ρ auch dem
Da damit in den Topoi letztlich begriffslogische Bezie- S zu.»
hungen formuliert sind, die von Aristoteles zugleich als Verwandte (σύστοιχα, systoicha) bzw. koordinierte
sachlich zutreffend gedacht werden, ist es Intention der Terme sind der Gerechte und das Gerechte oder gesunde
<Topik>, «Modi des Aussagens der Wirklichkeit als Wirk- Dinge und Gesundheit. Wenn also etwa Gesundheit
lichkeit» [105] zu explizieren; die Syllogistik gründet auf erstrebenswert (P) ist, dann auch die gesunden Dinge (S).
extensional gedachten Beziehungen zwischen Konfigura- Damit sind die Beugungen bzw. Ableitungen (πτώσεις,
tionen von Prädikaten, die freilich - gerade in ihren ptoseis) zu verbinden, die nicht grammatisch, sondern
Widersprüchen - ihre essentialistische Herkunft nicht semantisch zu verstehen sind, da etwa auf tapfere Weise,
leugnen können. Dies erklärt, daß Aristoteles in der tapfer, der Tapfere Ableitungen von Tapferkeit
Geschichte der L. nicht nur zum Bezugsautor des sind. [110] Bei den gegensätzlichen Prädikaten (αντικεί-
Begriffsrealismus, sondern auch zum Referenzautor des μενα, antikeímena) unterscheidet Aristoteles wie schon
Nominalismus (bis hin zur Aussagenlogik) werden in den <Kategorien> vier A r t e n [ l l l ] :
konnte. Aus dem Gesagten ist klar, daß bei den übrigen (i) Korrelata (τά πρός τι, ta pros ti): doppelt/halb
Prädikabilien das jeweilige praedicabile im Schlußsatz (im (ii) Kontraria (εναντία, enantía): gerecht/ungerecht;
Falle des Schlusses bzw. der Anleitung) oder im Nachsatz gut/schlecht
(im Falle des Garanten) stehen muß. Dazu einige Topoi (iii) Gemäß Privation/Besitz (τά κατά στέρησιν
zur Β estimmung der Gattung (im Falle des Akzidens spre- και εξιν, ta katá stérêsin kai héxin): Blindheit/ Sehvermö-
chen wir im folgenden nur noch von zukommen) [106]: gen

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(iv) Gemäß Kontradiktion (τά κατ'άντίφασιν, ta


(1) (2) (3)
kat'antíphasin): sitzend/nicht-sitzend
Hieraus ergeben sich neben den schon erwähnten Kommt Ρ Kommen Ρ und P' Kommen Ρ und Ρ'
Topoi aus konträren Arten bzw. aus der Privation (TAk-Ai zwei Subjekten einem S jeweils S und S'
und T Ga . Privl ) offenbar eine Fülle weiterer Topoi wie etwa S und S' zu? zu?
für das Proprium der Topos: «Zum Zerstören sieh nach, zu?
ob das konträre Prädikat ein Proprium des konträren (Abb. 5)
Subjekts ist; denn dann [d.h. wenn dies nicht der Fall ist]
wird das Konträre des Ersteren auch kein Proprium des zentraler Bedeutung sind. Um mit dem Topos «Wenn
Konträren des Letzteren sein.» [112] Dem liegt folgender das Mehr nicht, dann auch nicht das Weniger (ex maiore
Schlußgarant T P r . c l zugrunde: «Wenn S Kontrarium von ad minus)» zu beginnen:
S und Ç Kontrarium von C sind, und wenn C dem S nicht (1) Topos aus dem Mehr (a maiore) (T Ak . Mail ): «Wenn
als Proprium zukommt, dann ist Ç notwendig nicht Pro- Ρ vom S' mit größerer Wahrscheinlichkeit als vom S gilt,
prium von S». Daraus läßt sich folgende Argumentation und wenn Ρ dem S' nicht zukommt, dann kommt Ρ auch
bilden: <Da Ungerechtigkeit (S) Kontrarium von Gerech- dem S nicht zu.»
tigkeit (S) und größtes Übel (Ç) Kontrarium von größtes Das wohl bekannteste Beispiel dieses nur für das Zer-
Gut (C) ist, und da größtes Gut (C) kein Proprium von stören brauchbaren Topos ist: (Bl) «Wenn selbst die
Gerechtigkeit (S) ist, ist auch größtes Übel (Ç) kein Pro- Götter (S') nicht allwissend (P) sind, dann doch auch um
prium von Ungerechtigkeit (S)>. Weitere Möglichkeiten so mehr die Menschen (S).» [115]
ergeben sich daraus, daß Aristoteles bei den Kontraria
zusätzlich zwischen konträren Paaren, die einen Zwi-
schenterm haben - und deshalb auch graduierbar sind
(gesund ... krank), und solchen ohne Zwischenterm gP Göttern (S') kommt das Prädikat all-
(gerade vs. ungerade) unterscheidet. Wie er schon in den wissend (P) mit größerer Wahrschein-
<Kategorien> betont, muß im letzten Fall notwendig ein lichkeit zu als Menschen (S)
Kontrarium dem Subjekt (Zahl) zukommen, während sP Nun sind Götter (S) nicht allwissend (P) = T
Ak-Mail
dies im ersten Fall nicht notwendig ist. Daraus ergeben Κ Also sind auch Menschen (S) nicht
sich etwa die Topoi, daß den Arten Kontraria ohne Zwi- allwissend (P)
schenterm zukommen müssen, wenn dies auch für ihre
Gattung zutrifft, bzw. daß ein Prädikat Ρ nicht Gattung
von A sein kann, wenn ihnen unterschiedliche Arten von Für das Etablieren gilt der Schluß vom Vorliegen des
Kontraria zukommen. Weniger auf das Vorliegen des Mehr (ex minore ad
maius):
Die Topoi aus dem Mehr oder Weniger müssen etwas (1') Topos aus dem Weniger (ex minore) (ΤΑ)(_Μίπ1:
genauer behandelt werden, da die Tatsache, daß Aristo- «Wenn Ρ vom S' mit geringerer Wahrscheinlichkeit als
teles im 10. Kapitel des II. Buchs der <Topik> von einer vom S gilt, und wenn Ρ dem S' zukommt, dann kommt Ρ
Gruppe von vier Topoi aus dem Mehr oder Weniger auch dem S zu.»
spricht, obwohl der erste dieser Topoi sich fundamental Aristoteles gibt hierfür im III. Buch der <Topik> fol-
von den übrigen unterscheidet, zu viel Verwirrung gendes Beispiel: «Wenn irgendeine Fähigkeit weniger
geführt hat. In diesem ersten Fall des Mehr oder Weniger als das Wissen ein Gut ist, und wenn irgendeine Fähig-
geht es nämlich - wie beim schon erwähnten Topos aus keit tatsächlich ein Gut ist, dann ist das Wissen auch ein
der Graduierung T Ga . Gradl - um das Verhältnis von abso- Gut.» [116] Für den zweiten Fall mit zwei verschiedenen
lut genommenen Termen (gut) zu ihren Graduierungen Prädikaten findet sich an der gleichen <Rhetorik>-Stelle
(besser/weniger gut), also um grammatische Beziehun- wie das vorige Beispiel (Bl) das in der Tradition oft wie-
gen. «Wenn Lust ein Gut ist, dann ist ein Mehr an Lust deraufgenommene Argument: (B2') «Wenn er schon
ein größeres Gut.» [113] Der zugrundeliegende Topos ist seinen Vater geschlagen hat, dann dürfte er doch auch
offenbar: seinen Nachbarn geschlagen haben». Die zugrundelie-
Topos aus der Graduierung (T Ak . Grad2 ): «Wenn P± und gende Schlußstruktur ist: (2')(T Ak . Min2 ): «Wenn P' mit
S± Graduierungen von Ρ und S sind, und Ρ Akzidens von geringerer Wahrscheinlichkeit als Ρ vom S gilt, und
S ist, dann gilt notwendig, daß P± auch Akzidens von S± wenn P' dem S zukommt, dann kommt auch Ρ dem S
ist.» zu.» Als Schluß läßt sich dies wie folgt konfigurie-
Eine Variante ist der später ausgeführte Topos aus der ren [117]:
Graduierung [114]:
(TAk-Grad4): «Wenn P+ und P- höhere und niedrigere gP Seinen-Vater-Schlagen (P') gilt als weniger wahr-
Graduierungen von S sind, und P+ oder P- dem S zukom- scheinlich als Seinen-Nachbarn-Schlagen (P)
men, dann kommt Ρ auch dem S als Akzidens zu.» sP Nun kommt χ (S) das Prädikat Seinen-Vater-Schlagen
Bei den restlichen drei Topoi (l)-(3) aus dem Mehr (P') zu
oder Weniger geht es hingegen um die relative Wahr-
scheinlichkeit der Zuordnung von Prädikaten. Da Aristo- Κ Also kommt χ (S) auch das Prädikat Seinen-Nachbarn-
teles diese drei Fälle nach formalen Kriterien klassifi- Schlagen (P) zu
ziert, scheinen diese zunächst überzeugend, obwohl
dahinter Probleme stecken, die Logiker, Dialektiker und Auch hier gilt wie im Fall (1), daß man durch ein Argu-
Rhetoriker gleichermaßen beschäftigen. (Zu den Krite- ment aus dem Nicht-Vorliegen des Mehr auf das Nicht-
rien vgl. Abb. 5) Vorliegen des Weniger die These des Gegners zerstören
Da Aristoteles in der <Topik> nur wenige Beispiele kann. Hierfür gibt Aristoteles kein Beispiel. Auch für
gibt, muß hier auch auf die <Rhetorik> zurückgegriffen den Fall (3), der hier in der Variante (3') aus dem Weni-
werden. Dies ist sachlich auch dadurch gerechtfertigt, ger (ex minore) formuliert wird, finden sich keine Bei-
daß diese Topoi für die rhetorische Argumentation von spiele:

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(3') T Ak . Min3 : «Wenn gilt, daß P' dem S' mit geringerer sogar zusammen [126] behandelt; dem stehen freilich
Wahrscheinlichkeit zukommt als Ρ dem S, und wenn P' zwei Stellen entgegen, an denen nur das Mehr oder
dem S' zukommt, dann kommt auch Ρ dem S zu.» Weniger [127] untersucht wird. Das einzige Beispiel in
Offensichtlich sind nun nur die Schlüsse (1) dialekti- der <Topik> für das Zusammenbehandeln ist: <Wenn
sche Syllogismen, da es nur in ihnen um generische Schmerz (G) in gleichem Maße wie Vorstellung, daß man
Begriffsverhältnisse geht; in (2) hingegen - was von der verachtet wird (G') als Gattung von Wut (S') gilt, und
Forschung übersehen wurde - handelt es sich um rhetori- wenn Vorstellung, daß man verachtet wird (G') nicht der
sche Syllogismen, insofern in ihnen ja auf das faktische Wut zukommt, dann ist auch Schmerz (G') keine Gat-
Vorliegen eines singulären Sachverhalts geschlossen tung von Wut (S)>. [128] Dieser Topos ist nicht schlüssig,
wird. Dem entspricht, daß in (1) von der relativen Wahr- da ja im gegebenen Beispiel Schmerz durchaus Gattung
scheinlichkeit der Zuordnung von Prädikaten und nicht von Wut sein kann. Zieht man das folgende Beispiel aus
wie in (2) von vergleichbaren Sachverhalten gesprochen der <Rhetorik> hinzu, so wird die unterschiedliche logi-
wird. Deshalb ist auch der Topos T Ak . Min2 in (2') für die sche Struktur der Topoi aus dem Mehr oder Weniger
Gerichtstopik relevant, vor allem, wenn es im status einerseits und der Topoi aus dem Gleichen andererseits
coniecturalis um den mutmaßlichen Nachweis geht, daß unmittelbar einsichtig: ( G l ) «Wenn Theseus kein
ein bestimmter Angeklagter χ die fragliche Handlung Unrecht begangen hat, dann auch nicht Alexander (=
tatsächlich vollzogen hat. In der neueren Forschung ist zu Paris).» [129] Die hier unterstellte Vergleichsdimension
Recht betont worden, daß diese Topoi nur dann möglich D ist: beide haben (zu verschiedenen Zeitpunkten)
sind, wenn die fraglichen Sachverhalte aufgrund eines Helena geraubt. Dem liegt folgender Garant zugrunde:
gemeinsamen Prädikats vergleichbar sind. Nach C O E N E N Topos aus dem Gleichen (a pari) (TAk_parl): «Wenn S'
und Primavesi wird die Vergleichbarkeit in (B2') durch mit S hinsichtlich einer Vergleichsdimension D identisch
das Prädikat <Rücksichtslosigkeit> bzw. <Brutalität> ist, und wenn das Prädikat Ρ dem S' (nicht) zukommt,
gewährleistet. [118] dann kommt Ρ auch (nicht) S zu.»
Da nun auch andere Gründe wie etwa <ungesittet>, Dieser sowohl dem Widerlegen als auch dem Etablie-
<cholerisch>, usw. möglich sind, überzeugt diese Lösung ren dienende Topos entspricht offenbar der «règle de
nicht. Dennoch verweist das in <Brutalität> liegende kon- justice» (Gerechtigkeitsregel) [130] bei P E R E L M A N / O L -
notative Moment des <Nicht-Normalen und Nicht- BRECHTS-TYTECA, die man kurz mit «Gleiches muß gleich
Erlaubten) auf die Tatsache, daß es hier um Grade von behandelt werden» bezeichnen kann. Entsprechend gilt
Normverletzungen geht: Die Handlung <Seinen-Vater- das Gegenstück e contrario: «Ungleiches muß ungleich
Schlagern gilt als schwerere Normverletzung als die behandelt werden». Wie für die Topoi aus dem Mehr
Handlung <Seinen-Nachbarn-Schlagen>. Man muß dann oder Weniger unterscheidet Aristoteles die Fälle (2) und
nur noch die normative Annahme machen, daß Men- (3), d.h. mit zwei Prädikaten und einem Subjekt bzw. mit
schen schwerere Normverletzungen weniger häufig als zwei Prädikaten und zwei Subjekten, die er, da sie glei-
geringere begehen. Als spezifischer Topos formuliert: chermaßen dem Zerstören und dem Etablieren dienen,
«Je schwerer eine Normverletzung, um so geringer die als Äquivalenzen formuliert. Nach Primavesi ist das
Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens». Diese Hand- <Rhetorik>-Beispiel (B3): «Wenn man Hektors Verhal-
lungswahrscheinlichkeit darf nicht mit der statistischen ten gegenüber Patroklos nicht als Unrecht werten kann,
Wahrscheinlichkeit gleichgesetzt werden: aus der Tatsa- dann auch nicht Paris' Verhalten gegenüber Achill» [131]
che, daß mit einem Würfel mit einer Zwei und fünf Sech- (beide haben ihren jeweiligen Gegner im Kriege getötet)
sen die Zwei gewürfelt wurde, folgt ja nicht, daß beim ein Argument aus dem Fall (3), das er deshalb wie folgt
nächsten Wurf die <mehr> wahrscheinliche Sechs gewür- interpretiert: «Wenn das Prädikat tat dem Patroklos
felt wird. [119] Der normative Charakter von Handlungs- Unrecht (P') dem Hektor (S') objektiv ebenso gut
wahrscheinlichkeiten wurde hier durch die Formulie- begründbar zukommt wie das Prädikat tat dem Achill
rung «wenn gilt...» zum Ausdruck gebracht. Dies ent- Unrecht (P) dem Paris (S), und wenn P' dem S' nicht
spricht sowohl dem Sprachgebrauch von Aristoteles wie zukommt, dann kommt auch Ρ dem S nicht zu.» [132]
auch seiner allgemeinen Bestimmung der dialektischen Damit stellt sich freilich die Frage nach dem Status sol-
Syllogismen, die nur endoxale, d.h. meinungsmäßig cher Prädikate mit Eigennamen wie tat-dem-Achill-
zugestandene Prämissen haben. Ein ενδοξον (éndoxon) Unrecht (P), die ja offenbar ein singuläres Faktum
ist eine gängige Meinung, eine Meinung, die «Reputation bezeichnen. Sicher könnte man alle, die dem Achill
hat» [120], In der Regel geben Meinungen «das, was mei- Unrecht getan haben, unter Ρ zusammenfassen; dies
stens ist oder zu sein scheint» [121] wieder, d.h. das εικός hätte jedoch die fatale Konsequenz, daß alle diejenigen,
(eikós), das Wahrscheinliche. Deshalb schreibt Aristote- die aus irgendeinem Grund dem Achill irgendein
les in den <Analytikern: «Das Wahrscheinliche (eikós) ist Unrecht getan haben, genauso wie Hektor behandelt
eine Prämisse, die auf einer Meinung beruht (protasis werden müßten. Diese Konsequenz läßt sich leicht ver-
éndoxos); denn das, was meistens so geschieht oder nicht meiden, wenn man die zugrundeliegende Vergleichsdi-
so geschieht, meistens so ist oder nicht so ist - das ist das mension formuliert:
Wahrscheinliche.» [122] Diese Zusammenhänge werden Wenn Hektor hat Patroklos getötet (p) und Paris hat
offenbar verdeckt, wenn man wie Primavesi die Topoi Achill getötet (q) hinsichtlich einer relevanten Ver-
des Mehr oder Weniger mit <ist objektiv besser/weniger gleichsdimension einen Gegner im Kriege töten (D) iden-
gut begründbar> [123] statt mit <gilt als mehr/weniger tisch sind, und wenn ρ kein Unrecht (P) ist, dann ist auch
wahrscheinlich) formuliert. q kein Unrecht (P).
Ebenso problematisch ist die Gleichbehandlung der Diese Formulierung entspricht zugleich der Grund-
Topoi aus dem Mehr oder Weniger mit den Topoi aus struktur des Syllogismos, da in der 1. Prämisse eine Rela-
dem Gleichen bei Primavesi, die sich freilich auf eine tion zwischen mindestens zwei Gegebenheiten festge-
lange Tradition stützen kann. [124] Dies scheint dadurch stellt wird. Wir haben zudem die jeweiligen Handlungen
gerechtfertigt, daß Aristoteles beide Gruppen - wie in von Hektor und Paris als Aussagevariablen ρ und q dar-
der <Rhetorik> - nacheinander [125], an zwei Stellen gestellt, um deutlich zu machen, daß es sich bei a pari-

ΑΛΙ 448

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Logik Logik

Schlüssen in bestimmten relevanten Hinsichten um ver- ergeben. So finden sich unter den 28 in <Rhetorik> II, 23
gleichbare Sachverhalte handelt. Mit dem Zusatz <rele- aufgelisteten Topoi neben den Schlußverfahren aus dem
vant> wird gewährleistet, daß nur für das zur Frage ste- Konträren, aus den Beugungen bzw. Ableitungen, aus
hende Problem wesentliche Vergleichsdimensionen dem Mehr oder Weniger, aus der Definition, aus der
möglich sind. Analogie oder aus der Zerlegung in Arten (διαίρεσις,
Von diesen Topoi sind jene fernzuhalten, in denen es dihaíresis; divisio) auch Topoi, die sich auf die Konstitu-
nicht darum geht, ob ein Prädikat in gleicher Weise von tionsbedingungen der Meinungen selbst beziehen: so der
einem Subjekt ausgesagt wird, sondern darum, ob sie sich Topos, daß man sich auf die Urteile und Entscheidungen
in gleicher Weise verhalten (ομοίως εχειν, homoiös aller, der meisten, oder zumindest der Gebildeten oder
échein). Ein Beispiel für diese Topoi aus der Analogie der Anständigen stützen soll; oder der Topos, daß man,
ist: [133] da die Leute oft privat und öffentlich nicht das gleiche
Topos aus der Analogie (T Pr . anal ): «Wenn gilt, daß Ρ sagen, diesen Widerspruch argumentativ ausspielen soll;
und P' sich analog wie Q und Q' verhalten, und wenn P' genauso kann man jenen Widerspruch ausnutzen, daß
(nicht) Proprium von Ρ ist, dann gilt auch, daß Q ' (nicht) die gleichen Leute vor dem Eintreten eines Ereignisses
Proprium von Q ist.» oft anders urteilen als danach; oder schließlich jener
Aristoteles illustriert das mit: Wenn sich Arzt (P) zum Topos, den man vorbringen kann, wenn etwas geschehen
Gesund-Machen (P') genauso verhält wie Architekt (Q) ist, das, da es unwahrscheinlich war, eigentlich nicht hätte
zu Haus-Herstellen (Q'), und wenn Gesund-Machen (P') geschehen dürfen. [138] Da diese Topoi nicht als dialek-
keine Proprium von Arzt (P') ist, dann ist es auch Haus- tisch-logische Schlußgaranten fungieren können, be-
Hersteilen (Q') kein Proprium des Architekten (Q)'. Ein zeichnen wir sie als rhetorische Topoi.
Beispiel für das Akzidens ist: «Wenn Sehvermögen- Von hier aus lassen sich die von Aristoteles unterschie-
Besitzen ein Sehen ist, dann ist auch Hörvermögen-Besit- denen Syllogismen bzw. Schlußformen leicht nachvoll-
zen ein Hören.» [134] Die diesem Argument zugrundelie- ziehen: Syllogismen können sich nämlich hinsichtlich des
gende Analogie ist: Wahrheitscharakters der Prämissen wie auch hinsicht-
lich ihrer logischen Gültigkeit unterscheiden. Wissen-
R,(A,B) R2(C,D)
schaftliche Schlüsse mit notwendig wahren Prämissen
12 3 4 sind, wie betont, apodeiktisch; falsche Prämissen in wis-
Von hier aus läßt sich der Topos TPr_anal auch wie folgt senschaftlichen Syllogismen führen zu Paralogismen.
formulieren: Dialektische Syllogismen haben, wie betont, nur endo-
Tpr-anal· «Wenn gilt, daß die Relation R] analog zur xale, meinungsmäßig zugestandene Prämissen, die in der
Relation R 2 ist, und wenn in R, das Zweite Proprium des Regel auch das Wahrscheinliche, das Eikos, d.h. das, was
Ersten ist, dann ist auch in R 2 das Vierte Proprium des normalerweise und meistens geschieht, zum Ausdruck
Dritten.» bringen. Rhetorische Schlüsse, d.h. Enthymeme, haben
In dieser Form ist die Isomorphie zur Metapherdefini- schließlich ebenfalls endoxale und/oder bloß wahr-
tion bei Aristoteles evident: «Eine Metapher aus der scheinliche (eikós) Prämissen; sie schließen hingegen vor
Analogie liegt vor, wenn das Zweite zum Ersten sich ähn- allem in der Gerichtsrede auf das Vorliegen bzw. in der
lich verhält wie das Vierte zum Dritten; dann kann man Ratsrede auf das <Herbeiführen> von singulären Sachver-
nämlich statt des Zweiten das Vierte und statt des Vier- halten. Das schließt nicht aus, daß in ihnen, wenn es um
ten das Zweite sagen [...]; wie das Alter sich zum Leben das normative Bewerten bestimmter Typen von Handlun-
verhält, so der Abend zum Tag; man kann also den gen geht - was besonders für die Festrede zutrifft - gene-
Abend <Alter des Tages> und das Alter <Abend des rische Syllogismen Verwendung finden.
Lebens> nennen.» [135] Hinsichtlich des zweiten Kriteriums, der logischen
Diesem Topos aus der Analogie entspricht auch das in Gültigkeit, gilt, daß alle Schlüsse gültig und nicht-gültig
der <Rhetorik> für den Topos XVI aus analogen Relatio- sein können. Ist letzteres der Fall, spricht Aristoteles von
nen gegebene Beispiel: «Wenn man die Großen unter den Scheinschlüssen bzw. von eristischen Syllogismen. Diese
Kindern zu Männern erklärt, dann sollte man doch auch können freilich auch vorliegen, wenn in rhetorischen
gesetzlich festlegen, daß die Kleinen unter den Männern oder dialektischen Schlüssen von den Rednern bzw. den
Kinder sind.» [136] Das Beispiel zeigt, daß sich der Topos Opponenten falsche Prämissen formuliert werden. Dies
mit ironischer Intention auch als ad absurdum-Argument ergibt die in Abb. 6 dargestellte Klassifikation der Syllo-
verwenden läßt: aus der zugrunde gelegten Analogie: gismen. [139]
R1 (große Kinder/Kinder) ~ R2(Männer/kleine Männer) Da im Gegensatz zu den apodeiktischen Schlüssen
folgt nämlich, daß kleine Männer Kinder sind, was offen- nicht alle dialektischen Schlüsse logisch stringent sind,
sichtlich absurd ist. Zieht man noch den Topos III aus den sprechen wir nur von logisch konsistent. In diesem Sinne
reziproken Relationen aus der <Rhetorik> hinzu («Wenn sind auch die Enthymeme aus dem Zeichen, d.h. Abduk-
Kaufen nicht schändlich ist, dann ist auch Verkaufen nicht tionen, die vom Vorliegen der Konsequenz auf das Vor-
schändlich»), dem offenbar auch der allgemeine Gleich- liegen des Antezedens schließen, konsistent. Betont sei,
heitstopos «Gleiches muß gleich behandelt werden» daß Abduktionen auch in der <Topik> als logisch nicht
zugrunde liegt, wird deutlich, daß auch die Analogie- stringent bestimmt werden.
schlüsse unter diesen Topos fallen. Anders gesagt: Schlüs- e. Enthymeme, Deduktion/Induktion, Analogie, Wider-
sen aus dem Gleichen (apari), aus dem Analogen und aus legung. Sieht man davon ab, daß für Aristoteles Enthy-
dem Reziproken sind Varianten des Gleichheitstopos. meme nur dann überzeugen, wenn sie zugleich Ethos und
Vergleicht man die Behandlung der Topoi in der <Rhe- Pathos richtig und angemessen zum Ausdruck brin-
torik>, die ja auch ein «Gegenstück der Dialektik» [137] gen [140], gilt festzuhalten, daß das Enthymem nicht nur
ist, mit der Darstellung in der <Topik>, so fällt auf, daß logisch, sondern bereichsspezifisch definiert ist: das Ent-
sich neben den dialektisch-logischen Topoi der <Topik> hymem ist ein Schluß, der im Bereich der öffentlichen
mehrere Anweisungen finden, die sich aus der spezifi- Kommunikation vorgebracht wird. Dies erklärt, daß Ari-
schen Redesituation des Redners in der Öffentlichkeit stoteles auch notwendig wahre Syllogismen als Enthy-

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SYLLOGISMEN

logisch konsistent logisch nicht-konsistent


(scheinbar stringent)
wissenschaftlich endoxal/eikós

wahr falsch geltend nicht-geltend


(scheinbar richtig)

apodeiktisch paralogisch dialektisch rhetorisch eristisch eristisch


(sachlich)
(logisch)

Apodeixis Paralogismus Epicheirem Enthymen eristi scher eristischer


[generi sch] [genetisch] [singulär] Syllogismus Syllogismus
[generiseli] (Sophisma)
(Abb. 6)

meme begreifen kann: «Es ist klar, daß einige Prämissen Fieber hat, ist: er atmet schnell. Dies ist widerlegbar,
von Enthymemen notwendig sind, die meisten aber sind selbst wenn es wahr sein sollte; denn es ist möglich, daß
wahrscheinlich.» [141] Hier ist auch das logische Unter- einer kurz atmet, ohne Fieber zu haben.» [146] Wir
scheidungskriterium genannt: Enthymeme beziehen sich bezeichnen diese Schlußform, die ja allen semiologischen
auf das Wahrscheinliche, d.h. «das, was meistens so oder Wissenschaften wie etwa der Medizin eigentümlich ist,
so geschieht und möglich ist».Enthymeme in diesem als logisch konsistent. Enthymeme aus dem Wahrschein-
Sinne können (1) deduktiv, (2) induktiv oder auch (3) lichen und Enthymeme aus dem Zeichen sind insofern
abduktiv schließen. identisch, als sie sich auf plausible Prämissen stützen, sie
(1) Sind sie deduktiv, spricht Aristoteles auch von En- unterscheiden sich dadurch, daß erstere logisch strin-
thymemen aus dem Wahrscheinlichen. [142] Sie unter- gent, letztere hingegen nur logisch konsistent sind.
scheiden sich von apodeiktischen Schlüssen in dreifacher Reflektiert man nun auf die logische Struktur der En-
Hinsicht: sie folgern aus wahrscheinlichen oder - wie wir thymeme, so fällt auf, daß Aristoteles diese fast durch-
im folgenden auch sagen wollen - aus plausiblen Prämis- gängig im Hinblick auf ihre Gemeinsamkeiten mit dem
sen; ihre Konklusionen sind meist singulär; die Argumen- wissenschaftlichen Schließen gedacht hat, nicht aber in
tationsschritte, die beim Zuhörer als bekannt unterstellt ihrer Eigenschaft als Schlüsse mit bloß möglichen Prämis-
werden dürfen, müssen nicht explizit formuliert werden. sen. Aus der Bestimmung des Eikos als das, was meistens
(2) Induktive Enthymeme nennt Aristoteles auch Ent- so und so geschieht, das aber auch die Möglichkeit des
hymeme aus dem Beispiel (Paradeigma). [143] Im Gegen- Anders-Seins nicht ausschließt, folgt ja eine höchst ambi-
satz zur logischen Induktion (επαγωγή, epagôgë), die nur valente Grundstruktur des Enthymems: einerseits wer-
dann stringent ist, wenn ihr alle Einzelfälle zugrunde lie- den mit ihm Folgerungen vollzogen, als ob es sich um not-
gen [144], folgert ein Paradeigma oft nur aus einem einzi- wendige Schlüsse handelte, andererseits aber bleibt nie
gen Beispiel; ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, ausgeschlossen, daß der in der generischen Prämisse als
daß es nicht auf das Generische, sondern auf einen ande- wahrscheinlich angenommene Sachverhaltszusammen-
ren Einzelfall schließt. «Es ist offensichtlich, daß sich das hang nur möglicherweise wahr ist, d.h. im jeweils gegebe-
Paradeigma weder wie ein Teil zum Ganzen noch wie ein nen Fall auch falsch sein könnte. Dieses Problem der logi-
Ganzes zum Teil verhält, sondern wie ein Teil zum Teil, schen und existentiellen Ambivalenz des Enthymems wird
wobei beide Teile zwar unter das Gleiche fallen, der eine von Aristoteles durch die anthropologische Grundan-
Teil aber bekannt ist.» [145] So wird in «Wir sollten Dio- nahme gleichsam entschärft, daß das Wahre und das
nys keine Leibwache geben (K), da doch Peisistrates, Wahrscheinliche Gegenstand des gleichen Wissens sind
nachdem er eine Leibwache erhielt, zum Tyrannen und deshalb auch auf einen vergleichbaren Habitus ver-
wurde (Pi)» vom bekannteren Faktum P] auf Κ geschlos- weisen: «Das Wahre und das dem Wahren Ähnliche sind
sen, wobei der Umweg über das Ganze - hier die generi- Gegenstand der gleichen Fähigkeit; zugleich haben Men-
sche Prämisse <Alle, die in der und der Situation nach schen von Natur aus eine hinreichende Fähigkeit das
einer Leibwache verlangen, wollen zu Tyrannen werden> Wahre zu erkennen, und sie erreichen es auch meistens.
- nicht explizit gemacht werden muß. Deshalb wird sicher derjenige, der das Wahre erkennt,
(3) Abduktive Enthymeme bezeichnet Aristoteles als gleichermaßen das Wahrscheinliche erkennen.» [147]
Enthymeme aus dem Zeichen. Sind diese logisch notwen- Diese Gleichbehandlung des Wahren und des Wahr-
dig, spricht er vom Enthymem aus dem notwendigen Zei- scheinlichen erklärt, daß Aristoteles die Möglichkeit des
chen. Dies liegt vor, wenn dem Schluß eine Äquivalenz- Anders-Seins nur indirekt, nämlich bei der Behandlung
relation zugrunde liegt: <wenn χ fiebert, dann ist χ auch der Widerlegung in den Blick bekommt. Aristoteles
krank>. Folgert man dagegen vom Vorliegen der Konse- unterscheidet zwei Formen: den Gegenschluß und den
quenz einer Folgebeziehung <wenn χ Fieber hat, dann Einwand. Den Gegenschluß (ελεγχο, élenchos) definiert
atmet χ schnell) auf das Vorliegen des Antezedens, so er schon in den <Sophistischen Widerlegungen) als
liegt ein logisch nicht stringentes Enthymem aus dem «einen Schluß (syllogismös) mit Widerspruch gegen die
Zeichen, d.h. eine Abduktion, vor: «Ein Zeichen, daß er Konklusion.» [148] Da der Gegenschluß sich wiederum

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auf eine Eikos-Aussage stützt, thematisiert er nicht die gen>. Dabei unterscheidet Aristoteles fünf Stoßrichtun-
Möglichkeit des Anders-Seins. Dies geschieht mit dem gen derjenigen, die nur um des Streites willen argumen-
Einwand (ενστασις, énstasis) : dieser besteht darin, «eine tieren: die Widerlegung, das Falsche, das Paradoxe, den
Meinung auszusprechen, aus der offensichtlich ist, daß Grammatikfehler (Solözismus) und das leere Geschwa-
kein Schluß vollzogen wurde oder daß der Gegner etwas fel. «An erster Stelle versuchen sie den Eindruck zu
Falsches gewählt hat.» [149] Ein Einwand zeigt somit ent- erwecken, daß sie wirklich widerlegen, an zweiter zu zei-
weder, daß nicht logisch stringent geschlossen wurde, gen, daß der Opponent etwas Falsches sagt, an dritter ihn
oder, daß die generische oder die spezifische Prämisse zu paradoxen Behauptungen zu bringen, an vierter ihn zu
falsch, nicht wahrscheinlich oder zumindest nicht not- Grammatikfehlern zu verleiten (d.h. den Opponenten
wendig sind. Das zeigt er einmal, (1) indem er wie in der aufgrund der Argumentation zu einer ungrammatischen
<Topik> bestimmte Typen von Einwänden unterscheidet, und barbarischen Äußerung zu bringen) und an fünfter,
und zum andern, (2) indem er die Einwände von den ihn immer wieder dasselbe sagen zu lassen.» [157] Für die
< Analytikern her je nach Art des Enthymems, gegen die Widerlegungen selbst unterscheidet Aristoteles zwei
sie sich richten, unterscheidet. In dieser doppelten Gruppen von Fehlern: (I) Fehler, deren Schein bei der
Behandlung sieht SOLMSEN seine These bestätigt, daß sprachlichen Äußerung (παρά την λέξιν, pará tën léxin)
Aristoteles zwei Enthymemtheorien vertreten habe - und (II) solche, deren Scheinevidenz außerhalb der
eine nicht notwendige Folgerung, da ja in diesen Schrif- sprachlichen Äußerung (εξω της λέξεως, éxô tes léxeôs)
ten keine andere Schlußtheorie entwickelt wird, sondern entsteht. In der <Rhetorik> findet sich eine gedrängte
die gleiche Schlußlehre in unterschiedlicher Abschat- Darstellung, die sich in nur wenigen Aspekten von der
tung und Fragestellung. [150] (1) Die Typen sind [151]: Behandlung in den <Sophistischen Widerlegungen)
aus der Sache selbst, aus dem Ahnlichen, aus früher gel- unterscheidet. Damit verbunden ist die Darstellung der
tenden Meinungen und aus dem Gegenteil (These: «Der Gründe für nicht-stringente Syllogismen in den <1. Analy-
rechtschaffene Mann tut allen seinen Freunden Gutes»; tiken), die freilich nur die wesentlichen Fehler außerhalb
Einwand: «Aber der schlechte Mann fügt doch auch der sprachlichen Äußerung (II) diskutiert. Da alle drei
nicht seinen Freunden Schlechtes zu!»). (2) Bei Enthy- Darstellungen in logischer Hinsicht keine wesentlichen
memen aus den Zeichen kann man zeigen, daß das als Unterschiede zeigen, werden sie hier mit H A M B L I N als
Zeichen behauptete Faktum nicht vorliegt, bzw., wenn einheitliche Theorie behandelt [158].
man dieses Zeichen als Faktum akzeptiert, daß der (I) Fehler der sprachlichen Äußerung (fallaciae dictio-
Schluß nicht stringent (άσυλλογιστικόν, asyllogistikón) nis) sind [159]: Homonymie ( f . aequivocationis), Amphi-
ist, da ja ein anderes Antezedens möglicherweise vorlie- bolie ( f . ambiguitatis), Verbindung ( f . compositionis),
gen könnte; beim Enthymem aus dem notwendigen Zei- Trennung ( f . divisionis), Prosodie ( f . accentus), Äuße-
chen ist offenbar nur der erste Einwand gegen die Fakti- rungsform (σχήμα της λέξεως, schéma tes léxeôs). Am-
zität möglich [152]; Enthymeme aus dem Wahrscheinli- phibolie entspricht der syntaktischen Mehrdeutigkeit. So
chen und aus dem Beispiel kann man gleichermaßen ist etwa im Deutschen <Die Rede vom Schweigenden»
durch ein Gegenbeispiel widerlegen, das sich gegen den mehrdeutig, da der Genitiv als genetivus subiectivus bzw.
explizit formulierten oder implizit unterstellten generi- obiectivus verstanden werden kann. Daraus läßt sich fol-
schen Zusammenhang wendet; Richter, die sich bei En- gender Trugschluß bilden: «Kann man von Dingen, die
thymemen aus dem Wahrscheinlichen durch ein Gegen- nicht selbst reden können, reden? - Ja / Ist <Dinge, die
beispiel überzeugen lassen, vollziehen freilich einen nicht reden» gleichbedeutend mit <Dinge, die schwei-
«Paralogismus», da man offenbar «nicht hinreichend gen»? - Ja / Also gibt es eine Rede von Schweigenden».
widerlegt hat, wenn man zeigt, daß etwas nicht notwen- Die Homonymie[l60\ ist weiter gefaßt als in der
dig ist; sondern nur, wenn man zeigt, daß es nicht wahr- Moderne, da sie folgende Fälle abdecken kann: lexikali-
scheinlich ist»; dies wiederum wird um so eher gelingen, sche Mehrdeutigkeit, Gebrauchsmehrdeutigkeit (wie
wenn der Nachweis gelingt, daß es sich in vielen, ja sogar gut, können, sein usw. (vgl.: x ist ein guter Mathematiker;
den meisten Fällen so, wie behauptet, verhält [153]. Mathematiker sind Menschen; also ist x ein guter
f. Trugschlüsse. Bei den bisherigen Einwänden oder Mensch), deiktische Mehrdeutigkeit (x war (gestern)
Gegenschlüssen ist unterstellt, daß der Opponent unab- krank; x ist (heute) gesund; also ist der Gesunde krank).
sichtlich ungenaue oder nicht konsistente Argumente Fehler der Verbindung bzw. der Trennung liegen vor,
vorgebracht hat. Bei den Argumenten oder Widerlegun- wenn syntaktische Gruppen falsch verbunden oder
gen der Sophisten muß hingegen in der Regel eine Täu- getrennt werden (Kann man jemanden mit den Augen
schungsabsicht unterstellt werden. Dabei nutzen sie die schlagen? - Nein. / Nun hast du ihnx doch mit eigenen¡
Tatsache aus, daß Schlüsse so 'herausgeputzt' sind, daß Augen schlagen gesehen? - Ja. / Also kann man jeman-
sie, obwohl falsch, wahr scheinen - genauso wie «die den mit den Augen schlagen!; hier wird die Präpositio-
einen Menschen wirklich schön sind, während die andern nalphrase fälschlicherweise auf ihn und nicht auf den
nur den Schein der Schönheit haben, weil sie sich heraus- Beobachter du bezogen). Da diese Fehler auch absicht-
geputzt haben». Dem Unerfahrenen erscheint dieser Lug lich in einem Witz ausgespielt werden können, ist es nicht
und Trug als wahr, weil sie wie jene, «die etwas nur aus überraschend, daß sich bei F R E U D sog. «Verschiebungs-
der Ferne sehen» [154], die wirkliche Gestalt nicht wahr- witze» finden, die auf einer falschen Verbindung bzw.
nehmen können. Deshalb hat die aristotelische Abhand- Trennung basieren (vgl. Zwei Juden treffen sich in der
lung zu den <Sophistischen Widerlegungen) eine Aufklä- Nähe des Badehauses: «Hast du genommen ein Bad?»
rungsfunktion: Aufgabe des Wissenden ist nämlich, «in fragt der eine. «Wieso?» fragt der andere dagegen, «fehlt
dem, was er weiß, den Trug zu meiden, wie auch denjeni- eins?»[ 161]). Die Fehler der Prosodie basieren auf fal-
gen, der täuscht, entlarven zu können.» [155] Er muß schen Verbindungen/Trennungen, mit dem Unterschied,
Scheinargumente nicht nur negieren, sondern zerlegen daß hier suprasegmentale phonetische oder graphische
und auseinandernehmen (διαιρεΐν, dihaireín), damit das, Gegebenheiten falsch identifiziert werden (so kann man
worin sie täuschen, klar vor Augen trete. [156] Genau etwa im Griechischen aus der <Definition> (όρος, hóros)
dies ist auch Gegenstand der <Sophistischen Widerlegun- einen <Berg> (ορος, oros) machen, da das Phonem <h> in

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der Schrift nicht immer durch ein diakritisches Zeichen 2. Jh.n. Chr. die Fehler der sprachlichen Äußerung ohne
markiert werden muß). Das Gemeinte mag wieder durch die Solözismen klassifiziert haben, und zwar hinsichtlich
ein unmittelbar einsichtiges Beispiel von Freud illustriert der Art des Mehrdeutigen (τό διττόν, to dittón; lat. multi-
werden: Nach einer allzu modernen Aufführung der plex) [167]:
<Antigone> von SOPHOKLES machte in Berlin folgender
Witz - bei Freud Verwendung des nämlichen Materials - FAKTISCH POTENTIELL IMAGINÄR
die Runde: «Antik? Oh. Nee.» [162]
Logisch und sprachlogisch fundamentaler ist der Feh- mehrdeutig mehrdeutig mehrdeutig
ler aus der Äußerungsform. Dieser Fehler basiert näm-
lich auf der Annahme, daß bestimmten grammatischen Wort Konstruk- Wort Konstruk-
Formen immer die gleichen Kategorien entsprechen. So
tion tion
hat etwa im Griechischen αίσθάνεσθαι (aisthánesthai,
wahrnehmen) die Form des Passivs, όράν (horán, sehen)
wird hingegen im Aktiv flektiert. Daraus läßt sich folgen-
Homo- Amphi- Proso- Verbindung/ Äußerungs-
der Trugschluß bilden: «Da nun Sehen ein Wahrnehmen
nymie bolie die Trennung form
ist (d.h. horán ist ein aisthánesthai), ist Aktivität eine
Form von Passivität.» [163] Auch Präpositionen wie
durch müssen nicht immer die Kategorie Raum - wie Im Gegensatz zur Homonymie und Amphibolie, die auf-
etwa in durchwandern - bezeichnen. Das zeigt der fol- grund lexikalischer und syntaktischer Gegebenheiten
gende Trugschluß: «Betritt man das, was man durchwan- einer Sprache faktisch mehrdeutig sind, ist eine Äuße-
dert? - Ja / Nun kann man den ganzen Tag durchwan- rung wie <er wanderte den ganzen Tag hindurch) insofern
dern? - Natürlich / Also kann man den Tag betreten!». imaginär, weil sie ja erst durch die Gegenüberstellung
Inwieweit ist aber folgender Trugschluß ein Fehler der (bzw. falsche Gleichsetzung) mit identischen Äuße-
Äußerungsform? rungsformen mehrdeutig wird. Prosodie und Verbin-
«Vorhin, als ich wirklich saß, war es wahr zu schreiben: dung/Trennung sind schließlich in dem Sinne potentiell,
ich sitze. Jetzt, da ich aufgestanden bin, ist diese als sie ja die in einer Sprache zwar nicht standardisierten,
(geschriebene) Rede falsch. Also ist dieselbe Rede wahr strukturell aber doch möglichen neuen suprasegmenta-
und falsch.» [164] len, morphologischen oder syntaktischen Verbindungen/
Eine mögliche und plausible Auflösung ist: zu meinen, Trennungen ausspielen.
daß die Äußerungsform <diese Rede ist wahr> kategorial (II) Fehler außerhalb der sprachlichen Äußerung (f.
genauso wie die Form <dieses Haus ist grün> behandelt extra dictionem) sind [168]: Akzidens ( f . accidentis), abso-
werden kann, ist ein Trugschluß, da nicht nur die Adjek- lute/relative Bewertung ( f . secundum quid et simpliciter),
tive wahr und grün, sondern auch ihre Subjekte Rede und Nicht-Kenntnis der Widerlegung (ignorantia elenchi),
Haus fundamental verschieden sind. Damit läßt sich die Unterstellung des zu Beweisenden (petitio prineipii),
Scheinlogik dieses Fehlers wie folgt zusammenfassen: Nicht-Grund als Grund ( f . propter non causam ut cau-
Zwei ähnliche Äußerungen Ä m und Ä n haben die gleiche sam), Konsequenz ( f . consequentis), aus mehreren Fra-
Äußerungsform ÄFj; Ä m bezeichnet die Kategorie I m ; gen eine machen ( f . plurium interrogationum ut unius).
aufgrund der Äußerungsform AF¡ darf man schließen, Diese Klassifikation ist insofern nicht einheitlich, als die
daß auch Ä n die Kategorie I m bezeichnet. Schematisch: Nicht-Kenntnis der Widerlegung alle übrigen Fehlterty-
pen umfaßt. Da damit die verschiedenen Arten ignoratio
elenchi durch diese Fehlertypen expliziert werden,
(1) Am — An erübrigt sich eine Erörterung dieser Unterart. Der Feh-
ler aus mehreren Fragen eine machen ist oft zu den Feh-
ÄFi lern der Äußerungsform gerechnet worden. So ist sicher
in: «Ist χ und y ein Mensch? - Ja / Also wird man, wenn
(2) Ä m bezeichnet I m man den χ und den y schlägt, nicht Menschen schlagen,
(3) also Ä n bezeichnet I m sondern nur einen Menschen» [169] die sprachliche Form
der Frage für den Fehlschluß verantwortlich; dennoch ist
es sinnvoller, diese Technik zu den inhaltlich-logischen
Offenbar ist der Topos «gleiche Äußerungsformen ver- Fehlern zu rechnen, einmal, weil hier keine Bedeutungs-
weisen auf die gleichen <Kategorien>» nicht notwendig, substitution vorliegt, zum andern, weil dadurch der kor-
obwohl er oft, wenn nicht gar meistens zutrifft. Die Feh- rekte Ablauf des dialektischen Sprachspiels nicht
ler der Äußerungsform sind streng von den Solözismen gewährleistet ist, das ja verlangt, daß die Prämissen ein-
(Grammatikfehlern) zu unterscheiden, weil dort ein Feh- deutig sein müssen, was nur durch zwei Frageakte (Ist χ
ler in der Formulierung selbst gemacht wird: «Kennst du ein Mensch? Und: Ist y ein Mensch?) sichergestellt wird.
dieses? Dieses ist aber ein Stein. Also kennst du ein [sie!] Ebenso können die Petitio prineipii und die Technik
Stein.» [165] Für uns - die wir im Besitz einer entwickel- Nicht-Grund als Grund als trügerische Dialogtechniken
ten und in der Schule vermittelten Grammatik sind - mag des Proponenten bestimmt werden. So besteht die Petitio
dieses Argument trivial oder gar undenkbar erscheinen. prineipii darin, daß man «am Anfang nimmt» (vom
Daß dies für Aristoteles nicht der Fall ist, läßt sich an sei- Hörer als zugestanden fordert), was man erst beweisen
ner ausführlicher Begründung ablesen, daß das neutrale will [170] - diesen dialogischen Aspekt bringt auch die
Demonstrativum τούτο (tüto) wie das deutsche dieses englische Wendung für die Petitio prineipii «to beg the
zweierlei meint: in «kennst du dieses» entspricht es dem question» zum Ausdruck. In der <Topik> unterscheidet
diesen (d.h. dem Akkusativ des Maskulinums), in «Die- Äristoteles neben dem Fall der Verwendung von Syn-
ses ist ein Stein» aber dem dieser (d.h. dem Nominativ onymen oder Paraphrasen noch die Fälle, in denen etwas
des Maskulinums). Von hier aus ist leicht nachvollzieh- universell behauptet wird, das nur partikulär gilt (und
bar, daß G A L E N [166] und Alexander von Aphrodisias im umgekehrt), bzw. in denen die Teile einer These einzeln

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und nicht zusammen gesetzt werden, und schließlich schungsabsicht verdeckt bleibt. So mag man vielleicht
Fälle, in denen die Konklusion von der Prämisse impli- hier aufgrund der Ähnlichkeit von Τ und PI bzw. Κ die-
ziert wird oder mit dieser äquivalent ist. [171] ser Technik <des auf die falsche Fährte Lockens> aufsit-
Die Technik Nicht-Grund als Grund ist nicht, wie in zen, nicht aber, wenn der Proponent damit - was logisch
der <Rhetorik> und der Moderne (s.u.) oft angenommen, zur gleichen Form der scheinbaren reductio ad impossi-
im Sinne einer nicht zutreffenden Kausalität zu verste- bile gehört - eine These wie <Gerechtigkeit und Billigkeit
hen, sondern im Sinne einer trügerischen reductio ad sind das gleiche> widerlegen wollte. Die Rekonstruktion
impossibile. Da sie relativ komplex ist, hat diese Technik (und damit auch die aristotelische Erklärung dieses Feh-
bis heute zu verschiedenen Interpretationen geführt. lers) sagt somit nur, woher logisch der Schein kommt,
Geht man von der zugrundeliegenden Dialogsituation nicht aber, warum man sich täuschen läßt.
aus, ergibt sich jedoch eine einfache Rekonstruktion. Der Fehler absolute/relative Behauptung entsteht
Der sophistische Proponent akzeptiert hier nämlich dann, «wenn man das, was nur vom Teil [zurecht] gesagt
zunächst die These Τ des Opponenten, bringt aber wird, so auffaßt, als ob es schlechthin gesagt wäre.» [174]
zusätzlich eine Argumentation mit den Prämissen PI und Da Aristoteles an anderer Stelle statt <vom Teil> auch
P2 vor, die zur Konklusion Κ führt. Bedingung ist, daß Κ äquivalent <in bestimmter Hinsicht», <bezogen auf einen
nicht möglich ist. Die eigentliche reductio der These des bestimmten Ort> oder <in Relation auf etwas> verwen-
Opponenten ist dann: «Da Κ absurd ist, ist auch deine det [175], gilt hier allgemein, daß etwas absolut und
These Τ absurd». Am von Aristoteles gegebenen Bei- schlechthin genommen wird, obwohl es nur relativ gesagt
spiel kann dies verdeutlicht werden. [172] (vgl. Abb. 7) werden kann (etwa: «Ist der Äthiopier schwarz? - Ja/ Ist

Proponent Opponent Struktur


Seele und Leben sind dasselbe (T)
Seele und Leben sind dasselbe (T) Τ
Ist Vergehen dem Entstehen entgegengesetzt? Ja
Und Tod ist dem Leben entgegengesetzt? (PI) Ja PI
Der Tod ist also ein Vergehen? (P2) Ja P2
Also ist das Leben ein Entstehen! (K) Κ
Da nun die Konklusion Κ falsch ist (~K), Nun aber ~K, also auch ~T
ist auch deine These Τ falsch
(Abb. 7)

Das Beispiel zeigt zunächst, daß die Prämissen komplex der Äthiopier hinsichtlich seiner Zähne weiß? - Ja / Also
sein können (es handelt sich offenbar um ein Argument ist der Äthiopier schwarz und nicht-schwarz» oder:
aus dem Konträren) und nicht immer auf einen Syllogis- «Wenn das, was nicht ist, Gegenstand einer Meinung ist,
mus zurückgeführt werden können. Möglich ist auch, dann ist das, was nicht ist»), [176]
daß PI oder P2 durch ein zusätzliches Argument abgelei- Man täuscht mit dem Akzidens, wenn man etwas, das
tet werden. Das Beispiel macht zugleich die Herkunft der substanzlogisch gesehen nur zufällig ist, als wesentlich
aristotelischen Bezeichnung für diese Technik versteh- setzt. So ist gelb keine wesentliche Eigenschaft von
bar, da der Opponent ja einwenden kann (bzw. sollte): Honig, man kann also aus «Honig ist gelb; dies da ist
«Aber meine These Τ ist doch nicht der Grund, daß Κ gelb» nicht folgern, daß es sich um Honig handelt. Man
falsch ist, sondern vielmehr deine falsche Prämisse P2!» könnte hier auch von einer problematischen Abduktion
Nach B R A N D S / K A N N werden hier zwei Prämissen PI und sprechen; freilich wäre diese moderne Interpretation
P2 angenommen (im Gegensatz zu Hamblin, der nur eine nicht hinreichend, da Aristoteles drei Gruppen von Bei-
ansetzt), da sich eine Widerlegung prinzipiell gegen ein spielen aufführt:
vollständiges Argument wendet und die Prämisse Τ für (a) Kennst du diesen verhüllten Mann? - Nein / Nun ist
die Folgerung auf Κ nicht erforderlich ist. [173] Aussa- dieser verhüllte Mann aber Koriskus (den du ja kennst);
genlogisch gesehen impliziert hier die Konjunktion der also kennst du denselben Mann und zugleich kennst du
drei Prämissen die Konklusion K; wenn diese nun falsch
ihn nicht.
ist (~K), muß auch nach dem modus tollens das Anteze-
(b) Ist dieses da dein? - Ja / Nun ist dies ein Kunstwerk;
dens falsch sein; daraus folgt, daß jede einzelne oder alle
Aussagen der Konjunktion falsch sein können; da nun also ist es dein Kunstwerk.
der Proponent fälschlicherweise PI und P2 als wahr (c) Ist Koriskus ein anderer als Sokrates? - Ja / Nun ist
unterstellt, folgt, daß nur noch Τ falsch sein kann: Sokrates ein Mensch; also ist Koriskus etwas anderes als
ein Mensch.
Da das Gemeinsame dieser Beispiele nicht unmittelbar
(Τ Λ PI Λ P2) -•K
~K
~(T Λ PI Λ P2)
h (Modus ponens)
einsichtig ist («Aristotle's definition of the fallacy of acci-
dent [...] is no masterpiece of clarity»; Aristoteles' Defi-
nition des Trugschlusses des Akzidens ist kein Meister-
[PI Λ P2] [Unterstellung des Proponenten] stück an Klarheit [177]), haben die aristotelischen Aus-
~T führungen zu diesem Trugschluß zu einer bis heute
andauernden widersprüchlichen und kontroversen Aus-
Diese logisch korrekte Rekonstruktion läßt freilich die legungsgeschichte geführt. Leicht aufzulösen ist ein Fehl-
Tatsache unberücksichtigt, daß zwischen Τ und PI und/ schluß wie (a), der dadurch entsteht, daß man verhüllt als
oder P2 eine Ähnlichkeit (etwa gleiches Subjekt) oder Akzidens von Koriskus nimmt und den Fehler macht,
ein Zusammenhang bestehen muß, damit die Täu- Prädikate, die dem Akzidens zukommen, auch seinem

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Subjekt zuzuschreiben. Statt dieser essentialistischen sagt Aristoteles. Da er jedoch an dieser Stelle nicht den
Erklärung (die u.a. AUBENQUE vorschlägt) ist auch eine Terminus technicus für das Akzidens, sondern das sub-
extensionalistische Auflösung möglich, die sich aus dem stantivierte Verb (τό συμβεβηκέναι; to symbebêkénai)
oben erwähnten zweiten Merkmal des Akzidens, nicht verwendet, kann man diese Stelle auch im Sinne von <das
mit seinem Subjekt koextensiv zu sein, ergibt. Danach Prädikat Mensch kommt der Sache X zufällig (akziden-
sind Koriskus und Verhüllter nicht koextensiv (nicht alle tell) zu> verstehen. [181] Wenn diese Rekonstruktion im
Verhüllten sind Koriskus) und somit auch nicht wechsel- Sinne von Aristoteles ist, zeigt sie zugleich die Grenzen
seitig austauschbar. Von hier aus wird Aristoteles' Erläu- einer syllogistischen Analyse auf; denn <ein-anderer-als-
terung dieses Fehlers unmittelbar einsichtig: «Da nämlich Koriskus> ist ja im strengen Sinn kein extensionales Prä-
die gleiche Sache viele Akzidentien hat, folgt nicht not- dikat. Verzichtet man für diesen Typ (c) auf das syllogi-
wendig, daß all die Prädikate, die von diesen ausgesagt stische Erklärungsmodell, so läßt sich der Fehler dadurch
werden, auch der Sache selbst zukommen.» Kurz: «Prädi- kennzeichnen, daß fälschlicherweise aus einem Unter-
kate, die für das Akzidens wahr sind, sind nicht notwen- schied zwischen Individuen oder Arten auf einen Unter-
dig für die Sache wahr.» [178] Umgekehrt gilt jedoch schied der nächsthöheren Gattung geschlossen wird. So
auch, daß das, was der Sache (Koriskus ist mir bekannt folgt etwa aus «Dieses Haus ist nicht weiß» nicht, daß es
(Z)) zugeschrieben werden kann, nicht unbedingt für sein keine Farbe hat, sondern nur, daß es anders als ein ande-
Akzidens gilt (Der Verhüllte ist mir bekannt (Z)). Nach res einzelnes Haus ist.
dem gleichen Muster könnte man Fälle wie (b) lösen. Der Fehler der Konsequenz kann hingegen aufgrund
Danach ist in (b) die Tatsache, daß <dieser-Gegenstand- der von Aristoteles gegebenen Beispiele eindeutig als
da> dir gehört, ein Akzidens dieser Sache, die aber in sub- Abduktion verstanden werden: «Honig ist gelb; dies ist
stanzlogischer Sicht ein Kunstwerk ist. Nimmt man nun gelb; also ist es Honig» (obwohl es Galle sein kann) oder:
zusätzlich eine nicht explizit benannte Prämisse an, näm- «Wenn es regnet, wird die Erde naß; die Erde ist naß; also
lich: «Dieses Kunstwerk ist von dir erschaffen (Z)>, so hat es geregnet». Nun betont Aristoteles an der gleichen
folgt, daß Ζ nicht von <dieser-dir-gehörende-Gegen- Stelle, daß dieser Schluß aus der Konsequenz dem En-
stand> ausgesagt werden kann. Auch die Fälle (c) lassen thymem aus dem Zeichen in der <Rhetorik> entspricht;
sich - mit großer Artifizialität - in eine syllogistische wenn nämlich, so Aristoteles, «Redner nachweisen wol-
Form pressen. Man muß nämlich nur das Prädikat <ein- len, daß einer ein Ehebrecher ist, dann nehmen sie Dinge,
anderer-als-Koriskus (Z)> akzeptieren und <Sokrates> als die aus einem ehebrecherischen Verhalten folgen, also
Ausdruck für die Substanz nehmen, um das Gemeinsame etwa, daß der Mensch sich herausputzt oder daß er nachts
mit den Fällen (a) und (b) aufzeigen zu können. Wenn umherstreunt». Doch das gleiche Beispiel wird auch in
man das Referenzobjekt bzw. die bezeichnete Sache mit der <Rhetorik> als Scheinenthymem aus der Konsequenz
X symbolisiert, läßt sich wie in Abb. 8 veranschaulichen. aufgeführt. [182] Daraus ergibt sich offenbar eine gegen-
Damit läßt sich der Fall (b), der nicht nur im Mittelalter, sätzliche Bewertung der gleichen Schlußform: einerseits

X Prädikat (Z)

(a) dies ist ein Verhüllter dies ist Koriskus ... ist mir bekannt
(b) dies ist dein dies ist ein Kunstwerk ... ist von dir erschaffen
(c) dies ist ein Mensch dies ist Sokrates ... ist ein-anderer-als-Koriskus
(Akzidenszuschreibung) (Substanzzuschreibung)
(Abb. 8)

sondern auch in der modernen Forschung [179] oft weg- ist die Abduktion ein legitimes und konsistentes rhetori-
gelassen wird, leicht klären: das Prädikat <von dir sches Argument, andererseits aber handelt es sich um ein
erschaffen (Z)>, das einem Kunstwerk zugeschrieben nicht-stringentes Scheinenthymem. Der gleiche Gegen-
werden könnte, wird fälschlicherweise einem Akzidens satz zeigt sich auch an anderen (Schein-) Schlüssen: so
des Kunstwerks, nämlich in deinem Besitz zu sein, zuge- sind auf Homonymien gründende Schlüsse nach den
schrieben. Da diese Zuschreibung an der Satzoberfläche «Sophistischen Widerlegungen) und nach dem 24. Kapitel
durch einen mehrdeutigen Gebrauch von dein entsteht des II. Buchs der <Rhetorik> Scheinschlüsse, nach dem 23.
(im Sinne von Besitz und von Werk, das du erschaffen Kap. des gleiches Buchs stützen sie sich aber auf den kon-
hast), kann man die Auffassung vertreten, daß hier der sistenten Topos aus dem Namen. Anstatt nun diesen
Trugschluß auf einer Mehrdeutigkeit beruht. Gegen Gegensatz - wie etwa Solmsen - als Beleg für die weitge-
diese auch zu Zeiten Aristoteles' vertretene Auffassung hende These zu nehmen, Aristoteles habe zwei Enthy-
wendet sich Aristoteles mit dem wenig überzeugenden memtheorien vertreten, scheint es uns plausibler, von
Argument, daß der jeweilige Gebrauch von dein immer einem Gegensatz zwischen dem Rhetoriker und dem
eindeutig sei - was ja auch für alle auf Homonymie beru- Logiker Aristoteles zu sprechen [183], dies vor allem
henden Trugschlüsse zutrifft. Diese Kontroverse läßt auch deshalb, weil sich ja nicht die Analyse dieser Schluß-
sich offenbar durch die Feststellung klären, daß es sich formen, sondern ihre Beurteilung durch Aristoteles
bei diesem Typ (b) um einen Fehler des Akzidens han- ändert. Das zeigt sich auch in der unterschiedlichen
delt, der über den mehrdeutigen Gebrauch hergestellt Behandlung einiger Trugschlüsse in der <Rhetorik>. So
wird (vgl. auch: «Dieser Hund ist dein; dieser Hund ist wird der Fehler Nicht-Grund als Grund nicht mehr
Vater; also ist dieser Hund dein Vater»). [180] logisch, sondern - wie fast durchgängig in der Tradi-
Der Nachteil der Lösung (c) ist, daß man Mensch, als tion [184] - epistemisch, d.h. als post hoc, ergo propter
akzidentelles Prädikat begreifen muß. Doch genau das hoc, verstanden. Ein typisches Beispiel liegt etwa vor,

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wenn man die Tatsache, daß nach dem Regierungsantritt mag der Hinweis genügen, daß ein Redner nur dann
eines Politikers Krieg ausbrach, dessen Politik als Ursa- überzeugt, wenn er zu einer vernünftigen Entscheidung
che des Krieges ausgibt. [185] Da dieses Verfahren in der beiträgt. Eine Entscheidung ist eine mit Denken und
Alltagsargumentation gang und gäbe ist, ergibt sich die Überlegung getroffene Wahl, die dann gut ist, wenn sie
unterschiedliche Behandlung offenbar aus den verschie- der Situation und uns (Individuum wie Gemeinschaft)
denen Gegenstandsbereichen dieser beiden Schriften. angemessen ist. [189] Solche Entscheidung treffen oder
Auch ein zusätzlich in der <Rhetorik> berücksichtigter argumentativ vorschlagen zu können, verlangt einen
Fehler, nämlich die Auslassung relevanter Umstände, anständigen Charakter, d.h. setzt den Habitus der
erklärt sich von daher. [186] Nicht so eindeutig scheint die Tugend (άρετή, arete) voraus, die Aristoteles als reflek-
Uminterpretation des Äußerungsfehlers Verbindung/ tiert entscheidende Haltung (έξις προαιρετική, héxis
Trennung in einen logischen und epistemischen Fehler. prohairetiké) definiert: «Sie liegt in der Mitte in Bezug
So besteht etwa die Technik des Euthydemos darin, auf uns, eine Mitte, die durch Vernunft und Denken
etwas, das nur für die Teile einer Verbindung gilt, für das (lògos) bestimmt ist und danach, wie sie der Vernünftige
Ganze zu behaupten ( A weiß, daß es ein Ruderschiff gibt (φρόνιμος, phrónimos) bestimmen würde.» [190] Des-
- A weiß, daß es den Hafen von Piräus gibt - Also weiß A halb ist «die Tugend des Ethos auch eng mit der prakti-
auch, daß es jetzt ein Ruderschiff im Hafen von Piräus schen Vernunft (φρόνησις, phrónesis) verknüpft» [191],
gibt). Epistemisch ist hingegen: «Da die doppelte Dosis Daraus folgt wiederum für die rhetorische Praxis, daß
krank macht, ist auch die einfache schädlich.» [187] «die praktische Vernunft eine Tugend des Denkens ist,
Obwohl Aristoteles auch diese Fehler als Trugschlüsse die uns befähigt, gut zu beraten über Gutes und Schlech-
behandelt, folgt aus seiner ganzen Darstellung doch, daß tes [...] hinsichtlich des Glücks.»[192] Eher logische
er ihnen eine gewisse Rationalität zubilligt. Das gilt Aspekte dieser praktischen Rationalität hat Aristoteles
besonders für jene Techniken, die er zwar als nicht- schon im III. Buch der <Topik>, das die Präferenztopoi
logisch ablehnt, zugleich aber als rhetorisch konsistent behandelt, diskutiert. Diese Topoi sollen dem Dialekti-
akzeptiert, also die Enthymeme aus dem Zeichen und aus ker helfen zu entscheiden, «ob von zwei oder mehreren
dem Paradeigma. So ist ja das Paradeigma, selbst wenn es Sachen die eine erstrebenswerter oder besser ist.» [193]
sich auf einen einzigen Fall stützt, dann rational, wenn im Darunter finden sich Topoi wie [194]:
vermuteten Eintretungsfall der Schaden bedeutend grö- W1 «Das Dauerhaftere oder Festere ist dem, das weni-
ßer als im Nicht-Eintretungsfall ist: selbst wenn im Dio- ger diese Eigenschaften hat, vorzuziehen.»
nys-Beispiel der Nicht-Eintretungsfall (Dionys will nicht W2 «Was an sich erstrebenswert ist, ist dem, was zufäl-
zum Tyrannen werden) wahr wäre, ist es doch rationaler, lig erstrebt wird, vorzuziehen.»
vom Eintretungsfall auszugehen, da ja eine Tyrannen- W3 «Das, was dem Zweck des Lebens dient, ist dem,
herrschaft bedeutend negativere Auswirkungen hätte. was einem relativen Zweck dient, vorzuziehen.»
Ebenso entbehrt die Korax-Technik, die zeigt, daß eine W4 «Von zwei Sachen ist diejenige vorzuziehen, die
durchaus wahrscheinliche Handlung nicht vollzogen einer dritten, besseren Sache ähnlicher ist.»
wurde, gerade weil sie erwartet wurde, nicht der Rationa- Für P E R E L M A N / O L B R E C H T S - T Y T E C A sind nur diese
lität: derjenige, von dem man, bei gegebenen Motiven, Bewertungen Topoi, nicht also die oben behandelten
aufgrund seiner Physis annehmen muß, daß er wahr- Schlußgaranten. [195] Welcher logische Status kommt
scheinlich eine bestimmte Straftat begangen hat, kann diesen relativen Bewertungen zu? Für DE PATER handelt
argumentieren, daß er die Tat nicht begangen haben es sich um gemeinsame Topoi, also um Schlußgaranten.
kann, da er ja wußte, daß man ihn für den wahrscheinli- Da sie sich offenbar nicht in die gleiche Form wie die bis-
chen Täter halten würde. Diese Technik kritisiert Aristo- her unterschiedenen Schlußgaranten bringen lassen, ist
teles in der <Rhetorik>, weil das Wahrscheinliche nicht diese Annahme problematisch. Unproblematisch ist
schlechthin und absolut genommen wird. Nach der <Poe- jedoch, wenn man sie als spezifische Topoi begreift, die
tik> hingegen soll der Dichter durch eine geschickte wie die übrigen spezifischen Topoi innerhalb von Syllo-
Schürzung der Handlungen gerade das Kontingente gismen als generische Prämisse fungieren, also etwa:
menschlicher Existenz aufzeigen: «Denn es ist wahr-
scheinlich, daß etwas entgegen dem Wahrscheinlichen
geschieht.» [188] Ja, man könnte hier auch mit dem Ari- W2'
stoteles der <Analytiken> argumentieren, daß diese Tech- gP Das an sich Erstrebenswerte ist dem
nik insofern ein logisches Verfahren darstellt, als ja aus zufällig Erstrebenswerten vorzuziehen
der Bestimmung des Wahrscheinlichen (das, was mei- sP Gerechte Freunde sind an sich erstrebens-
stens so und so ist, und die Möglichkeit des Anders-Seins wert, gerechte Feinde hingegen nur zufallig = Tpräf
zuläßt) notwendig folgt, daß einer trotz einer gängigen
Κ Also sind gerechte Freunde gerechten —
Meinung möglicherweise nicht der Täter ist. Diese beiden
Argumentationsformen - Paradeigma und Korax-Tech- Feinden vorzuziehen
nik - markieren gleichsam zwei Bruchstellen des aristote-
lischen logisch-rhetorischen Denkens: das Paradeigma, Mit dem Einsetzungsbeispiel sP, das sich bei Aristoteles
weil in ihm deutlich wird, daß es jenseits logischer Strin- findet, ließe sich dieser Schluß als eine Form des Modus
genz Rationalität gibt, die Korax-Technik, weil sie zeigt, ponens begreifen; dadurch wäre freilich nicht berück-
daß es jenseits alltagsweltlicher Plausibilität einen ratio- sichtigt, daß hier nicht auf ein Faktum, sondern auf eine
nal beschreibbaren Raum von Möglichkeiten des Handlungsnorm geschlossen wird. Dies ist gewährleistet,
Anders-Seins gibt. Der erste Gesichtspunkt verweist auf wenn man einen allgemeinen Präferenztopos TPräf «Je
die Präferenztopoi, der zweite auf die rhetorischen Topoi. besser eine Sache, um so eher erstreben wir sie»
g. Präferenztopoi. Die nicht-syllogistische Form der annimmt; diese Annahme ist äquivalent mit «Je schlech-
Rationalität ist von Aristoteles in seiner <Ethik> weiter ter eine Sache, um so eher meiden wir sie». Dieser Topos
untersucht und systematisiert worden und in der <Rheto- faßt die Grundidee der aristotelischen Ethik zusammen:
rik> als Beweis durch das Ethos integriert worden. Hier «Jede Techne und jede Methode strebt nach allgemeiner

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Auffassung nach irgendeinem Gut. Darum hat man h. Rhetorische Topoi, Schein und Sein. Die logisch-dia-
zurecht gesagt, das Gute sei das, zu dem alles hin- lektischen Schlußgaranten gelten gleichermaßen für die
strebt.» [196] Da Schlüsse der Form W2' auf eine generi- Syllogistik, die Dialektik und die Rhetorik. Im Unter-
sche Handlungsnorm schließen, bezeichnen wir sie als schied zur wissenschaftlichen Apodeixis werden aber in
generische Präferenzschlüsse; beziehen sie sich auf ein- der Dialektik und der Rhetorik bloß plausible Prämissen
zelne Sachverhalte, bezeichnen wir als singulare Präfe- akzeptiert; und die Rhetorik unterscheidet sich schließ-
renzschlüsse. Im gegebenen Beispiel ist diese Singulari- lich von ihren beiden logischen Schwestern dadurch, daß
sierung nur nach Vollzug von W2' mit Κ als generischer sie auch bloß konsistente Schlüsse zuläßt. Diese Schlüsse
Prämisse möglich, im von Aristoteles für den Fall W4 sind genau dann rational, wenn sie sich auf die Phronesis,
gegebenen Beispiel ist dies direkt möglich: die praktische Vernunft stützen. Nun unterscheidet sich
rhetorische Argumentation noch in einem weiterem
Punkt von der syllogistischen und dialektischen L., der in
W4' den oben unterschiedenen rhetorischen Topoi, die Gel-
gP Von zwei Sachen a und b ist diejenige tungs- und Konstitutionsbedingungen von Meinungen
vorzuziehen, die einer dritten Sache c betreffen, thematisiert wird. Einige dieser Topoi können
ähnlicher ist mit der Korax-Technik in Zusammenhang gebracht wer-
sP Ajax (a) ist dem Achill (c) ähnlicher als den. Diesen Topoi ist folgende Struktur gemeinsam: «p
Odysseus (b) und Achill (c) ist besser als _ T
müßte nach der gängigen Meinung eigentlich vorliegen,
Ajax (a) und Odysseus (b) - Praf im gegebenen Fall ist dies aber nicht möglich, da ARG»
(ARG steht für irgendeine Argumentation). Dies trifft
Κ Also ist Ajax (a) dem Odysseus (b) — für folgende Topoi zu: XIX (einen möglichen, aber nicht
vorzuziehen erwartbaren Zweck für den wirklichen Zweck angeben),
XXI (es geschehen Dinge, von denen man nicht anneh-
Hier ist auch ein generischer Präferenzschluß möglich, men würde, sie könnten geschehen, wenn wir sie nicht
dann etwa, wenn man zeigen will, wann eine bestimmte mit eigenen Augen sähen), XXII (Inkonsistenzen aufzei-
Vogelart (etwa für die Jagd) einer anderen vorzuziehen gen), XXIII (einen plausiblen Verdacht als falsch erwei-
ist, weil sie einer dritten (besonders gut für die Jagd sen) und XXVII (Irrtümer aufdecken, die zu falschen
geeigneten) Vogelart ähnlicher ist. Welchen logischen Annahmen führen). Die Struktur dieser Topoi der - wie
Status haben aber die absoluten Bewertungen, die Aristo- wir sagen wollen - Nicht-Legitimität [198] läßt sich am
teles in der <Rhetorik> bei der Behandlung der Ratsrede für den Topos XXIII von Aristoteles gegebenen Beispiel
aufführt? Dies sind etwa: [197] unmittelbar einsichtig machen: «Ein anderer Topos,
W5 «Gut ist, wenn man Sklaven, Vieh und schönes anwendbar bei Menschen und Handlungen betreffenden
Mobiliar hat.» Vorurteilen oder Scheinvorwürfen, besteht darin, daß
W6 «Gesund zu sein, ist ein Gut.» man den Grund des Mißverständnisses sagt; denn es gibt
W7 «Gut ist, wenn man viele und anständige Freunde etwas, wodurch der Schein entstanden ist, wie z.B.: eine
hat.» Frau, die bei der Begrüßung ihres Sohnes durch allzu
Eine mögliche Antwort ist in der Erläuterung Aristo- heftiges Umarmen desselben unter diesen zu liegen kam,
teles' zu W7 zu suchen; diese Bewertung habe nämlich kam in Verdacht, mit diesem Jünglinge zu koitieren;
nichts Dunkles an sich, «wenn man den Freund als denje- nachdem sie aber die Ursache genannt hatte, ver-
nigen definiert, der bereit ist, für einen anderen und in schwand der Verdacht». Die argumentative Struktur
dessen Interesse das zu tun, von dem er meint, daß es für dieses rhetorischen Topos kann wie folgt beschrieben
diesen gut ist». Diese Definition läßt sich auch als relative werden:
Bewertung verstehen: «Diejenigen, die bereit sind, für (1) Bestimmte Indizien (q¡.. .q n ) lassen den abduktiven
uns und in unserem Interesse tätig zu sein, sind jenen vor- Schluß zu, daß ein bestimmter Zustand ρ vorliegt.
zuziehen, die uns gegenüber nur ihr eigenes Interesse (2) Dieser Schluß ist nicht gerechtfertigt (~p), da es
vertreten». Mit diesem Topos ließe sich offenbar ein mit (3) stärkere Indizien (r¡...r n ) gibt, welche die Folge-
W2' vergleichbarer Schluß vollziehen, wobei mit der spe- rung auf ρ nicht gerechtfertigt erscheinen lassen.
zifischen Prämisse (sP) <Freunde sind bereit, für uns und Allgemeiner formuliert: Bestimmte Indizien scheinen
in unserem Interesse tätig zu sein> auf die Konklusion die Konklusion Κ zu rechtfertigen, im gegebenen Fall
(K) <Also ist es gut, Freunde zu haben> gefolgert werden entspricht dies freilich nicht dem, was tatsächlich ist. Da
kann. Um freilich W7 zu erhalten, müßten zusätzlich in dieser Argumentation formal gesehen mehrere Argu-
noch weitere relative Bewertungen hinzugefügt werden, mente aufeinanderfolgen, bezeichnen wir die zugrunde-
welche die argumentative Rechtfertigung der Quantifi- liegende Schlußregel als sequentiellen Topos. Der gleiche
zierung viel und der Qualifizierung anständig belegen Gegensatz zwischen Erwartbarem und Tatsächlichem
könnten. Hier wird deutlich, daß Formulierungen wie oder zwischen Schein und Sein liegt etwa dem für den
W5-W7 mehr oder weniger komplexe Verdichtungen von sequentiellen Topos XIX gegebenen Beispiel zugrunde:
allgemeinen und (gesellschafts- oder gruppen-)spezifi- «Die Gottheit schenkt oft großen Reichtum, nicht jedoch
schen Bewertungen und von mehreren Schlußfolgerun- (wie man erwarten würde) in wohlwollender Absicht,
gen sein können; mehr noch: diese Formulierungen müs- sondern um ein späteres Unglück noch größer werden zu
sen als mehr oder weniger gefestigte Urteile, d.h. Konklu- lassen.» Betrifft dieser Gegensatz zwischen Schein und
sionen, begriffen werden. Dies im einzelnen analytisch Sein das vorgebliche und das tatsächliche Verhalten
zu zerlegen und die darin implizierten logisch stringenten einer Person, so kann daraus, wie die mittelalterliche
oder konsistenten Begründungsschritte freizulegen, ist Dialektik formulierte, eine ad hominem-Argumentation
immer noch Aufgabe einer Präferenzlogik, die sich nicht entstehen: «Er gibt vor, euch freundlich gesinnt zu sein,
wie etwa P E R E L M A N / O L B R E C H T S - T Y T E C A mit dem Fest- tatsächlich aber ist er durch Eid den Dreißig Tyrannen
stellen der Existenz bestimmter Präferenztopoi begnü- verpflichtet» (= Topos XXII). Die auf den Redner selbst
gen will. bezogene Variante dieses Widerspruchs zwischen Wort

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und Tat ist: «Er gibt vor, ich sei ein Prozeßhansel, in Kurz: Die meisten Leute oder die Experten haben im
Wirklichkeit aber habe ich noch keinen einzigen Prozeß Fall Τ so und so gefolgert; also müssen auch wir im ver-
geführt». Das zentrale Bestimmungsstück dieser Tech- gleichbaren Fall T' genauso folgern. Doch auch die von
nik ist somit der Widerspruch zwischen Wort und Tat, Aristoteles für die Gültigkeit der nicht-vollkommenen
zwischen momentanem Vorgehen und habituellem Ver- Syllogismen unterschiedenen Beweisverfahren sind
halten oder zwischen öffentlich verkündeter und privat sequentiell. So ist ja auch die reductio ad impossibile ein
vertretener Meinung. Formaler formuliert: die ad homi- durchaus alltägliches Beweisverfahren: 1. Aus (einem
nem- Technik ist eine sequentielle Argumentation, in der Teil) deiner Argumentation I ergibt sich T; nun führt Τ
eine mögliche Folgerung durch eine zweite Folgerung, zur Konsequenz Κ; Κ ist aber unmöglich; also ist I falsch.
die mit der ersten unvereinbar ist, zurückgewiesen wird. Wie schon bei der Diskussion des Trugschlusses <Nicht-
Das argumentative Widerlegungspotential, das im Auf- Grund als Grund> deutlich wurde, ist diese sequentielle
decken dieser Unvereinbarkeiten liegt, resultiert offen- Argumentationsform so alltäglich, daß sie sogar zur Bil-
sichtlich daher, daß hier die für menschliche Kommuni- dung einer bloß scheinbaren reductio ad impossibile ein-
kation essentielle Konsistenzannahme enttäuscht wird, gesetzt werden kann. Da dieses Verfahren nicht nur
daß das, wofür einer gilt, konsistent mit dem, was einer überzeugt, sondern auch stringent ist, muß man einen
ist, sein muß. Deshalb wird der mit einem ad hominem- Topos aus dem Unmöglichen annehmen, der dieses
Argument Entlarvte oft nicht nur als unglaubwürdig, Beweisverfahren legitimiert. Dies eröffnet freilich eine
sondern sogar als Lügner erscheinen. [199] Das Gegen- weitreichende Perspektive hinsichtlich der letztinstanzli-
stück zu dieser Technik ist der Topos XXV aus der chen Grundlagen der L.: bestimmte sequentielle Topoi
Handlungsalternative, dem genau diese Konsistenzan- bilden die nicht-hintergehbaren Schlußgaranten in letz-
nahme zugrunde liegt. Verallgemeinert besagt dieser ter Instanz.
Topos: i. Theophrast. Vom umfangreichen Werk des Meister-
T alt «Wenn jemand eine Handlungsalternative zwi- schülers und ersten großen Kommentators der aristoteli-
schen den Handlungen H' und H " zur Erreichung eines schen Schriften THEOPHRAST sind nur knapp fünfzig Frag-
Zieles Ζ hat; und wenn H " besser/einfacher als H' ist, mente zur L. überliefert. Dennoch weiß man vor allem
dann vollzieht er die Handlung H' nicht.» aufgrund der Aristoteleskommentare von Alexander
Kurz: «Niemand wählt freiwillig und mit Wissen das von Aphrodisias und von PHILOPONOS, in welchen Punk-
Schlechte.» [200] Dieser Topos kann zum Belegen und ten er sich von seinem Lehrer unterscheidet. Hier ist
zum Widerlegen (X kann seine Frau nicht getötet haben, zunächst die schon erwähnte klare Trennung zwischen
da er wußte, daß sie aufgrund ihres Krebsleidens ohnehin <Aufforderung> (παράγγελμα, parángelma) und
sterben würde). Die sequentielle ad hominem-Technik <Topos>, denen bei Aristoteles der Suchhinweis (i) und
wie der sequentielle Topos aus der Nicht-Legitimität der Schlußgarant (iv) entsprechen; da die übrigen
sind, da sie ja von einem Durchbrechen der Konsistenz- Aspekte (ii) und (iii) sich aus dem Schlußgaranten ablei-
annahme ausgehen, hingegen nur für die Widerlegung ten lassen, unterscheidet sich Theophrast sachlich nicht
geeignet. Logisch gesehen sind nun all diese Techniken von Aristoteles. Auch seine Reduzierung der topischen
in dem Sinne stringent, als sie von der Möglichkeit des Probleme auf Fragen der Definition und des Akzidens ist
Anders-Seins ausgehen, die ja per definitionem zum mit Aristoteles kompatibel, da die Prädikabilien Gattung
Wahrscheinlichen und Plausiblen gehört. Es überrascht und Proprium in der Definition enthalten sind. [203]
deshalb nicht, daß Aristoteles etwa im Falle des Topos Dennoch nimmt Theophrast damit dem Begriff <Topos>
aus der Handlungsalternative davon spricht, ob nicht das Heuristisch-Inventorische. Dies erklärt, daß die
«eine bessere Handlung möglich war oder ist»; beim Bestimmung des Topos als Schlußgarant besonders in
Topos XIX wird die Anweisung gegeben nachzuprüfen, der neueren Forschung (die den Topos von Cicero her
ob nicht ein «möglicher Zweck» im gegebenen Fall als noch als inventorische Formel verstand), auf Unver-
der tatsächliche begründbar ist; und beim Topos XXI ständnis stoßen mußte. So hält etwa Solmsen diese
wird dies grammatisch durch den Potentialis ausge- Bestimmung für völlig unaristotelisch; selbst der der ana-
drückt: «Wenn etwas unglaublich und unwahrscheinlich lytischen L. verpflichtete Bocheñski kann in seiner Theo-
ist, dann könnte es doch wahr und geschehen sein.» [201] phrast-Studie diese Frage nicht klären, was wiederum
Damit lassen sich die Topoi der Nicht-Legitimität und den Herausgeber der Fragmente Theophrasts, A. G R A E -
die Untergruppe der ad hominem-Techniken, aber auch SER, zur Feststellung führt, daß «in der Tat der Rück-
der Topos aus der Handlungsalternative als erste Hin- schluß auf eine tiefergreifende Divergenz in den Auffas-
weise auf eine rhetorische Modallogik begreifen, die auf- sungen Theophrasts und Aristoteles'» [204] erlaubt sei.
zeigt, wann und wie auf die Möglichkeit des Anders- Bei P L E B E schließlich führt das Mißverstehen dieser
Seins rational und logisch konsistent gefolgert werden Trennung von <Hinweis> und <Schlußgarant> zur höchst
kann. spekulativen These, die stoische Aussagenlogik habe
Formal gesehen müssen jedoch einfache Topoi, die ein sich aus den drei Enthymemtypen bei Aristoteles (Eikos,
einziges Argument legitimieren, streng von sequentiel- Zeichen, Beispiel - d.h. (rhetorische) Deduktion,
len Topoi unterschieden werden. Von hier aus dürfte Abduktion, Induktion) entwickelt. [205]
unmittelbar einsichtig sein, daß auch der von Aristoteles Große Bedeutung erlangt auch Theophrasts Modal-
in der <Rhetorik> unterschiedene Topos aus der Autorität theorie, die insofern gegenüber Aristoteles einen Rück-
- der nicht nur in der späteren Rhetorik, sondern auch in schritt darstellt, als er nur die unilaterale Möglichkeit
der Dialektik eine wichtige Rolle spielen sollte - sequen- unterscheidet. Die daraus folgende Ontologie' wurde
tieller Natur ist: fester Bestandteil der mittelalterlichen L.: a necesse ad
«Ein anderer Topos stützt sich auf eine vorherige esse, ab esse ad posse (man muß vom Notwendigen auf
Beurteilung einer gleichen, ähnlichen oder entgegenge- das Sein, und vom Sein auf das Mögliche schließen).
setzten Sache, und zwar am besten, wenn alle Menschen Zudem scheint Theophrast die Modaloperatoren durch-
zu jeder Zeit so urteilen - und wenn nicht, dann doch die gängig de dictu verstanden zu haben. [206] Ebenso wich-
meisten oder die weisen [...].» [202] tig für das Mittelalter ist seine These, daß die Regel des

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peiorem sequitur semper conclusio partem (Die Konklu- ( E U K L I D , EUBULIDES, APOLLONIOS KRONOS, DIODOROS
sion folgt immer der schwächsten Prämisse) nicht nur - KRONOS, PHILON, STILPON [215]) besteht vor allem darin,
wie bei Aristoteles - für assertorische Syllogismen gilt, daß sie sich - trotz einer gewissen Nähe zu SOKRATES - mit
sondern auch - gegen Aristoteles - für modale der Analyse von «Trug- und Fangschlüssen» zufrieden
Schlüsse. [207] So folgt etwa aus der <starken> Prämisse geben und so «in die eleatische und sophistische Lehre»
<Alle Menschen sind notwendigerweise Lebewesen> und zurückfallen [216]; besonders tadelnswert bei den Stoi-
der bloß assertorischen Prämisse <Alle Menschen sind kern ( Z E N O N , ARISTÓN, DIONYSIOS VON HERAKLEIA, CHRY-
zur-Bewegung-fähig> nur die Assertion, daß auch alle SIPP) ist nicht nur, daß sie die L. auf leere Formalismen
Lebewesen zur-Bewegung-fähig sind, nicht aber, daß sie reduzieren, sondern vor allem, daß sie mit ihrem «schul-
dies notwendig sind. Besonders wichtig wurde auch mäßigen Schematismus» die L. und Grammatik bis in die
Theophrasts Theorie der prosleptischen Aussage, in der Neuzeit beeinflußt haben. [217] Wenn auch die moderne
er eine schon von Aristoteles verwendete Formulierung Forschung die Bewertung dieser beiden Schulen - sie gel-
« D A S , von dem Β universell ausgesagt wird, von D E M ten als Vorläufer der modernen mathematischen L. -
wird auch A universell ausgesagt» (statt der gängigen umkehrt, stimmt sie doch mit Prantl dahingehend über-
Formulierung <A wird von jedem Β ausgesagt) aufgreift ein, daß beide Schulen einer Denkrichtung angehören. So
und systematisch diskutiert. Der Terminus <pros-lep- bildet für Kneale die stoische Schule, «die von Chrysipp
tisch> meint, daß in dieser Formulierung ein Drittes - aus der Lehre der Megariker entwickelt wurde», neben
eben das unbestimmte DAS - <dazu genommen wird>. der auf Aristoteles zurückgehenden peripatetischen
Da Theophrast dafür jedoch keine Variable verwendet Schule die zweite große Logikschule der Antike. [218]
hat, kann man diese Formulierung noch nicht im Sinne Die moderne Neubewertung ist - wie schon bei Aristote-
der modernen Aussagenlogik als (Vx) [F(x) —> G(x)] ver- les - vor allem auf Lukasiewicz zurückzuführen, der zeigt,
stehen. Dennoch ist er für Bocheñski auch hier ein Vor- daß die Stoiker die Grundlagen der Aussagenlogik gelegt
läufer der modernen L., da er «einen dritten Grad an haben; damit stehen sie für ihn gleichberechtigt neben
Subtilität» bei der logischen Analyse der Aussage dem Begründer der Prädikatenlogik Aristoteles. [219]
erreicht habe - nach Piatons Unterscheidung in Subjekt Die These, daß die Grundlagen der Aussagenlogik durch
und Prädikat (S P) und Aristoteles' Hinzufügung der die Stoiker und insbesondere durch CHRYSIPP gelegt wur-
Kopula (S IST P). [208] Zum festen Grundbestand der den, ist in neuerer Zeit von verschiedenen Seiten in Frage
Syliogistik werden zwei weitere - ebenfalls schon bei gestellt worden. So sehen etwa BARNES und Bocheñski in
Aristoteles angelegte Unterscheidungen - Theophrasts: den hypothetischen Syllogismen (wie z.B. < Wenn A, dann
dies ist einmal die Unterscheidung in fünf weitere indi- B; und wenn B, dann C; also auch wenn A, dann C>) von
rekte Modi der ersten Figur (Baralipton, Celantes, Dabi- Theophrast schon aussagenlogische Schlußformen for-
tis, Fapesmo, Frisesomorum) [209] und die Abgrenzung muliert. [220] Dagegen zeigt EBERT, daß diese Schlußfor-
der aristotelischen kategorischen Syllogismen von den men nicht nur termlogisch formuliert, sondern auch so
hypothetischen Syllogismen, wobei Theophrast für die konzipiert sind. [221] Gegen die Auffassung Bocheñskis,
letzteren analog zu den ersteren folgende Fällen unter- die megarisch-stoische L. bilde insofern eine Einheit, als
scheidet [210]: die wesentlichen Unterscheidungen der Stoa auf die
(1) Wenn A, dann B; wenn B, dann C; wenn also A, Megariker zurückgehen, versucht FREDE in einer detail-
dann C lierten Studie nachzuweisen, daß sich «die megarische L.
(2) Wenn A, dann C; wenn B, dann nicht-C; wenn also allenfalls wie ein bescheidener Vorläufer der stoischen
A, dann nicht-B L.» ausnähme und die stoische L. erst durch Chrysipp ihre
(3) Wenn A, dann B; wenn nicht-A, dann C; wenn also endgültige Form erhalten habe. Frede schränkt freilich
nicht-B, dann C sein Urteil dahingehend ein, daß man diesen Tatbestand
Ob hier Theophrast ein «Vorläufer der Stoiker» ist, ohne «zu einem Teil dem Umstand zuschreiben [mag], daß wir
sich dessen bewußt zu sein, wie Bocheñski [211] vermu- so wenig über die megarische L. wissen.» [222] Gegen
tet, mag dahingestellt bleiben; wesentlich scheint, daß diese Auffassung bringt wiederum Ebert in einer neuen
diese hypothetischen Syllogismen in Form eines Schlus- Interpretation der überlieferten einschlägigen Texte vor,
ses (mit drei voneinander unabhängigen Sätzen) formu- daß der vorchrysippeischen L. ein bedeutend größeres
liert werden und nicht als Schlußgaranten; dies legt die Gewicht zukomme als von Frede und der Forschung bis
Vermutung nahe, daß es Theophrast gar nicht um die dahin angenommen. Wie vor ihm SEDLEY geht Ebert
Frage Prädikats- vs. Aussagenlogik geht, sondern darum, davon aus, daß schon die Megariker Diodor und Philon
daß es durchaus logisch gültige Schlüsse gibt, bei denen verschiedene aussagenlogische Schlußformen unter-
alle Teile hypothetisch bleiben. Diese Vermutung bestä- schieden haben; und da man sich später häufig auf beide
tigt Alexander, der betont, daß in diesen Syllogismen als <Dialektiker> bezieht, müsse man sogar neben der
«auch der Schlußsatz hypothetisch ist» [212], Daß diese megarischen eine eigene dialektische Schule unterschei-
einfach erscheinende Erkenntnis weit über den Horizont den [223], eine These, die von DÖRING in Frage gestellt
seiner Zeit hinausweist, zeigt sich vor allem darin, daß, wird.
wie im folgenden Abschnitt deutlich wird, weder die Diese aktuell noch fortdauernde Diskussion ist auch
Megariker noch die Stoiker diese wieder aufgegriffen dadurch zu erklären, daß die überlieferte Textbasis für
haben. die Megariker noch spärlicher als die für die Stoiker ist.
2. Megariker und Stoiker. Für Prantl weist die «Schule In beiden Fällen kann man sich nämlich im wesentlichen
der Stoiker» auf «die der Megariker», beide bilden somit nur auf zwei philosophiegeschichtliche Darstellungen
einheitliche Schulen. [213] Sie verlassen freilich «mit doc- bei DIOGENES LAERTIOS und SEXTOS EMPEIRIKOS stützen -
trinärem Eigensinn» und «durch doctrinäres Gerede» neben einer Reihe von Anmerkungen oder Hinweisen
den Pfad der wahren philosophischen L., und besonders bei anderen Autoren wie Cicero, Alexander von Aphro-
bei den Stoikern ist «das platonisch-aristotelische Princip disias oder Galen. Bei allen Auseinandersetzungen im
einer mit Philosophie überhaupt verknüpften L. gar nicht Detail herrscht doch Konsens darüber, daß einerseits
vorhanden». [214] Der Eigensinn der Megariker zwar weder die megarische noch die stoische L. ein in sich

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geschlossenes Lehrgebäude bilden, daß andererseits laren Aussagen dar, die sich jeweils durch einen
aber beide doch eine konsistente philosophische Denk- bestimmten Konnektor (σύνδεσμος, syndesmos) kenn-
richtung darstellen, die sich im wesentlichen durch zwei zeichnen lassen: [227]
methodische Besonderheiten vom Aristotelismus unter-
scheidet: dies ist einmal eine systematische Reflexion auf
das Sprache und L. Verbindende, aber auch das sie Tren- Konnektor Bezeichnung
nende, und zum andern der formalere Zugriff auf die L., wenn εί - ei Implikation
der sich - wie schon Prantl betonte - als die Abkoppe- (1)
(2) da έπεί - epeí Subimplikation
lung der L. von inhaltlichen und epistemologischen Fra-
gen kennzeichnen läßt. Beide Aspekte seien im folgen- (3) und και - kaí Konjunktion
den verdeutlicht. (4) oder ή, ήτοι - é, étoi Disjunktion
(5) weil διότι - dióti Kausalaussage
So ist für die Stoiker die L. nicht bloß wie für die Peri-
(6) mehr .. als μάλλον ... ή Dissertive Aussage
patetiker ein Werkzeug (όργανον, órganon), sondern ein
- mállon ... é
Teil der Philosophie. Konsens besteht darüber, daß die
Dialektik und die Rhetorik Teile der L. sind, umstritten (7) weniger ...als ήττον... ή Dissertive Aussage
ist nach DIOGENES LAERTIOS hingegen, ob auch die - hétton ... é
Erkenntnistheorie und die Definitionslehre zur L. zu
rechnen seien. [224] Wenn bei Aristoteles grammatische Diesen bei Diogenes Laertios wiedergegebenen Unter-
und syntaktische Sprachstrukturen gleichsam nur im scheidungen wird später noch die Subdisjunktion (bzw.
sophistischen Störungsfall in den Blick kommen, unter- einschließende Disjunktion) hinzugefügt. [228] Von die-
sucht die STOA systematisch L . in ihrer sprachlichen Form sen Konnektoren haben nur und, oder und wenn Haus-
bzw. umgekehrt die logischen Funktionen bestimmter recht in der formalen L. erhalten. Nur diese drei sind für
sprachlicher Formen. Deshalb ist die stoische Gramma- Chrysipp belegt. [229] Dies erklärt, daß in vielen histori-
tik zugleich logisch-philosophische Grammatik und die schen Darstellungen der L. nur diese aufgeführt werden
stoische L. zugleich Sprachlogik. [225] Dieser logisch-lin- (etwa B L A N C H E ) ; auch M A T E S behandelt (1), (3) und (4)
guistische Zugriff manifestiert sich nicht nur in der ausführlich, erwähnt aber nur (4) da und (5) weil, ohne
stoischen Zeichenlehre, sondern auch in einer Fülle von sie zu analysieren («wir wissen nicht genau, was damit zu
Unterscheidungen von Satz- und Äußerungstypen, von machen ist»), und bei K N E A L E werden zwar alle Konnek-
Formen des Artikel-, Tempus-, Aspekt- und Modusge- toren aufgeführt, aber nur die Implikation, Konjunktion
brauchs; dieser Zugriff zeigt sich gerade auch in einer und Disjunktion systematisch erörtert. [230] Bezüglich
systematischen Reflexion auf die Bedeutung bestimmter
dieser drei Konnektoren teilt Kneale mit Mates die Auf-
Konjunktionen bzw. Konnektoren wie und, oder, wenn
fassung, daß die Stoiker diese schon als Wahrheitswert-
oder da, die zu wesentlichen Einsichten in die L. von
funktionen verstanden haben, d.h. die Wahrheit (w) oder
komplexen Aussagen führten. Das reflektiert die Eintei-
Falschheit (f) der mit diesen Konnektoren zusammenge-
lung der Dialektik, d.h. der Sprachlogik, in die beiden
Bereiche des <Stimmlichen> (φωνή, phôné) und des setzten Aussagen ist allein aus dem Wahrheitswerten
<Gesagten> (λεκτόν, lektón), die auch in semiotischem ihrer Teilsätze bestimmbar [231] (vgl. Abb. 9).
Zugriff als das <Bedeutende> (σημαίνον, sêmainon) und Frede zeigt dagegen, daß diese These eingeschränkt
<Gemeinte> (σημαινόμενον, semainómenon) bezeichnet werden muß, da nur die Konjunktion durchgängig wahr-
werden können. Dies entspricht der im modernen lingui- heitsfunktional verstanden worden sei und nur einige
stischen Strukturalismus getroffenen Unterscheidung in Stoiker in Anlehnung an Philon auch die implikative und
Signifikant und Signifikat, freilich mit dem Unterschied, die disjunktive Aussage auf diese Weise behandelten.
daß das <Stimmlich-Bedeutende> die gesamte Aus- [232] In der Tat bestimmt Philon nach der Darstellung
drucksseite einer Sprache (Phonologie, Wortbildung, bei Sextos Empeirikos die Implikation eindeutig wahr-
Syntax, Stil) umfaßt. Entsprechend unterscheidet die heitsfunktional: eine Implikation ist nach Philon nämlich
Stoa auch zwischen λέξις, léxis (das ist die vox articulata/ nicht nur wahr, wenn sie «mit Wahrem beginnt und mit
literata, die gegliederte Phonem- bzw. Graphemfolge) Wahrem endet», sondern auch, «wenn sie mit Falschem
und λόγος, logos (der gemeinten Aussage) oder zwischen beginnt und mit Falschem endet» wie auch «wenn sie mit
Rhema (d.h. dem Verb mit seinen Konjugationsformen) Falschem beginnt und Wahrem endet» - , kurz: «die
und dem Kategorema (d.h. dem damit gemeinten Prädi- Implikation ist wahr, wenn sie nicht mit Wahrem beginnt
kat). Die λεκτά, lektá, das sind die ausgesagten Inhalte, und Falschem endet.» [233] Dagegen liegt für seinen
können unvollständig (etwa allein stehende Prädikate Lehrer Diodoros Kronos nur dann eine Implikation vor,
oder Nomen) oder vollständig sein. Vollständige lektá «wenn es nicht möglich war noch möglich ist, daß sie,
sind Äußerungstypen, die einen vollständigen Sinn erge- wenn sie mit Wahrem beginnt, mit Falschem
ben wie etwa die Entscheidungsfrage, der Befehl oder endet». [234] Durch diese Definition will Diodor para-
der Wunsch und vor allem der apophantische Logos, der doxe Konsequenzen ausschließen, die sich etwa aus einer
auch als Aussage (άξίωμα, axioma; lat. ecfatum, enuntia- Implikation wie ( f l ) «Wenn es Nacht ist, ist es Tag» erge-
tio) bezeichnet wird; nur Aussagen können wahr oder ben. Diese, so die Ärgumentation Diodors, ist nach Phi-
falsch sein. [226] Einfache Aussagen sind bejahend oder lon wahr, wenn es jetzt, zum Äußerungszeitpunkt, tat-
verneinend und in ihrer Grundform aus einem Nomen sächlich Tag ist, da sie ja vom Falschen zum Wahren geht;
(bzw. Pronomen oder deiktischem Ausdruck) und einem wenn es aber jetzt tatsächlich Nacht ist, dann ist sie
Prädikat zusammengesetzt. Dies führt zu weiteren Diffe- falsch, weil sie vom Wahren zum Falschen geht. Da somit
renzierungen wie kategorische (Ein Mensch geht spazie- ( f l ) am Tage wahr, nachts aber falsch ist, ist sie für Dio-
ren), definite (Dieser geht spazieren) oder indefinite Aus- dor keine richtige Implikation. Ebenso ist etwa (f2)
sagen (Jemand geht spazieren). Ein wesentliches Novum «Wenn es Tag ist, diskutiere ich» keine richtige Implika-
für die Grammatik- und Logiktheorie stellt die folgende tion, da sie ja mit Wahrem beginnen und mit Falschem
Unterscheidung von sieben nicht-einfachen bzw. moleku- enden kann - dann nämlich, wenn es tatsächlich Tag ist
und der Sprecher schweigt. Da Diodors Definition offen-

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Konjunktion Disjunktion Implikation Beispiele bei Philon für die


Ρ q Λ vv —» Implikation
w w w f w Wenn es Tag ist, ist es hell
w f f w f Wenn es Tag ist, ist es Nacht
f w f w w Wenn die Erde fliegt, besteht die Erde
f f f f w Wenn die Erde fliegt, hat die Erde Flügel
(Die Disjunktion ist hier ausschließend zu verstehen, da beide Teilsätze nicht zugleich wahr sein dürfen.)
(Abb. 9)
bar wenn-dann-Aussagen ausschließt, wenn dieser - im arbeitet er nicht, sondern weil ...), was offenbar bei da
obigen Schema zweite - Fall möglich ist, begreift man sie nicht möglich ist. Diese skizzierte Analyse setzt offenbar
in der neueren Forschung als eine Vorwegnahme der eine der Stoa fremde Differenzierung in drei Klassen von
strikten Implikation im Sinne von L E W I S [235], was von Konnektoren voraus: (1) Konnektoren, die eine deskrip-
Blanché in Nachfolge von Bocheüski zu Recht in Frage tive Funktion haben (wie das kausale weil oder das tem-
gestellt wird, weil die Modalbegriffe Diodors über einen porale nachdem), (2) solche mit logischer Funktion (und,
Zeitbezug definiert sind: deshalb ist es plausibler, die oder, wenn (falls)) und (3) solche mit argumentativer
Implikation Diodors wie folgt zu verstehen: eine Impli- Funktion (wie da, denn, also oder aber).
kation liegt nur vor, «wenn es, für jede Zeit f, nicht der Da die megarisch-stoische, aber auch die aristotelische
Fall ist, daß ρ in t wahr und q in t falsch ist» [236], kurz: Sprachlogik die Konnektoren nur hinsichtlich ihrer logi-
wenn niemals der Fall eintritt, daß ρ wahr und q falsch ist. schen Dimension untersuchen konnte (bzw. mußte),
Bevor die Modalbegriffe der Stoa dargestellt werden, wird man hier sicherlich von einer historischen Erkennt-
muß zunächst geklärt werden, welcher Status den übri- nisgrenze sprechen müssen, die sich sachlich auch daraus
gen nicht <formallogischen> Konnektoren zukommt. ergibt, daß argumentative Konnektoren die logischen
Frede selbst behandelt die dissertiven Aussagen im und deskriptiven Funktionen in vielfältiger Weise vor-
Zusammenhang mit der Disjunktion, ohne freilich deren aussetzen und ausspielen. Als Indiz für diese historische
Bedeutung zu erläutern. Diese Gleichbehandlung ist Grenze wird man sicher eine Bemerkung Galens inter-
allein schon deshalb problematisch, weil der griechische pretieren können, wonach die Konnektoren wenn (ei)
Konnektor ή (è) nicht nur oder bedeutet, sondern auch und da (epei) «in Wirklichkeit dasselbe bedeuten». [239]
nach Komparativen im Sinne von als zu verstehen ist. Von hier aus erhält eine Beobachtung Fredes, mit der er
Deshalb sagt Diogenes Laertios bezüglich der kompara- das frühe Vorkommen der Subimplikation in stoischen
tiv-dissertiven Aussagen (6) und (7), daß «Es ist eher Abhandlungen erklärt, eine fundamentale Bedeutung;
Tag, als daß es Nacht ist» das Gegenteil ist von «Es ist Frede verweist nämlich auf die in der megarisch-
weniger Nacht, als daß es Tag ist». Zur Subimplikation stoischen Tradition geläufige Unterscheidung in drei
vermerkt Frede, daß sie von keiner Bedeutung für die Klassen von Aussagen: (1) Aussagen, die etwas als beste-
hend (bzw. wahr) oder nicht-bestehend (bzw. falsch)
stoische L. zu sein scheint. [237] Hier scheint zunächst die
behaupten; (2) hypothetische Aussagen, d.h. Aussagen,
Umschreibung des subimplikativen Konnektors da
die etwas als bestehend oder nicht-bestehend behaupten,
durch K N E A L E mit «the inferential or modified-conditio-
wenn etwas anderes besteht oder nicht besteht; (3) Aus-
nal», d.h. mit «das schlußfolgernde oder modifizierte
sagen, die beide Kriterien erfüllen. [240] Da das letzte
Konditional» [238] einen wertvollen Hinweis zu liefern. Kriterium offenbar für den Konnektor da (bzw. epei)
In der Tat ist da (wie epei und das engl, since) ein argu- zutrifft, kann Diogenes Laertios in Anlehnung an K R I N I S
mentativer Konnektor, der einen Vordersatz, in der sagen, daß eine Aussage wie «Da es Tag ist (p), ist es hell
Regel die spezifische Prämisse, markiert. D.h. für das (q)» so zu verstehen sei, «daß das Zweite aus dem Ersten
gegebene Beispiel: folgt und daß außerdem das Erste zutrifft.» [241] Damit
ist nun nicht nur die logische Bedeutung von da beschrie-
ben, sondern auch das historische Novum der Stoa
[ Wenn es Tag ist (p), ist es hell (q) ρ —> q] [implizit] gekennzeichnet: komplexe Aussagen werden hinsicht-
Da es nun Tag ist (ρ) ρ lich ihrer Wahrheit/Falschheit und hinsichtlich ihrer Fol-
ist es auch hell (q) q gerungsbeziehungen abgeschattet. D a dieser sich allein
auf den Wahrheits- und Folgerungsbegriff stützende
Zugriff auf komplexe Aussagen auch die moderne Aus-
Dieses Beispiel kann offenbar auch als ein Enthymem sagenlogik kennzeichnet, muß die stoische L. als deren
bestimmt werden, in dem eben die generische Prämisse Begründerin begriffen werden.
nicht explizit genannt wird. Im Gegensatz dazu sind weil
oder dióti deskriptive Konnektoren, die einen Kausalzu- Im Gegensatz zur Subimplikation besteht offenbar in
sammenhang zwischen zwei Sachverhalten feststellen: Konjunktionen und Disjunktionen zwischen den beiden
« Weil es nun Tag ist (p), ist es hell (q)». Mit Kausalsätzen Teilsätzen keine Folgebeziehung. Wie aber sind die kom-
wird somit nicht argumentiert, sondern eine Antwort auf parativ-dissertiven Aussagen (6) und (7) zu verstehen,
das Warum gegeben, d.h. ein Grund oder eine Ursache ρ also etwa Sätze wie: «Es ist wohl eher so, daß Hans die
dafür, daß q der Fall ist, angegeben. In der neueren Tat begangen hat, als daß sie Peter begangen hat» oder
Linguistik wurde gezeigt, daß sich beide Konnektoren «Es ist (dort jetzt) weniger Tag, als daß es Nacht ist»?
auch syntaktisch unterscheiden: so kann etwa weil durch Sofern man die moderne wahrheitsfunktionale Sicht auf-
ein Modaladverb modifiziert werden (Wahrscheinlich gibt und die Konnektoren nach den beiden von den Stoi-
weil es schon Tag ist, ist es hell), nicht aber da; und bei kern angegebenen Kriterien - (1) liegt eine Folgebezie-
direkter Negation (Er arbeitet nicht, weil er krank ist - hung vor und (2) welche Teilsätze sind wahr - unterschei-
Das stimmt nichtl) kann bei einem weil-Satz auch der det, ergibt sich eine verblüffend einfache Antwort: die
behauptete Grund gemeint sein (Nicht weil er krank ist, dissertiven Aussagen haben mit der Konjunktion und

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der Disjunktion gemeinsam, daß keine Folgebeziehung Implikation mit der hypothetischen Aussage im Sinne der
vorliegt; im Gegensatz zur Disjunktion, bei der entweder Aristoteliker in Verbindung bringen kann. Deshalb weist
der eine oder der andere Teilsatz wahr sein können, gilt er auch darauf hin, daß man eine Disjunktion wie ( d l )
dagegen für die dissertiven Teilsätze, daß immer nur ein «Entweder es ist Tag, oder es ist Nacht» wie «die Alten»
Teilsatz wahr sein kann. Wenn wir die Formulierungen als eine auf einer Alternative beruhende hypothetische
von Diogenes Laertius berücksichtigen, ergibt dies das Aussage begreifen kann: (hl) «Wenn (Falls) es nicht Tag
Schema in Abb. 10. ist, ist es Nacht.» [245] Diese Analyse ist nicht hinrei-

Konnektor Bezeichnung Beschreibung


(1) wenn Implikation wenn p, dann q F-»
(2) da Subimplikation wenn p, dann q und ρ ist wahr F—» + 1
(3) und Konjunktion ρ und q sind wahr 1+2
(4) oder Disjunktion entweder ρ oder q ist wahr 1 oder 2
(5) weil Kausalaussage wenn p, dann q und ρ ist wahr und nicht: wenn q, dann ρ F-> + 1 + nicht F<—
(6) mehr... als Dissertive Aussage ρ ist eher wahr als q 1
(7) weniger... als Dissertive Aussage q ist eher wahr als ρ 2
(F—> = q folgt aus p; F<— = ρ folgt aus q; 1 = ρ ist wahr; 2 = q ist wahr)
(Abb. 10)

Zusätzlich wird in der späteren Stoa noch, wie schon chend, da das griechische εί (ei) genauso wie sein deut-
betont, die Subdisjunktion (d.h. 1 oder 2 oder beide) sches Äquivalent wenn sowohl im Sinne eines generi-
unterschieden. Da nun im Griechischen die Disjunktion, schen immer wenn als auch eines hypothetischen falls
die Subdisjunktion und die dissertiven Aussagen durch verstanden werden kann; da im Beispiel (hl) ein Bikon-
den gleichen Konnektor ausgedrückt werden, ergibt sich ditional vorliegt, können die beiden Bedeutungen wie
zwischen ihnen nicht nur ein sachlicher, sondern auch ein folgt verdeutlicht werden:
sprachlicher Zusammenhang. Anders gewendet: allein
schon die Existenz des mehrdeutigen Konnektors macht
die Berücksichtigung der dissertiven Aussagen durch die [Wenn es nicht Tag ist (~p),
Stoiker verständlich. Diese sprachlichen und sachlichen ist es Nacht (q) ~p <-> q] [= implizit]
Zusammenhänge benennt der Grammatiker A P O L L O - Falls: es ist nun nicht Tag (~p) HYP ~p
NIOS DYSKOLOS (2. Jh.) mit der nötigen Präzision und
Kürze; der Konnektor ή (ë) besagt im Sinne der Disjunk- Dann ist es auch Nacht (q) HYP q
tion nämlich: «Wenn dies, dann nicht das; wenn nicht
dies, dann das. Und ferner: entweder dies oder auch das, Diese Darstellung veranschaulicht, daß es sich in der
was [im zweiten Teilsatz] damit zusammensteht oder bei- Bedeutung von falls um ein hypothetisches Argument
des; dies wird als Subdisjunktion bezeichnet; das verblei- handelt; in diesem Fall ist die generische wenn-Aussage
bende ή besagt: dies, und nicht das». Diese dissertive als implizite Prämisse zu verstehen. Barnes nähert sich in
Verwendung erläutert er dann am Schulbeispiel «Ich einer neueren Studie zur Stoa während der Kaiserzeit,
will, daß das Volk unversehrt bleibt, als daß (ή) es unter- d.h. zu Seneca und Epiktet, in einem Abschnitt zu den
geht». Dieser Gebrauch des ή ohne explizite Kompara- «hypothetischen Argumenten» dieser Interpretation,
tivmarkierung erklärt sich offenbar daher, daß in Verben
zeigt damit aber zugleich, daß auch die späte Stoa diese
des Wollens implizit eine Entscheidung für das eine aus-
Form des Arguments nicht systematisch herausarbeiten
gedrückt ist. Von hier aus wird die Erklärung von Apol-
lonios plausibel, daß in den stoischen Listen die Kompa- konnte. [246] Dieses Argument unterscheidet sich von
rativformen mehr oder weniger aufgeführt werden, um einem setzenden Argument mit da nur dadurch, daß der
die dissertive Bedeutung des η eindeutig von den beiden Argumentierende die Unterprämisse nicht als faktisch
disjunktiven Bedeutungen abzugrenzen. Und vor allem: existierend setzt. Offenbar liegt auch bei Implikationen
von hier aus erweist sich seine Rede von der dissertiven die gleiche Doppeldeutigkeit vor, da ja «Wenn Dion in
Aussage als «Schiedsrichterin der Disjunktion» als eine Athen ist, besucht er seinen Vater» sowohl als generische
äußerst gelungene Metapher. [242] Leider finden sich zur Hypothese (immer wenn) als auch als spezifische
Kausalaussage (5) mit weil keine so präzisen Stellen, so Annahme (falls jetzt) verstanden werden kann. Aus der
daß wir uns auf die Darstellung bei Diogenes Laertios Umformung Galens folgt nun einerseits, daß auch die
beschränken müssen, wonach bei dieser Form der Aussa- Disjunktion eine generische hypothetische Annahme
geverbindung zusätzlich ausgeschlossen ist, daß der darstellt, anderseits aber macht sie wieder die historische
Nachsatz den Vordersatz impliziert. [243] Grenze der klassischen L. deutlich, die - wie schon im
Fall des da - darin zu sehen ist, daß zwischen deskripti-
In der obigen Darstellung wird im Fall der Implikation vem, logischem und argumentativem Gebrauch der Kon-
nur von einer Folgebeziehung gesprochen, da dies der nektoren nicht unterschieden wird. Der erste Gesichts-
größte gemeinsame Nenner der Stoiker (bzw. Dialekti- punkt erlaubt uns jedoch, die auf den ersten Blick wider-
ker) darstellt. So betont etwa Sextos Empeirikos, daß sprüchliche Analyse Galens einer Aussage wie «Dion
«alle Dialektiker gemeinsam sagen, eine Implikation sei geht spazieren, oder er sitzt, oder er liegt...» als «unvoll-
richtig, sofern ihr Nachsatz aus dem Vordersatz ständige» und zugleich «vollständige Unverträglichkeit»
folgt.» [244] Dies entspricht der in der Moderne unter- - d.h. als inklusive bzw. exklusive Disjunktion - aufzulö-
schiedenen <materialen Implikation>, die nur fordert, sen. [247] Wird diese Aussage nämlich als hypothetische
daß beim Vorliegen des Vordersatzes auch der Nachsatz Annahme verstanden, können ja alle Teilsätze wahr sein;
der Fall sein muß. Dies erklärt, daß G A L E N die stoische wenn nun eine der Teilaussagen als vorliegend angenom-

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men wird, liegt entweder eine generische exklusive Dis- ist er gut» (in der ersten Prämisse fehlt «oder indiffe-
junktion vor (Immer wenn Dion spazieren geht, sitzt er rent»).
nicht, liegt er nicht...) oder, was Galen nicht sieht, ein Da nur das Kriterium (c) formallogisch ist, die übrigen
Argument (Falls Dion jetzt spazieren geht, ist es ausge- aber gegen das Relevanzprinzip verstoßen, daß nur die
schlossen, daß er sitzt oder geht...). Argumentationsschritte, die für eine bestimmte Schluß-
Wenn die stoische L. auch gegenüber argumentativen folgerung notwendig sind, aufgeführt werden dürfen, ist
Funktionen von Konnektoren blind bleiben mußte, so diese Einteilung offenbar nicht konsistent. Deshalb ist
hat sie doch klar (i) zwischen verschiedenen Argumen- überraschend, daß sie wohl fast durchgängig von den Stoi-
ten sowie (ii) zwischen in Implikationen gegebenen Fol- kern übernommen wurde, freilich mit dem wesentlichen
gebeziehungen einerseits und logischen Folgerungen Unterschied, daß sie den Fall (c) viel präziser und forma-
andererseits unterschieden. So wird das Argument als ler darstellen. [255] HÜLSER erklärt die Reputation dieser
«ein System aus Prämissen und Konklusion». [248] Einteilung damit, daß ihr die für die stoische (und spä-
bestimmt. Ein herausragendes Typ besteht aus zwei Prä- tere) Rhetorik, Stilistik, aber auch Grammatik so rele-
missen - mit einer Implikation als erster Prämisse und vante Quadripertita Ratio, d.h. die vier Änderungskate-
einer weiteren Annahme als zweiter Prämisse, also etwa gorien (a) Ersetzen, (b) Hinzufügen, (c) Vertauschen und
(1) (i) «Wenn es Tag ist, ist es hell, (ii) Nun ist es Tag. (d) Auslassen zugrunde liegen. So einfach und elegant
(iii) Also ist es hell». Die erste Prämisse kann wie beim diese Lösung auch aussehen mag: die Fälle (a) und (c) las-
Enthymem wegfallen, wenn sie «außerordentlich wahr- sen sich nur schwer bloß als Ersetzung bzw. als Umstellung
scheinlich und bekannt ist.» [249] Argumente können erklären. So bleibt für die Zusammenhanglosigkeit (a)
schlüssig oder nicht-schlüssig sein. Schlüssig sind sie, nicht nur unklar, was ersetzt wird, sondern auch, warum
wenn, wie im gegebenen Beispiel (1), die Konjunktion diese nicht auch als Umstellung erklärt werden kann; und
aus der Implikation in (i) und der Aussage in (ii) wahr warum soll (c) nicht als Auslassung (nämlich der Nega-
ist, und die Konklusion (iii) aus ihnen folgt. Oder allge- tionspartikel nicht) oder gar als Substitution der entspre-
meiner: Argumente sind schlüssig, bei denen, wenn das chenden negativen Aussagen (Nun aber ist es nicht hell.
Zutreffen der Prämissen zugestanden ist, aufgrund die- Also ist es nicht Tag) interpretiert werden? Unterstellt
ses Zugeständnisses auch die Konklusion zu folgen Hülser nicht mit seiner Interpretation der falschen
scheint.» [250] Argumente, die eines dieser Kriterien Schlußform als Vertauschung, daß für die Megariker und
nicht erfüllen, sind nicht-schlüssig. Für die weitere Stoiker der Modus ponens die verbindliche Schlußnorm
Unterteilung der schlüssigen Argumente liegen drei ver- darstellt? Hülser selbst scheint die Problematik seiner
schiedene Darstellungen bei Sextos Empeirikos vor, die Erklärung zu sehen, wenn er notiert, daß sogar in den bei-
nach Ebert alle auf frühstoische Quellen zurückgehen. den Fällen (b) und (d), die eine Interpretation mit den
Zwei Darstellungen unterscheiden wahre/unwahre und Änderungskategorien nahelegen, eine andere Termino-
beweisende/nicht-beweisende Argumente, wobei er fol- logie als die für diese Operationen gängige verwendet
gende Einteilung vornimmt: Die schlüssigen Argumente wird. [256] Betont sei, daß sich die genannten Relevanz-
zerfallen in wahre und unwahre Schlüsse; wahr sind sol- oder Gütekriterien schon in Aristoteles' <Topik> und
che, in denen alle Teile der Argumentation tatsächlich <Rhetorik> finden - mit diesem Hinweis soll jedoch nicht
wahr bzw. zugestanden sind - damit wird wie schon bei die These vertreten werden, daß hier ein Einfluß anzu-
Aristoteles die wesentliche Unterscheidung zwischen nehmen ist, sondern nur, daß jede Schlußtheorie Rele-
logisch gültig und sachlich wahr getroffen; wahre vanz- und Gütekriterien aufstellen muß, die einmal die
Schlüsse können zusätzlich noch nicht-beweisend (wie äußere Form, d.h. sprachliche Richtigkeit und Eindeutig-
etwa (1)) oder beweisend sein wie etwa: (2) «Wenn der keit, korrekte Anordnung der nötigen Argumentations-
Schweiß durch die Körperoberfläche fließt, gibt es schritte usw., betreffen und zum andern die innere Form,
unsichtbare Poren. Nun tritt aber Schweiß durch die d.h. ihre logische Stringenz. Diese Gütekriterien der inne-
Körperoberfläche aus. Also gibt es unsichtbare ren Form konnten von den Stoikern durch die Unter-
Poren.» [251] In der zweiten Darstellung fehlt diese Ein- scheidung von fünf Schlußfiguren, deren lateinische
teilung. [252] In der dritten Darstellung werden die Bezeichnungen zum mittelalterlichen Wissensbestand
schlüssigen Argumente in solche mit offenkundiger wie werden sollten, weiterentwickelt und präzisiert werden.
(1) und nicht-offenkundiger wie (2) Konklusion einge- Es sind dies in der Chrysipp zugeschriebenen Ausformu-
teilt. Die nicht-offenkundigen Argumente werden wie- lierung die folgenden <Schemata> (im Original wird statt ρ
derum in untersuchende-aufdeckende und nur untersu- <das Erste> und statt q <das Zweite» verwendet):
chende ausdifferenziert, eine Unterscheidung, deren
genaue Bedeutung heute noch umstritten ist. [253] Die 1. wenn p, dann q; modus (ponendo) ponens
nicht-schlüssigen Argumente werden laut Sextos schon nun aber p; also q
früh von den Dialektikern in vier Gruppen eingeteilt, 2. wenn p, dann q; nun aber modus (tollendo) tollens
die durch folgende negativen Merkmale gekennzeichnet
nicht q; also nicht ρ
sind [254]:
3. nicht zugleich ρ und q; modus ponendo tollens
(a) Zusammenhanglosigkeit (zuviel und zuwenig):
«Wenn es Tag ist, ist es hell. Nun wird Weizen auf dem nun aber p; also nicht q
Markt verkauft. Also geht Dion umher.» 4. ρ oder q; nun aber p; modus ponendo tollens
(b) Überschuß (zuviel): «Wenn es Tag ist, ist es also nicht q
hell. Nun ist es Tag und Dion geht umher. Also ist es 5. ρ oder q; nun aber nicht q; modus tollendo ponens
hell.» also ρ
(c) Falsche Schlußform (logisch nicht stringent):
«Wenn es Tag ist, ist es hell. Nun aber ist es hell. Also ist Im folgenden werden hier wie bisher für 1. und 2. die For-
es Tag.» mulierungen modus ponens und modus tollens verwen-
(d) Auslassung (zuwenig): «Der Reichtum ist entwe- det. Diesen Schlußformen liegen offenbar die Implika-
der gut oder schlecht. Nun ist er aber nicht schlecht. Also tion (1,2), die (negierte) Konjunktion (3) und die exklu-

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sive Disjunktion (4, 5) zugrunde. Die Bezeichnung für weiß und schwarz gemischt sind, auch nicht sagen kann,
eine Schlußform ist im griechischen λογότροπος daß er insgesamt weiß ist - womit er offenbar einem
(logótropos) oder elliptisch τρόπος (tropos); deshalb Trugschluß, der aus der Äußerungsform entsteht, auf-
kann Diokles auch sagen, sie sei eine Art Schlußfigur sitzt. Bedenkenswert scheint sein Einwand gegen die von
(σχήμα λόγου, schéma lógü). [257] Diese Schlußfiguren Logikern vorgebrachte Analogie, daß man umgangs-
werden auch als «nicht zu beweisende» (άναπόδεικτοι, sprachlich ja auch von einem Kleidungsstück sagt, es sei
anapódeiktoi) bezeichnet, da sie so evident sind, daß sie zerrissen, selbst wenn dies nur für einen Teil zutrifft:
keines weiteren Beweises mehr bedürfen. [258] Wie solch eine «Katachrese», solch ein mißbräuchlicher und
schon bei Aristoteles die vollständigen Syllogismen die- uneigentlicher Sprachgebrauch also, mag zwar «im nor-
nen auch diese Grundformen als Axiome, mit denen malen Leben und in alltäglichen Unterhaltungen» durch-
komplexe Schlüsse bewiesen werden können. So findet gehen, nicht aber, wenn wir «die Natur der Sachen zu
sich bei Sextos Empeirikos der Beweis für folgenden ergründen suchen», dann nämlich «muß man sich an die
Schluß: «Wenn zugleich das erste und das zweite, dann Genauigkeit halten.» [265] Freilich trifft dieser Einwand
das dritte; nun aber nicht das dritte, sondern das erste; nicht den falschen Kern der stoischen Gleichsetzung der
also nicht das zweite». Dieser Beweis läßt sich wie folgt Konjunktion mit der generalisierenden Synekdoche
darstellen [259]: (totum pro parte), da eine durch den Konnektor und
zusammengesetzte Aussage in einem anderen Sinne ein
Ganzes ist als ein Kleidungsstück, dessen Teile ja in
Beweis einem bestimmten Sinn kontinuierlich zum Ganzen hin
aus i. und ii. folgt mit Einsetzung übergehen. Damit zeigt gerade diese Analogie, wie weit
i. (ρ λ q) —> r der 2. Figur: die Stoiker und ihre Epoche von einer rein wahrheits-
ii. ~r ν. [(ρ Λ q) —» r] Λ ~r: —> ~(p A q) funktionalen Auffassung der logischen Konnektoren
iii. ρ aus der Konklusion von v. und iii. entfernt blieben. Umgekehrt legitimieren diese und ver-
folgt mit Einsetzung der 3. Figur: gleichbare Analogien, wie Brunschwig in einer vielleicht
iv. ~q vi. ~(p Λ q) Λ ρ: —> ~q spekulativen, aber doch bedenkenswerten Studie zeigt,
von einem stoischen <Konjunktionsmodell> zu sprechen,
das von der Stoa auch auf die Ethik und die Affekten-
Die fünf Grundfiguren sollten auch in der Topik Eingang lehre projiziert wurde. So ist und bleibt ein noch so klei-
finden, da Cicero in seinen Aristoteles verpflichteten nes einem Affekt geschuldetes Vergehen eine Verfeh-
<Topica> diese vollständig aufführt, wobei er die ersten lung. Deshalb muß man, wie S E N E C A <Über den Zorn> in
drei unter dem Locus der Dialektiker, d.h. der Stoiker, einer Kriegsmetapher ausführt, den Anfängen wehren:
als «ex consequentibus et antecedentibus et repugnanti- «Man muß den Feind an den Grenzen selbst zurücksto-
bus» (aus den Konsequenzen, aus dem Vorangehenden ßen: dann wenn er einmal da und über die Schwellen
und aus dem Gegensätzlichen) behandelt. [260] Freilich getreten ist, akzeptiert er keine Begrenzungen
fügt er noch zwei weitere hinzu, nämlich: mehr.» [266] Das gleiche Konjunktionsmodell liegt auch
6. nicht zugleich ρ und q; nun aber p; also nicht q dem chrysippischen Paradoxon zugrunde, wonach nichts
7. nicht zugleich ρ und q; nun aber nicht p; also nicht q einen Tropfen Wein daran hindert, sich mit dem ganzen
Da die Figur 6. der Figur 3. bei Chrysipp entspricht und Meer zu verbinden. «In all diesen stoischen Thesen», so
die 7. Figur, wenn sie als logische Konjunktion verstan- die Zusammenfassung Brunschwigs, «verrät sich eine
den wird, offenbar nicht stringent ist, sind viele Autoren gemeinsame Entscheidung: nämlich nichts von dem zu
davon ausgegangen, daß diese Stelle auf einem Mißver- vernachlässigen, was anderen unwichtig und weglaßbar
ständnis beruht oder gar korrupt ist. [261] Da jedoch erscheint. Der Tropfen Wein verschwindet nicht im
auch C A P E L L A , C A S S I O D O R U S und I S O D O R U S diese Figuren Meer, und das Gran an Falschheit versinkt nicht im
aufführen [262], geht Frede davon aus, daß der Text nicht Ozean der Wahrheit, die kleine Sünde läßt sich nicht im
korrupt ist; als Lösung schlägt er vor, daß beiden Figuren guten Gewissen des ehrenwerten Bürgers auslö-
im Sinne der inklusiven Disjunktion zu verstehen schen.» [267] Von hier aus überrascht es vielleicht, daß
sind. [263] Wenn diese Interpretation auch plausibel die Stoiker einen ontologischen Determinismus vertre-
erscheint, zeigt das Beispiel Ciceros doch, daß die wahr- ten haben, der sich im Begriff des <fatum>; ειμαρμένη,
heitsfunktionale Analyse der Konjunktion nicht heimarménë (Schicksal), wie er bei Chrysipp definiert
Gemeingut war. Dies bestätigt auch die vehemente Kri- ist, zusammenfassen läßt: «Das Fatum ist eine unaufhör-
tik von Sextos Empeirikos an der Auffassung, daß eine liche und unveränderliche Reihe von Umständen und
Konjunktion nur dann wahr ist, wenn alle Teilsätze wahr eine Kette, die sich selbst durch ununterbrochene Rei-
sind. Für Sextos ist nämlich eine <gemischte Konjunk- hen von Folgezusammenhängen, aus denen sie gefügt
tion» mit einem wahren und einem falschen Teilsatz und geknüpft ist, hindurchwälzt und hindurchschlingt».
«weder mehr wahr noch mehr falsch», man könnte also, Nimmt man hingegen noch die folgende Überlegung
wie B R U N S C H W I G argumentiert, neben wahr (= 1) und Chrysipps hinzu, scheint doch ein Zusammenhang mit
falsch (= 0) noch einen Wahrheitswert <0,5> anneh- dem ethischen Rigorismus herstellbar: danach setzt das
men. [264] Und ist es nicht aus der Sicht des Alltagsver- Fatum zwar unabänderliche Ketten von Folgezusam-
standes Ausdruck eines «einfachen Gemüts», daß auch menhängen, aber: «die Durchführung unserer Ent-
dann, wenn eine große Anzahl von Teilsätzen wahr ist schlüsse und Gedanken und die Handlungen selbst wer-
und nur einer falsch, die ganze Aussage falsch sein soll? den von den individuellen Besonderheiten eines jeden
Ist nicht in einer Konjunktion, in der von zehn Personen und von den Eigenheiten der Gemüter gesteuert.» Die-
behauptet wird, daß sie eine gute Tat vollbracht haben, sen Gedanken hat Chrysipp auch mit einer Analogie ver-
mehr Wahrheit, wenn dies für eine Person nicht zutrifft, deutlicht: so ist derjenige, der einen zylindrischen Stein
als im umgekehrten Fall? Die Empörung von Sextos ist einen Abhang hinunterstößt, zwar Initiator seines Hin-
so groß, daß er sogar das Sachargument bemüht, daß abrollens, «doch alsbald» - so das Fatum - «rollt der
man von einem Gegenstand, bei dem gleichermaßen Stein sich überstürzend schnell» [268]; und, wie hinzuge-

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fügt sei, wenn der Stein im Rollen ist, kann er genauso sich Diodoros aus Plausibilitätsgründen für die Wahrheit
wenig wie die Affekte aufgehalten werden. von A und Β ausgesprochen und daraus stringent gefol-
Damit läßt sich das wohl schwierigste Problem der gert, daß die Negation von C wahr sein muß: Nicht mög-
megarisch-stoischen Philosophie, nämlich ihre modallo- lich ist das, was weder wahr ist noch wahr sein wird. In die-
gischen Vorstellungen, behandeln. Dies resultiert einmal ser Formulierung wird klar, daß diese Aussage mit der
aus der spärlichen Quellenlage, zum andern aber daraus, Definition des Unmöglichen (ii) identisch ist. Da das
daß die Stoiker offenbar bei der Bestimmung der Modal- Unmögliche wiederum das kontradiktorische Gegenteil
ausdrücke logische und ontologische Gesichtspunkte des Möglichen ist, folgt, daß das Mögliche das ist, was
verknüpft haben. Dies folgt aus den Berichten bzw. Dar- wahr ist oder wahr sein wird, also die oben aufgeführte
stellungen bei Alexander, PLUTARCH oder später bei Definition des Möglichen (i).
Boethius[269], aber auch schon aus der Tatsache, daß Genau diese Definition hat natürlich die Peripatetiker
Cicero die modallogischen Vorstellungen megarischer auf den Plan gerufen, weil damit der aristotelische
und stoischer Dialektiker in einer Schrift mit dem Titel Begriff der <dynamis> im Sinne von Potentialität ausge-
<De fato> (Über das Schicksal) abhandelt. [270] Gemein- schlossen wird. Mit dieser Definition wird ja eine Aus-
samer Tenor dieser kritischen Darstellungen ist, nachzu- sage wie «Mein Kind kann ein Grammatiker werden»
weisen, daß die Definition des Möglichen im Wider- erst dann wahr, wenn dieses tatsächlich ein Grammatiker
spruch mit dem durch das Fatum gesetzten Notwendigen geworden ist. Gilt nicht, wie Alexander moniert, daß die-
steht. Vielleicht hat die gleichzeitige Behandlung der ser Satz auch dann wahr ist, selbst wenn mein Kind durch
Megariker und der Stoiker bei Cicero die ersten Kom- einen zwingenden äußeren Umstand daran gehindert
mentatoren (und die neuere Forschung) daran gehin- wurde, Grammatiker zu werden? Und ist es nicht wider-
dert, die fundamental verschiedenen Zugriffe beim sinnig mit Diodoros anzunehmen, eine Aussage wie «Ich
Megariker Diodoros Kronos und beim Stoiker Chrysipp bin in Korinth» sei nur dann möglich, wenn ich jetzt oder
zu sehen. In der Tat sind von der diodorischen Modallo- in Zukunft da sein werde, «falls ich aber nie dahin kom-
gik - im Gegensatz zu Chrysipp - alle metaphysischen men sollte, dann ist es überhaupt nicht möglich»? Ist hier
und ontologischen Überlegungen fernzuhalten. Das nicht eher die im gleichen Kontext wiedergegebene Auf-
zeigt sich unmittelbar in den folgenden Definitionen fassung Philons vorzuziehen, daß es möglich ist, daß
Diodors', die aus verschiedenen voneinander unabhängi- «Stroh auf dem Meeresgrund verbrennt [...], obwohl es
gen Quellen belegt sind [271]: durch die umgebenden Umstände daran notwendig
möglich: das, was wahr ist oder wahr sein wird (i) gehindert wird?» [273] Ein vergleichbares - Chrysipp
unmöglich: das, was falsch ist und nicht wahr sein wird zugeschriebenes - Beispiel gegen Diodoros findet sich
(ü) etwa auch bei Hieronymus, wonach «z.B. diese Perle da
notwendig: das, was wahr ist und nicht falsch sein wird zerbrechen kann, selbst wenn dies in Zukunft niemals
(iii) der Fall ist.» [274] Diese Argumentationen sind offenbar
nicht notwendig: das, was falsch ist oder falsch sein problematisch, weil mehrere verschiedene Begriffe des
wird (iv). Möglichen undifferenziert verwendet werden: so muß
Da diese Definitionen ein in sich stringentes System dar- das potentiell Mögliche (Eine Perle kann zerbrechen /
stellen, bilden sie - wie in Aristoteles' <Hermeneia> - ein Ein Mensch kann gehen) vom akzidentell Möglichen
logisches Quadrat mit notwendig und unmöglich als sub- (Ein Kind kann Grammatiker werden) und vor allem
alternierender Begriffe, wobei das subalterne möglich vom konjektural Möglichen (Ich kann morgen in Korinth
von notwendig impliziert wird. Die Formulierungen sein) unterschieden werden. Ihr Unterschied zeigt sich
selbst machen deutlich, daß hier die Modalausdrücke u.a. darin, daß man das konjektural Mögliche durch ver-
über die Wahrheit/Falschheit von Aussagen zum Zeit- mutlich einleiten und modulieren kann ( Vermutlich kann
punkt ihrer Äußerung oder zu einem zukünftigen Zeit- ich morgen in Korinth sein), was in den beiden anderen
punkt definiert werden. Die Konsequenzen für Diodors' Fällen nicht möglich ist. Beim potentiell Möglichen kann
oben schon erörterte Bestimmung der Implikation als hingegen ist in der Lage verwendet werden (Ein Mensch
einer Aussageverbindung, in der der Fall <p ist wahr und ist in der Lage zu gehen), nicht aber beim akzidentell
q ist falsch> unmöglich (d.h. jetzt nicht und niemals mög- Möglichen; letzteres ist nur denkbar bei einem bestimm-
lich) ist, lassen sich von hier aus noch präziser fassen: ten Kind (Dieses Kind ist in der Lage, ein Grammatiker
«Wenn es Tag ist, diskutiere ich» ist jetzt, zum Äuße- zu werden) - womit freilich eine Prognose gemacht wird.
rungszeitpunkt, wahr; da diese Aussageverbindung Nun folgt aus Diodoros' Definitionen selbst, daß er wohl
jedoch falsch wird, wenn ich aufhöre zu diskutieren, ist keinen dieser drei Möglichkeitsbegriffe vertreten hat,
sie nicht notwendig. Diodoros hat seine Definition des sondern nur die These, daß man nur dann von etwas
Möglichen nach übereinstimmenden Berichten durch sagen kann, es sei möglich, wenn es irgendwann einmal
das «Meisterargument» (κυριεύων λόγος, kyrieúon der Fall war oder sein wird. Dieses, wie wir sagen wollen,
lògos) weiter begründet. Nach der einzigen überlieferten ontisch Mögliche ist durchaus mit dem akzidentell und
Erläuterung bei EPIKTET beruht dies auf der Unverein- dem potentiell Möglichen verträglich, da ja eine Aussage
barkeit der drei folgenden Annahmen [272]: wie «Diese Perle kann zerbrechen» nur dann korrekt ist,
A. Jede wahre Vergangenheitsaussage ist notwendig wenn vorher irgendwann einmal eine bestimmte Perle
B. Aus etwas Möglichem folgt nichts Unmögliches zerbrochen ist. Anders gesagt: aus der Faktizität folgt die
C. Möglich ist, was weder wahr ist noch wahr sein wird Möglichkeit. Das ist aber auch die Position Aristoteles' in
Diodor soll gezeigt haben, daß, wenn jeweils zwei dieser der <Hermeneia> (s.o.). Hier wird freilich ein weiteres
Annahmen als wahr genommen werden, die jeweils Problem sichtbar: nämlich die Frage des Verhältnisses
dritte dann notwendig falsch wird - wie er diese Unver- von singulären und generischen Aussagen mit Modalaus-
einbarkeit nachgewiesen hat, ist nicht bekannt. Der drücken. Ob die Megariker und Stoiker dieses Problem
Nachweis scheint aber so überzeugend gewesen zu sein, überhaupt systematisch diskutiert haben, ist aus den vor-
daß keiner der Autoren, die sich auf dieses Meisterargu- liegenden Quellen nicht ersichtlich. Sicherlich kann aber
ment» beziehen, es zu widerlegen sucht. Nach Epiktet hat die Definition des Möglichen als <das, was sein kann,

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wenn es nicht äußere Umstände verhindern) durch Phi- akzidentell und konjektural Möglichem lösen konnte.
lon als Zugeständnis an die Aristoteliker interpretiert Das zeigt sich auch in den bei Diogenes Laertios zitierten
werden, was noch dadurch abgestützt werden könnte, Definitionen der übrigen Modalausdrücke [283]:
daß er nach der Darstellung von Boethius das Zufällige (1) unmöglich: das, was nicht wahr sein kann [oder was
mit dem Möglichen identisch setzt. [275] Diese philoni- zwar dazu in der Lage ist, was aber äußere Umstände
sche Definition ist freilich zirkulär, da ja das Mögliche daran hindern, wahr zu sein], wie z.B. Die Erde fliegt.
durch das gleichbedeutende Modalverb können definiert (2) notwendig: das, was wahr ist und was nicht falsch
wird. Erschwerend kommt hinzu, daß Alexander an der sein kann oder dies zwar kann, aber durch äußere
gleichen Stelle sagt, Philon habe - wie auch Chrysipp Umstände daran gehindert wird, falsch zu sein, wie z.B.
(s.o.) - die These vertreten, daß auch dann das Mögliche Die Tugend ist nützlich.
vorläge, wenn etwas durch äußere Umstände an seiner (3) nicht notwendig: das, was auch, wenn es wahr ist,
Realisierung verhindert wird. Vielleicht ist dieser doch falsch sein kann, wenn es durch äußere Umstände
Gegensatz daraus zu erklären, daß Alexander ein Bei- nicht daran gehindert wird, wie z.B. Dion geht spazieren.
spiel für das potentiell Mögliche gibt (Stroh kann bren- (Der mit eckigen Klammern markierte Teil wurde
nen, selbst wenn es auf dem Meeresgrund liegt), während wahrscheinlich erst später hinzugefügt)
Boethius wohl an das konjektural Mögliche denkt - dies Liest man in diesen Definitionen nur die von uns kur-
legt zumindest sein Beispiel «Es ist möglich, daß ich siv hervorgehobenen Teile, so fällt unmittelbar auf, daß
heute noch einmal Theokrits Bucolica lesen werde» [276] sie den von Aristoteles in der <Hermeneia> aufgestellten
nahe: dies wird sich ja aller Voraussicht nach realisieren, Äquivalenzen entsprechen:
sofern dem keine äußeren Umstände entgegenstehen.
Das läßt sich aufgrund der Quellenlage freilich nicht ent- unmöglich: Up = ~Mp
scheiden. Nun interpretiert Alexander den Satz <Stroh notwendig: Np = ~M~p
kann brennen, selbst wenn es auf dem Meeresgrund liegt> nicht notwendig: ρ = M~p
in dem Sinne, daß Philon behauptet hätte, daß das Stroh
auch in diesem Fall tatsächlich brennen könne. Dagegen Damit läßt sich auch kurz sagen, daß die in (l)-(3) nicht
stellt er die mittlere Position Aristoteles', wonach «näm- kursiv hervorgehobenen, d.h. die wahrheitsfunktionalen
lich eben das möglich [ist], was, selbst wenn es nicht und die schicksalhaften Umstände betreffenden Teile,
geschieht, doch geschehen kann, wenn es nicht behindert genau die von der megarisch-stoischen Modallogik neu
wird.» [277] berücksichtigten Definitionsstücke markieren. Von hier
aus läßt sich auch die Behandlung des Nicht-Notwendi-
Ist dies auch, wie H Ü L S E R meint, «bis in die Formulie- gen als modale Basiskategorie (im Gegensatz zu Aristo-
rung hinein exakt die Position der Stoiker» [278]? Dies teles, der ja nur das Mögliche, das Unmögliche und das
muß wohl bezweifelt werden, da nach Diogenes Laertios Notwendige als Grundkategorien ansah) leicht erklären:
die stoische Definition des Möglichen lautet [279]: «Mög- sie wird durch den Begriff des alles determinierenden
lich ist das, was wahr sein kann, wenn es äußere Fatum gleichsam erzwungen, wobei offenbar das Fatum
Umstände nicht daran hindern, wahr zu sein, wie z.B. (d.h. die äußeren Umstände) selbst entscheidet, ob
Diokles lebt. » Hier ist die absolute Infinitivkonstruktion etwas, was wahr ist, auch falsch sein kann.
των εκτός μή ενάντιου μένων εις τό αληθές είναι mit Will man die stoische Modallogik bewerten, so wird
einem Konditionalsatz aufgelöst und nicht wie bei Hül- man sicherlich darauf hinweisen müssen, daß die Stoiker
ser mit einem beigeordneten uwd-Satz (Möglich ist das, hier, ganz im Gegensatz zu anderen Bereichen, die Kon-
was wahr sein kann und was die äußeren Umstände nicht stitution der Modalitäten in und durch die Sprache zu
daran hindern wahr zu sein), weil diese Konjunktion in wenig berücksichtigt haben. Dies trifft nicht für die fein-
dem Sinne verstanden werden könnte, daß beide in den sinnige (oder wenn man will: spitzfindige) Argumenta-
Teilsätzen genannten Bedingungen vorliegen müssen. tion Chrysipps zu, die nachweisen will, daß im Gegensatz
Im Vergleich zu weiteren denkbaren Übersetzun- zur gängigen Meinung der Megariker, vor allem aber der
gen [280] scheint die Auflösung als Konditionalsatz auch Aristoteliker, das Unmögliche sehr wohl aus dem Mögli-
deshalb gerechtfertigt, weil an vergleichbaren Stellen - chen folgen könne. Diese Argumentation stützt sich auf
wie etwa an der zuletzt zitierten Alexanderstelle [281] - die Implikation (ul) <Wenn Dion gestorben ist (p), ist
oft auch eine konditionale Konjunktion verwendet wird. dieser da tot (q)>, wobei der Sprecher auf den anwesen-
Versteht man die stoische Definition in diesem Sinne, so den Dion zeigt. Hier ist nach Chrysipp der Vordersatz
unterscheidet sie sich offenbar wesentlich von der aristo-
wahr, weil Dion irgendwann einmal sterben kann, der
telischen Auffassung, weil sie nicht das potentiell Mögli-
Nachsatz ist aber unmöglich, da das Demonstrativprono-
che voraussetzt. Dies wird auch durch das gegebene Bei-
spiel bestätigt: im Gegensatz zu <gehen können> ist ja men «einen existierenden Gegenstand bezeichnet, wäh-
<leben können> keine in der Macht des Diokles stehende rend <gestorben sein> etwas bedeutet, was nicht existiert;
Handlungsalternative. Freilich: auch hier muß gefragt daß aber das Existierende nicht existiert, ist unmöglich.
werden, ob die von Diogenes Laertios wiedergegebene Daß dieser gestorben ist, ist folglich unmöglich.» [284]
Definition wirklich die stoische Position war, berichten Das Gemeinte läßt sich durch den Zusatz <wie er leibt
doch etwa Hieronymus und Cicero übereinstimmend, und lebt> verdeutlichen: (ul') <Wenn Dion gestorben ist,
Chrysipp habe wie Philon die These vertreten, «daß die- dann ist dieser da wie er leibt und lebt tot>. Wenn nun
ser Edelstein hier zerbrechen [kann], auch wenn dies nie- Dion tatsächlich tot ist, läßt sich sinnvollerweise nicht
mals geschehen sollte.» [282] Von hier aus scheint die mehr sagen (vi) Dieser da wie er leibt und lebt ist tot. Da
Feststellung sicherlich nicht als spekulativ, daß die mega- es hier offenbar um das Problem der Bedeutung von
risch-stoische Modallogik weder das ethische und onto- Eigennamen und deiktischen Ausdrücken geht, wenn sie
logische Problem des Verhältnisses des schicksalhaft- mit Prädikaten verwendet werden, die implizieren, daß
fatal Notwendigen und der menschlichem Handeln inne- ein bestimmter Zustand jetzt nicht mehr vorliegt, führt
wohnenden Möglichkeit des Andersseins, noch die eher auch eine Implikation wie (u2) <Wenn es Nacht ist, dann
logische Frage der Beziehungen zwischen potentiell, ist dieses nicht Tag> zu einer unmöglichen Konsequenz,
wenn es jetzt, zur Außerungszeit, tatsächlich Tag ist. Daß

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es jetzt Tag ist, kann ja nicht dadurch falsch werden, daß um die Überlebenschancen von Patienten in einem
es irgendwann Nacht wird. Daß diese Argumentation für Krankenhaus geht, der Satz «Dieser hier wird morgen tot
die Aristoteliker als eine Art logischer Skandal empfun- sein» auf eine lebende Person, in einer anderen Situation
den wurde, zeigen u.a. die ausführlichen und vehemen- verweist hingegen «Dieser hier ist heute gestorben» auf
ten Diskussionen bei Alexander und PHILOPONOS. Es ist einen Körper ohne Leben und Seele, wobei es sich im
klar, daß sich ihre Widerlegung im wesentlichen auf zwei letzten Fall offenbar um einen metonymischen Sprach-
Strategien stützen mußte: einmal nachzuweisen, daß es gebrauch handelt. Damit läßt sich auch ein in der Spätan-
sich bei (ul) und (u2) um keine korrekten Implikationen tike viel diskutiertes Problem der Bedeutung von «-Die-
handelt, zum andern zu zeigen, daß die Stoiker mit ihrer ser da geht spazieren» klären, wenn es sich, weil man
eigenen Theorie der Eigennamen in Widersprüche gera- etwa nachts das Referenzobjekt nicht sehen kann, auf
ten. Zunächst zur ersten Strategie. Hier spielt Alexander eine Frau bezieht. Das ist nach Überzeugung der Stoiker
den stoischen Begriff der Implikation aus, indem er zeigt, nicht nur ein logischer, sondern auch ein Sprachfehler.
daß (ul) danach keine korrekte Implikation ist, weil aus Das gleiche gilt auch für die Negation «Dieser da geht
Wahrem etwas Falsches folgt; Philoponos hingegen nicht spazieren». Man kann vermuten, daß Alexander
stützt sich auf die These, daß in Implikationen im Nach- die stoische Auffassung, daß dieser im Sinne von dieser
satz extensional mehr als im Vordersatz stehen muß. Mann da zu verstehen ist, teilt, da er diese nicht direkt
Genauso wenig wie es sich nämlich bei <Dies ist ein Lebe- widerlegt, sondern nur nachzuweisen sucht, daß die Stoi-
wesen, also ist es ein Pferd> um eine korrekte Folgerung ker einen falschen Begriff von der Negation hätten. [285]
handelt, genauso wenig ist (ul) <Dion ist gestorben, also Im gleichen Sinne versteht auch Sextos Empeirikos die-
ist dieses da tot> korrekt, wobei in diesem Fall das mehr sen Ausdruck, er argumentiert aber gegen die Auffas-
darin besteht, daß <Dion> sich auf mehr Zeitabschnitte sung, es handle sich um einen Solözismus, also einen syn-
(nämlich vor und nach dem Tode Dions) beziehen kann, taktischen Sprachfehler. In die gleiche Richtung, freilich
während das Demonstrativum nur zu Lebzeiten Dions mit ironischem Unterton, argumentiert auch der Gram-
verwendet wird. Die zweite - von Alexander und Philo- matiker Apollonios Dyskolos, wenn er auf die absurde
ponos gleichermaßen vorgebrachte - Strategie zeigt, Konsequenz hinweist, daß der Satz «Dieser da geht spa-
daß, da ja nach der stoischen Analyse die Eigennamen zieren» tagsüber ein Sprachfehler sei, nicht aber nachts,
etwas in individueller Weise Beschaffenes bezeichnen, da das Genus des Referenzobjekts nur klar wird, wenn es
man auch nicht mehr «Dion ist gestorben» sagen kann, «in den Blick fällt». Daß dieser Satz selbst tagsüber kei-
weil dieses individuell Beschaffene ja untergegangen ist. nen Verstoß gegen die syntaktische Wohlgeformtheit
Da dieses Argument beide wohl nicht völlig zu überzeu- darstellt, begründet er dann mit der weitgehenden
gen scheint, fügen beide noch ein weiteres hinzu, näm- These, daß auch Blinde die sprachliche Wohlgeformtheit
lich: wenn die Stoiker sagen, in (ul) sei <Dion> im Sinne beurteilen können, da allein das Hören für solche Beur-
von <der damalige Dion> zu verstehen, dann muß man in teilungen zuständig sei. [286] Diese These ist sicher für
gleicher Weise <dieser> im Sinne von <der damalige die- die sprachlich-syntaktische Wohlgeformtheit, nicht aber
sen verstehen. Doch auch dies scheint Alexander nicht für die sprachlich-referentielle, d.h. logische Richtigkeit
auszureichen, da er noch weitere Argumente hinzufügt, gültig: in der Tat ist diese Aussage tagsüber referentiell
wie z.B. das Argument, daß die stoische These auch des- falsch, nicht aber nachts, weil es offenbar eine universelle
halb nicht richtig sein könne, weil unmögliche Aussagen Konvention gibt, daß man by default, d.h. in Ermange-
immer falsch sein müssen, die Aussage «Dieser ist gestor- lung einer genauen Kenntnis des Genus des Referenzob-
ben» aber nur zu Lebzeiten Dions falsch sei, nicht aber, jektes, das Maskulinum wählen muß. [287] Nachts
wenn er tot ist, denn «dann gibt es diese Aussage gar bedeutet somit das Demonstrativum in «Dieser da geht
nicht mehr». spazieren» soviel wie (dieser Gegenstand da mit mensch-
Wie man auch immer zu diesen Argumenten stehen licher Gestalte
mag: interessant ist hier weniger, worin sich die Kontra- Nun sind für die Stoiker nicht nur Äußerungen mit
henten unterscheiden, sondern daß sie konkretistische maskulinem Demonstrativum bei weiblichem Referenz-
Grundannahmen bezüglich der Bedeutung von deikti- objekt falsch, sondern auch Sätze wie (pl) «Kallias geht
schen Ausdrücken teilen. Man kann offenbar die mit die- (nicht) spazieren», wenn Kallias nicht existiert. Aus der
ser historischen Erkenntnisgrenze verbundenen Pro- Kritik Alexanders folgt, daß die Stoiker einen klaren
bleme leicht auflösen, wenn man nicht davon ausgeht, Begriff dessen haben, was in der Moderne mit RUSSELL
daß das mit einem deiktischen Ausdruck Bezeichnete als Existenzannahme oder Existenzpräsupposition be-
mit dem konkreten Gegenstand identisch ist. So ist in zeichnet wird: danach wird in (pl) die Präsupposition
einer temporalen Deixis wie «Jetzt ist Tag» der Ausdruck gemacht, daß Kallias existiert. Deshalb dürfe die Nega-
jetzt nicht im Sinne von <dieser-konkrete-Tag-da> zu ver- tion auch nicht wie bei Aristoteles als Negation des Prä-
stehen, sondern allgemein im Sinne von <Jetzt, zum dikats verstanden werden, sondern als Negation der gan-
ÄußerungsZeitpunkt, ist es Tag> (die zugrundeliegende zen Aussage: <Nicht: Kallias geht spazieren>. [288] Inter-
Implikation lautet deshalb: Wenn es zu einem Zeitpunkt essant ist hier, daß Alexander diese Analyse mit einem
t Nacht ist, dann kann es zu diesem Zeitpunkt t nicht Argument zur Zeitdeixis (das eigentlich von den Stoi-
zugleich Tag sein). Analog gilt für das Demonstrativum kern selbst hätte vorgebracht werden können) zu wider-
dieser, daß es zwar auf <diese-konkrete-Person-da> zeigt, legen sucht: wenn nämlich die stoische Analyse richtig
diese Person aber nicht bedeutet; die Verwendungsbe- wäre, dann müßte ja auch in «Sokrates starb» die unsin-
deutung des Demonstrativum ist vielmehr: <dieser- nige Existenzpräsupposition «Es gibt Sokrates (der
Gegenstand-da, der unter irgendeine bestimmte Art oder starb)» gemacht werden. Dies führt ihn zur Beobach-
Gattung gebracht werden kann> - diese Art oder Gat- tung, daß zwar in «Sokrates stirbt» eine Existenzpräsup-
tung kann sprachlich benannt werden (Dieser Mensch position gemacht wird, nicht aber in «Sokrates starb», da
da) oder aus dem Wahrnehmungsraum und dem Thema in diesem Fall Sokrates anaphorisch im Sinne von <derje-
des Gesprächs erschlossen und identifiziert werden; des- nige, der Sokrates war> zu verstehen sei. Nun will Alex-
halb verweist in einer Gesprächssituation, in der es etwa ander mit dieser Argumentation nicht nur die zweite

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These der Stoiker widerlegen, daß nämlich «Sokrates man kann ja auf die Frage «Kennst du diesen Verhüllten
starb» als eine Transformation der wahren Präsenzaus- da?» durchaus antworten: «Ja. Ich habe ihn gestern
sage «Sokrates stirbt» verstanden werden muß, sondern schon mehrmals gesehen.»
auch die aristotelische Auffassung, daß bei kontradikto- Beim ähnlich gelagerten Niemand-Trugschluß (lb)
rischen Verneinungen prinzipiell das Prädikat negiert geht es nicht um die unterschiedliche Referenz von
wird. Deshalb ist «Sokrates lebte, starb oder hat philoso- Demonstrativa und Eigennamen, sondern um den refe-
phiert» wahr, weil nämlich die «Zusätze zum Nomen klar rentiellen Unterschied von définit und indefinit (gene-
machen, daß das mit dem Nomen Bezeichnete vorher riseli) verwendeten Ausdrücken wie jemand, einer oder
existierte», falsch hingegen ist «Sokrates lebte nicht, keiner, z.B.: «Wenn jemand gen hier ist, dann ist er nicht in
starb nicht oder hat nicht philosophiert», da hier ja das Rhodos; nun aber ist jemand def hier; nicht also ist
jeweils Kontradiktorische durch Negation des Prädikats jemand def/gen in Rhodos.» [292] Der Fehler entsteht offen-
ausgedrückt wird. [289] Mit dieser Argumentation ist bar dadurch, daß in der Konklusion jemand zugleich défi-
freilich die richtige These der Stoiker, daß in Aussagen nit und generisch verstanden werden kann.
wie «Kallias geht spazieren» auch eine Existenzpräsup- Der Schein des Gehörntenschlusses (2) entsteht nicht
position gemacht wird, nicht widerlegt. Nun läßt sich mehr durch das Verknüpfen unterschiedlicher Referen-
diese Auffassung durchaus mit der von Alexander, daß in zen, sondern aus der Nicht-Berücksichtigung temporaler
bestimmten Aussagen diese Präsupposition nicht Präsuppositionen bei Ausdrücken wie verlieren, mit
gemacht wird, verbinden, wenn man die Argumente bei- deren Verwendung man präsupponiert, daß man vor der
der Kontrahenten im Hegeischen Sinne aufhebt. Die Äußerungssituation etwas hatte, das man jetzt, zur
ganze Auseinandersetzung legt ja nahe, daß man Aussa- Äußerungssituation, nicht mehr oder noch hat (Ich habe
gen referentiell auf den Äußerungszeitpunkt bezieht und meine Brille (nicht) verloren). Der Scheinschluß lautet:
zwei Klassen von Aussagen unterscheidet: (i) Aussagen, «Was du nicht verloren hast, das hast du; Hörner hast du
die präsupponieren, daß das mit der Nominalphrase in nicht verloren, also hast du Hörner!» [293] Hier wird in
Subjektstellung bezeichnete Referenzobjekt zum Äuße- der Unterprämisse die Präsuppositionsbedingung nicht
rungszeitpunkt existiert, und (ii) Aussagen, die präsuppo- erfüllt: etwas, das man nicht hat, kann man weder verlie-
nieren, daß dieses zum Äußerungszeitpunkt nicht mehr ren noch nicht verlieren.
existiert. Von dieser referenzlogischen Bestimmung sind Bei der Lügner-Antinomie (3) geht es nicht mehr um
die sprachlichen Mittel zu unterscheiden, mit denen Aus- die Referenz oder die Präsupposition von Ausdrücken,
sagen als einer dieser Klassen zugehörig markiert wer- sondern von Aussagen. Auch diese Antinomie wurde
den können: so können Aussagen mit Prädikaten wie tot zuerst von Eubulides entwickelt und später immer wie-
(Peter ist tot), temporalen Negationspartikeln wie nicht der mit den Stoikern, insbesondere Chrysipp, in Verbin-
mehr (Peter lebt nicht mehr) oder auch mit Vergangen- dung gebracht. Aristoteles behandelt sie nicht überzeu-
heitstempora (Peter hat in Berlin gelebt) der Klasse (ii) gend als Fehler der absoluten/relativen Bewertung:
zugerechnet werden - freilich markieren Vergangen- danach «steht dem ja nichts entgegen, daß der gleiche
heitstempora etwa im Deutschen nicht eindeutig, da ja in Mann schlechthin ein Lügner ist, bei einer bestimmten
«Peter hat schon letztes Jahr in Berlin gewohnt» eine Exi- Aussage aber die Wahrheit sagt.» [294] Mit R Ü S T O W las-
stenzpräsupposition gemacht wird, nicht aber in «Peter sen sich vier Formulierungsvarianten unterscheiden: (i)
hat im letzten Jahr seines Lebens in Berlin gewohnt». als Frage (Wenn ich lüge und sage, daß ich lüge, lüge ich,
Von hier aus überrascht es nicht, daß dem größten Teil oder sage ich die Wahrheit?); (ii) als Folgerung auf das
der von den Megarikern und Stoikern behandelten Trug- Vorliegen der Lüge (wenn du sagst, du lügst, und das
schlüsse und Paradoxien referentielle oder temporal- wahr sagst, dann lügst du); (iii) als Folgerung auf das
deiktische Probleme zugrunde liegen. Es handelt sich um Vorliegen einer wahren Aussage (Ich sage, daß ich lüge,
folgende Gruppen: (la) der Verhüllte oder Elektra, (lb) und lüge dabei; also sage ich etwas Wahres); (iv) als Fol-
Niemand, (2) der Gehörnte, (3) der Lügner, (4) das Kro- gerung auf das Vorliegen von beidem (Wer sagt, «ich
kodil und (5) der Kahlköpfige. Nach dem Bericht von lüge», lügt und sagt die Wahrheit zugleich). [295] Da von
Diogenes Laertios sind diese (außer (lb) und (3)) schon Chrysipp zu dieser Antinomie nur ein fragmentarischer,
von EUBULIDES VON MILET, einem jüngeren Zeitgenossen nicht eindeutig dechiffrierbarer Papyrus vorliegt [296]
von Aristoteles, formuliert worden. [290] und bei seinen Nachfolgern oder Kritikern keine erläu-
Der Elektra- oder Verhüllte-Trugschluß [291 ] (la) ternde Darstellung zu finden ist, läßt sich über seine
kommt dadurch zustande, daß man eine verhüllte Person Lösung nichts Endgültiges sagen. Bocheñski vermutet
nicht erkennt. So wußte Elektra, daß ihr Bruder Orest dennoch mit Rüstow, für Chrysipp sei die Lügner-Anti-
zurückgekommen war, erkannte diesen aber nicht, als er nomie einfach ein sinnloser Satz. [297] Entspricht Chry-
ihr verhüllt gegenüber trat. Daraus ergibt sich folgender sipps Lösung, wie Hülser vermutet hat [298], der, die
Dialog: «Kennst du diesen verhüllten Mann? - Nein. / Alexander in seinem Kommentar zu der <Topik> Aristo-
Aber er ist doch dein Bruder Orest! Also kennst du dei- teles' entwickelte? Alexander wendet dabei den Topos,
nen eigenen Bruder nicht.» Der Schein entsteht offenbar daß einer Sache nicht zugleich ein Prädikat und sein
aus der schon behandelten falschen Gleichsetzung der Kontrarium zukommen kann, auf die Lügner-Antinomie
deiktischen Referenz der Demonstrativa mit der von an: nimmt man nämlich an, so Alexander, «ich lüge» sei
Eigennamen: man kann deshalb sehr wohl eine mit eine Aussage, «dann muß sie zugleich wahr und falsch
<Orest> bezeichnete Person kennen, da die Referenz von sein [...]; das aber ist unmöglich; denn wahr und falsch
Eigennamen nicht an die Äußerungssituation gebunden sind konträre Prädikate.» [299] Diese Lösung hat den
ist, ohne diese Person da als Orest erkennen zu müssen, Nachteil, daß sie nicht-stoisch ist, da sie die referentiell-
da die Semantik von dieses Ν da nur verlangt, daß man temporalen Bezüge von Aussagen ausblendet. Dies gilt
diesen Gegenstand da unter die mit dem Nomen Ν auch für die moderne Lösung von Russell, wonach «ich
bezeichnete Gattung bringt. Von hier aus wird auch lüge» überhaupt keine wahrheitsfunktionale Aussage ist
deutlich, daß die aristotelische Interpretation dieses Bei- - diese sei nur möglich, wenn in der Aussage «der zwi-
spiels als Fehler des Akzidens (s.o.) nicht hinreichend ist: schen ( ) geschriebene Ausdruck ist wahr oder falsch»

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die Klammer nicht wie bei «ich lüge» leer ist. [300] den. Muß man da nicht wie Galen mit (gespieltem) rhe-
Berücksicht man diese Bezüge, so gilt, daß der Lügner torischen Pathos ausrufen, daß man nichts Sinnloseres
nur eine scheinbar mögliche Aussage ist; «ich lüge» läßt und Absurderes kennt als dies, «daß die Existenz oder
sich nämlich nicht im eigentlichen Sinn im Präsens Nichtexistenz des Haufens durch ein einzelnes Weizen-
äußern, da der Lügner per definitionem so tut, als würde korn bewirkt wird?» [302] Dieser Sorites- bzw. Anhäu-
er die Wahrheit sagen: eine Äußerung wie «Ich war fungsschluß wurde in vielen Varianten vorgetragen, da
gestern nicht in Korinth» gilt ja solange als wahr, wie er sich offenbar nicht nur in zunehmender Richtung bei
nicht nachweisbar ist, daß der Sprecher damit absichtlich Konglomeraten wie Woge, Herde, Schwärm oder Men-
etwas Falsches behauptet hat; der Lügner kann somit erst schenmenge, sondern auch in abnehmender Richtung bei
im Nachhinein entlarvt werden (Deine Behauptung ist Zuständen wie dem Haarausfall anwenden läßt; auch im
falsch; und da du mir gegenüber absichtlich eine falsche letzten Fall kann man nicht entscheiden, ab dem wieviel-
Behauptung aufgestellt hast, hast du vorhin/gerade eben ten ausgefallenen Haar jemand zu Recht als kahlköpfig
gelogen) oder sich selbst offenbaren (Ich habe vorhin bezeichnet werden kann. [303] Der Grund läßt sich von
gelogen). Da somit lügen ein metakommunikatives Prä- hier aus einfach benennen: in all diesen Fällen geht es um
dikat ist, mit dem man eine Aussage, die zu einem ande- Begriffe, die bestimmte gestaltete Konglomerate be-
ren Äußerungszeitpunkt als wahr behauptet wurde zeichnen.
(obwohl der Sprecher wußte, daß sie falsch ist), als Neben der bisher behandelten, offensichtlich weit ver-
unaufrichtige markieren kann, sind auch futurische Aus- breiteten und bekannten Klassifikation von Trugschlüs-
sagen (Ich werde ihn nachher belügen, da er die Wahr- sen findet sich bei Sextos Empeirikos eine weitere Ein-
heit nicht ertragen würde) nicht nur denkbar, sondern teilung, deren erste Formulierung dieser den Dialekti-
manchmal auch ethisch notwendig. kern, d.h. den Megarikern Eubulides und Diodoros Kro-
Anders gelagert ist der Krokodilsschluß [301] (4), da es nos, zuschreibt. Es sind dies die Trugschlüsse (i) des Wer-
in ihm nicht um metakommunikative Aussagen geht, die muts, (ii) des Arztes, (iii) des umschlagenden Arguments
von einem Sprecher nicht im Präsens vollzogen werden und (iv) der unkorrekten grammatischen Form. [304]
können. Der Schluß geht auf eine ägyptische Sage Der Wermutstrugschluß (i) verwendet metasprachliche
zurück, in der ein Krokodil einer Frau ihr Kind weg- Ausdrücke im objektsprachlichen Sinn. Dies wird deut-
nimmt, dieser aber verspricht, ihr das Kind wieder lich wenn man den Trugschluß: «Niemand gibt ein Prädi-
zurückzugeben, wenn sie die Wahrheit sagt. Die Antwort kat zu trinken; nun ist Wermut trinken ein Prädikat; also
der Frau ist: «Du wirst es nicht zurückgeben». Hier wird gibt niemand Wermut zu trinken» wie folgt indizieren:
kein Scheinschluß vollzogen, sondern ein Dilemma pro- «Niemand gibt ein Prädikatm zu trinken; nun ist Wermut-
duziert, das durch das geschickte Ausnutzen des Fehlers trinkenm ein Prädikat m ; also gibt niemand Wermut zu
des Krokodils entsteht, nicht die Art der Handlung präzi- trinkena». Hier wird deutlich, daß Wermut-trinken in der
siert zu haben, welche sich als wahr erweisen soll (etwa: Konklusion nicht mehr im metasprachlichen Sinne
Wenn du das folgende Rätsel löst, dann bekommst du erwähnt, sondern als deskriptiv, d.h. im objektsprachli-
dein Kind wieder). Anders gesagt: das Krokodil verwen- chen Sinne, gebraucht wird. Der Arztschluß (ii) lautet in
det das metasprachliche Prädikat wahr wie ein auf Wirk- der Übersetzung von Ebert: «Was weder möglich war
lichkeit verweisendes deskriptives Prädikat. Dadurch, noch möglich ist, das ist nicht absurd. Nun war weder
daß die Frau das kontradiktorische Gegenteil der Konse- möglich, noch ist möglich <Der Arzt, insofern er Arzt ist,
quenz des Versprechens des Krokodils «Wenn du wahr tötet>. Also ist <Der Arzt, insofern er Arzt ist, tötet> nicht
sprichst, bekommst du dein Kind» für die Erfüllung des absurd». Für Ebert entsteht der Schein dadurch, daß in
Vordersatzes einsetzt, transformiert sie dieses in folgen- der Unterprämisse wie in der Konklusion die Aussage
des Dilemma: «Wenn du dein Kind nicht bekommst, «Der Arzt, insofern er Arzt ist, tötet» nur metasprachlich
bekommst du dein Kind». erwähnt wird, während absurd (άτοπος, átopos) kein
Von den bisher behandelten Trugschlüssen unter- «Attribut von Aussagen» ist. [305] Damit stellt sich frei-
scheidet sich der Kahlkopfschluß (5) im wesentlichen lich das Problem, warum Sextos diesen Fall als besondere
dadurch, daß es in ihm ausschließlich um ein semanti- Form des Trugschlusses einführt, wenn er wesentlich mit
sches Problem der Prädizierung von Zuständen oder dem Wermutstrugschluß (i) identisch ist. Vielleicht muß
<Konglomeraten> geht, die durch eine Häufung be- hier deshalb die mehrdeutige Verwendung des Adjektivs
stimmter Einzelphänomene gekennzeichnet sind. Das átopos berücksichtigt werden, das sich in der Oberprä-
Problem stellt sich spätestens dann, wann man etwa eine misse objektsprachlich auf Sachverhalte, in der Konklu-
Konglomerat von Weizenkörnen als einen Haufen von sion aber metasprachlich auf eine Aussage bezieht. Das
Weizenkörner bezeichnet und dies von einem anderen läßt sich gut verdeutlichen, wenn man wie Hülser für
etwa mit Das ist doch kein Haufen! bestritten wird. Da átopos im Deutschen die Übersetzung <unsinnig> wählt:
man offenbar keine genaue Anzahl angeben kann, ab «Was weder möglich war noch möglich ist, von dem kann
der man von einem <Haufen> sprechen kann (d.h. von man auch nicht sagen, es sei unsinnig0. Nun war weder
der an die Quantität in eine qualitativ bestimmte Gestalt möglich, noch ist möglich <Der Arzt, insofern er Arzt ist,
umschlägt), muß man bei diesen Konglomeratsprädika- tötet>. Also ist <Der Arzt, insofern er Arzt ist, tötet> keine
ten von einer Vagheitszone ausgehen, innerhalb derer unsinnigem Aussage (d.h. keine Aussage, die keinen Sinn
man sowohl von einer bestimmten Anzahl von Weizen- macht).» Diese Lösung entspricht der Erläuterung durch
körnern) als auch von einem <Haufen von Weizenkör- Sextos selbst, für den der ganze Schluß, nicht aber die
nern> reden kann. Genau dies wird im folgenden Trug- Konklusion falsch ist, weil ja «keine Aussage unsinnig
schluß nicht beachtet: «Bilden die 3 Körner hier einen ist».
Haufen? - Nein / Und diese 4 Körner? - Nein» usf. Eindeutiger läßt sich der logische Fehler des umschla-
Irgendwann, also etwa beim Übergang vom 104. zum genden Arguments (iii) lösen. Die Technik besteht darin,
105. Weizenkorn, wird der Opponent sagen: «Jetzt ist es daß man seinen Opponenten ohne Ankündigung fragt:
ein Haufen». Damit hat er freilich unterstellt, daß ein «Habe ich dir eine Frage gestellt?» Der Opponent wird
einziges Weizenkorn ausreicht, um einen Haufen zu bil- antworten: «Nein!». Das ermöglicht dann folgenden

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Trugschluß: «Es ist nicht der Fall, daß ich dir zunächst Schüler zu einem Weisen heranbilden wollen, glauben
eine Frage gestellt und daß die Zahl der Sterne nicht nicht nur, «in der Kenntnis der Erscheinungen am Him-
gerade ist; nun habe ich dir zunächst eine Frage gestellt; mel und der vergänglichen Menschenwelt unterrichten
also ist die Zahl der Sterne gerade». Der Schluß scheint zu müssen, sondern führen ihn durch bestimmte, an und
zunächst gültig, da er ja die Form ~(p/\~q)\ nun p; also q für sich betrachtet eigentlich recht geringfügige Stoffe
hat, d.h. nach dem modus ponendo tollens schließt. Ver- sowie bisweilen durch ausgeklügelte Zweifelsfragen:
setzt man sich aber in die Situation des dialektischen nicht, weil die Hörner- oder Krokodilsschlüsse zum Phi-
Sprachspiels, so gilt nach Bestätigung der ersten Prä- losophen machen könnten, sondern weil er selbst nicht in
misse durch den Opponenten, daß die Aussage «Ich habe den geringsten Kleinigkeiten sich täuschen lassen
dir zunächst eine Frage gestellt» (p) falsch ist, weshalb darf.» [310]
auch die Konjunktion ρκ-q falsch, deren Negation aber 3. Ausklang und Synthese - Rhetorische L. Für
wahr ist. Bestätigt nun der Opponent die Frage nach dem Bochenski ist die nachstoische Zeit bis zum Fall des
Vorliegen der Unterprämisse, so wird ρ wahr, d.h. ein Römischen Reiches «keine schöpferische Periode», die
Umschlagen seines Wahrheitswertes liegt vor; dadurch darin entstandenen Abhandlungen zeigen deshalb auch
wird, wie Sextos feststellt «die Prämisse mit der Vernei- in dem Sinne eine «synkretistische Tendenz», «daß sie
nung der Konjunktion falsch, da das falsche Konjunk- aristotelische und megarisch-stoische Elemente ineinan-
tionsglied wahr geworden ist. Somit kann der Schlußsatz der verarbeiten»; deshalb ist diese Zeit auch für ihn eine
niemals erschlossen werden, da die Negation der Kon- «Periode der Kommentare und Handbücher.» [311] Wie
junktion und die zweite Prämisse nicht zusammen wahr die häufigen und von der Sache notwendigen Rückgriffe
sein können.» [306] Damit ist freilich nicht geklärt, woher auf die beiden großen griechisch geschriebenen philoso-
das Umschlagen resultiert. Dies entsteht offenbar phiegeschichtlichen Darstellungen von Sextos Empeiri-
dadurch, daß sich die zweite Prämisse metakommunika- kos (Ende 2. Jh.n.Chr.) und Diogenes Laertios (3.
tiv auf die mit der Validierung der ersten Prämisse ver- Jh.n.Chr.) schon deutlich machen, wird man wohl eher
bundene Handlung bezieht und diese in die Argumenta- von einer großen synthetischen Leistung dieser Epoche
tion selbst einbindet; m.a.W.: die mit und innerhalb einer sprechen müssen. Dies gilt besonders für die logischen
Argumentation vollzogenen Handlungen können nicht Schriften Galens (129-199) und die wichtigen Aristote-
Gegenstand dieser Argumentation selbst sein. Ob sich leskommentare von Alexander von Aphrodisias (um 200
diese Lösung bei den von Sextos zitierten Dialektikern n.Chr.) und - von geringerer Bedeutung - die Kommen-
findet und von ihm nicht erwähnt wurde, weil sie ihm tare von PORPHYRIOS (3. Jh.n.), SIMPLIKOS und I O H A N N E S
selbstverständlich erschien, läßt sich aufgrund der Text- PHILOPONOS (beide 6. Jh.n.Chr.). Von wesentlicher
lage nicht klären. Bedeutung für die mittelalterliche L. und Dialektik sind
die lateinisch verfaßten Abhandlungen von Cicero (106-
In logischer Hinsicht unproblematisch sind dagegen
43), A P U L E I U S (2. Jh.n.Chr.), M A R I U S VICTORINUS (4.
die Trugschlüsse, in denen eine solözistische, d.h. unkor-
Jh.n.), M A R T I A N U S CAPELLA ( 5 . Jh.n.Chr.) und vor allem
rekte grammatische Form verwendet wird; so z.B.: «Was
von B O E T H I U S (480-524/5), dem großen Referenzautor
du ansiehst, existiert; nun siehst du einen Wahnsinnigen
des Mittelalters für die logica vetus. Doch das historische
an; also existiert einen [sie!] Wahnsinnigen.» [307] Da
Verdienst dieser lateinischen Tradition besteht vor allem
Sextos keine Auflösung referiert, läßt sich nicht entschei-
auch darin, daß durch sie logisch-dialektische Überle-
den, ob die megarischen Dialektiker die Solözismus-
gungen der aristotelischen <Topik> und <Rhetorik> in die
schlüsse im Sinne von Aristoteles [308] verstanden
ars rhetorica integriert wurden.
haben.
Betrachtet man die megarisch-stoische Behandlung Einen guten Einblick in den Geist dieser Epoche ver-
der Trugschlüsse und Paradoxien in ihrer Gesamtheit, so mittelt eine kurze Darstellung der εισαγωγή διαλεκτική,
wird deutlich, daß darin wesentliche semantische, refe- eisagôgé dialektiké (= Einführung in die Dialektik) des
renzsemantische und zeitlogische Aspekte und Pro- Mediziners und Logikers G A L E N . [312] Diese <Institutio
bleme des konsistenten logischen Folgerns gesehen und logica>, so der nachträglich gegebene lateinische Titel,
zum größten Teil auch gelöst wurden: so die Verwen- definiert zunächst den Schluß als Rede mit zwei Prämis-
dung von Konglomeratsprädikaten (5), dann die Unter- sen und Konklusion. Die in den Prämissen möglichen
schiede zwischen objektsprachlichem Gebrauch und Aussagen werden mit Hilfe der aristotelischen Katego-
metasprachlicher Erwähnung wie in (4) und (i), zwischen rien definiert; der Subjekts- und Prädikatsterm werden
Prädikaten, die objekt- und/oder metasprachlich ver- unterschieden, die aristotelischen Quantifizierungen
wendet werden können (ii), zwischen deskriptiven und (alle, keine, einige, einige nicht) werden erörtert. Bei der
metakommunikativen Prädikaten oder Aussagen, wobei Diskussion der Satzverbindungen werden jedoch die
sich diese innerhalb einer Argumentation auf einen stoischen Unterscheidungen (Konjunktion, Disjunktion,
unmittelbar vorher vollzogenen Argumentationsschritt Implikation usw.) ausführlich diskutiert. Dem folgen
(iii) oder allgemein auf eine vor oder nach dem Äuße- dann die fünf <nicht zu beweisenden* (stoischen) Schluß-
rungszeitpunkt liegende Handlung beziehen können (2), schemata. Auf diese aussagenlogischen Erörterungen
zwischen Prädikaten mit und ohne temporale Präsuppo- schließt sich dann die Lehre der «alten Philosophen»,
sition (2), zwischen definiter und indefinit-generischer d.h. die aristotelische Syllogistik an, wobei Galen diese
Referenz (lb) und schließlich zwischen situationsbezo- mit einem axiologischen Schluß (Das Schöne ist erstre-
gener Referenz der Demonstrativa und situationsunab- benswert) illustriert, der auch auf die aristotelische
hängiger Referenz bei Eigenamen. Deshalb ist die <Topik> verweist. Die drei aristotelischen Schlußfiguren
Annahme, die megarischen und stoischen Dialektiker werden zwar kurz, aber doch einschließlich der Beweis-
hätten die Trugschlüsse und Paradoxien behandelt, um verfahren der reductio ad impossibile und der Exthesis
«logisch-semantische Distinktionen und Sachverhalte» (Heraushebung) vollständig behandelt. Dabei hat wohl
einzuschärfen [309], sicher gerechtfertigt. Das hat schon die Behandlung mehrerer Umkehrungsschlüsse der 1.
QUINTILIAN, sonst ein eingefleischter Feind jeglicher Figur (bei der Galen dem Aristoteles und nicht wie Apu-
logischer Spitzfindigkeiten, so gesehen: Lehrer, die ihren leius dem Theophrast folgt) zur bis in die Neuzeit vor-

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herrschenden Meinung geführt, Galen sei der Entdecker missen. Im Zentrum dieser wesentlich auf stoischen
der 4. Figur, obwohl er sich selbst zu Beginn des 12. Kapi- Unterscheidungen basierenden Schlußlehre stehen
tels ausdrücklich gegen die Einführung weiterer Schluß- Schlüsse mit einer implikativen Prämisse. Freilich ist der
figuren wendet. [313] Nach diesen begriffslogischen Sprachgebrauch bei Boethius nicht eindeutig, da er
Kapiteln erörtert Galen in einer Art Kurzfassung der <2. hypothetische Aussage> auch mit <Konditionalaussage>
Analytikern die wissenschaftstheoretischen Aspekte der gleichsetzt. [321] Boethius untersucht zunächst die Kom-
Syllogistik, wobei auch für ihn der erste Modus der ersten binationsmöglichkeiten bei zwei Variablen (Wenn A ist,
Figur, d.h. Barbara, der für die wissenschaftliche Beweis- ist B; wenn A ist, ist nicht B; wenn A nicht ist, ist B; wenn A
führung am besten geeignete Schlußmodus ist; diese nicht ist, ist Β nicht) bzw. entsprechend bei drei Variablen
Überlegungen werden dann durch eine Erörterung der (Wenn A (nicht) ist, und wenn Β (nicht) ist, ist C
stoischen Schlußlehre ergänzt, wobei Galen zeigt, daß (nicht)). [322] Dem schließen sich dann jeweils Erörte-
sich die hypothetischen Schlüsse der Stoiker in implika- rungen zu gültigen Syllogismen an, die aus diesen Prä-
tive und disjunktive Schlüsse einteilen lassen. Bei Galen missen gebildet werden können, also etwa bei zwei
sind hypothetische Sätze somit nicht im Sinne von Kon- Variablen u. a. die Schlüsse: Wenn A ist, ist B; nun aber ist
ditionalsätzen zu verstehen, sondern als durch Konnek- A; also ist Β oder Wenn A ist, ist B; nun aber ist nicht B;
toren verbundene Aussagen. Dieser Sprachgebrauch ist also ist A nicht. Diese entsprechen den beiden ersten
vermutlich peripatetischen Ursprungs. [314] Neben den <nicht zu beweisendem stoischen Schlußschemata, d.h.
kategorischen (d.h. syllogistischen) und den hypotheti- dem modus ponens und tollens\ auch die beiden letzten,
schen Schlüssen erörtert Galen dann noch in den letzten auf der exklusiven Disjunktion beruhenden stoischen
Kapiteln Schlüsse, die auf Relationen beruhen, wobei Schemata werden aufgeführt: «Wenn nämlich gesagt
diese sich auf arithmetische bzw. geometrische (doppelt, wird, entweder ist A oder ist B, [dann,] falls A ist, wird Β
viermal), semantische (Vater/Sohn) und sogar <mehr nicht sein; [...] und wenn Β nicht ist, wird A sein.» [323]
oder weniger>-Relationen (wie in der aristotelischen Bei den komplexen Formen setzt Boethius u.a. die Tran-
<Topik>) beziehen können: «Der gute Zustand dessen, sitivität der Implikation voraus, aber auch komplexere
was höher ist, ist erstrebenswerter; nun ist die Seele Gesetzmäßigkeiten wie etwa in: Wenn A ist, ist Β nicht;
höher als der Körper; also ist der gute Zustand der Seele wenn A nicht ist, ist C; ich sage deshalb, daß, wenn Β ist, C
erstrebenswerter als der des Körpers.» [315] Dieser Ein- ist. [324] Da Boethius auch die Teilaussagen der Implika-
druck der Nähe zur aristotelischen <Topik> wird noch tion immer mit der Kopula IST formuliert und an mehre-
dadurch verstärkt, daß Galen - wohl über Theophrast ren Stellen als Einsetzungsbeispiele Prädikate wählt, ist
vermittelt [316] - für die Relationsschlüsse neben den umstritten, ob man seine L. als Aussagenlogik bestim-
<mehr oder weniger>-Schlüssen noch Schlüsse aus dem men kann. [325] Ebenso umstritten ist, welche Bedeu-
Gleichen und dem Analogen unterscheidet. Als Beispiel tung der Unterscheidung von zwei Arten von hypotheti-
für einen a ραπ-Schluß zitiert er Piatons Analogie vom schen Aussagen zukommt, nämlich die akzidentellen
Staat und der menschlichen Seele (Wenn ein Staat auf- (wie etwa: Wenn das Feuer warm ist, ist die Erde rund)
grund des angemessenen Handelns seiner Teile gerecht und die mit einer notwendigen Folgebeziehung (etwa:
ist, so gilt dies auch für die Seele) [317]; die von Galen Wenn ein Mensch ist, dann ist auch ein Lebewesen), ins-
aufgeführten Schlüsse aus dem Analogen sind hingegen besondere auch deshalb, weil Boethius diese Unterschei-
alle mathematischer Natur, da er análogon im Sinne der dung mit dem Argument einleitet, daß die Konjunktio-
geometrischen bzw. arithmetischen Proportion versteht. nen cum (= temporales wenn) und si (= konditionales
Die <Institutio logica> des 'Peripatetikers' Galen stellt wenn) in hypothetischen Aussagen ja auch das gleiche
somit eine präzise Synthese aus der Sicht eines Naturwis- bedeuten. [326] Soll dies so verstanden werden, daß in
senschaftlers dar, der die verschiedenen Traditions- der sprachlichen Struktur von Konditionalsätzen der
stränge der Dialektik und L. zu einem für die naturwis- Unterschied zwischen temporal zufällig zusammen exi-
senschaftliche Forschung brauchbaren Instrument ver- stierenden Sachverhalten und konditional verknüpften
knüpfen will. Weniger umfassend sind dagegen die <Isa- Sachverhalten genauso verdeckt wird wie im identischen
goge> und die Kommentare des Porphyrios, der freilich Gebrauch von cum und si bei (generischen) Aussagen?
für seinen Kategorienbaum (Substanz —> körperlich (vs. Klarer und zugleich instruktiver für die Beurteilung
nicht-körperlich) belebt (vs. nicht-belebt) —> sensibel der synthetischen (bzw. synkretistischen) Leistung dieser
(Tier) (vs. nicht-sensibel) —> vernünftig (nicht-vernünf- Epoche ist die Auseinandersetzung um den Wahrheits-
tig) —> Sokrates), in dem er Aristoteles rein extensional wert von futurischen Aussagen bei AMMONIOS und Boe-
auslegt, berühmt werden sollte. [318] Daneben sollte thius. Aristoteles hatte im 9. Kapitel der <Hermeneia>
auch seine Einteilung der Prädikabilien in Gattung, Art, deterministische Auffassungen kritisiert, eine Kritik, die
Differenz, Proprium, Akzidens als Lehre der quinqué nach der ältesten Auslegung (der später dann auch Luka-
voces Teil des mittelalterlichen Lehrgebäudes der L. siewicz folgen sollte) so zu verstehen sei, daß für Aristo-
werden. [319] Der Lateiner Apuleius sollte für die Dar- teles nur Aussagen, die sich auf Gegenwärtiges und Ver-
stellung der vier aristotelischen Aussageformen als qua- gangenes beziehen, wahr oder falsch sein können, nicht
drata formula, d.h. als logisches Quadrat, bekannt wer- aber Aussagen über Zukünftiges. Daneben setzte sich
den. [320] Die endgültige Form erhält dieses dann durch eine zweite Auslegung durch, wonach für Aristoteles das
BOETHIUS. Boethius beeinflußt durch seine Übersetzun- <Zweiwertigkeitsgesetz> auch für Futuraussagen gilt,
gen und Kommentare zum aristotelischen <Organon>, sofern man den Unterschied zwischen bestimmt vs. unbe-
aber auch zur <Isagoge> Porphyrios' und zu den <Topica> stimmt wahr/falsch macht. [327] Nach dieser Auslegung,
Ciceros wesentlich die Rezeption der logica vetus (alten der auch Ammonios und Boethius folgen, ist etwa (lv)
Logik) durch die Scholastik bis ins 12. Jh.. Von besonde- «Gestern hat eine Seeschlacht stattgefunden» insofern
rer Bedeutung für die mittelalterliche Schlußtheorie bestimmt wahr, als gestern tatsächlich das bestimmte sin-
wurde seine Abhandlung zum hypothetischen Schluß gulare Ereignis stattgefunden hat. Die Futuraussage ( l f )
(De syllogismo hypothetico), d.h. von Schlüssen mit «Morgen wird eine Seeschlacht stattfinden» kann wie
zumindest einer Aussagenverbindung in einer der Prä- auch ihre Negation (fn) «Morgen wird keine Seeschlacht

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Logik Logik

stattfinden» morgen bestimmt wahr oder falsch werden, müssen. In der Schluß- und Argumentlehre folgen die
heute aber, zum Äußerungszeitpunkt, sind beide Alter- Römer im wesentlichen den aristotelischen Unterschei-
nativen noch unbestimmt, d.h. entweder-wahr-oder- dungen mit einigen zusätzlichen Differenzierungen: so
falsch. Diese weite Zweiwertigkeit läßt sich aus der fol- hat etwa für Cicero eine Argumentation fünf Teile (die
genden Aristotelesstelle ableiten: «Alle Dinge müssen nicht alle expliziert werden müssen), da er zusätzlich
sein oder nicht sein oder zu einem zukünftigen Zeitpunkt noch zwei Teile, die dem Beweis der Prämissen dienen,
sein oder nicht sein. Wir können freilich nicht mit berücksichtigt [331]; oder er unterscheidet für die Analo-
Bestimmtheit sagen, welche Alternative morgen not- gie (comparatio) die drei Unterarten imago, collado,
wendig sein muß. [...]. Notwendig ist jedoch, daß eines exemplum. [332] Eine wesentliche Begriffsverschiebung
morgen geschehen oder nicht geschehen wird.» [328] zeigt sich jedoch in der Behandlung der (gemeinsamen)
K R E T Z M A N N sieht nun darin eine besondere historische Topoi: da diese in rhetorischen Abhandlungen immer
Leistung und Neuerung von Boethius, da dieser zusätz- mehr nur noch als Namen für bestimmte Schlußregeln
lich noch fordert, daß jemand, der (lf) äußert, falsch (bzw. für eine Gruppe von Schlußregeln) verstanden
spricht, selbst wenn morgen tatsächlich eine Seeschlacht werden, verlieren sie ihren primär logischen Charakter,
stattfindet. Er hätte nämlich die Kontingenz explizit fest- und werden, wie L A U S B E R G zutreffend formuliert, «Such-
stellen müssen: «Es kann morgen zufällig so sein, daß formeln und in ihrer Gesamtheit ein Gedanken-Reser-
eine Seeschlacht stattfindet.» [329] Danach ist man also voir, aus dem die passenden Gedanken ausgewählt wer-
verpflichtet, den Grad der Wahrscheinlichkeit eines den». [333] Dies führt etwa bei Quintilian zu der nach pri-
zukünftigen Ereignisses explizit zu formulieren. Diese mär inhaltlichen Gesichtpunkten vorgenommenen Klas-
Idee ist freilich schon bei Aristoteles angelegt. Einige sifikation der Topoi in solche, die (i) von Personen (a per-
Zeilen vor der zitierten <Hermeneia>-Stelle betont er sona), bzw. solche, die (ii) von der Sache (are) ihre Argu-
nämlich, daß das Kontingente dann vorliegt, wenn weder mente her nehmen; zu ersteren gehören etwa Nationali-
das eine noch das andere eher wahr oder falsch ist, beim tät, Geschlecht, Alter, Bildung usw., zu letzteren gehören
Wahrscheinlichen hingegen ist das eine eher wahr als das diejenigen, die (a) vor, um und nach der behandelten
andere, ohne daß die Möglichkeit des anderen ausge- Sache (von der Ursache, von der Tatzeit, vom Tatort, von
schlossen ist. der Art der Handlung, usw.) stehen, dann die, welche (b)
Nun ist ja, wie in der obigen Erörterung der aristoteli- in der Sache selbst liegen (u.a. vom Teil, von der Gattung,
schen Topos-Lehre deutlich wurde, diese Unterschei- von der Definition, vom Namen usw.), und schließlich
dung in das akzidentell und das wahrscheinlich Kontin- diejenigen, die circa rem, also um die Sache herum zu
gente das Apriori jeglicher rhetorischen L. Die mit dieser suchen sind (etwa vom Ähnlichen, vom Gegensätzlichen,
Alltagslogik verbundenen Probleme - unter Rückgriff vom Mehr oder Weniger, vom Voraufgehenden, Mit- und
auf die stoische und vor allem peripatetische Tradition - Nachfolgenden). [334] Diese Klassifikation zeigt, daß die
in die <Rhetorik> integriert zu haben, ist das große Ver- ursprünglich logischen Gesichtpunkte nicht verloren
dienst der Autoren dieser Epoche. Pointiert gesagt: was gehen, sondern mit untergeordnetem Gewicht in einer
aus der Sicht der L. eine Epoche des Ausklangs ist, nach pragmatischen Gesichtpunkten vorgenommenen
erscheint aus der Sicht der Rhetorik als eine Epoche der Einteilung erhalten und eingebettet bleiben.
Herausbildung und Blüte des rhetorischen Lehrgebäu- Cicero entfernt sich in seinen für die spätere Dialektik
des. Im Gegensatz zu neueren historischen Darstellun- und L. wichtig werdenden <Topica> noch nicht so weit
gen der L. hat Prantl die historische Bedeutung dieses, von Aristoteles. So unterscheidet er zwar - darin der rhe-
wie er sagt, «Übergang[s] rhetorisch-logischer Lehre zu torischen Unterscheidung von atechnischen und techni-
den Römern» in der Rhetorik gesehen und ihm sogar schen Beweismitteln folgend - einen locus extrinsecus,
einen eigenen Abschnitt gewidmet, freilich um die darin d.h. den außerhalb der inventio des Redners liegenden
zum Ausdruck kommenden Verfallserscheinungen zu Topos aus der Autorität (ex auctoritate) [335] - daß er
monieren, zielt die Rhetorik doch wie die ihr vorange- darin auch eine Theorie der Glaubwürdigkeit von Zeu-
hende «Popularphilosophie nicht auf einen innerlich wis- gen einschließt, ist sicherlich beim Juristen und bei der
senschaftlichen Nachweis, sondern auf die äusserlich schon weit ausdifferenzierten Rechtsrhetorik nicht über-
anregende Wahrscheinlichkeit» ab. [330] Bedenkt man, raschend; diesen atechnischen Topos grenzt er gegen
daß die Römer - allen voran Cicero mit seinen beiden intrinsische Topoi ab, die (i) «in der Sache selbst» liegen
Schriften <De inventions und <Topica> - wesentliche oder (ii) «von ihr in gewisser Weise affiziert» sind. [336]
logische und argumentationstheoretische Unterschei- Aber: seine Feineinteilung - aus dem Ganzen und den
dungen in die Rhetorik integriert haben, wird man diese Teilen für die erste Gruppe und aus den abgeleiteten und
Bewertung Prantls umkehren müssen; erwähnt seien hier koordinierten Begriffen (ex coniugatis), der Gattung, der
nur die zentralen Begriffe Syllogismus und Enthymem Differenz, aus dem Mehr oder Weniger usw. für die zweite
(ratiocinatio/argumentum), Paradeigma (exemplum), Gruppe - wie auch seine Darstellung der einzelnen loci
Enstasis (refutatio, Widerlegung), Semeion (indicium/ lassen noch eine Vertrautheit mit der Tradition der ari-
vestigium, Zeichen/Spur) oder Tekmerion (signum stotelischen <Topik> erkennen. Ein gewisser Synkretis-
necessarium, notwendiges Zeichen) und vor allem die mus zeigt sich jedoch darin, daß er, wie schon gezeigt, die
Topoi, die mit Cicero als sedes argumentorum (Sitze/ stoische Schlußlehre als besonderen Topos, d.h. als
Fundstellen der Argumente) ihr Hausrecht in der Rheto- «locus dialectorum» (Topos der Dialektiker), mit den
rik erhielten. Diese Integration ist notwendig mit einer Unterarten «aus den Konsequenzen, aus den Vorange-
Relativierung der Bedeutung der L. für den tatsächlichen henden und aus dem Gegensätzlichen» behandelt und
Überzeugungsprozeß verbunden, manchmal auch mit zusätzlich zu den fünf stoischen <nicht zu beweisenden)
einer Vereinfachung oder sogar Verflachung. Dagegen Schlußschemata zwei weitere hinzufügt. [337] Dem folgt
kann die Rhetorik, weil sie neben der L. auch Ethos, unmittelbar in den <Topica> der «locus rerum efficien-
Pathos und vor allem den sprachlichen Ausdruck tium» und der «rerum effectarum», d.h. der Topos der
berücksichtigt, durchaus zu Einsichten in die L. des All- wirkenden Ursachen und der Wirkungen, also ein Topos,
tags kommen, die der schulmäßigen L. fremd bleiben in dem Epistemisches und nicht Logisches zusammenge-

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faßt ist. [338] Daran anschließend behandelt er den Problem: Ist die Gerechtigkeit nützlich oder nicht?
«comparationis locus», den Topos des Vergleichens,
wobei er die aristotelische Formel von Dingen, die «mehr —> Problembereich: Akzidens
oder weniger oder gleich» sind, verwendet. Freilich
(i) differentia a genere/a toto
meint er damit nicht die a /oraon-Schlüssc, sondern die
Präferenztopoi; dem folgt abschließend ein a pari- (aus der Gattung/aus dem Ganzen)
Schluß. [339] Für Verwirrung sorgt, daß er zu Beginn der (ii) maxima «Was in der Gattung ist,
Behandlung dieses Topos des Vergleichens auf die im propositio ist auch in der Art»
ersten Teil bzw. im ersten Durchgang gegebene Defini-
tion verweist, in dem dieser jedoch eindeutig als a for- (iii) Schluß Jede Tugend (M) ist nützlich
tiori· Argumentation definiert wird. [340] Diesem Verwi- Die Gerechtigkeit ist eine Tugend (M)
schen wichtiger sachlicher und logischer Unterschiede
Also ist die Gerechtigkeit nützlich
entspricht, daß Cicero nur an wenigen Stellen (und dies
in rechtfertigenden Nebensätzen mit enim (= denn/näm-
lich)) die bestimmten Topoi zugrundeliegenden Schluß- (Abb. 11)
garanten formuliert - ihm geht es mehr um die breite und ken> her am Beispiel eines Syllogismus (Modus Barbara)
enumerative Auflistung der Topoi, die er an einer Fülle erläutert (deshalb kann er auch sagen, daß «ein Argu-
von vor allem aus dem Rechtsbereich entnommenen ment nichts anderes als das Finden des Mittelbegriffs
Beispielen illustriert. Wenn auch die <Topica> Ciceros ist»; nihil est aliud argumentum quam medietatis inven-
auf die spätere L. einen bedeutend geringeren Einfluß als
tio [346]) - ohne jedoch die Gemeinsamkeiten und
auf die Rhetorik hatten, so sollte seine zu Beginn dieser
Unterschiede zwischen einem Syllogismus und einem
Abhandlung vorgenommene Unterscheidung der Argu-
topischen Argument systematisch zu diskutieren. Beim
mentation (und der Funktion der Topoi) in zwei Teile,
Finden des Mittelbegriffs sind die Topoi (differentiae)
«unam inveniendi alteram iudicandi», d.h. in die <Inven-
tio-L.> und die <Urteils-L.> - wobei Aristoteles beide behilflich. Trotz dieser Nähe zu Aristoteles unterschei-
begründet habe, die Stoiker hingegen nur in der Urteils- det sich Boethius' Darstellung in mehreren Aspekten
L. gewirkt hätten - , zu einer bis in die Renaissance zen- von dessen <Topik>; dies veranschaulicht seine auf THE-
MISTIOS (dessen <Topik> nicht überliefert ist) zurückge-
tralen Unterscheidung (aber auch zu einem immer wie-
der aufbrechenden Problem) werden. [341] hende Klassifikation mit den Gruppen: in der Sache
selbst (in ipso) vs. außerhalb der Sache (extrinsecus) vs.
Der begriffsgeschichtliche Weg dieses Übergangs von intermediär (medii)\ vgl. Abb. 12.
einer logisch fundierten Topik des Schließens und Argu- Diese Klassifikation sollte für das Mittelalter verbind-
mentierens hin zu einer mehr enumerativen Findungs- lich werden. Im Hinblick auf die dialektische Tradition
lehre läßt sich leicht nachzeichnen. Wie schon mehrfach ergeben sich folgende Besonderheiten:
betont, unterscheidet Theophrast die <Anweisung> (i) Die Unterscheidung in ipso vs. extrinsecus ist hier
(parángelma) und den <Topos> terminologisch: «Eine sachlogisch zu verstehen; sie entspricht Ciceros Unter-
Anweisung besagt z.B., daß man vom Entgegengesetzten scheidung in der Sache selbst vs. von der Sache affiliert, die
oder von den Ableitungen schließen muß, ein Topos ist bei diesem jedoch zu den intrinsischen Topoi gehören, die
z.B. <Wenn das Entgegengesetzte dem Entgegengesetz- er gegen die außerhalb der Kunst liegenden atechnischen
ten zukommt, dann auch das jeweils Entgegengesetzte extrinsischen Topoi - vor allem den aus der Rhetorik
dem Entgegengesetztem.» [342] Alexander selbst kriti- ererbten Topos aus der Autorität-abgrenzt; dieser rheto-
siert diese Terminologie, da Aristoteles ja beide als rische Topos (!) ist hier als a rei iudicio (Aus der (vorgän-
Topoi bezeichnen kann. [343] Wie auch deutlich wurde, gigen) Beurteilung einer Sache) in die L. integriert.
hat Cicero diese Trennung zweier bei Aristoteles noch (ii) In der Sache selbst liegend sind Topoi wie etwa der
zusammengehörender Aspekte dadurch weiter vorange- aus der Definition (D), weil diese mit dem Definierten
trieben, daß er die <Anweisung> metonymisch als locus (S) substantiell übereinstimmt (etwa: Sokrates ist ein
bezeichnet, d.h. als Hinweis auf einen sachlich-logisch rationales Lebewesen (D); deshalb ist er ein Mensch (S));
bestimmten <Ort>, an dem man Argumente finden kann. die zugrunde liegende maxima propositio oder Schlußre-
Boethius wird diese Begriffsverschiebung wieder
gel ist: «dem x, dem die Definition D zukommt, kommt
zurücknehmen, indem er die Anweisungen als <Diffe-
auch das Definierte S zu». Extrinsisch ist etwa der Topos
renz-Topoi> (differentiae), die Topoi im Sinne von
aus dem Konträren, weil z.B. im Argument <Sokrates ist
Schlußregeln hingegen als maximae propositiones von-
groß (K); deshalb ist er nicht klein (K)> die konträren
einander unterscheidet. Erstere wie etwa die Topoi a
definitione oder a similibus sind Bezeichnungen, welche Terme auf sachlich Getrenntes verweisen. Intermediär ist
den Unterschied (differentia) zu den übrigen Topoi etwa der Topos aus den koordinierten Begriffen, da z.B.
anzeigen; letztere bezeichnet Boethius auch als «inde- in <Wenn Gesundheit (G) erstrebenswert ist, dann auch
monstrabiles» und «principales», d.h. als oberste und das, was gesund macht (mG)> die coordinata G und mG
nicht zu beweisende Aussagen. [344] Die sachliche Nähe einerseits überstimmen (sie gehören zum gleichen Erfah-
zu Aristoteles mag die Abb. 11 verdeutlichen. [345] rungsfeld), andererseits aber Getrenntem zukommen.
(iii) Zu diesen außerhalb der Sache liegenden Topoi
Das Beispiel soll zugleich verdeutlichen, daß Boethius gehören bei Themistios und Boethius auch die schon bei
im Gegensatz zu Cicero in der Regel auch den Problem- Aristoteles aufgrund einer Relation unterschiedenen
bereich (d.h. das praedicabile) hinzufügt, um dessen Verfahren: aus dem Ähnlichen, aus dem Mehr, aus dem
Zukommen es jeweils geht. Freilich bilden die Prädikabi- Weniger, aus dem Entgegengesetzten (mit den aristoteli-
lien, die er wie Aristoteles als Definition, Gattung, Pro- schen Feindifferenzierungen in Kontraria, Korrelata,
prium und Akzidens bestimmt, nicht mehr das zentrale Privativa und Kontradiktoria), aus der Analogie, aus dem
Gliederungsprinzip. Die Nähe zu Aristoteles zeigt sich geläuferigen Ausdruck (a transumptione). [347]
auch darin, daß er dessen Schlußbegriff aus der Topik (iv) Wie Cicero unterscheidet er zusätzlich mehrere
übernimmt, wie auch, daß er diesen von den <Analyti- sachlogisch-epistemische Topoi (a materia, a forma, a

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In ipso Extrinsecus Medii


1 A substantia 9 A materia 1 A rei judicio 1 A casibus
2 A definitione 10 A forma 2 A similibus 2 A conjugatis
3 A descriptione 11 A fine 3 A majore 3 A divisione
4 A nominis interpretatione 12 A b effectibus 4 A minore
5 A consequentibus 13 A corruptionibus 5 Ex oppositis vel contrariis, vel
6 A toto vel genere Ab usibus relativis, vel secundum privationem
7 A partibus vel specie 14 A communiter accidentibus et habitum, vel per affirmationem
8 Ab efficientibus et negationem
6 A proportione
7 A transumptione

(Abb. 12)
fine, ab efficientibus, ab effectibus - von der materialen, quens» und « d i e wirkende Ursache geht voran, während
formalen Zweck-, Wirkursache, von den Wirkungen), das Bewirkte f o l g t . » [352] In der Tat sind die stoischen
die auf die <2. Analytiken* und die <Metaphysik> Aristo- Schlußschemata universell, da ja die damit formulierten
teles' zurückgehen. Diese cawsa-Topik mag durch das Schlußregeln, insbesondere der modus ponens und der
dialektische Problem <Besitzen die Mauren W a f f e n oder modus tollens, j e d e m topischen Argument zugrunde lie-
nicht?> verdeutlicht werden. Sucht man nämlich unter gen. D a die Einteilung der T o p o i durch Boethius bis
dem Differenz-Topos a materia (aus der materialen Ende des 13. Jh. zur kaum hinterfragten Referenznorm
Ursache), der - als propositio maxima formuliert - wurde, bedeutet dies, daß der Zusammenhang von aussa-
besagt: <Wo die Materie fehlt, da fehlt auch der aus dieser genlogisch formulierten Folgerungen und T o p o i lange
Materie gemachte Gegenstand*, so kann man, sofern nicht gesehen wurde. Dennoch ist dieser Zusammenhang
man weiß, daß die Mauren kein Eisen besitzen, das noch indirekt erhalten, da Boethius in seinem K o m m e n -
Argument <Die Mauren besitzen keine W a f f e n , da sie tar zu Ciceros T o p i k die stoischen Schlußregeln ausführ-
kein Eisen (M) haben> bilden. [348] lich diskutiert. [353] I m mittelalterlichen Logikgebäude
( v ) Zusätzlich unterscheidet Boethius mit Themistios gehören diese freilich zur L., was wiederum auf Boethius
eine Zwischengruppe, in der dieser die aristotelischen zurückzuführen ist, da er diese in der erwähnten Schluß-
abgeleiteten und koordinierten B e g r i f f e sowie die divisio lehre <De syllogismo hypothetico> behandelt. Erst im 14.
im Sinne der dihairetischen Begriffszerlegung zusam- Jh. wird in der spätscholastischen Konsequenzlehre der
mengefaßt hatte. Deshalb kann er auch am Ende seiner Zusammenhang zwischen Schlußregel und Maxime
Erörterung der divisio betonen, daß «man die damit ver- (bzw. gemeinsamem T o p o s ) wieder entdeckt werden.
bundenen Fragen leichter verstehen kann, wenn man mit D i e mit dieser Klassifikation dem Mittelalter hinter-
den Ersten <Analytiken> gearbeitet hat.» [349] lassenen Probleme lassen sich leicht benennen: W i e las-
( v i ) Im Vergleich zur aristotelischen Topik fällt auf, sen sich die drei Gruppen genauer voneinander abgren-
daß die Präferenztopoi fehlen; die T o p o i aus dem Mehr zen? Welcher logische Status kommt den causa-Topoi
oder Weniger werden im Gegensatz zur Darstellung und insbesondere dem T o p o s aus der Autorität zu? In
Ciceros logisch korrekt analysiert, also etwa die maxima welcher Beziehung stehen die aus T o p o i gebildeten
propositio (bzw. die Schlußregel): <si id quod magis vide- Schlüsse mit den Syllogismen und den aussagenlogisch
tur inesse non est, nec id quod minus videbitur inesse ine- formulierten Schlußregeln?
rii (Wenn das, was mehr zuzukommen scheint, nicht Auch mit der Festschreibung des Unterschieds zwi-
zukommt, dann wird auch das, was weniger zuzukom- schen rhetorischen und dialektischen T o p o i hinterläßt
men scheint, nicht zukommen). [350] Boethius dem Mittelalter ein Erbe, das erst wieder in der
(vii) D i e Bezeichnung für diese Differenz-Topoi über- Renaissance aufgebrochen werden sollte. D i e Abhand-
nimmt Boethius offenbar aus der Themistios-Schrift; lung des Boethius <De topicis differentiis> enthält näm-
Ziel seiner Erörterung ist nicht nur der Nachweis, daß die lich im I V . Buch eine kurze und prägnante Darstellung
von Cicero unterschiedenen T o p o i in der differenzierte- der klassischen Rhetorik (mit Schwerpunkt Rechtsrhe-
ren und vollständigen Themistios-Klassifikation enthal- torik und ohne Stillehre) und insbesondere der rhetori-
ten sind, sondern auch, daß sich letztere auch in der schen T o p o i . Da jeder Rechts- und Streitfall notwendig
Cicero-Klassifikation nachweisen lassen. So kann etwa eine Person und eine Tat (negotium) impliziert, ordnet
der von Themistios unterschiedene Differenz-Topos a Boethius mit Cicero die rhetorischen T o p o i diesen bei-
proportione (aus der A n a l o g i e ) , dem das a pan-Schluß- den Grundgegebenheiten zu. Z u den Personentopoi
prinzip zugrunde liegt, auf Ciceros Topos a similibus gehören nomen, natura, victus, fortuna, Studium, casus,
zurückgeführt werden, da dieser bei Cicero in einem sehr affectio, habitus, consilium, facta, orationes ( N a m e , Natur
weiten Sinne verstanden wird. [351] (Herkunft, Geschlecht, A l t e r ) , Lebensführung, sozialer
(viii) D i e für die Geschichte der Dialektik und L. wich- Status, Ausbildung, (Un)Glücksfall, affektiver Zustand,
tigste Änderung ist, daß Boethius die bei Cicero aufge- Habitus (Ethos), Absicht, vollzogene Handlungen und
führten und von der Stoa übernommenen Fremdkörper - R e d e n ) . [354] Für die Tattopoi unterscheidet Boethius in
aus den Konsequenzen, aus den Vorangehenden und aus Auseinandersetzung mit Cicero die loci, die sich auf die
dem Gegensätzlichen (ex consequentibus et antecedenti- mit der Tat selbst verknüpften Umstände (continentia)
bus et repugnantibus) - aus der Topik herauslöst. D e r beziehen, d.h. das Was und das Warum der Tat (a), von
letzte wird dem T o p o s aus dem Gegenteil zugeschlagen, denjenigen, die mit den äußeren Umständen der Tat
die beiden ersten werden mit der Begründung, daß sie (wann, wo, wie, womit) an- und zusammenhängen
sich «auf vielfache W e i s e » in den anderen T o p o i finden, (adhaerentia) ( b ) ; dann diejenigen, die der T a t hinzuge-
nicht gesondert behandelt. So ist etwa beim Topos aus der fügt sind (adiuncta), nämlich die logisch-dialektischen
A r t «die A r t das Antezedens und die Gattung das Konse- T o p o i Art/Gattung, Kontrarium, Resultat, Mehr, Weni-

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ger, Gleich (c), und schließlich diejenigen, die sich auf die (ii) Die rhetorischen Topoi sind immer aus dem Reser-
Folge (consecutio) der Tat beziehen (Bezeichnung der voir der dialektischen e n t n o m m e n .
Tat, Befürworter und Nachahmer, Rechts- und Sachlage, (iii) Dialektik ist logisch früher, es sei denn, der Dia-
Art und Häufigkeit der Tat, Einschätzung durch Autoritä- lektiker m u ß in seinen Argumentationen Personen
ten) {à) [355]; vgl. A b b . 13. betreffende Umstände berücksichtigen, denn dann wird
Diese Klassifikation entspricht im wesentlichen der, er rhetorische Topoi benutzen.
die Cicero in <De inventione> vorgenommen hatte (iv) Die rhetorischen A r g u m e n t e «werden nicht aus
(Cicero bezeichnet die adhaerentia als «im Vollzug der der Kontrarietät (ex contrarietate), sondern aus d e m
Tat» (in gestione negoti) liegend) [356]. Neu ist, d a ß Boet- Konträren (ex contrario), und nicht aus der Ähnlichkeit,
hius - analog zur Klassifikation der dialektischen Topoi sondern dem Ähnlichen entnommen.» [358] Eine plausi-
durch Themistios - zusätzlich intermediäre Topoi unter- ble Erklärung dieser Stelle scheint zu sein: D e m Dialek-
scheidet [357], darin sich von Cicero abgrenzend, der die tiker geht es um begriffliche Beziehungen (Gattung,
extrinsischen loci gegen alle übrigen Topoi abgegrenzt Ähnlichkeit, Gegensätzlichkeit, usw.), dem Rhetoriker
hatte. Diese Folgetopoi beziehen sich offenbar nicht nur hingegen um die jeweils damit gemeinten Sachen. Diese
auf die rechtliche Bezeichnung und Beurteilung der Tat, Interpretation wird durch die Schlußbemerkungen
sondern auch auf die gesellschaftliche Einschätzung bestätigt: «Dialektik entdeckt A r g u m e n t e aus den
durch die opinio communis. So eindeutig diese Eintei- Bestimmtheiten selbst (ex ipsis qualitatibus)\ die Rheto-
lung in logisch-rhetorische Topoi (c) einerseits und rik aus den unter eine Bestimmtheit fallenden Dingen
Täter/Tat-Topoi ((p), (a), (b) und (d)) andererseits auch (ex qualitates suseipientibus rebus).» [359]
erscheinen mag - sie ist in vielen rhetorischen Abhand- Damit wird am E n d e der A n t i k e der zentrale Unter-
lungen und Handbüchern bis heute vor allem deshalb schied zwischen Begriffslogik und sachlichen Beziehun-
mißverstanden worden, weil man meinte und oft noch gen formuliert. Und nicht zu Unrecht stellt Boethius
meint, von den Täter/Tat-Topoi her die argumentative abschließend etwas pointiert-vereinfachend fest, Aristo-
Funktion der Topoi - auch der dialektischen - erklären teles h a b e in seiner Topik die begrifflichen, Cicero hinge-
zu können. gen in seinen <Topica> die sachlichen Beziehungen erör-
Soll man die Tatsache, daß Boethius die adiuncta, d.h. tert.
die dialektischen Topoi, nicht zum inneren Bereich der
Rhetorik zählt, als weiteren Schritt der Herauslösung der Anmerkungen:
L. aus der Rhetorik interpretieren? Dies ist sicher des- lvgl. W.A. de Pater: Les Topiques d'Aristote et la dialectique
halb nicht gerechtfertigt, da es ja in der (Gerichts-)Rheto- platonicienne (Fribourg 1965) 167ff.; E. Hambruch: Logische
rik primär nicht um L. geht, sondern um die Frage, ob Regeln der Platonischen Schule in der Aristotelischen Topik
(1904); H. Cherness: Aristotle's Criticism of Plato and the Aca-
eine so und so bestimmbare Person eine so und so demy (New York 1962) 1-82; A. v. Fragstein: Die Dihairesis bei
bestimmbare Tat vollzogen hat (und wie diese von einer Aristoteles (Amsterdam 1967); Y. Pelletier: La dialectique ari-
Ethos- und Nomosgemeinschaft beurteilt wird), und vor stotélicienne (Montréal 1991) 102ff.; allg. C. Prantl: Gesch. der
allem auch deshalb, weil Boethius am E n d e seiner L. im Abendlande, Bd. I-IV (1855-70, ND 1997) I, 6ff.; J.M.
Abhandlung zeigt, daß die dialektischen Topoi notwen- Bochenski: Formale L. (1962) 35ff.; R. Blanché: La logique et
dig zur Rhetorik gehören. Freilich unterscheiden sich die son histoire, 2. Aufl. bearb. v. J. Dubucs (Paris 1996) 13ff.; M.
rhetorischen Ö r t e r von den dialektischen Topoi der L. Kneale, W. Kneale: The Development of Logic (Oxford 1962)
12ff.; A. Dumitriu: History of Logic, 4 Bde. (Tunbridge Wells
nach Boethius in mehreren Punkten: 1977) 1,69ff. - 2Platon, Sophistes 219a ff.; vgl. Kneale [1] lOff.;
(i) Die dialektischen Topoi können sich auf allgemeine de Pater [1] 45ff. - 3 Arist. Top. 100a 1 (im folg. belegt Verf. auch
(theses) und spezifisch-singuläre Probleme (hypotheses) bei längeren Texten immer nur die erste Zeile); vgl. ebd. VIII, 5,
beziehen, die logisch-rhetorischen hingegen nur auf letz- 159a 25. - 4E. Kapp: Syllogistik, in: RE 2. Reihe, 7. Halbbd.
tere; deshalb ist die Reichweite (ambitus) der dialekti- (1931) 1046-1067; ders.: Der Ursprung der L. bei den Griechen
schen Ö r t e r größer. (1965; zuerst engl. New York 1942); vgl. P. Aubenque: La dialec-

RHETORISCHE TOPOI

Person

Verknüpft Anhängend Hinzugefügt Folge


(continentia) (adhaerentia) (adjuneta) (consecutio)
(P) (a) (b) (c) (d)

Name, Natur, was? wann? Art, Gattung, Bezeichnung der Tat,


Lebensführung, (Art der Tat, wo? Kontrarium, Resultat, Befürworter,
sozialer Status, vor, während, wie? Mehr, Weniger, Gleich Rechts- und Sachlage,
Ausbildung, nach der Tat) womit? Art und Häufigkeit,
(Un)Glücksfall, warum? Einschätzung durch Autoritäten
affektiver Zustand,
Habitus, Absicht,
Handlungen,
Reden
intrinsisch intermediär extrinsisch
(Abb. 13)

499 500

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Logik Logik

tique chez Aristote, in: Studia aristotelica 3 (1970) 9-31; vgl. J. Theory of Modal Syllogisms and its Interpretation, in: M. Bunge
Klowski: Zum Entstehen der logischen Argumentation, in: (Hg.): The Critical Approach to Science and Philosophy, FS
Rhein. Mus. für Philol. NF. 113, 111-141; H.J. Krämer: Die K.R. Popper (London/New York 1964) 152-177; ders.: Modallo-
Ältere Akademie, in: H. Flashar (Hg.): Grundriß der Gesch. der gik, in HWPh 8 (1992) 23; Patterson [42] 8ff„ 33ff. - 52Arist.
Philos, (begr. von F. Überweg), Bd. 3 (1983) 1-174,9ff.; O. Pri- Herrn. 12,22a 10. - 53ebd. 13,22a 15. - 54 Arist. An. pr. I, 3,25b
mavesi: Die aristotelische Topik (1996) 22ff. u. 42ff. - 5 Aristote- 14; 13, 32b 5. - 55ebd. II, 27, 70a 4. - 56vgl. Blanché [1] 71. -
les, Analytica posteriora (im folgend, als Arist. An. post, zitiert) 57 Arist. An. pr. 1,32a 18; vgl. ders. Metaphysik 1047a 24. u. Bek-
86a 22, 82b 22, 88a 19. - 6ebd. 84a 7, 84b 2. - 7vgl. Cicero, De ker [47] 7f.; vgl. U. Nortmann: Modale Syllogismen, mögliche
finibus 1,7,22; Prantl [1] 535 u. 515; L. Hamelin: Le système Welten, Essentialismus: eine Analyse der aristotelischen
d'Aristote (Paris 1920) 60ff.; Blanché [1] 25ff. - 8 Arist. Modallogik (1996) 62ff. - 58 Blanché [1] 73. - 59 Arist. An. pr.
Top. 100a 25-27; Übers, der Belege und Bsp. folgen den Stan- 32a 23.-60 Becker [47] 13.-61 vgl. Patterson [42] 125ff.-62vgl.
dardtexten oder Übers. Verf., sonst wie angegeben. - 9vgl. Pri- bes. Becker [47] 36f. u. 55ff. - 63vgl. H. Tredennick: Aristotle 1
mavesi [4] 73. - 1 0 Aristoteles, Peri hermeneias (im folgend, als (London 1983) 243. - 64vgl. bes. Becker [47] 9ff., 24ff., 88ff.;
Arist. Herrn, zitiert) 12, 21b 9; vgl. ders., Analytica priora (im Ross [22] 286ff. u. Bocheñski [22] 62ff. - 65 Arist. An. pr. I, 30a
folgend, als Arist. An. pr. zitiert) 1,46,51b 13. - 1 1 vgl. Aristote- 15, 33a 25, 34b 19. - 66 vgl. Blanché [1] 75f. - 67vgl. J. Pacius:
les, Categoriae (im folgend, als Arist. Cat. zitiert) 4, Top. 1,9; Aristotelis Peripateticorum Principis Organum (1597; reprogr.
F.A. Trendelenburg: Gesch. der Kategorienlehre (1846; ND ND 1967) 180ff. (= zu Arist. An. pr. 1,14, 32b 38ff.); vgl. Prantl
1963); M.B. Boeri: Wert u. Funktion der Kategorienlehre bei [1] 1,283ff.; H. Maier: Die Syllogistik des Aristoteles Bde. I, I I I -
Arist., in: N. Öffenberger, A.G. Vigo: Südamerikanische Beitr. 2 (1896-1900; ND 1979) 11,1 144f. - 68 Alexander von Aphro-
zur modernen Deutung der Aristotelischen L. (1977) 82-106; V. disias: In Aristotelis Analyticorum priorum librum I commenta-
Sainati: Die <Kategorien> u. die Theorie der Prädikation, in: A. rium, hg. v. M. Wallies (1883) 165ff.; vgl. J. Tricot: Aristote:
Menne, N. Öffenberger: Formale u. nicht-formale L. bei Aristo- Organon III (Les premières Analytiques), trad, et notes (Paris
teles (1985) 26-79. - 1 2 Arist. Herrn. 7 . - 1 3 Arist. An. pr. 1,1,24a 1983) 63, Anm. 4. - 69 vgl. Arist. An. pr. 1,13,32b 23; vgl. Becker
17-20. - 1 4 Arist. Top. II, 1. - 15 Arist. An. pr. 1,23, 40b 2 3 ^ . - [47] 32ff., Bocheñski [22] 57ff.; Patzig [19] 72ff., Patterson [42]
16 vgl. T. Parsons: The Traditional Square of Opposition, in: 145ff. - 70Becker [47] 35f. - 71 vgl. Patterson [42] 58ff. - 72
Acta analytica 18 (1997) 23^19; H. Reichenbach: Elements of Arist.An.post. 1,14,79a 17; vgl. W. Detel: Aristoteles. Analytica
Symbolic Logic (New York 1966; zuerst 1947) 93ff.; M.-D. Posteriora, übers.u. eri. v. W. Detel, I-II (1993) I, 173ff. - 73
Popelard, D. Vernant: Eléments de logique (Paris 1998) 11 f. — Arist. An. post. II, 11,94b 10. - 74ebd. 8,93a 31. - 7 5 e b d . l l , 94a
17 vgl. Arist. An. pr. 1,3,25b 31,41a 5,47a 39. - 1 8 vgl. Kneale [1] 37. - 76Prantl [1] I, 328. - 77 Arist. Metaph. 981a 7; vgl. ders.
183ff.; N. Rescher: Galen and the Syllogism (Pittsburgh 1966). - Arist. Rhet. 13 56b 30; vgl. E. Eggs: Die Rhet. des Aristoteles
19 vgl. J. Lukasiewicz: Aristotle's Syllogistic from the Stand- (1984) 56ff. - 7 8 Prantl [1] 1,321; vgl. A. Trendelenburg: Erläute-
point of Modern Formal Logic (Oxford 21957) 38ff.; Blanché [1] rungen zu den Elementen der aristotelischen L. (31876); Maier
57ff.; G. Patzig: Die aristotelische Syllogistik (31968; >1959) [67] 11,2,183ff. - 79 vgl. Prantl [1] I, 326. - 80 Patzig [19] 89; vgl.
118ff.; T. Ebert: Warum fehlt bei Aristoteles die 4. Figur?, in: ders.: Erkenntnisgründe, Realgründe u. Erklärungen, in:
Menne, Öffenberger [11] 148-166 (zuerst in Arch, der Gesch. Menne, Öffenberger [11] 10-25, bes. 18ff. - 81 Arist. Top. 100a
der Philos. 62 (1980) 13-31). - 20 Arist. An. pr. I, 3, 25 b 31. - 25-27. - 82s. ebd. l i l a 20. - 83vgl. J. Brunschwig: Aristote.
21 ebd. 25b 38. - 22W.D. Ross: Aristotle's Prior and Posterior Topiques, texte établi et traduit (Paris 1967) XLVff.; allg.
Analytics, a revised text with introd. and commentary (Oxford G.E.L. Owens (Hg.): Aristotle on Dialectic. The Topics
1949) 29; Lukasiewicz [19] 8 Anm. 1; J.M. Bocheñski: Ancient (Oxford 1968). - 84 Eggs [77] 305ff. u. 398ff. - 85H.M. Baum-
formal Logic (Amsterdam 1963) 44. - 23Lukasiewicz [19] 7ff. - gartner, P. Kolmer: Art. <Prädikabilien, Prädikabilienlehre>, in:
24 A.N. Prior: Lukasiewicz's symbolic Logic, in: Austral-Asian HWPh 7, Sp. 1178-1186. - 8 6 Arist. Top. 1,103b 20 u. 107a 3; vgl.
Journal of Philos. 30 (1952) 33-46, 39f. - 25 A.N. Prior: Formal Brunschwig [83] XLVff. u. 13, Anm. 2. - 87 Prantl [1] I, 343 f. -
Logic (Oxford 21973) 116; vgl. V. Sainati: Storia dell'Organon 88 vgl. Brunschwig [83] XLVIIff. - 89 Arist. Top. VIII, 5, 159a
Aristotelico I: Dai 'Topici' al 'De Interpretatione' (Florenz 25; vgl. Primavesi [4] 42ff. u. 63ff. - 90vgl. Brunschwig [83]
1968) 16ff; ders.: Aristotele. Dalla topica all'analitica, in: Teoria XXXff. ; Primavesi [4] 99ff. - 91 vgl. dagegen: Y. Pelletier: Pour
13,2 (1993) 1-117. - 26Patzig [19]; vgl. A. Menne, Ν. Öffenber- une définition claire et nette du lieu dialectique, in: Laval théo-
ger (Hg.): Über den Folgerungsbegriff in der aristotelischen L. logique et philosophique 41 (1985) 403-415 u. ders. [1] 251ff.; E.
(1982). - 27 Arist. An. pr. 1,1,24a 22ff. - 2 8 vgl. ebd. 1,15,34b21. Stump: Dialectics and Aristotle's Topics, in dies.: Boethius's De
- 29 Primavesi [4] 75 f. - 30 Arist. An. pr. 1,3,25b 30. - 31 vgl. Pat- topicis differendis, transi., with Notes and Essays (Ithaca 1978)
zig [19] 200ff. u. H. Weidemann: Aristoteles über Schlüsse aus 159-178; G. Buhl: Zur Funktion der Topoi in der aristotelischen
falschen Prämissen, in: Archiv für Gesch. der Philos. 79 (1997) Topik, in: Κ. Lorenz (Hg.): Konstruktionen versus Positionen
202-211. - 32 vgl. Patzig [19] 25 ff. - 33 vgl. Arist. An. pr. 30a 23. - (1979) 169-175; A. Beriger: Die aristotelische Dialektik (1989)
34 vgl. ebd. 28a 19; vgl. Patzig [19] 28. - 3 5 ebd. 26; vgl. ebd. 37 f. - 53ff. - 92 Alexander von Aphrodisias: In Aristotelis Topicorum
36 Arist. An. pr. 1,4,26a 37. - 37 Arist. An. pr. 1,1,24b 23; dazu libros octo commentarla (1891; ND 1960) II, 2,135,2 ff. (ad 109a
Ross [22] 291 ff.; Lukasiewicz [19] 43ff.; Bocheñski [1] 87, Patzig 34). - 9 3 Prantl [1] 1,342 u. 344. - 9 4 d e Pater [1] 140ff. -95W.S.J.
[19] 51-93. - 3 8 vgl. Arist. An. pr. 1,5 u.6. - 39 Bocheñski [1] 87. - Grimaldi: Studies in the Philosophy of Aristotle's Rhet. (1972)
40 Patzig [19] 59 u. 60. - 41T. Ebert: Was ist ein vollkommener 130. - 9 6 Primavesi [4] 104ff. - 9 7 Arist. Rhet. II, 26,1403a 8; vgl.
Syllogismus des Aristoteles?, in: Archiv für Gesch. der Philos. 77 Brunschwig [83] XXXIX. - 98 vgl. Eggs [77] 472ff. - 99 Arist.
(1995) 221-247; hier bes. 234ff. - 42R. Patterson: Aristotle's T o p . I l l a 33. - 100s. ebd. I l l a 21. - lOlebd. I l l a 23. - 102ebd.
Modal Logic (Cambridge 1995) 206ff. bes. zu Arist. An. pr. 24b 11 lb 17; vgl. A. Zadro: Le regole dell'argomentazione dialettica,
24,25b 39 und 26a 13. - 4 3 vgl. Lukasiewicz [19] 51ff.; Bocheñski in: Aristotele: I Topici, trad., introd. e comm. di A. Zadro (Nea-
[1] 84ff.; Patzig [19] 144ff., 153ff„ 166ff.; Patterson [42] 225ff. - pel 1974) 579ff. - 1 0 3 Arist. Top. 114b 25 u. 133b 15; vgl. Prima-
44vgl. Arist. An. pr. 28a 22. -45vgl. ebd. 28a 24. - 46Bocheñski vesi [4] 245ff. u. 220ff. -104vgl. Primavesi [4] 103ff; Brunschwig
[1] 98. - 47 Α. Becker: Die aristotelische Theorie der Möglich- [83] XLff; id. Eggs [77] 407 ff. - 105 ebd. 399. - 106 Arist.
keitsschlüsse (1933); vgl. Patzig [19] 70ff.; W. Wieland: Die ari- Top. 122b 1,122b 37,123a 11,127b 18,123a 30. - 1 0 7 ebd. 124b 4.
stotelische Theorie der Notwendkeitsschlüsse, in: Phronesis 11 -108 vgl. Primavesi [4] 95ff.-109vgl. Arist. Top. l i l a 8,110a 23,
(1966) 35-60; ders.: Die aristotelische Theorie der Möglichkeits- 110b 8, 114a 26. - HOvgl. Primavesi [4] 235ff. - 111 vgl. Arist.
schlüsse, ebd. 17 (1972) 124-152; ders.: Die aristotelische Theo- Cat. 10, llbl5; Arist. Top.II, 109a7; II, 113b 15; IV,123b 1; V,
rie der Syllogismen mit modal gemischten Prämissen, ebd. 20 135 b 7. -112 Arist. Top. V, 135b 7. - 1 1 3 ebd. 114b 39. - 114ebd.
(1975) 77-92; V. Sainati: La sillogistica modale aristotelica: Pro- 115b 3; vgl Primavesi [4] 105. - 115vgl. Arist. Rhet. II, 23
blemi storici et teorici, in: Teoria (1981/2) 25-69; Α. Menne: 1397b 14. - 116 Arist. Top. 119b 26. - 117vgl. E. Eggs: Gram-
Modalitäten als Stufenfunktoren, in: A. Menne, N. Öffenberger: maire du discours argumentatif (Paris 1994) 98ff. - 118vgl. H.G.
Modallogik u. Mehrwertigkeit (1988) 22-32. - 48Bocheñski [1] Coenen: Der aristotelische Topos aus dem Mehr u. Weniger, in:
101. - 49 G. Klaus: Moderne L. (21965) 78. - 50 Arist. Herrn. 23a A. Arens (Hg.): Text-Etymologie, FS H. Lausberg (1987) 73-89,
7. - 51 Kneale [1] 90ff.; Blanché [1] 69ff.; N. Rescher: Aristotle's 88f. u. Primavesi [4] 260f. - 119vgl. Coenen [118] 81f. u. Prima-

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vesi [4] 255ff. - 120Primavesi [4] 33; Beriger [91] 34ff.; P.I. von Ebbesen [166] I, 224ff.; H.G. Gelber: The Fallacy of Accident
Moos: Introduction à une histoire de l'endoxon, in: C. Plantin: and the Dictum de omni·. Late Medieval Controversy over a
Lieux communs, topoi, stéréotypes, clichés (Paris 1993) 3-16; Reciprocal Pair, in: Vivarium 25 (1987) 110-145; A.A. Bueno:
dazu G. Striker: Notwendigkeit mit Lücken. Aristoteles über die Aristotle, the Fallacy of Accident, and the Nature of Predica-
Kontingenz der Naturvorgänge, in: Neue Hefte für Philos. 24/25 tion, in: J. for the History of Philosophy 26 (1988) 5-24. - 1 7 9 vgl.
(1985) 146-164.; M. Mignucci: <Ωςέπίχό πολύ> und <notwendig> Hamblin [158] 84ff. u. J. M: Gambra: Medieval Solutions to the
in der Aristotelischen Konzeption der Wiss., in: Menne, Öffen- Sophism of Accident, in: K. Jacobi: Argumentationstheorie
berger [47] 105-139; M. Winter: Aristotle, hos epi to polu rela- (Leiden 1993) 431-450. - 180 Arist. Soph. el. 179a 32ff. u. 179b
tions, and a demonstrative science of ethics, in: Phronesis 42 38ff. - 1 8 1 ebd. 166b 35; vgl. Eggs [77] 307ff.-182 Arist. Soph. el.
(1997) 163-189. - 1 2 1 Arist. Rhet. 1402b 15. - 1 2 2 Arist. An. pr. 167b 5ff. u. Arist. Rhet. 1401b 23. - 1 8 3 v g l . Solmsen [150] 26ff. u.
11,27, 70a 3; vgl. Eggs [77] 251ff. - 1 2 3 vgl. Primavesi [4] 252ff. - Eggs [77] 311ff. - 184vgl. A. Arnauld, P. Nicole: La logique ou
124vgl. Bocheñski [22] 69; de Pater [1] 202ff.; Eggs [77] 367ff. - l'art de penser (Paris 1970; zuerst 1683) 308ff.; J.S. Mill: A
125Arist. Top. 114b 37 / 115a 15; 137a 8 / 137b 14. - 126ebd. System of Logic (New York 1872) 490 (= V, v, 5); R.C. Pinto:
119bl7; 154a 4. - 1 2 7 e b d . 145b 34; 152b 6. - 128ebd. 127b 26. - Post Hoc Ergo Propter Hoc, in: Hansen, Pinto [173] 302-311. -
129Arist. Rhet. 1397b 37. - 130Perelman 294ff. - 131Arist. 185vgl. Arist. Rhet. 1401b 29. - 186ebd. 1401b 34. - 187ebd.
Rhet. 1397b 28. - 132vgl. Primavesi [4] 264ff. - 133Arist. 1401a 25. - 188ebd. 1402a 17 u. ders. Poetik 1461b 15. - 189vgl.
Top. 136b 33. - 134ebd. 114b 26. - 1 3 5 Arist. Poet. 1457b 16; vgl. P. Aubenque: La prudence chez Aristote (Paris 1963) u. bes. H.-
Eggs [77] 318. - 1 3 6 Arist. Rhet. II, 23,1397a 23 u. 1399a 25; vgl. G. Gadamer: Wahrheit u. Methode ( 3 1972) 295ff. - 190 Arist.
Eggs [77] 392. - 1 3 7 Arist. Rhet. 1354a 1. - 1 3 8 vgl. ebd. 1398b 21, E N 1106b 36; vgl. ebd. 1112a 15; vgl. Eggs [140] 35ff. - 1 9 1 Arist.
1399a 30,1399b 15,1400a 6. - 1 3 9 vgl. Arist. Top. 1,1,100a 25 und E N 1178a 16. - 1 9 2 Arist. Rhet. 1366b 20. - 1 9 3 Arist. Top. 116a
VIII,11,162a 15; Arist. Rhet. 1,2,1357a 8; Arist. An. pr. 1,1,24a з . - 1 9 4 s . ebd. 116a 13,116a 31,116b 24,117b 12.-195Perelman
24; An.post. 1,6,74b 5; vgl. (ohne rhet. Syllogismen) Brunschwig 112ff. - 1 9 6 Arist. EN 1094a 1. - 1 9 7 v g l . Arist. Rhet. 1,5-7; hier
[83] XXXVff., Beriger [91] 24ff. (ohne rhet. Syllogismen). - 1361a 13,1361b 2,1361b 35. - 1 9 8 vgl. ebd. 1399a 14,1400a 6,16
140 vgl. E. Eggs: Ethos aristotélicien, conviction et pragmatique и. 24,1400b 10. - 1 9 9 E g g s [77] 386f. - 200 Arist. Rhet. 1400b 1;
moderne, in: R. Amossy (Hg.): Images de soi dans le discours. vgl. Eggs [77] 274ff. - 201 Arist. Rhet. 1400a 8. - 202ebd. 1398b
La construction de l'ethos (Lausanne 1999) 31-60. - 141 Arist. 21. - 203 vgl. oben Schema <Aspekte des Topos> Alexander von
Rhet. 1357a 30; vgl. ζ. folg. J. Sprute: Die Enthymemtheorie der Aphrodisias [92]; Theophrast: Die logischen Fragmente, hg. u.
aristotelischen Rhet. (1982) 74ff., Eggs [77] 249ff.; ders.: Art. eri. von A. Graeser (1973) 106ff (fr. 39 u. 40); Ebbesen[166] I,
<Argumentation», in: H W R h 1, 916ff. - 142 Arist. Rhet. 1357a 107f. - 2 0 4 vgl. Solmsen [150] 66ff. u. I.M.J. Bocheñski: La Logi-
27ff. - 143ebd. 1357b 26ff. - 144vgl. W. Schmidt: Theorie der que de Théophraste (Fribourg 1947) 122f. - 205 A. Plebe: Reto-
Induktion (1974); J. Hintikka: Aristotelian Induction, in: Revue rica Aristotelica e logica stoica, in: Filosofia 10 (1959) 3 9 1 ^ 2 4 . -
intern, de philosophie 34 (1980) 422^139. - 1 4 5 Arist. An. pr. 69a 206Graeser [203] 85ff.; Bocheñski [204] 67ff.; ders. [1] 116ff.; L.
13; vgl. E. E. Ryan: Aristotle's Theory of Rhetorical Argumenta- Repici: La logica di Teofrasto (Bologna 1977) 68ff. u. 72ff. -
tion (Montréal 1984); Eggs [117] 45ff. - 146 Arist. Rhet. 1357b 207vgl. Bocheñski [204] 79ff.; Repici [206] 117ff. - 208 Bo-
18. - 147ebd. 1355a 14. - 148 Aristoteles, Sophistici elenchi (im cheñski [204] 50ff.; dazu ders. [1] 115f., Kneale [1] 106ff.;
folgend, zitiert als Arist. Soph, el.) 165a 2; vgl. 168a 36. - 149 Blanché [1] 84ff. u. bes. Graeser [203] 69ff.; vgl. Arist. Anal. pr.
Arist. Rhet. 1403a 29. - 1 5 0 F. Solmsen: Die Entwicklung der ari- I, 41, 49b 15 u. Alexander von Aphrodisias [68] 378, 12ff. -
stotelischen L. u. Rhet. (1929) 28ff.; vgl. Grimaldi [95] 103ff; 209Graeser [203] 79ff. - 210vgl. Bocheñski [204] 103ff. u. ders.
Eggs [77] 272ff. - 151 vgl. Arist. Rhet. 1402a 34ff. - 152ebd. [1] 118ff.; Graeser [203] 90ff.; vgl. Repici [206] 139ff. - 211Bo-
1403a 2. - 153ebd. 1402b 34; vgl. 1403a 5. - 154 Arist. Soph. el. cheñski [204] 120. - 212 Alexander von Aphrodisias [68] 326,
164b 20 u. 27. - 155ebd. 165a 25. - 156vgl. ebd. 176b 29ff. - 20ff. - 213Prantl [1] I, 404. - 214ebd. 32 u. 402. - 215vgl. K.
157ebd. 165b 18. - 158vgl. Arist. Rhet. II, 24, 1400b 37ff. und Döring: Die Megariker. Komm. Sammlung der Testimonien
Arist. An. pr. II, 16-21, 64b 28ff.; vgl. C.L. Hamblin: Fallacies (Amsterdam 1972). - 216ebd. 32 u. 45. - 217ebd. 405. -
(London 1970) 66ff. - 1 5 9 vgl. Arist. Soph. el. 4,165b 23ff.; Eggs 218 Kneale [1] 113; vgl. Blanché [1] 91ff. - 219 J. Lukasiewicz:
[77] 289ff. - 1 6 0 vgl. C. Kirwan: Aristotle and the So-Called Fal- Zur Gesch. der Aussagenlogik, in: Erkenntnis 5 (1935) 111-131,
lacy of Equivocation, in: The Philos. Quarterly 29 (1979) 35—46. 121ff.; vgl. M. Barnes: Terms and sentences: Theophrastus on
- 1 6 1 vgl. S. Freud: Der Witz u. seine Beziehung zum Unbewuß- hypothetical syllogisms, in: Proceedings of the British Academy
ten (1970) 49. - 162ebd. 33. - 163Arist. Soph. el. 178a 15. - 69 (1984) 279-326, 281ff. - 220 vgl. Bocheñski [204] 114ff.; Bar-
164ebd. 178b 24; vgl. Eggs [77] 292ff. - 1 6 5 Arist. Soph. el. 182a nes [219] u. ders.: Theophrastus on hypothetical syllogisms, in: J.
34; vgl. 165b 20ff; 173b 17ff. u. 182a 7ff. - 166vgl. R.E. Edlow: Wiesner (Hg.): Aristoteles: Werk u. Wirkung, Bd. I (1985) 557-
Galen on Language and Ambiguity. An Engl. Translat. of 576. - 221 T. Ebert: Dialektiker und frühe Stoiker bei Sextus
Galen's De Captionibus with Introd., Text and Comm. (Leiden Empiricus (1991) 16ff. - 222M. Frede: Die stoische L. (1974)
1977); C. Dalimier, J.-P. Levet, P. Pellegrin: Galien: Traités phi- 20f.; vgl. dazu Rezension von K. v. Fritz, in: ders: Sehr, zur
losophiques et logiques, traductions inédites, introd. P. Pellegrin griech. L. (1978) Bd. 2,203ff. - 223 vgl. Ebert [221] 24ff.; D. Sed-
(Paris 1998) 217-235; vgl. ebd. 59ff.; vgl. S. Ebbesen: Commen- ley: Diodorus Cronus and Hellenistic Philosophy, in: Procee-
tators and Commentaries on Aristotle's' Sophistici Elenchi, 3 dings of the Cambridge Philological Society 203 (1977) 74-120;
Bd. (Leiden 1981) 1,78ff. u. II, 1-26; vgl. L. A. Dorion: Aristote: K. Döring: Gab es eine Dialektische Schule?, in: Phronesis 34
Réfutations sophistiques (Paris 1995) 84ff.; allg. K.L. Flannery: (1989) 293-310; vgl. auch die Rez. zu Ebert [221] von M. Hossen-
Ways into the Logic of A. of Aphrodisias (Leiden 1995). - felder in: Arch, der Gesch. der Philos. 76 (1994) 225-228. -
167 Alexander von Aphrodisias: In Aristotelis Sophisticos Elen- 224 vgl. FDS Frg. 1 u. 33. - 225 vgl. M. Pohlenz: Die Begründung
chos Commentarium (1898) 22,27 (ad Arist. Soph. el. 165b 27); der abendländischen Sprachlehre durch die Stoa (1939); B.
vgl. Hamblin [158] 97ff. - 168vgl. Hamblin [158] 62ff u. 72ff.; Mates: Stoic Logic (Berkeley 2 1961); U. Egli: Zur stoischen Dia-
Eggs [77] 289ff. - 169vgl. Arist. Soph. el. 168a 5ff. - 170ebd. lektik (Basel 1967) u. ders.: Stoic Syntax and Semantics, in: J.
166b 37; vgl. Arist. An. pr. 64b 28 u. Ross [22] 461ff. - 171 vgl. Brunschwig (Hg.): Les Stoïciens et leur logique (Paris 1978) 135-
Arist. Top. VIII, 13,162b 31ff. - 1 7 2 Arist. Soph. el. 167b 21ff. u. 154; Dumitriu [1] I, 223ff.;v. Fritz [222] 75ff., 93ff„ 119ff.; M.
Arist. An. pr. II, 17-65a 38ff.; vgl. J. Tricot: Aristote. Organon I- Frede: The Principles of Stoic Grammar, in: J.M. Rist (Hg.): The
VI, traduction et notes (Paris 1950ff.) Ill, 288-293 (Anm.). - Stoics (Berkeley 1978) 27-76; E. Eggs: Art. <Grammatik>, in:
173 vgl. Hamblin [158] 78ff; dagegen Η. Brands, C. Kann (Hg.), H W R h 3, Sp. 1050ff.; W. Ax: Der Einfluß des Peripatos auf die
in: William of Sherwood: Introductiones in Logicam (Hamburg Sprachtheorie der Stoa: in: K. Döring, T. Ebert (Hg.): Dialekti-
1995) 304, Anm.300; ähnlich H.V. Hansen, R.C. Pinto (Hg.): ker u. Stoiker (1993) 11-32; J. Barnes: Meaning, Saying and
Fallacies. Classical and Contemporary Readings (Pennsylvania Thinking, ebd. 47-61. - 226 vgl. FDS 773-779,887-913. - 227vgl.
1995) 7. - 174Arist. Soph. el. 166b 38. - 175ebd. 180a 23ff. - Diokles nach Diogenes Laertius VII, 68-76.(= FDS 914). -
176 ebd. 167a 11 u. 167a 1. - 177Ebbesen [166] 1,224. - 1 7 8 Arist. 228vgl. Galenus, Institutio logica IV, 1 - 3 (= FDS 951); Kneale
Soph. el. 166b 28ff., 178a 36ff.; vgl. P. Aubenque: Le problème [1] 160ff.; Frede [222] 73ff. - 229vgl. ebd. 73. - 230Blanché [1]
de l'être chez Aristote (Paris 1962) 136ff.; vgl. ζ. Auslegung allg. 106ff.; Mates [225] 54; Kneale [1] 147ff. - 231 vgl. Mates [225]

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42ff. u. Kneale [1] 130ff u. 148ff. - 232Frede [222] 79. - 233 Sex- 180b5. - 295 A. Rüstow: Der Lügner. Theorie, Gesch. und Auf-
tus Empiricus, Adversus Mathematicos VIII, (= FDS Frg. lösung (1910) bes. 39ff. u. 80ff.; vgl. Bocheñski [1] 151ff. u. W.
957); vgl. Ebert [221] 20ff. - 234Sextus [233] VIII115-7 (= FDS Cavini: Chrysippus on Speaking Truly and the Liar, in: Döring,
Frg. 957). - 235 M. Hurst: Implication in the Fourth Century Ebert [225] 85-109. - 296Papyrus Hercul. 307 (= FDS Frg. 698;
BC., in: Mind 44 (1935) 484-495; vgl. C.I. Lewis: Survey of Sym- Col. IX u. X). - 297 Bocheñski [1] 153; etwas vorsichtiger ders.
bolic Logic (Berkeley 1918) 239ff. - 236 Bochenski [1] 135 u. [22] 102. - 298 vgl. Hülser, in: F D S zu Frg. 1210 (S.1707). -
ders. [22] 89ff.; Blanché [1] lOOff. - 237vgl. Priscian, Institutio- 299 Alexander von Aphrodisias, ad Arist. Top. 133a 24ff (= F D S
n s grammaticae 16,1. - 238Kneale [1] 147. - 239Galenus [228] Frg. 1883). - 300B. Russell, A.N. Whitehead: Principia Mathe-
III, 3. - 240 vgl. Frede [222] lOOff. - 241 vgl. FDS Frg. 914,42f. - matica (Cambridge 1925) 1,30ff.; vgl. A. Koyré: Epiménide. Le
242Apollonios Dyskolos, D e coniunctionibus 222/3 (= FDS fr. menteur (Paris 1945) lOff. - 301 vgl. FDS Frg. 1220-1226. -
981); vgl. FDS 980 (= Epimerismi ad Homerum). - 243vgl. FDS 302 Galenus, D e medicinali experientia XVII, 1 - 3 (= F D S Frg.
Frg. 914. - 244Sextus Empiricus [233] VIII, 112 (= FDS Frg. 1237). - 303 vgl. FDS Frg. 1236-1243. - 304 vgl. Sextus Empiricus
957); vgl. Anm. v. Hülser zu FDS 962. - 245Galenus [228] III, 4 [248] II, 229-235 (= FDS Frg. 1200); vgl. Ebert [221] 183ff. u. C.
(= FDS 950). - 246vgl. E. Eggs: Die Bedeutung der Topik für Atherton: The Stoics on Ambiguity (Cambridge 1993) 438ff. -
eine linguistische Argumentationstheorie, in: G. Ueding (Hg.): 305 vgl. Ebert [221] 187 u. 189ff.; Sextus Empiricus [248] 233. -
Rhet. und Topik (2000) 587-608; vgl. J. Barnes: Logic and the 306ebd. 234. - 307ebd. 231. - 308s. oben zum Solözismus. -
Imperial Stoa (Leiden 1997) 85ff. - 247Galenus [228] V, 2 (= 309Ebert [221] 191. - 3 1 0 Q u i n t . 1,10,5. - 3 1 1 Bocheñski [1] 154;
FDS 977). - 248Sextus Empiricus, Pyrrhonei Hypotyposeis II, zum Einfluß der Stoa M.L. Colish: The Stoic Tradition from
135 (= FDS Frg. 1038). - 249vgl. Diogenes Laertius VII, 76 u. Antiquity to the Early Middle Ages, 2 Vol. (Leiden 1985). -
Alexander von Aphrodisias [92] 574 (= FDS Frg. 1036 u. 1055, 312 vgl. Galen: Einf. in die L., krit. exeget. Komm. m. dt. Übers,
vgl. fr. 1037ff.) - 250 Sextus Empiricus [233]VIII, 303 (= FDS v. J. Mau (1960) u. Dalimier, Levet, Pellegrin [166] 237-286. -
1059; vgl. Frg. 1064). - 251 ders. [248] II, 138-143 (= FDS Frg. 313vgl. Mau [312] 31ff. (zu XI, 5/7 u. XII, 1). - 314vgl. Barnes
1064), Ubers. Verf.; vgl. Bocheñski [1] 141 ff; Ebert [221] 245ff. [219] 284. - 3 1 5 Galenus [228] XVI, 12. - 3 1 6 vgl. Mau [312] 60f. -
u. 325ff. - 2 5 2 d e r s . [233] VIII, 411-423 (= FDS 1060,1065,1962); 317 vgl. Platon, D e re publica II, 368e ff. - 318 vgl. P. Hadot:
dazu Ebert [221] 280ff. - 253 Sextus Empiricus [233] VIII, 301- Porphyre et Victorinus, 2 Bde. (Paris 1968); E. Stump: The Dif-
314 (= FDS 1039, 1059, 1066); dazu: J. Brunschwig: Proof defi- ferentia and the Porphyrien Tree, in: Boethius's De topicis diffe-
ned, in: M. Schofield et al. (Hg.): Doubt and Dogmatism: Studies rentiis, transi., notes and essays by E. Stump (Ithaca/London
in Hellenistic Epistemology (Oxford 1980) 125-160 u. Ebert 1978) 237-261. - 319dazu Bocheñski [1] 155ff. - 320 Apuleius:
[221] 232ff. - 254 Sextus Empiricus [248] II, 146-150 (= FDS Opera omnia, hg. v. G.F. Hildebrand (1842) II, 265ff.; vgl.
1111); vgl. Ebert [221] 146ff. - 2 5 5 vgl. ders. [233] VIII, 429-435 Bocheñski [1] 162f. - 321Boethius, D e syllogismo hypothetico,
(= FDS 1110). - 256K. Hülser: Zur dialektischen u. stoischen in: M L 64,832 A. - 322ebd. 832-876,845 u. 849. - 323 ebd. 845 Β,
Einteilung der Fehlschlüsse, in: Döring, Ebert [225] 167-185, 846 D u. 874 D. - 3 2 4 e b d . 856 Β u. 861 B; vgl. Bocheñski [1] 160f.
181 f. - 257vgl. Diocles, ap. Diog. Laertium VII, 76-81 (= FDS - 325vgl. Blanché [1] 126ff. - 326Boethius [321] 835 B-D; vgl.
1036) u. Sextus Empiricus [248] II, 157-9 (= FDS 1128); vgl. Bocheñski [1] 158ff. u. Blanché [1] 127ff. - 3 2 7 v g l . Lukasiewicz:
Mates [225] 58ff., Kneale [1] 162ff. u. Frede [222] 136ff. - 2 5 8 vgl. Philos. Bemerkungen zu mehrwertigen Systemen des Aussagen-
Galenus, Hist, philos. 15 (= FDS 1129); vgl. Kneale [1] 162ff. u. kalküls, in: S. McCall (Hg.): Polish Logic 1920-1939 (Oxford
Frede [222] 146.-259 vgl. Lukasiewicz [19] 59 Anm. 1 u. Blanché 1967) 63—4; vgl. R. Sorabji (Hg.): Ammonius: O n Aristotle's On
[1] 118ff.; allg. Frede [222] 172ff. u. M. Mignucci: The Stoic The- Interpretation 9 (transi, by D. Blank) with Boethius: On Ari-
mata, in: Döring, Ebert [225] 217-238. - 260Cic. Top. 53-57; vgl. stotle's On Interpretation 9 (transi, and comm. by. N. Kretz-
Frede [222] 159ff., insb. Überblick 68. - 261 vgl. Mates [225] 72, mann) (Ithaca 1998); darin M. Mignucci: Ammonius's sea battle
Anm. 55; Kneale [1 ] 181 f.; K. Ierodiakonou: The Stoic Indemon- 53-86. - 328 Arist. Herrn. 19a 28. - 329 vgl. Boethii Comm. in
strables in the Later Tradition, in: Döring, Ebert [225] 187-200. Librum Aristotelis Peri Hermeneias (1877-89) 212f. (= Sorabji
- 262 Mart.Cap. IV, 419; Cassiod. Inst. 119, Isid. Etym. II, 28. - [327] 162f.); J. Kretzmann: Boethius and the truth about tomor-
263 vgl. Frede [222] 164ff. - 264J. Brunschwig: Le modèle con- row's sea battle, in: Sorabji [327] 24-53, 40ff. - 330Prantl [1] I,
jonctif, in: ders. [225] 59-86, 62. - 265 Sextus Empiricus [233] 505-527, 505. - 331 Cie. Inv. I, 67; vgl. M. Kienpointner: Art.
VIII, 125-129. - 266Seneca, D e ira I, 8; vgl. Brunschwig [264] <Argument> und E. Eggs: Art. < A r g u m e n t a t i o n , in: H W R h Bd.
72f. - 267Brunschwig [264] 79. - 268nach Gellius, Noctes Atti-
cae VII, 2,1-11 (= FDS Frg. 998). - 2 6 9 v g l . FDS Frg. 1006-1014. I, Sp.891ff. u. Sp.934f. - 332Cic. Inv. I, 49. - 333Lausberg Hb.
- 2 7 0 Cicero, D e fato, bes. 6,12ff. u. 9 , 1 7 f f . - 2 7 1 e b d . 7,13; Alex- §373. - 334vgl. Quint. V, 20ff.; dazu Lausberg Hb. §376. -
ander von Aphrodisias, In Arist. Anal. pr. 183ff. (= FDS 992); 335 Cie. Top. 24 u. 72-78. - 336 vgl. ebd. 8; vgl. Ebbesen [166] I,
Boethius, In Arist. D e interpr. II, 9,234ff. (= FDS fr. 988); dazu: 108ff. - 337vgl. Cie. Top.53-57. - 338ebd. 58-67. - 339ebd.
Bocheñski [22] 86ff; Blanché [1] 102ff.; S. Bobzien: Chrysippus' 68-70 u. 71. - 340 ebd. 23. - 341 ebd. 6. - 342 Alexander von
Modal Logic and Its Relation to Philo and Diodorus, in: Döring, Aphrodisias [92] II, 2, 135, 6-9. - 343ebd. 18ff. - 344Boethius,
Ebert [225] 63-84; H. Weidemann: Zeit u. Wahrheit bei Diodor, D e differentiis topicis, in: ML Bd. 64 1176 C-D; vgl. Stump [91]
ebd. 319-329. - 272 Epiktetos, Dissertationes II, 19,1-10 (= FDS 27-155. - 345 ebd. 1188 B-C; vgl. Stump: Dialectic and Boe-
Frg. 993). - 273 Alexander von Aphrodisias [68] 183 (= FDS Frg. thius's De topicis differentiis, in: dies. [91] 179-204; vgl. Ebbesen
992), Übers. Verf. - 274 Hieronymus, Dialogus adversus Pela- [166] 1,106ff.; E. Eggs: L'actualité du débat sur les topoi dans la
gianos I, 9 (= FDS 991); vgl. Cicero [270] 7, 13 (= FDS 989). - rhétorique et la dialectique traditionnelles, in: C. Plantin (hg.):
275Boethius [272] III, 9, 234ff. (= FDS Frg. 988). - 276ebd. - Lieux communs (Paris 1993) 393-409. - 346 Boethius, In Cicero-
277 Alexander von Aphrodisias [271] ebd. - 278 Hülser, ad FDS nis Topica Commentarla, in: M L Bd. 64 1051 A; vgl. Arist.
Frg. 992, S. 1262. - 279 Diogenes Laertius VII, 75 (= FDS Frg. An.post. 90a 35; vgl. Boethius [344] 1183 Aff. - 3 4 7 e b d . 1190 Β -
914), Übers. Verf. - 280vgl. Frede [222] 108f. - 281 vgl. etwa 1192 Β. - 348ebd. 1189 C-D; vgl. Stump [345] 196ff. - 349Boet-
FDS Frg. 989 (Cicero) und FDS 991 (Hieronymus). - 282 Cicero hius [344] 1193 A . - 3 5 0 ebd. 1191 A . - 3 5 1 ebd. 1191 Α-B u. 1206
[270] 7,13 (= FDS 989). - 283 Diogenes Laertius VII, 75 (= FDS A-B. - 352 ebd. 1204 A. - 353 Boethius [346] 1124 Aff. - 354ebd.
Frg. 914). - 284Iohannes Philoponus, In Arist. An. pr. 165ff. (= 1212 B-D.; vgl. Cie. Inv. II, 34. - 355 Boethius [344] 1212 C - 1 2 1 5
FDS 995). - 285 Alexander von Aphrodisias [68] 404 (= FDS A; vgl. Cie. Inv. II, 34-43; vgl. dagegen Stump [91] 155ff. -
Frg. 921). - 2 8 6 S e x t u s Empiricus, Adversus Grammaticos 212- 356 Cie. Inv. 38. - 357 vgl. bes. Boethius [344] 1215 A-1115 C. -
213; Apollonios Dyskolos, De constructione III, 9 (zit. n. der 358 ebd. 1214 C. - 3 5 9 ebd. 1216 D.
Edit. v. J. Lallot, Paris 1997, Bd. I); vgl. Eggs [225] Sp. 1036ff. -
287vgl. G. Kleiber: Nominales. Essais de sémantique référen-
tielle (Paris 1994) 92ff. - 288 vgl. Alexander von Aphrodisias II. Mittelalter. Nach einer Übergangsphase (600-um
[68] 402. - 289ebd. 404. - 290Diogenes Laertius II, 108.; vgl. 1100), in der durch C A S S I O D O R , ISIDOR und M A R T I A N U S
Kneale [1] 114ff. - 2 9 1 vgl. FDS Frg. 1207 u. 1227-9. - 2 9 2 D i o g e - C A P E L L A das Wissen der Spätantike enzyklopädisch
nes Laertius VII, 82 ( = F D S Frg. 1207); vgl. FDS Frg. 1247 u. zusammengefaßt wird, beschäftigen sich im 10. und 11.
1248. - 293vgl. FDS Frg. 222,1209 u. 1246. - 294 Arist. Soph. el. Jh. Autoren wie A B B O VON F L E U R Y , G A R L A N D U S C O M P O -
TISTA oder A N S E L M VON C A N T E R B U R Y intensiv mit der

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Logica vetus, wie sie über BOETHIUS tradiert wurde (als <Topik>, die <Sophistischen Widerlegungen», wird zum
Indiz für diese intensive Aufarbeitung sei hier die Über- vieldiskutierten und -kommentierten 'Modetext' ( E B B E -
setzung ins Deutsche (genauer: Hochalemannische) des SEN zählt für die Zeit von 1125-1300 - d.h. ab dem direk-
Boethius-Kommentars zu den <Kategorien> von NOTKER ten Zugang zur Logica nova - allein für die «Sophisti-
DEM DEUTSCHEN um 1 0 0 0 genannt [ 1 ] ) . Diese Beschäfti- schen Widerlegungen» 84 Kommentare [7]); während
gung wird mit der Scholastik - mitbedingt durch die Ent- diese jedoch nach 1300 ein fester Bestandteil der L. blei-
wicklung der Städte, Schulen und Universitäten - im 12. ben und sogar durch Traktate zu den Sophismen und
Jh. in Tiefe und Breite in einer Art Renaissance intensi- Insolubilia (Paradoxien) vertieft und ergänzt werden,
viert (so zählt Marenbon bis 1150 28 Kommentare zu verliert die <Topik> immer mehr ihren im 13. Jh. noch
Porphyrios' «Isagoge», 24 zu den <Kategorien> und 23 zur unumstrittenen Platz in der L. [8]
<Hermeneia> [2]); innovativ wirken dann die direkten 1. Die Zeit bis 1300. Deshalb überrascht es nicht, daß
Übersetzungen der sog. Logica nova aus dem Griechi- Petrus Hispanus in seinem großen logischen <Tractatus>,
schen oder aus dem Arabischen [3], d.h. der Analyti- später als <Summulae logicales» [9] bezeichnet (BOEHNER
kern, der <Topik> und der <Sophistischen Widerlegun- zählt bis zum 17. Jh. 176 Editionen [10]), mehrfach auf die
gen», wobei die in dieser Zeit entstehenden Kommentare Grammatiken von D O N A T (< Ars grammatica») und beson-
eine wesentliche Rolle spielen; die herausragende Per- ders von PRISCIAN (<Institutiones grammaticae») verweist.
sönlichkeit und wichtigster Vermittler des Neuen im Schon ein Blick auf die Gliederung dieser L. zeigt den
Alten dieses Jh. ist PETRUS ABAELARDUS ( 1 0 7 9 - 1 1 4 2 ) ; bis Einfluß von Sprachphilosophie und Grammatik:
Ende des 13. Jh. entstehen dann die großen logischen 1. Bestimmung der Grundkategorien (Nomen, Verb,
Abhandlungen von W I L H E L M VON SHERWOOD (bis ca. Rede vs. Satz (propositio), aristotelische Quantifizierun-
1 2 7 2 ) , PETRUS H I S P A N U S ( b i s 1 2 7 7 ) , LAMBERT VON gen (universell/partikulär) mit logischem Quadrat, Kon-
AUXERRE oder ROBERT KILWARDBY (bis 1 2 7 9 ) , die einer- versionen von Aussagen - hypothetische Aussagen
seits das ganze aristotelische <Organon> (vor allem die (Implikation, Konjunktion, (inklusive) Disjunktion) mit
<Topik> und die <Sophistischen Widerlegungen», also Wahrheitswerten; modale Aussagen mit Äquipollenzen
nicht nur die «Analytiken») und recht kurz die stoischen wie in der <Hermeneia> mit modallogischem Qua-
Aussageverbindungen behandeln, andererseits aber drat. [11] [-» Peri hermeneias]
auch neue Überlegungen zur Bedeutung und Denotation 2. Prädikabilien: Gattung, Art, Differenz, Proprium,
der Terme (<terministische L.» bzw. <Suppositionslehre>) Akzidens. [—> Topik; Isagoge von Porphyrios]
enthalten. Diese Logica moderna der Termini bleibt 3. Kategorien (predicamento) und Relationen: entge-
wesentlicher Bestandteil der spätscholastischen Logiken gengesetzt (korrelativ, privativ, konträr, kontradikto-
d e s 1 4 . - 1 5 . J h . v o n W I L H E L M VON OCKHAM ( b i s 1 3 5 0 ) , risch), temporale (früher, gleichzeitig), Wechsel,
JOHANNES BURIDANUS (bis 1 3 6 0 ) oder A L B E R T VON SACH- Haben). [—» Kategorien]
SEN (bis 1 3 9 0 ) , wobei die Topik immer mehr in den Hin- 4. Syllogismen (3 Figuren mit den jeweiligen Modi und
tergrund rückt, um der zum Teil auf die stoische L. Beweisverfahren (Konversion, reductio per impossibile)
zurückgehenden <Konsequenzenlehre> Platz zu machen. ohne Modalsyllogismen. [-> 1. Analytiken]
Abgeschlossen wird die Epoche durch das monumentale 5. Topoi mit Unterscheidung in Syllogismus/Induktion
Werk von PAULUS VENETUS (bis 1 4 2 9 ) . [4] Betrachtet vs. Enthymem/Beispiel; Maximen und Differenztopoi
man die Rolle der Grammatik und Topik im Mittelalter, (doppelte Länge der Schlußlehre). [—> Topik; in der
lassen sich zwei große Entwicklungstendenzen feststel- Bearbeitung von Boethius]
len: 6. Suppositionen (Denotation der Terme).
(i) Die neue und intensive Beschäftigung mit den 7. Trugschlüsse; Einteilung der Disputation in 4 For-
«Alten» umfaßt auch Rhetorik, Poetik und innerhalb men (didaktisch, dialektisch, peirastisch, sophistisch);
der L. besonders die Grammatik; dies führt zu einer auf Sprache vs. außerhalb der Sprache beruhende Trug-
wechselseitigen Befruchtung von Grammatik und L. schlüsse (fast die Hälfte des ganzen Traktats). [-» Sophi-
Pinborg spricht sogar von einer <Verschmelzung> bei- stische Widerlegungen]
der, «die für das 12. Jh. typisch ist». [5] Langfristig gese- 8. Linguistische «Relativa»: Relativpronomen, Refle-
hen ist freilich der Einfluß der L. auf die Grammatik xivpronomen, Anapher u.a.
bedeutend größer, führt er doch um 1279-1310 zur Her- 9.-12. Linguistisch-logische Ergänzungen zu Supposi-
ausbildung der logisch-spekulativen Grammatik der tionen (6.): Erweiterung (ampliatio), Appellation,
Modisten (BOETIUS VON D A C I E N , R A D U L P H U S BRITO, Restriktion, Distribution.
THOMAS VON ERFURT), deren Untersuchung der modi Die Abschnitte (Traktate) 1 bis 5 und 7 entsprechen
significandi (Arten des Bedeutens von Wortarten und offenbar dem aristotelischen Organon, wobei in 2 und 5
deren Relationen im Satz) über die <Logik> von PORT- die Bearbeitungen von Porphyrios bzw. Boethius
ROYAL die allgemeinen philosophischen Grammatiken zugrunde liegen; in 6 und 8-12 werden hingegen refe-
bis ins 19. Jh. beeinflussen sollte. [6] Umgekehrt führt renzsemantische und grammatische Aspekte von Ter-
der Einfluß der Grammatik auf die L. nicht zu einer mini, also Fragen der Logica nova, behandelt. Dies
grammatischen L., sondern zu einer präziseren und erklärt, daß diese Abschnitte in späteren Editionen zu
reflektierteren Behandlung sprachlicher Formen und einem Traktat zusammengefaßt wurden. [12] Auffallend
deren Bedeutung bzw. logischen Funktionen innerhalb ist, daß Aufbau, Thematik und Terminologie weitge-
der überlieferten L. hend mit den kurz vorher geschriebenen <Introductiones
(ii) Die Topik in der Ausprägung durch Boethius' <De in Logicam» von Wilhelm von Sherwood [13] überein-
differentiis topicis> wird nach EBBESEN bis etwa 1 3 0 0 stimmen; daraus haben PRANTL, GRABMANN und K R E T Z -
intensiv untersucht und diskutiert. Die wichtigsten in der MANN auf eine direkte Abhängigkeit gefolgert, D E R I J K
Tradition der <Topik> stehenden Abhandlungen sind die hat hingegen geltend gemacht, daß solche Übereinstim-
<Dialectica> von GARLANDUS COMPOTISTA (um 1 0 4 0 ) und mungen eher auf eine gemeinsame Schulphilosophie
die ein Jahrhundert später geschriebenen <Dialectica> verweisen, die durch einen Fundus von überlieferten
von Abälard; auch das letzte Buch der aristotelischen Problem- und Fragestellungen gekennzeichnet ist. Des-

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Logik Logik

halb kann man auch bei der dritten großen L. des 13. Jh., Teile des Syllogismus und, wie betont, die Vokale Α, Ε, I,
der <Logica> des Lambert von Auxerre[14], nicht von O resp. alle, keine, einige, einige nicht; in der ersten Reihe
einer Abhängigkeit von Wilhelm von Sherwood spre- beginnen die Bezeichnungen mit B, C, D und F, womit die
chen. [15] Dieser gemeinsame Fundus ermöglicht es ersten vier vollkommenen Modi der 1. Figur gekennzeich-
jedoch, das Schulgebäude der mittelalterlichen L. Mitte net werden (die restlichen Modi der 1. Figur sind indirekt);
des 13. Jh. am Beispiel der Logikabhandlungen von alle unvollkommenen Modi müssen je nach Anfangskon-
Petrus Hispanus und Wilhelm von Sherwood exempla- sonanten auf einen der ersten vier vollkommenen Modi
risch zu verdeutlichen. Dem Aufbau dieser beiden Logi- zurückgeführt werden (also etwa /B/ocardo aui/B/arbara
ken folgend wird die Erörterung in drei Problemberei- oder /D/isamis aui/D/arii)·, innerhalb der Bezeichnungen
che gegliedert: a) Grundbegriffe, Aussage, Syllogismus; bedeutet S, daß die unmittelbar vorangehende Prämisse
b) Topik und Trugschlüsse; c) terministische L. und Sup- einfach, Ρ hingegen, daß sie akzidentell konvertiert wer-
positionslehre. den muß; M zeigt an, daß man die 1. und 2. Prämisse
a. Grundbegriffe, Aussage, Syllogismen. Im Abschnitt 1 umstellen (transpositio) muß; und C meint schließlich,
der <Summulae>, der thematisch Aristoteles' <Herme- daß dieser Modus durch eine reductio ad impossibile
neia> entspricht, werden neben den seit Boethius (vor bewiesen wird. [19] Die Bezeichnung Camestres (Jedes A
allem in <De syllogismo categorico> gängigen Bestim- ist M; kein C ist M; also: kein C ist A) indiziert somit mit M,
mungen der Aussage zusätzlich die stoischen hypotheti- daß man die Prämissen umstellen muß, und mit S, daß
schen Aussageverbindungen Implikation, Konjugation man die so erhaltene Unterprämisse und die Konklusion
(copulativa) und Disjunktion berücksichtigt (diese von einfach konvertieren muß; Ergebnis ist Celarent (Kein M
der Spätantike übernommene Verwendung von <hypo- ist A; jedes Cist M; also: kein Aist C). Dieselbe konfigura-
thetisch> erklärt Petrus etymologisch als «eine These tionale Darstellung der Syllogismen und die Merkverse
(Aussage) steht unter der anderen» [16]); alle drei Ver- zur Zurückführung der Modi finden sich auch in der
bindungen werden auch bei Wilhelm von Sherwood Abhandlung von Wilhelm von Sherwood, nach de Rijk
wahrheitsfunktional bestimmt. Die Modalaussagen wer- einer der frühesten Nachweise für diese epochemachen-
den nur kurz behandelt - im Gegensatz zur ausführlichen den Bezeichnungen der aristotelischen Schlußmodi. [20]
Diskussion bei Wilhelm. [17] Bei den Konversionen b. Topik und Trugschlüsse. Bei der Behandlung der
unterscheidet Petrus neben der einfachen (Kein Mensch Topoi im 5. Abschnitt bezieht sich Petrus - wie auch Wil-
ist ein Esel Kein Esel ist ein Mensch) und der akziden- helm von Sherwood und Lambert [21] - direkt auf Boe-
tellen Konversion (Jeder Mensch ist ein Lebewesen —> thius' <De differentiis topicis* [22]: Die Örter werden wie
Irgendein Mensch ist ein Lebewesen) noch explizit wie von Boethius in Maximen und Differenztopoi unter-
Boethius [18] die Kontraposition (Jeder Mensch ist ein schieden und in die drei Gruppen intrinsisch, extrinsisch,
Lebewesen <-> Jedes Nicht-Lebewesen ist ein Nicht- intermediär eingeteilt. Die intrinsischen gruppiert Petrus
Mensch). Der 2. Abschnitt zu den Prädikabilien basiert in die beiden Unterarten < Aus der Substanz* (mit Defini-
auf Porphyrios' <Isagoge>; die Differenz markiert ein tion, Deskription und Interpretation eines Nomens) und
distinktives Merkmal, das eine Gattung in Untergattun- <Aus dem eine Substanz Begleitenden*. Sieht man von
gen zerlegt (so zerlegt etwa das Merkmal rational die einigen weiteren nebensächlichen Änderungen ab
Gattung Lebewesen in vernünftige vs. unvernünftige (Petrus unterscheidet etwa vier Formen des Topos aus
Lebewesen*); Proprium bedeutet wie bei Aristoteles ein der Definition [23] und faßt die vier causa-Topoi unter
Merkmal, das mit dem Subjekt koextensiv ist (wie etwa einem Topos [24] zusammen), so entsprechen auch die in
fähig-zum-Lachen für Mensch). Das Gewicht der den einzelnen Gruppen unterschiedenen Topoi denen
<Topik> und der <Sophistischen Widerlegungen* zeigt bei Boethius. Freilich wird aus seinen Definitionen des
sich rein äußerlich schon darin, daß die Behandlung der Topos aus dem Mehr oder Weniger nicht klar, daß es um
Topoi in 5. doppelt so lang ist wie die der Syllogistik in 4., relative Wahrscheinlichkeiten geht. Hinzu kommt ein
und vor allem, daß die Trugschlüsse fast die Hälfte des interessantes Detail: Petrus versteht den extrinsischen
ganzen Traktats einnehmen. Topos a transumptione nicht nur im Sinne von Verwen-
dung des geläufigeren Wortes*, sondern auch als meta-
Im Abschnitt 4 zur Syllogistik besteht der wesentliche phorische Übertragung (so wird nach Petrus in <Die
Unterschied zu Aristoteles darin, daß Petrus die gültigen Wiese lacht* der Term lachen auf Blumen übertragen).
Schlüsse nicht mehr mit Hilfe von Schlußgaranten, son- Petrus vermerkt jedoch, daß «diese Art der Übertragung
dern konfigurational als Schlußfiguren mit zwei Prämis- zur Sophistik und nicht zur Dialektik gehört». [25] Die
sen und Konklusion formuliert. Daß sich Petrus auf eine Darstellung von Wilhelm von Sherwood stimmt in Glie-
lange Kommentar- und Auslegungstradition stützen derung, Einteilung und Beispielen mit der von Petrus
kann, zeigt sich darin, daß er nicht nur universelle Regeln überein, wobei Wilhelm (schon nach dem Urteil seiner
(wie: <Aus bloß Partikulärem, Unbestimmtem oder Sin- Zeitgenossen der bessere Logiker) [26] die zugrundelie-
gulärem läßt sich kein Syllogismus bilden* oder: <Eine genden Schlußregeln - nicht die Beispiele - logisch präzi-
Prämisse muß affirmativ sein>) formuliert, sondern auch ser formuliert: so etwa den Topos aus dem Weniger (a
Merkverse für gültige Schlußmodi verwendet; vgl. Abb. 1. minore) - den die Übersetzer mißverständlich mit «Ort
In diesem Klassifikationssystem bezeichnen die Silben

1. Figur BARBARA CELARENT DAR II FERIO - BARALIPTON


CELANTES DABITIS FAPESMO FRISESOMORUM
2./3. Figur CESARE CAMESTRES FESTINO BAROCHO // DARAPTI
3. Figur FELAPTO DISAMIS DATISI BOCARDO FERISON //

(DARAPTI ist der 1. Modus der 3. Figur)


(Abb. 1)

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aus dem Kleineren» [27] wiedergeben: ( M l ) «<Ein Soldat auf einen Syllogismus ist bis heute umstritten. So vertritt
kann eine Festung erobern; also kann auch ein König etwa E. STUMP mit N. K R E T Z M A N N zwar einerseits die
usw.> Maxime: <Was dem zukommt, dem es weniger These, daß jede Maxime ein Schlußgarant (inference war-
zuzukommen scheint, kommt dem zu, dem es mehr zuzu- rant) ist, führt aber andererseits den Topos aus der Defini-
kommen scheint>». Das Beispiel kann zugleich einen tion (der hier das Argument <Ein vernünftiges sterbliches
wesentlichen Unterschied zu Boethius verdeutlichen: Lebewesen läuft; also läuft ein Mensch> abstützt) auf fol-
Wilhelm und Petrus formulieren ihre Beispiele durch- genden «syllogistischen Modus» zurück [35]:
gängig in Form von Argumenten mit einer Prämisse. So (1) Was immer von der Definition ausgesagt wird, wird
gibt etwa Petrus für den Topos aus dem (integrierten) vom definitum ausgesagt.
Ganzen folgendes Argument ( G l ) «Dort ist ein Haus; (2) Vernünftiges sterbliches Lebewesen ist die Defini-
also ist dort auch eine Mauer» [28] und formuliert wie tion des definitum Mensch.
Wilhelm daran anschließend die zugrundeliegende (3) Läuft wird von einem vernünftigen sterblichen
Maxime. Daß der Terminus <Argument> freilich nicht Lebewesen ausgesagt.
einheitlich verwendet wurde, zeigt sich darin, daß Petrus (4) Also wird läuft auch von Mensch ausgesagt.
Argument und Argumentation als Oberbegriff für Syllo- Nach Stump bilden (l)-(4) einen Syllogismus mit der
gismus und Induktion sowie für das rhetorische Beispiel Maxime (1) als «erster Prämisse» [sie!]. Ebenso interpre-
und Enthymem verwendet, während Wilhelm das (dia- tiert etwa Ebbesen die Maxime als universelle Oberprä-
lektische) Argument gegen den Syllogismus abgrenzt misse in einem Syllogismus. [36] Dagegen wendet H.
[29]; in der Detailanalyse der Topoi sprechen jedoch B R A N D S zu Recht ein, daß bei dieser Erklärung die
beide durchgängig von argumentum bzw. - vor allem Garantiefunktion der Maxime nicht klar wird, da sie für
Wilhelm - von argumentare. Deshalb dürfen die bei den Syllogismus (2)-(4) «keine Rolle spielt» [37] und daß
Petrus gegebenen Beispiele nicht als <Enthymeme> zudem durch die Art der Formulierung der Maxime «das
bezeichnet werden. [30] Wenn Wilhelm nur den bloß gesamte Argument metasprachlich formuliert ist». [38]
wahrscheinlichen Charakter der Prämissen bei topischen Brands (der sich auch gegen die Analyse der Maximen
Argumenten hervorhebt, betont Petrus, daß Enthy- als Schlußgaranten wendet) versucht dagegen zu zeigen,
meme verkürzte Syllogismen sind; deshalb kann jedes daß die Funktion des Topos bei der Zurückführung auf
Enthymem auf einen Syllogismus zurückgeführt werden. einen Syllogismus darin besteht, die fehlende «univer-
[31] Damit wird offenbar die schon von Boethius ins selle» Prämisse zu finden. Veranschaulicht [39]:
Auge gefaßte Möglichkeit der Zurückführung eines topi-
schen Arguments auf einen Syllogismus wieder aufge-
griffen. Im Unterschied zu Petrus, der diese Zurückfüh- reductio
rung auf einen Syllogismus nur einleitend erwähnt, führt Argument Syllogismus
Wilhelm fast alle Argument-Beispiele auf einen
bestimmten syllogistischen Schlußmodus zurück; dazu
ein Beispiel für den Topos aus der Art [32] in Abb. 2.
Welchen logischen Status hat die Maxime bei Petrus
und Wilhelm? Und welchen die Zurückführung von Topos
Argumenten auf Syllogismen? Petrus bleibt recht vage:
«Eine Maxime ist eine Aussage, im Vergleich zu der keine
andere früher, d.h. bekannter ist; z. B. <jedes Ganze ist grö- Daß die Maxime beim Finden einer passenden Prämisse,
ßer als seine Teile>»; etwas konkreter ist seine Analogie, die das topische Argument zu einem Syllogismus macht,
die sich auf die wörtliche Bedeutung von locus stützt: «Ort nach Wilhelm hilfreich ist, kann nicht bestritten werden.
(locus) ist hier analog (proportionaliter) zu einem natürli- Ein prinzipielles Problem der Interpretation von Brands
chen Ort zu verstehen, gilt doch: so wie ein natürlicher Ort ergibt sich jedoch zunächst daraus, daß er - wie die aktu-
den Dingen der Natur einen festen Halt (firmitudo) gibt elle Forschung fast durchgängig - einem frühen Vor-
und sie in ihrem Sein bewahrt, so sichert auch hier ein Ort schlag O. B I R D S folgend - die Maxime bzw. den gemein-
gleichermaßen einen Schluß ab (similiter hic locus confir- samen Topos als aussagenlogische Implikation ohne
mât argumentum)». [33] Das gleiche sagt Wilhelm präzi- Konjunktion im Antezedens formuliert, also etwa für
ser in einem Satz: Die Maxime «ist eine bekannte und den Topos aus der Definition:
gemeinsame/allgemeine (communis) Aussage, die viele
Β = def. A -> (D) (A c D Β c D)
Schlüsse (argumenta) enthält und absichert (confir-
mare)». [34] Damit ist eindeutig die zentrale These Ari- (Wenn Β Definition von A ist, dann kommen alle Prädi-
stoteles' explizit formuliert, daß die Funktion eines Topos kate D, sofern sie A zukommen, auch Β zu) und nicht als
eben darin besteht, ein konkretes Argument abzusichern Schlußregel (Wenn A Definition von Β ist, und D dem A
oder abzustützen, kurz: auch für die scholastische L. ist zukommt, dann kann man schließen, daß D auch Β
der (gemeinsame) Topos ein Schlußgarant. Die Frage der zukommt) oder zumindest als Implikation mit der
logischen Form dieses Schlußgaranten und seiner Funk- genannten Konjunktion im Antezedens. [40] Diese For-
tion für die Zurückführung eines topischen Arguments mulierung ist wohl dadurch zu erklären, daß Wilhelm wie

Argument (i) Differenztopos Maxime Syllogismus (ii)


(Schlußregel) Modus: Disamis
Ein Mensch läuft; Locus a specie »Wovon auch immer eine Art Ein Mensch läuft
also läuft ein Lebewesen (Topos aus der Art) ausgesagt wird, davon wird Jeder Mensch ist ein Lebewesen
auch die Gattung ausgesagt« Also läuft ein Lebewesen
(Abb. 2)

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Petrus, Lambert u. a., dem Beispiel Boethius' folgend, die in die bei Aristoteles entwickelte kanonische Form
Maximen meist zweigliedrig formulieren (Was der Defi- bringt.
nition zukommt, das kommt auch dem Definierten zu).
Unabhängig von diesem Problem spricht gegen die Auf-
fassung von Brands vor allem die Tatsache, daß Wilhelm Gesundheit (C) ist ERGEBNIS der Heilung (H)
auch Beispiele wie «Jeder Mensch läuft; also läuft Sokra- Heilung (H) ist gut (A) = T,gen
tes» vorbringt, die durch die Hinzufügung einer singulä- Also ist Gesundheit (C) gut (A)
ren Prämisse (hier: Sokrates ist ein Mensch) vollständig
werden. [41] Hinzu kommt, daß Wilhelm selbst bei der
Analyse des Topos aus der Hervorbringung betont, daß Hier wird deutlich, daß diese Reduktion darin besteht,
«man das, was dem Mittelbegriff hinzugefügt wird, durch die in der oberen Prämisse des topischen Arguments aus-
die Maxime erhält». Das von ihm gegebene Beispiel gedrückte Relation zu einem Begriff zusammenzuzie-
macht das damit Gemeinte klar; vgl. Abb. 3. hen, der im entsprechenden Syllogismus als Mittelbegriff

Argument (i) Maxime Syllogismus (ii)


(Schlußregel) Modus: Darii
Heilung ist gut; »Was der Hervorbringung zukommt, Jedes Ergebnis-der-Heilung (M) ist gut (A)
also ist Gesundheit gut kommt auch dem Hervorgebrachten zu« Gesundheit (C) ist Ergebnis-der-Heilung (M)
Also ist Gesundheit (C) gut (A)
(Abb. 3)

Die Maxime hat hier offenbar die Funktion, das dem Mit- (M) fungiert, und diesem das - dem zweiten Relations-
telbegriff M Hinzugefügte, eben das Prädikat gut (A), bei- glied H zukommende - Prädikat A zuzuordnen. Von hier
zubringen. Die Zurückführung (reductio) des Arguments aus läßt sich auch leicht nachvollziehen, warum Wilhelm
(i) auf den Syllogismus (ii) erklärt er so: «Jedes Ergebnis sagen kann, daß «man das, was dem Mittelbegriff hinzu-
einer Heilung ist gut, da Heilung gut ist; Gesundheit ist gefügt wird, durch die Maxime erhält». Nun gilt diese
Ergebnis usw.; also ist Gesundheit gut.» [42] Reduktion offenbar nur für intrinsische Topoi, die sach-
Da diese Formulierung offenbar kein Syllogismus ist, logische Beziehungen (aus der Ursache, aus dem
notiert Brands, daß der da-Satz logisch überflüssig sei, Gebrauch, usw.), nicht aber für solche, die begriffslogi-
was auch die Übersetzung von Kretzmann erklärt: sche Beziehungen thematisieren. So läßt sich etwa das
«every goal of healing (since healing is good) is good, Argument aus dem Gebrauch (ab usu) «Reiten ist gut;
health is a goal of healing; therefore health is good.» [43] also ist ein Pferd gut» [46], dem die generische Prämisse
Beide unterstellen somit, daß es sich bei Formulierung «Ein Pferd hat zum Gebrauch Reiten» zugrunde liegt,
Wilhelms um einen Syllogismus handelt. Da Wilhelm auf einen dem obigen a generatione- Argument entspre-
auch bei anderen Beispielen vergleichbare Formulie- chenden Denï-Syllogismus zurückführen (Maxime:
rungen verwendet, kann Kretzmann dies nur mit Bewer- «Was dem Gebrauch einer Sache zukommt, kommt auch
tungen wie «Fehler», «Unachtsamkeit» [44] usw. kom- der Sache selbst zu»). Bei einem Argument auf begriffs-
mentieren. Brands vermutet sogar, daß die «merkwürdi- logischer Basis (vgl. Abb. 5) ist diese Form der Reduk-
gen syllogistischen Mißbildungen, welche N. Kretzmann tion nicht mehr möglich.
zu Recht ständig moniert, deshalb nahezu unvermeid- Die Lösung ergibt sich aus dem Hinweis, mit dem Wil-
lich scheinen, weil die Syllogistik den komplexen For- helm dieses Argument einleitet, nämlich: beim Etablie-
men topischen Argumentierens nicht entsprechen ren (constructive) eines Arguments a specie kann man so
kann» [45]. Nun scheint die Annahme, alle Reduktions- vorgehen, «daß der Mittelbegriff die Art des Subjekts der
hinweise seien als Syllogismen zu verstehen, schon allein Konklusion ist» [47] (hier bezeichnen <Subjekt> und <Prä-
deshalb problematisch, weil sie ja unterstellt, daß ein so dikat> die Positionen der Terme in den Prämissen bzw. in
intimer Kenner der Syllogistik wie Wilhelm nicht in der der Konklusion). Da im gegebenen Beispiel Mensch Art
Lage war, korrekte Syllogismen zu bilden. Versteht man von Lebewesen ist, muß man aus der zugrundeliegen-
dagegen diese Formulierungen als mehr oder weniger den kanonischen Form des Arguments die generische
vollständige Hinweise, wie die Reduktion durchzufüh- Prämisse in das Argument (i) einsetzen, um dieses auf
ren ist, ergeben sie einen durchaus logischen Sinn. So einen Syllogismus des Modus Darii zurückzuführen (vgl.
kann (und muß) der Zusatz <da Heilung gut ist> in der Abb. 6).
zitierten Reduktion als Argument für die Gültigkeit der
Ableitung der oberen Prämisse verstanden werden, Da Syllogismen nichts anderes als extensional inter-
expliziert in Abb. 4. pretierte topische Argumente mit einem praedicabile in
der generischen Prämisse sind, bedeutet dies praktisch,
Die logische Struktur dieses Reduktionsverfahrens läßt daß man das Prädikabile weglassen und die erhaltene
sich leicht veranschaulichen, wenn man dieses Argument Aussage quantifizieren muß (vgl. Abb. 7).

a generatione (T gen )
DARII DA Gut (A) kommt der (hervorbringenden) Heilung (H) zu
Jedes Ergebnis-der-Heilung (M) ist gut (A) Also kommt gut (A) auch dem Ergebnis der Heilung (M) zu
Gesundheit (C) ist Ergebnis-der-Heilung (M)
Also ist Gesundheit (C) gut (A)
(Abb. 4)

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Argument (i) Differenztopos Maxime Syllogismus (ii)


( Schlußregel) Modus: Disamis
Ein Mensch läuft; Locus a specie »Wovon auch immer eine Art Ein Mensch läuft
also läuft ein Lebewesen (Topos aus der Art) ausgesagt wird, davon wird Jeder Mensch ist ein Lebewesen
auch die Gattung ausgesagt« Also: ein Lebewesen läuft

(Abb. 5)

a specie (T s p e c )

DISAMIS Ein Mensch ( M ) läuft ( A )


Mensch ( M ) ist Art von Lebewesen (C)
Ein Mensch läuft
Jeder Mensch ist ein Lebewesen Also: ein Lebewesen (C) läuft ( A )
Also: Ein Lebewesen läuft
(Abb. 6)

a specie (T s p e c J
DARII DA Mensch ( M ) ist Art von Lebewesen (C)
Sokrates ( A ) ist ein Mensch ( M )
Jeder Mensch ist ein Lebewesen
Sokrates ist ein Mensch Also: Sokrates ( A ) ist ein Lebewesen (C)
Also: Sokrates läuft
(Abb. 7)
Diese Darstellung illustriert zugleich die Feststellung Beziehungen basierenden Argumenten, freilich um den
Wilhelms, daß hier «der Mittelbegriff A r t des Prädikats Preis, daß nur noch eine sachliche Identität in der Kon-
der Konklusion ist» [48], In den Reduktionsformulierun- klusion gegeben ist, jedoch nicht mehr in der A r t der logi-
gen führt Wilhelm die beiden Syllogismen Disamis und schen Folgerung, da ja etwa eine Relation wie <X ist
Darii in der angegebenen Form auf. Daraus folgt nicht Ergebnis von Y> in den Gattungsbegriff <Was-Ergebnis-
notwendig, daß diese hier - im Gegensatz zu den sachlo- von-Y-ist> aufgelöst wird. Unmöglich sind schließlich die
gischen Zurückführungen - als Syllogismen zu verstehen bisher noch nicht behandelten auf extrinsischen Topoi
sind, da man sie ja auch als Anweisungen verstehen kann, beruhenden Argumente wie a simili, e contrario oder a
die dem topischen Argument zugrundeliegende generi- minore. So ergibt Wilhelms Reduktion eines a simili-
sche Prämisse einzusetzen. Diese Interpretation wird Arguments die Ableitung in Abb. 8.
auch dadurch gestützt, daß einige Reduktionen von Hier ist der Syllogismus (ii) unter Beachtung der fol-
begriffslogisch fundierten Argumenten - wie etwa das genden Reduktionsanweisung Wilhelms formuliert:
Argument aus dem quantitativen Teil [49] - nicht als kor- «Jeder, der Sokrates gleichartig ist, ist - da dieser weiß ist
rekte Syllogismen formuliert sind. Wesentlicher ist in die- - weiß; Plato ist ein dem Sokrates Gleichartiger, da
sem Zusammenhang, daß Wilhelm bei den beiden Sokrates weiß ist; also ist Plato weiß.» [50] Kretzmann,
Varianten des Topos aus der Art nicht mehr angibt, ob sie der diese Formulierung als Syllogismus begreift, bemerkt
zur Etablierung bzw. Infragestellung der Zuordnung zum <Untersatz>, daß es sich um einen Fehler handeln
eines Prädikats als Akzidens, Proprium, Gattung oder müßte ( « T h e insertion of the subordinate premiss here
Definition dienen - im ersten Fall (Disamis) handelt es must be a mistake.» [51]). Dagegen ist festzuhalten, daß
sich um einen Topos des Akzidens; der zweite Fall (Darii) Sherwood bei der Reduktion dieses Arguments offenbar
mit dem Eigennamen Sokrates ist in der aristotelischen nach dem gleichen Muster wie bei den sachlogischen
Topik ausgeschlossen, da es dort um Beziehungen zwi- Argumenten vorgeht. Ergebnis ist deshalb hier wie dort
schen Prädikaten geht. Syllogistisch ist dieser Darii- bei konstruktiv etablierenden Argumenten immer ein
Schluß nur dann akzeptierbar, wenn man Sokrates im Syllogismus des Modus Darii. Die Problematik dieser
Sinne von <Es gibt einige, zumindest aber ein x, das mit Reduktion wird besonders deutlich, wenn man ein Argu-
dem Namen Sokrates bezeichnet wird>. Dies führt zur ment aus dem Weniger (a minore) hinzunimmt, das auf
weiteren Beobachtung, daß bei Wilhelm von Sherwood folgenden Syllogismus reduziert wird: «Jeder einem-Sol-
wie auch bei Petrus Hispanus nur bei der Behandlung der dat-Größere kann eine Festung erobern; ein König ist ein
topischen Argumente Prämissen mit Eigennamen vor- einem-Soldat-Größerer; also kann er eine Festung
kommen und nicht bei der Behandlung der Syllogistik, erobern.» [52] Damit ist die logische Pointe des Topos aus
wo durchgängig generische Prädikate verwendet werden. dem Weniger (den Sherwood korrekt wiedergibt) verlo-
Damit bildet der Versuch, die topischen Argumente auf ren, eben: «Wenn das, was einer Sache weniger zuzu-
Syllogismen zurückzuführen, gleichsam das Eingangstor kommen scheint, dieser zukommt, dann kann man auch
für die oft monierte Tatsache, daß die mittelalterliche schließen, daß es auch der Sache, der es eher zuzukom-
Syllogistik auch Prämissen mit Eigennamen zuließ. men scheint, zukommt.»
Bisher wurde deutlich, daß die Zurückführungen von Wenn man davon ausgeht, daß die für Sherwood
auf Prädikabilien basierenden Argumenten unproble- gemachten Beobachtungen exemplarisch für seine Epo-
matisch sind, sofern man der Tatsache kein besonderes che sind, erscheinen folgenden kurze Verallgemeinerun-
Gewicht beimißt, daß dadurch begriffliche Beziehungen gen plausibel:
zwischen Prädikaten durch quantifizierte extensionale (1) Der scholastischen L. gegen Ende des 13. Jh. ist die
Beziehungen des (Nicht-)Enthaltenseins ersetzt werden. spezifische L. der Topik fremd geworden.
Möglich sind auch Reduzierungen von auf sachlogischen (2) Die daraus folgende Abwertung der topischen L.

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Argument (i) Maxime/Topos Syllogismus (ii)


(a simile) Modus: Darii
Sokrates ist weiß, »Für Gleichartiges gilt ein Jeder dem-Sokrates-Gleichartige ist weiß,
und Plato ist Sokrates gleichartig; gleichartiges Urteil« Plato ist ein dem-Sokrates-Gleichartiger
also ist Plato weiß
Also: Plato ist weiß
(Abb. 8)

zeigt sich gerade auch im Versuch, diese auf die Syllogi- in figura (d.h. der Wort- bzw. Äußerungsform) gegeben
stik zurückzuführen. begreift. [55]
(3) Diese Zurückführung ist außer für die auf Prädika- Dennoch lassen sich einige Veränderungen feststellen:
bilien beruhenden topischen Argumente gescheitert. So unterscheiden Petrus und Wilhelm in der Äquivoka-
(4) Die genannten Punkte sind zugleich die wesentli- tion wie Aristoteles die lexikalische, die deiktische und
chen Gründe dafür, daß die topische L. - in der von Boe- die Gebrauchsmehrdeutigkeit, letztere aber umfaßt nicht
thius übernommenen Form (!) - vom 13. Jh. an zum nur Fälle wie gut oder können, sondern auch Metaphern -
'Auslaufmodell' werden sollte. beide illustrieren das auch an einem sich aus der mittelal-
Bleibt noch ein aus rhetorischer Sicht wichtiger Hinweis: terlichen Standardmetapher <Die Wiese lacht> ergeben-
Der extrinsische Topos aus der Autorität wird nach dem den Trugschluß: «Was immer lacht, hat einen Mund. Eine
gleichen Muster wie die übrigen auf einen Syllogismus Wiese lacht. Also hat eine Wiese einen Mund.» [56] Ein
zurückgeführt. Die Reduktionsanweisung Wilhelms für wichtiger Unterschied zu Aristoteles zeigt sich darin, daß
das Argument «Aristoteles nennt nicht mehr als vier beide bei der Erklärung der deiktischen Mehrdeutigkeit
Ursachen; also sind nicht mehr als vier Ursachen» lautet: auf die inzwischen entwickelte terministische L. zurück-
«Nichts von-dem-Aristoteles-sagt-es-sei-nicht ist; mehr- greifen, indem sie zeigen, daß hier jeweils eine andere
als-vier-Ursachen sind von-Aristoteles-als-nicht-seiend- Mit-Bezeichnung (consignificatio) vorliegt. So löst etwa
gesagt, da Aristoteles sagt, es seien nicht mehr als vier Wilhelm den Trugschluß «Was immer geheilt wurde, ist
Ursachen; also sind nicht mehr-als-vier-Ursachen.» In gesund. Ein Leidender wurde geheilt. Also ist ein Leiden-
diesem komplexen Trugschluß, in dem u.a. die Wahrheit der gesund» dadurch auf, daß er zeigt, daß das Partizip lei-
des dictum (Gesagten) mit der der Sache verwechselt dend (laborans) nicht nur Leidende bezeichnet (signifi-
wird, zeigt sich freilich auch die Grenze der Syllogistik. cai), sondern auch Gegenwärtiges mitbezeichnet (consi-
Dennoch bleibt festzuhalten, daß Wilhelm die zugrunde- gnificat)\freilich nur in «erster Linie»; in «zweiter Linie»,
liegende Maxime in einer rhetorisch bedenkenswerten wenn nämlich wie in «Ein Leidender wurde geheilt»
Weise formuliert: «Der Mehrheit ist, ebenso wie den (laborans sanabatur) mit einem Verb im Vergangenheits-
Weisen, nicht zu widersprechen.» (Pluribus ut sapienti- tempus verbunden wird, bezeichnet es etwas bloß bezüg-
bus non est contradicere). [53] lich der Vergangenheit Gegenwärtiges mit. [57] Diese
Wenn die Topik von Wilhelm von Sherwood und denotative Mehrdeutigkeit wird im zitierten Trugschluß
Petrus Hispanus vor allem Boethius verpflichtet bleibt, ausgespielt. In gleicher Weise werden bei Petrus und Wil-
so fällt bei ihrer Behandlung der Trugschlüsse ein enger, helm alle weiteren Trugschlüsse (Amphibolie, Tren-
oft wörtlicher Bezug zu Aristoteles' <Sophistischen nung/Verbindung, Akzent), die auf einer Verschiebung
Widerlegungen) auf. [54] Beide unterscheiden die glei- der Denotate beruhen, aus der unterschiedlichen signifi-
chen Fehler wie Aristoteles (i) innerhalb der Äußerung: catio (bzw. consignificatio) von Wörtern oder Wortgrup-
Äquivokation (Homonymie), Amphibolie, Verbindung pen erklärt. So denotiert das syntaktisch mehrdeutige
und Trennung, Akzent, Äußerungsform (figura dictio- <das Buch von Aristoteles> einmal (i) <das Buch, das Ari-
nis) und (ii) außerhalb der Äußerung: Akzidens, abso- stoteles besitzt> und zum andern (ii) <das Buch, das Ari-
lute/relative Bewertung (secundum quid et simpliciter), stoteles geschrieben hat>. Aus dieser Amphibolie bzw.
Nicht-Kenntnis der Widerlegung (ignorantia elenchi/ syntaktischen Mehrdeutigkeit läßt sich folgender Schein-
redarguitio), Unterstellung des zu Beweisenden (petitio schluß bilden: «Was immer von Aristoteles ist, gehört
principii), Konsequenz, Nicht-Ursache als Ursache, Aristoteles. Dieses [mir gehörende Buch] ist von Aristo-
mehrere Fragen als eine (plurium interrogationum ut teles. Also gehört Aristoteles dieses [mein] Buch.» [58]
unius) - also auch die Trugschlußart ignorantia elenchi, Gravierend sind jedoch die Unterschiede in der
obwohl diese alle übrigen außerhalb der sprachlichen Behandlung des Trugschlusses des Akzidens. Petrus erör-
Äußerung liegenden umfaßt. Auch die Feinunterschei- tert nämlich hier neben dem Verhülltenschluß vor allem
dungen entsprechen denen des Aristoteles: so überneh- Trugschlüsse, die auf einer Vermischung von objekt-
men beide beim Fehler Äußerungsform den Hinweis, sprachlichem und quasi-metasprachlichem Gebrauch
daß die darauf beruhenden Trugschlüsse leicht mit Hilfe beruhen: (1) «Der Mensch (S) ist eine Art (Z); Sokrates
der Kategorien aufzulösen sind. D a ß Wilhelm und Petrus (Ak) ist ein Mensch (S); also ist Sokrates (Äk) eine Art
auch mit der Auslegungsliteratur vertraut sind, zeigt sich (Z).» [59] Diese Art von Schlüssen finden sich in der Spät-
etwa darin, daß sich beide auf die Klassifikation der antike in Auslegungen zum Aristoteles-Kommentar von
mehrfachen (multiplex) Bedeutung von A L E X A N D E R VON A L E X A N D E R VON A P H R O D I S I A S zu den <Sophistischen
A P H R O D I S I A S in faktische (Äquivokation, Amphibolie), Widerlegungen) [60], die dieser wohl aus der stoischen
potentielle (Verbindung/Trennung, Akzent) und imagi- Tradition (s.o. oben den Wermutsschluß) in das aristoteli-
näre Bedeutung (Äußerungsform) beziehen. Wilhelm sche Lehrgebäude integriert hat, weil Alexander auch
interpretiert diese Einteilung jedoch radikal neu, indem Schlüsse aufführt, die sich auf den Wortkörper (Mensch
er die faktische Mehrdeutigkeit als in actu (d.h. mit dem (S) hat nur eine Silbe (Z)) beziehen. Da in diesen Schlüs-
Aussprechen des Wortes oder Satzes), die potentielle als sen damit der Begriff des Akzidens (als ein wohldefinier-
in substantia (d.h. nur in den materialen Wortkörpern - tes Prädikabile) nicht mehr in seiner strengen Bedeutung
modern formuliert <Signifikanten>) und die imaginäre als angewendet werden kann, führte dies in der Auslegungs-

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geschichte zu einer Ausweitung, ja sogar Aufweichung nicht» geht es ja weder um eine unterschiedliche Verwen-
dieses Terminus. Das erklärt, daß Petrus ausdrücklich dung von Ausdrücken, noch um Relationen von Arten
betont, daß bei diesen Schlüssen <Akzidens> nicht im hinsichtlich ihrer Gattungen bzw. hinsichtlich der unter
Sinne von Aristoteles oder von Porphyrios zu verstehen sie fallenden Unterarten oder Individuen, sondern
sei, vielmehr sind nach ihm alle über oder unter einem all- darum, daß eine Sache und ihrem Akzidens nicht immer
gemeinen Term liegenden Begriffe (superiora oder infe- das gleiche Prädikat zugeschrieben werden kann. Genau
riora) Akzidentien dieses Terms. So sind etwa Substanz das wird von Wilhelm hervorgehoben. Seine Analyse ent-
und Sokrates Akzidentien von Mensch. Damit ist im gege- spricht im wesentlichen der von Aristoteles und hebt sich
benen Beispiel Sokrates (Ak) Akzidens von Mensch (S) damit eindeutig von der Auslegungsgeschichte ab. Das
und zwar «hinsichtlich eines Dritten», d.h. dem Prädikat zeigt sich äußerlich schon darin, daß er keine quasi-meta-
Z. Entsprechend ist in (2) «Der Mensch (S) ist eine Art sprachlichen Trugschlüsse aufführt, sondern nur solche
(Z); der Mensch (S) ist eine Substanz (Ak), also ist eine des Typs (a) und (c) bei Aristoteles. Für den Typ (a) gibt er
Substanz ( Ak) eine Art (Z)» der Term Substanz Akzidens neben dem Verhüllten-Schluß das Beispiel «Sokrates (S)
von Mensch. Auffallend ist, daß Petrus die A u s d r ü c k e t « wird von dir geliebt (Z); aber Sokrates (S) ist der Mörder
oder Substanz im objektsprachlichen Sinne versteht; das deines Vaters (Ak); also wird der Mörder deines Vaters
zeigt sich auch daran, daß er neben den genannten Schlüs- (Ak) von dir geliebt (Z)», für den Typ (c) gibt er das Bei-
sen auch Trugschlüsse aufführt, in denen alle Terme spiel «Plato ist etwas anderes als Sokrates; Sokrates ist ein
extensional zu verstehen sind, wie z.B. (3) «Ein Lebewe- Mensch; also ist Plato etwas anderes als ein Mensch». Die
sen läuft; der Mensch ist ein Lebewesen; also läuft ein oben aufgezeigte Problematik des Typs (c) umgeht Wil-
Mensch.» [61] Der Unterschied zwischen objekt- und helm freilich dadurch, daß er als einzigen Unterschied
metasprachlichem Gebrauch läßt sich im Deutschen zwischen diesen beiden Schlüssen die Tatsache festhält,
leicht nachvollziehen, da im ersten Fall der Artikel ver- daß Sokrates und Mensch hier nicht im Nominativ, son-
wendet wird (Der Mensch ist eine Art (unter den anderen dern oblique, d.h. im Ablativ, stehen. [65] Seine Analyse
lebenden Arten)), nicht aber im zweiten Fall (Mensch ist bezieht sich somit nur auf den Typ (a). Das von ihm gege-
eine Art (ein Artbegriff)). Der Fehler in all diesen Schlüs- bene Beispiel analysiert Wilhelm wie folgt: «Wenn auch
sen entsteht nach Petrus dadurch, daß einmal immer Sokrates und Mörder [hinsichtlich ihrer Verweisfunktion]
einem Subjekt und seinem Akzidens das gleiche Prädikat an sich gleich sind, sind sie im Hinblick auf des Zuge-
Ζ zugeordnet wird, und zum andern, daß der Mittelbegriff schriebene wird-geliebt verschieden. Mörder fügt nämlich
S in unterschiedlicher Begrifflichkeit (ratio) genommen über Sokrates hinaus ein bestimmtes Akzidens hinzu,
wird. So wird in (1) Mensch (S) in der Oberprämisse «all- unter dessen Begriff (ratio) [...] die Sache in der Konklu-
gemein für sich selbst» genommen, während der gleiche sion von dem Zugeschriebenen aus betrachtet wird.» [66]
Ausdruck in der Unterprämisse im Hinblick auf die unter Diese Analyse wird unmittelbar einsichtig, wenn man die-
ihn fallenden Individuen genommen wird. [62] Hier grei- sen Schluß durch das oben verwendete Schema illustriert:
fen offenbar termlogische Überlegungen, wobei über-
rascht, daß Petrus seine vorher im Abschnitt zur Supposi-
tion getroffenen Unterscheidungen nicht verwertet - Prädikat (Z)
danach wird nämlich Mensch in der Oberprämisse in der
suppositio communis naturalis verwendet, d.h. der Aus-
druck bezeichnet die allgemeine Gattung Mensch. Auch (a) dies ist der Mörder dies ist Sokrates ... ist von
diese Interpretation des Trugschlusses des Akzidens fin- deines Vaters dir geliebt
det sich schon in der Spätantike. So ist etwa in einem (Akzidenz- (Substanz-
anonymen Kommentar zu lesen, daß der Ausdruck Zuschreibung) Zuschreibung)
Mensch in Verwendungen wie <Der Mensch ist eine Art>
«für sich selbst» (seorsum) und damit «getrennt» von
anderen Arten bedeutet, während er in <Sokrates ist ein Neu und präziser im Vergleich zu Aristoteles ist in dieser
Mensch> auf einen Individuenbereich verweist, zu dem Analyse, daß Wilhelm die Tatsache, daß das Akzidens
Sokrates gehört. Ähnliche Überlegungen finden sich sprachlich über einen Begriff hergestellt wird, berück-
auch in Porphyrios' Kategorienschrift. [63] Die all diesen sichtigt: «Der Term (terminus), der auf dasjenige ver-
Überlegungen zugrunde liegende Problematik ist, wie weist, was gleichsam Sache ist, wird Subjekt genannt. Der
man Mensch in Sätzen wie «Mensch hat 6 Buchstaben», Term aber, der auf einen hiervon verschiedenen Begriff
«(der) Mensch ist eine Art», «der Mensch ist sterblich» verweist, wird Akzidens genannt.» [67] Wilhelm spricht
und «Sokrates ist ein Mensch» verstehen soll. Da genau auch, wenn die Substanzzuschreibung über einen Eigen-
diese Fragen Gegenstand der Suppositionslehre sind, namen hergestellt wird, vereinfachend von Sache und
werden sie im folgenden Abschnitt behandelt. Begriff; wird die Referentialisierung hingegen über eine
Die Analyse von Petrus kann zugleich illustrieren, wie bestimmte Kennzeichnung (Dein Freund, der Mörder
in der Auslegungsgeschichte neue Gesichtpunkte in das deines Vaters,...) vollzogen, spricht er von einem Trug-
alte Lehrgebäude integriert werden, aber auch, wie schluß, der durch die Verschiedenheit eines Begriffs
dadurch zentrale Begriffe und Unterscheidungen aufge- gegenüber einem andern entsteht, wobei der eine zur
weicht und sogar mißverstanden werden können. So ver- Zuschreibung der Substanz dient und der andere zur
fehlt die Erklärung von Petrus und seiner Vorgänger die Zuschreibung eines Akzidens über diese Substanz. Im
logische Pointe der aristotelischen Analyse - obwohl sie Gegensatz zur Auffassung von B R A N D S / K A N N [68] ist
dem Wortlaut nach mit dieser identisch zu sein scheint. Wilhelms Analyse somit nicht nur einsichtig, sondern
Deshalb kann Petrus auch nicht das Standardbeispiel geht auch insofern über Aristoteles hinaus, als sie die
eines Akzidens-Trugschlusses, nämlich den Verhüllten- sprachliche Ebene der Konstitution von Substanz und
schluß, hinreichend erklären. [64] In «Du kennst Koris- Akzidens mitberücksichtigt. Dies schließt nicht aus, daß
kus; aber du kennst diesen Verhüllten-da nicht (der doch Wilhelm selbst nicht immer das Gemeinte richtig wieder-
Koriskus ist); also kennst du denselben und kennst ihn gibt. So nimmt er beim Fehler Nicht-Ursache als Ursache

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eine kaum auffallende Veränderung vor, die aber inso- men sich in «Jeder Mann hier sieht sich » nicht möglich
fern gravierend ist, als dadurch die Pointe dieses Schlus- (Jeder Mann hier sieht jeden Mann), weil dadurch eine
ses verdeckt wird. Wilhelm rekonstruiert das Aristoteles- völlig andere Aussage entsteht. Deshalb stellt Petrus die
beispiel nämlich wie folgt: «Seele und Leben sind das- Regel auf, daß «jedes nicht-reflexive Relativum der
selbe. Tod und Leben sind entgegengesetzt. Entstehen Identität die gleiche suppositio wie sein Antezedens
und Vergehen sind entgegengesetzt. Sterben (mori) ist hat». [72] Wie die gegebenen Beispiele zeigen, betrifft
Vergehen. Also ist Leben Entstehen.» [69] Durch die die suppositio (die Petrus im Sinne von <ein Ausdruck
Verwendung des Verbs sterben - statt des Nomens Tod steht für etwas> interpretiert) nur Nomina. Eigennamen
(mors) - geht offenbar das Kernstück des ganzen Trug- haben eine diskrete Supposition, Gattungsnamen hinge-
schlusses verloren, da die Unterprämisse <Sterben ist gen supponieren allgemein (suppositio communis); wer-
Vergehen> (P2) dadurch akzeptierbar wird. Petrus ist den die Gattungsnamen für sich genommen, ist die Sup-
hier genauer, weil er die Formulierung <Der Tod ist ein position natürlich («Mensch steht für alle Menschen, die
Vergehen) beibehält und auch erläutert, daß diese Prä- waren, sind und sein werden»), in Verbindung mit ande-
misse deshalb falsch ist, weil Tod den Endpunkt eines ren Wörtern ist diese allgemeine Supposition akziden-
Auflösungsprozesses kennzeichnet. [70] Petrus ist zudem tell. Die akzidentelle Supposition unterteilt Petrus in
didaktischer, da er hier, wie auch bei den anderen Trug- einfach (bei Referenz auf eine Gattung wie in <Der
schlüssen, weitere Beispiele gibt, so etwa: Mensch ist ein Lebewesen)) und personal (bei bestimm-
ten Gegenständen <Ein Mensch geht gerade>). Bei der
einfachen Supposition (d.h. der mit einem einzigen
Brunellus ist ein Mensch (T) Denotat) unterscheidet Petrus, wie schon deutlich
wurde, nicht zwischen objekt- und metasprachlichem
Kein Esel ist ein rationales, sterbliches Lebewesen (PI) Gebrauch; dem entspricht, daß er hier neben <Der
Ein Mensch ist ein Esel (P2) Mensch ist ein Lebewesen) oder <(Der) Mensch ist eine
und Brunellus ist ein Mensch (T) Art> auch Beispiele wie <Rational ist eine Differenz) und
Also ist ein Mensch kein rationales, <Weiß ist ein Akzidens) aufführt. Die suppositio perso-
sterbliches Lebewesen (K) nalis (die sich auf einzelne Personen oder Dinge
bezieht) kann determiniert wie in <Ein Mensch läuft)
Da nun die Konklusion Κ falsch ist (~K), oder konfus wie in <Jeder Mensch ist ein Lebewesen)
ist auch die These Τ falsch sein. [73] Veranschaulicht:

Die Nähe zu Aristoteles zeigt sich auch hier, da Petrus


wie Wilhelm dem Text Aristoteles' folgend, diese sophi- Suppositionen
stische und trügerische Reduktion vom zeigenden (osten- (Petrus Hispanus)
sivus) <syllogismus ad impossibile) abgrenzen. Das von
Petrus gegebene Beispiel ist: diskret allgemein
(Eigennamen) (Gattungsnamen)

Ein Mensch ist ein Esel (T) natürlich akzidentiell


Kein Esel ist ein rationales, sterbliches Lebewesen (PI)
Ein Mensch ist ein Esel (T/P2) einfach personal
Also ist ein Mensch kein rationales,
sterbliches Lebewesen (K) determiniert konfus

Da nun die Konklusion Κ falsch ist (~K),


ist auch die These falsch Das Problem, daß manche Nomina sich auf Nicht-Exi-
stentes beziehen (etwa: Chimäre), versucht Petrus
dadurch zu klären, daß er die suppositio (die sich auf Exi-
Hier ist die zu widerlegende These (T) des Gegners stentes und Nicht-Existentes beziehen kann) von der
zugleich die Unterprämisse (T/P2) im Kernsyllogismus, appellano (die immer ein Existierendes benennt) unter-
der nach Modus Ferio schließt. [71] scheidet. [74] Verben oder Adjektive haben keine Suppo-
c. Terministische L. und Suppositionslehre. Man mag sition, sondern eine copulatio, d.h. eine Verknüpfungs-
zunächst überrascht sein, in einer logischen Abhandlung funktion, da sie die verschiedenen Termini zu einem Satz
Überlegungen zum Relativpronomen zu finden. Petrus verbinden. Durch bestimmte Modalkonstruktionen kann
behandelt dieses im 8. Abschnitt seiner <Summulae logi- bei personaler Supposition die Extension der denotierten
cales> zusammen mit anderen < Relativa) wie dem Perso- Sache erweitert werden (ampliatio), wie etwa in <Der
nalpronomen oder dem Reflexivpronomen. All diese Mensch ist notwendig ein Lebewesen) (d.h. nicht nur
<Relativa> beziehen sich auf ein anderes Satzelement, jetzt, sondern - erweitert - für alle Zeiten). Umgekehrt
das in der Regel vorher verwendet wird. Der logische liegt eine Einschränkung (restrictio) der Extension etwa
Sinn dieser Behandlung wird unmittelbar einsichtig, in J e d e r weiße Mensch läuft) vor, da diese Aussage nur
wenn man nach der Bedeutung und dem Wahrheitswert für eine Teilmenge von Mensch gilt. Extensionen können
einer Aussage wie «Der Hut des Engländers, der ver- schließlich durch ein «universelles Zeichen (signum)»
schwunden ist» fragt, da dieser Satz ja mehrdeutig ist, (einen Alloperator) von einem Allgemeinbegriff auf die
weil sich das Relativpronomen sowohl auf Hut als auch unter ihn fallenden Gegenstände in bestimmter Weise
auf Engländer beziehen kann. Oder etwa: in «Der Mann verteilt werden (distributio): so verteilen alle, jeder ein-
ist gestern angekommen; er kommt aus Paris» kann das zelne oder welcher auch immer ein bestimmtes Prädikat
Personalpronomen er mit seinem Antezedens der Mann nach unten, während keiner, nicht einer oder nicht ein ein-
substituiert werden; dies ist freilich beim Reflexivprono- ziger diese Distribution nicht vornehmen. [75]

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Den bisher behandelten drei Eigenschaften von Ter- Grundbedeutung (significatio) noch etwas bezeichnet.
mini (proprietates terminorum) - Supposition, Appella- So bedeutet und bezeichnet etwa der Term Stuhl nicht
tion und Kopulation - ist die significatio semiotisch vor- bloß einen bestimmten Gegenstand, sondern bezeichnet
geschaltet; diese definiert Petrus ganz im Sinne des aristo- als Nomen zugleich mit, daß es sich um <eine für sich ste-
telischen Zeichenbegriffs als «die konventionelle Verge- hende Substanz> handelt; entsprechend bezeichnet das
genwärtigung von etwas durch einen Lautkörper» (rei Partizip leidend mit, daß es sich um ein gegenwärtiges
per vocem secundum placitum repraesentatio) [76] (die Geschehen handelt. Auch die Unterscheidung in abso-
Bedeutung eines sprachlichen Zeichens ist somit wie bei lute und konnotative Ausdrücke geht zum Teil auf die
Aristoteles nicht natürlich gegeben, sondern konventio- Grammatiktradition zurück: absolute Ausdrücke wie
nell - bzw. wie Petrus auch sagt - durch eine impositio Pferd oder Mut bezeichnen perse direkt und unmittelbar,
festgelegt). Kurz: erst dadurch, daß ein sprachliches Zei- während konnotative Ausdrücke wie Logiker oder mutig
chen (vox) etwas bedeutet (significatio), kann es die übri- nur per aliud und indirekt das jeweils gemeinte Denotat
gen Eigenschaften (Supposition, Appellation, Kopula- <mit-notieren>: deshalb muß man in <der Mutige ist weg>
tion) übernehmen. Auch Wilhelm von Sherwood unter- das gemeinte Denotat, also etwa Mann, hinzufügen; und
scheidet die genannten vier Eigenschaften von Termen, Logiker existieren nicht per se, sondern nur sekundär,
präzisiert aber die significatio dadurch, daß er sie als «die insofern sie zuerst Menschen sein müssen. [81] Auch die
geistige Vergegenwärtigung einer Form» (praesentatio Unterscheidung in kategorematische und synkategorema-
alicuius formae ad intellectum) definiert, wobei Form tische Ausdrücke ist grammatischen Ursprungs. Katego-
hier im Sinne begrifflicher (allgemeiner) Gestalt> und rematische Ausdrücke sind Substantive, Nomen, Verben
nicht wie bei De Rijk nur im Sinne von universeller (außer Modalverben), Personal- und Demonstrativpro-
Natur> zu verstehen ist. [77] Auch bei der Erörterung der nomen, alle übrigen sind nur <mit-aussagend>. Auch zu
verschiedenen Suppositionen geht er präziser und diffe- diesen Synkategoremata gibt es ab Ende des 12. Jh. eine
renzierter vor, da er nicht nur verschiedene Theorien dis- reiche Literatur. Petrus Hispanus hat dazu eine umfang-
kutiert, sondern auch allgemein zwischen materialer und reiche Abhandlung in 10 Abschnitten geschrieben, in der
formaler Supposition unterscheidet. Damit wird eine er folgende Ausdrücke untersucht: Negationsoperato-
klare Trennung zwischen meta- und objektsprachlichem ren; die Exclusiva <nur> und <allein> (tantum/solus); die
Gebrauch vorgenommen. Die materiale Supposition Exceptiva (aber, außer, wenn nicht - preter/preterquam/
(d.h. die sich auf das Wort als Materie bezieht) ist eindeu- nisi); die Consecutiva (wenn, bevor, nachdem -si/prius/
tig metasprachlich zu verstehen (Mensch ist einsilbig, posterius)·, die Verben <beginnen> und <aufhören>; die
Mensch ist ein Nomen) - freilich muß festgehalten wer- Modalausdrücke <notwendig> und <zufällig>; die Kon-
den, daß Wilhelm nur phonologische bzw. grammatische junktionen (ob, denn (in Fragesätzen), oder (vel), und,
Kategorien berücksichtigt und nicht inhaltlich-katego- wenn nicht, deshalb, da (quin)); Comparativa (je ...
riale wie Art oder Gattung). Die formale Supposition desto, wie, als, was auch immer). [82] Wilhelm teilt in sei-
entspricht der akzidentellen Supposition bei Petrus. Bei ner gleichnamigen Schrift die Synkategoremata in die
der einfachen Supposition gibt Wilhelm wie Petrus das beiden Gruppen «aussagenbestimmend» und «aussagen-
quasi-metasprachliche Beispiel <(Der) Mensch ist eine verknüpfend» ein; in die erste Gruppe fallen die Quanto-
Art>. Die konfuse Supposition wird noch weiter in eine ren (jeder, keiner, wer auch immer, usw.), die Exceptiva
bloß konfuse Supposition (s. confusa tantum) wie in (i) und die Exclusiva; dann diejenigen, welche die composi-
<Jeder Mensch ist ein LEBEWESEN) und eine distributiv tio von Subjekt und Prädikat betreffen (ist, nicht, notwen-
konfuse Supposition wie in (ii) J e d e r MENSCH ist ein dig, zufällig) und die Hilfsverben <beginnen> und <aufhö-
Lebewesen) ausdifferenziert; im ersten Fall kann nicht ren>; zur zweiten Gruppe gehören die Konsekutiv -
auf J e d e r Mensch ist dieses LEBEWESEN hier> gefolgert (wenn, sofern nicht, da), die Kopulativ- (und) und die
werden; die zweite Supposition ist hingegen <mobil>, weil Disjunktivkonnektoren (oder, oder wenn, ohne). [83]
auf <Dieser MENSCH hier ist ein Lebewesen) geschlossen Damit werden in den Synkategoremata - vermittelt über
und <hinuntergestiegen> werden kann. [78] Priscian - alle in der stoischen L. unterschiedenen Kon-
Das letzte Beispiel verdeutlicht zugleich, daß mit der nektoren (also nicht nur: und, oder, wenn) berücksichtigt.
Suppositionslehre oder allgemeiner der terministischen 2. Die Zeit nach 1300. In der wohl 1303 verfaßten
L. zentrale Fragen der Bedeutung und Bezeichnung von <Logica nova> von RAIMUNDUS LULLUS werden die Para-
sprachlichen Zeichen und ihrer Funktion innerhalb eines logismen und Trugschlüsse noch ausführlich behandelt,
Satzes thematisiert werden. Das zeigt sich schon in den von den Topoi sind jedoch nur noch die Örter aus dem
ersten Abhandlungen Mitte des 12. Jh. zu den Eigen- Mehr, dem Weniger und dem Gleichen Übriggeblieben.
schaften der Termini. De Rijk zeigt, daß sich die Supposi- Blickt man in die um 1320-25 verfaßte <Logica> von
tionstheorie einmal aus der Beschäftigung mit der Gram- GIRALDUS ODONIS, so erstaunt die radikale Abwendung
matik und zum andern aus der intensiven Erörterung der von der Organon-L. eines Wilhelm von Sherwood oder
Trugschlüsse (insbesondere jener, die auf einem Fehler Petrus Hispanus: die <Topik> und die <Sophistischen
innerhalb der Äußerung beruhen) entwickelt [79] - was Widerlegungen) fehlen, allein Übriggeblieben sind drei
auch darin deutlich wird, daß Petrus Hispanus bei den Teile [84]: I. De sillogismis (entspricht den <1. Analyti-
einzelnen Suppositionen immer auch auf einen aus der ken) mit - im Gegensatz zu Petrus und Wilhelm - den
Verwechslung bestimmter Suppositionen möglichen Modalsyllogismen). II. De suppositionibus (terministi-
Trugschluß verweist. Daraus entsteht schon bei Abälard sche L.). III. De principiis scientiarum (steht in der Tradi-
die Unterscheidung von vier Bedeutungsübertragungen tion der <2. Analytiken), der <Metaphysik> und <Physik>)
(translationes) in einem Trugschluß, nämlich: durch - d.h. die L. und Wissenschaftstheorie Aristoteles'
Äquivokation, durch Metapher, durch Grammatik ergänzt durch die neue Suppositionslehre. [85] Noch ein-
(Mensch ist ein Wort), durch Dialektik (Mensch ist eine geschränkter ist die Thematik des <Tractatus de puritate
Art). [80] Auf die Beschäftigung mit der Grammatik ist artis logicae brevior> (Kürzere Abhandlung von der
die schon erwähnte Unterscheidung einer grammati- Reinheit der logischen Kunst; um 1325) und des <Tracta-
schen consignificatio zurückzuführen, die zusätzlich zur tus de puritate artis logicae longior> (Längere Abhand-

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lung ...; um 1328) von W A L T E R B U R L E I G H - auch eine Helme ziehen in die Schlacht), bei der Synekdoche «sup-
Replik auf Wilhelms von Ockham Logikabhandlung poniert der Teil fürs Ganze» (pars supponit pro toto) und
<Summa totius logicae> (1324-27) - , in denen nur die Pro- bei einer Antonomasie wie «Der Apostel sagt das» sup-
bleme des korrekten Schließens (<De consequentiis>) poniert «ein Term genau für dasjenige, dem er im höch-
und der Suppositionen behandelt werden. [86] Diese sten Maße zukommt» (maxime convertit). Mit dieser
Einschränkung wird man im Hinblick auf das etwas spä- Definition stellt sich Wilhelm von Ockham radikal gegen
tere große < Kompendium der ganzen L.> (Compendium die gängige Bestimmung der Antonomasie als Verwen-
totius Logicae) von J O H A N N E S B U R I D A N U S eher als eine dung eines Gattungsnamens für einen Eigennamen, die ja
systematische Begrenzung auf zwei noch nicht geklärte die Existenz von Allgemeinbegriffen entsprechenden
Problemfelder interpretieren müssen. In der Tat finden Denotaten voraussetzt, um - ausgehend von der Tatsa-
sich in 8 Abschnitten neben der Supposition und Amplia- che, daß der Term Apostel mehrere einzelne Apostel (xx,
tion und den traditionellen Grundkategorien (Aussage, x 2 ,..., xn) bezeichnen kann - mit Hilfe des Selektionskri-
Satzverbindungen, Kategorien, Prädikabilien, Äquipol- teriums (oder des Entscheidungsalgorithmus) «wähle
lenzen, usw., mit ausführlicher Diskussion der Modalaus- das Individuum aus, dem der Term Ρ im höchsten Maße
sagen) und Syllogismen wieder zwei längere Abschnitte (>) zukommt» den auch mit dem Eigennamen supponier-
(Traktate) zur Topik und zu den Trugschlüssen und im baren Paulus zu bezeichnen. [92] Schematisch:
letzten Abschnitt Überlegungen zum wissenschaftlichen
in Abgrenzung zum bloß wahrscheinlichen Beweis. [87]
Betrachtet man die Einteilung der Suppositionen bei
Wilhelm von Ockham, so scheint - abgesehen von den
uneigentlichen Suppositionen - kein wesentlicher Unter-
schied zu Wilhelm von Sherwood zu bestehen:
(antono- (eigentlicher
Suppositionen mastischer Term)
(Wilhelm von Ockham) Term)

impropria propria Unproblematisch im Hinblick auf die rhetorische Tradi-


tion sind die Definitionen der Metonymie und der Syn-
ekdoche, da diese Tropen durchgängig extensional über
meto- synec- antono- personalis simplex materialis
Relationen zwischen den singulären Referenten bzw. in
nymica dochia mastica einem singulären Referenten erklärt wurden. Problema-
discreta communis tisch, ja sogar innerhalb einer nominalistischen Sprach-
theorie nicht erklärbar, ist hingegen die Metapher, da sie
determinata confusa ja einen Vergleich zwischen Arten, d.h. generischen
Denotaten, voraussetzt - woraus folgt, daß Wilhelm von
confusa confusa et Ockham die Metapher auslassen muß. Auch Burleigh,
tantum distributiva der sich hier wohl in den Bann der extensionalistischen L.
ziehen läßt, nimmt identische Unterscheidungen
Auch Burleigh nimmt eine auf den ersten Blick fast iden- vor. [93] Die gleiche Reduktion begrifflich-semantischer
tische Einteilung vor. Freilich verstecken sich hinter die- Relationen auf Singulär-Extensionales zeigt sich auch
sen Einteilungen zwei fundamental verschiedene bei Wilhelms von Ockham Bestimmung der übrigen
Sprachauffassungen, nämlich die nominalistische von nicht-materialen Suppositionen. Die materiale Supposi-
Wilhelm von Ockham und die realistische von Burleigh. tion versteht er wie Wilhelm von Sherwood im meta-
Nach der nominalistischen Auffassung gibt es, wie Bur- sprachlichen Sinne, d.h. im Sinne von phonologischen
leigh formuliert, «keine reale Einheit außerhalb der oder grammatischen Kategorien (wie <Mensch ist ein
Seele außer einer zahlenmäßigen Einheit» (nulla est uni- Nomen> oder <liest steht im Indikativ>)[94]. Diese Kate-
tas realis extra animan praeter unitatem numera- gorien bezeichnet Wilhelm von Ockham dem mittelal-
lem)[88], d.h. nur abzählbare Einzeldinge wie dieses- terlichen Sprachgebrauch entsprechend auch als zweite
Pferd-da existieren, Gattungsbegriffe (Universalien) wie Intentionen, um sie von den objektsprachlichen ersten
Pferd sind in ihrer Allgemeinbedeutung hingegen nur Intentionen abzugrenzen. [95] Auch bei der einfachen
mental gegeben, sie haben in dieser Allgemeinbedeu- (simplex) Supposition führt Wilhelm von Ockham wie
tung kein außersprachliches reales Korrelat. Im Ver- Petrus und Wilhelm von Sherwood das quasi-meta-
gleich zur primär ontologisch orientierten Diskussion im sprachliche <(Der) Mensch ist eine Art> auf - wodurch
Universalienstreit des 13. Jh. [89] nehmen Wilhelm von insofern eine Inkonsistenz entsteht, als er vorher im 12.
Ockham wie Burleigh für sich in Anspruch, die logische Kapitels des Teils I seiner L. Ausdrücke wie Art oder
Sprachanalyse von solchen ontologischen Unreinheiten Gattung genauso wie die aufgeführten grammatischen
freizuhalten - was sie allerdings nicht daran hindert, sich
Kategorien zur zweiten Intention, d.h. zu den meta-
gegenseitig eine falsche Ontologie vorzuwerfen. Die
sprachlichen Ausdrücken, rechnet. Diese Inkonsistenz
nominalistische Position Wilhelms von Ockham [90] in
diesem Universalienstreit zeigt sich schon in der Tatsa- läßt sich aber dadurch erklären, daß es ihm hier nicht um
che, daß er bei der uneigentlichen (nicht: übertragenen die formal-grammatische, sondern um die inhaltlich-
bzw. metaphorischen [91]) Supposition nur die auf einer begriffliche Seite der Sprache geht, und er zudem nach-
Verschiebung der Referenten bzw. im Referenten beru- weisen will, daß allgemeine Ausdrücke kein außer-
henden Tropen - also nicht die Metapher - berücksich- sprachliches bzw. außermentales Korrelat haben. Für
tigt: bei der Metonymie unterscheidet er die Fälle E n t - <(Der) Mensch ist eine Art> gilt nämlich nach Wilhelm
haltendes für Enthaltenes) (England zieht in die von Ockham, daß «der Term (terminus) Mensch für eine
Schlacht) und <Akzidens für Substanz> (Die silbernen bestimmte Intention der Seele supponiert, da genau
diese Intention die Art ist» (iste terminus homo supponit

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pro intentione animae, quia illa intentio est species) [96]; ( 3 x ) ( F x Λ G x ) - > (FXIA G X ^ V (FX2A G X 2 ) Ν . . .
die Intention kann allgemein sein (bei Termen, die von
Der Grund ist einfach darin zu sehen, daß für Wilhelm
vielem aussagbar sind, d.h. bei Gattungsnamen) oder nur
von Ockham - wie die Beispiele schon deutlich machten
einer einzigen Sache zukommen (wie etwa Eigenna-
- in jeder kategorischen Aussage sowohl der Subjekts-
men): «Auf der Seite der Dinge gibt es nämlich nichts,
ais auch der Prädikatsausdruck supponieren. So wird in
was nicht Einzelnes ist.» [97] Dagegen verweisen alle
<Ein Mensch ist ein Lebewesen> zweimal determinative
Formen der personalen Supposition in verschiedener
(ii) supponiert, da man sowohl auf <Also ist dieser
Weise auf Realia, und zwar auf Einzelnes. Die (i) diskrete
Mensch ein Lebewesen und jener Mensch ist ein Lebewe-
Supposition wird wie bei Petrus Hispanus über Eigenna-
sen usw.> wie auch auf «Also ist ein Mensch dieses Lebe-
men oder deiktische Ausdrücke hergestellt, die allge-
wesen oder jenes Lebewesen usw.» [101] folgern kann.
meine über Ausdrücke mit allgemeiner Bedeutung.
Dies ist in der Quantifizierung (1), die nur einen einfa-
Wesentlich für das Verständnis Wilhelms von Ockham
chen Abstieg ermöglicht, nicht berücksichtigt. Nach
sind die drei restlichen personalen Suppositionen:
einem Durchspielen mehrerer prädikatenlogischer Mög-
(ii) Determinierte S. wie in <Ein (Irgendein) Mensch
lichkeiten mit zwei Variablen, die nicht alle von Wilhelm
läuft>. Diese Aussage läßt die Folgerung auf folgende dis-
von Ockham unterschiedenen Suppositionen wiederge-
junktive Aussage zu: <also läuft dieser Mensch oder jener
ben können, kommt Matthews zum Schluß, daß diese
Mensch>, und so weiter für jeden einzelnen Men-
Übersetzung nicht möglich sei, da Wilhelm von Ockham
schen. [98]
über Terme quantifiziere und nicht wie die moderne L.
(iii) Konfuse und distributive S. wie in J e d e r Mensch
über Variablen. [102] Dagegen haben PRICE u.a. unter
ist ein Lebewesen>. Diese ermöglicht die Folgerung auf
Rückgriff auf die <Nicht-Standard Quantifikationslogik>
eine kopulative Aussage: <Dieser Mensch und dieser
gezeigt, daß man, wenn man nicht über Variablen quanti-
Mensch und dieser usw. ist ein Lebewesen>.
fiziert, die der gleichen Klasse von Gegenständen zuge-
(iv) Bloß konfuse (confusa tantum) S. Diese «kann
hören, sondern über Variablen, die verschiedenen Klas-
man auf einen Satz zurückführen, dessen Prädikat aus
sen (die durch die allgemeinen Terme bezeichnet wer-
einer Disjunktion aus Einzelnem besteht. So gilt: J e d e r
den) zugehören, sehr wohl Wilhelms Suppositionen
Mensch ist ein Lebewesen, also ist jeder Mensch dieses
quantifizieren kann, also für die partikulär (I) bzw. uni-
Lebewesen oder jenes>, usw.» [99] Nicht möglich ist
versell (A) bejahende Aussage <Ein Mensch (F) ist ein
dagegen die Zurückführung auf J e d e r Mensch ist dieses
Lebewesen (G)> bzw. J e d e r Mensch (F) ist ein Lebewe-
Lebewesen oder jeder Mensch ist jenes Lebewesen,
sen (G)> und die entsprechenden partikulär verneinen-
usw.>.
den (O) bzw. universell verneinenden (E)[103]:
Das Folgern auf singuläre Aussagen bezeichnet Wilhelm
von Ockham auch als das des Hinabsteigens zum Einzel- I: (3f)(3g)(f = g)
nen (descendere ad singularia)\ im Gegensatz zur deter- A: (Vf) (3g) (f = g)
minierten Supposition (ii) kann man bei der bloß konfu- O: (3f) -(3g) (f = g) bzw. (3f) (Vg) (f * g)
sen Supposition (iv) nicht über eine Disjunktion singulä- E: (Vf) ~(3g) (f = g) bzw. (Vf) (Vg) (f * g)
rer Aussagen zu den unter den allgemeinen Term
Mensch fallenden einzelnen Dingen hinabsteigen. Für (f und g sind Variablen in Klassen von Gegenständen, die
die determinierte Supposition (ii) gilt zudem die logische durch die Terme F bzw. G bezeichnet werden) Das Her-
Regel, daß man sowohl hinabsteigen, als auch wieder absteigen zum Einzelnen läßt sich damit recht einfach
hinaufsteigen kann: «Wenn man durch eine disjunktive bewerkstelligen, da die determinierte Supposition von I
Aussage von einem allgemeinen Term zu den einzelnen auf I' und die diffus-distributive von A auf A ' folgendes
Gegenständen hinabsteigen kann, und wenn man [umge- ergibt:
kehrt] von jeder beliebigen dieser singulären Aussagen I': (3g) (fj = g) ν (3g) (f 2 = g) ν ...
auf eine solche [partikuläre] Aussage folgern kann, dann A': (3g) (fi = g) λ (3g) (f 2 = g ) A . . .
hat dieser Term eine determinierte personale Supposi-
tion.» [100] Das logische Hinaufgehen ist auch bei der Man mag diese Übersetzung (die von W E I D E M A N N in
bloß konfusen Supposition (iv) möglich (aus J e d e r einigen Aspekte noch präzisiert wird) [104] durchaus für
Mensch ist dieses Lebewesen> folgt formaliter J e d e r logisch gerechtfertigt erachten; dennoch muß festgehal-
Mensch ist ein Lebewesen>), nicht aber bei der konfus- ten werden, daß sie das zentrale Dilemma des Ockham-
distributiven Supposition (iii), da aus einem singulären schen Nominalismus nicht nur ererbt hat, sondern gera-
<Dieser Mensch ist ein Lebewesen) nicht auf <Jeder dezu auch sichtbar macht. Die vorgeschlagene Formali-
Mensch ist ein Lebewesen> gefolgert werden kann. Die- sierung setzt ja voraus, daß man die Variablen vorher als
ses Hinabsteigen zum Einzelnen hat nun nicht nur die Elemente einer Klasse definiert hat, die per definitionem
Funktion, logische Zusammenhänge aufzuzeigen, son- real existiert - anders gesagt: diese <Nicht-Standard-
dern dient primär dem Nachweis, daß unbestimmte Aus- Quantifizierung) setzt die reale Existenz von (allgemei-
sagen wie (ii) und allgemeine Aussagen wie (iii) und (iv) nen) Klassen voraus. Dieses Dilemma, daß man einen
auf Singuläres zurückgeführt werden können. Da diese Gegenstand immer schon unter einen allgemeinen Term
Art der logischen Zurückführung auch die moderne gebracht haben muß, um ihn als einen bestimmten
(nominalistische) formale L. kennzeichnet, liegt nahe, Gegenstand (eben dieser Mensch, dieses Lebewesen
daß von verschiedener Seite versucht wurde, die Ock- usw.) supponieren zu können, läßt sich bei Wilhelm von
hamsche Suppositionslehre zu formalisieren. Daß dies Ockham selbst nachweisen. So liegen ja, wie betont, in
mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden ist, <Ein Mensch ist ein Lebewesen> für Wilhelm von Ockham
macht schon M A T T H E W S deutlich: Man kann nämlich die zwei determinierte Suppositionen vor, da man sowohl
determinierte Supposition (ii) nicht über eine existen- auf <Also ist dieser Mensch ein Lebewesen und jener
tielle Quantifizierung mit dem daraus folgenden Schluß Mensch ist ein Lebewesen usw.> wie auch auf <Also ist ein
auf eine Disjunktion singulärer Sachverhalte darstellen, Mensch dieses Lebewesen oder jenes Lebewesen usw.>
also etwa (F = Mensch; G = Lebewesen): schließen kann. Der letzte Satz macht nur Sinn, wenn

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man unterstellt, daß die Identifizierung eines (unbe- scheidet, wobei nur die personale Supposition reale Kor-
stimmten) Gegenstandes χ als (bestimmter) Gegenstand relate hat:
g nur möglich ist, wenn man diesen singulären Gegen-
stand als ein Exemplar der Art Lebewesen (G) bestimmt
hat. Ohne diese Annahme hat der Term Lebewesen Suppositionen
keine Bedeutung und kann deshalb auch weggelassen (Walter Burleigh)
werden: <Also ist ein Mensch dieses hier oder jenes dort
usw.>; da auch bei der Supposition mit Mensch zum Ein-
zelnen herabgestiegen werden kann, ergäbe sich als
Quintessenz der nominalistischen Bedeutungskonzep- formalis materialis
tion: <Dieses hier ist dieses hier>. Hier könnte eingewen-
det werden, daß Wilhelm von Ockham sehr wohl Allge- personalis simplex
meinbegriffe angenommen habe, die jedoch nur mental
gegeben sind. Doch auch dieser Hinweis kann nicht die
Frage klären, warum man denn mit <Da ist ein Pferd und Bei der generischen, d.h. einfachen (simplex) Supposi-
da drüben steht ein Pferd> auf Gegenstände mit einer tion unterscheidet Burleigh neben dem absoluten Ver-
bestimmten Gestalt (Eidos) verweist und eben nicht a u f - weis (Der Mensch ist die würdigste allen Kreaturen)
beispielsweise - Menschen. Es sei denn, man vertritt eine noch den speziellen (Der Mensch ist eine Art) und den
realistische Bedeutungstheorie - womit weder ontolo- allgemeinen Gebrauch (Die Substanz ist die allgemeinste
gisch impliziert wird, daß das Pferd an sich existiert, Gattung). Damit kann er zwar das mit dem quasi-meta-
noch, daß die vom Prädikat bezeichnete Eigenschaft dem sprachlichen Gebrauch in den beiden letzten Beispielen
Subjekt inhärent ist im Sinne einer /wesse-Relation (sein- von Petrus Hispanus bis Wilhelm von Ockham mitge-
in). Wie schon aus der Tatsache, daß Wilhelm von Ock- schleppte Problem ausdifferenzieren, nicht aber lösen.
ham auch für Prädikate Supposition annimmt, klar wird, Das zeigt sich unmittelbar darin, daß er zur Abstützung
muß er sich gegen diese Inhärenztheorie wenden; des- seiner These vom speziellen Gebrauch ausgeht. Dabei
halb ergibt sich seine Identitätstheorie fast von selbst: führt Burleigh schwere Geschütze - aus dem Topos aus
Eine Aussage ist dann wahr, wenn «das, wofür der Sub- der Autorität - auf: etwa, daß schon für Wilhelm von
jektterm steht oder supponiert mit dem identisch ist, Sherwood eine einfache Supposition dann vorliegt,
wofür der Prädikatsausdruck steht oder suppo- «wenn ein Term für das, was er [allgemein] bedeutet,
niert.» [105] Damit besteht ein Satz nicht mehr aus einem supponiert (quando terminus supponit pro suo signifi-
Subjekt und Prädikat, sondern aus zwei Termen, die auf cato)» [109]; oder, daß nach Priscian der Term Mensch
quantifizierbares Einzelnes verweisen. Daraus ergibt ein «Nomen der Art» sei, und natürlich, daß Aristoteles
sich notwendig die These Wilhelms, daß etwa eine Aus- diesen Term Mensch in den <Kategorien> als «Nomen der
sage wie <Etwas Weißes ist ein Lebewesen> so zu verste- zweiten Substanz» bestimmt habe und dieser deshalb
hen sei, «daß jene Sache, die weiß ist, ein Lebewesen ist; auch etwa «Qualitatives bedeute, und nicht ein bestimm-
d.h. die Aussage <Dies ist ein Lebewesen> ist dann wahr, tes Dieses» [110] (dagegen wird Wilhelm von Ockham zu
wenn man zugleich auf eine Sache zeigt, die weiß Unrecht einwenden, Aristoteles habe die Substanz nur
ist». [106] Aus all dem ist klar, daß bei Wilhelm von Ock- als <Namen für eine Substanz> begriffen [111]). Wesent-
ham die ausführliche Diskussion der copulatio, d.h. der lich ist jedoch in diesem Zusammenhang, daß der von
Verbindung von Subjekts- und Prädikatsausdruck durch Burleigh zitierte Priscian Mensch in diesem Kontext
das Verb sein zu einem Urteil nicht vorkommt - die metasprachlich, eben als <Nomen der Art> bestimmt,
natürlich bei Burleigh in extenso diskutiert werden woraus folgt, daß in Verwendungen wie <Mensch ist eine
muß. [107] Diese rein extensionale Bestimmung der Aus- Art> im Sinne von <Mensch ist ein Nomen der Art> ver-
sage, die zu einer Konvertibilität von Subjekt und Prädi- standen werden kann. Da Wilhelm von Ockham diese
kat führt, denkt sicher radikal die syllogistische Bestim- Verwendung auch als einfache Supposition begreift,
mung der Aussage, wie sie Aristoteles in den <1. Analyti- übergeht auch er die damit angeschnittene Problematik.
kern vorgenommen hat, zu Ende. Doch das <Organon> Im Gegensatz zu Burleigh hält er jedoch daran fest, daß
besteht nicht bloß aus der Syllogistik. Die Problematik eine Aussage wie <Der Mensch ist die würdigste aller
dieser Konvertibilitätsthese läßt sich leicht aufzeigen: so Kreaturen> «dem korrekten Sprachgebrauch nach falsch
gibt es etwa in <Sokrates hat gestern ein Lebewesen gese- (de virtute sermonis falsa) ist, da jedes singulare Beispiel
hen) zwei Referenten oder personale Supposita, eben falsch ist» [112] - kein einzelner Mensch ist in der Tat die
Sokrates und ein Lebewesen. In Sätzen wie <Dies hier ist würdigste aller Kreaturen. Die Kritik Wilhelms von Ock-
ein Lebewesen> oder <Dieser Mensch hier ist ein Lebewe- ham ist offenbar nur stimmig, wenn man unterstellt, daß
sen gibt es nur einen Referenten, eben den in der Nomi- es nur personale Supposition gibt. Dennoch zeigt sich
nalphrase bezeichneten Referenten. Wilhelm von Ockham versöhnlich, da der Burleighsche
Dieser Analyse hätte der Realist Burleigh vermutlich Satz «dem Sinn nach wahr ist»; diejenigen, die solche
zugestimmt, obwohl er sicher mehr Ontologie eingefor- Sätze bilden, wollen damit ja nicht sagen, «daß der
dert hätte. Für Burleigh ist nämlich der Satz <Der Mensch Mensch erhabener als gemeinhin jede Kreatur sei, son-
ist die würdigste aller Kreaturen> so zu verstehen, daß dern, daß er erhabener als jede Kreatur sei, die selbst
«der Mensch unter allen sterblichen Kreaturen die wür- kein Mensch ist». [113] Vielleicht gibt Burleigh auf
digste ist» [108]; d.h. der Ausdruck <der Mensch> suppo- Grund dieses versöhnlichen Zugeständnisses diese Ana-
niert die real existierende Kreatur Mensch. Deshalb lyse kommentarlos wieder; vielleicht auch deshalb, weil
unterscheidet er an der Spitze seiner Einteilung nur zwei in Wilhelms Umformulierung Mensch auch allgemein,
Unterarten der eigentlichen Supposition, nämlich die d.h. in einfacher Supposition stehend, interpretiert wer-
materiale und formale (deren Unterarten personal und den kann. Prinzipieller Natur ist dagegen sein Argument
einfach gleichermaßen auf Realia verweisen - im Gegen- ad absurdum gegen Wilhelm von Ockham, daß nach des-
satz zu Wilhelm von Ockham, der drei Unterarten unter- sen Auffassung in <Sokrates ist ein Mensch> das Nomen

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Mensch nur zu Lebzeiten Sokrates' diesen bezeichne, Nicht-Existenz der Supposi ta haben. [118] Die skizzierte
nicht aber nach dessen Tod, da «dann Sokrates kein Analyse des versprechen zeigt aber zugleich die Grenzen
Mensch mehr ist. Wann immer also ein Mensch stirbt, dieser terministischen Satz- und Aussageanalyse auf. Es
verlöre das Nomen Mensch etwas von seiner Bedeutung. ist nämlich ein keineswegs zu vernachlässigendes Detail,
Und somit folgt, daß jeder, der eine Sache zerstört, daß Burleigh vom Passivsatz <Ein Pferd wurde dir ver-
bewirken würde, daß ein Wort etwas von seiner Bedeu- sprochen» ausgeht, da dieser der kanonischen, von Ari-
tung verliert, was absurd ist». [114] Gegen diese Auffas- stoteles übernommen Zerlegung der Aussage in Subjekt
sung hatte Wilhelm von Ockham jedoch schon früher und Prädikat - moderner formuliert: in eine Nominal-
festgehalten, daß personale Supposition nicht mit dem phrase mit Subjektfunktion und eine Verbalphrase mit
Jetzt-tatsächlich-Zukommen gleichgesetzt werden darf, Prädikatsfunktion - entspricht. Und wenn Wilhelm von
da eine Supposition auch dann vorliegt, wenn ein Term Ockham diesen Satz aktivisch formuliert, dann sicher
«für das steht, was er entweder gegenwärtig bezeichnet, auch mit der polemischen Absicht nachzuweisen, daß
oder aber einmal bezeichnet hat, bezeichnen wird bzw. Pferd gar kein vollständiger Term ist (und deshalb keine
bezeichnen kann». [115] Doch auch hier kann man offen- Supposition im strengen Sinne hat), da er ja im Aktivsatz
bar im Falle der futurischen oder hypothetischen Aussa- als direktes Objekt des Verbs, d.h. logisch als Teil des
gen das Burleighsche ad absurdum-Argumzni gegen Prädikatsausdrucks vorkommt. Beide jedoch teilen wie
Wilhelm von Ockham wenden und fragen, wie man denn die ganze Scholastik die Auffassung, daß die von Aristo-
jetzt beim Äußern eines futurischen Satzes die Bedeu- teles ererbte Zerlegung des Satzes in einen Subjekts- und
tung eines supponierenden Terms kennen kann, wenn sie Prädikatsausdruck die einzig legitime logische Analyse
doch erst in Zukunft sich manifestieren kann. Umge- darstellt. In dieser schon bei Wilhelm von Sherwood
kehrt gibt es auch Fälle, in denen Burleigh die bessere beobachtete Zurückführung komplexer Sätze auf die
Lösung Wilhelms von Ockham nicht akzeptieren kann, zweigliedrige (auf Aristoteles zurückgehende) Form
weil er in diese zuviel Generisches hineinliest. So nimmt Subjekt - Prädikat zeigt sich die epistemologische
er für das viel diskutierte Beispiel «Ein Pferd wird dir Grenze der scholastischen Satz- und Aussageanalyse.
versprochen» eine einfache, d.h. generische Supposition Im Bereich der Theorie über die Folgerungen geht die
an, da man damit nicht dieses oder jenes Pferd verspricht. mittelalterliche L. über Aristoteles hinaus, da sie Schluß-
Umgekehrt gilt, daß man ein Versprechen nur mittels regeln explizit formuliert, die von Aristoteles nicht gese-
irgendeines einzelnen Pferds einlösen kann, da man ja hen bzw. nicht explizit formuliert wurden. Stump sieht
schlechterdings kein allgemeines Pferd> verschenken vier Traditionsstränge aus dem 13. Jh., die zur Herausbil-
kann. [116] Man verspricht also ein Pferd an sich, ver- dung von eigenständigen Abhandlungen <Über die Fol-
schenken muß man jedoch eine bestimmtes Pferd. Damit gerungen» (De consequentiis) geführt haben: (i) die
kann Burleigh zwar <Ein Pferd wird dir versprochen» Topiktradition; (ii) die Abhandlungen zu synkategore-
gegen das etwa in <Da drüben ist ein Pferd> personal sup- matischen Ausdrücken (insb. den Satzkonnektoren
ponierte Pferd abgrenzen, nicht aber gegen das generi- wenn, falls, also, usw.); (iii) die Kommentare oder
sche <Ein Pferd ist ein Lebewesen». Wilhelm von Ock- Abhandlungen zu den Trugschlüssen, insbesondere zum
ham, der vom Aktivsatz (!) <Ich verspreche dir ein Pferd> Scheinschluß der Konsequenz; (iv) Kommentare zu den
ausgeht, argumentiert hier differenzierter, indem er <1. Analytiken». [119] Hierzu wird man sicher auch die
zunächst zeigt, daß es sich im strengen Sinn um keine Traktate zu den Sophismen und Paradoxien (<De sophis-
Supposition handelt, weil <ein Pferd> Teil eines Satzglie- matibus» und <De insolubilibus») rechnen müssen [120],
des (hier: des Prädikats) ist (nur der ganze Subjekt- bzw. aber auch den Traditionsstrang, der sich von Boethius'
Prädikatsausdruck können nach Wilhelm von Ockham Abhandlung zu den hypothetischen Schlüssen (<De syl-
im strengen Sinn supponieren); akzeptiert man Supposi- logismis hypotheticis») über A B B O S VON FLEURY gleichna-
tionen hingegen in einem weiteren Sinn auch bei in den mige Abhandlung wie auch über die entsprechenden
Subjekts- oder Prädikatsausdruck eingebetteten Ter- Abschnitte der <Dialektik> von Abälard bis ins 12. Jh.
men, dann handelt es sich bei Ausdrücken oder Verben verfolgen läßt, um dann wieder im 14. Jh. aufgegriffen zu
wie versprechen, die sich auf Zukünftiges beziehen, um werden (im 13. Jh. gibt es keine Traktate zu den hypothe-
eine bloß konfuse (confusa tantum) personale Supposi- tischen Schlüssen und auch in den großen Logiken von
tion, die sich dementsprechend als Disjunktion wie folgt Wilhelm von Sherwood, Petrus Hispanus und Lambert
auflösen läßt: «ich verspreche dir ein Pferd; also verspre- von Auxerre fehlen entsprechende Abschnitte). [121]
che ich dir dieses oder jenes Pferd usw. für alle gegenwär- Die genannten Traditionsstränge zeigen aber zugleich,
tig und zukünftig aufzählbaren Pferde». [117] Gleiches daß es letztlich um die zentrale Frage der L. seit den Dia-
gilt für Aussagen wie <Hierzu braucht man ein Messen, in lektikern und Aristoteles geht: Wie läßt sich stringentes
dem Messer unbestimmt spezifisch und damit nicht gene- oder zumindest konsistentes Folgern erklären und
riseli supponiert. begründen?
Das letzte Beispiel zeigt, daß die präzisere logische Auch hier hat LUKASIEWICZ mit seiner These, daß die
Analyse mit einer differenzierteren Sprachanalyse ein- Konsequenzlehre die stoische Aussagenlogik aufgenom-
hergeht. So finden sich bei Burleigh wie bei Wilhelm von men und weiterentwickelt habe, für eine intensive und
Ockham neben der Analyse der uneigentlichen Supposi- kontroverse Diskussion gesorgt. [122] So übernimmt
tion auch Kapitel zur Verwendung und Supposition der etwa M O O D Y zunächst diese Auffassung, um sie dann
<Relativa>, d.h. der Pronomina der Substanz (dieser, aber abzuschwächen und sogar ganz aufzugeben. [123]
jener) und des Akzidens (so beschaffen, so viele), der G. JACOB Γ stellt sogar den methodischen Ansatz, die
Reflexivpronomina oder der Pronomina des Unter- Konsequenzlehre von der modernen wahrheitsfunktio-
schieds (der eine, der andere), zu Prädikaten wie Sokra- nal konzipierten Aussagenlogik her zu lesen, in
tes war zweimal in Rom> und zu synkategorematischen Frage. [124] Dennoch hat sich lange dieser Ansatz - wie
Verben wie beginnen und aufhören, die ja - mit Infinitiv die für diese Richtung repräsentativen Untersuchungen
konstruiert - eine mit Verben wie versprechen, wetten von BOH zeigen [125] - im angelsächsischen Sprachraum
usw. vergleichbare Semantik hinsichtlich der Existenz/ durchgesetzt. BOCHENSKI schließlich bezweifelt schon

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früh einen direkten Einfluß der Stoa auf die Spätschola- Implikationsbeziehungen) oder als Schlußregeln zu ver-
stik, hält aber an der Auffassung fest, daß es sich um eine stehen? Diese Frage ist eindeutig im zweiten Sinne zu
frühe Stufe der modernen Aussagenlogik handelt. Das beantworten, da diese regulae festlegen, wie man bei
betont er auch in seiner Geschichte der L.: Die Konse- einer bestimmten Konfiguration der Prämissen auf eine
quenzlehre «ist wesentlich eine Weiterführung der bestimmte Konklusion folgern kann. Der wesentliche
stoischen Aussagenlogik, doch wurde sie - soweit wir Unterschied zu den Maximen besteht jedoch darin, daß
wissen - von Grund auf neu entwickelt: nicht im hier zwei Schlüsse die Prämissen bilden und nicht, wie bei
Anschluß an die stoischen Logoi [...], sondern an gewisse den bisher behandelten termlogischen Topoi, generische
Stellen der <Hermeneia> und vor allem der und spezifische Aussagen; veranschaulicht in Abb. 9.
<Topik>.»[126] Diese These wird man sicher differenzie- Nun formuliert Wilhelms Werk - wie alle Konse-
ren müssen, da die Stoa dem Spätmittelalter indirekt quenzabhandlungen - auch termlogische Topoi. Den
über die genannten Traditionsstränge (insbesondere die aufgeführten Topos aus der Art (T Art ) beschreibt er wie
Abhandlungen und die einschlägigen Abschnitte der folgt:
großen Logiken zu den hypothetischen Syllogismen) (Tl) «Eine andere Regel ist diese, daß von einem
sehr gut bekannt waren. Dennoch bestimmt die Auffas- Untergeordneten zu seinem Übergeordneten ohne
sung Bochenskis, die er selbst nicht weiter entwickelt hat, Negation, ohne Distribution und ohne irgendeinen Aus-
wesentlich die neuere Forschung - vor allem auch ausge- druck, der eine negierende oder distribuierende Kraft
löst durch mehrere Untersuchungen von O. Bird. [127] hat, die Konklusion (consequentia) sowohl an sich als
Diese Untersuchungen führen schon bald zur These der auch akzidentell gültig ist; an sich z.B.: ein Mensch läuft;
«Absorption der Topik in der Konsequenzlehre»
also läuft ein Lebewesen; akzidentell z.B.: ein weißer
(Stump); ähnlich urteilt G R E E N - P E D E R S E N , der in der Tat-
Mensch läuft; also läuft ein Weißes.» [132]
sache, daß zusätzliche formale Topoi unterschieden wur-
den, ein «Aufgeben der Topik als Methode des Bestäti- In diesen beiden Varianten ist offenbar noch ein Nach-
gens von Argumenten» herausliest, während SCHUPP hall der aristotelischen Topik zu sehen, da die an-sich-
darin ein Vergessen der ursprünglichen Funktion der Variante dem Topos der Gattung aus der Art entspricht
Topoi, termlogisch gegründete Anweisungen zu geben, und die Akzidensvariante dem Topos des Akzidenz aus
sieht. [128] C. K A N N schließlich weist darauf hin, daß die- der Art. Neu ist, daß die begriffslogischen Beziehungen
ser Absorptionsprozeß Divergenzen aufweist. So ist etwa nicht mehr über die Prädikabilien formuliert werden, wie
bei Wilhelm von Ockham die Topik ganz in die Folge- auch, daß Ausnahmebedingungen angegeben werden,
rungslehre integriert; in BURIDANS <Compendium totius die nicht vorliegen dürfen, damit der Schluß gültig ist.
Logicae> wird die Topik noch in einem eigenen Von diesen verweisen die Bedingung, daß der Term nicht
Abschnitt nach den Syllogismen behandelt, sie fehlt aber in Distribution stehen darf (d.h. nicht in distributiver
in seiner Abhandlung <De consequentiis>; auch Albert Supposition verwendet wird), und die Bedingung, daß
von Sachsen erörtert in seiner <Perutilis logica> nach den kein zusätzlicher Ausdruck mit distribuierender Funk-
Syllogismen die Topoi, diese sind aber in einen Abschnitt tion (vis, Kraft) vorkommen darf, auf die in der termini-
zu den Konsequenzen integriert und werden erst am stischen L. getroffenen Unterscheidungen. Da dies keine
Ende dieses Abschnitts diskutiert. [129] Betrachtet man wesentlichen Unterschiede zum traditionellen Toposbe-
nun etwa die Bestimmung der Funktion des Topos bei griff sind, gilt, daß die Schlußregeln für termlogische
Burleigh, so fühlt man sich sofort auf vertrautem Beziehungen mit den gemeinsamen Topoi bzw. den
Gelände: «Jede gültige Folgerung wird durch irgendei- Maximen identisch sind.
nen Topos, der die Maxime ist, gestützt. Denn die Auch bei der Formulierung der aussagenlogischen
Maxime ist nichts anderes als die Regel, durch welche die Regeln bezieht sich Wilhelm von Osma auf Konfigura-
Folgerung gestützt wird» (Omnis consequentia bona tionen von Schlüssen, da er auch hier von einer gültigen
tenet per aliquem locum qui est propositio maxima. Nam Folgerung (bona consequentia) spricht; etwa für die Kon-
propositio maxima non est nisi regula, per quam conse- junktion: (K2) «Von einer ganzen kopulativen Aussage
quentia tenet). [130] zu jedem ihrer Glieder ist eine gültige Folgerung (bona
consequentia).» [133] Hier ist das lat. consequentia mit
Als Beispiel für eine solche Maxime (oder einen <Folgerung> übersetzt und nicht wie im Beispiel (Tl) mit
gemeinsamen Topos) gibt er u.a. folgende Schlußregel: <Konklusion>. Da beide Übersetzungen prinzipiell mög-
«Was immer auf das Konsequens folgt, folgt auch auf das lich sind, muß jeweils entschieden werden, ob eher die
Antezedens» (Quidquid sequitur ad consequens, sequi- ganze Folgerung bzw. der ganze Schluß oder nur die
tur ad antecedens). Die gleiche Regel findet sich etwa Konklusion gemeint ist. Bei einer Übersetzung mit dem
auch bei W I L H E L M VON O S M A , der zur Burleigh/Wilhelm synekdochetischen Ausdruck <Konklusion> muß aber
von Ockham-Gruppe gerechnet wird: klar sein, daß sich bona nicht auf die Wahrheit der Kon-
(II) «Eine andere Regel (regula) ist diese, daß was klusion bezieht, sondern <gültig aus bestimmten Prämis-
immer auf das Konsequens (consequens) folgt, auf das sen gefolgert meint. Damit könnte man die zitierte Kon-
Antezedens folgt·, z.B. diese Folgerung (consequentia): junktionsregel mit SCHUPP durchaus modern so verste-
Ein Mensch läuft; also läuft ein Lebewesen; da auf das hen (|> symbolisiert ist folgerbar):
Konsequens folgt: ein Lebewesen läuft; also läuft ein
Körper, folgt auf das Antezedens: ein Mensch läuft; also (K2) Ρ Λ q |> Ρ oder Ρ Λ q |> q [= Λ BES]
läuft ein Körper». [131] Dies entspricht der Schlußregel der Konjunktionsbeseiti-
Daß bei Wilhelm von Osma der explizite Bezug zur gung (Λ BES) [134]; freilich stellt Wilhelm von Osma
Topik fehlt, überrascht nicht, da ja die gemeinsamen diese Regel nur fest, ohne sie zu begründen und zu
Topoi bzw. seit Boethius die Maximen als Schlußregeln beweisen. In der modernen wahrheitsfunktionalen L.
begriffen werden. Freilich stellt sich hier die gleiche Pro- kann diese Gültigkeit bewiesen werden, weil (K2) das
blematik wie bei den syllogistischen und topischen aussagenlogische Gesetz <(p A q) —> p> zugrundeliegt, d.h.
Schlußgaranten bei Aristoteles: Sind diese Formulierun- eine Aussagenverbindung, die immer wahr ist, gleichgül-
gen als aussagenlogische Gesetze (oder zumindest als tig welche Wahrheitswerte man auch für ρ und q einsetzt.

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Logik Logik

termlogisch aussagenlogisch
A ist Art von C
Einem A kommt Ρ zu h :
TAU
p, also q
q, also r I
I
:
TKONS
Also: Einem C kommt Ρ zu Also: p, also r -
BEISPIEL (II)
BEISPIEL
Menschen sind Lebewesen Ein Mensch läuft, also läuft ein Lebewesen
Ein Mensch läuft Ein Lebewesen läuft, also läuft ein Körper
Also: Ein Lebewesen läuft Also: Ein Mensch läuft; also läuft ein Körper
(Abb. 9)

Damit bestünde der einzige Unterschied der Konse- Regeln der Umformulierung von Aussagen, also um
quenzlehre zur modernen L. nur darin, daß die Konse- Äquivalenzen (bzw. in der Terminologie von Wilhelm
quenzlehre noch nicht über den Begriff des logischen von Sherwood oder Petrus Hispanus um Äquipollenzen)
Gesetztes verfügt hat. Auch das muß bezweifelt werden. geht. Hier formuliert Wilhelm von Osma durchaus im
Nicht nur, weil Wilhelm von Osma durchgängig die Bei- modernen Sinn:
spiele in Form vom Schlußkonfigurationen mit Prämis- «Eine andere Regel ist diese: Das kontradiktorische
sen und einer durch also eingeleiteten Konklusion for- Gegenteil einer kopulativen Aussage ist eine disjunktive
muliert, sondern vor allem deshalb, weil er offenbar Aussage, die aus dem jeweiligen Gegenteil der kopulati-
auch bei der Formulierung der Regeln bestimmte ven Glieder gebildet (facta) wird; so ist z.B. das kontra-
Schlußfiguren vor Augen hat. Das sei kurz für die diktorische Gegenteil der kopulativen Aussage Du bist
Regeln der kopulativen Aussage verdeutlicht. So formu- ein Mensch, und du bist ein Lebewesen folgende Aussage
liert er etwa kurz vor (K2) die Regel (Kl): <Falls (si) ein Du bist nicht ein Mensch, oder du bist nicht ein Lebewesen
kopulatives Hauptglied falsch ist, ist die ganze kopula- (tu non es homo, vel tu non es animal).»
tive Aussage falsch> und danach die Regel (K3) <Von Zu beachten ist, daß in dieser Syntaxregel (Wilhelm
einem kopulativen Glied ist die Konklusion auf die von Osma verwendet das Verb facere; herstellen/bilden)
ganze kopulative Aussage nicht gültig, sondern ein Fehl- keinerlei Hinweis auf eine Folgerung zu finden ist. Da die
schluß (fallacia) der Konsequenz>. [135] Diese beiden lateinische Formulierung zeigt, daß die Negation sich auf
Formulierungen beziehen sich offenbar auf folgende die jeweilige Teilaussage bezieht, kann man mit Schupp
Schlußkonfigurationen: sagen, daß hier ein sog. De Morgansches Gesetz explizit
formuliert ist, symbolisiert [137]: ~ (ρ λ q) = ~ ρ ν ~q.
Etwas schwieriger gestaltet sich die Frage nach dem
Kl K3 K2 Status der Regeln Wilhelms von Osma in Fällen wie (II),
d.h. wenn in einer Prämisse ein ganzer Schluß oder eine
(i) ΡΛ 1 ρΛ q ΡΛ Q Implikation (Konditionalaussage) steht; hier geht
(ii) Ρ Schupp davon aus, daß bei Wilhelm von Osma «sich wie
~P Ρ q bei mittelalterlichen Logikern [häufig eine] Unsicherheit
(iii) NON bei der Unterscheidung von Folgerungen und Konditio-
~(p Λ l ) ~(P Λ l ) nalaussagen» [138] zeige. Dagegen läßt sich leicht zeigen,
daß Wilhelm von Osma eine klare (wenn auch kom-
plexe) Vorstellung von consequentiae (Folgerungen) und
Hier ist die der schon behandelten Regel (K2) zugrunde- conditionales (Konditionalsätzen) hatte, die jedoch nicht
liegende Schlußfigur eingefügt. Daraus ergibt sich nun - nur in diesem Sinne kann Schupp zugestimmt werden -
eindeutig Fragestellung und Vorgehensweise von Wil- mit modernen Vorstellungen gleichgesetzt werden darf.
helm von Osma: (i) Nehmen wir die kopulative Aussage; So kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß Wilhelm
(ii) fragen wir nun, wie wir folgern können, wenn wie in von Osma mit Folgerungen auch hier, wenn Implikatio-
(Kl) eine Teilaussage falsch ist; (iii) offenbar ist der nen ins Spiel kommen, eben nicht <Implikationen> meint,
Schluß auf die Falschheit der ganzen kopulativen Aus- sondern Argumente oder Schlüsse, die aus Prämissen
sage gültig. Im Falle von (K2) gilt für (ii): Was können wir und einer Konklusion bestehen. Das sagt er selbst ein-
folgern, wenn beide Teilaussagen wahr sind? Gleiches gilt deutig im ersten Satz seiner Abhandlung:
für (K3), deren Formulierung zugleich auf den erwähnten «Eine Schlußfolgerung (consequentia) ist eine Konfi-
Einfluß der <Sophistischen Widerlegungen) verweist. Ein guration (aggregatum) aus Antezedens und Konsequens
schönes Beispiel des Einflusses der Kommentare zu den mit einer Markierung (nota) für die Folgerung; das Ante-
<Sophistischen Widerlegungen» ist auch die oben ausführ- zedens ist das, was der Markierung vorangeht. Und Mar-
lich im Zusammenhang mit dem Fehlschluß des Akzidens kierungen der Schlußfolgerung sind: also (ergo), somit
analysierte Schlußfolgerung aus der <Andersartigkeit> (ideo), deshalb (igitur), falls (si) und da (quia).» [139]
(alietas) wie z.B. «Du bist etwas anderes als ein Esel; also Auch die von ihm formulierten Regeln - außer den
bist du etwas anderes als ein Lebewesen», dessen Fehler Umformulierungen - beziehen sich auf diese so definier-
Wilhelm von Osma deshalb wohl auch termlogisch for- ten Schlußfolgerungen, ebenso sind die gegebenen Bei-
muliert; dieser Schluß ist nämlich ungültig, weil aus einem spiele durchgängig konkrete Schlußfolgerungen. So etwa
Unterbegriff mit dem Kennzeichen der Andersartigkeit (12): «Wenn eine Schlußfolgerung (consequentia) vor-
auf den Oberbegriff gefolgert wird. [136] liegt und es unmöglich ist, daß das Antezedens wahr ist,
Von den bisherigen Schlußregeln ist ein zweiter Typ wenn nicht (nisi) zugleich das Konsequens (consequens)
von Regeln streng zu unterscheiden, in dem es um wahr ist, dann ist die Schlußfolgerung gültig; z.B. du

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läufst; also bewegst du dich.» [140] Hier kann man nicht (1) Eine Schlußfolgerung ist gültig, wenn (quando) das
schließen, daß Wilhelm von Osma nur die strikte Impli- Konsequens formal aus dem Antezedens begriffen wird;
kation zuläßt, da sich diese Formulierung auf ein Enthy- wie: falls du läufst, bewegst du dich (si tu curris, tu move-
mem bzw. ein topisches Argument bezieht (ρ, also q) und ris).
Bedingungen der Gültigkeit des Arguments angibt. Auch (2) Eine konditionale Schlußfolgerung (conditionalis)
hier könnte man die Gültigkeit der Konklusion mit dem ist genauso gültig wie eine Schlußfolgerung, die aus dem
gleichen Schema wie der Konjunktion erklären, also: Antezedens und dem Konsequens dieser konditionalen
Schlußfolgerung gebildet ist; so z.B.: «falls (si) du läufst,
bewegst du dich> gilt so viel wie <du läufst, also (ergo)
12 Gültigkeitsbedingung bewegst du dich>.
(nach Wilhelm von Osma) (3) Eine Art der konditionalen Schlußfolgerung ist für
(i) p q jetzt (ut nunc) gültig, die andere schlechthin (simplici-
Ρ (ü) Ρ ter). [145]
also,q Ρ l> q =def U(p λ ~q)
U(P a ~q) Aufgrund des eindeutigen Beispiels wird hier in (2) con-
(iii) q ditionalis nicht mit «konditionale Aussage> bzw. mit
<Implikation> übersetzt. In (1) ist offenbar das von uns in
der Diskussion des stoischen Implikationsbegriffs unter-
Der Nachteil dieser Darstellung ist, daß sie nicht der For- schiedene hypothetische Argument gemeint [146]: «Falls
mulierung von Wilhelm von Osma entspricht, obwohl sie es zutrifft, daß Wilhelm jetzt in Rom ist, gilt auch, daß er
erklärt, wie man korrekt auf die Konklusion q schließen beim Papst ist>. Dieses von uns formulierte Beispiel ist
kann. Es ist somit notwendig, neben den bisher unter- nur «für jetzt> (bzw. wie Wilhelm von Osma in (3) sagt: ut
schiedenen Schluß- und Umformulierungsregeln noch nunc) gültig; das Beispiel in (1) ist hingegen «schlechthin)
Bedingungen der Gültigkeit von Schlüssen oder Argu- gültig, weil man es immer vollziehen kann, ohne über ein
menten zu unterscheiden. Die hier geltende Bedingung spezifisches Wissen von Wilhelm zu verfügen. Hervorhe-
wurde als definitorische Festlegung formuliert; das Defi- benswert scheint in (1), daß die konfigurationale Bedin-
niendum wird absichtlich nicht wie bei Schupp als Impli- gung mit dem in der Grundbedeutung temporalen
kation (p -* q) [141] - eine zu moderne Interpretation - , quando formuliert wird («Wann immer man das Konse-
sondern genauso wie im Text von Wilhelm von Osma als quens .. .>), die Schlußfolgerung hingegen mit dem hypo-
Schlußfolgerung (r |> q) formuliert. Man beachte, daß thetischen si. Daß hier ohne jeden Zweifel mit conditio-
diese Symbolisierung nach Standards des modernen nalis das hypothetische Argument gemeint ist, ergibt sich
Logikkalküls nicht korrekt ist. Entsprechend läßt sich aus schließlich aus der Regel (2), in der nichts anderes gesagt
(13): wird, als: für die hypothetischen Folgerungen gelten die
«Eine andere Regel ist diese: In jeder gültigen und for- gleichen logischen Regeln wie für die realen Folgerun-
malen Folgerung (consequentia) folgt aus dem kontra- gen, in denen der Proponent die Wahrheit aller Prämis-
diktorischen Gegenteil des Konsequens das kontradikto- sen garantiert. Da diese Interpretation quer zur von der
rische Gegenteil des Antezedens.» [142] eine Vorform modernen L. inspirierten aktuellen Forschung liegt -
der Äquivalenzregel der Kontraposition herauslesen, beide unterscheiden nicht systematisch zwischen Impli-
also etwa: ρ | > q = ~q |> ~p; doch auch hier gilt, daß Wil- kation (Konditional) und hypothetischem Argument - ,
helm von Osma von Folgerung und nicht von Implika- sei diese noch durch eine Stelle aus dem anonymen <Liber
tion spricht. Ein Teil dieser Gültigkeitsregeln bezieht consequentiarum> abgestützt. Der Autor formuliert
sich auf modale Operatoren: «Aus Notwendigem folgt nämlich dort die Regel, daß jede Folgerung (consequen-
niemals Kontingentes» oder «Aus Unmöglichem folgt tia) mit einem Konditionalsatz (conditionalis) äquivalent
Beliebiges». Der größte Teil der Schlußfolgerungsregeln ist (equivalet). [147] Als Grund (ratio) für diese Regel gibt
(regulae consequentiae) sind freilich Regeln der Umfor- er an: «Was auch immer für eine Folgerung verlangt wird,
mulierung von Aussagen, die sich (i) aus dem logischen damit sie gültig ist, das wird auch von einem Konditional-
Quadrat Aristoteles' oder (ii) aus bestimmten Supposi- satz verlangt, damit er wahr ist, und umgekehrt» (quid-
tionen bzw. synkategorematischen Ausdrücken ergeben; quid requiritur ad consequentiam esse bonam, hoc requi-
ein Beispiel für (i) ist: «Die Schlußfolgerung von einer ritur ad conditionalem esse veram, et econverso).
universellen zu ihrer partikulären Aussage ist, affirmativ Von der modernen L. her gelesen drängt sich natürlich
wie negativ, gültig»; für (ii) «Die Schlußfolgerung von die Annahme auf, daß der Konditionalsatz hier im Sinne
einer exklusiven Aussage zu ihrem Basissatz (praeia- der wahrheitsfunktionalen Implikation zu lesen ist, und
cens) ist gültig» (nur ein Mensch läuft; also läuft ein somit der ganze Text das für das Mittelalter typische Pro-
Mensch). [143] Doch es gibt auch Regeln mit synkatego- blem aufzeigt, nicht klar zwischen Implikation und Fol-
rematischen <Distributoren>, die als Schlußregeln zu ver- gerung unterscheiden zu können. Nun läßt sich dieser
stehen sind. So ist z.B., wenn man im oben erwähnten Text wie auch die unmittelbar folgende ausführliche
Topos von der Art (T Art ) dem Subjekt in Prämisse wie Erörterung durchaus auch in dem Sinne verstehen, daß
Konklusion einen exklusiven Ausdruck hinzufügt, fol- conditionalis hier hypothetisches Argument) meint. Das
gender Schluß gültig: (lediglich ein Mensch läuft; also wird auch durch die diese Regel abschließenden Bei-
läuft lediglich ein Lebewesens [144] Neben diesen Aus- spiele bestätigt. Dort nämlich zeigt der Autor, daß eine
drücken berücksichtigt Wilhelm von Osma noch weitere enthymematische Folgerung (consequentia enthimema-
seit dem 13. Jh. unterschiedene Synkategoremata wie die tica) wie «Ein Mensch läuft (p); also läuft ein Tier (q)»
<exceptiva> außer, ausgenommen und sofern nicht, die mit dem Konditional «Wenn ein Mensch läuft (p), dann
<temporalia> gestern und jetzt oder <Hilfsverben> wie läuft auch ein Lebewesen (q)» äquivalent ist, d.h.
beginnen und aufhören. umschrieben: «Wenn es jetzt wahr ist, daß p, dann kann
Die bisherigen Analysen werden auch durch die kurze man auch folgern, daß jetzt q wahr ist>. Wenn bei diesen
Behandlung der Konditionalsätze durch Wilhelm von singulären Sachverhalten die Interpretation als hypothe-
Osma bestätigt, für die er nur drei Regeln formuliert: tisches Argument plausibler ist, so scheint beim zweiten

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vom Autor für eine syllogistische Folgerung gegebenen (9) Die genannten Punkte - insbesondere (2), (4), (5),
Beispiel eher die Interpretation als Implikation gemeint (7) und (8) - lassen den eindeutigen Schluß zu, daß den
zu sein: (K) «Jeder Mensch ist ein Lebewesen; alles zum- Autoren der Konsequenzlehre die rein wahrheitsfunktio-
Lachen-Fähige ist ein Mensch; also ist alles zum-Lachen- nale Definition der Implikation nicht klar war.
Fähige ein Lebewesen»; die Konditionalvariante ist: Aus der Vielschichtigkeit dieser Punkte ergibt sich -
(T K ) Wenn jeder Mensch ein Lebewesen ist, und alles zusammen mit der Tatsache, daß Aristoteles nicht mehr
zum-Lachen-Fähige ein Mensch ist, ist alles zum- die nicht-hinterfragbare Autorität ist - , daß jeder Autor
Lachen-Fähige ein Lebewesen (si omnis homo est animal sich in diesem Problemfeld situieren muß. Daraus erklärt
et omne risibile est homo, omne risibile est animal). sich die relativ große Uneinheitlichkeit in der Terminolo-
Kann man T K im modernen Sinn als eine implikative gie der Abhandlungen (nicht in der Sache) zu den Konse-
Aussage verstehen oder zumindest im Sinne von Aristo- quenzen. So mag man zunächst überrascht sein, daß sich
teles als (syllogistischen) Schlußgarantenl Gegen beide Burleigh weder in seinem logischen Traktat noch in der
Interpretationen spricht einmal, daß keine Variablen früher geschriebenen Abhandlung zu den Konsequenzen
verwendet werden, und zum andern, daß der Autor (<De consequentiis>) - die wahrscheinlich erste Abhand-
selbst sagt, daß T K mit Κ äquivalent ist, d.h.: die Gültig- lung zur Konsequenzlehre - prinzipiell von Wilhelm von
keit des Konditionals T K kann auch durch die Folgerung Osma, Wilhelm von Ockham und anderen Autoren
Κ belegt werden. Wenn man hier nicht einen circulus unterscheidet. Burleighs <De consequentiis> sind sicher
vitiosus akzeptieren will, bleibt nur die Interpretation etwas unsystematischer als spätere Abhandlungen und
von T K als hypothetisches Argument. erinnern in Terminologie und Argumentation noch mehr
Abschließend muß noch auf einen vierten Typ von an die Traktate des 13. Jh. (und d.h. auch die aristoteli-
Regeln hingewiesen werden, in denen Bedingungen der schen Schriften), was etwa auch dadurch zum Ausdruck
Wohlgeformtheit formuliert sind, wie: «Die Schlußfolge- kommt, daß er eine Regelgruppe für Syllogismen und
rung von einer universell affirmativen zu ihrer singulären eine Gruppe für Enthymeme bzw. topische Argumente
Aussage ist gut, wenn das erforderliche Zwischenglied unterscheidet. [149] Sein Diktum, daß jede Folgerung
formuliert ist; z.B.: jeder Mensch läuft, dieser-da ist ein durch eine topische Maxime gestützt wird, ist damit nicht
Mensch; also läuft dieser Mensch-da.» [148] in dem Sinne zu verstehen, daß er eine auf der Topik
Das am Beispiel Wilhelms von Osma und des <Liber gegründete Konsequenzlehre entwickeln will; Burleigh
consequentiarum> erörterte Problemfeld der spätschola- will vielmehr nur zeigen, daß man Maximen durchaus in
stischen Konsequenzlehre läßt sich damit wie folgt einem weiten Sinn als <logische Örter> verstehen kann,
beschreiben: welche die Gültigkeit jeder Folgerung ausweisen kön-
(1) In der Konsequenzlehre fokussieren sich alle Strö- nen. Deshalb kann er an der gleichen Stelle auch sagen,
mungen und Teile der L., in denen das Problem der gülti- daß nicht nur die Maximen von Boethius loci sind, son-
gen Schlußfolgerung direkt (Syllogismen, Topik, Hypo- dern auch die von Aristoteles in den <1. Analytiken) und
thetische Syllogismen (und damit auch die megarisch- der <Hermeneia> formulierten Schlußregeln. [150] Durch
stoischen Schlußschemata), Synkategoremata) oder diese Bedeutungserweiterung verlieren die Topoi ihre
indirekt (Sophistische Widerlegungen, Sophismata, spezifische prädikabilien- bzw. termlogische Besonder-
Paradoxien) thematisiert ist. heit und werden synonym mit Schlußregeln. In dieser
(2) Diese komplexe Intertextualität läßt meist keine auch bei anderen Autoren zu beobachtenden weiten
eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Traditions- Verwendung des Begriffs Topos wird, wie Schupp kri-
strang zu; man muß deshalb oft von einem Amalgam ver- tisch anmerkt, der Unterschied zwischen Aussagenlogik
schiedener Traditionsstränge ausgehen. und Termlogik «verwischt». Nun gibt es ja nicht zwei
(3) Gegenstand der Konsequenzlehre sind nicht Impli- wohl unterschiedene Logiken des Folgerns. Dies scheint
kationen, sondern Schlußfolgerungen. Schupp zu unterstellen, wenn er ein auf Barbara basie-
(4) Eine Schlußfolgerung ist eine Konfiguration aus rendes Argument (Jedes A ist B; deshalb ist jedes C B)
mindestens zwei Aussagen (Prämisse und einer Konklu- dahingehend interpretiert, daß es durch den Topos A C
sion); sie wird durch einen Konnektor (also, falls, da) C (d.h. A ist Oberbegriff von C) legitimiert wird. [151]
markiert. Damit setzt er offenbar den gemeinsamen mit dem spezi-
(5) Da die Prämissen auch mit Antezedens und die fischen Topos gleich. Richtig wäre im Sinne Aristoteles'
Konklusionen mit Konsequens bezeichnet werden, hingegen: «Wenn A C C, und wenn jedes Α Β ist, dann
drängt sich für moderne Interpreten die Vermutung auf, kann man auch schließen, daß jedes C Β ist». Das ist die
Konditionalsätze seien als Implikationen im modernen topisch formulierte Schlußregel für den Modus Barbara,
Sinne zu verstehen; diese Vermutung ergibt sich nicht in der natürlich auch aussagenlogische Beziehungen the-
mit Notwendigkeit. Plausibler erscheint dagegen, daß matisiert werden. Man kann deshalb durchaus dialekti-
auch Konditionalsätze als Schlüsse - d.h. als hypotheti- sche Topoi und logische Topoi (bzw. moderner: termlo-
sche Argumente - gedacht wurden. gische und aussagenlogische Topoi) unterscheiden. Daß
(6) Die in der Konsequenzlehre formulierten Regeln sich dieser Sprachgebrauch nicht durchgesetzt hat, ist
lassen sich vier Gruppen zuordnen: Schlußregeln, sicher darin begründet, daß die Topik eher als L. des bloß
Umformulierungsregeln, Gültigkeitsbedingungen und Wahrscheinlichen und als eine auf Prädikatsbeziehungen
Wohlgeformtheitsbedingungen. aufbauende Argumentationstheorie begriffen wurde.
(7) Bei Schlußregeln sind termlogische Formulierun- Sicher hat dazu auch Burleighs eigener Sprachgebrauch
gen häufig; da diese auf die Topik-Tradition verweisen, beigetragen, da er fast durchgängig von Regeln (regulae)
finden sich hier oft auch Hinweise auf die gemeinsamen spricht. Zu den wenigen Regeln, bei denen er explizit den
Topoi bzw. die Maximen. Terminus locus verwendet, gehören die beiden folgen-
(8) Bei Gültigkeitsbedingungen und noch mehr bei den aus <De consequentiis>:
Umformulierungsregeln ist eine größere Nähe zur (1) Aus Unmöglichem folgt Beliebiges aufgrund des
modernen wahrheitsfunktionalen Aussagenlogik gege- Topos aus dem Weniger (per locum a minore). Beispiel:
ben als bei Schlußregeln. Du bist ein Esel; also bist du ein Hase.

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(2) Notwendiges folgt auf Beliebiges aufgrund des leigh unterschiedenen rein akzidentellen Beispiele bzw.
Topos aus dem Weniger. Beispiel: Du läufst; also exi- Regeln, an: (R3) «Aus Unmöglichem folgt Beliebiges»
stiert Gott. [152] und: (R4) «Notwendiges folgt aus Beliebigem»; auch hier
In <De consequentiis> unterscheidet Burleigh wie Wil- handelt es sich um extrinsische Mittel. [156] Um diese
helm von Osma Folgerungen, die (A) ut nunc (für jetzt) drei Arten von Folgerungen in eine korrekte Dihairesis
und (B) simpliciter (schlechthin) gelten. Letztere diffe- bringen zu können, muß man offenbar das bei Wilhelm
renziert er wie Wilhelm von Osma in ( B l ) natürliche (an von Ockham nicht genannte Merkmal <nicht-intrinsisch>
sich und (B2) akzidentelle Folgerungen. In einer natürli- einführen [157]:
chen Folgerung ist das Konsequens aus dem Antezedens
einsichtig (etwa: <Wenn ein Mensch ist, dann ist ein
Folgerungen
Lebewesen> - d.h. bei Wahrheit des Antezedens kann
das Konsequens nicht falsch sein). Die akzidentelle Fol- Begründung
gerung zerfällt in eine Schlußfolgerung (B2a), die durch
die Beschaffenheit der Aussage bzw. die Bedeutung der intrinsisch nicht-intrinsisch
Terme gilt (z.B.: <Es ist wahr, daß Gott existiert; also ist
es notwendig, daß Gott existiert) und eine rein akziden-
[formal] formal material
telle Folgerung (B2b), in der keinerlei sachliche oder
( termlogische (Syntaxregeln) (allgemeine
semantische Beziehung zwischen Antezedens und Kon-
sequenz besteht. Zu diesen gehören die in (1) und (2) Beziehungen) Bedingungen)
genannten Beispiele <Du bist ein Esel; also bist du ein (i) (ü) (üi)
Hase> bzw. <Du bist ein Esel; also existiert Gott>. [153]
Genau diese rein akzidentelle Folgerung mit nur zwei Alle Folgerungen sind somit extrinsisch begründbar.
Fällen wird dann von Wilhelm von Ockham (der sie Intrinsisch begründbare Folgerungen (i) unterscheiden
jedoch als materiale Konsequenz bezeichnet) wieder auf- sich von den beiden anderen dadurch, daß ihre Gültig-
gegriffen. keit auch durch die Explikation der fehlenden Prämisse
Bei Wilhelm von Ockham ist zwar der Terminus locus als gültig nachgewiesen werden können - ohne daß dazu
verschwunden, die damit gemeinte Sache ist aber noch in die Formulierung einer extrinsischen Regel (die jedoch
Form des medium extrinsecum vorhanden. Wilhelm von prinzipiell möglich ist) notwendig wäre. Bird (der nur (i)
Ockham wie auch der ihm hier folgende <Liber conse- betreffende Regeln untersucht) und Schupp haben
quen tiarum>, dessen Autor anonym geblieben ist [154], gezeigt, daß genau im Falle (i) die Topik «relevant» [158]
unterscheidet wie Burleigh und Wilhelm von Osma die wird. In der Tat entsprechen die von Wilhelm von Ock-
schlechthin (simpliciter) geltende bzw. einfache (simp- ham für diese Gruppe von Folgerungen formulierten
lex) und die für jetzt (ut nunc) gültige Folgerung. Wesent- Regeln den Topoi. Diese extrinsischen Regeln formu-
licher für unseren Zusammenhang ist die Unterschei- liert er freilich nicht in der kanonischen Form, sondern,
dung in medium intrinsecum und extrinsecum, die entge- wie ( R l ) zeigt, im Sinne von Boethius: «Die Folgerung
gen der gängigen Auffassung nicht - wie Schupp gezeigt vom Singulären zum Unbestimmten ist gültig»; entspre-
hat [155] - zwei disjunkte Arten bilden. Ein intrinsisches chend lautet die der Folgerung (1') <Kein Lebewesen
Mittel (i), um die Gültigkeit der Folgerung (1) <Sokrates läuft, also läuft kein Esel> zugrundeliegende extrinsische
läuft nicht; also läuft ein Mensch nicht> nachzuweisen, ist: Regel ( R l ' ) : «Die Folgerung negativ von einem distribu-
<Sokrates ist ein Mensch). Damit wird faktisch die unter- ierten Oberbegriff (superior) auf einen distribuierten
stellte Prämisse explizit benannt. Dieses Mittel heißt Unterbegriff (inferior) ist gültig.» [159] Sieht man von
<intrinsisch>, weil nur Terme aus dem zu belegenden den hier nicht relevanten Unterschieden in der Präzision
Argument genommen werden. Die Gültigkeit von intrin- und in der Benennung der Differenzkategorien ab (die
sisch belegten Folgerungen oder Argumenten wie (1) auf die nominalistische Suppositionslehre zurückzufüh-
lassen sich zusätzlich durch extrinsische Mittel beweisen; ren sind), ist hier nur neu, daß Wilhelm von Ockham
im gegebenen Fall ist dies die Regel ( R l ) : «Die Folge- immer explizit feststellt, daß es sich um eine gültige Fol-
rung vom Einzelnen auf das Unbestimmte bei nachge- gerung handelt. Betrachtet man nun das Gesamtergebnis
stellter Negation ist gültig». Wilhelm von Ockham sagt in der Ockhamschen Unterscheidungen, so fällt auf, daß
diesem Fall auch, es handle sich um eine formale Folge- alle Elemente der kanonischen Formulierung berück-
rung. Ebenso sind (ii) Folgerungen formal, wenn ihre sichtigt sind - freilich in einer anderen Anordnung. Das
Gültigkeit nur durch ein extrinsisches Mittel, das sich auf intrinsische Mittel macht ja aus dem Argument einen
die Form des Satzes (forma propositionis) bezieht, belegt Syllogismus und beide werden durch das extrinsische
wird. So ist etwa (2) <Alles Laufende ist ein Mensch; also Mittel legitimiert; schematisch (mit den oben bei Aristo-
ist nur ein Mensch laufend> durch die syntaktische teles benutzten Abkürzungen) in Abb. 10.
Umformulierungsregel belegbar (R2): «Vom universell Die kanonische Formulierung ist: «Wenn G Gattungs-
Affirmativen zum exklusiven Affirmativen bei Umstel- begriff von A ist, und keinem G das Prädikat Ρ zukommt,
lung der Terme zu schließen, ist gültig». Im gegebenen dann kann man schließen, daß auch keinem A das Prädi-
Fall werden offenbar nicht die Terme verändert oder kat Ρ zukommt».
Beziehungen zwischen ihnen festgestellt, sondern viel- Durch dieses Schaubild wird deutlich, daß auch für
mehr die logische Form des Satzes geändert, indem die Wilhelm von Ockham die Figur des Syllogismus letztlich
Terme umgestellt werden, und beim Term an Subjekt- die ideale Form des Schließens darstellt. Wie wäre sonst
stellung alles durch nur substituiert wird. Eine weitere zu erklären, daß für ihn die Explikation der fehlenden
Form der Folgerung (iii), die Wilhelm von Ockham als Prämisse die logische Gültigkeit eines Arguments auf-
consequentia materialis bezeichnet, ergibt sich bei weist? Doch Wilhelms von Ockham Konzeption ist inso-
Regeln, die allgemeine Bedingungen der Aussagen fern ambivalent, als er zugleich sagt, daß die formale Gül-
(generales conditiones propositionum) betreffen. Hier tigkeit durch etwas dem Argument und Syllogismus
führt Wilhelm von Ockham die gleichen schon von Bur- Äußerliches, eben der extrinsischen Regel, legitimiert

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Logik Logik

Argument (Folgerung) intrinsisches Mittel extrinsisches Mittel


(Syllogismus) (Topos)
Jeder Esel (G) ist ein Lebewesen (G) Die Folgerung von einem universell
Kein Lebewesen (G) läuft (P) Kein Lebewesen (G) läuft (P) negierten G auf irgendein negiertes
Also: kein Esel (A) läuft (P) Also: kein Esel (A) läuft (P) A ist gültig

(Abb. 10)

wird. Damit ist ein immer noch hochaktuelles Problem spiel, nämlich: (3b) «Der Mensch ist ein Esel; also läufst
angesprochen: Läßt sich die logische Gültigkeit eines du». Hier gilt nach Burleigh die bekannte Toposregel:
Schlusses durch eine <Syntax>, d.h. konfigurationale «Wenn das, was weniger zuzukommen scheint, zukommt,
Anordnung, begründen oder muß nicht doch auf jedem dann auch das, was mehr zuzukommen scheint», da es ja
Schluß zugrundeliegende extrinsische topische Regeln «weniger wahrscheinlich ist, daß dem Menschen Esel
zurückgegriffen werden? zukommt, als daß Laufen dem Menschen zukommt». Die
So einsichtig die Unterscheidung Wilhelms von Ock- gleiche Toposregel gilt für (4), da es ja weniger wahr-
ham in diese beiden Typen (i) und (ii) auch ist, es ist scheinlich ist, daß «dem Menschen Laufen zukommt, als
weder bei ihm noch beim anonymen Autor des <Liber daß Sein (esse) Gott zukommt». Hier scheint Burleigh
consequentiarum> im Einzelfall immer einsichtig, wo die den jeweiligen Sachverhalten Limes-Werte zuzuordnen.
Grenze zwischen beiden verläuft. Klar ist, daß es sich bei Wie man auch immer diese Erklärung Burleighs einschät-
den materialen Folgerungen (iii) - für die Wilhelm von zen mag, festzuhalten bleibt, daß er hier einen Topos her-
Ockham wie Burleigh nur die beiden Regeln (R3) und anzieht, der zur Legitimierung einer anderen Regel dient,
(R4) gibt - um prinzipielle Entscheidungen oder Theo- einer regula, die bei Wilhelm von Ockham sogar den Sta-
reme handelt, die festlegen, wann bestimmte Folgerun- tus eines Theorems hat. Daraus wird man sicher nicht fol-
gen gültig sein sollen. Die für (R3) und (R4) gegebenen gern können, Burleigh habe die Topoi als nicht-hinter-
Beispiele sind: gehbare logische Begründungsinstanzen gedacht. [164]
(3) Ein Mensch ist ein Esel; also existiert Gott nicht Abschließend muß noch auf ein begriffsgeschichtlich
(Aus Unmöglichem folgt Beliebiges). wesentliches Detail hingewiesen werden. Ähnlich wie
(4) Du läufst; also existiert Gott [160] (Notwendiges schon in der stoischen L. findet sich bei der Bestimmung
folgt aus Beliebigem). der Folgerungen immer wieder der Hinweis, daß diese
Stump versteht diese Theoreme so, daß man auf die durch Markierungen oder notae wie also (ergo), deshalb
material-konkrete Bedeutung der Terme zurückgreifen (igitur), falls (si) oder da (quia) gekennzeichnet sind;
muß, um nachzuvollziehen, daß in (3) das Antezedens doch wie in der Stoa finden sich in den Konsequenzleh-
unmöglich und in (4) das Konsequens notwendig ren - wie auch in der Sekundärliteratur - keine systema-
ist. [161] Schupp hingegen begründet beide in einer tischen Überlegungen zu diesen Satzkonnektoren. Auch
Anmerkung zu Wilhelm von Osma, der hier Wilhelm von in früheren Abhandlungen wie etwa in den R. Lullus
Ockham folgt, durch einen modernen aussagenlogischen zugeschriebenen <Dialecticae introductiones> werden
Beweis: mehrere hypothetische Sätze wie der «kopulative, der
Aus der Osma wie Ockham bekannten Regel, daß es disjunktive, der konditionale, der kausale, der tempo-
bei gültigen Folgerungen unmöglich ist, daß das Anteze- rale, der lokale» unterschieden, Lullus vermerkt jedoch,
dens wahr und das Konsequens falsch ist, ergibt sich: ρ —» daß «alle auf die ersten drei reduziert werden können».
q = U(p Λ ~ q). Eine hinreichende Bedingung für die In den <Syncategoremata> von Petrus Hispanus findet
rechte Teilaussage ist, daß entweder ρ oder - q unmög- sich jedoch eine interessante Überlegung zu quin, das in
lich ist: also Up oder U ~ q; letzteres wiederum ist äquiva- einer Verwendung dem Deutschen da nicht entspricht.
lent mit: es ist notwendig, daß q; also: U ~ q = Nq, Damit Petrus vertritt mit Priscian die Auffassung, daß es sich
sind Up und Nq hinreichende Bedingungen für die Gül- um eine schlußfolgernde Konjunktion handelt und zeigt
tigkeit von ρ —> q. Damit gilt: Up |> ρ q (= 3) und: Nq u.a., daß quin mit quod non (in der Bedeutung von weil
|>p->q(=4).[162] nicht) äquivalent ist: «Er läuft nicht, weil er sich nicht
Da (3) Up |> ρ q und (4) Nq |> ρ -» q den in der bewegt (quod non)» kann deshalb mit: «Er läuft nicht, da
modernen L. aufgezeigten Paradoxien der strikten Impli- er sich nicht bewegt (quin)» ausgetauscht werden. [165]
kation entsprechen, ist es nachvollziehbar, daß in der Wie schon in der Stoa wird hier der zentrale Unterschied
modernen Forschung gerade aufgrund der materialen zwischen der kausalen Begründung (quod non) und der
Folgerung bei Wilhelm von Ockham die These vertreten argumentativen Abstützung (quin) nicht gesehen.
wurde, Wilhelm von Ockham habe - wie KAUFMANN kri- Aus diesen Beobachtungen folgt nun, daß die Meta-
tisch anmerkt - «<Wissen> von der materialen Implika- pher von der Absorption der Topik in der Konsequenz-
tion gehabt, was immer dies heißen möge». [163] Dage- lehre der tatsächlichen Entwicklung nicht gerecht wird.
gen ist mit Kaufmann - qua Modus tollens - festzuhalten, Die Topik wurde wie alle anderen Richtungen des dia-
daß dieses Wissen an keiner Stelle zu einer systemati- lektisch-logischen Schließens (Syllogismus, Synkatego-
schen Begründung der Folgerungen durch die Implika- remata, hypothetische Schlüsse, usw.) in der Konse-
tion geführt hat. Gegenstand aller Varianten der Konse- quenzlehre neu konfiguriert und auf das Problem der
quenzlehre sind Argumente und Schlußfolgerungen, Folgerung in Argumenten hin fokussiert. Die Topik hat
deren Gültigkeit man durch Aufstellung verschiedener in dieser Konsequenzlehre nicht nur Spuren hinterlas-
und verschiedenartiger Regeln umgangsprachlich zu sen, sondern wesentlich beim Bau dieser spätscholasti-
begründen suchte. schen Schlußlehre mitgewirkt. Dies wird gerade in den
Bleibt noch das in der Forschung ungeklärte Problem, Teilen, in denen sie nicht mehr explizit genannt wird,
warum Burleigh sagt, (R3) und (R4) liege der Topos aus deutlich. Selbst die rhetorische Argumentation wird in
dem Weniger zugrunde. Für (R3) gibt er ein anderes Bei- dieses Gebäude integriert, insofern auch das unvollstän-

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Logik Logik

dige Argument, eben das Enthymem, als eine spezifische (nego) oder anzweifeln (dubito) muß, wobei er sich
Form der Folgerung zu einem zentralen Untersuchungs- jedoch an die Regeln des korrekten Schließens zu halten
gegenstand wird. Freilich wird dieses Enthymem nur und hat; Aufgabe des Opponenten ist es, seinen Mitdisputan-
ausschließlich hinsichtlich seiner logischen Stringenz ten in Widersprüche zu verwickeln; erreicht er dies, ist
untersucht, nicht hinsichtlich seiner Plausibilität und sei- die Obligation beendet. [169] Es ist hier nicht der Ort, die
ner affektivischen, ethischen, sprachlichen und situati- vielfältigen Verästelungen und logischen Schachzüge der
ven Angemessenheit. Deshalb ist die Geschichte des Obligationen - in die faktisch die ganze Konsequenz-
Arguments als rhetorisches Objekt eine völlig andere als lehre integriert wird - darzustellen. In der neueren For-
die Geschichte des Arguments als logisches Objekt. Und schung finden sich erste umfassende Darstellungen bei
weil der Topik über den Ciceronianismus noch - teils de Rijk, S P A D E und Stump, die seit Ende der achtziger
zurecht, teils zu Unrecht - der Ruf einer offenen und pro- Jahre vor allem von KNUUTTILA und Y R J Ö N S U U R I [ 1 7 0 ]
blemorientierten ars inveniendi anhaftet, wird sie in der kritisch diskutiert wurden. Hier sei das Verfahren der
Renaissance eine Art Auferstehung und zugleich Neube- Obligationen dennoch kurz an einer verwandten Text-
stimmung erleben. gattung dargestellt, nämlich der ebenfalls gegen Ende
Diese Neubestimmung wendet sich gerade auch gegen des 13. Jh. entstehenden Sophismata-Literatur, die eben-
die allein nach logischen Prinzipien geregelte scholasti- falls Ende des 14. Jh. ihren Höhepunkt erleben sollte. Ein
sche Form der Gesprächskunst, eben die Disputation. wichtiger Traditionsstrang für diese Literatur sind die
Diese Kunst, die sich auch als bestimmende Form des schon um 1200 entstehenden Untersuchungen zur Mehr-
Unterrichts durchsetzte, ist sicher der Bereich, in dem die deutigkeit der Synkategoremata und - wiederum unter
Topik den größten Einfluß ausübt, ja sogar, in dem sie für dem Einfluß der aristotelischen <Sophistischen Widerle-
die logische und philosophische Praxis bestimmend wird. gungen) - der daraus entstehenden Scheinschlüsse. [171]
Doch das topisch-dialektische Lehrgespräch wird immer So finden sich etwa bei Petrus Hispanus nach der Erörte-
mehr durch obligationes-TrakXaXe. geregelt, in denen es rung der einzelnen Ausdrücke Sophismata, die sich aus
nicht um Moral oder deontische L. geht, sondern um die Mehrdeutigkeiten der einzelnen Synkategoremata erge-
Festlegung der vom Proponenten und Opponenten zu ben können. Hier schon wird deutlich, daß Sophisma
befolgenden Argumentationsschritte. [166] Diese Schrif- nicht mit <Trugschluß> (fallacia) oder <Paralogismus>
ten beziehen sich fast durchgängig - oft auch explizit - gleichgesetzt werden darf. Das Sophisma ist nämlich im
auf das achte Buch der aristotelischen <Topik>, in dem neutralen Sinn als eine mehrdeutige einfache oder kom-
Aristoteles praktische Hinweise wie etwa den folgenden plexe Aussage zu verstehen, deren verschiedene Bedeu-
gibt: «Um aber in dieser Art von Beweisführung Übung tungen analysiert werden müssen. In dieser - wie man im
und Gewandtheit zu erlangen, muß man sich erstens modernen Sinn durchaus sagen kann - sprachkritischen
daran gewöhnen, die Argumente umzukehren; so wer- und sprachanalytischen Haltung manifestiert sich eine
den wir die anstehenden Fragen geschickter behandeln signifikante Umbewertung der in der aristotelischen Tra-
und uns eine Fertigkeit aneignen, in wenigen Schlüssen dition oft noch formulierten Entrüstung gegenüber
gleichsam viele zu erhalten.» [167] Ab Mitte des 12. Jh. Scheinschlüssen, die vom rechten Weg des Denkens weg-
wird aus dem alten noch offenen Übungs- und Streitge- führen können. [172] Daß die Sophismata auch zu einer
spräch (disputado extra formant) eine in Rollen und Kommunikationsform werden, mag eine Anekdote über
Ablauf festgelegte Disputation (disputatio in forma). So JOHANNES B U R I D A N U S illustrieren. Er soll nämlich Papst
werden etwa in der <Ars Emmerana> folgende Elemente Clemens VI., einem ehemaligen Mitschüler, auf die
und Rollen unterschieden: Frage: «Warum hast du den Papst geschlagen?» geant-
wortet haben: «Pater, papam percussi sed non percussi
positio papam» (Pater, ich habe einen Papst geschlagen, aber
- propositio nicht den Papst). Neben der hier ausgespielten Mehrdeu-
• interrogatio tigkeit der Referenz von Termen werden in der Literatur-
DISPUTATIO oppositio •
gattung <Sophismata> Probleme der Bedeutung von Aus-
- conclusio
drücken (Autokategoremata und Synkategoremata) und
der Wahrheit von Aussagen untersucht. Zusätzlich zu
- concessio diesen eher logischen Abhandlungen entstehen Samm-
responsio - • contradictio lungen von grammatischen Sophismata wie etwa die von
- prohibito ROBERT KILWARDBY, in denen syntaktisch mehrdeutige
Konstruktionen behandelt werden - wie etwa Amatus
Die positio ist ein anerkannter und endoxaler Satz, ent- sum, das als periphrastisches Passiv (Ich werde gerade
spricht also dem aristotelischen Problem, die oppositio geliebt) und als resultatives Adjektiv mit Kopula (Ich bin
benennt die Handlungsmöglichkeiten des Opponenten, beliebt) verstanden werden kann. [173] Wenn sich auch
die die responsio die des Respondenten. [168] Im einzel- die logischen <Sophismata> in der Form nur wenig unter-
nen wird dann - nach einer kurzen Beschreibung der scheiden, so zeigen sie doch in Anzahl und Art der
Grundkategorien der Aussage, des logischen Quadrats, behandelten Sophismen sehr große Unterschiede. So
der Konversionen und der hypothetischen Aussagen - sind etwa die <Sophismata> (ca. 1 3 2 1 - 2 6 ) von R I C H A R D
festgelegt, wie je nach Problem der Gesprächsverlauf KILVINGTON strenger in der Form als die nach 1 3 4 0 von
auszusehen hat. Aus diesen Abhandlungen entwickelt Buridanus geschriebenen <Sophismata>, in inhaltlicher
sich dann die eigentliche < Ars obligatoria> mit der folgen- Hinsicht aber beschränkt sich Kilvington auf Fragen der
den Grundstruktur: Der Opponent legt dem Responden- temporalen und der epistemischen L., d.h. Fragen der
ten eine Aussage vor (positum), die meist falsch ist. Wahrheit von Aussagen, die sich auf Sachverhalte bezie-
Akzeptiert dieser, so hat er sich für die folgende Erörte- hen, die zu einem Zeitpunkt t vorliegen und zu einem
rung verpflichtet (daher der Ausdruck obligatio). Der anderen Zeitpunkt t' nicht (mehr) vorliegen, und auf
Opponent legt nun dem Respondenten weitere Aussa- Aussagen, die mit epistemischen Prädikaten wie wissen
gen vor, die dieser zugestehen (concedo), zurückweisen eingeleitet werden. So ist etwa der Satz (S) «Sokrates

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Logik Logik

läuft doppelt so schnell wie Plato» in der folgenden prag- scriptam in pariete esse sibi dubiam) in der pragmati-
matischen Situation (H) mehrdeutig, d.h. ein Sophisma: schen Situation oder Hypothese, daß Sokrates diesen
Der Satz wird an einem Nachmittag, an dem Sokrates zum ersten Mal liest (VIII, 17).
doppelt so schnell wie Plato läuft, geäußert. Am gleichen In den epistemischen Sophismen zeigen sich bei Burida-
Vormittag war das genau umgekehrt, weil da Plato dop- nus wie bei Kilvington Umrisse einer Wissenslogik,
pelt so schnell wie Sokrates lief. Danach zeigt Kilvington, deren erste Ansätze - wie I. Buh gezeigt hat - sich schon
unter welchen Bedingungen das Sophisma (S) wahr ist bei T H O M A S VON A Q U I N finden, und die, immer auch
(pro) und unter welchen es falsch ist (contra) - im gege- angeregt durch den Trugschluß des Akzidens (und
benen Fall ist (S) offenbar nur wahr, wenn es sich auf die besonders des Verhülltenschlusses), schon Ende des 14.
jetzt gerade laufenden Philosophen bezieht, nicht aber, Jh. etwa bei R A L P H STODE relativ feste Konturen erhalten
wenn es sich auf den ganzen Tag referiert. Dem folgen sollte. [176] Und in der Anfang des 15. Jh. erschienenen
Erörterungen zur Berechtigung der Positionen pro und <Logica Magna> von Paulus Venetus findet sich ein eige-
contra, jeweils mit Berücksichtigung von Gegenargu- ner Abschnitt <De scire et dubitare>, also zum Wissen und
menten. [174] Dieser Aufbau - Sophisma (S), Anwen- Zweifeln.[\n] Auch Insolubilia sollten in eigenständi-
dungssituation bzw. Hypothese (H), Pro- und Contraar- gen Traktaten abgehandelt werden; so finden sich auch
gumente und abschließende Erörterung - bildet auch die ab der zweiten Hälfte des 15. Jh. in einigen großen Logi-
Grundform der Darstellung eines Sophismas, wobei ken Abschnitte zu den Paradoxien, wie etwa in der <Peru-
diese in späteren Abhandlungen - unter dem Einfluß der tilis logica> von Albert von Sachsen, der sie einem beson-
Obligationes - besonders im Erörterungsteil weiter for- deren Kapitel - nach den aristotelischen Trugschlüssen
malisiert und geregelt wird. Bedeutend breiter in Art und und vor den Obligationes - erörtert. [178] Diese L. bildet
Thema sind dagegen die knapp zwanzig Jahre später eine Synthese der alten, neuen und modernen L. (ein-
geschriebenen <Sophismata> Buridanus'. So werden in schließlich der Konsequenzlehre): Grundkategorie
den acht Kapiteln folgende Problembereiche bzw. (Terme, Subjekt, Prädikat, Prädikabilien, Kategorien
Sophismen behandelt [175]: usw.), Suppositionen, einfache und komplexe Aussagen,
I. Sophismen, die sich aus der Mehrdeutigkeit von Ter- Schlußlehre (mit getrennter Darstellung der Konse-
men und Sätzen ergeben. quenzlehre, der Syllogistik und der Topik), sophistische
II. Probleme der (Nicht-)Existenz der Referenten (Exi- Trugschlüsse, Paradoxien (mit Insolubilia und Obligatio-
stenzpräsupposition) wie <Das Pferd von Aristoteles ist nen). Wie in all diesen logischen Literaturformen taucht
gelaufen> (Equus Aristotelis ambulavit) (II, 2). auch in der Sophismata-Literatur häufiger ein dem Leser
III. Mehrdeutigkeiten in der Supposition wie z.B. inzwischen bekanntes Tier auf, eben der Esel, der als
<(Der) Mensch ist eine Art> (III, 3). Körper neben anderen Lebewesen wie dem Pferd und
IV. Fragen der Appellation, d.h. der Referenz von All- dem Menschen und Sokrates sein abstraktes Dasein füh-
gemeinnamen bei Veränderung der Referenten: (a) z.B. ren muß, das er zudem mit Gott, dem Laufen und Sokra-
das Sophisma <Du hast heute etwa Rohes gegessen> (Tu tes teilen muß. Von hier aus ist klar, daß W I L L I A M H E Y -
hodie comedisti crudum) in folgender pragmatischer TESBURY um 1340 sein Lehrtraktat zu den Sophismen
Situation bzw. Hypothese: <Nehmen wir an, du hast unter dem Titel <Sophismata asinina> (Esels-Sophis-
gestern ein Stück rohes Fleisch gekauft und es heute, zur mata) veröffentlichen konnte oder sogar mußte. Der
Außerungszeit, gut gebraten, gegessen>) (IV, 2); (b) Anfang des 20. Sophismus mag diese didaktische L.-Gat-
Sophismen, die vor allem Probleme des Trugschlusses tung illustrieren [179]:
des Akzidens thematisieren: <Dieser Hund ist dein
Vater> (Beweis: <Dieser Hund ist Vater und dein; also ist
er dein Vater>) und <Du kennst den, der kommt> A Opponent: Du bist ein Esel [positio, die falsch ist]
(Cognoscis venientem) (IV, 7 u. 9; s.o.). [Beweis] Jeder Mensch ist ein Esel, du bist ein
V. Fragen der Ampliation und Restriktion, d.h. der Mensch; also bist du ein Esel
Erweiterung bzw. Reduzierung der Anzahl und Art der Respondent: Die Konsequenz wird akzeptiert,
Referenten: <Kein Mensch ist gestorben> (Nullus homo die Oberprämisse negiert
est mortuus) - wahr bezogen auf alle jetzt lebenden Men- Determinant: [Kein Kommentar; Zustimmung]
schen; oder auch <Mensch und fähig-zum-Lachen sind
konvertibeb (Homo et risibile convertuntur) - Mensch Β Opponent: Jeder Mensch oder Esel ist ein Esel,
und sein Proprium haben nicht immer die gleiche Exten- jeder Mensch ist Mensch oder Esel;
sion, da ja ein noch nicht geborener Mensch fähig-zum- also ist jeder Mensch ein Esel
Lachen ist (II, 2 u. 9). Respondent: Konsequenz wird akzeptiert,
VI. Fragen der Bedeutung von Termen bzw. von Wort- die Oberprämisse negiert
klassen: <Ba wird getauft werden >(Ba baptizabitur) - Ba Determinant: [Kein Kommentar; Zustimmung]
ist zur Äußerungszeit ein noch nicht mit Bedeutung ver- C
sehener Wortkörper, erst morgen, wenn dieses namen- (usw.)
lose Kind-hier getauft ist, wird Ba ein Eigennamen mit
einer significatio sein (VI, 2).
VII. Probleme temporaler L. und Referenz (wie: (Opponent und Respondent sind Studenten, der Deter-
<Sokrates läuft zu jeder Zeit> (In omni tempore Socrates minant ist der Lehrer bzw. Magister. Diese Form der dis-
currit). Kann aus einer wohldefinierten Zeitspanne (1 putado hat eine Kettenstruktur, da der Opponent in Β die
Stunde) scheinbar abgeleitet werden (VII, 6). vom Proponenten in A in Frage gestellte Oberprämisse
VIII. Paradoxien (Insolubilia) und Probleme epistemi- zu beweisen sucht. In C muß der Opponent deshalb ver-
scher Prädikate, darunter stoische Antinomien wie die suchen, «Jeder Mensch oder Esel ist ein Esel» (wobei er
des Lügners oder der Krokodilschluß (VIII, 10,11,17) aufgrund der Disjunktion drei Fälle unterscheiden muß)
und: <Sokrates weiß, daß der auf die Wand geschriebene zu beweisen, usw. Der Lehrer akzeptiert stillschweigend
Satz für ihn zweifelhaft ist> (Socrates seit propositionem in A und Β das Disputationsverhalten des Proponenten,

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da es sich um einen logisch korrekten Syllogismus nach Quadrat (Kap. Modallogik). - 12vgl. Prantl [4] III, 34ff. -
Barbara behandelt, der aber sachlich falsch ist, weil die 13 William of Sherwood: Introductiones in Logicam, hg. und
Oberprämisse nicht möglich ist.) übers, v. H. Brands, C. Kann (1995). - 14Lambert von Auxerre:
Logica (Summa Lamberti), hg. v. F. Alessio (Florenz 1971). -
Stringente Schlüsse vollziehen, Ambiguitäten in der IS vgl. Prantl [4] III, lOff.; M. Grabmann: Die Introductiones in
Bedeutung und Verwendung von Wörtern und Sätzen, in logicam des Wilhelm von Shyreswood (1937) 28ff.; N. Kretz-
der Bezeichnung v o n Gegenständen und Sachverhalten mann: William of Sherwood's Introduction to Logic, Transi,
erkennen und analysieren und die daraus entstehenden with Introd. and Notes (Minneapolis 1966) 4ff.; de Rijk [9]
Sophismen, Trugschlüsse und Paradoxien durch kor- LXVIIIff. - 16Petrus Hispanus [9] 1, 16. - 17William of Sher-
rekte Schlüsse in geregelter disputatici ableiten, begrün- wood [13] 22 und 31ff.; K. Jacobi: Die Modalbegriffe in den logi-
den und widerlegen können - das ist nicht nur die domi- schen Sehr, des Wilhelm von Sherwood (Leiden 1980) 55ff. -
18 Boethius: De syllogismo categorico I, in: ML Bd. 64,807 A. -
nierende Form der mittelalterlichen L. und Kultur, son- 19ebd. 4 , 4 und 4,13. - 20L.M. de Rijk: Logica modernorum, I
dern auch eine Erziehungsform. So mußten nicht nur die und II (Assen 1962/67) II-l, 401ff.; vgl. auch Lambert von
Scholaren der Philosophie, sondern auch der übrigen Auxerre [14] 118ff. - 21 William of Sherwood [13] 78ff.; Lam-
Fächer ihre K o m p e t e n z als Disputanten - die sie in bert von Auxerre [14] 102ff. - 22vgl. E. Stump: Terminist Logi-
e i n e m manchmal zwei Jahre dauernden Propädeutikum cians on the Topics, in Stump [7] 135-156; allg. de Rijk [20] II-l,
erwerben mußten - im Bakkalaureat nachweisen. A n 126ff.; J. Pinborg: Topoi und Syllogistik im M A (zuerst 1969), in:
manchen Universitäten wie etwa der Universität Prag ders.: Medieval Studies (London 1984) I; N.J. Green-Pedersen:
The Tradition of the Topics in the Middle Ages (1984) 46ff. -
wird diese Sophisma-Erziehungsform derart dominie- 23 Petrus Hispanus [9] 5, 6; vgl. E. Stump: Peter of Spain on the
rend, daß sie als <Schule der Sophistik> bezeichnet Topics, in: dies. (Hg.): Boethius's De topicis differentiis (Ithaca
wurde. [180] D i e s e Privilegierung der Sophismata-Kultur 1978) 215-236. - 24Petrus Hispanus [9] 19. - 25ebd. 5, 35. -
m u ß man wohl als eine Ironie der Geschichte bezeich- 26 vgl. Einleitung v. Brands, Kann zu [13] XIVff. - 2 7 e b d . 119. -
nen, da sich mit dieser Kultur zugleich die moderne Form 28Petrus Hispanus [9] 5,14. - 29ebd. 5,3; William of Sherwood
und das moderne Selbstverständnis der L. herausge- [13] 78f. - 30wie etwa bei Stump [23], - 3 1 ebd. 5,3. - 32William
schält hat, die sich nicht mehr als Begründungsinstanz für of Sherwood [13] 90. - 3 3 Petrus Hispanus [9] 5,4. - 3 4 William of
Sherwood [13] 7 8 . - 3 5 Stump [23] 232; vgl. William of Sherwood
einzelwissenschaftliches Wissen versteht. [13] 80ff. - 36 Ebbesen [8] 36ff. - 3 7 H . Brands: Topik und Syllo-
gistik bei William of Sherwood, in: Jacobi [8] 41-58, 45; vgl.
Anmerkungen: Stump [23] 233f. - 38Brands [37] 49. - 39ebd. 42ff.; ähnlich
1 Notker der Deutsche: Categoriae. Boethius' Bearbeitung von Green-Pedersen [22] 66ff. - 40 Brands [37] 46; vgl. O. Bird: The
Aristoteles' Schrift kategoriai, 2 Bde., hg. v. E.S. Firchow (1996); Tradition of the Logical Topics: Aristotle to Ockham, in: Jour-
vgl. Abbo von Fleury: De Syllogismis hypotheticis, hg. und nal of the History of Ideas 23 (1962) 307-323; Ebbesen [8] 31f.; -
übers, v. F. Schupp (Leiden 1997). - 2 J . Marenbon: Medieval 41 William of Sherwood [13] 94; vgl. dagegen Brands [37] 55. -
Latin Commentaries and Glosses on Aristotelian Logical Texts, 42William of Sherwood [13] 108. - 43Kretzmann [15] 89. -
Before c. 1150 AD, in: C. Burnett (Hg.) Glosses and Commenta- 44ebd. 94, Anm.121 und 99, Anm.142. - 45 Brands [37] 50. -
ries on Aristotelian Logical Texts (London 1993) 77-127. - 46 William of Sherwood [13] 110. - 4 7 ebd. 90. - 4 8 e b d . - 4 9 e b d .
3 dazu Ν. Rescher: An Annotated Bibliography (Pittsburgh 94; vgl. dagegen Brands [37] 55ff. und Brands, Kann in: William
1962); ders.: The Development of Arabic Logic (Pittsburgh of Sherwood [13] 257, Anm. 123. - 50 William of Sherwood [13]
1964); A. Dumitriu: History of Logic, 4 Bde. (Tunbridge Wells 116. - 51 Kretzmann [15] 94, Anm.121. - 52William of Sher-
1977) II, 19ff.; D. Gutas: Aspects of Literary Form and Genre in wood [13] 118. - 53ebd. 114ff. - 54vgl. zum folg. oben Kap.
Arabic Logical Works, in: Burnett [2] 29-78; D.L. Black: Logic B.I.l.f. (Trugschlüsse); allg. C.L. Hamblin: Fallacies (London
and Aristotle's Rhetoric and Poetics in Medieval Arabic Philo- 1970) 116ff.; und vor allem de Rijk [20] 1-1, 82ff. und 128ff. und
sophy (Leiden 1990). - 4vgl. allg. C. Prantl: Gesch. der L. im I M , 49Iff. - 55vgl. Petrus Hispanus [9] 7, 82 und William of
Abendlande, Bd. II-III (1855-70, ND 1997) I, 6ff; J.M. Sherwood [13] 170; vgl. Hamblin [54]118f. - 56Petrus Hispanus
Bochenski: Formale L. (1962) 167ff.; R. Blanché: La logique et [9] 7,32 und William of Sherwood [13] 172. - 57 ebd. 172ff.; vgl.
son histoire, 2. Aufl. bearb. v. J. Dubucs (Paris 1996) 131 ff.; M. Petrus Hispanus [9] 7,36. - 58 vgl. ebd. 7, 345. - 59 ebd. 7,114. -
Kneale, W. Kneale: The Development of Logic (Oxford 1962) 60 Alexander von Aphrodisias, In Aristotelis Sophisticos Elen-
198ff.; P. Boehner: Mediaeval Logic (Manchester 1952); J. Pin- chos Commentarium (1898) 37,16ff. (ad Soph. el. 166b 28); dazu
borg: L. und Semantik im MA (1972); Ν. Kretzmann u.a. (Hg.): S. Ebbesen: Commentators and Commentaries on Aristotle's
The Cambridge History of Later Mediaeval Philosophy (Cam- Sophistici Elenchi, 3 Bde. (Leiden 1981) I, 224ff. und II, 466ff.;
bridge 1982) 99-382 und 785ff.; A. Broadie: Introduction to vgl. J.M. Gambra: Medieval Solutions to the Sophism of Acci-
Medieval Logic (Oxford 1987). - S J. Pinborg: Die Entwicklung dent, in: K. Jacobi: Argumentationstheorie (Leiden 1993) 431-
der Sprachtheorie im MA (1967) 58; vgl. M. Grabmann: Die 450, 438ff. - 61 Petrus Hispanus [9] 7, 109. - 62ebd. 7, 106. -
Entwicklung der ma. Sprachlogik, in: ders.: Ma. Geistesleben 63Ebbesen [60] III, 467; Porphyrios, In Aristotelis Categorías
(1926) Kp. IV, 104-146; S. Ebbesen (Hg.): Sprachtheorien in 96, 19; vgl. Ebbesen [60] I, 230ff. - 64vgl. Petrus Hispanus [9]
Spätantike und MA (1995) - 6vgl. E. Eggs: Art. <Grammatik>, 7,118f. - 65William of Sherwood [13] 194ff. - 66ebd. 194. -
in: HWRh Bd. 3, Sp. 1061 ff. - 7S. Ebbesen: Medieval Latin 67ebd. 196. - 68Brands/Kann in: William of Sherwood [13]
Glosses and Commentaries on Aristotelian Logical Texts of the 198f., Anm. 269. - 69 William of Sherwood [13] 216. - 70 Petrus
Twelfth and Thirteenth Centuries, in: Burnett [2] 129-177; Gar- Hispanus [9] 7 , 1 6 7 - 9 . - 7 1 ebd. 164. - 7 2 e b d . 8,15; L.M. de Rijk:
landus Compotista: Dialéctica, hg. v. L.M. de Rijk (Assen 1959); The Development of Suppositio naturalis in Mediaeval Logic I,
Petrus Abaelardus: Dialéctica, hg. v. L.M. de Rijk (Assen in: Vivarium 9 (1971) 71-107; de Rijk [9] LXXVIff; ; vgl. Eggs [6]
2
1970); vgl. E. Stump: Dialectic and its Place in the Development Sp. 1061 ff. - 73 Petrus Hispanus [9] 6,4-9. - 74 ebd. 10, 1^1. -
of Medieval Logic (Ithaca 1989) Kp.4 und 5. - 8 vgl. S. Ebbesen: 75ebd. 10,9 und 11. - 7 6 e b d . 6,2. - 7 7 L . M . de Rijk: The Origins
The Theory of Loci in Antiquity and the Middle Ages, in: K. of the Theory of the Property of Terms, in: Kretzmann [4] 161-
Jacobi (Hg.): Argumentationstheorie. Scholastische Forsch, zu 173, 164; vgl. Brands/Kann, in: William of Sherwood [13] 266,
den logischen und semantischen Regeln korrekten Folgerns Anm. 165. - 78 William of Sherwood [13] 137ff; vgl. de Rijk [20]
(Leiden 1993) 15-39,24 und C. Kann: Zur Behandlung der dia- II-l, 549ff.; Pinborg [4] 61ff. und Brands/Kann, in: William of
lektischen Örter bei Albert von Sachsen, ebd. 59-80; vgl. Albert Sherwood [13] 273/4, Anm. 178f. - 79 vgl. de Rijk [20] II-l, 492ff.
von Sachsen: Perutilis logica (Venedig 1522; ND Hildesheim und 513ff. - 80ebd. 493 und 1-1, 51ff. - 81 vgl. M. Kaufmann:
1974) IV, 19-24 (f. 32vb ff.). - 9Petrus Hispanus: Tractatus Begriffe, Sätze, Dinge. Referenz und Wahrheit bei Wilhelm von
(Summulae Logicales), hg. v. L.M. de Rijk (Assen 1972) (engl. Ockham (Leiden 1994) 31 ff; allg. E. Eggs: Art. <Konnotation/
Übers, v. F.P. Dinneen (Amsterdam 1990). - 1 0 Boehner [4] 77; Denotation», in: HWRh Bd. 4, Sp.l245ff. - 82Peter of Spain
vgl. bes. de Rijks Einleitung zu [9]. - 1 1 vgl. oben logisches Qua- (Petrus Hispanus): Syncategoreumata, hg. v. L.M de Rijk und
drat (Kap. Kategorien, Satz, Syllogismen) und modallogisches

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engl. Übers, v. J. Spruyt (Leiden 1992). - 83 William of Sher- earumque origine, in: Angelicum 15 (1938) 92-109. - 127vgl.
wood: Syncategoremata, hg. v. J.R. O'Donnel, in: Mediaeval neben Bird [40] ders.: Topic and Consequence in Ockham's
Studies 3 (1941) 46-93; vgl. Jacobi [17] 219ff.; vgl. H.A.G.: Logic, in: Notre Dame Journal of Formal Logic 2 (1961) 65-78. -
Braakhuis: De 13de eeuwse tractaten over syncategorematische 128 E. Stump: Topics: their development and absorption into
Termen, 2 Bde. (Meppel 1979). - 84R. Lullus: Logica Nova, lt.- consequences, in: Kretzmann [4] 273-299 (= urspr. Titel der in
dt., hg. v. C. Lohr, Einl. v. V. Hösle (1985; zuerst Valencia 1512) [119] aufg. Fassung); Green-Pedersen [22] 119; F. Schupp: Logi-
201 ff. (= V, 4); Gerardus Odonis: Opera Philosophica I: Logica, cal problems of the medieval theory of consequences; with the
hg. v. L.M. de Rijk (Leiden 1997) 69ff. - 85vgl. Giraldus [84] edition of the <Liber consequentiarum> (Neapel 1988) 83. -
168f. - 86 Walter Burleigh: D e puritate artis logicae tractatus 129Kann [8] 59f.; vgl Buridanus [87] VI; Albert von Sachsen [8]
longior (TL) with a revised edition of the tractatus brevior (TB), IV, 19-24. - 130Burleigh (TL) [87] 76 (II, 1,2). - 131 Wilhelm
hg. v. P. Boehner (Löwen 1955); I. Traktat zit. n. der lat.-dt. Edit, von Osma: D e Consequentiis, hg. und übers, ν. F. Schupp (1991)
v. P. Kunze (1988); William of Ockham: Summa logicae, Opera 2; vgl. Schupp: Einl., ebd. Xff. und N.J. Green-Pedersen: Early
Philosophica I, hg. v. P. Boehner u.a. (St. Bonaventure, NY British Treatises on Consequences, in: P.O. Lewry (Hg.): The
1974). - 87Johannes Buridanus: Compendium totius Logicae Rise of British Logic (Toronto 1983) 285-307. - 132Wilhelm
(Venedig 1499; unv. N D 1965). - 88Burleigh [86] 38. - 89vgl. von Osma [131] 8. - 133ebd. 26. - 134vgl. etwa E. v. Savigny:
H.W. Enders: Nominalistische Positionen und ihre Entwicklung Grundkurs im logischen Schließen ( 3 1993) 119. - 135vgl. Wil-
im ma. Universalienstreit, in: Wiss. und Weisheit 39 (1976) 189- helm von Osma [131] 26 und 28. - 136ebd. 10. - 1 3 7 e b d . 28, vgl.
219; A. de Libera: La quereile des universaux. D e Piaton á la fin ebd. Schupp 28, Anm.69. - 138 Schupp, ebd. 73, Anm.82; vgl.
du Moyen Age (Paris 1996) 229ff. - 90vgl. E.A. Moody: The XXX. - 139vgl. Wilhelm von Osma [131] 1. - 140vgl. ebd. 4. -
Logic of William of Ockham (London 1935); ders.: Studies in 141 Schupp ebd. XXXIV und 50, Anm.9. - 142 Wilhelm von
Medieval Philosophy, Science and Logic (Los Angeles 1975) Osma [131] 2. - 143ebd. 4,8,18. - 1 4 4 v g l . ebd. 14. - 1 4 5 vgl. ebd.
127ff und 409ff.; P. Boehner: The Realistic Conceptualism of 34. - 146s.o. Kap. B.I.2. - 1 4 7 z u m folg. Liber consequentarium
William of Ockham, in: Traditio 4 (1946) 307-335; de Libera [89] [128] 123f., vgl. 146ff.; vgl. Schupp in: Wilhelm von Osma [131]
351ff.; J. Biard: Logique et théorie du signe au XIV e siècle (Paris XXXff. - 1 4 8 Liber consequentarium [128] 6. - 149W. Burleigh:
1989) 74ff.; C. Panacchio: Les Mots, les Concepts et les Choses. De Consequentiis, hg. v. N.J. Green-Pedersen, in: Franciscan
La sémantique de Guillaume d'Occam et le nominalisme Studies 18 (1980) 102-166, §82ff. und 86ff. - 150vgl. Burleigh
d'aujourd'hui (Montréal/Paris 1993); Kaufmann [81]; H. (TL) [87] 75ff. (II, 1,2) und ders. [149] §73. - 1 5 1 Schupp in [131]
Brands: Referenztheorie und freie L. im Spätmittelalter, in: Phi- 82ff. - 152Burleigh [149] §71 und 72. - 153ebd. §§69-70. -
los. Jb. 102 (1995) 33-60. - 91 so P. Kunze in: Wilhelm von Ock- 154Liber consequentarium [128] 109ff. - 155F. Schupp: Zur
ham: Summe der L. Aus Teil I: Über die Termini; lat.-dt., hg. v. Textrekonstruktion der formalen und materialen Folgerung in
P. Kunze (1984)127 und 161, A n m . l l 4 f . ; vgl. Kaufmann der krit. Ockham-Ausg., in: Jacobi [8] 213-221. - 156vgl. Wil-
[81]118ff. - 92 Wilhelm von Ockham [91] 126 (= 1,77). - 93vgl. helm vom Ockham [86] 3, 3,1 (588ff.) und 3, 3, 38 (739f.). -
Burleigh [86] I, 6. - 94 Wilhelm von Ockham [91] 52 (= I, 67). - 157vgl. dagegen Jacobi: Zur Einf. II, in: Jacobi [8] 109. -
95 ebd. 1,12; allg. Pinborg [4] 90ff. - 9 6 ebd. 30 (= 1,64); vgl. ebd. 158Schupp [155] 217; vgl. Bird [40] 317ff. - 159vgl. dazu ebd.
24ff.; vgl. Kaufmann [81] 54ff. - 97Wilhelm von Ockham [91] 319f.; vgl. Liber consequentarium [128] 127. - 160 Beispiel aus
48ff. (= I, 66). - 98ebd. 62 (= I, 70) - 99ebd. 66 (= I, 70). - Wilhelm von Osma [131] 8. - 161E. Stump: Ockham's Summa
100 ebd. 62; vgl. P. V. Spade: The Logic of the Categorical: The logicae, in: dies. [7] 251-269. - 1 6 2 Schupp in Wilhelm von Osma
Medieval Theory of Descent and Ascent, in: N. Kretzmann: [131] XLff. und 54 Anm.21. - 163M. Kaufmann: Nochmals:
Meaning and Inference in Medieval Philosophy (Dordrecht Ockhams Consequentiae und die materiale Implikation, in:
1988) 187-224. - 101 Wilhelm von Ockham [91] 62. - 102G.B. Jacobi [8] 223-232. - 164 vgl. allg. J. Spruyt: Thirteenth-Century
Matthews: Suppositio and Quantification in Ockham, in: Nous 7 Positions on the Rule ex impossibili sequitur quidlibet, in: Jacobi
(1973) 13-24; ähnlich M.L. Loux: Ockham on Generality, in: [8] 161-193 und A. d'Ors: Ex impossibili quodlibet sequitur (J.
Ockham's Theory of Terms, Part I of the Summa Logicae, hg. Buridanus), in: Jacobi [8] 195-212. - 165Raimundus Lullus: Dia-
und iibers. v. M.L. Loux (South Bend 1974) 23-6; zusammenf. lecticae introductiones, in: ders. Logica nova. Logica parva,
H. Weidemann: Wilhelm von Ockhams Suppositionstheorie Einl. v. C. Lohr (Palma de Mallorca 1744; N D 1971) 2, 18ff.;
und die moderne Quantorenlogik, in: Vivarium 17 (1979) 43-60. Petrus Hispanus [91] 391f; vgl. 379ff. und Priscian, Institutiones
- 1 0 3 vgl. R. Price: William of Ockham and Suppositio Persona- grammaticae X V I 1 , 9 3 f f . - 1 6 6 C. Pütz: Die Obligationslehre in
lis, in: Franciscan Studies 30 (1970) 130-140 und Weidemann der scholastischen L. (Diss. Düsseldorf 1997). - 167Arist.
[102] 48ff. - 1 0 4 W e i d e m a n n [102] 52ff. - 1 0 5 Wilhelm von Ock- Top. 163a 29. - 1 6 8 Ars Emmerana, in: de Rijk [20] II-2,148; vgl.
ham [91] 50 (= I, 66) - 106ebd. 26 (= I, 63). - 107Burleigh [86] L.M. de Rijk: Some Thirteenth Century Tracts on The Game of
160ff. ( - Teil III). - 108ebd. 38. - 109ebd. 18; vgl. William of Obligation, in: Vivarium 14 (1976) 26-49 und Einl. zu: Die ma.
Sherwood [13] 136. - 110 Burleigh [86] 20. - 111 vgl. William of Traktate de modo opponendi et respondendi (1980) 75. -
Ockham: Elementarium logicae, hg. v. E.M. Buytaert, in: Fran- 169 vgl. Pütz [166] 24ff. - 170 vgl. P. Spade: If Obligations were
ciscan Studies 25 (1965) 151-276 und 26 (1966) 66-173; zusam- Counterfactuals, in: Philosophical Topics 20 (1992) 1-32; M.
menf. Kunze in: Burleigh [86] 201, Anm.39. - 1 1 2 W i l h e l m von Yrjönsuuri: Obligationes: 14th Century Logic of Disputational
Ockham [91] 42. - 113ebd. - 114Burleigh [86] 26. - 1 1 5 W i l h e l m Duties (Helsinki 1994); ders.: Obligations as Thought Experi-
von Ockham [91] 74 und ders. [90] 207. - 116 vgl. Burleigh [86] ments, in: I. Angelelli, M. Cerezo (Hg.): Studies on the History
34f. und 40ff. - 117Wilhelm von Ockham [91] 84. - 118ebd. I, of Logic (1996) 79-96. - 171 vgl. Ν. Kretzmann: Syncategore-
75-76 und II, 19; vgl. Burleigh [86] 1,5; zur weiteren Diskuss. vgl. mata, sophismata, exponibilia, in: Kretzmann [4] 211-241. -
Vincent Ferrer: Tractatus de suppositionibus, hg. v. J. A. Trent- 172 J. Biard: Einl. zu: Jean Buridan: Sophismes, hg. und übers, v.
man (1977) VI, bes. 159ff. - 119E. Stump: Consequences and J. Biard (Paris 1993) lOff. - 173C. Brousseau-Beuermann:
the Decline of Aristotelianism, in: dies. [7] 157-175, 162ff. - Grammatical sophisms in collections of logical sophisms, in: S.
120 Green-Pedersen [22] 292ff. - 121 vgl. Schupp [1] Vorwort Read: Sophisms in Medieval Logic and Grammar (Dordrecht
VIff. - 122J. Lukasiewicz: Zur Gesch. der Aussagenlogik, in: 1993) 219-230. - 174Richard Kilvington: The Sophismata (of
Erkenntnis 5 (1935) 111-131; vgl. bes. J. Salamucha: Die Aussa- Richard Kilvington), hg. übers, und komm. v. Ν.. Kretzmann,
genlogik bei Wilhelm von Ockham, in: Franziskanische Studien Β.E. Kretzmann (Cambridge 1990) 71ff. (Nr. 30); vgl. Ν. Kretz-
32 (1950) 97-134. - 1 2 3 E.A. Moody: Truth and Consequence in mann: Incipit/Desinit, in: P. Machamer, R. Trinbull (Hg.):
Mediaeval Logic (Amsterdam 1953); ders.: The Medieval Con- Motion and Time, Space and Matter (Columbus 1976) 101-136
tribution to Logic, in: ders. [90] Studies 371-392. - 1 2 4 G. Jacoby: und J.E. Murdoch: Infinity and Continuity, in: Kretzmann [4]
Die Ansprüche der Logistiker auf die L. und ihre Geschichts- 564-591. - 1 7 5 vgl. Joh. Buridanus, Sophismata, hg. v. T.K. Scott
schreibung (1962) 88ff. - 125 vgl. etwa I. Boh: A Study in Bur- (1977) 19ff. - 176vgl. I. Buh: Epistemic Logic in the Later
leigh: Tractatus de regulis generalibus consequentiarum, in: Middle Ages (London 1993) 21ff., 62ff. und 87ff.; H. Weide-
Notre Dame Journal of Formal Logic 3 (1962) 83-101 und bes. mann: Ansätze zu einer L. des Wissens bei W. von Burleigh, in:
ders.: Consequences, in: Kretzmann [4] 300-314. - 126 Bo- Arch. f. Gesch. der Philos. 61 (1980) 32-45; G.E. Hughes: J.
cheñski [4] 219; vgl. ders.: D e consequentiis scholasticorum Buridan on Self-reference (Cambridge 1982); vgl. G.H. Gelber:

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T h e Fallacy of Accident and t h e Dictum de omni, in: Vivarium MELANCHTHON die protestantische L. der Renaissance
25 (1987) 110-145; Ν. Kretzmann: Tu Seis Hoc Esse Omne Quod bestimmen, die freilich - ganz in der Tradition des philo-
Est Hoc: R. Kilvington and the Logic of Knowledge, in: ders. logischen Humanismus stehend - die L. und Dialektik
[100] 225-246; S. Knuuttila u.a. (Hg.): Knowledge and the wieder auf Aristoteles und Quintilian zurückbindet. [4]
Sciences in Medieval Philosophy (Helsinki 1990). - 177Paulus
Venetus: Logica Magna (Venedig 1499) XXII; vgl ders.: Logica
Die Rhetorikdialektik wird schon bald ihre Bedeutung
Magna, Prima Pars, Tract, de scire et dubitare, hg. und übers, ν. verlieren, sie lebt, wie RISSE vermerkt, «bis gegen 1600
P. Clarke (Oxford 1981). - 178 Albert von Sachsen [8] VI, 1 (f. zwar sporadisch weiter, aber ihre mehr auf subjektiven
43rb ff.); vgl. P. V. Spade: T h e Origin of Mediaeval Insolubilia Einfallsreichtum als auf wissenschaftliche Gründlichkeit
Literature, in: Franciscan Studies 33 (1972) 292-309; ders.: Five bedachte Geisteshaltung fand angesichts der sich allmäh-
Early Theories in t h e Mediaeval Insolubilia-Literature, in: Viva- lich versteifenden Schulen der Aristoteliker, Scholasti-
rium 25 (1987) 24-46; C. Panaccio: Solving the Insolubles: hints ker, Ramisten und Melanchthonianer kaum noch nen-
f r o m O c k h a m and Burley, in: R e a d [173] 3 9 8 ^ 1 0 ; dazu; F. Piro- nenswerte Anhänger» [5] - hiervon wird man die italieni-
net: Einl. zu: Guillaume Heytesbury: Sophismata asinina, hg.
sche Tradition ausnehmen müssen, in der die Dialektik
mit Einl. und K o m m . ν. F. Pironet (Paris 1994) 57ff. - 179vgl.
ebd. 28ff, 247ff. und 415ff. - 180M. Markowski: Die Rolle der
und Topik nicht nur bei CARBONE oder VALLIUS einen
Sophismata im Unterricht der K r a k a u e r Universität im 15. Jh., festen Platz behalten, sondern auch einen gewissen Ein-
in: R e a d [173] 116-127; vgl. P . A . Streveler: A Comparative A n a - fluß auf das neue naturwissenschaftliche Denken wie bei
lysis of the T r e a t m e n t of Sophisms, ebd. 144-184; Pironet [178] GALILEI ausüben wird. [6] Der philologische Humanis-
14ff. mus führt zu einer intensiven Beschäftigung mit den ari-
stotelischen Schriften und den großen Kommentaren
ALEXANDERS VON APHRODISIAS und AVERROES'. Beson-
III. Neuzeit: 16.-19. Jahrhundert. 1. Zurück zu den
ders umfangreich sind die Kommentare von A. NIPHUS,
Quellen, Neues aus dem Alten finden, Scheitern. «In Paris,
J.F. BURANA und vor allem J. PACIUS. [7] Im Gegensatz zu
wo sich das Licht jeder Wissenschaft ausbreiten sollte,
diesen durchaus akzeptierten wissenschaftlich-philologi-
verfolgen bestimmte Leute mit Sturheit eine schandhafte
schen Arbeiten führen die in der spätscholastischen Tra-
Barbarei und, damit verbunden, Monstrositäten in
dition stehenden Abhandlungen - insbesondere die zu
Sachen Erziehung wie etwa die Sophismen (wie sie das
den drei Traktaten der Modernen (d.h. Konsequenz-
nennen). Es gibt nichts Leereres und Dümmeres als die
lehre, Obligationen und Insolubilia) - in der ersten
Sophismen [...] Ich habe bis heute all diese Esel nicht
Hälfte des 16. Jh. einmal mehr ein Schattendasein; erst
vergessen, genau so wenig wie dieses ominöse Vokabular
Ende des Jahrhunderts werden wieder Elemente der
- nur, der eine oder der andere, der andere, beide,
Konsequenzlehre aufgegriffen, freilich «in einer stark
beginnt, hört auf, sofort.» [1] Der erbitterte Antischola-
verstümmelten Form». [8] Eine Ausnahme bilden hier
stiker und Antiaristoteliker VIVES drückt zu Beginn des
freilich Spanien und Portugal, in denen die «Scholastik
16. Jh. damit sicher die vorherrschende Stimmung der
ohne Bruch» weiterlebt und humanistische Einflüsse
Renaissance gegenüber der Scholastik aus. Dennoch
durch «eine Reform [...] von innen» zu integrieren
beschließen die Reformatoren der Ingolstädter Artisten-
weiß. [9] Ende des 16. Jh. bildet sich so eine traditional-
fakultät noch 1515: «Die langen und unnützen Logik-
aristotelische, im Kern syllogistische L. heraus, die sich,
kommentare werden abgeschafft; an ihrer Stelle sollen
wie ASHWORTH gezeigt hat, von den spätscholastischen
die von Johann Eck erläuterten Summulae des Petrus
Abhandlungen des 15. Jh. in folgenden Punkten unter-
Hispanus zur Hand genommen werden.» Dieser Be-
scheidet: [10]
schluß verweist auf einen noch fortdauernden <Hispanis-
mus> zu Beginn des 16. Jh. Freilich wird Petrus in den
(1) Zentralität des aristotelischen Syllogismus (mit
darauffolgenden zwanzig Jahren als «ungebildeter, bar-
ausführlicher Diskussion der Frage, ob eine 4. Figur
barischer Mensch» (homo barbarus, indoctus) oder gar
unterschieden werden soll).
als «schäbiger Dialektiker» (dialecticus sordidus) mit
«Schimpf und Schande» von den meisten Universitäten (2) Keine Abhandlungen oder Traktate zu den Trug-
verjagt. [2] Das kulturelle Gegenmodell bildet der anti- schlüssen und Sophismen.
scholastisch eingestellte Humanismus, der insofern (3) Fehlen von Überlegungen zur sprachlichen Form
ambivalent ist, als er eine neue Beschäftigung mit den wie Wortstellung, Konversion und allgemein zu den Syn-
Quellentexten der Antike einfordert und sich zugleich auf kategoremata.
das Ideal des politisch kompetenten orator perfectus der Da damit wesentliche Teile aus dem alten Logikgebäude
lateinischen Rhetorik (CICERO und QUINTILIAN) beruft. herausgelöst sind - Trugschlüsse, Aporien, Konsequen-
Dieser rhetorische Humanismus führt nicht nur zu einer zen, aber auch Topik und Dialektik - , stellt diese Rück-
Fülle von neuen rhetorischen Abhandlungen, in denen kehr zur Syllogistik Ende des 16. Jh. den eigentlichen
Fragen des passenden Ausdrucks und Stils in den Vor- Bruch mit der logischen Tradition dar.
dergrund rückten, sondern auch zu Rhetoriken (zum Teil Damit geht jedoch auch eine zu Beginn des Jahrhun-
auch Poetiken), in denen der rhetorischen Dialektik und derts in der rhetorischen L. von Agricola wieder freige-
Topik, d.h. der inventio und argumentatio, wieder wie bei legte logische Dimension verloren, nämlich die L. des
Quintilian ein besonderer Stellenwert zugeschrieben Ähnlichen, des Mehr oder Weniger und des Analogen,
wird. [3] Doch auch in der L. führt diese Rhetorisierung also der a pari-, der a fortiori- und der Analogieschlüsse.
zu einer Neubestimmung der Dialektik und Topik. In der scholastischen L. werden sie gleichsam als notwen-
Begründer und herausragender Vertreter dieser rhetori- diges Übel mitgeschleppt bzw. wie bei Wilhelm von Sher-
schen L. ist RUDOLF AGRICOLA, dessen <De inventione wood auf Syllogismen reduziert, wodurch, wie gezeigt,
dialéctica libri tres> - 1480 geschrieben, aber erst 1515 ihre spezifische L. verdeckt wird. Dennoch bleibt das
gedruckt - sogar für ein halbes Jahrhundert zur neuen Bewußtsein ihrer Allgegenwart in Rhetoriken erhalten,
<alternativen> L. werden sollten, was sich nicht nur in den die der lateinischen Rhetorik, insbesondere Quintilian,
fast 60 Auflagen seiner Dialektik, sondern auch in einer verpflichtet sind. Agricola behandelt die Ähnlichkeits-
Fülle von Nachahmern wie CAESARIUS, PHRISSEMIUS oder und Wahrscheinlichkeitsschlüsse in <De inventione dia-
CAMENER zeigt. Diese Rhetorikdialektik sollte auch über léctica) unter den Topoi des Ähnlichen (similia) und des
Vergleichens (comparatio), das «einen häufigen und für

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Redner äußerst nützlichen locus»[\l] darstellt. Wie bei Teil der Staatswissenschaft bezeichnete», wie auch von
Quintilian fallen unter das Ähnliche die Analogie- Cicero und Quintilian, die «doch auch nichts anderes
schlüsse und unter die comparatio die a fortiori- und a lehrten», versucht Agricola durch den Hinweis zu ent-
pari-Argumente. [12] Die Nähe zu Quintilian zeigt sich kräften, daß die damit implizierte Fähigkeit des Redners,
u.a. auch darin, daß er wie dieser die comparatio auch als «über Angelegenheiten von Krieg und Frieden, über
Problem des Stils behandelt. Für die a fortiori-Variante Gesetze, über das ganze System des göttlichen und des
gibt Agricola neben dem scholastischen Standardbei- menschlichen, des öffentlichen und privaten Rechts
spiel «Der König vermag es nicht, also vermag es auch reden zu können», nur wenigen Rednern wie z.B. Cicero
nicht der Soldat» noch ein eher rechtsrhetorisches Bei- zukomme, die große Masse, die zu dieser «Gattung»
spiel: «Er hat gewagt, Verwundungen zuzufügen, also hat gerechnet werden könne, sehe jedoch ihre Aufgabe
er auch gewagt, Beschimpfungen auszusprechen.» Auch «allein im Reden». [17] In dieser Abkehr vollzieht sich
die Beispiele für die a pen-Argumentation sind rheto- ein historisches Novum, da die ursprünglich dem öffentli-
risch oder auch literarisch wie etwa: «Wenn Pallas sich an chen Raum der Polis und der Res Publica zugeordnete
ihren Feinden rächen durfte, dann wird auch Juno es dür- Rhetorik als Dialektik in den privaten Raum einer Elite
fen.» [13] Auch die für das Ähnliche gegebenen Beispiele verlegt wird; dadurch wird jedoch zum ersten Mal Dia-
sind plastisch, rhetorisch, einprägsam - wie die folgende, lektik (und indirekt auch Rhetorik) als allgemeine Kom-
von Quintilian übernommene Änalogie, die dieser zur munikations- und Argumentationstheorie denkbar.
Begründung seines Erziehungskonzepts vorbringt: Doch Pragmatisierung bedeutet auch, daß die L. als
«Ebenso wie Gefäße mit einer engen Öffnung eine ein- praktische Argumentationslehre in diesen alltagsweltli-
fach darübergeschüttete Flüssigkeitsmenge abweisen, chen Kommunikationsraum eingebracht wird. Agricola
durch allmähliches Einträufeln sich aber füllen lassen, so wendet sich ja nicht nur gegen jede allumfassende Rheto-
ist auch der noch zarte Geist von Knaben nicht imstande, rik, sondern auch gegen die scholastische L., die sich als
große Gegenstände zu erfassen, vermag aber solche, die Urteils-L. (iudicium) auf die Analyse der logischen Struk-
von mäßigem Umfang und seinen Kräften angemessen turen von Aussagen und Argumenten beschränkt und
sind, sehr gut anzueignen.» [14] damit die Findungs-L. (inventio) sträflich vernachlässigt
Die gegebenen Beispiele können nicht nur verdeutli- habe. Auch diese Aufteilung der Dialektik, d. h. der Kunst
chen, daß das scholastische 'Küchenlatein' mit den all- der Diskussion und Argumentation (ars disserendi) in
tagsweltlich leeren Beispielen durch eine stilistisch aus- eine analytische und praktische L. ist, wie schon gezeigt,
gefeiltere Sprache und dichtere, oft nachdenklich ciceronianisch. [18] Von diesen nimmt Agricola nur noch
machende Beispiele ersetzt wird, sondern auch, wie sich die inventio für sich in Anspruch - von daher erklärt sich
bei Agricola die Rhetorisierurtg der L. vollzieht. Diese der programmatische Titel seiner Dialektik <De inven-
Rhetorisierung wird besonders im II. und III. Buch sei- tione dialectica>. Auch das ist ein historisches Novum,
ner Inventio-Dialektik greifbar. So liest sich das II. Buch hatte doch Cicero in seinen <Topica> noch beide Teile
wie eine rhetorische Abhandlung: Welche Arten von nacheinander behandelt, während Boethius und mit ihm
Problemen (quaestiones) sind zu unterscheiden (II, die Scholastik die Topik als Urteils-L. begreifen und mit
6-14), was ist beim Aufbau (dispositio) der Rede und den Differenztopoi nur noch einen Rest der Findungs-L.
ihrer Teile, also expositio und argumentatio, zu beachten; bewahrt hatten. Die Hinwendung zur inventio bedeutet
letztere wird wie in der rhetorischen und topischen Tra- keine Ablehnung der analytischen L. (Agricola soll sogar
dition dann in Induktion (enumeratio) und Syllogismus eine Abhandlung für diese vorgesehen haben) [19]; deren
(ratiocinatio) - mit ihren rhetorischen Varianten Enthy- Aufgabe ist es nämlich, genau zu bestimmen, wann ein
mem und Exemplum - aufgeteilt (II, 18), usw. Und im korrektes Argument vorliegt, «nicht nur dem äußeren
III. Kapitel werden sogar die Affekte abgehandelt - Schein nach, sondern wirklich»; hierzu ist «jede Unter-
neben Fragen des Stils und der Anordnung (allgemein weisung über die Modi und Figuren der Syllogismen und
und in verschiedenen Textgattungen). jede Absicherung gegen verfängliche Argumentationen,
Nun kann diese Rhetorisierung allein nicht den epo- die man Trugschlüsse genannt hat», sinnvoll. [20]
chalen Erfolg dieser dialektischen L. erklären. Die inven- Die Entlogisierung der Topik zeigt sich bei den schon
tio dialéctica Agrícolas ist nämlich nicht nur eine Wieder- erwähnten Schlüssen aus dem Gleichen, dem Mehr oder
holung Ciceros und Quintilians, sondern eine Neube- Weniger und aus der Analogie darin, daß Agricola das
stimmung der Topik und Dialektik, die sich als Pragmati- exemplum, d.h. die rhetorische Induktion, als einen
sierung, Entlogisierung, und Verweltlichung der schola- Unterfall der comparatio behandelt; [21] der in Aristote-
stischen L. - insbesondere der <Summulae> von Petrus les' <Topik> schon in klaren Konturen deutlich gewor-
Hispanus - unter Rückgriff auf die lateinische Rhetorik dene Unterschied zwischen a pari-und a fortiori-Argu-
bestimmen läßt. Ein Aspekt der Pragmatisierung wird menten wird nicht gesehen, da Agricola nur feststellen
schon in der Rhetorisierung der L. deutlich, die jedoch kann, daß eine comparatio vorliegt, «wenn zwei oder
nicht im Sinne einer stilistisch ausgefeilten, affekt- und mehr Gegenstände auf irgendein Drittes (in tertio aliquo)
effektvollen Rede verstanden werden darf, da dies in den bezogen werden, das ihnen gemeinsam ist» [22]; ebenso
Bereich der Rhetorik fällt. Der Dialektiker ist für die ermöglicht ihm zwar sein rhetorischer Blick, den begriff-
«Glaubwürdigkeit der Aussage» (probabilitas dictionis), lichen Zusammenhang zwischen einer Analogie (simili-
der Rhetoriker hingegen für «den Schmuck der Rede» tude) und der Metapher (translatio) aufzuzeigen, den-
(ornatus locutionis) zuständig [15]; deshalb gehört die noch kommt auch hier wie bei der comparatio das in all
inventio und argumentatio (mit der dispositio) nicht in die diesen Fällen thematisierte logische Problem der Identi-
Rhetorik, sondern in die Dialektik. Ebensowenig gibt es, tät im Heterogenen und der daraus jeweils folgenden
wie etwa Boethius noch annahm, besondere rhetorische unterschiedlichen Folgerungspotentiale nicht in den
Topoi; wenn der Redner auf Topoi zurückgreift, habe er Blick. [23] Die Dichte, Plastizität und Anschaulichkeit
sie aus der Dialektik zu entlehnen. [16] Die darin zum der für die Ähnlichkeits- und Analogieargumente gege-
Ausdruck kommende radikale Abkehr von Aristoteles, benen Beispiele wird somit um den Preis einer vagen und
der - wie Agricola zugesteht - «die Rhetorik als einen ungenauen Analyse erkauft. Von hier aus erstaunt es

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nicht, daß Agricola die Entformalisierung selbst zum vorkommende Kennzeichen, welche die Ordnung der
Programm erhebt: die Maximen, die Boethius nämlich zu Dinge anzeigen. Die Verweltlichung und Entlogisierung
den einzelnen Topoi hinzugefügt habe, also etwa die ist gerade auch in der Gesamtliste der Topoi Agrícolas
Schlußregel aus der Definition «Wovon auch immer die sichtbar (vgl. Abb. 1).
Definition gesagt wird, von dem auch das Definierte (De (i) Agricola folgt im I. Buch seiner <Inventio dialéctica)
quocunque definido dicitur, de eo definitum)», seien näm- eng Boethius, indem er wie dieser seine Auswahl in einer
lich allesamt von keinerlei Nutzen. [24] Es ist klar, daß Diskussion der Listen bei Cicero und Themistios disku-
Agricola - wie vor ihm Boethius - die von Cicero einge- tiert und begründet. Deshalb spielt in diesem Buch Quin-
führten stoischen Topoi «aus den Konsequenzen, aus den tilian nur eine geringe Rolle. Im Gegensatz zu Boethius,
Vorangehenden und aus dem Gegensätzlichen (ex conse- der im wesentlichen die Themistios-Liste übernimmt,
quentibus et antecedentibus et repugnantibus)» aus sei- erstellt Agricola eine in wichtigen Teilen neue Liste. So
ner Toposliste streichen muß, da «fast alle Topoi zu den fehlt die Gruppe der mittleren Topoi, und die darin
antecedentia gerechnet werden können und [...] nach unterschiedenen <Fälle> und <Beugungen> behandelt
unserer Auffassung gar keine Topoi darstellen». [25] Wie Agricola zusammen als <Konjugiertes> (coniugata) in
sind dann die Topoi bei Agricola zu verstehen? Die kurze (Ia); die divisio, d.h. die Dihairesis, wird von ihm im
Definition Agrícolas lautet: «Ein Topos ist nichts anderes Anschluß an die Gattung und Art, also nicht als besonde-
als ein gewisses gemeinsames Kennzeichen einer Sache rer Topos, diskutiert; wie bei Boethius fehlen Ciceros
(Non ergo aliud est locus, quàm communis quaedam rei stoische Topoi aus den Konsequenzen, aus den Vorange-
nota), durch dessen Anleitung das, was in irgendeiner henden und aus dem Gegensätzlichen.
Sache wahrscheinlich und glaubwürdig (probabile) ist, (ii) Die cognata (IIa), von denen Agricola auch sagt,
gefunden werden kann.» [26] M Ü N D T übersetzt mit: «Ein sie verknüpfen die Dinge «durch ein gewisses Band (quo-
locus ist also nichts anderes als ein bestimmtes Merkmal, dam vinculo)» [32], entsprechen im wesentlichen den
das eine Sache mit anderen gemein hat.» [27] Diese Über- sachlogischen Topoi bei Boethius aus der Ursache und
setzung ist insofern mißverständlich, als sie ja dahinge- der Wirkung; auch in (Ile) stimmen, wie gezeigt, die com-
hend verstanden werden kann, daß gelb im Falle von parata und die similia mit den traditionellen Unterschei-
Honig ein Topos ist, weil die Sache Honig dieses objek- dungen überein; die pronuntiata (zu einem Fall bisher
tive Merkmal mit anderen Sachen wie etwa Galle teilt. Gesagtes) sind identisch mit dem Topos aus der Autori-
Der Sinn dieser Definition wird dagegen unmittelbar ein- tät (bzw. a rei iudicio), und der Topos aus dem nomen rei
sichtig, wenn man etwa die Topoi der Ähnlichkeit oder (Namen einer Sache) ist identisch mit der Transumption,
der Art einsetzt: beides sind ja Eigenschaften, die allen d.h. letztlich mit dem aristotelischen Topos aus dem
Dingen gemeinsam sind, insofern sie Art-von-etwas- geläufigeren Ausdruck; auch im Gegensätzlichen (oppo-
Anderem oder Ähnlich-mit-etwas-Anderem sind. Beide sita) in (Ild) unterscheidet Agricola wie die Tradition
Eigenschaften sind zwar innerweltlich, aber keine objek- vier Unterarten, die repugnantia - in der Stoa noch
tiven Merkmale der Dinge - notae sind wie in der Schola- logisch miteinander unvereinbare Aussagen - versteht er
stik (und dies gilt, wie FOUCAULT[28] gezeigt hat, in ganz konkret: Topoi, «bei denen das eine sich dem
besonderem Maße für die Renaissance) Markierungen, andern gegenüber feindselig verhält und beide sich
die Relationen bzw. Ordnungsstrukturen anzeigen. Des- gegenseitig zu vernichten trachten: diese nennen wir
halb kann Agricola seine Toposliste auch damit rechtfer- repugnantia». [33]
tigen, daß er damit «der natürlichen Ordnung der Dinge (iii) Aus logischer Sicht ist wesentlich, daß Agricola im
folge». [29] Da nun ein Topos diese Ordnungsstrukturen Gegensatz zu Boethius und der Scholastik klar zwischen
notiert und markiert, darf noto nicht mit dem objektivisti- Art/Gattung einerseits und Teil/Ganzes unterscheidet,
schen <Merkmal> übersetzt werden, sondern nur mit Aus- sich darin auch auf die alte rhetorische Unterscheidung
drücken wie <Markierung> oder <Kennzeichen>, die klar in divisio (von Gattungen in Arten) und partitio (eines
machen, daß in die Welt der Dinge Zeichen eingeschrie- konkreten Ganzen in seine Teile) berufend. Dies führt
ben sind, die ihre Ordnungsstruktur anzeigen. Jede topi- ihn auch zur wesentlichen Unterscheidung von Teilen
sche nota ist zugleich eine Anweisung (admonitus) - eine bei Kontinua wie Wasser oder Holz (bei denen der Teil
Bezeichnung, die offenbar an die schon von THEOPHRAST immer das Ganze bleibt) und individuierbaren Gestalten
unterschiedene Mahnung (parángelma) erinnert - , die wie Mensch oder Baum. [34] Die Schärfe seiner Ausein-
wiederum dazu dient, ein Argumentationspotential anzu- andersetzung (nicht explizit genannter Gegner ist Petrus
zeigen, mit dem etwas als wahrscheinlich und glaubwür- Hispanus) erklärt sich auch daher, daß es für den auf die
dig erschlossen werden kann. Da nun jede entsprechend Ordnung der Dinge gerichteten Alltagsverstand schlech-
einer topischen Anweisung gefundene spezifische Ord- terdings nicht nachvollziehbar ist, daß Menschen im glei-
nungsstruktur, also etwa <Peter ist dem Klaus ähnlich chen Sinne Teile von Lebewesen sind wie Äste Teile von
(beide sind Magister)) einen Sachverhalt darstellt, kann Baum. Neu - im Vergleich zu Boethius und der Schola-
man die Toposdefinition Agrícolas auch im Sinne von stik - ist auch, daß Agricola neben der Definition, der
<ein gemeinsames Kennzeichen für einen Sachverhalt mit Gattung und der Art noch das Proprium unterscheidet,
Argumentationspotential) verstehen. [30] Damit wird die von ihm in einer ausführlichen Diskussion der aristoteli-
L. der Topoi verweltlicht und in die Ordnung der Dinge schen Prädikabilien begründet.
projiziert - im Vergleich zur aristotelischen Topik, in der (iv) Völlig neu ist vor allem die Unterteilung der inter-
die Topoi noch als Modi des Aussagens der Wirklichkeit nen Topoi in solche, die in der Substanz einer Sache (in
qua Wirklichkeit gedacht sind, eine sicherlich radikale substantia rei) liegen, und solche, die um die Substanz der
Neubestimmung. Von hier aus ist klar, daß diese Ver- Sache herum (circa substantiam rei) anzusiedeln sind.
weltlichung nicht als <Substantialisierung> bestimmt wer- Auch die in (Ib) unterschiedenen Topoi sind Ausdruck
den kann. Die loci sind in der rhetorischen L. nicht, wie der neuen Sicht auf die Ordnung der Dinge: die Umge-
SCHMIDT-BIGGEMANN annimmt, zu substantiellen Prädi- bungen (adiacentia) umfassen alle denkbaren in
katen der Sachen» geworden und gehören auch nicht bestimmter Hinsicht ruhenden und auf Dauer gestellten
«zur Substanz der Dinge [31], sondern sind innerweltlich Eigenschaften von Dingen (Substanzen); also etwa

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Dialektische Ordnungstopoi (Agricola)

interne

in der Substanz um die Substanz cognata applicata accidentia repugnantia


herum Verwandtes Dranhängendes Dazufallendes Widerstrebendes

definitio, genus, adiacentia, efficiens, locus, contingentia, opposita,


species, proprium, actus, finis, tempus, nomen rei, differentia
totum, partes, subiecta effecta, connexa pronuntiata,
coniugata destinata comparata, similia
da) (Ib) (IIa) (IIb) (He) (lid)
(Abb. 1)
warm, dreieckig, klug, hell usw., aber auch Krankheit, Schluß aber bei - ebenfalls von Agricola aufgeführten -
Hunger, Kraft usw. und auch alle Dispositionen (habitus) differentia wie warm, süß oder feucht, da ja alle drei
wie cholerisch, tapfer, fromm, gutartig usw. Zum actus durchaus miteinander kompatibel sind. Dies impliziert
(Handeln) gehört alles, was in Tätigkeit und Bewegung jedoch, daß bei adiacentia oder Eigenschaften aus einer
oder auf ein Ziel hin gerichtet ist, also etwa gehen, beten, bloßen differentia nichts folgt. Dies gilt auch für Substan-
hoffen, warm werden, usw. Und mit den subiecta greift zen: die Möglichkeit eines Schlusses wie <Hier ist Sokra-
Agricola auf eine schon in der Syntax von A P O L L O N I O S tes, also ist hier nicht Piaton» ergibt sich nämlich nicht aus
DYSKOLOS vorgenomme Unterscheidung von Mitspie- ihrer Verschiedenartigkeit, sondern aus der Tatsache,
lern eines Geschehens zurück; danach gehören etwa zum daß beide Substanzen sind, und der Regel, daß eine Iden-
Wärmen ein subiectum, von dem es ausgeht und ein ande- tifizierung von etwas als eine bestimmte Substanz das
res, das ihm ausgesetzt ist. [35] Ebenso neu sind locus und Vorliegen aller übrigen Substanzen ausschließt. Die hier
tempus in den applicata in (IIb), von denen Agricola sich aufdrängende Vermutung, daß sich mit den neuen
fälschlicherweise behauptet, sie fänden sich schon bei Agricola-Topoi gar keine Argumente bilden lassen, wird
Cicero; plausibler erscheint, daß er sie aus der rhetori- schon äußerlich dadurch bestätigt, daß er bei der
schen Topostradition entnommen hat; auch die connexa Behandlung der repugnantia nur Beispiele gibt, die mit
(Verknüpftes) denkt Agricola konkret als Topoi, «die dem alten Topos aus dem Entgegengesetzten zusammen-
eine Sache zwar nicht umgrenzen wie Ort und Zeit, sich hängen, also etwa das schon bei Aristoteles unterschie-
gleichwohl aber von außen an sie anzudrängen schei- dene «Wenn Haben ein Gewinn ist, dann ist Verlieren ein
nen», so z.B. hoch, Berg, See, beschuht, auswärtig, Macht, Schaden» [39]. Bei den Topoi um die Substanz herum
Freund, Soldat, usw. - all diesen ist gemeinsam, daß «kei- (Ib), also den adiacentia, actus und subiecta, [40] gibt er
nes aus sich selbst begriffen werden kann, sondern alle kein einziges Beispiel, der Leser muß also selbst spekulie-
werden aus der Perspektive eines andern gesehen». [36] ren, wie und welches Argument aus einem actus wie
In die contingentia in (Ile) steckt Agricola alles, was in schreiben gebildet werden kann. Bei den applicata (IIb)
der Logik- und Rhetoriktradition zum Ήicht-Notwendi- Ort, Zeit und Verknüpftes nennt Agricola einmal Stritti-
gen gedacht wurde, also nicht-notwendige Zeichen wie ges, wie etwa «die quaestio, ob der Nil in den Bergen
Blässe (für Krankheit), Verbindungen wie schlauer Die- Äthiopiens entspringt [...] oder in der Gegend des Atlas-
ner, aber auch, wie schon Aristoteles, Wahrscheinliches, Gebirges» und zum andern Argumente wie jenes von
das Agricola auch im Text mit dem griechischen Aus- Hannibal gegenüber seinen Soldaten beim Zug nach Ita-
druck εικότα (eikóta) bezeichnet. In der letzten von lien: «sie sollten mutig kämpfen; denn sie dürften ja auf
Agricola neu unterschiedenen Kategorie, den differentia keine Flucht hoffen, da sie im Rücken von den Alpen und
in (Hd), ist die allgemeine Tatsache, daß Substanzen auf der Seite von zwei Meeren eingeschlossen seien» [41];
(Individuen wie Arten) sich unterscheiden, jedoch nicht im letzten Fall wird offenbar aus dem Ort keine Schlußre-
derart, «daß das eine in eindeutiger Stoßrichtung gegen gel begründet, da es sich um einen spezifischen Topos
das andere gerichtet ist» [37], wie bei den übrigen Wider- handelt, der sich aus einer bestimmten geographischen
strebenden (repugnantia). Konstellation ergibt; auch dies ist ein Indiz dafür, daß
Unabhängig von der Problematik der Abgrenzung der Agricola diese Topoi aus der Rhetorik entnommen hat,
von Agricola neu eingeführten Topoi untereinander und da ja auch dort der Topos aus dem Ort nichts über Form
im Hinblick auf die alten, von der Tradition unterschie- und Inhalt eines Arguments besagt, sondern nur, daß
denen Topoi, auf die Agricola selbst immer wieder hin- man beim Ort des Geschehens nachschauen soll, ob sich
weist, stellt sich die Frage, welche Argumente denn mit da nicht irgendein Aspekt befindet, der argumentativ
diesen neuen in (iv) aufgeführten Topoi überhaupt gebil- relevant sein könnte. Auch für die contingentia in (Ile)
det werden können. Hier fällt auf, daß Agricola in der gilt schließlich, daß aus ihnen allen keinerlei argumenta-
Regel keine Beispiele gibt. Nur für die letzte Kategorie, tives Potential entsteht, es sei denn, sie sind durch einen
die differentia, notiert er, daß sich daraus Argumente der spezifischen Topos, d.h. ein éndoxon, eine gängige Mei-
Form «Er ist auf dem Markt, also ist er nicht auf dem nung, an ein anderes contingens gebunden [42]: so ent-
Lande» [38] bilden lassen. Freilich gründet dieser Schluß steht die argumentative Plausibilität in <Diese Frau sucht
nicht bloß auf dem Verschiedenartigen, sondern auf der einen Liebhaber auf, da sie des Nachts allein durch die
Regel, daß man nicht gleichzeitig an verschiedenen - sich Straßen geht> [43] nicht aus dem contingens <Eine Frau
ausschließenden - Orten sein kann. Ebenso ist dies bei geht des Nachts allein durch die Straßen>, sondern eben
<Dies ist warm, also ist es nicht kalt>, bei denen nicht bloß aus dem zugrundeliegenden spezifischen Topos «Wenn
verschiedenartige, sondern sich ausschließende Tempe- Frauen einen Liebhaber haben, dann gehen sie des
raturzustände thematisiert sind. Nicht möglich ist dieser Nachts allein auf Straßen (Ij) und ... ( I 2 ) . . . und ... (I n )»

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und dem gemeinsamen Topos, daß bei Meinungen vom «welche die getrennten Teile eines jedes Satzes (sen-
Vorliegen der Konsequens I x auf das Vorliegen des Ante- tence)» untersucht. [46] Diese Teile bezeichnet er auch
zedens abduktiv geschlossen werden darf. Diese Beob- als <Kategoreme>, die durch die «Anweisungen der
achtungen erlauben eine kurze Konklusion: aus keinem Topoi» gefunden werden. Manchmal, so Ramus, werden
der von Agricola neu unterschiedenen Topoi ergibt sich diese Teile «auch eindeutiger Prinzipien, Elemente,
irgendein Folgerungspotential. Daraus folgt weiter, daß Terme, Gründe, Beweise, Argumente» genannt. Die hier
Agricola den Begriff des <Topos> mit seinen neuen loci deutlich werdende Begriffsnivellierung manifestiert sich
aufweicht und seines noch in der Spätscholastik bewuß- auch bei den Einzelbeispielen. Für die vier Grundkate-
ten wesentlichen Merkmals beraubt - eben eine regula, goreme gibt Ramus nämlich u.a. folgende Beispiele [47]:
eine Schlußregel, zu formulieren, die eine bestimmte Fol- (1) Das Feuer schafft Wärme (Ursache, cause)·, (2) Sein
gerung stringent oder zumindest plausibel macht. Kurz: Körper ist klein (Subjekt, sujet); (3) Sokrates kann nicht
Die Dialektik Agrícolas ist keine Argumentationslogik, zugleich schwarz und weiß sein (entgegengesetzt,
sondern Begriffslogik. Das Lob der Topik Agrícolas opposé); (4) Etwas bewahren verlangt nicht weniger
erweist sich damit, so paradox das auch klingen mag, in Tugend als etwas erwerben (verglichen, comparé).
geistesgeschichtlicher Hinsicht als wichtige Ursache für Die Beispiele zeigen, daß auch Ramus eine tenden-
den Niedergang der Topik in L. und Rhetorik. zielle Entlogisierung des Folgerungspotentials der Topoi
Dieser Befund ist sicher aus den genannten Tenden- hin zu ihrer Fixierung in Begriffen vornimmt. Diese Bei-
zen der Dialektik Agrícolas - Entlogisierung und Ver- spiele zeigen aber zugleich, daß diese <Kategoreme> ent-
weltlichung - zu erklären. Aus dem Gesagten folgt wei- wicklungsgeschichtlich auf die Topik verweisen, da sie ja
ter, daß man statt von Verweltlichung durchaus von im Sinne der Differenztopoi bei Boethius zu verstehen
Ontologisierung der Topik sprechen könnte. Da diese sind. Freilich können sich diese Kategoreme (oder Argu-
wesentlich eine Ontologisierung von Begriffen darstellt, mente usw.) auf Teile innerhalb eines Satzes als auch auf
ergibt sich - ein weiteres historisches Paradox - , daß Satzverhältnisse wie (4) beziehen, wobei (4) als Sentenz
Agricola zu einem wichtigen Vorläufer der besonders in oder in bestimmten Situationen sogar auch als Enthymem
Deutschland bald dominierenden Begriffslogik werden verstanden werden kann. Damit wird auch der Unter-
sollte. K A N T wird (wie weiter unten ausgeführt) diese schied zwischen Satz, spezifischem Topos, Enthymem
Tradition mit der Ableitung der reinen Begriffe aus und natürlich dem Topos als Schlußregel völlig verwischt.
Urteilen und ihrer Bestimmung als transzendentale Dies ließe sich auch für die jeweiligen Unterarten der
Begriffe abschließen. Grundkategoreme - die den in der Topiktradition unter-
Die gleiche Ontologisierung und Entlogisierung der schiedenen Fällen entspricht - nachweisen, insbesondere
Topoi läßt sich bei P E T R U S R A M U S beobachten. Auch für die Kategoreme des Verglichenen <Mehr/Weniger>,
Ramus wendet sich wie Agricola gegen den Anspruch die Ramus als bloße Komparative versteht. Erschwerend
der Rhetorik, auch die inventio behandeln zu wollen: die kommt hinzu, daß in dieser Klassifikation nicht nur wie in
Natur hat den Menschen zwei Talente mitgeben: ratio et der Tradition sachlogische (1) und begriffslogische (3),
oratio, also Vernunft und Rede, «illius doctrina dialéctica sondern auch satzlogische bzw. ontologische Beziehun-
est, huius grammmatica, et rhetorica» (die Wissenschaft gen (2) zusammengebracht werden. Neu ist, daß Ramus
der ersten ist die Dialektik, die der zweiten Grammatik auch hier - wie in vielen anderen Bereichen - die von der
und Rhetorik) [44] - so Ramus in einer vehement formu- Tradition überlieferten Kategorien überschaubarer zu
lierten Streitschrift gegen Quintilian. Im Gegensatz zu machen sucht, indem er sie in wenige Hauptgruppen ein-
Agricola behandelt er in seiner <Dialectique> von 1555 - teilt und diesen die übrigen zuordnet: so ordnet er etwa
der ersten nicht-lateinischen L. der Moderne - die inven- die alten Topoi aus dem Ganzen/aus der Gattung (bzw.
tio und das iudicium. Das Gesamtsystem seiner L. stellt aus dem Teil/aus der Art) den beiden ersten Hauptkate-
sich wie in Abb. 2 dar. gorien zu. [48] Vergleicht man nun die den vier Grundka-
tegoremen zugrundeliegenden Einteilungskriterien mit
Die Einteilung der Urteils-L. (jugement) in Aussage, denen, die Ramus für die Tropen verwendet hat, so fällt
Syllogismus und Methode entspricht ganz den <1. und 2. zunächst eine strukturelle Ähnlichkeit auf: Bei Tropen
Analytiken>. Daß Ramus bestens mit Aristoteles' findet nämlich Vertauschung der Wortbedeutung statt,
<Organon> vertraut war, zeigt u.a. eine in zwanzig und zwar «von den Ursachen auf die Wirkung bzw. den
Büchern gegen das aristotelische <Organon> formulierte Subjekten (subjecta) auf das ihnen akzidentell Zukom-
Streitschrift. [45] In der obigen Einteilung ist die Eintei- mende (adjuncta) und umgekehrt» (Metonymie), «von
lung der Findungs-L. (invention) ungewöhnlich, obwohl Gegensätzlichem auf Gegensätzliches» (Ironie), «von
die dort verwendeten Termini bekannt sind. Die Lösung Ähnlichem auf Ähnliches» (Metapher) und «vom Gan-
ist, daß Ramus die Topik nicht mehr als Argumentations- zen auf den Teil und umgekehrt» (Synekdoche). [49] Da
lehre betrachtet, sondern als eine logische Teildisziplin,

dialectique

invention jugement

sujet oppose compare enonciation syllogisme méthode

finale, (adjoincte) relatif, pareil


formelle, adverse plus/moins
matérielle, contredisant semblables
efficiente repugnant
(Abb. 2)

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diese Einteilung der Tropen auf die stoische Tradition «Wenn die Trojaner nach Italien ohne deine Erlaubnis
verweist, ist es durchaus plausibel, auch die Unterschei- gekommen sind, sind sie zu bestrafen. Nun sind sie nicht
dung in vier Grundkategoreme dieser Tradition zuzuord- mit deiner Erlaubnis gekommen, sondern dem Rat des
nen. Vergleicht man aber die jeweiligen Zuordnungen Orakels folgend. Also sind sie nicht zu bestrafen.» Der
genauer, so fällt ein struktureller Widerspruch auf: Herausgeber der <Dialectique> DASSONVILLE moniert
hier zu Recht, daß es sich um einen illegitimen Syllogis-
mus handelt: «Wenn A ist, ist B. Nun ist A nicht. Also ist
Kriterium Invention Tropen Β nicht.» [55] Nun muß bezweifelt werden, daß es sich
Kausalität cause Metonymie hier um einen einzigen Syllogismus handelt. In der
Subjekt/Adiunctum sujet/adjoinct Metonymie modernen Sprachwissenschaft wurde nämlich deutlich,
Entgegengesetztes opposé Ironie daß Argumentationssequenzen mit aber/sondern prinzi-
Ähnliches comparé Metapher piell auf zwei miteinander korrelierte Argumente ver-
Teil/Ganzes cause - sujet/adjoinct Synekdoche weisen. [56] Formuliert man das gegebene Beispiel zu
folgendem Enthymem um: «Die Trojaner sind zwar ohne
deine Erlaubnis nach Italien gekommen [—> Dies ist
Daß derselbe Autor die Teil/Ganzes-Beziehung einmal negativ zu bewerten und zu bestrafen (-)], dafür aber sind
der Kausalität bzw. der Subjekt/Akzidens-Relation sie dem Rat des Orakels gefolgt [-» Dies ist positiv zu
unterordnet und zum andern als eigenständige Kategorie bewerten und nicht zu bestrafen (+)]», so ist unmittelbar
unterscheidet, kann wohl nur dadurch plausibel erklärt einsichtig, daß die negative Konsequenz des Vordersat-
werden, daß sich Ramus auf zwei unterschiedliche Tradi- zes durch den im aber-Satz genannten Sachverhalt kom-
tionsstränge bezieht: der erste, der der Dialektik und L., pensiert wird. Neben diesen Bewertungsargumenten mit
in der - wie Ramus selbst sagt - «die Art ein Teil der Gat- kompensatorischem aber kann man auch Argumente mit
tung ist» [50], der zweite, der der rhetorischen Figuren- antiimplikativem aber unterscheiden, in denen nicht auf
lehre, in der die Synekdoche zumindest noch beim Auc- Werte, sondern auf das (Nicht-)Vorliegen von Sachver-
TOR AD H E R E N N I U M als Teil/Ganzes-Relation begriffen halten geschlossen wird: «Wir hatten ein Pferdegespann
wurde. Damit stellt die bis heute noch andauernde Dis- [—> also konntet ihr eure Reise fortsetzen (k)], aber die
kussion, ob man die Art/Gattungs-Relation unter der Pferde waren zu müde [-» also konntet ihre eure Reise
gleichen Kategorie (etwa der Synekdoche) wie die Teil/ nicht fortsetzen (~k)].» Beiden Argumentationen liegt
Ganzes-Relation behandeln soll [51], nicht nur ein philo- offenbar ein sequentieller Topos zugrunde, der grob
gisch-stilistisches, sondern ein hochgradig logisches Pro- umschrieben besagt: <Plausible Folgerungen von einem
blem dar. Sachverhalt Ρ auf eine Konklusion Κ können aufgeho-
Abschließend bleibt noch, zwei Unterschiede zwi- ben werden, wenn ein stärkerer Sachverhalt Q vorliegt,
schen Ramus und Agricola festzuhalten. Ramus behan- der auf die gegenteilige Konklusion ~K schließen läßt>.
delt nämlich im Gegensatz zu Agricola am Ende seiner Von hier aus ist leicht nachzuvollziehen, daß Ramus
Diskussion der inventio auch die rhetorischen nicht-tech- betont, daß «diese Art von Syllogismus äußerst
nischen Beweise, d.h. Gesetz, Zeugnis, Vertrag usw. [52] gebräuchlich ist». [57]
- offenbar eine Konsequenz aus seiner prinzipiellen For- Mit der vierten Art des konditionalen Syllogismus
derung, daß allein die Dialektik für die inventio zuständig umkreist Ramus das Problem des hypothetischen Argu-
ist. Philosophiegeschichtlich relevanter ist jedoch, daß ments, ohne dieses freilich begrifflich bestimmen zu kön-
die Entlogisierung der Topik weder zu einer Pragmati- nen. Ein von ihm gegebenes Beispiel ist: «Wenn nichts
sierung noch zu einer Verweltlichung bzw. Ontologisie- Schlimmes passiert ist, wären sie schon hier. - Aber sie
rung führen muß. Bei Ramus sind und bleiben die topi- sollen schon hier sein! - Also ist ihnen nichts pas-
schen Strukturen Kategoreme, also begriffliche Struktu- siert.» [58] Aufgrund der singulären Prämisse (Sie sollen
ren. Diese rationalistische Auffassung sollte sich beson- schon hier sein) kann die ganze Sequenz als hypotheti-
ders in Frankreich durchsetzen. sches Argument verstanden werden; in diesem Fall wäre
Ebenso sich durchsetzen bzw. bleiben sollten die im II. jedoch eine hypothetisch formulierte Konklusion (Also
Buch seiner <Dialectique> (Urteilslogik) getroffenen dürfte ihnen wohl nichts passiert sein) genauer.
Unterscheidungen. Dies deshalb, weil er sich auf die soli- Diese vier von Ramus unterschiedenen konditionalen
den Grundlagen der Syllogistik und der stoischen Aussa- Syllogismen - Modus ponens, Modus tollens, kompensa-
genlogik (d.h. ohne die scholastische Suppositions- und torische/antiimplikative Folgerung, hypothetisches
Konsequenzlehre!) stützt: Die einfache Aussage wird mit Argument - verweisen insofern auf eine Epoche des
Aristoteles bestimmt, die énonciation composée, also die Umbruchs, als ja die beiden ersten zum wohldefinierten
komplexe Aussage, wird mit der Stoa in kopulative, kon- und akzeptierten Bestand der alten L. gehören, während
ditionale und disjunktive Aussage eingeteilt [53]; beim die beiden letzten den Blick auf andere Formen des Fol-
Syllogismus unterscheidet Ramus nur drei Figuren (mit gerns eröffnen. Diese neue Sichtweise wird dadurch
den einschlägigen Modi), fügt aber, sich explizit auf möglich und notwendig, daß sich diese L. auch als rheto-
T H E O P H R A S T und E U D E M O S stützend, den syllogisme com- rische versteht und sich so der Aufgabe stellen muß, all-
posé (komplexen Syllogismus) hinzu; dabei unterschei- tägliche und literarische Beispiele zu analysieren.
det er neben dem disjunktiven Syllogismus (p oder q; nun Dadurch werden von der alten L. überhaupt nicht gese-
aber q, also nicht p) vier Arten des syllogisme condition- hene oder in ihrer spezifischen Struktur nicht erkannte
nel·, die beiden ersten entsprechen dem Modus ponens Formen der Alltagslogik zum Problem: kompensatori-
und dem Modus tollens, wobei festzuhalten ist, daß sches Folgern, hypothetisches Argumentieren, aber auch
Ramus explizit darauf hinweist, daß sich beide nicht nur a pari-, a fortiori- und Analogieschlüsse. All diese Pro-
in der Stoa, sondern schon in der aristotelischen Topik bleme können von der rhetorischen L. der Renaissance
finden. [54] Immer noch hochaktuell sind die Beispiele, nicht gelöst werden, einmal, weil sie bloß wie bei Agri-
die Ramus für die beiden letzten Arten des konditiona- cola in die Welt der Dinge projiziert werden, zum
len Syllogismus gibt. Ein Beispiel für die dritte Art ist: andern, weil sie wie beim Aristotelesgegner Ramus vor-

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nehmlich mit Hilfe des syllogistischen Modells analysiert Aussagen/Urteilen (jugements). Diese L. ist insofern
werden. Da Agricola wie Ramus letztlich die Topik auf klassisch, als sie die wesentlichen Fragestellungen des
Begriffliches reduzieren, tragen sie zwar wesentlich zur aristotelischen Organon berücksichtigt; neu ist, daß diese
Eliminierung der Topik aus der L. bei, andererseits aber in vier überschaubare Problembereiche gegliedert wer-
ebnen sie dadurch den Weg für eine neue L., nämlich die den. Damit wird die ramistische L. - die ja die Begriffe
L. der Begriffe. Zur Eliminierung: In S A N D E R S O N S <Logi- in der Findungs-L. und die Aussage, Folgerung und
cae artis compendium> (31631) und B L U N D E V I L L E S <Art Methode in der Urteils-L. behandelt hat - wieder auf die
of Logike> (1599) finden sich nur noch kurze Abschnitte syllogistisch-analytischen Füße gestellt, mit dem Ergeb-
zur Topik; in Deutschland läßt sich noch bis ins 17. Jh. ein nis freilich, daß die topische ars inveniendi (wie die Trug-
auf die Aristoteleskommentare des 16. Jh. zurückgehen- schlüsse) vom Folgerungsteil III absorbiert werden.
der humanistisch-philologischer Traditionsstrang fest- (1) Begriffe. Deshalb finden sich auch im I. Buch die
stellen, der zu J U N G I U S ' <Logica Hamburgensis> (Ί638) aristotelischen Kategorien, Prädikabilien und Quantifi-
führt, in der die Unterscheidung von Maximen und Dif- zierungen. Neu ist einmal der dezidiert erkenntnistheore-
ferenztopoi im Sinne von Boethius wieder aufgegriffen tische Zugriff, der zur rationalistischen These führt, «daß
wird. [59] kein Begriff in unserem Bewußtsein seinen Ursprung aus
2. Das Richtige im Alten neu kombinieren: Die L. von der Sinneswahrnehmung nimmt» [63], und zum andern
und nach Port-Royal. Im Gegensatz zu Frankreich und eine - zum Teil auf die Scholastik zurückgehende - diffe-
England, in denen sich schon Ende des 17. Jh. das Logik- renziertere Bestimmung «komplexer Terme» (termes
gebäude, wie es sich in der L. von PORT R O Y A L (<La logi- complexes): (i) so ist in «Der Mensch, der ein rationales
que ou l'art de penser» (1660/1683) von A. ARNAULD und Lebewesen ist,...» der Relativsatz explikativ, da er eine
P. NICOLE) darstellt, durchsetzte, wird in Deutschland essentielle Eigenschaft von Mensch ausdrückt und somit
diese neue L. nur langsam und mittelbar rezipiert. Der auch nicht seine Extension verändert; determinativ sind
Titel zeigt an, daß für Port-Royal L. keine ontologischen dagegen Relativsätze oder Adjektiverweiterungen wie
Strukturen behandelt, sondern Gesetzmäßigkeiten des transparente Körper>, da hier die Extension von Körper
Denkens. Für Risse stellt dieses Lehrbuch «sowohl in verändert und eingeschränkt wird; (ii) ein Term wie Der
historischer wie systematischer Hinsicht einen der Höhe- König hat eine einfache Form, aber einen komplexen
punkte der L., eines ihrer klassischen, immer wieder neu Sinn, da er ja im Sinne von «Ludwig XIV., der gegenwär-
gedruckten und mehrfach übersetzten Werke dar, das tige König von Frankreich» zu verstehen ist [64]; (iii)
namentlich in Frankreich und England den Schulbetrieb auch Verwendungen von Adjektiven wie in: <Ich nehme
der L. bis ins 19. Jh. hinein nachhaltig bestimmte. An das weiße>, wenn damit in einer bestimmten Situation ein
äußerem Einfluß sind ihm nur die Werke von Aristote- Pferd gemeint ist, sind komplex; diese Adjektive
les, Petrus Hispanus, Ramus und Wolff vergleich- bezeichnet Port-Royal wie die Spätscholastik als konno-
bar». [60] Arnauid/Nicole bezweifeln nicht nur die Nütz- tativ, da die Sache, auf die sie sich beziehen, <mit-bezeich-
lichkeit der Topoi, sondern sehen darin auch eine Art net> wird; Terme wie Pferd sind absolut, weil man sich
'Unkraut', das zu leichtem, auf alltagsweltliche Selbst- mit ihnen direkt auf eine Sache beziehen kann [65]; (iv)
verständlichkeiten beruhendem Denken führt. Das von auch das Demonstrativpronomen dies ist komplex, da
Ramus vorgebrachte Argument, daß die Topoi den Stoff man, so die Auffassung von Port-Royal, etwa in <Gib mir
(matière) einer Argumentation bereitstellen, versuchen diesem, wenn damit etwa ein Diamant gemeint ist, nicht
die Autoren damit zu entkräften, daß wohl kein Advokat nur auf die Sache zeigt, sondern im Bewußtsein «Vorstel-
oder Prediger bei seiner Argumentation jemals daran lungen von einem festen und glänzenden Körper, der die
gedacht habe, «ein Argument a causa, ab effectu, ab und die Form hat, hinzufügt». [66] Von großer Bedeu-
adjunctis zu bilden, um das zu beweisen, wovon er zu tung für die Geschichte der L. und der Semantik sollte
überzeugen sucht». [61] Dennoch führen sie kurz, gleich- schließlich die klare Unterscheidung zwischen der
sam als leidige Pflichtübung, die wichtigsten Topoi an, compréhension und der étendue eines Begriffs werden,
wobei sie jedoch drei Gruppen unterscheiden: die Gram- also zwischen seiner Intension (Begriffsinhalt) und
matiktopoi, zu denen sie die Topoi aus der Etymologie Extension (Begriffsumfang), eine Unterscheidung, die
und aus den Ableitungen (conjugata) rechnen; zu den schon in der Scholastik mit den Paaren appellatio/suppo-
logischen Topoi zählen sie nur die auf den Prädikabilien sitio(significatio) sachlich vorgenommen wurde. So
beruhenden Schlußregeln (etwa «Was der Gattung zu- schließt die Intension des Begriffs Dreieck die Ideen oder
oder abgesprochen wird, das wird auch der Art zu- oder Begriffsmerkmale Ausdehnung, Figur, drei Winkel usw.
abgesprochen»), weshalb sie zu Recht darauf hinweisen in sich ein, während seine Extension alle unter ihn fallen-
können, daß ein Teil dieser Regeln schon in der Syllogi- den Gegenstände umfaßt. [67]
stik behandelt wurde; zu den metaphysischen Topoi rech- (2) Aussagen. Im II. Buch werden zunächst die Teile
nen sie schließlich die alten sachlogischen Topoi, also die einer Aussage untersucht: Nomen (Pronomen) - Verb,
Örter aus der Zweck-, Wirk-, Stoff- oder Formursache, wobei die Nomina in Substantive und Adjektive einge-
dann die Topoi aus dem Entgegengesetzten und auch die teilt werden; bei den Pronomina werden neben den Per-
aus dem Gleichen und dem Mehr oder Weniger - die bei- sonal-, Demonstrativ- und Reflexivpronomina auch
den letzten Gruppen werden jedoch ohne weitere Ana- Relativpronomina unterschieden. Der Grund für die
lyse bloß aufgelistet. Dem folgt abschließend der Rat- Berücksichtigung der Relativpronomina ergibt sich aus
schlag, man solle für eine vertiefte Beschäftigung nicht dem obigen Punkt (i): einem Satz wie «Die Könige, die
die <Topik> von Aristoteles konsultieren, «weil diese ihre Untertanen lieben, sollen geehrt werden» können
Bücher seltsam konfus» seien. [62] Die Topoi behandeln nämlich je nach Interpretation des Relativsatzes zwei
Arnauid/Nicole im III. Teil ihrer L. - <Zur Folgerung» verschiedene logische Strukturen zugeordnet werden:
(du raisonnement) - nach den Syllogismen. Dem folgt der (a) determinativ: «Nur die Könige, die ihre Untertanen
IV. Teil zur Methode (de la méthode), also zur Wissen- lieben, sollen geehrt werden»; (b) explikativ: «Die
schaftstheorie und Methodenlehre; dem vorgeschaltet Könige - die von Natur aus ihre Untertanen lieben - sol-
sind die Teile I zu den Begriffen (idées) und II zu den len geehrt werden». [68] Die Tatsache, daß der letzte Fall

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auch im Sinne von (b') «Die Könige sollen geehrt wer- eßt, werdet ihr nicht sterben». [76] Besonders deutlich
den, weil sie ihre Untertanen lieben» verstanden werden wird diese Sicht schließlich in der Einführung einer
kann, wird einen zentralen Ausgangspunkt der logischen neuen Kategorie von komplexen Sätzen, nämlich folgen-
Untersuchungen von F R E G E bilden (s.u.)· Beim Verb den propositions composées dans le sens (komplexe Sätze
radikalisieren die Autoren von Port-Royal die scholasti- im Sinn): Exclusives (nur, allein...), Exceptives (außer, es
schen Auffassungen, aber auch Aristoteles' Analyse der sei denn,...), Comparatives, Inceptives/Désitives (anfan-
Kopula, indem sie dem Verb selbst das Proprium jedes gen, aufhören,...)- hier werden sicher die schon in den
Behauptungsaktes zuschreiben: «Das Verb ist nicht scholastischen Traktaten zu den Synkategoremata
anderes als ein Wort, dessen hauptsächlicher Gebrauch getroffenen Unterscheidungen wieder aufgegriffen, frei-
darin besteht, die Behauptung auszudrücken.» [69] Ari- lich unter dem neuen Gesichtspunkt, daß diese Aus-
stoteles hat zwar auch in der <Hermeneia> eine Aussage drücke sprachlich wie Satzoperatoren verwendet werden
wie «Dieser Mensch läuft» in «Dieser Mensch IST ein (können), obwohl sie logisch die Funktion von Satzkon-
Laufender» zerlegt, jedoch nicht, um zu zeigen, daß das nektoren haben (etwa: «Außer Sterben macht der Gei-
Verb selbst den Behauptungsakt ausdrückt, sondern zige nichts Rechtes»). [77] Freilich muß auf eine histori-
umgekehrt, daß auch eine Aussage mit einem Verb als sche Grenze, ja sogar Blindheit hingewiesen werden: all
apophantischer Logos verstanden werden kann, weil in diese Beispiele von direkten oder impliziten Schlüssen
ihr gewissermaßen die Kopula IST versteckt ist. [70] Die und Argumenten werden nicht in der Syllogistik bzw.
Aussagen selbst werden in klassischer Manier mit Ari- Schlußlehre behandelt, sondern in den Kapiteln zur pro-
stoteles zerlegt (alle, keine, einige, einige nicht). Ein position, also zur Aussage.
Novum ist freilich, daß der Unterschied zwischen gram- (3) Folgerung. Dennoch kommt Port-Royal aufgrund
matischer und logischer Form immer wieder herausgear- des neuen Blicks auf Sprache zu Einsichten, ohne diese
beitet wird. Das alte naive Vertrauen, daß Sprachstruk- jedoch begrifflich bestimmen zu können. In der im Ver-
turen mit logischen Strukturen zusammenfallen, ist dem gleich etwa zu Petrus Hispanus oder Wilhelm von Sher-
methodischen Zweifel gewichen, daß Denkstrukturen wood relativ ausführlichen Behandlung des Folgerns,
zwar von Sprachstrukturen abgebildet werden, nicht d.h. der aristotelischen Syllogistik, unterscheidet Port-
aber mit diesen identisch sind. Die logische Analyse Royal vier Figuren, jedoch ohne die Modalsyllogis-
eines Satzes ist jedoch der grammatischen prinzipiell vor- men. [78] Bei den komplexen Syllogismen wird die tradi-
geschaltet: «Die einzige und wirkliche Regel ist, daß man tionelle Einteilung in kopulative, disjunktive und kondi-
nach dem Sinn schaut, wovon man etwas behauptet, und tionale Schlüsse beibehalten, wobei freilich - im Gegen-
was man behauptet. Denn das erste ist immer das Subjekt satz zu Ramus - bei den konditionalen Schlüssen nur der
und das zweite das Attribut, in welcher Reihenfolge sie Modus ponens und Modus tollens unterschieden werden.
sich immer befinden.» [71] Der Einfluß der Scholastik Doch in einem Zusatzkapitel zu Syllogismen, deren Kon-
zeigt sich auch in der Behandlung der Referenz bei sich klusionen konditional sind, sehen die Autoren in der
veränderndem Referenzobjekt (z.B. <Man steigt nicht Sprache realisierte logische Strukturen, deren Beobach-
zweimal in denselben Fluß>); Ziel ist jedoch die Klärung tung allein schon ein Novum in der Geschichte der L.
eines referenzlogischen Skandalons des Katholizismus: darstellt. So vergleichen sie die «sehr verbreitete und
«Mit dies ist mein Leib» sind nämlich nach Port-Royal sehr schöne Art zu folgern» ( A l ) mit dem Syllogismus
zwei Aussagen verdichtet: «Dieses, das jetzt Brot ist, ist in (Sl):
diesem anderen Moment mein Leib» [72] - so die ganz im
Sinne der Stoa durch Port-Royal vorgenommene Auflö-
sung des durch die katholische Lehre produzierten (Al) (Sl)
Dilemmas. Auf die aristotelisch-scholastische Tradition Wenn jeder wahre Freund Jeder wahre Freund muß be-
verweist die Behandlung der Konversion [73], auf die
bereit sein muß, sein Leben reit sein, sein Leben für das
stoisch-scholastische Tradition hingegen die Erörterung
für seinen Freund zu opfern seiner Freunde zu opfern (Pg)
der komplexen Aussagen (Kopulativa, Disjunktiva,
(Pg), dann gibt es kaum Nun gibt es kaum Leute, die
Konditional- und Kausalsätze), wobei freilich zwei wei-
wahre Freunde (~K), da bereit sind, ihr Leben für das
tere hinzugefügt werden, nämlich die Relativ- und die
kaum einer unserer Freunde ihrer Freunde zu opfern (Ps)
Diskretivsätze: die ersten ergeben sich aus der Bedeu-
tung der Relativsätze bei Port-Royal, die zweiten hinge- sich so verhält (Ps)
Also gibt es kaum wahre
gen aus der L. von Ramus, der ja auch aber/sondern- Freunde (~K)
Sätze wie «Das Glück kann ein Gut nehmen, aber nicht
das Herz» behandelt. [74] Der gerade auch in den beiden
letzten Satztypen deutlich werdende Blick auf in der Man versteht leicht, daß die «sehr schöne» Argumenta-
Sprache vorgegebene logische bzw. argumentative Struk- tion ( A l ) für Port-Royal «den Vorteil hat, eher von der
turen erklärt auch die erstaunliche Tatsache, daß Gesellschaft angenommen zu werden, da ihr weniger der
Arnauld/Nicole nur wenn-Sätze diskutieren, die (ver- Geruch der Schule anhängt». [79] Formal gesehen,
deckte) Schlußfolgerungen darstellen: so ist «Wenn der besteht der Unterschied zwischen ( A l ) und (Sl) darin,
Tod ein Übergang zu einem glücklicheren Leben ist, daß in ( A l ) die spezifische Prämisse (P s ) im da-Satz als
dann ist er wünschenswert» offensichtlich ein nach dem nachträgliches Argument für die Konklusion (~K) nach-
Modus ponens schließendes hypothetisches Argument; gereicht wird. Der wesentliche Unterschied von ( A l )
ebenfalls hypothetisch ist das Argument: «Wenn alle und (Sl) besteht jedoch darin, daß ( A l ) nicht als Ganzes
wirklichen Christen nach dem Evangelium leben, dann zugestanden werden kann, da ja die Konklusion (~K) -
gibt es kaum wirkliche Christen.» [75] Der neue Blick auf die in einen Konditionalsatz eingeschlossen ist - nur
die L. in der Sprache zeigt sich auch darin, daß für hypothetisch ist. Daß damit die Besonderheit des hypo-
Arnauld/Nicole das kontradiktorische Gegenteil von thetischen Argumentierens eingesehen, wenn auch noch
«Wenn ihr von der verbotenen Frucht eßt, dann werdet nicht systematisch und begrifflich er- und gefaßt ist, zeigt
ihr sterben» ist: «Obwohl ihr von der verbotenen Frucht sich u.a. darin, daß Arnauld/Nicole syllogistische Übun-

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gen vorschlagen, in den jeweils eine Prämisse hypothe- Beweise


tisch gesetzt wird; also etwa für Barbara: Jedes Schmerz- (5) Alle irgendwie dunklen Sätze beweisen, indem zu
gefühl ist ein Denken; wenn (falls) nun alle Tiere ihrem Beweis nur Definitionen verwendet werden, die
Schmerz fühlen, dann denken alle Tiere>. Auf die Erörte- vorher belegt wurden, oder Axiome, die zugestanden
rung der Syllogismen folgt dann ein kurzer Abschnitt wurden, oder Sätze, die bewiesen wurden.
zum Dilemma und wie in der scholastischen Traktaten (6) Niemals die Mehrdeutigkeit von Termini ausnut-
zur L. ein knapper Abschnitt zum Enthymem (d.h. «dem zen [...].
im Bewußtsein, nicht aber im Ausdruck vollständigen Methode
Syllogismus» [80]), dann längere Abschnitte zu den (7) Die Dinge soweit wie möglich in ihrer natürlichen
(oben schon behandelten) Topoi und schließlich eine Reihenfolge behandeln, indem mit dem allgemeinsten
ausführliche Darstellung der Trugschlüsse, die sich auf und einfachen begonnen wird, und indem zuerst all das,
den ersten Blick nur äußerlich von der aristotelischen was zum Wesen der Gattung gehört, erklärt wird, bevor
Darstellung unterscheidet, weil die Unterscheidung in zur Erklärung der Arten fortgeschritten wird.
zwei Unterarten (in vs. außerhalb der Äußerung) weg- (8) So weit wie möglich jede Gattung in alle ihre Arten
fällt und die auf lexikalischen und syntaktischen Mehr- zerlegen (divisio) und jedes Ganze in all seine Teile und
deutigkeiten basierenden Schlüsse gemeinsam behan- jede Schwierigkeit in ihre Einzelfälle. [83]
delt werden; der Fehler der Äußerungsform fehlt jedoch In dieser L. der Forschung sind wie schon bei Descartes
- dieses Vorgehen scheint aus einer konsequenten wesentliche Teile eines neuen Logikgebäudes formuliert
Anwendung der skizzierten Trennung von Sprach- und (Definition, Axiome, Beweis, Methode), die in allen
Denkstrukturen zu resultieren, durch die eine besondere Logiken der Aufklärung ausführlich erörtert werden. In
Gruppe von sprachlichen Fehlern (und insbesondere des diesem forschungslogischen Gebäude hat die alte topi-
Fehlers der Außerungsform, dem ja genau diese Tren- sche inventio offenbar keinen Platz mehr - der topisch-
nung zugrunde liegt) obsolet wird. Betrachtet man die rhetorische Geist wird jedoch kritisch fragen, wie sich die
Darstellung etwas genauer, so wird deutlich, daß die Eindeutigkeit, die Evidenz, die Bekanntheit und die
Behandlung der Trugschlüsse auf eine andere Episteme natürliche Ordnung begründen und legitimieren lassen,
(Wissenssystem) im Sinne von Foucault verweist: die und natürlich, warum denn die Welt in Gattungen und
Darstellung beginnt nämlich mit der allgemeinen Arten und Ganze und Teile zerlegt werden kann bzw.
Behandlung der ignorantia elenchi d.h. der Unkenntnis muß.
der logisch korrekten Widerlegung; abgeschlossen wird Freilich wäre die Folgerung falsch, das topisch-rhetori-
sie durch den neu eingeführten Trugschluß, dem eine sche Raisonnement sei völlig aus dieser Kunst des Den-
fehlerhafte Induktion zugrunde liegt; hinzu kommt, daß kens verbannt. Ganz im Gegenteil: In den letzten Kapi-
der Fehler Nicht-Grund als Grund rein kausal interpre- teln des III. und IV. Buchs bricht sich dieses Raisonne-
tiert wird und nicht wie noch bei Aristoteles und der ment nämlich in einer neuen Form Bahn, die man als
Scholastik als logisch falsche reductio ad impossibile [81] topisch-hermeneutisches Denken bezeichnen kann. So
- all dies verweist auf die neue durch die modernen untersuchen die letzten Kapitel des IV. Buchs die Leicht-
Naturwissenschaften bestimmte Episteme, die ihre gläubigkeit der Menschen und das letzte Kapitel des III.
Wahrheit und Sicherheit im Beobachten und induktiven Buchs untersucht - in unmittelbarem Anschluß an die
Generalisieren findet. Trugschlüsse - ausführlich «die schlechten Raisonne-
(4) Methode. Diese neue Episteme zeigt sich gerade ments, die man im öffentlichen Leben und in der Alltags-
auch im letzten IV. Buch, das ganz auf die Epistemologie rede vollzieht». [84] Hier kommen nicht nur als Fehler-
von DESCARTES aufbaut. Es gibt zwei methodische Ver- quellen Eitelkeit, Affekte, Interessen verschiedenster
fahren: (i) die Analyse oder die Methode der Invention Art, sondern auch verschiedene Formen des gesellschaft-
(méthode d'invention); (ii) die Synthese oder die Methode lichen Scheins in Hof, Kirche, Wissenschaft und Gesell-
der Zusammenstellung (méthode de composition). Die schaft in den Blick. Dies ist sicher Ausdruck des Jansenis-
für die Methode der Forschung wesentliche Analyse muß mus von Port-Royal, transzendiert aber diesen, insofern
vier Sachfragen (questions de choses) klären: (i) die Ursa- als es Arnauld/Nicole durchaus gelingt, in einem kritisch-
chen aus den Wirkungen bzw. (ii) die Wirkungen aus den hermeneutischen Zugriff - teilweise unter Rückgriff auf
Ursachen erklären; (iii) von den Teilen her das Ganze Cicero und die rhetorische Tradition [85] - objektivier-
bzw. (iv) vom Ganzen her die Teile zu bestimmen suchen. bare Einsichten und Wahrheiten über menschliche Eitel-
In der Synthese wird dann das so aufgebaute Wissenssy- keiten, Interessen und Gefallen an schönem Schein zu
stem doktrinär zusammengestellt. [82] verdeutlichen, die Menschen vom rechten Weg der
Die erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Über- Wahrheit abbringen. Doch dieser neue Zugriff führt
legungen im IV. Buch führen dann Port-Royal zur For- auch zu einer historisch neuen Form des Denkens von
mulierung von acht Hauptregeln (règlesprincipales), mit Paradoxien: beim Jansenisten P A S C A L sind diese nämlich
denen faktisch die Prinzipien der modernen naturwissen- nicht bloß logisch interessante Erscheinungen, sondern
schaftlichen L. der Forschung formuliert werden: die menschliche Existenz selbst betreffende Paradoxa,
Definition wie jenes, daß der Mensch sich in seiner Beschränktheit
(1) Keinen dunklen oder mehrdeutigen Terminus selbst denken kann. [86]
zulassen, ohne ihn zu definieren. Noch ein weiterer Aspekt ist zu beachten. Wie schon
(2) In der Definition nur vollständig bekannte oder im Mittelalter die Neubestimmung der L. führt auch die
schon erklärte Termini verwenden. neu konfigurierte L. von Port-Royal zu einer Logisierung
Axiome der Grammatik. Dies um so mehr, als Port-Royal selbst
(3) Als Axiome nur Dinge fordern, die völlig evident seine logisch-philosophischen Prinzipien mit der G r a m -
sind. maire générale et raisonnée> von A R N A U L D und L A N C E -
(4) Nur das als evident akzeptieren, was nur wenig LOT (1660) für die nachfolgende Tradition der Gramma-
Aufmerksamkeit verlangt, um als wirklich akzeptiert zu tik und Sprachphilosophie festschreibt. Diese schon bei
werden. SANCTIUS im 16. Jh. vorgezeichnete logisch-philosophi-

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sehe Grammatik sollte nicht nur in Frankreich im 18. Jh. weist schon früh darauf hin, daß Leibniz durchgängig an
über DUMARSAIS, B E A U Z É E und die <Enzyklopädie> von der Gültigkeit der klassischen aristotelischen L. festhält
D'ALEMBERT und DIDEROT, sondern auch in England mit und diese durch eine symbolische Behandlung zu präzi-
J. HARRIS oder in Deutschland mit M E I N E R oder B E R N - sieren sucht. [92] So versucht Leibniz etwa die Syllogistik
HARDI zum Teil bis weit ins 19. Jh. zu einer dominieren- durch Diagramme, die später von E U L E R wiederentdeckt
den Grammatikkonzeption werden. [87] wurden, zu veranschaulichen oder auch durch folgende
Damit lassen sich in der L. von Port-Royal folgende lineare Darstellung etwa für Barbara [93]:
neue Konfigurationen und Schwerpunkte ausmachen: (i)
Begriffslogik mit (ii) Erkenntnistheorie und (iii) Wissen-
schaftslogik einschließlich Forschungslogik; dann (iv) die Alle M sind A A
neue logische Analyse natürlicher Sprachen und nicht Alle C sind M j^j |
zuletzt (v) die kritisch-hermeneutische Analyse mensch- Alle C sind A cl H
lichen Irrens. Kurz: Begriffslogik und Analyse der Wahr-
heit ersetzen die alte L. und Dialektik vom richtigen
Schließen und Argumentieren. Nimmt man die von Leib- Auch in seinen Entwürfen zu einer lingua characteristica
niz initiierte (vi) Mathematisierung der L. hinzu (s.u.), universalis, d.h. zu einer universellen Zeichensprache -
sind die wesentlichen Tendenzen der L. der Neuzeit bis einem Alphabet der menschlichen Gedanken - greift
in die Mitte des 19. Jh. umschrieben. Die neue L. der For- Leibniz die klassischen begriffslogischen Unterscheidun-
schung wird schon von BACON [88] und DESCARTES for- gen auf. Die Grundidee, die Leibniz nach eigener Dar-
muliert. Descartes versteht seine Methode schon früh als stellung schon als Knabe hatte, ist, komplexe Begriffe
radikale Abkehr von der scholastischen und aristoteli- und Begriffsrelationen aus einem Grundinventar von
schen L.: «Man könnte die Falschheit der Prinzipien von einfachen ursprünglichen Begriffen durch geeignete
Aristoteles nicht besser als mit dem Hinweis belegen, Kombinationen abzuleiten, wobei jeder Begriff ein
daß man mit ihren Mitteln keinen Fortschritt seit mehre- <Merkzeichen> oder <Etikett> (wie etwa Buchstaben)
ren Jahrhunderten, die man sie befolgte, zu erzielen erhält: ist etwa <d> das Etikett des Begriffs Mensch, so ist
wußte.» Dieser im Vorwort zu seinen <Prinzipien der Phi- <d> eine Art Eigennamen für den Begriff Mensch. Zu die-
losophie> von 1647 formulierte Vorwurf findet sich sinn- sen Grundbegriffen gelangt man durch immer weiter
gemäß im 2. Teil seines <Discours de la méthode> von nach oben fortschreitenden Definitionen, bis man bei
1637, in dem er auch seine epochemachenden vier «notiones irresolubiles», also bei nicht mehr auflösbaren
methodischen Regeln - ein Kondensat der zwischen 1620 Begriffen ankommt. [94] Von diesem Inventar von
und 1668 geschriebenen <Regulae ad directionem inge- Grundbegriffen aus kann man hinabsteigen und durch
nii> - formuliert: «Kombination dann die niederen Begriffe» ableiten,
(1) Nichts als wahr akzeptieren, was ich nicht wie wobei zunächst «Binionen» (ab, ac, bd, ...) und danach
selbstverständlich (évidemment) als wahr erkannt hatte, «Trinionen» (abc, bdf, ...) usw. generiert werden müß-
d.h. Voreiligkeit und Vorurteil zu vermeiden und in mei- ten. [95] Der Titel der zitierten Abhandlung, in der Leib-
nen Urteilen nichts anderes als das zu erfassen, was sich niz diese schon bei R. L U L L U S und H O B B E S vorgedachte
so klar und unterschieden meinem Bewußtsein darstel- Lingua characteristica universalis erläutert, lautet: <Über
len würde, daß ich keine Gelegenheit hätte, es zu bezwei- die universale Synthese und Analyse oder über die Kunst
feln. des Findens und Urteilens ([...] seu de arte inveniendi et
(2) Jede Schwierigkeit, die ich untersuchen würde, in iudicandi)>. Damit überträgt Leibniz das alte Gütemerk-
genau soviel Einzelteile (parcelles) wie möglich und wie mal der Topik auf die kombinatorische Synthese bzw.
nötig zu zerlegen. den kombinatorischen Kalkül: «Im Übrigen ist für mich
(3) Meine Gedanken in ein Reihenfolge zu bringen, die kombinatorische Kunst speziell diejenige Wissen-
indem ich mit den einfachsten und am leichtesten zu schaft (man könnte sie auch allgemein Charakteristik
erkennenden Dinge beginne, um dann schrittweise, wie oder Bezeichnungskunst nennen), in welcher die Formen
bei Stufen, bis zur Erkenntnis der am meisten zusam- oder Formeln der Dinge überhaupt behandelt wer-
mengesetzten Gegenstände aufzusteigen [...]. den.» [96] Leibniz hat seine universelle Begriffsschrift
(4) Überall so vollständige Aufzählungen und so allge- freilich nie systematisch entwickelt - und auch nicht ent-
meine Übersichten vorzunehmen, daß ich sicher sein wickeln können, da der ganze Entwurf «auf eine simple
könnte, nichts ausgelassen zu haben. [89] Abbildtheorie» hinausläuft. [97] Wesentlich ist, daß
Kurz davor schreibt Descartes: «Ich hatte in jüngeren Leibniz bei dieser Begriffszerlegung ganz aristotelisch
Jahren ein wenig in den Teilen der Philosophie bis zur L. vorgeht: so unterscheidet er etwa in den <Elementa cal-
und in der Mathematik bis zur Analyse der Geometer culi) (Bausteine eines Kalküls) [98] von 1679 Termini
und bis zur Algebra studiert.» [90] Mit der Mathematik und Aussagen (propositiones); Termini sind Subjekt
und der Algebra kennzeichnet Descartes programma- oder Prädikat in einer kategorischen Aussage; eine Aus-
tisch zwei Wissenschaften, die für die Entwicklung der L. sage wie «Der weise Mensch glaubt» wird wie bei Aristo-
eine zentrale Bedeutung erlangen sollten. Schon L E I B N I Z teles in «Der weise Mensch ist ein Glaubender» aufge-
hat die ersten Entwürfe einer mathematischen L. formu- löst; in einer wahren affirmativen universellen Proposi-
liert, die zu einem der wichtigsten Zweige der modernen tion wird «vom Prädikat ausgesagt, es sei im Subjekt bzw.
L. werden sollte. Wie schon bei der Einschätzung der L. sei im Subjekt enthalten» [99] - dies ist hier begrifflich-
von Aristoteles, der Stoa oder der scholastischen Konse- intensional in dem Sinne zu verstehen, daß etwa in <Der
quenzlehre ist in der neueren Forschung eine ursprüng- (Jeder) Fromme ist glücklich» das Prädikat glücklich im
lich fast euphorische Beurteilung (so ist etwa nach Begriff des Frommen enthalten ist. In späteren Schriften
SCHOLL Leibniz nicht nur wie für BOCHENSKI «der erste vertritt Leibniz jedoch auch die extensionale Auffassung,
mathematische Logiker», sondern ein «Sonnenaufgang» wonach die Menge der vom Subjekt bezeichneten
in der Geschichte der L. [91]) einer differenzierteren und Gegenstände in der Menge der vom Prädikat bezeichne-
historisch genaueren Beurteilung gewichen. R E S C H E R ten Gegenstände enthalten ist. [100] Auch die Unter-

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Scheidung in Art-/Gattungs- bzw. Teil-/Ganzesbeziehun- contento), also vom Enthaltenden und Enthaltenen, die
gen wie auch in universell/partikulär bejahende/vernei- extensional interpretiert eben besagt, daß der kleinere
nende Aussagen ist ganz aristotelisch. Neu ist, daß Leib- Term im Mittelterm und dieser im größeren Term ent-
niz diese klassische Begriffslogik auf Zahlen projiziert. halten ist. Daß diese Regel durchaus im Sinne eines
Ordnet man etwa dem Terminus Lebewesen das Zahlzei- (gemeinsamen) Topos zu verstehen ist, erhellt der
chen (numerus characteristicus) 2 und vernünftig 3 zu und Zusatz von Leibniz, daß dieses Prinzip «verschieden von
legt man fest, daß die Verbindung vernünftiges Lebewe- der Regel des Ganzen und des Teils ist; denn das Ganze
sen als Zahl das Produkt seiner Teile zugeordnet übersteigt immer den Teil, das Enthaltende und Enthal-
bekommt, so ist der Wert dieser Verbindung offenbar 6. tene sind manchmal gleich, wie das z.B. bei den rezipro-
Algebraisch ausgedrückt: wenn a und b Termini mit ken Aussagen der Fall ist». [106]
einem bestimmten Zahlenwert sind, dann ist der Wert Die Leibnizschen Überlegungen zu einer mathemati-
ihrer Verbindung gleich ihrem Produkt a * b. Daraus schen L. sollten von den Brüdern B E R N O U L L I und später
ergibt sich u.a., daß «koinzidierende» Termini, d.h. Syn- von G. PLOUCQUET und J.H. LAMBERT weitergeführt wer-
onyme wie Dreieck oder Dreiseitige Figur das gleiche den [107], aber erst in der ersten Hälfte des 19. Jh. durch
Zahlzeichen, wie auch, daß höhere Gattungen einen D E M O R G A N und B O O L E in eine für die moderne mathe-
niedrigeren Wert als ihre Arten haben müssen. Wenn matische L. verbindliche Form gebracht werden. [108]
nun vernünftiges Lebewesen die Definition von Mensch Bis dahin dominiert die klassische aristotelische L., und
ist, folgt weiter, daß Mensch den gleichen Wert wie seine zwar in drei Hauptvarianten: Einmal die scholastische L.,
Definition haben muß bzw. daß Mensch durch Lebewe- in der nach Risse «an die Stelle der kraftvollen spani-
sen teilbar sein und das Ergebnis den gleichen Wert wie schen Denker bloße Epigonen» treten und in der schon
vernünftig haben muß. Nimmt man nun an, Mensch hat Mitte des 17. Jh. «ein bemerkenswerter Niedergang» ein-
den Wert 6, dann gelten offenbar die beiden zuletzt setzt, vor allem auch, weil sich die drei etablierten Schu-
genannten Bedingungen: Mensch + Lebewesen = 6 + 2 = len (Thomisten, Scotisten und Jesuiten) nur mit sich und
3. Die zentrale Idee von Leibniz ist nun, daß man durch kaum «mit den neu aufkommenden außerscholastischen
diese Zahlenzuordnungen im Prinzip alle dialektischen Schulen» auseinandersetzten. [109] Dann die Aristoteli-
Probleme durch eine einfache Rechnung lösen kann. ker, die, in der humanistisch-philologischen Tradition
Will man z.B. wissen, «ob alles Gold Metall ist, [.. ,]wer- stehend, das aristotelische <Organon> nicht nur kommen-
den wir nur untersuchen, ob die Definition des Metalls in tieren, sondern auch mit neuen erkenntnis- und wissen-
ihm enthalten ist, d.h., wir werden in einem äußerst ein- schaftstheoretischen Einsichten konfrontieren; daraus
entwickelt sich jedoch eine «Versachlichung der aristote-
fachen Verfahren, da wir ja unsere Zahlzeichen haben,
lischen Lehre», Aristoteles hört auf, «doktrinäres Schul-
untersuchen, ob das Zahlzeichen für Gold sich durch das
haupt» zu sein und wird «dafür zur historischen Autori-
Zahlzeichen für Metall teilen läßt». [101] Sollte dies nicht tät» [110] - eine Bewegung, die freilich mit dem Nieder-
der Fall sein, ist die Ausgangsaussage offenbar falsch. gang des Aristotelismus verbunden ist. Schließlich die
Unabhängig davon, wie man diese algebraische Phanta- dominierende L. der Aufklärung, in der zwar die aristo-
sie - die Leibniz auch für die Berechnung des gültigen telische L. noch das Grundgerüst bildet, die sich aber
Syllogismus angewendet hat [102] - beurteilen mag, ent- immer mehr, gerade auch unter dem Einfluß von Port-
scheidend ist hier, daß Leibniz auf den Topos aus der Royal und Leibniz, zur L. des Begriffs und zur Vernunft-
Definition als nicht hinterfragtem Verfahren zurück- lehre entwickeln sollte. Da diese Bewegung in die Philo-
greift: wenn nämlich Metall dem Gold zu Recht sophie K A N T S mündet, sei sie am Beispiel von W O L F F ,
zukommt, dann auch die Definition von Metall - so der R E I M A R U S und LAMBERT kurz skizziert.
zugrunde gelegte Topos. Da die Substitution von Aus-
drücken durch ihre Definition ein zentrales Verfahren Wolffs <Vernünfftige Gedancken Von den Kräfften
jedes Logikkalküls darstellt, liegt diesem damit notwen- des menschlichen Verstandes Und ihrem richtigen
dig der Topos aus der Definition zugrunde. Das hebt Gebrauche In Erkäntniß der Wahrheit) (1713) versteht
Leibniz selbst in seiner Frühschrift <De Arte Combinato- sich als allgemeine Erkenntnis- und Wissenschaftstheo-
ria) von 1666 hervor. [103] Dies sei am berühmt geworde- rie, als «Welt-Weisheit», d.h. als «Wissenschaft aller
nen Beweis von Leibniz der Gültigkeit der <Aussage>: 2 + möglichen Dinge, wie und warum sie möglich sind»; Wis-
2 = 4 kurz verdeutlicht. Dieser Beweiskalkül enthält drei senschaft wiederum ist «eine Fertigkeit des Verstandes
Definitionen und ein Axiom, nämlich [104]: alles, was man behauptet, aus unwidersprechlichen
Definitionen Gründen unumstößlich darzutun». Sie ist auch (wie
2 = 1 + 1; (ii) 3 = 2 +1; (iii) 4 = 3 + 1 schon bei T H O M A S I U S ) disciplina practica, Lehre vom
Axiom rechten Gebrauch des Verstandes. [111] Im 1. Kapitel
Setzt man gleiche Dinge, bleibt die Gleichheit erhalten (<Von den Begriffen der Dingo) werden keine Begriffs-
(Gesetz der Identität) relationen erörtert, sondern erkenntnistheoretische (oft
Beweis (demonstration) auch erkenntnispsychologische) Fragen, wie man zu rich-
2 + 2 = 2 + 2 aufgrund des Axioms tigen, klaren und wahren Begriffen von den Dingen
2 + 2 = 2 + 1 + 1 Substitution nach Definition (i) kommt; erst im kurzen 2. Kapitel stellt Wolff einige allge-
2 + 2 = 5 + 1 Substitution nach Definition (ii) meine semiologische Überlegungen zum Gebrauch der
Wörter an; das 3. Kapitel behandelt dann die <Sätze>, d.h.
2 + 2 = 4 Substitution nach Definition (ii)
die aristotelische Lehre vom apophantischen Logos, bei
Diese Form der Beweisführung hat Leibniz in <Ein nicht
Wolff vom «bekräftigenden Satz> sowie seiner Teile <För-
unelegantes Beispiel abstrakter Beweisführung) (1685/ derglied) und <Hinterglied>, also Subjekt und Prädikat;
87) detailliert beschrieben. [105] Die hier deutlich wer- von der klassischen Theorie wird freilich nur die Unter-
dende Unruhe, jede noch so selbstverständliche Aussage scheidung in universell/partikulär bejahende/vernei-
oder Annahme beweisen zu wollen, zeigt sich u.a. auch nende Urteile aufgegriffen - auffallend ist aber die Kon-
darin, daß Leibniz nach einem Axiom oder einer Regel kretheit und Wirklichkeitsnähe der Beispiele (die durch
suchte, mit dem oder mit der die ganze Syllogistik eine Erörterung der Frage der Herkunft der Sätze
beweisbar wäre. Es ist dies die Regel <de continente et

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ergänzt wird) wie auch der immer wieder vorgenom- Hinweise, wie man den Trug und vor allem den Schön-
mene Vergleich mit der Mathematik. Es überrascht des- und Scheinredner entlarven kann. Hier wird der Text im
halb nicht, daß im 4. Kapitel zur Schlußlehre zunächst Gegensatz zu Port-Royal jedoch immer mehr moralisie-
das Problem der wissenschaftlichen Wahrheit von rend: «Zuweilen ist es nöthig einem hochmüthigen und
Schlüssen diskutiert wird. Dem folgen zwei allgemeine unverständigen Gegner zu zeigen, daß er in der Sache
Topoi (Wolff spricht von <Gründen>), nämlich: (PI) ganz unerfahren sey, durch eitelen Hochmuth zerbersten
«Was allen Dingen von einer Art zukommet, das muß wolle, über andere sich ohne Grund erhebe, und ihr wohl
auch diesem, so von eben dieser Art ist, zukommen» (i.e. verdientes Lob mit Ungrund schmälere.» [117] Kurz: in
das Prinzip der universellen Spezialisierung) und seine der <Logick> von Wolff geht es weniger um L., sondern
negierte Form (P2). Beide <Gründe> folgen für Wolff aus um Epistemologisches, gemischt mit erkenntnispsycho-
der Gültigkeit des Satzes des Widerspruchs, «weil man logischen, alltagsweltlichen und moralischen Überlegun-
sonst zugeben müßte, daß etwas zugleich seyn und nicht gen, aus denen sich jedoch - wie bei T H O M A S I U S , C L A D E -
seyn könnte». [112] Hier läßt sich schon erkennen, daß es NIUS oder C R U S I U S - feste Konturen einer Hermeneutik
auch Wolff nicht um das richtige Schließen geht, sondern des Verstehens herauskristallisieren, die dann 1757 von
um die transzendentalen Bedingungen von Wahrheit. G.F. M E I E R in seinem <Versuch einer allgemeinen Ausle-
Dem entspricht seine knappe Behandlung der Syllogi- gungskunst> systematisch erörtert wird. [118]
stik. Daß ihm das Problem des nicht auf Begriffen basie- Die erkenntnispsychologische Fragestellung wie auch
renden Schließens völlig fremd ist, zeigt sich darin, daß er der moralische Grundton finden sich auch in der von
Modus ponens (und die übrigen stoischen Schlußfigu- Wolff beeinflußten <Vernunftlehre> von H.S. Reimarus
ren) in eine «ordentliche Forme» bringt - d.h. in die des (1756/1766), in der jedoch der aristotelischen L. wieder
aristotelischen kategorischen Syllogismus. [113] Auch ein zentraler Stellenwert zuschrieben wird - vielleicht
bei Wolff bleibt somit Aristoteles die unangetastete unter dem Einfluß des Rationalismus [119] in der Prä-
Autorität. Daß diesem Abschnitt zum Schluß wie bei den gung von Port-Royal und Leibniz. Die Vernunftlehre
Begriffen wieder wissenschaftstheoretische Ausführun- will nicht bloß logische Gesetzmäßigkeiten oder strin-
gen vom sachlich wahren Beweis folgen, überrascht gentes Folgern analysieren, sondern versteht sich als
genauso wenig wie die Tatsache, daß dann im 5. Kapitel «Wissenschaft von dem rechten Gebrauche der Vernunft
in erkenntnistheoretischer Fragestellung «Von der im Erkenntniß der Wahrheit» [120] - dies entspricht ganz
Erfahrung, und wie dadurch Sätze gefunden werden» der für die Logiken der Aufklärung typischen prakti-
gehandelt wird. [114] Das 6. Kapitel <Von Erfindung der schen Ausrichtung. [121] Wie bei Wolff werden auch hier
Sätze aus den Erklärungen und von Auflösung der Auf- Schlußlehre und Epistemologie, d.h. die Anliegen der <1.
g a b e n - d.h. von der inventio der Propositionen aus den und 2. Analytikern, zusammengebracht und in das erken-
Definitionen und von der resolutio der Probleme - ist nende Subjekt hineinprojiziert. Wie Wolff formuliert
philosophiegeschichtlich deshalb interessant, weil hier auch Reimarus zwei dem menschlichen Denken
Fragen der wissenschaftlichen Synthese und Kombinato- zugrunde liegende Prinzipien: das Principium Identitatis
rik diskutiert werden, die sich aus der Definition einer und das Principium Contradictionis - im Deutschen als
Sache, die den Endpunkt der auf Erfahrung gründenden <die Regel der Einstimmung) und die <Regel des Wider-
Analyse darstellt, ergeben. Hier geht es Wolff um die spruchs) bezeichnet - , die er wie folgt bestimmt: «Ein
<Erfindung> von <Grund-Sätzen>, <Heische-Sätzen> und jedes Ding ist das, was es ist» und «Ein Ding kann nicht
<Lehr-Sätzen> - also um die von der neuen L. der For- zugleich seyn und nicht seyn». [122] Daraus folgt notwen-
schung etablierten Fragen des Verhältnisses von Defini- dig, daß Reimarus eine Korrespondenztheorie der
tionen, Axiomen, Postulaten und Theoremen. Diese Wahrheit («die Wahrheit im Denken [Veritas logica]
letztlich epistemologische Diskussion kennzeichnet alle besteht in der Übereinstimmung unserer Gedanken mit
Aufklärungslogiken. Wie Wolff dabei Naturwissen- den Dingen») vertritt, wie auch seine Hauptregeln der
schaftliches, Psychologisches, Ethisches und Logisches Vernunft, wonach man in der Vorstellung (i) Identisches
zusammenbringt, mag seine Diskussion der Freude ver- (der Schnee ist weiß) bejahen, (ii) Nicht-Identisches (kein
deutlichen: «Ein Affekt, der in uns entsteht, wenn wir Viereck ist ein Zirkel) verneinen muß, (iii) Mögliches
vom gegenwärtig Guten ergriffen werden.» Aus dieser (man kann reich und doch mißvergnügt sein), wenn sich
Definition ergeben sich der «Grund-Satz» (axioma): daraus kein Widerspruch ergibt, als solches bejahen und
«Wer von einem gegenwärtigen Guten nicht wirklich (iv) Nicht-Gewisses nur als wahrscheinlich behaupten
ergriffen wird, dessen Freude kann gestört werden» und kann. [123] Die Erörterung der Begriffe (von der Art,
der «Heische-Satz» (postulatum): «Wenn man einen, der von der Gattung, von der Differentia Specifica, usw.,
von dem gegenwärtigen Guten nicht wirklich ergriffen aber auch des Begriffs vom Individuum!) ist verknüpft
ist, ins Zweifeln bringt, dann kann man seine Freude mit einer Theorie ihrer «Erzeugung» - so sind etwa die
unterbrechen». [115] Dem folgen mehrere erkenntnis- ersten Begriffe «sinnliche Begriffe», die uns über die
psychologische Kapitel zu wahren und falschen Meinun- Sinne zugänglich werden, woraus folgt, daß Sprache für
gen, zur Beurteilung der Entdeckungen und Erfindun- die Begriffsbildung nicht konstitutiv ist: die Menschen
gen, zur Lektüre von historischen Schriften und allge- haben Wörter erst im Nachhinein «erfunden, d.i. einen
mein von Büchern und zur Heiligen Schrift, in denen her- gewissen deutlichen Schall ihres Mundes zum willkürli-
meneutische, aber auch didaktische Gesichtspunkte in chen Zeichen gesetzt». [124] Der Begriffsrealismus von
der Vordergrund rücken. Auch in den abschließenden Reimarus zeigt sich auch in der Unterscheidung von ein-
Kapiteln zu den Widerlegungen geht es nicht primär um fachen Begriffen (rot) und komplexen Begriffen (Baum)
die logische Analyse von Schein- und Trugschlüssen, - beides sind absolute Begriffe im Gegensatz zu relativen
sondern um an Descartes erinnernde Prinzipien der Evi- Begriffen wie klein, viel, reich - wie auch in seiner aus-
denz, die Wolff vornehmlich am Beispiel der Mathema- führlichen Diskussion der Richtigkeit der Begriffe. [125]
tik verdeutlicht («in den Demonstrationen» nichts Nach dieser etwa ein Viertel des Werks ausmachenden
annehmen «was nicht vorher ausgemacht worden» [116]) Erörterungen zum Begriff folgt eine etwa gleichlange
und vor allem - wie schon bei Port-Royal - um praktische Erörterung der <Urtheile und Sätze> sowie der

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<Schlüsse>, die im wesentlichen aristotelisch ist. Auch (inventio). Zu dieser gehört wie bei Wolff die Formulie-
hier fällt auf, daß nicht nur die verschiedenen Satzarten rung von Axiomen, Postulaten oder Theoremen [133],
unterschieden, sondern immer auch Bedingungen ihrer aber auch, bezogen auf das erkennende Subjekt, die
sachlichen Richtigkeit und Wahrheit mitdiskutiert wer- «zufällige Erfahrung», dann die «gesuchte Erfahrung»
den. [126] Im Gegensatz zu Wolff bespricht Reimarus sowie das «scharfsinnige Nachdenken der Vernunft»,
jedoch im 6. Kapitel - <Von der Form der Sätze und ihrer die «Einbildungskraft» und die «Reflexion». [134] Als
Vergleichung> - alle wesentlichen formalen Eigenschaf- sechstes und letztes Hilfsmittel der Erfindung führt Rei-
ten, Äquipollentien, Konversionen sowie Umformulie- marus den Witz an, «eine Geschicklichkeit, die verbor-
rungen, die sich aus dem logischen Quadrat ergeben, gene Aehnlichkeit verschiedener Dinge einzusehen. Er
jedoch ohne Modalaussagen; auch die komplexen Kon- zeiget sich sonst bey Poeten und Rednern in artigen
ditionale und Disjunktionen werden ausführlicher als bei Vergleichungen; er kann aber auch der Wahrheit die-
Wolff diskutiert, aber ebenfalls nicht wahrheitsfunktio- nen.» [135] Hier wird das rhetorisch-poetische Zusam-
nal. [127] Daß Reimarus bei der Behandlung der Syllogi- mensehen von Identischem im Heterogenen, das in der
stik, in der er vier Figuren unterscheidet, die 1. Figur als Tradition zwar von der Topik mitgeschleppt wurde, als
die vollkommene bestimmen muß, folgt aus seiner wesentliches Erkenntnismittel bestimmt. In seiner
Grundüberzeugung, daß vernünftiges Denken und inventio des Witzes unterscheidet Reimarus fünf
Schließen notwendig wahr ist: «Weil nun das Natürliche Aspekte [136]:
viel leichter, und das Vollkommene viel brauchbarer ist, (1) Die Analogie (Analoges verhält sich identisch).
als das Unnatürliche und Mangelhafte: so folget daraus, (2) Die Erwartung ähnlicher Fälle (Ähnliches läßt
1) daß man sich in Erfindung, Prüfung, und Beweise der ähnliche Folgen erwarten).
Wahrheiten an die Schlüsse in der ersten Figur zu halten
(3) Die erdichteten Sinnbilder der Einbildungskraft
Ursache habe; und daß mithin die anderen Figuren zu
(das sind, modern gesagt, semiotische Systeme, die zur
unserem eigenen Denken entbehret werden kön-
nen.» [128] Dennoch stellt er die verschiedenen Modi der Darstellung anderer Systeme dienen, wie etwa die Zei-
anderen Figuren kurz, aber präzise dar. Deshalb über- chensprache der Taubstummen oder die Darstellung des
rascht es nicht, daß er bei den Schlüssen mit komplexer Schalls «unter dem fremden Bilde der Lichtstrahlen»),
Oberprämisse die stoischen Schlußfiguren - und zwar die (4) Durch die Zeichenkunst (d.h. durch die Verwen-
Modi ponens, tollens, ponendo tollens und tollendo dung von Symbolen in Arithmetik, Algebra und Geome-
ponens - korrekt formuliert. [129] Auch der verkürzte trie).
Syllogismus, das Enthymem, wird ausführlich diskutiert, (5) Durch die Reduction. Diese «bringt die Dinge
freilich nicht hinsichtlich seiner logischen Struktur, son- unter einen anderen Begriff, damit sie etwas gemein
dern hinsichtlich seiner Zweckmäßigkeit in gängigen haben, um von diesen auf jene zu schliessen».
Konversationen, aber auch in wissenschaftlichen Dar- Aus den von Reimarus gegebenen Beispielen für die
stellungen. Dennoch plädiert er für eine Auflösung und Reduction folgt, daß er damit Mengenbegriffe wie etwa
Umwandlung von Enthymemen in Syllogismen: einmal Hunderte oder Tausende, aber auch Tropen meint: so
aus erkenntnispsychologischen Gründen, «weil wir uns kann man sich etwa den Regenten als Vater vorstellen,
selbst dadurch besser kennen lernen, indem wir von der um etwas über dessen Aufgaben zu wissen; und das «Völ-
Erzeugung aller unserer Gedanken und Begierden völli- kerrecht sieht ganze Völker als einzelne Personen an,
gen Grund finden»; dann aus Gründen der Wissenschaft- ihre Pflichten zu bestimmen». [137] Hier wird offenbar
lichkeit, weil «durch diese Auflösung in förmliche nicht nur die moderne Auffassung der Metapher als
Schlüsse alles ergänzet, und also kein einziger Satz ausge- Modell [138] vorgedacht, sondern auch das forschungslo-
lassen wird, welcher einen Einfluß in die Wahrheit und in gisch interessante Prinzip formuliert, daß man für jedes
die Einsicht ihres Beweises hat»; dann aus didaktischen Problem geeignete Tropen bilden soll, um es von dort aus
Gründen (da «durch die fleissige Entwicklung in förmli- lösen zu können. Solche Fragen bleiben jedoch jenseits
che Schlüsse bey uns eine regelmäßige und regelverstän- des Fragehorizonts von Reimarus. Für ihn bleibt die Syl-
dige Fertigkeit im Denken und Handeln entsteht, welche logistik Gradmesser der Wahrheit, vor allem auch des-
den wahren Grund der Vernunft beweist»); und schließ- halb, weil die inventorische Kraft des Witzes oft weit
lich aus 'denkhygienischen' Gründen, läßt man doch übers Ziel hinausschießt und somit die «Wahrheit mehr
«oft, in verkürzten Schlüssen und deren Zusammen- verdunkelt, als entdecket». [139]
hange, solche Vordersätze, oder ganze Schlüsse, weg, Einen gewissen Endpunkt in dieser Entwicklung stellt
woraus es hauptsächlich ankommet». [130] Die Nähe zu die L. des Lehrers von Kant dar, nämlich die <Elementa
Aristoteles zeigt sich auch darin, daß Reimarus' Behand- philosophiae rationalis seu logica> (1747) von M. K N U T -
lung der «Luftstreiche», d.h. der Scheinschlüsse, der ZEN, der die Logica als «Vernunftlehre» bestimmt, die
«Wortstreite» und der «Consequenzmachereyen» Paral- «1) Gegenmittel wider Irrthümer und 2) Mittel der
lelen zu den <Sophistischen Widerlegungen) auf- Wahrheit erklären» [140] muß. Im Gegensatz zu Knutzen
weist. [131] ist Lambert ein Schwellenautor, der in seinen Schriften
alle wesentlichen Richtungen der L. der Aufklärung auf-
Die Scheinschlüsse behandelt Reimarus wie schon greift und zugleich durch weitreichende Formalisierun-
Port-Royal zusammen mit den Ursachen für Irrtümer gen über diese Epoche hinausweist. Auch Lamberts
bzw. den Gründen, wie man Gewißheit erlangen kann, <Neues Organon> von 1764 hat, wie dies schon der Unter-
im II. Teil seiner Vernunftlehre. In diesem Teil erörtert titel programmatisch ausweist, das gleiche Ziel wie Knut-
er auch wie Wolff erkenntnis- und wissenschaftstheore- zen: «Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung
tische Fragen zur Erfahrung, zur Glaubwürdigkeit von des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrtum und
Texten, Zeugnissen oder Dokumenten, zur Hermeneu- Schein» [141], Sein <Neues Organon> hat folgende Teile:
tik und Textexegese (<Analyse>), und vor allem auch zur (1) Dianoiologie oder Lehre von den Gesetzen des Den-
<Erfindung> - d.h. «durch eigenes Nachdenken zum kens (Begriff, Definition, Urteil (= Aussage), Schluß,
Erkenntnisse des bisher Unbekannten gelangen» [132] Beweis, Erfahrung, wissenschaftliches Erkennen). (2)
- , die vom Bekannten zum Unbekannten fortschreitet Alethiologie oder Lehre von der Wahrheit (Grundsätze

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und Postulate, einfache und zusammengesetzte Begriffe, Quantität Qualität Relation Modalität
vom Wahren und Irrigen). (3) Semiotik oder Lehre von allgemein, bejahend, kategorisch, problematisch,
der Bezeichnung der Dinge (sprachliches Zeichen, Wort- partikular, verneinend, hypothetisch, assertorisch,
arten, Etymologie und Wortforschung, Wortfügungen einzeln unendlich disjunktiv apodiktisch
(feste Syntagmen und Redewendungen, Sprachtypologi-
sches). (4) Phänomenologie oder Lehre von dem Schein (Abb. 3)
(Arten des Scheins; sinnlicher, psychologischer und
moralischer Schein, Wahrscheinliches, Darstellung des Bei verneinenden Urteilen wird die Kopula negiert, bei
Scheins in Literatur und Kunst). Auffallend in diesem unendlichen Urteilen wie z.B. «Die menschliche Seele ist
Port-Royal verpflichteten <Organon> ist, daß Lambert nicht-sterblich» wird hingegen ein negiertes Prädikat
schon im 1. Teil immer mehr die erkenntnispsychologi- dem Subjekt zugeordnet. Uberraschend ist, daß Kant
sche Fragestellung zugunsten einer mehr analytischen unter der Modalität Eigenschaften von Aussagen als for-
Beschreibung von Begriffen und Begriffsrelationen auf- mal begreift - was u.a. dazu führt, daß das kategorische
gibt; auch die Analyse des Irrigen ist weniger moralisch Urteil unter der Rubrik <Modalität> als assertorisches
als bei Wolff oder Reimarus; dem entspricht, daß das kri- Urteil gleichsam verdoppelt wird. Diese Verdoppelung
tisch-hermeneutische Argumentieren durch eine eher scheint daher zu rühren, daß Kant das kategorische
deskriptiv-erklärende Haltung ersetzt wird. Und in der Urteil als Subjekt-Prädikatsrelation denkt, die Assertion
detaillierten und zum Teil formalisierten Darstellung der hingegen als Satz, d.h. aussagenlogisch. Die Urteile hin-
Syllogismen und Beweise im I. Teil und in der Formali- sichtlich der Relation denkt er als Unterordnung, und
sierung des Wahrscheinlichen im IV. Teil gewinnt der zwar wird beim kategorischen Urteil das «Prädikat dem
Mathematiker Lambert die Oberhand. [142] Diese Ana- Subjekte», beim hypothetischen die «Folge dem
lyse wird Lambert in späteren Schriften - insbesondere Grunde» und beim disjunktiven ein «Glied der Eintei-
der <Anlage zur Architectonic oder Theorie des Einfa- lung dem eingeteilten Begriffe» untergeordnet. [147]
chen und Ersten in der philosophischen und mathemati- Problematisch ist, daß das hypothetische Urteil nicht nur
schen Erkenntniss> (1771) - vertiefen und damit zu als Grund/Folge-und Vordersatz/Nachsatzbeziehung
einem der wichtigsten Vorläufer der modernen symboli- gedacht wird, sondern auch als Schlußform: «Die Form
schen L. werden. [143] der Verknüpfung in den hypothetischen Urteilen ist
3. Ende einer Epoche: Kant und Mill. Einen ganz ande- zwiefach; die setzende (modus ponens) oder die aufhe-
ren Weg aus der Tradition geht Kant. In seiner in der bende (modus tollens)». Da die «hypothetischen Ver-
<Kritik der reinen Vernunft> ( 1 7 8 1 / 8 7 ) entwickelten tran- nunftschlüsse» - d. h. die hypothetischen Syllogismen - in
szendentalen L. werden nämlich nicht die formalen gleicher Weise bestimmt werden [148], ergibt sich fol-
Aspekte mit Hilfe symbolischer Kalküle weiter präzi- gende falsche Gleichsetzung: Implikation (wenn/dann-
siert, sondern die seit Wolff in das alte Logikgebäude ein- Satz) = Grund/Folge = Antezedens/Konsequens =
geführten erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Schluß. Damit ist der fundamentale Unterschied zwi-
Aspekte aufgegriffen und hinsichtlich der Frage, inwie- schen Aussage und Schluß aufgehoben. Diese Gleichset-
weit sie transzendentale Bedingungen der Erkenntnis zung von Aussage, Ursache/Wirkung und Schluß wird
der Wirklichkeit darstellen, systematisch diskutiert. noch dadurch unterstrichen, daß als Prinzip der hypothe-
Diese Verschiebung der Fragestellung zeigt sich schon tischen Schlüsse, der <Satz des Grundes> angegeben wird:
äußerlich in den von G . B . J Ä S C H E 1 8 0 0 herausgegebenen «A ratione ad rationatum, - a negatione rationati ad
Vorlesungen Kants zur L. Obwohl diese <Jäsche-L.> negationem rationis, valet consequentia» (Vom Grund
unter philologischen Gesichtpunkten in vielen Details zum Begründeten, von der Negation des Begründeten
problematisch ist (Jäsche hat u.a. auch studentische Mit- zur Negation des Grundes gilt die Folgerung). [149] Was
schriften berücksichtigt), zeigen sich doch schon hier das Wesen eines hypothetischen Schlusses (und damit
wesentliche Grundtendenzen und -annahmen im Den- des Schlusses überhaupt) ausmacht, bleibt somit in dieser
ken Kants. [144] L. Kants unklar. Als Prinzip der kategorischen Ver-
In dieser L. (Ein Handbuch zu Vorlesungen) werden nunftschlüsse bzw. Syllogismen (Kant unterscheidet vier
nämlich zuerst in der <Einleitung> (immerhin zwei Drittel Figuren) führt er das schon in der Scholastik unterschie-
des Textes) die erkenntnistheoretischen Fragen und dene dictum de omni et nullo an, das er mit folgender
danach unter dem Titel <Allgemeine Elementarlehre> Regel beschreibt: «Was der Gattung oder Art zukommt
die klassische L. behandelt. D e m folgt ein kurzer oder widerspricht, das kommt auch zu oder widerspricht
Abschnitt zur <Methodenlehre>, in der im wesentlichen allen den Objekten, die unter jener Gattung oder Art
Fragen der Definition und Einteilung der Begriffe erör- enthalten sind»; das Prinzip oder - wie man offensicht-
tert werden. Die Elementarlehre zerfällt in die drei klas- lich auch sagen könnte - der Topos der disjunktiven
sischen Teile: Begriff, Urteil, Schluß. In der Urteilslehre Schlüsse ist der «Grundsatz des ausschließenden Drit-
übernimmt Kant eine schon von Leibniz getroffene ten», wobei Kant die von der Stoa ererbten Schlußva-
Unterscheidung in <Vernunftwahrheiten> (vérités de rai- rianten <das eine nicht, also das andere> und <das eine,
sonnement) und <Tatsachenwahrheiten> (vérités de fait), also das andere> aufführt - freilich ist hier problematisch,
bei ihm als analytische und synthetische Sätze bezeich- daß er die Disjunktion auf opposita, also Gegensatzbe-
net: erstere gründen ihre Wahrheit «auf der Identität der griffe, reduziert. Neben den Vernunftschlüssen unter-
Begriffe» (etwa: Körper sind (per definitionem) ausge- scheidet Kant noch die Verstandesschlüsse, in denen sich
dehnt), letztere «vermehren die Erkenntnis materialiter» nur die «Form der Urteile», nicht ihre «Materie» ändert,
(etwa: Körper ziehen einander an); [145] neu ist auch die d.h. alle sich aus dem logischen Quadrat der klassischen
Einteilung der Urteile «in Rücksicht auf ihre Form», die L. ergebenden Umformulierungen, Äquipollenzen oder
sich «auf die vier Hauptmomente der Quantität, Qualität, auch Konversionen, die freilich traditionellerweise in der
Relation und Modalität zurückführen» [146] lassen (vgl. Lehre von den Aussagen abgehandelt wurden. [150]
dazu Abb. 3). Unter diese <Kantischen Kategorien> fallen Auch hier manifestiert sich, daß Kant formale Beziehun-
jeweils: gen zwischen Aussagen und Schlußfolgerung zwar termi-

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nologisch unterscheidet, beide aber als Schlüsse zusam- Quantität Einheit, Vielheit, Allheit
mendenkt. Nun finden sich die gleichen Unterscheidun-
gen in der <Kritik der reinen Vernunft), freilich im Qualität Realität, Negation, Limitation
Abschnitt <Transzendentale Analytik), der zum 2. Teil Relation Substanz und Akzidens
der <Kritik>, d.h. der t r a n s z e n d e n t a l e n L.>, gehört [151]:
Kausalität und Dependenz
Gemeinschaft (Wechselwirkung zwischen dem
Kritik der reinen Vernunft Handelnden und Leidenden)
Modalität Möglichkeit - Unmöglichkeit
II. Dasein - Nichtsein
Transzendentale Transzendentale Notwendigkeit - Zufälligkeit
Elementarlehre Methodenlehre
[1/6 der gesamten Kritik] (Abb. 4)
2.
Transzendentale Transzendentale sehen Grundbegriffe ein Argumentationspotential haben:
Ästhetik Logik Erst in einer bestimmten Synthesis kann nämlich der
Verstand «etwas bei dem Mannichfaltigen der Anschau-
Transzendentale Transzendentale ung verstehen, d.i. ein Obiect derselben denken», d.h. in
Analytik Dialektik den mannigfaltigen und in der Anschauung ungeschie-
den gegebenen Dingen eine begriffliche Einheit stif-
ten. [158] Da diese transzendentallogische Synthesis «mit
Dort vermerkt Kant zum hypothetischen Urteil: «Der dem Urteilen überhaupt konvertibel»[159] ist, wird in
hypothetische Satz: wenn eine vollkommene Gerechtig- jedem Urteil etwas in der Anschauung Gegebenes
keit da ist, so wird der beharrlich Böse bestraft, enthält begrifflich erfaßt, oder noch allgemeiner: allein durch die
eigentlich das Verhältniß zweier Sätze: Es ist eine voll- Handlung des Urteilens ist es möglich, «etwas als einen
kommene Gerechtigkeit da, und der beharrlich Böse Gegenstand zu erkennen». [160] Bedenkt man, daß diese
wird bestraft. Ob beide dieser Sätze an sich wahr sind, Kantischen Kategorien aus Urteilen abgeleitet sind, die
bleibt unausgemacht. Es ist nur die Consequenz, die mit den Schlußformen zusammengedacht und vermischt
durch dieses Urtheil gedacht wird.» [152] Hier sieht Kant werden, muß dieses Kantische Verfahren als zirkulär
wichtige Eigenschaften des hypothetischen Arguments, bezeichnet werden. Die Bedingungen der Möglichkeit
ohne dies jedoch systematisch auf den Begriff zu bringen. der Erfahrung der Wirklichkeit überhaupt leitet Kant
Deshalb muß man die <Assoziationsgleichung> um ein aus den drei «Fähigkeiten des Gemüths» Sinn, Einbil-
weiteres Element erweitern: Implikation = Grund/Folge dungskraft und Apperzeption ab: durch den Sinn wird
= Antezedens/Konsequens = Schluß = hypothetisches «die Synopsis des Mannichfaltigen a priori» möglich;
Argument. Das Transzendentale darf nicht mit dem a durch Einbildungskraft die Synthesis und durch die
priori gleichgesetzt werden. So ist etwa die apriorische Apperception die Einheit der jeweiligen Synthesis. [161]
Vorstellung des Raums oder «irgend eine geometrische Das ist zugleich Kants Antwort auf empiristische und
Bestimmung desselben» noch keine «transcendentale rationalistische Theorien, die das von Descartes hinter-
Vorstellung, sondern nur die Erkenntniß, daß diese Vor- lassene Problem des Verhältnisses von Körper und
stellungen gar nicht empirischen Ursprungs sind, und die Geist, von res extensa und res cogitans einseitig zu klären
Möglichkeit, wie sie sich gleichwol a priori auf Gegen- suchten. Kant selbst hat seine Theorie der Synthesis der
stände der Erfahrung beziehen könne, kann transcen- beiden getrennten Bereiche auf die bekannte Formel
dental heißen». [153] Im Gegensatz zur traditionellen gebracht: «Ohne Sinnlichkeit wäre uns kein Gegenstand
und allgemeinen L., die Kant als «Wissenschaft der Ver- gegeben und ohne Verstand könnte keiner gedacht wer-
standesregeln überhaupt» bestimmt, und die «von allem den. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen
Inhalt der Erkenntniß abstrahiert», ist die transzenden- ohne Begriffe sind blind.» [162]
tale L. «Wissenschaft des reinen Verstandes und der Ver- Daß nun die Grundkategorien überhaupt angewendet
nunfterkenntnisse, dadurch wir den Gegenstand völlig a werden können, führt Kant auf Grundsätze zurück, wie
priori denken». [154] Mit diesen Unterscheidungen wen- etwa auf den Satz des Widerspruchs für die analytischen
det sich Kant nicht nur gegen die in Nachfolge von Wolff Urteile, oder das <Axiom der Anschauung», daß alle
oft vorgenommene Gleichsetzung der L. mit Erkenntnis- Erscheinungen extensive Größen sind, oder auf die
psychologie (die L. hat «keine empirischen Principien, <Analogien der Erfahrung»: 1. Grundsatz der Beharrlich-
mithin schöpft sie nichts (wie man sich bisweilen überre- keit (Alle Erscheinungen sind - nacheinander oder
det hat) aus der Psychologie» [155]), sondern auch gegen zugleich - in der Zeit); 2. Grundsatz der Zeitfolge nach
die gängige Bestimmung der Metaphysik als Wissen- dem Gesetz der Kausalität (Alle Veränderungen gesche-
schaft der ersten Prinzipien der Erkenntnis wie etwa bei hen nach dem Gesetz der Verknüpfung der Ursache und
BAUMGARTEN. [ 1 5 6 ] Wirkung); 3. Grundsatz des Zugleichseins, nach dem
Nun gehören die genannten Urteilsformen (Quantität, Gesetz der Wechselwirkung, oder Gemeinschaft (Alle
Qualität, Relation, Modalität) auch zur transzendenta- Substanzen, sofern sie im Räume als zugleich wahrge-
len L. Mehr noch, Kant leitet aus ihnen die «reinen Ver- nommen werden können, sind in durchgängiger Wech-
standesbegriffe» oder «Kategorien» ab, die «der Ver- selwirkung). [163] Die letzten Grundsätze legitimieren
stand a priori in sich enthält». [157] Dies entspricht struk- als letztinstanzliche Prinzipien offenbar die reinen Ver-
turell der Reduktion der Topik auf Begriffliches bei standesbegriffe der Relation.
Agricola, dargestellt in Abb. 4. Welche Bedeutung kommt der transzendentalen Dia-
Diese Kategorien sind zugleich reine Begriffe der Syn- lektik zu? Kant bestimmt diese - wie schon in seinen
thesis. Dies entspricht der These Agrícolas, daß die topi- Logikvorlesungen - als L. des Scheins: «Eine sophisti-

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sehe Kunst, seiner Unwissenheit ja auch seinen vorsätzli- abspielt, dann gilt dies notwendig auch für <Peter denkt>
chen Blendwerken den Anstrich der Wahrheit zu oder <Dieser Mann da denkt >. Nun sehe ich eben Peter und
geben.» [164] Zunächst gilt es festzuhalten, daß Kant den diesen-Mann-da.» Hier wird ein weiterer Mangel der
in der transzendentalen Analytik nicht berücksichtigten Kantischen transzendentalen L. deutlich: Kant denkt
Teil der L., eben die Lehre von den Verstandesschlüssen zwar allgemein in den Kategorien der Quantität (alle,
(kategorisch, hypothetisch, disjunktiv), in die transzen- einige, einer) den extensionalen Bezug von Aussagen,
dentale Dialektik überträgt. Dabei geht es nicht um die doch eine differenzierte Betrachtung der Denotation
Analyse bestimmter dialektischer Folgerungen, sondern oder Referenz wie etwa in der scholastischen Supposi-
um die «dialektischen Schlüsse der reinen Ver- tionslehre fehlt. Da zudem die Schlußlehre in einem zen-
nunft». [165] Da diese «vernünftelnden» - d.h. bloß ver- tralen Teil, eben dem hypothetischen Schließen, diffus ist,
nünftig erscheinenden - Schlüsse nach Kant absolute überrascht es, daß in seiner Nachfolge Autoren wie JAKOB
Grenzfälle der drei Verstandesschlüsse sind, teilt er sie oder R E U S S davon ausgehen, die transzendentale L. Kants
auch in die drei folgenden Gruppen ein [166]: wie auch seine formale L. seien wohlbegründete und kom-
(i) Der Schluß «von dem transcendentalen Begriffe plementäre Formen der L. (Ergänzungshypothese). Im
des Subjekts, der nicht Mannichfaltiges enthält auf die deutschen Idealismus dominierte freilich die Überwin-
absolute Einheit dieses Subjects selber» oder auf die dungshypothese (FICHTE, SCHELLING, H E G E L ) , wonach
Seele (kategorisch); Kants Idee der allgemeinen und formalen L. (d.h. der tra-
(ii) Der Schluß «auf den transcendentalen Begriff der ditionellen L.) in einer <metaphysischen L.> aufgehoben
absoluten Totalität, der Reihe der Bedingungen zu einer werden müßte. Daneben kann eine dritte Richtung unter-
gegebenen Erscheinung überhaupt» oder auf die Welt schieden werden, die eine Begründungshypothese vertrat
(hypothetisch); ( M A I M Ó N , TRENDELENBURG, U B E R W E G ) , wonach die for-
(iii) Der Schluß «von der Totalität der Bedingungen, male L. durch die transzendentale L. begründet werden
Gegenstände überhaupt, sofern sie mir gegeben sein müßte. [170] All dies verweist auf einen epochalen und
können, zu denken auf die absolute synthetische Einheit unmittelbaren Erfolg Kants: «Die Welle der Wölfischen
aller Bedingungen der Möglichkeit der Dinge über- Logikhandbücher in deutschen Universitäten wird durch
haupt» oder auf Gott (disjunktiv). eine Welle Kantischer Lehrbücher abgelöst.» [171]
Den Scheinschluß (iii), der sich durch die Folgerung Legt man hingegen den ganzen in diesem Abschnitt
aus der <Totalität der Ordnung der Dinge> auf ein v e r - untersuchten Zeitraum zugrunde, so fällt auf, daß Kant
einheitlichendes Wesen> ergibt, bezeichnet Kant auch als das Pendant zu Agricola darstellt. Agricola hatte die L.
«Idealschluß der reinen Vernunft». Der Fall (i) führt zu als Begriffslogik verweltlicht und ontologisiert, Kant holt
«transzendentalen Paralogismen», wie z.B., wenn man sie - wiederum als Begriffslogik - ins reine Bewußtsein.
etwa, ausgehend vom cartesianischen Prinzip «Ich Damit entlogisieren beide die alte L. in dem Sinne, daß
denke» auf «Also bin ich, als denkend Wesen (Seele) sie deren altes Kernstück, eben topisches und syllogisti-
Substanz» [167] (= Paralogismus der Substantialität) fol- sches Schließen und Folgern, zu Derivaten von Begriffen
gert. Die Annahme (ii) führt zu «Antinomien der reinen machen. <Logos> ist nicht mehr die vernünftig raisonnie-
Vernunft», weil etwa transzendentale Ideen in Wider- rende oder stringent folgernde Rede, sondern bloß noch
streit treten können, ohne auflösbar zu sein, wie z.B.: Begriff.
«Die Welt hat einen Anfang in der Zeit und ist dem Ganz anders das (System of Logic> (1843) von J.S.
Raum nach in Grenzen eingeschlossen» (Thesis) vs. «Die MILL, das im Untertitel <schlußfolgernde und induktive
Welt hat keinen Anfang und keine Grenzen im L.> schon anzeigt, und das - wie es im weiteren Untertitel
Räume» [168] (Antithesis). heißt - als «Betrachtung der Prinzipien der Evidenz und
Es ist klar, daß durch diese Verabsolutierung die ver- der Methoden wissenschaftlicher Forschung» zu verste-
schiedenen Schlußarten ihre spezifische logische Bedeu- hen ist. [172] Mill steht ganz in der Tradition des engli-
tung verlieren. So ist ja etwa (ii) kein hypothetischer schen Empirismus und Skeptizismus von BACON, H O B -
Schluß, sondern eine Art <Metafolgerung> aus der BES, LOCKE, BERKELEY, H U M E oder R E I D . [173] Daß der
Annahme, daß sich Ursachen und Wirkungen in einem Empirist Mill mit seiner Forschungslogik den Siegeszug
homogenen Raum abspielen. Ebenso ist (i) in der Formu- der modernen Naturwissenschaften reflektiert, über-
lierung von Kant kein kategorischer Schluß im traditio- rascht ebenso wenig wie die Tatsache, daß die Induktion
nellen Sinn. Vielleicht schlägt Kant deshalb auch in der 1. fast die Hälfte seines <System of Logio einnimmt:
Auflage der <Kritik> noch die Analyse als sophisma figu- I. Von Namen und Aussagen (of names and proposi-
rae dictionis, also als Fehler der Äußerungsform vor, da ja tions, 32-101)
in «Ich denke, also bin ich eine Substanz» der Ausdruck II. Vom Schließen (of reasoning; 103-184)
ich zuerst transzendental und dann empirisch genommen III: Von der Induktion (of induction; 185^18)
wird. [169] Dies mag so scheinen, wenn man diesen Schluß IV. Von subsidiären Operationen der Induktion (of
rein bewußtseinslogisch und -monologisch denkt. operations subsidiary to induction; 41ÍM79)
Betrachtet man jedoch einen alltagsweltlichen Satz wie V. Über Trugschlüsse (on fallacies, 481-544)
«Ich denke (also laß mich in Ruhe)» als eine Aussage, in VI. Über die L. der Moralwissenschaften (on the logic
der der Sprecher sich selbst als empirisch existierende of the moral sciences; 545-622).
Substanz supponiert, so hat man genauso wenig einen Der in dieser Gliederung deutlich werdende praktisch-
Sophismus wie etwa in «Peter denkt (laß ihn in Ruhe)», empirische Zugriff zeigt sich auch darin, daß Mill die Dis-
sondern das Problem, wie man mit Sprache auf Gegen- kussionen der names und propositions, also der Terme
stände referiert. Kurz: in jeder sinnvollen Aussage ist und Aussagen mit einer Sprachanalyse beginnt, da «das
Empirisches, insofern zumindest ein Satzglied Reales schlußfolgernde Denken, bzw. Folgern [Reasoning, or
supponiert, mitgegeben. Damit läßt sich die Problematik Inference], der hauptsächliche Gegenstand der L., ein
der idealistischen Analyse eines Satzes wie «Ich denke» Verfahren darstellt, das gewöhnlich mittels Wörtern voll-
leicht durch ein ad absurdum-Argument aufweisen: zogen wird». [174] Bei seiner Erörterung der Terme greift
«Wenn sich <ich denke> rein bewußtseinsimmanent Mill nicht nur auf die aristotelische Tradition, sondern

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auch auf die Scholastik zurück. So verweist er etwa bei der sage A ist B». Damit wird wie bei Kant die Implikation
Diskussion des metasprachlichen Gebrauch eines Terms mit der Folgerung gleichgesetzt.
auf die suppositio materialis[\15] und unterscheidet Wie Kant gesteht Mill der traditionellen L., die er wie
neben Gattungsnamen/Eigennahmen oder Konkreta/ dieser als formale L. bezeichnet, nur eine sekundäre
Abstrakta ebenso wie Wilhelm von Ockham absolute und Rolle zu. Freilich ist bei Mill nicht die transzendentale L.
konnotative Terme. Dabei nimmt er jedoch eine signifi- primär, sondern die L. der Forschung. Die formale L.
kante Uminterpretation vor. Nicht-konnotative Terme bestimmt nur noch, «wann Behauptungen in einer gege-
sind für ihn nämlich Eigennamen (die ein Subj ekt bezeich- benen Form die Wahrheit oder Falschheit von anderen
nen) oder Terme wie Röte, Länge oder Tugend (die ein Behauptungen implizieren oder voraussetzen», d.h. sie
Attribut bezeichnen), konnotativ sind Adjektive wie rot, hat Konversionen, Äquivalenzen, Oppositionen und die
lang oder tugendhaft (da sie ihr Subjekt mit-bezeichnen), Syllogismen zu klären. Ihr vorgeschaltet (und von der
aber auch - im Gegensatz zu Wilhelm von Ockham - «alle Forschungslogik zu klären) sind Begriffsbildung, das Fin-
konkreten allgemeinen Terme» wie etwa Mensch; so den von Gesetzmäßigkeiten und Definitionen - Ziel der
denotiert etwa das Wort Mensch deshalb bestimmte ein- formalen L. ist somit «nicht Wahrheit, sondern Konsi-
zelne Individuen, weil diese bestimmte Attribute wie stenz». Damit ist die Konsistenzlogik, d.h. die formale L.,
«Körperlichkeit, belebt, Rationalität und eine bestimmte «eine notwendige Hilfsdisziplin für die L. der Wahr-
äußere Form» objektiv besitzen: dieses objektive Besitzen heit». [183] Von hier aus erklärt sich seine kurze Behand-
wird durch die Bedeutung des Wortes Mensch angezeigt: lung der traditionellen L. wie auch seine Feststellung, daß
«Das Wort Mensch [...] bedeutet [signifies] alle diese alle korrekten Folgerungen mit Schlüssen der 1. Figur
Attribute und alle Subjekte, die diese Attribute besit- vollzogen werden können. [184] Diese sind für Mill
zen.» [176] Diese Bestimmung ist insofern problematisch, jedoch insofern formal und tautologisch, als ihnen eine
als hier das Verb to signify doppeldeutig verwendet wird, petitio principii zugrunde liegt, die das in der Konklusion
da es zugleich bedeuten und denotieren meint. Für weitere Erschlossene schon in den Prämissen feststellt. So wird ja
Verwirrung sorgt zudem, daß Mill im Anschluß an diese im Borbara-Schluß durch «Alle Menschen sind sterblich;
Erörterung die Bedeutung (meaning) eines Wortes mit Sokrates ist ein Mensch» - unter Voraussetzung der Gül-
seiner Konnotation gleichsetzt und streng gegen die tigkeit des Prinzips dictum de omni et nullo - festgelegt,
Denotation abgrenzt. Hier muß nämlich die Millsche daß Sokrates sterblich ist. [185] Deshalb ist der Syllogis-
Opposition Konnotation/Denotation im Sinne von mus bei der Suche nach forschungslogisch relevanten
Compréhension/Extension bzw. von Begriffsinhalt/Be- Tatsachen nicht brauchbar. Die unmittelbare Konse-
griffsumfang bei Port-Royal verstanden werden. [177] quenz dieser Feststellung ist, daß aus forschungsprakti-
scher Sicht nicht deduktiv wie im Syllogismus vom Allge-
Eindeutiger hingegen ist seine Diskussion der Aussa- meinen zum Partikulären (oder Singulären) gefolgert
gen und der Folgerungen. So unterscheidet Mill neben wird, sondern induktiv vom Partikulären zum Partikulä-
den universellen, partikulären und unbestimmten Aussa- ren. Von hier aus ist nachvollziehbar, daß Mill das klassi-
gen die singulären Aussagen, da diese ja den forschungs- sche Beispiel für den Syllogismus von der Sterblichkeit
praktischen Anfangspunkt der Naturwissenschaften dar- aller Menschen - also nicht die Gültigkeit des Syllogis-
stellen. Wesentlicher ist, daß er sich gegen die Analyse mus selbst - in Frage stellt. Die einzigen Evidenzen, die
der Aussage als Urteilsakt wendet, in dem ein Prädikat wir haben - so die Millsche Argumentation - sind, daß
einem Subjekt zugeordnet wird - u.a. auch deshalb, weil der Duke of Wellington ein Mensch ist und auch, daß
es Sätze gibt wie etwa «Das Ganze ist größer als sein «John, Thomas und andere sterblich sind», nicht aber,
Teil» oder «Die Unfehlbarkeit des Papstes kann nicht daß dies auch für den Duke zutrifft. Man schließt also von
aus der Heiligen Schrift abgeleitet werden», in denen es einer mehr oder weniger großen Anzahl von Einzelfällen
um die Wahrheit der ganzen Aussage geht. [178] Dage- darauf, daß auch der D u k e sterblich ist. «Dieser Folge-
gen entwickelt er seine Klassifikation der nicht-analyti- rung wird durch das Zwischenschalten einer allgemeinen
schen Aussagen, die matters of fact (Tatsachen) ausdrük- Aussage kein Jota hinzugefügt.» Dies gilt auch für die all-
ken, nämlich: «Existenz, Koexistenz, Aufeinanderfolge, gemeinen naturwissenschaftlichen Aussagen oder
Bewirkung, Ähnlichkeit». [179] Diese Fokussierung auf Naturgesetze, die allesamt eine Art Abkürzung von sich
synthetische und forschungspraktisch relevante Aussa- aus einer mehr oder weniger großen Anzahl von Einzel-
gen erklärt auch seine kurze Behandlung der komplexen fällen ergebenden Evidenzen darstellen, von denen auf
Aussagen, in der er jedoch die Disjunktion mit W H A T E L Y das Vorliegen der fraglichen Eigenschaften bei anderen
auf das Konditional zurückführt: «<Entweder A ist Β Einzelfällen geschlossen wird. Das hier zugrunde lie-
oder C ist D> bedeutet <Wenn A nicht Β ist, dann ist C D; gende Verfahren ist somit die Induktion. Man muß des-
und wenn C nicht D ist, dann ist A B>»[180]. Diese halb nicht mit Whately annehmen, daß man bei einer all-
Umformulierung legitimiert Mill auch damit, daß Dis- täglichen und wissenschaftlichen Entdeckungsreise
junktion wie Konditional früher unter dem Oberbegriff immer «einen Hügel hinaufsteigt und dann wieder hinun-
<hypothetische Aussage> zusammengefaßt wurden. Frei- tersteigt», um zu seinem Ziel zu kommen. [186] Daraus
lich ergibt sich aus dieser Reduktion wie schon bei folgt jedoch nicht, wie K N E A L E / K N E A L E annehmen [187],
G A L E N [181] das Problem, daß der Konditionalsatz mit daß Mill die formale Gültigkeit eines Barbara-Schlusses
dem hypothetischen Argument gleichgesetzt wird. Das in Frage stellt, sondern nur, daß dieser Schluß nur dann
bestätigt auch das von Mill gegebene Beispiel «Wenn der wahr ist, wenn verifiziert wurde, daß allen in der allge-
Koran von Gott kommt, dann ist Mohammed der Pro- meinen Prämisse genannten Subjekten tatsächlich das
phet Gottes», in dem es gar nicht um die Wahrheit der behauptete Prädikat zukommt. Diese methodologischen
beiden Aussagen geht, «sondern um die Folgerbarkeit Aspekte der wissenschaftlichen Induktion behandelt
[inferibility] des einen aus dem andern». [182] Diese für Mill ausführlich in den Hauptteilen seiner Forschungslo-
hypothetische Schlüsse durchaus legitime Festsstellung gik. In dieser Methodologie hat auch die Deduktion
verallgemeinert er dann für alle wenn-Sätze: «Wenn Α Β einen festen Platz, wie etwa bei Überprüfung von Hypo-
ist, dann ist C D erweist sich als Abkürzung von: Die thesen oder der Verifikation von Gesetzen oder auch -
Aussage C ist D ist eine legitime Folgerung aus der Aus-

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bei sich bedingenden Hypothesen oder Gesetzen - der len muß, daß sich Gleiches gleich verhält - selbst wenn es
Ableitung der unteren aus den oberen allgemeinen (A) sich in unterschiedlichen Konfigurationen befindet.
Annahmen. [188] Den Zusammenhang von formaler L. Der Methode der difference liegt u.a. eine Deduktion
und L. der Forschung mag eine kurze Betrachtung der zugrunde, nämlich: Wenn <Wenn A, dann r> gilt, dann
vier Millschen induktiven Methoden - (i) Zustimmung muß auch <Wenn ~A, dann ~r> gelten - ein plausibler,
(agreement), (ii) Differenz (difference), (iii) Rest (resi- wenn auch nicht stringenter Schluß. Die vierte Methode
due), (iv) übereinstimmende Variation (concomitant schließlich, das Verfahren der übereinstimmenden Varia-
variation) - verdeutlichen. [189] Um festzustellen, ob ein tion, ist dann notwendig, wenn die einzelnen Faktoren
Phänomen A Ursache eines Phänomens r ist, d.h. ob A nicht durch andere ersetzt werden können. So kann man
das Antezedens von r ist, geht man bei der Methode der etwa den Einfluß der Wärme auf die menschliche Physis
Zustimmung so vor, daß man die Phänomene Β und C, und Psyche nicht untersuchen, indem man die Wärme
die mit A gegeben sind, verändert; ist bei diesen Verän- durch etwas anderes ersetzt. Das einzige hier mögliche
derungen immer r mitgegeben, so kann man mit Plausibi- Verfahren ist das der Variation, verbunden mit der Beob-
lität annehmen, daß A die Ursache von r ist. Etwas for- achtung, ob eine Variation im Feld W (Hitze) systema-
maler: wenn A B C mit der Reihe r s t verbunden ist und tisch mit einer Variation im Feld e (menschliches Emp-
A D E mit der Reihe r u v, dann ist A wahrscheinlich finden) übereinstimmt. Es geht hier also, wie Mill selbst
Ursache von r. Hierbei sind A B C und r s t jeweils Konfi- betont, um das Feststellen von Korrespondenzen und
gurationen von Phänomenen. Da diese Methoden auch Analogien. Dies erklärt, daß Mill nicht nur die drei ersten
die Alltagslogik kennzeichnen, mag ein triviales Beispiel Verfahren in der Geschichte der Naturwissenschaftli-
diese Methode verdeutlichen. Hat jemand z.B. in einer chen Forschung ausführlich illustriert, sondern auch, daß
bestimmten Situation bzw. Konfiguration einen Haut- er der Analogie ein gesondertes Kapitel widmet. [191]
ausschlag (r) und sei diese Konfiguration: <Er hat ein Da jedoch allzu plausible Analogien nicht nur im All-
Käsebrot gegessen> (A), <Er hat Tomatensaft getrunken> tag, sondern auch in der Wissenschaftsgeschichte zu vie-
(B) und <Er hat sich in einem bestimmten Raum aufge- len falschen Generalisierungen geführt haben und füh-
halten) (C), so können A oder Β oder C die Ursache von r ren, behandelt Mill diese auch unter den Trugschlüssen
sein. Wenn man nun beobachtet, daß r auch in anderen der falschen Generalisierung. [192] Die Millsche Klassifi-
Konfigurationen wie A D E gegeben ist (wobei etwa D kation ist nun begriffsgeschichtlich nicht nur interessant,
<Er hat Milch getrunken> und E <Er befindet sich im sondern signifikant, weil sie klar die von ihm - und der
Freien> sind), so wird man durchaus den Käse (A) als Neuzeit - vorgenommene Umgewichtung der formalen
Ursache des Hautausschlags nehmen können. Von hier L. und der L. der Forschung zeigt. Mill unterscheidet
aus erklärt sich der Terminus <Zustimmung> im Sinne nämlich die folgenden fallacies[\93\:
von: man stimmt einer Hypothese zu, indem man das als
Ursache angenommene Phänomen beibehält. Bei der
Differenzmethode ersetzt man die angenommene Ursa- Trugschlüsse
che und hält die übrigen Phänomene der Konfiguration
bei (also Χ Β C); fehlt nun auf der Konsequenzseite r (hat einfache Folgerung
man also χ s t), so ist dies ein weiterer Grund, A als Ursa- Einsicht
che von r anzunehmen. Von hier aus wird die Rolle des begrifflich begrifflich
Experiments zur Steigerung des Plausibilitätsgrades klare unklare
unmittelbar einsichtig. Hat man z.B. durch die Zustim- Evidenzen Evidenzen
mungsmethode einsichtig gemacht, daß A mögliche
Ursache von r ist, kann man durch Beibehaltung der übri-
a priori Beobachtung Generali- Deduktion Konfusion
gen Faktoren experimentell diese Hypothese validieren.
Beide Methoden werden in der naturwissenschaftlichen sierung
Forschung in der Regel nacheinander kombiniert (com-
bined method) oder müssen - in bestimmten Fällen - Die Fehler der Beobachtung und Generalisierung erge-
gleichzeitig angewendet werden (man denke etwa an die ben sich aus forschungspraktisch unseriösen und metho-
Erprobung der Wirksamkeit von Tabletten mit einer disch nicht einwandfreien Induktionen und Analogien;
zusätzlichen Kontrollgruppe und der Verwendung von der Fehler der Konfusion entspricht den traditionellen
Placebo-Tabletten). Die Restmethode besteht darin, daß Fehlern der sprachlichen Äußerung, d.h. den sich aus
man, wenn durch die beiden ersten Verfahren nachge- Wörtern oder Sätzen ergebenden Ambiguitäten; zu die-
wiesen ist, daß - in Konstellationen A B C / / r s t - A Ursa- sem Fehler rechnet Mill jedoch auch die petitio principii
che von r und Β Ursache von s ist, auch folgern kann, daß und die ignorantia elenchi (allgemein im Sinne von Ver-
C Ursache von t ist. Dieses Verfahren muß angewendet schiebungstechnik verstanden) [194]; die von Mill nur
werden, wenn C (etwa Schwerkraft) oder t nicht ersetzt kurz behandelten Fehler der Deduktion (ratiocination)
werden können oder keiner direkten Beobachtung entsprechen im wesentlichen den übrigen in der Tradi-
zugänglich sind. In diesem Fall wird das Ergebnis nach tion unterschiedenen Fehlern außerhalb der sprachlichen
Mill nicht durch Beobachtung, sondern durch <Deduk- Äußerung. Zu den a priori-Fehlern der einfachen Ein-
tion> erreicht. [190] Offensichtlich ist diese schon bei den sicht (simple inspection) rechnet Mill nicht nur vulgar
beiden anderen Methoden beteiligt. Der Methode des errors wie Gemeinplätze und Sprichwörter (Wenn man
agreement liegt ja die exklusive Disjunktion (entweder ist vom Teufel redet, kommt er), sondern auch die in der
A oder Β oder C die Ursache) zugrunde; da damit auch Β Geschichte der Philosophie, insbesondere des Idealis-
und C die Ursache sein können, muß man diese Möglich- mus gemachten Fehler wie «Wo ein Name ist, ist auch
keit durch Ersetzen dieser Faktoren eliminieren; zeigt eine Sache» oder Descartes' Prinzip «Was klar begriffen
sich dann, daß auch r der Fall ist, so muß man die (vorläu- werden kann, existiert auch» oder auch naturwissen-
fige) Generalisierung vornehmen, daß <immer wenn A, schaftliche Annahmen wie etwa, daß die Schwerkraft
auch r> zutrifft, wobei man freilich den Topos unterstel- den Dingen selbst immanent ist [195] - eine Abrechung

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mit den meisten gängigen Gemeinplätzen, Evidenzen mel: The Logic and Rhetoric of P. Ramus, in: Modern Philology
und Vorurteilen in Baconscher Manier. 46 (1949) 163-171; M.-M. Dassonville: La genèse et les principes
Einen weiteren begriffs- und wissenschaftsgeschicht- de la dialectique de P. de la Ramée, in: Revue de l'Univers.
d'Ottawa 23 (1953) 322-359; Ong [11] 171ff.; Risse [4] 122ff.; M.
lich wesentlichen Aspekt gilt es noch festzuhalten: Mit Kneale, W. Kneale: The Development of Logic (Oxford 1962)
seiner Zurückführung forschungspraktisch relevanter 301ff.; Howell [11] 146ff.; Nuchelmans [4] 168ff. - 4 5 vgl. P. Rami
Folgerungen auf den Schluß vom Partikulären auf das Scholarum dialecticarum, seu animadversionum in Organum
Partikuläre hat Mill, ohne sich dessen bewußt zu sein, Aristotelis, libri XX (Paris 1548 u. Frankfurt 1594; N D Frankfurt
einem alten rhetorischen Beweisverfahren, das sich 1965); ein fast vollständiges Schriftenverzeichnis in W.J. Ong:
schon in Aristoteles' <Rhetorik> findet, zu einer neuen Ramus and Talon Inventory (Cambridge/M. 1958). - 46P.
wissenschaftlichen Dignität verholfen, nämlich dem En- Ramus: La Dialectique (1555), hg. u. komm. v. M. Dassonville
(Genf 1964) 63. - 47ebd. 63 ff. - 4 8 e b d . 89ff. - 49 P. Ramus: Scho-
thymem aus dem Beispiel (Paradeigma). [196] G e n a u hier larum rhetoricarum ... Libri XX (1581; ND 1965) 148. - 5 0 R a -
bilden sich neue synthetische Urteile heraus - das ist die mus [45] 9 0 . - 5 1 vgl. E. Eggs: Art. <Metonymie> in diesem Bd. Sp.
Millsche Antwort auf Kants synthetische Begriffe a 1196ff. - 52Ramus [45] 96ff. - 53ebd. 115ff. - 54ebd. 136. -
priori. Da auch die induktiven Methoden der Zustim- 55 ebd. 164, Anm. 104,3. - 56 vgl. O. Ducrot: Dire et ne pas dire
mung, der Differenz, des Rests und der übereinstimmen- (Paris 1972) 129ff.; vgl. E. Eggs: Grammaire du discours argu-
den Variation gängige Verfahren der Alltagslogik sind, mentatif (Paris 1994) 36ff. - 57ebd. 137. - 58ebd. - 59vgl. D.
hat Mill, völlig ohne Absicht, die rhetorische L.> ein Felipe: Fonseca on Topics, in: I. Angelelli, M. Cerezo (Hg.): Stu-
dies on the History of Logic (1996) 43-64; zu Jungius vgl. Risse
gutes Stück weitergebracht - das kann man auch daran [4] I, 52Iff. - 60Risse [4] II, 66. - 61 A. Arnauld, P. Nicole: La
ablesen, daß seine Methoden des inductive reasoning logique ou l'art de penser (Paris 51683; zit. n. der Ausg. Paris
einen festen Platz im Lehrangebot amerikanischer Uni- 1970) 294. - 62 ebd. 298-303; vgl. Κ. Petrus: Genese u. Analyse.
versitäten zum Kritischen Denken erhalten haben. [197] L., Rhet. u. Hermeneutik im 17. u. 18. Jh. (1997) 23f. - 63Petrus
[62] 71. - 6 4 e b d . 95ff. - 6 5 e b d . 73ff. u. 97f. - 66Arnauld, Nicole
Anmerkungen: [61] 136. - 67ebd. 87; vgl. J.-C. Pariente: L'analyse du langage à
11.L. Vivis Valentini Opera omnia, hg. v. B. Montfort (1782; ND Port-Royal (Paris 1985) 227ff. u. E. Eggs: Art <Konnotation/
London 1964) III, 37 u. 38 (= Adversus pseudo-dialecticos D e n o t a t i o n in: H W R h Bd. 4, Sp. 1245ff. - 68 Arnauld, Nicole
(1519)); auch in: J.L. Vives: Against the Pseudodialecticians, lt.- [61] 145ff., 166ff. u. 170ff. - 6 9 e b d . 150. - 70 vgl. oben B.I. 1. a. u.
engl., hg. u. übers, v. R. Guerlac (Dordrecht 1979) 46-109,46 u. E. Eggs: Art. <Grammatik>, in: HWRh Bd. 3, Sp. 1085ff. - 71 Ar-
48; Übers. Verf. - 2 vgl. A. Seifert: L. zwischen Scholastik u. nauld, Nicole [61] 191. - 72ebd. 194 u. 196. - 73ebd. 222ff. -
Humanismus. Das Kommentarwerk J. Ecks (1978) 26f. - 3vgl. 74ebd. 182. - 75ebd. 180. - 76ebd. 181. - 77ebd. 186. - 78ebd.
E. Eggs: Artikel < Argumentation, in: HWRh Bd. 1, Sp. 956ff. - 236ff. u. 257ff. - 79 ebd. 281. - 80 ebd. 285. - 81 ebd. 304 - 82ebd.
4 W. Risse: Die L. der Neuzeit, 2 Bde. (1964/70) 1,21ff. u. 79ff.; 368ff. - 83ebd. 407f. - 84ebd. 323-353. - 85vgl. ebd. 340ff. -
vgl. W. Hammer: Die Melanchthonforsch. im Wandel der Jahr- 86 vgl. V. Alexandrescu: Le paradoxe chez Blaise Pascal (Bern
hunderte, I-III (1967-81); G. Nuchelmans: Late-Scholastic and 1997).-87vgl. L. Marin: La critique du discours: Surla < Logique
Humanist Theory of the Proposition (Amsterdam 1980) 159ft.; de Port-Royal> et les <Pensées> de Pascal (Paris 1975); M. Domi-
J. Knape: Philipp Melanchthons <Rhetorik> (1993). - 5 Risse [4] nicy: La naissance de la grammaire moderne. Langage, logique
54. - 6vgl. L. Carbone: Introductio in dialecticam Aristotelis et philosophie à Port-Royal (Brüssel 1984); Pariente [67] u. Eggs
(Venedig 1588); ders.: De oratoria et dialéctica inventione vel de [70] Sp. 1091 ff. - 88vgl. B.W. Vickers (Hg.): Essential Articles
locis communibus (Venedig 1589); P. Vallius: Logica (Lyon for the Study of F. Bacon (Hamden 1968) u. Bibliogr. in: F.
1622); vgl. W.A. Wallace: Galileo's Logic of Discovery and Bacon: Neues Organon, hg. v. W. Krohn, 2 Bde. (1990) 1, XLV-
Proof (Dordrecht 1992) 77 ff. u. 120ff. - 7 Risse [4] 201 ff. u. 300ff. LVI. - 89 R. Descartes: Discours de la méthode (Leyden 1637;
- 8E.J. Ashworth: Traditional logic, in: C. Schmitt u.a. (Hg.): zit. η. der Ausg. Paris 1973) 110f.; vgl. ders.: Regulae ad directio-
The Cambridge History of Renaissance Philosophy (Cambridge nem ingenii, hg. v. G. Crapulli (La Haye 1966); vgl. A. Hanne-
1988) 143-172, 147ff. u. 168ff. - 9Risse [4] 310. - lOvgl. quin: La méthode de Descartes, in: ders. Etudes d'histoire des
Ashworth [8] 164ff. - 11J. Agricola: De inventione dialéctica sciences et d'histoire de la philosophie (Paris 1908) 209-231; O.
libri tres, hg. u. übers, v. L. Mündt (1992; η. der Ausg. ν. Amster- Hamelin: Le système de Descartes (Paris 1911); H. Heimsoeth:
dam 1539) 145; vgl. Α. Faust: Die Dialektik R. Agrícolas. Ein Die Methode der Erkenntnis bei Descartes u. Leibniz (1912-14);
Beitr. zur Charakteristik des dt. Humanismus, in: Arch. f. Gesch. Kneale, Kneale [44] 310ff.; R. Blanché: La logique et son
der Philos. 34 (1922) 118-135; P. Joachimsen: Loci communes, histoire, 2. Aufl. bearb. v. J. Dubucs (Paris 1996) 175ff.; Risse [4]
in: Luther-Jb. 8 (1926) 27-97; W.J. Ong: Ramus. Method, and II, 30ff.; G. Rodis-Lewis: Descartes: textes et débats (Paris 1984);
the Decay of Dialogue (Cambridge/Mass. 1958) 92-130; W.S. A. Robinet: Aux sources de l'esprit cartésien (Paris 1996); M.-D.
Howell: Logic and Rhetoric in England, 1500-1770 (New York Popelarde, D. Vernant: Eléments de logique (Paris 1998) 19ff. -
1961) 15ff u. 49ff.; Risse [4] 1,14ff.; C. Vasoli: Dialettica e reto- 90Descartes, Discours [89] 109. - 91J.M. Bocheñski: Formale
rica in R. Agricola, in: Accademia toscana di scienza e lettere 22 Logik (1962) 312; H. Scholz: Abriß der Gesch. der L. ( 2 1959) III.
(1957) 305-355; ders.: La dialettica e la retorica dell'Umanesimo Kp. - 92 N. Rescher: Leibniz's interpretation of his logical cal-
(Mailand 1967); J.R. McNally: Prima pars dialecticae: The Influ- culi, in: Journal of Symbolic Logic (1954) 1-13,7; vgl. C.L. Lewis,
ence of Agricolan Dialectic Upon English Accounts of Inven- C.H. Langford: Symbolic Logic (New York 1932) 5ff.; Blanché
tion, in: Renaissance Quarterly 21(1968) 166-177; L. Jardine: [89] 189ff.; allg. H. Burkhardt: L. u. Semiotik in der Philos, von
The Place of Dialectic Teaching in Sixteenth-Century Cam- Leibniz (1980); M. Dascal: Leibniz: language, thought and signs
bridge, in: Studies in the Renaissance 21 (1974) 31-62; W. (Amsterdam 1987); W. Lenzen: Das System der Leibnizschen L.
Schmidt-Biggemann: Topica Universalis (1983) 3ff. - 12vgl. (1990). - 93vgl. G.W. Leibniz: De formae logicae comproba-
Quint. V, 10,87. - 1 3 Agricola [11] 148 u. 150. - 14ebd. 146; vgl. tione per linearum ductus, in: L. Couturat (Hg.): Opuscules et
Quint. 1,2,28.- IS Agricola [11] 380. - 1 6 ebd. 384f. - 1 7 e b d . 376. fragments inédits de Leibniz (Paris 1903; ND 1961) 295ff; vgl.
- 18ebd. 16ff; vgl. Cie. Top.6. - 19L. Mündt: Einl. zu Agricola photogr. ND in: Bocheñski [91] zu 304. - 94 Leibniz: Meditatio-
[11] XIV. - 20Agricola [11] 19. - 21ebd. 146. - 22ebd. 146. - nes, in: Die philos. Sehr. v. Leibniz, hg. v. C.I. Gerhardt, Bd. 1-7
23 ebd. 158 ff. - 24 ebd. 186 u. 188. - 25 ebd. 180. - 26 ebd. 20. - 27 (1875-1890; ND 1962) 4, 425; vgl. Α. Heinekamp: Natürliche
ebd. 21. - 28M. Foucault: Les mots et les choses (Paris 1966) Sprache u. allgemeine Charakteristik bei Leibniz, in: A. Heine-
32 ff. - 29 Agricola [11 ] 36. - 30 Eggs [3] Sp. 964. - 31 Schmidt-Big- kamp, F. Schupp (Hg.): Leibniz' L. u. Metaphysik (1988) 349-
gemann [11] 7. - 32 Agricola [11] 34. - 33ebd. 35. - 34vgl. etwa 386,364ff. - 95 Leibniz: De synthesi et analysi universali seu arte
Cie. Top. 28; Quint. V, 10,63 u. VII, 1,1. - 35 vgl. Agricola [11] 82. inveniendi et iudicandi, in ders.: Sehr, zur L. u. zur philos. Grund-
- 3 6 e b d . 114.-37 ebd. 170.-38ebd. 172/4.-39ebd. 178.-40ebd. legung von Mathematik u. Naturwiss., Philos. Sehr. 4; hg. u.
1,11-13, 68ff. - 41 ebd. 106 u. 108; vgl. I, 17-19, 103ff. - 42vgl. übers, v. H. Herring (1992) 137f. - 9 6 e b d . 151. - 9 7 J. Mittelstraß:
oben Kap. B.I. 1, d.: Topik. - 43vgl. Agricola [11] 130. - 44P. Monade u. Begriff, in: Studia Leibnitiana 2 (1970) 198. - 98 vgl.
Ramus: Rhetoricae Distinctiones (ND 1986) 169; allg. A. Duha-

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Leibniz: Elementa calculi, in: Couturat [93] 49ff.; vgl. Leibniz formale L. in Hegels <Wiss. der L.> (1972); D. Henrich (Hg.): Die
[95] 67ff. - 9 9 d e r s . [95] 74.; vgl. G . H . R . Parkinson: Einl. zu einer Wiss. der L. und die L. der Reflexion (1978); F.-P. Hansen:
Auswahl logischer Sehr., in: Heinekamp, Schupp [94] 236-310, G . W . F . Hegel: <Wiss. der L.> : ein K o m m e n t a r (1997). -
240ff. u. 252ff. - 1 0 0 v g l . Parkinson [99] 258ff. - 1 0 1 Leibniz [95] 171 Vázquez [144] 15. - 1 7 2 J.S. Mill: System of Logic Ratiocina-
84; - 102vg. Parkinson [99] 253ff. u. J. Lukasiewicz: Aristotle's tive and Inductive (London 1916; zuerst 1843); vgl. W. Whewell:
Syllogistic from the Standpoint of Modern Formal Logic Philosophy of the Inductive Sciences, 2 Bde. (London 1847; N D
(Oxford 2 1957) 126ff. - 103 Leibniz: D e A r t e combinatoria, in: 1967). - 173vgl. Risse [4] 432ff, 463ff., 486ff.; W.S. Howell:
Sämtl. Sehr. u. Briefe, hg. ν. der preußischen (Dt.) Akad. der Eighteenth-century British Logic and Rhetoric (Princeton 1971)
Wiss. (1923ff.) VI, 1,199; Parkinson [99] 245. - 1 0 4 vgl. Leibniz: 264ff.; allg. A.J. Ayer (Hg.): British empirical philosophers:
Nouveaux essais sur l'entendement humain (1704; 1. Druck Locke, Berkeley, H u m e , Reid and J.S. Mill (London 4 1965);
1765), zit. n. der Ausg. v. J. Brunschwig (Paris 1966) 364; vgl. Y. G . R . A. Mall: D e r operative Begriff des Geistes : Locke, Berke-
Styazhkin: History of Mathematical Logic from Leibniz to ley, H u m e (1984); A. Ryan: T h e philosophy of John Stuart Mill
Peano (Cambridge 1969) 74. - 105Styazhkin [104] 75ff.; vgl. (Basingstoke 1987); G. Boss: John Stuart Mill: induction et uti-
Leibniz: Non inelegans specimen demonstrandi in abstractis, in: lité (Paris 1990); J. Dunn, J.O. U r m s o n (Hg.): T h e British empi-
Leibniz [95] 153ff. - 106 Leibniz [95] 432. - 107 vgl. Risse [4] II, ricists (Oxford 1992); R. Glauser: Berkeley et les philosophes du
258ff„ 268ff. u. Styazhkin [104] 93ff. u. 112ff. - 1 0 8 vgl. Styazhkin XVIIe siècle: perception et scepticisme (Sprimont 1999); M.
[104] 161 ff. u. 170ff. - 1 0 9 Risse [4] II, 294. - 1 1 0 ebd. 386. - 111 C. A t h e r t o n (Hg.) The empiricists : critical essays on Locke, Berke-
Wolff: Vernünfftige Gedancken . . . (1754; N D L o n d o n 1995) 1; ley, and H u m e (Lanham 1999). - 174MÍ11 [172] 11. - 175ebd. 15.
vgl. Risse [4] II, 580ff.; C. Thomasius: Introducilo ad philoso- - 1 7 6 ebd. 19. - 1 7 7 e b d . 21ff.; vgl. Eggs [67], Sp. 1247ff. - 1 7 8 e b d .
phiam aulicam (1688); ders.: Einl. zu der Vernunftlehre (1690) u. 53ff. u. 56ff. - 1 7 9 e b d . 67. - 1 8 0 ebd. 53. - 1 8 1 vgl. oben Kap. B.I.
Ausübung der Vernunftlehre (1691), alle in ders.: Ausg. Werke 2. - 182Mill [172] 52. - 183ebd. 137. - 184ebd. 103ff. u. 110. -
( N D 1993ff.); vgl. R. Lieberwirth (Hg.): C. Thomasius (1655- 185ebd. 120. - 186ebd. 122/3. - 187Kneale, Kneale [44] 371ff. -
1728), mit Bibliogr. (1989); F. Vollhardt (Hg.): C. Thomasius, 188Mill [172] 299ff. - 189vgl. ebd. 253ff. - 190ebd. 260. -
Neue Forsch, im Kontext der Frühaufklärung (1977) - 1 1 2 Wolff 191 ebd. 364ff. - 192ebd. 520ff. - 193ebd. 487. - 194ebd. 530ff.,
[111] 32. - 113ebd. 91 u. 92. - 114ebd. llOff. - 115ebd. 126ff. - 537ff. u. 542ff. - 195ebd. 491ff. - 196vgl. oben Kap. B.I. I.e. -
116ebd. 198. - 117ebd. 212ff. - 118G.F.: Meier Versuch einer 197vgl. J.H. Kiersky, N.J. Caste: Thinking Critically. Techni-
allg. Auslegungskunst (1757; N D 1965): vgl. Petrus [62] bes. ques for Logical Reasoning (Minneapolis (1998) 275ff.
136ff. u. 155ff.; allg. A. Bühler (Hg.): Unzeitgemäße H e r m e n e u -
tik. Verstehen u. Interpretation im D e n k e n der Aufklärung
(1994). - 119vgl. allg. H.W. Arndt: Die L. v. Reimarus im Ver- IV. Moderne. 1. Im Zentrum: Formalisierung, Algebra
hältnis zum Rationalismus der Aufklärungsphilos., in: W. Wal- und symbolische L. D i e m o d e r n e s y m b o l i s c h e L., w i e sie
ter, L. Borinski: L. im Zeitalter der Aufklärung. Stud, zur <Ver- sich e t w a in d e n 1 9 3 2 , 1 9 4 7 u n d 1964 e r s c h i e n e n e n L o g i k -
n u n f t l e h r o v. H.S. Reimarus (1980) 59-74. - 120H.S. Reimarus: e i n f ü h r u n g e n v o n L E W I S / L A N G F O R D , R E I C H E N B A C H und
Die Vernunftlehre als eine A n w e n d u n g zum richtigen Gebrauch Q U I N E darstellt, ist E r g e b n i s e i n e s l a n g e n D i s k u s s i o n s -
der V e r n u n f t ( 3 1766; N D 1979) Bd. 2, Einl. §3. - 121 vgl. W. u n d F o r s c h u n g s p r o z e s s e s , der nicht nur die Klärung und
Schneider: Praktische L. Z u r Vernunftlehre der Aufklärung im
Präzisierung alter o d e r z u v o r nicht g e s e h e n e r P r o b l e m e
Hinblick auf Reimarus, in: Walter; Borinski [119] 75-92. -
122Reimarus [120] 8 f f . - 123ebd. 11 u.l8ff. - 124ebd. 25 u. 31. - betraf, s o n d e r n a u c h d i e Form der D a r s t e l l u n g selbst. S o
125ebd. 52ff. u. 74ff. - 126ebd. 130ff.; vgl. H.-J. Engfer: Die erläutert die <Symbolic L o g i o v o n L e w i s / L a n g f o r d im 2.
Urteilstheorie von H.S. Reimarus, in: Walter, Borinski [119] K a p i t e l n o c h die BOOLE-SCHRÖDER-Algebra und im daran
3 3 - 5 8 . - 1 2 7 Reimarus [120] 1 5 2 f f . - 1 2 8 e b d . 1 8 2 f . - 1 2 9 e b d . 2 0 3 . a n s c h l i e ß e n d e n K a p i t e l zur T e r m l o g i k w e r d e n n o c h die
- 1 3 0 ebd. 213ff. - 1 3 1 ebd. 360ff. - 132ebd. 278. - 133ebd. 312ff. algebraischen S y m b o l e + u n d - v e r w e n d e t . In s e i n e m
- 1 3 4 ebd. 282-290. - 135ebd. 290. - 136ebd. 291-295. - 137ebd. zuerst 1918 v e r ö f f e n t l i c h t e n <Überblick zur s y m b o l i s c h e n
294. - 1 3 8 vgl. M. Black: Models and Metaphors (Ithaca 1962). -
L>. g e h t L e w i s ausführlich auf d i e s c h o n klassischen A l g e -
139 Reimarus [120] 294. - 140 M. Knutzen: Elementa philoso-
phiae rationalis seu logica (1747; N D 1991) 41 ( § 1 0 ) . - 141 J.H. b r a i s i e r u n g e n v o n B o o l e und S c h r ö d e r ein. D u r c h s e t z e n
Lambert: Neues Organon (1764), zit. n. der v. G. Schenk bearb. w e r d e n sich j e d o c h - g e g e n die <Begriffsschrift> FREGES -
Ausg., 3 Bde. (1990). - 142ebd. I, 131ff., 164ff. u. III, 730ff. - die v o n P E A N O und R U S S E L L e i n g e f ü h r t e n K o n v e n t i o n e n ,
143Styazhkin [104] 112ff. - 144G.B. Jäsche (Hg.): I. Kants L.: die - a b g e s e h e n v o n e i n i g e n u n w e s e n t l i c h e n Ä n d e r u n -
ein Hb. zu Vöries. (1800), zit. I. Kant: Werkausg., hg. v. W. Wei- g e n - bis h e u t e e r h a l t e n g e b l i e b e n sind. In ihren A n f ä n -
schedel, 12 Bde. (1977) VI, 418-582; vgl. N. Hinske: Kants Weg z. g e n war d i e s e E n t w i c k l u n g w i e s c h o n b e i L E I B N I Z n o c h
Transzendentalphilos. (1970); W. Krings: Art. <L., transzenden-
v o n der I n t e n t i o n g e t r a g e n , die aristotelische Syllogistik
tale», in: H W P h Bd. 5 (1980) 462^182; R. Pozzo: Kant u. das Pro-
blem einer Einl. in die L. (1989); E. Conrad: Kants Logikvorle- z u formalisieren. [ 1 ] S o diskutiert e t w a A . D E M O R G A N in
sungen als neuer Schlüssel zur Architektonik der Kritik der rei- s e i n e r 1847, also vier Jahre n a c h Mills <System of L o g i o ,
nen Vernunft (1994); M. J. Vázquez Lobeiras: Die L. u. ihr Spie- e r s c h i e n e n e n <Formal L o g i o - mit d e m programmati-
gelbild. Das Verhältnis von formaler u. transzendentaler L. in s c h e n Untertitel: <The Calculus of I n f e r e n c e , N e c e s s a r y
Kants philos. Entwicklung (1998) (mit ausf. Bibliogr.). - and Probable> ( S c h l u ß k a l k ü l , N o t w e n d i g und W a h r -
scheinlich) [2] - im 1. K a p i t e l die w e s e n t l i c h e n B e g r i f f e
145 Leibniz: Monadologie, in Gerhardt [94] 6,607-623; zit. nach
der von C. F r é m o n t hg. Ausg. (Paris 1996) §§33 u. 36; Kant, der Syllogistik, die er d a n n n a c h e i n e m k u r z e n Kapitel zu
Logik [144] 542; vgl. A. Quinton: T h e A Priori and the Analytic, d e n « O b j e k t e n , I d e e n u n d N a m e n » in d e n K a p i t e l n 3 - 8
in: Proceedings of the Aristotelian Society 64 (1963/64) 32-54 - u n t e r f o r m a l e n G e s i c h t p u n k t e n erörtert; d e m f o l g e n
146 Kant [144] 532. - 1 4 7 ebd. 535. - 1 4 8 ebd. 537. - 149ebd. 561. - kurze Kapitel zur W a h r s c h e i n l i c h k e i t u n d zur I n d u k t i o n
150ebd. 545ff. - 1511. Kant: Kritik der reinen Vernunft, A (= und e i n l ä n g e r e s K a p i t e l z u d e n Trugschlüssen, in d e m
Ausg. 1781) 70ff., Β (= Ausg. 1787) 95ff. - 152ebd. Β 98/99. - sich d e M o r g a n e n g an die aristotelischen <Sophistischen
153ebd. Β 8 1 . - 154ebd. Β 76 u. 82. - 155ebd. Β 79; vgl. Vázquez W i d e r l e g u n g e n ) hält - s c h o n äußerlich e i n F r e m d k ö r p e r ,
Lobeiras [144] 154ff. - 156vgl. Krings [144] Sp.462ff. u. Vázquez
weil d e M o r g a n k e i n e r l e i F o r m a l i s i e r u n g vornimmt. D a s
Lobeiras [144] 165ff. u. 190ff. - 157Kant [151] Β 106/7.- 158ebd.
Β 1 0 7 . - 1 5 9 Krings [144] 4 6 5 . - 1 6 0 Kant [151] Β125. - 1 6 1 ebd. A ist z w a r n o c h das alte L o g i k g e b ä u d e , aber d o c h v o n i n n e n
94 u. Β 129ff. - 162ebd. Β 76. - 163ebd. Β 188ff, 202ff., 225ff., aufgelöst. D a d i e v o n d e M o r g a n v e r w e n d e t e n Formalis-
233ff., 257ff. - 164ebd. Β 86. - 165ebd. Β 396. - 166vgl. ebd. Β m e n bzw. A b k ü r z u n g e n recht u n g e w ö h n l i c h sind u n d
398. - 167ebd. A 348; vgl. ebd. Β 398ff. - 168ebd. Β 454ff. - v o n i h m a u c h in s p ä t e r e n Schriften i m m e r w i e d e r g e ä n -
169ebd. A 402ff. - 170Vázquez Lobeiras [144] 14ff„ 58ff. u. dert w e r d e n , k a n n sich sein Kalkül nicht durchsetzen ( s o
215ff.; zu Hegel: J. McTaggart, E. McTaggart: A Commentary m u ß e t w a die F o r m e l A, X)Y als <Universell affirmativ:
on Hegel's Logic (New York 1964; zuerst 1910); W. Krohn: Die
j e d e s X ist Y> u n d die F o r m e l I, X:y als <Partikular n e g i e -

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rend: einige X sind nicht Nicht-Y> gelesen werden). b, c , . . . die Individuenvariablen x, y z, ... ein, so erhält
Geblieben sind einmal (i) die schon in der scholastischen man für das erste Beispiel Vxy. Mit Hilfe des Allquantors
Konsequenzlehre vorformulierten <de Morganschen (Vx) und des Existenzquantors (Ξχ) läßt sich <Alle Men-
Gesetze> (nach denen die Negation der Konjunktion schen sind sterblich) als (Vx) [Mx —> Sx] darstellen, d.h.
äquivalent mit der Negation der Teilglieder der Disjunk- <Für alle χ gilt: wenn χ ein M ist, dann ist χ auch ein S>,
tion ist - d.h.: ~(p λ q) = ~ p ν ~q; ebenso gilt umgekehrt und <Ein Mensch läuft> als (3x)[Mx Λ LxJ, d.h. <Es gibt
für die Disjunktion: ~(p ν q) = ~p λ ~q) und zum andern zumindest ein x, für das gilt: χ ist ein Mensch und χ läuft>.
(ii) die Unterscheidung eines Diskursuniversums und Die klassischen Aussageformen im logischen Quadrat
(iii) erste Formalisierungen zur Relationslogik. Klassifi- können damit wie folgt dargestellt werden:
ziert man nämlich etwa Bäume, so bildet die Welt der
Bäume ein Diskursuniversum; das zeigt sich gerade auch A: Alle S sind Ρ E: Kein S ist Ρ
bei der Negation: so negiert man ja mit <Dies ist keine (Vx) [Sx Px] (Vx) [Sx -» ~Px]
Eiche> nicht das <Baum-Sein>, sondern bleibt innerhalb I: Einige S sind Ρ I: Einige S sind nicht Ρ
der Welt der Bäume. Boole wird diese Idee zur Basis sei- (3x) [Sx λ Px] (3x) [Sx λ ~Px]
nes Kalküls machen. Wenn etwa χ die Klasse der Men-
schen repräsentiert und 1 das aus Menschen und Nicht-
Menschen gebildete Universum, gilt: D a ß sich die prädikatenlogische Darstellung weit von
1 - χ - Klasse der Nicht-Menschen der sprachlichen Struktur entfernen kann, mögen die fol-
Da nun begriffslogisch die <Multiplikation> einer Klasse genden Beispiele verdeutlichen (die mit Großbuchsta-
mit sich selbst immer die gleiche Klasse ergibt, verwen- ben gekennzeichneten Prädikate entsprechen jeweils
det Boole für seine Begriffsalgebra nur die Zahlen 0 und den Anfangsbuchstaben der sprachlichen Ausdrücke;
1 (für die ja gilt: Ο2 = 0 und: l 2 = 1). Deshalb gilt auch das Diskursuniversum ist Menschen):
Gesetz x2 = x, aus dem auch (1 - x)2 = 1 - χ folgt (d.h. die
Klasse der Nicht-Menschen ergibt mit sich selbst kombi- (1)(Vx) [Sx —> Bax] Peter bewundert alle Schauspieler
niert wieder die Klasse der Nicht-Menschen). [3] Damit (2)(Vx) [(Mx Λ Gx) —> Lax] Claudia liebt alle großen
lassen sich die universelle Bejahung oder Verneinung Männer
wie folgt darstellen: (3)(3x) [(3y) [(Jx Λ My) —> Lxy]] Ein Junge liebt ein Mäd-
(A) Alle χ sind y: x(l-y) = 0 [d.h. die Klasse der (x und chen
nicht-y) ist leer] (4)(3x) [(Vy) [Lyx]] Jemand wird von allen geliebt
(E) Kein χ ist y:xy = 0 [d.h. die Klasse der (x und y) ist (5)(Vx) [(3y) [Lyx]] Jeder wird von jemandem geliebt
leer] (6)(3x) [Jx Λ (Vy) [My —> Lyx]] Ein Junge wird von jedem
Aufgrund ihrer Zweiwertigkeit wurde die Boolesche Mädchen geliebt
Algebra sowohl auf den Aussagenkalkül (1 entspricht (7)(Vx) [Jx -> (3y) [My Λ Lyx]] Jeder Junge liebt ein Mäd-
wahr, 0 entspricht falsch) als auch auf die Mengenlehre chen
bzw. Klassenlogik angewendet (Konjunktion, Disjunk- Damit läßt sich der Schluß: <Alle Mädchen sind Men-
tion und Negation entsprechen in der Mengenlehre der schen (H); also lieben alle, die ein Mädchen lieben, einen
Durchschnitts-, der Vereinigungs- und der Komplement- Menschen> wie folgt darstellen (|> = folgt aus):
menge); den größten Einfluß hatte die Boolesche Alge- (Vx) [Mx Hx] |> (Vy) [(3x) (Mx Λ Lyx) -»· (3x) (Hx Λ
bra jedoch, in vielfacher Hinsicht präzisiert, in der moder- Lyx)]
nen binären Informatik. Ein Mangel der Booleschen
Algebra ist, daß keine relationalen Prädikate darstellbar Relationen können reflexiv, symmetrisch oder transitiv
sind. So läßt sich ein Schluß mit einem relationalen Term sein bzw. diese Eigenschaften nicht haben; so ist etwa
wie: «Die Katze ist ein Tier; also ist der Kopfe iner Katze verheiratet symmetrisch und ist Vater von asymmetrisch;
der Kopf eines Tiers» mit den Mitteln des aristotelischen für asymmetrische Relationen gilt offenbar: (Vx) [(Vy)
Syllogismus nicht lösen, weil dort nur einstellige Prädi- [Rxy —> ~Ryx]]. Da nun mit einer Allaussage (Vx) [Px - >
kate zugelassen sind - das wurde schon bei W I L H E L M VON Qx] behauptet wird, daß allen zum Diskursuniversum
SHERWOOD, J U N G I U S und L E I B N I Z deutlich. Hier hat die
gehörenden Individuen die Prädikate Q und Ρ zukom-
moderne L. in einem vielschichtigen Prozeß der Präzisie- men, gilt die Regel der universellen Spezialisierung·,
rung und Vereinfachung von de Morgan über PEIRCE [ 4 ] , ebenso kann man mit der Regel der existentiellen Gene-
Peano u.a. bis hin zu Russell einfache Symbolisierungen ralisierung aus der Wahrheit einer singulären Aussage
gefunden, die zur modernen Prädikatenlogik führten. wie Pa darauf schließen, daß es zumindest einen Gegen-
Wesentlich für die Herausbildung dieser L. waren [5]: stand χ gibt, dem das Prädikat Ρ zukommt. Ebenso gelten
(i) die Aufgabe der aristotelischen Zerlegung der Aus- die universelle Generalisierung und die existentielle Spe-
sage in Subjekt und Prädikat; (ii) die präzisere Bestim- zialisierung unter bestimmten Voraussetzungen:
mung der Quantoren. So ist etwa in <Peter (a) ist mit
Claudia (b) verheiratet zwar Peter das grammatische Universelle Spezialisierung (Vx) [Px]
Subjekt, in semantischer Hinsicht besteht hingegen eine (Allbeseitigung) |> Pa
symmetrische Relation, die man, wenn man verheiratet
mit> mit V darstellt, wie folgt repräsentieren kann: Vab. Universelle Generalisierung Pt
Da diese Schreibweise aus der Algebra entnommen ist, (Alleinflihrung)
|> (Vx) [Px]
spricht man oft auch davon, daß a und b Argumente von
V sind. Von hier aus wird verständlich, daß etwa <Peter Existentielle Spezialisierung (3x) [Px]
liebt Claudia> nicht mehr als <Peter ist ein Claudia-Lie- (Existenzbeseitigung ) |>Pt
benden aufgelöst wird, sondern als Lab. Die einstelligen
Prädikate der alten Syllogistik wie <Sokrates läuft> lassen Existentielle Generalisierung Pa
sich als La darstellen. Setzt man nun in diesen singulären (Existenzeinführung )
Aussagen für die Eigennamen bzw. singulären Termini a, l> (3x) [Px]

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Die universelle Generalisierung ist nur möglich, wenn es Solche gültigen Schlußformen werden in der modernen
sich um einen typischen Vertreter (t) eines Diskursuni- L. nicht mehr als (gemeinsame) Topoi oder wie in der
versums handelt, der willkürlich ausgewählt wird. Dies Stoa als Schlußfiguren bezeichnet, sondern als Schluß-
ist etwa der Fall, wenn ein Lehrer auf der Tafel zwei schemata. Prinzipiell lassen sich alle Schlußschemata aus
Punkte A und Β markiert und sie durch eine gerade Linie Wahrheitstafeln konstruieren; da dies bei mehr als drei
miteinander verbindet und aus der singulären Aussage Aussagen zu unübersichtlichen Tafeln führen würde, ist
<Diese Linie ist die kürzestmögliche Verbindung zwi- es sinnvoll, eine Reihe von Schlußschemata als bewiesen
schen zwei Punkten> auf die Allaussage <Jede gerade anzunehmen und diese auf Aussagenverknüpfungen
Linie zwischen zwei Punkten ist immer ihre kürzeste anzuwenden. Diese Schemata bezeichnet man auch als
Verbindung) schließt. Da eine Existenzaussage nur Schlußregeln. Es sind dies neben dem Modus ponens
besagt, daß ein Prädikat einem a oder einem b ... oder (MP) (manchmal auch als Abtrennungsregel bezeichnet)
einem η zukommt (d.h.: Pa ν Pb ... ν Pn), ist auch eine und dem Modus tollens (MT) in der Regel der Modus tol-
existentielle Spezialisierung nur gültig, wenn es sich um lende ponens bzw. der disjunktive Syllogismus (DS) (ρ ν
ein typisches Disjunkt handelt. [6] Man kann die Quanto- q; ~p; |> q), der hypothetische Syllogismus (p -* q; q —> r;
renregeln auch als Topoi verstehen, also für die univer- |> ρ -» r), die Konjunktionseinführung (KE) (p; q; |> ρ Λ
selle Generalisierung «Wenn einem typischen Vertreter q), die Konjunktionsbeseitigung (KB) (ρ λ q; |> p), die
einer Klasse das Prädikat Ρ zukommt, dann kann man Disjunktionseinführung (ρ; |> ρ ν q), die doppelte Nega-
schließen, daß Ρ auch allen Individuen dieser Klasse tionseinführung (p |> —p) und deren Beseitigung.
zukommt» und für die universelle Spezialisierung Besteht die Konklusion eines Schlusses aus einer Impli-
«Wenn allen Vertretern einer Klasse das Prädikat Ρ kation, kann man auch den Konditionalbeweis (CondB)
zukommt, dann kann man schließen, daß es auch einem verwenden, der einfach darin besteht, das Antezedens
bestimmten Individuum dieser Klasse zukommt). Damit als wahr zu setzen; dafür zwei Illustrationen in Abb. 2.
läßt sich der Barbara-Schluß auf eine singulare Aussage Ein weiteres Beweisverfahren ist, wie schon in der Syl-
wie folgt darstellen: logistik, der indirekte Beweis bzw. die reductio ad absur-
dum, die darin besteht, daß man die Negation der Kon-
(Vx) [Sx -> Px] klusion als wahr annimmt und nachweist, daß dies an
Sa irgendeiner Stelle der Ableitung zu einem Widerspruch
führt. Der indirekte Beweis kann schließlich mit der
|> Pa <Wahrheitsbaum-Methode> verbunden werden. [9] Mit
Der hier verwendete Modus ponens muß durch die dieser kann man die Konsistenz einer komplexen Aussa-
Aussagenlogik bewiesen werden. Schlußregeln lassen genverknüpfung nachweisen, indem man zeigt, daß jede
sich aus aussagenlogischen Gesetzen bzw. Tautologien einzelne Aussage gleichzeitig wahr sein kann. So läßt sich
ableiten, d.h. aus Aussageverbindungen, die immer die Tatsache, daß eine Konjunktion wahr ist, wenn beide
wahr sind, unabhängig davon, welchen Wahrheitswert Glieder wahr sind, und die Tatsache, daß in einer wahren
die einzelnen Aussagen haben. Die rein wahrheitsfunk- Disjunktion entweder das eine oder das andere Glied
tionale Analyse der logischen Verknüpfungen ist in der wahr ist, wie in Abb. 3. darstellen.
Moderne vor allem von Peirce und Frege begründet Hier ist der Wahrheitsbaum für die Implikation hinzu-
bzw., da sie ja schon in der Stoa vorgenommen gefügt: für diese Verknüpfung gilt, wie schon ein Blick
wurde [7], wiederentdeckt worden. Konjunktion und auf die obige Wahrheitstabelle deutlich macht, daß sie
(materiale) Implikation werden wie bei Philon defi- wahr ist entweder, wenn das Antezedens falsch ist (~p),
niert, die Disjunktion ist hingegen inklusiv (vgl. oder, wenn das Konsequenz wahr ist (q). Damit läßt sich
Abb. 1). indirekt der alte stoische Modus tollendo ponens wie in
Abb. 4 beweisen.
Konjunktion Disjunktion Implikation Gesetz
(Alternation) (material) l(P
p q Λ V p-)q Ap
w w W w w w w w
w f f w f f f w
f w f w w w f w
f f f f w w f w
(Abb. 1)
Aus diesen Basisverknüpfungen lassen sich weitere 2. Alte und neue Probleme im Zentrum. Im letzten
ableiten (etwa Äquivalenz oder die exklusive Disjunk- Abschnitt wurde deutlich, daß die moderne formale L.
tion), ebenso können aus jeder Basisverknüpfung mit das alte megarisch-stoische und das in der spätscholasti-
Hilfe der Negation die übrigen abgleitet werden. So leitet schen Konsequenzlehre vorgedachte Forschungspro-
etwa Frege die Disjunktion und die Implikation aus der gramm systematisch ausführt und begründet. Dies gilt
Konjunktion ab. [8] Das obige Schaubild zeigt auch, daß auch für die aristotelische Syllogistik, da diese ja von der
die Aussagenverbindung [(p —» q) λ ρ] q tautologisch modernen Prädikatenlogik abgedeckt wird. In unserer
ist; deshalb ist auch der darauf gründende Modus ponens Darstellung sollte auch deutlich werden, daß sich die
gültig: Syntax der symbolischen L. weit von der Syntax der
p->q Umgangssprache entfernt hat. Damit verbunden ist auch
Ρ die Auffassung, daß die symbolische L. nicht von der
Umgangssprache her beurteilt werden kann, da sie ein in
> sich konsistentes System darstellt. Die zum Teil euphori-

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q Λ ρ; ρ; |> (ρ A q) Λ r ρ —» q; r —> p; |> r —» q


1. qAr Oberprämisse 1. ρ —> q Oberprämisse
2. ρ Unterprämisse 2. r —> ρ Unterprämisse
3. q aus 1 durch KB 3. r Annahme durch CondB
4. r aus 1 durch KB 4. ρ aus 2, 3 durch MP
5. ρΛq aus 2, 3 durch KE 5. q aus 1, 4 durch MP
6. (ρ Λ q) Λ r aus 4, 5 durch KE 6. r —» q aus 3, 5 und CondB
(Abb. 2)

einen propositionalen Akt enthält, der sich in einen Refe-


renzakt und einen Prädikationsakt zerlegen läßt. [13] Ver-
gleicht man damit die prädikatenlogischen Symbolisie-
rungen (1) und (2), so fällt unmittelbar auf, daß in diesen
die in jedem Satz vorgenommene Referentialisierung
(MTP) überhaupt nicht repräsentiert ist. Eine Formel wie (Ξχ)
Oberprämisse [Mx Λ Gx] stellt somit nicht die logische Struktur einer
Unterprämisse sprachlichen Aussage in referierender Subjektphrase und
Negierte Konklusion Prädikationsteil dar, sondern bloß, wie wir sagen wollen,
deren semantische Aussagekonfiguration. In diesen Kon-
aus 1 figurationen tauchen mindestens ein Eigennamen für ein
Hinweis: 2, 4 und 3, 4 sind Individuum auf bzw. eine durch einen Quantor gebun-
jeweils kontradiktorisch; dene Variable für diese Individuen - also Ga oder (3x) Gx
also ist der MTP gültig. - , wobei letztere, wie gezeigt, durch die Regeln der uni-
versellen bzw. existentiellen Spezialisierung auf Aus-
(Abb. 4) drücke mit Eigennamen zurückgeführt werden können.
Von hier wird klar, daß die Frage nach der Referenz von
sehen Versuche, Sprache und L. zusammenzudenken Eigennamen zum zentralen Problem der modernen sym-
oder sogar Sprache von der symbolischen L. und anderen bolischen L. wurde. Auslöser für eine über Jahrzehnte bis
formalen Systemen her zu analysieren und zu beschrei- heute dauernde Diskussion dieses Problems war der 1905
ben [10], haben einer Skepsis, ja sogar Ablehnung gegen- erschienene Aufsatz von Russell <On Denoting). [14]
über der symbolischen L. Platz gemacht. Hier bilden Dabei geht es nicht nur um die Referenz auf Einzelnes
semantische Untersuchungen eine gewisse Ausnahme, durch Eigennamen, sondern auch durch bestimmte Kenn-
da sich hier eine formal-logisch beschreibende For- zeichnungen wie <der Präsident von Ford>. Ein nicht zu
schungsrichtung herausgebildet hat. [11] Trotz ihrer Los- übersehendes äußeres Problem dieser ganzen Diskussion
lösung von der natürlichen Sprache hat die moderne L., ist jedoch, daß die zentralen Termini nicht immer einheit-
eben weil sie ganz in der Tradition der alten L. steht, von lich verwendet werden. Hinzu kommt, daß Russell, Quine
dieser alten L. eine Reihe von Problemen ererbt, die sich und viele andere in Wilhelms von Ockham - und nomina-
in die beiden Problemfelder (i) Referenz von Eigenna- listischer - Manier bestimmten Kennzeichnungen in Sät-
men und bestimmten Kennzeichnungen und (ii) Implika- zen wie <Scott ist der Autor von Waverley> oder (Elvis
tion und Folgerung bündeln lassen. Presley ist der König des Rock'n'roll· [15] eine Referenz-
Das Problem der Referenz von Termen ergibt sich funktion zuschreiben, obwohl sie - realistisch gesehen -
allein schon aus der Darstellung einer singulären Aussage eine Prädikatsfunktion haben.
mit Ga, in der sich der Eigenname a auf ein Individuum Zentrale Bezugsautoren in dieser Diskussion um das
bezieht, und G ein allgemeines Prädikat darstellt, das die- Verweisen auf Einzelnes sind Mill und Frege, wobei Mill
sem zugeordnet wird. Q U I N E setzt diese Zuordnung sogar mit seiner Auffassung, daß Eigennamen nur eine Deno-
mit der Prädikation in umgangssprachlichen Sätzen wie tation haben, gleichsam die zu widerlegende Hinter-
<Mama ist eine Frau>, <Mama ist groß> oder <Mama singt> grundsfolie bildet. Für Frege haben Eigennamen hinge-
gleich: in diesen Sätzen «ist der allgemeine Term das, was gen nicht nur eine Denotation, sondern auch eine begriff-
prädiziert wird». [12] Dies ist jedoch nur gerechtfertigt, liche Intension - Frege spricht von Bedeutung (= Denota-
wenn man Mama als Eigennamen versteht, da in der tion) und Sinn (= Intension), die er aus bestimmten
nominalistischen modernen symbolischen L. Gattungs- Kennzeichnungen ableitet. So ist etwa die Intension von
namen keine Referenz oder Supposition mehr haben, Aristoteles <der Schüler Platos> oder (der Lehrer Alexan-
sondern als Prädikate behandelt werden, die einem Indi- ders des Großen». [16] Vielleicht resultiert diese Auffas-
viduum zugeordnet werden - wie etwa (1) (3x) [Mx Λ GX] sung daher, daß Frege zuvor die beiden Kennzeichnun-
(Es gibt ein x, das ein Mann ist und das geht) oder (2) ( Vx) gen Morgenstern und Abendstern analysiert, die ja,
[Kx —> Fx] (Wenn χ eine Katze ist, hat χ ein Fell). Dies ent- obwohl sie verschiedene Bedeutungen haben, auf den
spricht offenbar nicht mehr der traditionellen, dem natur- gleichen Gegenstand verweisen. Frege bezeichnet alle
sprachlichen Verstand entsprechenden Auffassung, sprachlichen Ausdrücke, die einen bestimmten Gegen-
wonach in den Sätzen (Γ) <Ein Mann geht> und (2') < Kat- stand denotieren, als Eigennamen. Da auch für Russell
zen haben ein Fell> die jeweils in Subjektstellung stehen- sprachliche Eigennamen «eine Abkürzung von Kenn-
den Termini etwas Außersprachliches supponieren oder zeichnungen» sind, muß Walter Scott etwa im Sinne von
denotieren. Anders gesagt: mit ein Mann oder Katzen wird <der Autor von Waverley> verstanden werden. [17] Doch
auf bestimmte Gegenstände referiert. Auf diese alte Ein- Russell geht sogar noch einen Schritt weiter als Frege, da
sicht greift etwa SEARLE in seiner Kritik nominalistischer für ihn bestimmte Kennzeichnungen (definite descrip-
Theorien zurück, wenn er betont, daß jeder Sprechakt tions) nur grammatisch als Eigennamen zu verstehen

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sind, nicht aber semantisch. Seine Auflösung besteht situation gebunden bleibt; zum andern kann man auf das
sinngemäß darin, daß er eine bestimmte Kennzeichnung von den Stoikern intensiv diskutierte Problem der
wie <der Autor von Waverley> als <Es gibt jemanden, der Bedeutung von Sätzen mit deiktischen Ausdrücken wie
Autor von Waverley ist, und niemand sonst ist Autor von etwa <Dieser-da ist heute morgen gestorben> hinweisen.
Waverley>. Etwas technischer (nach den oben eingeführ- In der obigen Erörterung wurde deutlich, daß die
ten Schreibkonventionen) [18]: Demonstrativa keine Intension haben, sondern nur eine
Best. Kennzeichnung: (3x) [Fx] Λ (VX) [(Vy) [(Fx Λ Fy) -» Verwendungsbedeutung, die darin besteht, diesen-Gegen-
(χ = y)]] stand-da unter irgendeine Art oder Gattung zu bringen,
Der erste Teil der Konjunktion ( Ix) [Fx] besagt, daß die sich aus dem Wahrnehmungsraum und dem Thema
es mindesten einen Autor von Waverley (F) gibt, schließt eines Gesprächs plausibel ergibt. [24] Das sagen auch
jedoch nicht aus, daß es mehrere gibt; der zweite Teil der T U G E N D H A T / W O L F in ihrer Kritik an Russell, ohne jedoch

Konjunktion garantiert deshalb, daß es nur einen gibt: die wesentliche Bedingung, daß das Thema bekannt sein
<Für alle χ und für alle y gilt: wenn χ Autor von Waverley muß, zu berücksichtigen: Das Charakteristische bei der
ist und y Autor von Waverley, dann ist χ identisch mit y>. Verwendung von dies ist nämlich, «daß es jeweils den in
Fügt man in die obige Formel nach dem Konsequenz (x = der Wahrnehmungssituation gemeinten Gegenstand
y) noch Sx (χ schläft) hinzu: bezeichnet und daher in verschiedenen Wahrnehmungs-
(3x) [Fx] Λ (Vx) [Vy) [(Fx Λ Fy) ((χ = y) Λ Sx)]] situationen verschiedene Gegenstände bezeichnet». [25]
so erhält man die prädikatenlogische Ubersetzung von Daß das Thema bekannt sein muß, kann man sich an
<Der Autor von Waverley schläft>. Versteht man F als einer Gesprächssituation wie in einem Krankenhauszim-
<Der jetzige König von Frankreich) und S als <kahl>, so mer mit mehreren belegten Betten, an denen jeweils ein
kann die obige Formel auch im Sinne des Beispielsatzes Stuhl steht, klar machen. In dieser Situation kann <Die-
<Der jetzige König von Frankreich ist kahl> gelesen wer- ser-da ist morgen verschwunden> sowohl einen Patienten
den. Dieser Satz ist berühmt geworden, weil Russell an oder den neben seinem Bett stehenden Stuhl bezeichnen.
ihm seine Auffassung illustriert, daß solche Sätze mit Weiß man hingegen, daß es in diesem Gesprächskontext
bestimmten Kennzeichnungen nur wahr sein können, um das Entfernen von unnötigem Mobiliar geht, wird
wenn 1. mindestens ein König von Frankreich existiert, wohl keiner auf die Idee kommen, daß ein Patient mor-
wenn es 2. nur einen gibt, und wenn 3. dieser tatsächlich gen verstorben sein wird (sofern man diesen Satz als
kahl ist. [19] Da in <der jetzige König von Frankreich ist Metapher versteht). Aus dem Gesagten folgt weiter, daß
kahl> - wenn er heute geäußert wird - die 1. Bedingung das Verstehen des mit einem Demonstrativum Gemein-
nicht erfüllt ist, ist diese Aussage falsch. Gegen diese ten immer schon seine Identifizierung als <zu-einer-
Annahme bringt u.a. S T R A W S O N vor, bei solchen Sätzen bestimmten-Art-gehörend> voraussetzt. [26]
entstünde die Frage nach ihrer Wahrheit oder Falschheit Da diese Russellsche <Theory of definite descriptions)
gar nicht. [20] Diesen Einwand wird jeder, dem gesagt eine Fülle von offenen Fragen stellt, ist sie von mehreren
wurde <Petras Bruder wartet auf dich>, leicht entkräften Seiten, nicht immer mit überzeugenden Argumenten,
können - besonders dann, wenn er diesem Ratschlag fol- kritisiert worden. [27] So weist Tugendhat zu Recht dar-
gend feststellen mußte, daß der Bruder von Petra gar auf hin, daß das Problem der Eigennamen und bestimm-
nicht da war oder sogar, daß er überhaupt nicht existiert. ten Kennzeichnungen im Zusammenhang mit anderen
Aus der These, daß Eigennamen verkürzte Kennzeich- singulare Referenz herstellenden Ausdrücken diskutiert
nungen sind, folgt nun weiter, daß auch sprachliche werden muß. Er unterschiedet vier Arten der Referenz-
Eigennamen wie Sokrates oder Walter Scott logisch als herstellung mit bestimmten Kennzeichnungen (Tugend-
bestimmte Kennzeichnungen zu verstehen sind. Dies hat hat bezeichnet diese auch als singulare Terme) [28]:
für Russell den Vorteil, daß man damit Aussagen mit fik- (1) Durch einen demonstrativen Ausdruck: <dieser Berg>
tiven Eigennamen wie in <Pegasus schwebt durch die (2) Durch eine bestimmte Kennzeichnung mittels raum-
Lüfte> als falsch behandeln kann, weil sie - als Kenn- zeitlicher Relationen: <der Berg, der sich an der Kreu-
zeichnung verstanden (etwa <das geflügelte Pferd, das zung von dem und dem an dem Breitengrad und dem und
von Bellerophon gefangen wurde>) - die obige Bedin- dem Längengrad befindet)
gung 1 nicht erfüllen. Quine radikalisiert diese Auffas- (3) Durch andere eindeutige Relationen zu etwas Identi-
sung durch das nach ihm benannte Quining - T O M A S S I fiziertem: <der Mörder von Herrn Maier>
spricht von einer nützlichen Verschönerung (useful (4) Durch eine einzige Eigenschaft: <der höchste Berg>
embellishment) [21] - das darin besteht, daß man, wenn (l)/(2) unterscheiden sich von (3)/(4) dadurch, daß
man keine bestimmte Kennzeichnung parat hat, einfach erstere raumzeitliche Kennzeichnungen sind, während
den fraglichen Namen zu einer bestimmten Kennzeich- letztere durch Angabe eines Merkmals - im 3. Fall eines
nung macht, also etwa das Ding, das pegasiert («the thing relativen, im 4. Fall eines absoluten Merkmals referieren.
that pegasizes» [22]). Hier wird die alte sprachhistorische Diese Klassifikation ist aus linguistischer Sicht proble-
Einsicht, daß wohl alle Eigennamen aus bestimmten matisch, einmal, weil sich singulare Ausdrücke wie (1)
Kennzeichnungen entstanden sind, aus Gründen der l'art von den übrigen wesentlich dadurch unterscheiden, daß
pour l'art in ihr Gegenteil verkehrt. Russell selbst geht sie immer nur situationsabhängig (bzw. in Texten kon-
nicht so weit. Für ihn gibt es nämlich einen Eigennamen textabhängig) verwendet werden können; zum andern,
in der natürlichen Sprache, der genau dem logischen weil Superlative von Natur aus relative Terme sind, da sie
Eigennamen entspricht, nämlich das Demonstrativum immer in Relation zu den übrigen Gegenständen eines
dies. Danach wäre Ga zu verstehen als <Dies-da Ensembles stehen: <der höchste Berg> ist somit etwa als
geht>. [23] Da dieser Satz nur sinnvoll ist, wenn man dies- <der höchste Berg von den Bergen in den Alpen> zu ver-
da sinnlich wahrnimmt, ist mit ihm zugleich die Existenz stehen. In dieser Form unterscheidet sich dieser singu-
von dies-da gegeben. Diese Auffassung läßt sich leicht lare Ausdruck offenbar nicht mehr von (3), da in beiden
widerlegen: einmal durch den Hinweis, daß Eigennamen die Referenz durch einen Eigennamen (Meier, Alpen)
situationsunabhängig gebraucht werden können, nicht und einen allgemeinen relativen Term hergestellt wird.
aber das Demonstrativum, das immer an die Äußerungs- Diese Analyse trifft auch für (2) zu, weil die Angabe

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eines Längengrads wie ein Eigenname fungiert. Das wird kommen, die per definitionem im modernen Logikkalkül
an einem alltagsweltlichen Beispiel leicht einsichtig: Das keine Referenz haben können und dürfen. Daraus erklä-
Haus, das sich an der Kreuzung der Bundestraße 3 und ren sich weitere Mängel der Formel für bestimmte Kenn-
der Bundesstraße 6 befindet. Selbst eine ad hoc-Angabe zeichnungen: sie repräsentiert nämlich eine Aussage und
an der Bundesstraße 3 am km 45 wird wie ein Eigenname nicht, wie die entsprechende sprachliche Form, einen
verwendet. Stellt man nun die beiden verbleibenden Ausdruck. Kurz: sprachliche Ausdrücke werden zu Sät-
Varianten (1) und (2)/(3)/(4) zusammen: zen uminterpretiert. Gravierender ist, daß die bestimmte
Kennzeichnung als allgemeiner Term begriffen wird (in
singulärer + allgemeiner der Formel als F wiedergegeben). Dies verstößt gegen
Term Term die alltagsweltliche Evidenz, daß man in <der Autor von
Waverley> (für Scott), <der, der Remus tötete und Rom
situations- Demon- , Relations- = Bestimmte gründete* (für Romulus), <Ockhams Rasiermesser* (für
abhängig strativum ' ausdruck Kennzeich- eine bestimmte singulare Theorie), <der König des
nungen Rock'n'roll· (für Elvis Presley) usw. jeweils mindestens
situations- Eigennamen Gattungs- einen singulären Term hat. Diese Standardbeispiele aus
unabhängig namen der Forschungsliteratur machen nicht nur deutlich, daß
Metaphern oder allgemein Tropen auch in modernen
Logikabhandlungen ein munteres Leben führen, son-
so wird evident, daß bestimmte Kennzeichnungen aus dern auch, daß das Phänomen der bestimmten Kenn-
einem singulären und einem allgemeinen Term beste- zeichnung - und das heißt allgemein der sprachlichen
hen. Bedenkt man zusätzlich, daß - im Gegensatz zu Referenz - nur dann adäquat erklärt und beschrieben
einer nicht nur im Alltagsverstand, sondern auch in der werden kann, wenn es aus einer allgemeinen Theorie des
Sprachphilosophie weit verbreiteten Meinung - der mit normalen und tropischen Sprachgebrauchs heraus analy-
einem Demonstrativum eingeführte Gegenstand schon siert wird. Das können schon Beispiele wie die Metapher
dem Hörer in dessen Wahrnehmungsraum oder Diskurs- in <Der Eisberg zeigt endlich Gefühle* oder die Antono-
universum bekannt sein muß (vgl. etwa das obige Bei- masie wie in <Dieser selbsternannte Goethe hat schon wie-
spiele <Dieser-da ist morgen verschwunden>)[29], erge- der einen unsäglichen Text produziert* unterstrei-
ben sich folgende Konsequenzen: (i) eine bestimmte chen. [30] Doch auch weitere Standardbeispiele aus der
Kennzeichnung ist kein singulärer Term, sondern eine Literatur machen diese Notwendigkeit deutlich. So ist ja
Ausdrucksverbindung (bzw. ein Syntagma) mit einem <der Lehrer Platons> (für Sokrates) noch leicht nachvoll-
singulären und einem allgemeinen Term; (ii) allein auf- ziehbar (sofern man die implizite Folgerung zieht, daß
grund des singulären Terms kommt einer bestimmten Piaton nur einen Lehrer hatte), semantisch opaker sind
Kennzeichnung die Funktion zu, auf einen singulären jedoch <der Schüler Platons> (für Aristoteles) oder <der
Gegenstand referieren zu können; (iii) da das mit dem Philosoph, der den Giftbecher trank> (für Sokrates), die
singulären Term bezeichnete Referenzobjekt bekannt man nur verstehen kann, wenn man sie tropisch als <der
sein muß, werden diesen Syntagmen durch den bestimm- beste Schüler Platons> bzw. als <der Philosoph, auf den
ten oder den demonstrativen Artikel markiert (zu dessen das singulare Faktum: er mußte einen Giftbecher in der
Gebrauchsbedeutung u.a. die Bekanntheit gehört). und der Situation trinken, zutrifft* versteht. Anders müs-
Diese Syntagmen können durch andere deiktische Aus- sen Referentialisierungen durch <der Philosoph* (für
drücke ersetzt bzw. ergänzt werden - wie etwa <dein Brü- Aristoteles) oder <der Apostel* (für Paulus), die man tra-
den (Possessiva), <der Mann da drüben> (lokale Deixis), ditionell als verallgemeinernde Antonomasie bestimmt
<die Nachricht von gesterm (temporale Deixis), <ihre hat, behandelt werden, da in ihnen kein singulärer Term
Bemerkung von eben> (gemischt) usw., die jeweils spezi- oder singulärer Sachverhalt enthalten sind. Solche Refe-
fische Gebrauchsbedingungen haben. Die deiktischen rentialisierungen sind verstehbar, wenn man sie im Sinne
Mittel können auch situationsabhängig ohne allgemei- von derjenige in der Menge der Philosophen, dem am
nen Ausdruck verwendet werden (dies, da drüben, jetzt meisten das Prädikat Philosoph zukommt* interpretiert.
usw. und natürlich die Personalnomen ich, du, wir und Das entspricht der schon von Wilhelm von Ockham vor-
ihr). Aus all dem folgt, daß man nur im Falle von Eigen- genommen Analyse eines Satzes wie <Der Apostel sagt
namen und den genannten deiktischen Ausdrücken sinn- das*: hier supponiert nämlich «ein Term genau für dasje-
vollerweise von singulären Termen sprechen kann. Von nige, dem er am ehesten zukommt (maxime conve-
diesen sind Unika, d.h. Terme wie Sonne oder Erde zu nit)».[31] Die Tatsache, daß Wilhelm von Ockham
unterscheiden, mit denen man ebenfalls eine singulare zusammen mit vielen Logikern seiner Zeit die über Tro-
Referenz herstellen kann. pen hergestellte Referenz als genuinen Gegenstand der
Von hier aus stellt sich die Frage, warum die logische Suppositionslehre begriff, macht zugleich deutlich, daß
Theorie die bestimmte Kennzeichnung mit einem solch die Forderung nach einer allgemeinen Theorie des nor-
großen apparativen Aufwand beschreibt. Dieser wird malen und tropischen Sprachgebrauchs als ein altes -
besonders klar sichtbar, wenn man die Formel einer Aus- immer noch nicht eingelöstes - Forschungsprogramm zu
sage mit einer bestimmten Kennzeichnung der mit einem verstehen ist.
Eigennamen gegenüberstellt: Der gravierendste Mangel des modernen Standardkal-
(i) Mit bestimmter Kennzeichnung: (3x) [Fx] Λ (VX) küls ist freilich darin zu sehen, daß er die Tatsache, daß in
[(Vy) [(Fx Λ Fy) ((χ = y) Λ Sx)]] natürlichen Sprachen sehr wohl auf Arten referiert wer-
(ii) Mit Eigennamen: Sa den kann, nicht berücksichtigt. So verweist CARLSSON auf
Die Umgangssprache ist hier sicher eleganter, da sie ja (i) die Existenz von Artprädikaten wie <Der Tiger ist vom
mit <Der Autor von Waverley schläft> und (ii) mit <Scott Aussterben bedrohb oder <Das Kaninchen wurde im 19.
schläft* wiedergeben kann. Von hier aus scheint es plau- Jahrhundert in Australien eingeführt. Hier wäre es gera-
sibel, diesen Aufwand damit zu erklären, daß in dezu widersinnig, diese Sätze wie <Für alle χ gilt: wenn χ
bestimmten Kennzeichnungen allgemeine Namen vor- ein Tiger ist, dann ist χ vom Aussterben bedroht* wieder-

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geben zu wollen. Ebenso kann man sich mit <Diese Rose <Gedanken> ein dritter Gedanken enthalten ist, nämlich,
wächst hier gut> nicht nur auf ein singulares Exemplar «daß die Erkenntnis der Gefahr der Grund» für den im
beziehen, sondern eben auch auf diese Art von Rose. Im Hauptsatz genannten Sachverhalt war. [34] Die gleiche
Deutschen haben Sätze wie <Dieses Hemd läßt sich leicht Analyse nimmt er für den Kausalsatz (2) «Weil das Eis
bügelrt> nicht nur einen generischen Referenten, sondern spezifisch leichter als Wasser ist, schwimmt es auf dem
drücken auch eine intrinsische Eigenschaft einer Art aus; Wasser» vor, der deshalb für ihn drei Gedanken (bzw.
da das letzte Merkmal in <Dieses Hemd kann man auch Aussagen) enthält [35]:
bei Karstadt kaufen> nicht enthalten ist, führt die Ver- (i) das Eis ist spezifisch leichter als Wasser;
wendung von <Dieses Hemd läßt sich bei Karstadt kau- (ii) wenn etwas spezifisch leichter als Wasser ist, so
fen> zu einem nicht korrekten Satz. Die Relevanz der schwimmt es auf dem Wasser;
Unterscheidungen von verschiedenen Arten der generi- (iii) das Eis schwimmt auf dem Wasser.
schen Referenz läßt sich auch daran ermessen, daß die Auffallend ist, daß Frege hier nicht auf den Unterschied
gleichen Unterscheidungen auch in anderen Sprachen zwischen dem generischen Konditional (ii) und den bei-
gemacht werden, freilich mit anderen sprachlichen Mit- den übrigen Aussagen (i) und (iii) abhebt, sondern nur
teln: so muß etwa das Intrinsisch-Generische im Franzö- zeigen will, daß der Nebensatz in (2) den Gedanken (i)
sischen durch pronominale Konstruktionen wie <Cette und einen Teil des Gedankens (ii) ausdrückt, was wie-
chemise se repasse facilement wiedergegeben werden, derum erklärt, daß man nicht den Wahrheitswert des im
während das nur Möglich-Generische durch Konstruk- Nebensatz von (2) ausgedrückten Gedankens (i) ändern
tionen wie <On peut acheter cette chemise chez Karstadt) kann, weil dadurch auch der Gedanke (ii) geändert
ausgedrückt werden kann. Schließlich erweist sich eine würde. Anders gesagt, für die Wahrheit des Satzes (2)
auf den ersten Blick absurde Äußerung wie <Diese Zei- genügt es nicht, daß die beiden Teilsätze wahr sind, auch
tung kaufe ich nicht mehr> als durchaus sinnvoll, wenn der Satz (ii) muß wahr sein, da mit ihm der Grund für die
man sich klar macht, daß hier nicht auf ein singuläres Tatsache, daß Eis auf dem Wasser schwimmt, angegeben
Exemplar referiert wird, sondern eben auf diese Art von wird. Unmittelbar im Anschluß an dieses Beispiel führt
Zeitung. Da man in bestimmten Situationen einfach Frege folgenden Satz auf:
<Diese kaufe ich nicht mehr> sagen kann, folgt, daß man (3) Wenn Eisen spezifisch leichter als Wasser wäre, so
sogar auf Arten zeigen kann. Da diese Feststellung jeden würde es auf dem Wasser schwimmen.
Nominalisten empören muß, sei sie kurz präzisiert. Mit Diesen Satz interpretiert er wie das Beispiel (2) und
<Dieses Hemd kann man bei Karstadt kaufen> oder auch übersieht so, daß ein widerlegendes hypothetisches Argu-
mit <Die Katze hat ein weiches Fell> bezieht man sich ment vorliegt, das nach dem Modus tollens schließt (oder
weder auf ein Einzelding noch auf eine allgemein- auch um ein hypothetisches Argument, das im Sinne einer
abstrakte Art, sondern vielmehr auf das Eidos dieses Prognose zu verstehen ist). Ebenso übersieht er im Bei-
Dings, d.h. auf eine in ihm sichtbare und demzufolge reale spiel (4), daß es sich um ein hypothetisches Argument
Gestalt, die sich auch in anderen Einzeldingen grosso handelt:
modo wiederfindet. Das Wissen um diese Gestalt, das (4) Wenn jetzt die Sonne schon aufgegangen ist, ist der
sich als begriffliche Repräsentation auffassen läßt, macht Himmel stark bewölkt. Dieses Beispiel kommentiert
die Intension eines allgemeinen Terms aus. Deshalb Frege wie folgt: In diesem Satz «ist die Zeit die Gegen-
kann man auch die in einem Elementarsatz wie <Da drü- wart, also bestimmt. Auch der Ort ist als bestimmt zu
ben ist eine Katze> gemachte Prädikation auch dann ver- denken. Hier kann man sagen, daß eine Beziehung zwi-
stehen, wenn man weiß, daß dem Begriff der Katze ein schen den Wahrheitswerten des Bedingungs- und Folge-
realer Gegenstand von der und der Gestalt entspricht. satzes gesetzt sei, nämlich die, daß der Fall nicht statt-
Diese Referenz auf allgemeine Gestalten im Einzelnen finde, wo der Bedingungssatz das Wahre und der Nach-
wird deshalb nur grosso modo vorgenommen, weil man satz das Falsche bedeutet. Danach ist unser Satz wahr,
ja durchaus sagen kann, <eine seltsame Katze, sie hat kein sowohl wenn jetzt die Sonne noch nicht aufgegangen ist,
weiches Fell> oder sogar <Das ist zwar eine Katze, aber sei nun der Himmel stark bewölkt oder nicht, als auch
keine richtige>, dann nämlich wenn sie sich nicht art ge- wenn die Sonne schon aufgegangen ist und der Himmel
recht verhält. Bei solchen Individuativa, die sich auf stark bewölkt ist. Da es hierbei nur auf die Wahrheits-
abzählbare gestaltete Materien> beziehen, kann man werte ankommt, so kann man jeden der Teilsätze durch
auch im Sinne von Frege und Strawson von sortalen Ter- einen anderen vom gleichen Wahrheitswerte ersetzen,
mini sprechen. [32] Diese sind referentiell (Meine Katze ohne den Wahrheitswert des ganzen zu ändern.» [36]
ist verschwunden) als auch prädikativ (Dies ist eine Hier erläutert Frege offenbar die Implikation - freilich
Katze) verwendbar. [33] am Beispiel eines hypothetischen Arguments. Diese
Auch bei der Implikation und damit verbunden der Ableitung der Implikation aus einem hypothetischen
Folgerung stellt sich wie schon für die Stoa die Frage, ob Argument ist deshalb möglich, weil in dieser Form eines
ihre wahrheitsfunktionale Definition dem umgangs- wenra-Satzes - und nur in dieser - durch das Hypothe-
sprachlichen Konditional entspricht. Wenn in Logik- tischsetzen des Antezedens alle für die Implikation
handbüchern auf diese Frage eingegangen wird, dann geforderten Wahrheitsbedingungen vorliegen. Das läßt
geschieht dies immer so, daß die (materiale) Implikation sich an einem Prognoseargument zeigen:
scharf gegen das sprachliche Konditional abgegrenzt (5) Wenn du Peter jetzt anrufst (p), freut er sich (q)
wird. Insofern bildet Frege eine Ausnahme, wenn er in Diese Prognose wird verifiziert, wenn mein Gegenüber
seiner frühen Schrift <über Sinn und Bedeutung> mehrere jetzt anruft und Peter sich freut (w w); wenn er nicht
Formen komplexer Sätze des Deutschen erörtert. Hier anruft, folgt aus meiner Prognose, daß Peter sich nicht
formuliert er u.a. die Vermutung, daß in freut (f f), aber es ist nicht ausgeschlossen, daß er sich
(1) Napoleon, der die Gefahr für seine rechte Flanke freut (f w). Wenn mir in diesem Fall mein Gegenüber
erkannte, führte selbst seine Garden gegen die feindliche vorwirft, ich hätte eine falsche Prognose gemacht, kann
Stellung ich ihn leicht widerlegen, da ich keine Behauptung dar-
neben dem im Haupt- und Nebensatz ausgedrückten über, ob Peter sich freut oder nicht, gemacht habe, son-

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d e m nur prognostiziert habe, daß er sich unter der Hypo- besteht die Welt in diesem - wie man wohl sagen muß -
these, daß mein Gegenüber ihn anruft, freut. Ist diese logizistischen Modell bloß aus singulären Tatsachen:
Hypothese nicht der Fall, greift meine Prognose nicht. «Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der
Bleibt der Enttäuschungsfall, daß mein Gegenüber Dinge», «die Gesamtheit der Tatsachen bestimmt, was
anruft, Peter sich aber nicht freut (w f). Hier wird mir der Fall ist und auch, was nicht der Fall ist» und: «Die
mein Gegenüber zu Recht vorwerfen, daß meine Pro- Tatsachen im logischen R a u m sind die Welt» - diese
gnose falsch ist und eventuell sogar die Erstattung der Konsequenzen hat der frühe WITTGENSTEIN aus diesem
Telefonkosten verlangen. Hier habe ich zwei Möglich- logizistischen Modell gezogen, Konsequenzen, die man
keiten: entweder spiele ich den Bösewicht (Ich wollte nicht einmal als radikal bezeichnen kann, da sie diesem
Dich reinlegen) oder den Logiklehrer (Ich wollte Dich Modell immanent sind: «Die Welt zerfällt in Tatsa-
nur sinnlich erfahren lassen, wann ein Implikation falsch c h e n . » ^ ! ] Da auch die in der analytischen Philosophie
ist). Das Beispiel verdeutlicht, daß man die materiale entwickelten Wahrheitstheorien - d.h. im wesentlichen
Implikation leicht aus einer Situation, in der ein hypothe- die Redundanztheorie von RAMSEY und die semantische
tisches Argument verwendet wird, verstehen und kon- Wahrheitstheorie von TARSKY, die beide mit der alten
struieren kann. Da auch, wie B A R N E S beobachtet hat, in Korrespondenztheorie der Wahrheit zusammenhängen
der späten Stoa die Implikation häufig mit hypotheti- - diese atomistische Welt von singulären Tatsachen vor-
schen Argumenten erläutert wird, gewinnt die These, aussetzen, können sie nur allgemeine Bedingungen for-
daß sie nichts anderes als eine Hypostasierung der im mulieren, wann Aussagen als wahr gelten, nicht aber,
hypothetischen Argument gegebenen Wahrheitskonfi-
wann und warum bestimmte Sachverhaltszusammen-
gurationen darstellt, an Plausibilität. [37] Um nun solche
hänge als wahr behauptet werden dürfen. [42] Das läßt
Enttäuschungsfälle wie den skizzierten zu vermeiden,
sich auch an den Beispielen, die in logischen Handbü-
hat Lewis die strikte Implikation eingeführt, die er wie
chern für Aussageverbindungen gegeben werden, able-
folgt definiert [38]:
sen. In ihnen kommen generische Aussagen über Sach-
verhaltszusammenhänge höchstens aus Versehen vor;
ρ => q = ~M(p Λ ~q)
wenn überhaupt alltagsweltlich plausible Beispiele gege-
d.h. die strikte Implikation (=>) ist nur dann wahr, wenn ben werden, dann sind singulare Aussagen wie die fol-
es nicht möglich (M) ist, daß ρ wahr und q falsch ist. genden typisch:
Damit wird genau unser Problemfall ausgeschlossen, in (1) Wenn durch diese Spule elektrischer Strom geflossen
dem ρ wahr und q falsch ist. Da diese Formel äquivalent ist, dann gibt es ein elektrisches Feld in der Umgebung
mit: ρ => q = N(p —> q) ist, kann man auch sagen, die der Spule
strikte Implikation liegt vor, wenn q notwendig aus ρ (2) Großbritannien wird die Europ. Union verlassen,
folgt. Da dieser Begriff der strikten Implikation freilich wenn Labour gewinnt.
nicht alle von der materialen Implikation ableitbaren Es handelt sich somit um Aussagen, in denen ein singulä-
Aussagen ermöglicht und auch zu Paradoxien führt, rer Term bzw. eine bestimmte Kennzeichnung vor-
konnte er sich nicht durchsetzen. Diese Paradoxien der kommt, die nicht nur bewirken, daß eine singuläre Refe-
strikten Implikation sind u.a.: <aus einer unmöglichen renz hergestellt wird, sondern auch daß - zusammen mit
Aussage folgt jede beliebige Aussage* und <eine notwen- einem passenden Tempus oder Modus - ein singulärer
dige Aussage folgt aus jeder beliebigen A u s s a g o [39] - Sachverhalt bezeichnet wird (die Zusatzbedingung ist
zwei Paradoxien, die uns schon in der Spätscholastik bei notwendig, weil etwa <(Immer) wenn Peter raucht, ist er
BURLEIGH als Varianten des Topos aus dem Weniger guter Laune> generisch ist). Erstaunlich ist, daß auch Bei-
bzw. bei Wilhelm von Ockham als materiale Folgerung spiele mit allgemeinen Termen gegeben werden:
begegnet sind. [40] Auch für den alltagsweltlichen bzw. (3) Wenn der Mensch von Affen abstammt, dann stammt
rhetorischen Folgerungsbegriff ist die strikte Implikation er von Tieren ab.
nicht brauchbar, obwohl sie auf den ersten Blick eher (4) Feuer breitet sich nicht aus, wenn kein Sauerstoff vor-
diesem (d.h. auch dem in den Logiken der Aufklärung handen ist. [43]
vertretenen) Folgerungsbegriff entspricht. Der Grund Feuer und Sauerstoff sind sog. Kontinuativa bzw. Stoffna-
ist, daß durch diese strikte Festlegung die Möglichkeit men, die, da sie kein Eidos haben, nicht abzählbar sind;
des Andersseins, d.h. Argumente aus dem Wahrscheinli- ihre (onto)logische Besonderheit besteht darin, daß die
chen ausgeschlossen sind. Wegnahme bzw. Hinzufügung eines Teils immer das
Doch der Nachweis, daß die materiale Implikation aus Ganze ergibt (Ein Tropfen Wasser ist immer noch Was-
dem hypothetischen Argument entwickelt wurde, führt ser). [44] Hinzu kommt, daß Wasser zwar an verschiede-
zu einer viel weitreichenderen Konsequenz, nämlich daß nen Stellen der Welt vorkommt, aber immer das gleiche
im modernen Logikkalkül generische Sachverhaltszu- Wasser ist. Von hier aus erklärt sich, daß man Sätze wie
sammenhänge (wie: Immer dann, wenn es regnet, wird (4) als singuläre Aussagen verstehen kann, obwohl in
die Straße naß) gar nicht behandelt werden können. ihnen ein generischer Sachverhaltszusammenhang aus-
Hypothetische Argumente thematisieren ja immer sin- gedrückt wird. (3) ist ein schönes Beispiel dafür, daß auch
gulare Sachverhalte - genauso wie die materiale Implika- in der modernen L. Arten versehentlich wie Einzelnes
tion (und alle übrigen Aussageverbindungen). Der behandelt werden. Was ist das Spezifikum generischer
Grund folgt aus der L. des Aussagenkalküls selbst: die Aussagen über Sachverhaltszusammenhänge? Auch hier
Teilsätze, aus denen irgendeine Aussagenverbindung hat der Vater der modernen L. Frege eine Beobachtung
konstruiert wird, können ja nur dann verifiziert werden, gemacht, die über seine eigene wahrheitsfunktionale
wenn sie singulare Aussagen sind. Kurz: die Satzvaria- Bestimmung der Aussageverbindungen hinausweist. Er
blen p, q, r , . . . sind per definitionem singulare Aussagen. wendet sich nämlich dezidiert gegen Auffassungen, die in
Da, wie deutlich wurde, in der Prädikatenlogik nur Indi- Konditionalsätzen wie den beiden folgenden zwei ver-
viduen quantifiziert werden können, die freilich zur Veri- schiedene Gedanken (= Aussagen) sehen wollen:
fizierung über die existentielle oder universelle Speziali- (5) Wenn eine Zahl kleiner als 1 und größer als 0 ist, so ist
sierung auf singuläre Aussagen zurückgeführt werden, auch ihr Quadrat kleiner als 1 und größer als 0.

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(6) Wenn sich die Sonne im Wendekreis des Krebses Wie diesen Widerspruch auflösen? Hier ist offensicht-
befindet, haben wir auf der nördlichen Erdhälfte den lich das alte in Vergessenheit geratene Toposmodell eine
längsten Tag. brauchbare Lösung. Hier muß nur die unterstellte gene-
In beiden Sätzen muß nach Frege «ein unbestimmt rische Prämisse (d.h. der spezifische Topos) einfügt wer-
andeutender Bestandteil» anerkannt werden. «Eben den, um das nach dem Modus tollens schließende Argu-
dadurch wird aber auch bewirkt, daß der Bedingungssatz ment (7) in seiner Grundstruktur zu erläutern:
allein keinen vollständigen Gedanken als Sinn hat und (7')
mit dem Nachsatze zusammen einen Gedanken, und
zwar nur einen einzigen, ausdrückt, dessen Teile nicht
mehr Gedanken sind.» [45] Diese Feststellung ist völlig Pg: Wenn jemand einen Mord be- Π => Ω
konsistent mit der schon zitierten, zum Satz (2) «Weil das geht; muß er am Tatort sein
Eis spezifisch leichter als Wasser ist, schwimmt es auf HYP Ps: Falls der Angeklagte nicht HYP ~q
dem Wasser» gemachten Feststellung, daß in diesem die am Tatort war TMT
drei Gedanken (i)-(iii) enthalten sind, insbesondere aber
HYP Κ: Also hat er die Tat nicht HYP ~p
der Konditionalsatz:
(ii) Wenn etwas spezifisch leichter als Wasser ist, so begangen
schwimmt es auf dem Wasser.
Der Grund, daß im Kausalsatz drei Gedanken enthalten Wie haben in der generischen Prämisse (Pg) nicht mehr
sind, ist einfach der, daß in diesem Satztyp die beiden die Variablen für singulare Aussagen ρ und q verwendet,
anderen Gedanken: sondern griechische Großbuchstaben, die wie folgt zu
(i) das Eis ist spezifisch leichter als Wasser und lesen sind: <Wenn irgendein Sachverhalt die propositio-
(iii) das Eis schwimmt auf dem Wasser nale Beschreibung Π erfüllt, dann erfüllt er auch die pro-
als faktisch bestehend präsupponiert werden, also einen positionale Beschreibung Ω>. Der Topos des Modus tol-
Wahrheitswert haben. Deshalb sagt Frege zum Satz (6): lens läßt sich damit wie folgt formulieren:
«hier ist es unmöglich, den Sinn des Nebensatzes in einem TMX «Wenn es eine Folgebeziehung <Π => Ω> gibt, und
Hauptsatze auszudrücken, weil dieser Sinn kein vollstän- q nicht der Fall ist, dann kann man mit Notwendigkeit
diger Gedanke ist; denn, wenn wir sagten: <die Sonne schließen, daß ρ nicht der Fall ist.»
befindet sich im Wendekreis des Krebses>, so würden wir Dieses Toposmodell soll nicht die erörterten imma-
das auf unsere Gegenwart beziehen und damit den Sinn nenten Beweisverfahren der symbolischen L. ersetzen,
ändern. Ebensowenig ist der Sinn des Hauptsatzes ein sondern beansprucht nur, alltagsweltliches und wissen-
Gedanke; erst das aus Haupt- und Nebensatz bestehende schaftliches Argumentieren adäquat zu repräsentieren.
Ganze enthält einen solchen.» [46] D.h. der wahrheitsfä- Der Vorteil dieses Modells ist, a) daß die Folgebeziehung
hige Satz <Die Sonne befindet sich jetzt im Wendekreis offen bleibt (d.h. Grund-, Ursachen-, Zweck- oder rein
des Krebses> hat einen anderen Sinn, wenn er als Neben- temporale wenn/dann Beziehungen sind möglich, was
satz und Antezedens in einer generischen Aussage wie (6) u.a. bedeutet, daß das Prinzip vom zureichenden Grund
verwendet wird: dort nämlich ist er für sich kein Gedanke-, nicht unterstellt werden muß), daß b) andere Sachver-
er bildet vielmehr erst mit dem Hauptsatz oder Konse- haltszusammenhänge (relative Wahrscheinlichkeiten,
quens einen Gedanken. Daß Frege hier sehr wohl generi- Werte, usw.) und auf Begriffsrelationen basierende
sche Konditionalsätze im Blick hat - ohne dies explizit zu Zusammenhänge (Art/Gattung, Gegensätzliches, Typi-
sagen - , folgt aus der Tatsache, daß er andere Konstruk- sierung einer Art, usw.) als generische Prämissen einge-
tionen, in denen generische Sachverhaltszusammen- setzt werden können, und daß schließlich c) mit dem
hänge ausgesagt werden, anführt: «Es ist einleuchtend, Begriff des sequentiellen Topos verschiedene alltagswelt-
daß Nennsätze mit wer, was und Adverbsätze mit wo, liche, aber auch formallogische Begründungs- und vor
wann, wo immer, wann immer vielfach als Bedingungs- allem Widerlegungssequenzen (ad hominem, reductio ad
sätze dem Sinne nach aufzufassen sind, z.B. Wer Pech impossibile, usw.) erklärt werden können. Die Annahme
angreift, besudelt sich.» [47] In seinen knapp 30 Jahre spä- von generischen Aussagen über Sachverhaltszusammen-
ter erschienenen <Logischen Untersuchungen) bemerkt hänge entspricht dem Schlußbegriff bei Aristoteles und
er hingegen zu: (7) < Wenn der Angeklagte zur Zeit der Tat der ihm folgenden Tradition, aber auch neueren Ansät-
nicht in Berlin gewesen ist, hat er den Mord nicht began- zen wie etwa bei TOULMIN, dessen Garant (warrant)
g e n , daß hier drei Gedanken vorliegen, «nämlich der nichts anderes darstellt als eine generische Prämisse. [49]
ganze Gedanke und die Bedingung und die Folge». Daß Aus dem Toposmodell und den Erörterungen zu den
Frege hier die materiale Implikation im Blick hat, folgt Nicht-Standardkonnektoren ergibt sich weiter, daß der
daraus, daß er die Kontraposition (Wenn er den Mord Untersuchungsbereich der formalen L. erweitert werden
begangen hat, dann war der Angeklagte nicht zur Zeit der muß. Für Frege kann es gar keinem Zweifel unterliegen,
Tat in Rom) explizit als Gesetz erwähnt: «Die Engländer daß Modaloperatoren oder Wörter wie noch, schon oder
nennen diesen Übergang contraposition.» [48] Damit ist aber in Sätzen wie <Alfred ist noch nicht gekommen>
nicht nur der fundamentale Widerspruch in Freges Ana- nichts zu deren Wahrheitswert beitragen: «Solche Winke
lyse des Konditionals aufgedeckt, sondern man kann auch in der Rede machen keinen Unterschied im Gedanken».
Frege (und mit ihm die Vertreter des modernen Aussa- Wie auch für andere sprachliche Mittel, welche die
genkalküls) mit Frege widerlegen. Die von Frege hier vor- Bedingungen der Berechnung des Wahrheitswertes
geschlagene Analyse des Konditionals in drei Teilaussa- nicht verändern, gilt allgemein: «Dem auf das Schöne in
gen gilt nur für die materiale Implikation, nicht aber für der Sprache gerichteten Sinne kann gerade das wichtig
Konditionale, in denen generische Sachverhaltszusam- erscheinen, was dem Logiker gleichgültig ist.» So unter-
menhänge behauptet werden. Doch man muß einen scheidet sich das aber von und nach Frege nur dadurch,
Schritt weitergehen: die wahrheitsfunktionale Bestim- daß bei aber angedeutet wird, «das Folgende stehe zu
mung der Implikation ist insofern problematisch, als ihr dem, was nach dem Vorhergehenden zu erwarten war, in
ein hypothetisches Argument zugrunde liegt. einem Gegensatze». [50] Das läßt sich leicht widerlegen.

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So impliziert ja Freges Auffassung, daß etwa «Hans gilt sen führt. Die wichtigste Neuerung ist die Einführung
als guter Mathematiker und er bewundert C.I. Lewis» von möglichen Welten. Die zentrale Idee ist, daß man,
gleichfunktional mit «Hans gilt als guter Mathematiker, wenn etwa ein bestimmter Apfel auf dem Schreibtisch
aber er bewundert Lewis» ist. Geht man davon aus, daß liegt (= P), nicht mehr bloß sagt, es sei möglich, daß Ρ -
der Hörer nicht weiß, ob Lewis ein guter oder schlechter also: M(P) - , sondern, <es ist gibt eine Welt, in der Ρ wahr
Mathematiker ist, dann wird er beim und-Satz schließen, ist> - also: (3w) Pw. Man kann sich nun andere Welten
daß Lewis ein guter Mathematiker ist, im zweiten Fall (oder besser hypothetisch angenommene Situationen)
aber auf das genaue Gegenteil. Oben wurde sogar deut- vorstellen, wie z.B. im gegebenen Fall den Apfel neben
lich, daß durch aber drei wesentliche Widerlegungsse- oder unter dem Tisch, oder auch denselben über dem
quenzen eingeleitet werden können, die durch den Tisch schwebend. All das sind mögliche Welten, in denen
Topos der Nicht-Legitimität (Hans gilt als guter Mathe- Ρ nicht mehr wahr ist. Deshalb kann man sowohl sagen,
matiker, in Wirklichkeit aber bewundert er Lewis - der, es ist möglich, daß Ρ (in der jetzigen Welt), als auch, es ist
wie wir annehmen wollen, ein schlechter Mathematiker möglich, daß ~P (in anderen möglichen Welten). Von
war), der Kompensation (Peter ist nicht sehr intelligent, hier aus ergibt sich, daß notwendig als <in allen möglichen
dafür aber charmant) und der Anti-Implikation (Er ist Welten wahr> bestimmt wird. Um ein klassisches analyti-
viel zu schnell gefahren, er wurde aber (dennoch) nicht sches Beispiel zu nehmen: Aus dem «Wenn jemand Jung-
bestraft). geselle ist (P), ist er notwendig nicht verheiratet (Q)» -
Um zusammenzufassen: Wie in den vorgehenden Tei- traditionell als: NfP —> ~Q] symbolisiert - wird: «In allen
len schon deutlich wurde, besagt das Toposmodell, daß möglichen Welten gilt: wenn jemand Junggeselle ist (P),
man, um überzeugende Argumente vorbringen zu kön- dann ist er auch nicht verheiratet (Q)» - also: (Vw)[Pw —>
nen, über fünf Wissenssysteme verfügen muß (Ethos und ~Q]. Hier wird deutlich, daß diese Modallogik kein Kal-
Pathos bleiben ausgeklammert): kül mit Modaloperatoren, sondern eine mit Mitteln der
(1) Das topische Wissen, d.h. das System der spezifi- Prädikatenlogik vorgenommene Rede über modal
schen Topoi, also von generischen Aussagen über Sach- gebundene Aussagen ist - was auch ihre Grenzen aus-
verhaltszusammenhänge, die von alltagsweltlichen Ste- macht. [51]
reotypen bis hin zu naturwissenschaftlichen Gesetzen Die Modalitäten der alethischen oder ontischen L.
reichen. (notwendig, möglich,...) sind auch auf andere Modalitä-
(2) Das enzyklopädische Wissen; d.h. die Menge der in ten angewendet oder für andere Modalitäten entwickelt
einer Gemeinschaft von allen, den meisten oder - in worden, nämlich die deontischen (obligatorisch, erlaubt,
Untergruppen von Experten - bekannten oder akzep- ...)[52], temporalen (immer, nie, ...)[53] und epistemi-
tierten Fakten. schen (wissen daß, glauben daß, ...)[54], Die epistemi-
(3) Das logische Wissen, d.h. die gemeinsamen Topoi, schen L., die wesentliche Einsichten der spätscholasti-
welche die Stringenz oder zumindest Konsistenz schen L. und Freges aufgreift, unterscheidet sich von den
bestimmter Schlußmuster garantieren wie auch formal- drei anderen Logiken, die eine gewisse strukturelle Ähn-
logische Äquivalenz- und Umformulierungsregeln. lichkeit mit der alethischen Modallogik zeigen. Das läßt
(4) Das sprachliche Wissen, d.h. die Kenntnis der syn- sich verdeutlichen, wenn wir in das obige alethische
taktischen, semantischen und pragmatischen Regeln, die Modalquadrat die entsprechenden deontischen Modal-
zum Herstellen, Verstehen und symbolischen Interagie- operatoren eintragen [55]:
ren der Wissenssysteme (l)-(3) erforderlich sind.
(5) Das sophistisch-spielerische Wissen, d.h. die
Kenntnis von verstehbaren Abweichungen in Sprache geboten erboten
(Ambiguitäten, rhetorisch-tropische Verwendungsfor- daß ρ konträr daß ρ
men, usw.), Text (Allegorien, fiktive Textformen, usw.)
und Argumentation (alle logischen Trugschlüsse) wie
auch den pragmatischen Situationen, in denen diese ange-
wendet werden dürfen. Diese Abweichungen können im
Interesse des andern liegen (Witz, Rätsel, Pointe, litera-
rischer Text) oder diesen manipulieren.
3. Erweiterungen: Von der Modallogik zur informellen
Logik. Obwohl Frege auch Modaloperatoren nur als
'Winke' begreift, also als logisch nicht relevante Aus-
drücke, hat sich schon früh - vor allem im Anschluß und
in Auseinandersetzung mit Lewis/Langford - eine for-
male Modallogik herausgebildet. Die schon bei Lewis/ erlaubt subkonträr fakultativ
Langford unterschiedenen Modalsysteme - traditionel- daß ρ daß ρ
lerweise als SI, S2, S3, S4 und S5 bezeichnet - wurden in
den 50er Jahren von LEMMON verbessert und präzisiert,
bestimmend für die neuere Diskussion wurde die Dar- Daneben wurden vor allem in Anschluß an LUKASIEWICZ
stellung von H U G H E S / C R E S S W E L L . Diese Systeme bauen und E . L . P O S T Systeme einer mehrwertigen L . [56] ent-
aufeinander auf und stellen jeweils Präzisierungen dar; worfen wie auch - vor allem von L O R E N Z E N und L O R E N Z
Ausgang aller Modelle ist der Aussagenkalkül, der durch - eine Dialoglogik entwickelt, welche die prädikaten-
eine Reihe von Axiomen und Schlußregeln für einen und aussagenlogische L. aus typisierten Dialogsituatio-
Modalkalkül ausgebaut wird. Gemeinsam ist diesen nen konstruiert und so auf die alte Dialektik und mittel-
Modalsystemen die Ablehnung der bei Aristoteles als alterliche Disputation zurückgreift, jedoch mit dem
Basiskategorie dienenden bilateralen Möglichkeit, weil wesentlichen Unterschied, daß sie sich - ganz in der Tra-
sie, wie oben deutlich wurde, zu 'seltsamen' und sogar - dition der Aufklärung stehend - als <Vorschule des ver-
aus der Sicht der modernen L. - zu unlogischen Ergebnis- nünftigen Denkens> begreift. [57]

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D i e Forschungslogik von M I L L hat in der inzwischen (Basel 1997) lOff. u. ders.: Investigation of the Laws of Thought
zum Klassiker gewordenen <Logik der Forschung) von K. (1854, zit. nach Ausg. Chicago 1940); vgl. L. Liard: Les logiciens
POPPER einen wichtigen Nachfolger gefunden. Kenn-
anglais contemporains (Paris 1878); Lewis [1] A Survey, 51 ff.; W.
Kneale: Boole and the Revival of Logic, in: Mind 57 (1948) 149-
zeichnend für die moderne L. der Forschung ist ihre enge
175; Y. Styazhkin: History of Mathematical Logic from Leibniz
Verzahnung mit der Wissenschaftstheorie. A u c h dieses to Peano (Cambridge 1969) 170ff.; E. Schröder: Der Operations-
zum alten logischen Organon g e h ö r e n d e Untersu- kreis des Logikkalkuls (1877); G. Frege: Begriffsschrift und
chungsfeld ist durch eine Vielseitigkeit der A n s ä t z e und andere Aufsätze (31974; zuerst 1879); G. Peano: Notation de
Fragestellungen, die oft auch einzelwissenschaftliche logique mathématique (Turin 1894). - 4 v g l . Styazhkin [3] 253ff.;
Fragen betreffen, gekennzeichnet. [58] Will man aus die- C.S. Peirce: Studies in Logic (Boston 1883; ND Amsterdam
ser Vielfalt neue wissenschaftsgeschichtlich b e d e u t s a m e 1983) mit Einl. v. M.H. Fisch, A. Eschbach; C. Eisele (Hg.):
Historical Perspectives on Peirce's Logic of Science (1985); K.O.
Problemfelder herausgreifen, so wird man - gerade auch
Apel (Hg.): C.S. Peirce: Sehr, zum Pragmatismus und Pragmati-
aus der Sicht der Rhetorik - die beiden f o l g e n d e n nen- zismus (1991); R. Schumacher: Realität, synthetisches Schließen
nen müssen: (i) die Herausbildung einer hermeneuti- und Pragmatismus (1996). - 5zum folg. (a) praktische Einf.: B.
schen L., die sich in den Geistes- und Sozialwissenschaf- Mates: Elementary Logic (Oxford 1965); Quine [1]; R. Blanché:
ten in Auseinandersetzung mit d e m Positivismus oder Introduction à la logique contemporaine (Paris 1968); W.K. Ess-
Szientismus der Naturwissenschaften entwickelte [59], ler, R.F. Martínez Cruzado: Grundzüge der L.I. Logisches
und (ii) die Entdeckung der Metapher und A n a l o g i e als Schließen (41991); P. Gochet, P. Gribomont: Logique (Paris
1990); Ε. v. Savigny: Grundkurs im logischen Schließen (31993)
d e m Erkenntnis- und Wissenschaftsprozeß i m m a n e n t e
und vor allem: E. Tugendhat, U. Wolf: Logisch-semantische Pro-
modellbildende Verfahren. [60] pädeutik (1983); S. Guttenplan: The Languages of Logic
In einem von rigorosen und rigiden Vertretern der for- (Oxford 21997), T. Zoglauer: Einf. in die formale L. für Philoso-
malen L. oft nicht mehr akzeptierten Randbereich ste- phen (1997) u. P. Tomassi: Logic (London 1999) - (b) theoreti-
hen die informelle L. und die Argumentationstheorie, sche Grundlagen: Lewis, Langford [1]; R. Carnap: Log. Syntax
deren Vertreter sich selbst oft e b e n s o rigoros und rigide der Sprache (Wien 21968); A. Church: Introduction to Mathema-
von der formalen L. abgrenzen. [61] Soll man von einer tical Logic I (Princeton 1956); A. Tarski: Logic, Semantics, Meta-
mathematics (Oxford 1956); K. Berka, L. Kreiser (Hg.): L.-Texte
Renaissance des kritisch-dialektischen D e n k e n s spre-
chen? W e n n man dies tut, sollte man sich bewußt blei- - Kommentierte Auswahl zur Gesch. der modernen L. (1971); G.
ben, daß gerade die E p o c h e der Renaissance zum Ver- Hunter: Metalogic: An Introduction to the Metatheory of Stan-
dard First-Order Logic (London 1971); D. Hilbert, W. Acker-
drängen, ja sogar Vergessen v o n in einer langen For-
mann: Grundzüge der theoretische L. (61972); A.N. Prior: For-
schungstradition mühevoll herausgearbeiteten Erkennt- mal Logic (Oxford 21962); A.G. Hamilton: Logic for Mathemati-
nissen geführt hat. R . H . J O H N S O N fragt sich in e i n e r n e u e - cians (Cambridge 1978); F. Rivenc, P. Rouilhan (Hg): Logique et
ren Untersuchung, wie man den Gegensatz zwischen for- fondements des mathématiques, Anthologie (185(M914) (Paris
maler L. und informeller L. aufheben oder zumindest 1992); W. Marciszewski: Logic from a Rhetorical Point of View
überbrücken kann. [62] Vielleicht existiert dieser G e g e n - (1994); I. Max, W. Stelzner (Hg.): L. und Mathematik (1995). -
satz gar nicht in der Schärfe, wie er manchmal wahrge- 6vgl. v. Savigny [5] 99ff, Essler/Martinez [5] 170ff. u. 193ff;
Tomassi [5] 268ff. - 7 vgl. oben Kap. B. 1.2. - 8 vgl. G. Frege: Logi-
n o m m e n wird. Bedenkt man, daß sich wesentliche
sche Unters., in: ders.: Kleine Sehr., hg. von I. Angelelli (1967)
Erkenntnisse der informellen L. gerade in der systemati- 342-394,378ff. - 9 vgl. Guttenplan [5] 391 ff. u. Tomassi [5] 163ff.
schen R e f l e x i o n auf Formen und Funktionen von - 1 0 J. Allwood u.a. : Logic in Linguistics (Cambridge 1977); D.
Schein- und Trugschlüssen herausbildeten [63], s o ist Lewis: Counterfactuals (Cambridge 1973); M.J. Cresswell:
man verblüfft, daß sich das alte logische und topisch-dia- Logics and Languages (London 1973); R. Montague: English as a
lektische Problemfeld, wie es schon im aristotelischen Formal Language, in: R. Thomason (Hg.): Formal Philosophy.
Organon ausgeschrieben wurde, erhalten hat. Sicher Selected Papers of R. Montague (New Haven 1974) 188-221;
ders.: Universal Grammar, ebd. 222-246; F. Guenthner, C. Roh-
wird dieses Feld differenzierter, arbeitsteilig und von
rer (Hg.): Studies in Formal Semantics (Amsterdam 1978); F.
einer fast nicht mehr überschaubaren Anzahl von For- Guenthner, S.J. Schmidt (Hg.): Formal Semantics and Pragma-
schern bearbeitet. D o c h hier erlauben die n e u e n Techno- tics for Natural Languages (Dordrecht 1979); W.L. Harper u.a.
logien und Kommunikationstechniken schnellen Über- (Hg.): Ifs (Dordrecht 1981); E.L. Keenan, L.M. Faltz: Boolean
blick und Synthese. Vielleicht ist deshalb die Vermutung Semantics for Natural Language (Dordrecht 1985); W.W.
durchaus plausibel, daß bald logisch-dialektische Wood: Categorial Grammars (London 1993). - I I B . Carpenter:
Abhandlungen oder Lehrbücher entstehen könnten, die Type-Logical Semantics, mit ausf. Bibliogr. (London 1997). -
12W.V.O. Quine: Word and Object (Cambridge, Mass. 1960)
das ganze Feld des Organons abdecken - v o m Wort über
96. - 13J.R. Searle: Sprechakte (1971; engl. Orig. Cambridge
den Satz zum Schluß und umgekehrt, im eigentlichen und 1969) 186ff. - 14B. Russell: On denoting, in: Mind 14(1905) 4 1 4 -
uneigentlichen, aber auch im sophistischen Gebrauch. 427; abgedr. in ders: Foundations of Logic. 1903-1905, hg. v. A.
Urquhart (London 1994); ders.: Logic and Knowledge (London
1956) 29-56. - 1 5 v g l . ebd. 419 u. Tomassi [5] 250. - 16G. Frege:
Anmerkungen: Über Sinn und Bedeutung, in: ders. [8] 143-163, 144 Anm.2. -
1C. I. Lewis: A Survey of Symbolic Logic. The Classic Algebra of 17B. Russell: Logic and Knowledge (London 1956) 200f. u. A.N.
Logic (New York 1960; zuerst 1918); C.I. Lewis, C.H. Langford: Whitehead, Β. Russell: Principia Mathematica (1986; engl. Orig.
Symbolic Logic (New York 1959; zuerst 1932); W.V.O. Quine: Cambridge 1925) 95ff. - 18Whitehead, Russell [17] 98f. u.
Grundzüge der L. (1969; engl. Orig. New York 1964); H. Rei- Tomassi [5] 252ff; vgl. W.V.O. Quine: From a Logical Point of
chenbach: Elements of Symbolic Logic (Toronto 1966; zuerst View (New York 21961) 85 ff. u. 166ff. - 1 9 vgl. Russell [14] 424ff.
1947): allg. I. Bochenski: Formale Logik (1962) 31ff.; R. Blanché: - 2 0 P . F . Strawson: Logico-linguisticPapers (London 1971) 12ff;
La logique et son histoire, 2. Aufl. bearb. v. J. Dubucs (Paris vgl. darin: On Referring (zuerst in: Mind 59 (1950) 320-344). -
1996) 269ff.; M. Kneale, W. Kneale: The Development of Logic 21 Tornassi [5] 259. - 2 2 Q u i n e [18] 8. -23vgl. Russell [17] 201ff.;
(Oxford 1962) 379ff.; S. Knuuttila (Hg.): Modem Modalities dazu Tomassi [5] 258ff. u. E. Tugendhat: Vöries, zur Einf. in die
(Dordrecht 1988); P. Simons: Philosophy and Logic in Central sprachanalytische Philos. (1976) 380ff. -24vgl. oben Kap. B.1.3.
Europe from Bolzano to Tarski. Selected Essays (Dordrecht
1992). - 2 A. de Morgan: Formal Logic or The Calculus of Infe- - 25Tugendhat, Wolf [5] 155. - 26vgl. E. Eggs: Grammaire du
rence, Necessary and Probable (London 1847).-3 G. Boole: The discours argumentatif (Paris 1994) 166ff. - 2 7 vgl. Strawson [20];
Nature of Logic (1848), zit. nach ders.: Selected Manuscripts on J. Hintikka: Essential Presuppositions and Existential Commit-
Logic and its Philosophy, hg. v. I. Grattan-Guinness, G. Bornet ments, in: Journal of Philosophy 56 (1959) 125-137; B. Russell:

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Logik Logik

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Aporien für Freges Semantik. Über Präsupposition und Vag- berger: Alternative Handlungstheorie (1996); I. Tammelo, H.
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Naming and Necessity (Oxford 1990); S. Neale: Descriptions Papers on Time and Tense (Oxford 1967); N. Rescher, A. Urqu-
(Cambridge 1990); J.A. Coffa: The Semantic Tradition from hart: Temporal Logic (New York 1971); J.L. Gardies: La logique
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ning and Reference (Oxford 1993); A.A. Kazmi (Hg.): Meaning (Dordrecht 2 1991). - 5 4 J . Hintikka: Knowledge and Belief (New
and Reference (Calgary 1998); A. Kasher (Hg.): Pragmatics. Cri- York 1962).-55vgl. oben Kap. B.I. 1. b.-56E.L. Post: Introduc-
tical Concepts III: Indexicals and Reference (London 1998); vgl. tion to a General Theory of Elementary Propositions, in: Ameri-
E. Eggs: Art. <Konnotation/Denotation>, in: HWRh Bd. 4, can Journal of Mathematics 43 (1921); A.A. Sinowjew: Über
Sp. 1248ff. - 28Tugendhat [23] 414ff. - 29 vgl. Κ. Ehlich: Deixis mehrwertige L. (1968); Α. Menne, Ν. Öffenberger (Hg.): Modal-
und Anapher, in: G. Rauh (Hg.): Essays on Deixis (1983) 79-97; logik und Mehrwertigkeit (1988); N. Öffenberger: Zur Vor-
G. Kleiber: Adjectif démonstratif et article défini, in: J. David, G. gesch. der mehrwertigen L. in der Antike (1990); P. Rutz: Zwei-
Kleiber (Hg.): Déterminants: syntaxe et sémantique (Paris) 169— wertige und mehrwertige L. (1973); S. Gottwald: Mehrwertige
185, ders.: Sur l'anaphore associative: article défini et adjectif L.: eine Einf. in Theorie und Anwendungen (1989). - 5 7 W. Kam-
démonstratif, in: Rivista di Linguistica 2 (1990) 155-175 u. Eggs iah, P. Lorenzen: Logische Propädeutik. Vorschule des vernünf-
[26] 173ff. - 30zur Referenz bei Tropen vgl. E. Eggs: Art. (Meta- tigen Denkens (1967); K. Lorenz: Dialogspiele als semantische
pher) u. <Metonymie> in diesem Bd., Sp. 1099 u. 1196. - 31 vgl. Grundlage von Logikkalkülen, in: Arch, für Mathematische L.
oben B. II. 1. - 3 2 vgl. G. Frege: Die Grundlagen der Arithmetik und Grundlagenforsch. 11 (1968) 32-55, 73-100; P. Lorenzen:
(1884) §54; P.F. Strawson: Individuals (London 1959) 168ff; Regeln vernünftigen Argumentierens, in: ders.: Konstruktive
Tugendhat [23] 453ff. - 3 3 vgl. N. Carlsson: Reference to Kinds in Wissenschaftstheorie (1974) 47-97; D. Gerhardus u.a.: Schlüssi-
English (New York 1980); ders.: Generic Terms and Generic ges Argumentieren (1975); P. Lorenzen, K. Lorenz: Dialogische
Sentences, in: Journal of Philosophical Logic 11 (1982) 145-181; L. (1978); K. Lorenz: Art. <Logik, dialogische», in: HWPh Bd. 5,
J. David, G. Kleiber: (Hg.): Rencontres avec la généricité (Paris Sp. 402-411. - 58 K. Popper: L. der Forschung (21966; zuerst
1987); Eggs [26] 124ff.; Ch. Lee: Generic Sentences Are Topic 1934); T.S. Kuhn: Die Struktur wiss. Revolutionen (1967; engl.
Constructions, in: T. Fretheim, J.K. Gundel: Reference and Orig. 1962); I. Lakatos, Α. Musgrave (Hg.): Criticism and the
Referent Accessibility (Amsterdam 1996) 213-222. - 34Frege Growth of Knowledge (Cambridge 1970); W. Stegmüller: Pro-
[16] 159; zu Frege: Dummet [27], F. v. Kutschera: G. Frege ( 1990) bleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analyti-
u. M. Beaney (Hg.): The Frege Reader, mit ausf. Bibliogr. schen Philos. IV, 1 (1972); D. Diederich (Hg.): Theorien der Wis-
(Oxford 1997). -35Frege [16] 160ff.-36ebd. 158. -37vgl. oben senschaftsgesch. (1974); K. Lorenz (Hg.): Konstruktionen versus
B.I. 2. - 38Lewis, Langford [1] 124, vgl. 136ff. u. 244ff.; vgl. A. Positionen, I: Spezielle, II: Allg. Wissenschaftstheorie (1979); R.
Menne u.a.: Art. <Implikation>, in: HWPh Bd. 4, Sp.263-268. - Ruzicka, S. Körner u.a.: Art. <Induktion>, in: HWPh Bd.4, 323-
39vgl. J.L. Pollok: The paradoxes of Strict Implication, in: Logi- 335; P. Lipton: Inference to the best explanation (London 1993);
que et analyse 9 (1966) 180-196; Blanché [1] 88ff.; G.E. Hughes, Α.F. Chalmers: Wege der Wiss.: Einf. in die Wissenschaftstheo-
M. J. Cresswell: An Introduction to Modal Logic (London (1968) rie. (31994); J. Losee: A historical introduction to the philosophy
26ff. u. 335ff.; J.L. Gardies: Essai sur la logique des modalités of science (Oxford 31993); V. Michele (Hg.): Prospettive della
(Paris 1979) 28ff.-40vgl. oben Kap. Β. II. 2. - 4 1 L . Wittgenstein: logica e della filosofia della scienza (Pisa 1996). - 5 9 H . J . Gada-
Tractatus logico-philosophicus (1984; zuerst 1921) 11. - 42F.P. mer: Wahrheit und Methode (21965); K.-O. Apel: Szientistik,
Ramsey: Tatsachen und Propositionen, in: G. Skirbeck: (Hg.): Hermeneutik, Ideologiekritik, in: Hermeneutik und Ideologie-
Wahrheitstheorie (1977; zuerst engl. 1927) 224ff; A. Tarski: Die kritik (1971) 7 - 44; ders.: Transformation der Philos. I: Sprach-
semantische Definition der Wahrheit und die Grundlagen der analytik, Semiotik, Hermeneutik (1973); J. Habermas: Zur
Semantik (zuerst 1944), ebd. 140ff.; ders: Der Wahrheitsbegriff Logik der Sozialwiss. (51982); A. Wüstehube: Rationalität und
in den formalisierten Sprachen (1936), in: Berka, Kreiser [5] Hermeneutik: Diskursethik, pragmatischer Idealismus, philos.
447ff.; W. Stegmüller: Das Wahrheitsproblem und die Idee der Hermeneutik (1998). - 60M. Black: Models and Metaphors
Semantik (1957); J. Habermas: Wahrheitstheorie, in: H. Fahren- (Ithaca 1962); M.B. Hesse: Models and Analogies in Science
bach (Hg.): Wirklichkeit und Reflexion (1973) 211ff.; D. Stauf- (Notre Dame 1966); D. Gentner, M. Jeziorski: From metaphor to
fer: L'avènement de la théorie sémantique de la vérité de Tarski, analogy in science, in: A. Ortony: Metaphor and Thought (Cam-
in: D. Miéville (Hg.) Études logiques (Neuchâtel 1994) 71-122; bridge 21994) 447 - 480; H.J. Schneider (Hg.): Metapher, Kogni-
Tugendhat [23] 246ff u. 309ff.; Tugendhat, Wolf [5] 217ff; Gut- tion, Künstliche Intelligenz (1996). - 6 1 J . A. Blair, R.H. Johnson
tenplan [5]288ff. - 43 vgl. Reichenbach [1] 71 u. 76; Guttenplan (Hg.): Informal Logic (Inverness 1980); D. Walton: Informal
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nominales (Paris 1994). - 45Frege [16] 156. - 46ebd. 157. - Logic Bibliography, in: Informal Logic 12 (1990) 155-184; Toul-
47ebd. - 48Frege [8] 364ff. - 49S. Toulmin: The Uses of Argu- min [49]; E. Eggs: Art. (Argumentation», in: HWRh Bd. 1,
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ning (New York 21984). - 50Frege [8] 348. - 5 1 0 . Becker: News 1996). - 62ebd. 189ff. - 63C.L. Hamblin: Fallacies (Lon-
Unters, zum Modalkalkül (1952); Prior [5] 185ff.; Gardies [38]; J. don 1970); J. Wood, D. Walton: Argument: The Logic of the Fal-
Hintikka: Models for Modalities. Selected Essays (Dordrecht lacies (Toronto 1982); dies.: Fallacies: Selected Papers 1972-82
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Logic (London 1974; zuerst 1968); M. Davies: Meaning, Quanti- Study of Ad Hominem Attack, Criticism, Refutation, and Fal-
fication, Necessity (London 1981); Ν. Rescher, Α. Weidemann: lacy (Westport 1985); F.H. v. Eemeren, R. Grootendorst: Argu-
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Plurality of Worlds (Oxford 1986); R. Stalnaker: Possible Worlds Hintikka: The Fallacy of Fallacies, in: Argumentation 1 (1987)
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123; C.S. Chihara: The Worlds of Possibility. Modal Realism and Informal Fallacies (New York 51994); H.V. Hansen, R.C. Pinto
the Semantics of Modal Logic (Oxford 1998). - 52G.H. v. (Hg.): Fallacies (University Park 1995); D. Walton: Fallacies
Wright: Deontic Logic, in: Mind 60 (1951) 1-15; ders.: An Essay Rising from Ambiguity (Dordrecht 1996).
in Deontic Logic and the General Theory of Action (Amsterdam
E. Eggs

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Logograph Logograph

—> Argument -» Argumentatio > Argumentation —> Begriff > gesetzt, und zwar in Gruppen von 200-400 Personen für
Beweis, Beweismittel -» Dialektik -» Enthymem —> Fallazien > private Streitfälle, und von 500 und mehr für Fälle von
Fangfrage, - schluß -> Folgerung Induktion/Deduktion
öffentlicher Bedeutung. Abgesehen von gelegentlichen
Logos —> Ratio Schluß —> Sorites Syllogismus —> Topik —»
Wahrheit, Wahrscheinlichkeit
heftigen Äußerungen des Unwillens oder der Zustim-
mung, hören diese Richter einfach zu, wie die Prozeßbe-
teiligten, denen anhand der Wasseruhr ein gleiches Maß
an Zeit zugesprochen wird, der Reihe nach sprechen.
Logograph (griech. λογογράφος, logográphos; dt. Jeder Prozeßbeteiligte nutzt seine Zeit, um nach eige-
Redenschreiber; engl, speechwriter, logographer; frz. nem Ermessen zu sagen, was er will. Zeugen, Beweisma-
logographe; ital. logografo) terial, Eide, Argumente und Plädoyers aller Art können
A . Def.- B.I. Aufgaben des L. - II. D i e einzelnen L. ohne Beschränkungen und ohne die Möglichkeit des
A. Der griechische Begriff <Logograph> (zusammenge- Kreuzverhörs vorgeführt und vorgetragen werden.
setzt aus λόγος, logos: Wort, Rede, Sinn und γράφειν, Unmittelbar nach den Reden der Prozeßbeteiligten
gráphein: schreiben) bezeichnet während der ganzen geben die Richter ohne jegliche Beratung in geheimer
Antike allgemein den Autor von Prosawerken im Unter- Abstimmung ihr Votum entweder für den Ankläger oder
schied zum Dichter. Er kann sich auch auf bestimmte den Verteidiger; eine einfache Mehrheit bestimmt das
Typen von Prosaautoren beziehen, z.B. Historiker oder Urteil. Die Verhandlung dauert nie länger als einen Tag,
epideiktische Redner. [1] Die Praxis der athenischen L. selbst in besonders wichtigen oder komplizierten Fäl-
des ausgehenden 5. und 4. Jh. (ca. 430-322 v. Chr.) len. [3] Unter diesen Umständen ist die Gesetzes-
bestand darin, gegen Bezahlung Reden zu verfassen, argumentation notwendigerweise unkompliziert und
welche die in einen Rechtsstreit verwickelten Personen beschränkt sich auf wenige Aspekte; normalerweise
auswendig lernten und als Plädoyer in eigener Sache vor besteht sie lediglich im Verweis auf positives Recht,
Gericht vortrugen. Der Terminus <L.> bezieht sich seit begleitet von einem die entsprechende Relevanz
der Antike vor allem auf die juristischen Redenschreiber behauptenden Gedanken. Insoweit hat der L. die Mög-
des klassischen Athen. lichkeit, die Aspekte der Rechtslage zu ignorieren oder
B.I. Aufgaben des L. Zwei Aspekte des Geisteslebens zu verfälschen, die sich als ungünstig für den Fall seines
des klassischen Athen, die sich beide erst im 5. Jh. entwik- Mandanten erweisen. Er kann alle Mittel nutzen, seine
kelten, bilden die Grundlage für die Tätigkeit des L.: Die Zuhörer zu überreden, z.B. dadurch, daß er einen ver-
Erprobung der Überredungsmethoden durch die Sophi- trauenswürdigen Zeugen beruft, freundliche Emotionen
stik und die Entstehung einer neuen Prosa-Kultur. Doch weckt, die nichts mit der Rechtslage oder den Tatsachen
der Grund für das Aufkommen des L. liegt im Bedarf an zu tun haben. Der L. hat kein eigentliches Interesse am
juristischer Hilfe im Alltag für den athenischen Bürger. Recht; sein Ziel ist einzig, seinen Kunden eine Rede zu
Hintergrund ist das komplexe Gerichtswesen Athens, liefern, die ihnen einen Sieg vor Gericht sichern wird. [4]
das von der Mitte bis zum Ende des 5. Jh., auf der Höhe Dazu kommt der Umstand, daß man im 5. Jh. v. Chr. in
seiner Macht und seines Wohlstandes, entstanden war Athen weit davon entfernt ist, politische und rechtliche
und in dem die persönliche Überzeugungskraft eine Ansprüche voneinander zu trennen, vielmehr nutzen die
große Rolle spielte. Mit wenigen, klar beschriebenen Athener die Gerichte als wichtiges Forum für die Austra-
Ausnahmen darf kein Bürger sich vor Gericht vertreten gung politischer Konflikte, und politische Versammlun-
lassen, sondern muß seinen Fall allein und persönlich gen entscheiden gelegentlich gesetzliche Auseinander-
vortragen. Dies gehört zum Selbstverständnis der egali- setzungen. Die Mehrheit der Richter, die offen ihre poli-
tären Ethik, der persönlichen Autonomie im öffentli- tischen Neigungen in ihre juristische Tätigkeit hineintra-
chen Raum, und dient überdies der Rechenschaftspflicht gen, entstammt der Masse der Bürger, die weder aristo-
für die eigene Handlungsweise. Angesichts des unaus- kratisch noch reich sind. Prozeßbeteiligte, die sich um die
weichlichen Drucks, sich vor Gericht geschickt äußern zu Gunst dieses Publikums bemühen, sind praktisch ver-
müssen, bedarf der Bürger jeder Art von Hilfe. Informel- pflichtet, sich und ihr Anliegen als den Interessen der
ler juristischer Rat ist zwar von verschiedener Seite ver- demokratischen Massen und der gängigen Ideologie,
fügbar und Unterweisung in öffentlicher Rede gibt es für welche der Demokratie zugrundeliegt, wohlgesonnen
diejenigen, die Zeit und Geld haben. Aber für die vielen, darzustellen. Der L. seinerseits zieht beim Verfassen sei-
die selten öffentlich sprechen, gleichwohl aber an ihrem ner Reden diese Verpflichtung notwendigerweise eben-
Tag vor Gericht erfolgreich sein wollen, ist die beste falls in Betracht. [5] Auch wenn die juristische Argumen-
Wahl der Kauf einer Rede, die speziell für diesen Fall tation einfach ist, so bleibt die Autorität des Rechts doch
verfaßt wird. Der Prozeßbeteiligte muß zwar noch immer ein unangefochtenes Element der demokratischen Über-
seine Rede auswendig lernen und angemessen vortragen zeugung und wird daher beständig vor Gericht rekla-
können, aber ein vorbereiteter Text entbindet ihn miert. Da die logographischen Reden das Recht oft zitie-
immerhin von der Last, überlegen zu müssen, welche ren und mit ihm argumentieren, sind sie die Hauptquelle
Argumente zu benutzen, wie diese aufzubauen und mit beim Studium des athenischen Rechts. [6] Ein anderes
welchen Worten sie auszudrücken seien. Als juristische Merkmal der demokratischen Ideologie bezieht sich spe-
Ghostwriter, verfügbar gegen Bezahlung, erfüllen die L. ziell auf den L. und seine Aufgabe. Da die Ethik der
einen dringenden Bedarf im prozeßfreudigen, demokra- Selbstvertretung und das herrschende Mißtrauen gegen-
tischen Athen. [2] über sophistischen Techniken dem L. einen schlechten
Zwei Formen legaler und sozialer Konventionen Ruf in den Augen des Demos verschafft, ist es nötig,
bestimmen den Redetypus, den der L. für seine Kunden seine Aktivität zu verschleiern. Da das unmittelbare
verfertigt. Zunächst gibt es keinen berufsmäßigen Rich- praktische Interesse des Prozeßbeteiligten stets im Vor-
ter, der die Prozeßführung nach irgendwelchen Recht- dergrund steht, vermeidet der L. auffällige rhetorische
sprechungsregeln steuert. Vielmehr werden ungeschulte Kunst und strebt danach, einen Eindruck der Authentizi-
Durchschnittsbürger (Laien) durch Los für jeden Prozeß tät zu vermitteln. Seine Reden gewinnen an Effektivität
neu ausgewählt und als Richter (δικασταί, dikastaí) ein- dadurch, daß sie die Redewendungen und Überzeugun-

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gen des durchschnittlichen, ungebildeten, loyalen demo- von tatsächlichen Fällen spiegeln seine Kenntnisse in for-
kratischen Bürgers reproduzieren. [7] maler Argumentation wider, aber im Vergleich zu den
Obwohl die Logographie ursprünglich ein juristisches ihm nachfolgenden L. sind sie als abgerundete Komposi-
Hilfsmittel ist und von dieser Funktion auch, solange sie tionen, die auch die Persönlichkeit und emotionale
existierte, geprägt bleibt, finden die besten L. gleichwohl Intensität des Prozeßbeteiligten zeigen sollen, minderen
eine kreative Alternative jenseits des Rechts, indem sie Ranges. Ein Genfer Papyrus brachte mehrere Paragra-
ihre Reden nach dem Gebrauch bei Gericht in schriftli- phen der Rede Antiphons von 411 zum Vorschein, in der
cher Form zirkulieren lassen. Sie mögen damit wohl er sich gegen die Anklage der Verschwörung gegen die
beabsichtigt haben, Kunden oder Schüler anzulocken, Demokratie verteidigt und die von THUKYDIDES hoch
aber in Wahrheit erobern sie sich dadurch einen Platz im gelobt wird. [11] Durch einen interessanten Zufall ent-
Kanon der athenischen Literatur und üben so schließlich hüllt die erhaltene Passage Antiphons Gebrauch proba-
Einfluß auf die gesamte Antike, insbesondere auf die bilistischer Argumente, die die Anklage zurückweisen.
Rhetorikschulen, aus. Von den annähernd 150 Reden, Die Kunst des LYSIAS (ca. 444-ca. 375), so subtil und
die uns als zum Kanon der zehn attischen Redner gehö- berühmt, daß sie zum grundlegenden Bestandteil aller
rend überliefert wurden, sind etwas mehr als die Hälfte rhetorischen Unterweisung der antiken Welt wurde, ist
logographische Texte, die sieben der zehn Autoren zuge- uns fast nur durch die logographischen Reden bekannt,
schrieben werden ( A N T I P H O N , LYSIAS, ISAIOS, ISOKRATES, die sich auf eine Menge unterschiedlicher juristischer
DEMOSTHENES, HYPEREIDES, DEINARCHOS). Die Namen
Sachverhalte beziehen und den überwiegenden Teil sei-
von mehreren weiteren L. sind bekannt, und Titel und ner überlieferten Werke ausmachen. Lysias, ein Bürger
Zitate von Dutzenden weiteren logographischen Reden von Syrakus, der sein Leben indes hauptsächlich in
sind erhalten. Die Werke von Lysias und Demosthenes, Athen verbrachte, erwarb soviel Anerkennung als
die die größte Konzentration an logographischen Reden
Redenschreiber, daß sein jüngerer Zeitgenosse PLATON
aufweisen, enthalten Einfügungen, die zwar falsch zuge-
ihn zum Hauptziel seiner Rhetorikkritik im <Phaidros>
ordnet wurden, aber zumeist echte logographische Pro-
duktionen des klassischen Athen und keine Fälschungen machte. Dionysios von Halikarnassos spricht vom
einer späteren Epoche sind. [8] Innerhalb des gesamten <Charme> (χάρις, charis) des lysianischen Stils, der in der
Korpus der attischen Redner zeichnet sich die Gruppe mühelosen, unaufdringlichen Einheit klarer und einfa-
der logographischen Reden vor allen übrigen durch ihre cher Diktion liegt, im konzisen Argument, der natürli-
Funktion und weniger durch besondere formale Charak- chen Syntax, im moderaten Gebrauch ausgewogener und
teristika aus. Dennoch sollten einige der grundlegenden antithetischer Satzteile sowie in lebendigen, erhellenden
künstlerischen Neuerungen, die die attische Redekunst Details der Erzählung. [12] Die Wirksamkeit seiner
allgemein auszeichnen und sich für spätere Epochen als besten Reden beruht meistenteils auf seiner Fähigkeit,
beispielhaft erwiesen, weitgehend den frühesten L., für seinen Klienten einen realitätsnahen, überzeugenden
ANTIPHON und LYSIAS, zuerkannt werden, und zwar nicht Charakter zu entwerfen, der, obgleich nicht ohne Makel,
zuletzt deshalb, weil die Logographie vor dem Aufstieg durch seine offenkundige Integrität Sympathie und Ver-
der isokratischen epideiktischen und der demostheni- trauen erweckt (ηθοποιία, ëthopoiia). [13] Der Sprecher
schen politischen Rhetorik die attische Redekunst domi- der ersten Rede (<Zum Mord des Eratosthenes>) bei-
niert. Diese Neuerungen, hauptsächlich in der Wortwahl, spielsweise präsentiert sich als aufrechter Bürger und
der Argumentation, der Erzählweise, im Arrangement, übermäßig vertrauensseliger Ehemann, dessen einge-
und der Charakterisierung, sind Teil des gesamten logo- standenermaßen heftiger Zorn verständlicherweise
graphischen Korpus, aber sie sind zugleich vermittelt erregt wird und zu einem legitimierbaren Totschlag
durch die Flexibilität und Spontaneität, welche die aktu- führt. Der Eindruck einer lebendigen Person wächst mit
elle rhetorische Situation verlangt. Die Leblosigkeit und der Entfaltung der Erzählung. Im Augenblick der Kli-
rigide Nachahmung der Schulrhetorik fehlen gänz- max, da der Sprecher den Eindringling, der seine Frau
lich. [9] verführte und damit seine Familie zerstörte, nieder-
schlägt, identifiziert er geschickt seine persönliche Rache
II. Die einzelnen Logographen. ANTIPHON (ca. 480- mit den Gesetzen der Polis, indem er den Feind der Ehe
411), der früheste uns bekannte Logograph und sicher- als Feind des Staates darstellt. Das Konstrukt ist augen-
lich der erste von Bedeutung, ist Autor von drei gänzlich fällig, aber es entsteht kein Gefühl der Künstlichkeit.
erhaltenen Reden zu Mordverfahren und den drei soge- Andere erinnernswerte Charaktere des Lysias sind der
nannten <Tetralogien>, die einen Blick auf die schlecht schroffe Invalide der Rede XXIV und der attische Bauer
dokumentierte Phase vorplatonischer rhetorischer der Rede VII. In Rede XII beschreibt Lysias lebendig
Theorie erlauben. [10] In jeder <Tetralogie> wird ein das Terrorregime der Dreißig Tyrannen. Die geschlif-
hypothetischer, anonymer Mordfall von Seiten der Straf- fene literarische Qualität von Lysias' besten Reden, der
verfolgung und der Verteidigung behandelt, die jeweils in manchen Fällen auffällige Mangel an juristisch rele-
abwechselnd zwei Reden halten. Der Schwerpunkt liegt vanten Details und Lysias' Rolle in Piatons <Phaidros> als
ganz auf der Argumentation, die sich dicht und in rascher Autor eines zur Lektüre verfaßten Textes legen nahe,
Abfolge entwickelt, ohne an Klarheit einzubüßen. Die daß er seine logographischen Reden auch als Literatur
erste <Tetralogie> benutzt kluge Argumente der Wahr- verstand, die für ein Lesepublikum bestimmt war. So öff-
scheinlichkeit (εικός, eikós), um die strittigen Fakten nete er den Weg für die größer angelegten literarisch-
bestimmen zu können. In der zweiten und dritten <Tetra- rhetorischen Werke des Isokrates und des Demosthenes.
logie>, in denen die Fakten bekannt sind, aber deren ISOKRATES (436-338), berühmt vor allem für seine epi-
Interpretation strittig ist, wird das Argument benutzt, um deiktischen Reden, seinen expansiven Stil und seine
Fragen der Verantwortlichkeit zu entscheiden. Obwohl Rhetorikschule, die von besonderer Bedeutung für die
die Texte keine explizite Diskussion rhetorischer Tech- Tradition der Redekunst wurde, schrieb zu Beginn seiner
nik oder Rat für bestimmte rhetorische Situationen ent-
Karriere logographische Reden, die er, aufgrund jener
halten, haben sie doch deutlich den Zweck, als instruk-
der Logographie zugeschriebenen kommerziellen Mo-
tive Modelle zu dienen. Antiphons drei erhaltene Reden
tive, später zu leugnen versuchte. [14] Sechs solcher

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Reden aus den 390er Jahren sind erhalten (Reden XVI logographischen Reden, und insbesondere wegen eines
-XXI), alle außerordentlich gelungen, einschließlich der dramatischen Manövers im Gerichtssaal. Während eines
Rede XIX, geschrieben für ein Verfahren in Ägina, was Plädoyers zur Verteidigung seiner Geliebten Phryne,
diese zu der einzigen erhaltenen, für ein nicht-atheni- einer schönen Kurtisane, zerriß er ihr Gewand, um vor
sches Gericht geschrieben Rede macht. ISAIOS (ca. 420- dem Gericht ihre Brust zu entblößen, womit er den Pro-
ca. 340) war sehr wahrscheinlich von Chalkis, und, wie zeß gewann. Kritiker der Antike schätzten seinen Stil
Lysias, ein in Athen lebender Ausländer. Alle elf ganz sehr, aber nur eine ganze Rede und Teile von weiteren
erhaltenen Reden des Isaios beziehen sich auf kompli- fünf, alle auf Papyrus erhalten, sind bekannt. Dieses
zierte Erbschaftsfälle. Narrative Einzelheiten, welche Material zeigt einen lebhaften, gefälligen Autor, der
die verwickelten Familienbeziehungen und unklaren geschickt in farbiger Erzählung und überzeugender Cha-
Alltagsereignisse schildern, werden selektiv, klar, unge- rakterisierung ist. D E I N A R C H O S (ca. 360-ca. 290), Korin-
zwungen und mit maximaler Effizienz dargelegt. Isaios ther von Geburt, in Athen als Ausländer lebend, wurde
ist auch bekannt für seine emotionale, demonstrative von antiken Kritikern wenig geachtet. Dieses Urteil wird
Argumentation, welche zu einem bestimmenden Merk- bestätigt von den drei überlieferten Reden, die sich alle
mal von Demosthenes' vehementem Stil wurde. mit der Bestechungsaffäre des Harpalos von 324 befas-
Die frühesten rhetorischen Bemühungen des D E M O S - sen und nicht bemerkenswert sind. Von den kanonischen
THENES (384-322), fünf Reden aus den späten 360er Jah- <Zehn Rednern> überlebte nur Deinarchos die Demo-
ren, verfaßt für seine eigenen gerichtlichen Auseinander- kratie und war als Logograph aktiv unter der Oligarchie,
setzungen mit seinen früheren Vormündern (Reden die 322 errichtet wurde.
XXVII-XXXI), weisen bereits sowohl eine klare Die Ära der Logographie endet jedoch mit der klassi-
Beherrschung der Standardtechniken als auch jene Züge schen athenischen Demokratie. Zwar werden noch
auf, die in voll entwickelter Form sein reifes Werk aus- immer Reden vor Gericht gehalten, aber Athens Macht-
zeichnen: lebhafte stilistische Variation, zupackende und Prestigeverlust sowie die Entwicklung der Rhetorik
Behandlung der Probleme und einen kraftvollen Duktus. zu einer formalen Disziplin machen athenische Institu-
Er war bis um die Mitte der 340er Jahre mit der Abfas- tionen als Rahmen für rhetorische Kreativität obsolet.
sung von Gerichtsreden beschäftigt, bis seine politische Die Kunst juristischer Rede wird in den Städten und
Karriere schließlich steil aufwärts ging. Die weitere logo- Schulen des hellenistischen Ostens aufrechterhalten und
graphische Produktion wurde beschränkt durch die in erreicht schließlich Rom, wo sie ihre erste Renaissance
Athen traditionelle Trennung der Aktivitäten des Rhe- erlebt, nicht ohne den Einfluß der athenischen L., deren
tors (d.h. Politikers) und des L. Das übliche Mißtrauen, erhaltene Werke Belehrung und Inspiration bieten.
das mit der Logographie verbunden war, zu überwinden
und, wie A I S C H I N E S es formuliert [15], «vom Gericht zum Anmerkungen:
Béma (βήμα, béma; Rednerbühne) zu springen», war IM. Lavency: Aspects de la logographie judiciaire attique
niemandem zuvor in Athen je gelungen. Der innovative (Löwen 1964) 36-45. - 2Lavency [1]; K.J. Dover: Lysias and the
Gebrauch von schriftlichen Versionen seiner Reden im Corpus Lysiacum (Berkeley 1968) 148-174; S. Usher: Lysias and
His Clients, in: Greek, Roman and Byzantine Studies 17 (1976)
politischen Bereich sowohl zur eigenen Vorbereitung 31-40. - 3zu Einzelheiten des juristischen Verfahrens in Athen
wie auch für die anschließende Veröffentlichung sollte s. J. Bleicken: Die athenische Demokratie (21994) 203-228. -
gesehen werden als eine Erweiterung der in der Logogra- 4H.J. Wolff: Demosthenes als Advokat (1968); A. Soubie: Les
phie vorherrschenden Praxis. Unter den Gerichtsreden preuves dans les plaidoyers des orateurs attiques, in: Revue
im demosthenischen Korpus, die sich mit privaten Fällen internationale des droits de l'antiquité 20 (1973) 171-253, 21
befassen, sind die (beiden echten) Reden XXXVI (<Für (1974) 77-134. - 5 J. Ober: Mass and Elite in Democratic Athens
Phormio>) und LIV (<Gegen Konon>) die überzeugend- (Princeton 1989). - 6H. Meyer-Laurin: Gesetz und Billigkeit im
attischen Prozeß (1965); C. Carey: Nomos in Attic Rhetoric and
sten. Sie erinnern gelegentlich an die Ethopoiia des Oratory, in: Journal of Hellenic Studies 116 (1996) 33^6. - 7 B e -
Lysias. Demosthenes' faszinierendste logographische lege für den schlechten Ruf der L. sind von Dover [2] 155-156
Reden sind jene, die zum Vortrag in bedeutenden politi- zusammengestellt; zum einfachen, extemporierenden Stil der
schen Verfahren der späten 350er Jahre für politische Logographie vgl. Alkidamas, Über die Verfasser schriftl. Reden
Freunde verfaßt wurden (Reden XXII-XXIV). Sie über- oder über die Sophisten 12-13; Isokrates 4,11; J.D. Denniston:
treffen alle vorausgehende Logographie und zeigen den Greek Prose Style (Oxford 1952) 17-18. - 8zum Kanon der zehn
Meister der Politik im Gerichtssaal: effiziente Organisa- Redner s. I. Worthington: The Canon of the Ten Attic Orators,
in: I. Worthington (Hg.): Persuasion: Greek Rhetoric in Action
tion des Materials, sichere Beherrschung der Innen- und (London 1994) 244-263; zu mündlichen und schriftlichen Ver-
Außenpolitik, Manipulation der politischen Ideologie, sionen attischer Gerichtsreden s. Dover [2] 167-174; S. C. Todd:
raffinierte juristische Argumentation und beißende The Use and Abuse of the Attic Orators, in: Greece and Rome
Schmähungen, wie etwa in der gegen Androtion gerich- 37 (1990) 164-167; zu Einzelheiten der Werke jedes Redners
teten Rede (XXII), welcher vor dem Volksgericht als vgl. die entsprechenden Passagen in Blass. - 9 C. Carey: Rhetori-
selbstsüchtiger, intriganter Aristokrat verunglimpft cal Means of Persuasion, in: Worthington [8] 26-45. - 1 0 zu Anti-
wird. Obwohl Demosthenes' logographische Reden not- phons Leben und Werk s. M. Gagarin (Hg.): Antiphon: The
Speeches (Cambridge 1997). - llThykydides VIII, 68; zum
wendigerweise den zweiten Platz gegenüber seinen gro- Papyrusfrgm. s.: PGen. inv. 264-267, in: F. Decleva Caizzi (Hg.):
ßen politischen Reden einnehmen, die er selbst in ent- Corpus dei papiri filosofici greci e latini (1989) 224-235. -
scheidenden Momenten der athenischen Geschichte 12Dion. Hal., Lysias 2-11. - 13S. Usher: Individual Characteri-
hielt, sind sie keineswegs künstlerisch minderen Ranges. zation in Lysias, in: Eranos 63 (1965) 99-119. - 14S. Usener: Iso-
Unter diesem Aspekt bilden sie ein nahtloses Konti- krates, Platon und ihr Publikum (1994) 22-23. - 1 5 Aischines III,
nuum mit seinen politischen Reden. Die Erfahrung mit 173. - 1 6 L . Pearson: The Art of Demosthenes (1976).
dem Schreiben für das Gericht schärfte offenkundig
seine Effizienz in der politischen Arena, insbesondere im H. Yunis/C.K.
Gebrauch der Erzählung und der Invektive. [16]
H Y P E R E I D E S ( 3 9 0 - 3 2 2 ) war zwar in der athenischen -> Agonistik —> Gerichtsrede —» Kairos -> Redefreiheit —> Red-
Politik aktiv, aber er erwarb sich Ruhm wegen seiner ner, Rednerideal -* Sophistik —• Wahrheit, Wahrscheinlichkeit

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