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682 | II.

10 Systematische Aspekte

II.10.7 Neustoizismus
Von Stefanie Arend
II.10.7 Neustoizismus
Gryphius’ Texte sind entstanden in einer ideengeschichtlich brisanten Umbruchs-
phase. Sie schließen einerseits an Traditionen an, andererseits weisen sie auf die
Moderne voraus. In diesem Sinne greifen sie antike Diskurse auf. Ihr besonderes
Kennzeichen ist die Anverwandlung der antiken Stoa. Diese findet in der Frühen
Neuzeit eminent Eingang in ethische, politische und andere Diskussionen. Kultur-
geschichtlich werden die Transformationen der Stoa unter der Bezeichnung ›Neu-
stoizismus‹ zusammengefaßt: Die neustoischen Diskurse sind deshalb so interes-
sant, weil sie einerseits christlich rubriziert sein können, andererseits auch die
genuine Stoa wiedererkennen lassen, die dazu angetan ist, das Leben des einzelnen
in der Welt in den Mittelpunkt zu stellen. So schillern Gryphius’ Texte zwischen
neustoisch-christlicher Ausrichtung auf das Leben nach dem Tod und einem eben-
falls neustoischen, aber weltlichen Blick auf das Geschick des einzelnen, auf sein
Handeln in der Welt, auf seinen Bezug zur Natur. Der Neustoizismus macht sich in
den unterschiedlichen Textsorten auf je andere Weise bemerkbar. Exemplarisch
werden nach einer Erläuterung des Phänomens vor allem Trauerspiele, Sonette und
Leichabdankungen in den Blick genommen.

Der Neustoizismus in Europa

Der Neustoizismus stellt kein eigenes System mit festen Grenzen dar, sondern er
nimmt »bestimmte Philosopheme unter den Bedingungen der Frühen Neuzeit eklek-
tizistisch in sich auf«.1 Die Grundlage für diese Aufnahme hatten bereits Humanis-
mus und Renaissance durch ihre editorischen Bemühungen geschaffen und durch
Versuche, Antike und Christentum miteinander zu kombinieren. Die Stoa wurde
deshalb als antikes Interpretament interessant, weil sie die Ethik in den Vorder-
grund stellt. Deshalb war sie bereits für das christliche Mittelalter adaptierbar.2 Seit
dem 15. Jahrhundert leistet ein antiaristotelischer und antischolastischer Affekt der

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1 Günter Abel: Stoizismus und Frühe Neuzeit. Zur Entstehungsgeschichte modernen Denkens im
Felde von Ethik und Politik. Berlin/New York 1978, S. 246.
2 Bereits den Kirchenvätern war ein apokrypher Briefwechsel zwischen dem Apostel Paulus und
Seneca bekannt. Vgl. Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus. Zusammen mit den
Briefen des Mordechai an Alexander und dem Brief des Annaeus Seneca über Hochmut und Götter-
bilder. Hg. von Alfons Fürst. Tübingen 2006 (Scripta antiquitatis posterioris ad ethicam religionem-
que pertinentia 11).
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Aufnahme der Stoa Vorschub.3 Und offenbar ließ sich die Stoa auch aufgrund ihrer
metaphysischen Annahmen, ihrer Auffassung von Schicksal und Vorsehung leicht
von einem Christentum rezipieren, das diese Fragen im Zuge der rasanten Entwick-
lungen der neuzeitlichen Wissenschaften drängender stellte und neue Antwor-
ten suchte. Auch ließen sich die Prämissen der Stoa gut mit einem erneuerten Postu-
lat der Vernunft harmonisieren, die in der Welt tätig ist, sie mit konstruiert, für
Autonomie und Autarkie bürgt und die Leidenschaften in der goldenen Mittellage
hält.
So avanciert einer der bekanntesten Vertreter der jüngeren Stoa, Lucius An-
naeus Seneca (ca. 1–65 n. Chr.), in der Frühen Neuzeit zu einem der maßgeblichen
Schulautoren. Etliche Neuausgaben seiner Tragödien (u.a. Troades, Hercules furens,
Medea, Thyestes) und seiner philosophischen Schriften (Dialogi, Epistulae morales)
ebneten einer umfassenden Rezeption den Weg,4 wobei sich die Dramen, nicht zu-
letzt wegen ihrer eindringlichen Greuel- und Gewaltdarstellungen, europaweit be-
sonderer Beliebtheit erfreuten.5 Die Tragödien waren aber ebenso wie Senecas phi-
losophische Schriften aufgrund ihrer Ausrichtung auf die Ethik interessant, insofern
sie Warnfiguren zeichnen, die in kritischen Situationen zu Extremen neigen, ihren
Affekthaushalt nicht unter Kontrolle haben und Zerstörung und Katastrophen an-
richten, weil sie ihrer Vernunft nicht mächtig sind. Der ›Seneca philosophus‹ zeigt
sich vor allem in den Epistulae morales und den Dialogi, wie etwa in De constantia
sapientis, De ira oder De tranquillitate animi.
Wichtigster Vermittler der antiken Stoa war Justus Lipsius (1537–1606), der in
seinem Traktat De constantia libri duo (1584) in Anlehnung an Senecas De constantia
sapientis die stoische Maxime der Beständigkeit zwar unter christlichen Vorzeichen,
aber durchaus als ethische Richtschnur für das Leben in der Zeitlichkeit kontu-
rierte.6 Als Ideal erscheint der sapiens, der Weise, der sich den unvermeidlichen
Schicksalsschlägen mutig stellt und ihnen gegenüber Autarkie und Gelassenheit an
den Tag legt, das Leben als Erprobungsfeld seiner Standhaftigkeit auffaßt. Es folg-
ten die Manuductio ad stoicam philosophiam (1604)7 und die Physiologia stoicorum

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3 Um nur einige Schriften zu nennen: Lorenzo Vallas Dialecticae disputationes contra Aristotelicos
(1499), Petrus Ramus’ Aristotelicae animadversiones (1543).
4 Wichtige Ausgaben lieferten Erasmus (1529), Martín Antonio Delrío (1576), Janus Gruter (1593)
und Justus Lipsius (1605).
5 Vgl. Der Einfluß Senecas auf das europäische Drama. Hg. von Eckard Lefèvre. Darmstadt 1978,
außerdem Paul Stachel: Seneca und das deutsche Renaissancedrama. Studien zur Literatur- und
Stilgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. Berlin 1907.
6 IVSTI LIPSI DE CONSTANTIA LIBRI DVO, Qui alloquium præcipuè continent in Publicis malis.
ANTVERPIÆ, Apud Christophorum Plantinum. CIƆ IƆ. LXXXIV.
7 IVSTI LIPSI MANVDVCTIONIS AD STOICAM PHILOSOPHIAM LIBRI TRES: L. ANNÆO SENECÆ,
aliisque scriptoribus illustrandis. PARISIIS, Ex Officina Plantiniana. Apud HADRIANVM PERIER, via
Iacobea. M. DCIIII.
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(1604).8 Ausgesprochen wichtig werden außerdem Lipsius’ umfangreiche Politico-


rum sive civilis doctrinae libri sex (1589).9 Diese Theorie des frühmodernen Macht-
staates stellt unter Rückgriff auf die Antike, vor allem Seneca und Tacitus, den klu-
gen Herrscher ins Zentrum, erläutert Verhaltensmaximen in kritischen Situationen,
die sowohl Herrscher als auch Staat sichern, den Status quo erhalten sollen. Die
Stoa wird als eine »Sozialethik« neu entdeckt und umgeschrieben,10 die Verhal-
tensweisen lehrt, die für das Überleben im von Intrigen und Fallstricken geprägten
absolutistischen Staat zentral sind: innere Beharrlichkeit und Festigkeit, gepaart
mit einem wachen Blick in die Außenwelt und einer Klugheit, die nach Maßgabe der
Nützlichkeit agiert. Es ist jene prudentia, die auch Niccolò Machiavellis Il principe
(erschienen 1532) favorisiert und die vom moralischen Rigorismus im Zweifels- und
im Krisenfall absehen darf.11 In diesem Punkt besteht ein zentraler Unterschied zur
genuinen Stoa, welche eine Lebensführung lehrt, die in jedem Augenblick das sitt-
lich Gute zu beachten hat, die eher den Rückzug aus einem Staat empfiehlt, der von
Korruption geprägt ist.12 Besonders in Gryphius’ Dramen begegnen sich das lipsiani-
sche Konzept der prudentia und die Tugendphilosophie der antiken Stoa, bisweilen
im neustoisch-christlichen Gewand, und konkurrieren miteinander.
Die ältere Forschung streicht besonders die Bedeutung der christlich rubrizier-
ten constantia für die Gryphiusschen Texte heraus. Dargestellt wurde, wie bei-
spielsweise die Leich-Abdanckungen im Rückgriff auf die patristische Literatur und
auf Lipsius die Schriften Senecas eminent zum Tragen kommen lassen.13 Aber auch
für die Trauerspiele, besonders für Catharina von Georgien, die den Untertitel Oder

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8 IVSTI LIPSI PHYSIOLOGIÆ STOICORVM LIBRI TRES: L. ANNAEO SENECAE, aliísque scriptoribus
illustrandis. ANTVERPIÆ, EX OFFICINA PLANTINIANA, Apud Ioannem Moretum. M. DC. IV.
9 IVSTI LIPSI POLITICORVM SIVE CIVILIS DOCTRINÆ LIBRI SEX. Qui ad Principatum maxi-
mè spectant. LVGDVNI BATAVORVM, EX OFFICINA PLANTINIANA, Apud Franciscum Raphelengium.
CIƆ. IƆ. LXXXIX.
10 Abel (Anm. 1), S. 15.
11 IL PRINCIPE DI NICCOLO MACHIAVELLI AL MAGNIFICO LORENZO DI PIERO DE’ MEDICI. LA
VITA DI CASTRVCCIO CAstracani da Lucca a Zanobi Buondelmonti, & à Luigi Alamanni, composta
per il medesimo. IL MODO CHE TENNE IL DVCA Valentino per ammazare Vitellozo, Oliuerotto da
Fermo, il S. Pagolo, & il Duca di Grauina discritta per il medesimo. I RITRATTI DELLE COSE DELla
Francia, & della Alamagna per il medesimo, nuouamente aggiunti. M. D. XXXII. Besonders Gerhard
Oestreich hatte dem lipsianischen Neustoizismus der Politica für die Herausbildung des absolutisti-
schen Machtstaates eine große Bedeutung zugewiesen. Vgl. Gerhard Oestreich: Geist und Gestalt
des frühmodernen Staates. Berlin 1969.
12 Seneca betreibt in seinen philosophischen Schriften häufig Kulturkritik und plädiert für den
Rückzug auf sich selbst, wie zum Beispiel in De tranquillitate animi (›Von der Gemütsruhe‹). Vgl.
L. ANNÆI SENECÆ PHILOSOPHI Opera omnia: Ex ult. I. Lipsii emendatione. et M. ANNÆI SENECÆ RHETO-
RIS quæ exstant: Ex And. Schotti recens. Lugd. Batav. Apud Elzevirios. 1640, S. 205–237 (»AD SE-
RENVM de Tranquillitate Animi LIBER«), hier S. 235 (in moderner Kapitelzählung 17.3).
13 Hans-Jürgen Schings: Patristische und stoische Tradition (1966) [939], S. 20f.
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Bewehrete Beständikeit trägt, und für Papinianus ist das Konzept der constantia als
zentral herausgestellt worden, das »religiöse Energien« (im Falle der Catharina) und
der Impuls der »Weltverneinung« speisten.14 In dieser Lesart führen die Dramen
Märtyrer vor Augen, die den Rezipienten zeigen, wie mit Schicksalsschlägen umzu-
gehen ist, und zur Nachahmung im Leiden auffordern. Vor dem Hintergrund der
Konfessionskriege fungiert in dieser Interpretation der christlich rubrizierte Neu-
stoizismus als eine »Notstandsmoral«, die den inneren passiven Widerstand aus
dem Geist des Luthertums lehrt.15 Bestritten wurde eine Anverwandlung der Stoa,
die sich aufgrund ideengeschichtlich neuer Formation vollziehen konnte und die in
die Moderne vorausweist.16
Nun kann die Bedeutung der constantia für die Gryphiusschen Texte nicht gene-
rell ausgeschlossen werden. Die Stoa-Rezeption erschöpft sich jedoch kaum in der
Transformation dieses Leitbegriffs, sondern sie ist eine Reaktion auf die sich an-
kündigende Neuzeit, auf Umbauprozesse, die durch die neuen Methoden der na-
turwissenschaftlichen Welterkundung, durch avancierte theologische Kontroversen
über die Gräben der Konfessionen hinweg und durch staatsrechtliche Diskussionen
inspiriert wurden.17 Fraglos ist, daß Gryphius’ Dramen eminent auf zeitgeschichtli-
che politische Tendenzen reagieren, beispielweise die prudentistische Verhaltens-
lehre, die Lipsius in seinen Politica ausarbeitet, kritisch diskutieren.18 Als Ausweg
aus den Aporien, die unterschiedliche Natur- und Rechtsauffassungen zeitigen, er-
scheint aber nicht nur die christliche constantia, die tendenziell das Leben in der
Welt zugunsten der Jenseitshoffnung abwertet, sondern ein Spezifikum der antiken
Stoa, ihre Leitmaxime des naturgemäßen Lebens, die das Zentrum stoischer Ethik
bildet.
Die Prämisse ›secundum naturam vivere‹ bedeutet ›der Natur folgend leben‹.
Sie bedeutet, in Übereinstimmung mit der Natur des Kosmos und zugleich mit der
eigenen Wesensnatur zu leben, da diese an der pantheistisch gedachten Allnatur

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14 Vgl. ebd., S. 245.
15 Hans-Jürgen Schings: Seneca-Rezeption und Theorie der Tragödie. Martin Opitz’ Vorrede zu den
»Trojanerinnen«. In: Historizität in Sprach- und Literaturwissenschaft. Vorträge und Berichte der
Stuttgarter Germanistentagung 1972. Hg. von Walter Müller-Seidel in Verbindung mit Hans Fromm
und Karl Richter. München 1974, S. 521–537, hier S. 534. Vgl. ders.: Consolatio Tragoediae (1971)
[494]. Zur constantia vgl. auch Xaver Stalder: Formen des barocken Stoizismus (1976) [946], S. 107.
16 Vgl. Schings (Anm. 13), S. 20, außerdem S. 12–14.
17 Zur Atmosphäre der Veränderung, die sich in vielen Wissenschaften in ganz Europa vollzog und
in die Gryphius während seiner peregrinatio academica eintauchte, vgl. Nicola Kaminski: Andreas
Gryphius (1998) [122], S. 26–33. Eine erste modernere Lesart bot Harald Steinhagen: Wirklichkeit
und Handeln (1977) [506], S. 82–87. Zu juristischen und theologischen Diskursen vgl. Oliver Bach:
Zwischen Heilsgeschichte und säkularer Jurisprudenz (2014) [428].
18 Vgl. etwa zur Rezeption Machiavellis im Leo Armenius Michael Szurawitzki: Contra den ›rex
iustus/rex iniquus‹? (2005) [563], S. 155–179.
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Anteil hat. Sie bedeutet zugleich ein glückliches wie ein sittlich gutes Leben unter
dem Primat der rechten Vernunft.19 Dazu gehört das Maßhalten in allen Dingen, die
Lenkung der Leidenschaften, die nicht ausgerottet, sondern zu einem Ausgleich
gebracht werden sollen, und Urteilsfähigkeit. Leitschnur ist die wohlgeordnete, von
Menschenhand und Zivilisation unberührte Natur. Ihre Betrachtung führt zur
Selbstvergewisserung, zur Bildung ethischer Vorstellungen, zum Kontakt mit der
Stimme des Gewissens, mit dem ›Gott in sich‹.20 Die Nähe zum paulinischen ›in den
Herzen der Menschen‹ eingeschriebenen Gesetz (vgl. Röm 2,15) liegt auf der Hand,
wobei der christliche Gott stets zugleich nah, aber auch unendlich fern ist.21 Für die
Stoa ist das Göttliche stets durch die menschliche Vernunft erkennbar. Der Formel
›gemäß der Natur leben‹ liegt die Vorstellung einer pantheistisch-teleologisch struk-
turierten Allnatur zugrunde, die in der Frühen Neuzeit so nicht mehr gedacht eben-
so wie das von ihr abhängige Naturgesetz, die lex naturae, als ordnungsstiftende
Kraft brüchig wurde. Von hier leisten jedoch insbesondere Gryphius’ Dramen Kritik
an der Frühen Neuzeit und ihrem Wissenschaftsideal der mathesis universalis, das
dazu verhalf, ein vom Menschen gesetztes Recht zu konstruieren, das das Gewissen
nurmehr als ›private Instanz‹ gelten lassen wollte.22 Beispielsweise sind in Hobbes’
Leviathan Verträge und Gesetze zur Sicherung des Staates Konstrukte, die sich
ändern können und die vor allem dazu da sind, dem Treiben einer Menschen-
natur Einhalt zu gebieten, deren Vernunft als vom Sündenfall verdunkelt angesehen
wird.

Der Neustoizismus in Gryphius’ Trauerspielen

In Gryphius’ Dramen scheint die Forderung nach einem ›naturgemäßen‹ Leben ver-
schiedentlich auf. Sie liegt den Diskussionen um Recht und Strafe und um das Ge-
wissen sowie dem Zweifeln am Handeln gemäß der Staatsräson zugrunde. So führt
Leo Armenius exemplarisch eine solche Diskussion über verschiedene Rechtsauffas-

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19 Vgl. L. ANNÆI SENECÆ PHILOSOPHI Opera omnia: Ex ult. I. Lipsii emendatione. et M. ANNÆI SENE-
CÆ RHETORIS quæ exstant: Ex And. Schotti recens. Lugd. Batav. Apud Elzevirios. 1640, S. 324–354
(»DE VITA BEATA Ad Gallionem, Fratrem LIBER UNVS«), hier S. 328 und 332 (3.3f. und 8.1f.).
20 Vgl. L. ANNÆI SENECÆ PHILOSOPHI Tomus Secundus. In quo EPISTOLÆ, & QVÆSTIONES NATVRA-
LES. Lugdun. Batavor. Ex Officinâ Elsevirianâ, CIƆ IƆ CXLIX., S. 104–106 (epist. 41).
21 Vgl. Maximilian Forschner: Über das Handeln im Einklang mit der Natur. Grundlagen ethischer
Verständigung. Darmstadt 1998, S. 16.
22 Vgl. LEVIATHAN, OR The Matter, Forme, & Power OF A COMMON-WEALTH ECCLESIASTICALL AND
CIVILL. By THOMAS HOBBES of Malmesbury. LONDON, Printed for ANDREW CROOKE, at the Green
Dragon in St. Paul’s Church-yard, 1651, S. 237 (»CHAP. XXXVII. Of MIRACLES, and their Use«).
Hobbes unterscheidet hier zwischen ›privater‹ und ›öffentlicher‹ Vernunft.
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sungen vor. Da diskutieren Exabolius und Nicander, die Ratgeber des Kaisers, wie
mit dem vermeintlichen Verschwörer Michael Balbus umzugehen sei, dessen Motive
nicht klar auf der Hand liegen. Exabolius spricht sich für das »lange[ ] Recht«
(Leo I,231) aus, für ein Verhör, das möglicherweise Begnadigung zur Folge haben
könnte, Nicander für das »kürtzer Recht« (Leo I,236), für den kurzen Prozeß und die
sofortige Hinrichtung. Michael beruft sich im Kerker auf die »Natur« (Leo II,397) und
versucht so, die Stimme des Gewissens im Herrscher zu aktivieren und ihn gnädig
zu stimmen. Theodosia plädiert in ihrem Streitgespräch mit Leo, das einer Szene aus
Senecas De clementia nachempfunden ist,23 für die Begnadigung (vgl. Leo II,483).
Ein Handeln gemäß dem stoischen Naturrecht wäre hier zugleich ein christliches
Handeln, durch das der Herrscher seine gottähnliche Macht und Milde beweisen
könnte. Doch Leo ist als zweifelnder frühneuzeitlicher Herrscher gezeichnet, der
kalkuliert und abwägt und, von der Stimme seines Gewissens geplagt, die Hinrich-
tung bloß aufschiebt – was dann zur Katastrophe führt. Der »Reyen der Höfflinge«
(Leo I,509–554) liefert zu dieser Problematik gleichsam einen lyrischen wissen-
schaftsgeschichtlich perspektivierten Kommentar. Angelehnt an Sophokles’ be-
rühmtes erstes Stasimon aus der Antigone, verweist er auf die Ambivalenz der
menschlichen Vernunft und des menschlichen Wissensdranges sowie auf die Ent-
wicklung innerhalb des Systems der Wissenschaften, die zur Konstruktion des vom
Menschen gesetzten Rechts führen (vgl. Leo I,518). Dieses marginalisiert die Stimme
des Gewissens und läßt ein Handeln gemäß der Natur, die stoische Maxime des na-
turgemäßen Lebens als Utopie erscheinen. Dies zeigt der Reyen ebenfalls, da in sei-
ner Wissensordnung das Wort Gottes dem gesetzten Recht untergeordnet ist (vgl.
Leo I,519), was bedeutet, daß es für das gesetzte Recht nurmehr als legitimierende
Stütze fungiert.
Die Trauerspiele Catharina von Georgien und Papinianus lassen nun vermeint-
lich eben dieses stoisch-christliche Naturrecht voll zu Geltung kommen, da sie je-
weils Hauptfiguren auf die Bühne bringen, die als überzeugende Stoiker gezeichnet
sind. Aber sowohl Catharina als auch Papinian sind Figuren, die im Kontext früh-
neuzeitlicher Politik zu lesen sind und die zeigen, daß die Voraussetzungen für ein
Leben gemäß der Natur nicht mehr gegeben sind, daß die Erfordernisse des politi-
schen Alltags der Geschichtsmächtigen eben diesen Voraussetzungen den Boden
entzogen haben. Selbst Catharina, die der Untertitel des Dramas Oder Bewehrete
Beständigkeit als eine Vorbildfigur auszeichnet,24 die das Ideal der christlichen

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23 Vgl. Stefanie Arend: Rastlose Weltgestaltung (2003) [425], S. 253–262; vgl. dies.: »Brennen« und
»Schneiden« oder »Verzeihen«? (2003) [528]. Zu anderen Interpretationen der Theodosia-Figur vgl.
Gerhard Kaiser: Leo Armenius (1968) [546], S. 22, und Jean-Louis Raffy: Leidenschaft und Gnade
(1996) [485], S. 193.
24 In diesem Sinne Hans-Jürgen Schings: Catharina von Georgien (1968) [605], S. 40. Vgl. Elida
Maria Szarota: Gryphius’ »Catharina von Georgien« (1967) [609], S. 208; Gerald Gillespie: Andreas
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constantia perfekt umsetzt, agierte vor ihrer Gefangenschaft als kalkulierende


Machtpolitikerin. Dies zeigen eindringlich die Geschichtsberichte im dritten Akt, in
denen Catharina von ihrer Vergangenheit erzählt.25 Sie gehörte zu jenen Rastlosen,
den »occupati«, wie sie Seneca in seinem Dialog De brevitate vitae schildert,26 die ihr
Leben in Abhängigkeit von äußeren Scheingütern verbringen, Macht und Reichtum
anhäufen und ihre Zeit mit den Gedanken an die Zukunft verschwenden, anstatt
sich im Hier und Jetzt auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf das Wissen um das
Gute und Ewige, das Glückseligkeit verbürgen kann,27 eine Glückseligkeit, die Ca-
tharina christlich gewendet nach ihrem Tod zu erlangen hofft. Mag ihr Martyrium
sie auch als beständig in christlichem Sinne ausweisen, so ist ihr der Tod doch auch
willkommen und bedeutet eine Flucht aus einer Welt, in der ein Handeln gemäß der
Natur nicht mehr möglich erscheint. Während der Kerkerhaft unternimmt Catharina
gleichsam eine Revision ihres Lebens und wird sich der Stimme ihres Gewissen be-
wußt sowie der Notwendigkeit, in seinem Sinne zu handeln. Ihr Widerstand speist
sich aus einer neustoisch-christlichen Welthaltung.
Von besonderem Interesse ist Catharinas Gespräch mit dem persischen Abge-
sandten Imanculi im vierten Akt. Imanculi ist ein Vertreter der Staatsräson, der im
Sinne des prudentia-Ideals des lipsianischen Neustoizismus agiert und Catharina
vorwirft, im »Wahn« (Cath. IV,181) zu handeln. Er appelliert an ihre Pflicht als Herr-
scherin, für die Selbsterhaltung und für das Wohl ihres Landes einzustehen, rigo-
ristische Entscheidungen zu revidieren und »in disem Nun« (Cath. IV,203) das
Bestmögliche für ihren Staat zu leisten. Catharina hat sich jedoch entschieden, nach
einem langen Leben als Königin, die Intrigen spann und auch vor Mord nicht zu-
rückschreckte, nun der Stimme ihres »Gewissen[s]« (Cath. IV,38) zu folgen. Sie
pocht auf »des Gewissens Recht« (Cath. IV,150) und auf ihre innere Freiheit, ihre
Autarkie. Die prudentia im lipsianischen Sinne, die sich in der Welt der Politik zu
bewähren hat, schließt einen solchen ethischen Rigorismus aus. Catharina lebt nun
das Ideal einer christlichen constantia, die allerdings – gegenläufig zum genuin
stoischen Modell – den Tod als eigentliche Erlösung betrachtet und alles Weltliche
verneint. Weder die Bewährung in der Welt als prudentistische Politikerin noch das
Leben als reine Stoikerin, die als Weise, sapiens, in der Welt als Vorbild agiert, sind
für Catharina Alternativen zum Martertod, der ihr bevorsteht und der sie – aus ihrer

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Gryphius’ »Catharina von Georgien« als Geschichtsdrama (1980) [584], S. 93; Barbara Thums: Theo-
logie und Politik der Reinheit (2011) [611].
25 Vgl. Thomas Borgstedt: Andreas Gryphius: »Catharina von Georgien« (2000) [575], S. 53f., und
Peter J. Brenner: Der Tod des Märtyrers (1988) [440], S. 257.
26 L. ANNÆI SENECÆ PHILOSOPHI Opera omnia: Ex ult. I. Lipsii emendatione. et M. ANNÆI SENECÆ
RHETORIS quæ exstant: Ex And. Schotti recens. Lugd. Batav. Apud Elzevirios. 1640, S. 297–323 (»AD
PAVLLINVM DE BREVITATE VITÆ LIBER VNVS«), hier S. 305 (6.1) u.ö.
27 Vgl. ebd., S. 315f. (14.2).
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Sicht – in die eigentliche Freiheit führen wird. Aus Imanculis Sicht ist sie eine
eigensinnige Theoretikerin der Wahrheit, deren Melancholie das Gleichgewicht der
Mächte gefährdet.28
Daß es keine reinen Stoiker mehr gibt, zeigt auch das Trauerspiel Papinianus. In
den juristischen Diskussionen des 16. und 17. Jahrhunderts avancierte Papinian zu
einer Streitfigur. Den einen galt er als Vorbild für Unbestechlichkeit, den anderen
als Beispiel eigensinnigen Verhaltens, das die Ordnung des Staates gefährde.29 Of-
fensichtlich reagierte Gryphius auf diese Debatten, wobei er allerdings keinen Papi-
nian im Sinne eines stoischen Weisen schuf.30 Er ist ebenso komplex angelegt wie
Catharina. Sein Prolog nimmt eine ähnliche Funktion ein wie Catharinas Ge-
schichtsberichte. Papinian, der den Höhepunkt seines Einflusses erreicht hat und
einsam geworden ist, blickt auf die Vergangenheit zurück, in der er als erfolgreicher
Feldherr die Macht seines Landes mehrte und auch vor Blutvergießen nicht zurück-
schreckte. Er lebte keineswegs als sapiens, sondern als geschichtsmächtiger occupa-
tus, der, im Sinne der lipsianischen neustoisch-prudentistischen Lehre, die politi-
schen Fäden stets geschickt in der Hand hielt. Verstellung (dissimulatio) und Kalkül
waren an der Tagesordnung. Er war bereit, seinen Fürsten »zuweilen« etwas zu
»übersehen« (Pap. V,119). Von dieser Warte aus fungiert er als Negativfolie stoischer
Weisheit. Zu einer solchen scheint er erst dann bereit, als seine Macht schwindet
und sein Leben bedroht ist. Dabei wandelt er sich zunächst einmal zum epikureisch
anmutenden Zuschauer einer chaotisch gewordenen Welt, die er selbst einst mitge-
staltete, wobei er allerdings vor allem den Genuß empfindet, dem höfischen Treiben
entronnen zu sein. Dies zeigt etwa der erste »Reyen der Hofe-Junckern Papiniani«
(Pap. I,373–438). Von echten Gewissensgründen kann hier noch nicht gesprochen
werden. Eine echt sokratische Wendung vollzieht Papinian erst, als er tatsächlich in
Bedrängnis gerät und, von der Stimme seines Gewissens berührt, etliche Angebote
ausschlägt, die seine Stellung am Hof retten könnten. Zum »Nutz« des Staates
(Pap. IV,114), wie Bassian verlangt, ist er nun nicht mehr bereit, Unrecht zu überse-
hen oder gar zu decken. In seinem Widerstand scheint er sich sogar auf das christ-
lich-stoische Naturrecht zu berufen, das »der Seelen eingeschriben« ist (Pap. IV,
340). Allerdings entwickelt er eine Rechtsvorstellung, die ohne einen aktiv-kon-
templativen Bezug zur Natur auskommt und die für die Außenwelt abstrakt bleibt,
so daß er den Eindruck erweckt, rein solipsistisch einer Theorie anzuhängen, die für

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28 Zum Pflichtgedanken der mittleren Stoa, der sich in Imanculis Worten abzeichnet, vgl. Arend:
Rastlose Weltgestaltung (Anm. 23), S. 119–122.
29 Vgl. Wilhelm Kühlmann: Der Fall Papinian (1981) [701], außerdem Okko Behrends: Papinians
Verweigerung (1996) [692] sowie Friedrich Vollhardt: Klug handeln? (2010) [712].
30 So Hans-Jürgen Schings: Großmüttiger Rechts=Gelehrter (1968) [707]. Vgl. Winfried Woesler:
Gryphius’ »Papinian« und Seneca (2000) [713], zur Rechtsdiskussion auch Joachim Harst: Aristote-
les und »Papinian« (2010) [696].
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andere nicht mehr nachvollziehbar ist.31 Während Catharina vor der Außenwelt das
Bild einer christlichen Märtyrerin abgeben könnte, erscheint Papinian in unend-
licher Selbstreflexion gefangen und scheinen die Gründe seines Widerstands nicht
in einer kommunizierbaren Idee zu liegen. Sein Tod zeigt einmal mehr, in welcher
rechtlich-moralischen Aporie sich der frühneuzeitliche Machtstaat befindet und wie
sehr die Idee des naturgemäßen Lebens zu einer Utopie geworden ist.

Neustoische Aspekte in den Sonetten und den Leichabdankungen

Da die Prämisse des naturgemäßen Lebens ein kontemplativ-aktives Naturverhältnis


voraussetzt, bergen Texte, die ein Naturverhältnis erzählen, oft stoische Aspekte. In
der stoischen Philosophie ist die Betrachtung einer von Menschenhand unberührten
Natur Bedingung für die Erkenntnis des Göttlichen. Eine solche Betrachtung erzählt
beispielsweise Gryphius’ Sonett »Einsamkeit« (Son. II,6). Hier stellt sich die Ahnung
des Göttlichen angesichts einer wilden und rauhen Natur ein, fern dem höfisch-
städtischen Treiben. Ein Unterschied zur stoischen Naturbetrachtung, wie sie Seneca
in seinem 41. Brief entwirft,32 besteht darin, daß in barocker Manier die Landschaft
mit typischen Requisiten der Vergänglichkeit bestückt wird. Hier geben »[d]ie Höl’ /
der rauhe Wald / der Todtenkopff / der Stein« Anlaß zu einer Allegorese, zu einer
Ausdeutung gemäß dem vierfachen Schriftsinn.33 Diese geistige Naturbetrachtung
führt aber zum selben Ergebnis wie diejenige, von der Seneca erzählt: zur Erkenntnis
des Göttlichen. Die vanitas-Thematik impliziert hier wie auch in anderen Sonetten
Aspekte der stoischen Güterlehre, die Aufforderung, nicht nach vergänglichen Gütern
zu streben, sondern sich der Erkenntnis des Göttlichen zu widmen. In Gryphius’ Tex-
ten scheint gleichwohl häufig, anders als in Senecas philosophischen Schriften,
Weltverneinung und Hoffnung auf das Jenseits aus der Betrachtung der conditio hu-
mana zu resultieren, wie etwa in dem programmatischen Sonett »VANITAS, VANITA-
TUM, ET OMNIA VANITAS« (Liss., S. 14f.). Aspekte einer senecaisch rubrizierten Kul-
turkritik finden sich beispielsweise in dem Gedicht »An eine Geschminckte« (Liss.,
S. 50–52). Die künstlich zurechtgemachte Oberfläche des Körpers verbirgt hier die
eigentliche Person, ist dem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Geltungsdrang ge-
schuldet, ist Zeichen von »heucheley« und »Gleißnerey«. Implizit findet sich die
Paränese, Transparenz zu schaffen, sich umzukehren, sich der Erkenntnis des Ewigen
und Wahren zu widmen. Dies ist ebenso in »Ebenbild unsers Lebens« der Fall
(Son. I,43). Der letzte Vers summiert jene äußeren und im stoischen Sinne gleichgülti-

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31 Vgl. Arend (Anm. 23), S. 139–146.
32 Vgl. oben Anm. 20.
33 Vgl. Wolfram Mauser: Andreas Gryphius’ »Einsamkeit« (1982) [313], S. 233, und Rudolf Drux: »In
dieser Einsamkeit« (1982) [283], S. 33f.
II.10.7 Neustoizismus | 691

gen Güter und zeigt auf ihre Flüchtigkeit: »Kron / Weißheit / Stärck und Gut / bleib ein
geborgter Pracht«.
Es liegt auf der Hand, daß sich Aspekte der stoischen Güterlehre dann wiederfin-
den, wenn es ums Sterben geht oder darum, für die Hinterbliebenen tröstende Worte
zu finden, wenn die letzte Stunde geschlagen hat. Beispielsweise führt die Leichab-
dankung Folter Menschliches Lebens den Namen »Seneca« explizit ins Feld und nutzt
ihn als Autorität für eine consolatio, indem sie das Leben als eine Gefangenschaft dar-
stellt und den Tod als Befreiung aus dem Kerker (FML, fol. Aijv).34 Der Text beginnt mit
einer Erinnerung an Catharina von Georgien und hebt die Haltung hervor, mit der sie
die Folter auf sich genommen hat. Ebenso beständig habe die Verstorbene sowohl
ihren Tod auf sich genommen als auch ihr kummerreiches Leben geführt. Das
menschliche Leben an sich wird als »Werckstadt der Folter« bezeichnet, die in den
»Kerckern« der »Welt« stattfindet, das heißt, im alltäglichen Leben (ebd.). Dieses ist
nicht nur angefüllt mit berechtigten Sorgen und Ängsten, sondern auch mit der irren-
den Jagd nach vergänglichen Gütern. Nun ist das Leben aus christlicher Perspektive
ohnehin defizitär und sündhaft – »durch Verdienst des ersten Verbrechens« (FML,
fol. Bijr) –, allerdings ist die Haltung zum Leben auch wählbar: Der Mensch entschei-
det in gewisser Weise selbst, wie er sich in diesem Kerker verhält, ob er an der Jagd
nach scheinbaren Gütern teilnimmt oder versucht, die »Ketten« abzustreifen und sich
den ewigen Wahrheiten zuzuwenden (FML, fol. Aiijv).35 So findet sich die platonisch-
christliche sowie stoische Metapher vom Leib als Kerker der Seele (vgl. FML, fol. Aivr),
aus dem vollständig nur der Tod hinausführt. Das Anhängen an den Ketten der irdi-
schen Güter ist indes menschlich, und es kommt darauf an, mit dieser conditio im
Sinne der stoischen Philosophie umzugehen, zu versuchen, auch im Leben Autarkie
zu erlangen. Gleichwohl bleibt die Aufforderung, das Leben und die Lebenszeit recht
zu gebrauchen, im Vergleich zu Senecas philosophischen Schriften recht marginal
und läßt sich vor allem zwischen den Zeilen lesen. Der kritische Blick jedoch auf das
Leben und die Haltung der Menschen ist stoisch rubriziert. Hier in den Leich-
Abdanckungen sind die »stoischen Traditionslinien in die Koordinaten des christli-
chen Glaubens« eingefügt,36 während sie in den Dramen unter der Prämisse des na-
turgemäßen Lebens bisweilen selbständiger konturiert erscheinen und weitaus mehr
an den modernen ideen- und wissenschaftsgeschichtlichen Diskussionen der Zeit, die
sich dort in den Figurenreden und in den Reyen abzeichnen, fruchtbar partizipieren.

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34 Zu Topik und Faktur der Leichabdankungen vgl. Kaminski (Anm. 17), S. 202–231.
35 Zur Metapher der Ketten des Lebens vgl. Seneca (Anm. 12), S. 224–216 [recte: 226] (De tranquilli-
tate animi 10).
36 Johann Anselm Steiger: Andreas Gryphius’ Leichabdankung auf den Arzt Heinrich Fierling
(2009) [853], S. 350.

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