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KLLAUSUR FÜR DIE

D F ORTGESCHRITTENEN--Ü BUNG

D
Der verrliebte Lehrlin
L ng -
B
Bearbeiitungs- und L ösungsshinweiise

Zuleetzt bearbeitett am: 24.10.2012

Saachverhalt

Auus dem Betrieeb des I sind in


n letzter Zeit vvermehrt z. T. wertvolle Bü
ürogeräte versschwunden. I, der den Lehrlling
L verdächtigte, die Sachen geestohlen zu haaben, besprach h sich mit sein
ner Sekretärinn S. Man bescchloß, dem L eine
e
Faalle zu stellen..

S wußte, daß L reges Interesse an ihrer jünngeren Schweester X hatte, die sie gelegeentlich vom Büro
B abholte. Wie
W
miit I besprocheen, fragte sie den
d L, ob er nnicht Lust hab be, mit X einen Abend zu verbringen. Sie
S könne mitt Si-
chherheit etwas arrangieren,
a wenn
w er ihr im d neuen "Peentium"-Compputer besorgen würde, der seit
m Gegenzug den
einnigen Wochenn in ihrem Bü üro stünde. D Die Firma kön
nne das verkraaften und er w
wisse doch wohl,
w wie mann so
etwwas am besteen mache. Obwohl L mit dden bisherigen n Diebstählen nichts zu tunn hatte, sagte er wegen des in
Auussicht gestelllten Rendezvoous mit X sofoort zu.

Err bat die S um


m einen Schlüssel für die E
Eingänge des Betriebs
B und ihr
i Büro. Amm nächsten Tag g händigte S ihm
naach nochmaligger Rückspracche mit I den S nden Nacht geelangte L mit Hilfe der Schhlüs-
Schlüssel aus.. In der folgen
sel durch einen Nebeneingan dungskabel voom Computer, trug ihn auf den
ng in das Büroo der S. Er löstte das Verbind
neeben dem Firmmengelände lieegenden Parkpplatz und fuhrr davon.

Annschließend fuuhr L zu einerr Selbstbediennungstankstellle auf der Auto


obahn und tannkte den Wageen für 30,- € voll.
v

Kuurz nachdem derd Tankvorgang beendet w war, trat der Angestellte


A d Selbstbediienungstanksttelle auf L zu und
A der
wiies ihn mit haarschen Worteen an, sofort dden Wagen vo on der Zapfsääule weg auf eeinen Parkplaatz zu fahren, um
daas Auftanken des
d nächsten Fahrzeuges
F zuu beschleunigen. L, der gerade auf dem W Weg zur Kassse war, erwideerte,
nn wegfahren wolle. A wurrde daraufhin sehr ausfallennd und beide gerieten in eiinen
daaß er zuerst zaahlen und dan
heeftigen Streit. Außer sich vor Zorn setztee sich L schlieeßlich in seinen Wagen unnd brauste dav
von, ohne zu zah-
z
lenn. Kurze Zeit später wurde er durch eine von A herbeiigerufene Polizeistreife auf der Autobahn n gestellt.

W
Wie haben sichh L und S straffbar gemacht ?

V
Vorbereitun
ng der Fallö
ösung:

M
Möglicherweeise strafbarre Beteiligtee: L, S (nach
h I ist nicht gefragt!)

M
Möglicherweeise strafbarre Handlunggen und die für sie in Betracht
B kom
mmende gessetzliche Beest-
im
mmungen:

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1. Aufforderung der S an L, ihr den Computer zu besorgen
Anstiftung zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1
S.2 Nr. 1, 26 StGB)

2. Zusage des L (-)


(§ 30 StGB bezieht sich nur auf Verbrechen)

3. Aushändigung der Schlüssel durch S an L


Beihilfe zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1
S.2 Nr. 1, 27 StGB)

4. Nächtliches Betreten des Büros und Mitnahme des Computers


a) Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1 S.2 Nr. 1
StGB)
b) Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 StGB)

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5. Wegfahren ohne zu zahlen


a) Strafbarkeit wegen Betruges (§§ 263 Abs. 1 und 4, 248a StGB)
b) Strafbarkeit wegen Diebstahls (§§ 242 Abs. 1, 248a StGB)
c) Strafbarkeit wegen Unterschlagung (§ 246 Abs. 1, 248a StGB)

Überlegungen zur Gliederung:

- Trennung in zwei Handlungsabschnitte

Im ersten Handlungsabschnitt:
- Trennung nach Personen
- Täterschaft vor Teilnahme
- Historisch rückläufige Prüfung

Die sich daraus vorläufig ergebende Prüfungsreihenfolge:

A Die Vorgänge im Betrieb des I


I. Die Strafbarkeit des L
a) Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1 S.2 Nr. 1
StGB)
b) Hausfriedensbruch (§ 123 Abs.1 Alt.1 StGB)
II. Die Strafbarkeit der S

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a) Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1 S.2 Nr. 1, 25
Abs. 1 Alt. 1 oder Abs. 2 StGB)
b) Anstiftung zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243
Abs.1 S.2 Nr. 1, 26 StGB)
c) Beihilfe zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1
S.2 Nr. 1, 27 StGB)
B Die Strafbarkeit des L wegen der Vorgänge an der Tankstelle
I. Strafbarkeit wegen Betruges (§§ 263 Abs. 1 und 4, 248a StGB)
II. Strafbarkeit wegen Diebstahls (§§ 242 Abs. 1, 248a StGB)
III. Strafbarkeit wegen Unterschlagung (§ 246 Abs. 1, 248a StGB)
C Konkurrenzen und Gesamtergebnis

Gedankliche Fallösung:

A Die Vorgänge im Büro

I. Die Strafbarkeit des L

a) Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1 S.2 Nr. 1
StGB)
1. Sache
2. fremd
3. beweglich
4. Wegnahme (probl.) Mögliche Definitionen:

 "Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams"


o Gewahrsamsbruch - Beendigung des Gewahrsams ohne (gegen) den Willen
des Berechtigten: Kein Bruch, weil Einverständnis des Berechtigten
 Einseitige Beendigung des bestehenden Gewahrsams ohne Mitwirkung des Berechtig-
ten

Lösung: Der der Gewahrsamsbeendigung dauerhaft entgegenstehende Wille des Berechtigten


ist eine Fiktion. Es kommt nicht auf den Willen, sondern auf eine Mitwirkung des Berechtig-
ten an.
Daher: Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache (+)
5. Zueignungsabsicht: Selbstzueignung oder Drittzueignung ? (probl.)
Zueignung: ut se dominum gerere / Einseitige Begründung von Eigenbesitz an einer Sache
(vgl. § 872: Besitz "als ihm gehörend")
Aufgrund der beabsichtigten Weitergabe an S zu verneinen.

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Gegenleistung (Rendezvous mit Schwester) führt weder über die Sachwerttheorie noch andere
Konstruktionen zu einem anderen Ergebnis.
Daher: Drittzueignungsabsicht
6. Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Drittzueignung

Allgemeines Verbrechensmerkmal Rechtswidrigkeit: Keine Einwilligungserklärung des I ge-


genüber L, wohl aber gegenüber S.
Richtungsbedürftigkeit der Einwilligungserklärung? Ist zu verneinen!
Ergebnis: Keine Strafbarkeit wegen vollendeten Diebstahls

Daraus ergibt sich die Erforderlichkeit einer Ergänzung bzw. Korrektur der Gliederung:

Ergänzung der Gliederung bei L:

b) Versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 2 i.V.m. 243 Abs.1
S.2 Nr. 1, 22 StGB)

Tatentschluß, Drittzueignungsabsicht, vorsätzliches unmittelbares Ansetzen zur Tat, Rechts-


widrigkeit, Schuld (+)
Aber weder Einbrechen noch falscher Schlüssel. Daher kein Regelbeispiel für einen beson-
ders schweren Fall erfüllt.

c) Hausfriedensbruch (§ 123 Abs.1 Alt.1 StGB)


Geschäftsräume
Eindringen: Betreten ohne (nicht: gegen) den Willen des Berechtigten?
Betreten ohne den (nicht notwendig dem Täter gegenüber) erklärten Willen des Berechtigten.
Nein, vgl. die Erklärung des I gegenüber S!

Keine Versuchsstrafbarkeit (§§ 23 Abs. 1 Halbs. 2, 12 Abs. 2 StGB).

Korrektur der Gliederung bei S:

Anstiftung und Beihilfe zum Diebstahlsversuch!


Kein besonders schwerer Fall!

II. Die Strafbarkeit der S

a) Versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall in gestufter Täterschaft (§§ 242
Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1 S.2 Nr. 1, 25 Abs. 2 oder 25 Abs.1 Alt. 1 bzw. 2 StGB; Täter hinter
dem Täter).

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Abs. 2: Keine mittäterschaftliche Begehung vereinbart; keine gemeinschaftliche Tatausfüh-
rung. Und:
Abs. 1: Die Entscheidung des L liegt nicht in ihrer Macht, keine übergeordnete Stellung. Das
Inaussichtstellen von Vorteilen begründet keine Täterschaft hinter dem verwantwortlich selbst
entscheidenden L (altersbedingte Reife+).

b) Anstiftung zum versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 2
i.V.m.243 Abs.1 S.2 Nr. 1, 22, 26 StGB)
agent provocateur? Daher nach Rechtsprechung und Schrifttum Strafbarkeit zu verneinen;
nach dem Gesetz zu bejahren.

c) Beihilfe zum versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 2
i.V.m.243 Abs.1 S.2 Nr. 1, 22, 27 StGB)
Psychische Beihilfe? Beihilfe durch Aushändigung der Schlüssel!

B Die Strafbarkeit des L wegen der Vorgänge an der Tankstelle

I. Strafbarkeit wegen Betruges (§§ 263 Abs. 1 und 4, 248a StGB) (-)
Keine Täuschungshandlung, ursprüngliche Absicht zu zahlen

II. Strafbarkeit wegen Diebstahls (§§ 242 Abs. 1, 248a StGB) (-)
Keine Wegnahme, Zustimmung zur Entnahme

III. Strafbarkeit wegen Unterschlagung (§ 246 Abs. 1, 248a StGB) (+)


Sache ???

 Abgegrenztheit von anderen


o Erdtank Tankstelle
o Autotank L
o Keine Abgegrenzheit des Schlauchinhalts beim Tanken: Kontinuierliche Ver-
änderung: mengenmäßige Abnahme der einen, mengenmäßige Zunahme der
anderen Sache
In Betracht kommt nur der Inhalt des Autotanks von L

Fremd?
Kein Eigentumserwerb durch Vermischung: Miteigentum des Tankstellenbetreibers
Kein Eigentumserwerb durch Übereignung
Zueignung durch Wegfahren

C Konkurrenzen und Gesamtergebnis

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L: Versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 2 i.V.m. 243 Abs.1
S.2 Nr. 1, 22 StGB) und Unterschlagung (§ 246 Abs. 1, 248a StGB) in Tatmehrheit

S: Anstiftung und Beihilfe zum versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§
242 Abs. 2 i.V.m.243 Abs.1 S.2 Nr. 1, 22, 26; 242 Abs. 2 i.V.m. 243 Abs.1 S.2 Nr. 1, 22, 27;
52 StGB)

Vorschlag für die Fallösung:

A Die Vorgänge im Betrieb des I (hier: mit Literaturhinweisen versehen und mit ausführli-
cher Begründung)

I. Strafbarkeit des L

a) Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 243 Abs.1 S.2 Nr. 1
StGB)

Der Computer ist eine nicht dem L gehörende, für ihn also fremde, bewegliche Sache. L hat
sich daher wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall strafbar gemacht, wenn er
(1) den PC in der Absicht weggenommen hat, ihn sich oder der S rechtswidrig zuzueignen,
(2) vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft handelte.

1) aa) Der üblichen Umschreibung zufolge ist Wegnahme der Bruch fremden und die Be-
gründung neuen Gewahrsams. Erforderlich ist danach die Aufhebung der tatsächlichen Herr-
schaftsmacht ohne bzw. sogar gegen den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers oder
einer zur Disposition über den Gewahrsam befugten Person (vgl. z.B. Lackner/Kühl, § 242
Rdn. 14 m.w.Nachw). Dem steht jedoch zum einen entgegen, daß ein im Tatzeitpunkt entge-
genstehender Wille des Berechtigten in den meisten Fällen eine bloße Fiktion ist (niemand hat
ständig den Willen, daß niemand seinen Gewahrsam bricht), zum anderen, daß es für das Vor-
liegen einer Wegnahme nicht auf den (von außen meist nicht erkennbaren, ausschließlich "in-
neren") Willen des Berechtigten ankommen kann. Die genannte Umschreibung entspricht
auch nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch. Danach ist Wegnahme vielmehr eine Beendi-
gung der tatsächlichen Sachherrschaft ohne Mitwirkung des Inhabers der Sachherrschaft, also
die einseitige Beendigung (vgl. auch den Gesetzeswortlaut in § 539 Abs. 2 BGB: Wegnahme-
recht des Mieters; diese kann mit Einverständnis des Vermieters geschehen). Für die Unter-
scheidung zwischen Wegnahme und Weggabe kommt es daher nicht auf den Willen, sondern
ausschließlich darauf an, ob der bisherige Inhaber an der Gewahrsamsänderung mitwirkt
(dann - "willentliche" - Übergabe und keine Wegnahme).

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Bisherige Gewahrsamsinhaber sind I und (als dessen Besitzdienerin, vgl. § 855 BGB). An der
Gewahrsamsbeendigung hat im Zeitpunkt der Tathandlung des L keiner der beiden mitge-
wirkt, so daß eine Wegnahme durch L vorliegt.

bb) L hatte die erforderliche Zueignungsabsicht, wenn er den PC sich oder der S zueignen
wollte. Die Zueignung einer Sache besteht nach allgemeiner Auffassung darin, daß der Täter
die Sache unter dauerndem Ausschluß des Berechtigten dem eigenen Vermögen bzw. dem
eines Dritten einverleibt. Nach exakter Definition ist Zueignung die Begründung von Eigen-
besitz an einer Sache, die ein anderer in Eigenbesitz hat (vgl.§ 872 BGB: "als ihm gehörend").
Der Täter beabsichtigt in den Fällen des Diebstahls, den Eigenbesitz des bisherigen Inhabers
zu beenden und selbst Eigenbesitz zu begründen. Die Zueignung besteht daher den üblichen
Umschreibungen zufolge aus zwei Komponenten, der dauernden "Enteignung" des Berechtig-
ten und der wenigstens vorübergehenden "Aneignung" durch den Täter. Nach der sog. Verei-
nigungstheorie heißt Sichaneignen - im Unterschied zur bloßen Sachentziehung -, daß der
Täter unter Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung die Sache ihrer Substanz nach
seiner Verfügungsgewalt unterwerfen oder ihren Wert in sein Vermögen einverleiben will
(ständige Rspr. seit RGSt 61, 228 (233); vgl. auch Eser, in: Schönke/Schröder, § 242 Rnr. 47).
Der Annahme einer zumindest zeitweisen Aneignung der Sache selbst steht jedoch entgegen,
daß L den PC nicht nutzen, sondern unmittelbar an S weitergeben will. Ein Sich-Zueignen
kommt daher nur dann in Betracht, wenn man wie erwähnt auf den Sachwert abstellt und in
die Überlegungen einbezieht, daß L für die Lieferung des PC ein Rendezvous mit der
Schwester der S gewährt werden sollte. Ob bzw. inwieweit solche Erwägungen zulässig sind,
war in Rechtsprechung und Schrifttum heftig umstritten (vgl. Wolfslast, NStZ 1994, S. 542
(543)):

Teilweise wurde für ausreichend erachtet, daß der Täter von der Zuwendung an den Dritten
einen wirtschaftlichen Nutzen oder Vorteil im weitesten Sinne habe, wofür auch ein lediglich
mittelbarer Vorteil ausreiche (BGH NJW 1985, 812 (813); 1987, 77). Dieser "weiten" Sach-
werttheorie wurde - im Anschluß an Bockelmann (ZStW 65 (1953), S. 569 (575)) - der "enge"
Sachwertbegriff gegenübergestellt, wonach der Sachwert auf den in der Sache verkörperten
bestimmungsgemäßen Funktionswert, den "spezifischen" wirtschaftlichen Wert (auch lucrum
ex re genannt, im Gegensatz zum lucrum ex negotio cum re) beschränkt ist. Dabei müssen
sich der wirtschaftliche Nachteil (für den Berechtigten) und der erstrebte Vorteil des Täters
entsprechen; sie müssen in einem Korrespondenzverhältnis zueinander stehen (Eser, in:
Schönke/Schröder, § 242 Rnr. 47). Nach Ansicht einiger Vertreter der (Sach-)Substanztheorie
(Rudolphi, GA 1965, S. 33 (38); Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl. (1969), § 46 2 a);
Wolfslast, NStZ 1994, S. 542 (544); Otto, StrR BT, § 40 II 2 a) cc)) ist die - zumindest vo-
rübergehende - Aneignung einer Sache zu bejahen, wenn der Täter sich eine eigentümerähnli-
che Machtsstellung anmaßt durch die Betätigung des Willens, die Sache ihrer Substanz nach
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zu gewinnen und den Berechtigten von den Nutzungsmöglichkeiten auszuschließen (Wolfs-
last, NStZ 1994, S. 542 (543)). Eine Zueignung liege dann schon vor, wenn der Täter die Sa-
che an einen Dritten weitergibt und zwar allein, weil er sie weitergibt, da er mit der Weiterga-
be demonstriere, daß er mit der Sache so verfügen könne, wie es nur dem Eigentümer zustehe
(se ut dominum gerere) (Wolfslast, NStZ 1994, S. 542 (544)).Schließlich könne niemand ei-
nem anderen eine Sache zueignen, die er sich nicht zuvor selbst zugeeignet habe (Rudolphi,
GA 1965, S. 33 (42/43)).

Es besteht der begründete Verdacht, daß alle diese - vor allem vor Inkrafttreten des 6. StrRG
formulierten - Auffassungen nur deshalb vertreten wurden, weil nach der bis dahin geltenden
Gesetzeslage die Drittzueignung nicht strafbar war. Der auffallende Konstruktions- und Be-
gründungsaufwand diente ganz offensichtlich dazu, das andernfalls "drohende" Ergebnis:
"Straflosigkeit" zu vermeiden. Bei unvoreingenommener Gesetzesauslegung ergibt sich dem-
gegenüber: Die Sachwert- und damit auch die Vereinigungstheorie sind mit dem Gesetzes-
wortlaut („die Sache“, früher: "dieselbe") unvereinbar. Nach dem eindeutigen Wortlaut des
§ 242 StGB kommt es also ausschließlich auf die Sache selbst, nicht deren Wert an. Ein Sich-
Zueignen liegt aber nicht vor, wenn ein Dritter die Sache erhalten soll (darauf beruht die Ge-
setzesänderung im Jahr 1998). Den Computer wollte L nicht selbst behalten, sondern ihn von
vornherein der S geben. Er handelte daher in der Absicht, den PC aus dem Eigenbesitz des I
unmittelbar in Eigenbesitz der S zu überführen. Zwar ist der Fall denkbar, daß der Täter die
Beute zunächst in Eigenbesitz nimmt, um dann die einzelnen Beutestücke nach einer erst
dann getroffenen Entscheidung "wie ein Eigentümer" zu verteilen. Hier hat sich L aber von
vornherein entschlossen, den Pentium "für S" wegzunehmen. Darin liegt keine Selbstzueig-
nungs-, sondern nur Drittzueignungsabsicht. Nach der geltenden Gesetzesfassung reicht diese
jedoch inzwischen zur Begründung der Strafbarkeit aus.

Die beabsichtigte Zueignung an S war rechtswidrig.

2) L handelte vorsätzlich. Er handelte auch rechtswidrig, wenn er nicht durch eine Einwilli-
gung des Berechtigten (I) gerechtfertigt ist. Dies hängt davon ab, ob die - durch I der S ge-
genüber erklärte - Einwilligung eine richtungsbedürftige Erklärung ist oder nicht, also nur
dann rechtfertigende Wirkung hat, wenn sie dem Täter gegenüber erklärt worden ist. Für die
(objektive) Rechtslage kommt es jedoch ausschließlich auf die Abgabe der Erklärung, nicht
auf deren Kenntnisnahme durch den Täter an. Eines Zugangs der Einwilligung bedarf es
nicht. Da I der S gegenüber sein Einverständnis zu dem Vorgehen des L erklärt hatte, verletzt
dieser daher nicht die Rechte des I („volenti non fit iniuria). Er ist vielmehr objektiv gerecht-
fertigt, handelte also rechtmäßig.

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L hat sich daher nicht wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 1
i.V.m. 243 Abs.1 S. 2 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht.

II. Versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§§ 242 Abs. 2 i.V.m. 243 Abs. 1
S. 2 Nr. 1, 22 StGB)

L hat sich wie festgestellt entschlossen, eine fremde, bewegliche Sache einem anderen in der
Absicht wegzunehmen, sie einem Dritten, nämlich der S, nach seiner Vorstellung rechtswid-
rig zuzueignen, und hierzu auch unmittelbar angesetzt. Dieser versuchte Diebstahl ist rechts-
widrig. L handelte schuldhaft.

Da ein "Einbrechen" i.S.d. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB ein gewaltsames Öffnen einer den
Zutritt verwehrenden Umschließung erfordert, kommt diese Begehungsweise nicht in Be-
tracht. L hat dieses Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall daher nur dann erfüllt,
wenn er mit einem falschen Schlüssel in die Geschäftsräume des I eingedrungen ist. Falsch ist
ein Schlüssel aber nur dann, wenn er nicht - wie hier - zur ordnungsgemäßen Öffnung der
Räume bestimmt ist. Selbst die unbefugte Benutzung eines richtigen Schlüssels fällt nicht
unter Nr. 1. Ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall liegt daher nicht vor.

L hat sich daher wegen versuchten Diebstahls (§§ 242 Abs. 2, 22 StGB) strafbar gemacht.

c) Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 StGB)

Bei Zugrundelegung der üblichen Umschreibung des Merkmals "eindringen" ist L in die Ge-
schäftsräume des I eingedrungen, wenn er diese Räume ohne (aus den bereits genannten
Gründen nicht: gegen) den Willen des Berechtigten betreten hat. Auch hier kommt es jedoch
nicht auf den (bloß subjektiven) Willen des Berechtigten, sondern auf eine Gestattung durch
den Berechtigten an: Eindringen ist Betreten ohne eine (nicht notwendig dem Täter gegenüber
erklärte) Gestattung des Berechtigten. Aufgrund der Erklärung des I gegenüber S scheidet
Hausfriedensbruch aus.

II. Strafbarkeit der S

a) Versuchter Diebstahl in Mittäterschaft bzw. gestufter Täterschaft (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 25
Abs. 2 bzw. Abs. 1 Alt. 1 oder 2 StGB; Täter hinter dem Täter)

Eine mittäterschaftliche Begehung durch S scheitert schon daran, dass die getroffene Verab-
redung keine Ausführungsbeteiligung der S vorsah, so dass eine gemeinschaftliche Begehung
(„wir“) ausscheidet.

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Selbst bei einem dienstlichen Weisungsrecht der S gegenüber L hatte diese auch keine derart
übergeordnete Stellung, daß die Entscheidung des L über die Tatbegehung in der Macht der S
lag. Das bloße Inaussichtstellen von Vorteilen begründet noch keine Täterschaft hinter dem
unmittelbar handelnden L. Auch im Hinblick auf die altersbedingte Reife des Lehrlings kann
nicht davon ausgegangen werden, daß S den L "in der Hand" hatte. L hat vielmehr eine ei-
genverantwortliche Entscheidung über die Wegnahme getroffen. Strafbarkeit der S wegen
versuchten Diebstahls in gestufter Täterschaft (§§ 242 Abs. 1 i.V.m. 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB;
Täter hinter dem Täter) scheidet daher ebenfalls aus.

b) Anstiftung zum versuchten Diebstahl (§§ 242 Abs. 2, 22, 26 StGB)

S hat den L vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft zu dessen versuchtem Diebstahl, wie
festgestellt einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat, bestimmt. S hat sich daher we-
gen Anstiftung zum versuchten Diebstahl strafbar gemacht (§§ 242 Abs. 2, 22, 26 StGB), es
sei denn, daß sich aus dem Umstand etwas anderes ergibt, daß S es im Einverständnis mit I
nicht um ein vollendetes Delikt, sondern nur um einen Diebstahlsversuch ging. Zu diesen Fäl-
len des Handelns eines sog. agent provocateur hat das Reichsgericht die Auffassung begrün-
det (die sich bis heute soweit ersichtlich einhellig gehalten hat), daß die Strafbarkeit wegen
Anstiftung zu verneinen sei: Fasse man lediglich den Wortlaut des (heutigen) § 26 StGB ins
Auge, könnte man zwar zur Ansicht gelangen, daß zur strafbaren Anstiftung in subjektiver
Beziehung nichts weiter erfordert werde, als der Wille, zur Begehung einer strafbaren Hand-
lung zu bestimmen: "Ob der Wille des Anstifters auf Ausführung der That oder nur auf Her-
beiführung eines strafbaren Versuches gerichtet sei, wäre gleichgültig... Solche Prinzipien
würden dahin führen, daß sogar derjenige wegen Teilnahme strafbar wäre, welcher gerade in
der Absicht, die Ausführung der Straftat zu verhindern, gehandelt hätte, weil auf diese Ab-
sicht nichts ankäme und auch von ihm gesagt werden könne, er habe im Bewußtsein gehan-
delt, daß der Täter die Ausführung der Tat wollte, also ein strafbarer Versuch die Folge seines
Handelns sein werde. Daß diese Ergebnisse vom Gesetze gewollt seien, ist nicht anzunehmen;
sie erscheinen mit den Grundprinzipien des Strafrechts nicht vereinbar". Eine juristisch trag-
fähige Begründung ist dies nicht. Die Anstiftung zum versuchten Diebstahl ist nach dem al-
lein maßgeblichen Gesetzeswortlaut strafbar (übrigens mit gutem Grund: Der agent provoca-
teur ist derjenige, der den anderen überhaupt erst auf die Idee bringt, eine Straftat zu begehen
- wie in allen anderen Fällen der Anstiftung auch).

S hat sich daher wegen Anstiftung zum versuchten Diebstahl strafbar gemacht (§§ 242 Abs. 2,
22, 26 StGB).

c) Beihilfe zum versuchten Diebstahl (§§ 242 Abs. 2, 22, 27 StGB)


Durch Aushändigung der Schlüssel hat S dem L vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft zu

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dessen versuchtem Diebstahl, wie festgestellt einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen
Tat, Hilfe geleistet.

B Strafbarkeit des L wegen der Vorgänge an der Tankstelle (hier nur in Stichworten, mit wei-
terführenden Literaturhinweisen)

I. Strafbarkeit gemäß § 263 Abs. 1 StGB gegenüber dem Tankstellenbetreiber: (-), weil keine
Täuschungshandlung vorliegt. Beim Einfüllen des Benzins will L noch zahlen, auch später
beim Wegfahren täuscht L keine Zahlungsbereitschaft vor.

II Strafbarkeit nach § 242 Abs. 1 StGB:

1. Objektiver Tatbestand: Fraglich ist schon, ob das Benzin eine Sache darstellt.

Überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum: Der strafrechtliche Begriff


"Sache" ist ein selbständiger, vom Zivilrecht unabhängiger öffentlichrechtlicher Begriff, der
zwar mit § 90 BGB die Körperlichkeit des Gegenstandes zur Voraussetzung hat aber darüber
hinaus gemäß dem Zweck des StGB und seinem natürlichen Wortsinn auszulegen ist: Fischer,
§ 242 Rn. 2.

Eigene Ansicht: Sache ist jeder körperliche Gegenstand (§ 90 BGB). Dabei ist der Aggregat-
zustand (fest, flüssig oder gasförmig) anerkanntermaßen unerheblich.

Benzin ist ein flüssiger Stoff und demnach taugliches Tatobjekt des § 242 StGB. Teilweise
wird allerdings - gegen die insofern wohl überwiegende Meinung - Systematischer Kommen-
tar (Samson), 5. Aufl. (Loseblattsammlung, Stand: 32. Lieferung, August 1994), § 242 Rnr. 6;
Schönke/Schröder (Eser), § 242 Rn. 9) als weitere Voraussetzung für notwendig erachtet, daß
die Sachen i. S. d. § 242 StGB abgegrenzt und faßbar sind (Leipziger Kommentar (Ruß),
StGB, 10. Aufl. (1989), § 242 Rn. 1). Dieses - m.E. zwingende - Kriterium ist hier problema-
tisch. Die von L getankte Bezinmenge existiert abgegrenzt weder im Tank der Tankstelle
noch im Tank des L, wo es sich mit dem noch im Tank befindlichen Rest vermischt hat. Dem
kann zwar evtl. entgegengehalten werden, daß zum Zeitpunkt des Einfüllens das Benzin als
die - gemessene ! - Menge abgegrenzt ist, die nach Betätigung des Zapfhahns durch den
Schlauch geflossen ist. Dies ist allerdings eine Konstruktion eines real nie gegebenen Sach-
verhalts: Daher ist das Erfordernis: Abgegrenztheit von anderen Gegenständen nur hinsicht-
lich des Inhalts des Autotanks des L erfüllt. Sache (+).
beweglich (+)
Fremd ist eine Sache, die wenigstens auch einem anderen als dem Täter gehört (SK (Samson),
§ 242 Rn. 9).

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Daß sich das Benzin mit dem im Tank befindlichen des L vermischt hat, hat lediglich zur
Folge, daß L gemäß den §§ 947, 948 BGB Miteigentum am eingefüllten Benzin hat; dies
schließt eine Tat nach § 242 StGB daher nicht aus (Ranft, JA 1984, S. 1 (4)).

Für L nicht fremd ist das Benzin allerdings dann, wenn es ihm bereits übereignet worden ist,
so daß er Alleineigentümer ist.

Für entscheidend wird insofern gehalten, ob nach dem Einfüllen ein Eigentumsvorbehalt des
Tankstellenbetreibers besteht. Dies wird vor allem von Herzberg - und ihm folgend auch dem
OLG Düsseldorf – verneint (Herzberg JA 1980, S. 385 ff; OLG Düsseldorf NStZ 1982, S.
249.) Danach kommt mit dem Einfüllen des Benzins grundsätzlich der schuldrechtliche Kauf-
vertrag und die dingliche Übereignung zustande, wenn nicht ausdrücklich ein Eigentumsvor-
behalt ausgesprochen wurde. Folgt man dieser Ansicht, könnte L hinsichtlich des Benzins
kein Täter nach § 242 StGB sein, da er Alleineigentümer wäre.

Anm.: Dann bleibt L auch bei § 246 und damit für den 2. Handlungsabschnitt straflos.

Nach anderer Ansicht ist in solchen Fällen von einem konkludenten Eigentumsvorbehalt aus-
zugehen (Ranft, JA 1984, S. 1 (5); OLG Hamm NStZ 1983, S. 266 (267)).

Eigene Ansicht: Es fehlt - aufgrund des Ablaufs an einer Selbstbedienungstankstelle - an der


erforderlichen rechtsgeschäftlichen Übereignungserklärung. Die Einigung über den Eigen-
tumsübergang setzt empfangsbedürftige (!) beiderseitige Erklärungen voraus. Der Eigentums-
übergang kann daher nur an der Kasse vereinbart werden.

L ist also nicht Alleineigentümer des Benzins geworden. Fremdheit (+).

Wegnahme ist nach h.M. der Bruch fremden und die Begründung neuen (i. d. R. eigenen)
Gewahrsams (s.o.). Für die Tankstellenproblematik stellt der BGH fest, daß eher eine Wegga-
be als eine Wegnahme vorliege, denn der Tankstellenbetreiber oder ein Angestellter desselben
überwache (regelmäßig) den Tankvorgang und verfüge quasi durch Nichtintervention über
das Benzin, gebe es also - bei natürlicher Betrachtungsweise – weg (BGH NJW 1983, S.
2827).

Eigene Ansicht: Der Kunde nimmt den Zapfhahn und füllt eigenständig das Benzin in seinen
Wagen. Nach "natürlicher Betrachtungsweise" liegt also ein Nehmen und kein Geben vor.
Zudem müßte die Annahme, daß ein Angestellter - im Sinne eines Verfügenden - über die
Vorgänge gewacht hat, im Einzelfall nachgewiesen werden. "Regelmäßige" Konstellationen
rechtfertigen keine Pauschalurteile.

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Die Wegnahme ist mit dem Einfüllen des Benzins in den Tank vollendet (also nicht erst durch
das Wegfahren). Daraus ergibt sich:

Nach h.L. ist die Wegnahme durch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis ausge-
schlossen, nach meiner Ansicht gegeben, aber durch Einwilligung gerechtfertigt. Demnach:
Wegnahme (+)

2. Subjektiver Tatbestand: (-), da L jedenfalls zum Zeitpunkt des Einfüllens des Benzins nicht
die Absicht rechtswidriger Zueignung hatte. Diese Absicht muß der Täter aber bei der Tatbe-
standsverwirklichung haben, nachträgliche Veränderungen (vgl. dolus subsequens) sind inso-
fern bedeutungslos.

3. Ergebnis: Strafbarkeit nach § 242 Abs. 1 StGB (-)

C. Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 StGB

1. Objektiver Tatbestand: Fremde, bewegliche Sache (+);


in Gewahrsam (+); Zueignung: Manifestation des Zueignungswillens erforderlich (Lack-
ner/Kühl, § 246 Rn. 4). Hier (+), durch Wegfahren.
2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz (+)
3. Rechtswidrigkeit (+)
4. Schuld (+)
5. Ergebnis: Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 StGB (+).

Ergänzender Literaturhinweis:

Zur "Strafbarkeit des 'Schwartankens' an der SB-Tankstelle" vgl. z.B. Lange/Trost JuS 2003,
961 ff.

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