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Notizen zur Vorlesung

Algebra
Prof. Dr. Sander Zwegers

Köln, Januar 2013


Satz: LATEX

Benutzte Literatur:
Gerd Fischer, Lehrbuch der Algebra
Christian Karpfinger und Kurt Meyberg, Algebra
Gernot Stroth, Elementare Algebra und Zahlentheorie

Warnung!
Es handelt sich hier um Notizen. Es wird keinerlei Garantie gegeben für die gram-
matikalische oder mathematische Korrektheit des Textes. Die Anwendung dieser
Notizen erfolgt auf eigene Gefahr.
Inhaltsverzeichnis

1 Gruppen 1
1.1 Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Translationen und Kürzungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.3 Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.4 Gruppen-Homomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.5 Nebenklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.6 Normalteiler und Faktorgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.7 Äußeres und inneres direktes Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.8 Operationen von Gruppen auf Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.9 Die Sätze von Sylow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2 Ringe 27
2.1 Ringe, Integritätsringe und Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.2 Ideale und Hauptideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.3 Faktorringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.4 Primideale und maximale Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.5 Ringhomomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.6 Euklidische Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.7 Teilbarkeit und Primfaktorzerlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.8 Polynomringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.9 Irreduzibilität in Z[x] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.10 Quotientenkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3 Körpererweiterungen 47
3.1 Körpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3.2 Grad einer Körpererweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
3.3 Algebraische und transzendente Körpererweiterungen . . . . . . . . . 50
3.4 Algebraisch abgeschlossene Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
3.5 Konstruktion mit Zirkel und Lineal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
iv Inhaltsverzeichnis

4 Galoistheorie 61
4.1 Nullstellen von Polynomen 3. und 4. Grades . . . . . . . . . . . . . . 61
4.2 Galoisgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.3 Zerfällungskörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.4 Normale und separable Körpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . 67
4.5 Die symmetrische und alternierende Gruppe . . . . . . . . . . . . . . 71
4.6 Auflösbare Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4.7 Die Galoisgruppe eines Polynoms über Q . . . . . . . . . . . . . . . . 77
4.8 Die Galoiskorrespondenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
4.9 Lösbarkeit durch Radikale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
4.10 Das inverse Galoisproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Kapitel 1

Gruppen

1.1 Gruppen
Definition 1.1.1. Eine Gruppe (G, ∗) ist eine (nichtleere) Menge G mit einer
Verknüpfung

∗ : G × G −→ G,
(g1 , g2 ) 7→ g1 ∗ g2 ,

so dass

(a) g1 ∗ (g2 ∗ g3 ) = (g1 ∗ g2 ) ∗ g3 für alle g1 , g2 , g3 ∈ G (assoziativ );

(b) es gibt ein e ∈ G, so dass e ∗ a = a = a ∗ e für alle a ∈ G (neutrales Element);

(c) für alle a ∈ G gibt es ein b ∈ G, so dass a ∗ b = e = b ∗ a (inverses Element).

Bemerkung 1.1.2. (a) Wir nennen b (aus (c)) das zu a inverse Element und wir
schreiben b = a−1 .
(b) Wir schreiben oft a · b oder ab statt a ∗ b und G statt (G, ∗).
(c) Wegen der Assoziativität können wir die Klammern weglassen. Ausdrücke wie
a1 ∗ a2 ∗ · · · ∗ ak haben daher Sinn.
(d) Das neutrale Element ist eindeutig bestimmt.
(e) Das Inverse a−1 zu einem Element a ist eindeutig bestimmt.

Definition 1.1.3. Eine Gruppe heißt

(a) endliche Gruppe, wenn G eine endliche Menge ist;

(b) abelsch oder kommutativ , falls a ∗ b = b ∗ a gilt für alle a, b ∈ G;


2 Kapitel 1. Gruppen

(c) zyklisch, wenn es ein g ∈ G gibt, so dass G = {g n | n ∈ Z}, wobei


 n Mal
 z }| {
g ∗ · · · ∗ g falls n > 0,



n
g = e falls n = 0,
−1 −1
g ∗ ··· ∗ g



 falls n < 0.
| {z }
−n Mal

Definition 1.1.4. Die Anzahl der Elemente einer Gruppe G heißt die Ordnung von
G.
|G| = ord(G) := # Elemente in G
Beispiel 1.1.5. (a) (Z, +) ist eine abelsche Gruppe.
(b) (Z≥0 , +) ist keine Gruppe, da 1−1 = −1 nicht existiert.
(c) (Q, +) und (R, +) sind abelsche Gruppen.
(d) (Q \ {0}, ·) ist eine abelsche Gruppe.
(e) Die allgemeine lineare Gruppe GLn (K) (die Menge {A ∈ Mn,n (K) | det A 6= 0}
mit Matrixmultiplikation) und die spezielle lineare Gruppe SLn (K) (die Menge {A ∈
Mn,n (K) | det A = 1} mit Matrixmultiplikation) sind Gruppen, aber sie sind nicht
kommutativ.
(f) Die Gruppe mit einem Element: G = {e} mit e · e = e.
· e a
(g) Sei |G| = 2, dann ist G = {e, a} mit der Verknüpfungstafel e e a .
a a e
· e a b
e e a b
(h) Sei |G| = 3, dann ist G = {e, a, b} mit der Verknüpfungstafel .
a a b e
b b e a
Diese Gruppe ist zyklisch.
(i) Sei |G| = 4, dann ist G = {e, a, b, c}. Wir haben zwei Möglichkeiten für die
Verknüpfungstafel:
· e a b c · e a b c
e e a b c e e a b c
a a b c e (zyklisch), oder a a e c b (Kleinsche Vierergruppe).
b b c e a b b c e a
c c e a b c c b a e
(j) Sei Zn = {0, 1, . . . , n − 1} mit der Verknüpfung + gegeben durch
x + y = der Rest von x + y bei Division durch n.
| {z }
in Z

Dann ist (Zn , +) eine zyklische abelsche Gruppe von Ordnung n. Für n = 4 ist die
Verknüpfungstafel
1.1 Gruppen 3

+ 0 1 2 3
0 0 1 2 3
1 1 2 3 0 .
2 2 3 0 1
3 3 0 1 2
(k) Sei Z∗5 = Z5 \ {0} = {1, 2, 3, 4} mit der Verknüpfung · gegeben durch
x · y = der Rest von xy bei Division durch 5.
Dann ist (Z∗5 , ·) eine abelsche Gruppe von Ordnung 4. Auch ist (Z∗5 , ·) zyklisch (20 =
1, 21 = 2, 22 = 4, 23 = 3). Die Verknüpfungstafel ist
· 1 2 3 4
1 1 2 3 4
2 2 4 1 3
3 3 1 4 2
4 4 3 2 1
Allgemeiner ist (Zp \ {0}, ·), für eine Primzahl p, eine abelsche Gruppe der Ordnung
p − 1. Z.B. (Z6 \ {0}, ·) ist keine Gruppe, da 2 · 3 = 0 6∈ Z6 \ {0}.
(l) Sei X eine Menge. Sei
S(X) := {f : X −→ X, f bijektiv},
mit der Verknüpfung f ∗ g = f ◦ g. Dann ist (S(X), ◦) eine Gruppe (e = idX ). Für
die Menge X = {1, 2, . . . , n} schreiben wir Sn statt S({1, 2, . . . , n}). Diese Gruppe
Sn heißt die Permutationsgruppe und |Sn | = n!. Für σ ∈ Sn schreiben wir explizit
 
1 2 ... n
.
σ(1) σ(2) . . . σ(n)
Die Gruppe S3 hat folgenden Elemente
     
1 2 3 1 2 3 1 2 3
e= , a= , b= ,
1 2 3 2 1 3 1 3 2
     
1 2 3 1 2 3 1 2 3
c= , d= , f= .
3 2 1 3 1 2 2 3 1
Dann gilt
    
1 2 3 1 2 3 1 2 3
d·a= = =b
3 1 2 2 1 3 1 3 2
    
1 2 3 1 2 3 1 2 3
a·d= = = c,
2 1 3 3 1 2 3 2 1
also ist S3 nicht abelsch. Ebenso ist Sn nicht abelsch für n ≥ 3.
4 Kapitel 1. Gruppen

1.2 Translationen und Kürzungsregeln


Definition 1.2.1. Sei G eine Gruppe und sei a ∈ G. Wir definieren

la : G −→ G, g→
7 a·g (Linkstranslation),
ra : G −→ G, g→7 g·a (Rechtstranslation).

Bemerkung 1.2.2. (a) Für alle a ∈ G sind die Translationen la und ra bijektiv:

la (x) = b ⇐⇒ ax = b ⇐⇒ x = a−1 b,

und ebenso
ra (x) = b ⇐⇒ xa = b ⇐⇒ x = ba−1 .
(b) Es gilt (la )−1 = la−1 und (ra )−1 = ra−1 .
(c) Wir haben also die Kürzungsregeln

ax = ay =⇒ x = y,
xa = ya =⇒ x = y.

Lemma 1.2.3. Sei G eine endliche abelsche Gruppe und sei a ∈ G. Dann gilt

a|G| = e.

Beweis. Sei G = {a1 , . . . , an } mit n = |G|, und sei a ∈ G. Da la bijektiv ist, folgt,
dass auch G = {aa1 , . . . , aan }. Deswegen gilt
n
Y n
Y n
Y
n
ai = (aai ) = a ai ,
i=1 i=1 i=1

und an = e.

1.3 Untergruppen
Definition 1.3.1. Sei (G, ∗) eine Gruppe und sei H ⊂ G eine Teilmenge. Dann
heißt (H, ∗) Untergruppe von (G, ∗) falls

(a) e ∈ H;

(b) g1 , g2 ∈ H =⇒ g1 ∗ g2 ∈ H;

(c) g ∈ H =⇒ g −1 ∈ H.

Wir schreiben dann: H < G.


1.4 Gruppen-Homomorphismen 5

Bemerkung 1.3.2. (a) Eine Untergruppe ist selbst auch eine Gruppe.
(b) Aus A < B und B < C folgt sofort A < C (transitiv ).
Beispiel 1.3.3. (a) (Q, +) < (R, +).
(b) SLn (K) < GLn (K).
Lemma 1.3.4. Sei G eine Gruppe und sei H ⊂ G eine Teilmenge. Dann gilt H < G
genau dann, wenn H 6= ∅ und ab−1 ∈ H für alle a, b ∈ H.
Den Beweis lassen wir als Übung.
Satz 1.3.5. Sei H < Z = (Z, +). Dann gibt es ein (eindeutig bestimmtes) m ∈ Z≥0 ,
so dass H = mZ.
Beweis. Wenn H = {0}, dann folgt m = 0. Wir nehmen also an, dass H 6= {0}.
Sei m die kleinste positive Zahl in H. Dann sind auch −m, 2m = m + m, −2m =
(−m) + (−m) usw. in H. Wir haben also mZ ⊂ H. Sei k ∈ H. Wir schreiben
k = qm + r mit 0 ≤ r < m. Da k ∈ H und qm ∈ H folgt, dass r ∈ H. Da m
die kleinste positive Zahl in H ist, muss r = 0 sein. Also gilt k = qm ∈ mZ und
H ⊂ mZ.

1.4 Gruppen-Homomorphismen
Definition 1.4.1. Seien (G, ∗) und (G0 , ∗0 ) Gruppen. Sei ϕ : G −→ G0 , so dass

ϕ(g ∗ h) = ϕ(g) ∗0 ϕ(h)

für alle g, h ∈ G. Dann heißt ϕ ein (Gruppen-)Homomorphismus. Ein Homomor-


phismus heißt Isomorphismus wenn er bijektiv ist. Falls G0 = G, dann nennt man
ein Isomorphismus auch Automorphismus. Mit Aut(G) bezeichnen wir die Gruppe
der Automorphismen von G.
Definition 1.4.2. Zwei Gruppen G und G0 heißen isomorph, wenn es einen Isomor-
phismus ϕ : G −→ G0 gibt. Wir schreiben dann G ' G0 .
Bemerkung 1.4.3. (a) Es gilt ϕ(eG ) = eG0 und ϕ(g −1 ) = ϕ(g)−1 für alle g ∈ G.
(b) ϕ ist ein Isomorphismus genau dann, wenn ϕ−1 ein Isomorphismus ist.
(c) Aut(G) < S(G).
Definition 1.4.4. Sei ϕ : G −→ G0 ein Homomorphismus. Der Kern von ϕ ist

Ker ϕ := {g ∈ G | ϕ(g) = eG0 } ⊂ G.

Das Bild von ϕ ist


Im ϕ := {ϕ(g) | g ∈ G} ⊂ G0 .
6 Kapitel 1. Gruppen

Bemerkung 1.4.5. (a) Ker ϕ < G und Im ϕ < G0 .


(b) ϕ ist injektiv genau dann, wenn Ker ϕ = {e}.
Beispiel 1.4.6. (a) exp : (R, +) −→ (R \ {0}, ·) ist ein injektiver Homomorphismus
(da exp(a + b) = exp(a) · exp(b)), mit Im(exp) = R>0 und Ker(exp) = {0}.
(b) exp : (R, +) −→ (R>0 , ·) ist ein Isomorphismus, also gilt (R, +) ' (R>0 , ·).
(c) det : GLn (K) −→ (K \ {0}, ·) ist ein Homomorphismus,  da det(A · B) = det A ·
det B. Weiter ist det surjektiv, weil det diag(λ, 1, 1, . . . , 1) = λ für alle λ ∈ K \ {0},
und es gilt Ker(det) = SLn (K).
(d) Sei H < G und sei iH : H −→ G mit iH (h) = h. Dann ist iH ein injektiver
Homomorphismus.
(e) Die Abbildung ϕ : G −→ G mit ϕ(g) = g −1 ist ein Homomorphismus genau
dann, wenn G abelsch ist: es gilt ϕ(ab) = (ab)−1 = b−1 a−1 und ϕ(a)ϕ(b) = a−1 b−1 .
Also gilt ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b) genau dann, wenn b−1 a−1 = a−1 b−1 genau dann, wenn
ab = ba.
(f) ϕ : G −→ S(G) mit ϕ(g) = lg ist ein injektiver Homomorphismus. Ebenso ist
ϕ : G −→ S(G) mit ϕ(g) = rg−1 ein injektiver Homomorphismus.
(g) Sei ϕ : Z −→ Zn mit ϕ(k) = Rest von k bei Division durch n. Dann ist ϕ ein
surjektiver Homomorphismus, mit Ker ϕ = nZ.
(h) Sei a ∈ G und sei ϕa : G −→ G mit ϕa (g) = aga−1 . Dann ist ϕa ∈ Aut(G), da
ϕa (g1 g2 ) = ag1 g2 a−1 = ag1 a−1 ag2 a−1 = ϕa (g1 )ϕa (g2 ). Dieser Automorphismus ϕa
heißt die Konjugation mit a.
Satz 1.4.7 (Cayley). Sei G eine endliche Gruppe. Dann ist G isomorph zu einer
Untergruppe von S|G| .
Beweis. Sei G = {g1 , . . . , gn } mit n = |G| < ∞ und sei ψ : {1, . . . , n} −→ G
mit ψ(k) = gk . Dann ist ψ eine bijektive Abbildung. Sei ϕ : G −→ Sn mit ϕ(g) =
ψ −1 ◦ lg ◦ ψ. Dann ist ϕ injektiv und ein Homomorphismus, weil
ϕ(g1 g2 ) = ψ −1 ◦lg1 g2 ◦ψ = ψ −1 ◦lg1 ◦lg2 ◦ψ = ψ −1 ◦lg1 ◦ψ ◦ψ −1 ◦lg2 ◦ψ = ϕ(g1 )◦ϕ(g2 ).
e : G −→ Im ϕ ein Isomorphismus und deswegen gilt G ' Im ϕ < Sn .
Also ist ϕ
Satz 1.4.8. Sei G eine Gruppe und sei g ∈ G. Dann gilt:
(a) ϕg : Z −→ G mit ϕg (n) = g n ist ein Homomorphismus;
(b) jeder Homomorphismus ϕ : Z −→ G ist von dieser Form.
Beweis. Wir beweisen nur Teil (b): sei g = ϕ(1). Dann gilt ϕ(0) = e = g 0 und für
n > 0 haben wir
ϕ(n) = ϕ(1 + . . . + 1) = ϕ(1) · · · ϕ(1) = ϕ(1)n = g n ,
ϕ(−n) = ϕ(−1 . . . − 1) = ϕ(−1)n = g −n .
1.5 Nebenklassen 7

Definition 1.4.9. Sei G eine Gruppe ein sei g ∈ G. Wir definieren die Untergruppe
hgi < G durch
hgi := Im(ϕg ) = {g n | n ∈ Z} ⊂ G.
Die Untergruppe hgi heißt die von g erzeugte Untergruppe. Wir definieren die Ord-
nung von g durch
ord(g) := |hgi|.
Bemerkung 1.4.10. Sei G eine endliche abelsche Gruppe und sei g ∈ G. Da hgi
eine Untergruppe von G ist, gilt ord(g) ≤ |G|.
 
1 2 3 4
Beispiel 1.4.11. (a) Sei G = S4 und sei σ = ∈ G. Dann gilt
2 3 4 1
     
2 1 2 3 4 3 1 2 3 4 4 1 2 3 4
σ = , σ = und σ = = e.
3 4 1 2 4 1 2 3 1 2 3 4

Deswegen gilt ord(σ) = 4.    n 


2 0 n 2 0
(b) Sei G = GL2 (R) und sei g = ∈ G. Dann ist g = und
0 3 0 3n
ord(g) = ∞.

1.5 Nebenklassen
Definition 1.5.1. Sei G eine Gruppe und sei H < G eine Untergruppe. Wir
definieren die Linksnebenklasse von a ∈ G durch

aH := la (H) = {ah | h ∈ H},

und die Rechtsnebenklasse durch

Ha := ra (H) = {ha | h ∈ H}.

Lemma 1.5.2. Sei H < G und a, b ∈ G.


(a) Wenn a ∈ H, dann ist aH = H.
(b) Es gilt entweder aH = bH oder aH ∩ bH = ∅.
(c) G ist die disjunkte Vereinigung von Nebenklassen, d.h.
[
G= ar H
gewisse
ar ∈G

und ai H ∩ aj H = ∅ für i 6= j.
8 Kapitel 1. Gruppen

(d) |aH| = |bH|.


Und analog für Rechtsnebenklassen.
Beweis. (a) Folgt da H eine Untergruppe und la bijektiv ist.
(b) Sei aH ∩ bH 6= ∅. Wir folgern daraus aH = bH: sei g ∈ aH ∩ bH. Dann gibt
es h1 , h2 ∈ H, so dass g = ah1 = bh2 . Daraus folgt a = bh2 h−1 −1
1 . Da h2 h1 in H ist,
folgt dann a ∈ bH, also aH ⊂ bH. Aus Symmetriegründen gilt auch bH ⊂ aH.
(c) Sei a ∈ G. Dann ist a in der Nebenklasse aH. Wir können G also schreiben als
Vereinigung von Nebenklassen. Mit Teil (b) können wir die Nebenklassen so wählen,
dass sie disjunkt sind.
(d) Da la : H −→ aH eine bijektive Abbildung ist, folgt |aH| = |H| für alle
a ∈ G.
Definition 1.5.3. Mit G/H bezeichnen wir die Menge {aH | a ∈ G} der Links-
nebenklassen und mit H\G die Menge {Ha | a ∈ G} der Rechtsnebenklassen.
Definition 1.5.4. Die Anzahl |G/H| der Linksnebenklassen heißt der Index von H
in G und wird mit [G : H] bezeichnet.
Satz 1.5.5 (Lagrange). Sei G eine endliche Gruppe und sei H < G. Dann gilt

|G| = [G : H] · |H|.
Sn
Beweis. Folgt sofort aus Lemma 1.5.2 Teil (c) und (d): es gilt G = r=1 ar H mit
n = [G : H] und ai H ∩ aj H = ∅ für i 6= j, und es folgt
n
X n
X
|G| = |ar H| = |H| = n|H|.
r=1 r=1

Bemerkung 1.5.6. Aus Satz 1.5.5 folgt, dass |H| ein Teiler von |G| ist. Insbeson-
dere ist ord(g) ein Teiler von |G| für alle g ∈ G.
Beispiel 1.5.7. Sei G eine Gruppe mit |G| = p, wobei p eine Primzahl ist, und sei
H < G. Da |H| ein Teiler von p ist, gilt entweder |H| = 1 (d.h. H = {e}) oder
|H| = p (d.h. H = G).
Korollar 1.5.8. Sei G eine endliche Gruppe und sei a ∈ G. Dann gilt

a|G| = e.

Beweis. Sei a ∈ G. Wir betrachten hai, k = |hai| = ord(a) und l = [G : hai]. Dann
gilt also ak = e und |G| = kl. Daraus folgt

a|G| = akl = (ak )l = el = e.


1.6 Normalteiler und Faktorgruppen 9

 
1 2 3
Beispiel 1.5.9. Sei G = S3 und σ = ∈ G. Dann ist H = hσi = {id, σ}
2 1 3
eine Untergruppe von G von Ordnung 2. Es gibt also [G : H] = 3 Linksnebenklassen:
   
1 2 3 1 2 3
H = idH = σH = , ,
1 2 3 2 1 3
       
1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3
H= H= , ,
1 3 2 3 1 2 1 3 2 3 1 2
       
1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3
H= H= , .
3 2 1 2 3 1 3 2 1 2 3 1

Die Rechtsnebenklassen sind


   
1 2 3 1 2 3
H = Hid = Hσ = , ,
1 2 3 2 1 3
       
1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3
H =H = , ,
1 3 2 2 3 1 1 3 2 2 3 1
       
1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3
H =H = , .
3 2 1 3 1 2 3 2 1 3 1 2

Wir sehen, dass es hier a ∈ G gibt, so dass aH 6= Ha.


Beispiel 1.5.10. (a) Sei G = (R\{0}, ·) und H = (R>0 , ·). Dann ist G die disjunkte
Vereinigung der Linksnebenklassen H und (−1)H. Deswegen gilt [G : H] = 2.
(b) Wir betrachten mZ < Z. Die Links- und Rechtsnebenklassen sind k + mZ mit
k ∈ Z. Dann ist H\G = G/H = {k + mZ | 0 ≤ k < m − 1} und [G : H] = m.

1.6 Normalteiler und Faktorgruppen


Im Allgemeinen ist G/H keine Gruppe. Wir können versuchen eine Verknüpfung

(aH) ∗ (bH) = (ab)H

zu definieren, aber (im Allgemeinen) ist diese Verknüpfung nicht wohldefiniert.


Definition 1.6.1. Sei H < G. Dann heißt H normale Untergruppe oder Normal-
teiler , wenn die Links- und Rechtsnebenklassen gleich sind:

gH = Hg

für alle g ∈ G. Wir schreiben dann H C G.


Beispiel 1.6.2. Aus Beispiel 1.5.9 folgt, dass H = hσi kein Normalteiler von S3 ist.
10 Kapitel 1. Gruppen

Bemerkung 1.6.3. (a) Jede Gruppe G hat die trivialen Normalteiler {e} und G.
(b) In einer abelschen Gruppe ist jede Untergruppe Normalteiler.
(c) Die Normalteilerrelation ist nicht transitiv: aus A C B und B C C folgt im
Allgemeinen nicht A C C.
Definition 1.6.4. Eine Gruppe G die nur die trivialen Normalteiler {e} und G hat,
heißt einfach.
Lemma 1.6.5. Sei H < G. Dann sind folgende Aussagen äquivalent
(a) aH = Ha für alle a ∈ G;
(b) aHa−1 ⊂ H für alle a ∈ G;
(a) aHa−1 = H für alle a ∈ G.
Beweis. (a) ⇒ (b): Sei g ∈ aHa−1 . Dann gibt es ein h ∈ H, so dass g = aha−1 .
Da wir annehmen, dass aH = Ha, gibt es ein h0 ∈ H, so dass ah = h0 a gilt. Daraus
folgt dann, dass g = aha−1 = h0 aa−1 = h0 ∈ H.
(b) ⇒ (c): Wir nehmen an, dass aHa−1 ⊂ H gilt für alle a ∈ G. Dann gilt insbeson-
dere auch a−1 Ha ⊂ H. Sei h ∈ H. Da h = a(a−1 ha)a−1 folgt, dass h ∈ aHa−1 und
deshalb gilt H ⊂ aHa−1 . Zusammen mit der Voraussetzung folgt die Gleichheit.
(c) ⇒ (a): Wir zeigen nur Ha ⊂ aH. Analog zeigt man aH ⊂ Ha. Sei g ∈ Ha, d.h.
g = ha mit h ∈ H. Da H = aHa−1 gibt es ein h0 ∈ H, so dass h = ah0 a−1 . Dann
folgt g = ha = ah0 ∈ aH. Also Ha ⊂ aH.
Bemerkung 1.6.6. Sei H < G. Um zu zeigen, dass H C G, reicht es also nachzu-
weisen, dass aha−1 ∈ H für alle a ∈ G und alle h ∈ H.
Beispiel 1.6.7. (a) Sei ϕ : G −→ H ein Homomorphismus. Sei g ∈ Ker(ϕ) < G
und sei a ∈ G. Dann gilt
ϕ(aga−1 ) = ϕ(a)ϕ(g)ϕ(a)−1 = ϕ(a)ϕ(a)−1 = e.
Also gilt aga−1 ∈ Ker(ϕ) und es folgt, dass Ker(ϕ) C 
G. 
2 1 2 3
(b) Sei G = S3 und sei H = hσi = {e, σ, σ } mit σ = . Dann gilt H C G.
2 3 1
(c) SLn (R) C GLn (R), da det(ABA−1 ) = det A det B(det A)−1 = det B = 1 für alle
A ∈ GL2 (R) und B ∈ SLn (R).
(d) Sei H < G, so dass [G : H] = 2, dann gilt H C G (Übung).
Satz 1.6.8. Sei N C G ein Normalteiler. Dann ist die Verknüpfung ∗ : G/N ×
G/N −→ G/N gegeben durch
g1 N ∗ g2 N = (g1 g2 )N
wohldefiniert und die Menge G/N mit dieser Verknüpfung ist eine Gruppe. Hierbei
gilt eG/N = N und (aN )−1 = a−1 N .
1.6 Normalteiler und Faktorgruppen 11

Beweis. Um die Wohldefiniertheit der Verknüpfung zu zeigen, müssen wir nach-


weisen, dass bei der Wahl anderer Repräsentanten das Gleiche heraus kommt: falls
aN = a0 N und bN = b0 N dann muss auch (ab)N = (a0 b0 )N gelten. Aus Lemma
1.5.2 folgt, dass gN = g 0 N genau dann gilt, wenn g ∈ g 0 N . Es genügt also zu zeigen,
dass ab ∈ (a0 b0 )N . Aus aN = a0 N und bN = b0 N folgt, dass es n1 , n2 ∈ N gibt mit
a = a0 n1 und b = b0 n2 . Da N b0 = b0 N gilt, gibt es ein n3 ∈ N mit n1 b0 = b0 n3 . Daraus
folgt dann
ab = a0 n1 b0 n2 = a0 b0 n3 n2 ∈ a0 b0 N.
Die Assoziativität, die Existenz des neutralen Elements und die Existenz des inversen
Elements sind klar. Damit ist G/N eine Gruppe.

Definition 1.6.9. Sei N CG ein Normalteiler. Die Menge G/N mit der Verknüpfung
g1 N ∗ g2 N := (g1 g2 )N heißt Faktorgruppe oder Quotientengruppe.

Korollar 1.6.10. Sei N C G ein Normalteiler. Dann ist die Abbildung π : G −→


G/N mit π(a) = aN ein surjektiver Homomorphismus mit Ker π = N .

Beweis. Aus Satz 1.6.8 folgt unmittelbar, dass π ein Homomorphismus ist. Die
Surjektivität und Ker π = N folgt aus Lemma 1.5.2.

Satz 1.6.11. Sei ϕ : G −→ G0 ein Gruppenhomomorphismus. Dann gilt

G/ Ker ϕ ' Im ϕ.

e : G/ Ker ϕ −→ Im ϕ mit
Ein entsprechender Isomorphismus ist gegeben durch ϕ
ϕ(g
e Ker ϕ) = ϕ(g).

Bemerkung 1.6.12. Wir haben folgendes kommutative Diagramm.


ϕ
G G0

π ϕ
e
G/ Ker ϕ

Beweis. Sei N = Ker ϕ. Im Beispiel 1.6.7 haben wir gesehen, dass N C G. Wir
e falls aN = a0 N , dann gilt a = a0 h mit
zeigen zuerst die Wohldefiniertheit von ϕ:
h ∈ N und es folgt
ϕ(a) = ϕ(a0 h) = ϕ(a0 )ϕ(h) = ϕ(a0 ),
also ist ϕ
e wohldefiniert. Die Abbildung ϕ
e ist ein Homomorphismus, da

ϕ(aN
e ∗ bN ) = ϕe (ab)N = ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b) = ϕ(aN
e )ϕ(bN
e ).
12 Kapitel 1. Gruppen

e = {N }:
Für die Injektivität genügt es (nach Bemerkung 1.4.5) zu zeigen, dass Ker ϕ
sei aN ∈ Ker ϕ, e dann gilt e = ϕ(aN e ) = ϕ(a). Daraus folgt a ∈ Ker ϕ = N und
aN = N . Surjektivität: sei g ∈ Im ϕ, dann gibt es ein a ∈ G, so dass ϕ(a) = g.
Daraus folgt ϕ(aN
e ) = ϕ(a) = g und damit ist ϕ
e surjektiv.

Beispiel 1.6.13. (a) Sei ϕ : Z −→ Zn mit ϕ(k) = Rest von k bei Division durch n.
Im Beispiel 1.4.6(g) haben wir gesehen, dass Ker ϕ = nZ und Im ϕ = Zn . Deswegen
gilt Z/nZ ' Zn .
(b) Sei ϕ : GLn (K) −→ K∗ = K \ {0} gegeben durch ϕ(A) = det A. Im Beispiel
1.4.6(c) haben wir gesehen, dass Ker ϕ = SLn (K) und Im ϕ = K∗ . Deswegen gilt
GLn (K)/ SLn (K) ' K∗ .

Es gibt noch zwei weitere Isomorphiesätze.

Satz 1.6.14. Sei H < G und N C G. Wir definieren HN = H · N := {hn | h ∈


H, n ∈ N }. Dann gilt

(a) HN < G,

(b) N C HN ,

(c) (H ∩ N ) C H,

(d) H/(H ∩ N ) ' HN/N .

Beweis. (a) Es gilt e ∈ HN , da e ∈ H und e ∈ N . Sei g ∈ HN . Dann gilt g = hn


mit h ∈ H ⊂ G und n ∈ N . Da N C G gibt es ein n0 ∈ N , so dass hn−1 h−1 = n0 .
Daraus folgt g −1 = n−1 h−1 = h−1 n0 ∈ HN . Seien h1 n1 , h2 n2 ∈ HN . Dann gilt
(h1 n1 )(h2 n2 ) = h1 n1 h2 n2 = h1 h2 n01 n2 ∈ HN , wobei n1 h2 = h2 n01 gilt da N C G und
h2 ∈ G. Damit ist HN eine Untergruppe von G.
(b) Sei g = hn ∈ HN und m ∈ N , dann folgt gmg −1 = h(nmn−1 )h−1 ∈ N , da
nmn−1 ∈ N und N C G. Damit ist N C HN .
(c) Sei g ∈ H und m ∈ H ∩ N . Dann gilt m ∈ H und m ∈ N . Es folgt, dass
gmg −1 ∈ H, da H < G, und dass, gmg −1 ∈ N , da N C G. Damit ist gmg −1 ∈ H ∩ N
und gilt (H ∩ N ) C H.
(d) Wir betrachten ϕ : H −→ HN/N gegeben durch ϕ(h) = hN . Wir können
einfach sehen, dass ϕ ein Homomorphismus
S ist und, dass ϕ surjektiv ist (folgt mit
Hilfe des Lemmas 1.5.2 und h∈H hN = HN ). Weiter gilt

Ker ϕ = {h ∈ H | hN = N } = {h ∈ H | h ∈ N } = H ∩ N.

Aus Satz 1.6.11 folgt dann

H/(H ∩ N ) ' HN/N.


1.7 Äußeres und inneres direktes Produkt 13

Satz 1.6.15. Sei H C G und sei N , so dass N < H und N C G. Dann gilt
(a) N C H,

(b) H/N C G/N ,

(c) (G/N )/(H/N ) ' G/H.


Beweis. (a) Da gN g −1 ⊂ N gilt für alle g ∈ G, gilt insbesondere gN g −1 ⊂ N für
alle g ∈ H ⊂ G.
(b) Sei a ∈ G/N und b ∈ H/N , also a = gN , mit g ∈ G und b = hN , mit h ∈ H.
Dann gilt

aba−1 = gN ∗ hN ∗ (gN )−1 = (ghg −1 )N = h0 N ∈ H/N,

wobei h0 = ghg −1 ∈ H, da H C G.
(c) Wir betrachten ϕ : G/N −→ G/H gegeben durch ϕ(aN ) = aH. Diese Abbildung
ist wohldefiniert: sei aN = a0 N , dann gilt a−1 a0 ∈ N . Daraus folgt a−1 a0 ∈ H und
a0 H = aH.
Die Abbildung ϕ ist ein Homomorphismus, da

ϕ(aN ∗ bN ) = ϕ (ab)N = (ab)H = aH ∗ bH = ϕ(aN ) ∗ ϕ(bN ),

für alle aN, bN ∈ G/N . Weiter gilt

Ker ϕ = {gN ∈ G/N | gH = H} = {gN | g ∈ G, gH = H}


= {gN | g ∈ H} = H/N,
Im ϕ = G/H.

Die Behauptung folgt dann aus Satz 1.6.11.

1.7 Äußeres und inneres direktes Produkt


Satz 1.7.1. Seien G1 und G2 Gruppen. Wir betrachten das kartesische Produkt

G1 × G2 := {(g1 , g2 ) | g1 ∈ G1 , g2 ∈ G2 },

mit der Verknüpfung


(a1 , a2 ) ∗ (b1 , b2 ) := (a1 b1 , a2 b2 ).
Dann ist G1 × G2 eine Gruppe.
Definition 1.7.2. Die Gruppe G1 × G2 heißt (äußeres) direktes Produkt von G1
und G2 .
14 Kapitel 1. Gruppen

Beweis. Die Assoziativität folgt sofort aus der Assoziativität von G1 und G2 . Das
Einselement ist (e, e) = (eG1 , eG2 ), und das Inverse von (g1 , g2 ) ∈ G1 × G2 ist
(g1−1 , g2−1 ).

Bemerkung 1.7.3. (a) Falls G1 und G2 abelsch sind, dann ist auch G1 ×G2 abelsch.
(b) Die Projektion πi : G1 × G2 −→ Gi mit πi (g1 , g2 ) = gi (i = 1, 2) ist ein Homo-
morphismus.
(c) Die Gruppen G1 × {e} ' G1 und {e} × G2 ' G2 sind normale Untergruppen
von G1 × G2 .
(d) Jedes Element von G1 × G2 lässt sich eindeutig schreiben als Produkt

(g1 , g2 ) = (g1 , e) ∗ (e, g2 ).

(e) Gilt G1 ' G01 und G2 ' G02 , dann gilt auch

G1 × G2 ' G01 × G02

(seien ϕ1 : G1 −→ G01 und ϕ2 : G2 −→ G02 Isomorphismen, dann ist auch ϕ :


G1 × G2 −→ G01 × G02 mit ϕ(g1 , g2 ) = ϕ1 (g1 ), ϕ2 (g2 ) ein Isomorphismus).


Lemma 1.7.4. Seien N1 , N2 C G, mit N1 ∩ N2 = {e}. Dann gilt

n1 n2 = n2 n1

für alle n1 ∈ N1 und alle n2 ∈ N2 .

Beweis. Wir betrachten

g := (n1 n2 )(n2 n1 )−1 = n1 n2 n−1 −1


1 n2 .

Da n2 n1−1 n−1 −1
2 ∈ N1 , folgt g ∈ N1 . Ebenso folgt aus n1 n2 n1 ∈ N2 , dass g ∈ N2 . Also
gilt g ∈ N1 ∩ N2 = {e}. Daraus folgt g = e und n1 n2 = n2 n1 .

Satz 1.7.5. Seien N1 , N2 C G, mit N1 ∩ N2 = {e} und N1 · N2 = G. Dann gilt

N1 × N2 ' G.

Definition 1.7.6. In diesem Fall heißt G (inneres) direktes Produkt von N1 und
N2 . Wir schreiben dann
G = N1 × N2 .

Beweis. Wir betrachten ϕ : N1 × N2 −→ G mit ϕ(n1 , n2 ) = n1 n2 . Mit Hilfe des


Lemmas 1.7.4 folgt unmittelbar, dass ϕ ein Homomorphismus ist. Offensichtlich ist ϕ
surjektiv und auch ist ϕ injektiv: sei (g1 , g2 ) ∈ Ker ϕ, dann gilt e = ϕ(g1 , g2 ) = g1 g2
1.7 Äußeres und inneres direktes Produkt 15

und g2 = g1−1 . Also gilt g2 ∈ N1 , und da auch g2 ∈ N2 gilt, folgt, dass g2 = e und
g1 = g2−1 = e. Wir haben also gefunden, dass
Ker ϕ = {(e, e)}.
Nach Bemerkung 1.4.5 ist ϕ injektiv. Damit ist ϕ ein Isomorphismus und gilt N1 ×
N2 ' G.
Beispiel 1.7.7. Wir betrachten G = Z6 , N1 = {0, 3} C G und N2 = {0, 2, 4} C G.
Dann gilt N1 ∩ N2 = {0}, und auch N1 N2 = G (0 = 0 + 0, 1 = 3 + 4, 2 = 0 + 2,
3 = 3 + 0, 4 = 0 + 4 und 5 = 3 + 2). Dann folgt also
N1 × N2 ' Z6 ' Z/6Z.
Da N1 ' Z2 ' Z/2Z (ϕ : Z2 −→ N1 mit ϕ(k) = 3k ist ein Isomorphismus) und
N2 ' Z3 ' Z/3Z (ϕ : Z3 −→ N2 mit ϕ(k) = 2k ist ein Isomorphismus) folgt dann
Z/6Z ' Z/2Z × Z/3Z.
Bemerkung 1.7.8. Allgemeiner gilt
Z/mnZ ' Z/mZ × Z/nZ,
für ganze Zahlen m und n die keinen Teiler gemeinsam haben. Falls m und n einen
Teiler gemeinsam haben gilt es nicht. Zum Beispiel
Z/4Z 6' Z/2Z × Z/2Z,
weil Z/4Z zyklisch von Ordnung 4 ist, und jedes Element in Z/2Z × Z/2Z Ordnung
höchstens 2 hat.
Satz 1.7.5 können wir auch Verallgemeinern auf endlich viele Faktoren.
Definition 1.7.9. Seien G1 , . . . , Gk Gruppen. Dann ist das äußere direkte Produkt
von G1 , . . . , Gk gegeben durch
G1 × · · · × Gk := {(g1 , . . . , gk ) | g1 ∈ G1 , . . . , gk ∈ Gk }.
Das Produkt G1 · · · Gk ist gegeben durch
G1 · · · Gk := {g1 · · · gk ∈ G | g1 ∈ G1 , . . . , gk ∈ Gk }.
Satz 1.7.10. Seien N1 , . . . , Nk C G, mit

Ni ∩ (N1 · · · Ni−1 Ni+1 · · · Nk = {e},
für alle 1 ≤ i ≤ k, und N1 · · · Nk = G. Dann gilt
G ' N1 × · · · × Nk .
16 Kapitel 1. Gruppen

1.8 Operationen von Gruppen auf Mengen


Definition 1.8.1. Sei G eine Gruppe und sei M eine (nichtleere) Menge. Eine
Operation von G auf M ist eine Abbildung
G × M −→ M,
(g, m) 7→ g(m),
so dass

(a) (g1 g2 )(m) = g1 g2 (m) für alle g1 , g2 ∈ G und alle m ∈ M ;
(b) e(m) = m für alle m ∈ M .

Beispiel 1.8.2. (a) Sei M = G und g(m) := gm. Dann gilt (g1 g2 )(m) = g1 g2 (m)
weil die Verknüpfung in G assoziativ ist, und e(m) = m gilt, da e das Einselement
in G ist.
(b) Sei G = GLn (K), sei M = Kn = Mn,1 (K) (Spaltenvektoren) und sei die Opera-
tion von G auf M gegeben durch g(m) := g · m.
(c) Sei G = GLn (K), M = Mn,n (K) und sei die Operation von G auf M gegeben
durch Konjugation: g(m) := gmg −1 ∈ M . Tatsächlich gilt
(g1 g2 )(m) = (g1 g2 )m(g1 g2 )−1 = g1 (g2 mg2−1 )g1−1 = g1 g2 (m) ,


e(m) = eme−1 = m.
(d) Sei G = GLm (K) × GLn (K) und M = Mm,n (K), wobei (g1 , g2 ) ∈ G operiert per
(g1 , g2 )(m) := g1 mg2−1
auf M .
Definition 1.8.3. Operiert G auf M und ist m ∈ M , so heißt die Menge
G(m) := {g(m) ∈ M | g ∈ G} ⊂ M
die Bahn von m unter der Operation von G. Die Menge
StabG (m) = Gm := {g ∈ G | g(m) = m} ⊂ G
heißt der Stabilisator von m in G.
Beispiel 1.8.4. (a) Sei M = G mit der Operation durch Konjugation: g(m) =
gmg −1 . Dann heißen die Bahnen Konjugationsklassen.
(b) Sei G = GLn (K), M = Mn,n (K) und sei die Operation von G auf M gegeben
durch Konjugation: g(m) := gmg −1 ∈ M . In der linearen Algebra haben wir gesehen:
dass eine Matrix m diagonalisierbar ist, bedeutet, dass wir eine Diagonalmatrix d
finden können, so dass m ∈ G(d) (oder umgekehrt d ∈ G(m)).
1.8 Operationen von Gruppen auf Mengen 17

Definition 1.8.5. Operiert G auf M , dann heißt diese Operation transitiv, falls es
ein m ∈ M gibt, so dass
G(m) = M.
Bemerkung 1.8.6. Eine Operation von G auf M ist transitiv, falls sie nur eine
Bahn besitzt.
Definition 1.8.7. Operiert G auf M und ist m ∈ M , dann heißt m Fixpunkt der
Operation, falls
G(m) = {m},
d.h. g(m) = m für alle g ∈ G.
Bemerkung 1.8.8. Operiert G auf M , dann ist m ∈ M ein Fixpunkt der Operation
genau dann, wenn Gm = G.
Beispiel 1.8.9. (a) H < G operiert auf G durch Linksmultiplikation: h(g) = hg
für h ∈ H und g ∈ G. Die Bahnen H(g) = {hg | h ∈ H} sind Rechtsnebenklassen.
Für H 6= {e} gibt es keine Fixpunkte und keine nichttrivialen Stabilisatoren (d.h.
StabH (g) = Hg = {e} für alle g ∈ G).
(b) Sei G = On = {A ∈ GLn (R) | AT A = I} und sei M = Rn . Dann gilt kAvk = kvk
und die Bahnen G(v) sind
G(v) = {x ∈ Rn | kxk = kvk}.
Sei v ∈ Rn und sei A ∈ Gv , dann gilt Av = v, also ist v ein Eigenvektor von A zum
Eigenwert 1. Nach Lemma 1.78 (Skript LA II) gibt es ein g ∈ On und ein A0 ∈ On−1 ,
so dass  
−1 1 O
gAg = .
O A0
Damit kann man zeigen, dass der Stabilisator Gv isomorph zu On−1 ist.
Beispiel 1.8.10. Wir betrachten das regelmäßige n-Eck Pn mit Eckpunkten ζnk ,
2πi
wobei 0 ≤ k < n und ζn = e n ist. Die Diedergruppe Dn ist definiert durch
Dn := {A ∈ O2 | A(Pn ) = Pn } < O2
(Isometrien von R2 die Pn auf sich abbilden). In Dn gibt es n Drehungen und n
Spiegelungen, also gilt |Dn | = 2n. Wir betrachten
cos 2π 2π
   
− sin 1 0
x= n n ∈ Dn und y= ∈ Dn .
sin 2π
n
cos 2π
n
0 −1
Dann ist xk eine Drehung um den Winkel 2πkn
, und es gilt xn = e. Die Spiegelungen
k 2
sind gegeben durch x y, und es gilt y = e. Weiter können wir einfach verifizieren,
dass
xk y = yx−k und (xk y)2 = e,
für alle 0 ≤ k < n.
18 Kapitel 1. Gruppen

ζn2
ζn3

ζn


n
1
O

ζnn−1

Die Gruppe Dn wird erzeugt von x und y mit den Relationen

xn = e, y2 = e und (xy)2 = e.

Wir schreiben
Dn = hx, y | xn = y 2 = (xy)2 = ei.
Explizit haben wir

Dn = {e, x, x2 , . . . , xn−1 , y, xy, x2 y, . . . , xn−1 y}.

Wir betrachten D4 und die Operation von D4 auf M = {d1 , d2 } (die Diagonalen
von P4 ).

d1 g g(d1 ) g(d2 )
e d1 d2
x d2 d1
x2 d1 d2
x3 d2 d1
y d2 d1
xy d1 d2
x2 y d2 d1
d2 x3 y d1 d2
Daraus sehen wir G(d1 ) = M = G(d2 ), also ist die Operation transitiv. Weiter
gilt Gd1 = {e, x2 , xy, x3 y} und Gd1 < D4 .
Satz 1.8.11. Operiert G auf M , dann
(a) für alle m ∈ M gilt Gm < G;
1.8 Operationen von Gruppen auf Mengen 19

(b) für m, n ∈ M gilt entweder G(m) = G(n) oder G(m) ∩ G(n) = ∅;


(c) für m ∈ M gibt es eine Bijektion ϕ : G/Gm −→ G(m) (insbesondere gilt
[G : Gm ] = |G(m)| und |G| = |Gm | · |G(m)|);
(d) für m ∈ M , g ∈ G und n = g(m) gilt Gn = gGm g −1 und |Gn | = |Gm |.
Beweis. (a) Da e(m) = m, gilt e ∈ Gm und Gm 6= ∅. Seien a, b ∈ Gm , dann ist
auch ab−1 ∈ Gm : es gilt a(m) = m und b(m) = m, also folgt

(ab−1 )(m) = (ab−1 ) b(m) = a (b−1 b)(m) = a(m) = m.


 

Damit ist Gm eine Untergruppe von G.


(b) Sei a ∈ G(m) ∩ G(n), dann gibt es g1 , g2 ∈ G, so dass a = g1 (m) = g2 (n). Daraus
folgt
m = g1−1 g2 (n) = (g1−1 g2 )(n) ∈ G(n),


und g(m) = (gg1−1 g2 )(n) ∈ G(n) für alle g ∈ G. Also gilt G(m) ⊂ G(n). Aus
Symmetriegründen gilt auch G(n) ⊂ G(m).
(c) Wir betrachten die Abbildung ϕ : G/Gm −→ G(m) gegeben durch ϕ(gGm ) =
g(m). Diese Abbildung ist wohldefiniert: gilt gGm = g 0 Gm , dann folgt g −1 g 0 ∈ Gm ,
(g −1 g 0 )(m) = m und g(m) = g 0 (m). Wir sehen sofort, dass ϕ surjektiv ist. Auch
ist ϕ injektiv: gilt ϕ(gGm ) = ϕ(g 0 Gm ), dann folgt g(m) = g 0 (m), m = (g −1 g 0 )(m),
g −1 g 0 ∈ Gm und gGm = g 0 Gm .
(d) Sei m ∈ M , sei g ∈ G und sei n = g(m), dann gilt

Gn = {a ∈ G | a(n) = n} = {a ∈ G | a g(m) = g(m)}
= {a ∈ G | (g −1 ag)(m) = m} = {a ∈ G | g −1 ag ∈ Gm } = gGm g −1 .

Da die Konjugation eine bijektive Abbildung ist, folgt auch |Gn | = |Gm |.
Definition 1.8.12. Sei G eine Gruppe. Dann heißt die Menge

Z(G) := {g ∈ G | ga = ag für alle a ∈ G}

das Zentrum von G. Die Menge

C(g) := {a ∈ G | ag = ga}

heißt der Zentralisator von g in G.


Bemerkung 1.8.13. (a) Z(G) C G;
(b) Z(G) ist abelsch;
(c) G ist abelsch genau dann, wenn Z(G) = G;
(d) C(g) < GT für alle g ∈ G;
(e) Z(G) = g∈G C(g).
20 Kapitel 1. Gruppen

Beispiel 1.8.14. Operiert G auf G durch Konjugation (also g(a) = gag −1 für alle
a, g ∈ G), dann gilt
Ga = {g ∈ G | g(a) = a} = {g ∈ G | gag −1 = a} = {g ∈ G | ga = ag} = C(a).
Satz 1.8.15 (Bahnengleichung). Sei G eine endliche Gruppe, die auf M operiert.
Dann gilt X
|M | = [G : Ga ],
a∈A
wobei A ein Repräsentantensystem der Bahnen ist (d.h. aus jeder Bahn wählen wir
genau ein Element).
Beweis. Nach Satz 1.8.11(b) ist M die disjunkte Vereinigung der Bahnen, also
G
M= G(a).
a∈A

Daraus folgt X X
|M | = |G(a)| = [G : Ga ],
a∈A a∈A
wobei |G(a)| = [G : Ga ] gilt nach Satz 1.8.11(c).
Bemerkung 1.8.16. Operiert G auf G durch Konjugation, dann gilt
a ∈ Z(G) ⇔ gag −1 = a für alle g ∈ G ⇔ G(a) = {a} ⇔ |G(a)| = 1.
Satz 1.8.17 (Klassengleichung). Sei G eine endliche Gruppe. Operiert G auf G
durch Konjugation, dann gilt
Xr
|G| = |Z(G)| + [G : C(ai )],
i=1
|G(ai )|>1

wobei {a1 , . . . , ar } ein Repräsentantensystem der Bahnen ist (also G = tri=1 G(ai )).
Beweis. Nach Satz 1.8.15 und Beispiel 1.8.14 gilt
r
X r
X Xr r
X
|G| = [G : Gai ] = [G : C(ai )] = [G : C(ai )] + [G : C(ai )].
i=1 i=1 i=1 i=1
|G(ai )|=1 |G(ai )|>1

Falls |G(ai )| = 1, dann gilt nach Bemerkung 1.8.16 ai ∈ Z(G). Mit Satz 1.8.11(c)
und Beispiel 1.8.14 folgt [G : C(ai )] = 1. Also
r
X
[G : C(ai )] = |Z(G)|
i=1
|G(ai )|=1

und die Behauptung folgt.


1.9 Die Sätze von Sylow 21

1.9 Die Sätze von Sylow


Nach dem Satz von Lagrange wissen wir, dass eine Untergruppe einer Gruppe G
(sofern sie existiert), eine Ordnung hat, die die Ordnung von G teilt. Die Sylow-
Sätze erlauben es, weitere Aussagen über Untergruppen von endlichen Gruppen zu
treffen.
Notation 1.9.1. Die Notation a ≡ b (mod n) bedeutet: a − b ist teilbar durch n.
Wir sagen a ist kongruent b modulo n“. Weiter schreiben wir a b für a teilt b“
” ”
und a6 b für a teilt nicht b“.

Satz 1.9.2.
Sei p eine Primzahl und sei G eine Gruppe mit |G| = pr m, wobei r ≥ 1
und p6 m gilt. Sei 1 ≤ k ≤ r. Dann hat G eine Untergruppe der Ordnung pk .
Definition 1.9.3.
Sei p eine Primzahl und sei G eine Gruppe mit |G| = pr m, wobei
r ≥ 1 und p 6 m gilt. Eine Untergruppe H < G mit |H| = pr heißt p-Sylow-Unter-
gruppe von G.
Korollar 1.9.4 (Erster Sylow-Satz).
Sei p eine Primzahl und sei G eine Gruppe
r
mit |G| = p m, wobei r ≥ 1 und p6 m gilt. Dann hat G eine p-Sylow-Untergruppe.
Beweis des Satzes 1.9.2. Wir betrachten die Menge M aller pk -elementigen Teil-
mengen von G
M = {U ⊂ G | |U | = pk },
und die Operation von G auf M gegeben durch
g(U ) = gU = {gu | u ∈ U }.
Da |gU | = |U | = pk , gilt gU ∈ M und die Operation ist wohldefiniert. Es gilt
   r 
|G| pm pr m(pr m − 1) · · · (pr m − (pk − 1))
|M | = = =
pk pk pk (pk − 1) · · · 1
pk −1
Y pr m − j
r−k
=p m .
j=1
pk − j

Sei 0 ≤ l < k. Es gilt


pr m − j = pk (pr−k m − 1) + (pk − j),

und daraus folgt, dass pl (pr m − j) genau dann, wenn pl (pk − j). Damit folgt,
dass pr−k die maximale p-Potenz ist, die |M | teilt. Wir schreiben M als disjunkte
Vereinigung seiner Bahnen:
G X
M= G(U ), und |M | = |G(U )|,
U ∈A U ∈A
22 Kapitel 1. Gruppen

wobei A ein Repräsentantensystem


der Bahnen ist. Damit sehen wir: es gibt ein
U0 ∈ A, so dass pr−k+1 6 |G(U0 )| (wenn wir annehmen, dass |G(U )| teilbar ist durch
pr−k+1 für alle U ∈ A, dann folgt, dass auch |M | teilbar ist durch pr−k+1 und wir
s
einen Widerspruch). Es gibt also ein s ≤ r − k < r, so dass |G(U0 )| = p w,
erhalten
mit p6 w. Wir betrachten jetzt GU0 . Nach Satz 1.8.11(a) ist GU0 eine Untergruppe
von G. Weiter gilt nach Satz 1.8.11(c)

|G| = |GU0 | · |G(U0 )|.



Daraus folgt, dass pr m = |GU0 | · ps w, und damit sehen wir, dass pr−s |GU0 | (da p
eine Primzahl ist). Da s ≤ r − k folgt k ≤ r − s und

pk |GU0 |. (1.9.1)

Sei u ∈ U0 . Die Abbildung ϕu : GU0 −→ U0 gegeben durch ϕu (g) = gu ist wohl-


definiert (GU0 = {g ∈ G | gU0 = U0 }, also gu ∈ U0 ), und ist injektiv: gilt ϕu (g) =
ϕu (g 0 ), dann folgt gu = g 0 u und g = g 0 . Daraus folgt

|GU0 | ≤ |U0 | = pk .

Zusammen mit der Gleichung (1.9.1) folgt |GU0 | = pk . Damit ist GU0 die gesuchte
Untergruppe von G.
Beispiel 1.9.5. Sei G eine Gruppe der Ordnung 120 und sei H eine nichttriviale
Untergruppe von G. Nach Bemerkung 1.5.6 gilt, dass die Ordnung von H 2, 3, 4,
5, 6, 8, 10, 12, 15, 20, 24, 30, 40 oder 60 ist. Nach Satz 1.9.2 existieren tatsächlich
Untergruppen der Ordnung 2, 3, 4, 5 und 8. Über die Existenz von Untergruppen
der Ordnung 6, 10, 12, 15, 20, 24, 30, 40 oder 60 sagt Satz 1.9.2 nichts.
Definition 1.9.6. Sei p eine Primzahl. Eine Gruppe G, so dass |G| = pr , mit r ≥ 1,
heißt eine p-Gruppe.
Beispiel 1.9.7. Die p-Sylow-Untergruppen einer Gruppe G sind p-Gruppen.
Lemma 1.9.8. Sei G eine p-Gruppe und sei M eine endliche Menge, wobei G
operiert auf M . Sei MG die Menge aller Fixpunkte der Operation, d.h.

MG := {m ∈ M | g(m) = m für alle g ∈ G}.

Dann gilt |M | ≡ |MG | (mod p).


Beweis. Wir schreiben M als disjunkte Vereinigung seiner Bahnen:
G X
M= G(m), und |M | = |G(m)|,
m∈A m∈A
1.9 Die Sätze von Sylow 23

wobei A ein Repräsentantensystem der Bahnen ist. Sei m ∈ A, dann gilt nach Satz
1.8.11(c) pr = |G| = |Gm | · |G(m)|. Daraus folgt, dass |G(m)| pr und |G(m)| = pa
mit 0 ≤ a ≤ r. Es gilt |G(m)| = 1 genau dann, wenn m ein Fixpunkt der Operation
ist. Falls |G(m)| =
6 1, dann gilt p G(m). Damit folgt

|M | ≡ #Fixpunkte = |MG | (mod p).

Bemerkung 1.9.9. Wenn P eine p-Sylow-Untergruppe einer endlichen Gruppe G


ist, dann ist für alle g ∈ G auch gP g −1 eine p-Sylow-Untergruppe.

Satz 1.9.10 (Zweiter Sylow-Satz). Seien P1 und P2 p-Sylow-Untergruppe einer end-


lichen Gruppe G. Dann sind P1 und P2 konjugiert in G, d.h. es gibt ein g ∈ G, so
dass gP1 g −1 = P2 .

Beweis. Sei |G| = pr m, mit r ≥ 1 und p6 m. Dann gilt also |P1 | = |P2 | = pr . Wir
betrachten die Menge M aller Linksnebenklassen von P1 in G

M = {gP1 | g ∈ G}.

Dann operiert P2 auf M durch Linksmultiplikation

a(gP1 ) = (ag)P1 ,

für alle a ∈ P2 und alle gP1 ∈ M . Für die Menge aller Fixpunkte

MP2 = {gP1 ∈ M | agP1 = gP1 für alle a ∈ P2 },

gilt nach Lemma 1.9.8 (P2 ist eine p-Gruppe)

|MP2 | ≡ |M | (mod p).

Nach Satz 1.5.5 gilt


|G| pr m
|M | = [G : P1 ] = = r = m,
|P1 | p

und es folgt, dass p 6 |M | und p 6 |MP2 |. Insbesondere gilt |MP2 | = 6 0, d.h. es gibt
−1
ein gP1 ∈ M mit agP1 = gP1 für alle a ∈ P2 . Daraus folgt, dass g ag ∈ P1 für alle
a ∈ P2 , also g −1 P2 g < P1 . Da |P1 | = |P2 | = |g −1 P2 g|, folgt g −1 P2 g = P1 .

Definition 1.9.11. Sei G eine Gruppe und sei H < G. Die Menge

N (H) = NG (H) := {g ∈ G | gHg −1 = H}

heißt der Normalisator von H in G.


24 Kapitel 1. Gruppen

Bemerkung 1.9.12. (a) Sei M = {H | H < G} die Menge aller Untergruppen


einer Gruppe G. Dann operiert G auf M durch Konjugation: g(H) = gHg −1 . Sei H
eine Untergruppe von G, dann gilt

StabG (H) = {g ∈ G | g(H) = H} = {g ∈ G | gHg −1 = H} = NG (H).

(b) Die Gruppe H ist eine normale Untergruppe von N (H): sei g ∈ N (H) und
h ∈ H, dann gilt ghg −1 ∈ H.
(c) NG (H) = G ⇔ H C G.

Satz 1.9.13 (Dritter Sylow-Satz).


Sei p eine Primzahl und sei G eine Gruppe mit
r
|G| = p m, wobei
r ≥ 1 und p6 m gilt. Sei np die Anzahl der p-Sylow-Untergruppen.

Dann gilt np m und np ≡ 1 (mod p).

Beweis. Sei M die Menge aller p-Sylow-Untergruppen und sei P ∈ M . Dann


operiert P auf M durch Konjugation: g(Q) = gQg −1 für alle g ∈ P und alle Q ∈ M .
Wir betrachten die Menge aller Fixpunkte dieser Operation

MP = {Q ∈ M | gQg −1 = Q für alle g ∈ P }.

Sei Q ∈ MP , dann gilt also gQg −1 = Q für alle g ∈ P . Damit folgt, dass P < N (Q).
Weiter gilt nach Bemerkung 1.9.12(b), dass Q C N (Q). Da P und Q beide p-Sylow-
Untergruppen von G sind, sind P und Q auch p-Sylow-Untergruppen von N (Q) < G.
Nach Satz 1.9.10 gibt es ein g ∈ N (Q), mit gQg −1 = P . Da Q C N (Q) gilt dann

P = gQg −1 = Q.

Wir haben also gefunden, dass MP = {P }. Daraus folgt |MP | = 1 und nach Lemma
1.9.8 gilt
np = |M | ≡ 1 (mod p). (1.9.2)
Wir betrachten jetzt die Operation von G auf M durch Konjugation. Sei P ∈ M .
Aus Bemerkung 1.9.9 und Satz 1.9.10 folgt

G(P ) = {gP g −1 | g ∈ G} = M.

Mit Hilfe des Satzes 1.8.11(c) sehen wir dann, dass np = |M | = |G(P )| ein Teiler
von |G| = pr m ist, also
np pr m.

Nach Gleichung (1.9.2) ist np nicht teilbar durch p, also gilt np m.

Korollar 1.9.14. Eine p-Sylow-Untergruppe einer endlichen Gruppe G ist normal


in G genau dann, wenn np = 1.
1.9 Die Sätze von Sylow 25

Beweis. Sei M die Menge aller p-Sylow-Untergruppen und sei P ∈ M . Wir betra-
chten die Operation von G auf M durch Konjugation. Wie im Beweis des Satzes
1.9.13 haben wir
G(P ) = {gP g −1 | g ∈ G} = M,
und np = |M | = |G(P )|. Dann gilt

np = 1 ⇔ G(P ) = {P } ⇔ gP g −1 = P für alle g ∈ G ⇔ P C G.

Beispiel 1.9.15.
Sei G eine Gruppe mit |G| = 42 = 2 · 3 · 7. Sei p = 7. Nach Satz
1.9.13 gilt n7 6 und n7 ≡ 1 (mod 7). Daraus folgt, dass n7 = 1. Sei P die 7-Sylow-

Untergruppe von G. Nach Korollar 1.9.14 gilt P C G. Da |P | = 7 gilt P 6= {e} und
P 6= G. Nach Definition 1.6.4 ist G also nicht einfach.

Beispiel
1.9.16. Sei G eine Gruppe mit |G| = 15 = 3 · 5. Nach Satz 1.9.13 gilt
n3 5 und n3 ≡ 1 (mod 3), also n3 = 1. Ebenso gilt n5 = 1. Sei P die 3-Sylow-

Untergruppe von G und sei Q die 5-Sylow-Untergruppe von G. Dann gilt P C G und
Q C G. Wir betrachten
P · Q.
Dann gilt P · Q < G und da P < P · Q und Q < P · Q,
folgt, dass 3 |P · Q| und 5 |P · Q|. Daraus folgt |P · Q| = 15 und P · Q = G. Auch
gilt P ∩ Q = {e}, da P ∩ Q eine Untergruppe
von P und auch von Q ist, und also
gilt |P ∩ Q| |P | = 3 und |P ∩ Q| |Q| = 5. Nach Satz 1.7.5 gilt dann G ' P × Q.

Nach Aufgabe 3.2(2) gilt

P ' Z/3Z und Q ' Z/5Z,

also folgt G ' Z/3Z × Z/5Z. Mit Bemerkung 1.7.8 folgt sogar

G ' Z/15Z.

Beispiel 1.9.17. Sei G eine Gruppe mit |G| = pq, wobei p und q verschiedene
Primzahlen sind. Wir zeigen, dass G dann nicht einfach ist: ohne Beschränkung
der
Allgemeinheit können wir annehmen, dass p > q. Nach Satz 1.9.13 gilt np q (also

np = 1 oder np = q) und np ≡ 1 (mod p). Da p > q folgt daraus, dass np = 1. Damit
ist die p-Sylow-Untergruppe normal in G und ist G nicht einfach.

Beispiel 1.9.18. Sei G eine Gruppe der Ordnung pq, wobei p und q Primzahlen
sind mit p > q und q 6 (p − 1). Dann kann man ähnlich wie im Beispiel 1.9.16
zeichen, dass
G ' Z/pqZ.
Insbesondere ist G zyklisch und abelsch.

Beispiel 1.9.19. Sei G eine Gruppe mit |G| = 30. Wir zeigen, dass G dann nicht
einfach ist: es gilt n3 10 und n3 ≡ 1 (mod 3). Wir haben also zwei Möglichkeiten:
26 Kapitel 1. Gruppen

n3 = 1 oder n3 = 10. Ist n3 = 1, dann ist |G| nicht einfach. Wir nehmen nun an, dass
es 10 3-Sylow-Untergruppen in G gibt. Da der Durchschnitt je zweier verschiedener
3-Sylow-Untergruppen trivial ist (sind P1 und P2 zwei 3-Sylow-Untergruppen, dann
ist P1 ∩ P2 eine Untergruppe von P1 , also gilt |P1 ∩ P2 | = 1 oder |P1 ∩ P2 | = 3),
enthalten die 3-Sylow-Untergruppen also insgesamt 10·2
= 20 Elemente der Ordnung
3 und das neutrale Element. Ebenso haben wir n5 6 und n5 ≡ 1 (mod 5), also ist

n5 = 1 oder n5 = 6. Ist n5 = 6, dann enthält G in diesen 6 5-Sylow-Untergruppen
6 · 4 = 24 Elemente der Ordnung 5. Damit erhalten wir einen Widerspruch:

20 + 24 = 44 > 30 = |G|.

Deswegen gilt n5 = 1, und damit ist G nicht einfach.


Kapitel 2

Ringe

2.1 Ringe, Integritätsringe und Körper


Definition 2.1.1. Ein Ring (R, +, ·) ist eine (nichtleere) Menge R mit zwei Ver-
knüpfungen

+ : R × R −→ R, · : R × R −→ R,
(a, b) 7→ a + b, (a, b) 7→ a · b,

so dass

(a) (R, +) ist eine abelsche Gruppe mit neutralem Element 0 und Inversen −a zu
a;

(b) (R, ·) ist assoziativ (also a · (b · c) = (a · b) · c für alle a, b, c ∈ R) und besitzt


ein neutrales Element 1 6= 0 (also a · 1 = 1 · a = a für alle a ∈ R);

(c) für alle a, b, c ∈ R gelten die Distributiv gesetze

a · (b + c) = (a · b) + (a · c),
(a + b) · c = (a · c) + (b · c).

Definition 2.1.2. Ein Ring heißt kommutativer Ring, falls ab = ba gilt für alle
a, b ∈ R.

Bemerkung 2.1.3. Es gilt

0 · a = (0 + 0) · a = 0 · a + 0 · a,

also folgt 0 = 0 · a für alle a ∈ R.


28 Kapitel 2. Ringe

Beispiel 2.1.4. (a) (Z, +, ·), (Q, +, ·), (R, +, ·) und (C, +, ·) sind kommutative
Ringe.
(b) (Mn,n (K), +, ·) ist ein Ring. Für n ≥ 2 ist dieser Ring nicht kommutativ.
(c) K[x] = {Polynome über K} ist ein Ring.
(d) (Z, , ) mit
a  b := a + b − 1,
a b := a + b − ab,
ist ein kommutativer Ring.
Definition 2.1.5. Sei R ein Ring. Eine Teilmenge S ⊂ R heißt Unterring, falls
(a) (S, +) ist eine Untergruppe von (R, +);
(b) 1 ∈ S und für alle a, b ∈ S gilt ab ∈ S.
Definition 2.1.6. Sei R ein Ring. Sei a ∈ R, a 6= 0. Falls es ein b ∈ R, b 6= 0 gibt,
so dass ab = 0 oder ba = 0 gilt, dann heißt a ein Nullteiler.
Beispiel 2.1.7. Wir betrachten R = (Z6 , +, ·) mit die Addition und Multiplikation
wie im Beispeil 1.1.5. Dann ist R ein Ring. Das Element 2 ist ein Nullteiler, da
2 · 3 = 0.
Definition 2.1.8. Ein kommutativer Ring R heißt Integritätsring, falls R keine
Nullteiler hat.
Bemerkung 2.1.9. Sei R ein Integritätsring. Falls ab = 0 gilt, dann folgt daraus,
dass a = 0 oder b = 0.
Definition 2.1.10. Sei R ein Ring und sei a ∈ R. Falls es ein b ∈ R gibt, so dass
ab = 1 = ba, dann heißt a eine Einheit. Wir schreiben dann b = a−1 . Die Menge
aller Einheiten eines Rings R bezeichnen wir mit R∗ .
Bemerkung 2.1.11. (a) Sei R ein kommutativer Ring, dann ist (R∗ , ·) eine abelsche
Gruppe (die so genannte Einheitengruppe von R).
(b) Eine Einheit a ist sowohl eine Linkseinheit (es gibt ein b ∈ R mit ab = 1) als
auch eine Rechtseinheit (es gibt ein b ∈ R mit ba = 1). Übrigens gibt es Ringe, in der
es Elemente gibt, die eine Linkseinheit, aber keine Rechtseinheit (oder umgekehrt)
sind: als Beispiel betrachten wir M∞,∞ (R) und die Teilmenge R der Matrizen, die
in jeder Zeile und in jeder Spalte nur endlich viele Einträge haben die verschieden
von Null sind. Dann ist R ein Ring. Sei
 
0 1
 0 1 g 
 
A=
 0 1  ∈ R.

g .. 

 0 . 
..
.
2.2 Ideale und Hauptideale 29

Dann gilt AAT = I∞ . Damit ist A eine Linkseinheit (und AT eine Rechtseinheit).
Für jede Matrix B ∈ R gilt (BA)i,1 = 0 für alle i ≥ 1, also gilt BA 6= I∞ . Damit ist
A keine Rechtseinheit (und ebenso ist AT keine Linkseinheit).
Definition 2.1.12. Sei R ein Ring. Falls R∗ = R\{0} ist, dann heißt R Schiefkörper.
Ein kommutativer Schiefkörper heißt Körper.
Bemerkung 2.1.13. Ein Körper ist ein Integritätsring.
Beispiel 2.1.14. (a) R = (Z, +, ·) ist ein Integritätsring mit R∗ = {−1, 1}.
(b) Q, R und C sind Körper, da Q∗ = Q \ {0}, R∗ = R \ {0} und C∗ = C \ {0}.
(c) Z∗6 = {1, 5}
(d) K[x]∗ = K∗ = K \ {0}
Definition 2.1.15. Eine Teilmenge S eines Körpers R, die selbst mit dessen Oper-
ationen auch ein Körper bildet, nennen wir ein Teilkörper.
Beispiel 2.1.16. (a) Q ist ein Teilkörper von R und R ist ein Teilkörper von C.
(b) Die Teilmenge Q(i) := {a + bi | a, b ∈ Q} ⊂ C (die Gaußschen Zahlen) ist ein
Teilkörper von C. Auch ist Q ein Teilkörper von Q(i). Das Inverse zu z = a + bi ∈
Q(i) ist  
−1 1 a − bi a −b
z = = 2 = 2 + i ∈ Q(i).
a + bi a + b2 a + b2 a2 + b 2
Die Teilmenge Z[i] = {a + bi | a, b ∈ Z} ⊂ Q(i) (die ganzen Gaußschen Zahlen) ist
ein Unterring von Q(i), aber kein Teilkörper: Sei z = a + bi ∈ Z[i]∗ , dann gibt es ein
w = c + di ∈ Z[i] mit zw = 1. Daraus folgt |z|2 |w|2 = 1. Da |z|2 = a2 + b2 ∈ Z≥0 und
|w|2 = c2 + d2 ∈ Z≥0 , folgt a2 + b2 = 1. Damit sehen wir, dass Z[i]∗ = {1, −1, i, −i}.

2.2 Ideale und Hauptideale


In diesem Abschnitt ist R immer ein kommutativer Ring.
Definition 2.2.1. Ein Ideal I ist eine Teilmenge I ⊂ R, so dass
(a) (I, +) ist eine Untergruppe von (R, +);
(b) ri ∈ I für alle r ∈ R und alle i ∈ I.
Beispiel 2.2.2. Sei R = (Z, +, ·) und sei n ∈ Z. Dann ist I = nZ ein Ideal von R.
Bemerkung 2.2.3. (a) Im Allgemeinen sind Ideale keine Unterringe (da im Allge-
meinen 1 6∈ I).
(b) Ist I ein Ideal von R und gilt 1 ∈ I, dann folgt r · 1 = r ∈ I für alle r ∈ R, also
gilt I = R.
(c) Jeder Ring hat die trivialen Ideale {0} und R.
30 Kapitel 2. Ringe

Beispiel 2.2.4. Seien I1 und I2 Ideale von R, dann sind die folgenden Teilmenge
auch Ideale von R
(a) I1 + I2 := {a + b | a ∈ I1 , b ∈ I2 };
(b) I1 · I2 := { ki=1 ai bi | ai ∈ I1 , bi ∈ I2 , k ≥ 1};
P

(c) I1 ∩ I2 . Hierbei gilt I1 · I2 ⊂ I1 ∩ I2 .


Beispiel 2.2.5. Sei I ein Ideal des Körpers R. Sei a ∈ I, a 6= 0, dann hat a ein
Inverses b und deswegen gilt ab = 1 ∈ I. Mit Bemerkung 2.2.3(b) folgt dann, dass
I = R. Ein Körper halt also nur die trivialen Ideale {0} und R.
Definition 2.2.6. Sei a ∈ R. Die Menge hai = Ra = {ra | r ∈ R} heißt das von a
erzeugte Hauptideal.
Bemerkung 2.2.7. Das von a erzeugte Hauptideal hai ist ein Ideal.
Definition 2.2.8. Ein Hauptidealring ist ein Integritätsring, in dem jedes Ideal ein
Hauptideal ist.
Bemerkung 2.2.9. In einem Hauptidealring wird also jedes Ideal von einem Ele-
ment erzeugt.
Beispiel 2.2.10. Z ist ein Hauptidealring: sei I ⊂ Z ein Ideal. Dann ist also (I, +)
eine Untergruppe von (Z, +), und nach Satz 1.3.5 gibt es ein m ∈ Z≥0 , so dass
I = mZ = hmi.
Beispiel 2.2.11. Z[i] ist ein Hauptidealring: sei I ⊂ Z[i] ein Ideal. Wir betrachten
die Normabbildung N : Q(i) −→ Q≥0 gegeben durch N (a+bi) = a2 +b2 . Da I ⊂ Z[i],
gilt N (I) ⊂ Z≥0 und deswegen gibt es ein d ∈ I \ {0}, so dass N (d) minimal ist.
Sei α ∈ I beliebig. Wir betrachten αd ∈ Q(i). Dann gibt es ein β ∈ Z[i], so dass
N ( αd − β) < 1. Da die Norm multiplikativ ist (N (α1 α2 ) = N (α1 )N (α2 )) folgt
N (α − βd) < N (d).
Es gilt α, d ∈ I und β ∈ Z[i], also folgt βd ∈ I und α − βd ∈ I. Da wir d ∈ I \ {0}
so gewählt haben, dass N (d) minimal ist, folgt α − βd = 0, also gilt α = βd und
I = hdi.
3i

2i
α
i d β

0 1 2 3 4
2.3 Faktorringe 31

Beispiel 2.2.12. Wir betrachten R = Z[x] (die Menge aller Polynome mit Koef-
fizienten in Z), und I = {f (x) ∈ R | 3 f (0)}. Dann ist I ein Ideal von R, aber I ist
kein Hauptideal. Damit ist Z[x] kein Hauptidealring.
√ √
Beispiel 2.2.13.
√ Wir betrachten
√ R = Z[ −5] := {m + n −5 | m, n ∈ Z} und
I = {m + n −5 ∈ Z[ −5] | m ≡ n (mod 2)}. Da 1 6∈ I, gilt I 6= R, und wir
können einfach verifizieren, dass I ein Ideal von R ist. I ist aber kein Hauptideal:
wir nehmen an, dass√ es ein α ∈ R gibt, so dass I = hαi. Dann gibt es also r1 , r2 ∈ R
mit 2 = r1 α und 1 + −5 √ = r2 α. Wir betrachten die Normabbildung N : R −→ Z≥0
2 2
gegeben durch N (a + b −5) = a + 5b . Da N (α1 α2 ) = N (α1 )N (α2 ), folgt,
√ dass
N (2) = N (r1 )N (α), also N (α) N (2) = 4. Ebenso haben wir N (α) N (1 + −5) =

6. Daraus folgt, dass N (α) = 1 oder N (α) = 2. Wir schreiben α = a + b −5,
mit a, b ∈ Z. Da die Gleichung N (α) = a2 + 5b2 = 2 keine Lösungen hat, folgt
N (α) = a2 +5b2 = 1 und a = ±1, b = 0. Damit ist α = ±1 und es folgt I =√hαi = R.
Wir erhalten also einen Widerspruch. Damit ist I kein Hauptideal und√Z[ −5] kein
Hauptidealring. Übrigens ist I das kleinste Ideal in R, das 2 und 1 + −5 enthält.

2.3 Faktorringe
Auch in diesem Abschnitt ist R immer ein kommutativer Ring.
Sei I ⊂ R ein Ideal. Dann ist also (I, +) eine Untergruppe von (R, +). Da die
Addition kommutativ ist, gilt sogar (I, +) C (R, +). Nach Satz 1.6.8 ist R/I dann
eine Gruppe mit der Verknüpfung + : R/I × R/I −→ R/I gegeben durch

(a1 + I) + (a2 + I) = (a1 + a2 ) + I,

wobei a1 , a2 ∈ R. Wir können auch eine Multiplikation auf R/I definieren.


Satz 2.3.1. Die Verknüpfung · : R/I × R/I −→ R/I gegeben durch

(a1 + I) · (a2 + I) = a1 a2 + I

ist wohldefiniert und (R/I, +, ·) ist ein Ring.


Bemerkung 2.3.2. (a) Es gilt (a + I) = (a0 + I) genau dann, wenn a − a0 ∈ I.
(b) Das Nullelement in R/I ist 0 + I = I und das Einselement in R/I ist 1 + I.
Beweis des Satzes 2.3.1. Falls a1 + I = a01 + I und a2 + I = a02 + I, dann ist

a1 a2 − a01 a02 = a1 (a2 − a02 ) +a02 (a1 − a01 ) ∈ I.


| {z } | {z }
∈I ∈I

Also gilt a1 a2 + I = a01 a02 + I, und die Multiplikation ist wohldefiniert. Die Assozi-
tivität und Distributivität sind klar.
32 Kapitel 2. Ringe

Definition 2.3.3. Der Ring (R/I, +, ·) heißt Faktorring.

Beispiel 2.3.4. Sei R = Z und sei I = nZ. Dann ist R/I = Z/nZ ein Ring mit der
Addition und Multiplikation modulo n.

2.4 Primideale und maximale Ideale


Sei R noch immer ein kommutativer Ring.

Definition 2.4.1. Sei P 6= R ein Ideal von R. Falls für alle a, b ∈ R mit ab ∈ P
gilt, dass a ∈ P oder b ∈ P , dann heißt P ein Primideal.

Beispiel 2.4.2. Sei R = Z und sei P = nZ, mit n ≥ 2. Dann ist P ein Primideal
von R genau dann, wenn n eine Primzahl ist: es gilt a ∈ P genau dann, wenn n a.
Wenn n eine Primzahl ist, dann folgt aus n ab, dass n a oder

n b. Damit ist P

ein Primideal.
Falls
n nicht eine Primzahl ist, dann folgt aus n ab nicht unbedingt,

dass n a oder n b, z.B. 6 12 = 3 · 4, aber 66 3 und 66 4.

Satz 2.4.3. P ist ein Primideal von R genau dann, wenn R/P ein Integritätsring
ist.

Beweis. Sei P ein Primideal und sei (a + P )(b + P ) = P = 0 + P , dann folgt, dass
(ab + P ) = P und ab ∈ P . Da P Prim ist, folgt a ∈ P , d.h. (a + P ) = P , oder b ∈ P ,
d.h. (b + P ) = P . Damit ist R/P nullteilerfrei. Andersrum: sei R/P nullteilerfrei.
Dann folgt aus ab ∈ P , dass (a + P )(b + P ) = ab + P = P und a + P = P , d.h.
a ∈ P , oder b + P = P , d.h. b ∈ P . Damit ist P ein Primideal.

Definition 2.4.4. Ein Ideal M 6= R von R heißt maximal, falls für alle Ideale I von
R mit M ⊂ I ⊂ R gilt, dass I = M oder I = R.

Beispiel 2.4.5. M = 2Z ist ein maximales Ideal von R = Z: sei I ein Ideal von Z
mit 2Z ⊂ I ⊂ Z. Nach Beispiel 2.2.10 gibt es ein m ∈ Z≥0 mit I = mZ. Die einzige
Zahlen m, für die mZ alle gerade Zahlen enthält sind m = 1 (d.h. I = Z = R) und
m = 2 (d.h. I = 2Z = M ).

Satz 2.4.6. M ist ein maximales Ideal von R genau dann, wenn R/M ein Körper
ist.

Beweis. Sei M ein maximales Ideal von R, und sei a + M ∈ R/M mit a + M 6=
0 + M . Dann gilt also a 6∈ M . Sei I = hai + M = {ra + m | r ∈ R, m ∈ M }.
Dann ist I ein Ideal von R, und es gilt M ( I ⊂ R (es gilt M 6= I, da a ∈ I
und a 6∈ M ). Da M maximal ist, folgt I = R. Da 1 ∈ R folgt daraus, dass es ein
r ∈ R und ein m ∈ M gibt mit ra + m = 1. Somit ist (a + M )(r + M ) = 1 + M ,
2.5 Ringhomomorphismen 33

d.h. (a + M )−1 = r + M , und somit ist R/M ein Körper. Sei umgekehrt R/M ein
Körper und sei I ein Ideal von R mit M ( I ⊂ R. Dann folgt, dass es für alle
a + M 6= 0 + M = M ein b + M ∈ R/M gibt mit (a + M )(b + M ) = 1 + M . Anders
gesagt: für alle a 6= M gibt es ein b ∈ R mit ab − 1 ∈ M ⊂ I. Sei a ∈ I, a 6∈ M .
Dann gibt es also ein b ∈ R mit ab − 1 ∈ I. Da I ein Ideal ist und a ∈ I, gilt ab ∈ I
und auch 1 = ab − (ab − 1) ∈ I. Nach Bemerkung 2.2.3(b) gilt dann I = R. Damit
ist M maximal.

Bemerkung 2.4.7. (a) Da Körper Integritätsringe sind, folgt aus Satz 2.4.3 und
Satz 2.4.6, dass maximale Ideale auch Primideale sind.
(b) Umgekehrt sind nicht alle Primideale maximale Ideale: sei R = Z[x] und sei
P = hxi = {f (x) ∈ Z[x] | f (0) = 0}. Dann ist P ein Primideal von R. Sei I =
{f (x) ∈ Z[x] | f (0) ist gerade}, dann ist I ein Ideal von R und es gilt P ( I ( R.
Damit ist P nicht maximal.

2.5 Ringhomomorphismen
Definition 2.5.1. Seien (R, +, ·) und (R0 , +0 .·0 ) Ringe. Sei ϕ : R −→ R0 , so dass

ϕ(a + b) = ϕ(a) +0 ϕ(b),


ϕ(a · b) = ϕ(a) ·0 ϕ(b),
ϕ(1R ) = 1R0 ,

für alle a, b ∈ R. Dann heißt ϕ ein (Ring)Homomorphismus. Ein Homomorphismus


heißt Isomorphismus wenn er bijektiv ist. Falls (R0 , +0 , ·0 ) = (R, +, ·), dann nennt
man ein Isomorphismus auch Automorphismus.

Definition 2.5.2. Zwei Ringe R und R0 heißen isomorph, wenn es einen Isomor-
phismus ϕ : R −→ R0 gibt. Wir schreiben dann R ' R0 .

Bemerkung 2.5.3. (a) ϕ ist ein Isomorphismus genau dann, wenn ϕ−1 ein Isomor-
phismus ist.
(b) ϕ induziert einen Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : (R, +) −→ (R0 , +0 ).

Definition 2.5.4. Sei ϕ : R −→ R0 ein Homomorphismus. Der Kern von ϕ ist

Ker ϕ := {r ∈ R | ϕ(r) = 0} ⊂ R.

Das Bild von ϕ ist


Im ϕ := {ϕ(r) | r ∈ R} ⊂ R0 .
34 Kapitel 2. Ringe

Bemerkung 2.5.5. (a) Ker ϕ ist ein Ideal von R.


(b) Im ϕ ist ein Unterring von R0 .
(c) ϕ ist injektiv genau dann, wenn Ker ϕ = {0}.
(d) Sei K ein Körper und sei ϕ : K −→ R ein Homomorphismus. Dann ist Ker ϕ
ein Ideal von K, also nach Beispiel 2.2.5 gilt Ker ϕ = {0} (d.h. ϕ ist injektiv) oder
Ker ϕ = K (d.h. ϕ ist trivial).
Beispiel 2.5.6. Sei (Z, , ) wie im Beispiel 2.1.4(d). Sei ϕ : (Z, +, ·) −→ (Z, , )
gegeben durch ϕ(n) = 1 − n. Dann ist ϕ ein Isomorphismus, also gilt

(Z, , ) ' (Z, +, ·).

Satz 2.5.7 (Homomorphiesatz). Seien R, R0 Ringe und sei ϕ : R −→ R0 ein Homo-


morphismus. Dann ist
R/ Ker ϕ ' Im ϕ.
Beweis. Wir betrachten ψ : R/ Ker ϕ −→ Im ϕ gegeben durch ψ(a+Ker ϕ) = ϕ(a).
Nach Satz 2.3.1 ist R/ Ker ϕ ein Ring, und nach Satz 1.6.11 ist ψ ein Isomorphismus
bezüglich der additiven Gruppen. Das Einselement in R/ Ker ϕ ist 1R + Ker ϕ und
es gilt ψ(1R + Ker ϕ) = ϕ(1R ) = 1R0 . Wir müssen dann nur noch zeigen, dass ψ auch
mit der Multiplikation verträglich ist:
ψ(a + Ker ϕ) · ψ(b + Ker ϕ) = ϕ(a) · ϕ(b) = ϕ(ab)

= ψ(ab + Ker ϕ) = ψ (a + Ker ϕ) · (b + Ker ϕ) .

Definition 2.5.8. Wir betrachten die Ordnung von 1 in (R, +). Falls die Ord-
nung endlich ist, dann nennen wir diese Zahl die Charakteristik von R, schreibweise
char(R). Falls 1 unendliche Ordnung hat, dann definieren wir char(R) := 0.
Lemma 2.5.9. Sei R ein Ring und sei r = char(R). Dann existiert ein injektiver
Homomorphismus Z/rZ −→ R.
n−mal
z }| {
Beweis. Wir betrachten ϕ : Z −→ R gegeben durch ϕ(n) = 1 + 1 + . . . + 1 ∈ R.
Wir können einfach verifizieren, dass ϕ ein Ringhomomorphismus ist, mit Ker ϕ =
rZ. Nach Satz 2.5.7 gibt es ein Isomorphismus ψ : Z/rZ −→ Im ϕ ⊂ R. Die Abbil-
dung ψ 0 : Z/rZ −→ R gegeben durch ψ 0 (a) = ψ(a), für alle a ∈ Z/rZ, ist dann ein
injektiver Ringhomomorphismus.
Bemerkung 2.5.10. Für jeden Integritätsring R (und insbesondere jeden Körper)
ist char(R) entweder 0 oder eine Primzahl: sei char R = n 6= 0. Dann ist n 6= 1 (da
sonst 1 = 0 wäre) und es gilt n = pq mit einer Primzahl p. Sei ϕ wie im Beweis des
Lemmas 2.5.9. Dann gilt ϕ(p) · ϕ(q) = ϕ(pq) = 0. Dann ist ϕ(p) = 0 oder ϕ(q) = 0
und die minimale Wahl von n liefert n = p.
2.6 Euklidische Ringe 35

2.6 Euklidische Ringe


Definition 2.6.1. Ein Integritätsring R heißt euklidisch, falls es eine Abbildung
N : R \ {0} −→ Z≥0 gibt, so dass für alle a, b ∈ R, mit b 6= 0, Elemente q, r ∈ R
existieren mit a = qb + r, und r = 0 oder N (r) < N (b). Diese Abbildung N nennen
wir eine Normabbildung.

Beispiel 2.6.2. (a) Ein Körper ist ein euklidischer Ring (r = 0).
(b) Z ist ein euklidischer Ring mit N (n) = |n|.

Beispiel 2.6.3. Sei K ein Körper. Dann ist der Polynomring in einer Variablen K[x] 
ein euklidischer
 Ring. Die Normabbildung wird dabei gegeben durch N f (x) =
deg f (x) , wobei der Grad deg f (x) eines Polynoms f (x) = a0 + a1 x + . . . + an xn
mit an 6= 0, gleich n ist. Mit der Division mit Rest können wir dann für alle Polynome
f (x) und g(x) 6= 0 Polynome q(x) und r(x) finden, so dass f (x) = q(x)g(x) + r(x),
mit r(x) = 0 oder deg r(x) < deg g(x).

Beispiel 2.6.4. Der Ring der ganzen Gaußschen Zahlen Z[i] ist ein euklidischer
Ring. Die Normabbildung ist N (x + yi) = x2 + y 2 : wie im Beispiel 2.2.11 gibt es für
alle a, b ∈ Z[i], b 6= 0, ein q ∈ Z[i] mit N ( ab − q) < 1. Sei nun r = a − bq. Dann folgt
a = bq + r und N (r) < N (b).

Satz 2.6.5. Sei R euklidisch. Dann ist R ein Hauptidealring.

Beweis. Sei R euklidisch und sei I ein Ideal von R. Sei d ∈ I mit d 6= 0 und N (d)
minimal. Sei a ∈ I beliebig. Da R euklidisch ist, gibt es q, r ∈ R mit a = qd + r,
und N (r) < N (d) oder r = 0. Da r = a − qd in I ist, und N (d) minimal ist, folgt
dann r = 0, d.h. a = qd. Somit ist I = hdi und damit ist I ein Hauptideal und R
ein Hauptidealring.

Bemerkung 2.6.6. Umgekehrt gilt nicht,


√ dass alle Hauptidealringe auch euklidisch
1+ −19
sind. Man kann z.B. zeigen, dass Z[ 2 ] ein Hauptidealring, aber kein euklidischer
Ring ist.

Beispiel 2.6.7. Z, Z[i] und K[x] (K Körper) sind euklidisch und damit Haupt-
idealringe.

2.7 Teilbarkeit und Primfaktorzerlegungen


In diesem Abschnitt ist R immer ein Integritätsring.

Definition 2.7.1. Seien a, b ∈ R. Wenn es ein x ∈ R gibt mit b = ax (d.h. hbi ⊂


hai), dann sagen wir, dass b teilbar ist durch a. Notation: a b ( a teilt b“).

36 Kapitel 2. Ringe


Bemerkung 2.7.2. Es gilt a b und b a (d.h. hai = hbi) genau dann, wenn es eine
Einheit c ∈ R∗ gibt mit b = ac. Wir sagen dann, dass a und b assoziert sind.

Definition 2.7.3. Seien a, b ∈ R und sei d ∈ R, so dass d a, d b und jeder
gemeinsame Teiler von a und b auch d teilt. Dann heißt d größter gemeinsamer
Teiler von a und b. Schreibweise: ggT(a, b).

Bemerkung 2.7.4. (a) Der ggT(a, b) ist nicht eindeutig bestimmt: ist d größter
gemeinsamer Teiler von a und b, dann ist auch cd, mit c ∈ R∗ , größter gemeinsamer
Teiler von a und b. √
(b) Ein ggT(a,
√ b) existiert nicht immer: man kann z.B. zeigen, dass in Z[ −5],
ggT(6, 4 + 2 −5) nicht existiert.
(c) Sei R ein Hauptidealring und seien a, b ∈ R. Da ha, bi := {xa + yb | x, y ∈ R}
ein Ideal von R ist, gibt es also ein d ∈ R mit ha, bi = hdi. Dann ist d größter
gemeinsamer Teiler von a und b.

Definition 2.7.5. Sei p ∈ R, so dass p 6= 0 und p 6∈ R∗ .

(a) p heißt irreduzibel, falls für alle a, b ∈ R mit p = ab gilt, dass a ∈ R∗ oder
b ∈ R∗ . Sonst heißt p reduzibel.

(b) p heißt prim oder Primelement, falls aus p ab folgt, dass p a oder p b.

Bemerkung 2.7.6. p ∈ R ist prim genau dann, wenn hpi ein Primideal ist.

Beispiel 2.7.7. In Z[i] ist die Zahl 5 nicht irreduzibel, da 5 = (1 + 2i)(1 − 2i).
Die Zahlen (1 ± 2i) sind in Z[i] irreduzibel, denn N (1 ± 2i) = 5 und eine weitere
Faktorisierung von 1±2i würde eine weitere Faktorisierung der Zahl 5 ∈ Z bedeuten.

Lemma 2.7.8. Falls p ∈ R prim ist, dann ist p auch irreduzibel.

Bemerkung 2.7.9. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.



Beweis des Lemmas 2.7.8. Sei p ∈ R und
sei p = ab mit a, b ∈ R. Dann gilt p ab
und da p prim ist, folgt, dass p a oder p b. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit

nehmen wir an, dass p a gilt. Dann gibt es also ein c ∈ R mit a = pc. Daraus folgt

p = ab = pcb und p(cb − 1) = 0. Da R ein Integritätsring ist, folgt dann cb − 1 = 0
(p 6= 0). Also gilt cb = 1 und b ∈ R∗ . Damit ist p irreduzibel.

Satz 2.7.10. Sei R ein Hauptidealring und sei p ∈ R, so dass p 6= 0 und p 6∈ R∗ .


Dann sind äquivalent:

(a) p ist irreduzibel;

(b) p ist prim;


2.7 Teilbarkeit und Primfaktorzerlegungen 37

(c) hpi ist ein maximales Ideal.


Beweis. Wir haben gesehen:
hpi maximal ⇒ hpi Primideal ⇒ p prim ⇒ p irreduzibel,
also gilt (c) ⇒ (b) ⇒ (a). Es verbleibt (a) ⇒ (c) zu zeigen. Sei also hpi ⊂ I ⊂ R,
wobei I ein Ideal von R ist. Da R ein Hauptidealring ist, gibt es ein a ∈ R mit
I = hai. Da hpi ⊂ hai, gilt insbesondere, dass p ∈ hai und deswegen gibt es ein
b ∈ R mit p = ab. Da p irreduzibel ist, gilt (a) a ∈ R∗ und dann folgt I = hai = R;
oder (b) b ∈ R∗ und dann folgt a = pb−1 , a ∈ hpi und I = hai = hpi. Somit gilt
I = hpi oder I = R, und damit ist hpi maximal.
Beispiel 2.7.11. (a) Sei R = Z. Da Z ein Hauptidealring ist, sind irreduzibel und
prim äquivalent. Es gilt R∗ = {−1, 1} und p ist prim genau dann, wenn p oder −p
eine Primzahl ist.
(b) Sei K ein Körper. Dann ist R = K[x] ein Hauptidealring, also sind irreduzibel
und prim äquivalent. Z.B. die linearen Polynome x + a, mit a ∈ K, sind irreduzibel
in R.
(c) Sei R = C[x]. Nach dem Fundamentalsatz der Algebra zerfällt jedes nicht-
konstante Polynom in Linearfaktoren
n
Y
f (x) = c (x − ai ).
i=1

Dabei sind (x − ai ) irreduzibel und c ∈ C[x]∗ = C∗ . Also jedes irreduzible nicht-


konstante Polynom hat die Form c(x − a) mit c ∈ C∗ und a ∈ C.
(d) In R[x] ist z.B. auch x2 + 1 irreduzibel. In Q[x] ist x2 − 2 irreduzibel.
Definition 2.7.12. Sei R ein Integritätsring, so dass wir jede von Null verschiedene
Nichteinheit aus R als Produkt von Primelementen schreiben können. Dann heißt
R faktoriell.
Satz 2.7.13. Sei R ein faktorieller Ring, und sei a ∈ R irreduzibel. Dann ist a
prim.
Beweis. Da a irreduzibel ist, ist a keine Einheit, und a lässt sich als Produkt von
Primelementen a = p1 · · · pn schreiben. Da p1 , . . . , pn Nichteinheiten sind, und a
irreduzibel ist, folgt n = 1. Also ist a prim.

Beispiel 2.7.14.√ Z[ −5]
√ ist nicht faktoriell,
da√2 irreduzibel
√ aber nicht prim√ist: es
gilt 2·3 = (1+ −5)(1− −5), also folgt 2 (1+ −5)(1− −5), aber 26 (1± −5),
√ √ √ √
da 1± 2 −5 6∈ Z[ −5]. Sei r = r1 + r2 −5 und s = s1 + s2 −5, so dass rs = 2. Mit

der Normabbildung N (x + y −5) = x2 + 5y 2 folgt (r12 + 5r22 )(s21 + 5s22 ) = 4, und
r2 = s2 = 0. Daraus folgt r = ±1 oder s = ±1. Damit ist 2 irreduzibel.
38 Kapitel 2. Ringe

Satz 2.7.15. Sei R ein Hauptidealring. Dann ist R faktoriell. Sei a ∈ R, so dass a 6=
0 und a 6∈ R∗ , dann ist die Primfaktorzerlegung von a eindeutig bis auf Reihenfolge
und Einheiten.

Bemerkung 2.7.16. Aus Beispiel 2.7.14 und Satz 2.7.15 folgt, dass Z[ −5] kein
Hauptidealring ist (siehe auch Beispiel 2.2.13).
Der Beweis benötigt:
Definition 2.7.17. Sei R ein Ring, so dass jede aufsteigende Folge A1 ⊂ A2 ⊂ · · ·
von Idealen An von R stationär wird, d.h., es gibt ein N ∈ Z>0 mit An = AN für
alle n ≥ N . Dann heißt R noethersch.
Lemma 2.7.18. Jeder Hauptidealring ist noethersch.
Beweis. Sei R ein Hauptidealring, und sei A1 ⊂ A2 ⊂ · · · eine aufsteigende Folge
von Idealen von R. Da R ein Hauptidealring
S ist, gibt es für alle n ≥ 1, ein an ∈ R
mit An = han i. Wir betrachten I := n≥1 han i. Dann gibt es ein a ∈ I mit I = hai,
und ein N ∈ Z>0 mit a ∈ haN i. Daraus folgt, dass I = hai = haN i.
Beweis des Satzes 2.7.15. Sei a ∈ R, so dass a 6= 0 und a 6∈ R∗ . Falls a irre-
duzibel ist, ist a prim. Falls a reduzibel ist, zerlegen wir a in das Produkt a = bc
zweier Nichteinheiten. Da b a haben wir hai ⊂ hbi und wir haben sogar hai ( hbi
(da sonst c eine Einheit wäre). Ebenso haben wir hai ( hci. Diese Konstruktion
können wir für b und c wiederholen, usw. Falls dieses Verfahren nicht nach endlich
vielen Schritten abbricht, so erhalten wir eine aufsteigende Folge von Idealen in R,
die nicht stationär wird. Das steht im Widerspruch zu Lemma 2.7.18. Also hat a eine
Primfaktorzerlegung
a = p1 · · · pn . Sei q1 · · · qm eine andere Primfaktorzerlegung von
a. Da q1 a gilt, und da q1 prim ist, teilt q1 einer der Faktoren p1 , . . . , pn . Wir nehmen

an, dass die Faktoren so geordnet sind, dass q1 p1 . Da q1 irreduzibel ist, folgt dann
q1 = r1 p1 mit r1 ∈ R∗ , also sind p1 und q1 assoziert. Es folgt p2 · · · pn = r1 q2 · · · qn .
So gehen wir weiter mit q2 , q3 , usw. (Induktion!) und finden n = m und pi = ri qi
mit ri ∈ R∗ (bis auf Anordnung).

2.8 Polynomringe
Definition 2.8.1. Sei R ein Ring. Ein Polynom über R hat die Form
a0 + a1 x + . . . + an x n ,
mit n ∈ Z≥0 und ai ∈ R für alle i ∈ {0, 1, . . . , n}. Die ai ∈ R nennen wir die
Koeffizienten des Polynoms. Mit R[x] bezeichnen wir die Menge aller Polynome
über R. Dann bildet R[x] zusammen mit der Addition
X X X
ai x i + bi x i = (ai + bi )xi ,
i i i
2.8 Polynomringe 39

und der Multiplikation


X X X X
ai x i · bi x i = ci x i , mit ci = ak b l ,
i i i k,l
k+l=i

einen Ring, den sogenannten Polynomring über R.


Pn i
Definition 2.8.2. Sei f (x) = i=0 ai x ∈ R[x], mit an 6= 0. Dann heißt n der
Grad des Polynoms f . Notation: n = deg(f ). Der Koeffizient an nennen wir den
Leitkoeffizient von f .

Satz 2.8.3. Sei R ein Integritätsring. Dann ist auch R[x] ein Integritätsring. Weiter
gilt R[x]∗ = R∗ .

Den Beweis lassen wir als Übung.

Definition 2.8.4. Sei f (x) = a0 + . . . + an xn ∈ R[x], und sei t ∈ R. Dann definieren


wir f (t) durch f (t) = a0 + . . . + an tn ∈ R.

Bemerkung 2.8.5. Sei t ∈ R. Die Abbildung ϕt : R[x] −→ R gegeben durch


ϕt (f ) = f (t) ist ein Ringhomomorphismus.

Definition 2.8.6. Sei f ∈ R[x] und sei t ∈ R. Dann heißt t Nullstelle des Polynoms
f , falls f (t) = 0 gilt.

Satz 2.8.7. Sei K ein Körper und sei f ∈ K[x]. Dann ist t ∈ R genau dann eine
Nullstelle von f , wenn (x − t) f .

Beweis. Nach Beispiel 2.6.3 ist K[x] ein euklidischer Ring, also können wir f
schreiben als f (x) = q(x)(x − t) + r(x), mit q, r ∈ R[x] und deg r < deg(x − t) = 1.
Damit ist r(x) = r0 ∈ R konstant. Daraus folgt f (t) = r0 , und wir sehen, dass t
genau dann eine Nullstelle von f ist, wenn r0 = 0.
Aus Satz 2.8.7 folgt mit Induktion:

Satz 2.8.8. Sei K ein Körper, sei f ∈ K[x] und seien t1 , . . . , ts die Nullstellen von
f . Dann ist
f (x) = (x − t1 )m1 · · · (x − ts )ms q(x),
wobei m1 , . . . , ms ∈ Z≥1 und q keine Nullstellen hat.

Definition 2.8.9. Die Zahl mi nennen wir die Vielfachheit der Nullstelle ti .

Bemerkung 2.8.10. Mit Hilfe des Satzes 2.8.8 sehen wir, dass die Anzahl der
Nullstellen von f (gezählt mit Vielfachheit) kleiner oder gleich der Grad von f ist.
40 Kapitel 2. Ringe

Beispiel 2.8.11. Sei R = Z6 und sei f (x) = x2 + x ∈ R[x]. Dann sind 0, 2, 3 und
5 die Nullstellen von f . Die Anzahl der Nullstellen ist hier also größer als der Grad
von f . R ist dann auch kein Körper!

Satz 2.8.12. Sei K ein Körper. Dann ist K[x] faktoriell.

Beweis. K[x] ist ein euklidischer Ring, also auch ein Hauptidealring. Damit ist
K[x] faktoriell.

Bemerkung 2.8.13. Allgemeiner kann man zeigen, dass R[x] faktoriell ist, falls
R ein faktorieller Ring ist (Satz von Gauß). Da Z faktoriell ist, ist dann auch Z[x]
faktoriell.

2.9 Irreduzibilität in Z[x]


Wie kann man eigentlich entscheiden ob ein Polynom in Z[x] irreduzibel ist?

Definition 2.9.1. Sei f ∈ Z[x] \ {0} mit f (x) = nk=0 ak xk . Der Inhalt von f ist
P

cont(f ) := ggT(a0 , . . . , an ) ∈ Z>0 .

Lemma 2.9.2 (Lemma von Gauß).

(a) Seien g, h ∈ Z[x], dann gilt cont(gh) = cont(g) cont(h);

(b) Sei f ∈ Z[x] mit deg(f ) ≥ 1. Falls f irreduzibel ist in Z[x], dann ist f auch
als Polynom in Q[x] irreduzibel.

Beweis. (a) Sei b = cont(g) und c = cont(h). Dann gilt g = be


g mit cont(e
g ) = 1,
und h = ch mit cont(h) = 1. Dann folgt
e e

cont(gh) = bc cont(e
ge
h),
cont(g) cont(h) = bc cont(e
g ) cont(e
h).

Damit sehen wir, dass es genügt die Behauptung zu beweisen für den Fall cont(g) =
cont(h) = 1. Wir nehmen also an,Pdass cont(g) = cont(h) Pn = 1 lgilt und beweisen, dass
dann cont(gh) = 1: sei g(x) = m b
k=0 k x k
, h(x) = l=0 cl x und p eine Primzahl.
Da cont(g) = 1, teilt p nicht alle Koeffizienten von g, und es gibt ein maximales
r ∈ {0, . . . , m} mit p 6 br . Ebenso gibt es ein maximales s ∈ {0, . . . , n} mit p 6 cs .
Pr+s ak mit k ∈ {0, . . . , m + n} die Koeffizienten
Seien von g(x)h(x). Dann gilt ar+s =
k=0 bk cr+s−k . Wir haben r so gewählt, dass p bk für alle k > r. Auch gilt p cl

für alle l > s, also p cr+s−k für alle k < r. Also ist bk cr+s−k teilbar durch p für alle
k 6= r. Für k = r ist bk cr+s−k = br cs nicht teilbar durch p. Damit ist dann auch ar+s
2.9 Irreduzibilität in Z[x] 41


nicht teilbar durch p, und es folgt p 6 cont(gh). Da dies gilt für alle Primzahlen p,
folgt cont(gh) = 1.
(b) Sei f ∈ Z[x] irreduzibel mit deg(f ) ≥ 1, dann ist also cont(f ) = 1 (sonst gilt
f f
f = cont(f ) cont(f )
, wobei cont(f ) und cont(f )
beide nicht in Z[x]∗ = Z∗ sind). Sei
f = gh mit g, h ∈ Q[x]. Dann gibt es a, b ∈ Z, so dass ag, bh ∈ Z[x]. Daraus folgt
abf = (ag)(bh) ∈ Z[x] und

ab = cont(abf ) = cont (ag)(bh) = cont(ag) cont(bh).

Es folgt
ag bh
f= .
cont(ag) cont(bh)
ag ag
Da , bh
cont(ag) cont(bh)
∈ Z[x] und f irreduzibel in Z[x] ist, folgt dann cont(ag) = ±1
bh cont(ag) ∗ ∗ cont(bh)
oder cont(bh) = ±1. Daraus folgt g = ± a ∈ Q = Q[x] oder h = ± b ∈

Q[x] .

n
Satz 2.9.3 (Eisenstein-Kriterium). Sei f ∈ Z[x] mit f (x) = a0 + . . . + an x und
cont(f ) = 1. Sei p eine Primzahl, so dass p6 an , p ai für alle i ∈ {0, 1, . . . , n − 1},
und p2 6 a0 . Dann ist f irreduzibel in Z[x] (und auch in Q[x]).

Beweis. Seien g, h ∈ Z[x] mit g(x) = rk=0 bk xk , br 6= 0, und h(x) = sl=0 cl xl ,


P P
cs 6= 0, so dass f (x) = g(x)h(x). Dann gilt r + s = n und
X
ai = bk c l .
k,l≥0
k+l=i


Insbesondere
gilt a0 = b0 c0 und an = br cs . Nach Annahme
gilt p b0 c0 , also gilt p b0
2
oder p c0 . O.V.d.A. können wir annehmen, dass p b0 gilt. Da p 6 b0 c0 folgt dann


p 6 c0 . Da p 6 br cs gilt p 6 br . Sei nun k die kleinste
Zahl (zwischen 1 und r) mit
p 6 bk . Aus ak = bk c0 + bk−1 c1 + . . . + b0 ck , p bi für alle i < k und p 6 c0 , folgt

dann, dass p 6 ak , also muss k = n sein. Mit k ≤ r ≤ n folgt dann k = r = n,
deg f = deg g und deg h = 0, also gilt h(x) = m ∈ Z \ {0}. Aus f (x) = mg(x) folgt,
dass alle Koeffizienten von f teilbar sind durch m. Da cont(f ) = 1, folgt m = ±1
und h(x) = ±1 ∈ Z[x]∗ . Somit ist f irreduzibel in Z[x].

Bemerkung 2.9.4. Dieses Kriterium ist hinreichend aber nicht notwendig: auch
wenn es für alle Primzahlen nicht erfüllt ist, kann das Polynom trotzdem irreduzibel
sein. Man kann mit diesem Kriterium also manchmal Irreduzibilität nachweisen aber
niemals Zerlegbarkeit eines Polynoms.
42 Kapitel 2. Ringe

Beispiel 2.9.5. (a) Sei f (x) = x5 +3x4 +9x3 +75x2 +12 ∈ Z[x]. Mit dem Eisenstein-
Kriterium mit p = 3 sehen wir, dass f irreduzibel ist.
3 4
(b) Sei f (x) = 25 x + 35 x2 + 25 x+ 53 ∈ Q[x]. Dann gilt 25f (x) = 3x4 +15x2 +10x+15 ∈
Z[x]. Mit dem Eisenstein-Kriterium mit p = 5 sehen wir, dass 25f irreduzibel ist,
also auch f .
(c) Sei p eine Primzahl und sei f (x) = xn − p. Dann ist f irreduzibel, und es folgt,

dass n p 6∈ Q.
Pp p
 k−1 p

p2.9.6. Sei ppeine Primzahl und sei f (x) = k=1 2k x p = (1+x) −1 /x.
Beispiel
Da p 6 p = 1, p k für alle k ∈ {1, . . . , p − 1} und p 6 1 = p, folgt, dass f
irreduzibel ist. Damit ist auch f (x − 1) = (xp − 1)/(x − 1) = 1 + x + . . . + xp−1
irreduzibel (jede Zerlegung von f (x−1) hätte auch eine Zerlegung von f (x) geliefert).
Bemerkung 2.9.7. Wie im Beispiel 2.9.6 können wir Satz 2.9.3 nicht immer di-
rekt anwenden. Manchmal müssen wir einen Trick verwenden: f (x) ist genau dann
irreduzibel, wenn f (x + c) (c ∈ Z) irreduzibel ist.
Beispiel 2.9.8. Wir betrachten f (x) = x3 + 8x2 + 23x + 21. Dann ist f genau dann
irreduzibel, wenn fe(x) = f (x − 1) = x3 + 5x2 + 10x + 5 irreduzibel ist. Nach Satz
2.9.3 mit p = 5, ist fe irreduzibel, also ist auch f irreduzibel.
Bemerkung 2.9.9. Eine andere Möglichkeit um Irreduzibilität nachzuweisen ist
mit Hilfe der Reduktion modulo p: sei p eine Primzahl, dann ist Zp ein Körper (wir
können einfach sehen, dass Zp ein Integritätsring ist und nach Aufgabe 5.3 ist Zp ein
Körper). Wir betrachten ϕ : Z −→ Zp mit ϕ(k) = Rest von k bei Division durch p.
Dann ist ϕ ein Ringhomomorphismus. Dieser Homomorphismus setzt sich fort zu
einem Ringhomomorphismus Φ : Z[x] −→ Zp [x], wobei Φ(a0 + . . . + an xn ) = ϕ(a0 ) +
. . . + ϕ(an )xn . Sei f = gh in Z[x], dann gilt also Φ(f ) = Φ(g)Φ(h) in Zp [x]. Falls
Φ(f ) irreduzibel in Zp [x] ist, und p nicht den Leitkoeffizient von f teilt, dann folgt
daraus, dass f irreduzibel ist in Z. Der Vorteil von Zp [x] ist die Endlichkeit von Zp :
es gibt nur endlich viele Polynome f ∈ Zp [x] mit deg(f ) = n.
Beispiel 2.9.10. Sei f (x) = x4 + 5x2 + 15x + 7. Modulo 5 haben wir Φ(f ) = x4 + 2.
Indem wir 0, 1, 2, 3 und 4 einsetzen, sehen wir, dass Φ(f ) keine Nullstellen in Z5
hat. Falls Φ(f ) reduzibel ist, gilt also Φ(f ) = gh mit deg(g) = deg(h) = 2. Also gilt
x4 + 2 = (x2 + ax + b)(x2 + cx + d),
mit a, b, c, d ∈ Z5 . Koeffizientenvergleich liefert die Gleichungen a+c = 0, ac+b+d =
0, ad + bc = 0 und bd = 2. Daraus folgt b + d = −ac = a2 ∈ {0, 1, 4}. Aus bd = 2
folgt dann, dass einer der folgenden Gleichungen erfüllt ist: b(4 − b) = 2, b(1 − b) = 2
oder −b2 = 2. Da diese Gleichungen in Z5 alle nicht lösbar sind, folgt, dass Φ(f )
irreduzibel ist in Z5 [x] und damit ist f irreduzibel in Z[x]. Übrigens gilt modulo 3:
Φ(f ) = x4 + 2x2 + 1 = (x2 + 1)2 . Modulo 3 können wir die Irreduzibilität von f also
nicht nachweisen.
2.10 Quotientenkörper 43

2.10 Quotientenkörper
Sei R ein Integritätsring. Analog zur Konstruktion von Q aus Z möchten wir der
Körper der Brüche Q(R) konstruieren, der R als Unterring enthält.
Definition 2.10.1. Sei M := R × (R \ {0}) = {(a, b) | a, b ∈ R, b 6= 0}. Auf M
definieren wir die Relation ∼:

(a1 , b1 ) ∼ (a2 , b2 ) ⇔ a1 b 2 = a2 b 1 .

Lemma 2.10.2. Die Relation ∼ auf M hat folgende Eigenschaften:


(a) (a, b) ∼ (a, b) ( Reflexivität);

(b) Falls (a1 , b1 ) ∼ (a2 , b2 ) gilt, dann gilt auch (a2 , b2 ) ∼ (a1 , b1 ) ( Symmetrie);

(c) Aus (a1 , b1 ) ∼ (a2 , b2 ) und (a2 , b2 ) ∼ (a3 , b3 ) folgt auch (a1 , b1 ) ∼ (a3 , b3 )
( Transitivität).
Bemerkung 2.10.3. Eine Relation mit diesen Eigenschaften nennen wir eine Äqui-
valenzrelation.
Beweis des Lemmas 2.10.2. (a) und (b) sind trivial.
(c) Es gilt also a1 b2 = a2 b1 und a2 b3 = a3 b2 . Dann ist

a1 b 2 b 3 = a2 b 1 b 3 = a2 b 3 b 1 = a3 b 2 b 1 ,

und es folgt b2 (a1 b3 − a3 b1 ) = 0. Da b2 6= 0 folgt dann a1 b3 = a3 b1 .


Definition 2.10.4. Sei [a, b] die Äquivalenzklasse von (a, b) ∈ M :

[a, b] := {(a0 , b0 ) ∈ M | (a0 , b0 ) ∼ (a, b)}.

Wir schreiben oft ab für [a, b] und ab = c


d
falls (a, b) ∼ (c, d). Sei Q(R) die Menge der
Äquivalenzklassen [a, b] von ∼, also

Q(R) := {[a, b] | (a, b) ∈ M }.

Satz 2.10.5. Die Verknüpfungen +, · : Q(R) × Q(R) −→ Q(R) gegeben durch


a c ad + bc
+ = ,
b d bd
a c ac
· = ,
b d bd
sind wohldefiniert und die Menge Q(R) mit diesen Verknüpfungen ist ein Körper.
Das Nullelement ist 01 , das Einselement ist 11 und das Inverse zu rs (r 6= 0) ist rs .
44 Kapitel 2. Ringe

Definition 2.10.6. Wir nennen Q(R) den Quotientenkörper zu R.

Beweis des Satzes 2.10.5. Wir verifizieren nur, dass die Addition und Multi-
plikation wohldefiniert sind. Man kann leicht nachrechnen, dass Q(R) hiermit zu
einem Körper wird. Gilt (a, b) ∼ (a0 , b0 ) und (c, d) ∼ (c0 , d0 ), dann folgt

(ad + bc)b0 d0 = ab0 dd0 + bb0 cd0 = a0 bdd0 + bb0 c0 d = (a0 d0 + b0 c0 )bd,
acb0 d0 = ab0 cd0 = a0 bc0 d = a0 c0 bd.

Daraus folgt (ad + bc, bd) ∼ (a0 d0 + b0 c0 , b0 d0 ) und (ac, bd) ∼ (a0 c0 , b0 d0 ).

Bemerkung 2.10.7. Wir betrachten ı : R −→ Q(R) gegeben durch ı(a) = a1 . Dann


gilt ı(a)ı(b) = a1 1b = ab
1
= ı(ab) und ı(a) + ı(b) = a1 + 1b = a+b
1
= ı(a + b). Sei r ∈ Ker ı,
r 0
dann folgt 1 = 1 und r = 0. Damit ist ı ein injektiver Homomorphismus. Deswegen
identifizieren wir a1 mit a.

Beispiel 2.10.8. (a) Q(Z) = Q.


(b) Sei K ein Körper. Dann gilt (a, b) ∼ (ab−1 , 1), also gilt Q(K) = ı(K). Da ı dann
auch surjektiv ist, folgt (nach Identifizierung) Q(K) = K.
(c) Sei K ein Körper. Der Quotientenkörper zu K[x] ist
nf o
Q(K[x]) = f, g ∈ K[x], g 6= 0

g

und wird mit K(x) bezeichnet. Wir nennen K(x) Körper der rationalen Funktionen.
(d) Q(Z[i]) = {a + bi | a, b ∈ Q} = Q(i).

Satz 2.10.9. Sei R ein Integritätsring, K ein Körper und ϕ : R −→ K ein in-
jektiver Homomorphismus. Dann kann ϕ zu einem injektiven Homomorphismus
e : Q(R) −→ K mit ϕ = ϕ
ϕ e ◦ ı erweitert werden.

K
ϕ
ϕ
e

ı
R Q(R)

Beweis. Wir definieren ϕ e : Q(R) −→ K durch ϕ(e ab ) = ϕ(a)ϕ(b)−1 (es gilt ϕ(b) ∈
−1
K, also hat ϕ(b) Sinn). Wir zeigen zuerst, dass ϕ e wohldefiniert ist: sei (a, b) ∼
0 0 0 0 0 0
(a , b ), dann gilt ab = a b (in R) und ϕ(ab ) = ϕ(a b). Da ϕ ein Homomorphismus
2.10 Quotientenkörper 45

ist, folgt ϕ(a)ϕ(b0 ) = ϕ(a0 )ϕ(b) (in K) und ϕ(a)ϕ(b)−1 = ϕ(a0 )ϕ(b0 )−1 . Damit ist ϕ
e
wohldefiniert. Weiter gilt
a c   ad + bc 
e +
ϕ =ϕ e = ϕ(ad + bc) ϕ(bd)−1
b d bd
= ϕ(a)ϕ(d) + ϕ(b)ϕ(c) ϕ(b)−1 ϕ(d)−1

a c
= ϕ(a)ϕ(b)−1 + ϕ(c)ϕ(d)−1 = ϕ e +ϕe ,
a c   ac  b d a  c 
−1 −1 −1
e ·
ϕ =ϕ e = ϕ(ac) ϕ(bd) = ϕ(a) ϕ(b) ϕ(c) ϕ(d) = ϕ e ϕ
e .
b d bd b d
e ein Homomorphismus. Sei ab ∈ Ker ϕ, e ab = ϕ(a)ϕ(b)−1 .

Damit ist ϕ e dann folgt 0 = ϕ
Dann gilt also ϕ(a) = 0 und a ∈ Ker ϕ. Da ϕ injektiv ist folgt dann a = 0 und ab = 01 .
Damit gilt Ker ϕe = { 01 } und ist ϕ
e injektiv. Sei nun r ∈ R. Dann gilt
r
= ϕ(r)ϕ(1)−1 = ϕ(r),

ϕ
e ı(r) = ϕ e
1
e ◦ ı = ϕ.
und somit gilt ϕ

Bemerkung 2.10.10. Sei K ein Körper der R als Unterring enthält und sei ϕ :
R −→ K gegeben durch ϕ(r) = r für alle r ∈ R. Da ϕ ein injektiver Homo-
morphismus ist, ist ϕ e : Q(R) −→ K auch ein injektiver Homomorphismus. Sei
b : Q(R) −→ Im ϕ
ϕ e gegeben durch ϕ( e ab ) für alle ab ∈ Q(R). Dann ist ϕ
b ab ) = ϕ( b
ein Isomorphismus, also gilt Q(R) ' Im ϕ, e wobei Im ϕ e ein Teilkörper von K ist.
Wir sehen also, dass jeder Körper der R als Unterring enthält, Q(R) als Teilkörper
enthält. Damit ist Q(R) der kleinste Körper der R als Unterring enthält.
Kapitel 3

Körpererweiterungen

3.1 Körpererweiterungen
Definition 3.1.1. Sei L ein Körper und sei K ⊂ L ein Teilkörper von L. Dann
heißt L Erweiterungskörper von K. Die Inklusion K ⊂ L heißt Körpererweiterung.
Beispiel 3.1.2. (a) Q ⊂ R ist eine Körpererweiterung.
(b) R ⊂ C ist eine Körpererweiterung.
(c) Q ⊂ C ist eine Körpererweiterung.
(d) Q ⊂ Q(i) ist eine Körpererweiterung.

Beispiel 3.1.3. Sei Q ⊂ L eine Körpererweiterung, so dass 2 ∈ L. Da L ein
Körper
√ ist, ist L abgeschlossen unter Addition
√ und Multiplikation. Deswegen gilt
s 2 ∈ L, für alle s ∈ Q, und auch r + s 2 ∈ L für alle r, s ∈ Q. Damit ist
√ √
Q( 2) := {r + s 2 | r, s ∈ Q}
√ √
eine Teilmenge von L und da Q( 2) ein Körper ist, ist Q( 2) √ ein Teilkörper von
L. Da dies gilt für alle Erweiterungskörper
√ L von Q, ist Q( 2) der kleinste Er-
weiterungskörper von Q, der 2 enthält.

Beispiel 3.1.4. Wir suchen der kleinste Erweiterungskörper √ von Q, der i und
√ 2
enthält.
√ Dann enthält dieser Körper jedenfalls L = Q(i, 2) := {r + si + t 2 +
ui 2 | r, s, t, u ∈ Q}. Hierbei ist L ein Körper: Wir können einfach verifizieren,
dass L abgeschlossen
√ √ist unter Multiplikation
√ und Addition. Für das Inverse von
α = r + si + t 2 + ui 2 6= 0 in Q(i, 2), betrachten wir
√ √
α1 = r − si + t 2 − ui 2,
√ √
α2 = r + si − t 2 − ui 2,
√ √
α3 = r − si − t 2 + ui 2.
48 Kapitel 3. Körpererweiterungen

Wir können nachrechnen, dass dann


N := αα1 α2 α2 = (r2 + s2 + 2t2 + 2u2 )2 − 8(rt + su)2 ∈ Q
gilt. Damit gilt α−1 = α1 α2 α3 /N ∈ L. √
Somit ist L der kleinste Erweiterungskörper von Q, der i und 2 enthält.
Definition 3.1.5. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung und seien a1 , . . . , an ∈ L. Mit
K(a1 , . . . , an ) bezeichnen wir den kleinsten Erweiterungskörper von K, der a1 , . . . , an
enthält. Wir sagen: K(a1 , . . . , an ) entsteht aus K durch Adjunktion von a1 , . . . , an .
Bemerkung 3.1.6. K(a1 , . . . , an ) ist also der kleinste Teilkörper von L, der K ∪
{a1 , . . . , an } enthält, d.h.
\
K(a1 , . . . , an ) = M.
M Teilkörper von L
K∪{a1 ,...,an }⊂M

Definition 3.1.7. Falls L = K(a1 , . . . , an ), mit a1 , . . . , an ∈ L, dann heißt L endlich


erzeugt über K. Eine Körpererweiterung K ⊂ L heißt einfach, falls L = K(a) mit
a ∈ L. Man nennt a dann primitives Element.

Beispiel 3.1.8. Q ⊂ Q( 2) ist eine einfache Körpererweiterung.
Bemerkung 3.1.9. Es gilt {a + bα | a, b ∈ K} ⊂ K(α), aber im Allgemeinen ist
{a + bα | a, b ∈ K} kein Körper, also gilt
{a + bα | a, b ∈ K} =
6 K(α).
√ √ √ √
Zum Beispiel: Q( 2) = {a + b 3 2 + c 3 4 | a, b, c ∈ Q} =
3
6 {a + b 3 2 | a, b ∈ Q}.
√ √
√ 3.1.10. Q ⊂ Q(i, 2) ist eine einfache
Beispiel √Körpererweiterung,
√ da Q(i, 2) =
Q(i +√ 2): Wir sehen√ unmittelbar, dass Q(i + 2) ⊂ Q(i, √ 2). Um zu√zeigen, dass
Q(i,√ 2) ⊂ Q(i + 2), genügt
√ 2 es nachzuweisen,
√ dass i, 2 ∈√Q(i + 2) = √ L. Da
i + 2 ∈ L, ist auch
√ (i +√ 2) = 1√+ 2i 2 ∈ L. Daraus folgt 2i 2 ∈ L und i 2 ∈ L.
Dann gilt auch i 2(i + 2) = − 2 + 2i ∈ L, also
√ √ √ √
(i + 2) + (− 2 + 2i) √ 2(i + 2) − (− 2 + 2i)
i= ∈ L, 2= ∈ L.
3 3

Wir können
√ es auch anders formulieren: Sei α = i+ 2, dann gilt i = α(α2 +1)/6 ∈ L
und 2 = −α(α2 − 5)/6 ∈ L. √
In dieser Berechnung ist i + 2 übrigens überhaupt nicht speziell: Man kann zeigen,
dass √ √ √
Q(i, 2) = Q(ai + b 2 + ci 2),
wobei a, b, c ∈ Q so sind, dass mindestens zwei dieser Zahlen nicht Null sind.
3.2 Grad einer Körpererweiterung 49

3.2 Grad einer Körpererweiterung


Bemerkung 3.2.1. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung. Dann können wir L auf-
fassen als Vektorraum über K: Für alle v, w ∈ L gilt v + w ∈ L, und für alle v ∈ L
und alle λ ∈ K gilt λv ∈ L.
Definition 3.2.2. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung. Die Dimension von L als
Vektorraum über K
dimK L =: [L : K]
heißt der Grad der Körpererweiterung. Die Erweiterung K ⊂ L heißt endlich, falls
[L : K] < ∞.
Bemerkung 3.2.3. Sei K ⊂ L eine endliche Körpererweiterung. Pn Dann existiert
also eine Basis {a1 , . . . , an } von L über K, d.h. L = { i=1 λi ai | λi ∈ K}. Daraus
sehen wir unmittelbar, dass L ⊂ K(a1 , . . . , an ), und da K(a1 , . . . , an ) der kleinste
Erweiterungskörper ist, der a1 , . . . , an enthält, folgt L = K(a1 , . . . , an ). Damit ist
L also endlich erzeugt über K. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht: Ist L =
K(a1 , . . . , an ) endlich erzeugt über K, dann kann es sein, dass die Körpererweiterung
K ⊂ L nicht endlich ist: Im Satz 3.3.11(a) werden wir sehen, dass manche einfache
Körpererweiterungen nicht endlich sind.
√ √ √
Beispiel
√ 3.2.4. (a) Da Q( 2) =
√ {a + b 2 | a, b ∈ Q}, ist {1, 2} eine Basis von
Q( 2) über Q. Damit folgt [Q( 2) : Q] = 2.
(b) R ⊂ C hat die Basis {1, i}, also [C : R] = 2.
(c) Da Qn abzählbar ist, gilt für jede endliche Körpererweiterung Q ⊂ L, dass
L abzählbar ist. Da R überabzählbar ist, ist Q ⊂ R also keine endliche Körper-
erweiterung.
(d) K ⊂ K(x) (siehe Beispiel 2.10.8(c) für die Definition von K(x)) ist keine endliche
Körpererweiterung: Es gilt √ dimK K[x] = ∞ und √ damit√ auch dimK K(x) √ = ∞.
(e) Eine Basis von Q(i, √2) über √ Q ist {1,
√ i, 2, i 2},√also gilt [Q(i, 2) : Q] = 4.
Weiter haben wir Q(1, i, 2, i 2) = Q(i, 2) = Q(i + 2).
Satz 3.2.5 (Gradformel). Seien K ⊂ L ⊂ M Körpererweiterungen. Dann gilt für
die Grade
[M : K] = [M : L][L : K].
Beweis. Sei B1 = {v1 , . . . , vm } eine Basis von M über L (m = [M : L]) und sei
B2 = {w1 , . . . , wn } eine Basis von L über K (n = [L : K]). Wir zeigen, dass

B = {vi wj | 1 ≤ i ≤ m, 1 ≤ j ≤ n}

eine Basis von M über K ist. Die Behauptung folgt daraus unmittelbar.
P Zuerst
zeigen wir, dass die Vektoren aus B linear unabhängig sind: Sei i,j cij vi wj = 0,
50 Kapitel 3. Körpererweiterungen

P P 
dann Pfolgt j i cij vi wj = 0. Da die Vektoren aus B2 linear unabhängig sind,
folgt i cij vi = 0 für alle 1 ≤ j ≤ n. Da die Vektoren aus B1 auch linear unabhängig
sind, folgt dann cij = 0 für alle 1 ≤ i ≤ m und alle 1 ≤ j ≤ n. Jetzt zeigen wir,
dass wir jedes v ∈ M als Linearkombination der Elemente aus B darstellen können:
Sei v ∈ M , dann können wir v schreiben als v = c1 v1 + . . . + cm vm , mit ci ∈ L.
P ci darstellen können als ci = ci1 w1 + . . . + cin wn , mit cij ∈ K, folgt dann
Da wir
v = i,j cij vi wj .
√ √
Beispiel√ 3.2.6. Wir betrachten
√ die Körpererweiterungen Q √⊂ Q( √2) ⊂ Q(i, 2).
Da [Q( 2) : Q]√= 2 und [Q(i, √ 2) : Q] = 4, folgt dann [Q(i, 2) : Q( 2)] = 2. Eine
Basis von Q(i, 2) über Q( 2) ist {1, i}.
Definition 3.2.7. Seien K ⊂ L ⊂ M Körpererweiterungen. Dann nennt man L
einen Zwischenkörper.
Beispiel 3.2.8. Sei L ein Zwischenkörper mit R ⊂ L ⊂ C, dann gilt [C : L][L :
R] = [C : R] = 2. Damit gilt [C : L] = 1 (d.h. L = C) oder [L : R] = 1 (d.h. L = R).
Es gibt also keinen Zwischenkörper L mit R ( L ( C.
Bemerkung 3.2.9. Allgemeiner gibt es keinen Zwischenkörper L mit K ( L ( M ,
falls [M : K] eine Primzahl ist.

3.3 Algebraische und transzendente Körpererwei-


terungen
Definition 3.3.1. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung und sei a ∈ L. Falls es ein
f ∈ K[x] \ {0} gibt mit f (a) = 0, dann nennen wir a algebraisch über K. Falls a ∈ L
nicht algebraisch ist, dann heißt a transzendent.
Falls jedes Element aus L algebraisch ist über K, so nennen wir die Erweiterung K ⊂
L algebraisch. Falls die Erweiterung nicht algebraisch ist, dann heißt sie transzendent.
Beispiel 3.3.2. (a) Das Element i ∈ Q(i) ist algebraisch über Q: Es gilt f (i) = 0
mit f (x) = x2 + 1 ∈ Q[x].
(b) Die Zahlen e und π sind transzendent über Q.
(c) x ∈ K(x) ist transzendent über K: Es gibt kein Polynom f ∈ K[x] \ {0}, so dass
f (x) = 0.
Beispiel 3.3.3. (a) Sei a = a1 +a2 i ∈ Q(i) und sei f (x) = (x−a1 )2 +a22 ∈ Q[x]. Dann
gilt f (a) = 0 und damit ist a algebraisch über Q. Somit ist die Körpererweiterung
Q ⊂ Q(i) algebraisch.
(b) Genauso ist R ⊂ C algebraisch.
(c) Q ⊂ R ist transzendent, da nicht jedes Element aus R algebraisch ist über Q
3.3 Algebraische und transzendente Körpererweiterungen 51

(z.B. e und π). Übrigens gibt es in R abzählbar viele algebraische Elemente und
überabzählbar viele transzendente Elemente.
Satz 3.3.4. Jede endliche Körpererweiterung ist algebraisch.
Beweis. Sei K ⊂ L eine endliche Körpererweiterung und sei n = [L : K] < ∞. Sei
a ∈ L beliebig. Da L als Vektorraum über K die Dimension n hat, sind die n + 1
Elemente 1, a, a2 , . . . , an ∈ L linear
Pn abhängig. Es gibt also ci ∈ K (0 ≤P
i ≤ n), die
nicht alle gleich Null sind, mit i=0 ci a = 0. Wir definieren f (x) = ni=0 ci xi ∈
i

K[x] \ {0}. Dann gilt f (a) = 0 und damit ist a algebraisch über K.
Bemerkung 3.3.5. Umgekehrt gilt nicht, dass alle algebraische Körpererweiterun-
gen auch endlich sind.
Definition 3.3.6. Ein Polynom f (x) = ni=0 ai xi ∈ K[x], vom Grad n, heißt nor-
P
miert, wenn an = 1.
Lemma 3.3.7. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung und sei a ∈ L algebraisch über
K. Dann existiert ein eindeutig bestimmtes normiertes irreduzibles Polynom m ∈
K[x], so dass m(a) = 0.
Definition 3.3.8. Das Polynom m aus Lemma 3.3.7 heißt das Minimalpolynom von
a über K.
Beweis des Lemmas 3.3.7. Wir betrachten den (Einsetzungs-)Homomorphismus
ϕa : K[x] −→ K(a) mit ϕa (f (x)) = f (a). Da a algebraisch ist, ist Ker ϕa 6= {0}.
Nach Bemerkung 2.5.5(a) ist Ker ϕa ein Ideal von K[x]. Da K[x] ein Hauptidealring
ist, gibt es ein m ∈ K[x] mit Ker ϕa = hmi. Wir können m normiert wählen und
damit ist m dann eindeutig bestimmt. Da Im ϕa ein Unterring vom Körper K(a)
ist, ist Im ϕa ein Integritätsring. Nach Satz 2.5.7 gilt K[x]/hmi ' Im ϕa , also ist
K[x]/hmi ein Integritätsring und nach Satz 2.4.3 ist hmi ein Primideal von K[x].
Nach Bemerkung 2.7.6 and Lemma 2.7.8 ist m dann irreduzibel in K[x].
Bemerkung 3.3.9. (a) Im Beweis des Lemmas 3.3.7 haben wir gesehen, dass
Ker ϕa = hmi, wobei m das Minimalpolynom
von a ist. Da Ker ϕa = {f ∈ K[x] |
f (a) = 0}, folgt daraus, dass m f für alle f ∈ K[x] mit f (a) = 0.
(b) Da m ∈ K[x] keine Einheit ist, und da K[x] ein Hauptidealring ist, folgt mit
Satz 2.7.10, dass hmi ein maximales Ideal von K[x] ist. Mit Satz 2.4.6 folgt dann,
dass K[x]/hmi ein Körper ist.
Beispiel 3.3.10. (a) Das Minimalpolynom
√ von i über R ist x2 + 1.
(b) Das Minimalpolynom von 2 über Q ist xn − 2.
n

(c) Sei p eine Primzahl und sei 0 < n < p − 1, dann ist das Minimalpolynom von
p −1
e2πin/p über Q gegeben durch xp−1 + . . . + x + 1 = xx−1 .
52 Kapitel 3. Körpererweiterungen

Satz 3.3.11. Sei K ⊂ K(a) eine einfache Körpererweiterung.

(a) Ist a transzendent über K, dann gilt K(a) ' K(x) und [K(a) : K] = ∞.

(b) Ist a algebraisch über K, dann gilt K(a) ' K[x]/hmi und [K(a) : K] = deg m,
wobei m das Minimalpolynom von a über K ist.

Beweis. Wir betrachten wieder die Abbildung ϕa : K[x] −→ K(a) mit ϕa (f (x)) =
f (a). Da Im ϕa ein Unterring vom Körper K(a) ist, ist Im ϕa ein Integritätsring.
(a) Falls a transzendent ist, gilt Ker ϕa = {0} und nach Satz 2.5.7 gilt K[x] ' Im ϕa .
Somit folgt
K(x) = Q(K[x]) ' Q(Im ϕa ) = K(a).
Damit folgt [K(a) : K] = dimK K(a) = dimK K(x) = ∞.
(b) Wir haben schon gesehen, dass falls a algebraisch ist, dass dann K[x]/hmi '
Im ϕa , wobei K[x]/hmi ein Körper ist. Damit ist auch Im ϕa ⊂ K(a) ein Körper und
es folgt, dass Im ϕa = K(a). Wir haben also gefunden, dass K[x]/hmi ' K(a). Mit
der Division mit Rest können wir für alle f ∈ K[x], Polynome q, r ∈ K[x] finden, so
dass f = qm + r und deg r < deg m =: n. Dann folgt f ∈ r + hmi und damit sehen
wir, dass {1 + hmi, x + hmi, . . . , xn−1 + hmi} eine Basis von K[x]/hmi über K ist.
Somit folgt

[K(a) : K] = dimK K(a) = dimK K[x]/hmi = n = deg m.

Bemerkung 3.3.12. (a) Sei a algebraisch über K, dann ist {1, a, . . . , an−1 }, mit
n = deg m, eine Basis von K(a) über K.
(b) Sei a algebraisch über K, dann ist K ⊂ K(a) eine endliche Körpererweiterung
und nach Satz 3.3.4 ist diese Erweiterung dann auch algebraisch.
√ √
Beispiel 3.3.13. (a) Sei a = 2 + 3. Dann gilt [Q(a) : Q] = 4. Da a4 = 10a2 − 1
ist das Mininalpolynom von a über Q gegeben durch x4 − 10x2 + 1.
(b) Es gilt R[x]/hx2 + 1i ' R(i) = C.
(c) Es gilt Q(e) ' Q(x) und Q(π) ' Q(x), also folgt Q(e) ' Q(π).

Satz 3.3.14. Sei K ⊂ K(a1 , . . . , an ) eine endlich erzeugte Körpererweiterung. Dann


sind äquivalent

(a) Die Elemente a1 , . . . , an sind algebraisch über K;

(b) [K(a1 , . . . , an ) : K] < ∞;

(c) K ⊂ K(a1 , . . . , an ) ist eine algebraische Erweiterung.


3.3 Algebraische und transzendente Körpererweiterungen 53

Beweis. (a) ⇒ (b): Wir beweisen die Behauptung mit Induktion über n. Für n = 1
gilt die Aussage nach Bemerkung 3.3.12(b). Sei jetzt n > 1. Es gilt K(a1 , . . . , an ) =
K(a1 , . . . , an−1 )(an ). Das Element an ∈ K(a1 , . . . , an ) ist nach Annahme algebraisch
über K, also auch über K(a1 , . . . , an−1 ) (da K ⊂ K(a1 , . . . , an−1 )). Nach Satz 3.2.5
gilt dann

[K(a1 , . . . , an ) : K] = [K(a1 , . . . , an−1 )(an ) : K(a1 , . . . , an−1 )] · [K(a1 , . . . , an−1 ) : K].

Da [K(a1 , . . . , an−1 )(an ) : K(a1 , . . . , an−1 )] < ∞ (Fall n = 1) und [K(a1 , . . . , an−1 ) :
K] < ∞ (Induktionsannahme), folgt dann [K(a1 , . . . , an ) : K] < ∞.
(b) ⇒ (c): Folgt aus Satz 3.3.4.
(c) ⇒ (a): Da K ⊂ K(a1 , . . . , an ) algebraisch ist, sind alle Elemente in K(a1 , . . . , an )
(per Definition) algebraisch über K.
Satz 3.3.15. Seien K ⊂ L ⊂ M Körpererweiterungen. Dann gilt:
(a) Ist K ⊂ L algebraisch und ist a ∈ M algebraisch über L, dann ist a auch
algebraisch über K.

(b) Sind K ⊂ L und L ⊂ M algebraisch, dann ist auch K ⊂ M algebraisch.


Beweis. Wir beweisen nur (a), da (b) unmittelbar aus (a) folgt. Sei a ∈ M alge-
braisch über L. Dann gibt es also ein Polynom f (x) = c0 + . . . + cn xn ∈ L[x], mit
f (a) = 0. Daraus sehen wir, dass a auch algebraisch ist über K(c0 , . . . , cn ) ⊂ L,
also gilt nach Satz 3.3.14 [K(c0 , . . . , cn , a) : K(c0 , . . . , cn )] < ∞. Da K ⊂ L al-
gebraisch ist, sind c0 , . . . , cn ∈ L algebraisch über K, also gilt nach Satz 3.3.14
[K(c0 , . . . , cn ) : K] < ∞. Mit Satz 3.2.5 folgt dann

[K(c0 , . . . , cn , a) : K] = [K(c0 , . . . , cn , a) : K(c0 , . . . , cn )] · [K(c0 , . . . , cn ) : K] < ∞.

Mit Satz 3.3.14 folgt, dass K ⊂ K(c0 , . . . , cn , a) eine algebraische Körpererweiterung


ist, also ist a algebraisch über K.
Bemerkung 3.3.16. Sei L ein Körper. Eine Teilmenge K ⊂ L ist genau dann ein
Teilkörper von L, falls K 6= ∅ und für alle a, b ∈ K gilt, dass a − b ∈ K und für alle
a, b ∈ K mit b 6= 0 gilt, dass ab−1 ∈ K. Dies folgt sofort aus dem entsprechenden
Kriterium für Untergruppen in Lemma 1.3.4.
Satz 3.3.17. Sei K ⊂ M eine Körpererweiterung und sei

L := {a ∈ M | a algebraisch über K}.

Dann gilt:
(a) K ⊂ L ⊂ M ist ein Zwischenkörper;
54 Kapitel 3. Körpererweiterungen

(b) K ⊂ L ist algebraisch;

(c) Ist a ∈ M algebraisch über L, dann folgt a ∈ L.

Beweis. (a) Wir zeigen, dass L ein Teilkörper von M ist: Sei a, b ∈ L, dann betra-
chten wir die Erweiterung K ⊂ K(a, b). Da a, b ∈ L sind, sind a und b algebraisch
über K, also folgt mit Satz 3.3.14, dass K ⊂ K(a, b) algebraisch ist. Da a − b und
ab−1 in K(a, b) sind (K(a, b) ist ein Körper), sind sie also algebraisch über K, d.h.
a − b, ab−1 ∈ L. Damit ist L ein Teilkörper von M .
(b) Dies gilt nach Definition von L.
(c) Ist a ∈ M algebraisch über L, dann folgt mit Satz 3.3.15(a) und Teil (b), dass a
auch algebraisch über K ist. Damit gilt a ∈ L.

Beispiel 3.3.18. Wir betrachten die Körpererweiterung Q ⊂ C und L := {a ∈ C |


a algebraisch über Q}. Dann ist Q ⊂ L also eine algebraische Körpererweiterung.
Diese√Erweiterung ist aber nicht endlich: Mit Hilfe
√ des Beispiels 3.3.10(b) sehen wir,
n n
dass 2 algebraisch über Q ist, und, dass [Q( 2) : Q] = n. Daraus folgt
√n

n
√n
[L : Q] = [L : Q( 2)] · [Q( 2) : Q] = n[L : Q( 2)] ≥ n.

Da n beliebig groß sein kann, folgt [L : Q] = ∞.

3.4 Algebraisch abgeschlossene Körper


Definition 3.4.1. Ein Körper K heißt algebraisch abgeschlossen, falls jedes Polynom
f ∈ K[x] mit deg f ≥ 1 in K mindestens eine Nullstelle hat.

Beispiel 3.4.2. (a) Nach dem Fundamentalsatz der Algebra ist C algebraisch ab-
geschlossen.
(b) R ist nicht algebraisch abgeschlossen, da f (x) = x2 + 1 ∈ R[x] keine Nullstelle
in R hat.

Bemerkung 3.4.3. (a) Sei K algebraisch abgeschlossen,


Qn dann zerfällt jedes Poly-
nom f ∈ K[x] in Linearfaktoren: f (x) = c r=1 (x − ar ) mit deg f = n und
c, a1 , . . . , an ∈ K. Sei jetzt K ⊂ L eine Körpererweiterung, mit f (a) = 0 und
a ∈ L. Dann folgt, dass a ∈ K.
(b) Ein Körper K ist genau dann algebraisch abgeschlossen, wenn jedes irreduzible
Polynom f ∈ K[x] linear ist.
(c) Sei K algebraisch abgeschlossen, dann Qnhat K unendlich viele Elemente: Ist
K = {a1 , . . . , an }, dann hat f (x) = 1 + r=1 (x − ar ) keine Nullstelle in K (da
f (ak ) = 1 für alle 1 ≤ k ≤ n), und damit ist K nicht algebraisch abgeschlossen.
3.4 Algebraisch abgeschlossene Körper 55

Lemma 3.4.4. Ein Körper K ist genau dann algebraisch abgeschlossen, wenn für
alle algebraische Körpererweiterungen K ⊂ L folgt, dass L = K.

Für den Beweis brauchen wir:

Satz 3.4.5 (Satz von Kronecker). Sei K ein Körper und sei f ∈ K[x] irreduzibel.
Dann existiert eine einfache und algebraische Körpererweiterung K ⊂ L mit [L :
K] = deg f , so dass f in L mindestens eine Nullstelle hat.

Beweis. Da das Polynom f ∈ K[x] irreduzibel ist, ist f nicht konstant, und auch
keine Einheit. Da K[x] ein Hauptidealring ist, folgt mit Satz 2.7.10, dass hf i ein
maximales Ideal von K[x] ist. Mit Satz 2.4.6 folgt dann, dass L := K[x]/hf i ein
Körper ist. Wir betrachten die Abbildungen ı : K −→ K[x], mit ı(a) = a, und
π : K[x] −→ L, mit π(g) = g+hf i. Dann sind ı, π, und damit auch π◦ı, Körperhomo-
morphismen. Auch ist π◦ı injektiv, also mit der Identifizierung a = (π◦ı)(a) = a+hf i
können wir K auffassen
 als Teilkörper von L, d.h. K ⊂ L ist eine Körpererweiterung.
Es folgt f π(x) = π f (x) = f (x) + hf i = 0 + hf i. Damit ist π(x) eine Nullstelle
von f in L. Das Minimalpolynom
 von π(x) über K ist f . Mit Satz 3.3.11(b) folgt
dann L ' K π(x) und [L : K] = deg f .

Beweis des Lemmas 3.4.4. (⇒) Sei K ⊂ L eine algebraische Körpererweiterung


und sei a ∈ L. Dann ist a algebraisch über K, also gibt es ein Polynom f ∈ K[x]
mit f (a) = 0. Da K algebraisch abgeschlossen ist, folgt a ∈ K (nach Bemerkung
3.4.3(a)). Damit folgt L ⊂ K und somit gilt L = K.
(⇐) Sei f ∈ K[x] und sei f = f1 · · · fr , mit f1 , . . . , fr ∈ K[x] irreduzibel. Dann
gibt es nach Satz 3.4.5 eine algebraische Körpererweiterung K ⊂ L, so dass f1 , und
damit auch f , in L mindestens eine Nullstelle hat. Nach Annahme gilt L = K, also
hat f in K mindestens eine Nullstelle.

Beispiel 3.4.6. Wir kennen die Körpererweiterung R ⊂ C und es gilt (als Vek-
torräume) C ' R2 . Wir suchen jetzt eine Körpererweiterung C ⊂ L, so dass L ' Rn .
Wir fassen L auf als Vektorraum über C. Dann gilt [L : C] = dimC L < ∞. Damit
ist die Erweiterung C ⊂ L algebraisch, und da C algebraisch abgeschlossen ist, folgt
mit Lemma 3.4.4 L = C. Es existiert also keine Körpererweiterung C ( L ' Rn
mit n > 2. Übrigens gibt es eine Erweiterung H (die sogenannte Quaternionen) mit
C ( H ' R4 . Dabei ist die Multiplikation in H aber nicht kommutativ. Damit ist H
ein Schief körper und kein Körper.

Definition 3.4.7. Sei K ein Körper und sei K ⊂ L eine algebraische Körper-
erweiterung, so dass L algebraisch abgeschlossen ist. Dann heißt L algebraischer
Abschluss von K. Notation: L = K.
56 Kapitel 3. Körpererweiterungen

Satz 3.4.8. Sei K ⊂ C ein Teilkörper. Dann ist

K := {a ∈ C | a algebraisch über K}

ein algebraischer Abschluss von K.

Beweis. Nach Satz 3.3.17 ist K ⊂ K eine algebraische Körpererweiterung. Weiter-


hin ist K algebraisch abgeschlossen: Sei f ∈ K[x] ⊂ C[x] mit deg f ≥ 1, dann hat f
eine Nullstelle a in C. Also gilt f (a) = 0 und damit ist a algebraisch über K. Nach
Satz 3.3.17(c) gilt dann a ∈ K, also hat f eine Nullstelle in K.

Beispiel 3.4.9. (a) Der algebraische Abschluss von R ist C.


(b) Der algebraische Abschluss von Q ist Q = {a ∈ C | a algebraisch über Q}
(Menge der algebraischen Zahlen).

Satz 3.4.10 (Satz von Steinitz, ohne Beweis). Jeder Körper K hat einen algebra-
ischen Abschluss K. Bis auf Isomorphie ist K eindeutig bestimmt.

3.5 Konstruktion mit Zirkel und Lineal


Wir wenden jetzt die Resultate über algebraische Körpererweiterungen an auf Prob-
leme der Geometrie.
Sei P ⊂ R2 eine Menge von Punkten. Wir lassen folgende Operationen zu

(L) Ziehe mit einem Lineal eine Gerade durch zwei Punkte aus P .

(Z) Zeichne mit einem Zirkel einen Kreis um einen Punkt aus P , dessen Radius
der Abstand zweier Punkte aus P ist.

Bemerkung 3.5.1. Unser Lineal hat keine Einteilung. Wir können also keine
Strecken fester Länge abtragen.

Definition 3.5.2. Die Schnittpunkte von zwei Geraden, zwei Kreisen, oder Kreis
und Gerade, die mit (L) und (Z) konstruiert werden, nennen wir im ersten Schritt
aus P konstruierbare Punkte.
Ein Punkt r ∈ R2 heißt aus P konstruierbar, falls es Punkte r1 , . . . , rn = r gibt, so
dass ri im ersten Schritt aus P ∪ {r1 , . . . , ri−1 } konstruierbar ist.

Beispiel 3.5.3. (a) Seien p1 , p2 , p3 Punkte in R2 und sei M die Gerade durch p1
und p2 . Dann können wir eine Gerade durch p3 parallel zu M konstruieren:
(1) Zeichne einen Kreis um p3 vom Radius kp1 − p2 k.
(2) Zeichne einen Kreis um p2 vom Radius kp1 − p3 k.
Wir betrachten die zwei Schnittpunkte der beiden Kreise. Einer dieser Punkte p4
3.5 Konstruktion mit Zirkel und Lineal 57

ist so, dass die Gerade durch p3 und p4 parallel zu M ist (p1 , p2 , p3 und p4 sind die
Ecken eines Parallelogramms).
(b) Seien p1 , p2 ∈ R2 und sei M die Gerade durch p1 und p2 . Dann können wir eine
Gerade durch p1 senkrecht zu M konstruieren:
(1) Kreis um p1 , Radius kp1 − p2 k.
(2) Schnittpunkt Kreis und Gerade ist p3 .
(3) Kreis um p3 , Radius kp2 − p3 k.
(4) Kreis um p2 , Radius kp2 − p3 k.
(5) Gerade durch Schnittpunkte dieser beiden Kreise.
(c) Seien p1 , p2 ∈ R2 . Dann können wir den Mittelpunkt zwischen p1 und p2 kon-
struieren:
(1) Gerade durch p1 und p2 .
(2) Kreis um p1 , Radius kp1 − p2 k.
(3) Kreis um p2 , Radius kp1 − p2 k.
(4) Gerade durch die Schnittpunkte der beiden Kreise.
(5) Der Schnittpunkt der beiden Geraden ist der gesuchte Punkt.
Lemma 3.5.4. Sei {(0, 0), (1, 0)} ⊂ P ⊂ R2 . Dann gilt
(a) (x, y) ist genau dann aus P konstruierbar, wenn (0, x) und (0, y) aus P kon-
struierbar sind.
(b) Falls (0, x) und (0, y) aus P konstruierbar sind, dann sind auch (0, x ± y),
(0, xy) und (0, x/y) (mit y 6= 0) aus P konstruierbar.

(c) Falls (0, x) aus P konstruierbar ist, dann ist auch (0, x) aus P konstruierbar.
Beweis. (a) Da (0, 0) und (1, 0) in P sind, können wir aus P die Koordinaten-
achsen konstruieren. Falls (0, x) und (0, y) gegeben sind, dann konstruieren wir zuerst
(x, 0) (Schnittpunkt des Kreises um (0, 0) vom Radius x mit der x-Achse). Der
Schnittpunkt der Senkrechten (zu den Achsen) durch (x, 0) und (0, y) ist dann (x, y).
Ist umgekehrt (x, y) gegeben, so konstruieren wir die Parallelen durch (x, y) zu den
Achsen. Damit können (x, 0) und (0, y) konstruiert werden. Aus (x, 0) konstruieren
wir dann (0, x).
(b) Der Kreis um (0, y) mit Radius x schneidet die y-Achse in (0, x ± y). Sei y 6= 0.
Wir ziehen die Gerade M1 durch (0, y) und (1, 0). Wir konstruieren eine Gerade
M2 durch (0, x) parallel zu M1 . Dann ist der Schnittpunkt vom M2 mit der x-
Achse gegeben durch (x/y, 0). Damit ist (0, x/y) konstruierbar. Insbesondere ist
also (0, 1/y) konstruierbar. Damit ist auch (0, xy) = (0, x(1/y)−1 ) konstruierbar.
(c) Da (0, x) und (0, −1) konstruierbar sind, ist nach Beispiel 3.5.3(c) auch (0, (x −
1)/2) konstruierbar. Wir zeichnen einen Kreis um (0, (x − 1)/2) mit Radius (x +
1)/2 = k(0, x) − (0, (x − 1)/2)k. Die Gleichung dieses Kreises ist
 x − 1 2  x + 1 2
X2 + Y − = .
2 2
58 Kapitel 3. Körpererweiterungen


Die Schnittpunkte
√ des Kreises mit der x-Achse (also Y = 0) sind (± x, 0). Damit
ist auch (0, x) konstruierbar.

Beispiel 3.5.5. (a) Aus Lemma 3.5.4 folgt, dass (x, y) aus P0 = {(0, 0), (1, 0)}
konstruierbar ist, für alle (x, y) ∈ Q2 .
(b) (0, cos 2π
17
) ist aus P0 = {(0, 0), (1, 0)} konstruierbar, da
√ q √
2π −1 + 17 + r− + 2 17 + 3 17 − r− − 2r+
=
cos ,
17 16
p √
mit r± = 34 ± 2 17.

Definition 3.5.6. Sei P0 ⊂ R2 eine Menge von Punkten. Mit K0 bezeichnen wir
den Teilkörper von R, der von den Koordinaten der Punkte von P0 erzeugt wird. Sei
r1 , . . . , rn = r, mit ri = (xi , yi ), so dass ri im ersten Schritt aus P0 ∪ {r1 , . . . , ri−1 }
konstruierbar ist. Dann definieren wir Ki := Ki−1 (xi , yi ) für i = 1, . . . , n.

Beispiel 3.5.7. Sei P0 = {(0, 0), (1, 0)}, dann gilt K0 = Q.

Lemma 3.5.8. Sei P0 ⊂ R2 und sei r = (x, y) im ersten Schritt aus P0 konstruier-
bar. Dann sind x und y Nullstellen quadratischer Polynome über K0 .

Beweis. Wir betrachten nur den Fall, dass r ein Schnittpunkt eines Kreises mit
einer Geraden ist. Die anderen Fälle sind ähnlich. Die Gleichung einer Gerade durch
die Punkte (a1 , b1 ) und (a2 , b2 ) ist

(x − a1 )(b2 − b1 ) = (y − b1 )(a2 − a1 ).

Die Gleichung einer Kreises mit Mittelpunkt (a3 , b3 ) und Radius k(a4 , b4 ) − (a5 , b5 )k
ist
(x − a3 )2 + (y − b3 )2 = (a4 − a5 )2 + (b4 − b5 )2 .
Hierbei gilt ai , bi ∈ K0 für i = 1, 2, 3, 4, 5. Daraus folgt
 2
2 b 2 − b1
(x − a3 ) + (x − a1 ) + b1 − b3 = (a4 − a5 )2 + (b4 − b5 )2 ,
a2 − a1
 2
a2 − a1
(y − b1 ) + a1 − a3 + (y − b3 )2 = (a4 − a5 )2 + (b4 − b5 )2 .
b2 − b1

Damit sind x und y Nullstellen quadratischer Polynome über K0 .

Satz 3.5.9. Sei P0 ⊂ R2 und sei r = (x, y) aus P0 konstruierbar. Dann sind [K0 (x) :
K0 ] und [K0 (y) : K0 ] 2-Potenzen.
3.5 Konstruktion mit Zirkel und Lineal 59

Beweis. Seien r1 , . . . , rn = r Punkte im R2 , wobei ri im ersten Schritt aus P0 ∪


{r1 , . . . , ri−1 } konstruierbar ist. Mit Lemma 3.5.8 sehen wir, dass [Ki−1 (xi ) : Ki−1 ]
und [Ki−1 (yi ) : Ki−1 ] gleich 1 oder 2 sind. Ebenso ist [Ki−1 (xi , yi ) : Ki−1 (xi )] gleich
1 oder 2. Satz 3.2.5 liefert dann
[Ki : Ki−1 ] = [Ki−1 (xi , yi ) : Ki−1 ]
= [Ki−1 (xi , yi ) : Ki−1 (xi )][Ki−1 (xi ) : Ki−1 ] = 1, 2 oder 4.

Damit ist [Ki : Ki−1 ] eine 2-Potenz. Da

[Kn : K0 ] = [Kn : Kn−1 ][Kn−1 : Kn−2 ] · · · [K1 : K0 ],

ist auch [Kn : K0 ] eine 2-Potenz. Mit [Kn : K0 (x)][K0 (x) : K0 ] = [Kn : K0 ] und
[Kn : K0 (y)][K0 (y) : K0 ] = [Kn : K0 ] folgt dann, dass [K0 (x) : K0 ] und [K0 (y) : K0 ]
2-Potenzen sind.
√ √
Korollar 3.5.10. Die Punkte (0, 3 2), (0, cos π9 ) und (0, π) sind nicht aus P0 =
{(0, 0), (1, 0)} konstruierbar.

Beweis. Sei P0 = {(0, 0), (1, 0)},√dann ist K0 = Q. Das Minimalpolynom von√3 2
über Q ist x3 − 2, also gilt [Q( 3 2) : Q] = 3. Nach Satz 3.5.9 ist dann (0, 3 2)
nicht aus P0 konstruierbar. Aus cos 3α = 4 cos3 α − 3 cos α und cos π3 = 21 folgt, dass
ξ = 2 cos π9 eine Nullstelle ist von f (x) = x3 − 3x − 1. Da f (x + 1) = x3 + 3x2 − 3
irreduzibel ist (Eisenstein-Kriterium mit p = 3), ist auch f irreduzibel. Damit ist f
das Minimalpolynom von ξ über Q und gilt [Q(ξ) : Q] = 3. Somit sind (0, ξ) und
(0, ξ/2) = (0, cos√π9 ) nicht aus P0 konstruierbar. Wir haben die √ Körpererweiterungen

Q ⊂ Q(π) ⊂ Q( π). Da π transzendent über Q√ist, folgt [Q( π) : Q] = [Q( π) :
Q(π)][Q(π) : Q] = 2·∞ = ∞. Damit ist auch (0, π) nicht aus P0 konstruierbar.

Bemerkung 3.5.11. Aus Korollar 3.5.10 folgt, dass die klassische Probleme der
Würfelverdopplung, der Winkeldreiteilung und der Quadratur des Kreises nicht mit
Zirkel und Lineal lösbar sind.

Bemerkung 3.5.12. Das regelmäßige n-Eck ist genau dann aus P0 = {(0, 0), (1, 0)}
konstruierbar, wenn (cos( 2πk n
), sin( 2πk
n
)) konstruierbar ist für alle 0 ≤ k < n. Man
kann zeigen, dass dies möglich ist falls n = 3, 4, 5, 6, 8, 10, 12, 15, 16, 17, 20, . . . und
nicht möglich, falls n = 7, 9, 11, 13, 14, 18, 19, 21, . . ..
Kapitel 4

Galoistheorie

Kurz gesagt, beschäftigt sich die Galoistheorie mit den Symmetrien der Null-
stellen von Polynomen.

4.1 Nullstellen von Polynomen 3. und 4. Grades


Wir kennen die Lösungsformel für die quadratische Gleichung ax2 + bx + c = 0: Die
Lösungen sind
√ √
−b + b2 − 4ac −b − b2 − 4ac
x1 = , x2 = .
2a 2a
Ähnliche Formeln gibt es auch für Gleichungen vom Grad 3 und 4.
Satz 4.1.1 (Cardano). Die Lösungen der Gleichung x3 + 3px + 2q = 0 sind
x1 = u + + u − ,
x2 = ωu+ + ω 2 u− ,
x3 = ω 2 u+ + ωu− ,
2πi 1 i
√ q p
mit ω = e = − 2 + 2 3 und u± = 3 −q ± q 2 + p3 . Dabei sind die dritte Wurzeln
3

so gewählt, dass u+ u− = −p gilt.


Bemerkung 4.1.2. (a) Für komplexe Zahlen gibt es mehr als eine dritte Wurzel:
Ist x eine dritte ∈ C, dann sind auch ωx und ω 2 x dritte Wurzeln von
p Wurzel von yp
y. Da (−q + q 2 + p3 )(−q − q 2 + p3 ) = (−p)3 , können wir u+ und u− so wählen,
dass u+ u− = −p.
(b) Sei f ein Polynom vom Grad 3, dann können wir ohne Beschränkung der All-
gemeinheit annehmen, dass f normiert ist, also f (x) = x3 + ax2 + bx + c. Durch
die Transformation x → x − a3 können wir die Gleichung f (x) = 0 in die Form
x3 + 3px + 2q = 0 bringen.
62 Kapitel 4. Galoistheorie

Beweis des Satzes 4.1.1. Mit Hilfe u+ u− = −p, u3+ +u3− = −2q und 1+ω +ω 2 =
0 können wir leicht nachrechnen, dass

x1 + x2 + x3 = 0,
x1 x2 + x2 x3 + x1 x3 = −3u+ u− = 3p,
x1 x2 x3 = u3+ + u3− = −2q.

Damit folgt

(x − x1 )(x − x2 )(x − x3 )
= x3 − (x1 + x2 + x3 )x2 + (x1 x2 + x2 x3 + x1 x3 )x − x1 x2 x3
= x3 + 3px + 2q.

Beispiel 4.1.3. (a) Wir betrachten die Gleichung x3 + 3x − 14 = 0, also p = 1


und q = −7. Die Cardano-Formel liefert: x1 = u+ + u− , x2 = ωu+ + ω 2 u− und
p
3
√ √ √
x3 = ω 2 u+ + ωu− , mit u√± = 7 ± 5 2. Übrigens
√ gilt 7 ± 5 2 = (1 ± 2)3 , also
folgt x1 = 2, x2 = −1 + i 6 und x3 = −1 − i 6. √
3 3
(b) Für die Gleichung x√ − 6x + 4 = 0 erhalten
√ wir u ± = −2 ± 2i. Übrigens gilt
hier x1 = 2, x2 = −1 − 3 und x3 = −1 + 3, da −2 ± 2i = (1 ± i)3 .

Bemerkung 4.1.4. Durch die Transformation x → x − a4 können wir die Gleichung


x4 + ax3 + bx2 + cx + d = 0 in die Form x4 + px2 + qx + r = 0 bringen.
2
Satz
√ 4.1.5 (Ferrari).  Sei x eine Lösung der quadratischen Gleichung 3x + α2 =
q
± 2α − p x − 2(2α−p) , wobei α eine Lösung der kubischen Gleichung 8α − 4pα −
8rα + 4pr − q 2 = 0 ist. Dann ist x auch eine Lösung der quartische Gleichung
x4 + px2 + qx + r = 0.

Beweis. Sei α eine Lösung


√ von 8α3 − 4pα2 − 8rα + 4pr − q 2 = 0 und sei x eine
q
Lösung von x2 + α = ± 2α − p x − 2(2α−p) . Dann folgt

2 2
 q 2
0 = (x + α) − (2α − p) x −
2(2α − p)
q2
= x4 + 2αx2 + α2 − (2α − p)x2 + qx −
4(2α − p)
4α2 (2α − p) − q 2
= x4 + px2 + qx + = x4 + px2 + qx + r.
4(2α − p)

Beispiel 4.1.6. Wir betrachten x4 + 5x2 + 6x + 4 = 0, also p = 5, q = 6 und r = 4.


Dann√ ist α = 1 eine Lösung von 8α3 − 20α2 −√32α + 44 = 0. Die Lösungen x1 =
√ √ √ √ √ √ √ √ √ √
i 3+ −7+4i 3 i 3− −7+4i 3 −i 3+ −7−4i 3 −i 3− −7−4i 3
2
, x 2 = 2
, x 3 = 2
und x 4 = 2
4.2 Galoisgruppen 63


von x2 + 1 = ±i 3(x + 1) sind dann auch Lösungen von x4 + 5x2 + 6x + 4 = 0.
Eigentlich haben wir hier gefunden:
√ √  √ √ 
x4 + 5x2 + 6x + 4 = x2 − i 3x + 1 − i 3 x2 + i 3x + 1 + i 3
= (x − x1 )(x − x2 )(x − x3 )(x − x4 ).

4.2 Galoisgruppen
Wir möchten zeigen, dass Gleichungen 5. Grades nicht allgemein durch Wurzelaus-
drücke lösbar sind. Dazu betrachten wir Galoisgruppen.

Definition 4.2.1. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung. Ein K-Automorphismus von


L ist ein Automorphismus ϕ : L −→ L, der K elementweise festlässt, d.h. ϕ(k) = k
für alle k ∈ K. Mit AutK (L) bezeichnen wir die Menge der K-Automorphismen.

Lemma 4.2.2. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung. Dann gilt AutK (L) < Aut(L),
wobei Aut(L) die Gruppe der Automorphismen von L ist.

Beweis. Wir benutzen Lemma 1.3.4: Es gilt AutK (L) 6= ∅, da die Abbildung id ∈
Aut(L), mit id(l) = l füralle l ∈ L, in AutK (L) ist. Seien f, g ∈ AutK (L). Dann
gelten g −1 (k) = g −1 g(k) = k und f ◦ g −1 )(k) = f g −1 (k) = f (k) = k für alle
k ∈ K.

Definition 4.2.3. Wir nennen AutK (L) die Galoisgruppe von L über K und wir
definieren Gal(L/K) := AutK (L).

Lemma 4.2.4. Sei K = Q und sei f ∈ Q[x], mit deg f = n ≥ 1. Seien α1 , . . . , αr ∈


C, mit r ≤ n, die paarweise verschiedene Nullstellen von f über C. Sei L =
Q(α1 , . . . , αr ) und sei ϕ ∈ Gal(L/K). Dann ist ϕ(αi ), mit 1 ≤ i ≤ r, eine Nullstelle
von f . Weiterhin ist Gal(L/K) isomorph zu einer Untergruppe von Sr .

Beweis. Sei ϕ ∈ Gal(L/K) und sei f (x) = c0 + . . . + cn xn , mit c0 , . . . , cn ∈ Q. Es


gilt
n
X n
 X n
X
k k
ck ϕ(α)k = f ϕ(α) ,
 
ϕ f (α) = ϕ ck α = ϕ(ck )ϕ(α) =
k=0 k=0 k=0

 
für alle α ∈ L. Damit folgt f ϕ(αi ) = ϕ f (αi ) = ϕ(0) = 0, also ist ϕ(αi ) eine
Nullstelle von f in L. Da ϕ bijektiv ist, ist ϕ : {α1 , . . . , αr } −→ {α1 , . . . , αr } eine
Permutation von r Elementen, d.h. ϕ ∈ Sr .
64 Kapitel 4. Galoistheorie

Beispiel 4.2.5. (a) Wir betrachten Gal(C/R): Sei ϕ ∈ Gal(C/R), dann gilt ϕ(i)2 =
ϕ(i2 ) = ϕ(−1) = −1. Damit gilt ϕ(i) = i oder ϕ(i) = −i. Da ϕ(x + iy) = ϕ(x) +
ϕ(i)ϕ(y) = x + ϕ(i)y gilt für alle x, y ∈ R, folgt, dass Gal(C/R) = {ϕ1 , ϕ2 }, wobei
ϕ1 (z) = z und ϕ2 (z) = z für alle z ∈ C. Weiterhin gilt Gal(C/R) ' Z/2Z.
√ √ √ 3
(b) Sei ϕ ∈ Gal(Q( 3 2)/Q), dann gilt ϕ( 3 2)3 = ϕ 3 2 = ϕ(2) = 2, also folgt
√3
√3

3

3

3

3
ϕ(
√ 2) =
√ 2. Damit gilt dann auch ϕ( 4) = √ 4 und ϕ(a + b 2 + c 4) = a +
b 3 2 + c 3 4 für alle a, b, c ∈ Q. Somit gilt Gal(Q( 3 2)/Q) = {id}.
4 2 2 2
√ = x√− x − 2 = (x + 1)(x − 2) ∈ Q[x]. Die Nullstellen von f über C
(c) Sei f (x)
sind i, −i, 2, − 2. Sei
√ √ √ √ √
L = Q(i, −i, 2, − 2) = Q(i, 2) = {r + si + t 2 + ui 2 | r, s, t, u ∈ Q}.

Sei ϕ ∈ Gal(L/Q), dann ist nach Lemma 4.2.4 ϕ(i) eine Nullstelle√von f . Da
√ ϕ(i)2 =
ϕ(i2 ) = ϕ(−1) = −1, gilt sogar ϕ(i) = ±i. Ebenso haben wir ϕ( 2) = ± 2. Damit
erhalten wir vier Möglichkeiten ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 , ϕ4 für ϕ:
√ √
ϕ1 (i) = i und ϕ1 ( 2) = 2,
√ √
ϕ2 (i) = −i und ϕ2 ( 2) = 2,
√ √
ϕ3 (i) = i und ϕ3 ( 2) = − 2,
√ √
ϕ4 (i) = −i und ϕ4 ( 2) = − 2.
√ √ √ √
Da ϕ(r + si + t 2 + ui 2) = r + sϕ(i) + tϕ( 2) + uϕ(i)ϕ( 2) gilt, sind ϕ1 , ϕ2 , ϕ3
und ϕ4 damit eindeutig bestimmt. Wir haben also gefunden

Gal(L/Q) = {ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 , ϕ4 }.

Die Verknüpfungstafel ist


◦ ϕ1 ϕ2 ϕ3 ϕ4
ϕ1 ϕ1 ϕ2 ϕ3 ϕ4
ϕ2 ϕ2 ϕ1 ϕ4 ϕ3
ϕ3 ϕ3 ϕ4 ϕ1 ϕ2
ϕ4 ϕ4 ϕ3 ϕ2 ϕ1
2
Damit ist Gal(L/Q) isomorph zur kleinschen Vierergruppe Z/2Z . Noch ein Paar
weitere Bemerkungen:
• Sei α ∈ L, dann ist ϕ1 (α)ϕ2 (α)ϕ3 (α)ϕ4 (α) invariant unter ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 und ϕ4 .
Damit folgt ϕ1 (α)ϕ2 (α)ϕ3 (α)ϕ4 (α) ∈ Q (siehe auch Beispiel 3.1.4).
• Die Elemente
√ aus L, die invariant unter ϕ1 und ϕ2 sind, sind genau die Elemente
aus Q( 2).
• Die Elemente aus L, die invariant unter ϕ1 und ϕ3 sind, sind genau die Elemente
aus Q(i).
4.3 Zerfällungskörper 65

4.3 Zerfällungskörper
Definition 4.3.1. Sei K ein Körper und sei f ∈ K[x], mit deg f = n ≥ 1. Ein
Körper L heißt Zerfällungskörper von f über K, falls folgende Bedingungen erfüllt
sind:

(a) K ⊂ L ist eine Körpererweiterung;

(b) f zerfällt über L in Linearfaktoren, d.h. es gibt c ∈ K und α1 , . . . , αn ∈ L mit


f (x) = c(x − α1 ) · · · (x − αn );

(c) L ist minimal bezüglich Eigenschaft (b), d.h. es gibt keinen Zwischenkörper
K ⊂ L0 ( L, so dass f über L0 zerfällt.

Bemerkung 4.3.2. Sei K ⊂ M eine Körpererweiterung, so dass f über M in


Linearfaktoren zerfällt, also f (x) = c(x − α1 ) · · · (x − αn ), mit α1 , . . . , αn ∈ M und
c ∈ K. Dann ist L = K(α1 , . . . , αn ) Zerfällungskörper von f über K.

Satz 4.3.3. Sei K ein Körper und sei f ∈ K[x], mit deg f = n ≥ 1. Dann gibt
es einen Zerfällungskörper L von f über K. Dabei ist K ⊂ L eine endliche und
algebraische Körpererweiterung.

Beweis. Nach dem Satz von Steinitz 3.4.10 hat K einen algebraischen Abschluss
K. Seien α1 , . . . , αn ∈ K die Nullstellen von f über K. Dann ist L = K(α1 , . . . , αn )
Zerfällungskörper von f über K. Da α1 , . . . , αn algebraisch sind über K, ist nach
Satz 3.3.14 K ⊂ L eine endliche und algebraische Körpererweiterung.

Beispiel 4.3.4. (a) Sei f (x) = x3 − √ 1 ∈ Q[x]. Die Nullstellen von f über C sind
2πi 1 i
2
1, ω und ω , mit ω = e 3 = − 2 + 2 3. Ein Zerfällungskörper von f über Q ist
Q(1, ω, ω 2 ) = Q(ω) = {a + bw | a, b ∈ Q}. Hierbei gilt [Q(ω) : Q] = 2. √
(b) Sei f (x) = (x2 − 3)(x2 +√ x + 1) ∈ Q[x].√Die Nullstellen
√ über C sind ± 3, ω, ω 2 .
Ein Zerfällungskörper ist Q( 3, ω) = Q(i, 3) = Q(i + 3). √
(c) Sei f (x) = x4 − x2 − 2 = (x√2 + 1)(x2 − 2)
√ ∈ Q[x]. Die Nullstellen sind ±i, ± 2.
Ein Zerfällungskörper ist Q(i, 2) = Q(i + 2).

Wir wollen zeigen, dass Zerfällungskörper bis auf Isomorphie eindeutig sind.

Definition 4.3.5. Sei ϕ : K1 −→ K2 ein P Homomorphismus.


 Pn Dann können wir ϕ
n k k
fortsetzen zu ϕ : K1 [x] −→ K2 [x], wobei ϕ c
k=0 k x = k=0 ϕ(c k )x .

Satz 4.3.6. Seien K1 , K2 Körper und sei ϕ : K1 −→ K2 ein Isomorphismus. Seien


K1 ⊂ K1 (α1 ) und K2 ⊂ K2 (α2 ) einfache algebraische Körpererweiterungen, so dass
ϕ(m1 ) = m2 , wobei mi das Minimalpolynom von αi über Ki ist (für i = 1, 2). Dann
existiert ein Isomorphismus ψ : K1 (α1 ) −→ K2 (α2 ) mit ψ|K1 = ϕ und ψ(α1 ) = α2 .
66 Kapitel 4. Galoistheorie

Bemerkung 4.3.7. ψ ist also eine Fortsetzung von ϕ.

Beweis. Sei ni = [Ki (αi ) : Ki ] = deg mi . Es folgt n2 = deg m2 = deg ϕ(m1 ) =


deg m1 = n1 , also gilt n1 = n2 =: n. Dann ist {1, αi , . . . , αin−1 } eine Basis von
Ki (αi ) über Ki . Nach Satz 3.3.11(b) gilt Ki (αi ) ' Ki [x]/hmi i. Ein Isomorphismus
ϕi : Ki (αi ) −→ Ki [x]/hmi i ist dabei gegeben durch

ϕi (a0 + a1 αi + . . . + an−1 αin−1 ) = a0 + a1 x + . . . + an−1 xn−1 + hmi i.

Sei Φ : K1 [x]/hm1 i −→ K2 [x]/hm2 i gegeben durch

Φ(a0 + a1 x + . . . + an−1 xn−1 + hm1 i) = ϕ(a0 ) + ϕ(a1 )x + . . . ϕ(an−1 )xn−1 + hm2 i.

Wir können einfach verifizieren, dass Φ ein Isomorphismus ist. Damit ist auch ψ =
ϕ−1
2 ◦ Φ ◦ ϕ1 ein Isomorphismus. Explizit wird ψ gegeben durch

ψ(a0 + a1 α1 + . . . + an−1 α1n−1 ) = ϕ(a0 ) + ϕ(a1 )α2 + . . . + ϕ(an−1 )α2n−1 .

Daraus folgt unmittelbar: ψ(α1 ) = α2 und ψ(a) = ϕ(a) für alle a ∈ K1 .

Satz 4.3.8. Seien K1 , K2 Körper und sei ϕ : K1 −→ K2 ein Isomorphismus. Sei


f1 ∈ K1 [x], dann definieren wir f2 := ϕ(f1 ) ∈ K2 [x]. Sei Li ein Zerfällungskörper
von fi über Ki (für i = 1, 2). Dann gibt es einen Isomorphismus ψ : L1 −→ L2 , der
ϕ fortsetzt, d.h. ψ|K1 = ϕ.

Korollar 4.3.9. Sei K ein Körper und sei f ∈ K[x], mit deg f ≥ 1. Seien L1 und L2
Zerfällungskörper von f über K. Dann gibt es einen Isomorphismus ψ : L1 −→ L2
mit ψ|K = id, also ψ(a) = a für alle a ∈ K. Weiterhin bildet ψ die Nullstellen von
f in L1 auf die Nullstellen von f in L2 ab.

Beweis des Korollars 4.3.9. Wir setzen K1 = K2 = K, ϕ = id und f1 = f .


Dann gilt ϕ(f1 ) = id(f ) = f und aus Satz 4.3.8 folgt, dass es einen Isomorphismus
ψ : L1 −→ L2 , mit  ψ|K = id,  gibt. Sei α ∈ L1 eine Nullstelle von f , dann gilt
0 = ψ(0) = ψ f (α) = f ψ(α) , also ist ψ(α) eine Nullstelle von f in L2 .

Beweis des Satzes 4.3.8. Wir beweisen die Behauptung durch Induktion über
n = deg f1 . Induktionsanfang: Sei deg f1 = 1, dann folgt deg f2 = 1 und damit
zerfällt fi über Ki in Linearfaktoren. Somit gilt Li = Ki . Wir setzen dann ψ = ϕ.
Induktionsschritt: sei g1 ∈ K1 [x] ein normierter irreduzibler Teiler von f1 . Wir
setzen g2 = ϕ(g1 ) ∈ K2 [x]. Dann ist g2 ein Teiler von f2 . Es enthält Li einen
Zerfällungskörper von gi . Also gibt es eine Nullstelle αi von gi in Li . Da g1 normiert
und irreduzibel ist, ist g1 das Minimalpolynom von α1 über K1 . Auch g2 ist normiert
und irreduzibel (jede Zerlegung von ϕ(g1 ) hätte eine Zerlegung von g1 geliefert), also
4.4 Normale und separable Körpererweiterungen 67

ist g2 das Minimalpolynom von α2 über K2 . Nach Satz 4.3.6 existiert eine Fortset-
zung ψ0 : K1 (α1 ) −→ K2 (α2 ) von ϕ : K1 −→ K2 , mit ψ0 (α1 ) = α2 . Da αi auch eine
Nullstelle von fi ist, gilt fi (x) = (x − αi )hi (x), mit hi ∈ Ki (αi )[x]. Da ψ0 (f1 ) = f2
und ψ0 (α1 ) = α2 , folgt daraus ψ0 (h1 ) = h2 . Dann ist Li Zerfällungskörper von hi
über Ki (αi ). Es gilt deg h1 < n, also gibt es nach Induktionsannahme eine Fortset-
zung ψ : L1 −→ L2 von ψ0 .

4.4 Normale und separable Körpererweiterungen


Definition 4.4.1. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung, so dass jedes irreduzible
Polynom f ∈ K[x] mit einer Nullstelle in L über L in Linearfaktoren zerfällt. Dann
heißt die Erweiterung normal.

Beispiel 4.4.2. (a) Da jedes Polynom über C in Linearfaktoren zerfällt, ist R ⊂ C


eine normale Körpererweiterung. √
(b) Sei√f (x) = x3 − 2 ∈ Q[x]. Dann √ ist f irreduzibel. In Q( 3
2) hat f die Null-
stelle 3 2, aber f√zerfällt über Q( 3 2) nicht√in Linearfaktoren, da f keine weitere
Nullstellen in Q( 3 2) hat. Damit ist Q ⊂ Q( 3 2) keine normale Körpererweiterung.

Satz 4.4.3. Sei K ⊂ L eine endliche Körpererweiterung. Dann ist K ⊂ L genau


dann normal, wenn es ein Polynom f ∈ K[x] gibt, so dass L Zerfällungskörper von
f über K ist.

Beweis. Sei K ⊂ L eine normale Körpererweiterung. Da K ⊂ L endlich ist, gibt es


nach Bemerkung 3.2.3 a1 , . . . , an ∈ L, so dass L = K(a1 , . . . , an ). Nach Satz 3.3.14
sind die Elemente a1 , . . . , an algebraisch über K. Da K ⊂ L normal ist, zerfallen
die Minimalpolynome m1 , . . . , mn ∈ K[x] von a1 , . . . , an über L in Linearfaktoren.
Damit ist L Zerfällungskörper von f := m1 · · · mn ∈ K[x].
Wir nehmen jetzt an, dass L Zerfällungskörper eines Polynoms g ∈ K[x] ist. Sei
f ∈ K[x] irreduzibel, mit einer Nullstelle in L. Sei K algebraischer Abschluss von K
und seien α1 , α2 Nullstellen von f in K. Dann haben wir die Körpererweiterungen
K ⊂ L ⊂ L(αi ) und K ⊂ K(αi ) ⊂ L(αi ). Da α1 und α2 beide Minimalpolynom
f über K haben, gilt nach Satz 3.3.11(b), dass [K(α1 ) : K] = [K(α2 ) : K] und
K(α1 ) ' K(α2 ). Da L(αi ) Zerfällungskörper von g über K(αi ) ist, folgt dann mit
Satz 4.3.8, dass L(α1 ) ' L(α2 ). Somit gilt [L(α1 ) : K(α1 )] = [L(α2 ) : K(α2 )] und
da
[L(αi ) : L][L : K] = [L(αi ) : K] = [L(αi ) : K(αi )][K(αi ) : K]
folgt, dass [L(α1 ) : L] = [L(α2 ) : L]. Sei α1 ∈ L, dann folgt [L(α1 ) : L] = 1 und
damit gilt [L(α2 ) : L] = 1, also α2 ∈ L. Wir haben also gezeigt, dass falls einer der
Nullstellen von f in K auch in L ist, dass dann alle Nullstellen von f in L sind.
Damit ist K ⊂ L eine normale Körpererweiterung.
68 Kapitel 4. Galoistheorie

Definition 4.4.4. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung und sei a ∈ L. Dann heißt a


r-fache Nullstelle von f ∈ K[x] \ {0}, wenn

f (x) = (x − a)r g(x) in L[x],

mit g(a) 6= 0. Im Fall r = 1 heißt a einfache Nullstelle, sonst (r > 1) mehrfache


Nullstelle.

Definition 4.4.5. Sei f ∈ K[x] ein Polynom, so dass f in einem Zerfällungskörper


keine mehrfache Nullstellen hat. Dann heißt f separabel über K.

Beispiel 4.4.6. Wir betrachten f (x) = x2 + x + 1 ∈ Q[x]. Über Q ist f irreduzibel


und über C zerfällt f in Linearfaktoren f (x) = (x − ω)(x − ω 2 ), mit ω = e2πi/3 ∈ C.
Wir sehen, dass f separabel ist über Q.

Definition 4.4.7. Die formale Ableitung eines Polynoms f (x) = c0 + c1 x + . . . +


cn xn ∈ K[x] ist gegeben durch f 0 (x) = c1 + . . . + ncn xn−1 ∈ K[x].

Bemerkung 4.4.8. Man kann einfach verifizieren, dass die üblige Regeln für die
Ableitung auch hier gelten:

(a) (f + g)0 = f 0 + g 0 ;

(b) (f · g)0 = f 0 · g + f · g 0 ;

(c) für λ ∈ K gilt (λf )0 = λf 0 und (λ)0 = 0.

Satz 4.4.9. Sei f ∈ K[x] ein Polynom mit deg f ≥ 1 und Zerfällungskörper L über
K. Dann gilt:

(a) Genau dann ist a ∈ L eine mehrfache Nullstelle von f , wenn f (a) = f 0 (a) = 0;

(b) Genau dann hat f mehrfache Nullstellen in L, wenn f und f 0 einen gemein-
samen Teiler vom Grad ≥ 1 in K[x] haben.

(c) Ist f irreduzibel über K, dann hat f genau dann mehrfache Nullstellen in L,
wenn f 0 = 0.

Beweis. (a) Wenn a ∈ L eine mehrfache Nullstellen von f ist, dann gibt es ein
g ∈ L[x] mit f (x) = (x − a)2 g(x). Daraus folgt f 0 (x) = 2(x − a)g(x) + (x − a)2 g 0 (x)
und f 0 (a) = 0. Ist andererseits a eine einfache Nullstelle von f , dann gibt es ein
g ∈ L[x] mit f (x) = (x−a)g(x) und g(a) 6= 0. Daraus folgt f 0 (x) = g(x)+(x−a)g 0 (x)
und f 0 (a) = g(a) 6= 0.
(b) Wenn f und f 0 einen gemeinsamen nichtkonstanten Teiler g(x) ∈ K[x] haben,
dann hat g eine Nullstelle a ∈ L. Dann folgt f (a) = f 0 (a) = 0 und nach (a) ist a dann
4.4 Normale und separable Körpererweiterungen 69

eine mehrfache Nullstelle von f . Haben f und f 0 dagegen keinen gemeinsamen Teiler,
dann sehen wir mit Hilfe der Bemerkung 2.7.4(c), dass es Polynome g, h ∈ K[x]
gibt, mit f (x)g(x) + f 0 (x)h(x) = 1. Daraus sehen wir, dass für alle a ∈ L gilt, dass
f 0 (a) und f (a) nicht beide Null sind. Nach (a) folgt dann, dass f keine mehrfache
Nullstellen hat.
(c) Sei f irreduzibel über K. Wenn f mehrfache Nullstellen in L hat, dann folgt mit
(b), dass f und f 0 einen gemeinsamen Teiler vom Grad ≥ 1 in K[x] haben. Da f
irreduzibel ist, folgt dass f ein Teiler von f 0 ist. Da deg f 0 < deg f gilt, gilt dann
f 0 = 0. Gilt umgekehrt, dass f 0 Null ist, dann folgt aus (a), dass jede Nullstelle
a ∈ L von f eine mehrfache Nullstelle ist.
Satz 4.4.10. Sei K ein Körper der Charakteristik Null und sei f ∈ K[x] irreduzibel.
Dann ist f separabel über K.
Beweis. Sei f ∈ K[x] irreduzibel. Da f nicht konstant ist, folgt f 0 6= 0. Nach
Satz 4.4.9(c) hat f dann keine mehrfache Nullstellen in L, wobei L ein beliebiger
Zerfällungskörper von f über K ist. Damit ist f separabel über K.
Bemerkung 4.4.11. Falls char(K) 6= 0, dann gibt es nichtkonstante Polynome
f ∈ K[x] mit f 0 = 0. Z.B. gilt (x2 + 1)0 = 0 in Charakteristik 2.
Definition 4.4.12. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung. Ein algebraisches Element
α ∈ L heißt separabel über K, wenn das Minimalpolynom mα von α über K, über
K separabel ist. Eine algebraische Körpererweiterung K ⊂ L heißt separabel, wenn
α separabel ist für alle α ∈ L.
Bemerkung 4.4.13. (a) Sei K ⊂ L eine algebraische Körpererweiterung, wobei
char(K) = 0. Da das Minimalpolynom mα ∈ K[x] für alle α ∈ L irreduzibel ist,
folgt aus Satz 4.4.10, dass die Erweiterung K ⊂ L separabel ist.
(b) Seien K ⊂ L ⊂ M Körpererweiterungen. Falls K ⊂ M separabel ist, dann ist
auch K ⊂ L separabel.
Satz 4.4.14 (Satz von primitiven Elemente). Sei K ⊂ L eine endliche und separable
Körpererweiterung. Dann ist K ⊂ L einfach, d.h. es gibt ein a ∈ L, so dass L =
K(a).
Bemerkung 4.4.15. Wir nennen a ein primitives Element der Körpererweiterung.
Korollar 4.4.16. Jede endliche Erweiterung eines Körpers der Charakteristik Null
ist einfach.
Beweis des Korollars 4.4.16. Sei char(K) = 0 und sei K ⊂ L endlich. Nach
Bemerkung 3.2.3 ist die Erweiterung endlich erzeugt und nach Satz 3.3.14 ist die
Erweiterung algebraisch. Aus Bemerkung 4.4.13(a) folgt, dass die Erweiterung se-
parabel ist und nach Satz 4.4.14 ist die Erweiterung einfach.
70 Kapitel 4. Galoistheorie

Beweis des Satzes 4.4.14. Wir beweisen die Behauptung nur für den Fall, dass
|K| = ∞ gilt. Da K ⊂ L endlich ist, gibt es algebraische Elemente α1 , . . . , αn ∈ L,
so dass L = K(α1 , . . . , αn ). Wir haben also die Kette von Körpererweiterungen

K ⊂ K(α1 ) ⊂ . . . ⊂ K(α1 , . . . , αn−1 ) ⊂ K(α1 , . . . , αn ) = L.

Mit Induktion genügt es dann den Fall n = 2 zu beweisen. Wir zeigen also, dass falls
K ⊂ L = K(a, b) eine separable Körpererweiterung ist, dass es dann ein c ∈ K gibt,
so dass L = K(c). Seien ma und mb die Minimalpolynome von a bzw. b über K.
Seien a = a1 , a2 , . . . , ar die verschiedenen Nullstellen von ma in K, und b = b1 , . . . , bs
die von mb in K. Wir betrachten die Menge

M = (ak − a)(b − bl )−1 | 1 ≤ k ≤ r, 2 ≤ l ≤ s ⊂ K.




Wir bemerken, dass (b − bl )−1 existiert für l > 1, da bl 6= b. Da M eine endliche


Menge ist, und wir angenommen haben, dass K unendlich ist, existiert ein λ ∈ K,
so dass λ 6∈ M . Es folgt

c := a + λb 6∈ {ak + λbl | 1 ≤ k ≤ r, 2 ≤ l ≤ s}.

Die Idee ist, dass dann L = K(c) gilt. Dazu haben wir a, b ∈ K(c) zu zeigen.
Wir betrachten die Polynome mb (x) und ma (c − λx) aus K(c)[x]. Da K(c)[x] ein
Hauptidealring ist, gibt es nach Bemerkung 2.7.4(c) ein d ∈ K(c)[x], so dass d
größter gemeinsamer Teiler von mb (x) und ma (c − λx) ist. Aus mb (b) = 0 und
ma (c − λb) = ma (a) = 0 folgt, dass b auch eine Nullstelle von d ist. Aus d mb
folgt, dass alle Nullstellen von d auch Nullstellen von mb sind. Für l ≥ 2 gilt aber
c − λbl 6= ak für alle 1 ≤ k ≤ r, also gilt ma (c − λbl ) 6= 0. Da d auch ma (c − λx) teilt,
folgt, dass b die einzige Nullstelle von d ist, also gilt d(x) = (x − b)t , mit t ≥ 1. Da
mb separabel ist, hat mb nur einfache Nullstellen. Da d mb folgt dann t = 1. Wir
haben also gefunden, dass
d(x) = x − b.
Da d(x) in K(c)[x] ist, folgt also b ∈ K(c). Damit ist dann auch a = c − λb in
K(c).

Beispiel 4.4.17. (a) Wir betrachten√ die Körpererweiterung Q ⊂ Q(i, 2). Die
Minimalpolynome von a = i und b = 2 über Q sind ma (x) = x2 + 1 bzw. mb (x) =
x2 − 2. √ von ma über C sind a1 = i und a2 = −i, und die von mb sind
√ Die Nullstellen
b1 = 2 und b2 = − 2. Die Menge

i√
(ak − a)(b − bl )−1 k = 1, 2, l = 2 = 0, −
 
2
2
4.5 Die symmetrische und alternierende Gruppe 71

√ √
enthällt nicht 1 ∈ Q. Damit gilt√Q(i, 2) = Q(i + 2) (siehe auch Beispiel 3.1.10).
b = 3. Da gilt√ma (x) = x2 + x + 1, mb (x) = x2 − 3 und
(b) Sei a = ω = e2πi/3 und √
a1 = a = ω, a2 = ω 2 , b1 = 3 und b2 = − 3. Die Menge
i
(ak − a)(b − bl )−1 k = 1, 2, l = 2 = 0, − }
 
2
√ √
enthällt nicht 1 ∈ Q, also gilt Q(ω, 3) = Q(ω + 3).

4.5 Die symmetrische und alternierende Gruppe


Wir betrachten hier die symmetrische Gruppe, auch Permutationsgruppe genannt,
Sn = S({1, 2, . . . , n}) (siehe Beispiel 1.1.5(l)). Die Elemente von Sn nennen wir
Permutationen.
Definition 4.5.1. Sei 2 ≤ k ≤ n und seien m1 , m2 , . . . , mk ∈ {1, 2, . . . , n} paarweise
verschiedene Zahlen. Sei σ ∈ Sn , so dass
(a) σ(mi ) = mi+1 für 1 ≤ i ≤ k − 1;

(b) σ(mk ) = m1 ;

(c) σ(m) = m für alle m ∈ {1, 2, . . . , n} \ {m1 , . . . , mk }.


Dann nennen wir σ einen k-Zyklus. Wir schreiben σ = (m1 , m2 , . . . , mk ).
Bemerkung 4.5.2. Diese Schreibweise ist nicht eindeutig, da ein Zyklus an jeder
Stelle starten kann. Z.B. gilt (1, 2, 3) = (2, 3, 1).
Definition 4.5.3. Ein 2-Zyklus heißt auch Transposition.
Definition 4.5.4. Seien (m1 , m2 , . . . , mk ) und (n1 , n2 , . . . , nl ) Zyklen, so dass

{m1 , m2 , . . . , mk } ∩ {n1 , n2 , . . . , nl } = ∅.

Dann nennen wir diese Zyklen disjunkt.


Bemerkung 4.5.5. Seien σ1 , σ2 ∈ Sn disjunkte Zyklen. Dann gilt σ1 ◦ σ2 = σ2 ◦ σ1 .
Beispiel 4.5.6. Die Permutationen σ1 = ( 12 23 31 44 55 ) = (1, 2, 3) und σ2 = ( 11 22 33 45 54 ) =
(4, 5) sind disjunkte Zyklen. Weiterhin gilt σ1 ◦ σ2 = σ2 ◦ σ1 = ( 12 23 31 45 54 ).
Satz 4.5.7. Sei n ≥ 2 und sei σ ∈ Sn . Dann gilt
(a) σ ist ein Produkt paarweise disjunkter Zyklen. Diese Zyklen sind bis auf Rei-
henfolge eindeutig bestimmt;
72 Kapitel 4. Galoistheorie

(b) σ ist ein Produkt von Transpositionen.

Bemerkung 4.5.8. (a) Die Zerlegung von σ ∈ Sn als Produkt paarweise disjunkter
Zyklen nennen wir die Zyklenzerlegung von σ.
(b) Die Anzahl der Transpositionen in (b) ist nicht eindeutig bestimmt: Z.B. gilt
(1, 3) = (1, 2)(1, 3)(2, 3). Wir werden aber sehen, dass die Parität der Anzahl der
benötigten Transpositionen eindeutig bestimmt ist.

Beweis des Satzes 4.5.7. (a) Sei σ ∈ Sn . Wir betrachten die Untergruppe H =
hσi = {σ k | k ∈ Z} < Sn . Dann operiert H auf M = {1, 2, . . . , n} und wir können
M schreiben als disjunkte Vereinigung der Bahnen
G
M= H(a),
a∈A

A = {a1 , . . . , ar } ein Repräsentantensystem der Bahnen ist. Wir haben also


wobei F
M = ri=1 Bi , mit Bi = {ai , σ(ai ), . . . , σ ki −1 (ai )}, für bestimmte Zahlen ki ∈ Z>0 .
Daraus folgt
Y r
σ= σi ,
i=1
ki >1

wobei σi = (ai , σ(ai ), . . . , σ ki −1 (ai )) ein ki -Zyklus ist (für ki > 1). Diese Zyklen sind
paarweise disjunkt, da die Bahnen paarweise disjunkt sind. Die Anzahl der Zyklen
in der Zyklenzerlegung ist eindeutig durch σ bestimmt: Es ist die Anzahl der mehr-
elementigen Bahnen. Auch die Zyklen sind eindeutig durch σ bestimmt, also ist die
Zyklenzerlegung bis auf die Reihenfolge eindeutig.
(b) Nach (a) genügt es jeden Zyklus als Produkt von Transpositionen zu schreiben:

(m1 , m2 , . . . , mk ) = (m1 , mk )(m1 , mk−1 ) · · · (m1 , m3 )(m1 , m2 ).

Bemerkung 4.5.9. Wir haben k-Zyklen nur definiert für k ≥ 2. Manchmal ist
es auch sinnvoll 1-Zyklen (m) = id zu betrachten. In der Zyklenzerlegung können
wir dann 1-Zyklen hinzufügen, so dass alle Zahlen zwischen 1 und n genau einmal
auftauchen. In dem Beweis des Satzes 4.5.7 bedeutet das, dass wir auch Bahnen mit
nur einem Element betrachten. Z.B. gilt dann ( 12 23 31 44 55 ) = (1, 2, 3)(4)(5).

Lemma 4.5.10. Wir definieren eine Abbildung ν : Sn −→ Z>0 , wobei ν(σ) die
Anzahl der Zyklen in der Zyklenzerlegung von σ ist. Hierbei zählen Zyklen der Länge
1 auch mit (ν(σ) ist also die Anzahl der Bahnen unter der Operation von hσi auf
M = {1, 2, . . . , n}). Seien σ, τ ∈ Sn , wobei τ eine Transposition ist. Dann gilt
ν(τ σ) = ν(σ) ± 1.
4.5 Die symmetrische und alternierende Gruppe 73

Beweis. Sei σ = ri=1 σi die Zyklenzerlegung von σ (mit 1-Zyklen, also r = ν(σ)).
Q
Sei τ = (α, β) mit α 6= β. Wir möchten die Zyklenzerlegung von τ σ finden. Es gibt
zwei Möglichkeiten für α und β:
α und β liegen im gleichen Zyklus σl = (m1 , m2 , . . . , mk ): Da jeder Zyklus an jeder
Stelle starten kann, können wir annehmen, dass α = m1 und β = mj+1 , mit 1 ≤ j ≤
k − 1. Dann gilt
τ σl = (m1 , mj+1 )(m1 , . . . , mk ) = (m1 , . . . , mj )(mj+1 , . . . , mk ).
Damit hat τ σ die Zyklenzerlegung
r
Y
τ σ = (m1 , . . . , mj )(mj+1 , . . . , mk ) σi .
i=1
i6=l

Somit folgt ν(τ σ) = r + 1 = ν(σ) + 1.


α und β liegen in verschiedenen Zyklen σl1 = (m1 , . . . , mk1 ) und σl2 = (n1 , . . . , nk2 ):
Dann können wir annehmen, dass α = m1 und β = n1 . Es folgt
τ σl1 σl2 = (m1 , n1 )(m1 , . . . , mk1 )(n1 , . . . , nk2 )
= (m1 , . . . , mk1 , n1 , . . . , nk2 ).
Damit erhalten wir
r
Y
τ σ = (m1 , . . . , mk1 , n1 , . . . , nk2 ) σi ,
i=1
i6=l1 ,l2

und ν(τ σ) = r − 1 = ν(σ) − 1.


Satz 4.5.11. Die Abbildung sgn : Sn −→ {1, −1} gegeben durch sgn(σ) = (−1)n(σ) ,
wobei n(σ) die Anzahl der Transpositionen in einer Darstellung von σ als Produkt
von Transpositionen ist, ist wohldefiniert. Weiterhin ist sgn ein surjektiver Homo-
morphismus.
Beweis. Nach Lemma 4.5.10 gilt ν(τ σ) ≡ ν(σ) + 1 (mod 2) für eine Transpo-
sition τ . Auch haben wir ν(id) = n, da id = (1)(2) · · · (n). Nach Satz 4.5.7(b)
können wir σ als Produkt von Transpositionen σ = τ1 · · · τr schreiben. Damit folgt
ν(σ) ≡ ν(id) + r = n + r (mod 2). Da ν(σ) eindeutig durch σ bestimmt wird (und
also nicht von der Darstellung als Produkt von Transpositionen abhängt), ist damit
r modulo 2 eindeutig bestimmt und somit ist sgn wohldefiniert. Da sgn τ = −1
für eine Transposition τ , ist sgn surjektiv. Sei σ1 = τ1 · · · τr und σ2 = τ10 · · · τs0 ,
wobei τ1 , . . . , τr , τ10 , . . . τs0 Transpositionen sind. Dann ist σ1 σ2 = τ1 · · · τr τ10 · · · τs0 das
Produkt von r + s Transpositionen. Damit folgt
sgn(σ1 σ2 ) = (−1)r+s = (−1)r (−1)s = sgn σ1 sgn σ2 .
74 Kapitel 4. Galoistheorie

Definition 4.5.12. Eine Permutation σ ∈ Sn mit sgn σ = 1 nennen wir eine gerade
Permutation. Eine Permutation mit sgn σ = −1 nennen wir ungerade. Wir definieren
die alternierende Gruppe An durch

An = Ker sgn = {gerade Permutationen}.

Bemerkung 4.5.13. (a) Nach Satz 1.6.11 gilt Sn /An ' Im sgn = {1, −1}. Damit
folgt [Sn : An ] = 2 und |An | = 21 |Sn | = 12 n!. Nach Beispiel 1.6.7(a) gilt An C Sn .
(b) Da wir (m1 , m2 , . . . , mk ) = (m1 , mk )(m1 , mk−1 ) · · · (m1 , m3 )(m1 , m2 ) haben, gilt
sgn σ = (−1)k−1 für einen Zyklus σ der Länge k. Damit erhalten wir eine einfache
Methode, um das Signum einer Permutation σ ∈ Sn zu berechnen: Sei µ die Anzahl
der Zyklen gerader Länge in der Zyklenzerlegung von σ, dann gilt sgn σ = (−1)µ .

Lemma 4.5.14. Sei Gn < Sn die Gruppe der Permutationen, die sich als Produkt
von 3-Zyklen schreiben lassen. Dann gilt Gn = An .

Beweis. Nach Bemerkung 4.5.13(b) sind alle 3-Zyklen gerade Permutationen, also
folgt unmittelbar Gn < An . Weiterhin ist jedes Produkt zweier Transpositionen ein
Produkt von 3-Zyklen: Seien a, b, c, d ∈ {1, . . . , n} paarweise verschieden, dann gilt

(a, b)(a, b) = id,


(a, b)(a, c) = (a, c, b),
(a, b)(c, d) = (a, c, b)(a, c, d).

(für n = 3 brauchen wir nur die erste zwei Gleichungen und für n = 2 nur die erste).
Damit folgt An < Gn und Gn = An .

Lemma 4.5.15. Sei N C An , so dass N einen 3-Zyklus enthält. Dann gilt N = An .

Beweis. Für n = 2 ist nichts zu zeigen, da A2 keinen 3-Zyklus enthält. Für n ≥ 3


können wir annehmen, dass (1, 2, 3) ∈ N . Damit ist auch (1, 3, 2) = (1, 2, 3)2 ∈ N .
Da A3 = {id, (1, 2, 3), (1, 3, 2)}, folgt damit die Behauptung für n = 3. Sei jetzt
n ≥ 4 und sei 3 < k ≤ n. Dann gilt (3, 2, k) ∈ An und da N normal ist in An , folgt,
dass (3, 2, k)(1, 3, 2)(3, 2, k)−1 = (3, 2, k)(1, 3, 2)(3, k, 2) = (1, 2, k) ∈ N . Mit

(1, k, l) = (1, l, 2)(1, 2, k)(1, l, 2)−1 ,


(k, l, m) = (1, m, k)(1, k, l),

folgt, dass N alle 3-Zyklen enthält und somit auch alle Produkte von 3-Zyklen. Nach
Lemma 4.5.14 gilt dann N = An .

Satz 4.5.16. A5 ist einfach.


4.6 Auflösbare Gruppen 75

Beweis. Sei N C A5 mit N 6= {id}. Nach Lemma 4.5.15 genügt es zu zeigen, dass
N einen 3-Zyklus enthält. Sei σ ∈ N mit σ 6= id. Wir betrachten die Zyklenzer-
legung von σ. Da σ eine gerade Permutation ist, gibt es in dieser Zerlegung (nach
Bemerkung 4.5.13(b)) eine gerade Anzahl von Zyklen gerader Länge. Damit gibt es
drei Möglichkeiten für σ:
σ ist ein 5-Zyklus (m1 , m2 , m3 , m4 , m5 ): Sei ρ = (m1 , m3 , m2 ) ∈ A5 . Da N C A5 gilt,
gilt dann ρσρ−1 ∈ N und es folgt (ρσρ−1 )σ −1 = (m1 , m3 , m4 ) ∈ N . Damit enthält
N einen 3-Zyklus.
σ ist ein 3-Zyklus: Dann enthält N trivialerweise einen 3-Zyklus.
σ ist das Produkt 2 disjunkter 2-Zyklen (m1 , m2 )(m3 , m4 ): Da σ ∈ A5 ist, gibt es
dann auch noch ein m5 6= m1 , m2 , m3 , m4 . Sei ρ = (m1 , m2 , m5 ) ∈ A5 , dann gilt
(ρσρ−1 )σ = (m1 , m5 , m2 ) ∈ N .

Bemerkung 4.5.17. Ähnlicherweise kann man zeigen: jede normale Untergruppe


N 6= {id} von An (n ≥ 5) enthält einen 3-Zyklus. Damit ist An einfach für n 6= 4.

Lemma 4.5.18. Sei p eine Primzahl und sei G < Sp , so dass G eine Transposition
und einen p-Zyklus enthält. Dann gilt G = Sp .

Beweis. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass τ =


(1, 2) ∈ G. Sei σ0 ∈ G ein p-Zyklus. Dann gibt es ein k ∈ Z mit σ0k (1) = 2. Da p
eine Primzahl ist, ist dann σ := σ0k ∈ G auch ein p-Zyklus. O.B.d.A. können wir
annehmen, dass die Elemente so geordnet sind, dass σ = (1, 2, 3, . . . , p). Wir können
einfach verifizieren, dass σ(k, k + 1)σ −1 = (k + 1, k + 2) gilt für alle 1 ≤ k ≤ p − 2.
Mit Induktion und (1, 2) ∈ G folgt daraus, dass (k, k + 1) ∈ G für alle 1 ≤ k ≤ p − 1.
Mit (1, k)(k, k + 1)(1, k) = (1, k + 1) (2 ≤ k ≤ p − 1) folgt dann mit Induktion, dass
(1, k) ∈ G für alle 2 ≤ k ≤ p. Weiterhin gilt (k, l) = (1, k)(1, l)(1, k) ∈ G für alle k
und l mit k 6= l und k, l 6= 1. Damit haben wir gezeigt, dass alle Transpositionen in
G sind. Nach Satz 4.5.7 gilt dann G = Sp .

4.6 Auflösbare Gruppen


Definition 4.6.1. Eine Gruppe G heißt auflösbar, falls es eine Kette

{e} = Nk < Nk−1 < . . . < N2 < N1 = G

von Untergruppen von G gibt, so dass für alle 1 ≤ i ≤ k − 1 gilt

(a) Ni+1 C Ni ;

(b) Ni /Ni+1 ist abelsch.


76 Kapitel 4. Galoistheorie

Beispiel 4.6.2. Sei G eine abelsche Gruppe. Wir setzen N1 = G und N2 = {e}.
Dann gilt N2 C N1 und ist N1 /N2 ' G abelsch. Damit ist G auflösbar.
Satz 4.6.3. Sei G eine Gruppe, sei H < G und sei N C G. Dann gilt
(a) Wenn G auflösbar ist, dann ist H auflösbar;
(b) Wenn G auflösbar ist, dann ist G/N auflösbar;
(c) Wenn N und G/N auflösbar sind, dann ist G auflösbar.
Beweis. (a) Da G auflösbar ist, gibt es eine Kette {e} = Nk CNk−1 C. . .CN2 CN1 =
G mit Ni /Ni+1 abelsch. Wir setzen Hi = Ni ∩ H. Dann gilt Hi ∩ Ni+1 = Hi+1 . Aus
Hi < Ni und Ni+1 C Ni , folgt dann mit Satz 1.6.14, dass Hi+1 C Hi , Ni+1 C Hi Ni+1 ,

Hi /Hi+1 ' Hi Ni+1 /Ni+1

und Hi Ni+1 < Ni . Damit folgt Hi Ni+1 /Ni+1 < Ni /Ni+1 und somit ist Hi /Hi+1
abelsch. Wir haben also die Kette {e} = Hk C Hk−1 C . . . C H2 C H1 = H, mit
Hi /Hi+1 abelsch. Damit ist H auflösbar.
(b) Da G auflösbar ist, gibt es wieder eine Kette {e} = Nk CNk−1 C. . .CN2 CN1 = G
mit Ni /Ni+1 abelsch. Wir betrachten die Kette {e} = Nk N/N < Nk−1 N/N < . . . <
N2 N/N < N1 N/N = G/N . Da Ni < G und N C G folgt mit Satz 1.6.14(b), dass
N C Ni N . Aus Ni+1 C Ni und N C G folgt Ni+1 N C Ni N . Mit Satz 1.6.15 gilt dann
Ni+1 N/N C Ni N/N und (Ni N/N )/(Ni+1 N/N ) ' Ni N/Ni+1 N . Da Ni /Ni+1 abelsch
ist, sind dann auch Ni N/Ni+1 N und (Ni N/N )/(Ni+1 N/N ) abelsch. Also ist G/N
auflösbar.
(c) Da N und G/N auflösbar sind, gibt es Ketten {e} = Nk CNk−1 C. . .CN2 CN1 = N
und {e} = Ql C Ql−1 C . . . C Q2 C Q1 = G/N mit Ni /Ni+1 und Qi /Qi+1 abelsch.
Wir betrachten den Homomorphismus π : G −→ G/N gegeben durch π(a) = aN
und die Untergruppen Mi = {a ∈ G | π(a) ∈ Qi } < G. Dann gilt Ml = Ker π = N
und M1 = G. Wir haben also die Kette N = Ml < Ml−1 < . . . < M2 < M1 = G
und zusammen mit die Kette für N können wir die zusammensetzen zu einer Kette
{e} = Nk C . . . C N1 = Ml < . . . < M1 = G. Seien a ∈ Mi+1 und b ∈ Mi , dann
gilt π(bab−1 ) = mnm−1 mit m ∈ Qi und n ∈ Qi+1 . Da Qi+1 normal ist in Qi , folgt
π(bab−1 ) ∈ Qi+1 und bab−1 ∈ Mi+1 . Damit gilt Mi+1 C Mi . Sei πi : Mi −→ G/N
gegeben durch πi (a) = aN . Dann gilt Ker πi = N , N C Mi und Mi /N ' Im πi = Qi .
Mit Satz 1.6.15 folgt dann Mi+1 /Mi ' (Mi+1 /N )/(Mi /N ) ' Qi+1 /Qi . Damit ist
Mi+1 /Mi abelsch und somit ist G auflösbar.
Satz 4.6.4. Die symmetrische Gruppe Sn ist genau dann auflösbar, wenn n ≤ 4 ist.
Beweis. S1 und S2 sind abelsch und somit auflösbar. Für S3 haben wir die Kette

{e} C A3 C S3 .
4.7 Die Galoisgruppe eines Polynoms über Q 77

A3 ist eine zyklische Gruppe der Ordnung 3 und S3 /A3 ' {1, −1} ist eine zykli-
sche Gruppe der Ordnung 2. Damit sind beide Gruppen abelsch und somit ist S3
auflösbar. Für S4 haben wir die Kette

{e} C V4 < A4 C S4 ,

mit V4 = {id, (1, 2)(3, 4), (1, 3)(2, 4), (1, 4)(2, 3)}. Wir können einfach verifizieren,
dass V4 eine abelsche Gruppe der Ordnung 4 ist. Die Elemente aus V4 sind genau die
Elemente h ∈ A4 mit h2 = id. Es gilt (ghg −1 )2 = gh2 g −1 = id für alle h ∈ V4 und alle
g ∈ A4 . Damit gilt V4 C A4 . Da A4 /V4 die Ordnung 12 4
= 3 hat, ist A4 /V4 abelsch.
Somit ist S4 auflösbar. Nach Satz 4.5.16 ist A5 einfach. Da A5 nicht abelsch ist (z.B.
gilt (1, 2, 3)(1, 2, 4) 6= (1, 2, 4)(1, 2, 3)), folgt unmittelbar, dass A5 nicht auflösbar ist.
Mit Satz 4.6.3(a) folgt dann, dass S5 nicht auflösbar ist. Da wir S5 auffassen können
als Untergruppe von Sn (n ≥ 5), ist Sn auch für n > 5 nicht auflösbar.
Bemerkung 4.6.5. (a) Man kann zeigen, dass jede Gruppe der Ordnung kleiner
als 60 auflösbar ist. Somit ist A5 die kleinste nicht auflösbare Gruppe.
(b) Wir werden sehen, dass dieses unterschiedliche Verhalten von Sn für n ≤ 4 und
n ≥ 5 Grund dafür ist, dass eine Polynomgleichung f (x) = 0 für deg f ≤ 4 allgemein
durch Wurzelausdrücke lösbar ist und nicht für deg f ≥ 5.

4.7 Die Galoisgruppe eines Polynoms über Q


Definition 4.7.1. Sei f ∈ Q[x] und sei L ⊂ C Zerfällungskörper von f über Q. Wir
definieren die Galoisgruppe Gal(f ) von f durch

Gal(f ) := Gal(L/Q) = AutQ (L).

Satz 4.7.2. Sei f ∈ Q[x] irreduzibel über Q. Dann operiert Gal(f ) transitiv auf den
Nullstellen von f .
Beweis. Nach Satz 4.4.10 ist f separabel über Q. Damit hat f genau n := deg f
paarweise verschiedene Nullstellen α1 , . . . , αn ∈ C. Somit ist L = Q(α1 , . . . , αn )
Zerfällungskörper von f über Q. Seien a1 , a2 ∈ M ⊂ L, wobei M = {α1 , . . . , αn }
die Menge der Nullstellen von f ist. Sei ϕ : Q −→ Q gegeben durch ϕ = id. Da f
irreduzibel ist, ist f das Minimalpolynom von ai über Q und es gilt ϕ(f ) = f . Nach
Satz 4.3.6 gibt es einen Isomorphismus ψ0 : Q(a1 ) −→ Q(a2 ) mit ψ0 |Q = id und
ψ0 (a1 ) = a2 . Sei fi ∈ Q(ai )[x] gegeben durch fi = f . Dann ist L Zerfällungskörper
von fi über Q(ai ). Nach Satz 4.3.8 können wir ψ0 zu einem Isomorphismus ψ : L −→
L fortsetzen, also ψ|Q(a1 ) = ψ0 . Damit gilt ψ|Q = id und ψ ∈ Gal(L/Q) = Gal(f ).
Somit haben wir gezeigt, dass a2 ∈ Gal(f )(a1 ). Da a1 , a2 ∈ M beliebig sind, folgt
Gal(f )(a1 ) = M . Nach Definition 1.8.5 operiert Gal(f ) also transitiv auf M .
78 Kapitel 4. Galoistheorie

Bemerkung 4.7.3. Seien ϕ1 , ϕ2 ∈ Gal(f ), so dass ϕ1 |M = ϕ2 |M , wobei M die


Menge der Nullstellen von f ist. Dann gilt (ϕ−1
2 ◦ ϕ1 )|M = id. Da L von Q und den
−1
Nullstellen von f erzeugt wird, folgt ϕ2 ◦ ϕ1 = id, also ϕ1 = ϕ2 . Die Galoisgruppe
Gal(f ) wird also bestimmt durch die Operation auf M .

Satz 4.7.4. Sei f ∈ Q[x] irreduzibel mit deg f = n ≥ 1. Dann ist Gal(f ) zu einer
Untergruppe von Sn isomorph.

Beweis. Seien α1 , . . . , αn ∈ C die paarweise verschiedene Nullstellen von f . Somit


ist L = Q(α1 , . . . , αn ) Zerfällungskörper von f über Q und die Behauptung folgt
mit Lemma 4.2.4.

Beispiel 4.7.5. Sei f (x) = x4 − 2 ∈ Q[x]. Wir berechnen die Galoisgruppe von
f : Nach Eisenstein√mit p√= 2√ist f √ irreduzibel. Die Menge M√⊂ C√der Nullstellen

von f ist M = { 2, − 2, i 2, −i 4 2}. Damit ist L = Q( 4 2, i 4 2) = Q( 4 2, i)
4 4 4

Zerfällungskörper von f über Q. Sei τ : L −→ L gegeben durch komplexe Konju-


gation.√Dann gilt
√ τ ∈ AutQ (L) = Gal(f ). Nach Satz 4.7.2 gibt es ein σ ∈ Gal(f )
mit σ( 2) = i 2. Da i eine Nullstelle von g(x) = x2 + 1 ∈ Q[x] ist, ist auch σ(i)
4 4

eine Nullstelle von g. Somit gilt σ(i) = i oder σ(i) = −i. Wir können annehmen,
dass σ(i) = i√gilt (wenn
√ σ(i) =
√ −i gilt, dann ersetzen wir σ durch στ ; es gilt dann
4 4 4
nämlich στ ( 2) = σ( 2) = i 2 und στ (i) = σ(−i) = σ(−1)σ(i) = (−1)(−i) = i).
Wir erhalten

4

4
σ( 2) = i 2,

4
√4

4
√4
σ(i 2) = σ(i)σ( 2) = i · i 2 = − 2,

4
√ 4

4
σ(− 2) = σ(i)σ(i 2) = −i 2,

4
√4
√4
σ(−i 2) = σ(i)σ(− 2) = 2.

Damit entspricht σ einem 4-Zyklus auf den Nullstellen von f . Es gilt


√ √ √ √ √ √
(στ )2 ( 2) = στ στ ( 2) = στ σ( 2) = στ (i 2) = σ(−i 2) = 2,
4 4 4 4 4 4

(στ )2 (i) = στ στ (i) = στ σ(−i) = στ (−i) = σ(i) = i.



Da L von Q, 4√2 und i erzeugt wird, wird (στ )2 eindeutig bestimmt durch die
Operation auf { 4 2, i}, also gilt (στ )2 = id. Somit haben wir gefunden, dass

D4 = hσ, τ | σ 4 = τ 2 = (στ )2 = idi

(siehe Beispiel 1.8.10) eine Untergruppe von Gal(f ) ist, d.h. Gal(f ) enthält die 8
Elemente
{id, σ, σ 2 , σ 3 , τ, στ, σ 2 τ, σ 3 τ }.
4.7 Die Galoisgruppe eines Polynoms über Q 79

Nach Satz 4.7.4 gilt D4 < Gal(f ) < S4 . Aus [S4 : D4 ] = 24/8 = 3 folgt dann mit
Satz 1.5.5,
√ dass Gal(f√ ) = D4 oder Gal(f ) = S4 . Sei ϕ ∈ Gal(f ). Dann gilt ϕ(i) = ±i
4 4
und ϕ(i 2) = ±iϕ( 2). Damit enthält Gal(f ) nicht den 3-Zyklus ρ ∈ S4 mit
√4
√4
√4

4
√4

4
√4
√4
ρ( 2) = 2, ρ(i 2) = − 2, ρ(− 2) = −i 2, ρ(−i 2) = i 2,
√ √
(da ρ(i 4 2) 6= ±iρ( 4 2)) also gilt Gal(f ) 6= S4 . Somit haben wir gefunden

Gal(f ) = D4 .

Bemerkung 4.7.6. Im Allgemeinen ist die Berechnung der Galoisgruppe eines


Polynoms keine einfache Sache. Im Beispiel 4.7.5 war es besonders hilfreich, dass
wir die Nullstellen kannten. Manchmal können wir auch ohne eine einzige Nullstelle
zu kennen, die Galoisgruppe berechnen. Dabei kann folgendes Lemma hilfreich sein.

Satz 4.7.7. Sei p eine Primzahl und sei f ∈ Q[x] irreduzibel vom Grad p mit genau
zwei nichtreellen Nullstellen in C. Dann gilt Gal(f ) = Sp .

Beweis. Sei M die Menge der Nullstellen von f und sei L Zerfällungskörper von
f über Q. Da f irreduzibel ist, ist nach Satz 4.4.10 f separabel über Q. Damit
gilt |M | = p. Da Gal(f ) nach Satz 4.7.2 transitiv auf M operiert, gibt es ein
m ∈ M mit M = Gal(f )(m). Mit Satz 1.8.11(c) folgt dann, dass | Gal(f )| teil-
bar ist durch | Gal(f )(m)| = |M | = p und mit Satz 1.9.2 erhalten wir, dass Gal(f )
eine Untergruppe der Ordnung p hat. Es gibt also ein Element σ ∈ Gal(f ) der
Ordnung p. Da Gal(f ) < Sp (nach Satz 4.7.4), ist σ ein p-Zyklus. Wir betrachten
τ ∈ Gal(f ) = AutQ (L) gegeben durch komplexe Konjugation. Dann hält τ die p − 2
reellen Nullstellen fest und vertauscht die beiden nichtreellen Nullstellen. Damit ist
τ eine Transposition und mit Lemma 4.5.18 folgt dann Gal(f ) = Sp .

Beispiel 4.7.8. Sei f (x) = x3 −2√∈ Q[x].


√ Nach Eisenstein
√ mit p = 2 ist f irreduzibel.

Die Nullstellen von f in C sind 3 2, ω 3 2 und ω 2 3 2, wobei ω = e2πi/3 = − 12 + 2i 3.
Damit hat f genau zwei nichtreelle Nullstellen. Nach Satz 4.7.7 gilt Gal(f ) = S3 .

Beispiel 4.7.9. Sei f (x) = x5 − 4x + 2 ∈ Q[x]. Nach Eisenstein mit p = 2 ist f


irreduzibel. Somit ist f separabel und hat fünf verschiedene Nullstellen in C. Wir
können diese Nullstellen aber nicht so einfach berechnen. Mit Analysis können wir
trotzdem zeigen, dass f genau drei reelle Nullstellen hat. Dazu betrachten wir f als
Funktion auf R. Es gelten

f (−2) = −22 < 0,


f (0) = 2 > 0,
f (1) = −1 < 0,
f (2) = 26 > 0.
80 Kapitel 4. Galoistheorie

Mit dem Zwischenwertsatz folgt, dass f mindestens drei reelle Nullstellen


p hat. Die
Ableitung f 0 (x) = 5x4 − 4 hat genau zwei reelle Nullstellen: ± 4 4/5. Mit dem
Mittelwertsatz (der Differentialrechnung), folgt, dass zwischen zwei Nullstellen von f
immer eine Nullstelle von f 0 liegt. Damit hat f genau drei reelle und zwei nichtreelle
Nullstellen. Mit Satz 4.7.7 folgt dann Gal(f ) = S5 .

4.8 Die Galoiskorrespondenz


Lemma 4.8.1. Sei L ein Körper und sei H < Aut(L) eine Untergruppe der Auto-
morphismengruppe von L. Dann ist

LH := {a ∈ L | ϕ(a) = a für alle ϕ ∈ H}

ein Teilkörper von L.


Beweis. Es gilt trivialerweise LH ⊂ L. Um zu zeigen, dass LH ein Teilkörper ist,
benutzen wir das Kriterium aus Bemerkung 3.3.16: da 0 ∈ LH , gilt LH 6= ∅. Seien
a, b ∈ LH , dann gilt ϕ(a − b) = ϕ(a) − ϕ(b) = a − b für alle ϕ ∈ H. Somit ist
a − b ∈ LH . Für b 6= 0 gilt auch ϕ(ab−1 ) = ϕ(a)ϕ(b)−1 = ab−1 .
Definition 4.8.2. Wir nennen LH Fixkörper von H.
Bemerkung 4.8.3. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung und sei H < Gal(L/K) <
Aut(L) eine Untergruppe der Galoisgruppe von L über K. Sei ϕ ∈ H, dann wird
K durch ϕ elementweise festgehalten. Damit gilt K ⊂ LH . Wir haben also die
Körpererweiterungen K ⊂ LH ⊂ L.
Definition 4.8.4. Sei K ⊂ L eine Körpererweiterung, die endlich, normal und
separabel ist. Dann nennen wir diese Erweiterung eine Galoiserweiterung.
Beispiel 4.8.5. Sei f ∈ Q[x] und sei L Zerfällungskörper von f über Q, dann ist
Q ⊂ L eine Galoiserweiterung: Nach Satz 4.3.3 ist die Erweiterung endlich und
algebraisch, nach Bemerkung 4.4.13(a) ist sie separabel und nach Satz 4.4.3 normal.
Lemma 4.8.6. Sei K ⊂ L eine Galoiserweiterung. Dann ist Gal(L/K) endlich.
Beweis. Da K ⊂ L endlich und normal ist, gibt es nach Satz 4.4.3 ein Polynom
f ∈ K[x], so dass L Zerfällungskörper von f über K ist. Da L von K und den
Nullstellen von f in L erzeugt wird, wird Gal(L/K) bestimmt durch die Operation
auf diesen Nullstellen. Damit ist Gal(L/K) isomorph zu einer Untergruppe von Sn ,
wobei n die Anzahl der Nullstellen ist.
Satz 4.8.7. Sei K ⊂ L eine Galoiserweiterung mit Galoisgruppe G = Gal(L/K).
Dann gilt LG = K.
4.8 Die Galoiskorrespondenz 81

Beweis. Nach Bemerkung 4.8.3 gilt K ⊂ LG . Sei a ∈ L \ K. Wir betrachten die


Körpererweiterungen K ⊂ K(a) ⊂ L. Da K 6= K(a) gilt, ist das Minimalpolynom
ma ∈ K[x] (von a über K) vom Grad ≥ 2. Weil K ⊂ L normal ist, sind (nach
Definition) alle Nullstellen von ma in L. Da K ⊂ L separabel ist, ist ma separabel
und damit hat ma eine weitere Nullstelle b 6= a in L. Nach Satz 4.3.6 gibt es einen
Isomorphismus ψ : K(a) −→ K(b) mit ψ|K = id und ψ(a) = b. Nach Satz 4.4.3
gibt es ein f ∈ K[x], so dass L Zerfällungskörper von f über K ist. Mit Satz 4.3.8
können wir ψ dann fortsetzen zu ϕ ∈ Gal(L/K), mit ϕ(a) = b. Somit gilt a 6∈ LG
und LG ⊂ K.

Beispiel 4.8.8. (a) Wir betrachten Q ⊂ Q(i). Da Q(i) Zerfällungskörper von f (x) =
x2 + 1 ∈ Q[x] ist, ist Q ⊂ Q(i) nach Beispiel 4.8.5 eine Galoiserweiterung. Es gilt
G = Gal(Q(i)/Q) = {id, τ }, mit τ gegeben durch komplexe Konjugation. Weiterhin
gilt
Q(i)G = {a ∈ Q(i) | id(a) = a und τ (a) = a} = Q.

(b)√Wir betrachten
√ Q ⊂ Q( 3 2). Es gilt G = {id} √ (siehe Beispiel 4.2.5(b)) und
3 G 3 3
Q( 2) = Q( 2) 6= Q. Die Erweiterung Q ⊂ Q( 2) ist dann auch keine Galois-
erweiterung, da sie nicht normal ist (siehe Beispiel 4.4.2(b)).

Lemma 4.8.9. Sei K ⊂ L eine algebraische und separable Körpererweiterung, so


dass es ein n ∈ Z>0 gibt mit [K(α) : K] ≤ n für alle α ∈ L. Dann gilt [L : K] ≤ n.

Beweis. Ähnlich wie in Aufgabe 1 von Übungsblatt 11.

Satz 4.8.10. Sei L ein Körper und sei H < Aut(L) eine endliche Untergruppe.
Dann ist LH ⊂ L eine Galoiserweiterung mit [L : LH ] = |H| und Gal(L/LH ) = H.

Korollar 4.8.11. Sei K ⊂ L eine Galoiserweiterung. Dann gilt

| Gal(L/K)| = [L : K].

Beweis. Sei K ⊂ L eine Galoiserweiterung mit Galoisgruppe G = Gal(L/K),


dann gilt LG = K (Satz 4.8.7). Da G < Aut(L) eine endliche Untergruppe ist (nach
Lemma 4.8.6), folgt mit Satz 4.8.10

[L : K] = [L : LG ] = |G| = | Gal(L/K)|.

Bemerkung 4.8.12. Es gilt auch folgende Umkehring (ohne Beweis):


Sei K ⊂ L eine endliche Körpererweiterung mit | Gal(L/K)| = [L : K]. Dann ist
K ⊂ L eine Galoiserweiterung.

Lemma 4.8.13. Seien K ⊂ M ⊂ L Körpererweiterungen, wobei K ⊂ L eine Ga-


loiserweiterung ist. Dann gilt
82 Kapitel 4. Galoistheorie

(a) M ⊂ L ist eine Galoiserweiterung;

(b) K ⊂ M ist genau dann eine Galoiserweiterung, wenn ϕ(M ) = M gilt für alle
ϕ ∈ Gal(L/K).

Wir sind endlich soweit den Hauptsatz der Galoistheorie formulieren zu können.

Satz 4.8.14 (Fundamentalsatz der Galoistheorie). Sei K ⊂ L eine Galoiserweite-


rung mit Galoisgruppe G = Gal(L/K). Wir betrachten die Menge U aller Unter-
gruppen von G und die Menge Z aller Zwischenkörpern:

U := {H | H < G},
Z := {M | K ⊂ M ⊂ L Zwischenkörper}.

Weiterhin betrachten wir die Abbildungen µ : Z −→ U und η : U −→ Z gegeben


durch
µ(M ) = Gal(L/M ),
η(H) = LH .

Dann gilt

(a) µ und η sind zueinander inverse bijektive Abbildungen;

(b) µ und η kehren Inklusionen um: Es gilt µ(M2 ) < µ(M1 ) für M1 ⊂ M2 , und
η(H2 ) ⊂ η(H1 ) für H1 < H2 ;

(c) ϕ η(H) = η ϕHϕ−1 für H ∈ U und ϕ ∈ G;


 

(d) Sei M ∈ Z, dann ist K ⊂ M genau dann eine Galoiserweiterung, wenn


µ(M ) C µ(K) = G;

(e) Sei M ∈ Z mit K ⊂ M eine Galoiserweiterung, dann gibt es einen surjektiv-


en Homomorphismus δ : Gal(L/K) −→ Gal(M/K) mit Ker δ = Gal(L/M ).
Weiterhin gilt Gal(M/K) ' Gal(L/K)/ Gal(L/M ).

Beispiel 4.8.15. Sei√f (x) = x4 − 2 ∈ Q[x] (wie im Beispiel 4.7.5). Wir haben
gesehen, dass L = Q( 4 2, i) Zerfällungskörper von f über Q ist, und, dass

Gal(f ) = Gal(L/Q) = D4 = {id, σ, σ 2 , σ 3 , τ, στ, σ 2 τ, σ 3 τ }.

Nach Beispiel 4.8.5 ist Q ⊂ L eine Galoiserweiterung und nach Satz 4.8.14 können
wir jedem Zwischenkörper M der Erweiterung Q ⊂ L eine Untergruppe der Galois-
gruppe D4 = Gal(L/Q) zuordnen, die M elementweise fest lässt, und umgekehrt
jeder Untergruppe H < D4 den Zwischenkörper, den sie fixiert.
4.8 Die Galoiskorrespondenz 83

Wir können die Untergruppen von D4 explizit bestimmen: Wegen |D4 | = 8 hat
D4 Untergruppen der Ordnung 1, 2, 4 und 8. Die Untergruppen der Ordnung 2
sind {id, σ 2 }, {id, τ }, {id, στ }, {id, σ 2 τ } und {id, σ 3 τ }, und die der Ordnung 4 sind
{id, σ, σ 2 , σ 3 }, {id, σ 2 , τ, σ 2 τ } und {id, σ 2 , στ, σ 3 τ }, also

D4

{id, σ 2 , τ, σ 2 τ } {id, σ, σ 2 , σ 3 } {id, σ 2 , στ, σ 3 τ }

{id, σ 2 τ } {id, τ } {id, σ 2 } {id, στ } {id, σ 3 τ }

{id}

Wir können damit auch alle Zwischenkörper Q ⊂ M ⊂ L bestimmen, da M = LH


gilt für eine (eindeutig bestimmte) Untergruppe H < D4 . Nach Korollar 4.8.11 gilt
[L : Q] = |D4 | = 8. Wir betrachten jetzt L als Vektorraum über Q. Dann hat L also
Dimension 8 und eine Basis von L über Q wird gegeben durch
√4
√ √ 4
√4
√ √ 4
{1, 2, 2, 8, i, i 2, i 2, i 8}

Sei h ∈ H < D4 , dann ist die Abbildung ϕh : L −→ L gegeben durch ϕh (a) = h(a)
eine lineare Abbildung. Wenn a durch h festgelassen wird, dann ist a also Eigenvektor
von ϕh zum Eigenwert 1. Damit ist LH als Vektorraum über Q gleich
\
Eig1 (ϕh ),
h∈H

wobei Eigλ (ϕ) der Eigenraum √ von √


√ ϕ zum Eigenwert λ ist. Für √ H√= {id,
√ τ } erhalten

wir zum Beispiel span{1, 2, 2, 8}, also η({id, τ }) = Q( 2, 2, 8) = Q( 4 2).
4 4 4 4

Ähnlicherweise gilt
√ √
η {id, σ 2 } = Q( 2, i),
4
  
η {id, στ } = Q (1 + i) 2 ,
√ √
η {id, σ 2 τ } = Q(i 2), η {id, σ 3 τ } = Q (1 − i) 2 ,
4 4
  

η {id, σ, σ 2 , σ 3 } = Q(i), η {id, σ 2 , τ, σ 2 τ } = Q( 2),
 

η {id, σ 2 , στ, σ 3 τ } = Q(i 2).


Damit erhalten wir


84 Kapitel 4. Galoistheorie

√ √
Q( 2) Q(i) Q(i 2)

√ √ √ √  √ 
Q(i 4 2) Q( 4 2) Q( 2, i) Q (1 + i) 4 2 Q (1 − i) 4 2


Q( 4 2, i)

Beweis des Satzes 4.8.10. Sei a ∈ L. Wir betrachten die Bahn H(a) von a unter
der Operation von H. Da H endlich Qn ist, ist auch H(a) endlich, also H(a) = {a =
a1 , a2 , . . . , an } ⊂ L. Sei fa (x) := i=1 (x − ai ) ∈ L[x] und sei ϕ ∈ H. Wir betrachten
ϕ(fa ). Da ϕ die Faktoren (x − ai ) von fa permutiert (denn ϕ(x − ai ) = x − ϕ(ai ) =
x − aj ), folgt ϕ(fa ) = fa , d.h. fa ∈ LH [x]. Sei H
 ma ∈ L [x] das Minimalpolynom von
H
a über L . Es gilt ϕ ma (α) = ma ϕ(α) für alle α ∈ L, da ϕ die Koeffizienten
von ma festlässt. Damit sehen wir, dass falls α eine Nullstelle von ma ist, dass
dann auch ϕ(α) eine Nullstelle von ma ist. Da ai in der Bahn von a unter der
Operation von H auf a liegt, und a eine Nullstelle von ma ist, ist damit ai eine
Nullstelle von f für alle 1 ≤ i ≤ n. Somit gilt fa ma und da ma irreduzibel ist,
folgt fa = ma . Da a ∈ L Nullstelle von ma ∈ LH [x] ist, ist a algebraisch über LH .
Auch ist a (nach Definition 4.4.12) separabel über LH , da ma (x) = ni=1 (x − ai )
Q
nur einfache Nullstellen hat und damit separabel ist. Weil a ∈ L beliebig ist, ist
damit die Erweiterung LH ⊂ L algebraisch und separabel. Weiterhin gilt nach Satz
3.3.11(b), dass [LH (a) : LH ] = deg(ma ) = n = |H(a)|. Mit Satz 1.8.11 folgt daraus,
dass [LH (a) : LH ] ≤ |H|, für alle a ∈ L. Nach Lemma 4.8.9 gilt dann

[L : LH ] ≤ |H|.

Damit ist die Erweiterung LH ⊂ L endlich und nach Satz 4.4.14 existiert ein pri-
mitives Element c ∈ L mit L = LH (c). Da alle Nullstellen von mc ∈ LH [x] in L sind
(wir haben gesehen, dass die Nullstellen von mc genau die Elemente aus H(c) sind),
zerfällt mc über L in Linearfaktoren. Somit ist L = LH (c) Zerfällungskörper von mc
über LH . Nach Satz 4.4.3 ist LH ⊂ L dann eine normale Erweiterung. Wir haben
also gefunden, dass LH ⊂ L eine separable, endliche und normale Erweiterung ist,
also ist sie eine Galoiserweiterung.
Nach Definition wird LH durch H elementweise festgelassen, also H ⊂ Gal(L/LH ).
Sei ϕ ∈ Gal(L/LH ). Da c eine Nullstelle von mc ∈ LH [x] ist, ist auch ϕ(c) eine
Nullstelle von mc . Damit folgt ϕ(c) ∈ H(c), und somit gibt es ein ψ ∈ H mit
ϕ(c) = ψ(c). Da L von LH und c erzeugt wird, wird ϕ bestimmt durch ϕ(c), also
4.8 Die Galoiskorrespondenz 85

gilt ϕ = ψ ∈ H. Wir haben also gefunden, dass Gal(L/LH ) ⊂ H und damit gilt
Gal(L/LH ) = H. Wir betrachten die Abbildung ` : H −→ H(c) gegeben durch
`(ϕ) = ϕ(c). Diese Abbildung ist bijektiv: ` ist trivialerweise surjektiv und da ϕ
bestimmt wird durch ϕ(c) ist ` auch injektiv. Damit folgt |H| = |H(c)| und

| Gal(L/LH )| = |H| = |H(c)| = deg(mc ) = [LH (c) : LH ] = [L : LH ].

Beweis des Lemmas 4.8.13. Die Erweiterung K ⊂ L ist also endlich, normal und
separabel. Mit Satz 3.2.5 folgt unmittelbar, dass K ⊂ M und M ⊂ L dann auch
endlich sind.
(a) Nach Satz 4.4.3 gibt es ein Polynom f ∈ K[x], so dass L Zerfällungskörper von f
über K ist. Es gilt auch f ∈ M [x], und L ist auch Zerfällungskörper von f über M
(L ist der kleinste Körper der K und die Nullstellen von f enthält, und damit auch
der kleinste Körper der M und die Nullstellen von f enthält) und somit ist M ⊂ L
normal. Sei a ∈ L, dann betrachten wir die Minimalpolynome ma,K und ma,M von
a über K bzw. M . Da ma,K , ma,M ∈ M [x] und ma,M irreduzibel ist über M , folgt
mit Bemerkung 3.3.9(a), dass ma,M ma,K . Da K ⊂ L separabel ist, hat ma,K in L
keine mehrfache Nullstellen. Damit hat auch ma,M in L keine mehrfache Nullstellen
und somit ist M ⊂ L separabel.
(b) Sei K ⊂ M eine Galoiserweiterung und sei a ∈ M . Sei ma das Minimalpolynom
von a über K und sei ϕ ∈ Gal(L/K). Da a eine Nullstelle von ma ist, ist auch ϕ(a)
eine Nullstelle von ma (in L). Da K ⊂ M (nach Annahme) normal ist, folgt dann
ϕ(a) ∈ M und ϕ(M ) ⊂ M . Wenn {a1 , . . . , an } eine Basis von M über K ist, dann ist
{ϕ(a1 ), . . . , ϕ(an )} eine Basis von ϕ(M ) über K. Daraus folgt [ϕ(M ) : K] = [M : K]
und ϕ(M ) = M .
Jetzt nehmen wir umgekehrt an, dass ϕ(M ) = M gilt für alle ϕ ∈ Gal(L/K). Sei
ϕ ∈ Gal(L/K), dann ist ϕ|M eine Abbildung von M nach M , also ϕ|M ∈ Aut(M ),
und es folgt ϕ|M ∈ Gal(M/K). Sei H = {ϕ|M ∈ Gal(M/K) | ϕ ∈ Gal(L/K)}. Dann
ist H < Aut(M ) und es gilt

M H = {a ∈ M | ϕ(a) = a für alle ϕ ∈ H}


= {a ∈ M | ϕ|M (a) = a für alle ϕ ∈ Gal(L/K)}
= {a ∈ M | ϕ(a) = a für alle ϕ ∈ Gal(L/K)}
= M ∩ {a ∈ L | ϕ(a) = a für alle ϕ ∈ Gal(L/K)} = M ∩ LGal L/K .

Da K ⊂ L eine Galoiserweiterung ist, folgt mit Lemma 4.8.6, dass Gal(L/K) endlich
ist, und mit Satz 4.8.7, dass LGal L/K = K. Damit folgt: H ist endlich und M H = M ∩
K = K. Mit Satz 4.8.10 folgt dann: K = M H ⊂ M ist eine Galoiserweiterung.

Beweis des Satzes 4.8.14. Wir bemerken zuerst, dass µ und η wohldefiniert
sind: Wir können einfach verifizieren, dass tatsächlich Gal(L/M ) < Gal(L/K) gilt
86 Kapitel 4. Galoistheorie

(siehe auch Aufgabe 1.1 von Übungsblatt 10), also µ(M ) ∈ U . Nach Bemerkung
4.8.3 gilt K ⊂ LH ⊂ L, also η(H) ∈ Z.
(a) Sei M ∈ Z, dann gilt
(η ◦ µ)(M ) = η µ(M ) = η Gal(L/M ) = LGal(L/M ) .
 

Nach Lemma 4.8.13 ist M ⊂ L eine Galoiserweiterung, also folgt mit Satz 4.8.7,
dass (η ◦ µ)(M ) = M , d.h. η ◦ µ = id. Sei H ∈ U . Nach Lemma 4.8.6 ist H endlich,
also folgt mit Satz 4.8.10
(µ ◦ η)(H) = µ η(H) = µ(LH ) = Gal(L/LH ) = H,


d.h. µ ◦ η = id. Damit sind η und µ zueinander inverse Bijektionen.


(b) Sei M1 ⊂ M2 und sei σ ∈ µ(M2 ) = Gal(L/M2 ), also σ ∈ Aut(L) mit σ|M2 = id.
Dann folgt unmittelbar σ|M1 = id, d.h. σ ∈ Gal(L/M1 ) = µ(M1 ). Wir haben also
gefunden, dass µ(M2 ) < µ(M1 ). Sei H1 < H2 und sei a ∈ η(H2 ) = LH2 , also
a ∈ L mit ϕ(a) = a für alle ϕ ∈ H2 . Dann folgt ϕ(a) = a für alle ϕ ∈ H1 , d.h.
a ∈ LH1 = η(H1 ). Wir haben also gefunden, dass η(H2 ) ⊂ η(H1 ).
(c) Sei H ∈ U und sei ϕ ∈ G. Dann gilt
η(H) = LH = {a ∈ L | ψ(a) = a für alle ψ ∈ H}
= {a ∈ L | (ϕ ◦ ψ)(a) = ϕ(a) für alle ψ ∈ H}
= {a ∈ L | (ϕ ◦ ψ ◦ ϕ−1 ) ϕ(a) = ϕ(a) für alle ψ ∈ H},


ϕ η(H) = {ϕ(a) ∈ L | (ϕ ◦ ψ ◦ ϕ−1 ) ϕ(a) = ϕ(a) für alle ψ ∈ H}


 

= {b ∈ L | (ϕ ◦ ψ ◦ ϕ−1 )(b) = b für alle ψ ∈ H}


−1
= LϕHϕ = η(ϕHϕ−1 ).
(d) Sei M ∈ Z und sei ϕ ∈ G. Aus (c) mit H = µ(M ), folgt ϕ(M ) = η ϕµ(M )ϕ−1

−1
und µ ϕ(M
 ) = ϕµ(M )ϕ . Damit sehen wir, dass µ(M )CG genau dann gilt, wenn
µ ϕ(M ) = µ(M ) (d.h. ϕ(M ) = M ) gilt für alle ϕ ∈ G. Die Behauptung folgt dann
mit Lemma 4.8.13(b).
(e) Wenn K ⊂ M eine Galoiserweiterung ist, dann gilt nach Lemma 4.8.13(b)
ϕ(M ) = M für alle ϕ ∈ Gal(L/K). Wir betrachten die Abbildung δ : Gal(L/K) −→
Gal(M/K) mit δ(ϕ) = ϕ|M . Wir können einfach verifizieren, dass δ ein Gruppen-
isomorphismus ist. Weiterhin gilt
Ker δ = {ϕ ∈ Gal(L/K) | ϕ|M = idM } = Gal(L/M ),
H := Im δ = {ϕ|M ∈ Gal(M/K) | ϕ ∈ Gal(L/K)}.
Im Beweis des Lemmas 4.8.13(b) haben wir gesehen, dass M H = K gilt. Nach Satz
4.8.10 gilt dann Gal(M/K) = Gal(M/M H ) = H = Im δ. Damit ist δ surjektiv und
mit Satz 1.6.11 folgt
Gal(M/K) ' Gal(L/K)/ Gal(L/M ).
4.9 Lösbarkeit durch Radikale 87

4.9 Lösbarkeit durch Radikale


Definition 4.9.1. Sei Q ⊂ K(⊂ C) ein Körper, sei a ∈ K und sei n ∈ Z>0 . Sei
K ⊂ L eine Körpererweiterung, so dass es ein b ∈ √ L gibt mit bn = a. Dann heißt
b ein Radikal von a über K. Wir schreiben b = n a. Bis auf Multiplikation mit
Einheitswurzeln ist b eindeutig.
Eine Körpererweiterung K ⊂ L heißt Radikalerweiterung, falls es eine Kette von
Körpererweiterungen K = K1 ⊂ K2 ⊂ . . . ⊂ Kk = L gibt, so dass Ki+1 = Ki (bi ),
mit bni i ∈ Ki , d.h. bi ist ein Radikal eines Elements aus Ki .
Sei f ∈ Q[x] und sei L Zerfällungskörper von f über Q. Dann heißt f durch Radikale
lösbar, wenn eine Radikalerweiterung Q ⊂ M existiert, so dass L ⊂ M .

Bemerkung 4.9.2. (a) Im Allgemeinen gilt L ( M .


(b) Seien K ⊂ L und L ⊂ M Radikalerweiterungen. Wenn wir die Ketten zusam-
mensetzen, folgt, dass auch K ⊂ M eine Radikalerweiterung ist.

Beispiel 4.9.3. Sei f (x) = x3 + 3px + 2q ∈ Q[x] mit p, q ∈ Q, und sei L Zerfällungs-
körper von f über
q Q. Dann ist L nach Satz 4.1.1 enthalten in Q(ω, u+ , u− ), mit ω =
2πi 3
p
e 3 und u± = −q ± q 2 + p3 . Da u+ u− = −p ∈ Q, gilt Q(ω, u+ , u− ) = Q(ω, u+ ).
Mit p
Q ⊂ Q(ω) ⊂ Q(ω, q 2 + p3 ) ⊂ Q(ω, u+ )
sehen wir dann, dass Q ⊂ Q(ω, u+ ) eine Radikalerweiterung ist. Damit ist f durch
Radikale lösbar und somit sind alle Polynome f ∈ Q[x] vom Grad 3 durch Radikale
lösbar. Ähnlicherweise gilt dies auch für Polynome vom Grad 2 und 4.

Satz 4.9.4. Sei f ∈ Q[x]. Dann ist f genau dann durch Radikale lösbar, wenn
Gal(f ) auflösbar ist.

Bemerkung 4.9.5. Wir beweisen nur: Falls f durch Radikale lösbar ist, dann ist
Gal(f ) auflösbar.

Beispiel 4.9.6. Sei f (x) = x5 − 4x + 2 ∈ Q[x]. Dann gilt Gal(f ) = S5 (Beispiel


4.7.9). Damit ist Gal(f ) nicht auflösbar (nach Satz 4.6.4) und somit ist f nicht durch
Radikale lösbar.
2πi
Lemma 4.9.7. Sei ζn := e n und√ sei Q ⊂ K eine Körpererweiterung, so dass
ζn ∈ K. Sei a ∈ K und sei L = K( n a). Dann gilt

(a) Q ⊂ Q(ζn ) ist eine Galoiserweiterung mit abelscher Galoisgruppe;

(b) K ⊂ L ist eine Galoiserweiterung mit abelscher Galoisgruppe.


88 Kapitel 4. Galoistheorie

Beweis. (a) Die Nullstellen von f (x) = xn − 1 ∈ Q[x] in C sind gegeben durch ζnk ,
mit 0 ≤ k < n. Damit ist Q(ζn , ζn2 , . . . , ζnn−1 ) = Q(ζn ) Zerfällungskörper
 von f über
Q, also ist Q ⊂ Q(ζn ) eine Galoiserweiterung. Da ϕ ∈ Gal Q(ζn )/Q wird bestimmt
durch ϕ(ζn ), und ϕ Nullstellen von f abbildet auf Nullstellen von f , gilt ϕ = σl mit
0 ≤ l < n, wobei σl (ζn ) = ζnl . Dann folgt
l
(σl1 ◦ σl2 )(ζn ) = σl1 ζnl2 ) = σl1 (ζn ) 2 = ζnl1 l2 = σl1 l2 (ζn ),
(wobei wir l1 l2 modulo n betrachten).
 Damit gilt σl1 ◦ σl2 = σl1 l2 = σl2 l1 = σl2 ◦ σl1
und somit ist Gal Q(ζn )/Q abelsch.
(b) Nach Satz 3.3.14 ist K ⊂ L eine endliche und algebraische Erweiterung. Da
K ⊂ C und char(C) = 0 gelten, gilt auch char(K) = 0. Nach Bemerkung 4.4.13√ ist
n k n
die Erweiterung K ⊂ L dann separabel. Die√Nullstellen von x − a in C sind ζn a
mit 0 ≤ k < n. Die liegen alle in L (da ζn , n a ∈ L). Somit ist L Zerfällungskörper
von xn − a ∈ K über K. Damit ist K ⊂ L eine normale Erweiterung und somit eine
Galoiserweiterung. Sei ϕ ∈ Gal(L/K), dann schickt √ ϕ wie immer Nullstellen von
n n
x − a auf Nullstellen von x −√a. Da ϕ √ durch ϕ( a) bestimmt wird, folgt dann,
n

l n
dass ϕ = σl (0 ≤ l < n), mit σl ( a) = ζn a). Also
n

√ √ √ √
(σl1 ◦ σl2 )( n a) = σl1 ζnl2 n a) = ζnl2 σl1 ( n a) = ζnl1 +l2 n a = σl1 +l2 (ζn ),
(wobei wir l1 +l2 modulo n betrachten). Damit gilt σl1 ◦σl2 = σl1 +l2 = σl2 +l1 = σl2 ◦σl1
und somit ist Gal(L/K) abelsch.
Bemerkung 4.9.8.  (a) Es gilt nicht unbedingt, dass σl auch wirklich ein Element
aus Gal Q(ζn )/Q bzw. Gal(L/K) ist. 
(b) Man kann (einfach) zeigen: Gal Q(ζn )/Q ist isomorph zu einer Untergruppe
der multiplikativen Gruppe Z∗n . Für n = p eine Primzahl ist Gal Q(ζp )/Q isomorph


zur additiven Gruppe Z/(p − 1)Z.


Lemma 4.9.9. Sei f ∈ Q[x] und sei L Zerfällungskörper von f über Q. Sei n ≥ 1
und sei bn ∈ L. Dann gibt es ein Polynom fe ∈ Q[x] mit Zerfällungskörper L
e über
Q, so dass L ⊂ L
e eine Radikalerweiterung mit L(b) ⊂ L
e ist.

Beweis. Wir betrachten


Y
xn − ϕ(bn ) .

g(x) =
ϕ∈Gal(L/Q)

Da bn ∈ L ist auch ϕ(bn ) ∈ L und damit sind alle Nullstellen von g Radikale über
L. Somit ist der Zerfällungskörper von g über L eine Radikalerweiterung über L. Sei
ψ ∈ Gal(L/Q). Dann gilt
Y Y
xn − (ψϕ)(bn ) = xn − ϕ(b
e n ) = g(x).
  
ψ g(x) =
ϕ∈Gal(L/Q) ϕ∈Gal(L/Q)
e
4.10 Das inverse Galoisproblem 89

Nach Beispiel 4.8.5 ist Q ⊂ L eine Galoiserweiterung also gilt LGal(L/Q) = Q (Satz
4.8.7). Da alle Koeffizienten von g durch ψ ∈ Gal(L/Q) festgelassen werden, gilt
also g ∈ Q[x]. Sei fe := f g ∈ Q[x] und sei L
e Zerfällungskörper von fe über Q. Dann
ist L ⊂ L
e eine Radikalerweiterung. Da g(b) = 0 ist, gilt b ∈ L e und L(b) ⊂ L. e

Beweis des Satzes 4.9.4 (nur eine Richtung). Sei L Zerfällungskörper von
f über Q. Nach Definition gibt es eine Radikalerweiterung Q ⊂ M mit L ⊂ M .
Das Problem ist, dass Q ⊂ M möglicherweise keine Galoiserweiterung ist. Darum
vergrössern wir M zu M 0 (also M ⊂ M 0 ), so dass Q ⊂ M 0 eine Radikalerweiterung
und gleichzeitig auch eine Galoiserweiterung ist. Dazu benutzen wir Lemma 4.9.9: Sei
Q = K1 ⊂ K2 ⊂ . . . ⊂ Kk = M eine Kette von Körpererweiterungen, so dass Ki+1 =
Ki (bi ) mit bni i ∈ Ki . Dann ist L1 := K1 Zerfällungskörper eines linearen Polynoms
f1 . Durch wiederholt anwenden des Lemmas 4.9.9 erhalten wir Polynome fi ∈ Q[x]
mit Zerfällungskörper Li über Q, so dass Li−1 ⊂ Li eine Radikalerweiterung ist.
Außerdem gilt Ki ⊂ Li . Wir haben dann Q = L1 ⊂ L2 ⊂ . . . ⊂ Lk . Sei M 0 = Lk ,
dann ist Q ⊂ M 0 also eine Radikalerweiterung und da M 0 Zerfällungskörper eines
Polynoms fk ∈ Q[x] ist, ist Q ⊂ M 0 auch eine Galoiserweiterung. Weiterhin gilt
L ⊂ M = Kk ⊂ Lk = M 0 , also L ⊂ M 0 . Da Q ⊂ M 0 eine Radikalerweiterung
ist, gibt es eine Körperkette Q = R1 ⊂ R2 ⊂ . . . ⊂ Rr = M 0 , mit Ri+1 = Ri (ui )
2πi
und usi i ∈ Ri . Sei s := kgV(s1 , . . . , sr−1 ) und sei ζ = ζs = e s . Sei Si = Ri (ζ)
(1 ≤ i ≤ r). Wir betrachten Q = S0 ⊂ S1 ⊂ . . . ⊂ Sr . Dann ist S0 ⊂ S1 eine
Galoiserweiterung mit abelscher Galoisgruppe (Lemma 4.9.7(a)). Da Si die si -te
Einheitswurzel enthalt, ist Lemma 4.9.7(b) anwendbar. Es folgt, dass Si ⊂ Si+1
(1 ≤ i < r) eine Galoiserweiterung mit abelscher Galoisgruppe ist. Da Sr = M 0 (ζ)
Zerfällungskörper von (xs − 1)fk (x) über Q ist, ist S0 ⊂ Sr eine Galoiserweiterung.
Mit Lemma 4.8.13 folgt, dass Si ⊂ Sr (0 ≤ i < r) eine Galoiserweiterung ist.
Wenn wir Teil (d) und (e) des Fundamentalsatzes anwenden auf Si ⊂ Si+1 ⊂ Sr ,
folgt Gal(Sr /Si+1 ) C Gal(Sr /Si ) und Gal(Sr /Si )/ Gal(Sr /Si+1 ) ' Gal(Si+1 /Si ). Sei
Ni = Gal(Sr /Si ), dann haben wir also {e} = Nr CNr−1 C. . .CN1 CN0 = Gal(Sr /Q),
wobei Ni /Ni+1 ' Gal(Si+1 /Si ) abelsch ist. Damit ist Gal(Sr /Q) auflösbar. Für L
(Zerfällungskörper von f ) erhalten wir dann L ⊂ M 0 ⊂ M 0 (ζ) = Sr , also Q ⊂
L ⊂ Sr . Da Q ⊂ L eine Galoiserweiterung ist, folgt mit dem Fundamentalsatz, dass
Gal(Sr /L) C Gal(Sr /Q) und Gal(Sr /Q)/ Gal(Sr /L) ' Gal(L/Q). Mit Satz 4.6.3(b)
folgt dann, dass Gal(L/Q) auflösbar ist.

4.10 Das inverse Galoisproblem


Definition 4.10.1. Eine endliche Gruppe G heißt als Galoisgruppe über Q reali-
sierbar, falls es eine Galoiserweiterung Q ⊂ L gibt, so dass Gal(L/Q) = G.
Satz 4.10.2. Jede zyklische Gruppe ist als Galoisgruppe über Q realisierbar.
90 Kapitel 4. Galoistheorie


Beweisidee. Sei n ∈ Zn≥2 , dann gibt es eine Primzahl p, so dass n (p − 1) (nach
dem Dirichletschen Primzahlsatz). Wir betrachten die Galoiserweiterung Q ⊂ Q(ζp ).
Nach Bemerkung 4.9.8(b) gilt Gal(Q(ζp )/Q) ' Z/(p − 1)Z, also ist Gal(Q(ζp )/Q)
eine zyklische Gruppe der Ordnung (p − 1). Es gibt eine zyklische Untergruppe
H < Gal(Q(ζp )/Q) der Ordnung m := p−1 n  H ' Z/mZ. Wir betrachten
, also  M :=
H
Q(ζp ) . Nach Satz 4.8.10
 gilt Gal Q(ζp )/M = H. Da Gal Q(ζp )/Q abelsch ist,
gilt H C Gal Q(ζp )/Q , und mit Teil (d) des Fundamentalsatzes folgt, dass die
Erweiterung Q ⊂ M eine Galoiserweiterung ist. Mit Teil (e) folgt dann
  
Gal(M/Q) ' Gal Q(ζp )/Q Gal Q(ζp )/M ' Z/(p−1)Z (Z/mZ) ' Z/nZ.

Bemerkung 4.10.3. (a) Ähnlicherweise kann man zeigen, dass jede endliche abel-
sche Gruppe als Galoisgruppe über Q realisierbar ist.
(b) Auch jede endliche auflösbare Gruppe ist als Galoisgruppe über Q realisierbar.
Weiterhin sind An und Sn realisierbar.

Offenes Problem 4.10.4. Ist jede endliche Gruppe als Galoisgruppe über Q reali-
sierbar??

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