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Norbert Eichkorn
Präsident des Sächsischen Landesamtes
für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
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Inhaltsverzeichnis
Hempel, W.: 5
Die historische Entwicklung des Wirtschaftsgrünlands in Sachsen
und daraus resultierende Natur- und Artenschutzaspekte
Böhnert, W.: 17
Zur aktuellen Situation der sächsischen Bergwiesen
Döring, J.: 85
Mehrjährige Landschaftspflegeversuche auf verschiedenen
Standorten des Erzgebirges – eine zusammenfassende Auswertung
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Die historische Entwicklung Der Verfasser kennt das geschützte Grünland in
des Wirtschaftsgrünlandes in Sachsen Sachsen seit ca. 60 Jahren und hat persönlich
und daraus resultierende Natur- und den Wandel in der Artengarnitur verfolgt. Anfang
Artenschutzaspekte der 60er Jahre waren noch alle aus der Literatur
bekannten Grünlandpflanzen vorhanden. Trotz al
Werner Hempel ler Pflegemaßnahmen, bisheriger Forschungen
zur Grünlandpflege und zum Artenschwund, der
Seit den Anfängen der Natur- und Heimatschutz- Kartierung der Grünlandpflanzen zwecks daraus
bewegungen in Deutschland wird von etablierten abzuleitender Schutzstrategien, der mehrfachen
Institutionen, Naturschutzorganisationen und eh Ausarbeitung „Roter Listen“ seit 1976 und admi
renamtlich engagierten Personen ein besonderes nistrativer Maßnahmen zeigt sich ein konsequenter
Augenmerk den Wiesen gewidmet. Diese prägten Rückgang, ohne dass im Einzelnen ein Grund für
als landschaftsästhetisches Element mit häufig das Verschwinden von Arten (mit Ausnahme des
außergewöhnlicher Buntblumigkeit bis ca. 1960 absichtlichen Ausgrabens bei Orchideen) zu erken
das Gesicht unserer Agrarlandschaften und waren nen wäre. Leider betrifft dieser Rückgang vor allem
zur Zeit des Aufkommens der Heimatschutzbewe pflanzengeographische Weiserarten, Relikte des
gungen in nicht unbeträchtlichem Maße Ursache Spätglazials und aus biologischen Gründen interes
für die Ausbreitung des Naturschutzgedankens. sante Pflanzen (Ernährungsspezialisten, phylogene
Bereits vor dem 1. Weltkrieg gab es in Deutschland tisch alte Sippen).
mehrfach Bestrebungen zur Erhaltung land
schaftstypischer Grünländer, da mit Einführung 1 Probleme der Ursachenforschung
der Kunstdüngung ab 1870 mehr und mehr die zum Artenschwund/Gesellschafts-
Buntblumigkeit aus der Agrarlandschaft ver- wandel im Grünland
schwand, die ihrerseits Produkt einer – aus heu
tiger Sicht – extensiven Grünlandwirtschaft war. Das Areal des heutigen Wirtschaftsgrünlandes
Die allmähliche Überführung der „bunten Wiesen“ resultiert aus zwei Prämissen:
im weniger reliefierten Hügel- und Tiefland in er 1 Standortsökologie,
tragsfähigeres Grasland wurde von Naturschützern Eignung für Grünlandwirtschaft und
weniger wahrgenommen als im stark reliefier 2 Nutzungsgeschichte der letzten
ten Hügel- und Bergland, zumal in Letzterem die Jahrhunderte.
Wandlungen zu massereicheren Grünländern
aus pedologischen Gründen und der monetären Während der Faktor „Ökologie“ in der Forschung
Situation der meisten landwirtschaftlichen Betriebe bestens vertreten, mess- und demonstrierbar ist,
vor 1920 weit langsamer vonstatten ging als in wird der Faktor „Historie“ zwar berücksichtigt, aber
tieferen Lagen und die tradierte Erntetechnik mit in der Regel in seiner ganzen Tiefe nicht erfasst.
tels Sense noch allgemein verbreitet war. Dies liegt sicher daran, dass der Botaniker resp.
Diese in ganz Deutschland zu beobachtende Vegetationskundler in der Regel auch Ökologe ist
Situation betraf auch Sachsen. Hier sicherte der oder ökologische Aspekte sein Vorgehen bestim
Landesverein Sächsischer Heimatschutz mittels men, aber kaum Historiker. Historische Aspekte
Ankauf die damals artenreichsten Bergwiesen im lassen sich nur erschließen, aber nicht in ihrer
Erzgebirge (Umgebung Oelsen, Geisingwiesen, Aufeinanderfolge demonstrieren.
Zechengrund bei Oberwiesenthal) als NSG, die Es ist eine zwar immer wieder abgestrittene, aber
zu DDR-Zeiten ab 1961 als solche bestätigt und letztendlich doch existierende Ansicht, dass früher
durch eine Anzahl FND ( z. B. Börnerwiese bei alles „natürlicher“ war und dass der vegetations
Tellerhäuser, Halbmeiler Wiesen) ergänzt wurden. kundlich arbeitende Botaniker seine heute erfassba
Da die Bergwiesen seit ca. 90 Jahren besonders ren „Pflanzengesellschaften“ als Folgegesellschaften
im Blickpunkt des erhaltenden Naturschutzes vergangener Phytozönosen sieht und Vergleiche zur
stehen, beziehen sich die folgenden Ausführungen Natürlichkeit bzw. zum Artenreichtum anstellt. Nun
und die aus ihnen resultierenden Pflegehinweise reicht aber die vegetationskundliche Forschung nur
vorwiegend auf diese. bis in die 20er Jahre des 20. Jh. zurück und die
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damals beschriebenen Vegetationseinheiten waren 2 Probleme der Analysen zur
auch schon Folgevegetation früherer Phytozönosen, Wirtschaftsgeschichte des Grünlandes
die über Jahrhunderte mit ± charakteristischem
Artengefüge existierten. Sie erscheinen nicht als Arbeiten zur Nutzungsgeschichte und Entwicklung
„Pflanzengesellschaften“, da sie bereits vor Beginn des Grünlandes in Sachsen werden dadurch
vegetationskundlicher Aufzeichnungen verschwan erschwert, dass es – im Gegensatz zur Forstwissen
den. Dies betrifft vor allem Extensivweiden und frühe schaft – kaum richtungsweisende Aufzeichnungen
Wiesen. Eine Vorstellung von der Zusammensetzung gibt, da der Landwirt vor 150 Jahren in der Regel
der Triftweiden, zumindest der auffälligen Arten, liegt noch Analphabet war und seine Wirtschaftsflächen
aus der Zeit um die Jahrhundertwende nur von entsprechend der Familientradition, der Verpflich
Drude (1902, 1907) vor. Die rückwärtige Betrach- tungen in der dörflichen Gemeinschaft oder nach
tung der nicht waldkundlich orientierten Vegeta eigenem Ermessen bestellte. Hinzu kommen fol
tionskundler der Gegenwart reicht in der Literatur gende Spezifika in Sachsen:
meist nur bis zur Generation ihrer Großväter; 1. Die sächsische Landwirtschaft zeichnete sich
deren Ansichten und Forschungsergebnisse über 1000 Jahre durch das Nebeneinander
bilden oft die Grundlage zum Vergleich mit aktuellen von Gutsherren- und Bauernwirtschaften aus,
Verhältnissen. Die entscheidenden Veränderungen hinzu kamen Häusler mit Kleingruppen- oder
in der Nutzungsgeschichte der Landwirtschaft, aus Einzeltierhaltung. Aufzeichnungen zu Aussaaten
denen das heutige Wirtschaftsgrünland resultiert, und Versuchen zur Änderung von Fruchtfolgen
sind aber schon in der Mitte des 18. Jh. vor sich oder zum Aufbau von Wiesenkulturen, zu
gegangen. Samenaufkäufen und Erträgen sind nur bei
Gutsherrenwirtschaften zu erwarten, die aber
nach 1945 im Zuge der Vertreibungen und
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Bodenreform wohl sämtlich verschwunden natürlich einen erheblichen Artenschwund zur Folge
oder vernichtet worden sind. Insofern sind und wird daher aus Naturschutzinteressen nicht
heute entsprechende historische Analysen in weiter verfolgt (vgl. Kapitel 3).
den wenigsten Fällen durch schriftliche Beweise Obwohl generell in der Vergangenheit das Grünland
hinterlegbar und müssen auf Vergleichen oder als Wiese und Weide Grundlage der Viehhaltung
logischen Schlussfolgerungen aufbauen. in der Landwirtschaft ist und der Bauer immer be
2. Im Vergleich mit südwest- und westdeutschen strebt war, das Maximum an Futter für sein Vieh
Wirtschaftsstrukturen wurde in Sachsen zwar zu gewinnen, haben sich in ihm die verschiedensten
eine Dreifelderwirtschaft betrieben, aber die zu Pflanzenarten eingefunden, die im Zuge der Land
gehörigen Begriffe fehlen vollständig (z. B. nutzung natürliche Standorte verloren haben oder
Eschkultur, Zelge), auch die Allmende. Der einfach unter den Bedingungen der landwirtschaft
Allgemeinheit dienende kleinere, vom Ort meist lichen Nutzung stärkeres Reproduktionspotenzial
weit entfernte Flächen besaßen Allmende entwickeln konnten, als ihnen sonst in der „freien
charakter, spielen aber in der Wirtschafts Natur“ gegönnt war. Insofern haben Wiesen und
geschichte keine Rolle. Feld- und Weideflächen Weiden eine hohe Bedeutung für den Artenschutz.
gehörten Gutsherren oder Bauern, die jeweils
über anzubauende Kulturen entschieden. 3.1 Nutzungstyp Extensivweide
3. Entscheidende Veränderungen in der Land-
wirtschaft (Einführung neuer Kulturpflanzen, Weideflächen sind generell für die Sommerhaltung/-
Mineral-Düngungen, Dränungen, Erntemaschi fütterung der Haustiere notwendig. Ihr Artenbestand
nen u. a.) gingen im Zeitraum 1730 – 1830 vor wird durch das Weidevieh selektiert, d. h. Dorn-,
sich und spiegelten sich damit nicht in der äl Stachel-, Gift-, Bitterstoffpflanzen und andere nicht
teren floristischen Literatur wider. Zwischen schmeckende Arten werden stehengelassen. Dazu
der „Kräuterbuchbotanik“ des 16. Jh. und der zählen auch Orchideen, Enziane u. a. schwach (ex
Altfloristik ab 1840 klafft eine Lücke von über tensiv) beweidete Flächen sind reich an derartigen
200 Jahren. Die in Sachsen der „Reichenbach- Pflanzenarten; das gelegentliche Zertreten hat keinen
Ära“ (Reichenbach 1842) vorangehenden Lokal Einfluss auf die Populationsentwicklung. Gefördert
floren (z. B. Oettel 1799, Curie 1804, Bucher durch Weidegang werden auch Tiefwurzler, deren
1806, Ficinus 1807, Kölbing 1828, Klett & Richter oberirdische Teile zwar abgefressen werden, die
1830) bieten aber einige interessante Ansätze aber immer wieder neu austreiben. Sichtbarer
zur Aufhellung der Einführungsgeschichte von Ausdruck der „Symbiose“ von Weidetieren und
Kulturpflanzen oder zum Florenwandel ( z. B. Vegetation sind noch heute u. a. die Extensiv-
Kölbing 1828 bei Orchis morio: „.... war früher Gebirgsweiden in der Slowakei und in Rumänien, im
viel häufiger“ (!). Mittelmeergebiet (Orchideenreichtum trotz Ziegen
herden) sowie in Südschweden.
3 Nutzungstypen des Grünlandes
und ihre Geschichte 3.1.1 Geschichte der Extensivweiden
Wirtschaftsgrünland sind Wiesen und Weiden. Nach Abschluss der Sesshaftwerdung im Neo
Beide Typen sind grundsätzlich Kulturformationen, lithikum vor ca. 7000 Jahren und dem Aufbau frühe
die in der mitteleuropäischen Flora hinsichtlich rer agrarischer Strukturen musste für die Haustiere
ihrer Artengarnitur keine natürlichen Entsprechungen Weideland gewonnen werden. Dies geschah im
haben. Für den Artenbestand beider ist die Nutzung mitteleuropäischen Binnenland aus zwei Wurzeln:
der Fläche von primärer Bedeutung (vgl. Abb. 1 und
2), die Ökologie spielt nur eine untergeordnete Rolle. 1. Weideland auf seit dem Spätglazial waldfrei
Für den Natur- und Artenschutz ist der Artenbestand gebliebenen Flächen. Dies betrifft Küstenge
in der düngerlosen Bewirtschaftung, in der Regel biete, Kerne von Hochmooren und Fels- und
vor 1870, im Bergland auch bis gegen 1930, von Geröllfelder im Binnenland. Letztere existier
Bedeutung. Die Fortentwicklung von Extensivwei ten in Sachsen mit hoher Wahrscheinlichkeit
den und Wiesen zu ertragreichem Grünland hat an Basalt- und Phonolithkuppen, auf denen
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sich Relikte der spätglazialen Offenlandflora form ist zwar lange bekannt, aber wohl erst
gehalten haben (z. B. Sattelberg, Pöhl- und mals von Ellenberg 1963 explizit formuliert
Scheibenberg, Oberlausitzer Basaltkuppen worden. Auf Lichtungen beweideter Wälder
u. a.). Diese Flächen dienten vor allem der konzentrierten sich heliophile Arten der Wald-
Ziegenhutung; sie wurden nach Erfordernis saumvegetation oder von natürlichen Offen
erweitert durch Rodungen „von oben nach stellen, die über ca. 6000 – 7000 Jahre den
unten“. Auf diesen Hutungsflächen breiteten Grundstock der Artengarnitur der Extensiv-
sich Relikte der spätglazialen Offenlandflora weiden bildeten und die heute als Weidere-
aus (s. u.), solche ehemaligen Extensivweiden likte in Erscheinung treten (s. Artenliste unten).
gehören zu den wichtigsten Standorten für
reliktäre Arten; am bekanntesten sind hierfür Trift- bzw. Extensivweidebetrieb wurde am längsten
Teile der Oelsener Wiesen, der Zechengrund, (z. T. bis nach 1945) an für den Feldfruchtbau nicht
das Ketzerbachtal, der Guttauer Eisenberg, der geeigneten Steilhängen mit nachbrechenden
Spitzkunnersdorfer Große Stein und vielleicht Brocken und Böden als Ziegenweide durchge
auch vogtländische Pöhle mit Felspartien. führt, sie sind z. T. noch als Flurnamen oder im
2. Weideland im Ergebnis von Waldweide als Sprachgebrauch der älteren Generation gebräuch
vorherrschender Wirtschaftsform in der Vieh- lich und beziehen sich auf das Viehtreiben durch
haltung bis zum Beginn der Einstallung von der dörflichen Gemeinschaft angestellte Hirten
des Hausviehs nach 1760; Letztere wurde (Viehtreibe, Viehtrift, Viehbig, Fiebig, Triften in der
durch den großflächigen Anbau der Kartoffel älteren floristischen Literatur): Derartige Standorte
(ganzjährige Fütterung) und der Futter- und sind in Sachsen aus geologischen Gründen weit
Streuwiesen (Heugewinnung) möglich. Für seltener als in den Muschelkalklandschaften Mittel
die prähistorische Waldweide dürften von deutschlands oder in SW-Deutschland, so dass
Natur aus (wildlebende Großtiere!) lichte heute pflanzliche Relikte dieser Wirtschaftsform bei
eichendominierte Wälder in Frage kommen, uns zu den aussterbenden oder stark gefährdeten
deren Existenz im frühen Neolithikum mit Arten gehören.
Sicherheit auch fördernd für die Anlegung
von Wohnplätzen war. Waldweide führt gene
rell zur Auflichtung des Waldes, ihre Bedeu
tung als landschaftsprägende Wirtschafts-
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Relikte des Extensivweidebetriebes in der 3.1.2 Artenschutzrelevante ökologische
sächsischen Flora: Parameter der Extensivweiden
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2. Aufbringen und lockere Verteilung von orga- Auftreten von Trifolium repens in der Landwirtschaft
nischem Material aus der Stallhaltung. nicht sicher bezeugt. Die Abbildung des Weißklees
bei Fuchs (1543) zeigt Trifolium montanum und da
Parallel zu den praktischen Maßnahmen sind For mit eine Art des Extensivweidelandes.
schungsarbeiten zur Keimungsphysiologie der Sym- Intensivweiden bzw. Koppelweiden erlangten erst
biosepflanzen (Orchideen, Enziane) und Hemipara in den 20er Jahren des 20. Jh. nach Erfindung
siten notwendig, da diese sich ohne Weidebetrieb des Elektrozaunes eine weite Verbreitung. Mo
nicht mehr einstellen werden. derne Formen des Weidebetriebes (Rotations-,
Umtriebsweide) und Graslandaussaaten sind seit
den 60er Jahren Rückgrat der Viehhaltung in der
3.1.3 Geschichte der Intensivweiden
Landwirtschaft.
Infolge der andauernden Nährstoffverarmung der
Extensivweiden und damit des Rückganges der
3.2 Nutzungstyp Wiese
Sommerfuttergewinnung wurde erstmals vor etwa
250 Jahren auf mehrere Arten versucht, die Erträge Der Artenbestand wird durch den Schnitt bestimmt.
der Weideflächen zu steigern. Seit der Slawenzeit Im Gegensatz zum Weideland dienen Wiesen der
wurden bis ca. 1870 über einen Zeitraum von Sicherung des Winterfutters und in gewissem Maße
1300 Jahren die Stoppel- und Brachflächen in der als Stalleinstreu; Magerwiesen wurden auch als
3-Felderwirtschaft be- bzw. nachbeweidet. Vor Weideland nach der Mahd genutzt. Mahd bedeu
Einführung der Kunstdüngung gab es mehrere tet gleichzeitige Entfernung und Schaffung gleicher
Versuche zur Aufwertung der Brachfläche als Startbedingungen für alle Pflanzen.
Futterlieferant mittels Esparsetten-, Klee- und Im Gegensatz zum Weideland sind Wiesen
Luzerneanbau, aber auch erste Mineraldüngungen relativ jung; ihre Existenz ist an die Sense gebun
(Guano). Eine einschneidende Änderung war die den. Wiesenartiges, mit der Sense bewirtschaf
Ausbringung von Englischem Raygras (Lolium tetes Grünland gab es schon zur Römerzeit; in
perenne), wohl in der 2. Hälfte des 18. Jh. Vorbild Sachsen jedoch erst als Nutzung gewässerbeglei
dabei waren die Dauerweiden des Marschengras tender Hochstaudenfluren seit knapp 1000 Jahren
landes an der Küste Englands, Hollands und im mit Einsetzen der bäuerlichen Kolonisation im
Emsland. Auf ihnen konnte infolge des wintermilden 11./12. Jh., spätestens seit dem 14. Jh. im Zuge
Klimas das Weidevieh ganzjährig im Freien stehen. der Aufsiedlung der Bergländer mit Ortsgründungen
Dieser Weidebetrieb wurde in Mitteleuropa als abso aus „wilder Wurzel“. Den Slawen (vor 1000) war die
lutes Vorbild angesehen und so kam es, vorwiegend Sense unbekannt (Hermann 1968), d. h. es exis
in Westdeutschland, zur „Raygras-Euphorie“, die tierten nur Weideland (Waldweide und Ackerland
sicher auch um 1800 bis Sachsen wirkte. Das tritt in der näheren Umgebung der Siedlungen) für die
feste, aber nicht dauerfrostharte Gras konnte aber Sommerfuttergewinnung. Winterfutter wurde wohl
bei uns im Gebirge nicht richtig Fuß fassen, so dass überwiegend durch Trocknung gewonnen.
Weidelgras-Weißklee-Weiden vor allem im Tiefland Mit der Entwicklung der Wiesenkultur haben sich bis
(Flussauen) und Hügelland entstanden sind. ca. 1970 in Deutschland nur wenige Naturschützer
Das Indigenat von Lolium perenne und Trifolium oder im Naturschutz verankerte Wissenschaftler
repens in Sachsen ist durchaus zu hinterfragen. befasst. Dies ist umso verwunderlicher, als bereits
Ersterer ist mit Sicherheit schon aus dem 16. Jh. im 19. Jh. seitens der Landwirtschaft entsprechen
bekannt (Franke 1594), aber wohl als Pflanze der de historische Analysen durchgeführt wurden (z. B.
Wegränder und als Ackerungras, ab 18. Jh. zuneh Fraas 1852, Rau 1860, Krause 1892). Schon die
mend im Grasland (Kauter 2002). Dass im 19. Jh. älteren Autoren äußern die Ansichten, die seit den
in Sachsen Aussaaten des Englischen Raygrases 60er Jahren wieder Inhalt der Forschungen zur
stattfanden, ist sekundär aus der frühen floristi Wiesenerhaltung sind. Seit den 60er Jahren wer
schen Literatur zu schließen (Klett & Richter 1830 den im Rheinland (z. B. Knörzer 1975) und vor al
mit Beschreibung der Monstrositäten als typischer lem an der Universität Hohenheim richtungweisende
Verhaltensweise von Floristen bei neuen oder unge Forschungen zur Wiesenproblematik durchgeführt
wöhnlichen Pflanzen). Demgegenüber ist das frühe (z. B. Schröder-Lembke 1983, Kauter 2002). Eine zu
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sammenfassende Darstellung liegt von Dierschke & mit raschwüchsigen und hochhalmigen Gräsern, so
Briemle (2002) vor. dass „Laubwiesen“ entstanden, wie sie noch heu
Für Sachsen sind vor allem die Arbeiten von Hundt te in Finnland, NW-Russland und in den baltischen
(1958, 1964a, 1964b) von Interesse, die jedoch rein Ländern zu beobachten sind. Erst in der (frühen)
vegetationskundlich aufgebaut sind und das his Neuzeit mit Entwicklung der Dräntechnik und der
torische Moment nicht berücksichtigen. Letzteres Ansaat von Hochgräsern kommt es zur Entwicklung
kommt in der sächsischen Literatur nur bei der Nasswiesen, die als „Naturwiesen“ aus der
Apitzsch (1964) vor; der Autor äußerte damals autochthonen Vegetation hervorgegangen sind.
bereits Ansichten zur Geschichte des Altenberger
Grünlandes, die heute wieder neu erkannt wer Typische Elemente der Laub- und Nasswiesen
den. Für die sächsische Wirtschaftsgeschichte außerhalb der Stromtäler im Hügel- und Bergland:
finden sich die meisten verwertbaren Angaben bei
Kötzschke (1953). Caltha palustris Polygonum bistorta
Cirsium palustre Cardamine pratensis
3.2.1 Geschichte der Naturwiesen Cirsium oleraceum Chaerophyllum hirsutum
Scirpus sylvaticus Lychnis flos-cuculi
Hinsichtlich Geschichte und Nutzungsart ist das Crepis paludosa Poa trivialis
Mahdgrünland wesentlich vielfältiger als die Ex- Angelica sylvestris
tensivweide. Die ersten Schnitte zur Zeit der frü
hen deutschen Kolonisation in Sachsen erfolg- Hinzu kommen gebietstypische pflanzengeo
ten mit Sicherheit in krautreichen Beständen (Hoch graphische Weiserarten und schnittverträgliche
staudenfluren) an Feucht- und Nasstandorten. Orchideen:
Das gewonnene „Krautheu“ wurde gebündelt und
in der „Laube“ getrocknet. Eine solche Winter Trollius europaeus Dactylorhiza majalis
futtergewinnung findet noch heute in der Ostslo Cirsium anglicum Colchicum autumnale
wakei stellenweise statt. Die regelmäßige Mahd der Cirsium canum Crepis mollis
Hochstaudenfluren führte vielleicht zur Anreicherung Senecio rivularis
Natürlicher Grasbestand
lichter Wälder
Postglaziale Postglazial
Sippendifferenzierung entstandene
(Ranunculus) Grünlandpflanzen
(Phyteuma nigrum)
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Nasswiesen im sächsischen Tiefland resultieren in städtischen Bevölkerung und der nicht in der Land
der Regel aus Niedermoorkultivierungen mit spä wirtschaft verankerten Erwerbstätigen unbedingt
terer neuzeitlicher Einsaat von Hochgräsern, im notwendig wurde. Der hohe Futter- und Streu-
Elbetiefland aus Hochstaudenfluren mit osteuropä bedarf war mit den überkommenen Wirtschafts
ischen Feucht-Waldsteppenpflanzen. formen nicht zu decken. Das extensive Triftweide-
Flutrasen existierten mit Sicherheit auf lehmgepräg land wurde bei ganzjähriger Stallhaltung nicht
ten Flussalluvionen. Auf ihre ehemalige Existenz mehr benötigt; die Umwandlung zu Intensivweiden
deuten heute noch u. a. Carex vulpina, Alopecurus mit Weißklee und Englischem Raygras oder zu
geniculatus und Deschampsia caespitosa hin. Sie Futterwiesen durch Grasaussaat erfolgte in der
wurden schon frühneuzeitlich, aber auch gezielt Mitte das 18. Jh. Wahrscheinlich wurde anfangs aus
nach 1945 zu Fuchsschwanzwiesen gewandelt. dem deutschen Saatguthandel Mischsaatgut, bald
aber artspezifisches Saatgut bezogen, das auf (auf
gerissenen) Triftweiden oder Flutrasen aufgebracht
3.2.2 Geschichte der Ansaat-Futterwiesen
wurde. In der Folge bestimmte je nach Höhenlage,
oder Kulturwiesen
Lokalklima und Bodennährstoffgehalt die eine oder
Der Aufbau hochhalmiger, grasdominierter Wiesen andere Grasart das Bild der zukünftigen Futter-
setzt wohl überall in Deutschland (außer dem Süd- wiese. Dabei setzten sich auf Feuchtstandorten der
westen) frühestens in der Mitte des 18. Jh. mit Flussauen Fuchsschwanzwiesen, der Niederungen
Einrichtung der Saatgutbetriebe und des Saat Honiggraswiesen u. a., im mäßig trockenen Hügel
guthandels ein (Kauter 2002). Für einzelne Hoch ländern Glatthaferwiesen und im Bergland Gold
gräser liegen gründliche Untersuchungen zu deren haferwiesen (in Sachsen selten) durch. Diese Wie
Indigenat oder Introduktion vor (Kauter 2002). Die sentypen prägten bis ca. 1960 das Gesicht un
Grasanzuchten setzten vor allem in England ein, serer Agrarlandschaften; sie waren bevorzugtes
nicht zuletzt aus Gründen des Bedarfs in den USA Untersuchungsobjekt von Vegetationskundlern, die
zum Aufbau der Farmwirtschaften. Offensichtlich im Grunde genommen aufgegangenes Saatgut mit
wurde aus den USA wieder Saatgut bezogen, wissenschaftlichen Namen belegten.
nachdem dort entsprechende Betriebe aufgebaut Eine Sonderform der Graslandwirtschaft, deren
worden sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Auswirkungen heute größte Bedeutung im Arten
polyploiden Wiesengräser Phleum pratense und schutz hat, ist die Extensiv-Wiesenwirtschaft mit
Dactylis glomerata aus europäischen Grundformen Rotschwingel (Festuca rubra) und Rotstraußgras
dort entstanden sind. Nach Schröder-Lembke (1983) (Agrostis tenuis) im Erzgebirge im Zusammenhang
gehört Dactylis glomerata zur Flora von Virginia und mit einer Zwei-Felderwirtschaft. Diese bestand in
wäre damit bei uns als Neophyt zu werten. einem Wechsel von Feldfruchtbau und Grasland
Kauter (2002) weist für wichtige Hochgräser der auf der gleichen Fläche mit einem Wechsel von
Wiesenvegetation (Arrhenatherum elatius, Dactylis mehreren Jahren (meist 7 – 8). Diese Rotschwingel-
glomerata, Phleum pratense, Helictotrichon pube Rotstraußgras-Grünländer wurden sowohl als
scens u. a.) eine Aussaat in Westdeutschland erst Schnittgrasland als auch als Triftweide genutzt. In
seit Mitte des 18. Jh. nach. Dies bedeutet, dass un ihnen breitete sich u. a. die Bärwurz (Meum atha-
sere Glatthafer-, Goldhafer-, Fuchsschwanzwiesen manticum) aus. Diese Grasmischung wurde mit
nur etwa 200 Jahre existierten! Es ist zu erwarten, Sicherheit auch auf Extensivweiden aufgebracht,
dass auch in Sachsen derartige Kulturwiesen nicht so dass Rotschwingel-Rotstraußgras-Weiden und
früher entstanden sind und man wird annehmen -Wiesen entstanden, die als Bärwurzwiesen zum
dürfen, dass sich solche zuerst Gutsherren „leisten“ landschaftstypischen Element wurden und heu
konnten. Von ihnen bezogen dann sicher die Bauern te im Mittelpunkt des Artenschutzes im montanen
ihr Saatgut, das wohl als Abfall des Heus auf der Grünland stehen.
Tenne zusammengekehrt wurde.
Der Aufbau von Schnitt-Grasland bedeutet verstärk
te Winterfuttergewinnung und damit Möglichkeit der
Erweiterung der Viehbestände, was zur Sicherung
der Nahrungsmittelversorgung der wachsenden
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Abb. 4: Silberdistel (Carlina acaulis) Foto: Archiv Naturschutz LfULG, W. Böhnert
3.2.3 Geschichte der Streuwiesen wiese als Ersatzgesellschaft 1. Grades ohne Fut-
und Halbtrockenrasen terwert, waren. In Sachsen betraf dies die Rand-
bereiche von Schotterzügen der Hügellandschwelle
Ganzjährige Stallhaltung bedeutet Sicherung der und Bergflanken unterhalb 300 m ü. NN mit epi
Einstreu, die ihrerseits aus Getreidestroh gewon sodisch schüttenden Quellen. Die Mahd der Wie
nen wurde und nach „Ausmisten“ als organischer sen erfolgte nach Strohigwerden des Pfeifengrases
Dünger auf die Felder gebracht werden konnte. (Molinia caerulea); in den Beständen breiteten sich
Lediglich Häusler und Kleinstbetriebe („Gärtner“) die subkontinentalen Wechselfeuchtezeiger (Relikte
ohne Ackerland gewannen in Sachsen ihre Einstreu der frühen postglazialen Wiederbewaldung aus
aus Magergrasland. Eine sehr wichtige, landschafts Osteuropa) aus. Pfeifengraswiesen waren mit der
prägende Nutzungsart war die im Tiefland be charakteristischen Artengarnitur (Schütze 1936)
triebene Streugewinnung mittels Streurechen im bis ca. 1945 noch allgemein verbreitet, jedoch
Kiefernwald, die letztendlich infolge des Ausreißens schon ab Mitte der 50er Jahre mit dem Ausbau
der Flachwurzler (Gräser) und Stehenlassen der des Meliorationswesens stark zurückgehend
Tiefwurzler (Heidelbeere, Bärlappe, Wintergrünarten Streuwiesen hatten in Sachsen bei weitem nicht
u. a.) das Bild der „Kiefernheiden“ bestimmte, wie die Bedeutung wie in Süddeutschland oder in der
es die ältere floristische Literatur beschreibt und Schweiz (Konold & Hackel 1990).
wie sie noch die Generation unserer Väter kennt Der zeitlich letzte Wiesentyp in Sachsen dürfte im
(Beerkraut-Kiefernwälder). Gegensatz zu Thüringen und Süddeutschland der
Mit der notwendigen Aufstockung der Stallstreu- Trespen-Halbtrockenrasen sein. Nach der floristi
Menge ist deren Gewinnung im Magergrasland schen Literatur (Klett & Richter 1830) tritt Bromus
verbunden. Dies setzte eine lokale Rodungsaktion erectus erstmals 1826 im Leipziger Raum auf, bei
in bodensauren, grasreichen und niederwaldar Ficinus noch 1836 für den Dresdner Raum unbe
tig bewirtschafteten Aspen-Eichenwäldern und kannt, nach Reichenbach (1842) selten (Dresden,
ähnlichen Waldgesellschaften voraus, deren End- Vogtland, Mittelsachsen), nach Barber (1917) in
produkt nach der dort vorherrschenden Grasart die der Oberlausitz nur angesät oder eingeschleppt.
wechselfeuchten Pfeifengraswiesen, eine Natur- Derartige „Halbtrockenrasen“ (wissenschaftlicher
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Name, dem Landwirt nur als Magerrasen Beschattung und Verfeuchtung des Keimbettes
bekannt) eigneten sich als Schnittgrasland und für Lichtkeimer, die bei Maschinenschnitt generell
als Triftweide und waren wohl die optimale Form zurückgehen. Diese Art der Grünlandbehandlung
der Futtergewinnung auf flachgründigen Böden im ist zwar bei Vorhaben zur Erhaltung des Land
warmen Hügelland. Mit Aufgabe der Nutzung der schaftsbildes und einer gewissen Artenvielfalt im
Halbtrockenrasen findet eine autogen verlaufende Offenland richtig, nicht aber artenschutzrelevant!
Sukzession zu Glatthaferwiesen statt. Der Verfasser Gleiches gilt für Belassung des Mähgutes auf der
beobachtet seit 1961 die Populationsentwicklung Fläche, sofern Populationen von Lichtkeimern ge
von Orchis purpurea am NSG Ziegenbusch. Vor 55 fördert werden sollen. Im Sinne des Artenschutzes
Jahren war der Bestand bestens in Trespenrasen ist es sicher richtig, maschinengemähtes Grasland
entwickelt, allerdings weideten im Herbst dort 1 – 2 nach der Mähgutberäumung teilweise zu eggen.
Rinder. Nach Einstellung der Beweidung ca. 1967 Den verantwortlichen Institutionen und Forschungs
findet eine zunehmende Anreicherung von Glatthafer einrichtungen, die sich mit der Rekonstruktion
und Untergräsern statt, die das Keimbett für die artenreichen Extensivgrünlandes und mit den Mög-
Orchideen beschatten und durchfeuchten und lichkeiten zur Wiedereinbringung oder Populations
somit keine Ausbreitung dieser mehr nach sich vergrößerung aussterbender Grünlandpflanzen be
ziehen. Vielleicht fehlt auch der Rinderdung für die fassen (vor allem Bergwiesen), muss bewusst sein,
Entwicklung des symbiontischen Pilzes. dass die Bergwiese auf der Bergweide angelegt
wurde und dass der Artenreichtum an die Be
triebsform der Extensiv-Weide gekoppelt ist.
3.2.4 Artenschutzrelevante Aspekte des
Wenn aussterbende Arten erhalten oder vermehrt
Schnittgrünlandes
werden sollen, muss zuerst der Wiesenzustand
Die Mahd schafft zwar für alle Pflanzen gleiche „rückgebaut“ werden, da mit diesem die aufwuchs
Ernte- und Startbedingungen, ist aber hinsichtlich garantierenden Mikroorganismen verschwunden
der angewandten Technik sehr differenziert zu be sind. Dies bedeutet, dass Forschungen zum Arten
trachten. Der Sensenschnitt wird manuell sehr sorg schutz ohne experimentelle Arbeiten in mikrobiolo
fältig geführt, er „rasierte“ bei guter Handhabung alle gischen Labors zum Scheitern verurteilt sind.
Pflanzen bis zu 1 – 2 cm Höhe über dem Boden ab.
Dies bedeutet, dass sich bei Sensenschnitt auch
alle Lichtkeimer des Trift-Weidelandes regenerie
ren können. Damit wird die auf Triftweideland an
gelegte „Bergwiese“ zur artenreichsten heimischen
Grünlandvegetation, da diese sowohl Weiderelikte,
also trittverträgliche, als auch schnittverträgliche
Arten umfasst. Dieser intermediäre Zustand des
montanen Grünlandes dauerte bis in die 50er Jahre
an und bestand vor allem in der Anfangszeit der
Naturschutzbewegung; er war der Grund für die
Unterschutzstellung von Bergwiesen.
Qualifizierter Sensenschnitt ist heute sicher selten.
Der Verfasser beobachtete ihn in den 70er Jahren
in Tharandt und Halbmeil; er ist noch üblich in der
Slowakei und sicher im ganzen Karpatenbogen.
Ein bodennaher Sensenschnitt bedingt die totale
Räumung der Fläche von Steinen, was im Erzgebirge
sicher zur Aufhöhung der mit der Ackerkultur ent
standenen Steinrücken zur Folge hatte.
Der Maschinenschnitt (seit Ende 19. Jh.) lässt bis zu
10 cm hohe Stoppeln stehen. Dies bedeutet infol
ge der Förderung der sterilen Teile der Untergräser
14
Literatur Kauter, D. (2002): „Sauergras“ und „Wegbreit“?
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erzgebirge. Berichte der Arbeitsgemeinschaft
Sächsischer Botaniker Neue Folge 5/6, GH. 1,
S. 155 – 181.
15
16
Zur aktuellen Situation
der sächsischen Bergwiesen
Wolfgang Böhnert
„Rückblickend auf den Zustand der Flora und niedriger, diejenigen für die Niederschläge höher
Vegetation Mitteleuropas … bedeutet die heute als im Hügel- und Tiefland. Damit sind geringere
überall wirksame Eutrophierung im Interesse des Ertragsleistungen und zum Teil ein deutlicher Wan
Naturschutzes eine Bedrohung.“ del in der floristischen Zusammensetzung des
Ellenberg (1996, S.84) Grünlandes, der Vegetationskundler bevorzugt
den Begriff Grasland, verbunden. Dieser Wandel
wird allerdings nur bei den Wiesen auffällig, bei
1 Einleitung
den Weiden dagegen kaum (vgl. Abb. 1). Der
Die Grenze zwischen dem Hügel- und dem Berg Begriff Bergwiese für Futterwiesen über 500 m
land lässt sich etwa bei 500 m Höhenlage ziehen. Höhenlage ist deshalb gebräuchlicher als derjeni
Im Bergland sind das Klima rauer, die Vegetations ge der Bergweide für die andere Nutzungsart des
zeit kürzer, die Jahresmittelwerte für die Temperatur Graslandes.
0m 500 m 1000 m NN
Tief- und Hügelland Bergland
17
2 Entwicklungsgeschichte, Kultureinfluss die Wiesen recht unterschiedlich gemäht und be
und Eigenschaften weidet, gerade wie es der jeweilige Bedarf erforder
te. Erst in späterer Zeit wurde deutlicher zwischen
„Keine Wiese ohne Sense“. Dieser verkürzte, „Mäh“-Wiesen und Weiden getrennt. Dünger dürfte
alte Spruch verdeutlicht sehr schön die Wechsel vor der Einführung der mineralischen Möglichkeiten
wirkungen zwischen Natur und Kultur, in denen der kaum auf die Wiesen gekommen sein, da der kost
Mensch durch Mahd den Lebensraum Wiese ge bare Stallmist für die Ertragssteigerung der Äcker
formt hat. Generationen von Landwirten ist es damit benötigt wurde. Eine gelegentliche Kalkung ist an
gelungen, „Landschaftselemente mit Persönlichkeit“ zunehmen. Dabei wurden sicherlich die hofnäheren
(Haberreiter & Rötzer 2003, S. 7) zu entwickeln. Wiesen gegenüber den hofferneren begünstigt.
Die Lebensräume der Bergwiesen sind die seit Das Berggrasland hat sich – wie das Grasland ge
dem Mittelalter im oberen Vogtland und im Erz nerell – im Verlauf der Geschichte mit der Zunahme
gebirge urbar gemachten Rodungsinseln, die ver der Bewirtschaftungsintensität gewandelt. In einem
hältnismäßig schmalen Wiesentäler im Wald, die ersten langen Abschnitt, der bis zur Mitte des
Steinrückenlandschaften um Annaberg und im 19. Jahrhunderts währte, bildeten sich die artenrei
Osterzgebirge sowie die großräumigeren Offen chen Magerwiesen heraus, die das Extensivgras-
länder in den unteren Berglagen. Nach der Gründung land kennzeichnen. Durch den ständigen Entzug
der Siedlungen hat es vermutlich neben dauerhaf von Nährstoffen, die sowohl von den Wiesen als
ten Äckern, die anfangs überwogen, und Wiesen auch von den Weiden und Wäldern auf die Äcker
auch einen Nutzungswechsel zwischen beiden, die geleitet wurden, entstanden die Lebensbedingun
Feldgraswirtschaft, gegeben. Große Haustierherden gen für viele wuchsschwache Pflanzenarten, so
waren im Erzgebirge nicht üblich, weil die Tier genannte Hungerkünstler, die heute im Blickpunkt
haltung individuell erfolgte. Für die winterliche des Arten- und Biotopschutzes stehen. Mit der
Stallhaltung war Heu erforderlich, weswegen die Einführung der mineralischen bzw. chemisch-syn
Bergwiesen angelegt wurden. Ursprünglich wurden thetischen Dünger konnten im zweiten Abschnitt
18
etwa bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts die ent einigen bodendeckenden Arten, die die schlagarti
zogenen Nährstoffe regelmäßig ersetzt werden. Auf ge Lichtzunahme nach der Mahd nutzen, bestehen
diesem mäßigen Intensivierungsniveau sind die sehr (Weißklee, Einjähriges Rispengras). Dieses Bild be
artenreichen, blütenbunten Fettwiesen des halbex stimmt das artenarme Intensivgrünland von stark
tensiven bis halbintensiven Kulturgraslandes ange eingeschränkter Biodiversität.
siedelt (vgl. Dierschke & Briemle 2002). Erst seit etwa
50 Jahren wurde mit hohen Düngergaben und weite Zwei wichtige Vorraussetzungen für Bergwiesen
ren Intensivierungsmaßnahmen der dritte Abschnitt mit hoher Biodiversität sind relative Nährstoffarmut
des artenarmen, naturschutzfachlich geringwertigen und lockere, bodenoffene Vegetationsstrukturen.
Intensivgrünlandes eingeleitet (vgl. Tabelle 1). Magerwiesen sind grundsätzlich schon bei nähr
stoffarmen Verhältnissen artenreich. Anders dage
Wiesen und Weiden unterscheiden sich durch die gen die Fettwiesen, die ihren Artenhöhepunkt
Art und Weise der Bewirtschaftung. Wiesen wer erst bei geringer Nährstoffzuführung erreichen,
den durch den Schnitt geformt – Jahrhunderte darüber hinaus aber schnell mit Artenverarmung
lang durch die Handsense, heute durch moto reagieren. Deshalb sind deren Ausbildungen re
risierte Schneidwerkzeuge. Kennzeichnend ist, lativ nährstoffarmer Standorte für den Arten- und
dass bis zum ersten Schnitt im Juni die Pflanzen Biotopschutz besonders wichtig und wertvoll.
annähernd gleichmäßig aufwachsen und dann Eine lockere, niedrigwüchsige Vegetation mit
plötzlich alle auf einmal bis auf die bodennah kleinen Pionierstandorten ohne Streufilz, in der
en Überdauerungsorgane abgeschnitten werden, das Sonnenlicht vielerorts die Bodenoberfläche
um anschließend wiederum annähernd gleichmä erreicht, bietet Lebensstätten für eine große Zahl
ßig aufzuwachsen (Aufwuchs, Hochstand, Mahd/ konkurrenzschwacher Pflanzenarten. Neben einer
Tiefstand, Regeneration/2. Aufwuchs). Auf traditio biotoptypischen Bewirtschaftung ist die relative
nell genutzten, extensiven Wiesen werden die ge Nährstoffarmut besonders in den Fettwiesen die
mähten Gräser und Kräuter zwei bis drei Tage lang Grundlage für diese lockeren Strukturen, in deren
zu Heu getrocknet, wodurch Samen und Früchte Folge sich eine hohe Biodiversität entwickeln kann.
auf der Fläche ausfallen sowie Kleintiere fliehen
können. Ein wertbestimmendes Merkmal artenrei Nach Ellenberg (1996) sind die Herkunftsgebiete
cher Bergwiesen ist ihr Kräuterreichtum, während der mesophilen Wiesenflora auf wenige Bereiche
Unter- und Mittelgräser nur begleitend auftreten, der Nordhalbkugel der Erde begrenzt – auf die
Obergräser sogar weitgehend fehlen. Hochgebirge von Europa, Nordamerika und der
temperierten Zone Asiens. Durch die Wiesen
Von der Bewirtschaftungsintensität (Schnitthäu bewirtschaftung wurden sie in den Bergländern
figkeit, Düngermenge) wird die Struktur eines weiter verbreitet. Beispielsweise zeigt die Ver
Bestandes stark beeinflusst. In den ungedüng breitungskarte der Bärwurz (Meum athamanticum)
ten, einschürigen Bärwurz-Magerwiesen sind alle nur wenige kleine Inseln in West- und Mitteleuropa
Pflanzenarten sehr niedrigwüchsig (Untergräser, (Meusel et al. 1978). Diese Art ist demnach, wie ver
Rosetten- bzw. Halbrosettenpflanzen) und auf schiedene andere Bergwiesenpflanzen auch, ein
der Fläche locker angeordnet (Lichtrasen – vgl. europäischer Endemit, der sonst auf keinem ande
Vahle 2004). Die schwach gedüngten, ein- bis ren Platz der Erde vorkommt.
zweischürigen Fettwiesen (Waldstorchschnabel-
Goldhafer-Bergwiese) erreichen annähernd mittle
3 Bergwiesen in Sachsen
re Wuchshöhe. Durch drei zeitgleiche Stockwerke
(Ober-, Mittel- und Unterschicht) und eine mäßig dich
3.1 Einteilung
te Flächenstruktur wird ein sehr großer Artenreichtum
ermöglicht. Häufiger Schnitt und ertragssteigern Für das Berggrasland gibt es verschiedene Ein
de Stickstoffdüngung führen zu hochwüchsigen teilungsmöglichkeiten. Vegetationskundlich gehört
Beständen aus zwei zeitlich getrennten Schichten, nur das Berggrasland zu den Bergwiesen, das sich
die aus dicht wachsenden, wenigen Obergräsern dem Verband der Goldhafer-Bergwiesen zuordnen
(Glatthafer, Wiesen-Fuchsschwanz, Knaulgras) und lässt. Dieses wird auf der Ebene der Biotoptypen
19
Biotoptyp
Sächsisches
(Buder & Kartierungs- Gefährdungsgrad FFH-
Code Naturschutz-
Uhlemann code (Buder 1999) Richtlinie
gesetz
2004)
Bergwiese 06.02.310 GB Stark gefährdet 6520 § 26
Submontane Von vollständiger
Goldhafer- 06.02.320 GB Vernichtung 6510 § 26
Frischwiese bedroht
Sonstige
extensiv
06.02.210 GMY Gefährdet 6510 -
genutzte
Frischwiese
Intensiv-
06.03.000 - - - -
grünland
Floristische Zusammensetzung
(Artenreichtum/pflanzensoziologische Identität)
Durchschnittlich
Artenreich (n = ab 25) Artenarm (n = bis 15)
(n = 16 bis 25)
pflanzensoziologische
weniger gut schlecht (untypisch)
Identität: sehr gut (typisch)
floristische Besonderheiten:
fehlend fehlend
vorhanden
20
Kennzeichnende Arten GB GMY IGL
Perücken-Flockenblume X •
Weichhaariger Pippau X
Wald-Storchschnabel X
Bärwurz X •
Verschiedenblättrige
Kratzdistel
X
Ährige Teufelskralle X
Schwarze Teufelskralle X •
Reichblütiges Habichtskraut X
Berg-Rispengras X
Magerkeitszeiger
Rundblättrige Glockenblume X •
Blutwurz X •
Gewöhnliches Ruchgras X •
Rot-Schwingel X x
Kanten-Hartheu X x
Wolliges Honiggras X x •
Wiesen-Goldhafer X • •
Rot-Straußgras X x
Rauer Löwenzahn X •
Nährstoffzeiger
Wiesen-Fuchsschwanzgras • x X
Glatthafer • X
Wiesen-Knäuelgras • x X
Gewöhnliches Rispengras • X
Wiesen-Kerbel x X
Wiesen-Bärenklau x X
Stumpfblättriger Ampfer • X
ebenfalls als Bergwiese bezeichnet, und zwar als gehören entweder zum Biotoptyp „Sonstige extensiv
typische Ausprägung. Ergänzt wird der Biotoptyp genutzte Frischwiese“ oder sogar zum „Artenarmen
„Bergwiese“ aber noch durch die „Submontane Intensivgrünland“ (vgl. Tabelle 2).
Goldhafer-Frischwiese“ (vgl. Buder & Uhlemann 2004), Für eine grobe Ansprache unterschiedlich intensiv
die vegetationskundlich aber zum Verband der bewirtschafteter Bestände mit verschiedener Bio
Glatthafer-Frischwiesen gehört. Durch die FFH- toptypenbindung lassen sich einige Merkmale wie
Richtlinie wird eine weitere Zuordnung möglich. Artenreichtum, Struktur und Farbe aufstellen, wo
Hier umfasst der Lebensraumtyp „Berg-Mähwiesen mit gleichzeitig eine Zustandsbewertung möglich ist
(6520)“ die Goldhafer-Bergwiesen und die monta (vgl. Abbildung 2, Tabelle 3).
nen Ausbildungen der Rotschwingel-Rotstraußgras- Ergänzend sei nur erwähnt, dass die Goldhafer-
Frischwiese, während die Submontane Goldhafer- Bergwiesen sehr häufig eng verzahnt mit Borst-
Frischwiese zum Lebensraumtyp „Flachland-Mäh gras-Magerrasen und Kleinseggenriedern vorkom
wiesen (6510)“ gehört. Naturschutzfachlich weni men. Nachfolgend werden nur die Goldhafer-Berg
ger wertvolle Ausbildungen des Berggraslandes wiesen behandelt.
21
Syntaxonomische Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Rote Liste
Zuordnung Sachsen
Polygono-Trisetion Br.-Bl. &
Verband Tx. ex Marschall 1947 nom. inv. Tx. Goldhafer-Bergwiesen
& Preising 1951
Waldstorchschnabel-
Pflanzen- Geranio sylvatici-Trisetetum
Goldhafer-Bergwiese, Stark gefährdet
gesellschaft R. Knapp ex Oberd. 1957
Goldhafer-Wiese
Festuca rubra-Meum athamanti-
Rotschwingel-Bärwurz-
cum-Gesellschaft
Magerwiese,
(Synonym: Meo-Festucetum rubrae Stark gefährdet
Bärwurz-Magerwiese,
(Tx. 1937) J. & M. Bartsch 1940
Bärwurz-Wiese
nom. inv. Oberd. 1957)
22
der Gesellschaften gebietsweise erschwert, da mezeigern, die die standörtliche Gunst von Kalk im
mehrere der Kennarten der Goldhafer-Wiese offen Gimmlitztal, Basalt am Geisingberg oder um Oelsen
sichtlich aus pflanzengeographischen Gründen im nutzen, von den anderen Beständen abgegrenzt
oberen Vogtland und Erzgebirge nicht gleichmäßig werden (vgl. Tabelle 6). Mit den seltenen Arten
verbreitet sind (vgl. Hardtke & Ihl 2000). So gibt es Sterndolde, Kugeliger Teufelskralle, Kugelorchis,
viele ortsferne, aber auch einige ortsnahe Bestände, Trollblume und Karpaten-Fransenenzian wird wie
die zur Bärwurz-Magerwiese zu stellen sind, insge derum die Verbindung zu den südosteuropäischen
samt sind es etwa 25 % der Goldhafer-Bergwiesen. Karpaten geknüpft. Die bisher genannten Arten wer
Die sächsischen Bergwiesen gehören mit den den noch durch Säurezeiger ergänzt, so dass in den
sudeto-karpatisch verbreiteten, in Sachsen relativ Beständen insgesamt eine große Anzahl von floristi
häufigen Trennarten Perücken-Flockenblume, Ver schen Besonderheiten gefunden werden kann (vgl.
schiedenblättrige Kratzdistel und Reichblütiges Ha Tabelle 6).
bichtskraut zu einer östlich verbreiteten, sich in den Die Goldhafer-Bergwiesen (Berg-Mähwiesen)
Sudeten fortsetzenden Rasse, die in Deutschland haben im Idealfall eine mittelhohe und ziemlich
nur im Erzgebirge und im Bayerischen Wald zu lockere Bestandesstruktur. Das obere Stockwerk
finden ist. ist meist nur schwach entwickelt und spärlich mit
Die Bergwiesen des Osterzgebirges können durch wenigen Obergräsern [Knaulgras (Dactylis glome
einen hohen Anteil von Basen- und teilweise Wär rata), Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus praten-
23
sis), Wald-Rispengras (Poa chaixii)] und im wöhnliche Hainsimse (Luzula campestris), Knöll-
Hochsommer etwas mehr mit hochwüchsigen chen-Steinbrech (Saxifraga granulata), Gebirgs-
Stauden besetzt (Perücken-Flockenblume, Wald- Hellerkraut (Thlaspi caerulescens)] und Rosetten-
Storchschnabel, Sterndolde, Verschiedenblättrige losen [Buschwindröschen (Anemone nemorosa),
Kratzdistel). Die mittlere Schicht prägt wesentlich Berg-Platterbse, Kleiner Klappertopf (Rhinanthus
das Erscheinungsbild der Bergwiesen mit Mittel- minor), Gemeines Kreuzblümchen (Polygala vul-
und Untergräsern [Goldhafer (Trisetum flavescens), garis), Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamae-
Rot-Schwingel (Festuca rubra), Rot-Straußgras drys)]. Am Aufbau der Moosschicht sind meist
(Agrostis capillaris), Ruchgras (Anthoxanthum odo nur wenige Arten beteiligt und das häufig nur
ratum), Zittergras (Briza media), Wiesen-Rispengras in geringen Mengen. Im Verlaufe des Sommers
(Poa pratensis)] sowie mit reichlich Kräutern (Arni- entwickeln sich nach- und nebeneinander ver
ka, Glockenblumen (Campanula patula, C. rotun- schiedene Blühaspekte, die von weißen, gelben,
difolia), Weicher Pippau, Kanten-Hartheu, Wiesen- rosafarbenen, roten, rostroten, violetten und blau
Margerite (Leucanthemum vulgare), Bärwurz, en Farbtönen bestimmt werden. Das Grün der
Schwarze und Ährige Teufelskralle, Rote Lichtnelke Stängel und Blätter wirkt überwiegend mittel- bis
(Silene dioica) u. v. a.). Die bodennahe Schicht hellgrün mit warmer Tönung. Auf Grund ihrer wei
ist ebenfalls gut ausgebildet, beispielsweise mit ten Verbreitung im Gebirgsraum sind mannigfal
Rosettenpflanzen [Kleines Habichtskraut (Hieracium tige Untergesellschaften bzw. Subassoziationen
pilosella), Rauer Löwenzahn (Leontodon hispidus), entstanden, die in ihrer Vielfalt den Wert der
Spitz-Wegerich (Plantago lanceolata)], Halbroset- Goldhafer-Bergwiesen für den Arten- und Bio
tenpflanzen [Kriechender Günsel (Ajuga reptans), topschutz begründen und in dieser oder jener Form
Frauenmantel (Alchemilla vulgaris aggr.), Ge auch in Sachsen vorkommen (vgl. Tabelle 7, vgl.
24
Dierschke 1997). Während sich in der typischen Die Bärwurz-Magerwiese ist vor allem bärwurz- und
Subasssoziation nur der reiche Artengrundstock untergrasreich, sonst aber eher krautärmer. Sie wird
findet, werden die anderen Untergesellschaften zu meist nur von einer Unter- und einer Mittelschicht
sätzlich durch Trennarten hervorgehoben. Für die aufgebaut und wirkt weniger blütenbunt. Es kön
Borstgras-Subassoziation sind Borstgras (Nardus nen wiederum verschiedene Untergesellschaften
stricta), Gemeines Kreuzblümchen, Arnika und festgestellt werden (von Borstgras, von Schlangen-
Echter Ehrenpreis (Veronica officinalis) charak Wiesenknöterich, von Wiesen-Fuchsschwanz).
teristisch. Wärmezeiger auf bodensauren Standor Die Goldhafer-Bergwiesen werden außerdem von
ten sind z. B. Heide-Nelke (Dianthus deltoides), einer artenreichen, lebensraumtypischen Tierwelt
Pechnelke (Silene viscaria) und Große Fetthen- besiedelt ( z. B. Wachtelkönig, Birkhuhn, Rundau
ne (Sedum maximum), die die Übergänge zu den gen-Mohrenfalter, Großer Perlmutterfalter, Braun-
Rotschwingel-Rotstraußgras Frischwiesen und den auge, Lilagold-Falter sowie diversen Heuschrecken,
Submontanen Goldhafer-Frischwiesen anzeigen, Laufkäfern, Zikaden u. v. a.). Die Eignung dafür
die im Osterzgebirge (Oelsen, Trebnitzgrund, hängt aber mehr von der Struktur sowie der
Müglitztal) und im oberen Vogtland zu beobachten Häufigkeit und dem Zeitpunkt der Nutzung als
sind. Untergesellschaften basenreicher, frischer von der Artenzusammensetzung und der vege
Standorte zeichnen sich durch Sterndolde, Auf tationskundlichen Zugehörigkeit ab. Wichtige Merk-
rechte Trespe, Karpaten-Fransenenzian, Großes male dafür sind Höhe und Dichte, Feinblättrigkeit
Durch
West- Mittleres Osterz- schnitt.
Vogtland erzgebirge Erzgebirge gebirge Summe Fläche
Unter-
suchungs- 389 km2 533 km2 1.096 km2 452 km2 2.470 km2
fläche
ha n ha n ha n ha n ha n ha
Bergwiese 62 58 485 392 725 1.253 513 889 1.785 2.592 0,689
Sonstige
Frisch- 575 501 416 240 819 447 621 2.475 2.181 1,135
wiese
Summe 637 559 901 632 2.072 960 1.510 4.260 4.773 0,893
25
3.3 Menge, Verbreitung und Bewertung und 66 ha Borstgras-Magerrasen kartiert, auf die
der Goldhafer-Bergwiesen hier aber nicht weiter eingegangen wird, da diese
Ergebnisse auf Grund der räumlichen Begrenzung
Die sächsischen Bergwiesen wurden botanisch des Kartierungsgebietes für Sachsen unvollstän
erstmals qualitativ von Hundt (1964) bearbeitet. dig bleiben. Die Bergwiesen wurden in drei Stufen
Auf Seite 38 zeigen die Abbildungen 5 und 6 bewertet, deren Kriterien annähernd in Abbildung
Grünlandstatistiken auf Altkreisebene. Im Berg 2 dargestellt sind. Die Bewertung ergab, dass von
wiesengebiet betrug demnach um das Jahr 1960 den 1.785 ha nur 283 ha im sehr guten Zustand (I),
der Grünlandanteil ca. 20 % bis 30 % an der land 729 ha im noch guten Zustand (II) und 573 ha im
wirtschaftlichen Nutzfläche. Jedoch war der Anteil schlechten Zustand (III) vorkommen. Viele dieser
der ein- und zweischürigen Mähwiesen, die si Bergwiesen befinden sich in den Ortsrandbereichen
cherlich mit den heutigen Biotoptypen Bergwiese und sind von Nutzungsaufgabe oder Intensivierung
und Sonstige extensiv genutzte Frischwiese ver bedroht. Auch die Bestände der Zustandstufe II
glichen werden können, mit mindestens 60 % am können, wenn sie nicht lebensraumtypisch be
Gesamtgrünland sehr hoch. In den letzten Jahren wirtschaftet werden, schnell in einen schlech
wurden vor allem osterzgebirgische Bergwiesen ten Zustand übergehen. Bedenkt man, dass die
untersucht (vgl. Hachmöller 2000, Hachmöller et durchschnittliche Fläche der Goldhafer-Bergwiesen
al. 2003, Schmiede 2004). Für eine erneute Be mit 0,689 ha ziemlich klein ist (vgl. Tabelle 8),
standsaufnahme und Bewertung aller sächsi so ist schon dadurch ihre Anfälligkeit gegen
schen Bergwiesen hat der Freistaat Sachsen von über Gefahren verhältnismäßig groß. In der Tat
1995 bis 2003 ein Bergwiesenförderprogramm gehen regelmäßig kleine Flächenanteile durch
aufgelegt, das in drei Abschnitten bearbeitet wur Nutzungsänderungen (Brachfallen, Intensivierung,
de – Vogtland und Westerzgebirge (Böhnert 1996, Bebauung, Versiegelung, Bepflanzung u. a.) verlo-
1998), Mittelerzgebirge (Böhnert 2001a, b) und ren. Der gegenläufige Prozess, dass Wiesen aus
Osterzgebirge (Böhnert 2004). Im Oberlausitzer gehagert werden, ist zwar hier und da zu beobach
Bergland bzw. Zittauer Gebirge kommen keine ten, in seinem Umfang aber noch zu gering, um die
Goldhafer-Bergwiesen vor, weil dort die meisten aktuellen Verluste auszugleichen. Diese Befunde
Kennarten fehlen (vgl. Hardtke & Ihl 2000). liefern insgesamt ein eher kritisches Bild der Qua
Die Goldhafer-Bergwiesen wurden in einem lität und Zukunft der verbliebenen Bergwiesen.
2470 km2 Kartierungsgebiet etwa ab der 500 m- Schwerpunktvorkommen der Bergwiesen befin
Höhenlinie nach einheitlicher Methodik auf Erhe- den sich im Osterzgebirge am Geisingberg, in den
bungsbögen erfasst und bewertet sowie auf Topo- Grenzwiesen Fürstenau und um Oelsen. Wegen
graphischen Karten im Maßstab 1 : 10000 darge ihrer großen, unzerschnittenen Flächen und ihrer
stellt. Ausgewählte Bestände wurden mit Vege- floristischen Besonderheiten sind diese Bereiche
tationsaufnahmen dokumentiert. Im Bereich meh landesweit bedeutsam. Weitere Zentren sind um
rerer Gemeinden (Markneukirchen, Stützengrün, Schöneck, Klingenthal mit Aschberg und Mühlleithen,
Wildenthal, Jöhstadt, Steinbach, Hirtsteingemein Sosa und Rehefeld-Zaunhaus zu finden. Obwohl
de, Cämmerswalde, Deutscheinsiedel, Deutsch- die Bergwiesen gegenüber den Ergebnissen von
neudorf, Holzhau, Seiffen, Rechenberg-Bienen Hundt (1964) sicherlich deutliche Flächenverluste
mühle, Bärenstein, Glashütte, Johnsbach, Lauen- erlitten haben, sind die Bergwiesen der letzte
stein, Liebstadt, Rehefeld-Zaunhaus, Altenberg/ Wiesentyp in Sachsen, der noch in ausreichender
Geising) wurden von den regionalen Landschafts- Menge, Verbreitung und Vielfalt anzutreffen ist. Ihre
pflegeverbänden bzw. der Grünen Liga Osterzge- Kohärenz im Sinne der FFH-Richtlinie ist gut, ins
birge zusätzlich Bergwiesenfördergebiete vertieft besondere im Osterzgebirge hervorragend. Da die
bearbeitet (flurstück scharf, Nutzerkontakte, För Bergwiesen als Naturerbe, für den Naturhaushalt
dermöglichkeiten). Die zusammengefassten Ergeb- und als Kulturerbe vielfältige Bedeutungen und
nisse werden in der Tabelle 8 mitgeteilt. Es wur Nutzungsmöglichkeiten haben, erhält der sächsi
den insgesamt 1.785 ha Bergwiesen und 2.475 ha sche Bergwiesenschutz mindestens eine europäi
Sonstige extensiv genutzten Frischwiesen kartiert. sche Bedeutung (vgl. Tabelle 9).
Weiterhin wurden 549 ha Magere Frischwiesen
26
3.4 Gefährdung und Schutz Wiesen zur Anhäufung von Streu mit der Folge der
Artenverarmung und schließlich zur Verbuschung
Zwar unterlag die Artenzusammensetzung der Wie- und Bewaldung. Intensivierung in Form von Dün-
sen entsprechend der menschlichen Nutzungsan gung, Umbruch, Graseinsaat, Vielschnitt, Portions
sprüche und Einflussmöglichkeiten schon immer ei weide u. ä. führt zu artenarmen naturschutzfach
nem geschichtlichen Wandel, doch hat dieser heute lich wertlosen Beständen. Auch Wiesen, die über
Geschwindigkeiten und Ausmaße erreicht, die auch viele Jahre nur gemulcht werden, verlieren an Wert.
die Existenz der artenreichen Bergwiesen in Zukunft Eine weitere Gefährdung von Wiesen und mahd
bedrohen könnten. Artenreiche Bergwiesen werden abhängigen Rasen ist der gegenwärtig häufig zu
immer dann gefährdet, wenn die Art und Weise der beobachtende vollständige Ersatz der Mahd durch
Mahd, die zu ihrer Entstehung geführt hat, deut Beweidung. Von wenigen Einzelfällen abgesehen, ist
lich verändert wird. Solche Veränderungen können das mit dem Verlust von naturschutzwertiger Vielfalt
sowohl Nutzungsauflassung (Verbrachung) als verbunden.
auch Intensivierung sein. Verbrachung führt auf den
Naturerbe Kulturerbe/Nutzungsmöglichkeiten
Biotopschutz Heimatgeschichte
- gesetzlich geschützte Biotope nach § 26 - Traditionell bewirtschaftete Bergwiesen
SächsNatSchG erzeugen eine Identifikation der Bevölkerung mit
- Rote Liste Pflanzengesellschaften und dem Natur- und Landschaftsraum.
Biotoptypen - Eigentumsbindung (Wiesenmahd ist mühsam.)
- FFH-Lebensraumtypen - soziale Funktionen (Bergwiesenwettbewerb,
- Biotopverbund Bergwiesenfeste)
- Offenlandkohärenz
Biodiversität Genressourcen
- innerartliche, zwischenartliche und - Nutzung der Biodiversität
ökosystemare Vielfalt (Pilze, Pflanzen, Tiere, - Heilpflanzen, Tee, Kräuterheu
Ausbildungen der Pflanzengesellschaften)
Bildung
- Naturerfahrung
- Heimatgeschichte
Bergwiesen sind der letzte Wiesentyp in Sachsen, der noch in ausreichender Menge, Verbreitung
und Vielfalt sowie Kohärenz anzutreffen ist.
27
Entwicklungsziel
Leitbild Bemerkung Biotoptyp Bestand (ha) aus dem Gesamt-
bestand (ha)
„blütenbunte Berg-
und Falterwiese“
Artenreiche zur Erhaltung der
GB 1.785 2.500
Bergwiese Biodiversität (Arten-
und Biotopschutz,
kulturhistorische Vielfalt)
Erhaltung der
Kulturlandschaft
Gehölzfreies (Landschaftsbild,
GMY 2.475 1.760
Grasland Erholungspotenzial,
eingeschränkter Arten-
und Biotopschutz)
Summe 4.260 4.260
Sollen die biotoptypischen, heute naturschutzfach naturschutzfachlicher Sicht zwei Leitbilder zu formu
lich hervorgehobenen Werte der Bergwiesen nicht lieren – artenreiche Bergwiesen zur Erhaltung der
verloren gehen, müssen die strukturbestimmenden Biodiversität und gehölzfreies Grasland zur Erhaltung
Kulturfaktoren durch geeignete Bewirtschaftung der Kulturlandschaft (vgl. Tabelle 10). Während im
oder Biotoppflege nachhaltig aufrechterhalten wer- erstgenannten Leitbild das zweite enthalten ist, ge
den. Wichtig sind die Bewahrung der Biotoptra- lingt der Umkehrschluss nur sehr eingeschränkt.
dition und die Förderung historischer Nutzungs-
formen, insbesondere die Heumahd des ersten Für die Wiesen im Leitbild „artenreiche Bergwiesen“
Wiesenaufwuchses, die langfristig durch keine gelten die Ziele, in der Zustandsstufe I den sehr gu
andere Nutzung ersetzt werden kann, sowie die ten Zustand zu erhalten, in der Stufe II den noch gu
Erhaltung und Entwicklung von Lebensräumen ten Zustand zu erhalten (Mindeststandard) sowie auf
magerer Standorte. geeigneten Flächen die sehr gute Qualität zu entwi
ckeln und in der Stufe III wenigstens die gute Grund
Alternative Schutzstrategien aus einer Kombination qualität der Stufe II zu entwickeln. Bezogen auf die
von natürlicher Entwicklung mit geduldeten Kata Flächenstatistik muss der langfristigen Entwicklung
strophen, Nutzung sekundärer Standorte und/oder von 715 ha neuer Bergwiesen wenigstens aus den
Einsatz von dynamischen Nutzungskonzepten sind 2.475 ha Entwicklungspotenzial verstärkte Auf
auf geeigneten Flächen willkommene Ergänzungen merksamkeit geschenkt werden (vgl. Tabelle 10).
der notwendigen traditionellen Bewirtschaftungs- Für jeden Bestand muss ein Schutzziel festgelegt
und Pflegemaßnahmen. werden. Neben der hier mehrfach begründeten
Erhaltung des Bestandes soll der Aushagerung
Besonders anspruchsvoll ist der Schutz der Berg auf geeigneten Flächen mehr Aufmerksamkeit ge-
wiesen, wenn botanische und vegetationskundliche schenkt werden. Während schwachwüchsige Be
Schutzgüter mit zoologischen Schutzgütern durch stände durch Düngung leicht in Fettwiesen über
Portionsmahd und zeitlich begrenzte Brachestreifen führt werden können, gelingt die entgegengesetz
auf derselben Fläche verknüpft werden müssen. te Entwicklung, wüchsige Bestände auszuhagern,
nur sehr mühsam. Bärwurz-Magerwiesen (eben
so Borstgras-Magerrasen und schwachwüchsige
3.5 Leitbilder und Ziele
Rotschwingel-Rotstraußgras-Wiesen) sind seltener
Abgeleitet von der Bestandsaufnahme und Be als die Fettwiesen und kulturhistorisch sowie na
wertung ist es sinnvoll, für das Berggrasland aus turschutzfachlich sehr interessant. Rote-Liste-Arten
28
Abb. 3: Fieberklee-Wiese in Pfaffenloh Foto: Archiv Naturschutz LfULG, W. Böhnert
sind überwiegend Zeiger für Stickstoffmangel, viele die jährliche Heumahd ist. Überwiegende Bewei-
gefährdete Wirbellose sind an magere Lebensräume dung führt über kurz oder lang zu einem floristisch
gebunden. anders zusammengesetzten Vegetations- und
Nutzungstyp, der Weide. Mit Mulchen (zweimal
jährlich! – vgl. Spatz 1994) kann zwar ziemlich lange
3.6 Bewirtschaftung und Pflege
der Grundcharakter der Bergwiesen erhalten wer
Ein wesentliches Merkmal für artenreiche Berg den, es gehen aber die notwendigen Lücken für
wiesen ist deren Strukturvielfalt, die nur durch klein wuchsschwache Magerkeitszeiger verloren – die
flächig wechselnde Bewirtschaftung/Pflege erzeugt Artenvielfalt schwindet, die Roten Listen würden
werden kann, die im Idealfall zu einem kleinräumi noch mehr belastet. Dauernde Spätmahd ist aus
gen Nutzungsmosaik führt. Nur in dieser Form ist diesen Gründen ebenfalls ungeeignet, da sie eine
es möglich, die hohe Biodiversität der Pflanzen- und schleichende Tendenz zur Verbrachung bewirkt.
Tierwelt, wie sie historisch belegt ist, für die Zukunft Auf Wiesenflächen, die wegen floristischer und/
zu sichern bzw. zu entwickeln (vgl. Briemle et al. oder faunistischer Besonderheiten nicht mit einem
1991). Die nachfolgenden Ausführungen im Sinne speziellen Schutzziel belegt sind, kann der Schnitt
von Behandlungsgrundsätzen beziehen sich auf die ziemlich früh im Jahr erfolgen, damit die Landwirte
1.785 ha der gesetzlich geschützten Bergwiesen eiweißreiches Futter von hohem Wert gewinnen kön
und auf einige geeignete Entwicklungsflächen. nen. Unbedingt einen vorgegebenen Termin nicht
zu unterschreiten, wie es die Förderprogramme
leider vorsehen, ist weniger wichtig als vielmehr
3.6.1 Mahd
zwischen erster und zweiter Nutzung mindestens
Die Goldhafer-Bergwiesen müssen regelmäßig be acht Wochen Pause zu lassen, damit der zweite
wirtschaftet werden. Als Bestandteil des halbexten- Aufwuchs zur Frucht- und Samenreife gelangen
siven bis halbintensiven traditionellen Kulturgras kann. Da die Lebensdauer der Wiesenpflanzen
landes sind sie sogenannte klassische Heuwiesen nicht unbegrenzt ist, müssen sie sich von Zeit zu
(vgl. Dierschke & Briemle 2002), deren wichtigster Zeit geschlechtlich vermehren können.
struktur- und damit werterhaltender Kulturfaktor
29
Mahdtermin die Keimung konkurrenzschwacher Pflanzenarten
geschaffen werden kann.
Im Normalfall (witterungsbedingte Verschiebungen
sind möglich) beginnt der erste Schnitt Anfang Juni Selektive Mahd
und kann/soll sich bis Anfang/Mitte Juli erstrecken.
Phänologisch reicht dieser Zeitraum von der Mitte Zur Sicherung konkurrenzschwacher floristischer
der Phänophase 6 (Leucanthemum-Lychnis flos- Besonderheiten ( z. B. Arnika, Deutscher Fransen
cuculi-Phase – vgl. Dierschke & Briemle 2002), wenn enzian, Stattliches Knabenkraut) ist eine kleinflä
Margerite, Glockenblumen, Klappertopf, Ährige chige, selektive Mahd, die vom normalen Nut
Teufelskralle, Rot-Schwingel, Wiesenrispe, Weicher zungstermin abweicht, erforderlich. In der Regel
Pippau sowie Kuckucks-Lichtnelke und Schlangen- muss eine Anleitung durch geschultes Fachperso-
Wiesenknöterich in Vollblüte stehen (Bärwurz, Schar nal erfolgen.
fer Hahnenfuß, Trollblume und Wald-Storchschnabel
sind zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend abge Rohboden
blüht) bis zur Mitte der Phänophase 7 (Cirsium pa-
lustre-Galium album-Phase), wenn Rotstraußgras, Zur Sicherung konkurrenzschwacher floristischer
Wolliges Honiggras, Goldhafer und Weißes Wiesen- Besonderheiten ( z. B. Arnika, Deutscher Fransen
Labkraut voll erblüht sind (Perücken-Flockenblume enzian, Stattliches Knabenkraut) sind kleine Roh
und Kanten-Hartheu beginnen erst zu erblühen). bodenflächen (Pionierstandorte) erforderlich, die
beispielsweise durch tief gestelltes Schneidwerkzeug
Staffel- oder Rotationsmahd erzeugt werden oder während der Nachweide
entstehen. In der Regel muss eine Anleitung durch
Für besonders artenreiche, großflächige Bergwiesen geschultes Fachpersonal erfolgen.
ist es aus naturschutzfachlichen Gründen wich
tig, wenn in einem überschaubaren Gebiet eini Spätmahd
ge Teilflächen ( z. B. Flurstücke) zu Beginn, andere
gegen Ende des angegebenen Zeitraums gemäht Spätmahd ist auf konkret auszuweisenden Teilflä
werden. Das sichert die vollständige Entwicklung chen zum Schutz von bodenbrütenden Vogelarten
vieler Pflanzenarten bis zur Frucht- und Samenreife erforderlich ( z. B. Wachtelkönig, Braunkehlchen).
und schafft Ausweichmöglichkeiten für die Tierwelt
( z. B. Insekten, Spinnen und wiesenbewohnende Zweite Nutzung
Vogelarten).
In den meisten Jahren wächst ein deutlicher
Brachestreifen zweiter Aufwuchs heran, der nach achtwöchiger
Nutzungspause durch einen zweiten Schnitt oder
Auf geeigneten Flächen können Kurzzeit-Brache extensive Herbstweide (Rinder, Schafe, Ziegen) ab
streifen belassen werden, die aber im Folgejahr in geschöpft werden soll, damit sich bis zum kommen
die Nutzung einbezogen werden müssen. Diese den Frühjahr so wenig wie möglich vegetationshem
Streifen dienen zum vollständigen Aussamen der mende Streu ansammelt.
Pflanzenarten sowie als Habitate für Kleintiere und
deren Entwicklungsstadien (Ei, Raupe, Puppe usw.). Aushagerung
30
3.6.2 Beweidung Landwirtschaftliche Nutzung
Grundsätzlich ist eine extensive herbstliche Nach- Auf Waldstorchschnabel-Goldhafer-Wiesen mit re
beweidung wünschenswert (Rinder – möglichst gelmäßiger landwirtschaftlicher Nutzung kann eine
Jungrinder, Schafe, Ziegen). Düngung mit Phosphor, Kalium bzw. Stallmist sowie
gegebenenfalls eine Kalkung in Höhe des Entzuges
3.6.3 Düngung erfolgen, soll aber von regelmäßigen bodenche
mischen Untersuchungen und von floristischer
Da der Stickstoff der Pflanzennährstoff ist, mit des Erfolgskontrolle begleitet werden. Damit kann der
sen Hilfe Ertrag und Artenzusammensetzung am Artenreichtum, vor allem an blütenbunten Kräutern,
schnellsten verändert werden können, spielt er bei erhalten bzw. gefördert werden.
der Entscheidung, ob und wenn ja, welche Berg
wiesen gedüngt werden können, eine entschei
Biotoppflege
dende Rolle. Seit den letzten Jahrzehnten findet in
Mitteleuropa ein steter Eintrag von Stickstoff aus Wiesen, die dauerhaft über die Naturschutzrichtlinie
der Luft in alle Biotope statt. Nach neueren Berech- gefördert werden, sollen grundsätzlich nicht gedüngt
nungen (vgl. Balla 2005, S. 176) sind die Stick werden, damit das Ziel, über eine spezifische floris
stoffeinträge im bundesdeutschen Durchschnitt tische Artenzusammensetzung einen bestimmten
von 1990 bis 1999 zwar von 35 kg Stickstoff pro ha Vegetationstyp zu erhalten, nicht gefährdet wird.
und Jahr auf 26 kg Stickstoff pro ha und Jahr zu
rückgegangen, für Magerwiesen sind das aber jähr Aushagerung
lich 26 kg zu viel. Für naturschutzfachlich wertvolle
Fettwiesen dürfte diese Menge schon ausreichen, Auszuhagernde Flächen dürfen nicht gedüngt wer
um den Entzug durch die extensive Nutzung oder den.
die Biotoppflege annähernd zu ersetzen. Deshalb
sollen die gesetzlich geschützten Bergwiesen Magerwiesen
grundsätzlich nicht mit chemisch-synthetischem
Um den kulturhistorisch und naturschutzfachlich wert
Stickstoff und mit Gülle gedüngt werden, weil
vollen Charakter der Bärwurz-Wiese als Magerwiese
dadurch über die Konkurrenzverhältnisse letzt
zu erhalten, darf diese nicht gedüngt werden.
lich nur wenige Arten, namentlich Obergäser und
Hochstauden, gefördert werden.
Artenschutzmaßnahmen
31
Aufgabe Bemerkung
32
Aufgabe Bemerkung
4 Ausblick Literatur
Die Goldhafer-Bergwiesen sind der letzte Wiesen Balla, S. (2005): NOx-Immissionen entlang von
typ Sachsens, der noch in ausreichender Menge, Straßen. Grundlagen zur Beurteilung von Beein
Verteilung und Ausbildungsvielfalt sowie Kohärenz trächtigungen der Vegetation im Rahmen von
erhalten geblieben ist. Für den Bergwiesenschutz UVP, Eingriffsregelung und FFH-VP. Naturschutz
muss einerseits der überlieferte Bestand mit den und Landschaftsplanung 37, 5/6, S. 169 – 178.
Mitteln des Arten- und Biotopschutzes gesichert Böhnert, W. (1996): Bergwiesenförderprogramm
und gleichzeitig als wertvolles Erbe, in diesem Sinne des Freistaates Sachsen, Teil I. Bearbeitungs-
als Kulturgut, das beispielsweise den Denkmal gebiet Vogtland und Westerzgebirge. Manu
geschützten historischen Bauernhäusern eben skript Naturschutzbund Deutschland (NABU),
bürtig ist, anerkannt werden. Andererseits ist eine Regionalverband Elstertal e.V., Hartmannsgrün.
Anpassung an sich verändernde gesellschaftliche Böhnert, W. (1998): Gefährdete südwestsächsische
Rahmenbedingungen nötig. Damit verbunden sind Bergwiesen. Naturschutzbund Deutschland
sowohl die Erhaltung und Förderung historischer (NABU), Regionalverband Elstertal e.V. (Hrsg.),
Nutzungsformen als auch die Erarbeitung von alter Plauen. 40 S.
nativen Strategien für den Arten- und Biotopschutz Böhnert, W. (2001a): Bergwiesenförderprogramm
(Lebensraumdynamik). Erforderlich ist auch eine des Freistaates Sachsen, Teil II. Bearbeitungs-
Erweiterung des klassischen Berufsbildes des Land gebiet Mittelerzgebirge. Manuskript Naturpark
wirtes auf zukunftsweisende Geschäftsfelder wie Erzgebirge/Vogtland, SchlettauBöhnert, W.
alternative Energien und Rohstoffe, ökologisch (2001b): Blütenbunte Bergwiesen im Naturpark
orientierte Landschaftspflege (Arten- und Biotop „Erzgebirge/Vogtland“. Naturpark Spezial 4.
schutz) und Erholungsvorsorge, Nutzung von Zweckverband Naturpark „Erzgebirge/Vogtland“
Heilpflanzen u. ä. Da mit dem Bergwiesenschutz ein (Hrsg.), Schlettau. 36 S.
bedeutender Beitrag zum Arten- und Biotopschutz Böhnert, W. (2004): Bergwiesenförderprogramm
im Bergland sowie zum Kulturgutschutz im Freiland des Freistaates Sachsen, Teil III. Bearbeitungs
geleistet werden kann und muss (europäische gebiet Osterzgebirge. Manuskript Grüne Liga
Bedeutung, siehe vorn), sind verschiedene Aufgaben Osterzgebirge, Dippoldiswalde.
zu berücksichtigen (vgl. Tabelle 11). Böhnert, W.; Gutte, P. & Schmidt, P. A. (2001):
„Kein Weg führt daran vorbei, die Landwirtschaft für Verzeichnis und Rote Liste der Pflanzengesell
den Arten- und Biotopschutz zu honorieren.“ schaften Sachsens. Sächsisches Landesamt
Hampicke (1991) für Umwelt und Geologie (Hrsg.), Materialien
zu Naturschutz und Landschaftspflege 2001,
Dresden, 302 S.
33
Briemle, G.; Eickhoff, D. & Wolf, R. (1991): Mindest Hardtke, H.-J. & Ihl, A. (2000): Atlas der Farn-
pflege und Mindestnutzung unterschiedlicher und Blütenpflanzen Sachsens. Sächsisches
Grünlandtypen aus landschaftsökologischer und Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.),
landeskultureller Sicht. Praktische Anleitung zur Materialien zu Naturschutz und Landschafts
Erkennung, Nutzung und Pflege von Grünland pflege, Dresden, 806 S.
gesellschaften. Beih. Veröff. Naturschutz Land Hundt, R. (1964): Die Bergwiesen des Harzes,
schaftspflege Bad.-Württ. 60, S. 1 – 160 Thüringer Waldes und Erzgebirges. Pflanzenso
Buder, W. (1999): Rote Liste Biotoptypen. ziologie, 14, Gustav Fischer Verlag, Jena, 284 S.
Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geo Meusel, H.; Jäger, E.; Rauscher, S. & Weinert, E.
logie (Hrsg.), Materialien zu Naturschutz und (1978): Vergleichende Chorologie der zentral
Landschaftspflege 1999, Radebeul, 59 S. europäischen Flora. Band II – Karten. Gustav
Buder, W. & Uhlemann, S. (2004): Biotoptypenliste für Fischer Verlag, Jena, S. 259 – 421.
Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt Richtlinie 92/ 43/ EWG des Rates zur Erhaltung der
und Geologie (Hrsg.), Materialien zu Naturschutz natürlichen Lebensräume sowie der wildleben
und Landschaftspflege 2004, Dresden, 135 S. den Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-
Burkart, M.: Dierschke, H.; Hölzel, N.; Nowak, B. Richtlinie) vom 21. Mai 1992, zuletzt geändert
& Fartmann, T. (2004): Molinio-Arrhenatheretea durch RL 97/ 62/ EG vom 27. Oktober 1997.
(E1). Kulturgrasland und verwandte Vegetations SächsNatSchG (1994): Sächsisches Gesetz über
typen. Teil 2: Molinietalia. Futter- und Streuwiesen Naturschutz und Landschaftspflege (Sächsi-
feucht-nasser Standorte und Klassenübersicht sches Naturschutzgesetz – SächsNatSchG).
Molinio-Arrhenatheretea. – Synopsis der Pflan Neufassung in der Bekanntmachung vom 11.
zengesellschaften Deutschlands, 9, Göttingen, Oktober 1994 (SächsGVBl. S.1601, 1995 S. 106),
103 S. rechtsbereinigt mit Stand vom 10. Mai 2007.
Dierschke, H. & Briemle, G. (2002): Kulturgrasland. Schmiede, R. (2004): Vegetationskundliche Analyse
Wiesen, Weiden und verwandte Staudenfluren. und naturschutzfachliche Bewertung ausge
Ökosysteme Mitteleuropas aus geobotanischer wählter Grünlandbiotope im Osterzgebirge.
Sicht. Ulmer-Verlag, Stuttgart, 239 S. Diplomarbeit TU Dresden, Institut für Geo
Dierschke, H. (1997): Molinio-Arrhenatheretea (E 1). graphie.
Kulturgrasland und verwandte Vegetationstypen, Spatz, G. (1994): Freiflächenpflege. Ulmer-Verlag,
Teil 1: Arrhenatheretalia. Wiesen und Weiden Stuttgart, 296 S.
frischer Standorte – Synopsis der Pflanzen Vahle, C. (2004): Lichtrasen. Zum landschafts
gesellschaften Deutschlands, 3, Göttingen, 74 S. ökologischen, ästhetischen und landwirtschaft
Ellenberg, H. (1996): Vegetation Mitteleuropas lichen Verständnis von Magerrasen. Natur und
mit den Alpen in ökologischer, dynamischer Landschaft. 79, 1, S. 10 – 17.
und historischer Sicht. Ulmer-Verlag, Stuttgart,
5. Auflage, 1095 S.
Haberreiter & Rötzer (2003): Ein Blick auf die Wiesen
und Weiden Niederösterreichs. In: Wiesen und
Weiden Niederösterreichs. St. Pölten, S.7 – 9.
Hachmöller, B.; Böhnert, W. & Schmidt, P. (2003):
Vegetationsentwicklung von Bergwiesen-Re
generationsflächen am Geisingberg im Ost
erzgebirge – Bewertung mit Hilfe vegetations
kundlicher Dauerbeobachtungsflächen. Hercynia
N. F. 36, S. 171 – 195.
Hachmöller, B. (2000): Vegetation, Schutz und
Regeneration von Bergwiesen im Osterzgebirge.
Dissertationes Botanicae 338, 300 S.
Hampicke, U. (1991): Naturschutz-Ökonomie. Ulmer-
Verlag, UTB, Stuttgart.
34
Erprobungs- und Flächen erwarb (Hardtke & Weber 1998, s. Abb. 1),
Entwicklungsvorhaben in den folgenden Jahrzehnten durch Bodenreform,
„Grünlandverbund im Osterzgebirge fehlende und unzureichende Pflege, Intensivierung
am Beispiel der Oelsener Höhe“ der landwirtschaftlichen Nutzung, Talsperrenbau
des Landesvereins Sächsischer und damit verbundener Aufforstung sowie stark
Heimatschutz überhöhte Immissionen entgegen gewirkt. Aus
gehend von Restflächen, die durch das engagierte
Bernard Hachmöller, Hans-Jürgen Hardtke, Mike Wirken von ehrenamtlichen Naturschützern und
Hölzel, Peter A. Schmidt, Claudia Walczak, Birgit Vertretern der TU Dresden seit Beginn der 1970er
Zöphel, Peter Kandler, Frank Müller, Norman Döring Jahre erhalten werden konnten (Grundig 1958,
Kandler 1977, Sommer 1979, Kastl 1982), ergab
sich nach 1990 durch die veränderte ökonomische
1 Einleitung, Problemstellung und Ziel
Situation die Chance zur großflächigen Wieder-
des Projektes
herstellung schutzwürdiger Grünlandbiotope. Als
Im östlichen Teil des Osterzgebirges in der Umge- wichtige Voraussetzungen dafür wurden seit Beginn
bung des Ortes Oelsen konnten große Teile einer der 1990er Jahre zahlreiche Offenlandflächen
kulturhistorisch bemerkenswerten Steinrückenland durch den Landesverein Sächsischer Heimatschutz
schaft mit überaus wertvollen Wiesenflächen erhalten zurück erworben. Durch eine zeitige Einbeziehung
werden. Die hohe naturschutzfachliche Bedeutung der vor Ort tätigen Landwirte wurden umfangreiche
dieses Gebietes beruht u. a. auf einem subkontinen Vereinbarungen zur naturschutzgerechten Bewirt
talen Klimaeinfluss am Ostrand des Erzgebirges so schaftung des Grünlands mit Landwirtschafts-
wie dem kleinräumigen Wechsel basenhaltiger und und Landschaftspflegebetrieben abgeschlossen.
basenarmer Gesteine. Die artenreichen Wiesen ha Auswirkungen dieser Pflegemaßnahmen wurden
ben sich durch eine extensive Nutzung über mehre durch Untersuchungen der floristischen bzw. vege
re Jahrhunderte in traditionellen Grünlandstandorten tationskundlichen Erfolgskontrolle dokumentiert.
wie Quellmulden und Bachtälchen herausgebildet. (Hachmöller 2000, Kastl & Hachmöller 1999,
Sie sind von zahlreichen Lesesteinrücken durch Sommer & Hachmöller 2001).
zogen. Bis heute enthalten die Wiesen hochgradig
schutzwürdige und gefährdete Biotoptypen wie Das Ziel des Erprobungs- und Entwicklungsvor
Bergwiesen, Borstgrasrasen, Feuchtwiesen und habens besteht in der Erhaltung, Vergrößerung
Niedermoore, die gleichzeitig Lebensraumtypen und Verbindung eines national bedeutsamen Kom
europäischer Bedeutung gemäß der FFH-Richtlinie plexes artenreicher submontaner und montaner
darstellen. Im Jahr 2002 wurde das 680 ha große Grünlandgesellschaften im Osterzgebirge durch
Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet „Mittelgebirgs Maßnahmen der Grünland-Regeneration und eine
landschaft um Oelsen“ Bestandteil des euro nachhaltige und naturschutzgerechte Grünland
päischen Schutzgebietsnetzes „Natura 2000“. nutzung und -pflege. Aus den kleinen und vonein
Das Projektgebiet des Erprobungs- und Entwick ander isolierten schutzwürdigen Biotopen im
lungsvorhabens nimmt im Wesentlichen den ca. Oelsener Gebiet soll durch eine innovative Kombi-
200 ha großen Offenlandanteil dieses FFH-Gebietes nation geeigneter Pflege- und Entwicklungsmaß
ein. nahmen ein funktionsfähiger Grünlandverbund
entstehen. Durch die wissenschaftlichen Begleit-
Die besondere Problemstellung des E+E Vorha untersuchungen wird der Effekt dieser Maß-
bens ergibt sich auch durch die wechselvolle nahmen auf die Grünlandbiotope beispielhaft
Nutzungs- und Eigentumsgeschichte, in deren dokumentiert, um ihre Übertragbarkeit auf
Folge im Projektgebiet auf großer Fläche wertvolle andere Gebiete bzw. im Rahmen vergleichbarer
Grünlandbiotope zerstört, stark beeinträchtigt und Projekte zu überprüfen. Gleichzeitig werden so
voneinander isoliert worden sind. So wurde den neue Erkenntnisse zu Ökologie und Soziologie,
bereits früh einsetzenden Schutzbemühungen des Struktur und Dynamik sowie Leit- und Zielarten der
Landesvereines Sächsischer Heimatschutz, der Bergwiesen gewonnen.
in diesem Gebiet zwischen 1920 und 1945 große
35
Abb. 1: Südlich der Oelsener Höhe, im Grenzbereich zum tschechischen Spicak (Sattelberg) sollen großflächige artenreiche Bergwiesen,
die um 1930 im Besitz des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz waren, durch das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben wieder-
hergestellt werden. Foto: Archiv LVSH
36
Abb. 2: Grünlandbewirtschaftung im Bereich des Grenzstreifens südlich der Oelsener Höhe –
zwischen Sattelbergwiese und Hinterer Wiese
Abb. 3: Ersteinrichtende Maßnahmen für die Grünlandentwicklung (Mähgutauftrag, Bodenabtrag, Vertikutierung, Wiedervernässung
sowie Steinrückenpflege und Entbuschung) im Grenzstreifen südlich der Oelsener Höhe – zwischen Sattelbergwiese und Hinterer Wiese
37
Färber-Scharte (Serratula tinctoria). Für die Erhaltung Regeneration der schutzwürdigen Grünlandbiotope
der Busch-Nelke (Dianthus seguieri) als „Sippe im Oelsener Gebiet wird durch eine Kombination
mit isolierten Vorposten in Deutschland“ kommt der naturschutzgerechter Grünlandnutzung und speziel-
Bundesrepublik eine besondere Verantwortung zu ler Pflegemaßnahmen angestrebt, die auf die spe
(Korneck et al. 1996). Aus zoologischer Sicht be- zifischen Ausgangs- und Zielzustände der Vegetation
deutsam sind unter anderem die artenreiche im Projektgebiet ausgerichtet sind. Dabei sollen
Insektenfauna der Grünlandbiotope mit gefähr grundlegende Erkenntnisse zur Grünlandpflege und
deten Arten wie Plumpschrecke (Isophya krausii) -regeneration gewonnen und Methoden entwickelt
und Lilagold-Feuerfalter (Lycaena hippothoe) so werden, die eine Entwicklung in Richtung der
wie unter den Vogelarten gefährdete Wiesen- und Projektziele mittelfristig ermöglichen.
Heckenbrüter, darunter Braunkehlchen (Saxicola Die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung und
rubetra) und Neuntöter (Lanius collurio). Regeneration der schutzwürdigen Grünlandbiotope
ist die Schaffung der notwendigen Standort-
Aufgrund der zahlreichen Beeinträchtigungen durch und Nutzungsverhältnisse, wobei naturbürtige
Intensivierung der Bewirtschaftung, Nutzungsauf regionalspezifische Standortbedingungen ebenso
gabe und Aufforstung hat der Anteil naturschutz- zu berücksichtigen sind wie deren Abwandlung
fachlich wertvoller Grünlandbiotope im Gebiet je durch die differenzierte Nutzung in den Zeiten der
doch stark abgenommen. So wurden Mitte der traditionellen Landwirtschaft. Dies bedeutet unter
1990er Jahre noch etwa drei Viertel der ca. 200 ha anderem die Gewährleistung einer edaphischen
Offenland-Biotoptypen von artenarmem Intensiv Vielfalt von mageren bis mäßig nährstoffreichen,
grünland eingenommen (Hachmöller 2000), und die sauren bis schwach basischen Böden. Gleichzeitig
artenreichen Wiesen waren weit über das Gebiet muss die natürliche Wasserversorgung auf ent
verstreut und oft nur etwa 1 ha groß. Gleichzeitig wässerten Standorten wiederhergestellt werden.
sind über 10 besonders seltene Pflanzenarten ver- Eine naturschutzgerechte Grünlandnutzung soll
schollen, darunter Besonderheiten wie Kugel mittel- bis langfristig eine Annäherung an ehemalige
orchis (Traunsteinera globosa), Holunder-Knaben- Standortverhältnisse durch Aushagerung bisher
kraut (Dactylorhiza sambucina), Sumpf-Herzblatt intensiv genutzter Standorte bewirken. Gleichzeitig
(Parnassia palustris) und Berg-Klee(Trifolium mon- sollen spezielle Pflegemaßnahmen die Bedin-
tanum). Zahlreiche weitere vom Aussterben bedrohte gungen für Ausbreitung, Keimung und Etablierung
oder stark gefährdete Pflanzenarten weisen nur der Wiesenarten verbessern, damit die aufgrund der
noch sehr kleine Populationen auf, so dass ein Intensivierung stark geschrumpften Populationen
Erlöschen ihrer Bestände befürchtet werden muss. der Leit- und Zielarten stabilisiert, vergrößert und
dauerhaft erhalten werden.
3 Leitbild
4 Organisation des Vorhabens
Das Leitbild orientiert sich an der herausragenden
Artenausstattung der Bergwiesen, Borstgrasrasen, Die 2003 bis 2006 geförderten Pflegemaßnahmen
Feuchtwiesen und Niedermoore des Oelsener wurden von der Agrargenossenschaft „Weideland“
Gebietes einschließlich ihrer vielfältigen standört- in Bad Gottleuba und der „Beschäftigungsgesell-
lichen und nutzungsabhängigen Ausprägungs schaft Pirna e. V.“ durchgeführt. Die wissenschaft-
formen. Ein besonderes Augenmerk gilt den ost lichen Begleituntersuchungen umfassten einen
mitteleuropäisch und subkontinental verbreiteten fünfjährigen Zeitraum von 2003 bis 2007.
Ausbildungen der schutzwürdigen Grünlandbio- Eine Übersicht der verschiedenen Maßnahme
tope, die zum größten Teil auf Standorten vorkom kombinationen für die Pflegeflächen, deren Aus-
men, die von Basalt und anderen basenhaltigen wirkungen durch die wissenschaftlichen Begleit
Gesteinen beeinflusst sind. Um dieses Leitbild zu untersuchungen dokumentiert werden, zeigt Tab. 1.
konkretisieren, wurde zu Beginn des Projektes ein Bei den Treffen der das Projekt begleitenden Arbeits-
System der angestrebten Grünlandgesellschaften gruppe mit Mitarbeitern des Landesvereins Säch
mit einer Eingruppierung der dazugehörigen Leit- und sischer Heimatschutz, Vertretern der beiden am
Zielarten definiert (Hölzel 2001). Die Erhaltung und Projekt beteiligten Betriebe und wissenschaftlichen
38
Abb. 4
Abb. 4 und 5: Das Mähgut von artenreichen Bergwiesen und Nasswiesen wurde im Rahmen des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens
teilweise in Handarbeit gewonnen und auf Entwicklungsflächen aufgebracht, auf denen vorher Bodenverwundung durch Vertikutieren bzw.
Wiedervernässung erfolgte Fotos: A. Neumann; M. Schultz
39
Ausgangszustand zusätzliche
Grundpflege Zieltyp der Vegetation
der Vegetation Maßnahmen
- einschürige Mahd
- einschürige Mahd mit - Mähgutauftrag
teilweise ausgehagertes artenreichere submonta
Nachbeweidung - Bodenverwundung
Intensivgrünland frischer ne Grünlandgesellschaf
- zweischürige Mahd - Bodenabtrag
Standorte ten
- zweischürige Mahd
mit Nachbeweidung
gerodete Aufforstungen
- einschürige Mahd - Mähgutauftrag
auf ehemaligen Wiesens artenreiche Bergwiesen
- einschürige Mahd mit - Bodenverwundung
tandorten: und Borstgrasrasen
Nachbeweidung - Kalkung
trockene Bereiche
gerodete Aufforstungen
auf ehemaligen Wiesens Feuchtwiesen oder
- einschürige Mahd - Mähgutauftrag
tandorten: Kleinseggensümpfe
feuchte Bereiche
Tab. 1: Übersicht über Vegetation, Nutzung, Maßnahmen und Entwicklungsziele im Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben
„Grünlandverbund Oelsen“
Institutionen sowie Naturschutzbehörden unter der Grünlandbiotope auch über den Projektzeitraum
Leitung von Prof. Hardtke und Dr. Kandler wurden hinaus. Um die Ergebnisse des Projektes in der
die Ergebnisse der Begleituntersuchungen diskutiert Öffentlichkeit darzustellen, wurden ein Faltblatt
und über die Ausführung der geplanten Pflegemaß- herausgegeben und Informationstafeln an mar
nahmen entschieden. Diese Form der engen kanten Punkten für Wanderer im Gelände aufge-
Zusammenarbeit zwischen Betrieben, wissen- stellt. Außerdem werden jährlich Exkursionen durch
schaftlichen Betreuern und Naturschutzbehörden geführt, an denen sowohl die lokale Bevölkerung als
führte zu einer hohen Praxisnäheund schafft auch Naturinteressierte aus der Region teilnehmen.
Voraussetzungen für eine möglichst gute und nach
haltige Pflege und Entwicklung der schutzwürdigen
40
5 Flächenkauf Als Alternative zur zweischürigen Mahd werden viele
der einschürig gemähten Flächen, insbesondere im
Im Rahmen des E + E- Projektes hat der Landes ehemaligen Intensivgrünland oder auf artenarmen
verein Sächsischer Heimatschutz insgesamt 83 ha Berg- und Frischwiesen, mit Rindern oder Schafen
Flächen erworben, die überwiegend als Grünland nachbeweidet, um die Aushagerung zu befördern
genutzt werden. Flächenanteile von Flurstücken, die und eine lockere horizontale Vegetationsstruktur zu
teilweise Acker oder Intensivgrünland enthalten, weil schaffen, damit in den Lücken Arten der Berg- und
ihre Grenzen über das Projektgebiet herausragen, Frischwiesen keimen und sich etablieren können.
werden mit der Agrargenossenschaft „Weideland“ Der Anteil nachbeweideter Flächen nahm im Verlaufe
gegen naturschutzfachlich wertvolle Grünland des Projektes von 22 auf 67 ha zu, dementspre
flächen eingetauscht. Für die erworbenen Flächen chend verringerte sich der Anteil der zweischürigen
wurden Pachtverträge mit der Agrargenossenschaft Mahd von 74 auf 40 ha. Um „Problemarten“ wie die
„Weideland“ und der Beschäftigungsgesellschaft sich auf Teilflächen stark ausbreitende Lupine zu
Pirna abgeschlossen, um langfristig eine natur rückzudrängen und den Gehölzaufwuchs an vorher
schutzgerechte Nutzung zu gewährleisten. Zusam entbuschten Wiesenrändern zu verhindern, erfolgt
men mit den seit 1990 erworbenen Flächen befin ebenfalls eine zusätzliche Mahd.
det sich somit ca. 185 ha Offenland im Oelsener
Gebiet im Besitz des Landesvereins Sächsischer Maßnahmen zur Verbesserung der Bedingungen für
Heimatschutz. Keimung und Etablierung der Wiesenarten (s. Abb. 3)
41
über Entfernungen von wenigen 100 m bis mehreren zwischen artenreichen und artenarmen Wiesen
Kilometern transportiert. Es wurde auf vorher defi verbessert werden. Das Ziel der auf insgesamt 4,9 km
nierten Teilflächen portioniert und entsprechend der durchgeführten Steinrückenpflege bestand vor
Zielstellung auf unterschiedliche Standorte der Emp- allem in der Entwicklung streckenweise belichteter
fängerflächen verteilt. Auf großflächigen, relativ ein offener Lesesteinrücken mit Gebüschstadien, die
heitlichen Wiesen gelang die Übertragung mit Hilfe seltenen und gefährdeten Pflanzenarten wie Feuer-
eines durch einen Schlepper gezogenen Silowa Lilie (Lilium bulbiferum) und Busch-Nelke (Dianthus
gens, der es ermöglicht, das Mähgut aufzunehmen, seguieri) Lebensraum bieten. Dabei wurden die
zu transportieren, und mittels Mengendosierung Gehölze der Hecken auf den Stock gesetzt, aber
gleichmäßig aufzutragen, um eine ausgeglichene auch die zur Verbuschung beitragenden Brombeeren,
Stärke der Mähgutauflage zu gewährleisten. Himbeeren und Holunder zurückgedrängt.
Feuchtflächen sowie kleinflächige, stark struk-
turierte Wiesen mussten überwiegend in Handarbeit
7 Wissenschaftliche
belegt werden. Dem Mähgutauftrag folgten im
Begleituntersuchungen und
Abstand von mehreren Tagen das Wenden des
erste Ergebnisse
Heues sowie die Wiederaufnahme des Mähgutes
und dessen Abtransport. Die wissenschaftliche Begleitung der im Pro
jekt vorgesehenen Maßnahmen wird neue Er
kenntnisse über die Regeneration (sub-)montaner
Ersteinrichtende Maßnahmen
Grünlandgesellschaften und die Ökologie der dafür
In ausgewählten meliorierten Feuchtwiesen wurden charakteristischen Pflanzen- und Tierarten erbrin
vor allem in der Umgebung der Oelsener Höhe gen. Dies ist vor allem für die Pflege der Offen
Maßnahmen zur Wiedervernässsung durchgeführt. landbereiche im Naturschutzgroßprojekt „Berg
Auf etwa 1 km Länge wurden Drainagen zurückgebaut, wiesen im Osterzgebirge“ (Hachmöller et al. 2001),
flache Mulden ausgeschoben und der abgetragene aber auch darüber hinaus für die Bergwiesen der
Boden zur Geländemodellierung verwendet, um Mittelgebirge von Bedeutung.
die ehemalige Standortvielfalt der mit quelligen Den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Begleit
Nassstellen und trockenen Buckeln strukturierten ung bildeten floristisch-vegetationskundliche sowie
Wiesen zumindest teilweise wiederherzustellen. populations- und vegetationsökologische Unter
Auf den entstandenen Rohbödenwurde anschlies- suchungen, die von zwei Instituten der Technischen
send Mähgut aufgetragen. Daneben wurde in Universität Dresden (Institut für Botanik, Institut für
einem Wiesenbereich ein Entwässerungsgraben Allgemeine Ökologie und Umweltschutz) durch
auf einer Länge von 700 m mehrfach angestaut, geführt wurden. Einer der Bearbeiter vertritt
um eine Regeneration angrenzender Bereiche gleichzeitig den Fachbereich Landschaftspflege
zu Feuchtwiesen zu befördern. Auf Standorten der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik
ehemaliger artenreicher Berg- und Feuchtwiesen, Dresden. Die zoologischen Untersuchungen wur
die in der Vergangenheit aufgeforstet wurden, er- den für die Entwicklung der Zikadenfauna an ein
folgte auf 3,5 ha eine Auflichtung der Ge Planungsbüro (Landschaftsplanung Dr. Böhnert &
hölzbestände, um noch erhaltene Individuen Dr. Reichhoff GmbH) und die Entwicklung der
lichtbedürftiger Wiesenpflanzen zu fördern. Die Avifauna an das Naturschutzinstitut Dresden verge
ausgewählten Bäume wurden nach Absprache mit ben. Die Untersuchung der Pilzflora erfolgte durch
der Forstverwaltung gefällt und beräumt sowie die die Arbeitsgruppe „Mykologie“ der Arbeitsgemein
Stubben gefräst. Um in den aufgelichteten Bereichen schaft sächsischer Botaniker.
in Zukunft eine Grünlandnutzung zu ermöglichen,
hat sich im Zuge der Erstpflege der Einsatz einer Nach bisher vorliegenden Ergebnissen erbringen
Schlegelmähers bzw. Mulchgerätes bewährt, außer vor allem solche Maßnahmen in kürzeren Zeit
dem wird teilweise Mähgut aufgebracht. Durch räumen nachweisbare Erfolge, die eine drastische
Entbuschung stark zugewachsener Wiesenränder Änderung der Standort- bzw. Konkurrenzverhältnisse
konnten Wiesenflächen vergrößert, ihre Beschat bewirken. So deutet sich eine schnelle Regenera
tung reduziert und der Austausch von Diasporen tion artenreicherer Grünlandgesellschaften im ehe-
42
maligen Intensivgrünland (s. Abb. 6) und auf arten Auf entbuschten Flächen und in gerodeten Auf
armen Rotstraußgras-Rotschwingelwiesen an, auf forstungen können sich in kurzer Zeit Regene
denen durch Bodenabtrag die Grasnarbe und oberste rationsstadien von Berg- und Feuchtwiesen aus
Bodenschicht entfernt wurden und gleichzeitig bilden (Hachmöller 2000), und in einer 2003 aufge
Mähgutauftrag erfolgte. Hier konnten sich aus dem lichteten Aufforstung neben einer wechselfeuchten
übertragenen Mähgut innerhalb weniger Jahre Wiese blühten schon zwei Jahre später zahlreiche
zahlreiche Arten der Berg- und Frischwiesen bis hin bereits vor der Auflichtung vegetativ vorhandene
zu Magerkeitszeigern wie Busch-Nelke (Dianthus Exemplare der Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica;
seguieri, Abb. 16) und Rosettenpflanzen wie Rauer Walczak & Schmidt 2006, s. Abb. 15).
Löwenzahn (Leontodon hispidus) und Habichts- Deutliche Bestandsveränderungen zeigten sich
kraut-Arten etablieren. Maßnahmen der Wieder auch im Bereich ehemaliger Intensivgrünlander (s.
vernässung wie die Beseitigung der Drainage und Abb. 9 und 11 - 12). Vor allem auf zweischürig oder
das Ausschieben flacher Mulden sind nach den einschürig gemähten und nachbeweideten Wiesen
ersten Erfahrungen geeignete Renaturierungs haben die Artenzahlen (s. Abb. 6) im Vergleich
maßnahmen für Feucht- und Nasswiesen. Inner zu früheren Erfassungen (Stufa 2000) bzw. den
halb kurzer Zeit etablierten sich artenreichere Erfassungen aus den Voruntersuchungen (Hölzel
Entwicklungsstadien der Feuchtwiesen mit Binsen 2001) stark zugenommen, und es entwickelten sich
arten sowie gefährdeten Pflanzenarten wie Moor- Übergangsstadien zu den dem Projektziel entspre
Klee (Trifolium spadiceum) und Schmalblättrigem chenden Grünlandbiotopen (Hölzel 2006). Diese
Wollgras (Eriophorum angustifolium) (Hölzel 2007), Entwicklung steht auch im Zusammenhang mit ei
wobei im Feuchtgrünland – anders als auf trockenen ner langfristigen Aushagerung, die im Gebiet bereits
Standorten – neben dem Mähgutauftrag auch der über 15 Jahre andauert.
Diasporenvorrat zur Regeneration beitragen kann Nach den ersten Erkenntnissen siedelten sich
(Zöphel 2006). durch die langjährige extensive Grünlandnutzung
bisher mehrere weit verbreitete Vertreter der Frisch-,
Jahr Berg- und Feuchtwiesen an, so dass das Ziel der
60,0
55,0
2003
2007
Entwicklung großflächiger, mäßig artenreicher
50,0 Frisch- und Feuchtwiesen mittelfristig erreichbar
45,0 erscheint. Durch zusätzliche Maßnahmen zur Ver-
40,0 besserung der Keimung und Etablierung wie
35,0
Mähgutauftrag in Verbindung mit zweischüriger
Artenzahl
30,0
Mahd oder Nachbeweidung kann das Arten
25,0
20,0
spektrum jedoch erheblich erweitert werden
15,0 (Abb. 6). Zahlreiche Arten nährstoffarmer Standorte
10,0 und mehrere gefährdete Zielarten konnten sich in
5,0 dem untersuchten ehemaligen Intensivgrünland aber
0,0
nur dort etablieren, wo Bodenabtrag in Verbindung
1 2 3 4
Bewirtschaftungsvarianten
5 6
mit Mähgutauftrag durchgeführt wurde, und nur dort
erreichten auch die Deckungsgrade von Arten der
Abb. 6: Berg- und Frischwiesen etwa 50 % (Hölzel 2006 s.
Veränderungen von prozentualen Anteilen definierter Arten Abb. 7 und 8, Zöphel 2007, s. Abb. 13 und 14).
gruppenklassen an der Gesamtartenzahl verschiedener Bewirt Betrachtet man für ein ausgewähltes Beispiel-
schaftungsvarianten einer Blockversuchsanlage in Grenznähe auf
gebiet südlich der Oelsener Höhe die Veränderungen
der Untersuchungsfläche 40; Ausgangsvegetation ehemaliges
Intensivgrünland; fehlende Anteile an 100 % umfassen nicht klas- der Flächenanteile (s. Abb. 9 und 11 - 12)
sifizierte Arten (Bewirtschaftungsvarianten: der einzelnen Vegetationstypen im Vergleich
1 Bodenabtrag + Mähgutauftrag; zwischen der Erstkartierung im Jahr 1997 von
2 zweischürige Mahd + Mähgutauftrag; Hachmöller (Hachmöller 2000, Stufa 2000) zur
3 zweischürige Mahd;
Wiederholungserfassung im Jahr 2007 von
4 0-Flächen (einschürig)
5 Nachbeweidung; Hüttinger (2008) ergeben sich zusammengefasst
6 Nachbeweidung + Mähgutauftrag) folgende Entwicklungstendenzen:
43
2003 2007
60,0 60,0
50,0 50,0
40,0 40,0
30,0 30,0
20,0 20,0
10,0 10,0
0,0 0,0
1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6
Bewirtschaftungsvarianten Bewirtschaftungsvarianten
Abb. 7: Veränderungen von prozentualen Anteilen definierter Artengruppenklassen an der Gesamtartenzahl verschiedener
Bewirtschaftungsvarianten einer Blockversuchsanlage in Grenznähe auf der Untersuchungsfläche 40; Ausgangsvegetation ehema-
liges Intensivgrünland; fehlende Anteile an 100 % umfassen nicht klassifizierte Arten (Bewirtschaftungsvarianten: 1 Bodenabtrag +
Mähgutauftrag; 2 zweischürige Mahd + Mähgutauftrag; 3 zweischürige Mahd; 4 0-Flächen (einschürig); 5 Nachbeweidung;
6 Nachbeweidung + Mähgutauftrag)
2003 2007
60,0 60,0
in %
in %
50,0 50,0
40,0 40,0
30,0 30,0
20,0 20,0
10,0 10,0
0,0 0,0
1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6
Bewirtschaftungsvarianten Bewirtschaftungsvarianten
Abb. 8: Veränderungen von prozentualen Anteilen definierter Artengruppenklassen an der Gesamtdeckung aller Arten verschiedener
Bewirtschaftungsvarianten einer Blockversuchsanlage in Grenznähe auf der Untersuchungsfläche 40; Ausgangsvegetation ehema-
liges Intensivgrünland; fehlende Anteile an 100 % umfassen nicht klassifizierte Arten (Bewirtschaftungsvarianten: 1 Bodenabtrag +
Mähgutauftrag; 2 zweischürige Mahd + Mähgutauftrag; 3 zweischürige Mahd; 4 0-Flächen (einschürig); 5 Nachbeweidung;
6 Nachbeweidung + Mähgutauftrag)
Der Anteil von artenärmeren Beständen ehemals ausgehagerten artenreicheren Stadien ehemali
intensiv genutzter Grünländer ist im Beispielgebiet ger Intensivgrünländer frischer bzw. feuchter Aus
von 1997 bis 2007 extrem gesunken. Ein Großteil prägung eingenommen. Flächenzunahmen zeigen
dieser Standorte ehemaliger Intensivgrünländer ebenfalls die Berg- sowie Frischwiesen. Weiterhin
wird heute von Ausbildungen der Rotschwingel- haben sich die Flatterbinsenrieder zu artenreiche
Straußgraswiesen bzw. von extensivierten bis ren Feuchtwiesen entwickelt. Vor allem auf feuchten
44
Standorten treten teilweise Verbrachungstendenzen erreicht ist, um die generative Ausbreitung der
auf. Deutliche Vegetationsveränderungen zeigten über Mähgutauftrag etablierten Arten auf den Auf-
sich insbesondere in den Bereichen, wo Maßnahmen tragsflächen zu ermöglichen und zu fördern.
des E+E – Projektes wie Bodenabtrag, Wieder
vernässung, Mähgutauftrag und Bodenverwundung
8 Ausblick
erfolgt sind (s. Abb. 3).
Nach Abschluss der fünfjährigen wissenschaft-
Insgesamt sind die Flächenentwicklungen im Pro- lichen Begleituntersuchungen werden die Ergeb-
jektgebiet positiv zu bewerten. Dabei ist die Ab nisse des Projektes 2009 in der Schriftenreihe
nahme von artenarmen Beständen ehemali „Naturschutz und biologische Vielfalt“ des Bundes-
ger Intensivgrünländer im Sinne des Projektziels. amtes für Naturschutz veröffentlicht. Um das Pro-
Dagegen verringerten sich geringfügig die Flächen- jektziel der Schaffung und Erhaltung eines Grün-
anteile naturschutzfachlich hochwertiger Ausbil landverbundes im Oelsener Gebiet zu erreichen,
dungen von Vegetationstypen wie u. a. borst werden auf Grundlage der Bewertung der durch
grasreiche Wiesen bzw. Kleinseggenriedern auf geführten Maßnahmen detaillierte Pflegevor
langjährig einschürig und spät gemähten Flächen. schläge für die Einzelflächen unterbreitet, die in
Diese Tendenz muss in den nächsten Jahren durch der Folge vor allem mit Fördermitteln der sächsi-
eine Veränderung der Pflege und Bewirtschaftung schen Richtlinie „Natürliches Erbe“ sowie dem
gestoppt bzw. umgekehrt werden. Vertragsnaturschutzprogramm „Agrar-Umweltmaß
Schwierig erscheint auch die Entwicklung artenrei nahmen“ umgesetzt werden. Im gesamten Pro
cher Bergwiesen aus artenarmen Rotstraußgras- jektgebiet wird auch in den kommenden Jahren
Rotschwingelwiesen oder Bärwurz-Rotschwingel- eine nachhaltige, naturverträgliche und extensive
wiesen auf bodensauren Standorten mit dichtem landwirtschaftliche Nutzung durch die Partner
Grasfilz, wo eine einschürige Mahd ohne weitere betriebe des Landesvereins Sächsischer Heimat
Maßnahmen die Bestandessituation eher zu ver schutz durchgeführt. Diese beinhaltet in den Offen
schlechtern scheint und auch das Vertikutieren nicht landbereichen neben der Pflegemahd auf vielen
immer die gewünschten Entwicklungen bewirkt Flächen eine zusätzliche Beweidung sowie die
(Hölzel 2006, Zöphel 2007, Abb. 14). Auf einigen Fortsetzung der Steinrückenpflege und Entbu
dieser Flächen wurde als zusätzliche Maßnahme schung der Wiesenränder. Daneben sollen spe
während des Projektes mit einer Nachbeweidung zielle Pflegemaßnahmen wie Bodenabtrag und
mit Schafen begonnen, um den Grasfilz aufzulo -verwundung, Mähgutauftrag, Wiedervernässung
ckern, lückige Stellen in der Vegetation zu schaf und Kalkung gezielt eingesetzt werden, um das
fen und die Struktur der Bestände zu verbessern. Naturschutzpotenzial der Flächen zu verbessern.
Als erste Schlussfolgerung lässt sich festhalten, dass Es wird angestrebt, diese Maßnahmen weiterhin
in intensivierten oder artenarmen Wiesenbeständen durch die Zusammenarbeit zwischen dem Lan
Mähgutauftrag aus floristisch sehr wertvollen desverein Sächsischer Heimatschutz und seinen
Flächen dann erfolgen sollte, wenn die Bestände Partnerbetrieben mit wissenschaftlichen Instituten
schon weit entwickelt sind oder der Mähgutauftrag und Naturschutzbehörden zu begleiten sowie Erfolge
mit zusätzlichen Maßnahmen zur Konkurrenzab der Schutz- und Pflegemaßnahmen der Öffen
schwächung, Strukturverbesserung (z. B. Nach tlichkeitsarbeit zugänglich zu machen. Um die ge
beweidung und Aushagerung (Oberbodenabtrag) samte Mittelgebirgslandschaft im Oelsener Gebiet
bzw. Bodenverbesserung (Kalkung, Aufdüngung)) einschließlich der Waldflächen des Landesvereins
kombiniert wird. Mehrjähriger Mähgutauftrag ist Sächsischer Heimatschutz langfristig für den Natur
unbedingt zu empfehlen, um witterungsbedingte schutz zu sichern, ist eine großflächige Erweiterung
Einbrüche und Verluste in der Juvenilentwicklung der des Naturschutzgebietes notwendig.
zu etablierenden Arten besser abzupuffern. Dies be
trifft vor allem Arten mit langer Entwicklungsdauer bis
zur ersten Blüte. Strukturverbessernde Maßnahmen
sollten nach einigen Jahren wiederholt oder konti
nuierlich durchgeführt werden, bis der Zielzustand
45
22,0
sonstige 15,5
0,0
Brachen 0,9
0,0
sonstige Feucht- und Nasswiesen 0,5
0,6
Honiggras-Feuchtwiesen 2,4
Kleinseggenrieder 1,3
0,6
0,7
Spitzblütige-Binsenrieder 0,7
Molinion-Gesellschaften 0,1
0,3 1997
2,2
Flatter-Binsenried 0,1 2007
0,0
Rotschwingel-Rotstraußgras-Gesellschaft 4,0
0,9
Frischwiesen 2,0
Bergwiesen 11,4
17,5
0,8
ehem. Intensivgrünland; Tendenz zur Feuchtwiese 6,4
4,6
ehem. Intensivgrünland; extensiviert/ausgehagert 48,5
55,3
ehem. Intensivgrünland; intensiv 0,7
0 10 20 30 40 50 60
Abb. 9: Prozentuale Flächenanteile der Vegetationstypen im Grenzstreifen südlichen der Oelsener Höhe bezogen auf 100 % Projektfläche
in den Jahren 1997 (Stufa 2000) und 2007 (Hüttinger 2008). Kartographische Darstellung siehe Abbildung 10 und 11.
Abb. 10: Keimlinge der Bärwurz (Meum athamanticum) auf einer Bodenabtragsfläche Foto: B. Zöphel
46
Abb. 11
Abb. 12
Abb. 11 und 12: Vegetationsveränderungen im Grenzstreifen südlich der Oelsener Höhe 1997 - 2007 (obere Karte: Zustand 1997,
Kartierung Hachmöller (Stufa 2000), untere Karte Zustand 2007, Kartierung Hüttinger (2008))
47
Keimrate 0-24 Mon Saaterfolg 0-12 Mon Saaterfolg 0-24 Mon
60 %
50 %
40 %
30 %
20 %
10 %
0%
BM1
BM1
BM1
BM1
BM1
BM1
BM1
BM1
BM1
OO2
OO1
OO2
OO1
OO2
OO1
OO2
OO1
OO2
OO1
OO2
OO1
OO2
OO1
OO2
OO1
OO2
OO1
BO1
BO1
BO1
BO1
BO1
BO1
BO1
BO1
BO1
Betonica Polygonum Campanula Centaurea Leucanthemum Meum Primula elatior Rhinanthus Trollius
officinalis bistorta rotundifolia pseudophrygia vulgare athamanticum minor europaeus
K/ S12/ S24 -/ S12/ S24 K/ S12/ S24 K/ S12/ S24 K/ S12/ S24 K/ S12/ S24 K/ S12/ - -/ - K/ S12/ -
Abb. 13: Keimung und Etablierung ausgewählter Bergwiesenarten bei unterschiedlichen Initial- und Pflegemaßnahmen in einem
ehemaligem Intensivgrünland (Oelsen, Fläche 40, Saat 2004)
Legende:
BO1 – Bodenabtrag, kein Mulch, einschürig;
BM1 – Bodenabtrag, Mulch, einschürig;
OO2 – ohne Initialbehandlung, kein Mulch, zweischürig;
OO1 – ohne Initialbehandlung, kein Mulch, einschürig; signifikante Unterschiede zwischen
den Varianten im H-Test mit p< 0,05 für K – Keimrate, S12 – Saaterfolg 12 Mon, S24 – Saaterfolg 24 Mon
70 %
60 %
50 %
40 %
30 %
20 %
10 %
0%
V2a
V2a
V2a
V2a
V2a
V2a
V2a
O
B
V2K
V2K
V2K
V2K
V2K
V2K
V2K
V2b
V2b
V2b
V2b
V2b
V2b
V2b
Carex pallescens Helianthemum Lathyrus linifolius Leontodon hispidus Lotus corniculatus Polygala vulgaris Rhinanthus
nummularium serotinus
K/ S12/ S24 -/ S12/ - -/ -/ - K/ S12/ S24 -/ -/ - K/ S12/ - K/ -
Abb. 14: Keimung und Etablierung ausgewählter Bergwiesenarten bei unterschiedlichen Initial- und Pflegemaßnahmen in einer
artenarmen Rotschwingel-Rotstraußgras-Wiese (Oelsen, Fläche 52, Saat 2004)
Legende:
alle Varianten einschürig,
B – kleinflächiger Bodenabtrag;
V2a – 2x Vertikutieren, kein Mulch,
V2b – 2x Vertikutieren, Mulch 30 %;
V2K – 2x Vertikutieren, Kalkung;
O – ohne Maßnahmen; signifikante Unterschiede zwischen
den Varianten im H-Test mit p< 0,05 für K – Keimrate, S12 – Saaterfolg 12 Mon, S24 – Saaterfolg 24 Mon)
48
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49
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Oelsener Gebietes“. TU Dresden, Fachrichtung
Forstwissenschaften, Institut für Allgemeine
Ökologie und Umweltschutz, 84 S.
50
Floristisch-vegetationskundliche liegt in den Gemeinden Altenberg und Geising un
Erfolgskontrolle im Naturschutz- mittelbar an der tschechischen Grenze und um
großprojekt „Bergwiesen im fasst die Kerngebiete „Geisingberg“ (310 ha, 314
Osterzgebirge“ am Beispiel der ha Naturschutzgebiet), „Grenzwiesen Fürstenau“
Wiesen im Naturschutzgebiet (ca. 500 ha, 524 ha geplantes Naturschutzgebiet)
„Geisingberg“ und „Bärenwald“ (59 ha). Mit diesen Gebieten sowie
den 232 ha großen Teilflächen des FFH-Gebietes
Bernard Hachmöller, Melanie Forker, Bernd König „Müglitztal“ an den Oberläufen von Müglitz und
Schwarzbach an der tschechischen Grenze sind
große Teile als „Site of Community Importance (SCI)“
1 Einleitung
entsprechend der FFH-Richtlinie ausgewiesen.
Im Naturschutzgroßprojekt „Bergwiesen im Ost Das Projektgebiet überlappt außerdem in weiten
erzgebirge“ werden durch großflächige Maßnahmen Teilen mit dem 3.387 ha großen Vogelschutzgebiet
der naturschutzgerechten Nutzung und Pflege vor „Osterzgebirge um Fürstenau“ sowie dem 347 ha
allem Biotoptypen des Offenlandes wie Bergwiesen großen Vogelschutzgebiet „Geisingberg“. Die vom
und Borstgrasrasen, Feuchtwiesen, Nieder- und Bundesministerium für Umwelt, dem Freistaat
Zwischenmoore, Steinrücken und Fließgewässer Sachsen und den Trägern Weißeritzkreis, Alten
geschützt. Das ca. 2.770 ha große Projektgebiet berg und Geising zur Verfügung gestellten ca.
Abb. 1
51
5 Mio. € Fördermittel werden vor allem zur Pfle Trisetetum) im Vordergrund der botanischen
ge von Grünlandbiotopen und Steinrücken, zur Erfolgskontrolle. Da sich im Gebiet die sächsischen
Wiedervernässung von Moorbereichen, zum Wald- Verbreitungsschwerpunkte mehrerer Pflanzenarten
umbau und zum Grunderwerb eingsetzt (Hachmöller des montanen Grünlands befinden, werden die
et al. 2001, Menzer 2003). Bestände ausgewählter gefährdeter Arten auf
Gleichzeitig nehmen viele Landwirte an Vertrags Pflegeflächen durch Naturschutzvereine regelmäßig
naturschutzprogrammen teil, mit deren Hilfe die dokumentiert. Aus zoologischer Sicht hat vor allem
naturschutzgerechte Nutzung auf ca. 690 ha im die Offenland-Avizönose mit den vom Aussterben
Projektgebiet unterstützt wird. Naturschutzvereine bedrohten Arten Birkhuhn und Wachtelkönig
werden für die Dauerpflege schwer zu bewirt hohe Priorität. Die Bestände dieser sowie weiterer
schaftender, schutzwürdiger Grünland- und Moor- Offenland-Arten werden regelmäßig erfasst, um die
flächen auf ca. 70 ha durch die sächsische Natur Brutreviere besonders schützen zu können.
schutzrichtlinie gefördert. Aufgrund der guten Ak
zeptanz des Projektes bei der Bevölkerung und In diesem Beitrag werden die Untersuchungen zur
den mitwirkenden Landwirten und Naturschutz floristischen und vegetationskundlichen Erfolgskon
vereinen sowie der hochwertigen Naturraumaus trolle der Maßnahmen zur Grünlanderhaltung und
stattung wird derzeit eine zweite Phase mit einer -regeneration im Naturschutzgroßprojekt „Berg
Erweiterung der Kerngebiete um ca. 600 ha für den wiesen im Osterzgebirge“ am Beispiel der Wiesen
Zeitraum von 2009 – 2013 geplant. im Naturschutzgebiet „Geisingberg“ dargestellt.
Dazu dienen der Vergleich einer 2006 wiederhol
Da außerordentlich artenreiche und naturschutz ten Vegetationskartierung mit dem Zustand im Jahr
fachlich hochwertige Bergwiesen im Gebiet nur auf 1996, seit 1993 regelmäßig durchgeführte vegeta
relativ kleinen Flächen durch kontinuierliche Pflege tionskundliche Dauerbeobachtungsuntersuchungen
über mehrere Jahrzehnte erhalten geblieben sind sowie jährliche Bestandserfassungen ausgewählter
und ein großer Teil des Grünlands zwischen 1950 gefährdeter Pflanzenarten. Dadurch wird geprüft, in
und 1990 intensiviert wurde, liegt ein Schwerpunkt wieweit sich die Wiesen in Richtung der angestreb
der Pflegemaßnahmen in der Entwicklung ehe ten Zielgesellschaften entwickeln und ob die Pflege
mals intensiv genutzter Wiesen und Weiden sowie maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der
deren Brachen zu Bergwiesen, Borstgrasrasen Populationen gefährdeter Pflanzenarten beitragen.
und Feuchtwiesen (Hachmöller 2000). Im Natur
schutzgebiet „Geisingberg“ dienen dabei die aus
2 Methodik
der Zeit vor der Intensivierung (Hundt 1965) be
2.1 Untersuchungsgebiet: abiotische
schriebenen und auf Teilflächen noch erhaltenen
Faktoren und Nutzungsgeschichte
artenreichen Bergwiesen als Zielgesellschaften.
Das Naturschutzgebiet „Geisingberg“ liegt in den
Im Rahmen des Pflege- und Entwicklungsplanes oberen Lagen des Naturraums Osterzgebirge
für das Naturschutzgroßprojekt wurden verschie nahe der tschechischen Grenze (Abb. 1, 2). Der
dene Strategien zur Erfolgskontrolle vorgeschla kontinentale Klimaeinfluss in diesem Teil des
gen (Tab. 1, vgl. Böhnert et al. 2003). Mit Hilfe Erzgebirges ist eine Voraussetzung für das Vor
von Vegetationsaufnahmen im Naturschutzgebiet kommen südosteuropäischer Floren- und Fau
„Geisingberg“ sowie im Kerngebiet „Grenzwiesen nenelemente und zeigt sich im Vergleich zur mon
Fürstenau“ sollen vor allem die Erhaltung, Rege tanen Stufe anderer Mittelgebirge in geringeren
neration und Entwicklung von Bergwiesen und Niederschlagsmengen, kälteren Wintern, einer
Borstgrasrasen, aber auch die Entwicklung ein höheren Sonneneinstrahlung und einer verlänger
zelner Feuchtwiesen, Nieder- und Zwischenmoore ten Vegetationsperiode (Mannsfeld & Richter 1995).
sowie Steinrücken überprüft werden. Aufgrund ih Im größten Teil des Gebietes dominieren relativ
rer besonderen Bedeutung stehen die Bergwiesen basenarme Gesteine wie Grauer Gneis und Granit
am Geisingberg als artenreiche und gute ausge porphyr, über denen sich lehmig-sandige, meist
prägte Beispiele der ostdeutschen Variante der bodensaure Braunerden gebildet haben. Dagegen
Storchschnabel-Goldhafer-Bergwiesen (Geranio- werden die Böden in der Umgebung der Basalt
52
Abb. 2: Blick auf die ausgedehnten Grünlandflächen an den Nord- und Westhängen des Geisingberges. Foto: H. Menzer, Juli 2007
kuppe des Geisingberges durch Hangzugwasser Im Zuge der Intensivierung der landwirtschaftlichen
und überrollende Basaltblöcke beeinflusst und Nutzung wurde das kleinflächige Nutzungsmosaik
bestehen aus zumeist tiefgründigen Braunerden aus Wiesen, Äckern und Feldgrasfluren durch die
mit einem hohen Lehmanteil und einer guten Schaffung zusammenhängender Weideflächen im
Wasserversorgung. Norden und Nordwesten des Geisingberges abge
Insgesamt eignen sich die Braunerden des oberen löst. Dabei erhöhte sich einerseits die Fläche des
Osterzgebirges im Vergleich zu anderen Standorten Grünlandes auf Kosten der Ackerfläche, anderer
im Erzgebirge relativ gut für die Grünland- und seits wurde die Nutzung des Grünlands intensiver,
Ackernutzung, und auch deswegen ist es seit weil die Flächen gedüngt wurden und durch indivi
dem Mittelalter durch landwirtschaftliche Nutzung duenstarke Rinderherden mit hohen Besatzdichten
geprägt. Die Nutzung des Gebietes um den Geising von drei bis fünf Großvieheinheiten/ha bewei
berg entwickelte sich als Nebenerwerb und zur det wurden. Auf schwer zu bewirtschaftenden
Versorgung der Bergbauern mit Lebensmitteln. Flächen in den Feuchtbereichen im Nordwestteil
Die landwirtschaftliche Nutzfläche wurde dabei des Gebietes sowie auf den steilen, von zahlrei
stark zersplittert. Dadurch entstanden ein schnel chen Steinrücken durchzogenen Wiesenflächen
ler Wechsel von Acker- und Grünlandflächen auf am Osthang des Geisingberges entstanden im
engem Raum sowie sehr kleine Einzelschläge, die Gegenzug große Brachflächen. Eine extensive
zudem durch zahlreiche Steinrücken und Feldraine Wiesennutzung konnte nur im 22,2 ha großen, 1967
voneinander getrennt waren. Die Wiesen wurden ausgewiesenen Naturschutzgebiet „Geisingwiesen“
dabei überwiegend ein- bis zweischürig gemäht aufrechterhalten werden. In den Jahren nach 1990
und mit einzelnen Rindern, Schafen oder Ziegen verstärkten sich die Bemühungen, die verbliebe
nachbeweidet. Zusätzlich wurde eine Feldgras- und nen geschützten Grünlandbiotope am Geisingberg
Brachenwirtschaft betrieben, bei der Ackerland ein durch extensive landwirtschaftliche Nutzung und
bis drei Jahre lang mit Futtergras bewachsen und naturschutzgerechte Pflege zu erhalten und wei
dann wieder umgebrochen wurde (Hammermüller ter zu entwickeln, um große, zusammenhängende
1964). Bergwiesen wiederherzustellen. Seit 1999 bil
53
Transekte mit je 8 – 10 Vegetationsaufnahmen auf Grünland-Regenerationsflächen:
Fläche A: Meum athamanticum-Brachestadium, bis 1990 brach, danach entbuscht und einschürig
gemäht (Braunerde über Granitporphyr, lehmiger Sand bis sandiger Lehm, pH 3,6 – 4,1; P 0,6 – 1,1
mg/100g)
Fläche B: Meum athamanticum-Brachestadium, bis 1997 brach, vorher beweidet und gedüngt, seit
1997 einschürig gemäht und mit Schafen nachbeweidet (Braunerde über Granitporphyr, lehmiger
Sand bis sandiger Lehm, pH 3,7 – 3,9; P 1 – 1,9 mg/100g)
Fläche D: Alopecurus pratensis-Gesellschaft, in den 1960er Jahren als Grünland neu eingesät, ge
düngt und beweidet, nach 1990 ein- bis zweischürig gemäht, in den letzten Jahren mit Schafen nach
beweidet (Braunerde über Granitporphyr, mit Nephelinbasalt vermischt, schwach sandiger Lehm, pH
4,6 – 5,0, P 0,5 – 1,7 mg/100g)
Grenzwiesen Fürstenau
- Transekt einer ehemals beweideten Berg- und Feuchtwiese, jetzt gemäht (NSG Geisingberg)
- Zahl der blühenden Sprosse bzw. Individuen: Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis),
Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza maculata), Stattliches Knabenkraut (Orchis mascula), Mücken-
Händelwurz (Gymnadenia conopsea), Bergwohlverleih (Arnica montana), Niedrige Schwarzwurzel
(Scorzonera humilis), Karpaten-Enzian (Gentianella lutescens)
Tab. 1: Übersicht der von BÖHNERT et al. (2003) im Projektgebiet des Naturschutzgroßprojektes “Bergwiesen im Osterzgebirge“
vorgeschlagenen Untersuchungen zur Erfolgskontrolle
54
den die Pflege und Entwicklung dieser Wiesen ei wolke nahe beieinander; Vegetationsaufnahmen,
nen Schwerpunkt des Naturschutzgroßprojekts deren Artenzusammensetzung unterschiedlich ist,
„Bergwiesen im Osterzgebirge“ (Hachmöller et al. liegen in dieser Punktwolke entsprechend weit von-
2001). Dabei wird das ehemalige Intensivgrünland einander entfernt. Durch eine Reduzierung der
überwiegend zweischürig bzw. einschürig gemäht Dimensionen wird ein Maximum der Varianz in
und nachbeweidet, um es auszuhagern. Ehemalige Bezug auf Vegetationsgradienten oder das Auf
Brachflächen wurden teilweise entbuscht und wer treten von Arten sichtbar. Die Achsen des Or
den seitdem zumeist einschürig gemäht, teilweise in dinationsdiagrammes können dabei als ökologische
Verbindung mit einer Nachbeweidung durch Schafe Gradienten interpretiert werden. Die erste Achse
(Böhnert et al. 2003). (x-Achse) repräsentiert das Maximum der Varianz
zwischen den Vegetationsaufnahmen und erstreckt
sich entlang der maximalen Ausdehnung der
2.2 Vergleichende Vegetationskartierung
Punktwolke. Die zweite Achse (y-Achse) steht im
Von Mai bis Juli 2006 erfolgte im Rahmen ei Nullpunkt senkrecht auf der ersten Achse und gibt
ner Diplomarbeit (Forker 2007) eine Vegetations damit die größte Breite der Punktwolke wieder.
kartierung mit Hilfe von Luftbildausschnitten, um Aus der in Standardabweichungen gemessenen
die aktuelle Entwicklung der Grünlandbestände Distanz der Vegetationsaufnahmen im Diagramm
im Vergleich zur Kartierung aus dem Jahre 1996 wird deren floristische Ähnlichkeit sichtbar.
(Hachmöller 2000) aufzuzeigen. Der gemeinsame
Maßstab beider Kartierungen von 1 : 5000 erlaubt Damit ein Vergleich der Kartierungen auf der Ebene
ein differenziertes, detailgetreues Abbild der räum der Pflanzengesellschaften möglich ist, wur
lichen Verteilung der Pflanzengesellschaften, wobei den 2006 die gleichen Kartiereinheiten wie 1996
die kleinsten noch abgegrenzten Flächen aus tech (Hachmöller 2000) eingesetzt. Um gleichzeitig die
nischen Gründen nur knapp 2 mm messen. Diese Vegetationsveränderungen im ehemaligen Intensiv
Kartierung wurde ebenso wie 1996 auf ca. 194 ha grünland dokumentieren zu können, mussten ent
Grünland vorgenommen, wobei im Jahr 2006 28 ha sprechend der „Ad-hoc-Typenbildung“ (Glavac 1996)
im ehemaligen Intensivgrünland aufgrund der bereits neue Einheiten definiert werden, um den Grad der
erfolgten Mahd nicht differenziert werden konnten. Aushagerung und der Übergänge zu Berg-, Frisch-
Gleichzeitig wurden die Pflanzengesellschaften oder Feuchtwiesen auf Flächen zu dokumentieren,
durch 142 Vegetationsaufnahmen nach der Methode die im Ausgangszustand von artenarmen In
von Braun-Blanquet (1964) charakterisiert, deren tensivgrünländern eingenommen wurden. Für
Größe in der Regel 5 m x 5 m betrug. Von diesen den Vergleich der beiden Kartierungen wurden
Vegetationsaufnahmen wurden 76 zum Zweck des anschließend mit dem Programm ArcGIS 9.1 die
Vegetationsvergleiches mit der Kartierung von 1996 Flächeninhalte der Vegetationseinheiten berechnet
wiederholt, und 66 Aufnahmen wurden neu angefer und einander gegenübergestellt. Außerdem wur
tigt, hauptsächlich im ehemaligen Intensivgrünland den beide Karten miteinander verschnitten, um die
und in Bergwiesen außerhalb des NSG. Vegetationsübertritte quantifizieren zu können. Mit
„Vegetationsübertritt“ wird der Wechsel von einer
Eine Ordination („Detrended Correspodence Ana Kartierungseinheit zu einer anderen in derselben
lysis“ - DCA) ermöglicht den Vergleich der Vege Fläche von 1996 auf 2006 bezeichnet, zum Bei-
tationsaufnahmen des ehemaligen Intensivgrün spiel die Entwicklung eines Brachestadiums aus
lands mit den Bergwiesen. Die Ordination bietet dem Jahr 1996 zur „typischen Variante der Gold-
die Möglichkeit, mehrdimensionale Ähnlichkeits- hafer-Bergwiese (Geranio-Trisetetum) im Jahr 2006.
strukturen zwischen den Vegetationsaufnahmen In der vorliegenden Arbeit werden vor allem
möglichst übersichtlich darzustellen (Dierssen die Ergebnisse der Entwicklung der ehemaligen
1990). Vegetationsaufnahmen und Arten werden Brachflächen sowie des ehemaligen Intensivgrün
dabei in einem n-dimensionalen Raum wie in einer lands dargestellt, da sie für die Erfolgskontrolle im
Punktwolke nach ihrer Ähnlichkeit angeordnet. Vordergrund stehen.
Vegetationsaufnahmen, die sich in ihrer Arten
zusammensetzung ähneln, liegen in dieser Punkt
55
2.3 Vegetationskundliche terungsschwankungen und anderen Ursachen für
Dauerbeobachtungsuntersuchungen die Vegetationsentwicklung im Gebiet hinweisen
(vgl. Rieger 1996, Weber et al. 1995).
Pflanzensoziologische Dauerbeobachtungsflächen Um eine aussagekräftige Auswertung von Dauerbeo
wurden auf den Wiesen im NSG Geisingberg von bachtungsflächen zu ermöglichen, wurden pro Flä-
1993 – 1997 untersucht (Hachmöller 2000), dazu che acht Vegetationsaufnahmen von 25 m² Größe
nochmals 2001, 2004 und 2007 (Abb. 2, Tab. 1). angefertigt (vgl. Pfadenhauer et al. 1986, Kammer
Dabei repräsentieren die Flächen A und B arten 1998) und mit Dauermagneten von 2 cm Durchmes
arme, durch Brachfallen beeinträchtigte Stadien ser markiert. Sie wurden gleichzeitig in Bezug zu ei
der Bergwiesen am Osthang des Geisingberges. nem markanten Punkt ( z. B. Baum, Baumstumpf,
Während die Fläche A lange brach lag und nie ge Stein) am Wiesenrand eingemessen. Die einzelnen
düngt wurde, war die Fläche B bis in die 1980er Vegetationsaufnahmen wurden jeweils in Abständen
Jahre in die Beweidung einbezogen und wurde von etwa 10 m in einer Flucht vom Wiesenrand
dabei auch leicht gedüngt, so dass hier von einem her angelegt. Die Vegetationsaufnahmen erfolgten
leichten Intensivierungs-Einfluss auszugehen ist. nach der Methode von Braun-Blanquet (1964) mit
Außerdem wurde diese Fläche erst ab 1997 in die der erweiterten Skala nach Wilmanns (1989). Für die
Pflegemahd einbezogen. Bei der unmittelbar neben häufigsten und charakteristischen Gefäßpflanzen
den artenreichen Bergwiesen im Alt-NSG gelege wurde ab 1995 zusätzlich nach Londo (1975) die
nen Fläche C handelt es sich um eine bis 1990 in Deckung mit einer erweiterten Dezimalskala (Stufen
tensiv beweidete und seitdem einschürig gemähte 0%, 1%, 3%, 5%, 8%, 10%, 15%, 20% usw.) sowie
Bergwiese auf einem feuchten Standort, die kaum die Abundanz nach der vierstufigen Skala (r = 1 Ex.,
gedüngt wurde. Hier begann 2002 eine gestaffelte p = 2 – 5 Ex., a = 6 – 50 Ex. und m = > 50 Ex.) ange
Mahd sowie eine Nachbeweidung auf Teilflächen. wandt. Die Dauerbeobachtungsflächen wurden in
Die Fläche D liegt zwischen zwei Teilflächen des alten jedem Jahr zu einem ähnlichen phänologischen
NSG nordöstlich des Geisingberges und besteht aus Entwicklungszustand erfasst.
ehemaligem Ackerland, das in den 1960er Jahren mit
einer artenarmen Grasmischung als Grünland neu
2.4 Bestandszählungen gefährdeter
eingesät wurde. Bis 1990 wurde diese Fläche inten
Pflanzenarten
siv beweidet und anschließend zweischürig gemäht
bzw. einschürig gemäht und mit Schafen nachbe Im Zuge der Betreuung naturschutzfachlich wert
weidet. In den artenreichen Bergwiesen des Alt-NSG voller Grünlandbiotope im Gebiet des Natur
wurden Kontrollflächen ausgewählt, um die auf den schutzgroßprojektes „Bergwiesen im Osterzgebirge“
Versuchsflächen angestrebten Zielgesellschaften sowie dessen Umfeld durch einen Naturschutz-
der Borstgrasrasen (Polygalo-Nardetum strictae) verein (Förderverein für die Natur des Osterzgebirges)
und Bergwiesen (Geranio-Trisetetum) auf möglichst begann auf den zumeist einschürig gemähten
ähnlichen Standorten zu repräsentieren. Flächen eine systematische Dokumentation der
Blühaktivität ausgewählter gebietstypischer und
Trends der Vegetationsentwicklung werden insbe gefährdeter Arten (König & Schindler 1997 – 2007).
sondere aus dem Vergleich der Stetigkeit der ein Diese bot sich vor allem für Wiesenorchideen an, die
zelnen Arten in den Dauerbeobachtungsflächen gut erkennbar sind, in zählbaren Größenordnungen
zu Beginn und Ende des Untersuchungszeitraums vorkommen und repräsentative Aussagen für die
ermittelt. Dabei wird geprüft, ob die Arten in min Untersuchungsflächen ermöglichen. Ebenso er
destens 25% oder 50% der Probeflächen zu- oder fasst wurde die Blühaktivität bei Arten, die oft
abgenommen haben. Mit den Kontrollflächen wer dichte, klonal wachsende Bestände bilden, deren
den die Dauerbeobachtungsflächen ebenfalls an- Individuen nur schwer auseinander zu halten sind,
hand der Vegetationstabellen, aber auch an z. B. Bergwohlverleih (Arnica montana) und Niedrige
hand der Artenzahlen und der Zeigerwerte nach Schwarzwurzel (Scorzonera humilis) (Urbanska
Ellenberg et al. (1991) verglichen. Die Analyse 1992). Bei Arten wie der am Geisingberg in sehr in-
der Vegetationsentwicklung auf den Kontroll dividuenreichen Beständen vorkommenden Troll
flächen soll auf den möglichen Einfluss von Wit blume (Trollius europaeus) konnten die Bestände nur
56
Flächen-
1996 2006
veränderung
Kartierungseinheit [ha] [ha] [ha] [%]
Goldhafer-Bergwiese (Geranio-Trisetetum) 25,8 58,3 32,5 126
Typische Variante 7,1 28,5 21,0 296
Alopecururs pratensis-Subass. 11,5 18,1 6,6 57
Tab. 2: Vergleich der Flächenanteile der verschiedenen Ausprägungen der Bergwiesen zwischen 1996 und 2006
Abb. 3: Artenreiche Bergwiese (Goldhafer-Bergwiese, typische Variante) am Geisingberg mit Arten wie Bärwurz (Meum athamanticum),
Wiesenmargerite (Leucanthemum vulgare), Hain-Wachtelweizen (Melampyrum nemorosum), Rauer Löwenzahn (Leontodon hispidus) und
Große Sterndolde (Astrantia major). In den Bereichen um die Basaltkuppe im Alt-NSG können bis über 50 Arten/Probefläche registriert
werden. Foto: Archiv Naturschutz LfULG, W. Böhnert
in Größenklassen geschätzt werden. Die halbquanti der Orchideen Breitblättriges Knabenkraut (Dact
tative Erfassung der Trollblume sowie weiterer Arten ylorhiza majalis) und Stattliches Knabenkraut (Orchis
wie Busch-Nelke (Dianthus seguieri), Gewöhnliches mascula) sowie von Bergwohlverleih (Arnica monta-
Fettkraut (Pinguicula vulgaris) und Pyrenäen-Ver na) und Niedrige Schwarzwurzel (Scorzonera humi-
meinkraut (Thesium pyrenaicum) bietet zwar kei lis) am Geisingberg dargestellt, weil bei diesen Arten
ne Grundlage für eine statistische Auswertung, ist Zahlenreihen von mehreren Fundorten aus dem
aber als qualitative Aussage über den Zustand der letzten zehn Jahren vorliegen, durch deren Darstel
Populationen im Gebiet und den Pflegezustand lung eine Beziehung der Bestandsentwicklung der
der untersuchten Flächen ebenfalls von großer Zielarten zur Vegetationsentwicklung hergestellt
Bedeutung. Im vorliegenden Artikel werden bei werden kann.
spielhaft die Ergebnisse der Bestandsentwicklung
57
3 Ergebnisse 3.1.2 Entwicklung des Intensivgrünlands
58
Flächen
1996 2006
veränderung
[ha] [ha] [ha] [%]
Wiesenfuchsschwanz-Wiese (Alopecurus
96,0 85,3 -10,7 -11
pratensis-Gesellschaft)
davon 2006 auskartiert: 57,4
Tab. 3: Vergleich der Flächenanteile der Pflanzengesellschaften im Bereich des ehemaligen Intensivgrünlandes zwischen 1996 und 2006
IG mit Feuchtezeigern
Phyteumo-Trisetenion
2006
Magerkeitszeigern
Caricion fuscae
Gehölzbestand
Violo-Nardion
Bergwiesen
sivgrünland
Brachen
Calthion
1996
Phyteumo-Trisetenion 0,9 21,9 2,1 0,3 0,3 0,1 0,1 0,1 25,8
Calthion 0,1 1,3 7,6 0,5 0,3 0,1 0,3 0,1 0,2 10,5
Brachen 0,3 22,3 1,7 0,2 3,3 0,3 0,4 0,4 28,9
Intensivgrünland (IG) 5,7 0,8 0,2 0,4 5,9 27,5 15 23,6 2,2 81,3
Gesamtfläche 2006 [ha] 3,7 58,3 15 2,2 4,2 6,1 31,5 15,1 28,2 4,4 24,9 193,6
Tab. 4: Zusammenfassung der Entwicklung der Vegetationseinheiten 2006 aus den 1996 kartierten Beständen
59
auch Magerkeitszeiger enthalten und sowohl tigen Wiese (Crepido-Juncetum acutiflori), von
zu Feuchtwiesen-Gesellschaften des Calthion- Hochstaudenfluren (Filipendula ulmaria-Gesell
Verbandes als auch zu den feuchten Varianten schaft) oder Kleinseggenbeständen (Caricetum
der Bergwiesen vermitteln; sowie fuscae) eingenommen wird. In Feuchtgrünland
• nach wie vor artenarme Bestände, in denen nur umgewandelt haben sich sowohl Teile des Inten
vereinzelt Arten der Berg- und Magerwiesen sivgrünlands als auch Brachen oder verbuschte
oder der Glatthaferwiesen auftreten und die Flächen. Für den überwiegenden Teil der vormals
in der aktuellen Kartierung nur noch geringe intensivbewirtschafteten Flächen reichte die bishe
Flächenanteile einnehmen (der tatsächliche rige Aushagerung noch nicht für eine vollständige
Anteil dürfte etwas höher liegen, da besonders Umwandlung in Bergwiesen. Legt man dabei die
diese Bestände relativ früh gemäht oder bewei 57,4 ha der 2006 auskartierten Fläche zugrunde,
det wurden und 2006 nicht auskartiert werden hat sich aber die typische, artenarme Ausbildung
konnten). der Wiesenfuchsschwanz-Gesellschaft um mehr als
90 % reduziert (Tab. 3). Die höchsten Flächenanteile
Eine so nicht erwartete Entwicklungstendenz zeigen weist demnach die Ausbildung mit Arten der
Bestände von Goldhafer (Trisetum flavescens) und Bergwiesen aus, die damit zu einer der flächen
Glatthafer (Arrhenatherum elatius), die in Begleitung mäßig bedeutendsten Grünlandgesellschaften am
von Arten wie Wiesen-Labkraut (Galium mollugo), Geisingberg wird. Relativ große Flächenanteile
Wiesen-Glockenblume (Campanula patula) und nimmt auch die ausgehagerte Ausbildung ein, bei
Wiesen-Bocksbart (Tragopogon pratensis) eine der noch nicht erkennbar ist, ob die Entwicklungs
submontane Form der Glatthafer-Frischwiese tendenz eher zu submontanen Goldhafer- oder
(Arrhenatheretum elatioris) charakterisieren. Die Glatthafer-Frischwiesen oder zu Bergwiesen ver
se Pflanzengesellschaft hat ihren Verbreitungs läuft. Etwas kleiner sind die Flächenanteile des
schwerpunkt im planaren bis submontanen Be Intensivgrünlands mit Feuchtezeigern und der
reich und wurde bisher am Geisingberg noch nicht Glatthafer-Frischwiese.
belegt. Sie wächst heute vor allem auf Flächen,
die vor der Grünland-Neueinsaat im Rahmen der
Intensivierung als Acker oder „Feldgrasflur“ genutzt 3.2 Ergebnisse der vegetationskundlichen
worden sind. Dauerbeobachtungsversuche
Aus der Matrix der „Vegetationsübertritte“ (Tab. 4) Auf beiden untersuchten Brachflächen ist eine deut
lässt sich zurückverfolgen, aus welchen der 1996 liche Tendenz vom Bärwurz (Meum athamanticum)
kartierten Vegetationseinheiten die 2006 erfassten Brachestadium in Richtung der Zielgesellschaften
Einheiten entstanden sind. So wurde im Grünland erkennbar. Dabei hat sich die 1992 entbuschte und
am Geisingberg allein durch die Umwandlung der seither regelmäßig gemähte Fläche A am Geising
Brachestadien (vor allem Meum athamanticum- berg-Osthang in Richtung eines Kreuzblümchen-
Brachestadium und Holcus mollis-Gesellschaft) in Borstgrasrasens (Polygalo-Nardetum strictae) ent-
Bergwiesengesellschaften fast eine Verdopplung wickelt. Dies ergibt sich vor allem aus der Zunahme
des Flächenanteils der Bergwiesen erreicht. Zusätz von Arten der Borstgrasrasen und Bergwiesen,
lich entstanden rund 11 ha aus dem Intensivgrünland, z. B. Borstgras (Nardus stricta), Pillen-Segge
so dass der Zuwachs für die Bergwiesen insgesamt (Carex pilulifera), Heide-Labkraut (Galium pumi-
sogar 126 % beträgt. lum), Rundblättrige Glockenblume (Campanula
rotundifolia) und Kanten-Hartheu (Hypericum ma-
Um fast die Hälfte zugenommen haben die Flä culatum) sowie weiterer Magerkeitszeiger, z. B.
chenanteile des Feuchtgrünlands, das vor allem Zittergras (Briza media, Tab. 5). Die Artenzahlen
von Wiesenknöterich-Feuchtwiesen (Bistorta offici der Gefäßpflanzen sowie der Moose haben sich
nalis-Gesellschaft), der Gesellschaft der Spitzblü in kurzerZeit deutlich erhöht und an die Kontroll-
60
Entwicklung der Artenzahlen/Probefläche (25 m2) auf
ehemaligen Brachen
100
Artenzahl/25 m 2
10
1993 1995 1997 2001 2007
ehem. Brache (A) ehem. Brache bis 1997 (B)
Polygalo-Nardetum (Kontrollfläche)
Abb. 4.1
10
1993 1995 1997 2001 2007
ehemalige Weide (C) ehem. Intensivgrünland
Geranio-Trisetetum (Kontrollfläche)
Abb. 4.2
Abb. 4.1 und 4.2: Entwicklung der gemittelten Artenzahlen/Probefläche
auf Bergwiesen-Regenerations- und Entwicklungsflächen am Geisingberg
61
62
Ehemalige Brache (Fläche A) Ehemaliges Intensivgrünland (Fläche C)
5
5,9
5,5
4
5,3
3,5 5,1
2,5 4,5
1993 1994 1995 1996 1997 2001 2004 2007 1994 1995 1996 1997 2001 2004
5,5
3
5
1994 1995 1996 1997 2001 2004 2007 1993 1994 1995 1996 1997 2001 2004 2007
Feuchtezahl Reaktionszahl Nährstoffzahl Feuchtezahl Reaktionszahl Nährstoffzahl
flächen angenähert (Abb. 4, vgl. Hachmöller et (Arrhenatherum elatior), Kanten-Hartheu (Hypericum
al. 2003). Auch die mittleren gewichteten Zeiger maculatum) und Wiesen-Glockenblume (Campanula
werte nach Ellenberg et al. (2001) entspra patula) ausbreiten (Tab. 5). Auch weit verbreite
chen durch einen kontinuierlichen Rückgang der te Wiesenarten frischer, mäßig nährstoffreicher
Nährstoffzahlen bereits 2001 weitgehend dem Poly Standorte wurden häufiger. Weitere Arten der Berg-
galo-Nardetum strictae des Osterzgebirges (Abb. 5, und Frischwiesen wie Alantdistel (Cirsium helenioi
vgl. Hachmöller 2000). Im Vergleich zu typischen des), Weicher Pippau (Crepis mollis), Wiesenmargerite
Borstgrasrasen-Beständen bleibt allerdings das (Leucanthemum vulgare) und Kleiner Klappertopf
Borstgras im Deckungsgrad gegenüber dominan (Rhinanthus minor) wurden seit 2001 neu nachge
ten Grasarten wie Rotstraußgras (Agrostis capilla- wiesen und konnten sich bis 2007 deutlich aus
ris) und Rotschwingel (Festuca rubra) zurück, und breiten. Magerkeitszeiger wie z. B. Rundblättrige
das Kreuzblümchen (Polygala vulgaris) als eine Glockenblume (Campanula rotundifolia), Lachenal’s
der Charakterarten der Gesellschaft fehlt bisher Habichtskraut (Hieracium lachenalii) und Berg-
in den Vegetationsaufnahmen, obwohl es auf der Platterbse (Lathyrus linifolius) blieben bisher auf ein
Fläche vereinzelt vorkommt. Im Vergleich zu den zelne der Probeflächen beschränkt. Insgesamt be
artenreichen Borstgrasrasen im Alt-NSG sind auch stehen sowohl bei den Magerkeitszeigern als auch
Rosettenpflanzen wie Rauer Löwenzahn (Leontodon bei den Rosettenpflanzen noch deutliche Defizite ge
hispidus), Spitzwegerich (Plantago lanceolata) und genüber den Bergwiesen und Borstgrasrasen im Alt-
Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella) schwä NSG (Tab. 5). Durch die gleichzeitige Zunahme von
cher vertreten, und der ansonsten häufige Kleine Arten magerer wie frischer sowie mäßig nährstoff
Klappertopf (Rhinanthus minor) kommt nur verein reicher Wiesenstandorte blieben die Nährstoffzahlen
zelt vor. Den Einfluss des steilen, flachgründigen (Ellenberg et al. 2001) annähernd konstant, wäh
Osthanges dokumentieren Wärme liebende Arten rend die Reaktionszahlen anstiegen (vgl. Abb. 5).
wie Pechnelke (Lychnis viscaria) und Feld-Thymian 2007 wurde zudem mit 4,0 ein etwas höherer pH-
(Thymus pulegioides). Die Artenzahlen/Probefläche Wert als mit 3,7/3,8 im Ausgangszustand gemes
schwankten innerhalb der Fläche 2007 zwischen sen (Forker 2007), ohne dass eine Kalkung oder
21 und 43 entsprechend der Unterschiede im pH- Düngung erfolgte. Im derzeitigen Zustand entspricht
Wert zwischen der artenärmsten (pH 3,6) und der die Fläche den leicht intensivierten Bergwiesen
artenreichsten Probefläche (4,1). Zwischen 2001 (Geranio-Trisetetum, Alopecurus pratensis-Subasso
und 2007 kam es auf der Fläche A kaum noch zur ziation. Die Artenzahl/Probefläche schwankte 2007
Neuansiedlung weiterer Arten. zwischen 18 und 29 und war in den zwei Probe-
flächen mit den niedrigsten Nährstoff- und Reak
tionszahlen am geringsten.
3.2.2 Vegetationsentwicklung nach Mahd In dieser früher intensiv beweideten, aber kaum ge
einer ehemaligen Weide (Fläche C) düngten Fläche C nahmen von 1993 bis 2001 vor
allem Arten frischer, nährstoffreicher Standorte zu,
Auf der bis 1997 brachliegenden Fläche B domi z. B. Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus praten-
nierten zunächst Bärwurz (Meum athamanticum), sis), Wiesen-Schwingel (Festuca pratensis), Wie-
Weiches Honiggras (Holcus mollis), Rotstraußgras sen-Kerbel (Anthriscus sylvestris), Goldhafer (Tri
(Agrostis capillaris) und hochwüchsige Gräser wie setum flavescens), Sauer-Ampfer (Rumex aceto-
Gemeine Rispe (Poa trivialis). Die Artenzahlen die sa) und Wiesen-Schaumkraut (Cardamine praten-
ser Probefläche waren sehr niedrig. Diese Pflanzen sis, s.Tab.5). Magerkeitszeiger nahmen dagegen
bildeten einen dichten Bestand, in dem sich kaum kaum zu. Buschwindröschen (Anemone nemorosa)
weitere Arten halten konnten. Von 1997 bis 2007 und Hohe Schlüsselblume (Primula elatior), die
stiegen die Artenzahlen auf der inzwischen ge nach Ellenberg (1986) und Dierschke (1997) zu
mähten und mit Schafen nachbeweideten Fläche den Differentialarten des Bergwiesen-Verbandes
kontinuierlich an (Abb. 4), und es konnten sich Polygono-Trisetion zählen, wurden ab 1996 häufiger
ausgehend von Restvorkommen insbesondere registriert. Erst 2004 wurden einzelne Mager
Arten der Berg- und Frischwiesen, z. B. Perücken- keitszeiger wie Kammgras (Cynosurus cristatus) und
Flockenblume (Centaurea pseudophrygia), Glatthafer Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor) neu nachge
63
Abb. 6: Diese im Rahmen der Strukturuntersuchungen von Ritter (2008) aufgenommen Fotos zeigen den Aufbau eines 30 cm breiten
Wiesenstreifens der Fläche D, der in der Struktur Bergwiesen ähnelt. Die Schicht der Obergräser ist offen, eine zweite Grasschicht ist locker
entwickelt, und ausreichend Licht ermöglicht die Ausbildung einer Unterschicht. Foto: J. Ritter, 25.06.2007
64
Probefläche D1 Probefläche D2
40 40
30 30
20 20
10 10
0 0
1993 1997 2001 2004 2007 1993 1997 2001 2004 2007
Abb. 7 D1 Abb. 7 D2
Probefläche D3 Probefläche D4
40 40
30 30
20 20
10 10
0 0
1993 1997 2001 2004 2007 1993 1997 2001 2004 2007
Abb. 7 D3 Abb. 7 D4
Probefläche D5 Probefläche D6
40 40
30 30
20 20
10 10
0 0
1993 1997 2001 2004 2007 1993 1997 2001 2004 2007
Abb. 7 D5 Abb. 7 D6
Probefläche D7 Probefläche D8
40 40
30 30
20 20
10 10
0
0
1993 1997 2001 2004 2007
1993 1997 2001 2004 2007
Abb. 7 D7 Abb. 7 D8
65
Arten der Borstgrasrasen und Magerkeitszeiger
Wuchsform Art Sb. Ausbr. Str. Soz. A B C D K
H caesp Nardus stricta 1 – 2 a, t S N ++
H caesp rhiz b Galium pumilum 1 (4) t N +
Danthonia
H caesp 1–2 t S N ++
decumbens
C caesp Calluna vulgaris 3 t SC N +
H caesp Carex pilulifera 3 t, r S N ++
H rept rhiz Lathyrus linifolius 1 S/CSR N + n
Hieracium
H sem - S/CSR N + + (n)
lachenalii
Hypericum
H rept stol l 3 t CR/CSR M ++ ++ +
maculatum
Campanula
H caesp rhiz b 2 (3) t S M ++ + n
rotundifolia
H caesp rhiz b Luzula campestris 3 t, r S/CSR M ++ n
H caesp Briza media 1/4 t S M ++ +
H caesp rhiz Rumex acetosella 3 t SR/CSR M +
H Sedum maximum - S M +
Dianthus
(C), H caesp - r M +
deltoides
Tab. 5: Arten mit deutlichen Zunahmen der Stetigkeit in den untersuchten Dauerbeobachtungsflächen von 1993/1994 bis 2007 (bei
Fläche C: 2004)
66
Arten der Feuchtwiesen
Wuchsform Art Sb. Ausbr. Str. Soz. A B C D K
H sem Cirsium palustre 3 a, t, r CSR Mol. + ++
H caesp Achillea ptarmica 2 t CR/CSR Mol. +
Myosotis
H - CR Mol. +
nemorosa
Trifolium
T - Mol. n (n)
spadiceum
Polygonum
H sem 3 MA +
bistorta
67
Beispiele für floristische Defizite der Flächen A, B und C im Vergleich zu den Kontrollflächen (s. Tab. 1)
Ausbr. = Samenverbreitung u. a. nach Müller-Schneider (1986), Fischer (1987), Fischer et al. (1995),
Stender et al. (1997), Strykstra et al. (1997), Tackenberg (2001):
a = agochor (z. B. durch Mähgeräte) t = Verbreitung durch Weidetiere einschließlich Wild
r = Diasporenregen einschließlich Windverbreitung
C = competitors R = ruderals
S = stress-tolerators
Probeflächen:
A, B = ehemalige Brachflächen D = ehemaliges Intensivgrünland
C = ehemalige Weide K = Kontrollflächen
68
capillaris) und Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) Magerkeitszeigern (Forker 2007) und weist so
auf eine Aushagerung hin. Die Dominanz der Nähr wohl Entwicklungstendenzen zur Rotschwingel-
stoffzeiger Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus pra- Goldhaferwiese (Poa pratensis-Trisetum flavescens-
tensis) und Knaulgras (Dactylis glomerata) nahm ab, Gesellschaft) mit Arten der Bergwiesen als auch
so dass inzwischen genügend Licht an die unteren zur submontanen Ausprägung der Glatthaferwiese
Bodenschichten kommt und sich hier eine arten (Alchemillo-Arrhenatheretum elatioris) auf.
reiche Krautschicht ausbilden kann (Abb. 6). Diese
Entwicklung war von Probefläche zu Probefläche 3.2.4 Vergleich mit der Vegetations-
sehr unterschiedlich. Auf einzelnen Probeflächen entwicklung der langfristig gemähten
kam das Rotstraußgras bereits früh zur Dominanz, Kontrollflächen
aber auf anderen Probeflächen ging der Wiesen-
Fuchsschwanz erst 2004 oder 2007 deutlich zurück Auch auf den Kontrollflächen erhöhten sich die
(Abb. 7). Auf mehreren Probeflächen erreichten 2007 Artenzahlen in den Vegetationsaufnahmen der arten
sowohl die Nährstoffzeiger als auch Rotstraußgras reichen Bergwiesen, z. B. von 1993 bis 1997 sowie
und Rotschwingel nur Deckungsgrade von 10 – 20%. nach dem trockenen Jahr 2003 (Abb. 4). Ein durch
Zumindest vorübergehend waren ähnlich hohe De Witterungsschwankungen oder durch methodische
ckungsgrade bei Arten zu beobachten, die mäßig Ursachen bedingter leichter Trend zur Zunahme der
nährstoffreiche Standorte bevorzugen, z. B. Wiesen- Artenzahl in allen Untersuchungsflächen ist daher
Schwingel (Festuca pratensis), Weiß-Klee (Trifolium bei der Bewertung der Vegetationsentwicklung auf
repens) und Goldhafer (Trisetum flavescens). Vor allem den Versuchsflächen zu berücksichtigen.
ab 2001 wurden Zunahmen bzw. das neue Auftreten
zahlreicher kleinwüchsiger Grünlandarten registriert, 3.3 Ergebnisse der Bestandserfassungen
z. B. Berg-Hellerkraut (Thlaspi caerulescens), Wiesen- gefährdeter Pflanzenarten
Schaumkraut (Cardamine pratensis), Gold-Hahnenfuß
(Ranunculus auricomus), Kammgras (Cynosurus cris- Breitblättriges Knabenkraut
tatus) und Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor). (Dactylorhiza majalis): Diese Art wächst im
Einige der neu nachgewiesenen Arten gelten als NSG Geisingberg vor allem im Bereich der Sumpf
Ruderalarten bzw. als Weidezeiger, wie z. B. Acker- dotterblumen-Feuchtwiesen (Verband Calthion) und
Vergissmeinnicht (Myosotis arvensis), Quendelblät der Kleinseggenrasen (Verband Caricion fuscae).
tiger Ehrenpreis (Veronica serpyllifolia) und Kleine Es kommen aber auch individuenstarke Popula
Braunelle (Prunella vulgaris). tionen in feuchten Bergwiesen vor. Da ein Indivi
Die Artenzahlen der Probeflächen in der Fläche D duum jährlich zumeist nur einen Blütenstand
haben sich von 1993 bis 2007 fast verdoppelt (Abb. hervorbringt, entspricht die Zahl der blühenden
4), und parallel dazu ist ein stetiger Rückgang der Sprosse im Wesentlichen der Zahl der Individuen. In
Nährstoffzahlen nach Ellenberg et al. (2001) zu ver den letzten Jahren zeigen sich deutliche Zunahmen
zeichnen (Abb. 5). Diese liegen derzeit zwischen 5,3 der Bestände sowohl in den Bereichen des Alt-
und 5,8 und damit immer noch höher als die der NSG, die bereits große Populationen beherbergen,
artenreichen Frisch- und Bergwiesen. Auf mehreren als auch außerhalb davon (Abb. 8). Dabei fallen
Probeflächen haben Arten der Glatthaferwiesen wie die Zunahmen der Populationen im Alt-NSG mit
Wiesen-Pippau (Crepis biennis), Wiesen-Labkraut über 1.000 Individuen etwas schwächer aus, so
(Galium album) und Glatthafer (Arrhenatherum ela- dass hier das Standortpotenzial schon weitgehend
tius) stark zugenommen, während die Ansiedlung ausgeschöpft sein könnte. Der größte Bestand auf
oder Ausbreitung typischer Arten der Bergwiesen der so genannten „Klengelsteigwiese“ im Alt-NSG
wie Bärwurz (Meum athamanticum), Perücken- umfasst inzwischen ca. 10.000 Exemplare und lässt
Flockenblume (Centaurea pseudophrygia) und Kan- sich nicht mehr mit vertretbarem Aufwand zählen,
ten-Hartheu (Hypericum maculatum) bisher vor so dass der Bestand in Abb. 8 nicht enthalten
allem auf den Probeflächen erfolgt ist, die von ist. Außerhalb des Alt-NSG zeigen sich positive
Rotstraußgras und Rotschwingel bestimmt wer Bestandsentwicklungen um etwa das 10fache in
den. Somit entspricht diese ehemalige Acker- und den letzten 10 Jahren vor allem auf Flächen mit
Intensivgrünlandfläche derzeit der Ausbildung mit Feuchtwiesen und Kleinseggenrasen, die früher
69
beweidet waren und jetzt jährlich gemäht werden Hachmöller 2000) und gilt in Sachsen inzwischen
(Abb. 9), sowie auf Flächen, die brach gelegen als „vom Aussterben bedroht“. Am Geisingberg
haben und inzwischen gemäht werden. In den sind dagegen in den letzten Jahren deutliche Be
meisten Fällen haben sich dabei große Bestände standszunahmen zu registrieren, die vor allem
aus Restvorkommen regeneriert, auf der an die die bereits seit längerem gemähten, artenreichen
Klengelsteigwiese angrenzenden Fläche ist dagegen Bergwiesen im Alt-NSG betreffen. Hier lag die Zahl
eine Neuansiedlung wahrscheinlich. Einzelne Indi der blühenden Exemplare im Jahr 2006 insgesamt
viduen blühen auch auf Flächen im ehemaligen deutlich über 1.000 (Abb. 8). Ebenfalls zugenom
Intensivgrünland in der Nähe großer Bestände men haben die Bestände auf den ehemals brach
auf benachbarten Flurstücken, wobei hier noch liegenden, trockenen Bergwiesen am Osthang
nicht abgeschätzt werden kann, ob sich daraus oberhalb von Geising, die inzwischen jährlich ge
individuenstarke Populationen entwickeln können. mäht und nachbeweidet werden. Auf diesen außer
halb des Einflusses vom Basalt des Geisingberges
Stattliches Knabenkraut liegenden Flächen sind die Individuenzahlen aber
(Orchis mascula): Diese Orchidee kommt vor nach wie vor deutlich geringer als im Alt-NSG.
allem auf frischen, artenreichen Bergwiesen vor und Eine Bestandszunahme ist auch auf einer ehemals
hat ihren Verbreitungsschwerpunkt am Osthang des beweideten Bergwiese an der Bahnlinie Altenberg-
Geisingberges. Diese als basiphil geltende Art hat im Heidenau nordwestlich des Geisingberges sichtbar,
Osterzgebirge in den letzten Jahrzehnten sehr stark die seit etwa 10 Jahren regelmäßig gemäht wird.
im Bestand abgenommen (Müller & Hardkte 1987, Die positive Bestandsentwicklung kann jedoch
10000
Flächen im
Breitblättriges Alt-NSG
Knabenkraut
(Dacylorhiza majalis )
1000
ehemalige
Weiden
100
ehemalige
blühende Exemplare
Brachen
10
ehemaliges
Intensivgrünland
1
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Abb. 8.1
1000
Flächen im
Stattliches Knabenkraut Alt-NSG
(Orchis mascula)
100
ehemalige
Weide
ehemalige
Brachen
10
blühende Exemplare
1
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Abb. 8.2
70
1000
Flächen im
Bergwohlverleih Alt-NSG
( Arnica montana )
100
blühende Sprosse
10
ehemalige
Brachen
1
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Abb. 8.3
1000 Flächen im
Alt-NSG
ehemalige
Weiden
100
Niedrige Schwarzwurzel
( Scorzonera humilis )
blühende Sprosse
10
ehemalige
Brachen
1
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Abb. 8.4
Abb. 8.1 bis 8.4: Entwicklung der Blühaktivität ausgewählter Zielarten der Grünlandbiotope im NSG Geisingberg
auch unterbrochen werden. So zeigten sich im Jahr 1987, Kastl & Hachmöller 1999). Außerhalb der
2001 starke Rückgänge in der Zahl der blühen Borstgrasrasen im Alt-NSG kommt die Art kaum vor.
den Exemplare, nachdem das Frühjahr 2000 sehr Daher erscheint es bemerkenswert, dass sie in den
trocken war, und eine ähnliche Entwicklung war in letzten Jahren auf ehemals brachliegenden und jetzt
dem sehr trockenen Frühjahr 2007 festzustellen gemähten und nachbeweideten mageren Bergwie
(König, mdl. Mitteilung). sen am Osthang an drei Standorten neu nachge
wiesen wurde, und dass auf einem dieser Standorte
Bergwohlverleih ein leichter Anstieg der blühenden Exemplare zu ver
(Arnica montana): Diese Art hat ihren Verbrei zeichnen ist. Dabei erscheint es aber noch zu früh,
tungsschwerpunkt auf den Borstgrasrasen im von einer erfolgreichen Etablierung der Art auf diesen
Alt-NSG, die bereits seit längerer Zeit jährlich ge Wiesen auszugehen.
mäht werden. Die Anzahl der blühenden Sprosse
schwankt von Jahr zu Jahr, und die höchste Niedrige Schwarzwurzel
Blühaktivität war im trockenen Sommer 2003 fest- (Scorzonera humilis): Die Niedrige Schwarzwurzel
zustellen (Abb. 8). Insgesamt erscheint der Bestand kommt inzwischen ähnlich häufig auf Bergwiesen
in den letzten Jahren stabil und die jährlichen Unter im Alt-NSG wie auf ehemaligen Brachen und
schiede in der Blühaktivität angesichts der starken Weiden vor. Anders als in anderen Gebieten im Ost-
Witterungsschwankungen normal (vgl. Pfadenhauer erzgebirge (vgl. Zieverink & Hachmöller 2003)
71
Abb. 9: Kleinseggenrasen mit Massenbestand vom Breitblättrigen Knabenkraut. Foto: H. Menzer
72
zer Zeit in Richtung eines Kreuzblümchen-Borst kurzrasiger Bestände mit offenen Stellen für die Kei-
grasrasens (Polygalo-Nardetum, vgl. Hachmöller mung zahlreicher Wiesenarten hin, auch wenn ein
2000). Die Ansiedlung und Ausbreitung zahlreicher Nachweis dieser Auswirkungen erst durch die Ge
Arten der Bergwiesen, Borstgrasrasen und wei genüberstellung nachbeweideter mit nicht nach
terer Magerkeitszeiger, die anhand ihrer ökologi beweideten Standorten auf vergleichbaren Flächen
schen Strategie als standorttreue „stress-tolerators“ erbracht werden kann. Floristische Defizite zu den
gelten (Tab. 5), wurde vor allem durch die vielen artenreichen Bergwiesen und Borstgrasrasen im
Lücken in der Vegetation ermöglicht, die durch die Alt-NSG können bei dieser Fläche entweder mit
Entbuschung entstanden. Außerdem waren diese dem bodensauren Standort und dem fehlen
Arten im Ausgangsbestand in Resten noch vorhan den Einfluss vom Basalt oder mit dem leichten
den. Im FFH-Managementplan (Böhnert 2005) wird Intensivierungseinfluss zusammenhängen. So gibt
die Wiese als Borstgrasrasen im Erhaltungszustand es auf anderen ehemaligen Brachflächen am Ost
„B“ (gut) bewertet. Nach mittlerweile 15 Jahren hang des Geisingberges, die ebenfalls gemäht
entspricht der Bestand jedoch in seiner Struktur und nachbeweidet werden, inzwischen artenrei
noch nicht den Borstgrasrasen und wird neben che Bergwiesen auf bodensauren Standorten mit
der Bärwurz (Meum athamanticum) von Gräsern Magerkeitszeigern wie Zittergras (Briza media),
wie Rotstraußgras (Agrostis capillaris) und Draht- Gemeinem Kreuzblümchen (Polygala vulgaris),
Schmiele (Avenella flexuosa) bestimmt. Die Lücken Heide-Labkraut (Galium pumilum) und Blutwurz
in der Vegetation haben sich inzwischen weitgehend (Potentilla erecta), die im FFH-Managementplan als
geschlossen, und der Boden ist teilweise mit dich Bergwiesen im Erhaltungszustand „A“ (sehr gut)
tem Grasfilz bedeckt. So konnten sich in den letz bewertet worden sind (Böhnert et al. 2005, Forker
ten Jahren kaum noch neue Arten etablieren, und 2007).
floristische Defizite gegenüber den Borstgrasrasen Der Erfolg der Wiederaufnahme der Mahd auf
im Alt-NSG (Tab. 5) sind bestehen geblieben. brachliegenden Standorten zeigt sich auch anhand
Diese können einerseits durch die stark boden der Bestandsentwicklung zahlreicher gefährdeter
sauren Standorte, andererseits aber auch durch Pflanzenarten, die in den meisten Fällen in Rest
das Fehlen der Nachbeweidung bedingt sein. Die beständen innerhalb der Brachflächen überlebt
Fläche ist aber nach wie vor Lebensraum gefähr haben. Besonders eindrucksvoll wird dies durch die
deter Insektenarten wie Warzenbeißer (Decticus positive Entwicklung des Breitblättrigen Knaben
verrucivorus), Plumpschrecke (Isophya kraussii) und krautes (Dactylorhiza majalis) in den früher brach
Lilagoldfalter (Lycaena hippothoe, Abb. 14 + 15). liegenden Feuchtwiesen und Kleinseggenrasen
Die Fläche B, die vor dem Brachfallen beweidet (Abb. 8) verdeutlicht. Ähnliche Tendenzen sind
und etwas gedüngt wurde, repräsentiert einen für die Vorkommen der Niedrigen Schwarzwurzel
großen Teil der Brachflächen am Osthang des (Scorzonera humilis) in diesen Bereichen sichtbar,
Geisingberges. Diese zunächst durch einen dich deren Blühaktivität allerdings von Jahr zu Jahr stark
ten Bewuchs von Bärwurz (Meum athamanticum) schwankt. Sie hat außerdem auf dem Borstgras
und verschiedenen Gräsern geprägte Fläche entwi- rasen der Fläche A außerhalb der Probeflächen zu-
ckelte sich im Vergleich zur entbuschten Fläche A deut genommen. Die Bestände des Stattlichen Knaben
lich langsamer und hat noch nicht die Artenzahl der krautes (Orchis mascula) sind auf den ehemals
Kontrollflächen erreicht (Abb. 4). Der Artenzuwachs brachliegenden Bergwiesen am Osthang des
seit Wiederaufnahme der Pflege 1997 ist jedoch kon Geisingberges deutlich angestiegen, nachdem
tinuierlich, und es konnte auch zwischen 2001 und diese Flächen teilweise entbuscht und wieder
2007 die Ausbreitung bzw. Neuansiedlung typischer gemäht sowie von Schafen nachbeweidet worden
Arten der Berg- und Frischwiesen nachgewiesen sind. Die Standorte dürften jedoch durch das Fehlen
werden. Im FFH-Managementplan (Böhnert 2005) des Basalteinflusses und der stärkeren Trockenheit
wird die Wiese als Bergwiese im Erhaltungszustand gegenüber den Standorten im Alt-NSG benach-
„B“ (gut) eingestuft. Die Bestandsentwicklung weist teiligt sein, wo starke Bestandszunahmen am Rand
auf positive Auswirkungen einer Nachbeweidung von Steinrücken zu beobachten waren, die im
mit Schafen durch den möglichen Transport von Rahmen des Naturschutzgroßprojektes gepflegt
Diasporen (Fischer et al. 1995) und die Schaffung wurden. Bei dem sich sehr schwer ausbreitenden
73
Bergwohlverleih (Arnica montana), der außerhalb und den Kleinseggenrasen um stark gefährdete
des Alt-NSG so gut wie nicht mehr vorkommt, sind bzw. gefährdete Pflanzengesellschaften handelt
bereits die kleinen neu nachgewiesenen Vorkommen (Böhnert et al. 2001). Es erscheint allerdings möglich,
auf artenreichen Bergwiesen bodensaurer Standorte dass einige artenarme Stadien der ehemaligen
in den ehemaligen Brachflächen am Osthang des Intensivweiden bei der Vegetationskartierung im
Geisingberges als Erfolg zu werten. Jahr 2006 übersehen wurden, da diese Standorte
besonders früh gemäht worden sind. Außerdem
hat sich in einer ehemals beweideten Wiese auf ca.
4.2 Wiesen-Regeneration auf
1 ha das besonders hartnäckige Dominanzstadium
ehemaligen Intensivweiden
der Zittergras-Segge (Carex brizoides) erhalten, in
In vielen früher intensiv beweideten Flächen haben der Artenzusammensetzung aber den Bergwiesen
sich nach Wiederaufnahme der Mahd Gesellschaf angenähert (Forker 2007).
ten der Berg- und Feuchtwiesen regeneriert. Dies Die vegetationskundlich untersuchte Fläche C kann
betrifft in der Regel ehemalige Weideflächen, die als repräsentativ für die früheren Intensivweiden
kaum gedüngt und auf ehemaligen Wiesen angelegt gelten. Sie liegt im Übergang von Bergwiesen
wurden. Hier haben sich je nach Standort feuchte- (Geranio-Trisetetum) zur Wiesenknöterich-Feucht
oder nährstoffliebende Bestände der Goldhafer- wiese (Bistorta officinalis-Gesellschaft) und weist so-
Bergwiese, Wiesenknöterich-Feuchtwiesen oder wohl feuchtere als auch nährstoffreichere Stand
Übergänge des Intensivgrünlands zu Feuchtwiesen ortverhältnisse als die Bistorta officinalis-Subasso
sowie kleinflächig auch Kleinseggenrasen aus ziation des Geranio-Trisetetum im Alt-NSG auf.
gebreitet. Diese Entwicklungen sind aus natur Hier waren auch 2004 noch Nährstoffzeiger deut
schutzfachlicher Sicht positiv zu bewerten, da es lich häufiger als auf den Kontrollflächen, wäh
sich nicht nur bei den Goldhafer-Bergwiesen, son- rend viele Magerkeitszeiger seltener waren oder
dern auch bei der Wiesenknöterich-Feuchtwiese fehlten (Tab. 5). Im FFH-Managementplan wird
Abb. 10 Abb. 11
Abb. 10 und 11: Ausschnitte einer ehemaligen Brache (Fläche A) mit Bärwurz (Meum athamanticum), Lachenals Habichtskraut
(Hieracium lachenalii) und Rundblättriger Glockenblume (Campanula rotundifolia) sowie einer Fläche im ehemaligen Intensivgrünland mit
Wiesenmargerite (Leucanthemum vulgare), Wiesen-Glockenblume (Campanula patula), Perücken-Flockenblume (Centaurea pseudo
phrygia) und Kleinem Klappertopf (Rhinanthus minor) Fotos: B. Hachmöller
74
die Fläche als Bergwiese im Erhaltungszustand 4.3 Wiesen-Entwicklung im ehemals neu
B („gut“) eingestuft (Böhnert 2005). Um der hier angesäten Intensivgrünland
deutlich ausgeprägten Dominanz von Stauden
wie Wiesen-Knöterich (Bistorta officinalis) und Bei der Vegetationsentwicklung von weiten Teilen
Mädesüß (Filipendula ulmaria) bzw. hochwüchsigen des ehemaligen Intensivgrünlands am Geisingberg
Gräsern wie Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus handelt es sich nicht um Grünland-Regeneration,
pratensis) dauerhaft entgegenzuwirken, die auch sondern um Grünland-Entwicklung, da diese Flä
nach einer Extensivierung lange anhalten kann chen vor der Intensivierung als Acker genutzt
(vgl. Oomes & Altena 1987, Rosenthal 1992), er bzw. in die Feldgraswirtschaft einbezogen worden
scheint auch hier eine regelmäßige mehrfache sind (Hundt 1965). Daher war es zu Beginn der
Mahd bzw. Mahd mit Nachbeweidung notwendig. Pflegemaßnahmen schwer einzuschätzen, welche
Diese kann durch stärkeren Lichteinfall, höhere Grünlandtypen sich durch die extensive Bewirt
Temperaturamplitude, mechanische Schädigung schaftung einstellen. Daher kann schon die in der
und Nährstoffentnahme zu Bedingungen führen, Vegetationskartierung 2006 nachgewiesene Differ
die Keimung und Wachstum niedrigwüchsiger und enzierung der ehemaligen arten- und struktur
lichtbedürftiger Magerkeitszeiger befördern. Dafür armen Intensivgrünlandflächen in Übergangsstadien
spricht z. B. das Auftreten von Arten wie Kammgras zu artenreichen Frisch-, Berg- und Feuchtwiesen
(Cynosurus cristatus), Moor-Klee (Trifolium spadice- als Erfolg der Pflegemaßnahmen gewertet werden.
um) und Kleinem Klappertopf (Rhinanthus minor) im Außerdem kam es zumindest auf einem Flurstück
Jahr 2004 nach der Nachbeweidung im trockenen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den artenreichen
Sommer 2003. Bergwiesen am Osthang zur Ausbildung einer Berg
wiese mit charakteristischen Arten und Magerkeits
Die positive Bestandsentwicklung des Breitblättrigen zeigern wie Perücken-Flockenblume (Centaurea
Knabenkrautes (Dactylorhiza majalis) an mehreren pseudophrygia), Weicher Pippau (Crepis mollis),
früher beweideten Seggen- und Binsensümpfen Alantdistel (Cirsium helenioides) und Kleinem
(einschließlich der Fläche C außerhalb der Probe Klappertopf (Rhinanthus minor, vgl. Forker 2007).
flächen) ist ein weiteres Indiz für die erfolgreiche
Regeneration artenreicher Feuchtwiesen. Dabei Das Ordinationsdiagramm (Abb. 12) verdeutlicht
hat sich die Nachbeweidung der nassen Standorte zusammen mit den Kartierungsergebnissen (Tab. 3)
mit Rindern dem Anschein nach nicht negativ auf den derzeitigen Entwicklungsstand des ehemaligen
die Ausbreitung der Art ausgewirkt. Zumindest Intensivgrünlands. Dabei zeigen sich als stärkste
auf einer ehemals beweideten Bergwiese ist nach Faktoren in der Analyse der Vegetationsaufnahmen
Wiederaufnahme der Mahd zudem ein deutlicher einerseits der Feuchtegradient, an dem die Vege
Bestandsanstieg des Stattlichen Knabenkrautes tationsaufnahmen auf der x-Achse angeordnet
(Orchis mascula) festzustellen. Die extremen sind, sowie andererseits der Nährstoffgradient, der
Schwankungen der Blühaktivität der Niedrigen anhand des Vektors für den Phosphatgehalt in dia
Schwarzwurzel (Scorzonera humilis) lassen dage gonale Richtung zeigt und die artenarmenBestände
gen noch keine Rückschlüsse auf den Erfolg der der typischen Variante der Wiesenfuchsschwanz-
Regeneration auf ehemals beweideten Flächen Gesellschaft als besonders Nährstoff liebend
zu. Die ehemaligen feuchten Weideflächen nord charakterisiert. Gleichzeitig zeigen sich breite
westlich des Geisingberges haben sich außerdem Übergänge von ausgehagerten Stadien des In
zu bedeutenden Bruthabitaten von Wiesenbrütern tensivgrünlands zur Wiesenfuchsschwanz-Sub
wie Wachtelkönig (Crex crex) und Braunkehlchen assoziation der Bergwiese. Von den artenreichen
(Saxicola rubetra) entwickelt (Böhnert et al. 2003). mageren Bergwiesen sind diese Bestände aber
immer noch weit entfernt. Außerdem zeigen sich
entlang des Feuchtegradienten auf der linken
Seite die Vegetationsaufnahmen der submontanen
Glatthafer-Frischwiese, die auf trockenere, sowie
auf der rechten Seite die Aufnahmen der Variante
mit Feuchtezeigern, die auf feuchtere Standorte
75
hindeuten. Aus naturschutzfachlicher Sicht wäre und auf den feuchten Bergwiesen im Alt-NSG vor
neben der Entwicklung von Berg- und Feuchtwiesen wiegend eine e inschürige Mahd.
auch die Entwicklung artenreicher Frischwiesen (z. B. Derzeit weist das ehemalige Intensivgrünland bis
submontane Goldhafer- oder Glatthaferwiesen) als auf weit verbreitete Arten wie Perücken-Flo
gefährdete Pflanzengesellschaften (Böhnert et al. ckenblume (Centaurea pseudophrygia, s. Abb. 13),
2001) positiv zu bewerten. Die Auswirkungen der Einzelvorkommen von Orchideen wie Breitblättriges
einzelnen Pflegeklassen sind nur schwach zu er Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) sowie Vor
kennen, da die Art der Maßnahmen im Pflege- und kommen des kurzlebigen Moor-Klees (Trifolium spa-
Entwicklungsplan (Böhnert et al. 2003) entspre diceum) erst relativ wenige gefährdete Pflanzenarten
chend des Standortes und Ausgangszustands der auf und ist in dieser Hinsicht mit den artenreichen
Vegetation unterschiedlich definiert wurde. So er- Bergwiesen des Alt-NSG noch nicht vergleich
folgt im ehemaligen Intensivgrünland vorwiegend bar. Es zählt aber bereits jetzt zum Lebensraum
eine zweischürige Mahd oder Mahd mit Nach gefährdeter Tierarten wie Wachtelkönig (Crex crex),
beweidung durch Rinder, auf den ehemaligen Plumpschrecke (Isophya kraussi) und Lilagold-
Brachflächen am Osthang des Geisingberges vor Feuerfalter (Lycaena hippothoe, Abb. 14 und
allem eine Mahd mit Nachbeweidung durch Schafe 15). Für die Tagfalterfauna ist insbesondere das
Abb. 12: Ordinationsdiagramm der DCA mit Untereinheiten der Bergwiesen (Polygono-Trisetion) und des ehemaligen Intensivgrünlands
(Arrhenatherion)
Legende:
Gt, GPt, GPb: typische Subassoziation;
GAt, GAA, GAB: Alopecurus pratensis-Subassoziation;
GB: Brachestadien;
ARt: typisches Intensivgrünland:
ARE: Intensivgrünland mit Arten der Bergwiesen;
ARF: Intensivgrünland mit Feuchtezeigern;
ARM: Intensivgrünland mit Magerkeitszeigern,
AAe: Glatthafer-Frischwiese
Umweltvariablen: pH: pH-Wert, K = Kalium, P = Phosphat (nicht alle Umweltvariablen wurden projiziert)
Pflegeklassen: 1 = einschürige Mahd, 2 = zweischürige Mahd, 3 = Nachbeweidung Schafe, 4 = Nachbeweidung Rinder
76
verbesserte Blütenangebot dieser Flächen von ihrer Vegetatonsentwicklung leistet diese Fläche
großer Bedeutung. inzwischen einen wertvollen Beitrag zum Biotop
verbund zwischen zwei sehr artenreichen Berg
Die vegetationskundlich untersuchte Fläche D im wiesen des Alt-NSG. Bei der Ansiedlung von Arten
ehemaligen Intensivgrünland hat von 1993 bis 2007 spielt auch die Ausbreitungsbiologie eine wichtige
eine bemerkenswerte Entwicklung von einer rude Rolle. So haben sich in der Fläche D viele Gräser
ralisierten Ausprägung junger, erst durch intensive und Arten der Korbblüter (Asteraceae) etabliert,
Nutzung entstandener Fuchsschwanzwiesen (Ran- die sich teilweise durch Wind und teilweise durch
unculus repens-Alopecurus pratensis-Gesellschaft Mähgeräte oder Weidetiere von benachbarten ar
nach Dierschke 1997) zu einem artenreichen Aus tenreichen Bergwiesen gut ausbreiten können (Tab.
hagerungsstadium mit zahlreichen Arten der 5). Andere Arten wie z. B. die meisten Ruderalarten,
Frischwiesen und Magerkeitszeigern vollzogen. können sich aus einer dauerhaften Samenbank re
Einzelne Probeflächen können bereits einer Rot generieren. Daneben gibt es Arten, die aufgrund ih
schwingel-Goldhaferwiese (Poa pratensis-Trisetum rer Ausbreitungsbiologie weniger leicht in der Lage
flavescens-Gesellschaft) mit Arten der Bergwiesen sind, Bergwiesen-Entwicklungsflächen zu besie
zugeordnet werden, und in Teilen der Fläche bilden deln. Zu dieser Gruppe zählt wahrscheinlich auch
Bergwiesenarten wie die Perücken-Flockenblume die Bärwurz (Meum athamanticum).
(Centaurea pseudophrygia) große Bestände (Abb.
10). Im FFH-Managementplan (Böhnert 2005) gilt die Die Vegetationsentwicklung der Fläche D verdeut
Fläche D ebenso wie weitere große Teile des ehema licht andererseits auch den langen Zeitraum, den
ligen Intensivgrünlandes als Bergwiesen-Entwick- die Aushagerung im ehemaligen Intensivgrünland
lungsfläche. Im Vergleich zu anderen Ausha in Anspruch nimmt. In den bisher untersuchten 14
gerungsversuchen ( z. B. Bakker 1989, Briemle 1999) Jahren hat sich ein Rückgang der Mediane der
erscheint der starke Anstieg der Artenzahlen bemer gewichteten Nährstoffzahlen um fast eine Stufe
kenswert, der darauf zurückzuführen ist, dass sich (von 6,4 zu 5,55) ergeben (Abb. 5). Ähnliche mitt-
ein breites Spektrum von Arten der Frischwiesen lere Werte zeigen auch die 2006 durchgeführten
und der Weiden sowie Magerkeitszeiger und kurz Vegetationsaufnahmen im ehemaligen Intensivgrün
lebiger Arten angesiedelt bzw. ausgebreitet hat, land Forker (2007). Wenn eine Fortsetzung des
andererseits aber die Nährstoff- und Ruderalzeiger Tempos der bisherigen Entwicklung für die Zukunft
nach wie vor im Bestand vertreten sind. Aufgrund zugrunde gelegt wird, sind insgesamt Zeiträume
Abb. 13: Submontane Goldhaferwiese (Poa pratensis-Trisetum flavescens-Gesellschaft) mit großen Beständen von Perücken-Flockenblume
(Centaurea pseudophrygia) im ehemaligen Intensivgrünland am Geisingberg (Fläche D), 07.07. 2007 Foto: B. Hachmöller
77
von etwa 20 – 25 Jahren zu erwarten, bis sich aus oder Bergwiesen ist auch etwa 15 Jahre nach
den neu angesäten Intensivgrünländern Frisch- Beginn der Pflegemaßnahmen noch nicht abge
oder Bergwiesen gebildet haben, die eine mitt schlossen. Zwischen den derzeit erfassten ca. 58
lere Nährstoffzahl von 5 aufweisen. Bis ähnliche ha Bergwiesen und den von Hundt (1965) doku
Zustände wie in den artenreichen Bergwiesen im mentierten ca. 85 ha klafft noch eine Lücke, die
Alt-NSG (mit mittleren Nährstoffzahlen zwischen 4 auch in Zukunft nicht ganz geschlossen werden
und 4,5, vgl. Forker 2007) erreicht werden, könnten kann, da zahlreiche ehemalige Wiesen aufgefors
sogar noch längere Zeiträume erforderlich sein. tet oder durch natürliche Sukzession zu Wald ge
worden und einige der ehemaligen Intensivweiden
artenarm geblieben sind. Andererseits können im
5 Schlussfolgerungen und Ausblick Bereich des ehemaligen Intensivgrünlands bei einer
Fortsetzung der Aushagerung großflächige arten
Die floristisch-vegetationskundlichen Untersuchun- reiche Frisch- oder sogar Bergwiesen entstehen,
gen zur Erfolgskontrolle der Pflegemaßnahmen im die zur Biotopvernetzung der bestehenden wertvol
NSG Geisingberg dokumentieren in vielen Fällen len Grünlandbiotope beitragen. Der Flächenanteil
positiveAuswirkungen in Form der Regeneration von des Feuchtgrünlands liegt heute ähnlich hoch wie
ehemaligen Brachen und Weiden zu artenreichen vor der Intensivierung, wobei sich auf vielen Flächen
Berg- und Feuchtwiesen, einer Artenanreicherung Feuchtwiesen und Hochstaudenfluren auf Kosten
und Differenzierung des ehemaligen Intensivgrün der früher vorherrschenden, naturschutzfachlich
lands in Richtung artenreicher Berg- und Frischwie hochwertigen Kleinseggenrasen ausgebreitet ha
sen sowie Bestandszunahmen der untersuchten ben. Inwieweit sich im ehemaligen Intensivgrün-
Abb. 14 Abb. 15
Abb. 14 und 15: Lilagoldfalter (Lycaena hippothoe) und Plumpschrecke (Isophya kraussi) zählen zu den gefährdeten Insektenarten, die in
NSG Geisingberg inzwischen auf ehemaligen Brachflächen sowie im ehemaligen Intensivgrünland nachzuweisen sind. Fotos: V. Kuschka
Pflanzenarten auf den Regenerationsflächen. Es be- land auch viele der in den artenreichen Bergwie-
stehen jedoch sowohl auf den ehemaligen Brach sen vorkommenden gefährdeten Pflanzenarten an-
flächen als auch den ehemaligen Weiden noch flo siedeln können, ist derzeit noch ungewiss. Daher
ristische Defizite im Vergleich zu den artenreichen bietet es sich hier auf ausgewählten Flächen an,
Bergwiesen im Alt-NSG, und die Entwicklung des die typische Artenkombination der wertvollen Berg-
ehemaligen Intensivgrünlands zu mageren Frisch- wiesen und gefährdete Zielarten durch Mähgutauftrag,
78
gezielte Aussaat und Bodenverwundung zu fördern. was aus naturschutzfachlicher Sicht als Kompro-
Als wichtige Voraussetzungen für die bisherigen miss zwischen der fachlich notwendigen Pflege und
Erfolge der Pflegemaßnahmen im NSG Geising- den Interessen und Möglichkeiten der Bewirtschafter
berg ist einerseits die Erhaltung artenreicher Berg anzusehen ist. Bei den beweideten Flächen hängt
wiesen im Alt-NSG und in weiteren Teilbereichen die weitere Entwicklung zu Berg- oder Feuchtwiesen
des Gebietes zu nennen, die als wichtige Diasporen davon ab, inwieweit zusätzlich zur Beweidung eine
quelle für die Entwicklung der benachbarten Flächen Mahd erfolgt. Bei den nur alle zwei Jahre gemäh
dienen. Andererseits wurde das Grünland am ten Flächen handelt es sich in vielen Fällen um
Geisingberg nicht so stark intensiviert wie andere Hochstaudenfluren und Kleinseggenrasen, für die
Flächen im Osterzgebirge, so dass große Teile des eine jährliche Mahd nicht unbedingt erforderlich ist.
ehemaligen Intensivgrünlandes inzwischen relativ Gleichzeitig erscheint es wahrscheinlich, dass sich
niedrige Nährstoffkonzentrationen aufweisen, z. B. die Hochstaudenfluren auf Kosten der artenreichen
Phosphatgehalte der Gehaltsklasse „sehr niedrig“ Feuchtwiesen ausdehnen. Derzeit noch nicht gesi
(< 2 mg/100g) oder „niedrig“ (2 – 10 mg/100g) nach chert ist die weitere Pflege der ca. 50 ha besonders
Finck (1991). Außerdem wurden im Bereich des wertvoller Wiesen, die bis 2007 im Rahmen der
Feuchtgrünlands kaum Meliorationsmaßnahmen sächsischen Naturschutzrichtlinie gemäht und teil
durchgeführt, und intensiver Ackerbau wurde nicht weise mit Schafen nachbeweidet wurden.
betrieben. Im Umfeld des Geisingberges sind die Um die Auswirkungen der nach Ablauf der Projekt
Böden außerdem durch den Basalt beeinflusst, so förderung vereinbarten Pflegemaßnahmen für die
dass in diesen Bereichen trotz der Aushagerung Erhaltung der artenreichen Wiesen sowie die weitere
keine Versauerung der Böden befürchtet werden Entwicklung der ehemaligen Brachflächen und Wei
muss. Nicht zuletzt war die Fortsetzung der groß den sowie des ehemaligen Intensivgrünlands zu
flächigen Grünlandnutzung und -pflege nach der überprüfen, erscheint eine Fortsetzung der vege
Extensivierung zu Beginn der 1990er Jahre es tationskundlichen Untersuchungen und der jähr
sentiell für die Gebietsentwicklung. Dabei hat sich lichen Dokumentation der Bestände gefährdeter
das Zusammenwirken von Naturschutzvereinen Pflanzen- und Tierarten notwendig. Dabei sollten
und Landwirten bewährt, weil Naturschutzvereine die Dauerbeobachtungsflächen in Abständen von
die schwer zu pflegenden Wiesenbereiche mit etwa 3 – 5 Jahren erfasst und die vergleichende
Spezialtechnik mähen und die großflächige Pflege Vegetationskartierung im Abstand von 5 – 10 Jahren
der maschinengängigen Flächen von Landwirten wiederholt werden.
mit einem Nutzungsinteresse übernommen wird,
die das Mähgut verwerten und die Flächen nach 6 Zusammenfassung
der Mahd auch als Weidefläche nutzen.
Inwieweit sich die Entwicklung des Grünlandes im Im NSG Geisingberg im Naturschutzgroßprojekt
NSG Geisingberg weiter in Richtung der Projektziele „Bergwiesen im Osterzgebirge“ (Sachsen) wur
bzw. der Ziele des FFH-Managementplanes ent den seit Anfang der 1990er Jahre Untersuchungen
wickelt, hängt vor allem davon ab, ob es ge zu Dokumentation der angestrebten Erhaltung,
lingt, nach Ablauf der Projektförderung durch den Regeneration und Entwicklung artenreicher Grün
Bund eine Fortsetzung der naturschutzgerech landbiotope durchgeführt. So wurden Bergwiesen
ten Grünlandnutzung und Pflege zu erreichen. (Polygono-Trisetion) und Borstgrasrasen (Violion)
Von 2007 bis 2013 werden im NSG Geisingberg auf insgesamt 40 Dauerbeobachtungsflächen in
nach Abschluss der meisten ersteinrichtenden ehemaligen Brachflächen und Intensivweiden zwi
Maßnahmen des Naturschutzgroßprojektes durch schen 1993 und 1997 jährlich und dann wieder
ortsansässige Landwirte im Rahmen des Ver 2001, 2004 und 2007 untersucht. Durch eine
tragsnaturschutzes etwa 125 ha Wiesen regelmä Wiederholung der Vegetationskartierung des Grün
ßig gemäht, wobei für die Mehrzahl der Flächen lands am Geisingberg im Jahr 2006 im Rahmen ei
ein Mahdtermin zwischen 15. Juni und 31. Juli gilt. ner Diplomarbeit wurde die Entwicklung der Grün
Für ca. 12 ha wird eine naturschutzgerechte Be landvegetation seit der letzten Kartierung 1996
weidung und für 9,6 ha Feuchtflächen eine späte dokumentiert. Außerdem werden durch Mitarbeiter
Pflegemahd im Abstand von zwei Jahren gefördert, eines Naturschutzvereins die Bestände ausgewähl
79
ter gefährdeter Pflanzen- und Tierarten im Natur Erfüllung der Projektziele notwendig, auch weiter
schutzgebiet jährlich erfasst. Im Ergebnis der Unter- hin eine naturschutzgerechte Pflege und Nutzung
suchungen zeigen sich positive Auswirkungen der im NSG Geisingberg durchzuführen und ihre
Pflegemaßnahmen. So zeigen ehemalige Brach Auswirkungen durch vegetationskundliche Dauer
flächen bereits nach wenigen Jahren eine Rege beobachtungsflächen, Erfassungen botanischer
neration von Bergwiesen und Borstgrasrasen. und zoologischer Zielarten, in größeren Abständen
Auf diesen Flächen haben Charakterarten dieser auch durch Vegetations- und Biotopkartierungen zu
Gesellschaften und Magerkeitszeiger in Stetigkeit dokumentieren.
und Deckungsgrad zugenommen, und sowohl die
Zeigerwerte nach Ellenberg et al. (1991) als auch
der tabellarische Vergleich der Artenzusammen
setzung verdeutlichen eine zunehmende Ähnlichkeit
der Vegetation zu benachbarten artenreichen
Wiesen. Im ehemaligen Intensivgrünland, das teil
weise auf Ackerstandorten angelegt wurde, konnte
nach mehrjähriger zweischüriger Mahd bzw. Mahd
mit Nachbeweidung eine Verdoppelung der Artenzahl
in den Probeflächen sowie die Ausbreitung zahlrei
cher Wiesenarten festgestellt werden. Da sich hier
neben einzelnen Bergwiesen-Arten auch Arten der
Glatthafer-Frischwiesen angesiedelt haben, ist auch
über 15 Jahre nach Beginn der Pflegemaßnahmen
noch nicht klar, ob sich hier artenreiche submonta
ne Frischwiesen oder Goldhafer-Bergwiesen entwi
ckeln. Von den zur Bestandskontrolle ausgewähl
ten Zielarten haben sich besonders die Orchideen
Breitblättriges und Stattliches Knabenkraut auf
ehemaligen Weiden, ehemaligen Brachen sowie im
Alt-NSG aufgrund der Pflegemaßnahmen positiv
entwickelt. Bei Arnika und Niedriger Schwarzwurzel
sind die Trends aufgrund der Schwankungen in der
Blühaktivität schwer zu beurteilen, aber es zeichnet
sich zumindest eine Stabilisierung ihrer Bestände
ab.
80
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83
84
Mehrjährige Landschaftspflegeversuche Schafbestände dramatisch ein (siehe Tab. 1). Infol
auf verschiedenen Standorten gedessen wurde das Grünland als Futterfläche im
des Erzgebirges – bestehenden Umfang nicht mehr gebraucht. Ver
eine zusammenfassende Auswertung stärkt wurde diese Entwicklung dadurch, indem
das Gras für die verbliebenen Tiere zunehmend
durch hochenergetisches Futter (Mais) in den Fut
Jörg Döring
terrationen ersetzt wurde. Es zeichnete sich ab,
dass nur noch ein vergleichsweise geringer Anteil,
1 Einleitung
sehr hochwertigen Grünlands für den verbliebenen
Die Erkenntnisse, über die nachfolgend berichtet Viehbestandbenötigt würde.
wird, beruhen auf mehrjährigen Versuchen, die über Unter anderem aus diesem Grund bestand für das
Werkverträge im Auftrag des damaligen Sächsi damalige Staatsministerium für Umwelt die Frage,
schen Staatministeriums für Umwelt (SMU) sowie wie mit den naturschutz- und landeskulturell be
des Landesamtes für Umwelt und Geologie (LfUG) deutsamen extensiven und semi-extensiven Grün
an verschiedenen Versuchstandorten in den mittle landflächen künftig umzugehen sei. Im Hinblick da
ren bis oberen Lagen des Erzgebirges in Sachsen rauf sollte in diversen Landschaftspflegeversuchen
(siehe Abb. 1) durchgeführt wurden. In diesem Bei auf verschiedenen Standorten untersucht werden,
trag kann nur ein kleiner Teil der umfangreichen Er wie extensives bzw. zu extensivierendes Grünland
gebnisse auszugsweise und stark komprimiert wie unter natur- und landschaftspflegerischen Gesichts
dergegeben werden. punkten zu nutzen bzw. zu pflegen ist. Ökonomi
sche Fragestellungen sollten dabei partiell mit be
Die Bearbeitung der Landschaftspflegeversuche trachtet werden.
von Börnchen im Osterzgebirge, nahe Glashütte, er Bereits im Jahr 1992 wurde durch das Versuchs
folgte durch Dr. U. Auerswald (Bodenanalytik, Land- gut der Universität Leipzig in Börnchen (Osterzge
nutzung), der Mitarbeiter M. Förster, C. Hept birge), das ÖkoProjekt Elberaum, der Sächsischen
ing, B. v. Blanckenhagen des Büro AVENA sowie Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) sowie dem
C. Noppe (floristische und vegetationskundliche SMU ein Versuchskonzept erarbeitet. Später wur
Erhebungen). Die botanischen Erhebungen an den den Versuchsflächen der LfL an weiteren Standor
Standorten Gopplasgrün in der Nähe von Mark ten in das Vorhaben einbezogen.
neukirchen sowie Forchheim (bei Pockau) wurden Übergeordnetes Ziel der Untersuchungen sollte es
durch U. Fischer (Büro für Landschaftsökologie & sein, unter praxisnahen Bedingungen die Entwick
Landschaftsplanung) durchgeführt. Im ersten Jahr lung von Grünlandflächen durch extensivere Nut
wurde er dabei am Standort Gopplasgrün durch zungs- bzw. Pflegeformen zu dokumentieren. Im
M. Fleischer unterstützt. Vergleich dazu wurden einzelne Flächen aus der
Allen Beteiligten sei an dieser Stelle ausdrücklich für Nutzung genommen, um Verlauf und Geschwin
ihr Engagement gedankt. digkeit des Sukzessionsprozesses zu beobachten.
In Abhängigkeit der Versuchshistorie unterscheidet
Mit der politischen Wende 1989/90 kam es auch sich z. T. der Untersuchungsumfang für den jewei
in der sächsischen Landwirtschaft zu tiefgreifenden ligen Standort. Ein Versuchsstandort der LfL im
Umwälzungen. So brachen u. a. die Rinder- und Flachland in der Nähe von Kalkreuth wurde infolge
85
Abb.: 1 Karte Sachsen mit Versuchsstandorten
86
und Gley als hydromorphe Bodentypen. Geomor grusige, vorwiegend aber sandig-lehmige Braun
phologisch weisen die Untersuchungsflächen eine erden mit mittlerer nutzbarer Wasserkapazität und
mehr oder weniger starke Hängigkeit auf. mittlerem bis geringem Nährstoffpotenzial entwi
Klimatisch befindet sich das Gebiet unter leicht kon ckelt haben. Die schwach sauren bis sauren Böden
tinentalem Einfluss. Die Höhe der Niederschlags besitzen ein mittleres Ertragsvermögen. Geomor
summen liegt im Durchschnitt der Jahre 1992 bis phologisch betrachtet ist die Untersuchungsfläche
2004 bei ca. 850 mm, während sich die Jahresdurch nicht in irgendeine Richtung exponiert, sondern ist
schnittstemperatur für diesen Zeitraum auf 6,6 °C relativ eben. Klimatisch liegt das Untersuchungs
beläuft (Auerswald et al. 2005). gebiet im Übergangsbereich von subatlantisch zu
kontinental geprägtem Klima mit durchschnittlichen
Gopplasgrün Jahresniederschlagssummen von 900 mm und
Der Versuchsstandort Gopplasgrün liegt in der Ge Jahresdurchschnittstemperaturen von 5,5 - 7,0 °C.
meinde Erlbach nordöstlich von Markneukirchen Im Hinblick auf die Nutzungsgeschichte des Stand-
im Landkreis Vogtland. Naturräumlich wird dieses ortes gibt es wenig konkrete Informationen (s. u.).
Gebiet dem Westerzgebirge zugerechnet. Als geo
logisches Ausgangsmaterial herrschen am Versuch 2.2 Informationen zu den Versuchsflächen
standort relativ basenarme Phyllite vor, die zudem
durch einen sehr niedrigen Phosphorgehalt gekenn Börnchen
zeichnet sind. Der Versuch der LfL wurde an einem Die Versuchsanlage am Standort Börnchen unter
leicht nach Süd-West geneigten Hang in einer Höhe schied sich deutlich von der an den beiden o. g.
von ca. 550 Meter ü. NN. angelegt. Aus dem o. g. Standorten Gopplasgrün und Forchheim.
Ausgangsgestein entwickelte sich als Bodentyp ei Während es sich bei den beiden Letztgenannten um
ne Berglehm-Braunerde mit vergleichsweise gerin klassische Blockversuchsanlagen handelte, wurden
gem Nährstoffpotenzial. Entsprechend der Boden- die Versuchsvarianten in Börnchen sehr praxisnah
art „lehmiger Sand“ ist die Wasser- und Luftführung auf ganzen Grünlandschlägen bzw. -teilschlägen
gut bis eingeschränkt. Die durchschnittliche Jahres getestet.
niederschlagssumme im Gebiet liegt bei 860 mm; Eine Übersicht über die frühere Nutzung der Unter
die mittlere Jahrestemperatur beträgt 5,8 °C. suchungsflächen vermittelt die Tabelle 2.
Der Standort wurde vor seiner Inbetriebnahme als
Versuchsanlage (April 1993) seit jeher intensiv (u. a. Gopplasgrün
melioriert) als Grünland genutzt. Eine Erneuerung Die Mahd-Versuchsfläche in Gopplasgrün wurde
des Grünlandes erfolgte in den Jahren 1985 und in der Mitte der 80er Jahre mit einer speziellen
1988 mit speziellen Saatmischungen. Angaben zur Grünlandsaatmischung (26 kg/ha) bestehend aus
Bestandszusammensetzung vor der Grünlander Wiesenschwingel (15 kg), Ausdauerndem Weidel
neuerung liegen nicht vor. gras (2 kg), Wiesenrispe (4 kg), Wiesenlieschgras
(3 kg), und Weißklee (2 kg) eingesät. Eine Nachsaat
Forchheim erfolgte 1988 mit: Wiesenschwingel (12 kg), Wie
Im Jahr 1999 wurde von der LfL ein Versuch mit senschweidel (5 kg) Ausdauerndem Weidelgras (3
dem Arbeitstitel „Mindestnutzung von Bergwiesen“ kg), Wiesenlieschgras (1 kg), Weißklee (2 kg) und
neu im Landkreis „Mittlerer Erzgebirgskreis“ ange Rotklee (2 kg). Die Sukzessionsfläche hingegen
legt. Seit 2000 diente dieser Versuch für das LfUG wurde Anfang der 80er Jahre (1982/1983) letztmalig
als Ersatzstandort zur Durchführung von floristisch- beweidet und anschließend sich selbst überlassen.
vegetationskundlichen Untersuchungen für die auf
gegebenen Flächen des Versuchsstandortes in Forchheim
Kalkreuth bei Großenhain. Naturräumlich betrach Es ist nur bekannt, dass die Fläche individuell mehr
tet befindet sich der neue Standort am östlichen oder weniger extensiv von Kleintierhaltern genutzt
Rand des Naturraumes „Mittleres Erzgebirge“ in ei wurde. Neben der Mahd für die Grünfutter- und Heu
ner Höhe von ca. 555 Metern ü. NN. (siehe Abb. 1). gewinnung erfolgte auch Beweidung mit Schafen.
Das geologische Ausgangsmaterial des Standor Vermutlich wurde auch gedüngt, da die Fläche leicht
tes stellen Gneise dar, aus welchen sich sandig intensiviert erscheint und teilweise hochwüchsig und
87
Parzelle Maßnahme Höhenlage Historische Nutzung
Nr. Versuch NN
Exposition
dicht ist. Vor Einrichtung der Versuchsanlage lag die ausrichtung spielte, wurden an den beiden anderen
Fläche kurze Zeit brach. Standorten ausschließlich mechanisch durchge
führte Landschaftspflegemaßnahmen im Rahmen
der Begleituntersuchungen betrachtet.
2.3 Die Versuchsvarianten
88
Börnchen Forchheim Gopplasgrün
Zweimaliges Mähen
Einmaliges Mähen Einmaliges Mähen
(15.6./10.9.) mit Beräumung
mit Beräumung (jährlich) mit Beräumung (jährlich)
(jährlich) ohne Düngung
Zweimaliges Mähen
Einmaliges Mulchen (15.6./10.9.) mit Beräumung Einmaliges Mulchen (jährlich)
(jährlich) mit Düngung
Einmaliges Mähen
Zweimaliges Mulchen mit Beräumung (jährlich Mitte Zweimaliges Mulchen (jährlich)
September) ohne Düngung
Einmaliges Mulchen
Extensive Standweide (I) Jährlicher Wechsel:
(jährlich Mitte September)
mit 1 GV/ha 1 x Mulchen, 1 x Mähen
ohne Düngung
Einmaliges Mähen
Extensive Standweide (II)
mit Beräumung (jährlich Mitte Überjähriges einmaliges Mähen
mit 1,3 GV/ha
September) mit Düngung
Jährlicher Wechsel
Überjähriges einmaliges
Ungestörte Sukzession zwischen Mulchen und Mähen
Mulchen
(Mitte September)
89
einer Frühjahrsbonitur erfolgte eine Spätsommer-/ 3.3.1 Aufnahmeverfahren
Herbstbonitur zum jeweils phänologisch günstigs
ten Zeitpunkt. In den Folgejahren wurde auf die Die Bestanderfassung erfolgte qualitativ und semi
Herbstbonitur verzichtet, da Aufwand und Erkennt quantitativ. Nach Erstellung einer Gesamtartenliste
nisgewinn in keinem angemessenen Verhältnis zuei und der Bestimmung der Vegetationseinheiten aller
nander standen. Am Standort Börnchen fanden je Versuchsflächen wurde die halbquantitative Erfas-
weils zu Beginn und Beendigung der Untersuchun sung der Dauerbeobachtungsflächen nach einer
gen eine flächendeckende Vegetationskartierung im auf Braun-Blanquet basierenden und durch Pfa
Maßstab von 1 : 1.000 bis 1 : 2.000 statt, um zu denhauer (Pfadenhauer et al. 1986) modifizierten
dokumentieren, wie und in welchem Umfang sich Deckungsgradschätzung durchgeführt (siehe Ta
Änderungen in den Vegetationseinheiten innerhalb belle 4). Zudem wurde für wenige ausgewählte
von 10 Jahren herausgebildet haben. Einzelne, hin Arten die Individuenzahl bestimmt. Nach erfolg
sichtlich ihrer naturschutzfachlichen Bedeutung und ter pflanzensoziologischer Charakterisierung der
zur differenzierten Interpretation der Vegetationsent Untersuchungsflächen wurden in den ausgewiesen
wicklung wichtige Arten und Artengruppen wurden Teilflächen (Börnchen) bzw. Einzelblöcken (Gop
näher betrachtet. Die ökologische Charakterisierung plasgrün und Forchheim) 2 m x 2 m große Dau
dieser Arten erfolgte nach Ellenberg (1992). erbeobachtungsflächen (DBF) mittels dauerhafter
Markierung eingerichtet. Auf den Versuchsparzellen
Gopplasgrün der Versuchsvariante „Sukzession“ wurden Tran
Für pflanzensoziologische Fragestellungen konnte sekte mit einer unterschiedlichen Zahl von 1 m²
die Versuchanlage in Gopplasgrün nur sehr ein (Börnchen) bzw. 4 m² (Gopplasgrün) großen Beob
geschränkt in Anspruch genommen werden, da die achtungsquadraten angelegt. Die geringe Fläche in
Anlage relativ klein und dadurch störanfällig ist (Ein Börnchen wurde auf Grund der Nässe des Stand
fluss benachbarter Versuchsvarianten). ortes zur Vermeidung von Trittschäden innerhalb der
Aufnahmefläche gewählt.
Forchheim Am Versuchsstandort Börnchen kamen im Jahr
Am Standort Forchheim bestand hinsichtlich der 1996 in Folge der Etablierung einer neuen Nutzungs-
Untersuchung pflanzensoziologischer Aspekte das variante „Mähweide“ weitere Dauerbeobachtungs
gleiche Problem wie am Versuchsstandort Gopp flächen hinzu. Als Kontrollfläche diente hier eine
lasgrün. In diesem Zusammenhang als noch un konventionell genutzte Weide, die intensiv beweidet
günstiger als in Gopplasgrün erwies sich die „grün und nachgemäht wurde.
landfremde“ Nutzung der unmittelbaren Umgebung
(Acker/Gehölz).
+ 1 0,5
1a 1-3 2
1b 3-5 4
2a 5 - 12,5 8,75
2b 12,5 - 25 18,75
3 25 - 50 37,5
4 50 - 75 62,5
5 75 - 100 87,5
90
3.4 Untersuchungen zur Diasporenbank am 3.6 Fotografische Dokumentation
Standort Börnchen
Ziel der fotografischen Dokumentation war es, mit
Ausschließlich am Standort Börnchen wurde zu vergleichsweise wenig Aufwand die Entwicklung
Beginn der Landschaftspflegeversuche eine Ana der Pflanzenbestände über mehre Jahre zu doku
lyse der Diasporenbank vorgenommen. Ziel dies mentieren, um so strukturelle Veränderungen zu ver
bezüglich war es, den Gesamtvegetationsbestand, deutlichen. Trotz der Schwächen dieses Vorgehens,
also inklusive der reproduktionsfähigen Überdaue wurde diesem Verfahren der Vorzug vor dem viel ar
rungsstadien des Pflanzenbestandes, zu erfassen, beitsaufwändigeren Kartieren der Vegetationsstruk
um u. a. Aussagen treffen zu können, über wel tur gegeben.
ches Wiederbesiedlungspotenzial diese Flächen
verfügen.Dazu wurden von jeder Fläche 25 Proben
3.7 Versuchsauswertung
je 50 cm², was einer Gesamtfläche von 0,125 m²
entspricht, mit einem Wurzelbohrer (Durchmesser Die Auswertung der Bonituren erfolgte bei Fischer
25 cm²) entnommen und nach der Auflaufmetho (1995) tabellarisch, in dem die Entwicklung des De
de von Poschlod & Jackel (1993) untersucht. Eine ckungsgrades für die einzelnen Arten über die Jahre
zusätzliche Schale mit gedämpfter, keimfreier Erde wiedergegeben wurde. Die Bestandsentwicklung
diente als Kontrollprobe. ausgewählter Arten wurde durch die Darstellung in
einem neunfeldrigen Raster innerhalb der Dauer
quadrate visualisiert. Vorrangig in Säulendiagram
3.5 Einbringen von Diasporen mittels
men wurde die Entwicklung des Verhältnisses öko
Mähgutaufbringung
logischer Gruppen dargestellt. Förster et al. (2000)
am Standort Börnchen
nutzten zur Auswertung ihrer Erhebungen das Ordi
Eine weitere Fragestellung bzw. Sonderunter nationsverfahren Detrended Correspondence Ana
suchung, die am Standort Börnchen stattfand, be lyses (DCA).
zog sich auf die aktive Einbringung („Impfung“) von
Diasporenmaterial vergleichbarer Pflanzenbestände Mittels eines entsprechenden Computerprogramms
aus naturräumlicher Nähe auf eine Teilfläche des (DECORANA) war eine relativ einfache Darstellung
Untersuchgebietes. Als Impfmaterial wurde in den der Entwicklungsrichtung des Pflanzenbestandes
Empfängerparzellen (Mahdflächen) auf einer Fläche möglich.
von etwa 18 m² Heu aufgebracht.
91
4 Ergebnisse Die Kaliumversorgung ist, geogen bedingt, ver
gleichsweise hoch. Für den Standort Forchheim
4.1 Zusammenfassende Betrachtung liegen Analyse-Ergebnisse der Landesanstalt für
der Bodenkennwerte Landwirtschaft über einen Zeitraum von mehreren
Jahren vor (siehe Abb. 6 bis 9). Eindeutige Trends
Erfreulicherweise lagen für den Versuchsstandort lassen sich aus den Werten kaum ablesen, die
Börnchen bereits aus dem Jahr 1987 Ergebnisse Schwankungsbreite der Werte zwischen einzelnen
von Bodenuntersuchungen für einen Teil der Unter Jahren ist oft größer als die Wertedifferenz zwischen
suchungsflächen vor, so dass auf einen vergleichs Anfangs- und Abschlussjahr. Für den Versuchs
weise langen Zeitraum zurückgeblickt werden kann. standort Gopplasgrün liegen entsprechende Boden
Einen Überblick zu den Durchschnittswerten der analyse-Ergebnisse leider nicht vor.
einbezogenen Versuchsparzellen geben die Abbil
dungen 2 bis 5. Aus ihnen können folgende Ent
wicklungen für die verschiedenen Bodenparameter
auf den Versuchsflächen am Standort Börnchen
abgelesenund festgehalten werden:
Die Entwicklung des pH-Wertes weist sowohl
zwischen den Jahren innerhalb des Beobach
tungszeitraumes als auch im Vergleich zwischen
den Untersuchungsflächen keine eindeutig gerich
tete Entwicklung auf. Die Phosphorversorgung des
Bodens bewegt sich insgesamt auf einem sehr
niedrigen Niveau, wobei insgesamt im Verlauf der
Jahre bezogen auf die Gesamtuntersuchungsfläche
eine Senkung des P-Gehaltes feststellbar war.
Pz. 33 Weide
4,3
Pz. 34 Weide
4,1
Pz. 31 Weide
3,9
Pz. 37 Weide
Abb. 2
92
Magnesium
13
Pz. 10 Mahd
11 Pz. 18 Mulchen
Pz. 17 Sukzession
mg/100 g Boden
9
Pz. 33 Weide
Pz. 34 Weide
7
Pz. 31 Weide
5 Pz. 37 Weide
Pz. 39 Weide
3
1987 1994 2004
Abb. 3
Phosphor
9 Pz. 10 Mahd
8 Pz. 18 Mulchen
7 Pz. 17 Sukzession
mg/100 g Boden
6
Pz. 33 Weide
5
Pz. 34 Weide
4
Pz. 31 Weide
3
Pz. 37 Weide
2
Pz. 39 Weide
1
1987 1994 2004
Abb. 4
Kalium
Pz. 10 Mahd
32
Pz. 18 Mulchen
27
mg/100 g Boden
Pz. 17 Sukzession
22 Pz. 33 Weide
Pz. 34 Weide
17
Pz. 31 Weide
12
Pz. 37 Weide
Pz. 39 Weide
7
1987 1994 2004
Abb. 5
Abb. 2 bis 5: Bodenanalysewerte Standort Börnchen (Auerswald et al. 2005)
93
pH-Wert
Mähen 2x jährlich
6,5
6,1
Mähen 2x jährlich
und Düngung
5,9
Mähen 1x jährlich
5,7
5,3
Mähen 1x jährlich
und Düngung
5,1
jährlicher Wechsel
von Mahd und
4,9 Mulchen, 1999 Mahd
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Abb. 6
Phosphor
3,5
Mähen 2x jährlich
3
Mulchen 2x jährlich
2,5
Mähen 2x jährlich und Düngung
mg/100g Boden
2
Mähen 1x jährlich
1,5
Mulchen 1x jährlich
1
Mähen 1x jährlich und Düngung
Abb. 7
94
Kalium
12
Mähen 2x jährlich
10
Mulchen 2x jährlich
6 Mähen 1x jährlich
Mulchen 1x jährlich
4
Mähen 1x jährlich und Düngung
2
jährlicher Wechsel von Mahd und
Mulchen, 1999 Mahd
0
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Abb. 8
Magnesium
20
18
Mähen 2x jährlich
16
Mulchen 2x jährlich
14
mg/100g Boden
10
Mähen 1x jährlich
8
Mulchen 1x jährlich
6
Abb.9
Abb. 6 – 9: Bodenanalysewerte am Standort Forchheim (Quelle: LfL 2006)
95
4.2 Zusammenfassende Betrachtung der Versuchsperiode etwa ab Mitte des Beobach
der Ertragswerte tungszeitraumes auf einem je nach Variante niedrigen
bis sehr niedrigen Niveau stabilisierten. An den bei
Eine Übersicht über die Ertragsentwicklung auf den den Standorten mit Blockversuchsanlagen in Gopp
untersuchten Flächen geben die Abbildungen 10 bis lasgrün und Forchheim kann generell kein gerichte
12. Insgesamt wird ersichtlich, dass sich die Erträ ter Trend bei den Trockenmasseerträgen festgestellt
ge am Versuchsstandort Börnchen in allen Varianten werden.Die Werte schwanken in allen Versuchsvari
nach einem sehr starken Rückgang im ersten Drittel anten von Jahr zu Jahr mehr oder weniger stark.
TM dt/ha Jahr
100 1 x Mahd
90 2 x Mahd
80
1 x Mulchen
70
2 x Mulchen
60
50 Standweide 33 (1,0 GV)
30
Standweide 31 (1,3 GV)
20
10 Standweide 37 (1,3 GV)
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
TM dt/ha Jahr
2 x Mahd jährlich
100
90 2 x Mulchen jährlich
80
1 x Mahd jährlich
70
1 x Mulchen jährlich
60
50 Jährlicher Wechsel
Mahd/Mulchen
40
1 x Mahd überjährig
30
20 1 x Mulchen
überjährig
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
TM dt/ha Jahr
75 2 x Mahd
jährlich
70
2 x Mulchen
jährlich
65
2 x Mahd
60 jährlich und
Düngung
55 1 x Mahd
jährlich
50
1 x Mulchen
jährlich
45
40 1 x Mahd
jährlich und
Düngung
35
Jährlicher
Wechsel
30 Mahd/Mulchen
96
Abb. 13
Abb. 14
Abb. 13 und 14: Karten Vegetationseinheiten
97
4.3 Entwicklung der Vegetation gesellschaft seit Untersuchungsbeginn als sehr stabil
erwiesen. Diese Beobachtung bestätigt die bereits
Börnchen von vielen Naturschützern und Landschaftspflegern
Der beispielhafte kartografische Vergleich (siehe gemachten Erfahrungen.
Abb. 13 und 14) der Vegetationskartierung der Par-
zellen 31, 37 und 39 zeigt, wie sich die Pflanzen Forchheim
gesellschaften bzw. Vegetationseinheiten im Unter Wie der Standort Gopplasgrün befindet sich auch
suchungsgebiet unter dem Einfluss verschiedener Forchheim unter ökologisch-pflanzensoziologischen
Nutzungsregimes von Beginn der Untersuchungen Gesichtpunkten im submontanen Übergangsbe
bis zum Jahr 2005 entwickelt haben. Zur differen reich des Arrhenaterions zum Polygono-Trisetion.
zierteren Beschreibung der Vegetation der Unter Als mögliche Zielgesellschaften wurden demzu
suchungsflächen wurden gebietsspezifische Un folge auch das Arrhenatherion elatioris Koch 1926
tereinheiten, die nicht den Rang einer Assoziation (Tieflagen-Frischwiesen) sowie Polygono-Trisetion
aufweisen, benannt. Insgesamt betrachtet ist eine Br.-Bl. et R. TX. ex Marschall 1947 (Gebirgs-Frisch
naturschutzfachliche Aufwertung des Pflanzen wiesen) angesehen. Bei der Charakterisierung der
bestandes auf 17 % der Gesamtversuchsfläche Vegetationseinheiten ließen nach Beendigung des
feststellbar. Dabei spielt insbesondere die durch Untersuchungszeitraumes nur die Varianten 1 (jähr
zunehmende Aushagerung bedingte Verbesserung lich zweimal Mahd ohne Düngung) und 4 (jährlich
der Weideflächen eine Rolle. In der Tabelle 5 wer einmal Mahd ohne Düngung) eine weitergehende
den die relevanten raumbezogenen Veränderungen Differenzierung zu. Alle anderen Varianten konnten
der Grünlandgesellschaften am Versuchsgut Börn in ihrer Ausbildungsform lediglich auf Ordnungs
chen aufgezeigt. Entwicklungen der Pflanzengesell ebene als Arrhenateralia-Basalgesellschaft ange
schaften bzw. Vegetationstypen in den verschie sprochen werden.
denen Versuchsparzellen, die aus Naturschutz Für die Variante 1 stellte Fischer (2004) Anklänge
sicht wünschenswert sind, werden in der Tabelle 6 zur submontanen Goldhaferwiese fest, dessen
dargestellt. Nicht erfasst sind hierbei Änderungen taxonomische Einordnung seiner Meinung nach
von Arten und Abundanzen, die sich unterhalb allerdings noch sehr umstritten ist. Die Ausprägung
der Ebene der Vegetationseinheiten abspielen. des Bestandes der Variante 4 erlaube nach Fischer
eine Ansprache als Rotschwingel-Straußgras-
Gopplasgrün Gesellschaft (Festuca rubra-Agrostis capillaris-
Das Gebiet mit den Versuchsflächen befindet sich in Gesellschaft).
submontaner Lage und somit im Übergangbereich
des Arrhenatherions zum Polygono-Trisetion. Beide
Gesellschaften wurden von Fischer (1995) als po
tenzielle Zielgesellschaften für das Gebiet benannt.
Auf Grund der Nutzungsüberformung sind die ak
tuellen (2004) Gesellschaftsausprägungen je nach
Versuchsvariante mehr oder weniger weit von den
potenziellen Zielgesellschaften entfernt. Dem Zielzu
stand am nächsten kommt die Versuchsfläche mit der
Variante „zweimal jährliche Mahd“, sie zeigt Entwick
lungen in Richtung Höhenform der Glatthaferwiesen
(Alchemillo-Arrhenatheretum elatioris) auf. Alle an
deren Varianten, mit Ausnahme der Variante „jähr
lich einmaliges Mähen“, welche erste Anklänge zum
Alchemillo-Arrhenatheretum elatioris zeigt, können
infolge des weitgehenden Fehlens charakterisieren
der Arten i. d. R. lediglich als Basalgesellschaften
des Arrhenateralia angesprochen werden. Im Suk
zessionsbereich hat sich die Mädesüß-Dominanz
98
1995 2005 Differenz 2005 zu 1999
Pflanzengesellschaft Fläche Fläche Veränder- Ab- bzw.
(m²) (m²) ung (m²) Zunahme
in %
Alopecurus pratensis-Gesellschaft 8.330 1.920 -6.410 -77,0
Tab. 5: Veränderung der Flächengröße der Pflanzengesellschaften, Versuchsgut Börnchen 1995 – 2005 (AVENA 2005)
99
1995 2005 Parzelle
Alopecurus pratensis- Festuca rubra-Meum athamanticum-
Pz. 10
Gesellschaft Gesellschaft
Lolio-Cynosuretum Artenarmes Festuco-Cynosuretum Pz. 33, 34, 39
Festuca rubra-Meum athamanticum-
Lolio-Cynosuretum Pz. 34
Gesellschaft
Rumex obtusifolius-Dominanz Lolio-Cynosuretum Pz. 34, 37, 39
Aus verschiedenen Gründen war es nicht möglich, aber in der Diasporenbank vorkamen, konnten sich
die Diasporen zum versuchstechnisch günstigsten neu in verschiedenen Parzellen etablieren. Von die
Zeitpunkt zu bestimmen. Bei der Probenaussaat im sen zehn Arten können wiederum 5 den Acker- und
Herbst (Herbstkultivierung) lag die Zahl der Diaspo Trittrasengesellschaften zugeordnet werden.
ren auf den Versuchsflächen mit durchschnittlich Von Arten der Diasporenbank, die bis zum Unter
1.100 Diasporen pro m² deutlich unter der der Früh suchungsende nicht in der aktuellen Vegetation auf
jahrskultivierung (ca. 5.400 pro m²). Die nachfolgen traten, können die meisten den Ackerwildkräutern
den Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die und Tritt- und Ruderalpflanzen zugeordnet werden.
Ergebnisse der Frühjahrskultivierung. Die mit Ab Zu ihnen zählen Acker-Schmalwand (Arabidopsis
stand meisten Diasporen traten in der Sukzessions- thaliana), Sumpf-Ruhrkraut (Gnaphalium uligino-
parzelle mit ~10.200 pro m², die wenigsten in der sum), Mittlerer Wegerich (Plantago intermedia),
konventionell als Weide genutzten Kontrollparzelle Liegendes Mastkraut (Sagina procumbens), Raue
(730 pro m²) auf. Dabei wies die Sukzessionsparzel Gänse-Distel (Sonchus asper), Rote Schuppen-
le mit 45 Sippen auch den höchsten Artenreichtum Miere (Spergularia rubra) und Geruchlose Kamille
auf. (Tripleurospermum perforatum).
Die häufigsten Arten im Samenvorrat der unter
suchten Flächen waren Stumpfblättriger Ampfer 4.5 Eintrag von Diasporen mittels Mähgut-
(Rumex obtusifolius), Rotes Straußgras (Agrostis ca- aufbringung am Standort Börnchen
pillaris) und Einjährige Rispe (Poa annua). Viele der
in der Diasporenbank nachgewiesenen Arten zäh Für keine der aktuell in den relevanten Versuchs
len zu den Ackerwildkräutern, was auf eine frühe parzellen vorkommenden Arten konnte mit Sicher
re Ackernutzung einiger Flächen hinweist. Auf allen heit belegt werden, dass sie durch Beimpfung mit
Flächen ist die Artenanzahl der aktuellen Vegetation Mähgut im Vegetationsbestand etabliert wurden. Die
deutlich höher als die der Diasporenbank. Arten der Ansiedlung der Perücken-Flockenblume (Centaurea
temporären Samenbank (< 2 Jahre) waren entwe pseudophrygia) in der Versuchsfläche ist jedoch mit
der schon vorher gekeimt oder durch Verlust (z. B. hoher Wahrscheinlichkeit auf die Impfaktion zurück
Keimfähigkeit/Prädatoren) nicht mehr vorhanden. zuführen. Der kleine Klappertopf (Rhinanthus minor),
Die meisten der in der Diasporenbank nachge der vorher nicht im Areal vorkam und sich in der Ver
wiesenen Arten kamen bereits zu Versuchsbeginn suchsparzelle ansiedelte, hat sich offensichtlich nicht
im aktuellen Pflanzenbestand vor. Zehn Arten, die dauerhaft halten können. Seit der Vegetationsperiode
zuvor nicht im Pflanzenbestand zu finden waren, 2000 konnte die Art nicht mehr festgestellt werden.
100
Aspekt beherrscht wird, über den Gesamtversuchszeit-
raum betrachtet, kaum nennenswerte Entwicklun
gen auf. Lediglich in einer Dauerbeobachtungsfläche
konnte im Verlauf ein stetiger Artenzuwachs beobach
tet werden. Die geringe Dynamik im Gesamtbestand
schließt jedoch nicht aus, dass einzelne Arten (z. B.
Agrostis capillaris s. u.) durchaus bedeutende Ände
rungen bezüglich des Deckungsgrades aufwiesen.
Mulchen
Durch das Mulchen konnte keine bedeutende Aus
magerung der nährstoffreichen Versuchsstandorte
Abb. 15: Perücken-Flockenblume (Centaurea pseudophrygia) erzielt werden. Ein registrierter leichter Ertrags
Foto: Archiv Naturschutz LfULG, Avena rückgang ist vermutlich auf ungünstiger werdende
Wachstumsbedingungen zurückzuführen. Ein posi
4.6 Die Entwicklung von Vegetationsstruktur, tiver Effekt im Hinblick auf die Entwicklung der Pflan
Artenzahlen und -mächtigkeiten sowie zengemeinschaften in Richtung Zielgesellschaften
Zeigerwerten in den Dauerbeobachtungs- konnte mit der Maßnahme ein- und zweimaliges
flächen der Versuchsvarianten jährliches Mulchen nicht erreicht werden.
101
Variante: Sukzession Variante: Extensivbeweidung I mit 1,0 GV/ha
In der bereits seit 1991 der Sukzession überlassenen (Parzellen 33 und 34)
Fläche wird mehr und mehr der typische Brachever Tendenziell nimmt in den mit geringerer Intensität
lauf sichtbar. Neben der Ausbreitung typischer Bra beweideten Flächen sowohl die Anzahl als auch die
chezeiger und dem durch Auteutrophierung beding Deckung von sogenannten „Fettweide-Arten“ ab.
ten verstärkten Hervortreten typischer Stickstoffzei Eine Vorverlegung des Beweidungstermins nach
ger, kommt es insbesondere in den Randbereichen fünfjähriger Versuchszeit sorgte dafür, dass bereits
der Parzelle zu einer Ausdehnung der Gehölze (Vor etablierte Gehölze sowie das Weiche Honiggras an
waldstadien). Nach einer mehrjährigen Phase der Dominanz verloren. Einzelne Dauerbeobachtungs
relativen Stagnation (1994 – 2001) zu Beginn des flächen dokumentieren gut das selektive Fraßver
Versuches auf einem mehr oder weniger niedrigen halten der Rinder bei geringer Besatzdichte. So
Niveau, siedeln sich im Schutze der bereits etablier konnten hier trotz der geringen Besatzdichte inten
ten Gehölze immer mehr Jungpflanzen an. Die größ siv befressene Flächen in Ausprägung des Lolio-
ten Individuen der Birken und Erlen erreichen inzwi Cynosuretums mit einer konstant hohen Deckung
schen Höhen von 7 bis 9 mbei einem Stammdurch- typischer Weidezeiger wie Weißklee und Weidelgras
messer in 1,5 m Höhe von bis zu 12 cm. Dass dies festgestellt werden.
nicht nur eine einseitig in Richtung Gehölzzuwachs
laufende Entwicklung sein muss, zeigt die Bestan Variante: Beweidung mit Nachmahd
desentwicklung der anfänglich sehr stark vertrete (Teilstück der Parzelle 34)
nen Kanadischen Pappel (Populus canadensis), Die Entwicklung des Vegetationsbestandes in
die durch Krankheit und Wildverbiss so geschä dem seit dem Jahr 2000 nachgemähten Teilstück
digt wurde, dass sie wieder aus dem Bestand ver der Parzelle 34 weist auf eine Aushagerung hin.
schwand. Interessant ist über die Jahre betrachtet Mit einer Ausnahme lassen die Vegetationsauf-
die Dynamik im Wechsel bestimmter Arten. So brei nahmen in den Dauerbeobachtungsflächen insge
teten sich z. B. im Laufe der Jahre die Stickstoff samt einen Trend zu einer größeren Artenvielfalt in
zeiger Zaun-Giersch und Bunter Hohlzahn jeweils dieser Versuchsvariante erkennen.
wechselseitig die eine Art auf Kosten der anderen
aus. Variante: Extensive Beweidung II mit 1,3 GV/ha
(Parzellen 31, 37, 39)
Bestandeszusammensetzung und -ausprägung las
sen für die Weideparzelle 31 eine Aushagerung
erkennen, die bislang allerdings noch keinen Wech
Abb. 16: Extensivweide II; Pz. 39, Unterhang (Vordergrund); Pz. 31 (Hintergrund) (AVENA 1996 – 2004)
Foto: Archiv Naturschutz LfULG, AVENA
102
sel auf der Pflanzengesellschaftsebene darstellt. Witterungsverhältnissenim jeweiligen Jahr bestimmt,
Die Bestände sind nach wie vor einem artenarmen wie die Auswertung der floristischen Aufnahmen ins
Festuco-Cynosuretum bzw. Lolio-Cynosuretum zu gesamt zeigt. So ist zum Teil die Gesamtartenzahl
zuordnen. im Beobachtungszeitraum vergleichsweise wenig
verändert, während es von Jahr zu Jahr zu teils er
Die Parzelle 37 bietet geomorphologisch bedingt heblichen Veränderungen kommen kann.
ein sehr heterogenes Bild in der Bestandszu
sammensetzung. Im Transekt stehen sehr magere Eine einfache quantitative Bewertung ohne Betrach
Flächen sehr fetten Flächen gegenüber. Insgesamt tung der qualitativen Aspekte bei der Artenzusam
sind die Reaktionen des Gesamtbestandes auf mensetzung des Bestandes ist nicht zielführend, da
die Art der Nutzung über den gesamten Versuchs eine alleinige Artzunahme noch nichts über einen
zeitraum gesehen relativ gering, während, betrach verbesserten Flächenzustand im naturschutzfach
tet man die Entwicklung einzelner Arten, vergleichs lichen Sinne ausdrückt. Trotzdem kann die Arten
weise starke Änderungen spürbar waren, so z. B. zunahme in ca. 70 % der Dauerbeobachtungsflä
bei Hieracium pilosella und Rumex acetosella. Beide chen als positiver Trend zu insgesamt extensiveren
Arten konnten nach anfänglicher Abnahme wieder Verhältnissen gewertet werden. Offensichtlich spielt
ihr ursprüngliches Bestandesniveau erreichen oder hier v. a. der allgemein geringere Nährstoffeintrag
gar übertreffen. Im Gegensatz zu den anderen un eine bedeutende Rolle.
tersuchten Weideparzellen, wurde die Parzelle 39 bis
zum Versuchsbeginn regelmäßig gedüngt. Demzu Zur besseren Verdeutlichung der Entwicklungs
folge wirkt die extensivierte Nutzung hier offensicht trends teilt Fischer (2000) die Sippen in Anlehnung
licher. Dokumentiert wird dies insbesondere durch an die Zeigerwerte von Ellenberg et al. (1992) in vier
die starke Zunahme von Agrostis capillaris sowie verschiedene Gruppen. Als Stickstoffzeiger werden
Festuca rubra und den starken Deckungsgradver Arten mit den N-Zahlen 8 und 9 eingestuft, als Aus
lusten von Trifolium repens und Lolium perenne im hagerungszeiger solche mit N-Zahlen 4 und 5 und
Bereich des Mittelhanges. als Magerkeitszeiger solche mit den N-Zahlen 1 bis 3.
Alle anderen Arten mit weiterer ökologischer Ampli
Kontrollfläche: Intensive Beweidung mit Nachmahd tude werden als N-zeigerindifferent eingestuft.
(Parzelle 9a)
Die zum Vergleich untersuchte Kontrollfläche (Par Gopplasgrün
zelle 9a) mit intensiver Beweidung und Nachmahd Variante: Zweischürige jährliche Mahd
wies über den gesamten Untersuchungszeitraum Einige, für extensiv genutzte Bergwiesen typische,
keine nennenswerten Veränderungen im Arten Arten haben sich ausgebreitet, während sogenann
inventar und bezüglich Verschiebungen bei den De te Störungszeiger nun weitgehend verschwunden
ckungsgraden der einzelnen Arten auf. Die Entwick sind. Insgesamt deutet die Ausbreitung einiger Ken
lung der Artenzahlen in den Dauerbeobachtungs narten und konkurrenzschwacher Sippen auf eine
flächen ist neben der Nutzung wesentlich von den Aushagerung hin. Aus Naturschutzsicht stellt sich
30
A: einschürige Mahd
25
B: zweischürige Mahd
C: Sukzession
D: Einmaliges Mulchen
20 E: Zweimaliges Mulchen
F: Extensivweide I Parzelle 33
15
G: Extensivweide I Parzelle 34
H: Mähweide ab 1996 Parzelle 34
I: Extensivweide II Parzelle 31
10 J: Extensivweide II 37
K: Extensivweide II 39
5 L: Vergleichsfläche (Parzelle 9)
0
95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04
n=7 n=5 n=11 n=6 n=6 n=5 n=5 n=5 n=6 n=6 n=6 n=5
A B C D E F G H I J K L
103
der Pflanzenbestand im Vergleich zum Beginn der sich nunmehr mehr oder weniger eindeutig auf die
Untersuchungen bedeutend besser dar. Pflegemethode zurückzuführende Negativeffekte
aus Sicht des Naturschutzes einzustellen. So konn
Variante: Zweimal jährliches Mulchen ten sich u. a. erste Gehölze etablieren, die sich trotz
Aus naturschutzfachlicher Sicht hat (haben) sich die Rückschnitts im zweijährigen Rhythmus zuneh
Fläche(n) eher ungünstig entwickelt. Vor allem nähr mend über Wurzelaustriebe flächig ausdehnen.
stoffliebende Arten konnten profitieren.
Variante: Überjähriges einmaliges Mulchen
Variante: Einschürige Mahd In dieser Variante sind keine nennenswerten Ent
Mit dieser Variante ist über dem gesamten Versuchs- wicklungen feststellbar. Der Bestand zeigt noch
zeitraum im Wesentlichen der Status quo erhalten keine Verbrachungstendenzen. Auch konnten sich
geblieben bzw. sind sehr geringfügige Veränderun bislang keine Gehölze etablieren.
gen im naturschutzfachlichen Sinne erkennbar.
Variante: Sukzession
Variante: Einmal jährliches Mulchen Obwohl optisch seit Untersuchungsbeginn relativ
Die etablierten Arten haben sich in den Dauerbeob stabil, sind auch in den Sukzessionsparzellen qua
achtungsflächen i. d. R. gehalten oder in ihrer Aus litative und quantitative Veränderungen feststellbar.
dehnung zugenommen. Insbesondere Nährstoffzei Nach Fischer (2004) sind z. T. ähnliche Bestands
ger wie z. B. Galium aparine (N-Zahl: 8) konnten ihre schwankungen wie in den Pflegeparzellen zu ver
Präsenz zunehmend erhöhen. zeichnen, was die Vermutung nahelegt, dass dort
natürliche Ursachen zumindest mitverantwortlich
Variante: Jährlicher Wechsel Mähen/Mulchen sein können.
In dieser Variante ist eine relativ hohe Dynamik Die Frischwiesenbrache hat nach wie vor optisch
im Artbestand feststellbar. Es sind sowohl wert- einen Wiesencharakter, obwohl seit 2001 der Be
gebende als auch zahlreiche Störungszeiger vor ginn einer Gehölzbesiedlung feststellbar ist. Seit
handen. Laut Fischer (2004) scheint die Maßnahme Versuchsbeginn sind vor allem einige lichtliebende,
geeignet, zumindest den Status quo zu sichern. konkurrenzschwache Arten erloschen. Im Ge
gensatz zur Frischwiesenbrache sind, trotz in der
Variante: Überjährige einschürige Mahd unmittelbaren Nachbarschaft vorhandenen aus
Kleinräumige unterschiedliche Standortverhältnisse reichenden Potenzials, auch nach 10 Jahren noch
bedingen den relativen Artenreichtum dieser Ver keine Gehölze in die Nasswiesen-Sukzessionspar
suchsparzelle und erschweren die Einschätzung der zelle eingewandert. Sollten die Gehölze auch wei
Wirkung der Pflegemethode. Trotzdem scheinen terhin stark verbissen werden, kann sich bei wei
34
32 A: Zweimaliges Mähen mit
Beräumung (jährlich)
30 B: Zweimaliges Mulchen
28 (jährlich)
26
C: Einmaliges Mähen mit
Beräumung (jährlich)
24 D: Einmaliges Mulchen
22 (jährlich)
E: Jährlicher Wechsel: 1x
20
Mulchen,
18 F: Überjähriges einmaliges
16 Mähen
G: Überjähriges einmaliges
14 Mulchen
12 H: Ungestörte Sukzession
Transekt 1
10
I: Ungestörte Sukzession
8 Transekt 2
95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04 95 04
A B C D E F G H I
Abb. 18: Gesamtbetrachtung zur Entwicklung der Artenzahlen in den Dauerbeobachtungsflächen am Versuchstandort Gopplasgrün
104
terer Ausbreitung des seit 1999 eingewanderten ursächlich sind. Abgenommen gegenüber dem Aus
Filipendula ulmaria eine relativ stabile artenarme gangsjahr hat in beiden Versuchsblöcken die Zahl der
Dauerbrache entwickeln. N-Zeiger indifferenten Arten.
Artenzahl
45 A: Zweimaliges Mähen
(15.6./10.9.) mit Beräumung
(jährlich) ohne Düngung
B: Zweimaliges Mulchen
(jährlich)(15.6./10.9.)
C: Zweimaliges Mähen
40 (15.6./10.9.) mit Beräumung
(jährlich) mit Düngung
D: Einmaliges Mähen mit
Beräumung (jährlich Mitte
September) ohne Düngung
E: Einmaliges Mulchen
35 (jährlich Mitte September)
ohne Düngung
F: Einmaliges Mähen mit
Beräumung (jährlich Mitte
September) mit Düngung
G: Jährlicher Wechsel
30
zwischen Mulchen und
2000 2004 2000 2004 2000 2004 2000 2004 2000 2004 2000 2004 2000 2004 Mähen (Mitte September)
A B C D E F G
Artenzahl Ø
Abb. 19: Gesamtbetrachtung zur Entwicklung der Artenzahlen in den Dauerbeobachtungsflächen am Versuchstandort Forchheim
105
als Magerkeitszeiger als auch bei den als Aus Versuchsbeginn gegenüber den Mähvarianten zum
hagerungszeiger eingestuften Arten blieb die Zahl Abschluss der Versuchslaufzeit geringere Artenzah
konstant, es kam jeweils nur zu einem Artwechsel len auf. Trotz Nährstoffzufuhr war bei der Variante
innerhalb der Zeigergruppen. zweimalige Mahd mit Düngung über die Versuchs
laufzeit ein Artenzuwachs feststellbar. Obwohl am
Variante: Einmaliges Mulchen Artenzuwachs auch N-Zeigerarten beteiligt sind,
ohne Düngung wird der günstige Einfluss der zweimaligen Mahd
In dieser Variante ist ein geringfügiger Rückgang der mit Abtransport des Mähgutes deutlich. Offensicht
Artenanzahl in den Versuchsparzellen um eine Art lich überlagert der positive Effekt der vermehrten
feststellbar. Dabei hat die Anzahl der Aushagerungs- Lichtzufuhr insgesamt den der Nährstoffzufuhr.
und Magerkeitszeiger gegenüber dem Ausgangsbe
stand im Jahr 2000 weder zu- noch abgenommen.
4.7 Die Entwicklung diagnostisch
Als alleinige eu dominante Art tritt Alopecurus pra-
bedeutsamer Arten, Artengruppen
tensis auf, der seinen Deckungsgrad weiter steigern
und Parameter
konnte. Bedeutende Verluste hingegen verzeichne
ten insbesondere der Scharfe Hahnenfuß (Ranun- Auf Grund der teilweise unterschiedlichen Unter
culus acris) sowie der Wiesen-Schwingel (Festuca suchungsmethodik werden nachfolgend je nach
pratensis), die jeweils den N-Zeiger indifferenten Ar Standort ausgewählte verschiedene Aspekte der
ten zugerechnet werden. Auswertung dargestellt.
106
der Rotschwingel (Festuca rubra) seinen Deckungs bezogen nicht geklärt werden konnten, teilweise
gradanteil in mehr als gleichem Maße ausdehnen aktiviert wird.
konnte. Bei jährlich zweimaliger Mahd konnte sich Unter den Bedingungen der extensiven Beweidung
das Rote Straußgras insbesondere innerhalb der in der Parzelle 31 geht der Ampfer bis auf die rela
letzten Versuchsjahre (ab 2002) bedeutend ausdeh tive Konstanz in der am Rande liegenden Dauerbe
nen. In den Dauerbeobachtungsflächen der Par- obachtungsfläche zurück. In der geomorphologisch
zellen mit extensiver Beweidung weist das Rote heterogenen Parzelle 37 kommt der Stumpfblättri
Straußgras in Abhängigkeit von der Lage der Qua ge Ampfer nur im Dauerquadrat, welches feuchte
drate eine uneinheitliche Bestandsentwicklung auf. und nährstoffreiche Bedingungen aufweist vor, al
Vielfach besteht jahrweise eine Wechselwirkung lerdings in weit geringeren Deckungsgraden als zu
zwischen den auf mageren Standorten oft dominie Beginn des Untersuchungszeitraums. Im Transekt
renden Gräsern Rotes Straußgras und Rot-Schwin der bis zum Versuchsbeginn regelmäßig gedüngten
gel (sowie eine Art ihren Deckungsgrad erhöht, geht Parzelle 39 ist Rumex obtusifolius lediglich in einer
die andere meist zurück). Eindeutig positiv reagiert Dauerbeobachtungsfläche am Weiderand vertreten.
das Rote Straußgras auf die mit Versuchsbeginn Hier hat er sich etabliert und weist nach Deckungs
eingestellte Düngung auf der Beweidungsparzelle anstieg bis 2003 im Jahr 2004 wieder geringere De
(39), hier konnte es seine Deckungsgradanteile in ckungsgradanteile auf. In den Sukzessionsparzellen
den relevanten Dauerbeobachtungsflächen stetig spielte Rumex obtusifolius kaum eine Rolle, bis auf
erhöhen. zwei Quadrate verschwand er aus den Dauerbeob
In den Dauerquadraten der Sukzessionsfläche kon achtungsflächen.
nte, dort wo die Art vorkam, keine eindeutig gerich Aber auch in der intensiv genutzten, beweideten
tete Entwicklung von Agrostis capillaris festgestellt Kontrollfläche 9a ließ der Stumpfblättrige Ampfer
werden, lediglich in einer waldnahen Beobach einen überwiegenden Rückgang in den Deckungs
tungsfläche wurde es zunehmend durch das Wei graden erkennen.
che Honiggras (Holcus mollis) verdrängt.
Bärwurz (Meum athamanticum)
Stumpfblättriger Ampfer (Rumex obtusifolius) Die Bärwurz ist eine Art, deren Vorkommens
In den Dauerbeobachtungsflächen der Varian schwerpunkt im Bereich extensiv genutzter Berg
te „einschürige Mahd“ ist eine mehr oder weniger wiesen liegt. Im Bereich der Parzelle mit der Maß
starke Abnahme des Stumpfblättrigen Ampfers zu nahme „jährlich einmalige Mahd“ kommt sie ledig
verzeichnen. In der Variante „zweimalige Mahd“ lich in zwei Dauerbeobachtungsflächen mit geringer
konnte in den Dauerbeobachtungsflächen hinge Deckung vor. In diesen beiden Flächen ist insge
gen keine gerichtete Entwicklung des Ampfers samt ein leichter Rückgang dieser Art feststellbar.
festgestellt werden. Vielmehr hat sein Auftreten In den Dauerbeobachtungsflächen der Maßnahme
über die Jahre hin oszillierenden Charakter. Dies „zweimalige Mahd“ kommt Meum gar nicht vor. In
gilt auch unter den Bedingungen des „einmali
gen Mulchens”, so war die Art in einer Dauerbeo
bachtungsfläche zunächst (1995) dominant,
verschwand dann vollends (1999 – 2001), um dann
nach 2002 wieder deutlich an Deckung zu gewin
nen. In zwei Dauerbeobachtungsflächen der Maß
nahme „Zweimaliges Mulchen“ konnte sich der
Stumpfblättrige Ampfer etablieren, in allen anderen
Dauerquadraten dieses Maßnahmetypus war im
Laufe der Versuchsjahre keine gerichtete Entwick
lung feststellbar. Das unvorhersehbare Auftreten
des Ampfers lässt sich vermutlich damit begründen,
dass das für die Art typische hohe Samenpotenzial
(permanente Samenbank) unter bestimmten Bedin Abb. 20: Blütenreicher Aspekt der Pz. 33 S
gungen, deren Ursachen im Nachgang standort Foto: Archiv NatSch LfULG, AVENA 1996 - 2004
107
100
90
80
70
60
G
% 50
K
40
30
20
10
0
1995 1999 2004 1995 1999 2004 1995 1999 2004 1995 1999 2004
Abb. 21.1
100
90
80
70
60
G
% 50
K
40
30
20
10
0
1995 1999 2004 1995 1999 2004 1995 1999 2004
Abb. 21.2
100
90
80
70
60
G
% 50
K
40
30
20
10
0
1995 1999 2004 1995 1999 2004
Sukzession I Sukzession II
Abb. 21.3
Abb. 21.1 bis 21.3:
Gegenüberstellung des Anteils der Kräuter und Gräser in den unterschiedlichen Varianten am Standort Gopplasgrün
108
den Transekten der seit 1991 nicht mehr genutz Sinne des Naturschutzes positiv verlaufende Be
ten Sukzessionsfläche konnte sich die Bärwurz in standsentwicklung. Dabei steht außer Frage, dass
lediglich einem der Dauerbeobachtungsquadrate in nicht allein die Anzahl der Kräuter, sondern auch die
einer Deckung von 5 – 12,5 % beständig halten. Bis Artqualität von Bedeutung ist. Außerdem muss be
auf eine weitere Beobachtungsfläche, in welcher sie dacht werden, dass das Artenpotenzial von Kräutern
ab dem Jahr 2000 nicht mehr feststellbar war, kam insgesamt erheblich größer ist als das der Gräser.
Meum in keinem weiteren Dauerbeobachtungs- Die Entwicklung des Gräser-Kräuterverhältnisses
quadrat vor. über den gesamten Versuchszeitraum offenbart die
In den Dauerbeobachtungsflächen der beiden günstige Auswirkung der Pflegemahd, insbesonde
Mulchvarianten wies Meum eine uneinheitliche Ent re auf die Kräuter. Die Wirkung des Mulchens muss
wicklung auf. In der Variante „zweimaliges Mulchen” in Hinblick auf die Anzahl der Kräuter differenziert
ging es im einzigen Vorkommensquadrat zurück. betrachtet werden. Die Entwicklung beim zweima
Beim „einmaligen Mulchen” verringerte sich der ligen Mulchen lässt vermuten, dass ein schnellerer
Deckungsgrad in einer Dauerbeobachtungsfläche, Stoffumsatz eine für lichtliebende Kräuter ungünsti
während er in einer anderen leicht anstieg. ge Filzauflage verhindert und somit positiv wirkt. Der
In den Beweidungsvarianten kommt Meum atha Artenzuwachs bei den Kräutern in den überjährigen
manticum nur in wenigen Dauerbeobachtungsflä Varianten ist damit zu begründen, dass Verbra
chen, dazu mit geringen Deckungsgraden vor. In chungsanzeiger hinzutreten, während lichtliebende
Parzelle 31 tauchte es im letzten Untersuchungsjahr Arten noch nicht vollständig aus dem Bestand ver
erstmalig auf, darüber hinaus waren außer in einem drängt sind. Zum Teil sehr deutlich tritt nach zehn
Dauerquadrat der Maßnahme Mähweide keine po Jahren der Artenverlust in den Sukzessionsparzellen
sitiven Trends bei dieser Art feststellbar. zu Tage. Es zeigt sich, dass dieser sowohl Kräuter
als auch die Gruppe der Gräser betrifft.
Gopplasgrün
Gräser-Kräuter-Verhältnis Stickstoffzahlen
Das Gräser-Kräuterverhältnis wurde in der Annah Im Wesentlichen entspricht die Entwicklung bei
me betrachtet, dass naturschutzfachlich wertvolle den gewichteten N-Zahlen über die gesamte Ver
Wiesen i. d. R. einen besonderen Kräuterreichtum suchslaufzeit betrachtet den Erwartungen. Ledig
aufweisen sollten. Die Erhöhung des Kräuteranteils lich in den Varianten „Zweimaliges Mulchen“ und
gibt u. a. einen relativ guten Hinweis, auf eine im „Überjähriges Mulchen“ hat sich ab dem Jahr
7 Mähen 2x
Mulchen 2x
6,5
Mähen 1x
Mulchen 1x
6
Mulchen/Mahd im
Wechsel
Überjährige Mahd
5,5
Überjähriges
Mulchen
4,5
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Abb. 22: Die Entwicklung der gewichteten durchschnittlichen N-Zahlen in den einzelnen Versuchsvarianten am Standort Gopplasgrün
109
Vgl. zu
Maßnahme Art 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 1995 und
Tendenz
Aegopodium poda
2a 2a 2b 2a 2a 2a 1b 1a + +
graria
Rumex obtusifolius + + - - - - + - - -
Zweischürige Lolium perenne 2a 1b 1a 2b 1b 1a + + + +
jährliche Mahd Holcus lanatus + + 1b 1b 3b 2b 3 2b 2b 2a
Leucanthemum
- - + + + + - + + +
vulgare
Trisetum flavescens - - + + + - + + - +
Aegopodium poda
2b 3 3 4 4 4 3 3 3 2b ~ ()
graria
Rumex obtusifolius - + 1a - + - - - - - = ()
Mulchen Lolium perenne 1b 1b 1a 1a + - - - - -
2 x jährlich Holcus lanatus + 1a + 1b + 1a 1b 1b 1b 1b
Leucanthemum
- - - - - - - - - + ?
vulgare
Trisetum flavescens - - - - - - - - - - -
Aegopodium poda
2b 2b 2a 3 2b 2a 2b 2a 1b 2a ~
graria
Rumex obtusifolius - - - - - - + + - - = ()
Einschürige Lolium perenne 2a 2b 2b 1b + + + + + +
jährliche Mahd Holcus lanatus 1a 1a 2a 3 3 4 4 3 3 2a ()
Leucanthemum
- - - - - - - - - +
vulgare
Trisetum flavescens - - - - + - - - - +
Aegopodium poda
+ + 2a 2b 2a 2b 2b 2b 2b 2b
graria
Rumex obtusifolius - - - - - - - - - - -
Mulchen Lolium perenne 2b 1b 1a + 1a + 1a + + -
1 x jährlich Holcus lanatus + + 1a 1a 2a 2a 2a 2b 3 2b
Leucanthemum
- - - - - - - - - - -
vulgare
Trisetum flavescens - - - - - - - - - - -
Aegopodium poda
+ 1a 1b 2a 2b 2a 2a 2b 2b 2b
graria
Rumex obtusifolius + + - + + + + - - -
Jährlicher Wechsel Lolium perenne 2a 1b 1a 1b 1a + 1a + - -
Mulchen/Mähen Holcus lanatus + + 1b 2a 2a 2b 2b 2a 2b 2a
Leucanthemum
- - - + + + + + - 1a
vulgare
Trisetum flavescens - - - - - - + + - - =?
110
Vgl. zu
Maßnahme Art 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 1995 und
Tendenz
Aegopodium poda
1a 1a 1a 2b 2a 2b 2b 1a 1a 2b
graria
Rumex obtusifolius - - - + - + - - - - =?
Einschürige Lolium perenne 1a + + - + - + - - -
überjährige Mahd Holcus lanatus 1a 1b 2a 2a 2a 1a 1b 1b 2a +
Leucanthemum
- - - + + + + 1a + +
vulgare
Trisetum flavescens - - - - - - + + - +
Aegopodium poda
2b 3 3 3 3 3 3 3 2b 2a
graria
Rumex obtusifolius + + 1a 1a - - - - - -
Überjähriges Lolium perenne + - - - - - - - - -
einmaliges Mulchen Holcus lanatus 2a 1b 1a 1a 2a + 2a 2a 2a 2b
Leucanthemum
+ + + + 1a + 1a + + + =
vulgare
Trisetum flavescens - + 1a 1a 1a 1a 1a + + 1a
Aegopodium poda
2b 3 3 3 2a 2a 2a 3 2b 2b =?
graria
Rumex obtusifolius - + - - - - - - - - =
Sukzession Lolium perenne - 1a + - - - - - - - =
(Frischwiesenbrache)
Holcus lanatus + 1a 1a 1a + + - + + -
Leucanthemum
- - - + + + + + + +
vulgare
Trisetum flavescens + + + - - - - - - -
Lotus uliginosus + 1a 1a 1a 1a + + + + + =
Sanguisorba offici
1a 1a 1b 1b 1b 1b 1b + + +
nalis
Sukzession (Nass
wiesenbrache) Alopecurus pratensis 2a 2a 2b 2b 2b 2b 2b 2a 1b 2a =?
Caltha palustris + + - - - - + - - -
Carex nigra + + 1a + + - - - - -
Galium uliginosum + + + + + + + - - + =
111
eindeutige Entwicklungstendenzen aus den Werten auswirkt. Insgesamt muss allerdings eingeschätzt
herausgelesen werden. Als Beispiel sei der in allen werden, dass die einzelnen Nutzungsvarianten bis
Varianten drastische Rückgang von Lolium perenne lang keinen signifikanten Einfluss auf das Gräser-
als Indikator für hohe Nutzungsintensität genannt. Kräuterverhältnis hatten.
Nachvollziehbar ist auch der starke Rückgang von
Aegopodium podagraria in der Variante „Zweischü Stickstoffzahlen
rige jährliche Mahd“, während in anderen Fällen die Die gewichteten durchschnittlichen N-Zahlen las
Trends der Entwicklung nicht im vermuteten Maß sen nach 5 Versuchsjahren insgesamt noch keine
entsprechen (Beispiel Aegopodium podagraria in eindeutigen Trendaussagen zu. Überraschend er
der Variante „Überjähriges einmaliges Mulchen“). Als scheint der deutliche Rückgang des Wertes in der
Grund hierfür wird die artinterne Dynamik vermutet. Variante „Zweimalige Mahd mit Düngung“. Es kann
vermutet werden, dass eine Grunddüngung, also
Forchheim mit Phosphor und Kalium zunächst eine stärkere
Gräser-Kräuter-Verhältnis Abschöpfung des Stickstoffs induziert. Vermutlich
Aus der Abb. 23 wird ersichtlich, dass die Varian wird der Wert auf längere Sicht (bei Beibehaltung
ten „ein-“ bzw. „zweischürige Mahd“ mit Abtrans der Düngung) aber nicht weiter sinken.
port des Mähgutes wahrscheinlich am ehesten der
Förderung von Kräutern dienlich sind, während sich Diagnostisch bedeutsame Arten
diesbezüglich das Mulchen überwiegend nachteilig In den Parzellen der Blockversuchsanlage am
100
90
80
70
60
G
% 50
K
40
30
20
10
0
2000 2004 2000 2004 2000 2004 2000 2004 2000 2004 2000 2004 2000 2004
Abb. 23: Gegenüberstellung des Anteils der Kräuter und Gräser in den unterschiedlichen Varianten am Standort Forchheim
6,5
Mulchen 2x
6,3
Mähen 2x (m.
6,1
Düng.)
5,9
Mähen 1x (o. Düng.)
5,7
Mulchen 1x
5,5
5,3
Mähen 1x (m.
Düng.)
5,1
Wechsel
4,9 Mahd/Mulchen
2000 2001 2002 2003 2004
Abb. 24: Die Entwicklung der gewichteten durchschnittlichen N-Zahlen in den einzelnen Versuchsvarianten am Standort Forchheim
112
Artname Zweimaliges Zweimaliges Zweimaliges Einmalige Mahd Einmaliges Einmalige Mahd Einmalige Mahd/ Zeiger
Mähen mit Mulchen (jährlich) Mähen mit (jährlich) ohne Mulchen (jährlich) (jährlich) mit Mulchen im
Beräumung Beräumung Düngung Düngung Wechsel
(jährlich) ohne (jährlich) mit
Düngung Düngung
Luzula Magerkeitszeiger
= = = = =
campestris
Stellaria
= = Magerkeitszeiger
graminea
Tab. 8: Die Entwicklung diagnostisch bedeutsamer Arten im Untersuchungszeitraum 2000 bis 2004 (Forchheim)
113
Standort Forchheim sind insgesamt nur relativ we chungsflächen waren Ertragseinbußen von meist weit
nige diagnostisch bedeutsame Arten vorhanden. mehr als 50 % gegenüber dem Ausgangszustand zu
Zudem weisen diese Arten noch geringe Stetigkeiten verzeichnen. In Verbindung mit dem geringen Futter
und Deckungsgrade auf. Auf Grund dieser Tatsache wert des spät geschnittenen Grünaufwuchses ist
und der noch vergleichsweise kurzen Versuchslauf dies aus landwirtschaftlicher Sicht doppelt negativ zu
zeit, lassen sich noch keine sicheren Ergebnisse bewerten. Anders kann dies bei der Weidenutzung
gewinnen. Die Trends sind meist sehr schwach aus unter der Voraussetzung eines Flächenüberschusses
geprägt, das heißt für eine eindeutige Interpretation eingeschätzt werden. Die Weideflächen wiesen zwar
kaum verwertbar. Bestandsentwicklungen, die auf auch erhebliche Rückgänge im Flächenertrag auf,
die Differenziertheit der Maßnahmen zurückzuführen bezogen auf das einzelne Tier konnte jedoch keine
sind, können bislang noch nicht dargestellt werden, negative Entwicklung festgestellt werden. Da die Tie
was aus der Tabelle 8 herausgelesen werden kann. re auf Grund der reichlich verfügbaren Futterfläche
die Möglichkeit zum selektiven Fressen hatten, ver
zeichneten sie keinen Verlust an Lebendmasse bzw.
5 Diskussion
Lebendmassezuwachs.
Börnchen
Unter den praxisnahen Bedingungen der Versuchs Landschaftspflege ohne Tiere
durchführung am Standort Börnchen ist es sehr Mahd und Mulchen sind bei regelmäßiger Durch
schwierig, eindeutige kausalanalytische Zusammen führung effiziente Methoden zur Offenhaltung der
hänge in Hinblick auf die untersuchten Nutzungsva Landschaft. Die Mähflächen bleiben in der Bestand
rianten herauszustellen. Insbesondere nur unzurei zusammensetzung relativ stabil. Durch unterschiedli
chend erfassbare kleinstandörtliche und temporäre che Mahdzahl (und damit verbunden verschiedenen
witterungsbedingte Gegebenheiten erschweren eine Mahdterminen) kommt es insbesondere zu Verschie
entsprechende Interpretation. bungen im Deckungsgrad bei standörtlich offensicht
lich konkurrierenden Arten (Agrostis capillaris/Festu-
Allgemein kann gesagt werden, dass im Verlauf der ca rubra).
Projektzeit eine gewünschte Aushagerung in den
Nutzungsvarianten stattgefunden hat. Eine Ausbil Mulchen
dung artenreicher Grünlandgesellschaften hat sich Für Naturschutz und Landschaftspflege lässt sich mit
bislang aber noch nicht im erhofften Maße eingestellt. der Maßnahme Mulchen lediglich das Ziel „Erhaltung
Bei vielen Zielarten handelt es sich um konkurrenz der offenen Kulturlandschaft“ verfolgen. Im Sinne des
schwache Arten mit offenbar auch geringem Ausbrei Zieles „Verbesserung der Biodiversität“ bringen so
tungsvermögen. Da viele dieser Arten entweder nicht wohl einmaliges als auch zweimaliges Mulchen kei
oder nur in sehr geringem Maße im Bereich der Ver nen nennenswerten Fortschritt.
suchsflächen vorhanden waren, konnte auch nicht
unbedingt mit deren schnellem Erscheinen in den Mahd
Dauerbeobachtungsflächen gerechnet werden. Obwohl die positiven Effekte sowohl der einmaligen
Im Hinblick auf die Erreichbarkeit von Naturschutz- als auch der zweimaligen jährlichen Mahd insgesamt
zielen dürfen, zumindest was kurz- und mittel hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind,
fristige Zielvorstellungen betrifft, Betrachtungen zur können die Maßnahmen, eine geeignete Termi
Flächenhistorie nicht unbeachtet bleiben. So zeigt nierung vorausgesetzt, als zielführend eingeschätzt
z. B. insbesondere die teilweise frühere Acker- werden. Die relativ mageren Ergebnisse lassen sich
nutzung von Versuchsflächen selbst bei einem ge- vermutlich weniger auf die Art der Maßnahme selbst,
eigneten Pflegeregime durch ihre persistente Diaspo als vielmehr eine teilweise ungünstige Situation
renbank eine nachhaltige Wirkung. bezüglich Lage der Untersuchungsfläche (laterale
Nährstoffeinträge), unpassende Mahdtermine (v. a.)
Infolge ausbleibender Düngung ging der Flächen- zu Versuchsbeginn, kaum vorhandene Diasporen
ertrag auf den von Natur aus relativ basen- sowie auch bank sowie fehlender Diasporeneintrag (isolierte
besonders phosphorarmen Böden erwartungsgemäß Lage) in Bezug auf wertgebende Arten zurück
stark zurück. Vor allen auf den gemähten Untersu führen.
114
Bemerkenswert ist insbesondere das Wechselspiel Sukzession
in der Dominanz der beiden Magerkeitszeiger Ag- Die Beobachtungen in den Dauerquadraten der
rostis capillaris und Festuca rubra. Während Transekte der Sukzessionsfläche verdeutlichen den
letztgenannte Art eher von der einschürigen Mahd Verlauf der Gehölzbesiedlung recht klar. Der Suk
zu profitieren schien, zeigte das Rote Straußgras zessionsdruck von den Randflächen des Waldes
eine positive Resonanz bei einer jährlich zweimaligen bzw. des bachbegleitenden Ufersaums ist recht
Mahd. hoch. Die Zunahme der Gehölzdichte auf der Grün
landfläche erfolgt in ihrem Verlauf nicht linear stei
Landschaftspflege mit Tieren gend. Insbesondere in der Anfangsphase können
Durch eine Beweidung wird eine Wiederbewaldung Gehölzansiedlungen auf Grund unterschiedlicher
der Landschaft nur verhindert, wenn eine ausrei Ursachen lange Zeit von untergeordneter Bedeu
chende Beweidungsintensität gewährleistet ist bzw. tung bleiben.
die Nachmahd obligatorisch wäre. Durch die Mög
lichkeit des selektiven Fressens bei geringer Be Diasporeneintrag
satzdichte kommt es dazu, dass unattraktivere Teil Aus den Ergebnissen der Untersuchungen zu den
flächen vom Vieh kaum oder gar nicht frequentiert Diasporen lässt sich ableiten, dass eine Diversifi
werden. Ausgehend von solchen Flächen können zierung des Dauergrünlands aus der Diasporenbank
sich dann zunehmend Gehölze über immer größere heraus kaum stattfindet. Die meisten Zielarten des
Weideareale ausdehnen. Die Beweidung mit einer Grünlands bilden keine dauerhafte Diasporenbank.
Besatzdichte von 1 GV/ha im Zeitraum von Anfang Die Regeneration wertvoller Grünlandgesellschaften
Mai bis Weideabtrieb wird im Ergebnis der Versu benötigt längere Entwicklungszeiträume. Hierbei muss
che als Untergrenze hinsichtlich des zur Verhinde für die Etablierung von Arten über den Neueintrag von
rung der Verbuschung bzw. Wiederbewaldung er Diasporen offensichtlich eine Vielzahl günstiger Um
forderlichen Viehbesatzes (auf mittleren Standorten) stände erfüllt sein. Eine aktive Beschleunigung des
eingeschätzt. Durch Verbiss und Tritt schädigen die Prozesses durch Ausbringung von Diasporenmaterial
Tiere zwar die Gehölze, können aber auf Dauer de hat ohne besondere Vorbereitungsmaßnahmen
ren Ausbreitung nicht verhindern. Um die Expansion kaum Erfolg. Neben der Prüfung der standörtlichen
von Gehölzen bei geringer Besatzdichte zu vermei Eignung von Spender- und Empfängerflächen sind
den, ist grundsätzlich eine Nachmahd erforderlich. entsprechende keimungsfördernde Rahmenbedin
Das für die extensive Beweidung typische Neben gungen (ggf. wiederholt) zu schaffen, dazu zählen vor
einander von intensiven und kaum befressenen allem eine Beseitigung von ggf. vorhandenen verfilz
Weidebereichen wird naturschutzfachlich beson ten Schichten alter Vegetation sowie die Schaffung
ders aus tierökologischen Gründen als zielkonform offener Bodenstellen durch entsprechende Stö
angesehen. rungen. Wie bereits aus vergleichbaren Untersuch-
ungen bekannt, zeigte sich auch am Standort Börn
chen, dass der Prozess der Diversifizierung von zuvor
intensiv genutztem Grünland als relativ lange dauernd
einzuschätzen ist. Auf der Ebene der Diversität von
Arten bzw. Vegetationsgesellschaften konnten im
Verlauf von 10 Versuchsjahren nur vergleichsweise
geringe Fortschritte erzielt werden. Am ehesten ver
deutlichen der Rückgang des Ertragsvolumens sowie
die Struktur des Bestandes (u. a. geringere Bestan
deshöhe) die Extensivierungsbestrebungen.
Gopplasgrün
Fischer (2004) bemerkt in seinen zusammen-
fassenden Ausführungen zu den Landschafts-pfle
Abb. 25: Beweidung mit Pustertaler Sprinzen, Parzelle 33 geversuchen am Standort Gopplasgrün, dass nach
Foto: Archiv Naturschutz LfULG, AVENA einer Versuchslaufzeit von zehn Jahren hinsichtlich
115
einiger qualitativer und quantitativer Parameter der 6 Schlussfolgerungen
kausale Zusammenhang zur Pflegemethode offen
sichtlich deutlicher hervortritt, auch wenn vielerlei Die 1994 für den Standort Börnchen im Osterz
Faktoren, die populationsbiologische Schwankun gebirge vom Sächsischen Umweltministerium for
gen verursachen können, eine eindeutige Interpreta mulierte Versuchsfrage „Mit welchem geringst mög
tion der Ergebnisse immer noch erschweren. Insge lichen Aufwand können ehemals intensiv genutzte
samt kommt Fischer zu folgenden Einschätzungen: Grünlandflächen offen gehalten werden und wie
Eine zweischürige jährliche Mahd führt bereits nach verändern sich unter verschiedenen extensiven Nut
relativ kurzer Zeit zu einer im Sinne des Zielzustan zungsvarianten die Parameter Artenvielfalt, Pflan
des (artenreiche magere Wiese) positiven Entwick zensoziologie, Bodennährstoffe und Ertrag?“ kann
lung des Pflanzenbestandes. auch nach einer Versuchsperiode von 10 Jahren
Die einschürige jährliche Mahd zeigt ebenfalls eine nicht abschließend beantwortet werden. Zu einem
positive Entwicklung, die aber gegenüber der jähr ähnlichen Ergebnis kommt man auch für weite
lich zweischürigen Mahd zeitlich verzögert ist. re Fragestellungen der Landschaftspflege an den
Überjährige Mahd kann auf nicht übermäßig eutro beiden anderen Versuchsstandorten in Gopplas
phierten oder stärker verarmten Standorten zur Si grün und Forchheim. An allen Versuchsstandorten
cherung des Status quo ausreichen, vorausgesetzt sind Entwicklungstendenzen im Grünlandbestand
es erfolgt kein massiver Nährstoffeintrag oder ein über erkennbar, deren Ursache sich allerdings nicht im
mäßiger Druck von Nitrophyten aus dem Umfeld. mer eindeutig der Art und Weise der Pflegemaßnah
Mulchen erscheint unter den gegebenen Bedin men zuordnen lässt, vielmehr spielen standörtliche
gungen nicht dazu geeignet, eine aus naturschutz Unterschiede eine nicht unerhebliche Rolle.
fachlicher Sicht gewünschte Verbesserung des
Pflanzenbestandes zu erreichen. Eine Erhaltungdes Allgemein wichtig ist u. a. die Erkenntnis, dass art
Status quo weniger wertvoller Flächen ist aber mit spezifische Populationsschwankungen bzw. -wech
dieser Maßnahme möglich. sel von Jahr zu Jahr auftreten, die z. T. recht dras
tische Ausmaße annehmen können. Eine voreilige
Forchheim Interpretation bezüglich des Erfolges von Maßnah
Erste Auswirkungen, die die unterschiedliche Art men verbietet sich deshalb unseres Erachtens.
und Weise der Nutzung dokumentieren, werden Die Landschaftspflegeversuche an drei verschie-
erst langsam sichtbar. Dabei sind es oft weniger denen submontanen bis montanen Standorten des
die „reinen“ Artenzahlen, die sich unterscheiden, sächsischen Erzgebirges haben trotz suboptimaler
als vielmehr die Ausprägungen des Bestandes, wie Ausgangs- und Rahmenbedingungen interessante
Wuchshöhe und Bestandesdichte. Betrachtet man Hinweise gebracht, die zwar im Wesentlichen die
die Entwicklung der nach Trophiegrad eingeteilten bekannten Thesen bestätigen, im Detail aber doch
Gruppen, entsteht z. T. ein widersprüchliches Bild. einzelne so nicht immer erwartete Ergebnisse offen
So lassen sich selbst bei den Mahd-Varianten ohne baren.
Düngung keine eindeutigen Trends bezüglich Ab
nahme von sogenannten Nährstoffzeigern erken Als wesentliche Ergebnisse der Landschaftspflege
nen. Eine entwicklungsbedingte genaue Einordnung versuche können u. a. festgehalten werden:
der Pflanzenbestände nach pflanzensoziologischen Pflanzen oblagen natürlichen Bestandsschwan
Gesichtpunkten lässt sich auf den unteren Gliede kungen, die unabhängig von der Art der Bewirt
rungsebenen (Verband/Assoziation) nach Ablauf der schaftung waren.
Untersuchungszeit nicht vornehmen. Lediglich für Nährstoffmangel wurde weniger durch den Ausfall
die beiden Mahdvarianten ohne Düngung können von Nährstoffzeigern als vielmehr durch deren phä
vorsichtige Prognosen getroffen werden. Während notypische Ausprägung (Schwachwuchs) offen
die Variante „zweimalige Mahd ohne Düngung“ erste sichtlich.
Anklänge zur submontanen Goldhaferwiese erken Auswirkungen verschiedener Extensivierungsmaß
nen lässt, tendiert die Variante „einmalige Mahd ohne nahmen zeigten sich weniger auf der Ebene
Düngung“ hin zur Rotschwingel-Straußgras-Wiese. von Pflanzengesellschaften als vielmehr in deut
lichen Abundanzverschiebungen einzelner Arten.
116
Die Auswirkungen von Maßnahmen der Land Literatur
schaftspflege bzw. extensiven Nutzung auf zuvor
Auerswald, U.; Förster, M.; Hepting, C.; V. Blancken
intensiver genutztem Grünland waren i. d. R. hin
hagen, B. (2005): Landschaftspflegeversuche
sichtlich des Ertragsrückganges bedeutender als
Börnchen – Abschlussbericht 2005 im Auftrag
die qualitativen Änderungen der Artenzusammen
des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und
setzung der Bestände.
Geologie (unveröff.).
Mulchen ist aus Sicht des floristischen Artenschut
Avena (1996 – 2004): Landschaftspflegeversuche
zes ungünstiger zu bewerten als die Varianten zur
Börnchen – Zwischenberichte im Auftrag des
Mahd mit Beräumung des Mähgutes; meist waren
Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geo
die Mulchflächen artenärmer als die Flächen mit
logie (unveröff.).
Mahd und Beräumung. Das bestehende Arten
Ellenberg, H. (1992): Zeigerwerte der Gefäßp
inventar konnte in den Varianten mit jährlichem
flanzen Mitteleuropas. Scripta geobotanica18,
Mulchen überwiegend gehalten werden. Zweima
3. Auflage.
lige Mahd mit Beräumung war insgesamt bei ent
Fischer (1995): Floristische und vegetationskundli
sprechender Terminsetzung die günstigste Pflege-
che Untersuchungen zum Landschaftspflege
bzw. Nutzungsform für ehemals intensiver genutzte
versuch der Landesanstalt für Landwirtschaft
Bestände. Eine Beweidung mit einer Besatzdichte
am Standort Gopplasgrün im Auftrag des Säch
von 1,0 GV/ha ohne Nachmahd konnte eine Verbu
sischen Landesamtes für Umwelt und Geologie
schung auf Dauer nicht verhindern.
– Jahresbericht 1995 (unveröff.).
Sukzessionsbestände verarmten floristisch, zum
Fischer, U. (2000a) Floristische und vegetations
Teil bildeten sogenannte Brachezeiger Dominanz
kundliche Untersuchungen zum Landschafts
stadien aus. Eine Verbuschung der Sukzessionsflä
pflegeversuch der Landesanstalt für Landwirt
che (Börnchen) erfolgte von den gehölzbestandenen
schaft am Standort Gopplasgrün im Auftrag des
Nachbarflächen nach einer anfänglichen „Etablie
Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Ge
rungsphase“ von mehreren Jahren mit zunehmen
ologie – Jahresbericht 2000 (unveröff.).
der Geschwindigkeit.
Fischer, U. (2000b) Floristische und vegetations
Der vorliegende Artikel kann das umfassende lang
kundliche Untersuchungen zum Landschafts
jährige Versuchsgeschehen nur in sehr groben
pflegeversuch 018 der Landesanstalt für Land
Zügen wiedergeben. In Verbindung mit anderen
wirtschaft am Standort Forchheim im Auftrag
Projekten (z. B. E&E-Projekt Oelsen, siehe Beitrag
des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und
Hachmöller et al. (2008) in diesem Heft) geben die
Geologie – Jahresbericht 2000 (unveröff.).
Versuche aber wichtige Hinweise für die praktische
Fischer, U. (2004a) Floristische und vegetation
Naturschutzarbeit in Sachsen.
skundliche Untersuchungen zum Landschafts
Die gewonnenen Erkenntnisse sind darüber hin
pflegeversuch der Landesanstalt für Landwirt
aus für die fachliche Arbeit der Naturschutzfachbe-
schaft am Standort Gopplasgrün im Auftrag
hörden von Bedeutung und fließen z. B. in die
des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und
Programmentwicklung und -begleitung der säch
Geologie – Jahresbericht 2004 (unveröff.).
sischen Förderprogramme im Bereich Landschafts
Fischer, U. (2004b) Floristische und vegetation
pflege und Agrar-Umwelt mit ein.
skundliche Untersuchungen zum Landschafts
pflegeversuch 018 der Landesanstalt für Land
wirtschaft am Standort Forchheim im Auftrag
des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und
Geologie – Jahresbericht 2004 (unveröff.).
Förster, M.; Hepting, C. (2000): Landschaftspflege
versuche Börnchen – Schlussbericht 2000, im
Auftrag des Sächsischen Landesamtes für Um
welt und Geologie.
117
Hachmöller, B.; Hardrke, H.-J. & Schmidt, P. A. (2009):
Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben „Grün
landverbund im Osterzgebirge am Beispiel der
Oelsener Höhe“ des Landesvereins Sächsischer
Heimatschutz. In: LfULG – Sächsisches Landesamt
für Umwelt und Geologie:Naturschutzfachliche
118
Ergebnisse der naturschutzfach- Im folgenden Beitrag werden ausgewählte Er
lichen Begleituntersuchungen zu gebnisse der naturschutzfachlichen Begleitunter
grünlandbezogenen Maßnahmen im suchungen zu den grünlandbezogenen Maß-
Programm „Naturschutz und Erhalt nahmen des Programms NAK dargestellt. Dazu
der Kulturlandschaft (NAK)“ erfolgen zunächst die Vorstellung der einzelnen
Grünlandmaßnahmen einschließlich der ursprüng
Anja Koch, Michael Deussen, Carola Schneier lich mit der Förderung verbundenen Zielstellungen
und der tatsächliche Anwendungsumfang. Daran
Vorbemerkungen schließt die Erläuterung des Konzeptes und der
Durchführung der Untersuchungen an. Den Hauptteil
Im Programm „Naturschutz und Erhalt der Kultur des Beitrages bilden die Auswertungen zu Biotopen
landschaft (NAK)“ wurden die naturschutzgerechte und Lebensraumtypen, zur Flora und zu den er
Bewirtschaftung von Grünland, Ackerland und fassten faunistischen Artengruppen sowie deren
Teichen sowie verschiedene Maßnahmen zum Interpretationen. Abschließend wird nach einer zu
Schutz bzw. zur Schaffung von Sonderbiotopen ge sammenfassenden Betrachtung der Ergebnisse auf
fördert (vgl. Schwarzbach et al. 2003). Dabei war das die aus der naturschutzfachlichen Begleitung zu
Programm NAK ein Teil der „Förderung einer um ziehenden Schlussfolgerungen so wohl hinsichtlich
weltgerechten Landwirtschaft im Freistaat Sachsen der Förderung bestimmter Maßnahmen als auch zu
(UL)“ und wurde von der Europäischen Union (EU) künftiger Untersuchungen eingegangen.
mit bis zu 75 % der ausgezahlten Mittel kofinanziert. Die Grundlage der naturschutzfachlichen Begleit
Die Grundlage für den Einsatz der europäischen untersuchungen zum Programm NAK stellte ein
Mittel bildete der „Entwicklungsplan für den länd vom Prof. Hellriegel-Institut Bernburg an der Hoch
lichen Raum des Freistaat Sachsen 2000 – 2006“ schule Anhalt erstelltes Konzept dar (Richter et al.
(Smul 2000) als Programmplanungsdokument. 2001). Ebenso wurden die Durchführung der Er-
Ziel des Programms NAK war es, über die Wieder- hebungen und die Bewertung der Ergebnisse von
aufnahme bzw. Fortführung naturschutzgerechter Mitarbeitern des Instituts begleitet. So ist auch dieser
Bewirtschaftungsweisen land- und teichwirtschaft Beitrag unter der wesentlichen Mitwirkung von Prof.
lich genutzte Flächen als Lebensraum gefährdeter Dr. K. Richter und H. Teubert vom Prof. Hellriegel-
bzw. seltener Pflanzen- und Tierarten und ihrer Institut Bernburg an der HS Anhalt entstanden.
Lebensgemeinschaften als wichtige Elemente in ei
nem Biotopverbundsystem und als Bestandteile der 1 Naturschutzmaßnahmen und -ziele
sächsischen Kulturlandschaft zu erhalten, zu entwi im Grünland
ckeln und langfristig zu sichern (SMUL 2000). Eine
Förderung arbeitsintensiver Pflegemaßnahmen für Die naturschutzgerechte Grünlandnutzung und
naturschutzfachlich sehr hochwertige, nicht mehr -pflege stellte den Schwerpunkt innerhalb der ver-
bewirtschaftete Biotope und Lebensräume erfolgte schiedenen Maßnahmebereiche des Programms
ergänzend über die Naturschutzrichtlinie. NAK dar. Dazu wurden verschiedene Maßnahmen
Bei der Teilnahme an der NAK-Förderung verpflich angeboten: Naturschutzgerechte Beweidung, Na
teten sich die Landnutzer in der Regel über fünf Jahre turschutzgerechte Wiesennutzung für Frisch-, Feu
zu einer naturschutzgerechten Nutzung und erhielten cht- und Bergwiesen und Nasswiesenpflege. Da
dafür einen finanziellen Ausgleich für die entstand- rüber hinaus waren für den Grünlanderhalt die Maß-
enen Mehraufwendungen und Ertragseinbußen. Zu nahmen Hüteschafhaltung, Streuobstwiesenpflege,
den grundlegenden Teilnahmebedingungen gehörte Umwandlung von Ackerland in Grünland sowie die
u. a. der vollständige Verzicht auf den Einsatz che Pflege aufgegebener landwirtschaftlicher Flächen
misch-synthetischer Pflanzenschutz- und Düngemittel relevant.
auf den Förderflächen. Zusätzlich zu diesen allgemei Eine Auswertung der Inhalte der flächenkon
nen und weiteren maßnahmespezifischen Vorgaben kreten Bewirtschaftungsvereinbarungen zu den
wurden flächenkonkrete Bewirtschaftungsvereinba Maßnahmen Naturschutzgerechte Beweidung,
rungen zwischen dem Antragsteller und der zustän Naturschutzgerechte Wiesennutzung und Hüte
digen Naturschutzbehörde getroffen. schafhaltung ergab, dass zum Einsatz von orga
119
nischen Düngemitteln auf ca. 80 % der Fläche aufgenommenen Flächen auf Grund zwischenzeit-
Regelungen getroffen wurden, davon betrafen lich geänderter Fördervoraussetzungen keine Ver
rund 60 % einen vollständigen Düngungsverzicht. tragsverlängerung möglich war.
Bei der Nasswiesenpflege gehörte der Verzicht Die Maßnahme Naturschutzgerechte Beweidung
auf organische Düngung bereits zu den allgemei zielte ursprünglich auf den Erhalt und die Ent
nen Vorgaben der Maßnahme. Hinzu kam für über wicklung der artenreichen Grünländer ab, die
50 % der ausgewerteten Fläche eine Vereinbarung maßgeblich durch eine extensive Beweidung ent
zur Kalkung (LfUG 2006a). Darüber hinaus waren standen sind, wie z. B. Magerweiden oder Borst
oft weitere Auflagen festgeschrieben, beispielswei grasrasen (SMUL 2000). In einer Auswertung der
se ein Belassen von Rand- und Zwischenstreifen tatsächlichen, einzelflächenbezogenen, von den zu-
oder Säumen als Rückzugsräume für die Fauna ständigen Naturschutzbehörden festgelegten Ziel
oder etwa das Unterlassen der Mahd am Nest stellungen zeigte sich, dass auf der Mehrzahl der
standort und in dessen Umfeld bei bekannten in der Förderung befindlichen Flächen allgemein
Wiesenbrütervorkommen. die Entwicklung eines artenreichen Zustandes von
Die Beweidungs-, Wiesennutzungs- und Nasswie Grünlandbiotopen verschiedenster Ausprägungen
senpflege-Maßnahmen erreichten in der Gesamt angestrebt wurde. Auf einem Teil der Flächen sollten
heit ihren größten Umfang in der Programmlaufzeit Magerweiden oder Bergwiesen als gesetzlich ge
im Jahr 2004 mit über 20.000 ha und ca. 11 % schützte Biotope erhalten oder entwickelt werden.
der sächsischen Grünlandfläche (siehe Abb. 1). Spezielle Weidegesellschaften oder Borstgrasrasen
Hochrechnungen ergaben, dass von den im Zuge stellten nur in Ausnahmefällen die Zielstellung für
dieser Maßnahmen geförderten Flächen im Jahr eine Fläche dar. Hingegen wurde die Maßnahme
2004 rund 40 % in Natura 2000-Gebieten lagen. häufig zur Pufferung für angrenzende, z. T. auch
Der regionale Schwerpunkt der Förderung der na direkt auf den Flächen befindliche, wertvolle Bereiche
turschutzgerechten Grünlandnutzung befand sich (z. B. Fließgewässer oder Feuchtbereiche) einge
im Sächsischen Bergland und Mittelgebirge. Die setzt. Auf ca. 12 % der Flächen war der Erhalt bzw.
Abnahme des Flächenumfangs in den Folgejahren die Entwicklung der Fläche als Lebensraum bzw.
wird im Wesentlichen darauf zurückzuführen sein, Lebensstätte einer oder mehrerer geschützter und/
dass nach Auslaufen der fünfjährigen Vertragslauf oder gefährdeter Arten (v. a. für Wiesenbrüter, u. a.
zeit für einige der in 2000 und 2001 in die Förderung für den Wachtelkönig) ein Förderziel (LfUG 2006a).
Abb. 1: Entwicklung der über das Programm NAK geförderten Fläche (in ha) ausgewählter Maßnahmen im Grünland in den
Jahren 2000 bis 2006
120
Mit den Maßnahmen zur Naturschutzgerechten Wie- bestimmter Arten eine Zielstellung, wiederum v. a.
sennutzung sollten floristisch und faunistisch wert Wiesenbrüter, aber auch beispielsweise Orchideen
volle Wiesenflächen als Lebensräume erhalten arten wie das Breitblättrige Knabenkraut (LfUG
werden. Dabei wurden aufgrund der verschiede 2006a). Die Hüteschafhaltung wurde als För
nen Bewirtschaftungserschwernisse und -ansprü dermaßnahme angeboten, da auf Grund der
che zwischen Frisch-, Feucht- und Bergwiesen Flexibilität der Beweidungsintensität eine schnel
unterschieden und differenzierte Prämien gewährt le Anpassung an Pflege- und Standortansprüche
(SMUL 2000). Auf den in der Förderung befindli ermöglicht wird. Dieser Vorteil sollte zur gezielten
chen Flächen entsprach in der Mehrzahl der Fälle Umsetzung von Pflegezielen in geschützten Bio-
die Maßnahmebezeichnung auch dem ange topen genutzt werden (SMUL 2000). In der Aus
strebten Zielzustand. Allerdings wurden auch viel wertung der einzelflächenbezogenen Zielstellungen
fach Flächen mit natürlicherweise vorkommenden zeigte sich, dass der Einsatzschwerpunkt der
Übergangsbereichen (z. B. Übergänge zwischen Hüteschafhaltung auf Heideflächen lag, auf Grün
Frisch- und Feuchtwiesen) zusammen in einer landflächen kam sie insbesondere zum Erhalt
Maßnahme gefördert. Auf einem Teil der Flächen, und zur Entwicklung artenreicher Bergwiesen und
speziell in der Frischwiesennutzung und in der auch artenreicher Frischwiesen, z. T. in mageren
Bergwiesennutzung, zielte die Förderung darauf ab, Ausprägungen, zur Anwendung. Bei diesen Flächen
magere Ausprägungen der Biotoptypen zu erhalten handelte es sich oft um hängige Flächen, auf de
oder zu entwickeln. In der Feuchtwiesennutzung nen eine Mahd nur unter Erschwernissen möglich
wurden sowohl Feuchtwiesen mit Übergängen zu wäre. (LfUG 2006a).
seggen- und binsenreichen Nasswiesen als auch
zu Frischwiesen gefördert. Nach der Auswertung 2 Konzept und Durchführung naturschutz-
einzelflächenbezogener Zielstellungen wurdeauf ca. fachlicher Begleituntersuchungen
18 % der Frischwiesen, ca. 43 % der Feuchtwiesen
und auf ca. 24 % der Bergwiesen die Verbesserung Die Europäische Union erwartete für die von ihr
der Lebensraumeignung für bestimmte Arten ange- anteilig finanzierten Programme eine Bewertung
strebt, in der Mehrzahl der Fälle für Wiesenbrüter (LfUG der Wirksamkeit durch einen externen Evaluator
2006a). Über die Förderung der Nasswiesenpflege (KOM 2000). Aus diesem Anlass führte das
sollten die nach § 26 SächsNatSchG geschützten Sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie
Nasswiesen-Biotope durch eine Fortführung der (LfUG) von 2002 bis 2006 naturschutzfachliche
traditionellen Nutzung bzw. Pflege erhalten werden Begleituntersuchungen zum Programm NAK als
(SMUL 2000). Die Mehrzahl der einzelflächenkon Zuarbeit für die externe Evaluation durch. Dafür
kreten Zielstellungen stellten seggen- und binsen wurden vom LfUG in jährlichen Berichten zu größ
reiche Nasswiesen dar, daneben aber auch ver tenteils von der EU vorgegebenen 59 einzelnen
einzelt Groß- und Kleinseggenriede, Quellbereiche Indikatoren bzw. Teilindikatoren Aussagen getroffen,
und Feuchtwiesen. Auf ca. 37 % der geförder die 13 Kriterien und 4 Bewertungsfragen zugeordnet
ten Nasswiesen war außerdem die Begünstigung waren. Da die Hauptaufgabe der naturschutzfach
Vertiefende Untersuchungs
Detailuntersuchungen Komplexe Fallstudien Einzelfallstudien
komponenten
121
lichen Untersuchungen darin bestand, die europä intensiv bzw. nicht bewirtschafteterVergleichsflächen
ischen Evaluationsanforderungen zu erfüllen, wurde gegenübergestellt. Diese Vergleichsflächen sollten
das Untersuchungsdesign durch die zu beantwor bei der Beurteilung der Förderflächen im temporalen
tenden Fragen, Kriterien und Indikatoren bestimmt. Vergleich vor allem eine Abschätzung des Einflusses
Dementsprechend sind die Ergebnisse für andere externer Faktoren gegenüber den Wirkungen der
Auswertungen, Interpretationen etc. nur begrenzt durchgeführten Maßnahme ermöglichen. Neben
verwendbar. Soweit möglich wurde versucht, die den Erfassungen zu Grünlandmaßnahmen erfolg
gewonnenen Daten auch für andere naturschutz ten ebenfalls Untersuchungen zu Acker- und Teich
fachliche Auswertungen nutzbar zu machen sowie maßnahmen.
für die Weiterentwicklung der Förderung einzuset Grobuntersuchungen wurden für alle Maßnahmen
zen. Die naturschutzfachlichen Untersuchungen, die des Programms NAK durch Mitarbeiter des LfUG
auf dem vom Prof. Hellriegel-Institut Bernburg an durchgeführt. Dazu erfolgte eine Begehung der
der Hochschule Anhalt entwickelten Begleitkonzept Flächen und eine gutachtliche Einschätzung des
(Richter et al. 2001) beruhten, bestanden aus Bau naturschutzfachlichen Wertes. Beurteilt wurde der
steinen unterschiedlicher Untersuchungstiefe, den Abstand des aktuellen Zustands der Fläche im Ver-
so genannten Grobuntersuchungen und den vertiefen gleich zu dem von der zuständigen Naturschutz
den Untersuchungen (siehe Tab. 1). Zur Beurteilung behörde formulierten, anzustrebenden Zielzustand
der Entwicklung der Flächen im Zeitverlauf erfolgte anhand einer fünfstufigen Skala. Über die Wieder
eine Wiederholung der Erfassungen nach zwei bis holung der Untersuchung ließen sich Trendaussagen
drei Jahren. Für einen Teil vertiefender Untersuch zur landesweiten Entwicklung der Flächen ableiten
ungen wurde noch eine Wiederholung nach weiteren und Rückschlüsse auf die Maßnahmewirksamkeit
zwei Jahren durchgeführt, um – wenigstens in Teilen – ziehen. Bei der Begehung wurde auch der un
auf langfristigere Ergebnisse zurückgreifen zu können. gefähre geografische Flächenmittelpunkt erfasst,
Im Bereich der vertiefenden Untersuchungen wur- um räumliche Auswertungen, z. B. zur Lage der
den die Beobachtungen auf geförderten Flächen zu- Förderflächen in Schutzgebieten oder zu angren
meist entsprechenden Untersuchungsergebnissen zenden Feuchtgebieten, zu ermöglichen.
Abb. 2: Übersichtskarte zur Lage der Untersuchungsflächen der vertiefenden Untersuchungskomponenten im Grünland 2002 – 2006.
122
Komplexe Einz.
Detailmonitoring
Fallstudie fallst.
Nasswiesen-pflege
Hüteschafhaltung
Unter
Gr. Weidenteich
Wiesennutzung
Wiesennutzung
Wiesennutzung
(Feuchtwiesen)
(Frischwiesen)
suchungs- Methoden
(Bergwiesen)
Breitenbrunn
gegenstand
Beweidung
Schönfeld
Luppeaue
• Biotoptypen: gemäß Kartieranleitung zur
Biotopkartierung in Sachsen (LfUG 1998
/2003), Schätzung der Flächenanteile
Biotop- und
an der gesamten Untersuchungsfläche
FFH-Lebens- X X X X X X X X X
in Prozent
raumtypen
• FFH-Lebensraumtypen: orientiert an der
sächsischen Kartieranleitung, Schätzung
des ungefähren Flächenumfangs
123
Der Schwerpunkt der vertiefenden Untersuchungen Hüteschafhaltung im Naturschutzgebiet „Großer
lag auf den repräsentativen Detailuntersuchungen, Weidenteich“ mit einmaliger Wiederholung durch
die durch komplexe Fallstudien und Einzelfallstudien geführt. In der Tab. 2 werden der Untersuchungs-
ergänzt wurden. Im Rahmen der Geländearbeiten umfang und die Erfassungsmethoden der vertiefen
wurden vegetationskundliche, floristische und fau den Untersuchungen im Überblick dargestellt.
nistische Parameter nach standardisierten Metho
den durch Dritte im Auftrag des LfUG erhoben (siehe
3 Ergebnisse Biotope
Abb. 2 und Tab. 2).
und Lebensraumtypen
Detailuntersuchungen zur Beurteilung der Maß Die Ergebnisdarstellungen in diesem und in dem
nahmewirkungen auf Arten und Biotope erfolgten für folgenden Kapitel stützen sich – sofern nicht an
Maßnahmen mit hohem Anwendungsumfang. Dazu ders angegeben – auf den Abschlussbericht zu den
gehörten die drei Maßnahmen Naturschutzgerechte naturschutzfachlichen Begleituntersuchungen zur
Wiesennutzung, Naturschutzgerechte Beweidung Evaluierung des Programmteils E (NAK) im Rah
und Nasswiesenpflege, die mit insgesamt ver men der EU-Agrarumweltmaßnahmen im Freistaat
hältnismäßig hohem Flächenumfang sowie vielen Sachsen (LfUG 2006a). Im landesweiten Grob
Einzelflächen gefördert wurden. Die Untersuchungen monitoring wurde für rund 60 % der im Jahr 2001
zur Naturschutzgerechten Beweidung wurden einmal geförderten Grünlandfläche der Abstand zu den als
nach zwei bzw. drei Jahren, die Erfassungen auf den Zielstellung benannten wertvollen Ausprägungen
Untersuchungsflächen der Naturschutzgerechten von Biotoptypen bewertet. Die Abbildung 3 zeigt
Wiesennutzung und Nasswiesenpflege einmal nach eine Gegenüberstellung der Ergebnisse dieses im
zwei Jahren durchgeführt. Für einige Erfassungen der zweijährigen Abstand durchgeführten Ist-/Ziel-Ver
Naturschutzgerechten Wiesennutzung und Nass- gleichs für die erstmals 2002 bzw. 2003 und wie
wiesenpflege erfolgte zusätzlich eine weitere Wie derholt 2004 bzw. 2005 begutachteten Flächen.
derholung nach zwei Jahren. Bei den folgenden Aussagen ist zu berücksichti
gen, dass die Abbildung 3 nur eine eingeschränkte
Zweck der komplexen Fallstudien war es, in Interpretation zulässt. Dies begründet sich in den
Gebieten mit einem hohen Anteil von NAK-Flächen unterschiedlichen auf den Flächenzustand einwir-
an der gesamten Landwirtschaftsfläche landschaft kenden Faktoren in Verbindung mit der kurzen
sökologische Wirkungen sowie Aussagen zur Wir zweijährigen Zeitspanne zwischen Erst- und
kung auf die Struktur und kulturelle Eigenart der Wiederholungsuntersuchungen. Vorrangig ver
Landschaft ableiten zu können. In der Komplexstudie deutlicht die Abbildung den hohen Anteil von Ent-
„Luppeaue“ wurde v. a. die Naturschutzgerechte wicklungsflächen (Wertstufen 1 – 3) im Vergleich
Feuchtwiesennutzung, in der Studie „Breitenbrunn“ zu den Erhaltungsflächen (Wertstufen 4 und 5).
die Umwandlung von Ackerland in Grünland, die Das resultiert daraus, dass viele Flächen vor Ein
Naturschutzgerechte Beweidung und die Natur tritt in das Programm NAK einer konventionellen
schutzgerechte Frischwiesennutzung und in der Nutzung unterlagen. Im temporalen Vergleich der
Studie „Schönfeld“ die Verzahnung von Natur Erfassungsjahre 2002/2003 zu 2004/2005 zeigt
schutzgerechter Bergwiesennutzung mit dem Erhalt sich über alle Maßnahmen hinweg ein leicht positi
historischer Merkmale (Steinrücken) untersucht. ver Entwicklungstrend: Entwicklungsflächen neh-
Für alle drei Fallstudien erfolgten Wiederholungs men zugunsten von Erhaltungsflächen ab. Neben
untersuchungen. dem anzunehmenden Einfluss der Bewirtschaf
In Einzelfallstudien wurden spezielle Maßnahmen, tungsmaßnahmen kann diese Zunahme positiver
die wenig nachgefragt waren, oder Maßnahmen, naturschutzfachlicher Flächenbewertungen auch
die räumlich stark konzentriert zur Anwendung an nicht unmittelbar mit der Nutzung zusammen
kamen, untersucht. Die Interpretation erfolgte im hängenden Aspekten liegen (z. B. Veränderungen
Hinblick auf den Zustand und die Entwicklung durch Witterungseinflüsse, methodische Aspekte).
der Arten- und Biotopvielfalt unter dem Einfluss Ergebnisse aus dem Detailmonitoring zeigen, dass
der entsprechenden Maßnahme. Im Bereich der sich auf mehr als 70 % der Untersuchungsflächen
Grünlandnutzung wurde eine Einzelfallstudie zur zumindest anteilig besonders geschützte Biotope
124
Abb. 3: Anzahl der im Grobmonitoring erfassten Landwirtschaftsflächen nach Wertstufen und Programmpunkten im Ist/Ziel-Vergleich der
Jahre 2002/03 und 2004/05.
*Die Daten zur Maßnahme Hüteschafhaltung beziehen sich nur auf Grünlandflächen, Heideflächen sind hier nicht Gegenstand
der Betrachtung.
bzw. auf fast 60 % aller im Detailmonitoring unter lich wird der nur geringe Anteil von ca. 12 % der
suchten Grünlandflächen FFH-Lebensraumtypen Detailmonitoringfläche von FFH-Lebensraumtypen
befinden. Der überwiegende Teil der Grünland- im Programmpunkt Nasswiesenpflege. Auf Nass
Lebensraumtypen benötigt Schnittnutzung zur wiesenstandorten in Sachsen finden sich aufgrund
Erhaltung bzw. Wiederherstellung des günstigen der Standortgegebenheiten sehr selten FFH-
Erhaltungszustands. Daraus erklärt sich ein relativ Lebensraumtypen wie Pfeifengraswiesen, andere
geringer Anteil von FFH-Lebensraumtypen in der Nasswiesengesellschaften werden über die FFH-
Maßnahme Naturschutzgerechte Beweidung im Lebensraumtypen nicht abgebildet. Ähnliches gilt
Vergleich zu den Programmpunkten mit Wiesen für die Flächen im Programmpunkt Naturschutz
nutzung. In der Maßnahme Naturschutzgerechte gerechte Wiesennutzung (Feuchtwiese), auf denen
Wiesennutzung (Bergwiese) wurden auf 100 % der vor allem in ihren Randbereichen FFH-Lebens
Flächen und in der Maßnahme Naturschutzgerechte raumtypen wie Flachland-Mähwiesen oder feuchte
Wiesennutzung (Frischwiese) auf 80 % der Flächen Hochstaudenfluren vorkommen. Daneben wurde
FFH-Lebensraumtypen erfasst. So wurden bei auch der in Sachsen örtlich nur sehr begrenzt vor
spielsweise in der Maßnahme Naturschutzgerechte kommende Lebensraumtyp Brenndolden-Auen-
Wiesennutzung (Bergwiese) schwerpunktmäßig wiese kleinflächig kartiert. Der naturschutzfach
FFH-Lebensraumtyp Berg-Mähwiese bzw. der lich hohe Wert der in den Maßnahmen Natur
§ 26-Biotoptyp „Bergwiese“ gefördert, aber es schutzgerechte Wiesennutzung (Feuchtwiese) und
kamen auch Übergänge u. a. zu Borstgrasrasen Nasswiesenpflege geförderten Flächen zeigt sich
oder Nasswiesen vor. Auf Flächen der Maßnahme im Anteil geschützter Biotoptypen. So befinden
Naturschutzgerechte Wiesennutzung (Frischwiese) sich auf nahezu allen Förderflächen in der Maß
wurde v. a. der FFH-Lebensraumtyp Flachland-Mäh- nahme Nasswiesenpflege mindestens anteilig
wiese bzw. der § 26-Biotoptyp „Magere Frisch § 26-Biotope wie Nasswiesen oder Niedermoor/
wiese“ kartiert. In kleinen Flächenanteilen wa Sumpfbiotope (Klein- und Großseggenrieder oder
ren auch § 26-Biotoptypen wie Sand- und Sili Binsen-, Waldsimsen- und Schachtelhalmsumpf).
katmagerrasen oder Nasswiesen vorhanden. Deut In der Maßnahme Naturschutzgerechte Wiesen-
125
utzung (Feuchtwiese) wurden auf über 70 % der
n auf den NAK-Flächen zu erkennen, während die
Flächen § 26-Biotope wie beispielsweise Nass gleichen Parameter auf den Vergleichsflächen stag
wiesen, Klein- und Großseggenrieder oder ma nieren. Der hohe Anteil von seltenen und/oder be
gere Frischwiesen erfasst. Auf den untersuchten sonderen Arten auf den Vergleichsflächen erklärt
NAK-Flächen der Maßnahme Naturschutzgerechte sich dadurch, dass auch zwei Vergleichsflächen mit
Wiesennutzung (Bergwiese) wurde ein wesentlich relativ geringer Nutzungsintensität bewirtschaftet
höherer Anteil an für den Lebensraumtyp Berg- wurden.
Mähwiese lebensraumtypischen Arten als auf den
nicht geförderten Flächen nachgewiesen (vgl. Abb. Ebenso wie im Detailmonitoring erfolgte beispielhaft
4). Seltene und/oder besonders kennzeichnende eine Auswertung im Hinblick auf typische Pflanzenarten
Arten kommen sogar nur auf den NAK-Flächen vor. des Lebensraumtyps Brenndolden-Auenwiesen für
Im temporalen Vergleich ist auf den NAK-Flächen eine die in der Komplexstudie „Luppeaue“ untersuch
leichte Zunahme der Gesamtartenzahl und auch ten Flächen der Maßnahme Naturschutzgerechte
der lebensraumtypischen Grundarten zu erkennen. Wiesennutzung (Feuchtwiese). Brenndolden-Auen
Diese Entwicklung ist auch auf den Vergleichsflä- wiesen sind in Sachsen kleinflächig ausgeprägt und
chen zu erkennen, so dass hier von nicht bewirt- weisen nur noch wenige Vorkommen in Nord- und
schaftungsbedingten Einflussfaktoren (z. B. Wit vor allem Nordwestsachsen auf, so dass sie in
terung) als Ursache auszugehen ist. Auch für die Sachsen als „vom Verschwinden bedroht“ eingestuft
Maßnahme Naturschutzgerechte Wiesennutzung werden (Krause 2004). In der Luppeaue befindet
(Frischwiese) zeigt die Auswertung der für den sich ein Hauptvorkommen dieses Lebensraumtyps.
Lebensraumtyp Flachland-Mähwiese typischen Vergleiche der lebensraumtypischen Arten zwischen
Pflanzenarten einen wesentlich höheren Anteil an NAK-geförderten Flächen und konventionell bewirt
entsprechenden Arten auf den NAK-Flächen im schafteten Flächen zeigen einen deutlich höheren
Vergleich zu den nicht geförderten Flächen. Anteil an lebensraumtypischen Grundarten auf den
Weiterhin ist eine Zunahme der lebensraum NAK-Flächen. Seltene und/oder besondere Arten
typischen Grundarten im temporalen Vergleich kommen nur auf den Förderflächen vor.
Abb. 4: Anteil (absolutes Mittel) lebensraumtypischer Pflanzenarten des LRT Berg-Mähwiesen im Programmpunkt Naturschutzgerechte
Wiesennutzung (Bergwiese) und des LRT Flachland-Mähwiese im Programmpunkt Naturschutzgerechte Wiesennutzung (Frischwiese) auf
NAK- und Vergleichsflächen (V) im Detailmonitoring 2002/03 und 2005/06
126
Abb. 5: Lebensraumtyp Flachland-Mähwiese bei Mulda Foto: Archiv Naturschutz LfULG, C. Schneier
127
Abb. 6: Mittlere floristische Gesamtartenzahlen der Vegetationsaufnahmen der geförderten Flächen (NAK) und der Vergleichsflächen (V)
im Detailmonitoring 2002/03 und 2005/06
gleichsflächen (siehe Abb. 7 und 8). So enthalten In der Gegenüberstellung der Untersuchungsjahre
die nach dem Programm NAK bewirtschafte sind noch keine wesentlichen Veränderungen bzw.
ten Flächen grundsätzlich höhere Anteile an Ma eindeutigen Trends zu erkennen, die Interpretationen
gerkeitszeigern sowie geringere an Stickstoff- der Ursachen zulassen. Hier müssen langfristigere
zeigern als die Vergleichsflächen. Auch im Hinblick Ergebnisse abgewartet werden.
auf die Mahdverträglichkeit weisen die NAK- Zusätzlich zur Erfassung der Vegetationsaufnahmen
Flächen höhere Anteile an Pflanzenarten exten wurden im Detailmonitoring auf der gesamten
siv bis mäßig intensiv genutzten Grünlands [Arten Förderfläche halbquantitative Erfassungen spez
mit der Mahdverträglichkeitszahl 4 – 6, die 1 – 3 ifischer Pflanzenarten potenziell gefährdete, ge
Schnitte pro Jahr vertragen (Briemle et al. fährdete und seltene Arten der Roten Listen
2002)] auf als die Vergleichsflächen. Der verrin Sachsens und Deutschlands (Schulz 1999, BfN
gerte Düngemitteleinsatz und die verminderte 2004) durchgeführt. Die Abbildung 9 zeigt die
Schnittnutzung der NAK-Flächen spiegeln sich durchschnittliche Artenzahl sowie die Minimal- und
also deutlich in der floristischen Zusammensetzung Maximalwerte je Programmpunkt. Deutlich wird hier
wider. Bezug nehmend auf die Mahdverträglich – wie auch schon bei den Gesamtartenzahlen der
keit sind die Unterschiede zwischen NAK- und Vegetationsaufnahmen erkennbar (siehe Abb. 7)
Vergleichsflächen vor allem im Programmpunkt – die sehr unterschiedliche naturschutzfachliche
Naturschutzgerechte Wiesennutzung (Frischwiese) Wertigkeit der Untersuchungsflächen im Hinblick
relativ gering. Dies liegt vor allem darin begrün auf floristische Schutzgüter, die jedoch auch nicht
det, dass Frischwiesen von allen naturschutz auf allen Förderflächen prioritäres Naturschutzziel
fachlich bedeutsamen Grünlandtypen verhältnis sind.
mäßig intensiv genutzt werden können und sollen,
dem Bewirtschaftungsregime der betreffenden Insgesamt wurden in den Untersuchungsjahren
Vergleichsflächen also am nächsten stehen. 2002/03 46, in den Untersuchungsjahren 2005/06
Außerdem befinden sich unter den Vergleichs 54 spezifische Arten nachgewiesen (siehe Tab. 3).
flächen auch solche, die mit relativ geringer Nut Im temporalen Vergleich konnte bei 30 Arten eine
zungsintensität bewirtschaftet werden bzw. leichte Zunahme der Nachweise bzw. ein Neuauftreten
Verbrachungstendenzen aufweisen. festgestellt werden, dagegen wurde bei 14 Arten
128
Abb. 7: Prozentuale Verteilung von Pflanzen nach ihrem Nährstoffzeigerwert gewichtet (nach Durwen 1982) in den Vegetationsaufnahmen
der geförderten Flächen (NAK) und der Vergleichsflächen (V) 2002/03 und 2005/06 (N-Zahlen nach Ellenberg et al. 1992,
Einteilung nach Fischer 2001)
eine Abnahme der Nachweise bzw. ein gänz Lichtnelke (Silene noctiflora), deren Vorkommen
liches Verschwinden festgestellt. Bei 18 Arten vermutlich auf Randstrukturen oder Störstellen zu
zeigten sich keine Veränderungen in der Zahl der rückzuführen ist (zur Lebensraumzuordnung der
Flächennachweise. Unter den erfassten Arten einzelnen Arten vgl. Hardtke & Ihl 2000). Unter den
kommen 20 in Sachsen vom Aussterben bedroh gefährdeten Arten kommen einige mit mehrfachen
te oder stark gefährdete (Rote Liste Status 1 und Flächennachweisen vor, die beispielsweise nach
2) Arten vor. Es handelt sich dabei um Arten mit dem Lebensraumtypen-Kartierschlüssel für Berg
Schwerpunktvorkommen in unterschiedlichen Le wiesen (Lfug 2006b) zum Arteninventar gut ausge
bensräumen: So finden sich Arten der Bergwiesen prägter Bergwiesen gehören [u. a. Weichhaariger
wie Arnika (Arnika montana), der Feuchtwiesen wie Pippau (Crepis mollis), Kleiner Klappertopf (Rhi
der Langblättrige Blauweiderich (Pseudolysimachion nanthus minor), Gewöhnliches Zittergras (Briza
longifolium), der Halbtrockenrasen wie das Kleine media) oder Berg-Platterbse (Lathyrus linifolius)]
Mädesüß (Filipendula vulgaris), aber auch Arten mit und auf den naturschutzfachlichen Wert der
Schwerpunktvorkommen im Acker wie die Acker- Förderflächen hinweisen.
129
Abb. 8: Prozentuale Verteilung von Pflanzen nach ihrer Mahdverträglichkeit gewichtet (nach Durwen 1982) in den Vegetationsaufnahmen
der geförderten Flächen (NAK) und der Vergleichsflächen (V) im Detailmonitoring 2002/03 und 2005/06 (Mahdverträglichkeitszahlen nach
Klotz et al. 2002, Einteilung nach Briemle et al. 2002).
Abb. 9: Gegenüberstellungen der spezifischen Arten der Gefäßpflanzen von NAK-Detailmonitoring- und Vergleichsflächen auf Grünland
2002/03 und 2005/06
130
Anzahl der NAK-
Wissenschaftlicher Deutscher Artname Rote Liste Status* Flächen mit Zu-/Ab-
Artname Nachweis in name**
Sachs. BRD 2002/03 2005/06
Acinos arvensis Feld-Steinquendel 2 1 -1
Armeria maritima
Sand-Grasnelke 3 2 1 -1
ssp. elongata
Gewöhnliches
Briza media 3 9 10 +1
Zittergras
Schuppenfrüchtige
Carex lepidocarpa 2 3 1 1 +/-
Gelb-Segge
Centaurea Perücken-
3 1 1 +/-
pseudophrygia Flockenblume
Skabiosen-
Centaurea scabiosa 3 1 1 +/-
Flockenblume
Chenopodium
Guter Heinrich 3 3 3 1 -2
bonus-henricus
Großer
Chondrilla juncea 3 1 +1
Knorpellattich
Weichhaariger
Crepis mollis 3 7 6 -1
Pippau
Dactylorhiza Geflecktes
3 2 +2
maculata Knabenkraut
Dactylorhiza Artengruppe Ge-
3 2 1 -1
maculata agg. flecktes Knabenkraut
Breitblättriges
Dactylorhiza majalis 2 3 1 4 +3
Knabenkraut
131
Wissenschaftlicher Deutscher Artname Rote Liste Status* Anzahl der NAK- Zu-/Ab-
Artname Flächen mit Nach- nahme**
weis in
Sachs. BRD 2002/03 2005/06
Eriophorum Schmalblättriges
3 13 9 -4
angustifolium Wollgras
Gewöhnliche
Falcaria vulgaris 3 1 +1
Sichelmöhre
Ausgebreiteter
Festuca heteromalla 3 2 +2
Rot-Schwingel
Helichrysum
Sand-Strohblume 3 4 4 +/-
arenarium
Helictotrichon
Echter Wiesenhafer 1 1 2 +1
pratense
Hypericum
Berg-Hartheu 2 1 -1
montanum
Weidenblättriger
Inula salicina 2 1 1 +/-
Alant
Straußblütiger
Lysimachia thyrsiflora 3 3 1 +1
Gilbweiderich
Buntes Vergiss-
Myosotis discolor 3 3 1 5 +4
meinnicht
Peucedanum
Berg-Haarstrang 3 1 2 +1
oreoselinum
Gewöhnliches
Polygala vulgaris 3 3 6 +3
Kreuzblümchen
132
Wissenschaftlicher Deutscher Artname Rote Liste Anzahl der NAK- Zu-/Ab-
Artname Status* Flächen mit nahme**
Nachweis in
Sachs. BRD 2002/03 2005/06
Pseudolysimachion Langblättriger
2 3 2 2 +/-
longifolium Blauweiderich
Rhinanthus
Großer Klappertopf 2 3 1 1 +/-
angustifolius
Gewöhnlicher
Succisa pratensis 3 7 5 -2
Teufelsabbiß
Tragopogon Kleiner
3 2 -2
pratensis ssp. minor Wiesen-Bocksbart
Anzahl Arten 46 54
Tab. 3: Nachweis spezifischer Gefäßpflanzen 2002/03 und 2005/06 auf Detailmonitoringflächen im Grünland mit Gefährdungs-
und Schutzstatus
133
Abb. 10: Gewöhnliches Zittergras (Briza media) und Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor) – Typische Arten der Lebensraumtypen
Flachland-Mähwiesen und Bergwiesen, die auf den NAK-Detailmonitoringflächen gute Bestände und deutliche Zunahmen zwischen Erst-
und Wiederholungserfassung zeigten (siehe Tab. 2) Fotos: C. Schneier
134
Abb. 11: Gesamtartenzahlen der Heuschrecken auf den geförderten NAK-Flächen und den Vergleichsflächen (V) der
Detailuntersuchungen 2002/03 und 2005/06
Abb. 12: Prozentuale Verteilung von Heuschrecken in Abhängigkeit von Vegetationsstruktur und Nutzungsintensität im Bereich
von NAK-Flächen und Vergleichsflächen (V) der Detailuntersuchungen 2002/2003 und 2005/06
(gewichtet mit der Häufigkeit; Anteile > 70 % = „allgemein verbreitete Arten“)
135
Abb. 13: Zu den Heuschreckenarten mit den meisten bei den Wiederholungsuntersuchungen des Detailmonitorings erzielten Neunach
weisen auf NAK-Flächen zählt die in Sachsen stark gefährdete Langflügelige Schwertschrecke (Conocephalus discolor)
Foto: Archiv Naturschutz LfULG, O. Leillinger
(Tetrix spec.) u. a. stellen Vertreter niedrig-lückiger Weiden zumeist durch eine kleinflächig abwech
Vegetationspräferenzen dar (bei unterschiedlicher selnde Über- und Unternutzung charakterisiert.
Nutzungsintensität). Für Vorkommensschwerpunkte Hierdurch entstanden lückige und dichte Bereiche
in hoher/dichter Vegetation bei gleichzeitig gerin unmittelbar nebeneinander (vgl. Oppermann & Luick
ger Nutzungsintensität stehen Arten wie Gold- und 1999). Die oben erwähnte Zunahme ist auch inso
Schwertschrecken (Chrysochraon dispar, Euthystira fern positiv zu werten, als zugleich Zeiger geringer
brachyptera, Conocephalus spec.) und Grünes Nutzungsintensität in nennenswerten Anteilen vor
Heupferd (Tettigonia viridissima). Zu den Arten ohne kamen (ansonsten würde dies auf eine Übernutzung
derartige Verbreitungsschwerpunkte wurden alle hinweisen). Verstärkt wird dieser positive Eindruck
übrigen, allgemein verbreiteten Grünlandarten mit durch den entgegengesetzten Trend auf den be
breiter ökologischer Amplitude gezählt. weideten Vergleichsflächen (Abnahme der Arten
geringer Nutzungsintensität und niedriger/lückiger
In den Detailuntersuchungen waren auf den NAK- Vegetation, Zunahme von Arten in mittelhoher/mit
Flächen die Anteile der durch eine mäßige bis ge teldichter Vegetation). Entgegen dem Trend bei den
ringe Nutzungsintensität begünstigten Heuschre anderen Maßnahmen finden sich in der Maßnahme
ckenarten im Durchschnitt deutlich höher als auf Naturschutzgerechte Feuchtwiesennutzung leicht
den Vergleichsflächen. Im temporalen Vergleich rückläufige Zahlen positiv zu wertender Zeiger
ließen sich keine ausgeprägten abweichenden arten. Auf welche Ursachen dies zurückgeführt wer
Entwicklungstrends zwischen Förder- und Ver den kann, war auf der Grundlage der Erfassungs
gleichsflächen ermitteln. ergebnisse nicht ermittelbar. Unabhängig von
Auffälliger stellten sich Ergebnisse für einzelne diesen geringfügigen Abweichungen zeigen sich
Maßnahmen dar. Dies betraf insbesondere in der für den Maßnahmetyp besonders gravierende
Maßnahme Naturschutzgerechte Beweidung die Unterschiede zwischen den geförderten und nicht
Verschiebung von Heuschreckenarten mit Schwer geförderten Flächen. Hinweise auf eine günstige
punkt in mitteldichter/mittelhoher Vegetation hin Kombination verschiedener Vegetationsstrukturen
zu Arten mit Schwerpunkt in niedriger/lückiger auf NAK-Flächen liegen weiterhin aus der komple
Vegetation. Auf Grund der geringen Besatzdichten xen Fallstudie Luppeaue vor. Heuschreckenarten
waren die naturschutzgerecht bewirtschafteten mit vergleichsweise enger Standortamplitude, de
136
Abb. 14: Anzahl spezifischer Heuschreckenarten auf den geförderten NAK-Flächen und den Vergleichsflächen (V) der
Detailuntersuchungen 2002/03 und 2005/06
ren Vorkommensschwerpunkt in mitteldichter und flächen auf eine Homogenisierung der dortigen
mittelhoher Gras- und Krautvegetation liegt, kön Artenzusammensetzung hin.
nen für mäßig intensiv bis mäßig extensiv genutzte
Grünländer im Allgemeinen als besonders typisch Die Ergebnisse der Heuschreckenuntersuchungen
gelten. Neben solchen Arten konnten im Rahmen aus der komplexen Fallstudie „Breitenbrunn“ zeig
der Studie gleichzeitig nennenswerte Anteile von ten keine vergleichbare Anspruchstypenverteilung.
Arten erfasst werden, die Vegetationslücken prä Auch die Tendenzen im temporalen Vergleich stell
ferieren, sowie solche, die einen höheren und/ ten sich weniger deutlich dar. Insgesamt waren im
oder dichteren Stand der Vegetation benötigen. Untersuchungsgebiet „Breitenbrunn“ Rückgangs
Letztere gelten als Zeiger für eine kleinteilig variie tendenzen bei den anspruchsvolleren Arten zu
rende Bewirtschaftung mit (zeitweiligem) Belassen verzeichnen. Gegenüber den intensiver genutzten
von Säumen und Brachestreifen (bei Dominanz Vergleichsflächen mit ihren homogenen Vorkommen
dieser Artengruppe würde jedoch ein dauerhafter wiesen die Förderflächen jedoch weiterhin eine hö
Brachezustand der Flächen angezeigt). Hingegen here Anzahl Heuschreckenarten mit vergleichsweise
weist der temporale Vergleich für die Vergleichs enger Standortamplitude auf.
137
Auch die in der Einzelfallstudie „Hüteschafhaltung Weidenteich“ konnten auf den Vergleichsflächen
im Schutzgebiet Großer Weidenteich“ untersuchten im Gegensatz zu den Förderflächen in keinem
Förderflächen wiesen gegenüber den Vergleichs der Erfassungsjahre (2002, 2004) gefährdete und
flächen höhere Anteile eine verringerte Nutzungs seltene Heuschreckenarten nachgewiesen wer
intensität kennzeichnender Heuschreckenarten den. Auf den Förderflächen waren zudem mehr
mit vergleichsweise enger Standortamplitude ge Neunachweise als Verluste von seltenen und ge
genüber allgemein verbreiteten Arten auf. Dieser fährdeten Arten zu verzeichnen. So konnten auf den
Befund behält auch im temporalen Vergleich Be beweideten Flächen 2004 vier neue Arten erstmals
stand. Hingegen war auf den Vergleichsflächen beobachtet werden: Blauflügelige Ödlandschrecke
ein auffälliger Rückgang von Heuschreckengilden (Oedipoda caerulescens), Gemeine Dornschrecke
mit Schwerpunktvorkommen in hoher/dichter Ve (Tetrix undulata), Rotleibiger Grashüpfer (Omocestus
getation bei geringer Nutzungsintensität sowie sol haemorrhoidalis) und Säbeldornschrecke (Tetrix
cher mit Schwerpunktvorkommen in niedriger und subulata). Für die wärme- und trockenheitsliebenden
lückiger Vegetationsstruktur zu verzeichnen. Dieser Arten dürfte u. a. der extrem warme Sommer 2003
erfolgte nahezu vollständig zu Gunsten von Arten von großem Vorteil gewesen sein. Einschränkend
mit Schwerpunktvorkommen in mittelhoher/mittel ist allerdings anzumerken, dass die beiden Dorn
dichter Vegetation bei mäßiger Nutzungsintensität. schrecken-Arten sicher aufgrund des frühzeitigeren
Demgegenüber änderte sich die Verteilung auf den Beginns der Erhebungen gegenüber 2002 nach
geförderten Flächen nur geringfügig. Diese Ergeb- gewiesen worden sein dürften: diese Arten sind
nisse sprechen für eine Strukturverarmung auf v. a. im Frühjahr gut zu erfassen. Zu Beginn der
den intensiver bewirtschafteten Vergleichsflächen. Begleituntersuchungen zum Programm NAK in 2002
In Hinblick auf seltene und gefährdete Heu konnten die geplanten frühen Erfassungstermine
schreckenarten wiesen die Förderflächen des noch nicht optimal umgesetzt werden.
Programms NAK, so die Ergebnisse der Detail
untersuchungen, gegenüber den Vergleichsflächen
5.2 Laufkäfer
im Durchschnitt höhere Anzahlen entsprechen
der Arten auf (siehe Abb. 14). Im temporalen In Hinblick auf die Artenvielfalt der Laufkäferfauna
Vergleich ließen die Vergleichsflächen ähnliche wichen die Erfassungsergebnisse der Detailunter
Entwicklungen erkennen wie die geförderten suchungen von den Ergebnissen bei den an
Flächen. Die Nachweisquote seltener und gefähr deren Artengruppen in ihrer Tendenz deutlich ab.
deter Heuschreckenarten stellte sich 2005/06 ge Im Gesamtdurchschnitt und auch für die Mehr
genüber 2002/03 positiver dar. So konnten 8 der zahl der einzelnen Maßnahmen (Ausnahme Natur
16 in 2005/06 erfassten Arten auf mehr Flächen schutzgerechte Frischwiesennutzung) waren auf
nachgewiesen werden als in 2002/03. Hierbei den Vergleichsflächen im Durchschnitt mehr Lauf
gab es für einige Arten zahlreiche, z. T. auf bis zu käferarten erfasst worden als auf den NAK-Flächen.
21 Untersuchungsflächen, Neunachweise [Lang Auch im temporalen Vergleich änderte sich dieses
flügelige Schwertschrecke (Conocephalus dis- Bild nicht. Daneben ergab ein temporaler Vergleich
color), Sumpfschrecke (Stethophyma grossum), der Arten- und Individuenzahlen der Förderflächen,
Große Goldschrecke (Chrysochraon dispar)]. Dem dass die Artenzahl bei der Erstuntersuchung gering
gegenüber waren die Verluste gering. fügig höher war als bei der Untersuchung von 2004.
Die durchschnittliche Anzahl der in der komplexen 2002 lagen zudem die Individuenzahlen um etwa
Fallstudie „Luppeaue“ erfassten seltenen und ge 20 % höher. Geht man davon aus, dass auf den
fährdeten Heuschreckenarten war auf den För Maßnahmeflächen die zuvor dargestellten guten
derflächen höher als auf den Vergleichsflächen. Im Ergebnisse für die Flora und Heuschrecken auch
temporalen Vergleich erhöhte sich deren Anzahl dem Einfluss der Fördermaßnahmen zugeschrieben
noch, während auf den Vergleichsflächen nur in werden können, so scheinen für die Laufkäfer ande
2003 eine Art nachgewiesen werden konnte. In der re Parameter entscheidend zu sein.
komplexen Fallstudie Breitenbrunn änderte sich Die beweideten Förderflächen der Einzelfallstudie
im zeitlichen Vergleich die Anzahl seltener und ge „Hüteschafhaltung Großer Weidenteich“ wiesen im
fährdeter Arten nicht. In der Einzelfallstudie „Großer Mittel etwa nur halb so viele Laufkäferarten auf, wie
138
Abb. 16: Prozentuale Verteilung von Laufkäfern in Abhängigkeit von ihren ökologischen Lebensraumansprüchen im Bereich von
geförderten Flächen (NAK) und Vergleichsflächen (V) im Detailmonitoring 2002 und 2004 (gewichtet, nicht dargestellte Anteile
> 40 % = „allgemein verbreitete Arten“)
Abb. 17: Gegenüberstellung der spezifischen Laufkäferarten von NAK-Detailmonitoring- und Vergleichsflächen auf Grünland 2002 und 2004
139
die beiden als Vergleichsflächen herangezogenen Laufkäferarten mit spezifischeren Ansprüchen. Für
Mähwiesen. Generell konnten auf Förder- und auf diese xero- und mesophilen Offenlandarten war
den Vergleichsflächen 2004 mehr Arten nachgewie auch im temporalen Vergleich auf den Förderflächen
sen werden als 2002. eine Zunahme gegenüber allgemein verbreiteten
Die Aufgliederung der in den Detailuntersuchungen und Waldarten zu verzeichnen. Hingegen ist auf den
erfassten Laufkäfer-Zönosen in ökologische Grup- Vergleichsflächen insgesamt eine Abnahme der typi
pen zeigt allerdings, dass auf den NAK-Flächen schen Offenlandarten, insbesondere auch xero- und
im Gesamtdurchschnitt mehr den naturschutz mesophiler, gegenüber allgemein verbreiteten Arten
fachlichen Wert des Offenlandes charakterisierende dokumentiert worden.
Arten nachzuweisen waren als auf den untersuch Für die in den Detailuntersuchungen erfassten sel-
ten Vergleichsflächen. Diese wurden von Ubiquisten tenen und gefährdeten Laufkäfer liegen je nach
beherrscht. Je nach Maßnahmetyp wurden Feuch Maßnahme uneinheitliche Ergebnisse vor. Im
tigkeit präferierende Offenlandarten wie z. B. be Durchschnitt aller untersuchten Flächen boten
stimmte Arten der Gattungen Agonum und Notio- die NAK-Flächen mehr gefährdeten und seltenen
philus bzw. xero- und mesophile Offenlandarten Laufkäfern Lebensraum als die Vergleichsflächen.
wie z.B. bestimmte Arten der Gattungen Amara Dies bestätigte sich jedoch nicht bei den Maß
und Harpalus gutachterlich als wertgebend erach nahmen Naturschutzgerechte Bergwiesennutzung
tet (Prof. Hellriegel-Institut Bernburg an der Hoch und Nasswiesenpflege. Im Vergleich beider Unter
schule Anhalt). Das stärkere Auftreten von Arten suchungsperioden ist im Durchschnitt aller Flächen
des Halboffenlandes und der Gehölzränder auf jeden Maßnahmetyps überwiegend ein ähnli
den NAK-Flächen [z. B. einige Arten der Gattung cher Anstieg der Anzahl seltener und gefährde
Pterostichus und Arten wie z. B. Blauhals-Schnell ter Arten sowohl auf den NAK- als auch auf den
läufer (Diachromus germanus) und Ziegelroter Vergleichsflächen festzustellen. Für eine positive
Flinkläufer (Trechus rubens)] könnte auf das Vor Entwicklung der Bestände seltener und gefähr
handensein von Säumen, aber u. a. auch auf die deter Laufkäferarten auf den geförderten Flächen
Kleinteiligkeit der Flächen oder das Vorhandensein spricht jedoch die Zunahme der Anzahl der bei der
von Feldgehölzen hinweisen. Eine gewisse Ausnah Wiederholungserfassung nachgewiesenen Arten
me bildeten die Vergleichsflächen der Maßnahme insgesamt als auch die höhere Zahl der einzelnen
Nasswiesenpflege, die im Unterschied zu den üb Untersuchungsflächen, auf denen diese nachge
rigen Maßnahmen auch Bereiche berücksichtig wiesen wurden. In der Summe aller Abgänge und
ten, die von Nutzungsaufgabe betroffen waren. Neunachweise konnten in 2004 vier gefährdete
Mit weiterem Fortschreiten der Verbrachung dürfte und seltene Laufkäferarten mehr erfasst werden
aber auch hier ein Rückgang der anspruchsvolleren als in 2002. Hierbei gab es auf den Förderflächen
Offenlandarten zu erwarten sein. Insgesamt fanden Erstnachweise für bundes- oder sachsenweit vom
sich unter den anspruchsvolleren Arten vielfach sol Aussterben bedrohte oder stark gefährdete Arten
che, die entweder höhere Vegetationsstrukturen mit wie Agonum duftschmidi, Amara famelica, Amara
fruchtenden Gräsern und Kräutern benötigen, oder strenua, Chlaenius tristis und Pterostichus unctulatus.
deren Aktivität an einen geringen Raumwiderstand,
d. h. an lückige Ausbildungen der Vegetation ge
bunden ist. Dieses steht in engem Zusammenhang
mit der Nutzungsintensität (Erhaltung der höheren
und fruchtenden Vegetation durch Einhaltung an
gemessener Nutzungspausen und später Nut
zungstermine, Düngungsverzicht). Ein deutlich ge
richteter Entwicklungstrend war nach der ersten
Wiederholungsuntersuchung nicht belegbar.
140
5.3 Tagfalter Arten des halbextensiv bis extensiv genutzten
Offenlandes wie bspw. Braunkolbiger Braun
Im Hinblick auf Aussagen zur Artenvielfalt von Tag dickkopffalter (Thymelicus sylvestris), Lilagold-
faltern kann für die in der komplexen Fallstudie Feuerfalter (Lycaena hippothoe), Schachbrettfalter
„Luppeaue“ sowie in der Einzelfallstudie „Hüte (Melanargia galathea) und Schwalbenschwanz
schafhaltung Großer Weidenteich“ erfassten Arten (Papilio machaon) können als kennzeichnende
festgehalten werden, dass im Durchschnitt eine Arten für naturschutzgerecht bewirtschaftete Flächen
höhere Artenzahl anzutreffen war als auf den Ver angesehen werden. Dies trifft ebenso für typische
gleichsflächen. Im temporalen Vergleich zeigten sich Saumbewohner wie z. B. Dunkler Wiesenknopf-
in der Luppeaue jedoch sowohl die Nachweise auf Ameisenbläuling und Schornsteinfeger (Aphan-
den Förderflächen als auch auf den Vergleichsflä topus hyperantus) zu (vgl. Ebert et al. 1993, Settele
chen ähnlich rückläufig. Im Gebiet Großer Wei et al. 1999, Weidemann 1986). Solche Arten sind
denteich stieg während dessen die Artenzahl so in der komplexen Fallstudie „Luppeaue“ in allen
wohl auf Förder- als auch Vergleichflächen an. Erfassungsjahren in größerer Anzahl auf den NAK-
In der Komplexstudie „Luppeaue“ bspw. wurden in Flächen erfasst worden. Auch in der Einzelfallstudie
2005 gegenüber 2002 etliche Arten nicht oder nur „Hüteschafhaltung Großer Weidenteich“ wurden auf
in wesentlich geringerer Individuendichte erfasst. den intensiver genutzten Vergleichsflächen mehr
Neben evtl. natürlichen Populationsschwankungen allgemein verbreitete Arten nachgewiesen, wäh
spielten wohl auch Witterungseinflüsse in 2005 eine rend in den gehuteten Bereichen v. a. der Anteil von
nachvollziehbare Rolle. So musste der für die erste Bewohnern extensiv genutzter Offenlandhabitate
Augusthälfte vorgesehene fünfte Erfassungstermin deutlich höher war.
durch eine Schlechtwetterperiode verschoben wer- Bei der Wiederholungserfassung konnten auf den
den. Zum realisierbaren Erfassungszeitpunkt war Vergleichsflächen in der Luppeaue und im Gebiet
die Flugzeit dieser Arten dann bereits beendet. Die „Hüteschafhaltung Großer Weidenteich“ jeweils nur
zwangsläufige Verschiebung war auch Ursache allgemein verbreitete Arten angetroffen werden.
für die in diesem Jahr durchweg geringeren Hingegen blieb die Zahl anspruchsvollerer Arten auf
Registrierungen der einzigen erfassten FFH-Art den NAK-Flächen in der Luppeaue konstant und
[Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Glauco in der Einzelfallstudie „Hüteschafhaltung Großer
psyche nausithous)]. Weidenteich“ nahmen diese zu. Dort war zudem
Abb. 18: Der Schwalbenschwanz (Papilio machaon), eine der kennzeichnenden Tagfalterarten des halbextensiv bis extensiv genutzten
Offenlandes, die bei den Erfassungen in der Einzelfallstudie Großer Weidenteich nachgewiesen wurde
Foto: Archiv Naturschutz LfULG, W. Böhnert
141
Abb. 19: Ökologische Ansprüche der Tagfalter in Bezug auf Vegetationsstruktur und Nutzungsintensität
(gewichtet mit der Häufigkeit) der Komplexen Fallstudie Luppeaue
eine weitere Ausdifferenzierung der Vorkommen heraus. Solche Bereiche in der unmittelbaren Um
unterschiedlicher ökologischer Anspruchstypen zu gebung ihrer eigentlichen Bruträume nutzten im
verzeichnen. Bei den Erfassungen in den Gebieten Gebiet „Großer Weidenteich“ z. B. Braunkehlchen
„Luppeaue“ und „Hüteschafhaltung Großer Weiden (Saxicola rubetra) und Neuntöter (Lanius collu-
teich“ waren in beiden Erfassungsjahren auf den rio) als Nahrungshabitat. EU-weit zu schützende
Vergleichsflächen im Gegensatz zu den Förderflä bzw. seltene und gefährdete Arten konnten in der
chen keine EU- weit zu schützenden, gefährdeten Einzelfallstudie als anzunehmende bis sichere
bzw. seltenen Tagfalterarten nachzuweisen. Brutvögel ausschließlich auf den beweideten NAK-
Flächen nachgewiesen werden. In Anhang I der
EU-Vogelschutzrichtlinie geführt werden Heide
5.4 Vögel
lerche, Neuntöter und Rohrweihe (Circus aerugi-
Vogelerfassungen erfolgten bspw. im Rahmen der nosus). Weitere, nach der Roten Liste gefährdete
Einzelfallstudie „Hüteschafhaltung Großer Weiden Arten sind Braunkehlchen, Steinschmätzer, Kiebitz
teich“ auf schafbeweideten Förderflächen und (Vanellus vanellus), Rebhuhn und Wachtel.
überwiegend gemähten Vergleichsflächen. Die Er
gebnisse der Auswertungen nach ökologischen
Gruppen zeigen, dass für die gehuteten Flächen
besonders Brutvogelarten, die hinsichtlich ihrer
Habitatansprüche von einer extensiven Beweidung
profitieren (s. u. a. Bezzel 1985, 1993), kennzeich
nend waren. Hierzu zählten als Bewohner weiträu
miger und relativ niedrigwüchsiger Bereiche Wachtel
(Coturnix coturnix) und Rebhuhn (Perdix perdix) so
wie als Arten, die vegetationsarme Stellen benötigen,
Heidelerche (Lullula arborea) und Steinschmätzer
(Oenanthe oenanthe). Da eine Beweidung nicht
auf der gesamten Fläche in gleicher Intensität
erfolgt, bilden sich bei grundsätzlich offener Land
schaftsstruktur auch wenig bis ungenutzte Bereiche
142
VS RL RL NAK V
Deutscher Artname Wissenschaftl. Name
RL S D
2002 2004 2002 2004
Braunkehlchen Saxicola rubetra 3 3 D C - -
Tab. 4: Nachweis spezifischer Vogelarten mit Brutverdacht, -hinweis oder -nachweis auf Hüteschafhaltungsflächen der Einzelfallstudie
Großer Weidenteich 2002 und 2004 mit Gefährdungs- und Schutzstatus
Rote Liste Status:
1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, R = selten, V = Vorwarnstufe
Brutstatusangabe:
B = Brutverdacht, C = Bruthinweis, D = Brutnachweis, – = keine Nachweise
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und lückige Bereiche bevorzugen und die Anteile Unter allen Maßnahmen der naturschutzgerech
der Arten, die geringe Nutzungsintensitäten anzei ten Grünlandnutzung des Programms NAK wurde
gen. Die vorgefundene Verteilung deutet auf eine im Grobmonitoring bei den Flächen der Natur
aufgrund verminderter Düngung und geringerer schutzgerechte Wiesennutzung (Bergwiese) ins
Besatzdichten entstandene kleinflächig differen gesamt der größte Anteil an Erhaltungsflächen
zierte Strukturvielfalt hin. Bei der Bewertung der festgestellt. Ebenso wurden die Flächen der
Maßnahme Naturschutzgerechte Wiesennutzung Detailuntersuchungen überwiegend als geschütz
(Frischwiese) im Grobmonitoring wurde die Mehrzahl te Biotope und als FFH-Lebensraumtyp „Berg-
der Förderflächen als Entwicklungsflächen mit ei Mähwiese“ eingestuft. Die Auswertung der für diesen
nem noch deutlichen Abstand zum Zielzustand Lebensraumtyp typischen Pflanzenarten aus den
eingestuft. Diese Einstufung deutet auf eine zu Vegetationsaufnahmen ergab, dass der Anteil auf
mindest zeitweise intensivere Nutzung der Flächen den NAK-Flächen im Vergleich zu den nicht geförd
in der Vergangenheit hin. Hingegen ergaben die erten Flächen wesentlich höher war und dass sel
Detailuntersuchungen, dass diese trotzdem schon tene und/oder besonders kennzeichnende Arten
vielfach geschützte Biotope, mehrheitlich mage sogar nur auf den NAK-Flächen vorkamen. Die
re Frischwiesen und auch FFH-Lebensraumtypen, Ergebnisse des Detailmonitorings zeigen auch, dass
i. d. R. Flachland-Mähwiesen, einschließen. die Bergwiesen zu den artenreichsten Biotoptypen
des bewirtschafteten Grünlandes im Programm
Im Durchschnitt waren die naturschutzgerecht ge NAK gehörten. Die mittleren Gesamtartenzahlen und
nutzten Frischwiesen wesentlich artenreicher als die die Anteile der gefährdeten Arten bei den Pflanzen
konventionell genutzten Vergleichsflächen. waren bei den Bergwiesen im Vergleich der unter
Die gegenüber den Vergleichsflächen höheren suchten Maßnahmen am höchsten. Auch war auf
Anteile von Magerkeits- und Aushagerungszeigern den betrachteten Bergwiesen nicht nur der Anteil
in der Flora sowie von Heuschreckenarten, die eine der Aushagerungszeiger, sondern insbesondere der
niedrige, lückige Vegetation bevorzugen, deuten auf Anteil der Magerkeitszeiger sehr hoch. Im Vergleich
die Auswirkungen der verminderten Düngung hin. der Förderflächen mit den nicht geförderten Flächen
Für die Maßnahme Naturschutzgerechte Wiesen deuten die höheren Anteile von Magerkeits- und
nutzung (Feuchtwiese) wurde bei der Auswertung Aushagerungszeigern wiederum auf die Auswir
der im Grobmonitoring begutachteten Flächen ein kungen der reduzierten bzw. unterlassenen Düngung
wesentlich höherer Anteil an Erhaltungsflächen vor hin. Einen Hinweis in die gleiche Richtung geben
gefunden als bei der Naturschutzgerechten Frisch auch die erfassten Heuschreckenarten, die auf
wiesennutzung. eine niedrige, lückige Vegetation angewiesen sind.
Es kann vermutet werden, dass ein Teil der Feucht Auch bei der Maßnahme Nasswiesenpflege war der
wiesen in der Vergangenheit nicht so intensiv genutzt im Grobmonitoring als Erhaltungsfläche eingestuf
wurde wie die Frischwiesen. Darauf deuten auch te Flächenanteil in der Wiederholungsbewertung
die Auswertungen der Anteile der Magerkeits- und überdurchschnittlich hoch. Aufgrund der besonde
Aushagerungszeiger hin, die wesentlich höher waren ren Standortgegebenheiten sind Nasswiesen eher
als auf den untersuchten Frischwiesen. Die Ergeb- durch Verbrachung als durch intensive Nutzung
nisse der Detailmonitoringuntersuchungen verdeut gefährdet. Flächen, auf denen der Prozess der
lichen den besonderen Wert der naturschutz- Verbrachung noch nicht allzu weit fortgeschritten
gerecht genutzten Feuchtwiesen als Heuschrecken ist, können zumeist noch als naturschutzfachlich
lebensraum. Im Vergleich der verschiedenen Maß hochwertig eingestuft werden. Der überwiegen
nahmen untereinander wurden auf den untersuch de Anteil der im Detailmonitoring untersuchten
ten Feuchtwiesen im Mittel die meisten seltenen und Nasswiesen war ganz oder teilweise geschütz
zu schützenden Arten gefunden. Analog dazu wa ten Biotopen zuzurechnen. Zudem verdeutlichen
ren dieAnteile der Heuschreckenarten, die eine mä die Ergebnisse der Detailuntersuchungen auf Nass
ßig extensive Nutzung anzeigen, besonders hoch. wiesen analog zu den Ergebnissen der Feucht
Die Ergebnisse der Komplexstudie „Luppeaue“ wei wiesenuntersuchungen den besonderen Wert
sen exemplarisch auf die Bedeutung der Feucht der Nasswiesen für die Heuschreckenfauna. Die
wiesenförderung auch für die Tagfalterfauna hin. Maßnahme Hüteschafhaltung kam im Bereich
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der Grünlandnutzung nach der Auswertung des aber, dass weitere Ziele dieses Programmpunktes
Grobmonitorings v. a. auf Entwicklungsflächen zum wie die Übernahme von Pufferfunktionen für angren
Einsatz. Die Auswirkungen der Hüteschafhaltung zende wertvolle Flächen nicht untersucht wurden.
wurden im Rahmen der weiterführenden Unter Zum Erhalt, zur Wiederherstellung und zur Ent
suchungen zur Grünlandnutzung nur exemplarisch wicklung wertvoller Biotope bzw. Lebensräume
in einer Fallstudie im Naturschutzgebiet Großer sind v. a. Maßnahmen hinsichtlich Art, Intensität und
Weidenteich zum Erhalt von Magerweiden un zeitlicher Abfolge von Nutzung bzw. Pflege sowie
tersucht. Dabei wurde deutlich, dass sich in die der Dosierung der Nährstoffzufuhr von Bedeutung.
sem Gebiet die Schafbeweidung positiv auf die Diesbezüglich zeigten zum einen die grundsätzli
Artenvielfalt von Flora, Heuschrecken und Tagfaltern chen Vorgaben der Richtlinie und zum anderen die
sowie die Anzahl seltener bzw. gefährdeter Arten in den Bewirtschaftungsvereinbarungen zwischen
dieser Artengruppen auswirkte. Auch konnten auf der Naturschutzbehörde und dem Bewirtschafter
den gehuteten Flächen seltene bzw. gefährdete getroffenen schlagkonkreten Festlegungen Wir
Brutvogelarten kartiert werden. kung. In den Bewirtschaftungsvereinbarungen
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die konnten insbesondere die organische Düngung
Bandbreite der Maßnahmen des Programms NAK und die Nutzungstermine sehr zielgerichtet an
prinzipiell für den Erhalt und eine Entwicklung aus die jeweiligen Standortbedingungen und betrieb
Naturschutzsicht wertvollen Grünlands geeignet war. lichen Voraussetzungen der Bewirtschafter ange
Das Programm NAK ermöglichte, mit Intensivierung passt werden. Die Möglichkeit zu solch detaillierten
oder Verbrachung verbundene Prozesse aufzuhal Vorgaben in den Bewirtschaftungsverträgen wurde
ten. Bei vielen Flächen, die teilweise schon länger im Laufe der Programmlaufzeit aufgrund gesam
über andere Förderprogramme des Vertragsnatur- melter Erfahrungen zunehmend genutzt.
schutzes betreut wurden, konnte über das Pro
gramm NAK die wichtige, kontinuierliche Fortführung
eines entsprechenden Managements gewährleistet
werden. Auch nach Ansicht des unabhängigen
Gesamtevaluators des EPLR hat es sich vor dem
Hintergrund der Ergebnisse der Begleituntersu-
chungen bewährt, mit einem gesonderten Teil
programm sehr konkret auf die Zielstellungen des
biotischen Ressourcenschutzes einzugehen. So
bestätigten die begleitenden Untersuchungen zum
Programmteil NAK den hohen Wirkungsgrad der
angebotenen Maßnahmen für den Schutz von
Flora, Fauna und von bedeutenden Lebensräumen
(Landgesellschaft Sachsen-Anhalt und ISW, 2005).
Diese Feststellung trifft ausdrücklich für das Grünland
zu. Während die unterschiedlichen Maßnahmen der
naturschutzgerechten Grünlandnutzung recht gut
angenommen wurden und dadurch Wirkung entfal
ten konnten, fehlte die Bereitschaft der Landwirte,
Maßnahmen auf Ackerland umzusetzen. Allerdings
gab es auch innerhalb der Grünlandmaßnahmen
ein Ungleichgewicht. So war bei der Naturschutz
gerechten Beweidung mit Abstand der größte
Umfang aller Grünland bezogenen Naturschutz
fördermaßnahmen, jedoch bspw. hinsichtlich einer
direkten Förderung von geschützten Biotopen und
Lebensraumtypen auf der Förderfläche der geringste
Effekt zu verzeichnen. Zu berücksichtigen ist hierbei
145
Abb. 20: In Gebieten wie dem Osterzgebirge mit einem hohen Anteil an naturschutzfachlich wertvollen Flächen wird der Vertragsnaturschutz
auch zukünftig bedeutsam sein. Foto: Archiv Naturschutz LfULG, A. Koch
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naturschutzfachlicher Sicht diesbezügliche einzel wendung auf Heiden) auf Grünland konnte beispiel
flächenbezogene Bewirtschaftungsvorgaben be haft nachgewiesen werden, dass sie zur Pflege von
währt. Diese können nur in enger Kooperation mit naturschutzfachlich hochwertigen Mähwiesen ge
den Flächenbewirtschaftern abgestimmt und umge eignet ist. Insofern ist eine Fortführung der Förde
setzt werden. Dafür sollten die auf der Fläche ver rung sinnvoll. Maßnahmeübergreifend hat sich für
folgte Zielstellung als auch der Zweck der einzelnen auf Strukturen angewiesene Arten das zeitweilige
Bewirtschaftungserschwernisse dem Flächennutzer Belassen von Brache-, Saum- und Zwischenstreifen
nachvollziehbar aufgezeigt werden, um eine opti als positiv erwiesen und sollte weiterhin ermöglicht
male Umsetzung zu ermöglichen. werden.
Aus der naturschutzfachlichen Begleitung zum Bei der Aufstellung der Förderrichtlinien für die
Programm NAK lassen sich in Bezug auf zukünf Förderperiode 2007 bis 2013, die vorrangig aus
tig zu fördernde Maßnahmen folgende, konkrete dem Europäischen Fonds für die Entwicklung des
Hinweise ableiten: ländlichen Raumes (ELER) finanziert werden, sind
Bei der Maßnahme der Naturschutzgerechten Be die aus der Begleitung des Programms NAK ge
weidung ist bei der Fortführung der Förderung eine wonnenen Erfahrungen berücksichtigt worden.
stärkere Konzentration auf wertvollere Flächen Allerdings spiegelt sich in den Richtlinien auch ins
bzw. Flächen mit einem hohen Entwicklungs besondere der Konflikt zwischen den – im Vergleich
potenzial anzustreben. Dafür sprechen die sehr zur vorangegangenen Förderperiode gestiegenen –
hohe Inanspruchnahme dieser Maßnahme und Anforderungen der EU an die Kontrollfähigkeit mit
insbesondere der dabei vergleichsweise große An- der Notwendigkeit der Verwaltungsvereinfachung
teil der noch weit vom Zielzustand entfernten wider. So werden beispielsweise die aus natur
Flächen. In Bezug auf die Naturschutzgerechte schutzfachlicher Sicht positiv zu wertenden einzel
Wiesennutzung bzw. Nasswiesenpflege hat es flächenbezogenen Bewirtschaftungsvereinbarungen
sich erwiesen, dass insbesondere mit den Maß zwischen Naturschutzbehörde und Antragsteller in
nahmen Naturschutzgerechte Bergwiesen- und Sachsen nicht mehr abgeschlossen.
Feuchtwiesenutzung sowie Nasswiesenpflege viel-
fach bereits wertvolle Biotope bzw. Habi-
8 Schlussfolgerungen in Bezug auf
tate bewirtschaftet oder gepflegt wurden. Hingegen
zukünftige Begleituntersuchungen
kann für einen großen Teil der als Entwicklungsflächen
eingestuften Frischwiesen von einer vormals in Bei der zukünftigen Begleitung der naturschutz
tensiven Nutzung ausgegangen werden. Auf die gerechten Grünlandnutzung sollen die Ergeb
sen Flächen dürfte es vielfach empfehlenswert nisse und Erkenntnisse aus den bisherigen Unter
sein, vor der Überführung in eine extensive Spät suchungen berücksichtigt werden. Auch mit
schnittnutzung zunächst die Nährstoffe über eine den zukünftigen Untersuchungen ist die Frage
mehrmalige, nicht zu späte Mahd ohne Düngung ab- zu beantworten, wie sich die Förderung auf die
zuschöpfen. Darüber hinaus konnte nachgewiesen Biodiversität, insbesondere auf die Artenvielfalt
werden, dass aufgrund der fließenden Übergänge und auf die aus Naturschutzsicht bedeutsamen
zwischen den Biotoptypen (beispielsweise Feucht- Lebensraumtypen bzw. Biotope auf den geför
und Nasswiesen) eine auf den Biotoptyp bezo derten Flächen auswirkt. Aus Naturschutzsicht
gene Unterteilung der Maßnahmen naturschutz sollte ein dauerhaftes Monitoring angestrebt wer
fachlich nicht zielführend ist. Deshalb sollte die den, weil die Wirkungen von angepassten Be
Maßnahmeunterteilung über die tatsächlichen Anfor wirtschaftungsmaßnahmen auf Arten und Biotope
derungen an die Bewirtschaftung erfolgen. So ist es nur langfristig eintreten. Dem stehen allerdings die
hinsichtlich des Pflegezustandes der Fläche sowie relativ kurze Laufzeit der Förderprogramme und
in Bezug auf die Bewirtschaftungserschwernisse die Anforderung der Europäischen Union an die
entscheidender, ob beispielsweise die Mahd mit der Bewertung der Programme und Maßnahmen be
in der heutigen Landwirtschaft gängigen Technik reits innerhalb ihrer Laufzeit entgegen.
durchgeführt werden kann oder der Einsatz von Zukünftig sollte verstärkt versucht werden, die
Spezialtechnik oder gar von Handarbeit nötig ist. Für Untersuchungen mit anderen Fachaufgaben des
die Hüteschafhaltung (neben der verbreiteten An Naturschutzes sowie mit den Analysen zu land
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wirtschaftlichen Auswirkungen der Naturschutz Aus den Ergebnissen der Untersuchungen zum
förderung abzustimmen und die Erfassungen so Programm NAK ist ersichtlich, dass insbesondere
auszurichten, dass die Ergebnisse auch für andere zur Interpretierbarkeit der Erfassungen von oft
Auswertungen genutzt werden können. In diesem starken Populationsschwankungen unterworfenen
Zusammenhang ist eine Anpassung an andere be Wirbellosenartengruppen häufigere Erhebungen
reits bestehende Monitoringprogramme, insbeson vorgesehen werden müssen. Avifaunistische Un
dere an das Natura 2000-Monitoring sinnvoll. tersuchungen sollten immer dann in Erwägung
Da sich bisher die Erfassungen unterschiedlicher gezogen werden, wenn das Gebiet, in dem die
Untersuchungstiefe prinzipiell als zielführend er Maßnahmen zur Anwendung kommen, groß genug
wiesen haben, werden auch in der zukünftigen Be und ein Bezug zu den Förderflächen eindeutig her
gleitung Grobuntersuchungen und weitergehende stellbar ist.
Untersuchungen eine Rolle spielen. Die Erfahrungen Zur Effektivierung der naturschutzfachlichen Beglei
der vergangenen Förderperiode können in Bezug tung ist vorgesehen, einen größtmöglichen Teil
auf die Grobuntersuchungen zur Qualifizierung der an erforderlichen Daten bereits im Rahmen des
Erfassungsparameter und -methoden genutzt wer Antragsverfahrens abzufragen und zu erfassen.
den. Als spezielle Untersuchungen sollten weiter Das betrifft insbesondere die flächenkonkreten
hin sowohl Detailuntersuchungen für Maßnahmen Zielstellungen, die Angabe, ob Flächen in Schutzge
und Zielstellungen mit großen Flächenumfängen bieten liegen, sowie die digitale Kennzeichnung der
als auch Fallstudien zu Maßnahmen und Zielen mit Lage der Flächen.
geringen Flächenumfängen und/oder einer star Neben der Beobachtung und Erfassung der Wir-
ken räumlichen Konzentration durchgeführt wer- kung der Fördermaßnahmen auf die Biodiversität
den. Dabei sind sowohl die Beobachtung der und des Erreichungsgrads der spezifischen Zielstel
Förderflächen im Zeitverlauf als auch der Vergleich lungen muss die naturschutzfachliche Begleitung
der Förderflächen mit nicht in Förderung befindlichen in Zukunft ebenso stärker und systematischer die
Flächen beizubehalten. Allerdings sollten bei den praktische Maßnahmeumsetzung durch die Land
weiterführenden Untersuchungen die flächenkonkre nutzer analysieren, um so u. a. Möglichkeiten zur
ten Zielstellungen eine stärkere Berücksichtigung Verbesserung der Anwendung der Fördermaß-
als in den bisherigen Begleituntersuchungen zum nahmen aufzeigen zu können. Auch sollten For
Programm NAK erfahren. Darüber hinaus ist anzu- schungen zur Akzeptanz ein weiterer Bestandteil
streben, dass die Auswertungen der Erfassungs der naturschutzfachlichen Begleitung werden, um
ergebnisse auch eine Spezifizierung und verbesser etwa bei Maßnahmen, deren tatsächlicher Umfang
te Beschreibung nicht maßnahmebedingter externer stark von dem naturschutzfachlich notwendigen
Effekte ermöglicht. Bedarf abweicht, entsprechende Steuerungsmög-
Von den Erfassungsparametern der weiterführen lichkeiten zu ermitteln. Darüber hinaus wären sozio-
den Untersuchungen sind Flora und Vegetation ökonomische Untersuchungen wünschenswert,
sowie Biotop- und Lebensraumtypen auf den die konkretere Auskünfte hinsichtlich der Quanti
Förderflächen prinzipiell beizubehalten und mög fizierung des mutmaßlichen Beitrags der Natur
lichst nur soweit an andere bestehende Erhe- schutzförderung zur Entwicklung des ländlichen
bungsmethoden anzupassen, dass die Vergleich- Raumes insgesamt (etwa den Beitrag zur Ein
barkeit mit früheren Erfassungen nicht gefähr kommenssicherung der Betriebe oder positive
det wird. Daneben haben sich generell die Er Auswirkungen auf den Tourismus) geben könnten.
fassungen von Heuschrecken zur Beurteilung der Um die nach dem Jahr 2013 folgende Förderperio
Maßnahmewirksamkeit auf Grünland bewährt. de vorzubereiten, sind Untersuchungen zur Weiter
Hingegen sollten nach den gesammelten Erfah entwicklung der Förderung einschließlich der
rungen Laufkäfer nicht mehr standardmäßig auf Erprobung neuer Methoden und Verfahren möglichst
Grünlandflächen erhoben werden. Bei der Inter frühzeitig zu beginnen.
pretation von Tagfalteruntersuchungen auf Grün
land ist darauf zu achten, inwieweit für die erfassten
Arten ein tatsächlicher Flächenbezug angenommen
werden kann.
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150
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Foto Titelseite:
„Trockene“ Feuchtwiese in Schöneck im
Vogtland, Archiv Naturschutz LfULG,
W. Böhnert
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