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Batteriesysteme als Kerninnovation der E-Mobilität:

Wertanalytische Betrachtung und Konsequenzen für die


Industriestruktur

Prof. Dr. Kai-Andre Böhm


hofer mechatronik GmbH / Hochschule Esslingen, Nürtingen, Deutschland

Gerold Sluka
hofer mechatronik GmbH, Nürtingen, Deutschland

Prof. Dr. Ralf Wörner


Hochschule Esslingen, Deutschland

Jonas Meinhardt
hofer mechatronik GmbH, Nürtingen, Deutschland

Mario Oncken
hofer mechatronik GmbH, Nürtingen, Deutschland

David Paul
hofer mechatronik GmbH, Nürtingen, Deutschland

Zusammenfassung

Das Batteriesystem kann als Schlüsselelement von E-Mobilitätsanwendungen bezeichnet werden, da die
wichtigsten Kundenanforderungen einen Zusammenhang mit dem Energiespeichersystem haben. Die wich-
tigsten Kundenanforderungen sind eine hohe Reichweite, eine möglichst lange Lebensdauer, Sicherheit,
Schnellladbarkeit und eine Wettbewerbsfähigkeit hinsichtlich der Kosten. Für den Hersteller ergibt sich dar-
über hinaus die Anforderung an stabile Rahmenbedingungen innerhalb der im Automobilsektor im Aufbruch
und Wandel befindlichen Wertschöpfungskette für Traktionsbatterien.

Im Rahmen einer praktischen Wertanalyse wurden alle charakterisierenden Eigenschaften einer automobi-
len Traktionsbatterie bewertet. Dabei wurden die Kostenverteilung auf System- und Zellebene analysiert und
aufgezeigt welche Komponenten als Kostentreiber bewertet werden können.

Die darüber hinaus erzielten Informationen zu eingesetzten Werkstoffen erlauben eine Hochrechnung auf
Materialbedarfe zur Produktion von Traktionsbatterien.

Eine Prognose der global zu erwartenden Nachfrage für E-Mobilitätsanwendungen bis in das Jahr 2050
veranschaulicht die Herausforderungen der Branche sowie regional zugehöriger Wachstumsprognosen.

Die daraus ableitbaren Batteriezellbedarfe werden den aktuellen Produktionskapazitäten gegenübergestellt,


um aufzuzeigen wann ein Nachfrageüberschuss entsteht. Da die Unternehmen der Automobilbranche stark
von der Rohstoffindustrie mit Schwerpunkte auf Lithium und Kobalt abhängig sind, werden die Verfügbarkeit
und das Lieferausfallrisiko der Rohstoffverfügbarkeiten analysiert.

Abschließen werden Handlungsempfehlungen in Aussicht gestellt, die den aufgezeigten Problemen Rech-
nung tragen.
1. Aufbau und Komponenten von Traktionsbatterien

Abb. 1: Batteriesystem nach dem Stand der Technik

1.1 Li-Ionen Zellen

Eine Traktionsbatterie nach dem Stand der Technik (Abb. 1) basiert auf Li-Ionen Zellen in prismatischen,
zyklindrischen oder Pouch-Gehäusen. Jeder Zelltyp verfügt konstruktionsbedingt über spezifische Eigen-
schaften. So können Pouch-Zellen beispielsweise mit einer hohen Energiedichte aufgrund des leichten Ge-
häuses aufwarten. Dieser Vorteil erfordert bei der Konstruktion der Batterie jedoch zusätzliche versteifende
und tragende Strukturen. Zylindrische Zellen verfügen aufgrund der homogenen und dichten Wicklung über
die höchste volumetrische Energiedichte, verlieren diesen Vorteil auf Systemebene jedoch teilweise wieder
durch die entstehenden Lücken zwischen den Zellen. Darüber hinaus verfügen zylindrische Zellen über ge-
ringe Dimensionen und erfordern daher eine enorm hohe Zellzahl mit entsprechend aufwändiger Verbin-
dungstechnik.

Unabhängig von der Bauform basieren Li-Ionen Zellen für automobile Anwendungen heute entweder auf
Nickel-Cobalt-Aluminimum (NCA) oder Nickel-Cobalt-Mangan (NCM) Kathoden. Auf Anodenseite ist Grafit
Stand der Technik. Neuere Entwicklung erhöhen das Mischungsverhältnis bei NCM Zellen immer mehr zu
höheren Nickel-Anteilen. Dadurch steigt die Energiedichte, jedoch auch das Gefährdungspotential. Zur Stei-
gerung der Kapazität auf der Anodenseite wird ein steigender Anteil Silizium integriert mit dem Nachteil der
ggf. sinkenden Zyklenstabilität.
1.2 Zellmodule

Abb. 2: Zellmodul mit Komponenten

Die Zellen werden zu Modulen verbunden, die i.d.R. über folgende Eigenschaften und Vorteile verfügen:
• Gruppierung von z.B. 8-12 Zellen
• Integrierte Sensorik für Zellspannungen und Temperaturen
• Elektrische Serien- und Parallelschaltung der Zellen über Verbinder
• Elektrische Isolation der Zellgehäuse (nicht für Pouch-Zellen)
• Spannungslage unter 60V für geringe Sicherheitsanforderungen
• Thermische Grundfunktionalität
• Definierter Anpressdruck der Zellen zur Vermeidung von Swelling und Erhöhung der Zyklenstabilität
• Gut handhabbare Einheit bzgl. Gewicht und Dimensionen für die Logistik
• Mechanisch stabile Einheit mit Toleranzausgleich für Zelldimensionen
• Tauschbarkeit im Falle eines Defektes

Abb. 2 stellt ein Modul der Firma ElringKlinger für prismatische Zellen dar. Entwicklungsziel für Module ist
es, die o.g. Funktionen so robust und preisgünstig wie möglich sicher zu stellen.

1.3 Batteriemanagementsystem (BMS) und Hochvolt Verbindung

Das BMS besteht üblicherweise aus folgenden Komponenten:


• Pro Modul eine Cell Sense and Control Unit (CSC)
• Zentrales BMS-Steuergerät
• Battery Disconnect Unit (BDU)

Die Funktionalität dieser elektronischen Komponenten umfasst i.d.R. Zustandserkennung, Temperierung


und Sicherheit:
• Messdatenerfassung
• Bestimmung Ladezustand
• Berechnung verfügbarer Leistung und Energie
• Bestimmung des Alterungszustands
• Sicherheitsfunktionen
• Notabschaltung (Trennung HV-Verdingung)
• Thermomanagement
• Steuerung des Ladevorgangs
• Battery Monitoring und Datenerfassung

Bei der Cell Sense and Control Unit (CSC) handelt es sich um ein kleines (Slave-) Steuergerät, welches pro
Zellmodul verbaut wird und mit diesem in eine Funktionseinheit eingeht. Die CSC überwacht sämtliche
Zellspannungen, einige Temperaturen und kann das Cell-Balancing durchführen.

Die CSCs sind durch eine geeignete Kommunikationsverbindung mit dem zentralen BMS-Steuergerät ver-
bunden, auf dem die notwendigen Algorithmen für die Gesamtfunktionalität gerechnet werden. Dazu verfügt
dieses Steuergerät über einen leistungsfähigen Mikrocontroller.

Mit Hilfe der Battery Disconnect Unit kann die Batterie vom übrigen Hochvolt-Netz des Fahrzeuges getrennt
werden. Zum erneuten Verbinden existiert eine Vorladeschaltung für den DC-Link Kondensator im Inverter,
die hohe Einschaltströme verhindert.

1.4 Thermomanagement und Gehäuse

Da Li-Ionen Batterien trotz sehr hohem Wirkungsgrad für Ladung und Entladung Abwärme produzieren,
muss ein Thermomanagement vorgesehen werden, welches die Zellen in einem idealen Temperaturbereich
von ca. 15°C bis 50°C hält. Bei zu hohen Temperaturen wird die Alterung der Zellen stark beschleunigt.
Oberhalb der kritischen Temperatur von ca. 80°C (je nach Zellchemie) können die Zellen geschädigt werden
und im Extremfall in einen sicherheitskritischen Thermal Runaway gehen. Unterhalb dieses Temperaturfens-
ters ist aufgrund des mit sinkender Temperatur etwa exponentiell steigenden Innenwiederstandes die Leis-
tungsfähigkeit stark eingeschränkt. Daher werden viele Traktionsbatterien bei kalten Temperaturen aktiv
beheizt.

Ein solches Thermomanagement kann beispielsweise aus Kühlplatten bestehen, auf denen die Zellmodule
mit guter thermischer Anbindung aufgesetzt werden (siehe Abb. 1). Zusammen mit der Fahrgastzellenklima-
tisierung werden nach dem Stand der Technik thermische Kreisläufe mit Komponenten wie Pumpen, Venti-
len, Kühlern und ähnlichem aufgebaut.

Das Gehäuse der Traktionsbatterie trägt einen entscheidenden Beitrag zur Lebensdauer, Sicherheit und
Funktionsfähigkeit der Batterie bei. Es bietet Schutz vor den Umwelteinflüssen denen Fahrzeuge ausgesetzt
sind wie z.B. Feuchtigkeit, Spritzwasser, Salznebel und Staub. Daher werden Batteriegehäuse aufwendig
abgedichtet. Zusätzlich muss die Batterie über eine hohe Stabilität verfügen, um die Batterie im Fahrzeug,
bei der Produktion und Lagerung sowie im Crashfall möglichst formstabil zu halten.

Neben dem eigentlichen Gehäuse ist die Befestigung des Batteriesystems von hoher Bedeutung, da diese
sehr hohen mechanischen sowie thermischen Beanspruchungen ausgesetzt ist.

1.5 Stecker und Leitungen

Hochvolt-Stecker und –Leitungen müssen ebenfalls sehr hohen Anforderungen genügen, um den Schutz
vor elektrischem Schlag zu gewährleisten.

2. Kostenstruktur der Komponenten einer Traktionsbatterie

Stellvertretend für die im Automobilsektor denkbaren Konzepte von Li-Ion-Trationsbatterien soll nachfolgend
eine wertanalytische Betrachtung in ihren Ergebnissen disktutiert werden. Grundlage bildet die exemplari-
sche Betrachtung einer Plug-In-Hybrid Hochvolt-Batterie ausgeführt mit prismatischen Zellen vom Typ NMC
sowie als System ausgerüstet mit einer Gesamtkapazität von ca. 14 kWh. Das Gesamtgewicht der Batterie
beträgt knapp 130 kg, davon anteilig für die Modulsysteme ca. 97 kg bzw. davon wiederum anteilig für die
Zellen von ca. 59 kg.

Gemäß den Angaben aus dem Vorgängerkapitel kann das Batteriesystem zunächst in seine wesentlichen
Baugruppen zergliedert werden, diese umfassen für eine Plug-In-Hybrid HV-Batterie gemäß dieser Studie:
• Batteriegehäuseteile
• Batteriemodule
• Batteriezellen
• Batterieperipherie
• Batteriekühlung
• Batteriesteuerung (BMC, BJB)

Durch eine Bewertung jedes Einzelnen der o.g. Baugruppen nach den Kriterien Einsatzgewicht, Materi-
alart und -kosten, Fertigungskomplexität sowie Anzahl der Bauteile lassen sich die Herstellkosten ermit-
teln (Abb. 3).

Abb. 3: relative Herstellkosten für ein Hochvolt-Batteriesystem

Dabei zeigt sich der dominante Anteil der Zellkosten, die mit fast dreiviertel der summarischen Herstellkos-
ten die Systemkosten der Traktionsbatterie maßgeblich beeinflussen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in dem
Anteil der sog. Batteriemodule, die ca. ein Achtel der Systemkosten umfassen.

Eine Analyse auf Komponentenebene lässt jedoch noch keinen finalen Rückschluss auf die Bedeutung der
eingesetzten Materialien zu, daher wurde das zu betrachtende HV-Batteriesystem in seiner Stückliste voll-
ständig zergliedert, sowie die Bauteile unter Berücksichtigung der verwendeten Einsatzmaterialien neu sor-
tiert. Die Differenzierung erfolgte dabei in die Gruppen der Blech-/Metallteile, der Dichtungen, der Kunststoff-
teile, der stromleitenden Teile, der Verbindungen sowie der sog. Zellelemente. Letztere werden in dieser
Studie als unlösbares Zulieferteil angesehen, obwohl sich in dieser Baugruppe ein Materialmix unterschiedli-
cher Wertigkeiten verbirgt. Die Herstellkosten konnten im Ergebnis erneut differenziert nach den o.g. Grup-
pen abgeschätzt werden (Abb. 4).
Abb. 4: relative Herstellkosten für ein Hochvolt-Batteriesystem

Es zeigt sich, dass auch unter Zergliederung des betrachteten HV-Batteriesystemes nach eingesetzten Ma-
terialien eine wertmäßige Allokation sich maßgeblich auf die Batteriezellen konzentriert. Alle weiteren Bau-
gruppen umfassen in diesem Fall einen Herstellkostenanteil, der weniger als ein Viertel der Gesamtkosten
ausmachen wird.

Es erscheint daher wichtig, die Batteriezellen hinsichtlich deren Zusammensetzung und Abhängigkeiten von
Rohstoffmärkten und Fertigungsstrukturen näher zu untersuchen, um die Volatilitäten derzeitiger und zu-
künftiger Batteriesystemkosten besser verstehen zu können.

2.1 Li-Ionen Zellen

Während der vergangenen 10 Jahre haben sich Li-Ion-Zellen gegenüber den zuvor volumenseitig vorherr-
schenden alternativen Zelltypen (NiMH, NiCd sowie PbSO4) durchsetzen können. Innerhalb des Automotive-
Sektors gilt dies insbesondere für den Fall von Spannungslagen oberhalb eines 12V-Bordnetzsystemes.
Dennoch ist innerhalb der Klasse von sog. Li-Ion-Batterien ein weites Feld unterschiedlicher Aktivmaterialien
im Einsatz, die Art und Mengenverhältnis die Eigenschaften der Batterie signifikant beeinflussen. Derzeit am
Markt vorherrschende Zusammensetzungen umfassen die sog. LFP, LCO, LCA, NCA sowie NMC-Zelltypen,
die vordergründig anhand Zyklenfestigkeit und Energiespeicherdichte bewertet werden können (Tab. 1).

LCO LMO NMC NCA LFP


Nennspannung [V] 3,7 3,7 3,6 3,6 3,2
Energiedichte [Wh/ltr] 320-500 290-340 490-580 480-670 160-260
Lebensdauer [Zyklen] 300-1000 1000-1500 500-1000 500-1000 2000-5000

Tab. 1: Übersicht derzeit gängiger Zelltypen für Li-Ion-Batterien im Vergleich

Dabei stellt sich die Herstellung der Zellen als aufwendiges fertigungstechnisches Verfahren dar, welches
zur Erreichung üblicher Qualitätsziele hohe Anforderungen an die Verfahrenstechnik setzt. Im Falle einer
prismatischen Zelle sind dabei im Wesentlichen folgende Fertigungsschritte zu berücksichtigen:

• Wickeln
• Wickel verschließen
• Gehäusedeckel anschweißen
• Isolation
• Gehäuseverpackung
• Gehäuseverschließen
• Elektrolytbefüllung
• Verschluss Zellsystem
Die eigentliche Aktivierung der Zelle erfolgt nachgelagert über eine sog. Formatierung (ggf. unter Entga-
sung) sowie eines Kurz-Aging zur Feststellung der Leistungseigenschaften vor Endkontrolle und Ausliefe-
rung. Diese Fertigungsschritte sind jeweils nur hochautomatisiert in der Lage, eine ausreichende Qualität
bzw. geringstmögliche Ausschussquoten zu erfüllen, weswegen ein hoher Investitionsbedarf für diese Ferti-
gungsschritte einzuplanen ist. Bereits dieser schlägt sich anteilig auf die Herstellkosten nieder, und erfordert
im Gegenzug entsprechend lange Auslastungszeiten der Maschinen und Anlagen zur Zellfertigung.
Ein weiteres Augenmerk gilt den Rohstoffkosten während der Verarbeitung zum Endprodukt. Am Fallbeispiel
der hier betrachteten HV-Li-Ion-Batterie auf Basis prismatischer NMC-Zellen ergibt sich eine gewichtsbezo-
gene Aufteilung der eingesetzten Materien, die durch die Einsatzstoffe Graphit und Kupfer auf der Anoden-
seite, sowie Nickel und Mangan sowie Kobalt auf der Kathodenseite dominiert wird. Ferner ist der Elektrolyt
als weiterer gewichtsbestimmender Einsatzstoff für die Batterie in der Bilanz mit zu berücksichtigen (Abb. 5).

Abb. 5: relative Gewichtsaufteilung prismatischer NMC-Zelltypen [kg]

Rechnet man den aufgeführten Einsatzmaterialien noch die aktuellen börsennotierten Rohstoffpreise an, so
ergibt sich ggü. der Abbildung 5 ein deutlich einfacheres Bild hinsichtlich der kostenbeeinflussenden Roh-
stoffe bzw. Einsatzmaterialien, die verbleibend zu berücksichtigen sind. Abbildung 6 fasst die daraus ableit-
baren relativen Materialkosten für den Fall einer prismatischen NMC-Zelle nochmals zusammen.

Abb. 6: Relative Materialkosten prismatischer NMC-Zelltypen [%]


Dabei fällt auf, dass die Zellkosten maßgeblich mit ca. drei Vierteln durch die auf der Kathode verankerten
Bestandteile Kobalt und Nickel verursacht werden, und erst nachrangig mit ca. einem Viertel auf der Ano-
denseite durch die Kupfer-Elektrode verbucht werden. In ähnlicher Umfang von wiederum ca. einem Viertel
greifen schließlich die Rohstoffkosten für den eingesetzten Elektrolyten.

Der Zielkonflikt hinsichtlich der gerade durch die Rohstoffe Kobalt und Nickel darstellbaren Lebensdauer-
und Energiespeichereigenschaften einerseits mit den resultierenden Materialkosten andererseits ist für sich
genommen unbefriedigend und erfordert die Erforschung alternativer Konzepte, die auf eine Korrektur einer
Zusammensetzung des Aktivmaterials abzielen.

Davon unabhängig stellt sich jedoch auch die Frage der Rohstoffmarkteinflüsse, die offensichtlich einen
signifikanten Einfluss auf die Gesamtkosten der Zelle und damit der HV-Batterie ausüben können. Wesentli-
cher Treiber hierzu ist die Nachfrage des Automobilsektors im Zuge einer weiteren Produktionssteigerung
für batterieelektrisch betriebener Elektrofahrzeuge.

3. Nachfrageprognosen für HV-Batterien

Nachdem in der wertanalytischen Betrachtung von HV-Li-Ion-Batterien die wesentliche beeinflussende Grö-
ße über die Zellmaterien Nickel, Kobalt sowie Lithium herausgearbeitet werden konnte, stellt sich die Frage
nach deren Verfügbarkeiten. Dies wiederum erfordert jedoch zuvor eine Ermittlung der zukünftigen Abnah-
memengen, die vom Automobilsektor im Zuge eines weltweiten Angebotes von Elektrofahrzeugen herrühren
werden. Hierzu wurde zunächst für das Jahr 2016 eine vergleichende Bilanzierung der weltweiten Zulas-
sungszahlen im Verhältnis der zeitgleich im Markt angebotenen Elektrofahrzeuge vollzogen, wie Tab.2 zeigt.

Tab. 2: Zulassungszahlen für konventionelle und EV-Fahrzeuge weltweit (Stand: 2016)

Offenbar ist der Anteil der im Markt neu zugelassenen EV-Fahrzeuge noch verhältnismäßig gering (bei
weltweit gemittelten Quoten von ca. 1%), und damit in der Gegenwart als eine eher zu vernachlässigende
Größe zu verstehen. Jedoch existieren regionale Unterschiede, die z.B. für China eine eindeutig präferierte
Rolle im Hinblick eines möglichen Leitmarktes andeuten. Dies ist umso wichtiger, wenn man die noch unzu-
reichende Durchdringung an Fahrzeugen in der Bevölkerung und die Größe des Marktes in Relation setzt.
Berücksichtigt man diese jeweiligen regionalen Besonderheiten, so kann eine differenzierte Prognose der
jeweiligen Marktvolumina für die kommenden Jahre ermittelt werden, sowie im Anschluss kummulativ als
weltweiter Bedarf ausgewiesen werden. Dieser Bedarf steigt in den Folgejahren bereits alleinig als Funktion
der zukünftig zu erreichenden Quoten an EV-Fahrzeugen, die durch jeweilige Gesetzesvorgaben der Natio-
nalstaaten definiert wurden, und erlaubt eine Prognose für die kommenden Jahre. Im Zuge dieser Studie
wurde dabei eine Differenzierung über Erfüllungsgrade der regierungsseitig vorgegebenen Fahrzeugquoten
vorgenommen, und resultiert in einem Defensiv-Szenario A (50% Erfüllung), einem mittleren Erreichungs-
szenario (75% Erfüllung), sowie einem optimistischen Szenario C (100% Erfüllung). Die Ergebnisse dieser
Hochrechnung sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tab. 3: Stückzahlszenarien für weltweite EV-Fahrzeugneuzulassungen bis 2050


In einer zeitlich genaueren Rasterung können anhand dieser Modelldaten eine Interpolation der Zuwachsra-
ten pro Kalenderjahr ermittelt werden, deren Ergebnisse in Abbildung 7 nochmals zusammengefasst sind.

Abb. 7: weltweite Neuzulassungen für EV-Fahrzeuge in Abhängigkeit von Erfüllungszenarien

Unter der Annahme einer weiteren Steigerung der in den EV-Fahrzeugen verankerten Energiespeichermen-
ge (und damit sukzessiv vergrößerten Batteriezellanzahl) lässt sich ein Äquivalent zugehöriger Zellkapazitä-
ten (ausgedrückt in [GWh]) ermitteln, die am Weltmarkt erforderlich sein werden. In dieser Studie wird davon
ausgegangen, dass kommend vom Jahr 2020 eine durchschnittliche Batteriekapazität von 20 kWh auf im
Jahr 2050 bis zu 60 kWh durchschnittlicher Batteriekapazität ansteigen wird.

Ferner wurde in dieser Studie der am Weltmarkt verfügbare Rahmen an Zellfertigungskapazitäten ermittelt
und in dieser Darstellung gegenübergestellt, um den Zeitpunkt eines Engpasses zwischen Angebot und
Nachfrage zu ermitteln. Deren Verlauf sei in Abb. 8 illustriert.

Abb. 8: erforderliche Batteriekapazitäten und Angebotssituation in Abhängigkeit der EV-Neuzulassungen

Es lässt sich anhand dieser Hochrechnung ein Abkoppelpunkt in Abhängigkeit der geplanten Marktdurch-
dringung errechnen, der im Falle unveränderter Produktionskapazitäten bereits zwischen 2020 und 2025 zu
einem Engpass führen könnte.

Derzeit ist jedoch davon auszugehen, dass mit den Marktanforderungen die Anzahl der Produktionskapazi-
täten linear folgend steigen werden, selbst wenn zeitlich versetzt. Demnach wird weniger die Fertigungska-
pazität die ausschlaggebende Rolle ausüben, sondern vielmehr der dahinter liegende Rohstoffmarkt.
4. Risikobewertung der zukünftigen Rohstoffbedarfe

Für eine Bewertung der zu einem gegebenen Marktbedarf an Zellkapazitäten erforderlichen Rohmaterialbe-
darf ist es in einem ersten Schritt erforderlich, die jeweils denkbaren Einsatzgewichte der Aktivmaterialien zu
betrachten. Als in der kurzfristigen Durchdringung bis maximal 2030 angenommenen angebotenen Vielfalt
denkbarer Aktivmaterialien wurde dabei das in Tabelle 4 definierte Szenario mit zugehörigen Energiedichten
pro gewähltem Aktivmaterial zugrunde gelegt.

Tab. 4: Angenommenen zukünftigen Einsatzgewichte für Aktivmaterialien für NMC-Zelltypen

Ferner wurde angenommen, dass der Markt infolge befürchteter Engpässe vorregulierend auf geringere
Mischanteile an Kobalt ausweichend reagiert – daher wurde auf die Berücksichtigung von NMC 1:1:1 ver-
zichtet, wohingegen für die alternativen Mischverhältnisse von NMC 6:2:2 sowie NMC 8:1:1 jeweils ein
Marktbedarf von 50% angenommen wurde. Aus diesen Prämissen konnte eine Risikobewertung der im Ver-
hältnis zur Weltmarktproduktion verfügbaren Menge an Rohstoffen vollzogen werden, die darüber hinaus die
jeweilige Stabilität der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Situation der in Frage kommenden
Förderländer über einen sog. Stabilitäts-Index mit einbezieht.

Im Falle des mit ca. einem Drittel der Gesamtmasse einer Zelle anteiligen Gewichtseinflusses durch Lithium
ergibt sich in Gegenüberstellung zwischen steigender Nachfrage des Marktes zu bestehenden Rohstoffför-
dermengen und –regionen ein nur begrenztes Lieferrisiko für die kommenden zehn Jahre, wie über Abb. 9
dargestellt wird. Ein ähnlicher Fall gilt auch für den zweiten in Frage kommenden Rohstoff Nickel.

Nickel

Kobalt

Abb. 9: Gewichtete Stabilität einer weltweiten Rohstoffverfügbarkeit für Lithium

Betrachtet man hingegen die am Weltmarkt verfügbaren Produktionskapazitäten für den Rohstoff Kobalt im
direkten Vergleich zu den Prognosebedarfen, so ergibt sich ein deutlich kritischeres Bild. Infolge dessen
Einstufung in die sog. Risikogruppe 3 ist davon auszugehen, dass in den kommenden fünf bis zehn Jahren
ein signifikanter Einfluss auf den bestehenden Weltmarktbedarf entstehen wird. Die Ursachen sind sowohl in
einer einseitig begrenzten Rohstoffverfügbarkeit auf wenige Länder zu suchen, als auch in der politisch und
wirtschaftlich unkalkulierbaren Situation auf lange Lieferzeiträume hin gerechnet.

Demnach stellt in der Frage zukünftiger Batteriekonzepte die Einbeziehung von Kobalt die eigentliche Her-
ausforderung dar, die sich sowohl in der Frage der erreichbaren Lebensdauer, Energiespeicherdichte, Kos-
tenbeeinflussung als auch der grundsätzlichen Verfügbarkeit zukünftiger Traktionsbatterien ausdrücken
wird.

5. Resümee und Ausblick

Das Batteriesystem kann als Schlüsselelement von E-Mobilitätsanwendungen bezeichnet werden, da die
wichtigsten Kundenanforderungen einen Zusammenhang mit dem Energiespeichersystem haben. Die wich-
tigsten Kundenanforderungen sind eine hohe Reichweite, eine möglichst lange Lebensdauer, Sicherheit,
Schnellladbarkeit und eine Wettbewerbsfähigkeit hinsichtlich der Kosten. Für den Hersteller ergibt sich dar-
über hinaus die Anforderung an stabile Rahmenbedingungen innerhalb der im Automobilsektor im Aufbruch
und Wandel befindlichen Wertschöpfungskette für Traktionsbatterien.

Die wertanalytische Betrachtung von Li-Ion-Batterien zeigt die Haupteinflussgröße in der Batteriezelle, sowie
darin wiederum in den maßgeblichen Einsatzstoffen Nickel, Kobalt sowie Lithium.

Die darüber hinaus erzielten Informationen zu eingesetzten Werkstoffen erlauben eine Hochrechnung auf
Materialbedarfe zur Produktion von Traktionsbatterien.

Eine Prognose der global zu erwartenden Nachfrage für E-Mobilitätsanwendungen bis in das Jahr 2050
veranschaulicht die Herausforderungen der Branche sowie regional zugehöriger Wachstumsprognosen.

Die daraus ableitbaren Batteriezellbedarfe wurden den aktuellen Produktionskapazitäten gegenübergestellt,


um aufzuzeigen wann ein Produktionsdefizit entsteht. Die wesentlichen Abhängigkeiten entstehen vorder-
gründig über die Produktionskapazitäten, werden jedoch bei genauerer Betrachtung durch die Rohstoffför-
dermengen nochmals stärker limitiert. In Kombination mit sog. Stabilitätsbewertungen der für die Roh-
stoffförderung in Frage kommenden Nationen ergibt sich ein maßgebliches Risiko für die Nutzung von Ko-
balt für Li-Ion-Batterien heutiger Ausprägung, dies selbst unter Anrechnung einer Reduktion des eingesetz-
ten Materialanteiles für diesen Einsatzwerkstoff für die Zellfertigung.

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