Sie sind auf Seite 1von 24

Leitfaden

Teilentladungs-Messung und
-Diagnostik für Applikationen im
Niederspannungsbereich ≤ 1.000 Volt

Fachverband Electrical Winding & Insulation Systems


Impressum
Teilentladungs-Messung und
-Diagnostik für Applikationen im
Niederspannungsbereich ≤ 1.000 Volt

Herausgeber:
ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und
Elektronikindustrie e.V.
Fachverband Electrical Winding & Insulation Systems
Lyoner Str. 9
60528 Frankfurt am Main

Verantwortlich:
Dr.-Ing. Rolf Winter

Telefon: +49 69 6302-402


Fax: +49 69 6302-407
E-Mail: winter@zvei.org
www.zvei.org/ewis

Autoren:
Aumann, Sebastian – Isovolta
Becker, Stefan – Sekels
Berton, Dr. Farhad – Vacuumschmelze
Friederici, Gerald – CMC Klebetechnik
Gauer, Dr. Mario – Ephy-Mess
Jovalekic, Mark – Pucaro Elektro-Isolierstoffe
Kohlhof, Jens – Ephy-Mess
Kübler, Frank – Krempel
Radbruch, Jens – TMC Sensortechnik
Winter, Dr.-Ing. Rolf – ZVEI

Juni 2016

Dieses Dokument kann in jedem Format oder Medium, auch auszugsweise, kostenlos wiedergegeben
werden, vorausgesetzt, es wird korrekt und nicht in einem irreführenden Kontext verwendet.
Hierbei muss das ZVEI Copyright ersichtlich sein und der Titel des Dokumentes ist anzugeben. Ein
Freiexemplar des Dokumentes, in dem ZVEI-Material verwendet wird, ist zur Verfügung zu stellen.

Trotz größtmöglicher Sorgfalt übernimmt der ZVEI keine Haftung für den
Inhalt. Alle Rechte, insbesondere die zur Speicherung, Vervielfältigung und
Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.
Inhalt

1. Einleitung 5
2. Definition der Teilentladung 6
3. Welche Teilentladungstypen gibt es? 7
4. Was ist die Messgröße bei TE-Prüfungen? 8
Exkurs zu Messaufbau und Durchführung einer TE-Messung 8
5. Wie lassen sich TE-Messungen interpretieren? 9
6. Was sind die Ursachen von Teilentladungen? 11
7. TE- und sekundäre Einflussfaktoren auf die Lebensdauer von
Isolationssystemen 12
8. Wie können Teilentladungen vermieden werden? 14
9. Praxisbeispiel für die Komplexität einer TE-Messung 15
10. Zusammenfassung / Fazit 16
11. Literaturverzeichnis 17
12. Auflistung relevanter Normen 18
Anhang 1: Paschengesetz 19
Anhang 2: Sichere Trennung unter dem Gesichtspunkt der
Teilentladungsbeständigkeit 21
Anhang 3: Phasendiagramme – Interpretationshilfe 22
Bildnachweis 23

3
4
1. Einleitung
Die Entwicklung von leistungsfähigeren elektrischen Bauelementen und
Betriebsmitteln in immer kompakteren Bauweisen ist mit der Verbesserung
der Eigenschaften von Isolationssystemen insbesondere in Bezug auf die
elektrische, thermische, chemische und mechanische Belastung verbunden.
Das weite Spektrum von Isolierwerkstoffen in elektrischen Komponenten und
Betriebsmitteln besteht, abhängig von der jeweiligen Anwendung, aus
gasförmigen, flüssigen und festen Isolierstoffen. Zu den festen
Isolierwerkstoffen gehören organische und anorganische Werkstoffe sowie
Kunststoffe (z. B. Polymere). Die mineralisch gefüllten und
glasfaserverstärkten Kunststoffe gehören zu den Verbund- oder
Kompositwerkstoffen und bestehen aus mindestens zwei Komponenten:
Einem matrixbildenden organischen Polymerwerkstoff und einem
anorganischen Füll- bzw. Verstärkungsstoff.

Aufgrund der Energieeffizienzanforderungen für elektrische Betriebsmittel und


Drehzahlreglungen von elektrischen Antrieben werden zunehmend
Schaltnetzteile und Frequenzumrichter eingesetzt. Die Lackdrahtisolierungen
von Asynchronmotoren werden mit der 2-fachen Zwischenkreisspannung
beansprucht. Als eine der Ursachen für die schädigende
Spannungsüberhöhung ist die Überlagerung der reflektierenden Spannungs-
welle mit der Versorgungsspannung aufgrund des Impedanzunterschiedes
zwischen Kabel und Maschine zu nennen. Die rechteckförmige
Betriebsspannung mit hohen Schaltfrequenzen erzeugt hohe Spitzenpegel
und steile Anstiegsflanken (du/dt), die zusammen zur Erzeugung von
Teilentladungen und beschleunigter Alterung von Isolationssystemen führen.

Auch bei der Überwachung der Produktqualität in der Fertigung durch die Typ-
und Stückprüfung und zur Lebensdauerabschätzung von Isolationssystemen
spielt die Teilentladungs-Messtechnik und -Diagnostik eine immer
bedeutendere Rolle [1-4]. Die steigenden Anforderungen an feste
Isolationssysteme von elektronischen und elektrischen Komponenten bzw.
Betriebsmitteln mit kompakter Bauweise und bei steigenden Schaltfrequenzen
der Halbleiter (IGBT, Siliziumcarbid (SiC) oder Galliumnitrid (GaN) Power-
MOSFET) erfordern den Einsatz teilentladungsfreier / teilentladungsfester
Isoliermaterialien bzw. Verbundwerkstoffen. Dies gilt insbesondere für
elektrische Komponenten in drehzahlverstellbaren Antrieben für Bahn,
Elektrofahrzeuge oder Anwendungen im Bereich der Energietechnik z. B.
Solar- und insbesondere Offshore-Windparks.

Diese Broschüre gibt einen ersten Einblick in diese durchaus komplexe


Thematik.

5
2. Definition der Teilentladung
Nach der EN 60270 respektive der VDE 0434 ist die Teilentladung (TE) in
Absatz 3.1 wie folgt definiert: „Örtlich beschränkte elektrische Entladung,
welche die Isolierung zwischen Leitern nur teilweise überbrückt und welche
angrenzend an einen Leiter auftreten kann, aber nicht muss“ [1].

Für die Qualitätskontrolle des Isolationssystems von elektronischen oder


elektrischen Komponenten können Kurzzeit-TE-Messungen als
zerstörungsfreie Prüfverfahren herangezogen werden.

Auch bei Applikationen im Niederspannungsbereich (Transformatoren, E-


Motoren, Sensoren, Spannungs- und Stromwandler) können Teilentladungen
vorkommen. Hierbei handelt es überwiegend um innere Teilentladungen
(Gas-Entladungen umgeben von einem festen Isolierstoff), welche infolge der
stetigen Zersetzung des Isolationsmaterials eine beschleunigte Alterung und
damit Schwächung bzw. Ausfall des Isolationssystems verursachen.

Für die Erzeugung von Teilentladungen müssen die folgenden drei


Bedingungen erfüllt sein:
 eine ausreichend hohe elektrische Feldstärke, um eine Ionisierung zu
verursachen
 ein Startelektron muss vorhanden sein
 ein Rückkopplungsmechanismus, der den Lawineneffekt
aufrechterhält

Die Teilentladung ist eine physikalische Größe, welche mit Hilfe verschiedener
Messverfahren wie folgt erfasst werden kann:
 durch klassisch elektrische TE-Messung entsprechend der EN 60270,
Messung im Frequenzbereich
 TE-Spitzenwert-Auswertung, Integration im Zeitbereich
 Kurvenformanalyse der Impulsantwort bei Stoßspannungsprüfung
 die elektromagnetische Messmethode UHF
 akustische TE-Detektion
 Radio Interferenz Methode (veraltet)
 Messungen mit Ultraschall-Sensoren

Für die in diesem Merkblatt diskutierten Anwendungen wird in der Regel die
klassische TE-Messtechnik nach der EN 60270 verwendet. Das UHF-
Messverfahren wird eher für Zustands-Monitoring und Lokalisieren von TE in
gasisolierten Schaltanlagen, großen Transformatoren und Generatoren
verwendet und ist noch nicht für Abnahme und TE-Prüfungen von
Komponenten und Motoren im Niederspannungsbereich verwendbar.

6
3. Welche Teilentladungstypen gibt es?
Teilentladungen werden in zwei Hauptgruppen aufgeteilt:

1) Äußere und Oberflächen-Teilentladungen


Äußere und Oberflächen-Teilentladungen sind Korona-, Glimm- und Gleit-
Entladung, impulslose Teilentladung, Trichel-Impulse an Elektroden mit
ausreichend hoher Krümmung sowohl in Gasen als auch auf Oberflächen von
Feststoffisolierungen. Äußere TE können in Isolationssystemen von
Niederspannungsanwendungen vorkommen, sind aber konstruktionsbedingt
eher selten.

2) Innere Teilentladungen
Innere Teilentladungen sind Hohlraum- bzw. Gasentladungen, die in einem
Feststoff- und/oder Flüssigdielektrikum vorkommen. In den meisten Fällen
besteht das Isolationssystem eines elektrischen Gerätes aus mehreren
dielektrischen Stoffen. Daher muss die Erhöhung der Feldstärke in dem
Isolierstoff mit niedriger Dielektrizitätskonstante („Feldverdrängung“ genannt)
bei der Berechnung/Dimensionierung des Isolationssystems zugrunde gelegt
werden [2].

In elektrischen Betriebsmitteln treten i. d. R. Mischformen von Teilentladungen


auf. Mit unterschiedlichen Anordnungen können die TE-Typen in Reinform
nachgebildet werden, um damit ihre Auswirkungen zu untersuchen und zu
verstehen. Dies hilft reale Fehlerbilder zu erkennen und diese Ursachen
zuzuordnen.

Diese Anordnungen sind:


i) Spitze-Platte (Koronaentladung)
ii) Spitze-Dielektrikum-Platte (Oberflächenentladung)
iii) Hohlraum
a) im Dielektrikum
b) an eine Elektrode angrenzend
iv) Nadel im festen Dielektrikum (Electrical tree Entladung) [7]

Bild 1: Anordnungen zur Darstellung von äußeren und inneren Teilentladungen [4]

7
4. Was ist die Messgröße bei TE-Prüfungen?
Als Messgröße bei TE-Prüfungen hat sich die scheinbare Ladung
(qs = iTE_s(t)*dt) der TE-Impulse international durchgesetzt. Sie ist nach der
Norm EN 60270 sinngemäß definiert als: Die in die Prüflingsklemmen
kurzzeitig eingespeiste Ladung eines Kalibrierimpulses, die die
Klemmenspannung vorübergehend um denselben Wert ändert wie die TE
selbst [1].
Des Weiteren sind die TE-Einsetzspannung Ui (Partial Discharge Inception
Voltage) und Aussetzspannung Ue (Partial Discharge Extinction Voltage) für
die Analyse bei der TE-Messung von Bedeutung. Die Teilentladungs-
Einsetzspannung Ui ist die niedrigste Spannung, bei der in einem Prüfkreis
Teilentladungen vorkommen, wenn die Prüfspannung von einem niedrigeren
Wert ausgehend gesteigert wird. Die Teilentladungs-Aussetzspannung Ue ist
die Spannung, bei der wiederholt auftretende Teilentladungen gerade nicht
mehr vorkommen, wenn die Prüfspannung von einem über der
Einsetzspannung liegenden Wert gesenkt wird.
In der Praxis wird ein TE-Pegel anwendungsspezifisch festgelegt. Mit anderen
Worten: Beim Hochfahren der Spannung wird die Spannung, bei der dieser
TE-Pegel erreicht wird, als TE-Einsetzspannung UPDE (auch als Ui bezeichnet)
definiert. Der Spannungswert, bei dem die TE-Aktivität aussetzt (z. B. TE-
Pegel < 10pC) wird als TE-Aussetzspannung UPDA (auch als Ue bezeichnet)
aufgenommen [1].

Exkurs zu Messaufbau und Durchführung einer TE-Messung:

Bild 2 zeigt das vereinfachte


iTE_V(t) iTE_M(t)
Ersatzschaltbild des TE-Messkrei-
ses mit einer Messimpedanz ZF iTE_S(t) Ankopplungsvierpol (ZM)
bestehend aus einer RMLMCM-Pa-
rallelschaltung. Die Messimpedanz Cp Ck

hat die Aufgabe die hochfrequenten


TE-Impulse, die der Prüfspannung U(t)
überlagert sind, aus dem Hoch-
spannungsprüfkreis auszukoppeln RM LM CM CC UTE(t)

und dem TE-Messgerät zuzuführ-


en. Hierin sind U(t) die Belastungs-
spannung, ZF die Impedanz des
Hochspannungsfilters, CP die Prüf-
lingskapazität, CK die Kapazität des
Koppelkondensators, CC die
Kapazität des Messkabels und ZM Bild 2: Vereinfachtes Ersatzschaltbild des TE-
Messkreises mit einer RMLMCM-Messimpedanz
die Messimpedanz des Ankopp-
lungsvierpols. Die Störungen aus
dem Bereich der Hochspannungsversorgung werden durch das Hochspannungsfilter Z F
gefiltert. Der Prüfling ist vereinfacht als Kondensator C p dargestellt. Die TE-Impulse gelangen
von Cp über den Koppelkondensator Ck auf die Messimpedanz ZM [7]. Der scheinbare TE-
Impulsstrom iTE_S(t) teilt sich unter Vernachlässigung des Einflusses der parasitären
Kapazität bzw. der Erdkapazität in zwei Komponenten auf.

8
Die erste Komponente ist der durch die Messimpedanz abfließende tatsächlich messbare
TE-Impulsstrom iTE_M(t) und die zweite Komponente ist der Verluststrom iTE_V(t), der über die
Impedanz ZF abfließt. Das Messkabel wird in der Regel nicht mit einem Wellenwiderstand
abgeschlossen und daher muss bei der Berechnung der Übertragungsfunktion die Kapazität
des Messkabels CC berücksichtigt werden. In Bezug auf den tatsächlich messbaren TE-Im-
pulsstrom iTE_M(t) sind die Kapazitäten Ck und Cp, welche die Ersatzkapazität CR bilden, in
Reihe geschaltet. Diese Ersatzkapazität ist parallel zur Messkapazität CM und Kabelkapazi-
tät CC geschaltet.

5. Wie lassen sich TE-Messungen interpretieren?


Die Durchführung der TE-Messung als auch die Interpretation der Messergeb-
nisse erfordern Erfahrung mit der TE-Messtechnik. Selbst Raumtemperatur
und Luftfeuchte haben signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse.

Die gemessene Amplitude eines TE-Signals ist bei der Fehlerdiagnose


weniger relevant. Die aussagefähigeren Kenngrößen sind die Phasenlage,
Polarität, Impulshäufigkeit und Regelmäßigkeit der Teilentladungen,
Spannungs- bzw. Zeitdifferenz zwischen zwei aufeinander folgenden
Teilentladungen, die Veränderungen der Intensität mit der
Spannungsänderung und das Verhältnis von TE-Einsetz- zu TE-
Aussetzspannung.

Es sind unterschiedliche Ansätze zur TE-Interpretation bekannt [3]. Folgende


Verfahren werden am häufigsten eingesetzt:
 klassischer physikalischer Ansatz (physikalische Vorgänge in der
Fehlstelle)
Hinweis: Anhang 3 stellt die Interpretation von Phasendiagrammen des Sinusverlaufs
dar
 statistischer Ansatz (Verteilungsfunktion)
 neuronale Netze (Entladungsparameter und Fehlerarten über die
neuronalen Netze in Beziehung zu setzen)
 Analyse der TE-Impulsform (time resolved analysis)
 Expertensysteme zur TE-Analyse, unterschiedliche Ansätze (fuzzy
logic)

Ein wichtiges Einsatzgebiet für TE-Messungen sind Typ- und Stichproben-


Prüfungen bei elektrischen Betriebsmitteln. Für Leistungsantriebe und deren
Komponenten legt z. B. die Norm EN 61800-5-1:2008 die Anforderungen zur
elektrischen, thermischen und energetischen Sicherheit fest. Insbesondere
sind hier die Isolationssysteme, Kriech- und Luftstrecken und die Bedingungen
für deren Prüfung bzw. Validierung definiert.

Teilentladungsmessungen gehören zu einer der wichtigsten Prüfungen zur


Sicherstellung der Produktqualität.

9
Die TE-Messung und Auswertung wird in den Normen EN 61800-5-1:2008
und in der EN 60664-1:2008 für doppelte oder verstärkte Isolierung
sinngemäß wie folgt beschrieben: Die AC-Prüfspannung wird von Null bis zu
einem Spannungswert von 1,875*UPD (gilt für verstärkte Isolierung) gesteigert
und bei diesem Wert maximal 5 s gehalten. Danach wird die AC-
Prüfspannung bis zu 1,5*UPD reduziert und 15 s auf diesem Level gehalten.
Bleibt der arithmetische Mittelwert des TE-Pegels innerhalb dieser 15 s unter
10 pC wird der Prüfling als TE frei bezeichnet. Die Spannung UPD ist die
periodisch wiederkehrende maximale Spannungsspitze, die in dem Betriebs-
mittel vorkommt.

Eine TE-Prüfung nach der Norm EN 61800-5-1:2008 für doppelt und


verstärkte Isolierung ist dann gefordert, wenn der periodische Scheitelwert der
Arbeitsspannung über der Isolierung größer als 750 Volt ist und die
Spannungsbeanspruchung der Isolierung über 1 kV/mm liegt.

In der EN 60664-1:2008 findet man neben den Prüfbedingungen für verstärkte


Isolierung auch Angaben zu den abweichenden Prüfbedingungen für
Basisisolierungen.

Wichtiger Hinweis bei eingebetteten Sensoren im Isolationssystem:

Auch das Isolationssystem von eingebauten Komponenten wie z. B. Tempe-


ratursensoren oder Bimetallschalter muss entsprechend teilentladungsfrei
sein. Allerdings kann durch den inneren Aufbau dieser Komponenten das
Ergebnis der TE-Messung verfälscht werden. Sollte eine solche elektrische
Komponente ein potentialfreies Metallgehäuse haben, das für die Druckstabi-
lität des empfindlichen Sensors notwendig ist, so kann es während der
Prüfung im inneren dieses Gehäuses zu elektrischen Entladungen zwischen
dem potentialfreien Gehäuse und einem elektrischen Anschluss kommen.
Diese Entladungen über eine Luftstrecke sind nicht schädlich für das
Isolationssystem, sie überlagern die TE-Messwerte und führen zu einem
erhöhten TE-Pegel. Da sie allerdings kein Maß für die Teilentladungsfestigkeit
des Isolationssystems sind, verfälschen sie die Messung. In solchen Fällen
sind zusätzlich vergleichende Messungen mit potentialfreiem Sensor
durchzuführen, um Fehlinterpretationen auszuschließen.

10
6. Was sind die Ursachen von Teilentladungen?
Teilentladungen entstehen, wenn die Durchschlagsfeldstärke des Dielektri-
kums, auf Grund unterschiedlicher lokaler Feldstärken oder unterschiedlicher
lokaler Spannungsfestigkeiten, punktuell überschritten wird und dadurch ein
partieller Zusammenbruch des Isolationssystems erfolgt. Startvoraussetzung
ist auch, dass die Spannung über dem Niveau der jeweiligen TE-Einsetzspan-
nung (UPDE) liegt.

Eine homogene Feldverteilung ist i. d. R. in einer Anwendung nicht gegeben,


da Isolierstoffe mit unterschiedlichen Dielektrizitätskonstanten kombiniert
werden. Hinzu kommen Variationen in der Verarbeitung.
Ursachen von Teilentladungen können das Vorhandensein von Fehlstellen
(Hohlräume) im Isolationssystem, einer Alterung des Isolationssystems oder
eine anordnungsbedingte starke Inhomogenität des elektrischen Feldes sein.
Neben mangelnder Imprägnierung können Hohlräume unter anderem durch
unvollständig entgaste Imprägnier- oder Gießharze bzw. durch chemische
Nebenreaktionen beim Vorhandensein von Feuchtigkeit entstehen. Durch
mechanische Spannung oder Versprödung kann es zu einer Ablösung
zwischen Draht und Isolierung als auch zu einer ungenügenden Haftung
kommen [2].

Verunreinigungen aller Art, eingebracht während der Fertigung, aber auch


während des Betriebes im Feld, können zu Teilentladungen führen. Solche
Verunreinigungen sind leitfähige Partikel wie Bürstenabrieb, Staub und
Salzablagerungen (Offshore), welche speziell in Kombination mit Feuchte
leitfähige Belege bilden. Dies kann in weiterer Folge die Ursache von äußeren
Teilentladungen sein und schlimmstenfalls zu einem elektrischen Durchschlag
führen.

Weitere Einflussfaktoren für TE sind vom Umrichter erzeugte Spannungs-


pulse. Solche können auch als Wanderwellen die Verbindungskabel zwischen
Umrichter und Motor durchlaufen. Da diese an der Motorwicklung reflektiert
werden, kann es in Abhängigkeit von der Kabellänge zu Spannungsüberhö-
hungen z. B. an den Motorklemmen kommen.

11
7. TE- und sekundäre Einflussfaktoren auf die Lebensdauer
von Isolationssystemen
Die beschleunigte Alterung durch Teilentladungen wird durch die sogenannten
sekundären Faktoren stark beeinflusst:
 Spannungsüberhöhungen (Spikes, Reflektionen, etc.)
 Umgebungstemperatur
 Spannungsgradient du/dt
 Schaltfrequenz der Spannung
 Feuchtigkeit
 Kriechwegbildung
 UV-Belastung durch TE
 Ozonbildung durch TE

Temperaturerhöhungen wirken beim Vorhandensein von TE als Katalysator


und beschleunigen die Alterung (z. B. Versprödung) eines Isolationssystems
und führen zu einem frühzeitigeren Ausfall des Betriebsmittels. Als Erfah-
rungswert hat sich etabliert, dass eine um 10 K höhere Temperatur zur
Halbierung der Lebensdauer des Isolationssystems (z. B. bei Folien-Konden-
satoren) führt. Ein Umkehrschluss (Verdopplung der Lebensdauer durch
Betrieb bei 10 K niedrigerer Temperatur) ist leider durch die weiteren Einfluss-
faktoren nicht immer möglich. Mit der Alterung des Isolierstoffes einher geht
eine niedriger werdende Spannungsfestigkeit. Im schlimmsten Fall kann die
Grenze der TE-Einsetzspannung erreicht werden, was zu dauerhaften Teilent-
ladungen und damit zum Ausfall des Isolationssystems führt.

Bei der Entwicklung eines Gerätes müssen neben den primären elektrischen
Anforderungen auch die Umweltanforderungen an Isolationssysteme berück-
sichtigt werden. Die Grundsätze zur Isolationskoordination für Betriebsmittel
in Niederspannungsanlagen ist in der Norm EN 60664-1 festgelegt.

Exkurs: Einfluss einer Raumladung auf Teilentladungen

Bei Wechselspannungsbelastung werden – bei Überschreitung gewisser Feldstärken – in der


negativen Spannungshalbwelle Elektronen aus der Kathode in den Isolierstoff injiziert und
(speziell in festen und flüssigen Isolierstoffen) an Haftstellen eingefangen. In der positiven
Halbwelle wird ein Teil der injizierten Elektronen von den Haftstellen befreit und driftet zur
Elektrode zurück. Der Rest verbleibt im Dielektrikum. Hierbei kommt es zur Ausbildung von
ortsfesten negativen Raumladungen vor den Elektroden. Bei Wechselspannungsbelastung
wirkt sich das Vorhandensein von Raumladungen stets feldverstärkend aus, weil in einer der
beiden Halbwellen der Belastungsspannung die durch Raumladungen verursachte Feldstärke
∆ERL(t) die gleiche Polarität besitzt wie die durch die äußere Spannung hervorgerufene lokale
Feldstärke E0(t). Hierdurch entsteht in der Nähe der Elektroden eine Erhöhung der Feldstärke
E(t). Bild 3a) zeigt ein vereinfachtes Modell bestehend aus einem Plattenkondensator mit
beidseitig aufgebauten Raumladungen der Raumladungsdichte (-). Bild 3b) und c) stellen die
Feldstärkenverläufe nach kurzer und langer Belastungszeit dar, wenn sich bei langer
Belastungszeit eine homogene Raumladungsverteilung einstellt [4].

12
A K
Et   E0 t   ERL (t )

Mit der Poissonschen Potentialgleichung kann man für


U(t) A K einfache geometrische Anordnungen die durch Raum-
ladungen hervorgerufene Feldstärke ∆ERL berechnen.


  
U(t)
A K  0 r
a)
d Die elektrische Feldstärke ergibt sich zu

U(t)
E(x) E  grad
a)
ERL

d Für eine Plattenkondensatoranordnung wird die


Potentialgleichung für eine in x-Richtung gegebene
E0

Ortsabhängigkeit zu
a) E(x)0 d x
b)
E0RL ERL

d
E(x) d2 

dx2  0 r
E

E(x)
0 d x
E0RL

b)
und für die elektrische Feldstärke zu
E

c) E(x)
ERLE0

0 d x
d
0 d x E( x )  
b) dx
E(x)
ERL E0

c) Nach der Lösung dieser Differentialgleichung für eine


0 d x ortsunabhängige homogene Raumladung ergibt sich als
resultierende Feldstärke:
E0

c) U  d 
0 d x E( x )     x
d  0 r  2 

Bild 3: a) Plattenkondensator mit negativen Raumladungen vor den Elektroden


b) Feldstärke nach kurzer Belastungszeit
c) Feldstärke nach hinreichend langer Belastungszeit (bei homogener
Raumladung)

13
8. Wie können Teilentladungen vermieden werden?
Entsprechend ihrer Entstehungsursache lassen sich mit unterschiedlichen
Maßnahmen Teilentladungen vermeiden bzw. reduzieren. In den meisten
Fällen kann man durch konstruktive Maßnahmen die Entstehungen von
lokalen Felderhöhungen, die primär die Ursache von TE sind, vermeiden.
Hierbei sind folgende Maßnahmen sehr hilfreich:

 Vermeidung von Verunreinigungen im Isoliermaterial während der


Produktion (leitfähiger Belag, Metallspäne, Luft- oder Feuchtigkeits-
einschluss)
 Feldlinienkonzentrationen an Spitzen und Kanten durch Abrundung
(Homogenisierung des Feldes) vermeiden
 Einhaltung der minimal erlaubten Biegeradien der Wickeldrähte
 Formung des Wickelkopfes optimieren (Füllgradsteigerung ohne
Vorschädigung der Wickeldrähte durch Pressung und Drahtzug)
 größerer Abstand (z. B. bei Gleitentladungen) reduziert die Feldstärke
(Spannungsabfall pro Distanz)
 vollständiges Vergießen (Hohlraum- und blasenfrei z. B. unter Vakuum
und Verwendung von Schutzgas, Füllen von unten nach oben mit
Pipette, aufsteigender Verguss)
 erhöhte Isolationsschichtstärke
 Vermeidung von großen r Sprüngen bei der Verwendung von zwei
Dielektrika
 Einsatz von Werkstoffen, die gegen die Kriechstrombildung bestän-
diger sind (höherer CTI-Wert) bzw. die einem verringerten Abbau
durch Teilentladung unterliegen (unter anderem Glimmer)
 Feldsteuerung über teilleitfähige Beläge (z. B. halbleitender
Flächenisolierstoff, als Voltage Controlled Resistor (VCR) wirkende
Lacke)
 Vermeidung von Ablagerungen durch Bürstenfeuer / Schleifkontakte
 Einsatz von TE-resistenten Isolierlackschichten auf Leiterplatten
 Berücksichtigung des Einsatzortes (Höhe üNN) für die Luft- und
Kriechstrecken-Bestimmung (siehe Anhang 1)

Geeignete Maßnahmen bei der Auslegung von Schaltungen (Ansteuerung


von Leistungshalbleitern, Verwendung von Netzfiltern) tragen dazu bei, dass
TE an einzelnen Bauteilen vermieden wird. Mit speziellen Hochfrequenzfilter
können Störungen (Stromspikes durch nicht galvanische, induktive Einkopp-
lungen in Steuerleitungen) und Oberwellen gedämpft werden.

14
9. Praxisbeispiel für die Komplexität einer TE-Messung
Die TE-Messung ist vielfach in den Endabnahme-Prozess elektrischer
Maschinen integriert worden.

Ist im Betrieb einer elektrischen Maschine beispielsweise ein Temperatur-


sensor (Pt100) an seine Auswertelektronik angeschlossen, so liegt i. d. R. ein
Anschluss über die Elektronik an Masse. Über diese Masseverbindung
können TE- Impulse während des Betriebs z.B. über die Isolierung der
Anschlusslitze entstehen. Daher sind Endabnahmeprüfungen von elektri-
schen Maschinen mit integrierten Sensoren wie folgt durchzuführen:

a) Während der TE-Messung wird der Sensor allpolig auf Prüfspannungs-


/Massepotential gelegt. So wird auch der TE-Pegel, der durch den
Sensor entsteht, gegen die Motorerde miterfasst. Hierbei ist aber
darauf zu achten, dass die Prüfspannung nicht die Isolationsfestigkeit
des Sensors übersteigt.
b) Da der TE-Pegel des Sensors sich dem der Maschine überlagert, ist
es wichtig, den TE-Pegel des Einzelsensors zuvor zu bestimmen, um
die Messergebnisse richtig interpretieren zu können.
c) Wird dagegen eine Stoßspannungsprüfung durchgeführt (welche nach
Normempfehlung vor der TE-Messung durchzuführen ist), kommen
Spannungen zum Einsatz, die die Isolation des Sensors unweigerlich
zerstören würden, wenn dieser falsch angeschlossen ist. Bei dieser
Prüfung ist der Sensor unbedingt allpolig potentialfrei zu lagern, so
dass er während der Messung elektrisch nicht wirksam ist.

Beim Einbau von Sensoren in der Wicklung und dem darauffolgenden


Verguss ist darauf zu achten, dass auch die Hohlräume, die beispielsweise
durch Schutzschläuche oder sonstige zusätzliche Isolierungen des Sensors
entstehen können, sorgfältig mit vergossen werden (siehe auch Anhang 2).

15
10. Zusammenfassung / Fazit
In diesem Beitrag sind neben der Definition von Teilentladung (TE) die unter-
schiedlichen Typen von TE beschrieben. Hierbei sind die scheinbare Ladung
als TE-Messgröße, TE-Ein- und TE-Aussetzspannung und der Einfluss einer
Raumladung auf Teilentladungen erläutert. Die TE-Messungen und Interpre-
tation von Messdaten anhand von TE-Mustern für die bekannten Fehlstellen-
typen wurden diskutiert und Erfahrungen zur Vermeidung von Teilentladung
in Isolationssystemen als “best practice“ vorgestellt.

Die Ursachen für TE sind vielfältig und können je nach Aufbau des Isolations-
systems innerhalb des elektrischen Gerätes stark variieren. Die langfristige
Folge von Teilentladungen ist ein vorzeitiger Ausfall des Isolationssystems
und damit des Gerätes. Hauptursachen sind neben der „Spannungshöhe“ eine
Vielzahl von anderen Faktoren und die Umweltbedingungen.

Daher können konkrete praktische Hinweise zur Vermeidung von Teilent-


ladungen in Niederspannungsgeräten nur schwer allgemein gültig gegeben
werden. Mit den dargestellten Grundlagen kann jedoch zielgerichteter die
Entwicklung und Konstruktion eines neuen Gerätes auf TE-Freiheit hin ausge-
legt werden. Darüber hinaus kann bei nicht vermeidbarer Teilentladung, durch
Maßnahmen in der Entwicklung und Konstruktion die Lebensdauer verlängert
werden.

Die Unternehmen des Fachverbandes EWIS stehen Ihnen bei weitergehen-


den Fragen gerne zur Verfügung und unterstützen Sie bei der Realisierung
Ihres nächsten Projektes.

16
11. Literaturverzeichnis
[1] IEC 60270, VDE Norm 0434:2001-08: Hochspannungsprüftechnik,
Teilentladungsmessungen. VDE-Verlag GmbH, Berlin Offenbach, 1983

[2] König, D.; Rao, Y.N.: Teilentladungen in Betriebsmitteln der Energietechnik.


VDE-Verlag, Berlin, 1993

[3] Küchler, A.: Hochspannungstechnik, Grundlagen – Technologie –


Anwendungen. VDI-Verlag, Düsseldorf, 1996

[4] Berton, F.: Entwicklung und Anwendung eines DSP-gesteuerten TE-


Messgerätes zur Teilentladungsdiagnostik von Isolationssystemen, Shaker
Verlag, Aachen, 2003

[5] Peil, S.; Koziel, R.; Weidner, J.: Neue Entwicklung bei der Online-Überwachung
von Generatoren. VDE-Fachtagung, Frankfurt, 2001

[6] Bergmann, A.; Facklam, Th.: Teilentladungsprüfung an Bauelementen der


Niederspannungstechnik. Teilentladungen in Betriebsmitteln der Energietechnik,
VDE-Verlag, 1993

[7] Berton, F.; Bonfig, K. W.; Patsch, R.: Teilentladungsmesstechnik in elektrischen


Betriebsmitteln der Energie- und Automatisierungstechnik. 9. Symposium
„Sensoren und Messdatenverarbeitung, Technische Akademie Esslingen, 2002

[8] Porzel, R.; Neudert, E.; Sturm, M.: Diagnostik der elektrischen Energietechnik.
Expert-Verlag, Renningen, 1996

[9] F.H. Kreuger; Industrial High Voltage I and II; Delft University Press, 1991 and
1992

17
12. Auflistung relevanter Normen (ohne Anspruch auf
Vollständigkeit)
IEC 60270:2000 Hochspannungs-Prüftechnik – Teilentladungsmessungen; Deutsche
Fassung EN 60270:2001

IEC 60664-1: 2007 Isolationskoordination für elektrische Betriebsmittel in


Niederspannungsanlagen – Teil 1: Grundsätze, Anforderungen und Prüfungen;
Deutsche Fassung DIN EN 60664-1:2008-01 (VDE 0110-1)

IEC 61800-5-1:2007 Elektrische Leistungsantriebssysteme mit einstellbarer Drehzahl


– Teil 5-1: Anforderungen an die Sicherheit – Elektrische, thermische und
energetische Anforderungen; Deutsche Fassung DIN EN 61800-5-1:2008

IEC 62068:2013 Elektrische Isolierstoffe und Isoliersysteme – Allgemeines Verfahren


zur Bewertung der elektrischen Lebensdauer bei Beanspruchung mit sich
wiederholenden Spannungsimpulsen; Deutsche Fassung DIN EN 62068:2013

IEC/TS 61934:2011 Elektrische Isolierstoffe und -systeme – Elektrische Messung von


Teilentladungen (TE) bei sich wiederholenden Spannungsimpulsen mit kurzer
Anstiegszeit; Deutsche Fassung DIN IEC/TS 61934:2012

IEC 60730: Automatische elektrische Regel- und Steuergeräte für den Hausgebrauch
und ähnliche Anwendungen – Teil 2-9: Besondere Anforderungen an
temperaturabhängige Regel- und Steuergeräte (IEC 72/779/CD:2009); Deutsche
Fassung DIN EN 60730-2-9:2011

IEC 61000-4-3:2010 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 4-3: Prüf- und


Messverfahren – Prüfung der Störfestigkeit gegen hochfrequente elektromagnetische
Felder

18
Anhang 1: Paschengesetz
Das Paschengesetz besagt, dass in einem elektrischen Feld die
Durchschlagspannung Ud eine Funktion des Produktes aus Gasdruck p des
Isoliergases und Elektrodenanstand (Schlagweite) d der spannungführenden
Elektroden/Leiter ist. Die Abhängigkeit Ud = f(p*d) gilt nur für eine bestimmte
Temperatur und nur solange, wie die Dichte des Isoliergases eine lineare
Funktion des Druckes darstellt. Bei sehr keinen Schlagweiten (z. B. d = 5 cm)
und höheren Dichten (p = 10 bar) gibt es Abweichungen von dieser Regel.
Paschengesetz und Townsend-Mechanismus liefern grundlegende
Erklärungen für den Durchschlagsmechanismus in Gasen. Da die
Ionisierungszahl (Anzahl der in Luft je cm Wegstrecke gebildeten Ionenpaare)
eine Funktion des Luftdruckes ist, sind auch Durchschlagsfestigkeit und
Durchschlagsspannung davon abhängig. Dieses Gesetz gilt auch für das
inhomogene Feld, wenn mit der Distanz proportional auch der Elektroden-
krümmungsradius geändert wird (Ähnlichkeitsgesetz nach Toepler). Der
qualitative Verlauf der Paschenkurve ist in Bild 4 dargestellt.
1000

100

Ud [kV]

10

Paschen- Minimum pd [bar mm]


0,1
0,001 0,01 0,1 1 10 100

Bild 4: Qualitativer Verlauf der Paschenkurve

𝐵 ∗ 𝑝𝑑
𝑈𝑑 (𝑝𝑑) =
1
ln(𝐴 ∗ 𝑝𝑑) − ln⁡(ln (1 + 𝛾))
mit
p = Gasdruck
d = Elektrodenanstand
γ= der 2. Townsend-Koeffizient
A und B = Konstanten

Die konstanten Faktoren für Luft als Isoliergas bei 20 °C sind:


A = 1.130 mm-1, B = 27,4 kV/mm
γ= 0,025 einheitenloser Materialfaktor für Luft-Elektrodenoberfläche Kupfer

Aus der Formel ist ersichtlich, dass die Durchschlagspannung eine Funktion
des Produktes aus Druck und Elektrodenabstand ist.

19
Um Messungen vergleichen zu können ist es wichtig Messungen bei gleichen
Druck durchzuführen. Da die Gasdichte (und damit die Ionisierung) auch von
der Temperatur abhängig ist, nimmt die Temperatur indirekt Einfluss auf die
Messungen. Mit dem Temperaturanstieg sinkt die Durchschlagsfeldstärke.
Die Gasdichte ist für die Ionisierung ausschlaggebend. Aus diesem Grund
müssen die Vergleichsdrücke immer auf die gleiche Temperatur bezogen
werden. Speziell in der Hochspannungsanlagentechnik muss diese
Dichteabhängigkeit beachtet werden. Bekanntlich nimmt der mittlere Luftdruck
mit zunehmender Höhe (über Normalnull, üNN) für je +8 m um 1 h Pa ab, die
mittlere Temperatur verringert sich dabei um 0,3…0,5 °C. Im Mittel liegt also
die Luftdichte je +1.000 m Höhe um 125 hPa niedriger (barometrische
Höhenformel).

Bei Auslegung des Isolationssystems elektrischer Komponenten für einen Einsatz


über 2000m üNN sind erweiterte Luftstrecken aufgrund Corona- und
Oberflächenentladungen zu berücksichtigen (Höhenfaktor).

Der weitverbreitete Wert 2.000 m üNN als Höhenangabe ist die typische
Standard- Einsatzhöhe für elektrische Betriebsmittel. Ab dieser Höhe ist zu
berücksichtigen, dass Luft ein immer schlechterer Isolator wird, was mit
größeren Luft- und Kriechstrecken ausgeglichen werden muss. So ist z. B. bei
5.000 m Einsatzhöhe ein um 48 Prozent längerer Abstand einzuhalten als bei
2.000 m üNN und bei 4.000 m ist der Abstand noch 29 Prozent größer als bei
der Referenzhöhe von 2.000 m üNN (DIN EN 60664-1, Tabelle A.2
Höhenkorrekturfaktoren).
Dieser Einfluss kann durch Vergleich mit Normalbedingungen (T0 = 293°K und
p0 = 1.013 hPa) auf Meereshöhe veranschaulicht werden.

Beispiel:
Meereshöhe NN: p0 = 1013,25 hPa T0= 293°K Ud0 = 1.000 V
(gewählt)
Bei 4.000 m üNN: p1 = 616,45 hPa T1= 282°K Ud1 = ist gesuchte

mit:
𝑝1 ∗𝑇0
𝑈𝑑1 = 𝑈𝑑0 ∗
𝑝0 ∗𝑇1

folgt also:
Ud1 = 1.000 V*(616,45 hPa *293°K) / (1013,25 hPa *282°K)
= 1.000 V*0,63 = 630 V

Die Temperatur- und Luftdruckangaben basieren auf der barometrischen


Höhenformel.
In diesem Beispiel sieht man deutlich, dass die Spannungsfestigkeit mit
sinkender Luftdichte abnimmt.
Paschen-Minimum: In Luft können Teilentladungen theoretisch bei
Spitzenspannungen über 300 V AC auftreten. In der Praxis ist deren Auftreten
unterhalb von 500 V aber unwahrscheinlich.

20
Anhang 2: Sichere Trennung unter dem Gesichtspunkt der Teilent-
ladungsbeständigkeit
Sichere Trennung bedeutet ein konsequenter Schutz des Verwenders einer
elektrischen Einrichtung vor elektrischem Schlag. Dabei sind etliche
Rahmenbedingungen zu beachten, die sich aufgrund der technologischen
Entwicklungen permanent verschärfen.
Sichere Trennung ist zwischen allen Nahtstellen verschiedener Stromkreise
notwendig, in denen mindestens eine Spannungsebene oberhalb der
Kleinspannung anliegt. Ein Beispiel dafür ist die Trennung zwischen einem
SELV-Stromkreis (Safety Extra Low Voltage) und einem Stromkreis mit
normaler Netzspannung. Sichere Trennung bedeutet, dass es dem Strom
nicht möglich ist, von einem Stromkreis in einen anderen überzutreten und
dadurch den Verwender der elektrischen Einrichtung zu gefährden.
Folgende Arten der elektrischen Isolation zwischen solchen Stromkreisen werden in den
entsprechenden Normen (z. B. DIN EN 60664-1 / VDE 0110) beschrieben:
Funktionsisolierung: Diese Isolationsart ist für den einwandfreien Betrieb
der Einrichtung erforderlich, bietet aber keinen Schutz
gegen einen elektrischen Schlag.
Basisisolierung: Die Basisisolierung gewährt einen grundlegenden
Schutz gegen einen elektrischen Schlag.
Zusätzliche Isolierung: Die zusätzliche Isolation dient als zweite
Schutzbarriere, falls die Basisisolierung versagt.
Doppelte Isolierung: Begriff für die Basisisolierung und die zusätzliche
Isolierung. Dabei sind die Basisisolierung und die
Zusätzliche Isolierung zwei voneinander getrennte
Schichten. Jede Schicht erfüllt den Basisschutz gegen
elektrischen Schlag.
Verstärkte Isolierung: Isolierung besteht aus einem einheitliches
Isoliersystem. Sie schafft einen gleichwertigen Schutz
wie die doppelte Isolierung. Besteht sie aus mehreren
Schichten (Mehrschichtlaminate), sind diese nicht
trennbar miteinander verbunden und können nicht
einzeln getestet werden.

Natürlich wirken auch Luft- und Kriechstrecken als Isolationswege. Sie werden
je nach Spannungshöhe, Verschmutzungsgrad und den Eigenschaften der
eingesetzten Materialien in Normen definiert. Unter dem Gesichtspunkt der
Teilentladungsbeständigkeit sind die mehrschichtigen Isolationsaufbauten der
Doppelten Isolierung stets kritisch zu betrachten. Die Belastungen durch
immer höhere Spannungen, nicht-sinusförmige Spannungsverläufe,
Transienten und andere Phänomene können zu Teilentladungen führen.
Besonders an den Übergängen der einzelnen Schichten kommt es in dem Fall
zu Schädigungen der Isolationsmaterialien. Außerdem ist ein Verguss von
mehrlagigen, aber nicht fest miteinander verbundenen Folien ohne
Lufteinschlüsse technisch anspruchsvoll.
Muss man aufgrund der Betriebsbedingungen mit dem Auftreten von
Teilentladungen rechnen, sind Verstärkte Isolierungen den Doppelten
Isolierungen vorzuziehen. Die dabei verwendeten Mehrschichtlaminate
können weitgehend ohne Lufteinschlüsse gefertigt werden. Außerdem können
sie leichter ohne massive Dielektrizitätssprünge (z. B. Lufteinschlüse) in
Vergussmassen eingebettet werden.

21
Anhang 3: Phasendiagramme – Interpretationshilfe [3] und [9]
Koronaentladungen in Gas
1 1

Bei höherer Span-


0.5 0.5
nung kommen
Entladungen in
U/Û

U/Û
0 0
der anderen
-0.5 -0.5 Halbwelle hinzu.
a) b)
-1 -1
0 180 360 0 180 360
 

a) Spitze an Hochspannung b) Spitze an Erde

Koronaentladungen in Öl
1 1

0.5 0.5
Die Häufigkeit
U/Û

U/Û

0 0
nimmt mit der
-0.5 -0.5
Spannung zu.
c) d)
-1 -1
0 180 360 0 180 360
 

c) Spitze an Hochspannung d) Spitze an Erde

Hohlraum- oder Oberflächenentladungen


1 1
Die Amplituden
0.5 0.5 der beiden Halb-
wellen unter-
U/Û

U/Û

0 0
scheiden sich
-0.5 -0.5 mindestens um
-1
e)
-1
f) den Faktor 3.
0 180 360 0 180 360
 

e) Elektrode an Hochspannung f) Elektrode an Erde

Die Verteilung der Entladungen in einem Hohlraum ohne Kontakt zu einer


Elektrode sieht ähnlich wie die Bilder e) und f) aus aber die Amplituden der
beiden Halbwellen unterscheiden sich höchstens um den Faktor 3.
1 1

0.5 0.5
U/Û

U/Û

0 0

-0.5 -0.5

g) h)
-1 -1
0 180 360 0 180 360
 

g) Kontaktrauschen h) Entladungen von Elektroden auf


freiem Potential

22
Bildnachweis:
Deckblatt: Treeing – nicht vollständiger elektrischer
Durchschlag in einem massiven Isolationsmaterial,
Gerald Friederici, CMC Klebetechnik
Bild 1 – 3: Dr. Farhad Berton
Bild 4: Jens Kohlhof, EPHY-Mess
Abbildungen Anhang 3: Dr. Farhad Berton

23
ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik-
und Elektroindustrie e.V.
Lyoner Straße 9
60528 Frankfurt am Main
Telefon: +49 69 6302-0
Fax: +49 69 6302-317
E-Mail: zvei@zvei.org
www.zvei.org

ZVEI Zentralverband Elektrotechnik-


und Elektroindustrie e.V.
Fachverband Electronic Components and Systems
Lyoner Straße 9
60528 Frankfurt am Main, Deutschland

Das könnte Ihnen auch gefallen