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Mit diesem Bild warb eine Schweizer Initiative für ein Grundeinkommen. Bild:
AFP
Die Fans des Grundeinkommens werden immer lauter. Leider denken sie zu kurz.
Der Verein sammelt Spenden ein und verlost das Geld: Ungefähr in der für ein
Grundeinkommen vorgeschlagenen Höhe wird es an die Gewinner gezahlt, jeweils
ein Jahr lang. Und wenn die Empfänger nachher gefragt werden, wie es ihnen mit
dem Geld geht, dann freuen sie sich fast immer und haben einen guten Plan für das
Geld. So weit ist das keine Überraschung. Schließlich ärgert sich kaum jemand,
wenn er Geld geschenkt bekommt. Und wenn feststeht, dass das Grundeinkommen
nach einem Jahr schon wieder weg ist, dann werden wegen des Geschenks auch
nicht viele Leute ihre Stelle kündigen, um sich auf die faule Haut zu legen –
allenfalls für eine Weiterbildung oder Existenzgründung, denn nach einem Jahr
muss man das Geld ja wieder selbst verdienen.
Das heißt, die Studienautoren nehmen einfach an, dass die Deutschen mit
Grundeinkommen so viel arbeiten würden wie ohne. Eine etwas andere
Untersuchung des Ifo-Instituts lässt indes genau daran stark zweifeln.
Die Studie sollte abschätzen, wie viel die Menschen auch mit Grundeinkommen
noch arbeiten würden. Nun wäre ein Grundeinkommen ein Systemwechsel, alte
Erfahrungen gelten darum nicht unbedingt. Doch auf Basis bisheriger Studien
darüber, wie die Menschen auf Einkommensveränderungen reagieren, hat das Ifo-
Institut damals ausgerechnet: Die Deutschen würden ihre Arbeitszeit drastisch
reduzieren. Die Arbeitszeiten gingen um 27 Prozent zurück, rund neun Millionen
Vollzeitstellen blieben unbesetzt. Dann nimmt der Staat auch weniger Steuern ein –
und um das auszugleichen, müsste der Steuersatz auf 88 Prozent steigen. So ein
Steuersatz würde zwar dadurch gemildert, dass jeder ein Grundeinkommen
bekäme, das mit den Steuern verrechnet würde. Darum müsste nicht jeder wirklich
88 Prozent seines Verdienstes an den Staat abgeben. Wahr ist aber auch: Von jedem
zusätzlich verdienten Euro gingen dann 88 Cent an den Staat. Einen großen
Arbeitsanreiz bietet das nicht.
Deshalb ist ein Aufsatz über das Grundeinkommen interessant, der demnächst in
der angesehenen Fachzeitschrift „American Economic Review“ erscheint. Diego
Daruich von der Universität von Südkalifornien und Raquel Fernández haben mit
großer Sorgfalt ein Modell gebaut, das viele Eigenheiten des Lebens und
Wirtschaftens langfristig abbildet, und sorgsam ausgewählt, mit welchen
Annahmen sie herangehen.
Zum Beispiel wälzten sie vorhandene Studien und lernten: Wer 100.000 Dollar
gewinnt, senkt sein Arbeitseinkommen in der folgenden Zeit um rund 2000 Dollar
im Jahr – in Schweden eher um 1300 Dollar, in den USA eher um 2300 Dollar.
Eine weitere Prognose: Wird ein Grundeinkommen lebenslang bezahlt, sind die
Effekte für die Arbeit rund viermal so groß wie bei einem kurzfristigen Experiment,
das nur ein paar Jahre dauert.
Nach all diesen Tests führten sie ein Grundeinkommen in ihr Modell ein. Anfangs
wirkte das Einkommen so wie von Befürwortern erhofft: Die Armen profitierten,
sie hatten etwas mehr Geld und gaben es für ihre Kinder aus. Doch dann schlug das
Modell um. Weil die Leute immer weniger arbeiteten, mussten die Steuern weiter
steigen. Also stand insgesamt weniger Geld zur Verfügung. Die Menschen konnten
weniger sparen, also fehlte dem Land Kapital, mit dem man zum Beispiel Häuser
bauen und Unternehmen gründen kann. Gleichzeitig sank auch noch der Anteil der
jungen Leute, die sich ein Studium leisten wollten. So ging nicht nur Arbeitskraft
verloren, sondern auch noch gebildete Arbeitskraft.
Auf Dauer wurde das Land in diesem Modell rund 20 Prozent ärmer. Am Schluss
stand also eine Gesellschaft, die wirtschaftlich zwar weniger ungleich war, in der
aber jeder ärmer war als vorher und in der die Menschen weniger formelle Bildung
hatten als zuvor. Den größten Schaden hatten die nachfolgenden Generationen: die
Leute, die bei der Einführung des Grundeinkommens noch Kinder oder noch gar
nicht auf der Welt waren.