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4 I FAHRZEUGE ROLLING STOCK 146 (2022) 1-2 JANUAR-FEBRUAR

GoA4-Readiness – Herausforderungen für


zukünftige Fahrzeuggenerationen
GoA4-Readiness – Challenges for Future Rail Vehicles
Dipl.-Ing. Richard Wolf, Dr.-Ing. Hans-Georg Langer, Erlangen (Deutschland)

Zusammenfassung Abstract
Autonomes Fahren ist seit vielen Jahre ein zentrales Innovati- Autonomous driving has been a key innovation topic in the mo-
onsthema im Mobilitätssektor. Im Bahnsektor ist das vollau- bility sector for many years. In the railway sector, fully automatic
tomatische Fahren im Metrobereich bereits Stand der Technik. driving in the metro sector is already state of the art. In fully
Beim vollautomatischen Betrieb werden die Fahrzeuge von einer automatic operation, the vehicles are controlled by a control
Zentrale gesteuert. Dieser Ansatz ermöglicht die Erhöhung des center. This approach allows to increase the vehicle throughput
Fahrzeugdurchsatzes pro Strecke um bis zu 30%. Zudem wird per route of up to 30%. In addition, the dependency on highly
die Abhängigkeit von hochqualifiziertem Personal an Bord der qualified personnel on board the vehicles can be reduced. In
Fahrzeuge reduziert. Im nächsten Schritt werden der urbane the next step, urban transport as well as regional, long-distance
Verkehr sowie der Regional, Fern- und Güterverkehr höher au- and freight transport will be automated to a higher level to fur-
tomatisiert, um den Durchsatz weiter zu vergrößern und durch ther increase throughput by realizing a tighter train schedule
einen engen Fahrtakt die zunehmende Verlagerung des Verkehrs and to cope with the increasing shift of traffic from road to
von der Straße auf die Schiene zu bewältigen. Dieser Artikel rail. This article addresses the challenges of automation in the
befasst sich mit den Herausforderungen der Automatisierung im mainline sector and the question how these developments are
Vollbahnbereich und der Fragestellung, wie diese Entwicklungen already taken into account today in new vehicle generations.
bereits heute bei neuen Fahrzeuggenerationen berücksichtigt Using examples, it will be shown how Siemens Mobility is
werden. Anhand von Beispielen wird aufgezeigt, wie Siemens gradually implementing full automation and which regulatory
Mobility schrittweise die Vollautomatisierung umsetzt und requirements result from this. Attention is also drawn to the
welcher Regelungsbedarf sich daraus ergibt. Dabei wird auch special role of operational rules. These have a major effect on
auf die besondere Rolle der betrieblichen Regelungen hingewie- the investment costs for the development of the technology for
sen. Diese haben einen großen Effekt auf die Investitionskos- driverless operation.
ten für die Entwicklung der Technologie für einen fahrerlosen
Betrieb.

1 Automatisierung im Auf dieser technologischen Basis gibt es Ein Zugsicherungssystem überwacht die
Bahnsektor – Stand hauptsächlich im Metro-Bereich weltweit Maximalgeschwindigkeit und sichert den
und Ausblick schon viele Anlagen, die vollautomatisch, Fahrweg, sodass es nicht zu Kollisionen
d.h. ohne Triebfahrzeugführer an Bord von 2 Zügen kommen kann. Das Fahrzeug
Der Bahnsektor hat gegenüber dem Indi- fahren. wird durch einen Triebfahrzeugführer in-
vidualverkehr den Vorteil von festgelegten Für das Automatisierte Fahren sind 4 Stu- dividuell gefahren.
Fahrwegen und Sicherungseinrichtungen, fen der Automatisierung im Bahnsektor
die dafür Sorge tragen, dass die Schie- etabliert, die in der Norm IEC 62290-1-2014 GoA2: Semi-automated train operation
nenfahrzeuge nicht kollidieren können. als GoA1 bis 4 (Grade of Automation) auf- (Halb automatisierter Zugbetrieb)
Die Realisierung basiert dabei auf klas- einander aufbauend wie folgt definiert Die Geschwindigkeit wird durch einen
sischer Automatisierungstechnologie, für sind [1]: nicht sicheren Fahrautomaten gesteuert,
die es etablierte Verfahren zur Argumen- der das zu fahrende Geschwindigkeits-
tation der Sicherheit gibt (CSM Verord- GoA1: Non-automated train operation profil zwischen Haltestellen auf Basis des
nung 352/2009, Normenreihe EN 5012X). (Nicht automatisierter Zugbetrieb) ihm bekannten Fahrplans entsprechend
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berechnet. Der Triebfahrzeugführer hat


die Aufgabe den Fahrweg sowie die Ab-
fertigung zu überwachen und gibt den
Startbefehl für die Fahrt. Bei Ausfall des
Fahrautomaten oder besonderen Situa-
tionen, die einer Entstörung bedürfen,
übernimmt der Triebfahrzeugführer wie-
der die vollständige betriebliche Verant-
wortung.
Die erste GoA2-Anlage auf Basis einer
ETCS-Zugsicherung (ETCS: European
Train Control System) ist seit 2018 im
kommerziellen Betrieb. Siemens Mobili-
ty hat diese auf der Thameslink Linie in
London (Bild 1) realisiert. Die Ergebnisse
dieser Entwicklung hat Siemens Mobility
in den Definitionsprozess für die Techno- Bild 1: Thameslink-Fahrzeug für ersten kommerziellen ATO over ETCS-Betrieb
logie „ATO over ETCS“ (ATO – Automatic
Train Operation) im europäischen Shift-
2Rail-Projekt eingebracht. Die dort ab- hierfür sind die Anlagen vom Typ VAL in des europäischen ETCS-Zugsicherungs-
gestimmte Architektur und Spezifikati- mehreren Städten in Frankreich und die systems zu gehen. Während der Schritt
onen ([2] FIS Subsets 139) fließen in die U-Bahn Nürnberg als erste GoA4-Met- von GoA1 zu GoA2 noch überschaubare
TSI CCS 2022 [3] ein (TSI: Technische ro in Deutschland. Heute gibt es kaum Ergänzungen in den Fahrzeugen und am
Spezifikation für die Interoperabilität). eine Metro-Ausschreibung, in der nicht Gesamtsystem benötigt, ist der Schritt zu
Im Projekt Digitale S-Bahn Hamburg reali- GoA4-Betrieb gefordert wird. In Metro- GoA3 oder GoA4 erheblich komplexer.
siert Siemens auf dieser Basis gemeinsam Anlagen sind die Randbedingungen meist
mit der Deutschen Bahn erstmals den au- klar begrenzt: es gibt einen Betreiber für 2 Harmonisierte Betriebs-
tomatisierten Bahnbetrieb mit ATO over Infrastruktur und Fahrzeuge, es existiert bedingungen senken die
ETCS in Deutschland [4]. eine homogene Fahrzeugflotte mit annä- Kosten für GoA4
hernd identischen Eigenschaften sowie
GoA3: Driverless train operation eine geschlossene und meist geschützte Beim Schritt zu GoA4 ist darauf zu ach-
(Führerloser Zugbetrieb) Infrastruktur. ten, dass in Europa nicht das gleiche
Es ist kein Triebfahrzeugführer mehr an Der Vollbahnbereich unterscheidet sich Problem entsteht wie bei der Konzepti-
Bord, der das Fahrzeug im Normalfall be- dadurch, dass verschiedene Eisenbahn- on von ETCS. Aus dem Ziel ein europä-
dient. Die Anlage muss mit hoher Zuver- verkehrsunternehmen mit unterschiedli- isches Zugsicherungssystem zu entwi-
lässigkeit automatisch fahren. Der Fahr- chen Fahrzeugen auf einer offenen kom- ckeln, wurde ein System mit über 30 ver-
weg muss einen gewissen Schutz ge- plexen Infrastruktur verschiedene Arten schiedenen zuzulassenden Varianten. So
gen Eindringen von Objekten aufweisen. von Verkehr (Personen oder Güter) betrei- gibt es beispielsweise 15 unterschiedli-
Eine betriebsrelevante Person ist noch an ben. Dadurch ist die Automatisierungs- che Prozeduren für den „Start of mission“
Bord, die bei außergewöhnlicher Situati- aufgabe im Vollbahnbereich wesentlich (Beginn einer neuen Fahrt). Dies führt zu
on auf Fernanweisung Störungen besei- komplexer. Für den Schritt zu GoA4 mit- entsprechend hohen Kosten in der Um-
tigen und Anweisungen an die Fahrgäs- tels ATO over ETCS im Vollbahnbereich setzung und Zulassung für die Betrei-
te geben kann. ist der Entwurf einer Grobarchitektur im ber.
Shift2Rail-Projekt entstanden. Das The- Die Lehre aus der Einführung von ETCS
GoA4: Unattended train operation ma wird nun ein Hauptentwicklungsthe- ist, dass die Betriebsbedingungen zwi-
(Unbegleiteter Zugbetrieb) ma in dessen Nachfolgeprojekt. schen den Betreibern harmonisiert wer-
In dieser Betriebsart ist keine betrieb- Je höher die Automatisierung einer An- den müssen. Diese Standardisierung ist
liche Person mehr an Bord. Um einen lage, desto höher sind auch die Investi- einer der größten Hebel, um die notwen-
reibungslosen Betrieb zu gewährleisten tionskosten. Im Vollbahnbereich müssen digen Investitionen für höhere Automati-
müssen nun nicht nur die Hauptfunktio- die Systeme wie bereits beschrieben meist sierung in Grenzen zu halten. Bild 2 gibt
nen des Fahrzeugs wie Fahren, Bremsen, offen für Mischverkehr sein, während im eine Übersicht über die Vielfalt der Be-
Türen öffnen/schließen, Licht, Klimaan- Metrobereich geschlossene Systeme vor- treiberregelwerke in Europa. Die bisheri-
lage voll automatisiert werden, sondern herrschen. Auch würden Automatisie- ge Erarbeitung eines vereinheitlichten Re-
es muss eine hohe Zuverlässigkeit er- rungslösungen für verschiedene Zugsi- gelwerks, welches durch die TSI OPE [5]
reicht und weitgehend eine Entstörung cherungssysteme immer wieder neue Ent- verpflichtend umzusetzen ist, lässt immer
des Fahrzeugs aus der Leitwarte ermög- wicklungskosten verursachen. Deshalb noch sehr viele länderspezifische Rege-
licht werden. unterstützt Siemens Mobility den Weg, lungen zu. Dies wird in vielen Ländern
Siemens Mobility realisiert seit den 90er im Vollbahnbereich weiterer Automati- genutzt, um den bestehenden Betrieb auf-
Jahren GoA4-Metro-Anlagen. Beispiele sierungsschritte GoA2 bis GoA4 auf Basis recht zu erhalten.
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auch der Fahrwegbeobachtung inklu-


sive Hinderniserkennung. Dabei kön-
nen auch Informationen durch stationä-
re Einrichtungen an besonderen Orten
wie Bahnsteigen oder Bahnübergängen
durch separate Systeme erfasst und ver-
arbeitet werden. Eine Instanz dieser In-
formation muss voraussichtlich in den
anderen Funktionen für GoA4 vorge-
halten werden.

– Digital Map (DM)


Diese Funktion liefert eine digitale Kar-
te mit allen für den Bahnbetrieb rele-
vanten Objekten. Besonders wichtig ist
sie für die Umgebungswahrnehmung
und die Lokalisierung.
Bild 2: Beispiele für Betreiberregelwerke in Europa

– Remote Train Operation (RTO) [7]


In all diesen Regelwerken gibt es The- nen ermöglichen europäische Test- Diese Einrichtung ermöglich im Falle
men, die beim Übergang zum Automa- Kriterien. von Betriebsbeeinträchtugungen das
tisierungsgrad GoA4 direkten Einfluss Fahrzeug von einer Leitstelle aus zu be-
auf die Realisierung einer zu automa- 3 GoA4 – Die Anforderun- dienen. Dies kann von den Betreibern
tisierenden Funktion und auf deren si- gen an ein automatisier- zur Fahrzeugüberwachung, der Vor-
cherheitstechnische Einstufung haben. tes Fahrzeug kommnisabarbeitung oder auch dem
Geht jedes Land, jeder Betreiber den Fernbedienen von Fahrzeugfunktionen
Weg der Automatisierung allein auf Ba- Die Anforderungen an ein (voll-)auto- dienen. Die Funktion stellt auch eine
sis seiner Regelungen, so wird jeder matisiertes Fahrzeug werden aktuell in Rückfallebene für den automatischen
Betreiber auch seine individuell zuge- verschiedenen nationalen und internati- Betrieb dar.
schnittene Automatisierungslösungen onalen Gremien diskutiert. Je nach Ein-
bezahlen müssen. Die notwendigen In- satzgebiet (operational design domain) Bild 3 zeigt die notwendigen Fahrzeug-
vestitionskosten für höhere Automatisie- und Zielrichtung ergeben sich Anforde- systeme für GoA3/4. Für die Integrati-
rung im Schienenverkehr in Europa wer- rungen, die im Europäischen Raum im on dieser neuen funktionalen Cluster
den maßgeblich dadurch beeinflusst, ob Shift2Rail-Projekt in mehreren funkti- müssen die bestehenden Fahrzeugsys-
es gelingt, den Betrieb zu vereinheitli- onalen Clustern [6] zusammengefasst teme hinsichtlich ihrer Funktionen aber
chen. wurden. auch hinsichtlich ihrer nicht-funktiona-
Die Einführung eines GoA4-Betriebs ba- Für den in der TSI CCS 2022 [3] definier- len Anforderungen (z.B. RAMS – Relia-
sierend auf ATO over ETCS in Europa ten GoA2-Betrieb kommen eine strecken- bility, Availability, Maintainability, Sa-
bringt eine neue Betriebsart, für die heu- seitige ATO-Einrichtung und ein fahr- fety) überprüft und angepasst werden.
te in keinem Land betriebliche Regelun- zeugseitiges ATO-System hinzu. Für den Zur Integration dieser neuen funktio-
gen existieren. Dies eröffnet die Mög- GoA4-Betrieb sind aus Sicht von Siemens nalen Cluster in ein Fahrzeug müssen
lichkeit für alle Bahnbetreiber in Europa Mobility folgende funktionale Cluster not- diesen Clustern konkrete Elemente und
ein betriebliches Regelwerk aufzustellen. wendig: Schnittstellen zugewiesen werden. Hier
Gemeinsame Netzwerkszugangsbedin- gibt es von Siemens Mobility bereits Lö-
gungen und gemeinsame betriebliche Re- – Incident Prevention Module (IPM) sungen im Rahmen des Projekts Digita-
geln für GoA3/4-Betrieb in Europa sind Diese Funktion analysiert Einflüsse auf le S-Bahn Hamburg. Hier wird eine voll-
die Chance, die Digitalisierung im euro- den Bahnbetrieb und setzt Routinen zur automatisierte Rangierfahrt realisiert, bei
päischen Bahnsektor zu beschleunigen Sicherstellung und Optimierung des au- der das Fahrzeug ohne Begleitpersonal
und die Kosten zu minimieren. tomatischen Betriebs um. Sie besteht wendet [4].
Die Vorteile die sich aus so einem Vorge- aus einer landseitigen und einer fahr- Für den Betrieb in GoA2 ist die Schnittstel-
hen ergeben sind immens: zeugseitigen Einrichtung. le zwischen dem Fahrautomaten auf dem
Zug und dem Verkehrsrechner an Land,
− eine europaweite Zulassung, keine – Perception (PER) der die optimale Zugreihenfolge berech-
landespezifischen Zulassungen not- Diese Funktion beobachtet die Umge- net und die entsprechenden Fahrpläne zu
wendig, bung des Fahrzeugs und analysiert die den Zügen kommuniziert, in den letzten
− schnellere Inbetriebsetzung, Situationen auf Relevanz für den Be- Jahren international definiert worden [2].
− leichtere Interoperabilität und trieb. Sie besteht dabei aus mehreren Somit sind die Hersteller heute in der Lage,
− einheitliche funktionale Spezifikati- Modulen, wie zum Beispiel der Fahr- die Fahrzeugleittechnik funktional für den
onen der Automatisierungsfunktio- zeuginnenraumüberwachung aber Betrieb von ATO over ETCS vorzubereiten.
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Zum vollautomatischen Fahren GoA4 müs- Mobility geht hier in folgenden Stufen schiedene Systeme funktional durch z.B.
sen die Funktionen im Gesamtsystem, die vor (Bild 4). spezielle Gläser aber auch aerodyna-
Teilfunktionen an Land und Teilfunktionen misch in der Fahrzeugfront vorgesehen
auf dem Zug haben, Ende zu Ende sicher 4.1 Mechanische und elektri- werden. Diese müssen zusätzlich noch
und verfügbar funktionieren. Sie betreffen sche Vorrüstung für GoA3/4 eine robuste Reinigungsfunktion haben
den Fahrgastbetrieb, das Bereitstellen und und auch instandhaltungstechnisch zu-
Parken der Züge, Kuppeln und Entkup- In der ersten Stufe wird von einem Fahr- gänglich sein.
peln und auch Rückfallebenen, um Stör- zeug ausgegangen, das funktional schon
fälle zu beherrschen. Sie umfassen nicht auf GoA2 vorbereitet ist, d.h. der Fahrau- 4.2 Für GoA3/4 funktional
nur die Basisfunktionen Fahren, Brem- tomat ATO ist mit seinen Schnittstellen vorbereitetes Fahrzeug
sen, Türen und Zugsicherung, sondern realisiert. Auf Basis der Annahmen der
auch beispielsweise Fahrgastinformation, zusätzlich notwendigen Cluster, kann Für diese Stufe ist es notwendig, dass die
Fahrgastraumüberwachung und Kommu- für die zusätzlichen notwendigen Kom- Sicherheitsanalyse des GoA4-Gesamtsys-
nikationsmöglichkeiten. Folglich wird die ponenten eine mechanische und elekt- tems auf Basis ATO over ETCS vorliegt
technische Schnittstelle zwischen Fahr- rische Vorrüstung geplant werden. Da- und eine Sicherheitsarchitektur für das
zeug und Landseite entsprechend breiter bei spielt die Vorsehung von Platz-, Ge- Fahrzeug abgeleitet wurde. Auf dieser Ba-
und komplexer als für den GoA2-Betrieb. wichts und Leistungsreserven eine große sis werden die Automatisierungsfunktio-
Rolle. Auch für notwendige Verkabelung nen für das Fahrzeug definiert. Die Funk-
4 Fahrzeuge von Siemens müssen Reserven vorgesehen werden. tionen müssen den Komponenten zuge-
Mobility werden stufen- Gerade ein Perception-System wird in wiesen werden und Schnittstellen spezifi-
weise GoA4-ready Hinblick auf die benötigte Rechnerkapa- ziert werden. Nach Abschluss dieser Klä-
zität für künstliche Intelligenz und Deep rungen kann eine funktionale Vorrüstung
Auch wenn heute weder eine abgeschlos- Learning-Lösungen und für die Verarbei- der Fahrzeuge erfolgen.
sene Spezifikation auf internationaler tung der benötigten Sensordaten einen
oder nationaler Ebene noch ein betrieb- wesentlichen Anteil am Vorrüstungskon- 4.3 Für GoA3/4
liches Konzept für einen GoA3- oder zept innehaben [8]. ausgerüstetes Fahrzeug
GoA4-Betrieb vorliegt, erwarten Betrei- Das Rail Perception-System kombiniert
ber, dass Fahrzeuge, die heute gebaut verschiedene Sensormodalitäten [8] und Hierunter versteht Siemens Mobility ein
werden, später auch für GoA4-Betrieb hat aus diesem Grund hohe Anforderun- Fahrzeug, in dem alle notwendigen und in-
nachgerüstet werden können. Siemens gen an die Integration. So müssen ver- ternational abgestimmten Spezifikationen

Bild 3: Fahrzeugsysteme für GoA3/4

Bild 4: Stufen der Automatisierungsvorrüstung


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tem erprobt. Das System besteht aus zwei


Kameras und einem Lidar.
Um den richtigen Einbauort für die Sen-
sorik in den Fahrzeugkopf zu finden, ver-
wendet Siemens Mobility Simulationsver-
fahren, die durch praktische Messungen
mit Hilfe einer speziell dafür entwickel-
ten, temporären Sensorhalterung unter-
stützt werden. Diese wird auch verwen-
det, um neue Sensoren schnell und effizi-
ent zu testen. Auf dem Advanced Trainlab
werden die Sensorik und die Einbauorte
durch Messfahrten bei unterschiedlichen
Witterungs- und Betriebsbedingungen ge-
testet, um Erkenntnisse für die Konzep-
tion aktueller und zukünftiger Fahrzeug-
generationen zu sammeln.
Ein wichtiges Untersuchungsgebiet ist
Bild 5: Sensorbox, mit der Sensoren für eine Hinderniserkennung nachträglich in Bestands- die Verschmutzung der Sensoren und die
fahrzeuge integriert werden können
Beeinflussung durch Witterungsbedin-
gungen wie beispielsweise Regen, Nebel,
für einen GoA3/4-Betrieb basierend auf Sensorik für eine Hinderniserkennung ge- Schnee und Vereisung. Durch automati-
ATO over ETCS-Betrieb umgesetzt sind. eignet ist. Der rechte Teil von Bild 5 zeigt sierte Verfahren wird die Erkennungsper-
eine Draufsicht des Frontpanels und der formance der Sensoren analysiert, konti-
5 Erfahrungen aus dahinterliegenden Senroreinhausung mit nuierlich gemessen und es werden dar-
den Pilotprojekten elektrischem Anschluss, in der Mitte die aus Anforderungen an die Systeme zur
Vorderansicht des Frontpanels mit dahin- Reinigung, Verschmutzungsvermeidung
In verschiedenen Pilotprojekten entwi- terliegender Sensorik und unten die trans- und Beheizung abgeleitet.
ckelt und testet Siemens Mobility Ver- parente rückseitige Ansicht der gesamten Das Forschungsprojekt Autonome Tram
fahren zur Integration von GoA4-Kom- Sensorbox mit elektrischer sowie Daten- in Potsdam [9] wird in zwei Stufen reali-
ponenten in die Fahrzeuge. Für das Ad- schnittstelle. siert. In der ersten Stufe 2016-2019 wur-
vanced Trainlab (ICE-TD VT 605) [8] wur- Innerhalb der Box können Sensoren in de das autonome Fahren durch die Pots-
de eine spezielle Sensorbox entwickelt unterschiedlichen Winkeln und Kombi- damer Innenstadt mit Sicherheitsfahrer
(Bild 5), die nach den Bahnanforderun- nationen angeordnet werden. Im Rahmen erprobt und auf der Innotrans 2018 dem
gen EN 50155/EN 50121 zertifiziert wur- der Kooperation mit der DB wird Senso- Fachpublikum demonstriert. In der zwei-
de und für den nachträglichen Einbau der rik für ein kostengünstiges Assistenzsys- ten Stufe (2019-2022) wird an weiteren
Fragen des autonomen Tram-Betriebs im
Depot gearbeitet. Dafür wurde ein umfas-
sendes Sensorsystem in eine Siemens Mo-
bility Combino-Tram (Bild 6) mechanisch
und elektrisch integriert. In eine speziell
entwickelte Frontschürze wurden jeweils
3 Lidar- und Radar-Sensoren verbaut. Im
überwischten Bereich wurden 7 Kamera-
Systeme in einer Spezialhalterung integ-
riert, die mittels 3D-Druck gefertigt wur-
de und die durch ein integriertes Kabel-
führungssystem optimal für das Fahrzeug
angepasst ist. Sie ermöglicht eine flexible
Ausrichtung der Kameras und wurde auf
die Scheibe geklebt. Durch das Aufkleben
auf die Scheibe wird ausgeschlossen, dass
es zu Spiegelungen kommt. Ein Regen-
sensor sorgt dafür, dass die Scheibe auto-
matisch gereinigt wird. Gleichzeitig misst
ein Algorithmus die Erkennungsqualität
der Kameras und gibt diese an das Con-
trol Center (Arbeitsplatz des Operators)
Bild 6: Combino von Siemens Mobility mit Ausrüstung zur Hinderniserkennung weiter. Dieser hat dann die Möglichkeit,
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die Scheibe über eine Fernsteuerung zu- Durch das Anlernen der Algorithmen der [5] Durchführungsverordnung (EU) 2019/773
der Kommission vom 16. Mai 2019.
sätzlich reinigen zu lassen. Hinderniserkennung für die verschiede-
[6] https://projects.shift2rail.org/s2r_ip2_n.
Die Erfahrungen aus dem Forschungs- nen Strecken und unterschiedlichen Ge- aspx?p=X2RAIL-4, abgerufen am 11,09.2021.
projekt fließen in die neue Siemens Mo- gebenheiten wird Siemens Mobility die [7] https://projects.shift2rail.org/s2r_ipx_n.
aspx?p=tauro, abgerufen am 11,09.2021.
bility Tram-Fahrzeuggenerationen ein, in Performance schrittweise anheben. Da- [8] Fischer, T.: Radü, Ch.: Das advanced TrainLab
der die Vorrüstung für Assistenzfunktio- durch werden die Systeme für einen voll- ist Versuchsträger für innovative Technolo-
nen vorgesehen ist. Die Sensoren kön- automatischen Betrieb ertüchtigt und qua- gien, ZEVrail 145 (2021) 4, S. 116-123.
[9] https://www.mobility.siemens.com/global/
nen dann je nach Anwendungsfall ein- lifiziert. Gleichzeitig arbeitet Siemens Mo- de/portfolio/schiene/fahrzeuge/strassen-
fach nachgerüstet und installiert werden. bility zusammen mit den Betreibern, den bahnen/ autonome-strassenbahn, abgeru-
fen am 11.09.2021.
Ebenfalls werden Einbauräume und Ver- Zulassungsbehörden und Gutachtern in-
kabelung in den Dach-Containern und tensiv an einer Spezifikation, der Archi-
Schaltschränken vorgesehen. tektur sowie deren Nachweisführung. Da- Dipl. Ing. Richard Wolf (37).
bei spielt die Sicherheitsargumentation der Studium Mechantronik an
Systeme für den vollautomatischen Betrieb der Friedrich-Alexander-
6 Zusammenfassung Universität Erlangen-Nürn-
und Empfehlung eine maßgebliche Rolle.
berg. Seit 2011 bei Siemens
Eine erste Stufe für die Einführung von
Mobility in den Bereichen
Die Tram- und Vollbahnfahrzeuge von GoA4-Systemen kann das vollautomati- Zugsicherungtechnik und
Siemens Mobility werden bereits heute sierte Fahren im Depot und das fahrer- Vollautomatisierung im Voll-
für den zukünftigen vollautomatisierten lose Ab- und Bereitstellen der Fahrzeuge bahnbereich tätig. Senior
und digitalen Fahrbetrieb vorbereitet. Sie sein. Siemens Mobility hat im August 2021 Specialist Architecture Automatic Driving. Seit
können schon heute mit einer Vorrüstung mit der autonomen Tram im vollautoma- 2019 Technical Manager und Lead System Ar-
für assistiertes Fahren gebaut werden und tisierten Depot in Potsdam die Machbar- chitect für fahrerlose und unbegleitete Schie-
nenfahrzeuge von Siemens.
für fahrerlosen Betrieb durch Freihalten keit dafür demonstriert. Diese Arbeiten
Anschrift: SMO GmbH, SMO RS EN ASR FA, Sie-
von Bauräumen, elektrische Leistungs- und die Ergebnisse aus weiteren Pilotpro-
menspromenade 8, 91052 Erlangen, Deutsch-
und Gewichtsreserven sowie ggfs. Kabel jekten sind wichtige Entwicklungsschrit- land.
für die Automatisierungskomponenten te hin zum fahrerlosen und unbegleiteten E-Mail: richard.wolf@siemens.com
vorbereitet werden. Um die Fahrzeuge Betrieb.
weitergehend auch funktional und kos-
Dr.-Ing. Hans-Georg Langer
teneffizient auf einen vollautomatischen #734_A3
(60). Studium Elektrotech-
Betrieb vorzubereiten, sollten vereinheit- nik an der RWTH Aachen.
lichte Betriebskonzepte erarbeitet und (Bildnachweis: 1 bis 6, Verfasser) Promotion am Institut für
standardisiert werden. Stromrichtertechnik und
Darüber hinaus hat Siemens Mobility be- Literatur Elektrische Antriebe der
reits Lösungen entwickelt, um Bestands- [1] IEC 62290-1-2014. RWTH Aachen. Seit 1994
[2] UNISIG Subset 139, ATO over ERTMS; ATO-
fahrzeuge mit Sensorsystemen für eine bei Siemens Mobility in ver-
OB / Vehicle Interface Specification FIS, Shif-
Hinderniserkennung auszurüsten. So t2Rail. schiedenen Aufgabenfel-
[3] https://ec.europa.eu/transport/modes/rail/ dern tätig u.a. sieben Jahre Projektabwicklung
können die Triebfahrzeugführer bereits ertms/2022-ccs-tsi-revision_en, abgerufen vollautomatische Metrofahrzeuge und acht
heute unterstützt und Kollisionen ver- am 11.09.2021. Jahre Leitung der Fahrzeugsteuerungsentwick-
mieden werden. Die Systeme zur Hinder- [4] Schröder, J.; Alpoim, CH. G.; Dickgießer, B.;
Knollmann, V.: Digitale S-Bahn Hamburg – Erst- lung. Seit 2020 als Principal Key Expert tätig.
niserkennung werden im operativen Be- malige Realisierung von „ATO over ETCS“ Anschrift: SMO GmbH, SMO RS EN, Siemens-
trieb zusammen mit den Betreibern opti- in Deutschland. Signal+Draht, Ausgabe promenade 8, 91052 Erlangen, Deutschland.
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