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Didaktik der Stochastik

Organisatorisches
Zur Geschichte der Stochastik
Wahrscheinlichkeitsbegriffe
12.10.23

1 Daniel Frohn Universität Bielefeld Didaktik der Stochastik


Organisation der Veranstaltung
 Ablauf des Seminars
 Inputphasen
 Arbeitsphasen, auch mit Computereinsatz
 Präsentations- und Diskussionsphasen

 Studienleistung:
 Erstellung eines Portfolios durch Bearbeitung von Aufgaben
 Zu jedem Thema eine Portfolioaufgabe
 Vollständige Bearbeitung (nicht notwendig vollständige Korrektheit) aller Aufgaben
(handschriftlich möglich, ca. 1 Seite pro Thema)
 Abgabe im Lernraum bis 17.03.24

 Thematischer Schwerpunkt: Stochastik in der Sek II

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Themen und Termine
Datum Thema
12.10.23 Organisatorisches; Geschichte der Stochastik und Wahrscheinlichkeitsbegriffe
19.10.23 Didaktische Positionen, Stochastisches Denken
26.10.23 Elementare Aufgaben zum Wahrscheinlichkeitsbegriff
02.11.23 Zur Rolle der Kombinatorik
09.11.23 Bedingte Wahrscheinlichkeiten
16.11.23 Binomialverteilung
23.11.23 Zufallsgrößen und Erwartungswert
30.11.23 Standardabweichung und Varianz
07.12.23 Von der Binomial- zur Normalverteilung
14.12.23 Weitere Verteilungen: Geometrische, Hypergeometrische,…
21.12.23 Beurteilende Statistik I – Hypothesentest
11.01.24 Beurteilende Statistik II – Schätzen von Parametern
18.01.24 Stochastische Matrizen: Vernetzung von Stochastik und Linearer Algebra
25.01.24 Computereinsatz im Stochastikunterricht: Chancen und Schwierigkeiten
01.02.24 Zentralabitur NRW, Aufgabenkultur

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Literatur

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Zur Geschichte der Stochastik

• Im Altertum:
• Glücksspiel (Astragali)
• Versicherungswesen (intuitive Abschätzungen)
• Aussage von Aristoteles: „Zufall entzieht sich grundsätzlich der
menschlichen Erkenntnis“

• Im Mittelalter:
• Da Glücksspiel weithin verpönt war, gab es kaum offizielle
Publikationen
• Erstes Buch zur Wahrscheinlichkeitsrechnung: Liber de ludo
aleae (das Buch vom Würfelspiel) von Cardano (1501-1576)
erschien erst 1663
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Zur Geschichte der Stochastik
• Geburtsstunde im 17. Jhdt.:
• Die Wette des Chevalier de Méré (1607-1684): Er gewann
(langfristig) mit der Wette, mindestens eine Sechs bei 4 Würfen
zu werfen, verlor aber bei der Wette, mindestens eine Doppel-
Sechs bei 24 Würfen mit zwei Würfeln zu werfen
5 4 35 24
1− ≈ 51,8 % 1− ≈ 49,1 %
6 36
• Er wandte sich an Blaise Pascal (1623-1662)
• Es entstand ein Briefwechsel zwischen Pascal und Pierre de
Fermat (1601/1607(?)-1665), in dem diese und andere Probleme
behandelt wurden
• Teilungsproblem: Wie ist der Gewinn aufzuteilen, wenn ein Spiel vorher
abgebrochen wird?
• Warum ist die Augensumme 11 beim Würfeln mit 3 Würfeln häufiger als
die Augensumme 12?
27 25
>
216 216
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Zur Geschichte der Stochastik
• Weitere Entwicklung:
• Christiaan Huygens (1629-1695): De rationciniis in ludo aleae
(Über Schlussfolgerungen im Würfelspiel)
• Jakob Bernoulli (1655-1705): Ars conjectandi (Die Kunst des
Vermutens); vollständige Beschreibung der Binomialverteilung;
Theoretische Herleitung des Gesetzes der großen Zahlen:
P(|Hn-p|< ε) → 1 für n → ∞
• Abraham de Moivre (1667-1754): The Doctrine of Chances
(Die Lehre von der Wahrscheinlichkeit); Entdeckung des
Zentralen Grenzwertsatzes (Normalverteilung als Näherung der
Binomialverteilung)
• Thomas Bayes (1801/1802(?)-1861): An Essay towards solving
a Problem in the Doctrine of Chances (Eine Abhandlung zur
Lösung eines Problems durch die Wahrscheinlichkeitslehre);
bedingte Wahrscheinlichkeiten, Satz von Bayes
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Zur Geschichte der Stochastik

• Pierre-Simon Laplace (1749-1827): Théorie Analytique des


Probabilités (Mathematische Wahrscheinlichkeitstheorie);
Systematisierung und Anwendung bekannter Ergebnisse (z.B.
auf die Physik); Beweis des zentralen Grenzwertsatzes;
Laplacescher Wahrscheinlichkeitsbegriff
• Carl-Friedrich Gauß (1777-1855): Methode der kleinsten
Quadrate; Normalverteilung als eigenständige Verteilung
• Siméon Denis Poisson (1781-1840): Poisson-Verteilung
• Pafnuti Lwowitsch Tschebyschow (1821-1894): Tschebysheff-
Ungleichung
• Andrei Andrejewitsch Markow (1856-1922): Stochastische
Prozesse (Markoff-Ketten)

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Zur Geschichte der Stochastik

• David Hilbert (1862-1943): Formulierung der 23 wichtigsten


Probleme der Mathematik auf dem Pariser Kongress 1900, das
6. Problem betraf die Axiomatisierung der Physik und der
Wahrscheinlichkeitsrechnung
• Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow (1903-1987):
Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung;
Axiomatisierung der Wahrscheinlichkeitstheorie mit Hilfe der
Mengenlehre

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Verschiedene Wahrscheinlichkeitsbegriffe

Was ist „Wahrscheinlichkeit“?

 Was sagen Sie dazu?

• Laplacescher Wahrscheinlichkeitsbegriff

• Frequentistischer Wahrscheinlichkeitsbegriff

• Subjektivistischer Wahrscheinlichkeitsbegriff

• Axiomatischer Wahrscheinlichkeitsbegriff

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Verschiedene Wahrscheinlichkeitsbegriffe
1. Laplacescher Wahrscheinlichkeitsbegriff
• „Prinzip vom unzureichenden Grunde“: Wenn (z.B. aus
Symmetriegründen) kein Grund dagegen spricht, dass alle
Ergebnisse einer endlichen Ergebnismenge gleich
wahrscheinlich sind, nimmt man die Gleichwahrscheinlichkeit
an. Dann setzt man P(A) = |A|/|Ω|
„Anzahl der günstigen durch Anzahl der möglichen Fälle“
• Wahrscheinlichkeiten sind „a priori“ festgelegt und damit
hypothetisch-theoretische Modellannahmen
• In vielen Situationen liegt keine Gleichwahrscheinlichkeit vor
• Verallgemeinerung: geometrische Wahrscheinlichkeit
P(A) = günstiger Flächeninhalt/gesamter Flächeninhalt
Beispiel: Glücksrad – es sind also (theoretisch) auch
irrationale Wahrscheinlichkeiten möglich!
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Verschiedene Wahrscheinlichkeitsbegriffe
Beispiel: Eine 10-Cent-Münze (Ø=2cm) wird auf ein kariertes
Papier geworfen, welches aus quadratischen Feldern der Größe
4cm x 4cm besteht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie
vollständig innerhalb eines Quadrates liegen bleibt?

2 cm

2 cm

Der Mittelpunkt kann auf einem Quadrat der Größe 2 cm ∙ 2 cm liegen.


Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt ¼.
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Verschiedene Wahrscheinlichkeitsbegriffe
2. Frequentistischer Wahrscheinlichkeitsbegriff
• Auf Grund der Beobachtung, dass sich empirisch ermittelte
relative Häufigkeiten mit zunehmender Anzahl von
unabhängigen Wiederholungen stabilisieren („empirisches
Gesetz der großen Zahlen“), deutet man relative Häufigkeiten
als (näherungsweise) Wahrscheinlichkeiten
• Wahrscheinlichkeiten erhalten den Charakter physikalischer
Größen: Sie werden „gemessen“, sind aber mit Ungenauigkeit
behaftet, die mit einem großen Umfang von Messungen
verringert werden kann
• Theoretische Rechtfertigung durch das Gesetz der großen
Zahlen: Für alle ε > 0 gilt P(|Hn-p|< ε) → 1 für n → ∞
• Schwierigkeit: Zirkuläre Definition des W‘keitsbegriffes, da in
der Formulierung des Gesetzes die W‘keit auftritt!
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Verschiedene Wahrscheinlichkeitsbegriffe
3. Subjektivistischer Wahrscheinlichkeitsbegriff
• Der frequentistische W‘keitsbegriff ist eine objektivistische
Sichtweise, da er von einer objektiv existierenden W‘keit
ausgeht, die durch eine große Zahl n an Versuchsreihen
näherungsweise bestimmt werden kann.
• Schwäche des Konzepts: Oft ist n sehr klein! (z.B. aus
historischen, ethischen, finanziellen Gründen)
• Subjektivistisch: Grad der Überzeugung (auf Grund
subjektiver Informationen und ihrer subjektiven Bewertung)
• Beispiel: „Mit 80%-iger Wahrscheinlichkeit gewinnt
Mannschaft A gegen Mannschaft B“ (erste Wettquote)
• Objektive Informationen fließen durchaus in den subjektiv.
W‘keitsbegriff ein (Veränderungen der Wettquote durch
Analyse der bisher getätigten Einsätze)
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Verschiedene Wahrscheinlichkeitsbegriffe
4. Axiomatischer Wahrscheinlichkeitsbegriff
• Lösung der mathematischen Theorie von den ontologischen
Bindungen, die ihre Entstehungsgeschichte geprägt haben
• Leitfrage ist nicht mehr „Was ist Wahrscheinlichkeit?“,
sondern „Wie kann man Wahrscheinlichkeit beschreiben?“

• Verallgemeinerung auf überabzählbare Ergebnisräume ist mit


Hilfe von σ-Algebren möglich
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Verschiedene Wahrscheinlichkeitsbegriffe

Aufgabe:
Betrachten Sie folgende Beispiele und diskutieren Sie, inwiefern
bei der Berechnung bzw. Einschätzung der Wahrscheinlichkeit
der laplacesche/frequentistische/subjektivistische/axiomatische
Wahrscheinlichkeitsbegriff eine Rolle spielt.
1. Bei einer Tabellenkalkulation werden Zufallszahlen im
Bereich {1,2,3,4,5,6} erzeugt. Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit für eine 6?
2. Eine Reißzwecke landet erfahrungsgemäß in 40 % der Fälle
auf dem Kopf. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie
bei zwei Würfen zwei mal auf dem Kopf liegen bleibt?

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Portfolioaufgabe 1
Wählen Sie zwei Schulbücher aus (je eins zur Sekundarstufe I
bzw. II), die einen Einstieg in die Wahrscheinlichkeitsrechnung
beinhalten, und analysieren Sie diese im Hinblick auf die
verwendeten Wahrscheinlichkeitsbegriffe.

1. Fassen Sie kurz zusammen, ob und wie die verschiedenen


Wahrscheinlichkeitsbegriffe (laplacescher, frequentistischer,
subjektivistischer, axiomatischer) explizit oder implizit
thematisiert werden.
2. Welche Wahrscheinlichkeitsbegriffe stehen im Vordergrund?

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