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Rumänische Lyrikanthologie

Von den Anfängen bis heute


Herausgegeben von Christian W. Schenk
ISBN: 9798854558914
DIONYSOS – 2023 Boppard am Rhein
©Alle Rechte vorbehalten!

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Rumänische Lyrikanthologie
- Von den Anfängen bis heute -

BAND I

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Kurzer Exkurs in der rumänischen Lyrik

Die Geschichte der rumänischen Lyrik reicht bis in das 16.


Jahrhundert zurück, als die ersten schriftlichen Zeugnisse
in rumänischer Sprache entstanden. Zu dieser Zeit war die
rumänische Lyrik stark von der Volksdichtung und der or-
thodoxen Kirchenmusik beeinflusst.
Das Werk ist in mehrere Kapitel gegliedert, die jeweils ei-
nem Dichter und Dichtern aus jener Zeit gewidmet sind.
Im ersten Band konzentriert sich das Buch auf die Texte
von Ienăchiță Văcărescu, der als einer der Begründer der
modernen rumänischen Poesie gilt. George Călinescu
zum Beispiel analysiert Văcărescus Gedichte und hebt die
klassischen und romantischen Einflüsse in seinem Werk
hervor. Der vorliegende Band versucht in dieser Zeit der
Anfänge, durch die Gedichte, einzudringen. Jeder Dichter
wird im historischen und kulturellen Kontext seiner Zeit
dargestellt und seine Werke in deutscher Übersetzung
wiedergegeben. George Călinescu bietet eine kritische
Perspektive auf die Entwicklung der rumänischen Poesie
in dieser Zeit und hebt die Einflüsse der europäischen und
nationalen Literatur auf rumänische Dichter hervor. Er
betont die Bedeutung dieser Dichter für die Entwicklung
und Bestätigung der modernen rumänischen Literatur.
Der erste Band des Buches „von Ienăchiță Văcărescu bis
George Coșbuc“ ist ein Nachschlagewerk für Studenten
und Forscher der rumänischen Literatur, aber auch für je-
den Liebhaber der Poesie, der die Entwicklung und Beson-
derheiten der rumänischen Poesie im Laufe der Zeit

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besser verstehen möchte. Im 19. Jahrhundert erlebte die
rumänische Lyrik eine Blütezeit, die als "Nationaldich-
tung" bekannt ist. Zu den bedeutendsten Dichtern dieser
Zeit gehörten Vasile Alecsandri, Mihail Eminescu und
George Coșbuc.
Vasile Alecsandri gilt als einer der Begründer der moder-
nen rumänischen Lyrik. Er schrieb sowohl romantische
Gedichte als auch politische und soziale Satiren. Seine
Werke waren von der rumänischen Folklore und der Na-
tur inspiriert.
Mihai Eminescu wird als der größte rumänische Dichter
angesehen. Seine Gedichte sind von einer tiefen Melan-
cholie und einer starken Naturverbundenheit geprägt.
Eminescu gilt als Symbol für die rumänische Identität und
seine Werke haben einen großen Einfluss auf die rumäni-
sche Kultur.
George Coșbuc war ein weiterer wichtiger Dichter des 19.
Jahrhunderts. Er schrieb vor allem politische Gedichte,
die oft von sozialen Ungerechtigkeiten und dem Kampf
für die Unabhängigkeit Rumäniens handelten. Coșbuc
war auch ein Verfechter der rumänischen Sprache und
setzte sich für ihre Verwendung in der Literatur ein.
Im 20. Jahrhundert setzte sich die Entwicklung der rumä-
nischen Lyrik fort. Dichter wie Ion Barbu, Lucian Blaga und
Nichita Stănescu prägten diese Zeit mit ihren experimen-
tellen und avantgardistischen Werken.
Die rumänische Lyrik hat im Laufe der Jahrhunderte eine
Vielzahl von Themen behandelt, darunter Liebe, Natur,
Politik und soziale Gerechtigkeit. Sie hat die rumänische

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Kultur und Identität geprägt und ist ein wichtiger Be-
standteil der rumänischen Literaturgeschichte. George
Coșbuc und seine Zeitgenossen haben einen bedeuten-
den Beitrag zur Entwicklung der rumänischen Lyrik geleis-
tet und ihre Werke sind auch heute noch von großer Be-
deutung.

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IENĂCHIȚĂ VĂCĂRESCU
1740 - 1797

Ienăchiță Văcărescu war ein walachischer Diplomat, ru-


mänischer Dichter, Historiker, Romanist und Rumänist.
Văcărescu stammte aus einer Bojaren Familie im Fürs-
tentum Walachei. Er war hochgelehrt und vielsprachig,
schrieb Gedichte, eine Geschichte des Osmanischen Rei-
ches, ein kleines türkisch-rumänisches Wörterbuch (um
1790) und 1787 nach italienischen Vorbildern eine der
ersten Grammatiken des Rumänischen, die von Ion Heli-
ade-Rădulescu1 für seine eigene Grammatik von 1828
benutzt wurde.
In Târgoviște ist eine Schule, in Bukarest eine Straße
nach ihm benannt.

1
Ion Heliade-Rădulescu (* 6. Januar 1802 in Târgoviște; † 27. April
1872 in Bukarest) war ein rumänischer Schriftsteller, Philosoph, Lin-
guist, Übersetzer und Politiker, außerdem Mitbegründer und erster
Präsident der Rumänischen Akademie (Academia Română).
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Zu denken, dass man kann

Zu denken, dass ein Mann


Alles alleine Kann
So sehr man drüber denkt,
Ist Anderer der lenkt,
In unsre enge Kleinigkeit
Erreicht man keine Weisheit.

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Die Grammatik

Grammatik ist Fach das man muss erlernen,


Und alle können draus eine Lektion lernen
Und durch sie kann man die Dinge nennen,
Die jeder lernt sie alle unweigerlich kennen
Und gutgetane Verse zeigt sie kann man rollen
Zwingen euch sie lernen, oder tun sie, was Sie wollen.

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In einem Garten

in einem Garten
Neben ein Baumstamm warten,
Sah ich eine Blume leuchten.

Sie abschneiden sie grimmt!


Sie dalassen bangt mich bestimmt,
Dass jemand naht und es wegnimmt.

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Bei einem Leid

Bei einem Leid


Schwer wie ein Kleid
Der, der es hat, mit Füssen getreten
Kann nur noch für den Tod zu beten,
Man kann nichts zu tun.
Es ist kein Trost und nun
Es ist nicht einmal möglich
Der, der zugrunde geht, dich
Dir Glauben versuchen zu schenken
Du musst dann den Mund halten.

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Sag, du mein Herz

Sag, du mein Herz, sag


Was schmerzt dich am Tag?
Zeig mir, warum es so klagt,
Welche Krankheit dich plagt?

Sag mir, wonach soll ich streben,


Welche Medizin soll ich dir geben;
Bitte kläre mich soll ich es vermeiden
Wovon kommt plötzlich das Leiden.

Zeige, sage, es nicht verstecken!


Von wo kommt über die die Ecken:
Sag, mein Herz, sprich
Was kränkt dich?

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Die Rose

Du, blühende Rose ohne Rast


Die du dich so sehr bemühet hast
Zu schmücken jene Brust unter Zweige
Wo immer ich sehnsuchtsvoll mich neige!

Bete für mich, muss dich flehen


Soll’s mir auch besser gehen!
Einen Weg finden, zu dir kommen dort
Denn ich sitze an einem anderen Ort,

Sag es ihr, dass ich Schmerzen habe


Nicht mit Meinung mit Liebe, du hast die Gabe;
Du kannst ihr heilig versprechen
Dass du vertrocknest ohne zu stächen
Ich kann mich nicht verstellen,

Ich möcht‘ ihr so gefallen,


Zeig ihr mit voller Demut
Dass ihr Dorn mir weh tut;
Lass mich auf leichten Sohlen kommen
Und nimm mein Leben mit Wonnen.

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Die Tage die ich noch habe

Die Tage die ich noch am Leben bin


würdig möchte ich noch weilen drin
Seufzend, um dich zu laben,
aber wie kann ich es wagen?

Klug möchte ich mit Vokalen


dein heiliges Gesicht zu malen
Dein strahlendes Gesicht so wie
die Sonne sie beleuchtet nie.

Könnte leben ohne Wehe


bis ich in die andere Welt gehe,
Spreche mit mir und frage,
Siehst du nicht wie ich mich plage?

Meine Seufzer machen mich bestürzt,


meine Brust, mein Leben sind verkürzt,
Gebrochen geht mein Leben still,
nur wenn der Styx, wenn er es will.

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IOAN BUDAI-DELEANU
1760-1820

Ion Budai-Deleanu (* 6. Januar 1760 in Cigmău, Kreis


Hunedoara; † 24. August 1820 in Lemberg) war ein rumä-
nischer Schriftsteller, Historiker, Linguist, Romanist und
Rumänist. Budai-Deleanu studierte am Seminar in Blaj
und von 1777 bis 1779 an der Universität Wien. Von 1780
bis 1783 war er Stipendiat am Barbareum, dem grie-
chisch-katholischen Seminar der Barbarakirche (Wien)
und promovierte dort. 1787 war er kurz Professor am Se-
minar von Blaj, wegen eines Konflikts mit dem Bischof I-
oan Bob ging er dann aber nach Lemberg und machte dort
Karriere am Gericht.
Als intellektueller Anhänger der Aufklärung und (zusam-
men mit Petru Maior2, Samuil Micu3 und Gheorghe Șin-
cai4) als Vertreter der Bewegung Siebenbürgische
Schule5, einer rumänischen Emanzipationsbewegung, die

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Petru Maior (* 1754 in Târgu Mureș; † 2. Februar 1821 in Buda) war
ein rumänischer Theologe, Historiker, Romanist und Lexikograf der
Siebenbürgischen Schule.
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Samuil Micu (* September 1745 in Sadu; † 13. Mai 1806 in Buda,
Königreich Ungarn) war ein rumänischer Philosoph, Theologe, Histo-
riker, Romanist, Grammatiker, Lexikograf und Übersetzer aus der Sie-
benbürgischen Schule.
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Gheorghe Șincai (* 28. Februar 1754 in Râciu, Kreis Mureș; † 2. No-
vember 1816 in Svinia) war ein rumänischer Theologe, Historiker und
Romanist aus der Siebenbürgischen Schule.
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Die Siebenbürgische Schule (rumänisch Școala Ardeleană) war eine
kulturelle Bewegung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und
im 19. Jahrhundert in Siebenbürgen. Sie nahm ihre Anfänge,
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die romanischen Ursprünge der Rumänen betonte, ver-
fasste er zahlreiche Schriften, die überwiegend erst nach
seinem Tod oder gar in jüngster Zeit publiziert wurden. So
wurde auch sein burleskes Nationalepos in zwölf Gesän-
gen Ţiganiada sau tabăra ţiganilor (Das Zigeunerlager),
entstanden 1800 in Lemberg (zweite Fassung 1812), erst
1875–1877 gedruckt.

nachdem um 1700 die griechisch-orthodoxe Kirche in Siebenbürgen


ihre Unterordnung zum Phanar aufgab und sich mit Rom unierte und
somit zur Rumänischen griechisch-katholischen Kirche wurde
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ZIGANIADE (Fragment)

Gesang I

Argument

Bis Fürst Vlad bewaffnet die Zigeuner,


Auf ihnen brauste der große Zorn
Satan wünscht ihnen Übel, Herr.

Sie nahmen Brot mit ihnen vorn


Von der Flămânda6 geht das Schaar
Der Zigeuner direkt nach Inimoasa7.

Muse! Was Omar einmal sang


Das Heimatlied, im stillen Gang
Singe es auch mir, sei nicht so bang,
Alles was die Zigeuner taten bis ins Grab
Dafür Vlad der Fürst ihnen die Freiheit gab,
Die Waffen schmieden für ihren Heim;

6
Flămânda heuet Flămânzi ist eine Stadt im Kreis Botoșani, Molda-
wien, Rumänien.
7
Inimoasa, ehemaliger Name einer Modauischer Ortschaft.
21
2

Wie die Zigeuner wählen wollten ein


Fürst im Land und eine Herrschaft,
Wie sie das liebe Leben vergaßen,
Ergriffen Waffen tapfer sich viele anmaßen,
Sie hatten sogar Mut bekommen
Den Heiden im Kampf nahekommen;

Wie dann, durch einen erbitterten Kampf


(denn wüteten nicht zusammen), zerstampft
Alle flüchteten ganz durcheinander ohne
das Land zu verlassen, der Fürst und die Krone.
Das Alles wurde getan mit großem Gewimmel
Durch dämonischen Schwindel,

Das zumindest das ohne Belohnung


Der schlimmste Geist von allen. Satan.
Immer in der Hölle hat er seine Wohnung,
Als Nahrung des unauslöschlichen Feuers,
Aber trotzdem immer noch heimlich manchmal,
Er rebelliert die Welt und schwelgt in Schicksal.

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5

Und diesmal hatte er ihn in Stücke gerissen


Die Pest (wie man sagt) verflucht, verbissen
Was für ein Anblick mit Säcken und mit hämmern
Auf unserem bewaffneten Zigeuner, in den Ländern
Auf jeden Fall beschloss er, es zu verderben,
Mit ihrem Preis die Feindschaft bringenden.

Ah! Du langmütiges Papier, im Stillen


Welche auf Ihrem Rücken mit gutem Willen
All die Weisheit schrieb unter der Sonne
Und du trägt den Wahnsinn mit viel Wonne,
Es trägt auch diese Verse mit allen meine Rechte
Die ich dir gebe, sowohl gute als und auch schlechte.

Dann sagt allen die es wissen wollen:


Wie der Weise Salomo wir sagen können:
Alles ist Wüst in Übermut und Wahnsinn!
Denn nur derjenige ist glücklich von Anbeginn
Welcher mit Selbsterkenntnis beginnt
Und die Natur der Dinge diktiert, erzwingt.

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ZILOT ROMÂNUL
1787-1853
Zilot Românul (Pseudonym von Ștefan Ioan Fănuță) (* 27.
Dezember 1787 in Bukarest – 12. November 1853 in Bu-
karest) war ein rumänischer Historiker, Jurist, Dichter und
Chronist. Er schrieb Geschichten in Versen und Prosa über
Rumänien von der Zeit von Constantin Hangerli8 (1796)
bis zum Tudor-Aufstand9 von 1821. Den ersten Teil mit
dem Titel „Die Herrschaft von Constantin Vodă Hangerli“
beendete er 1800, in einem „kindlichen Alter“. Weitere
bemerkenswerte Werke von ihm waren eine Verschronik
über „Das Jahr 1848“ und ein allegorisches Gedicht mit
dem Titel „Discernment“.
Sein Credo als Historiker und er brachte es in einem be-
rühmten Gedicht zum Ausdruck, das sogar den Titel „De-
finition des Historikers“ trug:

„Ich bin Historiker, ich habe keinen Bruder,


Ich habe keinen Verwandten, keinen Nachbarn:

8
Constantin Hangerli (auch: Constantin Hangerliu, Hangherli, Hand-
jery; griechisch Κωνσταντίνος Χαγγέρλι; türkisch Konstantin Hangerlı;
† 18. Februar 1799, Bukarest, Fürstentum Walachei, Osmanisches
Reich) war ein Fürst der Walachei, welche damals Teil des Osmani-
schen Reiches war. Er war im Amt von 1797 bis zu seinem Tod. Sein
Bruder Alexander Hangerli war Fürst des Fürstentum Moldau bis
1807.
9
Der vom militärisch erfahrenen Tudor Vladimirescu zunächst im
Bündnis mit griechischen Nationalisten geführte Aufstand gegen die
Osmanen scheiterte zwar, doch die neu entstandene Konstellation
ermöglichte den rumänischen Eliten, sich schneller zu etablieren.
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Meister, ich habe die Wahrheit
Ich muss sie anbeten!“

Seine Chroniken wurden zuerst von B. P. Hasdeu (1884),


dann von Gr. Tocilescu10 (1885 - 1891) und G. T. Ki-
rileanu11 (1942) veröffentlicht. Eine neuere Ausgabe er-
schien 1996 mit einer einleitenden Studie, Notizen, Kom-
mentaren und Verzeichnissen von Marcel Dumitru
Ciucă12, dem zugeschrieben wird, dass er durch seine For-
schungen ein neues Licht auf die Persönlichkeit von Zelot
Românul geworfen hat.

10
Grigore George Tocilescu (geb. 26. Oktober 1850, Fefelei, Prahova
– gest. 18. September 1909, Bukarest) war ein rumänischer Histori-
ker, Archäologe, Epigraphiker und Volkskundler, ordentliches Mit-
glied der Rumänischen Akademie (1890).
11
Gheorghe Teodorescu Kirileanu (geb. 13. März 1872, Holda,
Broșteni com., Kreis Neamț, heute Kreis Suceava – gest. 13. Novem-
ber 1960, Piatra-Neamț) war ein rumänischer Gelehrter, Publizist,
Bibliophiler, Volkskundler, Literaturhistoriker und Verleger, Ehren-
mitglied (seit 1948) der Rumänischen Akademie.
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Marcel-Dumitru Ciucă (geb. 3. August 1943) ist ein rumänischer
Historiker, Schriftsteller und Paläograph, ehemaliger Professor und
Direktor an der Universität Bukarest, ein Spezialist für die Bewah-
rung, Organisation und Untersuchung von Archiven als damaliger Di-
rektor des Nationalarchivs in Bukarest 1990-2010.
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Antigriechische Texte

Armer rumänischer Adler, der Fuchs hat ihn getäuscht


Sein Heim soll er zerstören und ewig sei er enttäuscht!
Allen Tieren und den Löwen, hat er alles weggenommen,
Und dem schmeichelten Füchse ist er entkommen,
Er hört auf ihren schlauen Rat, sich die Flügel zu stutzen,
Siehe wie jetzt, durchs Spiel ist er nicht mehr zu nützen!
Armer Adler, tats mit dem Fuchs ganz viel Gutes,
Sorgtest für ihn, mehr als für dich Freimutes.
Doch er war schlau in alle Zeitalten – müsste erwarten
Denn seine Mühen rechtmäßige Belohnung erhalten
Und sein Lohn wird sein, da er kein Scheinbild hat,
Ohne Schwanz und Ohren, ohne Nest und ohne Rat,
Und nur mit Krallen, Augen, das ist alles, was übrigbleibt
Aus ihm, nur Matsch ausgräbt, tröstet sich wohlbeleibt.

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Dem Unzufriedenen

Dem Unzufriedenen nimm man das Geschenk,


Warte auch du darauf, Grieche, und denk.
Den Rumänen hast nicht gedankt, was er dir gab,
Er fütterte dich wie ein blindes Huhn, bis ins Grab.

Und hast den Mut auch seine Erde stehlen


Und auch sein Leben nahms du voller wehen,
Aber während du es tust, sage ich mir wieder:
Die Güte der Rumänen schreit zum Himmel!

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Mit den Sätzen meines Namens am Rande

Ich weiß, dass einige Leser fragen werden


Über den Dichter dieser meinen Versen
Ich bin doch hier, man kann mich finden
Niemanden sonst zu fragen den Ostwinden.

Bewege sich, nicht in gewisser Weise,


Denn ich bin hier und rede allen weise.
Nur soviel möchte ich, gutmütig
Euch bitten seid mit mir demütig,

Nicht mit zerstreuten Gedanken


Denn meine Sinne euch bedanken.

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GHEORGHE ASACHI
1788-1869

Gheorghe Asachi (geb. 1./12. März 1788, Herța, Molda-


wien – gest. 12./24. November 1869, Iaşi, Rumänien) war
ein rumänischer Dichter, Prosaautor und Dramatiker, der
in Herța im Norden Moldawiens (heute) geboren wurde
in der Ukraine).
Als Vorläufer der Paşoptisten-Generation13 war Gheorghe
Asachi einer der Begründer der historischen Kurzge-
schichte in Rumänien, er leitete zahlreiche Literaturzeit-
schriften, er erholte sich aus Lemberg in Polen, wo er in
seiner Jugend das Manuskript von Țiganiadea, dem Co-
mic, studiert hatte Epos von Ion Budai-Deleanu.
Im Jahr 1830 war er Ehrwürdiger einer Loge in Iași und
beteiligte sich 1866 an den Arbeiten der Loge Steaua
României14, ebenfalls in Iaşi. Er wurde in Mailand, Italien,
in die Freimaurerei eingeweiht.
Er war eine komplexe Persönlichkeit, Führer und Anima-
tor des künstlerischen und kulturellen Lebens, Organisa-
tor nationaler Schulen in Moldawien, einer der Pioniere
der rumänischen Malerei und Initiator der künstlerischen
Ausbildung an moldauischen Schulen.

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Pașoptismus (Achtundvierzig) war die Ideologie der Teilnehmer
der Rumänischen Revolution von 1848, die in der Literaturzeitschrift
Dacia enthüllt wurde. Wichtige Elemente waren der nationale, mili-
tante Charakter, wobei das Ziel der Revolutionäre die Erlangung der
Freiheit und die Bekräftigung der rumänischen Nationalität war.
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Steaua României Der nationale Orden „Stern Rumäniens“ ist die
höchste Auszeichnung des rumänischen Staates.
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In Einigkeit da liegt die Stärke

Es ist nicht umsonst in Gold geschrieben


Dass in Latein der Satz ist geblieben:
Crescun parvae res concordia
(Einigkeit wächst durch kleine Dinge);
Ohne Einigkeit gibs keine Saat
In Familie, auch nicht im Staat,
Wie Tausende von Beispielen
Die uns genug gezeigt haben.
Ein sehr alter Elternteil,
Jetzt dem Tod am Gottesseil,
Wollte seine Söhne vereinen,
Sie sagte: „Lasst uns gehen, ihr Söhne,
Versucht ob ihr ohne argwöhne
Von dem Jüngsten der erscheint
Alle sollt ihr mit ihm vereint,
Und dann sage ich euch, gibt acht,
Was ihr gut und was schlecht macht.
Sie nahmen einen der Söhne,
Doch sie sahen, dass sie ohne
Ohne ihm kein Geschick mehr haben
Gibst alleine keine Gaben,
Sagten sie: „Hey, wenn du Samson bist!
Und nicht diese Meinung ist
Alles ist nur eine Lüge.
Sie suchten den kleinen Sohn,
Ohne Zorn und ohne Hohn.
Mit all ihr verschwendet Zeit,

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In Verbindung sich vereint
Kein einziger Stab gebrochen.“
Da sagt ihr der Vater ihnen:
„Weiche Arme sehe ich hier;
Schwach seid ihr alleine vier
In einem solchen Einzel Fall!
Aber dieser rühm euch all
Gibt euch nicht gerechten Söhne,
Und der Alte bebte ohne
Ihre böse Bahn zu lösen
Und dann brach mit laut getosten,
Und er sprach: „Lass euch sagen
Ohne Einheit nur noch klagen.
Also auch ihr, meine Söhne,
Ohne Einigkeit keine Löhne,
Gegenseitig sollt euch helfen!
So lange ihr Alter lebte
Er zur Einigkeit strebte
Diesen Rat gab er zum Gute,
Ihnen gar in letzter Minute,
Welch‘ des Lebensfaden reißt
Und mit Herz im Munde Beißt
Seine Söhne fanden dann
Viel Lebensgewinn daran,
Und starke Interessen haben
Und mit zärtlich Harmonie
Hatten soviel wie nie
Einigkeit im Blut vereint,
Sahen alles Gutgemeint.

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Die Welt

Die Welt ist eine Schmiede,


In ihr ist das Schicksal der Schöpfer,
Sie weiß, wie man erlebt die Liebe
In weichem und brillantem Opfer
Man lutscht nur Honig und viel Macht,
Ein anderer nagt nur an Knochen,
Geduldig, obwohl ohne Kraft,
Klopf, er ein Wirbelhammersoffen.

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Neujahrsmeditation

Mit der Schnelligkeit der Blitze,


Wie ein Traum oder vergehen die Jahre
Mit Sorgen und mit Freude,
Die Minute mich betäube,
die nicht untergegangen ist
Hält die Tugend ohne Frist.
Deshalb, Gott, hilf mir, dies Feld
Zu bestellen wie ein Held,
Wo statt Dornen wachsen soll,
Feld mit Korn, mit Ernten voll
Um zu sagen, dass im Leben
Auch ein Korn gesät habe!

36
Neujahr 1842

Auch kein Reichtum, Rang und Name


Hielt die Menschen nicht vom Grabe;
Warum Gott mich hielt in Welt,
Unter himmelshohes Zelt?
Jeder Mann hatte hier ein Feld;
Arbeitet, wird ein Jahr ihm da Geschenkt,
Um mit Korn beladen können,
Soll er sich die die Güte gönnen.
Sei du Fremder was du willst,
So lange am Leben bist!
Hoffnung und die Angst mir werden
Schutzschild, Tugend für die Erben!

37
Sokrates Wort

Als Sokrates sein Haus baute,


Kritisierten ihn die Nachbarn:
Einer sagte es ist Flaute,
Anderer, sei schlecht geteilt
Un ein dritter gar nicht schaute...
Für ein Mann in seiner Klasse,
Hat er dort gar nicht verweilt;
Und alle wie einer allein
Sagten, dass das Haus sei klein.
Doch Sokrates sagte ihnen:
„Wenn nur die Fee Athene,
Von Freunden mit tiefem Glauben
Möge mein Haus gar voll sein!
Auch in diesem Fall ganz weise:
Für Freunde sein zu groß,
Denn er lebt in kleine Kreise
Und die stellen ihn nicht bloß
Denn ein guter Freund der ist,
Gar ein seltenes Gebilde
Und auf Erden einer ist
Den auf dieser Welt man finde!

38
Daphné

Des Flusses lauf besiegend,


Verspüre keine Sehnsucht zum Meer eilen,
Es gibt keine Ebene, noch keinen Bordsteinen,
Obwohl die alle sind gar bestimmt sind stolz.
Alle Blumen wachsen auf wunderbarem Holz
In seinem Abschied bündeln
Trauer mit einem süßen Murmeln,
Dort angekommen, sich darin verliert.
Ich sehe in zwei Sterne wie sich das Licht verirrt
Sogar Wunder, die hinausgehen herbei,
Seh‘ ich Feen betrachtend ihn nur so nebenbei.
Zu Daphné fliegen leidenschaftlich die Gedanken,
Und als sich bei ihr bedanken!

39
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ANTON PANN
1794/1798-1854

Anton Pann (* zwischen 1794 und 1798 in Sliwen, Rumä-


lien, Osmanisches Reich; † 2. November 1854 in Bukarest;
geboren als bulgarisch Антон Панов Петров Anton Pa-
now oder bulgarisch, Anton Pantelemonowitsch Petrow,
auch Antonie Pantoleon-Petroveanu, Anton Pantoleon
oder Anton Petrovici) war ein rumänischsprachiger Lyri-
ker, Komponist, Musikwissenschaftler, Lehrer, Drucker,
Herausgeber und Übersetzer. Pann war zudem ein ein-
flussreicher Folklorist, Parömiograph, Lexikograph und
Lehrbuchautor.
Im März 1847 verfasste Anton Pann einen Bericht über
den Großen Brand von Bukarest. Bei letzterer Katastro-
phe wurde seine Druckerei schwer beschädigt, er konnte
nur die Druckmaschinen retten. 1848 veröffentlichte er
ein rumänisch-russisch-osmanisches Wörterbuch. Wäh-
rend der Rumänischen Revolution 1848 stellte er sich auf
die Seite der liberalen Revolutionäre und unterstützte die
Rumänische Provisorische Regierung. Zu dieser Zeit un-
terstützte Pann seinen in Kronstadt ansässigen bulgari-
schen Schulkollegen Petar Beron15, das Lehrbuch Die
Fischfibel zu veröffentlichen. 1827–1828 war Pann Lehrer

15
Petar Beron (bulgarisch Петър Берон, geboren als Petar Chadschi
Berowitsch bulgarisch Петър Хаджи Берович; * um 1800 in Kotel,
damals Osmanisches Reich, heute Bulgarien; † 21. März 1871 in
Craiova, Fürstentum Rumänien) war ein bulgarischer Wissenschaft-
ler, Publizist und Arzt. Bekannt ist er als der „bulgarische Leibniz“.
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am orthodoxen Seminar von Râmnicu Vâlcea. Pann nahm
seine Aktivitäten erst 1849 wieder auf, als er seine Dru-
ckerei in das Haus seiner Ehefrau Catinca verlegte. Im sel-
ben Jahr verfasste er die erste Version seines epischen
Testaments Adiata. In seinen letzten Lebensjahren ver-
fasste Anton Pann eine Reihe von Erzählungen um die Fi-
gur des Hodscha Nasreddin und publizierte weitere Lie-
dersammlungen. 1850 veröffentlichte er Spitalul
amorului, ein Buch mit rumänischen Liebesliedern in by-
zantinischer Notenschrift. Pann starb am 2. November
1854 bei der Rückkehr von einer Reise durch Oltenien, in-
folge einer Fleckfieberinfektion. Er wurde in der Kirche
Lucaci - Sfântul Stelian16 beigesetzt.

16
Die Kirche St. Stelian - Lucaci, in der die Reliquien des Heiligen
Stelian aufbewahrt werden, befindet sich in der Nähe des National-
kollegs „Matei Basarab“ in Bukarest. Im Jahr 1736 errichtete Metro-
polit Stefan des Rumänischen Landes am damaligen Stadtrand von
Bukarest eine dem Heiligen Hierarchen Nicolae geweihte Wandkir-
che.
42
Der Reisende und die Eiche

Ein ermüdender Reisender.


Kommt zu einer Eiche, er,
Unter seinem Schatten saß,
Ruhte sich aus und aß.

Hier sah er eine Melone


Und aß sie unter der Baumkrone,
Beim Gehen nahm man.
Hebend die Augen hoch,

Sagte sich selbst nur noch:


„Was für unangemessene Sache
Gott mit allen dinge mache!
Das ein Baum gar keine Fragen

Möge kleine Früchte tragen,


Und an einem kleinen Ast,
Wachsen groß und dicke Frucht!“
Während diese seine Gedanken

Schaute mit erhobenen Augen,


Eine Eichel löste sich ohne zu klagen
Und Tomas Nase hat geschlagen.
Dann putzte er sich die Nase

43
Und sagte noch in Gedanken:
„Wie unduldsam bin, ohne acht!
Gott hat es doch gut gemacht.
Doch es wären kleinen Früchte

Gab es keine Melone, wie ich schon sagte,


Wen sie mich auf den Kopf gefallen,
Wäre auf der Stelle eingeschlafen.
Und wenn es einen Kürbis währ

Gebe keine Medizin mehr.“


Denkt man in einer weise
Doch der Gang hat andre Gleise.

44
Über die Sprache

Großer biss sollst du Schlucken


Und das große Wort nicht sprechen.
Obwohl
Den großen biss
Schluckt man mit Gefahr des Erstickens.
Weil
Die Ausdrücke der Großen sind wie süße Feigen,
Und die Ausdrücke der Kleinen klingen wie die Nüsse.
Sagt ein weiser Mann:
Schweig, oder sagen etwas Besseres als Schweigen!
Und
Wenn du friedlich leben willst, sehe nicht, höre nicht,
Bleib ganz ruhig, schweige.
Außerdem die Sprache hat auch ihre Zeit,
Und sie nicht hinwerfen, wenn du willst.
Wie da türkischen Sprichwort sagt:
Sioileiesem sioz olur, sioilemiesem dert olur,
Das heißt:
Wenn ich etwas sage, werde ich es tun,
wenn ich es nicht sage, werde ich es tun.
Und wie der Rumäne sagt:
Die Zunge der Kuh ist lang,
Doch es erreicht nicht bis zum Schwanz.
Und weiter,
Salz eignet sich gut zum Kochen,
Doch nicht unmäßig über Wochen.
Denn

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Wo viel geredet ist,
Soll es kurz sein und mit Frist.
Immer
Wer lange redet in Benommenheit,
Es ist schlimmer als Trunkenheit.
So einer wie jener
Es setzt am Tisch Suppe ohne zu dürfen
Eins in einem, alles um zu Schlürfen,
So ist es ihm egal das Wagen.
Bis es ihm gelingt zu sagen:
Warte, dein Maul nicht fülle,
Warte in die Schlange wie bei der Mühle.
Du bist nicht hier an der Mühle,
Soll er mahlen wann er will.
Mann voller Gerede voll
Niemand gibt es ihm zuhören
Und er sagt, du quatscht zu viel.
Und
Er ekelt sich vor sich gar selbst,
Umherirrt er weiter Quatscht.
Als ob
Er Hühnerfüße gegessen, doch
Es beschäftigt ihn immer noch.
Deswegen
Der Arme hat nicht Kleider, hat nicht gaben,
Möchte kein Geheimnis in sdem Herzen haben.
Immer
Die verwehrten Worte die von Münden sind gejagt
Auf dem Markt und in der Mühle werden stets gesagt.

46
ION HELIADE RĂDULESCU
1802-1872

Ion Heliade-Rădulescu (* 6. Januar 1802 in Târgoviște; †


27. April 1872 in Bukarest) war ein rumänischer Schrift-
steller, Philosoph, Linguist, Übersetzer und Politiker, au-
ßerdem Mitbegründer und erster Präsident der Rumäni-
schen Akademie (Academia Română). Der Sohn des rei-
chen Grundbesitzers Ilie Rădulescu und seiner Gattin
Eufrosina Danielopol wurde früh in Griechisch unterrich-
tet. Nach 1813 wurde Rădulescu ein Schüler des orthodo-
xen Mönchs Naum Ramniceanu, wechselte 1815 an die
griechische Schule „Schitu Măgureanu“ in Bukarest, so-
dann 1818 auf das Kollegium „Sfântul Sava“, wo ihn auch
Gheorghe Lazăr17 unterrichtete. Nach seiner Graduierung
unterrichtete er dort als Aushilfslehrer Arithmetik und
Geometrie. In dieser Zeit nahm er den Nachnamen „Heli-
ade“ anstatt Rădulescu an, der, wie er später erklärte,
eine griechische Version seines Patronyms war, die sich
aus der rumänischen Version von „Ilie“ ergab.
Nachdem 1822 Gheorghe Lazăr schwer erkrankt war und
das Kollegium „Sfântul Sava“ geschlossen wurde, wieder-
eröffnete Heliade dieses und diente als sein wichtigster
Lehrer, zunächst sogar ohne jegliche Form der Vergütung.
Er wurde später in diesem Bemühen von anderen Intel-
lektuellen wie Eufrosin Poteca unterstützt und schließlich

17
Gheorghe Lazăr (* 5. Juni 1779 in Avrig (Freck); † 17. September
1823 ebenda) war ein rumänischer Pädagoge, Schriftsteller und The-
ologe aus Siebenbürgen.
47
eröffnete auch eine Kunst-Klasse. Diese Neugründung
kam als Folge einer Verordnung des neu eingesetzten
Fürsten Grigore IV. Ghica18, der die Unterrichtung auch in
rumänischer Sprache billigte.1828 veröffentlichte Heliade
in Hermannstadt die „Gramatica Românească“, wobei
sich der Autor als Reformer der Sprache erwies. So unter-
stützte er die Vereinfachung des kyrillischen Alphabets,
die phonetische Rechtschreibung und das Entlehnen von
Neologismen aus dem Lateinischen und anderen romani-
schen Sprachen. Heliade war zusammen mit Costache A-
ristia und Ion Câmpineanu Mitbegründer des National-
theaters von Bukarest, das am 31. Dezember 1852 seine
Pforten öffnete. Ein Jahr nach der Gründung der Rumäni-
schen Akademie unter dem Namen „Societatea Acade-
mică Romînă19“ wurde er 1867 zu deren ersten Präsiden-
ten gewählt und bekleidete dieses Amt bis zu seinem Tod
1872.

18
Grigore IV Ghica oder Grigore Dimitrie Ghica (geb. 30. Juni 1755,
Walachei – gest. 29. April 1834, Walachei) war Herrscher der
Walachei (30. Juni 1822 – 10. Mai 1828).
19
Societatea Academică Română, Die Rumänische Akademische Ge-
sellschaft ist das höchste Forum für Wissenschaft und Kultur in Ru-
mänien. Sie wurde am 1. April 1866 unter dem Namen Rumänische
Literaturgesellschaft gegründet, die am 1. August 1867 zur Rumäni-
schen Akademischen Gesellschaft und 1879 zur Rumänischen Akade-
mie wurde.
48
Die Stunden zählen

Zwölf! Leb wohl, oh Jahr! und du bist vorbei!


Kommst nicht mehr, wie der Schatten, den ich beweine!
Lebewohl! In deiner Hoffnung bin ich noch frei.
Viele vornehmliche Erinnerungen sammle ich meine.

Ich weinte, Frieden fand, ich freute mich, ich stöhnte,


Hass, Liebe in dir, Freundschaft und Feindschaft...
Ah! meinen Engel verlor, wie dich und mich versöhnte!
Du brachtest mir, soviel wie Jahr‘ mir nicht gebracht.

Jetzt gehst! Lebewohl! Du hast mit dir getragen


Die Last, die mich dahintreibt, wohin du gehst.
Ah! Wie viele Reihen ziehen auf meiner Stirn!!!

Meine Taten sind in dir als Wahrzeichen geblieben,


Behütest sie, in deiner Brust sind kein Gespenst.
Gut sind sie oder mehr Schlecht in meinem Hirn?!

49
Das Morgenlied

Das Morgenlied
Von unschuldigen Lippen
Wem sonst ist es zu verdanken,
Mächtiger Vater,
Als es dir zu geben?

Du bist Herr über alles,


Du bist der allgeliebte Vater;
Deine mächtige Stärke
Hält das ganze Wesen,
Er hält uns auch.

Im Herzen aller Menschen


Du Redlichkeit gepflanztes,
Die Einheit und Vertrautheit,
Du al liebtes Gewissen,
Was gut hast uns gegeben.

Auf diese heilig‘ Gärten


Sättigender Regen
Voll Wahrheit und voll Frieden,
Soll Wachsen, Früchte tragen,
Sollen wir freudestrahlen.

Gebieter aller Welten,


Verherrlicht hast die Menschen,

50
Heilige Gesetze gabst ihnen
Die halten diese Samen;
Verherrliche auch uns!

Und diese zu ehrlichen Gesetze


Jedes Volk tritt sie mit Füssen,
Oder die, die sie nicht kennen,
Es fällt, Ruinen bleiben,
Es bleibt gar unbekannt.

Aus Herrlichkeit der Ahnen


Wenn wir gefallen sind, richtet er uns auf;
Wenn wir die Einigkeit vergessen
Die uns verstärkt in allem,
Vereinige uns jetzt.

Zu wissen, dass wir Gesetztreu sind,


Zu wissen was, und wer wir sind,
Und so man nicht vergesse
Eine verehrte Menschheit
Das was wir waren und was wir werden sein.

Wir alle, Dir alleine


Wir singen neue Lieder;
In Flamme unser Bund
Wir wenden uns an Dir;
Bitte begleite uns.

51
Erleuchtet unser Ingenium
Um Dich besser zu kennen,
Zu wissen, dass du bist unser Vater,
Lass uns Dich besser singen
Und so lass uns versöhnen.

52
Grabmäler

Wenn untergeht die Sonne, leuchtet der Abendstern


Und heiligt an dem Platze des Abends heller Stern.
Am Festtag die Sonne strahlte alleinst.
Den Ruhm meines Vaters emporloderte einst.
Des Tagesherr der leuchte des nächtlich‘ Horizont
Mit Abendsternen blickte ich meine Mutter an.
Doch jetzt die Nacht entrückte in Busen ganz profan.

II

Am Morgen meines Lebens die Wolke voller Trauer


Setzte sich auf die Wiege, und regnete Andauer;
Ein geseihter Purpur die war anstatt der Windel,
Als Essen, bittere Milch aus Brüsten einer Spindel.
Die Hoffnung meiner Mutter lächelte in mir drin -
Hier liegt allein die Hoffnung, und sie erlischt darin.

III

Barmherzigkeit vom Himmel, wenn Sterbliche er sieht,


Sein warmes Herz erleichtert an einen andern zieht
Und Gutes ihm zu tun, opfert er sich selbst alleine.
Hier das Erbarmen umarmt dich Krank die Eine,

53
Tretet ihr ein und träumet die Hoffnung unsern Herrn.
Durch Tränen voller Reue, die die Seele unterm Stern,
Euer gebrechlich‘ Körper wird bald gestärkt von Bimmel;
Den Arzt ist Seine Gnade, die kommt oben vom Himmel.

54
VASILE CÂRLOVA
1809-1831

Vasile Cârlova (geb. 4. Februar 1809, Buzău (Târgoviște


nach anderen Autoren – gest. 18. September 1831,
Craiova) war ein rumänischer Dichter und Offizier, der
nur fünf Gedichte schrieb, aber in George Călinescu20
Geschichte der rumänischen Literatur aufgenommen
und eingeführt wurde Rumänische Literatur war das be-
rühmte Thema der europäischen Vorromantik. Nach
dem frühen Tod seiner Eltern wuchs er bei der Schwes-
ter seiner Mutter, verheiratet mit dem Adligen Nicolae
Hiotu, in Craiova auf. Sein Lehrgefährte war der spätere
Dichter Grigore Alexandrescu; er lernte Griechisch und
die französische Sprache. Nach Versuchen, auf Grie-
chisch zu versen, wird er auf Drängen von Ion Voinescu
II. Gedichte auf Rumänisch schreiben.
Er debütierte mit einer Übersetzung nach Musaios‘ Hero
und Leandru und Voltaires Gedicht Zaïre. Er schrieb „Der
traurige Hirte“, ein Gedicht, das am 8. Mai 1830 in Cu-
rierul Românesc unter der Leitung von I. Heliade Rădule-
scu veröffentlicht wurde. Das Gedicht wurde am 8. Mai
1850 von Anton Pann vertont. Er schreibt „Ruinurile

20
George Călinescu (* 19. Juni 1899 in Bukarest – † 12. März 1965 in
Otopeni) war nach Ansicht einiger Kritiker ein Kritiker, Literaturhisto-
riker, Schriftsteller, Publizist, rumänischer Akademiker und eine en-
zyklopädische Persönlichkeit der rumänischen Kultur und Literatur,
klassizistisch, anderen zufolge nur italienisierend oder humanistisch.
Er gilt neben Titu Maiorescu und Eugen Lovinescu als einer der be-
deutendsten rumänischen Literaturkritiker aller Zeiten.
55
Târgoviștei“, gedruckt am 20. März 1830, in derselben
Zeitung, mit einer Darstellung von Heliade Rădulescu,
der ihm eine glänzende literarische Zukunft versprach:
„Sein poetisches Genie verspricht viel für die rumänische
Sprache, die so schön ist.“ unter seinem „. 30. Mai 1830
– Die Ieșean-Zeitschrift Albina Românească reproduziert
das Gedicht „Ruinurile Târgoviștei“. Schreibt das Gedicht
„Inserarea“, veröffentlicht in Curierul Românesc, 29.
Juni. 1830 – Die Nationalmiliz, der Kern der modernen
rumänischen Armee, wird gegründet. 6. Juli 1830 – Er ist
der dreiunddreißigste Freiwillige der Nationalmiliz, wo er
im Rang eines Leutnants dienen wird. 1831 – Er schreibt
„Marsch der Rumänen“ oder „Ode an die rumänische Ar-
mee anlässlich des Hissens der Nationalflagge“, Verse,
die auf Flugblättern gedruckt zirkulierten (die Zensur er-
laubte, dass sie erst 1839 posthum gedruckt werden
konnten). rumänischer Curierul).
18. September 1831 – Vasile Cârlova starb in Craiova an
den Folgen einer Infektionskrankheit. Er wurde im In-
nenhof der Madonna Dudu-Kirche21 beigesetzt.

21
Biserica Madona Dudu, Die Kirche Madonna Dudu ist ein histori-
sches Denkmal auf dem Gebiet der Gemeinde Craiova. Die erste ur-
kundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1758, als an der Stelle
der alten Holzkirche aus dem Jahr 1700 eine weitere größere Kirche
errichtet wurde (zwischen 1750 und 1756).
56
Abenddämmerung

Während das Licht der Sonne kaum sehen ist


Auf einem Berg, auf einer Wolke Stirn,
Und der kühlere Zephyr zu ächzen beginnt
Auf der Ebenen scheint noch ein Gestirn;

Bei diesem schönen Wetter im traurigen Tal,


Beim Lärm mehrere Sänger lebe ich,
Am höchsten Berggipfel sitze ich in Sakral,
Der Einsamkeit halte ich die Hand für dich.

Ich drehe meinen Blick zurück, nach vorne


Nach rechts, nach links, nach oben, und nach unten,
Und überall seh‘ ich nur Dorne
Und Herzblut finde ich die Kunterbunten.

Wenn mir ein Flachland voller Gras sich zeigt,


Darauf ermüdet Augenblicke laufen,
Und alle Blumen gesprenkelt sind in Zeit
Mit fortschreitender Nacht sich raufen,

Wenn Dichterhain mit zu großer Stirn


Es krönt das Feld, sieht schöner aus
Und unaufhörlich strömt Süße aus ihrem Hirn,
Es kommt ein kühlerer Wind von Ebenen Hinaus.

Auf der einen Seite windet sich ein Bach,


Wie eine Leinwand sieht es unten weiß

57
Und es scheint mir, als ob es flattert wach,
Auf Steinen sich bewegt die Flut ganz heiß.

Mit welcher Freude hört man aus der Ferne


Die Stimme einer Hirtin, die Pfeife eines Hirten,
Was sich zur Seite wendet gar zu gerne
Und lässt den Wachhund mit dem Winde flirten.

Doch hier, ganz nah, ein Murmeln ist zu hören;


Könnte es ein Fluss sein, der hier heimlich fließt?
Wenn der Hirte an ihm vorbeigeht, ohne ihn zu stören,
Ein Augenblick das Rauschen sich verschließt.

Und dort die Philomele, voller Kummer,


Im Schilf Verborgen singt mit ihrer schönen Stimme
Die durch das Echo geht, erzählt in Schlummer
Den Anderen, was auf dem Berge glimme.

Von den Seiten der Windgott hört gern‘ zu


Und wandelt in den Blättern er wie ein Schatten;
Er betet nur manchmal und bittet ab und zu,
Dass das Lied soll nimmermehr ermatten.

Auf jene Einsamkeit, die das Auge hoch betrachtet


Wenn die Sonnenstrahlen die Natur beherrschen,
Sobald der Schatten in die Nacht das Licht entmachtet
Die Sternhaufen fangen an zu leuchten.

58
Langsam der Mond, der ewig Licher Herrscher,
Erhebet sich weiß am Horizont,
Und voller Freude, als der große Wächter
Setzt sich meist durch, indem er sich bedankt.

Jetzt kommt der Schlaf ganz leicht zur Ruhe


In seinem Schoß hält Sterbliche;
Der gnädige Geist oben befiehlt der Friede:
Möge ewig sein in Gnade alle Erdstriche.

Mit vieler Starrheit geht er voller dröhnen;


Um ihm herum kehrt Regenguss zurück,
Die Erde scheint im süßen Schlaf zu stöhnen
Der Himmel fällt über des Waldesstück.

Doch diese armselige, trostlose Seele,


Ruhe, Zufriedenheit, kann nicht mehr finden;
Wo auch endlos die Freude stecken bleibt in Kehle,
Und deshalb will an seinem Ort sich binden.

Er weiß nicht was er sucht, es fehlt etwas, ganz still


Das Wesen, das ihn glücklich machen kann gar sehr,
Und ist nicht in der Lage zu finden, was er will,
Im Nebel seines Kummers verirrte sich er noch mehr;

Genau eines Bootes verloren auf dem Meer


Gepeitscht von Stürmen kann er kein Ufer finden;
Auch Hoffnung hat er keine es finden, nimmermehr,
Die Wellen peitschen arg, die Zeit vergeht im Winden…

59
Der Marsch

Meine Kriegerkinder, Hört eure Mutter an,


Die Zeit er Waffen ist gekommen und dann
Alle schreien mit einer Stimme,
Zum Glück des Mutters glimme
Wir sollen laufen Brüder zum Wohl des Volkes Bann.

Der Himmel öffnet euch die Pforten,


Um ohne Unterlass der Herrlichkeit entgegen gehen.
Wacht auf ihr Kinder, denkt daran
Das Europa spürt euch dann,
Wenn euren Weg ihr eingeschlagen!

Des Heimatslandes Macht erklinge,


Ich rufe euch: „Euer Mut gelinge“
Alles gibt für euren Sieg,
Für den Kampf und den Aufstieg
Helft alle mit, den Frieden bringe.

Jene Waffe war verrostet und im Grab versteckt


Komm wieder aus dem Boden hoch gar unbefleckt.
Lass die Jugend sie bekrönen
Un die Hymne laut ertönen;
Schwöret drauf erweckt!

Habt ihr euch im Überfluss gedemütigt lassen,


Müdigkeit und Faulheit im Tiefschlaf euch erfassen?

60
Dies gnadenlose Schicksal hat euch nicht erschallt
In Ohren und Gemühte gegen diese Gewalt,
Aus der ihr endlich frei seid und wollt sie nicht verlassen.

Erlebt den Glanz der Nähe, die Siege ohne Zahl


Und auf der Stirn eines jeden leuchte ihr Strahl.
Also hinaus ihr, Brüder, zum Waffenrausch voraus
Im Gegenzug zum Siegen läuft auf dem Feld hinaus,
Der Rabe auferstand wartet auf einem Pfahl.

Er ruft euch und verkündet, damit ihr alle wissen,


Dass ihr euch Nation nennt die Flagge sollt ihr hissen.
Also mit ihr verteidigt unser Landstrich
Un kämpft so heiß wie möglich
Das Lob sollt ihr nicht missen.

Auf diesem weihen Weg stellt euch allen Nöten.


Möge der Siegeszug euch überallhin folgen,
Und schreiet wie eine Stimme:
„Ruhm, Vereinigung, Liebe,
Für immer bei uns Bliebe!"

Bevor deine Feinde ihre Köpfe beugen,


Um ihre Ohnmacht zu erkennen, zu entgehen;
Aber dann eure gnädige Hand
Sei freundlicher zu ihnen Band,
Gib ihnen auch die Hilfe zu verstehen.

61
Die Tapferkeit und die Geduld habt ihr in euren Kern,
Das Blut der Ahnen fließt noch immer durch die Adern,
Was wird in der Zeit gezeigt
Wird niemals stillgeschweigt,
Wie eines Gottes Stern.

In der rumänischen Ebene herrscht eine große Stille,


Bis die Waffen zeigen nicht wieder ihr Wille,
Auf dessen Pfad sich teilen
Der Friede sich beeilen,
Man höre nur noch das zirpen einer Grille?

Freudentränen, fließen, fließen stets in eure Brüste!


In alle Ewigkeiten euch die Waffen nicht entrüste!
Die Waffen glänzen,
Die Rühme Tänzen,
Die Raben fliehen in die Wüsste!

62
GRIGORE ALEXANDRESCU
1810-1885

Grigore Alexandrescu (* 22. Februar 1810 in Târgoviște; †


25. November 1885 in Bukarest) war ein rumänischer
Schriftsteller, Dichter und Übersetzer, der für seine Fa-
beln mit politischem Hintergrund besonders bekannt
wurde. Grigore Alexandrescu wurde als viertes Kind eines
Kassenmeisters in einem Vorort von Târgoviște geboren.
Da er von klein auf durch besondere Intelligenz und ein
außergewöhnliches Gedächtnis hervorstach, wurde er ge-
fördert, lernte auch Griechisch und Französisch, wurde
aber schon als Kind Vollwaise. Im Jahre 1827 zog er nach
Bukarest und blieb eine Weile in der Obhut eines Onkels,
der ihm an der in jenen Tagen sehr prestigeträchtigen
„Schule Vaillant“, die dem Kollegium „Sfântul Sava22“ in
Bukarest angegliedert war, die Weiterbildung ermög-
lichte. Er verblüffte viele durch sein poetisches Talent.
Alexandrescu war in der Schule ein Kamerad des späteren
Mathematikers und Politikers Ion Ghica und des Mitbe-
gründers der Rumänischen Akademie (Academia
Română) Ion Heliade-Rădulescu. Bei letzterem, der 1832

22
Colegiul Național „Sfântul Sava”, Das „Heiliger Sava“ National Col-
lege (CNSS) ist eine voruniversitäre Bildungseinrichtung in Bukarest,
Rumänien. Es ist der direkte Nachkomme des Sankt-Sava-Kollegs,
das 1864 vom Herrscher Alexandru Ioan Cuza in die Universität Bu-
karest und das heutige Kolleg aufgeteilt wurde. Von 1948 bis 1990
hieß die Hochschule „Nicolae-Bălcescu-Gymnasium“, nach dem
paşoptistischen (Achtundvierziger) Revolutionär, einem ehemaligen
Schüler dieses Gymnasiums.
63
seinen ersten Gedicht- und Elogen Band, darin enthalten
„Miezul nopții“ (Mitternacht) sowie die Elegie „Adio. La
Târgoviște“ im Curierul Românesc veröffentlichen sollte,
durfte er für längere Zeit wohnen.
Grigore Alexandrescu schlug danach die Offizierslaufbahn
ein, verließ die Armee jedoch schon 1837. Wegen seiner
Schriften „Anul 1840“ und „Lebăda și puii corbului“ wurde
er sogar verhaftet und eingesperrt. Im Jahr 1848 arbeitete
er als Redakteur der Zeitung Poporul suveran. Im gleichen
Jahr trat er einer Freimaurerloge in Bukarest bei.
Doch schon im Alter von 50 Jahren verfiel Alexandrescu
plötzlich immer mehr in geistige Umnachtung, konnte
bald nicht mehr schreiben und veröffentlichen und starb
völlig verarmt. Nach einer Version soll die Krankheit,
nachdem der Dichter eine von einer ehemaligen seiner
zahlreichen Geliebten geschickten vergifteten Konfitüre
gegessen hatte, ausgebrochen sein.
Nach ihm wurden in Rumänien zahlreiche Straßen be-
nannt, nicht nur in der Landeshauptstadt Bukarest und
seiner Geburtsstadt Târgoviște, sondern unter anderem
auch in Arad, Cluj und Timișoara.

64
Das Boot

Ein Boot zieht ruhig, auf der einnickenden Wellen!


Würdigt die kurze Ruhe der Landschaften, gar heilig;
Mein Herz von viel Gedröhne sehr müde ist geworden
Wie ein liebster Begleiter sein Flug vertrauenswürdig.

Trag mich entlang des Ufers, wohin du willst und magst,


Wohin der Wind dich drängt oder wohin du willst;
Wenn du zufrieden mit meinem Anblick wanderst.
Mir alles gleich, wenn du mich friedlich nimmst,

Ihr kennt den weg voll‘ Freude, den Weg ins Ruhereich,
Warum begann das Ende, wieso endete wieder,
Mein Boot gehört immer nur dir – auch euer Königreich
Während sie ihren Inhalt abspielte, ging umher…

Verschlungen von dem Räuber, in deren Kühnheit,


Mit blutigen Gestalten, mit Tod vergiftet euch,
Die planen furchtlos Morde, zu allem sind bereit
Verloren ihre Seelen, verschleppt vom Windgeräusch.

Aber die Melancholie, die Liebe eure Pracht,


Empfangt sie freudig ewig wie immer eure Söhne;
Ich kenne eure Größe, ich preise eure Macht,
Wenn ich auf eure Spuren schreite, mich versöhne.

Von meinem Boot verloren, das ich dem Zufall lasse,


Erstaunt die Augen blicken zur Himmelsblaue;

65
Gelassen wecken Ehrfurcht, Bewunderung und fasse
Gebete in der Stille, vergieß Tränen und vertraue…

„Der Himmel wird uns helfen“, sagte meine Geliebte.


Er schweigt noch! Hätte nicht hören, singen?
Vielleicht die Schönheit, dich traurig sehen Beliebte,
Ihm unaufhörliches Seufzen als Opfer bringen?

Wenn in diesen Stunden Lebensvergnügen waltet


Er würde neben mir sein... du Freude, oh mein Gott!
Das Leben fortdauert nicht nur Tage, sie altert
So viel ich übrig habe, und sage: Ich lebte gar sehr flott…

Geh, geh, du leichtes Boot, direkt zu diesen Sternen,


Wem ich einen Namen gegeben... einen Namen,
Namen das im Feuer meiner Fantasie entstanden
Auf seiner strahlend‘ Stirne sehe es in Flammen.

Dort halt dich auf, acht gib er auf dich,


Wenn es Nacht vergehe, dann nimmt auch dich mit,
Solange ihr Strahl dich unterdrückt und mich;
Und wieder kommen Nächte mit Farben und Grafit.

Bis das so lange erhofftes Glück noch wartet,


Wird mein Zeitalter mit Bitterkeit belohnen;
Wenn auch diese Hoffnung wird getäuscht,
Wird in meinem Herzen trotzdem innewohnen!

66
Der Friedhof

Die Dunkle Höhle, Asyl der Buße,


Wo der Menschenrauch, wie Rauch vergeht,
Wo der Glauben ohne Muse
Stirbt, doch im Himmel lebend Besteht!

Du, der du Zeuge der Zeuge warst der Bitte


Du in deinem Schatten und deiner Kühle flüsterst,
Wenn das Herz heiß wie die Sitte
Es verlangt im Leben und verdüsterst,

Wenn deine Arkaden, nicht beglückt werden können


Von menschlichen Seufzern, von dem Wind,
Ich führe die Seele durch verborgene Orte und Pfaden,
Weit weg von der Erde wie ein Kind,

Siehe die schlimme Angst, in meiner Brust


Die Hässlicher Blicke vergangener Ahnen
Und der Steinaltar, auf dem sie liegen ohne Lust
Verstümmelte Heilige in ihren Bahnen.

Heftige Kälte, die dir das Sehen bestimmt,


Dort herrscht ewige Dunkelheit,
Und die große Stille die in sich aufnimmt
Ich zeige die Schatten des Todes in der Heiligkeit,

Es ist als ob, als wäre tief Verborgen


In einem schrecklichen Geruch vom Blut genährt;

67
Und welcher wie ein Fels gar ohne sorgen,
Zermalmt den Reisenden, die Strafe dann verjährt
Den toten Mönchen.

Oder in jenem Wald, wo vorzeiten,


Wilden Druiden opferten die Verdammten,
Als sie aus Morddurst an heiligen Mächten vorbeigingen
An alten Eichen ahne was zu bringen!

Hier spricht jedoch die Religion


Denjenigen, die Jesus' Worte hören
Der Schreck zergeht und der Mensch in der Situation
Lauscht nützlichen Geschichten.

Der Schlaue enthüllt hier seine Heuchelei;


Dieser Büßer schließt Frieden mit der Wonne;
Die gute Tat träumt von der Zeitlosigkeit
Er wartet unaufhörlich mit der Sonne.

Und der Fromme, der glaubt, und der Mann, der wartet
Ein heiliger Trost begleitet ihn für immer;
Der Friede sei mit ihm; die Belohnung startet
Mit seiner Hoffnungsglimmer.

68
CEZAR BOLLIAC
1813-1881

Cezar Bolliac oder Cesar Bolliac (geb. 23. März 1813, Bu-
karest – gest. 25. Februar 1881, Bukarest) war einer der
Anführer der Revolution von 1848, Protestlyriker, Förde-
rer archäologischer Studien und rumänischer Journalist.
Nach dem Erlernen von Büchern zu Hause bei dem gelehr-
ten Griechischlehrer Neofit Duca, war er Student am Saint
Sava College, bei Ion HHeliade Radulescu; außerdem wird
er ihm helfen, in seinen Zeitungen zu veröffentlichen, wie
er es mit Grigore Alexandrescu getan hatte.
Im Jahr 1830 trat er im Rang eines Junkers in die örtliche
Miliz ein und hatte als Kollegen Constantin Telegescu und
Marin Serghiescu Naționalu, zukünftige Führer der Revo-
lution von 1848.
Seit 1833 ist es Teil der Philharmonischen Gesellschaft,
die von Ioan Câmpineanu, gegründet wurde.
Er gibt zusammen mit Constantin G. Filipescu die Zeit-
schrift Curiosul („Zeitung für Literatur, Industrie, Land-
wirtschaft und Nachrichten“ – Bukarest, 1836) heraus. Al-
lerdings wird die Veröffentlichung nach der vierten Aus-
gabe, in der Bolliac „einige politische Satiren veröffent-
licht, die ihn mehrmals ins Gefängnis werfen“ (I.G. Valen-
tineanu, „Biographie großer Männer, geschrieben von ei-
nem kleinen Mann“, Paris, 1859), endgültig verboten be-
endet seinen Auftritt im Januar 1837. Seine politische Tä-
tigkeit parallel zu seiner literarischen Tätigkeit führte
dazu, dass gegen ihn ermittelt und anlässlich der

69
Verschwörung von 1840 inhaftiert wurde. 1841 wurde er
in die Einsiedelei Poiana Mărului verbannt, von wo aus er
freigelassen wurde im Herbst desselben Jahres. Zwischen
1840 und 1843 war er in der Loge Frația (gegründet 1843)
und ab 1859 in der Loge Steaua Dunării, beide in Bukarest,
aktiv. Im Jahr 1844 veröffentlichte er in Foaie pentru
minte, inimă și literatură den Artikel Către scritorii nîs, in
dem er die rumänischen Literaten zu bürgerschaftlichem
Engagement aufforderte.
Er ist einer der Anführer der Revolution von 1848 und
nimmt an allen wichtigen Aktionen teil.
Nach der Niederlage der Revolutionäre ging er ins Exil, zu-
nächst nach Siebenbürgen. Im Frühjahr 1849 gibt er in
Kronstadt die politische Zeitung Espatriatul heraus, die
den Untertitel „Gerechtigkeit, Brüderlichkeit“ trägt.
Nach 1857 wird das Einreiseverbot aufgehoben; Er kehrt
im Hochsommer 1857 zurück. Im Jahr 1858 unternahm er
eine neue archäologische Reise und war einer der Vorrei-
ter dieser Wissenschaft in Rumänien.
Der Band der Sozial- und Protestlyrik Poezii humanitari-
ana (1866). Im Jahr 1869 unternahm er eine archäologi-
sche Reise, auf der der Dichter ebenfalls begeistert war.
Cezar Bolliac stirbt 1881 in Bukarest.

70
Das Gefolge eines Bettlers

Leute, macht Platz! Ein Reisender der geht vorbei!


Ein Licht vor ihm und ein Priester nach ihm;
Ein trauriger Holzsarg trägt die Armen.
In Lumpen ist gehüllt, der Körper in sich selbst,
Die Tränen oder Trauer bedeuten keinen Gram. -
Ihr großen, beugt euch! Ein Bettler geht vorbei!

Ihr Reichen, macht Platz! Ein Reisender geht vorbei!


Der Bettler, der gestern nicht mal Brot hatte,
Die Glocke läutet, dass er im Hafen ankam:
Sein Schmerz und seine Sorge um morgen hörten auf;
Die Könige sind ebenso wie der tote Bettler.
Bleibt stehen, Zaren, Cäsaren! Ein Bettler vorbei!

Macht Platz ihr Herrscher! Ein Reisender geht vorbei!


Die Asche in die Urne des Nachbarn wird gelegt,
Wo die Begleiter ihre Genossen gesetzt haben,
Und die faulenden Würmer sind von der Gier belegt -
Alle Seelen dort oben sind zu sehen.
Zurück, ihr Reichen! Ein Bettler vorbei!

Ihr Herrscher, Platz! Ein Reisender geht vorbei!


Ziehen euch zurück, neigt eure Köpfe:
Der Schöpfer hört dem toten Bettler zu.
Er verschweigt nichts von dem, was er gelitten hat; -
Schwer antworten, die keine Sorgen tragen!
Tyrannen, machet Platz! Ein Bettler vorbei!

71
Gedankengang

Freunde! Blickt diese große Chinesische Mauer an


Die Tempel, Elefanten, ägyptische Kolosse,
Tiefliegende Pagoden, indische Pagoden,
Die kämpfen mit der Zeit noch wie die Menschheit?

Und sagt, wo ist der Mensch, der sie einst gebaut hat?
Schaut Memphis, Ephesus, schaut auf Babylon,
Die riesigen Städte Indiens und Asiens,
Ihr Alter möchtet aus dem verlorenen Stil kennen?

Sieht! Sidon, Tyras, die die Propheten gaben;


Denkt Sie an ihre Macht der Welt bekannt. -
Sucht die Ruinen! Ah! Sie sind umwandelt
In jenen Elementen, aus denen sie geschaffen wurde!

Wo ist die Ansammlung, die damals groß war?


Und wo ist der Handel? Wo ist ihre Armee?
Wo ist ihr Gesetz? Die zur Macht verholfen?
Die Wissenschaft, der Reichtum, was blühte?

Bestaunt ihr jetzt den Stein aus dem man sie Gebaut!
Weben das Museum mit Ausgrabungen und Inschriften!
Suchen ihr das Alphabet! Macht eigene Grabmäler!
Lacht über ihren Glauben, über ihrem Epos!

Dreitausend Jahre werden vergehen und viele Zwerge


Werden Wüsten bevölkern, die jetzt entvölkert sind.

72
Wie morgen Paris, London auf den zerstörten Steinen,
Und wird jenes Epos auf eine andere Art erzählen.

Wie morgen in diesen Tempeln, Palästen und Burgen,


Orte der Fröhlichkeit, des Prunks und des Stolzes,
Der Arme der vor Freude betrunken wandern wird
Und wo Übermaßen in Ungerechtigkeiten schwelgen,

Biber werden sich versammeln; Affen spielend


Werden in Scherben der Kronleuchter sich winden;
Und Eulen die in einer fernen Ecke kreischten,
Werden durch die Paläste heulende Wölfe treiben...

73
Ein Souvenir

Nein, man vergisst nicht leicht, die Kindheit.


Jemand liebt, so wie ich dich geliebt hab;
Und ich verfluche jenen, die durch die List
Verbitterten mein Leben und meine ganze Liebe.

Mein letzter Zorn und mein erzwungener Stolz,


Wenn du nur wüsstest, welchen Preis ich zahle,
Und wie unterm Gesicht mein Herz gebrochen ist,
Du würdest dich wundern, dass ich noch leben kann.

Ich stöhne dir zu deinen Füßen, dir den Weg zeigen


Um deiner Liebe für immer würdig zu sein!
Ertrinke den Schmerz mir, auch wenn ich weine
In der verborgenen Wunde, an die Würmer nagten.

Und gleich der Bäume, die das Feuer verzehrt


Und saugt langsam und heimlich seinen Saft, -
Wenn seine Wurzel brennt, wenn ihr Blatt vergilbt,
Wenn seine Asche fliegt, das Feuer ihn durchdrang, -

Er steht immer noch stolz, sein Kopf bewegt sich nicht:


Er steht mit breiten Armen vor den Zephyren, Licht;
Er schaut den Wind, der jetzt vorbeizieht,
Man wir ein Knistern und das Brüllen des Feuers hören.

74
Gebrochen das Herz stöhnt

Gebrochen das Herz stöhnt in mir;


In Flammen brennen unaufhörlich Qualen;
Mein ganzes Leben habe ich in dir
Du hast dich doch entfernt in Ritualen.

Bist eine Fee? Bist eine Gottheit?


Oder, wie die Liebe, zum Wärmen nahst
Eine kalte Seele, die nicht mehr schlägt,
In der Nacht des alltäglichen Hasses?

Wenn du mir Nähe bist, pocht meine Brust;


Ich bin erstaunt, wenn du hier bist;
Bei deiner Stimme bin ich gar verzückt;
Du bist mir Fremd und habe große Angst...

Findig, im Schlaf ist dein Gesicht in mir;


Ich schaue auf die Welt und wie Fremder
Ich komme zu mir selbst zurück, ich lebe in dir,
Ich verlasse alles, ganz voll von Emder.

Mein ganzes Wesen folgt dir immer,


Denn ich bin Schatten deines Körpers;
Dein Geist belebt mich wieder,
Weil du die Seele meines Körpers bist.

75
76
ANDREI MUREȘANU
1816-1863

Andrei Mureșanu, auch Mureșianu geschrieben, (* 16.


November 1816 in Bistrița – † 12. Oktober 1863 in Brașov)
war ein rumänischer Dichter und Revolutionär aus Sie-
benbürgen. Er wurde in die Familie eines kleinen grie-
chisch-katholischen Unternehmers hineingeboren, stu-
dierte Philosophie und Theologie in Blaj und arbeitete
dann ab 1838 als Lehrer in Brașov. Er begann, Gedichte in
der Zeitschrift Foaie pentru minte, inima si literatura zu
veröffentlichen. Als Mitglied der Brașov-Delegation bei
der Blaj-Versammlung im Mai 1848 gehörte er zu den An-
führern der Revolution von 1848. Sein Gedicht Un
résunet, geschrieben in Brașov zur anonymen Melodie ei-
ner alten religiösen Hymne (Din sănul maicii mele), ein
Gedicht namens Deșteaptă-te, Rumâne (Wacht auf Ru-
mänen (wurde zu einer Revolutionshymne – von Nicolae
Bălcescu23 als „Marseille der Rumänen“ bezeichnet. Im
Jahr 1990, Wacht auf, Rumänen wurde zur National-
hymne Rumäniens.
Iacob Mureșanu appelliert in der Gazeta Transilvaniei ein-
dringlich an die rumänische Öffentlichkeit, dem armen
und kranken Dichter durch den Kauf seiner Gedichte zu
helfen. Die Firma „Astra“ verleiht Mureșanu einen Preis

23
Nicolae Bălcescu (geb. 29. Juni 1819, Bukarest – gest. 29. Novem-
ber 1852, Palermo) war ein rumänischer Historiker, Schriftsteller und
Revolutionär. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Barbu nahm er
an der Revolution von 1848 teil.
77
von 50 Münzen. Ein Jahr später, in der Nacht vom 11. auf
den 12. Oktober, starb der Dichter in Armut in Brașov,
„nach einer langen Nervenkrankheit“, wie es in dem in
der Gazeta Transilvaniei veröffentlichten Nachruf heißt.
Seine Beerdigung löste bei den Gemeindemitgliedern des
„St. Trinity“ aus Tocile, mit der Begründung, dass ein ver-
einter Gläubiger (Griechisch-Katholik) keinen Platz auf
dem orthodoxen Pfarrfriedhof hätte. Für die Beerdigung
von Andrei Mureșanu auf dem Friedhof der Kirche auf
Tocile intervenierte Metropolit Andrei Șaguna24 selbst
mit der Ermahnung: „Narren, was verlangt ihr, begräbt
ihn und haltet den Mund.“

24
Andrei Șaguna (geb. 20. Dezember 1808/1. Januar 1809, Miskolc,
Österreichisches Kaiserreich – gest. 28. Juni 1873, Sibiu, Österreich-
Ungarn) war ein orthodoxer Metropolit von Siebenbürgen, Förderer
der Rechte der orthodoxen Rumänen in der Großfürstentum Sieben-
bürgen, Gründer des Rumänischen Gymnasiums in Brașov (1851), Eh-
renmitglied der Rumänischen Akademie.
78
Wach auf, Rumäne!
Die Nationalhymne Rumäniens

Wach auf, Rumänen, aus deinem Todesschlaf,


In die dich die Barbaren Tyrannen herabstürzten!
Jetzt oder nie gestalte‘ du dein Schicksal,
Um deine argen Feinde sie anbeten werden!

Jetzt oder nie, der Welt Beweise zu geben


In diesen Händen fließt noch rumänisches Blut,
Und dass wir stolz den Namen in unserer Brust tragen
Sieghaft in Kämpfe, Trajans Name tragen mit Mut!

Hebe deine Stirn und lasse die Hymne hoch zu klingen,


Wie Hunderttausende wie Tannen im Berge stehen;
Sie warten eine Stimme wie Wölfe dann zu springen,
Alte und junge Leute, aus den Bergen und der Ebenen!

Schaut, große Schatten, Michael, Stefan, Corvinus,


Rumänische Heimat, eure Urenkel in Walle,
Mit Waffen in die Hände, mit eurem Feuer kommt es,
„Leben in Freiheit oder der Tod!“ rufen alle.

Euch hat Zerstört die bösen Eroberungen,


Der blinde Bruch in Milcov und der Karpaten Stein!
Doch wir, von der Freiheit bis in das Herz durchdrungen,
Geloben wir, die Hände zu vereinen, um Brüder zu sein!

79
Eine verwitwete Mutter von Michael dem Großen
Fordert heute von ihren Söhnen eine helfende Hand,
Und flucht mit jedem Tränen in den Augen bloßen,
Bei solcher Gefahr würde uns binden in ihrem Band!

Von Blitzen soll verschwinden, von Donner und Feuer,


Wer sich zurückzieht vom anmutsvollen Ort,
Wenn das Vaterland mit zartem Herzen ist euer
Wird uns verlangen, durch Schwert zu gehen und Feuer!

Der Säbel des Halbmonds kam nicht alles zu haben,


Derer tödliche Wunden wir heute noch sie spüren;
Jetzt ist das Feuer in den Brandstätten begraben,
Der Herr ist unser Zeuge, wir stoppen sie in Türen!

Der Despotismus mit seiner Blindheit uns nicht erreicht,


Dessen Joch wie Vieh seit Jahrhunderten wir tragen;
Jetzt wird sein Hochmut vor Gericht gestellt,
Unsere Sprache stehlen, mögen sich noch so plagen!

Rumänen aus vier winkeln des Landes, jetzt oder nie


Vereint euch in Gedanken, vereint euch in Gefühlen!
Ruft in die Welt, dass die Donau gestohlen wurde die
Durch Intrigen und Gewalt, listige Mittel durchwühlen!

Priester, mit einem Kreuz! Denn die Armee ist gläubig,


Ihr Spruch ist Freiheit und ihr heiligster Zweck.
Wir sterben lieber im Kampf, in voller Herrlichkeit,
Als wieder Sklaven in unsrem Land zu sein!

80
Der Verstand

Ich verherrliche dich Wesen die ohne Anfang bist


Für alles, was mein Auge unter der Sonne sieht,
Für alles, was deine rechte Heilig getan hat,
Von Menschen und Tier bis zu jener Blume,
Was nur eine Minute vor sich hinvegetiert!

Aber was tut mich jetzt zu verehren dich?


Es ist der Geist, o Herr, der auf mich scheint,
Wie der Abendstern in der dunklen Nacht,
Und im Getöse der Welt begleitet mich sanft,
Seitdem ich das Licht blicke und bis ich werde sterben!

Sie leitet meine Schritte, um mich zu schützen kann


Von Löwen und Tigern, die Blut rotes vergießen,
Von Feuer und von Wasser die mich zerstören kann?
Sie klärt mich auf, um wissen, was zu tun ist
Mit Feindliche Fallen, wo sie auch immer sein.

Sie, ferner Nebel aus meinem Augen Pott,


Um meinen Glauben nicht umsonst zu verwechseln
Mit dem richtigen Glauben, an meinem Gott
Der es vorschlug ohne Wenn und Aber
Wie bei leiblichen Brüdern, sein eigener Sohn.

Jahrhunderten hat die Menschheit gebetet


Zur Sonne und zum Mond, zu den pompösen Sternen,

81
Bis der göttliche Lehrer kommt
Der durch den unvergänglichen Tod auch büßte
Er pflanzte den christlichen Geist in die Welt.

Vergeblich versuchen der Nächte Diener


Den Schatten statt des Lichts zu spenden,
Hass statt Friedens zwischen Söhnen und Brüdern
Ihre Worte keine Wurzeln schlagen
Sie nahen nicht aus Herzen, doch aus kaputten Hirnen.

Ich vergöttere dich du endloses Wesen


Für jenen Funken, den ich Gewissen nenne,
Der mich plagt immer, weil ich gesündigt habe,
Und erfreut mich mit Wohlwollen und Gabe,
Wenn ich den Unterdrückten gerecht geworden bin!

82
Ein Abschied aus Braşov

Oben auf dem Hügel, oder im Tal hinunter,


Vergeblich schaue ich seufzend,
Ich sehe keinen Weg zum Guten,
Ich spüre, dass das Schicksal hat einen Plan
Um mich in die eisigen Berge zu werfen
Ach, mein armseliges Leben!

Sonne, Mond, himmlische Sterne,


Euch rufe ich als Zeugen,
Erzähle ihr alle meine Fehler
Gelöscht von den Lebenden zu sein
Wenn ich was falsch gemacht habe
An den Feind, Freund oder Bruder!

Ihr knabenhaftes Pflanzen,


Unschuldige Lämmer,
Die unter meiner Aufsicht weiltet,
Sagt mal, ich gab euch zu kosten
Ein Gift aus einer grünen Knospe,
Eisengrass, was euch zu erlegen?

Bleibt gesund, mein Vaterland,


In deiner eigentümlichen Wiege,
Nicht in der Wüste, denn du hast Berge,
Dass dir die warmen Sonnenstrahlen
Erreichen deine Täler nicht so bald,
Die durch einsame Berge siedeln.

83
Bleibt, alte Burgen in der Nacht,
So oft ich euch gesucht,
Auf euren abgeflauten Ruinen,
Gott, ich habe noch viel mehr nachgedacht
Das so ein Schicksal
Wird für mich sein!

Schöner Sion, verführerische Tâmpa!


Als ich Aufstieg und sah die Stadt dort nieder
Wie eine lebende Ikone,
Ich sah das ganze Land wieder!
Wird wohl mich das arge Schicksal
Lassen, soll ich dich vor dem Tode noch beträten?

Alt, du schönes Tal!


Ich werde dir viel schulden,
Von du mich heimbegleiten wirst,
Ohne mich zu töten sollst!
Den die Feinde in der Lage sind
Mir keinen Ort zum Beisetzen geben!

84
VASILE ALECSANDRI
1821-1890

Vasile Alecsandri (* 21. Juli 1821 in Bacău, Fürstentum


Moldau; † 22. August 1890 in Mircești, Rumänien) war ein
rumänischer Dichter, Dramatiker und Politiker. Er sam-
melte rumänische Volkslieder und war bedeutsam für die
Erweckung der rumänischen kulturellen Identität im Ru-
mänien des 19. Jahrhunderts, sowie führend in der Bewe-
gung für die Einigung der Moldau und der Walachei. Va-
sile Alecsandri wurde in der moldauischen Stadt Bacău als
Kind einer Familie von kleinen Landbesitzern geboren.
Seine Eltern Vasile und Elena Cozoni, die Tochter eines
griechisch-rumänischen Händlers, hatten sieben Kinder,
von welchen jedoch nur drei überlebten, eine Tochter –
Catina – und zwei Söhne – Iancu und Vasile.
Die Familie war im lukrativen Salz- und Getreidehandel tä-
tig. Im Jahre 1828 erwarb sie ein großes Anwesen in Mir-
cești, einem Ort in der Nähe des Sereth. Hier betrieb der
jungen Vasile eingehende Studien mit einem Mönch na-
mens Gherman Vida aus der Maramuresch und spielte
mit Vasile Porojan, einem Zigeunerjungen, der ein guter
Freund wurde. Beide Personen fanden sich später in sei-
nen Werken wieder. Im Jahr 1848 wurde er einer der Füh-
rer der revolutionären Bewegung, die ihr Zentrum in Iaşi
hatte. Er schrieb ein vielgelesenes Gedicht, das die Bevöl-
kerung aufrütteln sollte. Es hieß „Către Români“ (An das
rumänische Volk) und wurde später „Deșteptarea
României“ (Das Erwachen Rumäniens) genannt.

85
Zusammen mit Mihail Kogălniceanu25 und Costache Negri
schrieb er das revolutionäre Manifest in der Moldau mit
Namen: „Dorințele partidei naționale din Moldova“ (Die
Wünsche der moldauischen Nationalpartei). Nach dem
Scheitern der Revolution floh er über Siebenbürgen und
Österreich nach Paris, wo er fortfuhr, politische Gedichte
zu schreiben.
Gegen Ende des Jahres 1855 begann sich für Alecsandri
eine neue Liebe zu entwickeln, entgegen dem Verspre-
chen, das er Elena an deren Totenbett gemacht hatte. Der
nun 35-jährige renommierte Dichter und Gesellschafts-
kommentator verliebte sich in die junge Wirtstochter
Paulina Lucasievici. Die Beziehung war glücklich; beide zo-
gen in das Anwesen Alecsandris in Mircești. Am 3. No-
vember 1857 wurde ihre gemeinsame Tochter Maria ge-
boren.

25
Mihail Kogălniceanu (* 6. September/jul. / 18. September
1817greg. in Iași; † 1. Juli 1891 in Paris) war ein rumänischer Politiker,
Historiker und Publizist.
86
Maiglöckchen

in der Welt manch Blumen leuchten,


Viele Blumen duftend gern!
Aber wie Maiglöckchen Stern
keine Blumen duften fern,
Süßer Duft, dein‘ Namen deuten!

Ihr seid zarte Engelstränen


Von dem Himmel hergefallen,
Wenn durchleuchtend Sterne hallen
Ihre reinen Seelen wallen
Flug mit zartem süßem Klagen.

Ihr seid zart und weiß und Heere


Wie die Liebe meines Lebens!
Mit euch, liebe Traubenebbens,
Weiße Perlen des Vergebens
macht der Frühling Colliere

Aber plötzlich der Wind weht


bringt euch viel zu früh zum Fall
So entführt grausam das Schicksal
Alles was in Welt war Strahl...
Blumen welkten, Leben geht!

87
Der Ring und der Schleier

Es war einmal im Erdenraum


Ein junger, stolzer Königssohn;
Er glich dem schlanken Tannenbaum,
Der hoch im Wald des Berges Kron'.
Zur Gattin aus dem Dorfe nahm
Er sich ein Mägdlein wundersam,
Ein kleines Bauern-Mägdelein,
Das aller Nachbarn Schätzelein,
Mit süßem, leuchtendem Gesicht,
Mit einem Leib, so schlank und schmiegsam,
Wie sind in Gottes Sonnenlicht
Des Feldes Blumen, duftig, biegsam. -
Da ist Befehl ihm zugegangen,
Ins Lager eilend aufzubrechen. -
Wie ward die Seele ihm voll Bangen!
Drum tat zur Maid er also sprechen:
"Geliebte mein, du Seele mein,
Behalte du meinen Ringlein
Und trag' es auf dem Finger dein,
Und wenn von Rost der Ring wird rot, -
Dann weißt du, Liebe, bin ich tot!"

"Und lässt du mich im Schmerz allein,


So nimm den seidenen Schleier mein,
Am Rande golddurchwirket fein;
Wenn schmilzt das Gold so schön und rot,
Dann weißt Du, Trauter, ich bin tot."

88
II.

Auf seinem Pferde reitend fort


Zog er darauf den Weg von dannen,
Und ritt und ritt bis an den Ort,
Inmitten dunkler Waldestannen,
Und hat ein großes Feuer dort
Am Rabenbrunn gefacht zum Brand,
Führt an den Schleier seine Hand
Und schaut ihn innig an so lang, -
Bis fast sein Herz vor Weh zersprang.

"Ihr Lieben mein, ihr meine Heere,


Ihr Drachenkinder, Landeswehre,
Verweilet hier und nähret euch,
Und ruht im schattigen Gesträuch;
Ich muss nach Hause eilend fort,
Den krummen Säbel ließ ich dort,
Ich kann ja ohne den nicht kriegen;
Auf grünem Tisch ließ ich ihn liegen."

Betrübt ist er zurückgekehrt;


Da kommt ein Tapfrer ihm entgegen,
Ein tapfrer Held auf kleinem Pferd:
"Glück zu, mein junger Held verwegen,
Von wannen bringst du Kunde Werth?"
"Und soll ich's, Herr, dir wirklich sagen?
Vielleicht ist's einem andern recht, -

89
Für dich ist's bitter sehr und schlecht:
Es überzog in diesen Tagen
Mit Krieg dein Vater unser Land,
Bis die Geliebte dein er fand,
Und warf, o Herr, sie, dir zum Leid,
In einen Sumpf gar tief und breit."
"Hier, nimm mein Ross, du Tapfrer, mit
Und führ' es meinem Vater hin,
Wenn er dann fraget, wo ich bin,
So sag', ich sei mit raschem Schritt
Dem Rand des Wassers zu gestiegen,
Hab' mich hineingestürzt, darin
Bei dem geliebten Kind zu liegen."

III.
Der Vater eilend aufgeboten,
Den Sumpf zu trocknen, hat das Land,
Bis er die Kinder, ach! die toten
Verschlungen in einander fand,
Dahingestreckt auf gelbem Sand,
Ihr Angesicht so freuderfüllt,
Als seien Beide noch am Leben;
Da musst vor Reue er erbeben,
Hat weich in Seide sie gehüllt,
Führt' in die Kirche sie bewegt,
Hat in zwei Särge sie gelegt.
Der kaiserlichen Särge Holz
Lateine Zeichen trug es stolz,

90
Und in Altares Nähe haben
Nach Osten sie dann seinen Knaben,
Nach Westen hin die Maid begraben.
Doch denk' dir, seinem Grab entsteigt
Ein Tannenbaum, gar schlank und biegsam,
Der nach der Kirche zu sich neigt,
Und eine Rebe, blühend, schmiegsam
Aus ihrem Grabe ist entsprungen,
Und eh' die Nacht sich ausgebreitet,
Sie auf die ganze Kirche gleitet
Und hat die Tanne fest umschlungen.

O! Donnre, Herr! herab und wettre,


O! Donnre nieder, die zerschmettre,
Die heiße Lieb' geschieden haben
Von einer Maid und einem Knaben.

91
Der Blinde

Grünes Blatt der Dornen, Wehe


Sei mir Armen, bitter Wehe!
Wenn es Tag wird weiß ich nicht,
Todt ist meiner Augen Licht,
Geh' verlassen ganz einher,
Seh' die schöne Welt nicht mehr!
Seh' die Welt, die Sonne nicht
Und kein lieblich Angesicht!
Meine armen Augen winden
Sich in Tränen aus, die blinden.
Wie ich mich auch wenden mag,
Bleibt mir dunkel doch der Tag;
Wer auch auf dem Wege sei,
Geht mir fremd und kalt vorbei:
Trügerisch das Leben flieht,
Wie die Blume rasch verblüht,
Wie das Wasser fließend zieht;
Gute Menschen tröstet mich!
Helfet mir, bedauert mich!
Denn ein Schein nur ist die Welt
Von Besitz und Macht und Geld,
Doch des Blinden Bitte steigt,
Hat den Himmel selbst erreicht,
Und des Armen fromm' Gebet
Zu der Rechten Gottes steht.

92
Bin ein Mehedinzer Mann

Grünes Blatt vom Majoran,


Bin ein Mehedinzer26 Mann,
Kam im Buchenland zur Welt.
Dass mich liebe alle Welt,
Dass ich werd' ein tapfrer Held,
Wuschen sie im Alt27 mich.
Mit Basilikum gerieben
Bin ich drum glücklich blieben.
Da ich größer wurde fein,
Lief ich fort dem Mütterlein,
Hat mich niemals mehr gefunden,
Da ich in dem Berg verschwunden.
Stieg zu Tal dann von dem freien
Berge nieder; drei Pistolenreihen
Schmückten mich; nun bin im Tal
Ich ein Held, mein Herz von Stahl.

26
Mehedinți ist ein rumänischer Kreis (Județ) in der Region
Walachei mit der Kreishauptstadt Drobeta Turnu Severin.
27
Der Olt (deutsch Alt; lateinisch alutus von lateinisch lut = Lehm)
ist ein linker Nebenfluss der Donau in Rumänien.
93
Blaublümlein

Grünes Blatt vom Haferkorn:


Schönste Blum' in Busch und Dorn!
Bin verliebt in deinen Gang,
Denn du wiegst dich leicht und schlank,
Hast mein Herz verzehrt schon lang,
Lieb' Blaublümlein, entsprungen
Mir im Wege, sei besungen!
Ragst so schlank zum Himmelsblau,
Passest zu mir ganz genau!
Wandrer werden dich nicht sehen,
Dann muss ich vor Leid vergehen!
Blümlein, Blaublümlein,
Komm geschwind an's Herze mein,
Komm bei mir in schöne Blüthe,
Dass vor Bösen ich dich hüte!
Komm wie Thau auf mein Gemüte.

94
Der Löwenzahn

Löwenzahnes weiche Kette!


Hab' im Thal am Weg die nette
Lena jüngst erreicht mit Gruß,
Ich zu Pferde, sie zu Fuß.
Voll von Blumen war ihr Mieder,
Von den Ohren hingen nieder
Lange Perlen, dass fortwährend,
Ich sie angeschaut begehrend.
Als ich ihren Weg betreten,
Hab ein Blümchen ich erbeten
Von dem Busen, und das Kind
Reicht' die Lilie mir geschwind.
Wollt' aus ihrem Mündchen eine,
Schöne Nelke gab sie Kleine,
Bat um Wasser von der Quelle,
Sehnsucht trübt' es auf der Stelle,
Wollt' es rein aus ihrer Hand,
Doch da war's vor Lieb entbrannt.
Sah, wie ich am Trinken war,
Lena anders ganz und gar,
Als ein Veilchen dort sie stand,
Kühl und frisch an Baches Rand;
Bin vom Pferde abgestiegen,
An die Blume mich zu schmiegen,
Doch da flog das kleine Ding
Auf, als glühender Schmetterling;

95
Will ihn fangen, doch er fliegt, -
Ich will trinken; doch versiegt
Ist das Wasser, Weh und Schade!
Bin verzaubert ohne Gnade!
Sei verflucht, du Zauberin,
Dass du mir getrübt den Sinn,
Eine schwarze Wolke werde,
Regne Tränen auf die Erde.

96
Oh, ich Armer

Bin gewesen, wo ich einst geliebt hab',


Liebchen nimmer mehr gefunden hab';
Und dem Wind ich mich zu führen gab,
Kam da an sein einsames Grab.
Seufzend ist der Wind gezogen,
Und das Gras hat sich gebogen,
O ich Armer! bittere Not!
Eh' mir schnelle naht der Tod,
Müssen sie geschworen haben,
In dem Grab mich zu begraben.

97
Klinge, klinge

Grünes Blatt der Hasel, springe,


Klinge, klinge wieder, klinge!
Klinge Steinchen in das Thal,
Dreh dich viele hundert Mal!
Ach, mein Liebchen weint vor Qual!
Grünes Blatt vom weißen Klee!
Liebchen weint und seufzt vor Weh;
Sie beweint bergauf, bergab
Ihrer Jugendliebe Grab:
Grünes Haselblatt, sie irrt
Ohne Ziel, ihr Sinn verwirrt,
Flucht dem Gras, dem kummerlosen,
Sucht und sucht verlorene Rosen!
Grünes Blatt vom Zittergras,
Wein' nicht mehr die Äugelein nass;
Was vergangen, kommt nicht wieder,
Was entflohen, schwebt nicht nieder;
Der zerrissene Faden spinnt
Sich nicht wieder an, mein Kind.

98
Auf des Pfluges Spitze

Auf des Pfluges Spitze schwingt


Sich ein kleiner Kuckuck, singt.
Auf mein Wäg‘lein, auf der Reise,
Setzt vertraulich sich die Meise.
Spricht der Kuckuck, Meise spricht:
"Freund! vertrink' die Groschen nicht!
Denn dein Karren ist zerschellt,
Und dem Pflug das Eisen fehlt,
Und dein Feld ist unbestellt!"

"Kuckuck, schlimmes Tierchen du!


Meine Sorgen lass in Ruh!
Halt dein Schnäblein, kleine Meise,
Schilt mich wieder laut noch leise,
Sonst befällt mich Heftigkeit,
Und ich tu dir was zu Leid,
Schlag' dein Nestchen und dein Ei
Und dein Schnäblein mit entzwei."

99
Grünes Blatt

Grünes Blatt von Rosmarin,


Mach' mich schnell zur Zauberin,
Dass er mit der Andern ende
Und zu mir sich wieder wende;
Gestern hab' ich ihn gesehen,
Mit ihr dort am Brunnen stehen,
Dass doch trüb' das Wasser werde!
Dass verdurste ihre Heerde!
Ihre Scheune soll verbrennen,
Keiner soll sie reich mehr nennen,
Ihre Schönheit soll vergehen,
Nimmer soll bei ihr, er stehen.

100
Ubern Nistru28

Grünende Olive, bin


Ubern Nistru, hatt' im Sinn,
Ob das Brod so gut wie hüben,
Über'm Grenzflusses drüben.
Still und sanft sind die Gewässer,
Doch das Brod ist gar nicht besser,
Als im alten Heimatland;
Wär's auch süß wie Honig, fand
Ich es gallenbitter doch;
Wär' ich doch zu Hause noch!

28
Der Dnister (ukrainisch Дністер, russisch Днестр Dnestr, rumä-
nisch Nistru, polnisch Dniestr, manchmal auch Dnjestr sowie Tyra
und Tyras, vom Altgriechischen Τύρας/Týras) ist ein Zufluss des
Schwarzen Meeres. Er durchfließt die Ukraine und die Republik Mol-
dau.
101
Wer doch nicht

Grünes Blatt der Goldrenette!


Wer doch nicht gestritten hätte!
Jetzt will Liebchen mich verlassen,
Will für alle Zeit mich hassen!
Aber ich, ich lasse dich nicht,
Gehe mit dir vors Gericht,
Will vorm Popen dich befragen,
Dort sollst du's noch einmal sagen,
Sollst mich selber dort verklagen,
Eh' zerreißet unsre Kette. -
Wer doch nicht gepflanzt dich hätte,
Zankes Apfel! Goldrenette!

102
Ich weinte tot mich

Granatenblute, brennend rot,


Ist er verwundet oder tot?
Er war so kühn, so stolz, so frei,
Kein Mädchen ging ihm kalt vorbei;
Sein Auge wie Brombeere klar,
Und lang gelockt sein Rabenhaar,
Und die Gestalt so schlank und fein,
Man zog ihn durch ein Ringeleien.
Brächt' man verwundet ihn zurück,
In Nacht verwandelt wär' mein Glück,
Doch läge im Feld er kalt und tot,
Ich weinte tot mich, Blüthe rot!

103
Flüstre Eschenblatt

Flüstre Eschenblatt und sage


Ihr, wenn wieder sie bei Tage
Zu dem Brunnen kommt, im Garten,
Will versteckt ich auf sie warten,
Will derweil ihr Veilchen brechen;
Musst nur zärtlich von mir sprechen.
Wenn sie dann ihr Köpfchen neigt,
Lächelnd und errötend schweigt,
Flüstre lauter nur, dann schleich' ich
Schnell, die Holde dann erreiche dich.

104
Bis mein Grabenstätt ich finde

O weh! o weh! was fang' ich an!


Die Mutter den nicht leiden kann,
Der mir gefällt, gefiel er ihr
Nur ein wenig so wie mir,
Flog' zur Hochzeit ich geschwinde,
Den Staub aufwirbelnd in der Winde;
Doch gibt die Mutter mir den Mann,
Den ich gar nicht leiden kann,
So fliege ich dahin im Winde,
Bis mein Grabenstätt ich finde.
Viel lieber Krankheit in den Knochen,
Als dem Verhassten Suppe kochen.

105
Mein Mütterlein

Mein Mütterlein! O weine um mich,


Denn dein starker Bursch war ich,
Hielt dir fern die Noth der Welt,
Hab' dir stets dein Feld bestellt.
Nun hab' ich mich in Dienst begeben,
Und verbittert ist mein Leben,
Muss mich in der Fremde kränken
Und an dich nur immer denken,
An den Bruder mein, den Wald,
An des Dudelsacks Gesang,
Der in der Sennhütte lieblich hallt,
Und an die Schafe denk' ich bang.
Und mein Mütterchen, des Einen
Lieben Veilchens muss mit Weinen
Ich gedenken, ach! wie hatten
Wir uns lieb auf meinen Matten!
Fast möcht' ich die Sünd' begehen,
Heimlich aus dem Dienste gehen;
Bin ein Hirt und muss zur Heerde,
Aus mir werde, was es werde!

106
Frecher noch

Herzige Liebesgötter singen


Lustig wie die Vögel, schwingen
Über Hügel, über Felder,
Durch die Wüsten, durch die Wälder
Sich, als Diebe an dem Wege
Steh‘n die großen im Gehege,
Doch die kleinen steh'n und warten
Auf dem Pfad, in Flur und Garten,
Geh'n durch Schmutz und bleiben rein,
Schleichen bei den Burschen ein,
Schwimmen durch das Wasser, sinken
Nicht und können nicht ertrinken;
Schlüpfen zu den Mägdlein, winken,
Geh'n durchs Feuer, schmelzen nicht,
Frecher noch ihr Diebsgesicht.

107
Der Mönch

Bitter weh ist mir im Sinn,


Seit ich von dir gegangen bin,
Seit drei Monden und drei Tagen
Will ich Frieden mir erjagen.
In mir deine Zauber qualmen,
Von deines Bettes dreien Halmen,
Mit deiner Thüre Angel, einem
Haar vom Zopf, das keinem
Starken Zerren jemals weicht,
Hast mein Elend du erreicht!
Bann' ins Psalm Buch ich den Sinn,
Find' ich dich nur immer drin;
Wie ich mich auch wenden will,
Sünde seh' ich nur am Ziel;
Werde doch ein Klösterlein,
Gib mir Kraft zum Singen fein,
Zum Heiligenbild in deiner Brust
Inbrünstig bete ich dann voll Lust.

108
Als ich bei der Mutter war

Als ich bei der Mutter war


Ob ich schaffte, nichts tat, war
Lieb ich ihr doch immerdar,
Seit ich bin im Ehestand,
Keine Freud' ich nirgend fand,
Eh' der Tag graut, kehr' ich hastig,
Feuer mach' ich, nimmer rast' ich,
Deck' den Tisch, hol' Wasser, halte
Unablässig meine Spindel,
Spinnend geh' ich, schalte, walte,
Säuge mein Kind, legs‘ in Windel,
Melk' die Kuh und geh' ins Feld,
Web' und sticke, ist's bestellt,
Und doch schilt mein Mann mich aus!
Wär ich lieber noch zu Haus!

109
Doina29

Doina, Doina! süßes Lied,


Wie der Sang mich hält und zieht!
Doina, Doina, Feuersang!
Bin gebannt durch deinen Klang!
Weht heran der Frühlingswind,
Sing' ich draußen dich geschwind,
Schmelz' dich zu den Blumen Allen,
Zu dem Lied der Nachtigallen,
Kommt des Winters Sturm und Graus,
Sing' die Doina ich zu Haus,
Dass ich mir den Tag verschöne
Und die Nacht mit dem Getöne.
Treibt der Wald dann frische Blätter,
Sing' ich sie mit Lustgeschmetter;
Seh' das Laub zu Thal ich jagen,
Singet meine Doina Klagen;
Doina seufz' ich, Doina rede ich,
Doina denk' ich, Doina bete ich,
Doina flüstre ich, Doina leb' ich,
Mit der Doina lieb' und streb' ich!

29
Doină (Etymologie unsicher: vermutlich vom serbo-kroatischen
daljina/даљѝна für „Distanz“ oder mit einem älteren indogermani-
schen Ursprung mit Verbindung zum lettischen/litauischen daina für
„Lied“ ist eine lyrische, vokale oder instrumentale Liedform, die in der
rumänischen Volksmusik, Lăutari- sowie Klezmer-Musik verwendet
wird.
110
Von mir zu dir

Ja, von mir zu dir hin sind


Nichts als helle Sterne, Kind!

Kennst du sie in dunkler Ferne?


Meine Tränen sind die Sterne,

Aus den Augen mir geflogen,


Angehängt am Himmelsbogen,

Wie sich hängt im Morgengrau


An die Blumen klarer Thau.

Viele stoben mir vom Herzen,


Ob der Heimat Leid und Schmerzen,

Viele um die Lieben, Kind,


Die entflohen von Erd‘ sind,

Viele ach! vor bitterem Leid.


Aber voll Glückseligkeit

Da vergoss ich zwei allein:


Dies die hellsten Sternelein.

111
Wär' ich, Geliebte!

Wär' ich, Geliebte, der Blumen Wonne,


Wüchse am Bache, im tiefen Tal,
Gäb' ich den Tau hin, die hehre Sonne,
Für deiner Augen einzigen Strahl.

Wär' ich, Geliebte, ein Vogel, könnt' wecken


Töne, die Fülle, im Blätterhaus,
Flög' auf den Arm ich dir ohne Schrecken,
Zöge nie mehr in die Welt hinaus.

Wär' ich, Geliebte, Abendwinds Flüstern,


Wiegt' ich kein Blümchen schmeichelnd mehr ein,
Um in des Frühlings nächtlichen Düstern
An deinem Busen gewiegt zu sein.

Wär' ich, Geliebte, der Englein eines,


Das dich in Schlummer zu singen gewusst,
Würd' ich ein Küsschen dir stehlen, ein kleines,
Trüge zum Himmel dich an meiner Brust.

112
Du wunderschöne Mägdlein

Du wunderschöne Mägdlein,
O sag! wo kommst du her?
Mit deines Mundes Lächeln,
Mit Augen, hell und her?

Trug dich ein seliger Engel


Aus aller Himmels Glück,
Und ließ hier auf der Erde
Als Fremde dich zurück?

Du bist ein helles Leuchten,


Ein Goldens Märchen fein,
Ein Traum von Seligkeiten,
Ein Engel, hoch und rein!

Du bist ein Himmelswunder,


Und deine Stimme weht
Um mich, in böser Stunde,
Wie heiliges Gebet.

113
Glockenblumen

Blumen viel der wundersamen


Leuchten süß im Wald und Haine,
Doch wie ihr ihr Glockenblumen
Hat von allen Blumen keine
Süßeren Duft und süßer ‘n Namen.

Glockenblümchen, ihr seid Tränen


Die herab vom Himmel fallen,
Wenn geliebter Engel Selen
Zwischen hellen Sternen wallen
Und vergießen Wehmutstränen.

Ihr seid zart und weiß und Minnig


Wie die Liebste meines Lebens;
Mit euch teuren Tränentropfen,
Mit euch Perlen süßen Strebens
Schmückt der Lenz sich fromm und sinnig.

Doch der Nordwind kommt und wendet


Euch dem Tod zu ohne Schonen;
So vernichtet stets das Schicksal
Alles was wir lieb gewonnen,
Ach das Sein, die Blume endet!

114
Süßer Engel

Süßer Engel sanfter Tugend


Der du freundlich mich umkreist,
Auf die Wege meiner Jugend
Heitre schöne Blumen streust:
Unterm Flügel schütz mit Mute
Gegen Unglück und Gefahr
Mir dein Schwesterlein das gute
Ja mein Ninchen treu und wahr!

Schau der Sterne bunt Gedränge!


Geh' und stiehl von seiner Bahn
Einen nur und singend hänge
Ihrer Stirne ihn dann an.
Ihrem Füßchen breit' zum Ruhme
Einen Teppich bunt und zier,
Meine Sehnsucht leg als Blume
Zärtlich auf den Busen ihr!

Geh, in deine Flügel hülle


Sie zu süßem Schlummer ein
Und mit Liebesträumen fülle
Ihren Schlummer hold und rein!
Fliegst du so mit ihr zusammen
Teurer Engel durch die Welt:
Ach dann flüstre meinen Namen,
Sag' mein Weh ihr, das mich quält!

115
Abschied

Lebt' ich wie die Welt so lange


Flög' in seligem Geistesdrange
Ewig, ewig ich zu dir!
Was nur heilig mir im Leben
Dir nur, dir wollt' ich es geben
Süßer Engel für und für!

All mein Trachten, all mein Denken,


All mein zärtliches Versenken
All mein Sehnen und mein Sein:
Dir nur, dir der Holden, Hehren
Wollt' ich ewig es verehren,

116
Wie dem lieben Gott allein

Du mit einem Wort so leise,


Du mit einem Lächeln weise,
Du mit einem Kuss so süß:
Hast die Seele, hast das Leben
Engel, meiner Brust gegeben
Und das heilig‘ Paradies!

Ließest mich durch Liebe finden


Jenes göttliche Empfinden
Jene hohe Seligkeit,
Die uns beugt und dennoch gerne
Über alle Himmelssterne
Hebt zum Tron der Ewigkeit!

Weh, du gingst zum ewigen Schlummer! . . .


Ach in einer Nacht voll Kummer
Hat der Himmel uns getrennt;
Du bist hin, bist hin Geliebte
Und mein Glück, das nie getrübte,
Nahm in einem Nu sein End'!

So ist's Los, das uns beschieden,


Was uns teuer nur hienieden,
Was nur lieblich ist und schön:
Sehen wir in der Zeiten Drange
Gleich der Blume, gleich dem Sange
Und gleich einem Blitz vergehen!

117
Mit der Seele

Sterne kommen, Sterne schwinden!


Meinen Trost kann ich nicht finden,
Für die Erde starb er ab;
Er ist fort mit dir gezogen
In des Lichtes Reich geflogen . . .
Und ich wein' auf deinem Grab!

Einsam nur vom Leid umschwirret,


Auf dem Weg' des Seins verirret
Wie ein Blinder ohne Glück:
Das Leid wird immer schlimmer
Und mein Sehnen kehrt immer
Ach zu deinem Grab zurück…

Ade! auf dieses Ufers Stellen


Von des Bosporus dunkeln Wellen
Eingewebt so sanft und wohl:
Lass‘ ich dich du Stern des Strebens
Mit der Seligkeit des Lebens,
Mit der Seele sehnsuchtsvoll!

118
Romanze

Wär' ich ein Blümchen du meine Wonne


Das an dem Bache blüht tief in dem Tal:
Würde ich geben den Tau und die Sonne
Für deines Auges heiligen Strahl.

Wär' ich ein Vöglein mit weichem Gefieder


Das zwischen Blättern Geliebte sich hält:
Auf deine Arme setzt' ich mich nieder
Flöge in Ewigkeit nicht in die Welt.

Wär' ich Geliebte ein Zephir des Abend:


Nicht eine Blume berührt' ich mit Lust;
Würde wie eine Frühlingsnacht labend
Selig mich wiegen auf deiner Brust.

Wär' ich der Engel du Holde, du Süße


Der in den Schlaf dich wiegt singend und traut:
Würde geheim ich dir stehlen viel Küsse
Und in den Himmel dich tragen o Braut!

119
Die Schöne von dem Berge

Schönstes Mädchen das zu sehen!


Warum willst am Steg' nicht gehen
Dass mein Arm dich froh umschließt
Möcht bei Gott wohl nicht verfehlen
Haus und Hof dir zu vergällen
Dass du selbst auf Gott vergisst.

Macht dich müde nicht dein Spinnen?


Wirf den Rocken schnell von hinnen,
Ubers Bächlein spring' voll Lust,
Dass zusammen wir nun klauben,
Du am Berge rote Trauben,
Blumen ich für deine Brust!

Hier im Wäldchen dunkelglühend


Ist ein Gras so schön und blühend
Reich an Blumen, reich an Klee;
Lass‘ dahin uns Mädchen dringen,
Will dir Doina Lieder singen
Dass du weinst im süßen Weh!

120
Siehst du den stolzen Adler

Siehst du den stolzen Adler o du mein teures Leben!


Wie er sich schwingt zum dunkeln Wolkenflor?
So will in deinem Anblick sich meine Seele heben
In süßem Schauer schwimmend zum Himmel empor.

Sieh unter allen Sternen welch' blendend lichte Strahlen


Ergießt der Stern des Morgens auf seinem Weg so still?
So wenn ich dich Geliebte seh fröhlich zu mir wallen
Erglänzen meine Augen im zärtlichsten Gefühl.

Hörst du der Mitternächte geheime Stimmen fingen


Die mit dem Duft der Blumen durch alle Lüfte weh'n?
So tönt in Melodien in mir ein himmlisch Klingen
Wenn meine Seel' dich fühlet du Engel mild und schön!

Denn sieh' es gab der Himmel dem Adler Flügelsschnelle,


Den Nächten stille Seufzer, den Sternen mildes Licht;
Dir gab er süßen Zauber, mir gab er eine Seele
Dass ich sie dir verehre bis hier mein Auge bricht!

121
Träume

Träne, die sich mir entwindet,


Siehst den Tau der Blumen ziert,
Wie er glänzt und dann entschwindet
Und zu schwarzen Wolken wird?

Sowohl manches Zarte, Schöne,


Das aus frohen Augen scheint
Wandelt sich in eine Träne
Die die dunkle Trauer weint.

Wie viel Herzen jung und blühend


Froh zum Himmel fliegen auf
Und mit einem mal verglühend
Enden ihren Lebenslauf!

Wie viel Träume liebeshelle,


Schätze in dem Herzensdom:
Sterben, wie die Blitze schnelle
Und entfliehen wie ein Phantom!

Das nur können wir erwerben,


Trostlos ist es allerwärts:
Heute leben, morgen sterben,
Heute Lust und morgen Schmerz!

Glücklich der noch hier erfüllet


Seine Träume, die er hegt,

122
Glücklich der noch liebt und spielet
Bis er in sein Grab sich legt.

Denn es macht der Jugend Liebe


Diese Welt zum Himmelreich
Unsrer Seele schönste Triebe
Machen uns den Göttern gleich!

123
Das Lämmchen

Den Berg herunter in ein enges Tal,


so schön als wär’s der Weg zum Paradiese;
Ziehn bei dem Glöckchen hellem Silberschall
Drei Lämmer Herden über eine Wiese.

Bei jeder Herde folgt der Schäfer nach:


Der Moldau Kind war Einer von den Dreien,
Im Ungar Land des Zweiten Heimat lag,
Der Dritte stammt aus Wrantscha‘s Wüsteneien.

Wie sie so ziehn, da kommt den letzten Zwei


Die böse Lust den Ersten zu ermorden
Eh' noch die Nacht dem Tag gewichen sei,
Weil von den Drein der Reichte er geworden.

Halb weiß wie Schnee, halb dunkler als die Nacht,


Und ohne Zahl ist des Rumänen Herde,
Von Rauen Hunden aufmerksam bewacht,
Und klug und sicher sind des Schäfers Pferde.

Noch weiß er nicht von der Gefährten Plan,


Da merkt er bang: statt ruhig fort zu weiden,
Sieht ihn voll Angst sein Lieblingsschäfchen an
Und bockt als müsst auf ewig von ihm scheiden.

Was quält dich so? Ruft ihm der Schäfer zu:


Ist nicht voll Saft, das Gras der bunten Auen?

124
Trübt Krankheit mir des lieben Tierchens nu?
Warum des Wildes ängstlich Aufwärtsschauen?“

O treuer Hirt! In dunkles Waldesgrün


Treibt deine Herde verborgen in den Schatten;
Auch deine Hunde mit ihr zeihen
Denn diese werden nimmer dich verraten.

Nachdenkend bleibt der Hirte lange stehen:


Bist du so klug, und soll ich einsam sterben,
Musst nach der Tat du zu den Schäfern gehen,
Die treulos mich aus eitlem Neid verderben;

Musst vor sie treten mit bescheidenem Wort:


Ich täte nur die einzig‘, letzte Bitte:
Sie möchten mich an diesem stillen Ort
Ins Grab versenken, hier in eurer Mitte!

»Es sei mein Wunsch, der Heerde nah zu sein,


Die mein einst war in andren, bessren Tagen,
Mich des Gebells der Hunde zu erfreuen.
Vergiss es nicht, das Alles musst du sagen!

Dann aber leg' drei Flöten auf mein Grab


Von Buchenholz, von Knochen, von Holunder,
So weckt der Wind, bläst er das Thal herab,
Der Melodien Füße, heilige Wunder.

125
»Hört meine Heerde den bekannten Laut,
Wird meine Stimme sie zu hören wähnen,
Und hat sie sich vergebens umgeschaut,
Weiht sie mir wohl die letzten Freundestränen!

Doch von dem Mord erzähl den Schwestern nie;


Sag' ihnen nur: ich habe mich vermählet,
Der Braut, die Alle nach der Reihe wählet.
Mit einer großen, mächtigen Königin,

In meiner Brautnacht sei am Firmament


Ein Stern erlischt von all den Millionen;
Und Mond und Sonne hielten über uns
Nach altem Brauch metallene Hochzeitskronen;

Die Tanne und der Ahorn sein allein


Als Gäste zu dem Ehrenfest gekommen,
Und statt der Priester hab den Mondenschein
Ich der Gebirge starren Fels genommen;

Als nur die Vögel aus der Näh' und Ferne,


Es habe Niemand Andres aufgespielt,
So blinkten doch des Himmels gold'ne Sterne!
Und wenn kein Freund die Hochzeitskerzen hielt,

Doch siehst du einst auf dieser Wiesen Grün,


Den wollenen Gürtel um die schwachen Hüften,
Mit Tränen nässend eure blühenden Triften;
Mein Mütterchen hier auf und niederziehen,

126
Hörst du sie, schluchzend, tief aus wunder Brust,
Und angstgequält die fremden Leute fragen:
Hat Niemand denn von meinem Sohn gewusst?
Kann Niemand was von meinem Sohn mir sagen?

Ein Jüngling war's, wie keinen Ihr geschaut,


So fein und schlank, durch einen Ring zu ziehen;
Weiß wie der Schaum der Milch war seine Haut,
Und Rosenrot der Wange Jugendglühen;

Der Weizenären glich sein junger Bart,


Sein Haar dem Schwarz der Feder eines Raben,
Das Auge war von einem Braun so zart,
Wie es die Frucht des Brombeerstrauches haben!

Hörst, Schäfchen, du den Kummer, der sie quält,


So tröste sie, und sprich: auf dieser Wiese
Hab' mich zum Mann ein Königskind gewählt
Und mir gezeigt den Weg zum Paradiese!

Doch sag' ihr nicht, in meiner Brautnacht sei


Ein Stern erlischt von all den Millionen,
Und Mond und Sonne hielten über uns
Nach altem Brauch metallene Hochzeitskronen;

Die Tanne und der Ahorn sein allein


Als Gäste zu dem Ehrenfest gekommen,

127
Und statt der Priester hab' im Mondenschein
Ich der Gebirge starren Fels genommen;

Es habe Niemand Andres aufgespielt,


Als nur die Vögel aus der Näh' und Ferne,
Und wenn kein Freund die Hochzeitskerzen hielt,
So blinkten doch des Himmels goldene Sterne!

128
DIMITRIE BOLINTINEANU
1819-1872

Dimitrie Bolintineanu (geb. 1819, Bolintin-Vale, Walachei


– gest. 20. August 1872, Bukarest, Rumänien) war ein ru-
mänischer Dichter, Politiker, Diplomat und Teilnehmer
der Revolution von 1848. Dimitrie Bolintineanu war ur-
sprünglich mazedonischer Aromäne;
Der junge Dimitrie war seit 1831 Waise beider Eltern und
wuchs bei wohlhabenderen Verwandten auf. Es wird
schon früh, wie Grigore Alexandrescu, I. L. Caragiale30,
Mihai Eminescu, durch offizielle Stellen unterstützt. 1841
war er Kopist im Staatssekretariat, 1843 Sekretär der Ab-
teilung „Südangelegenheiten“. Durch einen mysteriösen
Zufall wurde er 1844 in den Rang eines Petars erhoben.
Die Tatsache, dass er veröffentlicht hatte 1842 dürfte das
bewundernswerte Gedicht „Ein junges Mädchen auf dem
Sterbebett“, das Ion Heliade Rădulescu anerkennend vor-
getragen hat (und später von Mihai Eminescu in Epigonii
zitiert wurde), eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Das Gedicht „Ein junges Mädchen auf dem Sterbebett“
war eine Nachahmung von „La jeune captive“ („Der junge
Gefangene“) von André Chénier31 und wurde im „Kurier

30
Ion Luca Caragiale (* 1. Februarjul. / 13. Februar 1852greg. in Hai-
manale, Kreis Prahova, Walachei, heute I. L. Caragiale, Kreis Dâmbo-
vița; † 9. Junijul. / 22. Juni 1912greg. in Berlin) war ein rumänischer
Schriftsteller. Er gilt als bedeutendster Dramatiker Rumäniens.
31
André Chénier (eigentlich André Marie Chénier, häufig André de
Chénier, * 29. Oktober 1762 in Galata bei Istanbul; † 25. Juli 1794 in
Paris) war ein französischer Autor, der als Lyriker bekannt ist.
129
beider Geschlechter“ veröffentlicht. Wie andere
Achtundvierziger Revoluzzer versuchte der junge Mann
nicht allzu sehr, in die Gunst des Prinzen zu gelangen. Sein
Herz zog ihn eher zu der Welt, die „kommen wird.“
Zu dieser Zeit hatte sich in Bukarest die Literarische Ver-
einigung gegründet, unterstützt von den Brüdern Ale-
xandru und Ștefan Golescu32, die Bolintineanu Ende 1845
nach Paris schickten. Als er 1845 mit einem Stipendium
der Literarischen Vereinigung nach Paris ging, hörte er
auch die Kurse von Jules Michelet33, Edgar Quinet34 und
Adam Mickiewicz35. Als im Februar 1848 in Paris die Re-
volution ausbrach, beschlossen die jungen Gelehrten, ins
Land zurückzukehren. Die Verschwörer gaben ihm die
Aufgabe, Kontakte zu den Revolutionären in der Buko-
wina herzustellen. Der Polizist Ion Manu verweigerte ihm
seinen Pass für Moldawien und drohte ihm mit Fest-
nahme. Am Morgen des 20. August 1972 stirbt er im Kran-
kenhaus. Er ist in Bolintinul in Vale begraben.

32
Um 1809 wurde Ștefan Golescu in Câmpulung Muscel Rumänien
geboren. Er hatte vier Geschwister. Später wurde er in Genf erzogen,
trat anfangs in den Militärdienst und bekleidete später mehrere hö-
here Zivilverwaltungsstellen. Er beteiligte sich an der Revolution von
1848 und ging als Verbannter nach Frankreich.
33
Jules Michelet (* 21. August 1798 in Paris; † 9. Februar 1874 in
Hyères, Département Var) war ein französischer Historiker des 19.
Jahrhunderts.
34
Edgar Quinet (* 17. Februar 1803 in Bourg-en-Bresse; † 27. März
1875 in Paris) war ein französischer Schriftsteller und Historiker.
35
Adam Mickiewicz, *November 1855 in Konstantinopel, Osmani-
sches Reich) war ein polnischer Dichter der Romantik.
130
Gesang der Hirten

Nur die holden Grazien sollen


Mir den Freudenbecher kränzen
Trübes will ich nimmer hören,
Seh' ich Wein im Glase glänzen.

Denn ein Mädchen, das wir lieben,


Und das uns liebt, ist ein Glas,
Vollgeschenkt zu süßer Labe;
Schlürft es aus, das edle Nass! -

Alba Dora von Köstritzar,


Teufel mit dem goldenen Haar,
Die das Röckchen hoch empor hebt
Ob den Waden wunderbar,

Wenn sie übers Bächlein schreitet,


Dass sechs Monde trocken liegt,
Dass kein Falter sich die Schwingen
Netzen kann, der drüber fliegt!

Ruft mir winkend, und im Umsehen


Ist sie ins Gebüsch hinein;
Doch von ferne seh' ich schimmern
Ihres Haares goldenen Schein. -

dass man doch oft das Leichteste


Nicht recht zu sagen weiß!

131
Jüngst schlich ich mich zur Liebsten hin
Und sagt' ins Ohr ihr leis:

Du hast in deinem Busen da


Zwei Täubchen, weiß und fein;
Und jedes hält im Schnäbelchen
Ein frisches Erdbeerlein!

132
Eine Jungfrau

Eine Jungfrau reichte neulich


Mir im Traume ihre Hand;
Zwischen Licht und tiefem Schatten
Sie wie Morgenröte stand;
Gold ihr Haar, ob ihrem Busen
Flatterte ein leicht Gewand.

Ach, er war wie eine Rose,


Wenn sie sich erschließt zur Nacht -
Weiter kann ich nichts euch sagen,
Da ich plötzlich aufgewacht.

133
Endlos der Strom

Nein, nichts vergehet hier auf Erden:


Endlos der Strom des Lebens wallt;
Wir, die wir heute sind, wird werden
Noch erben andere Gestalt.

O, würde ich zum Sonnenstrahl!


O, möchtest du ein Tröpfchen sein,
dass ich aus duftiger Blumenschal
Dich liebedürstend schlürfte ein!

134
Der Wolf

Der Wolf verfolgt das Rehlein,


Das Reh das Gras der Au;
Und ich ein Hirtenmädchen
Mit Augen maulbeerblau.

Wolf will das Rehlein fressen;


Das Rehlein nagt das Gras.
Ich will vom Rosenmunde
Der Liebsten - ratet, was?

135
Liebste komm

Liebste, weißt du wie der Mensch


Die Unsterblichkeit erwirbt?
Wer vom Götternektar trinkt,
Weißt du, dass er nimmer stirbt?

Liebste komm! dein roter Mund


Ist so süßen Nektars voll;
Lasse mich trinken, weil ich, ach!
Heut vielleicht noch sterben soll.

136
Viele starben

Viele starben für den Glauben:


Lebend wurden sie verbrannt;
Andre siechten hin im Kerker,
Fesseln schwer an Fuß und Hand.

Da ist mir es eingefallen:


Ich auch will Märtyrer heißen;
Um den Nacken statt des Stranges
Legt mir Lilias Arm, den weißen!

137
Mircea36 in der Schlacht

Scharen von Magyaren haben‘s Land bedeckt,


Sonne musst es sehen und erblich erschreckt.

Doch der alte Mircea, furchtlos und verwegen,


Zieht mit einem Häuflein Tapferer entgegen.

Weiß er auch, die Heimat kann er nicht retten,


Nur erfüllen wird er ruhig seine Pflicht!

Ach! Wo sind die Zeiten, wo voll Manneskraft,


Für die Pflicht Rumänen starben heldenhaft?

Also spricht der greise Held: Ihr meine Brüder!


Gott will, ich soll als Rumäne niedersinken.

Willst du Blut und Leben deinem Volksstamme,


Stirbst du als ein Flämmchen in der großen Flamme.

Was im Erdenlose wiegt ein Mannesleben?


War des Baumes Blüthe in des Frühlings Weben?

36
Mircea I. cel Bătrân; * 1355; † 31. Januar 1418) war einer der
wichtigsten Woiwoden der Walachei. Sein Name bedeutet im mo-
dernen Rumänisch „Mircea der Alte“, aber die ursprüngliche Bedeu-
tung des Namens ist „Mircea der Ältere“. Er war der Sohn des Woi-
woden Radu I. und seiner Frau Calinica, die von einer Adelsfamilie
abstammte. Seine Herrschaft dauerte von 1386 bis zu seinem Tode.
138
Was bin Sternenzelts des kleinsten Sterns Geschick,
Was im Meer der Zeit ein flüchtiger Augenblick!

Lieber, als dass Feinde uns in Ketten sehen,


Wollen wir Rumänen furchtlos untergehen!

Ach, wo sind die Zeiten, wo voll Manneskraft


Für die Pflicht Rumänen starben heldenhaft!

139
Die Frau

Die Frau ist gleich der Blume,


Von Himmelsduft umweht,
Sie leuchtet wie die Sonne,
Wenn sie im Mittag steht.

Wie an des Falters Rüssel


Der Staub der Lilie klebt,
Also mich ihres Busens
Duft immer noch umschwebt.

140
Lasst uns fröhlich sein

Die Liebe, die sich selber achtet;


Ein hoher, heldenhafter Geist,
Der durch erhabene, schöne Taten
Sich seines Ursprungs wert erweist:

Das ist ein Quell stets junger Freuden;


Wenn sich des Unglücks Sturm dann hebt,
Mag er auch alles, alles rauben,
Das eine nicht: ich hab‘ gelebt!

141
Die lustigen Weisen

Sag, was redest du von Größe


Greisenweisheit, grau von Haar?
Mädchenschönheit, Küsse, Liebe
Willst du wohl verachten gar?

Größe, Reichtum, Rang und Namen


Zu erwerben leichter glückt,
Als man auf der Liebsten Busen
Einen einzigen Kuss nur drückt.

Jede Stadt, die man belagert,


Ist gefallen, jede Eiche:
Sie bleibt kühl und unbeweglich,
Was ich auch gemacht für Streiche.

Auf des Ruhmes Lorbeerkissen


Hat geruht mein junges Haupt,
Doch auf ihrem Busen hat sie
Mir zu ruhen noch nicht erlaubt.

Sagt, was nützt mir alle Größe?


Mag ich auch die ganze Welt
Mir erobern - wenn trotz allem
Mich ein Weib als Sklaven hält?

142
Befangenheit

Zum ersten male sprach ich ihr


Von Liebe und Verlangen;
Da neigte sie das Angesicht
Errötend und befangen.

Sie flüsterte: "Jetzt darf ich nichts,


Nichts mehr zu hoffen wagen." -
"Ich wollte nach fünf Jahren dir
Ein süßes Geheimnis sagen."

Sie frug: "Warum sagst du's nicht gleich,


Wenn du mich glaubst zu lieben?
Du weißt doch, unsre Tage sind
Auf Lilienduft geschrieben."

Ich sagte drauf: "Ich habe dich


Geliebt seit langen Tagen;
Doch hab' ich meine Liebe still
Im Herzen tief getragen."

Darauf erwiderte sie lächelnd:


"Du tätest recht daran;
Geheime Liebe ist das Schönste,
Was man hier finden kann."

Ich frug: "Glaubst du, dass wahre Liebe


Auf Erden kann vergehen?" -

143
"O liebe mich wie eine Schwester!"
Hört' ich sie hastig flehen.

Doch Lügen straften ihre Blicke


Das kaum gesprochene Wort,
Ob sie auch ihre Hand errötend
Von meiner Brust zog fort.

Als ich sie enger dann umarmt,


Hob sie verschämt die Lider;
Doch als ich ihre Stirn geküsst,
Da senkte sie sie wieder.

Und flüsterte: "O, liebst du mich,


So geh, lass mich alleine,
Und schütz mich vor mir selbst, dass ich
Die Liebe nicht beweine!" -

Und ich gutmütiger Narr, ich ging!


Um erst zu spät zu sehen:
Dem Kühnen nur ist hold das Weib,
Den Feigen lässt es gehen.

144
Gesänge und Küsse

Nimm deine goldene Harfe, junger Dichter.


Sieh, wie im Auge mir die Tränen glänzen!
Sing mir ein Lied, so will ich deine Stirne
Mit Lilien kränzen. -

Vergebens wirst du mir die Stirne kränzen,


O reines Herz, verstummt sind mir die Lieder;
Kein Tau erweckt die einmal welke Blume
Zum Leben wieder. -

Nimm deine goldene Harfe, junger Dichter,


Mit deiner Lieder Klang uns zu entzücken!
Zum Lohne werde ich auf deine Stirne
Dir Küsse drücken!

Da greift der Sänger mächtig in die Saiten.


Die Jungfrau küss ihn wiederum und wieder;
Und sieh, mit jedem Kusse werden süßer
Des Jünglings Lieder.

145
Der Kuss

Sieh, wie friedevoll im Mondlicht,


Ruht der weite Bosporus!
O schwarzäugige Geliebte,
Gib mir einen einzigen Kuss!

Bootsmann, spare deine Worte,


Weißt, dass ich nicht küssen darf.
Liebst du mich, so sei vernünftig
Wohin blickst du denn so scharf?

Sehe eine Sturmeswoge


Nahen, andre folgen ihr;
Doch was ist mir dran gelegen!
Um so schneller fahren wir.

Kehr um! Vor Schrecken sterbe ich -


Wie das Boot sich hebt empor!
Thu mit mir nach deinem Willen
Schließen werde ich Augen und Ohr!

146
Der Seemann

Der Seemann komm! die Täler rauchen,


Bootsmann komm! die Nacht bricht ein.
Wie ein Halsband aus Rubinen
Liegt die See im Mondenschein.

Der Seemann komm, ergreift das Steuer -


Wie die Woge seufzend schäumt!
Bootsmann komm! dies ist die Stunde,
Wo die Menschheit weint und träumt.

Fahr' hinüber, wo die Lampe


Fahl durch grüne Büsche scheint,
Zum Kiosk, wo die Geliebte
Stille Liebestränen weint!

147
Das Unwetter

Hörst du nicht die Wogen brausen


An des steilen Felsens Rand?
Seemann, lenke unser Schifflein
Schnell zurück zum sichern Strand!

Aber du Geliebte, lass‘ mich


Schnell auf deinen Rosenlippen
Unsere beiden Lose lesen,
Ob wir scheitern an den Klippen!

148
Ich nahe

Liebesträumend schläft der Mond


Überm Meer und deinem Haus,
Du nur Liebste bist noch wach,
Sendest Sehnsuchtsseufzer aus.

Ruf den Schlummer, dass er dir


Küsse mild die Rosenwange,
Will er nicht, so rufe mich,
dass ich liebend dich umfange.

149
Die Webe Rosen

- Allerliebste schöne Kleine


Mit so holden Augenscheinen
Werde mein Schatz, werde die Meine
Seit du dich dem Knospenhaus
Still entrangst, tratst heraus
Sprachst du keine Liebe aus.
Lass‘ mich, lass‘ durch Lustgesänge
Und durch ewiger Lieder Klänge
Dich erhalten für die Länge!

- Kann nicht sein! nicht kann ich geben


Dir die Jugend und mein Leben
Nur für deine Lieder eben;
Hätt' ein Herz ich, einen Mund
Zu vergeben, jede Stunde
Tät' ich's einem Kaiser Kunde!

Sagt' es und läuft rasch von dannen


Wie ein Stern oft von den Bahnen,
Doch der Bursch von dieser Frist
Heiße Träume nur vergisst,
Bis ihn Gott in seiner Kraft
Rasch in einen Quell umschafft
Und das Mädchen über Nacht
Schon zu einer Rose macht;
Einer Blume schön und blendend
Aber keine Düfte spendend.

150
Alle Mädchen seit der Stunde,
Ohne Liebe in der Brust,
Sind auf diesem Erdenrunde
Blumen ohne Duft und Lust!

151
152
CARMEN SYLVA
Prinzessin Elisabeth Pauline Ottilie Luise zu Wied
1843-1916

An meine Heimat

Du Rebenland, du grüner Wald,


Du Rhein mit deinem Schimmer,
Dein Glanz ist fern, dein Sang verhallt,
Ich bin entfloh ‘n für immer!

Oft, oft schließ' ich die Augen zu,


Dann hör' ich' singen, rauschen,
Seh' Schiffe ziehn in sonn'ger Ruh,
Den Wind die Segel bauschen.

Dass ich die schönste Heimat hab'


In deutschen Gau'n besessen,
Das macht, dass ich sie bis zum Grab
Nun nimmer kann vergessen.

Ein kleiner Freund, der hat mich nicht


Im fernen Land verlassen,
Er zeigte mir sein Angesicht,
Ließ seine Hand mich fassen.

„Das Märchen" ist mein Freund benannt,


Hier hat's nur schwarze Haare,

153
Trägt orientalisch' Prachtgewand
Braun ist das Aug', das klare.

Und vom Karpathenurwald fliegt


Zur Donau es, zum Meere,
Auf seinen Brauen Schwermut liegt,
Im Auge glänzt die Zähre.

Doch hat es allen Duft bewahrt,


Die Reinheit tief im Herzen,
Es singet lind, berühret zart
Die großen Erdenschmerzen.

Die Wunderblumen, die es heut,


Musst‘ ich dir eilend pflücken;
Dir, Heimat, hab‘ ich sie gestreut, —
Könnt' ich ans Herz dich drücken!

154
Aus den Steinen

"Mit Steinen werft mir den Sänger!" rief


Herr Barthold in heißem Zorn.
"Was singt er die Mär', die solange schlief,
Was gibt er Erinn'rung den Sporn?

Ich war's, der des Bruders Geliebte gefreit,


Ich war's und er wüsste es gar gut,
Er weiß, dass mein Bruder seit jener Zeit
In des Schloss Turms Mauern geruht!

Er weiß, dass ich schwur, wer daran mich mahnt,


Der sollte des Todes sein!
Drum steinigt den Sänger, der das geplant,
In die Gräben werft ihn hinein!"

Es fliegen die Steine, der Graf sieht zu,


Wild lachend schaut er hinab:
"Dort an die Turm Wand stell' dich, du,
Da schweigt meines Bruders Grab!

Du wolltest Stimme dem geben, nun sieh,


Was aus den Steinen erklingt,
Ob aus den Steinen die Rache schrie,
Die deine Harfe besingt!"

155
Doch wie das furchtbare Stein'gen beginnt,
Da deckt mit den Armen, dem Leib
Der Sänger die Harfe, von Tränen blind,
Als wär' sie sein treuliebes Weib!

156
Die Krokusblume

Graf Ulrich hat nicht Haus, nicht Land,


Sein Vater tot, seine Burg verbrannt,
Ihm ward das Letzte geraubt.
Sein ist der Schmerz, das Schwert in der Hand
Von Braut und Glück steht er verbannt,
Jung Ulrich ist ganz entlaubt.

Er geht dahin, wie der Wandersmann,


Der sich nicht einmal rächen kann,
Am schlimmen Heribert.
Der müde, graue Tag bricht an,
Der Märzsturm braust und heult heran,
Der ihn am Mantel zerrt.

"Ich hab' nicht Heim, Gesind' noch Herd,


Ich habe nichts als mein freies Schwert,
Das muß in Dienste gehn.
Dem ist's so bitter, so ganz verkehrt,
Daß sich's an meiner Seite wehrt,
Es will mich nicht verstehn!"

In schwarzen Wolken blut'ges Licht,


Wie Brand durch Rauches Säulen bricht,
So wie der Väter Schloß.
Es strahlt um Ulrichs bleich' Gesicht,
Verklärt die Locken, blond und dicht,
Die Augen blau und groß.

157
Da stöhnt's ganz nah, im wüsten Feld:
"Ach Gott! allein in ganzer Welt!
Ach! Gott! Ein Engel naht!
Mich hat ein gift'ger Dolch gefällt!
O heil'ger Engel! Komm! Es stellt
Der Tod sich auf den Pfad!

Ich sterb'! Und kein Viatikum!


Ich brachte viele Leute um!
Ich sterb'! Und kein Verzeihn!
O lichter Engel! Sei nicht stumm!
Ich hab' verwüstet rund herum!
Nun sterb' ich ganz allein!"

Herr Ulrich prallt entsetzt zurück:


Graf Heribert! Will's so das Glück?
Der Feind in seiner Hand?
Sein Kleid zerreißt der Stück um Stück,
Im Grase grabend, welch Gepflück!
Er hat ihn nicht erkannt!

"O Engel Gottes! Wiss'! Ein Kind


Hat heut nicht Hof, nicht Ingesind,
Den Vater schlug ich tot!
Noch brennt die Burg! Nun werd' ich blind!
Kein Wegzehr! Wie die Sünder sind,
Muß ich vor meinen Gott!"

158
Herrn Ulrich wird das Herze heiß,
Das Auge feucht, die Lippe weiß,
Er kniet und betet sehr:
"O Gott! Nimm mir den Racheschweiß!
Laß rein mein Herz! Tauch mich in Eis!
Lehr mich verzeihen, Herr!

Und wenn der letzte Groll verbannt,


Dann leg' du , Gott, mir in die Hand
Dein heilig' Abendmahl!
Erquickt soll er von Seelenbrand,
Nicht sündig mehr, vom Erdenland
In Deinen Himmelssaal!"

Auf dürrer Heide! Sieh! Da sprießt


Goldgelb ein Krokuskelch, der schließt
Den Regentropfen ein,
Der aus der Sturmeswolke schießt:
Und statt dem Regentropfen fließt,
Wie Blut, drin roter Wein.

Jung Ulrich hebt die Hand, er schlägt


Den Mantel um das Blümlein, trägt
Es sanft zum grausen Feind.
Und wie er's an die Lippen legt:
"Dies ist sein Blut!" spricht er, "nicht wägt
Die Sünde Gott, die weint!

159
Er sendet dir sein heilig Blut,
Durch reine Hand und reinen Mut,
Der Kelch, die Blume zart!
Geh hin! Dich wäscht der Tropfen gut,
Besser als Tränenmeer'sflut,
Da dir Vergebung ward!"

Wie strahlend das Gesicht erblaßt,


Hat Ulrich ihn im Arm gefaßt,
Drückt ihm die Augen zu,
Deckt mit dem Mantel ihn in Hast,
Und trägt von hinnen nun die Last,
Zur fernen Friedhofsruh'.

Den Krokus in den Lippen leicht,


Ein Kirchlein abends er erreicht,
Das Blümlein frisch erblüht,
Er zieht am Glockenstrang, da schleicht
Weißhaarig her der Pfarr'r, -- der weicht
Zurück, wie den er sieht,

Den also sanft der Knabe trägt,


Vom Antlitz ihm den Mantel schlägt:
"Seid ihr denn Ulrich nicht?
Dem, der sein Gut in Schutt gelegt,
Die ganze Habe weggefegt,
Traf den das Srafgericht?"

160
Wortlos schritt Ulrich zum Altar,
Und brachte seine Blume dar,
Und schwur den heil'gen Eid:
"Die Hand, die einmal heilig war,
Bleibt ewig rein, der Sünde bar,
Die sei nur Gott geweiht!

Ich durfte Gottes Bote sein,


Er wählte mich, Er fand mich rein!
Zum Kreuze wird meim Schwert!
Die Blume mit dem heil'gen Wein,
Die soll der Kelch von Golde sein,
Und ich des Wunders wert!"

161
Herbstgedanken

In meinem Herzen blühen


Noch Blumen wunderschön,
In meinem Haupte singt noch
Vielstimmiges Getön.

Doch auf den Haaren schimmert


Schon silbern frischer Reif,
Und drunter wogt Erinnerung
Wie Herbstes Nebelstreif.

Es hat die Sommersonne


Sich vor dem Frost versteckt,
Doch reift im Stillen weiter,
Was einst ihr Strahl geweckt.

Die feinsten Reben fordern


Nicht lauter Sonnenschein;
Erst Reif und Nebel zeugen
Den rechten Feuerwein.

162
Lorelei

Das Wasser kraust sich noch immer dort,


Doch gleiten die Menschen darüber fort,
Sie hören das heimliche Locken nicht,
Sie schauen nicht mehr der Hexe Gesicht,
Denn in der Schule, da wird es gelehrt,
Der Hexenglaube sei ganz verkehrt.
Doch droben liegt sie, die Lorelei,
Und lässt die kleinen Krämer vorbei,
Und lacht der Klugen, der Welt, der Zeit,
Und liebt und leidet in Ewigkeit.

163
Schuhmacherlied

Ich halt ein Stückchen Leder,


Den Leisten in der Hand,
Doch schwebt ein zierliches Füßchen
Stets auf dem Leistenrand.

Das wundernette Füßchen,


Mit rosenroten Zeh'n,
Das soll in diesen Schuhen
Zum nächsten Tanze gehn.

Den Boden kaum berührend


Wird's fliegen durch den Saal,
Mit ungezählten Schritten,
Verwundert tausendmal.

Und jeder will der Erste


Beim ersten Tanze sein
Und denkt: O wär' das Füßchen
Und das Persönchen mein!

Und dass es so begehrt ist,


Ich helfe noch dazu
Und drücke töricht zitternd
Ans Herz den leeren Schuh!

164
Zum letzten Mal

Die Mutter kniet am stillen Bett,


Ganz still, beim toten Sohn;
Noch eben klang sein Abschiedswort
In weichem Flüsterton.

Es spielt ein friedliches Lächeln noch


Um seinen bleichen Mund,
Vorbei ist Schmerz und Pein – er schläft,
Ist ewig nun gesund.

Der Vater steht an Bettes Fuß


Und weint in grauen Bart;
Sie schweigen, nur die Mutter reibt
Dem Sohn die Hände zart.

Zwei lange Stunden streicht sie so


Die abgezehrte Hand
Und schaut zum letzten Mal sich satt
Am Antlitz unverwandt.

Doch endlich spricht der Mann zu ihr:


Was reibst du mit Gewalt
Ihm seine toten Hände noch?"
Sie spricht: Sie werden kalt!"

165
166
NICOLAE N. BELDICEANU
1881-1923

Nicolae Beldiceanu (geb. 26. Oktober 1844, Preutești,


Suceava, Rumänien – gest. 2. Februar 1896, Iaşi, Rumä-
nien) war ein rumänischer Dichter, Prosaschriftsteller und
Archäologe. Er besuchte die Kurse der Mihăilene-Akade-
mie in Iaşi. Als Dichter debütierte er in Hasdeus37 Zeitung
„Lumina“. Er arbeitete an der Zeitschrift „Convorbiri lite-
rare“ mit, in der er Gedichte romantischer und pessimis-
tischer Natur veröffentlichte, und dann an „Contempora-
nul“, unter dessen Einfluss er seine besten Gedichte
schrieb (Vechituri, Lăutarul, Amurgul veacului, Dezțeniții).
Er veröffentlichte auch archäologische Werke, darunter
Antiquitäten von Cucuteni38 (1885). Er war mit Victoria
verheiratet, der Cousine des Malers Octav Băncilă39. Sein
Sohn Nicolae N. Beldiceanu (1881–1923) war ein bekann-
ter Prosaschriftsteller und Publizist.
Als Archäologe war er leidenschaftlich und tief beein-
druckt von prähistorischen Altertümern, insbesondere

37
Bogdan Petriceicu Hasdeu (geb. Tadeu Hîjdeu; geb. 26. Februar
1838, Cristinești, Hotin, derzeit in der Ukraine – gest. 25. August
1907, Câmpina) war ein rumänischer Schriftsteller und Philologe.
38
Die Cucuteni-Kultur, die älteste Zivilisation Europas, stammt aus
der Zeit zwischen 5800 und 3200 v. Chr. und wurde nach dem
gleichnamigen Dorf in der Nähe von Iaşi benannt, wo sich die ersten
Überreste befinden; wurden 1884 entdeckt.
39
Octav Băncilă (geb. 4. Februar 1872, Botoșani, Rumänien – gest.
3. April 1944, Bukarest, Rumänien) war ein rumänischer realistischer
Maler.
167
denen in Moldawien, und führte zahlreiche Forschungen
in der Cucuteni-Siedlung40 durch, wo er eine Reihe bedeu-
tender Beiträge leistete.

40
Die Cucuteni-Tripolje-Kultur, traditionell rumänisch-russisch
Cucuțeni-Tripolje-Kultur, ukrainisch Trypillia, gehört zu den südost-
europäischen Kulturen des Neolithikums und des Äneolithikums.
Zeitlich wird sie etwa um 5000 bis 2750 v. Chr. angesetzt, nach ande-
ren um 4800 bis 3000 v. Chr. Die frühesten Siedlungen erschienen
gleich mit oder nach den Siedlungen der Linienbandkeramischen Kul-
tur.
168
Die Jahrhunderts Dämmerung

Wenn der Tagesstern sanft aufgeht, schläft er ein,


Und wenn das Wasser an den Quellen eine süße Sprache
zu uns spricht;
Je mehr die Dunkelheit wächst, desto teurer wird es uns,
Und in den sternenklaren Abgrund gehen wir mit dem
armen wandernden Gedanken.
Aber wie viele Sehnsüchte kommen dann durch den
Nebel, um uns zu versklaven,
Auf dem Gesicht des Sterns ihr freundliches
Gesicht umreißen ...
Die Erinnerung zeigt uns durch die Kristallträne,
Ein Strauß Trockenblumen, Tage ohne Ideal.
Was die Vergangenheit Gestalt gibt – und dann ruft uns
eine Stimme.
Stimme der schlafenden Welt, gesüßt mit der Sehnsucht
nach der Mutter,
Was von Liebe erleuchtet wird, wo die Sonne
erloschen ist,
Und in der Welt des Nichtseins verkörpert er
bereitwillig das Weinen...

Von fröhlichen Morgendämmerungen bis zu


ewigen Nächten,
Unter einem Himmel ohne Licht bricht das Meer
in Wellen
Und das Leben ist wie ein Boot, das auf dem weiten
Meer schwimmt,

169
Sie gerät in einen Sturm, ohne Plane und Mast...
Die Wiege, deren kleine Wange mit Rosen blüht,
Ein Opfer bereitet den Gierigen Unglück vor:
Und im hellen Morgengrauen, beim Aufkommen
der Jugend,
Oft zerschneidet die Schere des Verlangens die Fäden
des Lebens:
Wenn der Tod den Menschen in einer Welt
der Bitterkeit vergisst,
Auf seinen wirren Bart legt das Alter Kalk:
Die Hieroglyphen des Schmerzes seiner Stirn dienen ihr,
Und die erloschenen Strahlen des Todes trübten sich
traurig in seinen Augen...
Es ist immer noch Staub und Dreck – nichts Gutes,
nichts Stabiles
Eine Welle steigt, eine andere verebbt: und der Schmerz
kommt aufrührerisch;
Das Auge der listigen Liebe ist eine kalte Lichtung,
Und seine buschigen Wimpern werden oft von
den Toten beschattet:

Sein Licht ist zu schwach, um den Menschen glücklich


zu machen:
Dank sind Früchte, die auf der Zunge zergehen...
Das Gute wird wie Brot zum Schluck abgewogen:
Auf den Altären des Lebens hat das Glück keinen
Schutzpatron:

170
Sehen Sie die Ikone der Welt auf einem vom Frost
zerfressenen Feld.
Wo Leidenschaft und Hass die Menschheit erwürgen.

Und wie viele Gerüchte über Bosheit und blinde


Feindschaft,
Es liegt zwischen der Welt, die geht, und der Welt, die
kommen wird!
Was für ein Gesicht mit zwei Gesichtern diese Erde
geworden ist
Wie das Böse selbst an den Rändern des Grabes kriecht!
Wenn der reiche Mann ins Bett fällt, was für ein Aufruhr
unter den Verwandten!
Wenn es ihm gut geht, geht es den Clironomen
schlecht...
Dann siehe, der Tod erfüllt den Rest mit Leben,
Die Lehrer in den Kirchen läuten fröhlich die Glocken;
Mit engelhafter Sanftheit ein Bündel Windungen,
Almosen von Brot und Lamm, gebt den Armen ...
Michele! Unfug! nicht in der Lage sein, Liebe zu finden
Nicht einmal am Rande der Grube, wo Sie Ihr Ziel
Zu erkennen...
Viel Bitterkeit und viel Spott, treffe ein Geschöpf,
Was aus Liebe geboren und von Hass verzehrt wird...
Es gibt keinen Glauben an gute Dinge, jeder verneigt
sich vor dem Silber,
Heute ist ein Rennen das Wort: Mensch für Mensch
zieht er sich heute aus...

171
Den Reichen eine goldene Lampe, den Armen
eine Lampe:
Während einige Leute Sofas haben, haben andere
keine Gitter...
Armut, Armut! Du bist der Spiegel der Zeiten,
See der Klagen, über dem traurig liegt, Weihnachtslied:
Viele sehen dich: Sie bereuen dich, aber alle
betrügen dich...
Auf deinen tiefen Tränen schwebt der fröhliche Reiche ...

Aber vergebens weint und reimt die Leier vor Schmerz,


Denn Böse und Sünde sind weder von heute noch
von gestern:
Wie ein Lehrer auf dem Stuhl können Sie viele
Wörter aneinanderreihen,
Niemand wird dich bemerken, niemand wird
dir zuhören:
Zinsen und Profit regieren diese Erde
Vergebens würde ich versuchen, meinen Geist
in Versen zu zerquetschen.
Gold pflücken, Gold sammeln, denn Gold gibt
ihnen Begierden,
Nicht die Asche der Wolken, nicht die Beute der Sterne;
Sonst bist du Straßenmüll, es gibt nichts Gutes an dir,
Wenn du ihnen das Level zeigst, erklären sie dich
für verrückt ...
Na ja, bei manchen wird es noch schlimmer sein –
beim alten Fuchs
Er wird so tun, als würde er Sie bewundern,

172
sodass es ihm schwerer fällt, Ihnen die Schuld zu geben:
Flüsterer von Beruf, mit Gift in ihren Worten,
Händler, die sogar auf Gräbern mit Lügen handeln,
Sie werden dich von Herzen loben, das werden
sie in jedem Wort finden,
Du hast einen Abendstern oder den Bart eines
Heiligen berührt...

Wahrlich, bezahlt mit Tränen und bitteren Molchen ...


Trauriger Strahl, der über die Grenzen des Geistes reist,
Du bist ein Leuchtfeuer, das das Unglück des Hafens
beleuchtet,
Du bist die Fackel, die das blasse Gesicht der Toten
betrübt...

Verse schreiben, die Sehnsucht vertreiben, deine Trauer


auf der Harfe singen
Warum, wenn das Denken heute als Ware
verkauft wird?
Werden diejenigen, die nicht zuhören, den Vers hören?
Als der Psalm der Ausschweifung, als der betrunkene
Gottesdienst?
Es kommt mir vor, als würde ich den Egoisten und den
Pedanten lächeln sehen
Und von Zeit zu Zeit wirft er einen giftigen Blick zu;
Wenn er nichts zu sagen hat, ertrinkt er im Schweigen,
Und dann nimmt seine Zunge die Form eines Messers in
der Scheide an...

173
Poesie, du lässt mich zittern, du verblüffst mich,
Im Gebrüll brennender Luzifer, wenn du mich entführst:
Und in der Nacht packt mich die Sehnsucht nach dem
ewigen Tod,
Was zwischen mir und dem Leben in der Nacht der
schlafenden Nächte,
Und dann sehe ich mit den Augen des Geistes
die Welten, die den Raum umgeben,
Schnell wie der Wahnsinn im Wahnsinn eines Gehirns:
Wenn dann der Mond wieder herauskommt,
badet die Liebe,
Und es ergießt sich über die Wasser und die Felder,
um es zu verbrennen,
Und zum Chaos der Nacht, die Süße, während
sie wächst,
Von der Erde verdeutlicht die Ikone es zunehmend,
Wie ich sie dann ansehe und ihr mit den Augen folge
In der Sternenbirne leben Sterne, die nicht mehr leben...
Poesie, Poesie, ich kann dir nicht sagen,
wie ich mich fühle:
Du bist süß zu mir und du machst mich bitter ...
Zartes Mädchen, feucht vor Tränen, das Beste von allem,
Du hast einen Charme, der den Brautkuss übertrifft,
Aber wenn die Augen auf die Welt schauen,
wo es keinen guten Feind gibt,
Sie gehen im Nebel der Trauer wie die Sonne unter,
Und dann ergreift mich der neue Tod ohne Neuigkeiten,
Und in der dunklen Wüste, und was ist, ist nicht mehr ...

174
Einige setzen sich vor Tränen und Schmerzpfeilen hin,
Die Weisen, die von Natur aus keine weisen
Männer haben,
Lange Wortketten mit dem Spitznamen Wahrheit,
Ich ziehe den Faden des Urteils an, dünn wie ein Haar,
Und einer Seele die Schuld geben, welche Illusionen sie
nicht mehr hat
Sie holen gekonnt Theorien aus ihren Schubladen.
Derjenige, der den unglücklichen Wein zu trinken sucht,
Schuld daran sind die Gräber und die untergehende
Sonne...
Wo haben sich die Auserwählten gesehen, als ihr Leben
ruhig war,
Ihre Tage zu hassen, wenn andere kein Licht
mehr haben?

Aber ein sanfteres Wunder als du, Poesie,


Es ist die gestreichelte Freude der Kindheit;
Und was im Leben kann uns sehnsüchtiger anziehen,
Wo ist in der ganzen Trauer das Glück nicht ganz?
Was ist teurer, teurer zu Hause, riecht nach Kind,
Wenn der Kleine auf den Armen kriecht,
Er berauscht dich mit seinen unverständlichen Worten,
Das Geschwafel der Eltern kann leicht verstanden
werden...
Und dann, wie viele Träume, für die du keine
Worte hast,
In einer fernen Zukunft schwebe ich vor dir,
Zwischen Flüssen aus Licht und klaren Feldern,

175
Wo Tränen fließen, wo keine Qual entsteht,
Dort in der Entfernung des Geistes, die auch
an den Sternen vorbeigeht,
Ganz oben in deinen Gedanken siehst du diese Wunder,
Welcher menschliche Verstand könnte sie nicht finden,
Wäre da nicht die Sehnsucht und Liebe eines Elternteils.
Aber welches Schicksal erwartet Sie, liebe blühende
Setzlinge heute?
Wie werden Ihre Tage sein, bewölkt oder sonnig?
Gerüchte über entfernte Stimmen, immer lauter
Man hört sie – sie kommen von der aufgehenden Sonne
herbeigestürmt:
Das Zeitalter ist zu Ende – mit neunzehnhundert
Bald werden wir ankommen; die Tatsache des Tages
dämmert,
Und er bereitet der jungen Frau viele große Taten vor.

Zukünftige Menschheit, was mit dem weisen Verstand,


Und mit stählernen Armen wirst du vortreten,
Viele Taten, die heute gewebt wurden, werden Sie
in Zukunft weben,
Du, wenn du der Welt die Kerze der Gerechtigkeit
anzünden wirst...

Wie schön, wie großartig! Es wird der Tag


des Sieges sein,
Der Tag, an dem die Herrschaft des Geistes
auf Erden sein wird;

176
Dann werden Ruhe und Frieden so viele
Gnaden bringen,
Wie viel bringt nun die Beute: Leiden und Bitterkeit...
Und das Licht wird mit dir sein, wenn du in
den schwarzen Gräbern bist
Schwarze Sünden und Müll heiliger Reliquien
werden schlafen...
Zum Wohle der Menschheit werden sie immer
wieder kommen,
Auf den Flügeln der Wissenschaft das Erweichen
der Gedanken,
Und mit weniger Arbeit wird die Wolle fruchtbarer sein,
Wenn großartige Eröffnungen der Welt helfen werden ...
In einem Jahrhundert ohne Leidenschaften wird
kein Staub mehr zurückbleiben,
Von Schmerz, von Sklaverei, von Ruin und Raub...
Für immer die Blume des Glücks, auf Erden
wird sie blühen,
Wenn wir in der Welt der Gedanken sind,
Werden die Gedanken Sonne sein.

177
Sonnenuntergang

In Purpur und Gold geht die heilige Sonne unter,


Er schickt Küsse zu jeder Blume;
Der Sonnenuntergang funkelt in goldenen Strahlen,
Und das blaue Wasser wird rosig.

Auf der Insel mit Seerosen, auf hohem Schilf,


Zwei Pressen werden gespielt, zwei Pfützenflieger;
Oben fliegen sie, die Enten ziehen in einer Reihe vorbei;
Der Nörgler dreht sich und schreit immer wieder.

Der Himmel ist ruhig und klar, kaum der Wind weht,
Und das Schilfrohr am Teich bewegt sich, sprießt;
Ameise unter dem Wasser eine Reihe kleiner Fische,
Der Sonnenuntergang blickt mit funkelnden Augen an.

Ein grüner Frosch springt aus dem grünen Lila,


Und auf dem Wasserspiegel entsteht ein großer Kreis, -
Und der Kreis wächst immer weiter – dann unbewusst
Es verschwindet in einem goldenen Lichtstrahl.

Aber was ist zu hören, Stimmen, aus dem Becken? -


Durch die Sonnenstrahlen wird es plötzlich sichtbar
Zwei Waben des Lebens, zwei liebende Knospen,
Zwei weiße Kinder mit Brüsten aus weißen Blumen.

178
Die schönen, fröhlichen, lachenden Kinder,
Ich ziehe die Fische an Land in die Sonne,
Und das Wasser spiegelt blaue Freuden wider,
Die blauen, weißen Formen, - Kinder Seraphim.

Ihre nassen Hemden kleben an ihren Brüsten;


Sie sind unter dem weißen Stoff versteckt
Süße Formen der Liebe, runde Träume,
Schätze der Schönheit, des weißen Glücks.

Und die Sonne dringt durch das dünne Leinen,


Zu dem Bauch, der junge Beeren der Liebe trägt;
Er legt goldene Blumen auf die Brust der Kinder,
Und warm und süß küsse ihre Augen.

179
Die Enterbten

Soweit das Auge über die Felder reicht, für wen die
Pflüge pflügen,
Für wen sucht man nach Gold in verschiedene Kunst
Handwerken?
Arbeit bringt viel Nutzen – sie kommt allen zugute;
Und bei alledem ist die Welt nicht gut, es gibt keinen
Frieden...
Heute schaffe ich mit losen Armen so viele Ziele,
Zwischen den beiden Polen herrscht also ein Mangel...

Da der Fuchs auf der Tribüne die Stimme eines Redners


annahm,
Schmeicheln Sie der Güte der schlafenden Menschen,
Viele, voller großer Not und erdrückender Mühe,
Ohne einen Tropfen Wasser sterben sie auf fruchtbaren
Feldern,
Das Geld, das in der Truhe vergraben ist, nutzen die
Armen nicht,
In der Scheune sammelt sich Mais: Viele Kleidungsstücke
bleiben zurück
Unbekleidet, während die zerstreute Arbeitsherde,
Solange er lebt, geduldiger Hunger, ewig nackt
herumlaufen...

Wer kennt die Hütte und das Bittere und den Ärger
Wer sieht die Tränen, die wie Feuer die Wange
verbrennen?

180
Es gibt viele, die ohne Brot und barfuß auf den Straßen
stehen;
Von denen, die für ihren Tod beten, sind es immer
noch viele,
Wenn sie kein Mehl in ihren Säcken haben, wenn sie
keine Asche in ihrem Herd haben,
Was können die Armen sonst noch haben? – nur der
Müll hinter der Tür...
Wie können dann einige alle Vorteile und alles
Gute haben?
Und was würde hundert sättigen, wenn nur einer
satt wäre?

Armut, du bist so alt wie der Hunger ... Du erinnerst dich,


Da Geld gestohlen wird... bin ich sprachlos
Ich habe immer noch nicht genug Tränen,
um für diejenigen zu weinen, die weinen...
Viele Entbehrungen, viele Nöte, der arme Mann erdrückt
ihn fast,
Und er hat von der Wiege bis zur Grube keinen
guten Tag;
Und täglich regieren die Juristen, die den Tribun leiten,
Auf dem Papier geben sie uns Regeln und sorgen
für Gerechtigkeit...
Sie schütten ihr Herz und ihren Verstand aus und spielen
die Bande der Brandstiftung;
Für sie riecht das Gesetz nach Fleisch und Blut...
.........................................................................
Für Amt und Gunst, wie ein Hund für einen Knochen,

181
Ein Politiker neben der Wahlurne bellt nutzlos ...
Aber vergeblich versuchen Tränen aus dem Stein
zu quetschen,
Denn jetzt weiß die Welt zum hundertsten Mal,
dass er bellt...

Mit einer glatten Ebene, da der Staub nicht sät,


Selbst der Meister gerät nicht in Konflikt mit dem Volk...

Veraltete Gesetzgebung, du gibst den Armen die Schuld,


Was für ein Tag großer Not, zerrissen vom Hunger,
der den Sack zerreißt,
Aber lassen Sie den Pravalisten denken: der Arbeiter,
der arbeitet
Den ganzen Sommer über beim Meister, was isst
er im Winter?
Ihre bezahlte Arbeit ist eine Nervensäge;
Die Reichen, die Armen in Gedanken, aus Mais –
gibt ihnen Pellagra...

Was nützt der arme Mann im Krankenhaus der


Wissenschaft...
Wofür braucht er das Leben? – Herr Doktor, zum Tier
Teile es und untersuche es, denn in dem Dienst,
den du berufen bist,
Nicht um die Armen zu heilen, sondern um die
Reichen zu heilen!

182
Was bekommt ihr armen Schmiede für eure Arbeit?
Für die Truhe, in der der Wucherer sein Geld sammelt?
Ihr Pflüger ohne Feld, warum sät ihr?
Und bringst du durch deine Arbeit das Brot hervor,
dass du nicht isst?
Der menschliche Arm ist der billigste Arm: heute, du
Du zahlst nicht halb so viel wie das Ochsenpaar...

Tagelöhner, Mangel an Sommer, du Bauernprostituierte,


Beim Meister arbeitet man ein paar Tage im Jahr;
Dann, an heiligen Sonntagen, dreht sich dein Kopf,
Wenn der Priester dich mit „Gott sei gnädig“
mit Lügen schneidet...
.........................................................................................

Arbeitet, freie Männer, wie einst der Sklave arbeitete,


Stein auf Stein legen, große Schweißer vergießen
so viel wie das Korn;
Wurzeln Sie den Palast der Wissenschaft, bauen
sie Schulen für Bojaren,
Was würden nur die Bauern und die alte Frau finden,
dass sie Cousinen sind...

Komm Kraft, errichte eilig die riesige Kaserne,


Und hochmütige Städte für bewaffnete Männer,
Was soll das Hackmesser sein,
Wenn die Gallonen den heftigen Geschmack
von Mord bekommen.

183
Glücklich ist, wer dem Krieg ohne Beine entkommt:
Der König gibt ihm statt Brot das Ehrenkreuz...

O ihr Lehrer der Lügen, ihr christlichen Meister,


Welche gekreuzigten Scharen weben Dornenkronen,
Wenn du Krallen hättest wie ein Tier, wenn du hungrig
wärest wie ein Hund,
Welche Schulden sollen die Freigelassenen versklaven?
Lege ihnen nicht schwere Lasten auf die Schultern
wie Vieh,
Höre mit deiner Bosheit auf, denn du führst sie
in Versuchung...

Ihr Dichter, was für leere Reime ihr immer


aneinanderreiht
Und bete deine Oden an, wenn sie an einige heilige
Bastarde gerichtet sind,
Wenn dann der große Befehlshaber über die Mörder...
Zu deiner traurigen Feder besudelt der Tagesstern;
Und der arme Mann, der dich mit seinem rechten
Schweiß ernährt,
Sprengen Sie Ihr Bild von Dienergeschöpfen,
Wer lobt in menschlichen Versen die Ströme ...
Edle Frauen, wenn du das Kleidungsstück mit Düften
bestäubst,
Weißt du, wie viele Tränen du vergisst?
Aus dem trostlosen und unglücklichen Witwenhaus,
Wissen Sie, wie viel Brot der Seidenfleck stiehlt?

184
Sagt, ihr Idole der Kimbern, was euch auf der Brust liegt
Mit schneidigem Stolz trägst du Gold und
kostbare Dinge,
Wie viele mühsame Arme zieht die Hand
deines Dieners?
Sag, diplomatischer Fuchs, Frettchen, welchen
Mann zerstörst du?
Wie lange wird es noch Kriege auf der Welt geben,
Und auf der menschlichen Ladefläche der mörderische
Kugelregen?
Götter, Feinde des Lichts, ihr, was zwischen
Erde und Sonne,
Stehen Sie wie Wolken der Trauer, dunkle Völker
Mit deiner Ungerechtigkeit und Härte –
du weißt es nicht,
Dass die Rinder im Schoß der Mutter eine Zeit
lang einander ähneln?
Aber Vieh und Menschen, was kümmert es dich? –
wenn heute alles
Gefällt es dir, wenn nur die Toten frei von der
Arbeit sind?
Die Erde fürchtete sich vor solch einer Freundschaft;
Für Mensch und Vieh gibt Eisen immer noch eine Kette.
Denn die Macht ist ein Handwerker, sie hat
ihr schreckliches Gesetz gemacht,
Danach weiß er wie Vieh, wie er dich fesseln kann ...
Und dann sage ich, Rücksichtslose, dass ihr frei
leben könnt

185
Du bist - oh, was für leere Worte... du bist frei –
zu sterben...

Die Stimme der Armut heult wie ein trauriges Lied ...
Höre, wie er dich tadelt und seine Wunden zeigt;
Dieses Birkin des Schmerzes – Gesicht aus
nebliger Lebenskraft,
Er kommt mit Messern auf dich zu und knurrt wütend
aus seinen Augen!
Fragen Sie nicht nach Ihren Werkzeugen, fragen Sie nicht
nach Ihren Waren,
Er will auch nicht Herr sein über Schwerter,
über Kanonen,
Er strebt nicht nach Ruhm mit seiner scharfen Satire,
Keine Kronen, die auf langen Maultierohren gut
aussehen...

Schreier, blinde Instrumente, was für eine Maschine


bist du geworden,
Nur dass deine Herren in Frieden leben...
Du, was für Trancen, faden Seidenstoff,
Und als Kleidungsstück nur Lumpen von sich selbst;
Du, welchen geschnitzten Marmor bereitest du
für Paläste vor;
Ihr Arbeitsnarren, was für großartige Kerker ihr baut,
Wie in ihnen, auf dem Müll, wirst du bitterlich
schmelzen...
O Kelche der ganzen Gilde, wie speist ihr alle
Gesättigten,

186
Und ehrst du die Unehrlichen, die Krüppel
und die Lahmen?
Wissen Sie nicht, wie schwach die Frommheit ist?
Machen Sie Ihren Kopf frei, wägen sie
Ihre Gerechtigkeit ab.
Hundert, wie lässt du einen, deine Arbeit, ihn fressen,
Und du, wie lässt du dich von den Hundert
vor Schmerz überwältigen?
Nun, was verwandelt sich Ihre Tochter in ein Fleisch
der Lust?
Während sein Busen ihre ausschweifende Frau befleckt,
Ich nehme das Brot, das deine Knochen und
dein Blut nährt,
Und du bleibst, sei geduldig... und der schreckliche
Magenhunger packt dich...

Wenn ich durch die Erde streife, ihre dunklen Wälder,


Ich würde nirgendwo etwas finden: arme Wölfe
und reiche Wölfe...
Zähle dich, der du das Nötigste auf deinen
Schultern trägst,
Wie viele Leben sind leer – sehen Sie Ihre Zahl;
Es gibt zehn davon, es gibt hundert, es gibt tausend
und mehr...
Aber eure Unterdrückten: Millionen sind barfuß!
Ozean der Armut, der Bitterkeit und Dunkelheit,
Wenn du deine eigene Macht hast, warum stehst
du dann wie ein Bastard da?

187
Wenn du eine Seele bist, wenn du eine Nummer bist,
Warum denkst du dann noch?
Vorwärts, vorwärts ihr, hungrigen Millionen!

188
MIHAIL EMINESCU
1850-1889

Mihail Eminescu, der in Rumänien überaus verehrte ro-


mantische Dichter, wurde 1850 in Ipotești, einem Dorf
nahe der moldauischen Stadt Botoșani, als siebtes Kind
eines Gutsbesitzers, als Mihail Eminovici geboren. Er be-
suchte die deutschsprachige Hauptschule und später das
deutsche Obergymnasium in dem zur k. u. k. Monarchie
gehörenden Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina.
Einer seiner Lehrer war Aron Pumnul41, ein rumänischer
Sprachforscher, der aufgrund seiner revolutionären Ideen
aus Siebenbürgen emigriert war und nun seine Schüler,
darunter auch den jungen Eminescu, von der großen Be-
deutung der rumänischen Kultur und Sprache über-
zeugte. Obwohl Eminescu die Bücher der Bibliothek ver-
schlang, hatte er einige Schwierigkeiten, sich an die erfor-
derliche schulische Disziplin anzupassen. Gerade vier-
zehnjährig, schloss er sich einer Truppe von Wander-
schauspielern an, von deren unkonventioneller Lebens-
weise er begeistert war. Er betätigte sich als

41
Aron Pumnul (* 27. November 1818 in Cuciulata; † 24. Januar 1866
in Czernowitz) war ein österreichischer Rumänist. Pumnul wuchs in
Siebenbürgen auf. Er studierte in Blaj und Klausenburg und wurde
1843 Gymnasiallehrer in Blaj. Ein Stipendium ermöglichte ihm ein Zu-
satzstudium in Wien. Als Teilnehmer der Rumänischen Revolution
von 1848 in Siebenbürgen musste er fliehen. Er ging nach Czernowitz
und war dort für den Rest seines Lebens der erste Lehrer für Rumä-
nisch am k.k. I. Staatsgymnasium Czernowitz. Zu seinen Schülern ge-
hörten Karl Emil Franzos und Mihai Eminescu.
189
Rollenabschreiber und als Souffleur bei den dargebote-
nen nationalen Theaterstücken oder schlug sich mit Gele-
genheitsarbeiten durch. 1866 veröffentlichte er zum ers-
ten Mal das Gedicht De-aș avea (Wenn ich hätte) in der
rumänischen Zeitschrift Familia (Die Familie), die in Buda-
pest von Josif Vulcan herausgegeben wurde, unter den
Namen Mihail Eminescu. Unter diesen Namen (Pseudo-
nym) veröffentlichte alle seine Werke.
1869 gelang es dem Vater, seinen Sprössling aufzuspüren
und ihn kurzerhand in die Metropole Wien zu schicken,
um dort ein Philosophiestudium zu absolvieren. Davon
war Eminescu durchaus angetan, konnte er doch nun un-
gehindert seinen Wissensdurst stillen und wurde sogar
noch finanziell vom Vater unterstützt. Er las in dieser Zeit
viele historische und philosophische Texte, wobei ihn be-
sonders Arthur Schopenhauers Die Welt als Wille und Vor-
stellung beeindruckte und ihn zu etlichen Gedichten in-
spirierte. Der Pessimismus und die Misogynie Schopen-
hauers sind vollauf präsent in Eminescus dichterischem
Werk, auch die Auseinandersetzung mit fernöstlichen Re-
ligionen (wie z.B. in Kamadeva) hat ihren Ursprung in der
Wiener Studienzeit. Er konnte die Vorlesungen nur als
Gasthörer besuchen, da ihm das Abitur fehlte, erlebte da-
für aber eine künstlerisch sehr fruchtbare Periode. 1870
veröffentlichte er in der Zeitschrift Convorbiri literare (Li-
terarische Gespräche), die in Iaşi von dem Literaturkreis
Junimea (Die Jugend) herausgegeben wurde, das Gedicht
Venere si Madonă (Venus und Madonna) und erhielt viel
Anerkennung von den Teilnehmern des Junimea-Kreises,

190
vor allem von dem erfolgreichen Politiker Titu Maio-
rescu42, der auf die Förderung rumänischer Kultur und
insbesondere Literatur sehr großen Wert legte, um damit
die Konsolidierung des jungen rumänischen Nationalstaa-
tes voranzutreiben. Von nun an hielt Maiorescu eine
schützende Hand über Eminescu, der aufgrund seines
großen sprachlichen Talents genau den Anforderungen
an einen "Nationaldichter" zu entsprechen schien. In al-
len schwierigen oder ausweglosen Situationen erhielt
Eminescu ein Leben lang von Titu Maiorescu Unterstüt-
zung. Von 1871 bis 1874 studierte Eminescu in Berlin,
nun, nachdem er aus Botoșani einen Abiturnachweis er-
halten hatte, als ordentlicher Student. In diesen Jahren
war der Einfluss der deutschen Kultur auf seine Geistes-
haltung und seine künstlerische Aktivität enorm - neben
philosophischen und historischen Texten las er deutsche
Literatur, vor allem deutsche Lyrik. In Straßencafés sit-
zend, kopierte er aus Tageszeitungen Gedichte, über-
setzte sie, dichtete nach, bearbeitete und verarbeitete
deutsche Texte und übernahm davon ins Rumänische al-
les, was ihm interessant erschien. Daher ist es nicht ver-
wunderlich, dass etlichen seiner Gedichte deutsche Origi-
naltexte zugrunde lagen - inwieweit es sich jeweils um
Übersetzungen oder um Bearbeitungen im Rumänischen
handelt, ist bis heute in der Rumänischen

42
Titu Liviu Maiorescu (* 15. Februar 1840 in Craiova; † 1. Juli 1917
in Bukarest) war ein rumänischer Rechtsanwalt, Literaturkritiker,
Schriftsteller, Philosoph und Politiker, als solcher war er unter ande-
rem rumänischer Ministerpräsident von 1912 bis 1914.
191
Literaturwissenschaft sehr umstritten. Feststeht, dass der
Einfluss der deutschen Literatur auf Eminescus Werk von
großer Bedeutung ist. Er veröffentlichte in der Zeitschrift
Convorbiri literare häufig Gedichte, stand in engem Kon-
takt zu den Junimea-Mitgliedern, vor allem zu Titu Maio-
rescu. Dieser hatte bereits einen Lehrstuhl für ihn an der
Universität in Iaşi vorgesehen, doch Eminescu kehrte
1874 ohne ein Examen, geschweige denn einen akademi-
schen Titel, zurück und lehnte eine Vollendung des Studi-
ums in Berlin aus angeblich familiären Gründen ab. Maio-
rescu verschaffte ihm die Stelle als Direktor der Zentral-
bibliothek. 1875 entflammte in Eminescu die Liebe zu Ve-
ronica Micle, einer äußerst attraktiven, doch verheirate-
ten jungen Frau mit literarischen Ambitionen. Er war nun
Schulrevisor für Iaşi und das benachbarte Vaslui, wurde
aber schon bald dieser Funktion enthoben und arbeitete
darauf als Redakteur für die Lokalzeitung Curierul de Iaşi
(Iașer Kurier). 1877 zog Eminescu nach Bukarest und en-
gagierte sich bei der Zeitung Timpul (Die Zeit) als Redak-
teur, wobei er fast alle Artikel selbst schrieb, was ihn auf
Dauer sehr anstrengte und seine Kräfte aushöhlte. Er tat
sich in dieser Periode besonders durch seine politischen
Artikel hervor, die seine nationalistische und xenophobe
Einstellung zum Ausdruck bringen (eine sehr aufschluss-
reiche Studie zur politischen Einstellung Eminescus
schrieb Klaus Heitmann). Daneben entstanden viele Ge-
dichte, Eminescu war auch auf künstlerischer Ebene sehr
produktiv, nur im privaten Bereich war im das Glück nicht
zugetan: Veronica Micles Ehemann war zwar 1879

192
verstorben, doch Eminescu konnte sich nicht zu einer Hei-
rat mit Veronica entscheiden - ob aus Angst vor den bür-
gerlichen Verpflichtungen, die eine Ehe mit sich bringen
würde, oder aus Zweifeln an der Dauerhaftigkeit seiner
Beziehung zu Veronica, man kann dazu nur Vermutungen
anstellen. Tatsache ist, dass der pessimistische Ton in sei-
nen Liebesgedichten von nun an stark zunahm, die So-
nette, die zu jener Zeit erschienen, sind erfüllt von Hoff-
nungslosigkeit und Enttäuschung. Ebenso strahlen die
ersten vier Briefe (Scrisori) (1881) viel Sarkasmus und Pes-
simismus aus, und auch der Abendstern (Luceafărul)
(1882) bringt eine eher negative Sicht der Frau als Liebes-
partnerin zum Ausdruck. Inwieweit bei diesem Aspekt die
persönliche Lebenserfahrung Eminescus mit der angele-
senen philosophischen Einstellung Schopenhauers über-
einstimmte, wie weit sie sich vielleicht überlagerten, lässt
sich schwer sagen. Feststeht, dass Eminescu an einer in-
neren Zerrissenheit litt, sich aufrieb in einer literarischen
Akribie, seine Gedichte immer wieder sprachlich überar-
beitete, einzelne Strophen verwarf, andere hinzufügte,
sich schwer durchringen konnte zu einem Definitivum
und zu guter Letzt viele Manuskripte, die er zum wieviel-
ten Male verändert hatte, einfach verschlampte, so dass
sie in seiner Unordnung untergingen. Aus diesem Grund
gibt es von den meisten Gedichten etliche Versionen, die
sprachlich brillant ausgefeilt sind, wobei es jedoch zu kei-
ner definitiven Entscheidung Eminescus für die eine oder
andere Version kommen konnte, da sich bereits 1883 die
ersten Symptome seiner Geisteskrankheit zeigten. Man

193
internierte ihn für einige Zeit in einer Klinik, und Titu Mai-
orescu kümmerte sich um die erste Buchausgabe Emine-
scus, die schließlich zum Jahreswechsel 1883/1884 mit
seinem Vorwort erschien (Mihail Eminescu – Poesii). Es
gelang ihm, Eminescu davon zu überzeugen, dass sein
Krankenhausaufenthalt vom Erlös des Gedichtbandes be-
stritten wurde, um seinen Stolz nicht zu verletzen. 1884
starb der Vater, einer seiner Brüder beging Selbstmord.
Eminescu unternahm eine Genesungsreise nach Nordita-
lien in Begleitung eines gewissen Chibici, nach seiner
Rückkehr arbeitete er kurz als Hilfsbibliothekar in der Bib-
liothek, deren Direktor er einst gewesen war, danach
musste er erneut interniert werden. Der Gedichtband
wurde zum zweiten Mal aufgelegt. Die bibliothekarische
Hilfstätigkeit wechselte sich in den folgenden Jahren mit
Krankenhausaufenthalten ab. 1888 erhielt Eminescu eine
staatliche Unterstützung, damit er ungehindert einige
Manuskripte fertig stellen konnte. Immer wieder veröf-
fentlichte er neue Gedichte, die in den meisten Fällen
Überarbeitungen früherer, bisher unveröffentlichter Ge-
dichte waren und schließlich auch in der dritten Auflage
seines Gedichtbandes erschienen. Ebenfalls in diesem
Jahr holte ihn Veronica Micle nochmals für einige Zeit zu
sich nach Bukarest, doch bereits im Februar 1889 musste
er erneut ins Krankenhaus. Ob seine Geisteskrankheit er-
blich bedingt war (in seiner Familie gab es mehrere Fälle
von geistiger Verwirrung) oder ob er unter den Spätfolgen
einer syphilitischen Infektion litt, kann bis heute nicht ein-
deutig geklärt werden. Schließlich starb Eminescu in der

194
Nacht zum 15. Juni 1889 in einem Bukarester Sanatorium.
Im selben Jahr verstarb auch Veronica Micle. Eminescus
dichterisches Werk setzte Maßstäbe für die weitere Ent-
wicklung der rumänischen Literatursprache. Er schrieb in
einer noch heute modernen Sprache, deren Orthographie
sich zwar zwischenzeitlich mehrmals änderte, lexikolo-
gisch ist sie aber keineswegs veraltet. Wie bereits be-
schrieben wurde, erstellte Eminescu meist mehrere Ver-
sionen seiner Gedichte, die er immer wieder veränderte
und sich selten für eine definitive entscheiden konnte.
Nach seinem Tod kamen noch viele andere, bisher unver-
öffentlichte Gedichte zutage.

195
196
Mortua est!

Auf taufeuchten Gräbern ein Lichtchen entschimmernd,


In heiligen Stunden ein Glöckchen verwimmernd,
Den Flügel in Bitternis schleifend, ein Traum,
So giltst du hinüber aus irdischem Raum.

Du glittest hinüber in heitere Himmel


Mit Flüssen von Milch und mit Blumengewimmel,
Wo düstern Palästen die Wolkennacht gleicht,
Die waltenden Mondes Gefunkel bestreicht.

Entschwebend als glänzender silberner Schatten,


Die Flügel entfaltend zu himmlischen Matten,
Klomm aufwärts die Seele auf wolkigem Pfad
Durch Güsse von Strahlen, im Sternschnuppenbad.

Ein Strahl trägt dich aufwärts, Gesang ist’s, der leitet;


Fromm hast du die Arme in Kreuzform gebreitet,
Die Zauberin Zeit schafft am Webstuhl der Nacht,
Die Wasser sind Silber, mit Gold Luft bedacht.

Und während die keusche, die Seele, entgleitet,


Erblick’ ich im Sarge den Leib hingebreitet,
In langem Gewande, erfroren und bleich;
Das Lächeln nur lebt noch, wie gestern so weich –
197
Da regt sich verzweifelt die Frage, die wilde,
Wie kommt’s, dass du tot bist, du Engelsgebilde?
Du warst doch so jung noch, du warst doch so schön!
Welch Stern hast gelöscht du in himmlischen Höhn?

Vielleicht tun da oben sich goldene Bogen


Dir auf, von den Sternen um Schlösser gezogen,
Auf silbernen Brücken bei Blumengesang
Gehst du über Flüsse von Feuer den Gang.

Sollst Einzug halten mit leuchtenden Blicken


Und steigst auf den Thron zu erhabenen Geschicken
In bläulichem Kleide, von Golde durchwirkt,
Das Antlitz, das bleiche, vom Haarkranz umzirkt.

Der Tod ist das Chaos des Sternmeeresraums,


Das Leben nur Sumpf des begehrlichen Traums;
Jahrhundert mit Blumen und Sonnen der Tod,
Wenn Leben ein Märchen von Armut und Not. -

Vielleicht... oh! im Hirn ist ein Schwanken,


Ein Wanken, im Bösen löschen die frommen Gedanken...
Wenn Sonnen erlöschen, und Sterne die Bahn
Verlassen, kann ich nur glauben, dass alles ist Wahn.

198
Das Himmelsgewölbe kann splittern und knicken,
Das Nichts uns mit nächtlichen Schwingen ersticken,
Verdunkeltes All lässt die Welten verwehen,
Im ewigen Tode vergänglich vergehen...

Wenn dies dann der Schluss ist wird nie mehr von Leben,
Von neuem, beseelt, sich der Busen dir heben,
Auf ewig verstummt ist der liebliche Mund...
Dann war dieser Engel nur irdener Grund.

Und dennoch, du Erde so schön, tot und karg,


So lehnet zersprungen die Harfe am Sarg
Die Klage bezwingend, lobpreisen nur kann
Ein Strahl, der dem irdischen Chaos entrann.

Noch niemand gab Antwort: Ist Sein oder Nichtsein


Erwünschter... Doch wissen wir, soll denn Gericht sein,
Ja alle, was nicht ist, das fühlt keinen Schmerz,
Und Schmerzen nur, selten fühlt Freude das Herz.

Das Dasein? Ist sinnlos, ist traurige Lüge;


Denn Auge und Ohr ist drauf aus, wie’s betrüge;
Heut ist Offenbarung, was morgen nur Schaum.
Weit besser das Nichts als ein sinnloser Traum.

199
Verkörperte Träume auf Jagd hinter Träumen,
In Gräbern verschwindend, die alles umsäumen,
Wie töte ich mein Denken? Womit? Gebt mir Rat:
Mit Lachen? Mit Fluchen? Mit Weinen? Mit Tat?

Wozu?... Ist nicht alles nur Unsinn? Dein Sterben,


Engel, war es nötig? Was nützen die Scherben?
Der Sinn dieser Welt? Du, die das Lächeln umschwebt,
Um so zu vergehen, hast du dazu gelebt?

Solch Sinn ist ein Unsinn, ist Lästerung und Spott,


Schrei, bleiches Gesichtchen, es gibt keinen Gott.

200
Blaue Blüte

- Hast du dich vertieft vergebens


In den Himmeln, Wolken, Sternen?
Sollst dich nicht von mir entfernen
Du, die Seele meines Lebens.

Sonnenströme, dunkle Meere


Und des Ostens Ländermassen
Willst du mit Gedanken fassen,
Doch damit füllst nicht die Leere;

Und die alten Pyramiden


Hoch empor ihr Haupt erheben -
Nicht zur Ferne sollst du streben
Liebster, such dein Glück hienieden!

Also sprach die Liebste weise,


Fuhr mir schmeichelnd durch die Haare.
Ach! Wie recht, das ist das Wahre;
Sagte ich und lachte leise.

- Komm zum Wald, den Licht durchflittert,


Wo zum Tal hin Quellen klagen,
Wo in tiefen Abgrund schlagen
Felsgesteine, sturmverwittert.
201
Dort im Blick der Lichtung Schwelle,
Sitzen wir am klaren Weiher
Und durch Brombeerblätter Schleier
Schauen wir zur Himmelshelle.

Dann erzählst du Lügenmärchen


Sprudelnd süß aus deinem Munde
Und Maßliebchen gibt mir Kunde
Ob auch du mich liebhast, Närrchen.

Und vom Sonnenstrahl durchdrungen


Werd’ ich rot und apfelbunt
Mit dem Haar halt ich den Mund
Dir zugedeckt und festumschlungen.

Solltest du mich aber küssen


Niemand würde es je sehen,
Denn ich kann den Hut hindrehen -
Na und, man wird’s leiden müssen!

Hat der Mond mit seinen warmen


Strahlen diese Sommernacht durchdrungen
Hält dein Arm mich fest umschlungen,
Ich, dein’ Nacken in den Armen.

202
Und den Pfad zum Dorfe nieder
Schreiten wir auf Laubes Gange,
Tauschen wir wie Blüten bange
Heimlich Küsse wieder, wieder.

Auf des Hauses Schwelle bleiben


Stehen wir, plaudern noch im Dunkeln,
Lassen wir die Leute munkeln;
Wen geht’s an, dass wir uns lieben?

Noch ein Kuss - sie war verschwunden...


Und ich stand erstarrt alleine!
So verrückt und schön bist meine
Blaue Blüte, alle Stunden!
.......................
Du bist fort, tot ist die Liebe
Und erloschen längst, was glühte -
Blaue Blüte! blaue Blüte!...
Traurig ist das Weltgetriebe.

203
Der See

Blauer See in Waldestiefe


Wo die Wasserrosen ranken,
Beben Wellen aus der Weite
wird ein Boot auf ihnen schwanken.

Und ich wandle an dem Ufer


Horchend, wartend, weiter schreitend,
Dass sie aus dem Schilf erscheine
Sehnsuchtsvoll die Arme breitend;

Lass ins kleine Boot uns springen


Und von Wasserstimmen leiten
Bis das Ruder ich verliere
Bis die Paddel mir entgleiten;

Dass wir gleiten unterm Mond


Zauber von der Lust umwoben -
Windhauch rausche in dem Röhricht,
Murmeln sollen blaue Wogen!

Doch sie kommt nicht... Einsam sitz’ ich


Während in mir Leiden brüten
An dem blauen See, am Ufer,
Voller Wasserrosenblüten.
204
Einsamkeit

Nieder ließ ich die Gardinen,


Sitz’ am Tannholztisch allein,
Flackernd brennt das Ofenfeuer,
Träume spinnen still mich ein.

Schöne Bilder ziehn in Schwärmen


Über mich, es zirpt und weckt
Mich Erinnerung als ein Heimchen
In Ruinen schwarz versteckt,

Oder fällt als Trost zerstäubend


Auf das Herz, das traurig klopft,
Wie die Kerze auf den Heiland
Füße schmelzend niedertropft.

In des Zimmers Ecken haben


Spinnen sich ihr Netz gewebt,
In dem Bücherhaufen rascheln
Mäuse, dass er leise bebt.

Auf zur Zimmerdecke blickend,


Fühl’ ich wohlig diese Ruh’,
Höre, wie sie in den Büchern
Mir am Einband nagen, zu.
205
Ach! wie oft schon wollt’ ich hängen
Meine Lyra an den Nagel
Und beenden alle Dichtung
Und entfliehn dem düstren Hagel;

Doch dann zirpen Grillen, Mäuschen


Tänzeln scheu im halben Licht,
Bringen auch die Schwermut wieder,
Und die Schwermut wird Gedicht.

Und bisweilen... allzu selten...


Wenn die Lampe nächtlich strahlt,
Mag das Herz mir fast zerspringen,
Wenn es an der Pforte hallt...

Ja, sie ist es. Leer das Zimmer


Mir nun plötzlich voll erscheint
An der schwarzen Lebensschwelle
Der Ikone Lichtkranz scheint.

Doch es ärgert mich unsagbar,


Dass die Zeit so schnell verfliegt,
Wenn ich turtle mit der Liebsten
Und mein Mund auf ihrem liegt.

206
Page Cupido

Page Cupido, der Bengel,


Ist verzogen, schlimm und schlau,
Tollt mit Kindern, aber steigt auch
Keck ins Bett der schönsten Frau.

Und das Licht ist’s, dem als Dieb er


Seine ganze Feindschaft schwor,
Leis im Finstern tastend, klettert
Nachts zum Fenster er empor;

All sein Reichtum ist ein großes


Schleifensammelsurium...
Willst du keine, gibt er gerne,
Und versagt sie, flehst du drum.

Suchst du Wahrheit nachts im Buche,


Drin ein Mottenvölkchen lebt,
Hat ein blondes Haar er heimlich
Zwischen Blättern eingeklebt.

Unreif jugendlicher Seele


Weckt er dumpfer Ahnung Drang,
Mit verführerischen Bildern
Sie umgaukelnd nächtelang.
207
Hat sich in dem Mädchenbusen
Kaum der leise Trieb geregt -
Ist’s der Schlimme, der zum Schlafen
Sich zum Turteltäubchen legt.

Lächelnd zeigt er seine Tücke,


Er, der schüchtern wie ein Kind;
Dessen Augen, wie der Witwe,
Immer liebesschmachtend sind.

Wo er schönen Hals und Schultern,


Weißen, runden Busen fand,
Spielt er den Galan, doch listig
Birgt die Schätze seine Hand.

Aber bittest du ihn artig,


Ist er auch grausam genug,
Jeden Schleier dir zu lüften
Mit gefällig leichtem Zug.

208
So zart...

So zart wie eine Kirschenblüte


Vor meinen Augen lichte sitzt,
Und wie ein Engel voller Güte
Auf meinen Lebenspfade trittst.

Dein Fuß berührt die weiche Seide


Des Teppichs, man hört's kaum,
Von Kopf bis Fuß nur Augenweide
So gleitest du wie leichter Traum.

Wie Marmor wächst du aus den Falten


Des langen wunderbaren Kleids -
Der Traum und Seele fest sich halten
An deinen Augen voller Leids.

Oh, wunderbarer Traum der Liebe


Du Märchenbraut, die ich vermisst,
Sollst nicht mehr lächeln, wenn’s so bliebe,
Zeigt nur noch mehr, wie schön du bist.

Das Auge hast du mir umdüstert


In Ewigkeit mit trauter Nacht
Mit deinem warmen Mund, der flüstert
Und mit dem Arm kalter Macht.
209
Auf einmal kommt dir ein Gedanke,
Ein Schleier trübt der Augen Mut:
Des düsteren Verzichtes Ranke,
Der Schatten unerfüllter Glut.

Du gehst, und wohl hab’ ich verstanden,


Dass ich nicht folge deinem Laut,
Für immer bist du mir entschwunden,
Du meiner Seele ewig Braut!

Dass ich dich sah, kommt mir zu Schulden,


Und niemals hab’ ich’s mir verziehen,
Doch diese Reue muss ich dulden,
Ins Leere streck’ ich Hände hin.

Erscheinen wirst wie die Ikone


Der Ewigen Marie und mehr,
Auf deinem Haupt trägst eine Krone -
Wo gehst du hin? Wann kommst du her?

210
Sonette

I.
Der Herbst ist da...

Der Herbst ist da, die Blätter wehen zu Haufen,


Der Wind treibt schwere Tropfen an die Scheiben;
Vergilbter Hüll’ entnimmst du alte Schreiben
Und lässt dein Leben still vorüberlaufen.

Der süße Kleinkram, der... mag draußen bleiben,


Wer vor der Tür steht; lass’ die Zeit verschnaufen;
Und tröpfelt Schnee und Regen aus den Traufen,
Dann kommen Träume, die den Schlaf vertreiben.

So sitz’ auch ich im Lehnstuhl jetzt und sinne


Dem Feenmärchen nach, dem alten,
Die Nacht umspinnt mit Nebel mich, hält inne;

Da rauscht es hinter mir wie Kleiderfalten,


Ein leichter Schritt, und eh’ ich Zeit gewinne...
Hat ihre Hand mein Auge zugehalten.

211
Sonette

II.
Seit jener Sunde...

Seit jener Stunde heiligem Begegnen


Verging die Zeit, ich kann sie nicht mehr messen,
Doch wie wir liebten, kann ich nicht vergessen,
Lasst, große Augen, kühle Hand, euch segnen.

Ertränkten deine Blicke den Verwegenen


Und machten Liebesworte ihn besessen.
Und wenn die Wolke sich am Licht bemessen,
Wird sie so reichlicher nun Lieder regnen.

In tiefem Schweigen gehen auf die Sterne


Und tiefer Friede gießt sich in die Seele,
So fühl’ ich deinen Frieden nah so gerne;

Und wenn ich mir dein Lachen klug erstehle,


Erlischt der Schmerz des Lebens in der Ferne,
Es jauchzt im Herzen, und es singt die Kehle.

212
Sonette

III.
Wenn selbst die Stimmen...

Wenn selbst die Stimmen müd’ verstummen,


Umwebt mich einer sanften Frommheit Klingen -
Dann ruf ich dich; doch wird mein Ruf dich zwingen?
Wird nicht mehr kalter Nebel dich vermummen?

Der Nacht gib Sonne, der in Blindheit dummen,


Und wird dein großes Auge Frieden bringen?
Du musst, du musst durch ewige Schatten dringen,
Dass ich im Traum dich kommen seh’, im stummen!

Du senkst dich langsam... immer näher nieder,


Du beugst dich lächelnd über mich, den Bangen.
Das war der Seufzer, den dich Liebe lehrte,

So rühr mit deinen Wimpern meine Augenlider,


Schon glaub ich schauernd neu dich zu umfangen -
Du längst Verloren, ewig noch Begehrte!

213
Sonette

IV.
Venedig

Erloschen ruht Venedigs großes Leben,


Du hörst kein Lied, dich lockt kein Licht zu Bällen;
Durchs Prunkportal auf Marmortreppen quellen
Des Mondes Strahlen, an der Wand zu kleben.

Es klagt das Meer auf der Kanäle Wellen...


Das, selbst gewohnt, in Jugendkraft zu beben,
Kann neuen Geist der toten Braut nicht geben
Und muss umsonst um alte Mauern schwellen.

Die Stadt liegt stumm in bangem Kirchhofs schweigen.


Als Priester dient Sankt Markus’ Turm auf Scherben,
Lässt Mitternacht in Unheil tönen steigen.

Und langsam tönt’s, als will der Klang ersterben,


Sibyllenhaft und müde, hohl und eigen:
„Die Toten steh‘n nicht auf, so lass dein Werben!“

214
Sonette

V.
Im Geheimen...

Im Geheimen ist die Leidenschaft gewesen,


Den Lohn schien mir dein Auge zu verbriefen,
Vermeinte ich doch, in seinen dunklen Tiefen
Die Träume ewig wilder Lust zu lesen.

Ich kann nicht mehr. Sie, die nur scheinbar schliefen,


Begierden schreien laut, verlangen Wesen;
In deiner Glut soll meine Glut genesen,
Denn deine Geister sind’s, die wach sie riefen.

Die Lippen brennen mir, es ist ein Leiden,


Wenn sich die fieberkranken Augen heben,
Wie leuchtet deine Haar Flut blond und seiden!

Nicht soll dein Atem Seufzer nur beleben,


Dein Lächeln sich an meinem Rausch nur weiden.
Mach meinem Schmerz ein Ende... du mein Leben.

215
Sonette

VI.
Vergangen sind die Jahre...

Vergangen sind die Jahre wie Wolken ziehen,


Vergingen Jahre, die nicht wiederkehren,
Denn Märchen, Lieder, Rätsel, Bauernlehren,
Die einst dem Knaben den Augenglanz verliehen,

Die, voller Tiefsinn, doch des Sinns entbehren,


Sind bar des Zaubers, drin sie einst gediehen -
Verschwiegene Stunde, da die Lichter fliehen,
Heut kann dein Dämmer nicht den Weg mir wehren.

Soll ich berühren toten Lebens Saiten,


Mit neuen Schauern, Seele, dich entzückend,
Umsonst wird meine Hand darüber gleiten;

Aus Jugendfernen schimmert’s noch beglückend,


Doch ist verstummt der süße Mund der Zeiten,
Was war, das wächst... steht hinter mir erdrückend!

216
Sonette

VII.
So viele Sterne...

So viele Sterne dort am Himmel brennen


Und Wogen hier des Meeres Breite messen,
Wer kann, woher sie sind, wozu und wessen,
Aus ihrem Glitzern, ihrem Schein erkennen.

Sei denn vom Teufel, sei von Gott besessen,


Willst Gutes tun, willst fort vor Schergen rennen,
Auch du wirst Staub, musst dich von allem trennen
Und hinterlässt, wie jeder Mensch: Vergessen.

Sterbe ich nicht schon... da, in des Torwegs Dunkel,


Steht das Gefolge, lauscht den Sterbeliedern...
Ich seh die Fackeln, höre das Gemunkel.

Komm näher, süße Nacht, denn nichts erwidern


Will ich dem Todesengel, dem Gefunkel
Von schwarzen Schwingen trieft und feuchten Lidern.

217
Sonette

VIII.
Das Album

Das Album ist ein Maskenball von Leuten,


Die alle etwas hoch die Nase tragen,
Wer wird auch gleich nach dem Charakter fragen...
Sie reden gern, doch hat’s nichts zu bedeuten.

Auch ich ging hin, noch zweifelnd, sollt’ ich’s wagen,


Mein Untalent in Reimen auszubeuten.
Nun liegt das Blatt auf deinem Tisch, es träumten
Die Musen nicht, es könnt’ ihnen behagen.

Erinnern sollte dich mein Vers — du drücktest


Die Feder einfach in die Hand mir — wie du
Schon manches andre Strohbukett dir pflücktest.

Doch dann verlachst du boshaft alle, die du


Mit schalkhaftem Vergnügen dir entzücktest:
Denn der papiernen Dummheit glaubtest nie du.

218
Oh, Mutter...

Oh, Mutter, liebste Mutter, aus Nebeldunkelheit


Durch Blätterrauschen rufst mich in deine Ewigkeit;
Über die dunklen Schatten der heilig kalten Gruft
Schütteln Akazien Blätter gedrängt von Herbst und Luft,
Die Zweige rauschen leise, als sprächen sie dein Wort...
Sie ewig werden rauschen, du ewig ruhest dort.

Und wenn ich sterb’, Geliebte, so weine nicht um mich;


Den Zweig von unsrer Linde mit zartem Finger brich,
An meinem Haupt mit Sorgfalt den Zweig sollst du
begraben
Und deine feuchten Tränen lass’ auf ihn runterfallen;
Ich werde seinen Schatten empfinden immerfort...
Und ewig wächst der Schatten, ich ruh’ an diesem Ort.

Doch wenn das Schicksal möchte, dass wir gemeinsam


sterben,
Soll man uns nicht begraben in düstern Friedhofserden,
Das Grab man uns schaufle am Baches Ufer Rande
In einen Sarg, Geliebte, uns bette dort im Sande;
An meiner Brust für ewig wirst sein und immerfort...
Der Bach wird uns beweinen, wir ruh’n an diesem Ort.

219
Schläfrig Vögelchen...

Schläfrig Vögelchen zu Neste


Sammeln sich, und nun die Bäume
Bergen all die kleinen Gäste -
Schöne Träume!

Leise seufzen nur die Quellen,


Schweigend ruhen des Waldes Lieben,
doch die Blumendüfte schnellen -
Schlaf in Frieden!

Sich zu Nacht ins Schilf zu legen,


Ziehen Schwäne ihre Kreise;
Schlaf – bald kommen, die dich hegen -
Engel leise.

Und es steigt der Mond in Flammen


Durch der Nächte Märchenträume,
Alles träumt und fließt zusammen -
Schlaf und träume!

220
Und wenn...

Und wenn am Fenster Zweige wehen


Und wenn die Pappeln rauschen,
Ist’s, dass ich dich soll ewig sehen
Dich nähern, mit dir plauschen.

Und spiegeln Sterne sich im See


Erhellend bis zum Grunde,
So ists zu lindern Sehnsuchtsweh,
Gedanken mir gesunde.

Und wenn die Wolken weiter ziehn


Und glänzt der Mond in Blässe,
Dann ist’s, dass ich in meinem Sinn
Ich deiner nicht vergesse.

221
An einsamen Pappeln vorbei...

An einsamen Pappeln ging ich


Doch viel zu oft vorbei;
Die Nachbarn alle kannten mich -
Nur dir wars einerlei.

In dein Fenster vollen Strahl


Blickte ich oft im Stehen;
Die ganze Welt verstand mich mal –
Du konntest nicht verstehen.

Wie oft da harrend hoffte ich


Ein Flüstern von dir leicht!
Ein Tag des Lebens nur für mich,
Ein Tag hätte gereicht;

Nur eine Stunde Freund sein,


Um Liebende zu werden,
Zu hören deine Stimme fein
Die Stunde, und dann sterben.

Hättest ein’ Strahl aus deinem Blick


Mir dann gegeben gern,
Wäre am Himmel ewig schick
Entflammt ein neuer Stern;
222
Dann lebtest in Unendlichkeit
Reihen von vielen Leben,
Nach deinen Armen weit und breit
Würde der Himmel streben,

Ein Bildnis ewiglich geliebt


Wies war zu keiner Zeit
So wie es Feenmärchen gibt,
Der Ewigkeit geweiht.

Denn heidnisch liebte dich mein Blick


Voll Schmerz, mein nimmersatter,
Vererbt von Ahnen, Stück für Stück,
Vom Großvater zum Vater.

Doch heute kein Bedauern weht


Komm seltener vorbei,
Und dass dein Haupt sich traurig dreht
Mir nach, ist einerlei,

Denn heute gleichst du jeder Frau


An Haltung und an Tracht,
Auch wenn ich dir noch mal Nachschau
Mit toten Auges Macht.

223
Es wäre dir vielleicht gelungen
Hättest dem Zauber dich gestellt,
Die Nacht könntest du so entzünden
Als Liebesfackel dieser Welt.

224
Wenn die Erinnerung...

Wenn die Erinnerung zurück


Mich ruft von alten Zeiten,
Auf dem bekannten Weg ein Stück
Werd’ ich wieder mal schreiten.

Hoch über deinem Hause sind


Noch heut dieselben Sterne,
Die leuchteten mit Strahlen lind
Meine Bewegtheit gerne.

Vielleicht das Laubwerk überfliegend,


Erscheint der Mond noch immer,
Der uns, umarmt, ertappte liegend,
Flüsternd in seinem Schimmer.

Da schlossen unsre Herzen Band


Auf Ewigkeit und glühten,
Wenn duftend streute in das Land
Der Flieder seine Blüten.

Wie hat die Sehnsucht aufgehört


In Nacht plötzlich zu scheinen,
Wenn auch die Quellen ungestört
Hörten nicht auf zu weinen,
225
Wenn auch der Mond durch Eichenschar
Ging kühn auf seinen Wegen,
Wenn deine Augen groß und klar
Blickten so schön verwegen?

226
Zum Stern

Zum Stern, der gerade aufgetaucht,


Der Weg ist lang und seicht,
Es viele tausend Jahre braucht
Bis uns sein Licht erreicht.

Vielleicht erlosch schon längst sein Schein


Durch blaue leuchtend’ Sterne,
Nur noch sein Strahl so schön und rein
Flimmert jetzt aus der Ferne.

Des toten Sternes Bild so nah


Erklimmt des Himmels Licht
Er war, als man ihn noch nicht sah,
Heut’ sehn wir ihn... ist nicht.

Gleich unsrer Wehmut, wie die Diebe,


Verschwand im dunklen Glimmer
Das Licht der uns erloschenen Lieb,
Verfolgt uns heut noch immer.

227
Kamadeva

Mit der Liebe Qual zu heilen


Meinen Seelenschmerz, den argen,
Rief ich schlafend Indiens Kama –
Kamadeva, Gottheitsknaben.

Und er kam, der stolze Knabe,


Auf dem Papagei geritten,
Mit dem heuchlerischen Lächeln
Auf korallenroten Lippen.

Flügel hat er, und im Köcher


Er bewahrt nur spitze Pfeile
Nur vergiftetem Geblüte
Von des Ganges Ufers Steile.

Und als Pfeil nahm er die Blume,


Schoss und traf die Brust mir lachend
Und seitdem in allen Nächten
Weine ich, am Bette wachend...

So mit seinem giftigen Pfeil


Kam mich tadeln wie er musste
Er, der Sohn des blauen Himmels
Und der hoffnungsleeren Wüste.
228
Meinen Kritikern

Viele Blumen gibt’s, doch wenig,


Die der Menschheit Früchte tragen,
Welk verflattern ja die meisten,
Die ans Tor des Lebens schlagen.

Dem, der nichts zu sagen findet,


Wird es leicht, sein leeres Plappern
Lang zu Versen aufzureihen,
Deren Schwänze künstlich klappern.

Doch wenn Leidenschaft und Liebe


Nagen um das Herz zu reißen
Und Gedanken ihre Stimmen
Zu erhorchen sich befleißen,

Wie ans Lebenstor die Blumen,


Schlagen dann an Geistespforten,
Fordern Eintritt sich ins Dasein,
Fordern Kleider sich aus Worten.

Für die Leidenschaften alle,


Was sie selber leben, dichten,
Wo sind dann all deine Richter,
Kalte Augen, um zu richten?
229
Ach! Dann scheint dir, dass der Himmel
Über dir droht einzubrechen:
Wo wirst du die Worte finden,
Um die Wahrheit auszusprechen?

Kritiker mit welken Blumen,


Die nur tauben Früchte tragen -
Leicht ist's wahrlich Verse machen,
Wenn man hat nicht viel zu sagen.

230
Aus der Nacht...

Aus der Nacht ew’gen Vergessens,


Die, in der sich alles bricht,
Unser Leben heiß Liebkosens,
Und des Abends Dämmerlicht,

Daraus noch niemals aufwärts gor,


Was einmal unten lag -
Oh, stiegest du nur heut empor
Noch an den hellen Tag!

Und ist das Auge stumpf und leer,


Das ich so sehr geliebt,
Du schau mit dem erloschen her,
Vielleicht, dass es vergibt.

Und wenn die Stimme tonlos schweigt,


Durch die du Sel’ge schufst,
Versteh’ ich doch, wenn vorgeneigt
Du leis’ ins Grab mich rufst.

231
Ich habe nur noch ein Streben

Ich habe nur noch ein Streben:


In ferner Abendstille
Lasst mich in Frieden sterben
An Ufers Meeresfülle;
Sanft soll der Schlaf mir sein,
Der Wald an meiner Seite
Und über Wassers Weite
Des Himmels klarer Schein.
Ich brauch nicht Fahnen eigen,
Kein Sarg mich decke zu,
Flechtet das Bett zur Ruh’
Aus jungen Baumes Zweigen.

Und niemand an mein’ Haupt


Soll weinen oder trauern
Der Herbst nur, der entlaubt,
Lasse die Äste schauern.
Dann wenn die Quellen rauschen
Im Fallen um mich schnell,
Der Mond erscheine hell,
Mit Tannenspitzen plauschen.
Die Herdenglocken läuten
Durch kühle Abendwinde
Und über mich die Linde
232
Wird ihre Blüten breiten.
Wie ich auf diesen Erden
Nicht irr’ wie eh und je,
Erinnerungen werden

Auf mich rieseln wie Schnee.


Geht auf der Abendstern
Aus grüner Fichten Schatten,
Und weil wir gern uns hatten,
Wird lächeln mir von fern.
Mit tiefer Traurigkeit
Das Meer singt rau und taub...
Doch ich werde zu Staub
In meiner Einsamkeit.

233
Entfernt von dir...

Entfernt bin ich von dir und einsam Feuer brennt,


Denk’ an mein Leben, die Traurigkeit, die rennt,
Wohl achtzig Jahre muss ich auf Erden gelebt haben
Und alt sein wie der Winter, du bist längst begraben.
Auf meine Seele rieseln Gedanken tropfenweise,
Vergangene Nichtigkeiten erblühen still und leise;
Mit hohlen Fingern trommelt ans Fenster mir der Wind,
Wenn alter Märchen Faden sich rührend weiterspinnt,
Und plötzlich durch den Nebel geht deine Truggestalt,
Die Augen groß von Tränen, die Hände schlank und kalt;
Und beide Arme legst du mir um den Hals und neigst
Dich zu mir, um zu reden... nun seufzest du, schweigst...
Ich halt’ dich fest: du liebes Glück bist meins;
Zwei arme Menschenleben sind küssend nur noch eins...

Oh! Stimmen meines Innern, lasst mich vergessen,


Was einen Augenblick nur ich für ein Glück besessen,
Und wie meinen Armen risst dich mit Müh’ und Not...
Ich werde alt und einsam, du bist schon lange tot!

234
VERONICA MICLE
1850-1889

Veronica Micle, geborene Ana Câmpeanu (* 22. April


1850 in Năsăud, Siebenbürgen, Kaisertum Österreich; † 3.
August 1889 in Kloster Agapia43, Bukowina, Königreich
Rumänien) war eine rumänisch-stämmige Dichterin, de-
ren Werk von der Romantik beeinflusst war. Bekannt
wurde sie auch durch ihre Liebesaffäre mit dem Dichter-
kollegen Mihai Eminescu.
Micle debütierte 1872 in der Zeitschrift Noul Curier
Român mit zwei romantischen Skizzen, die sie unter dem
Pseudonym „Corina“ veröffentlichte. Ihre von Eminescu
beeinflussten Gedichte veröffentlichte sie 1874 in Co-
lumna Lui Traian und im Jahr darauf in Convorbiri Literare.
Sie schrieb auch für die Magazine Familia (ab 1879), Revi-
sta Nouă und Revista Literară.
Im Jahr 2000 wurde ein Band mit 93 Briefen von Eminescu
an Micle und 15 ihrer Antworten veröffentlicht.

43
Das Kloster Agapia (rumänisch Mănăstirea Agapia) ist ein Rumä-
nisch-Orthodoxes Nonnenkloster in der Gemeinde Agapia, im Kreis
Neamț, Bukowina, Rumänien. Das Kloster steht unter Denkmal-
schutz und liegt etwa zehn Kilometer südwestlich von Târgu Neamț.
235
236
Ackerblumen

Zwischen den dem Korn die Ackerblumen wachsen


Am Morgen voller Liebe auf das Acker flachsen;
Bezaubert von ihrem Blick ergriffen von der Sehnsucht,
Tausende Schmetterlinge fanden hier ihre Zuflucht.

Durch das dichte grüne Laub schöne Lieder tönen


Und die Schmetterlinge lauschen diese Klänge hören –
Ich verbringe Sommertage, mich im Grass zu amüsieren
Ihre Liebe sie erzählen nur mit kosen und mit Küssen!

Doch die Nacht mit ihren Stillen Stunden;


Über Schmetterlinge lässt sich ohne Kunden,
Die Vögel besingen nicht mehr die Rauchblauen,
Nach einem Glückstag schlaffen ein volles Vertrauen.

237
Du bist fort...

Du bist fort mit deiner Sehnsucht


Und du bist weitergegangen,
Von der Liebe in der Zuflucht
Die dich hält noch heut‘ gefangen.

Ich mit abgetrennter Seele,


Ich habe bitter dir nachgeschaut,
Und schluckste aus der Kehle
Folgend deinem Schritt vertraut.

238
Ich möchte kommen...

Ich möchte zu dir kommen


Doch ich verlor dein Weg
Und kann niemanden fragen
Wo ist dein Schrittes Steg.

Ich möchte mindestens einmal


Dir meine Liebe flüstern
Mit bitterem Herzen beim final,
Dass ich dich liebe sagen.

Ich weiß, dass meine Streben


Niemals erfüllt sie werden
Und in voll traurigem Leben
Ich wird‘ vor Sehnsucht sterben.

Und doch von deiner Frist


Keine Rückkehr mein Gedanke,
Obwohl du für mich bist
Verloren, bei dir ich mich bedanke.

239
Wie heute...

Dass heute nicht mehr Herrin bin


Auf mich, auf meine Seele
Nur noch ein Handschlag hierhin
Genug gesagt; ein Blick die stehle.

Und wie ein schwaches Spielzeug


Ich stehe heute hier vor dir,
Mein Blick vor dir ich beug‘,
Du gibst die Augen nur noch mir…

Und dass mein einzig‘ Wunsch in mir


Soll deine Dienerin ich sein,
Mein ganzes Wesen sagt es dir
wenn du vorbeigehst ganz allein.

Du gehst vorbei so wie der Strahl


Der Sonne strahlet über mich, -
Was kümmert sie, dass ich sie stahl...
Was kümmerts dich, ich liebe dich!

240
Mit den Gedanken

Ich gekämpfte oft mit den Gedanken


Entschlossen alles zu wissen,
Die Wahrheit hab verstanden
Woran du denkst, um mich zu missen?

Ob es Hass ist oder ist Tötung,


Ist mir egal, hab keinen Schimmer,
Ich weiß, ist keine Lösung
Und es ist nicht für immer!

241
Bei der Abreise...

Ich ging ohne Reue weg


Und ich ging ohne Bestreben,
Um dein Wesen zu vergessen,
Deine Liebe zu vergessen.

Und ich ging weit in die Welt,


Nur so wo der Zufall wollte,
Ohne denken an gute Tage,
Nicht Trauer der Entfremdung.

Ich bin lang den Weg gegangen,


Ich weiß nichts mehr von dem Glück,
Denn mit Sehnsucht und Verzweiflung,
Komme ich zu dir zurück.

242
ALEXANDRU MACEDONSKI
1854-1920

Alexandru Macedonski (* 14. März 1854 in Craiova; † 24.


November 1920 in Bukarest) war ein rumänischer Schrift-
steller. Er orientierte sich an das Parnassien, später am
französischen Symbolismus. Mit 16 Jahren bereiste Mace-
donski Österreich-Ungarn, Italien und die Schweiz, dann
kehrte er nach Bukarest zurück. Als Reaktion auf die Do-
minanz der Junimea-Gesellschaft begründete er 1880
eine Dichterschule, die sich an den neueren Strömungen
der europäischen Literatur orientierte. So schrieb er, in-
spiriert von Alfred de Musset44, den Gedichtzyklus Nopți
(Nächte).
Nach 1890 bevorzugte er die Form des Rondeaus. Er ver-
öffentlichte auch einen Roman in französischer Sprache
(Le calvaire de feu). Macedonski war einer der ersten, der
Blankvers und Freie Rhythmen in der rumänischen Dich-
tung verwendeten.

44
Alfred de Musset (* 11. Dezember 1810 in Paris; † 2. Mai 1857
ebenda) war ein französischer Schriftsteller. Er gilt als einer der Gro-
ßen unter den französischen Romantikern.
243
244
Gebrochene Vernunft

I.
Wie das brausende Meer ist mein Kummer;
Unermesslich tief hält das Meer in Schlummer,
Und nie ist ein Auge in seiner Tiefe eingedrungen!
Kaum, durch den Sturm, aus vollen Wolken
Ein blasser Lichtblitz schien sie gemolken...
Doch der Blitz war flüchtig vorgedrungen!

Das Schiff der Hoffnung, beladen mit den Segeln,


Hat eine breite Furche gezogen ohne Regeln,
Ein Weg, der in der strahlenden Sonne glänzt!
Falsche Illusionen kamen wie Samen ihnen vor;
Ich dachte, es wird kommen, aber ich blieb davor:
Es hat sich an andere Orte geschlichen und umkränzt!

II.
Für immer getroffen vom Schicksal, vom Sturm gesucht,
Ein Fels im Willen des Meeres bricht und hallt wider:
Das lange Echo erbebt mit tiefer Klage!
Ah! Mein Herz ist ein Fels im Sturm ohne Frage
Auf welcher Not auf des Lebens Gerippe
Und weint auf der zerbrochenen Klippe!

245
An dem Gipfel der noch steht wie ein Nest,
Klammere mich wie ein Ertrinkender fest
Und richteten meine Augen auf den Horizont,
Mal sehen, ob es noch Welle gibt...
Vergebens war mein oft getäuschter Blick,
Laufend auf der armen Flut und erschrick.

246
Erinnerungen

Es bleibt im Kopf des Menschen


Das Bild erloschenen Glücks...
So schütterte meine Seele
Erinnerung des Stücks;

Hier sehe ich ein weißes Haus...


Tanz, Mädels, Schmetterlinge auf Hügeln
Lebendes Laub und Blumen auf den Feldern
Und Tauben mit den weißen Flügeln!

Hier sehe ich mich an anderen Ufern


Verloren durch die fremden Länder,
Am Rande blauer Seen, genuinen,
Mit schwarzen Felsen und Ruinen!

Hier sehe ich wieder; ein junger Mann...


Auf seinem Arm trägt er eine Frau...
Ihre Herzen schlagen beide im Einklang
Und finden die Schlüssel dem Himmel entlang!

Der Wald umhüllt sie im Schatten


Ihre Liebe ist so wie ein Schatz
Und die Sonne geht durchs Blättern
Unter und findet im Himmel ihren Platz!

Aber, Gott, warum in dieser aller Welt


Wenn du so viel Glück ausschüttest

247
Nimmst es von uns, sobald du es uns gegeben
Und hinterlässt uns nur ein Andenken?

Von einer Bleiasche


Während der Abend ist umarmt
Von einem Begräbnis,
Ich sage ohne Trauer
Besiegt von meinem Schicksal:
Ich grüße dich,
Der Große
Legte sich hin
Und starb.

Starb
Der Große
Und legte sich hin
Ich grüße dich
Besiegt von meinem Schicksal,
Ich sage es ohne Trauer
Bei dem Begräbnis,
Während der Abend ist umarmt
Von einer Bleiasche.

248
Der alte Fels

Der alte Riesenfelsen ist noch an seinem Platz


Das Wasser gräbt ein Loch und quält ihn für immer
Der dumme Bauer würde ein Feld da machen
Eine Stunde bevor er einen Weg finden würde.

Der alte Felsen spürt den Gedanken und grinst,


Doch schweigt, und zermalmt den scharfen Wind,
Beschützend trägt das ganze Tal mit Dornenfrüchte
Während das Wasser aus Brust fließt, wird klar.

Der alte Fels seit Jahre vergeblich in die Mitte steht...


Im Schatten grasen noch die Lämmer so wie Sprossen,
Und ob sie groß werden sind machtlos Bastarde –
Der alte Riesenfelsen bleibt immer an seinem Platz.

249
Das Antlitz des Gedichts

Als ich am Tal singend vorbeiging,


Singen und lächeln,
Es kam mir oft am weg entgegen
Ein himmlisches und sanftes Antlitz.
Er lächelte mich liebevoll an
Das Antlitz eines kleinen Kindes
Und es erhelle meinen Weg
Unter der sanften Aprilsonne!
Seit dann oft in mein Leben
Sah ich dies Antlitz wieder,
Doch traurig war dann sein Gesicht
Und fiel in Traumgebilden...
Mein Schicksaal wurde gnadenlos...
Doch ich verlange ihm bescheiden
Ein Lied ausatmen zu können
Unter dieser Aprilsonne.

250
Genug

I
Jetzt genug mit dem Weinen, dein Herz ist trocken,
Und selbst wenn’s voll wäre, es ist Zeit, genug zu sagen
Unser Volk von Tränen ist es satt gar ohne Fragen
Und sie können nicht mal in Versen bleiben;
Erfolglos ertrinken die Dichter in denselben,
All ihre Papiere bleiben in einer Rolle.

II
Hey!... Die Mode des Trauerns, des Klagens ist vorbei
Und jene grausamen imaginären Schmerzen,
Seit völlig grau, ihr arme Sänger!
Doch wenn eine Zeit vorbei ist, kommt eine Andere,
Und sie mit einer Peitsche, die in der Hand hält
Klatscht, ruft dir zu: „Andere Zeiten, andere Geiger!“

III
Rubine auf den Lippen und Perlen im Mund
Und Lilien auf den Brüsten und pechschwarze Augen
Sind Kleinigkeiten, die keinen Wert mehr haben:
Mit den falschen Tränen, die flossen ist vorbei,
Sind an die Küste erlahmt und rollen jetzt nach unten
Schleppend in ihren Lauf lächerliche Unken!

IV
Jetzt ist die Zeit der Stärke, der Männlichkeit in Grunde,
Das Kind von gestern, heute ist ein männlicher Junge,

251
Er schüttelte das Joch der Epitropie in Plewen45 ab.
Wenn er Kind wäre, würde heute noch Kind bleiben;
Mit Doina46 steigt er nicht mehr am Haupt Rumäniens,
Um ganz wiedergeboren, brauchen wir einen Vergil!

45
Die Schlacht von Plewen (Plewna) vom 20. Juli bis 10. Dezember
1877 umfasst eine entscheidende Belagerung und mehrere Schlach-
ten im Russisch-Türkischen Krieg von 1877–1878. Die russischen
Truppen versuchten drei Mal (20. Juli, 30. Juli und 11. September
1877) die Stadt zu erstürmen und erlitten schwere Verluste.
46
Doină: Etymologie unsicher: vermutlich vom serbo-kroatischen
daljina für „Distanz“ oder mit einem älteren indogermanischen Ur-
sprung mit Verbindung zum lettischen/litauischen daina für „Lied“ ist
eine lyrische, vokale oder instrumentale Liedform, die in der rumäni-
schen Volksmusik, Lăutari- sowie Klezmer- Musik verwendet wird.
In verschiedenen Regionen Südosteuropas gehören ähnliche musika-
lische Formen zum Liedgut traditioneller Musik. Die Doină ähnelt der
griechischen Hirtenliedform Skaros.
252
ALEXANDRU VLAHUȚĂ
1858-1919

Alexandru Vlahuță (* 5. September 1858 in Pleșești; † 19.


November 1919 in Bukarest) war ein rumänischer Schrift-
steller und Mitglied der Rumänischen Akademie. Vlahuță,
der Sohn eines kleinen Grundbesitzers, besuchte zwi-
schen 1867 und 1878 die Grundschule, im Anschluss das
Gymnasium in Bârlad und bestand das Abitur 1879 in Bu-
karest. Im gleichen Jahr lernte er Mihai Eminescu kennen,
mit dem ihn bis zu dessen frühem Tod eine enge Freund-
schaft verband. Sein begonnenes Jurastudium musste er
aus Geldmangel abbrechen und er wurde Pädagoge.
Nachdem er zuerst (1880–1882) in Târgoviște zum Lehrer
für Latein und Rumänisch am Gymnasium „Văcărescu“
bestellt worden war, sodann an verschiedenen Bukares-
ter Schulen unterrichtet hatte („Școala Normală a
Societății pentru Învățătura Poporului Român“, „Azilul E-
lena Doamna“, „Liceul Sfântul Gheorghe“), wurde Ale-
xandru 1888 Schulrat in den Bezirken Prahova und Buzău.
Von 1893 bis 1896 gab er zusammen mit George Coșbuc
zuerst die Zeitschrift „Vieața“, 1901 „Sămănătorul“ her-
aus. Nebenbei arbeitete er als Referendar an der „Casa
Școalelor“ (Haus der Schulen).
Während des Ersten Weltkriegs wohnte er mit seiner drit-
ten Frau Ruxandra in Iași, später in Bârlad, wo er stets von
angehenden Schriftstellern besucht wurde, die er anlei-
tete. Er bewohnte bis zu seinem Tod ein Häuschen in der
Nähe des Klosters Agapia, in dem heute das

253
Gedenkmuseum „Alexandru Vlahuță“ beheimatet ist.
Dieses stellt persönliche Gegenstände, Möbel, Bücher sei-
ner Bibliothek, Erstausgaben seiner Werke, Manuskripte
des Autors, aber auch Gemälde des mit ihm befreundeten
Malers Nicolae Grigorescu aus. Auch sein Testament, in
dem er seine Frau bat, alle seine Manuskripte zu verbren-
nen und das Vermögen zwischen ihr und den zwei Töch-
tern aufzuteilen, ist dort aufbewahrt.
Am 28. Oktober 1948 wurde er neben anderen berühm-
ten rumänischen Literaten wie Mihai Eminescu, Ion Luca
Caragiale47 und Ion Creangă48 post mortem als Ehrenmit-
glied in die „Rumänische Akademie“ aufgenommen.

47
Ion Luca Caragiale (* 1. Februar/jul. / 13. Februar 1852 greg. in
Haimanale, Kreis Prahova, Walachei, heute I. L. Caragiale, Kreis
Dâmbovița; † 9. Juni/jul. / 22. Juni 1912 greg. in Berlin) war ein ru-
mänischer Schriftsteller. Er gilt als bedeutendster Dramatiker Rumä-
niens.
48
Ion Creangă (* 10. Juni 1839 in Humulești im Kreis Neamț, Fürs-
tentum Moldau, heute Rumänien; † 31. Dezember 1889 in Iaşi) war
ein volkstümlicher rumänischer Schriftsteller.
254
Meine Träume

Meine verschwendeten Träume


Die mein Herz mit Trauer erfüllt,
Ich sehe sie in den Blättern heute
Und in Trostlosigkeit verhüllt.

Verschneit werden sie immer bleiben,


Unter der Zeit, die im blassen liegt,
Meine verschwendeten Träume,
Mein Herz sich wie ein Ast sich biegt!

Du Baum, wenn glücklichere Tage


Werden sich wieder zu mir wenden
Das Ornament in deinen Zweigen,
Nachts werden sie gar tiefer sein…
Meine verschwendeten Träume!

255
Wenn ich nichts zu schreiben habe

Was wundert ihr euch über mich?


Sieht hier, Schriftsteller bin ich
Und ich kann es jedem sagen,
Dass ich arbeite, ohne Fragen.

Chroniken, Kritik, Novellen


Sind für mich nur Bagatellen:
Gebe ein Sujet, Hochwertig
Und die Arbeit ist schon fertig.

Dann wird es mich beseelen...


Hi und da Ideen stehlen,
Schreib ich unters Fensterrollo,
Und gehör‘ dann dem Apollo.

auf der Welt sind soviel Hände,


Dass die schreiben viele Bände!
Weißt du? Die Grammatik‘s tosen,
Sind nur für die Machtlosen.

Das ist Schaum, das Hirn das Meer,


Ich streng meinen Kopf nicht mehr
Voll und klar und elegant
Alles kommt so wie geplant!

256
Habe ich das Thema? Habe ich den Titel:
Ich ausströme deine Prosa mit einer Schaufel.
Wenn ich nichts zu schreiben habe,
Mit Gedichten mich erlabe.

257
Verblasste Ikonen

Ich schaue aus dem Fenster in Gedanken


Wie die Sonne untergeht so farbig,
Und über sie die Ränder vieler Wolken
Mit Gold und mit Rubin wirkt sie kantig.

Das Blau des Himmels dort ist begraben;


Erneut bizarre Formen sich entfalten...
Wie würde ich mich in einen Vers mich laben!
Aber sie schmelzen... sind nicht mehr zu halten.

In einem silbernen Gewand gehüllt,


Steht aufrecht, hält eine Fahne in der Hand.
Es ist ein Bär, doch sieh‘, hat sich verändert...
Es ist ein Priester, sein Haar steht im Brand.

Für einen Moment hat er erhobenen Arme,


Doch gierige Flammen verschlingen ihn,
Eine Staubwolke steigt um ihn umarme,
Ruhig wechselt der Schatten, die Nacht ihm schien.

In diesem heiligen Frieden der Dämmerung


Wie traurig leuchten die Fackeln am Himmel!
Und mein Leben fließt mit Sicherung
Anhaltend kalter, armer wie der Glocke Bimmel.

258
Christus ist auferstanden

I
Die Herren der Welt erblassten
Zur Stimme des sanften Propheten
Und sahen sie in dem Sohn den Feind
Den Zimmermann aus Nazareth!

Er kam nicht um zu rebellieren,


Er will nicht irgendjemand zerstörten;
Barfuß, zu Fuß, die Welt besingen
Und viele lästern hinter seinen Ohren.

Und viele jagen ihn mit Steinen


Und ich lachen wie verrückt ihn an:
Doch Jesus lächelt jeden an,
Allmächtig und demütig!

Er gibt den Blinden Augenlicht,


Den Stummen gibt er Stimme,
Er gibt den Schwachen Zuversicht,
Erweckt die Toten aus dem Grab.

Und allen Blinden, Tauben


Er teilt des Himmels Gaben
Und denen, die an ihn glauben,
Auch denen, die ihn verspotten.

259
Hasse ihn, die Gottlosen,
Was kümmert ihn ihr Hass?
Er kam, um ihnen Frieden bringen
Und Bruderschaft in Übermaß.

Aus Welt der ganzen unterdrückten


Versammelten sich um ihn herum
Und in der Stürm der Leidenschaften
Bei seiner Stimme sind verstummt:

„Seit sanft zu denen, die euch kränken,


vergibt denen, die euch besiegen,
Liebt jenige, die euch ertränken
Und sie auch gar totkriegen.“

II
Wie gut, wie viel Glück ist mir gegönnt,
Und wie viel Liebe hast du mitgebracht!
Und Menschen hast Du auch entlohnt,
Das Kreuz zwischen Räubern war dir zugedacht.

Sie lachten und sie spuckten dir ins Gesicht,


Und haben eine Dornenkrone dir gemacht
Und in ihrer fruchtlosen Überheblichkeit
Herrn über dich haben sich selbst geglaubt.

Bringt ihr den größten Stein mit euch


Sein Grab sollt ihr bedecken,

260
Ruft die Zenturien in eitles Windgeräusch
Und Nachtwächter in allen Ecken.

III
Die Ungläubigen jubelten gar teuer,
Die Lichter strahlten himmelhoch,
Aber sie stärkten sich im Feuer
Golgatha schmerzte immer noch,

Und dauernd ihre Wellen klingen,


Sie breiten sich über die Erde aus,
Gerechtigkeit und Liebe bringen
Und Frieden für des Menschen Haus.

Wehe euch, die im Dunkeln weint


Dort wo ihr damals euch befanden,
Von euren Knien und euch verneint,
Steht auf! Christus ist auferstanden!

261
MARIA CUNȚAN
1862-1935

Maria Cunțan (7. Februar 1862 – 23. November 1935) war


eine im österreichischen Kaiserreich geborene rumäni-
sche Dichterin. Verschiedene Zeitschriften veröffentlich-
ten Cunțans Werke sowohl in ihrem Heimatland, das zu
Österreich-Ungarn geworden war, als auch im rumäni-
schen Alten Reich. Dazu gehören Convorbiri literare, Cu-
rierul literar, Foaia poporului, Flacăra, Luceafărul, Revista
noastră, Revista scriitoarei, Sămănătorul, Sburătorul und
Viața literară și artistă. Manchmal benutzte sie die Pseu-
donyme Liliac und Rim. Einige ihrer Kompositionen ahm-
ten Heinrich Heine und Nikolaus Lenau49 nach; sie hat
auch übersetzt Friedrich Schillers Die Jungfrau von Or-
leans im Jahr 1909. Ihr Originalwerk erschien in drei Bü-
chern: Poezii (1901), Poezii (1905) und Din caierul vremii
(zwei Bände, 1916). Cunțan starb 1935, an ihrer Beerdi-
gung nahm eine kleine Gruppe von Freunden teil, zu de-
nen auch Nicolae Iorga50 gehörte.

49
Nikolaus Lenau, eigentlich Nikolaus Franz Niembsch, (seit 1820)
Edler von Strehlenau, (* 13. August 1802 in Csatád, Königreich Un-
garn; † 22. August 1850 in Oberdöbling, heute Stadtteil von Wien)
war ein österreichischer spätromantischer Schriftsteller, vor allem Ly-
riker.
50
Nicolae Iorga (verdeutscht Nikolaus Jorga; * 17. Januar 1871 in
Botoșani; † 27. November 1940 in Ploieşti) war ein rumänischer His-
toriker, Schriftsteller und Politiker.
262
Aus dem Schatten der ewigen Tannen...

Aus dem Schatten der benachbarten Tannen


Blicke ich wie zu anderen Zeiten
An den gebeugte Rosen
Unter der Last der Blumen.
Zur zitternden Pappel
Mit silbern-braunen Blättern,
Es scheint mir, dich flüstern hören
Wie du zu mir hastest.
Du sitzt zu meiner Linken,
Unter den Tannen so wie im April.

Liebling, ich erneut ein Kind


und du bist wieder wie ein Kind.
Du redest über was du magst
Von allem, was wir heilig haben,
Ich höre zu, ohne zu verstehen
Nichts von deinem Wort.
So wie Nachtigallen zuhört
Mit einer durstig‘ Seele,
Oder dem Rauschen einer Quelle
Oder die Doina am Tagesende.

263
Unter dem Fenster

Unter dem Fenster fließt ein Fluss:


Alle sind meine Tränen;
Die Mädchen mit Blumen am Fuß
Waschen sich in den Fontänen.

Und lachen mit verrücktem Blick,


Wenn sie die Herden tränken,
Und sie verstehen nicht ihr Geschick,
Dass es sind Tränen zu verschenken.

Auch die alten aus dem Dorf


Sind da mit ihren dünnen Zungen
Und ich halten Rat an diesem Ort:
- Dass mir ist nichts gelungen,

Dass nur Doinen hab‘ in Kopf


Und Liebeslieder und dass mir alles schwindet
Dass ich kann nicht mal einen Topf
Aufs Herd tun, nicht mal wie man die Fäden bindet...

Mit Hand an dem Webstuhl


Die Andere aufrichten,
Ich höre zu, sitz auf einen Stuhl,
Ihre kühnen Geschichten.

264
Und wenn’s mich schmerzt von so viel Rat
Und viele schlechte Worte,
Schließe die Fenster ohne Tat
Und singe meine Lieder.

265
Sonnen Aufgang

Der Tag ist voller Licht heut morgen,


Die Strahlen fallen auf die Ulmen,
Die Sonne hat den Weg erklommen
Erhob sich auf der Spitze der Hügel.

Hübsch wie ein Hirte ganz allein


Aus einem Zitronenhain,
Rein wie das allletzte Gebet
Und heilig wie die erste Liebe.

Alle kommen heraus, und alle sing gesegnet,


Betet zu ihm wie zu einem Herrscher,
Damit im Sommer reichlich regnet
Über dem gesäten Felde später.

266
ELENA VĂCĂRESCU
1864-1947

Elena Văcărescu, französisch Hélène Vacaresco, (* 21.


September 1864 in Bukarest; † 17. Februar 1947 in Paris)
war eine rumänisch-französische Schriftstellerin und
zweifache Preisträgerin der Académie française. Sie
wurde vom französischen Außenminister Joseph Paul-
Boncour51 und Paul Éluard52 zur „Botschafterin der rumä-
nischen Kultur“ ernannt. In den 1880er Jahren studierte
Vacaresco Französische Literatur an der renommierten
Sorbonne in Paris, wo sie auch Victor Hugo traf. Zur sel-
ben Zeit besuchte sie auch Kurse der Philosophie, Ästhe-
tik und Geschichte, aber auch Poesie unter der Leitung
des Schriftstellers und ersten Nobelpreisträger für Litera-
tur Sully-Prudhomme53. Im Jahr 1888 wurde Vacaresco
durch ihre literarischen Erfolge von der rumänischen Kö-
nigin Elisabeth, auch bekannt unter deren Pseudonym

51
Augustin Alfred Joseph Paul-Boncour (* 4. August 1873 in Saint-
Aignan, Département Loir-et-Cher; † 28. März 1972 in Paris) war ein
französischer sozialistischer Politiker.
52
Paul Éluard (eigentlich Eugène-Émile-Paul Grindel; * 14. Dezem-
ber 1895 in Saint-Denis bei Paris; † 18. November 1952 in Charen-
ton-le-Pont bei Paris) war ein französischer Lyriker und einer der be-
kanntesten Dichter des Surrealismus.
53
Sully-Prudhomme (eigentlich René François Armand Prudhomme;
* 16. März 1839 in Paris; † 7. September 1907 in Châtenay-Malabry)
war ein französischer Schriftsteller. Er war der erste Nobelpreisträ-
ger für Literatur. Sein bekanntestes Gedicht ist Le Vase brisé (1865).
267
Carmen Silva54, in den Königspalast von Bukarest eingela-
den. Nach dem frühen Tod ihrer Tochter Maria (1870–
1874 an Scharlach) übertrug die Monarchin ihre mütterli-
che Liebe auf die junge Schriftstellerin. In den folgenden
Jahren etablierte sie sich als deren Ehrendame und be-
gleitete sie auf deren Reisen nach Deutschland, Öster-
reich, Großbritannien, Spanien, Portugal, Russland und
Serbien. 1889 verliebte sich Vacaresco in den deutsch-
stämmigen Prinzen Ferdinand von Hohenzollern-Sigma-
ringen55 (1865–1927), ein Neffe und Thronfolger von Kö-
nig Karl I., und im Mai 1891 feierten sie ihre Verlobung. In
ihrem Haus in der Rue Washington unterhielt Hélène
Vacaresco einen erfolgreichen Literarischen Salon und
veröffentlichte einige ihrer Artikel in französischen Zeit-
schriften, unter anderem in der «Revue des deux mon-
des», «Revue de Paris», «L’Illustration», «Le Figaro»,
«The Contemporary Revue» und «The Magasine». Sie war
auch als Übersetzerin für Mihai Eminescu, Lucian Blaga,
Octavian Goga, George Topîrceanu, Ion Minulescu und
Ion Vinea tätig.

54
Prinzessin Elisabeth Pauline Ottilie Luise zu Wied VA (* 29. De-
zember 1843 auf Schloss Monrepos bei Neuwied am Rhein; † 2.
März 1916 in Bukarest) war durch Heirat Königin von Rumänien und
unter dem Pseudonym Carmen Sylva Schriftstellerin.
55
Ferdinand von Hohenzollern-Sigmaringen (auch Ferdinand I., der
Treue; * 24. August 1865 in Sigmaringen; † 20. Juli 1927 in Sinaia,
Rumänien) war vom 10. Oktober 1914 bis zu seinem Tod 1927 König
von Rumänien.
268
April

Sei froh, Geliebte, im seidigen Gras so schön;


Der Duft des Frühlings fühlt sich immer schwerer;
Seht, die Wiese blüht und singt und ist wunderschön.
Sei glücklich, mein Geliebter!

Ich schenke meine ganze Seele der Liebe hin; komm


Den süßen Duft auf den schmalen Pfaden riechen.
Im hohen Wald, in seinem schwindend‘ Licht so fromm,
Wie süß ist es, gemeinsam unter Sternen wandern.

Es ist so schön, an den Seenufern träumen,


Um die perlweißen Glocken zu streicheln,
Sehen wie Weise Wellen nach Wellen kommen,
Die klare Form scheint sorgfältig umweben.

Wir werden leise des Aprils Geist trinken,


Die Tropfen Lassen wir ins Herz fließen Nacht;
Dann lassen wir den Tag langsam ruhen
Zu spüren, wie die Liebe über uns wacht.

Sei froh, Geliebte, im seidigen Gras so schön;


Der Duft des Frühlings fühlt sich immer schwerer;
Seht, die Wiese blüht und singt und ist wunderschön.
Sei glücklich, mein Geliebter!

269
Ewige Liebe

Ich habe dich geliebt. Vom ruhigen Anfang an


Und bis zu dieser Stunde, verzauberter und gestand,
Wie ein Refrain, den ständig wiederholst und dann
Deine lindernde Liebe in meiner Seele hat Bestand.

Ich wird‘ dich immer lieben in alle Stunden, die vergehen


Bis in die Zukunft, wenn die Zeit, nachlässig, siegreich
Wird seine Sanduhr in meiner letzten Stunde leeren,
Unsere helle Liebe wird in meinem Herzen bleiben.

Und weiter unter Erden, in den die Körper sinken


Damit wir besser schlafen, trag‘ Dich in mein‘ Gedanken,
Und die, die mit den Herzen auf meiner Asche treten,
Werden sie spüren, wie die Schritte werden Schwanken.

270
Gebet

Du wirfst die Sonnenstrahlen auf Ebenen und Hügel,


Zu Küsten neigen alle blühenden alten Bäume,
Und wiegst der Meere Wellen wie Tassen ohne Zügel
Im strengen Rhythmus der größten Meeres Stürme.

Siehst in leere Tasse noch leuchten Lebenshüllen?


Das trostloseste Trauern, den ich je geweint habe,
Ich gebe dir mein Herz um es mit Liebe füllen,
Ist weit und tief und durstig mein Herz von deiner Gabe.

Es braucht viel Kraft und Friede und Lichter ohne Zahl.


Große Hoffnungen die Sonnenuntergänge setzen
Die Frühe springt mit ihrem hellem heitern Strahl,
Sowie das frische Kälten in Abende sich hetzte.

Und nachdenkliche Sterne so hell so groß un fein


In diesem Herzen mit Abgründen versinken,
Und sie schläft in erhabenen, schwebenden Liedern ein,
Die alle Sonnen durch Weltraumwellen schwingen.

Und wenn es voll sein wird, Herr, mit deiner Herrlichkeit,


Es wird lächelt vorbeigehen, von deinem Lieb‘ belauscht
Und über das Licht der Illusion Momente der Göttlichkeit
Wird es von einer leisen, kraftvollen Stille berauscht.

271
Deine Hand

Ich fühle deine liebe Hand in meinen Händen süß!


Sanft, deine Finger berühren samtig meine,
Rauschende Ekstasen erfassen mich im Gruß,
Und unsichtbare Fäden fesseln die Hände, deine.

Wenn ich bebe, weckt deine Hand mich auf,


Dem schweren Schicksal kann viel leichter begegnen;
So tief die Wunde, auf meiner Brust schlägt drauf,
Möge die Schmerzen lindern, und deine Hand segnen.

Wenn ich manchmal unter vollem Trost leide,


Ich spüre wie ein Schutzschild auf meiner Stirn sitzt.
Und meine Stirn sich zu deiner Hand sich neige,
Erröten, wie am Tag des ersten Kusses, flitzt…

Vorbei die eitle Pracht, als ob‘s lebendig wäre;


Ich möchte mit dir den schwierigsten Weg teilen,
Zu jedem Ziel, die Dunkelheit mir kläre
Und deine Hand in meiner in Ewigkeiten weilen!

272
GEORGE COȘBUC
1866-1918

George Coșbuc (* 20. September 1866 in Hordou, Distrikt


Naszod, Siebenbürgen; † 9. Mai 1918 in Bukarest) war ein
rumänischer Schriftsteller, Übersetzer und Lehrer. Er war
Mitglied der Rumänischen Akademie.
Der Sohn des griechisch-katholischen Pfarrers Sebastian
Coșbuc besuchte zwischen 1871 und 1876 die Primar-
schulen in Hordou, Telciu und Năsăud, auch lernt er in
dieser Zeit von seinem Onkel Deutsch. Deswegen und auf
Grund seiner Begabung konnte er als einer der Wenigen
an das Gymnasium von Năsăud wechseln, einer Anstalt,
in der großer Wert auf das Erlernen von Sprachen sowie
dem Studium der klassischen Literatur gelegt wurde. So
kam er schon früh mit den Werken von Lenau, Heine, Cha-
misso, Bürger und anderen, desgleichen mit der rumäni-
schen Literatur und Autoren wie Alecsandri, Alexand-
rescu, Bolintineanu, Budai-Deleanu, Rădulescu in Kontakt.
Er verlegte nun seinen Lebensmittelpunkt in die Haupt-
stadt, wurde für kurze Zeit vom Kultusministerium im Ar-
chitekturamt als Aushilfszeichner eingestellt, arbeitete
und veröffentlichte sodann bei Titu Mairescus56

56
Titu Liviu Maiorescu (* 15. Februar 1840 in Craiova; † 1. Juli 1917
in Bukarest) war ein rumänischer Rechtsanwalt, Literaturkritiker,
Schriftsteller, Philosoph und Politiker, als solcher war er unter ande-
rem rumänischer Ministerpräsident von 1912 bis 1914.

273
„Convorbiri literare57“ und anderen Zeitschriften und
führte ein recht ausschweifendes Leben. In dieser Zeit gab
er den für die rumänische Literatur bedeutenden Band
„Balade și idile“ (1893) heraus. Sein Leben änderte sich
1915 jäh durch den tödlichen Autounfall seines einzigen,
erst 19 Jahre alten Sohnes Alexander. Von dem Schock
dieses Erlebnisses erholte er sich nicht mehr. Obwohl ihm
am 2. Juni 1916 die große Ehre zuteilwurde, als aktives
Mitglied in die „Rumänische Akademie“ (Academia
Română) gewählt zu werden (seit 1900 war er bereits kor-
respondierendes), veröffentlichte er nichts mehr. Nach
seinem frühen Tod (1918) wurde er an der Seite seines
Kindes auf dem Bukarester Friedhof „Bellu“ beigesetzt.

57
Convorbiri literare (Literarische Gespräche) die Literaturzeitschrift
war das Presseorgan der Junimea Literary Society. Die erste Ausgabe
erschien am 1. März 1867 in Iaşi, wo die Zeitschrift bis 1886 tätig war.
274
Mutter

In Furten fließen Wassermassen


Und brausen in die Ewigkeit,
In Dunkelheit die Pappeln lassen
Ein ewig‘ Lied voll Traurigkeit.
Am Wasserrand verflechten sich
Wege die gehen zur Mühle -
Dort, Mutter, seh‘ ich dich
In einer kleinen Hütte.

Du spinnst. Im alten Herd brennen,


Kanacken von Zeit zu Zeit,
Drei Äste von dem Zaun gebrochen.
Und ihre Flamme ächzt:
Ab und zu blinkt sie noch kaum
Kämpfend das Licht zu wecken
Die Lichter in dem kleinen Raum
In allen Hüten Ecken.

Mit die zwei Mädchen sind


Und spinnen auch mit dir;
Sie sind noch klein neben dem Spind
Und George kommt nicht mehr.
Ein Märchen mit Haecksen und Drachen
Fängt eine an erzählen,
Du schweigst und hörst Geschichten an
Und bleibst tief in Gedanken.

275
Und deine Faser reißen häufig,
Weil dich Gedanken quälen.
Du flüsterst Wörter gar beiläufig,
Und deine Augen trauern.
Die Spindel fällt und du sagst nichts
Wenn sich die Spindel ausrollt...
Du siehst sie an und hebst sie nicht,
Die Mädchen sind verwundert.

...Ach nein! Es ist nicht Recht zu zweifeln!


Zum Fenster springst du plötzlich auf,
Schaust lange in die Nacht hienaus -
- „Was siehst du?“ fragt ein Mädchen.
- „Nichts... ich dachte nur!“
Der Kummer ist nahe, doch fernab,
Und jedes deiner Worte Spur
Ist traurig wie ein Grab.

In einer Späte hebst du hoch


Von unten dein Blick:
- „Ich spür, dass ich sterbe bald,
Da ich reiße so wie der Strick...
Weiß ich, an was ich dachte?
Ihr hattet auch einen Bruder...
Ich dachte, dass ich klopfen hör
Am Fenster mit dem Finger.

Doch er wars nicht!... Ihn kommen sehen,


Würde ich noch ein Leben, Leben.

276
Ist weg, ich werde mit dem Wunsch sterben
Ihn noch einmal zu sehen.
Vielleicht so möchte unser Gott,
Vielleicht so mein Schicksal,
Um meinen Jungen nicht zu haben
An meinem Haupt, bei meinem tot!

Draußen ist Wind, es ist trübe,


Die Nacht ist fortgeschritten;
Die Mädchen sind zu Bett in Stube -
Du, wüstes Herz ist blutgeritten,
Du sitzt an dem Kamin und weinst:
Ist weg und kommt nie wieder!
Mit den Gedanken an mir scheinst
Von mir träumen immer!

277
Die verfallene Kirche

Die Kirche die liegt traurig am leeren Meeresufer -


Es war eine klägliche Nacht und die Flut lief über
Mit einem Gebrüll begrub das ganze Dorf in sich.
Und Balken, Leichen und Zeichen des Verlustes
Blieben im Schlamm und in dem Schlick
Als sich das Wasser zog zurück, furchtbarer Anblick.

Wenn die Schiffe auf dem Meer sie zurücklassen,


Bekreuzigen sich und schlagen mit dem Ruder.
Der armselige Wind spielt mit der tauben Glocke,
Durch zerstörte Fenster singt der Wind verzweifelt.

Die Frühe bricht rot an, der gelbe Morgen kommt,


Und nachts ziehen Wolkenschwärme über den Mond,
Er steht als stummer Zeuge, auf dem armseligen Hügel
Die Einsamkeit mit Angst und Schüttelfrost zu füllen...

278
Bistritz58

Auf der Bistrita, singend


Eine schöne Jungfrau,
Ihr Kleid weht in den Wind
Und ihr Haar in Tau,
Mit ihrem leichten Floß geschwind
Verging Dämmerung des Tages –
Auf Bistritz singend.

Eingeschlossen zwischen Felsen


Die wilden Gewässer
Stöhnten vor Schmerz
Ganz blau vor Wut die Wässer
In Eile, zu entkommen
Mit Brüllen aus dem vollen Herz –
Eingeschlossen zwischen Felsen.

Am Ruder saß, nicht laut


Das schmunzelnde Kind:
Dies Mädchen ist `ne Braut
Mit dem Tod im Bund
Und in der Abendroten
Sie schien wie aus dem Märchen –
Am Ruder saß, nicht laut!

58
Bistrița, deutsch Bistritz, ungarisch Beszterce ist eine Stadt im
Nordosten von Siebenbürgen im Kreis Bistrița-Năsăud in Rumänien.
Bistrița ist Zentrum des Nösnerlandes. Durch die Stadt fließt der
gleichnamige Fluss Bistrița.
279
Blickend ihr nah im Stehen,
Ich sah, wie sie vorbeikam
Lachend am großen Felsen –
Wenn nicht lächelnd kam
Vom kalten nächtlich‘ Himmel,
Auch jetzt wäre ich da
Blickend ihr nah im Stehen!

280
Sonntags

Gott sagte:
„Sieben Tage die Woche
Gab ich euch.
Sechs Arbeitstage, doch der siebte soll euch
Heilig sein, so wie es mir war!

Sechs Tage sollst du arbeiten


Für dein Brot;
Aber ein Tag,
Du Mensch, wirst ruhen.
Gib mir, dass was mir zusteht,
Du wirst Mich verherrlichen!''

281
282
INHALT

Kurzer Exkurs In Der Rumänischen Lyrik 5

Ienăchiță Văcărescu 9
Ioan Budai-Deleanu 19
Zilot Românul 25
Gheorghe Asachi 31
Anton Pann 41
Ion Heliade Rădulescu 47
Vasile Cârlova 55
Grigore Alexandrescu 63
Cezar Bolliac 69
Andrei Mureșanu 77
Vasile Alecsandri 85
Dimitrie Bolintineanu 129
Carmen Sylva 153
Nicolae N. Beldiceanu 167
Mihail Eminescu 189
Veronica Micle 235
Alexandru Macedonski 243
Alexandru Vlahuță 253
Maria Cunțan 262
Elena Văcărescu 267
George Coșbuc 273

Inhalt 283
Impressum 284

283
Rumänische Lyrikanthologie
Von den Anfängen bis heute
Herausgegeben von Christian W. Schenk
ISBN: 9798854558914
DIONYSOS – 2023 Boppard am Rhein
©Alle Rechte vorbehalten!

284

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