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Universität Wien

Katholisch-Theologische Fakultät

Theologie der Spiritualität

Prof. Dr. Marianne Schlosser

010051-1

FS Spirituelle Themen im Werk von Joseph Ratzinger, Papst


Benedikt XVI. (2022S)

Seminarleiter:

Univ.-Prof. Dr. Marianne Schlosser

„Priester als Mittler bei Joseph Ratzinger“

Vorgelegt von: Vidovic Mirko

Vorgelegt am: 31. Juli 2022

Matrikel Nr. : 01463790

Adresse: Meiselstraße 1, 1150 Wien

Email: mirkovidovic13@gmail.com
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ............................................................................................................................... 3

2. Vermittlung und Mittler ......................................................................................................... 5

2.1. Stellung in der Schrift ..................................................................................................... 5

2.2. Altes Testament .............................................................................................................. 6

2.3. Neues Testament ............................................................................................................. 6

2.3.1. Qualifikation und Wirksamkeit der Mittlerschaft Christi ........................................ 7

2.3.2. Mittlerschaft anderer ................................................................................................ 9

3. Ratzingers Sicht zu Mittlerschaft des Priesters .................................................................... 10

3.1. Mittler im Neuem Testament ........................................................................................ 10

3.2. Das Apostelamt ............................................................................................................. 12

3.3. Übrigen Dienstämter ..................................................................................................... 15

4. Abschließende Gedanken..................................................................................................... 16

Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 18

2
1. Einleitung
Im ersten Teil seines Werkes über die Theologie des Weihesakramentes fragt Ratzinger nach
dem Wesen des Priestertums. Ich mache eine kleine Zusammenfassung mit bestimmten
wichtigeren Punkten als Fundament für weitere Überlegungen. Er stellt fest, dass das
Priestertum das Neue des Neuen Testaments ist und zwar verankert im grundlegenden Neuen,
dass die Person Jesu Christi ist. Somit ist die Frage des Ursprungs des priesterlichen Wesens
eine stark christologische. In Bezug auf das Priestertum zeigt sich eine Charakteristik Jesu
Christi als wesentlich, und die ist, dass er beansprucht, eine direkte Sendung von Gott zu haben,
d.h. in seiner Person die Autorität Gottes zu konkretisieren (Mt 7,29; 21,23; Mk 1,27; 11,28;
Lk 20,2; 24,19…). „Das Seinige ist das Nicht-Seinige, nichts steht neben dem Vater, sondern
alles ist ganz aus und zu ihm. Aber gerade so, weil er sich selbst enteignet ist, ist er ganz eins
mit dem Vater.“1 Diese Selbstlosigkeit ist seine Beglaubigung und gibt ihm die Vollmacht.
Dieser Jesus wählt dann die Zwölf und verleiht ihnen seine Gewalt und setzt somit ihr Amt in
enge Parallelität seiner eigenen Sendung: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf“ (Mt 10,40;
vgl. Lk 10,16; Joh 13,20); „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 13,20;
17,18; 20,21); und weiter: „Der Sohn kann von sich aus nichts tun“ (Joh 5,19.30); „Ohne mich
könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5). Die Apostel können von sich aus nichts als Apostel tun. Dieses
„Nichts“ des Eigenen bringt sie in die Sendungsgemeinschaft mit Christus. Daraus leitet
Ratzinger die Grundlage für den Sakrament. „Diesen Dienst, in dem wir ganz dem Anderen
übereignet sind, dieses Geben dessen, was nicht aus uns kommt, nennt die Sprache der Kirche
Sakrament.“2 Wenn man die Priesterweihe als Sakrament betrachtet, heißt das eben, dass es
nicht auf die Kräfte und Begabungen der Person ankommt. „Sakrament heißt: Ich gebe, was
ich selbst nicht geben kann, ich tue, was nicht aus mir kommt; ich stehe in einer Sendung und
bin zum Träger dessen geworden, was der Andere mir übergeben hat.“3

Es wird aus der einleitenden Überlegung sichtbar, dass es sich hier um einen neuen Typus von
Dienst handelt, der nur durch die Figur Christi erklärbar ist und nicht aus dem AT abgeleitet
werden kann. In apostolischer Zeit wird vor allem durch die Briefe des Heiligen Paulus
deutlich, das jenes Amt der „Diener des Neuen Bundes“ (2 Kor 3,6) sakramental zu verstehen
ist. Ein Apostel ist gegenüber der Gemeinde der Träger einer Autorität, die ihm selber von

1
Ratzinger J., Künder des Wortes und Diener eurer Freude, Theologie und Spiritualität des
Weihesakramentes, Gesammelte Schriften XII, Freiburg in Breisgau, 2010., 38.
2
Ebd., 39.
3
Ebd., 40.

3
Christus zukommt. Diese Gegenüberstellung des Apostels zur Gemeinde ist eine dialogische
Struktur, die sich gegenüber Christus zur Welt und zur Kirche fortsetzt.

In der jungen Kirche gibt es die Apostel und dann andere Ämter verschiedener Art, wie z.B.
Propheten, Lehrer, Presbyter, Episkopen, Diakone etc. Ihre Gestalt ist aber noch nicht ganz
festgesetzt. Ihre theologische Klärung reift langsam in der Phase des Übergangs zur
nachapostolischen Zeit. Ratzinger sieht da zwei Texten als besonderes wichtig. Eines ist der
vom Heiligen Paulus an die Presbyter zu Milet in Apg 20,28: „Gebt Acht auf euch und auf die
ganze Herde, in der euch der Heilige Geist zu Vorstehern (Bischöfen) bestellt hat, damit ihr als
Hirten für die Kirche des Herrn sorgt, die er sich durch sein eigenes Blut erworben hat!“ Es
wird klar, dass der Heilige Geist derjenige ist, der in dieses sakramentale Amt einsetzt. Es wird
die Fortführung des apostolischen Auftrags erwähnt, die Herde Gottes zu weiden und dadurch
auch die Aufnahme des Hirtendienstes Christi selbst. Es ergibt sich dadurch, dass das Amt der
Presbyter und Episkopen dem geistlichen Wesen nach mit dem der Apostel identisch ist. Sie
sind die Nachfolger; die Vollmacht geht auf sie unverändert weiter, aber sie sind nicht selbst
die Apostel. Ein weiterer wichtiger Vers ist vom ersten Petrusbrief: „Eure Ältesten
(πρεσβύτερος Presbyter) ermahne ich, als Mitältester (συμπρεσβύτερος – Mitpresbyter) und
Zeuge der Leiden Christi, der auch an der Herrlichkeit teilhaben soll, die sich offenbaren
wird: Weidet die euch anvertraute Herde Gottes, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie Gott
es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern mit Hingabe; seid nicht Beherrscher der
Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde! Wenn dann der oberste Hirt erscheint, werdet
ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen“ (1 Petr 5,1-4). Der Apostel Petrus
bezeichnet sich hier als Mit-Presbyter, was apostolisches Amt und Presbyterat theologisch
identifiziert. Die Theologie des Apostolats wird auf das Presbyterat übertragen womit die
neutestamentliche Theologie des Priestertums geschaffen ist.4

Der priesterliche Dienst ist also, wie der der Apostel, im Sendungsauftrag Jesu verankert. Diese
Sendung mündet in der Sendung Jesu Christ, den der Vater gesandt hat: „Wie mich der Vater
gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 13,20). Nun, einer der zentralen Aspekte der Sendung
Christi ist derjenige des Mittlers zwischen Gott und den Menschen. Es erhebt sich also die
Frage, ob die Apostel, oder äquivalent die Priester, die gleiche Sendung haben, Mittler zu sein.
Sind sie, wie der Vater Jesus als Mittler gesandt hat, auch von Jesus gesandt Mittler zu sein?
Einer der Wesenszüge der priesterlichen Sendung Jesu Christi ist der des Mittlers, wie man im

4
Vgl. Ebd., 33-47.

4
Hebräerbrief lesen kann. Nehmen also die Priester an der priesterlichen Sendung Christi teil,
so, dass sie auch an seiner Sendung zum Mittler teilnehmen? Oder ist es nur „Einer auch Mittler
zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus“ (1 Tim 2,5).

In dieser kurzen Arbeit möchten wir schauen, wie Ratzinger diese etwas heikle Frage angeht.
Davor aber wollen wir sehen, was die Begriffe Mittler und Vermittlung eigentlich heißen und
wo sie in der Schrift und in welchem Zusammenhang vorkommen.

2. Vermittlung und Mittler


2.1. Stellung in der Schrift
Das Wort Vermittlung/Mittlertum/Mittlerschaft (lat. mediatio) kommt so wortwörtlich in der
Bibel selten vor. In der Einheitsübersetzung kommt es einmal in Lev 26,46 ( ‫יָד‬, yād – Hand)
vor und steht für die Mittlerschaft Mose zwischen Gott und dem Volk und ein zweites Mal in
2 Makk 4,11 als Mittlerschaft Johanans beim König für das Volk. Im NT kommt der Begriff
in solcher Form nicht vor.

Das Wort Mittler kommt anderseits als solches im AT nur bei Ijob 33,23 mit dem Begriff ‫מֵ לִ יץ‬
(mē·lîṣ) vor und steht für den Engel als Mittler. Im NT kommt es sechsmal vor mit dem Begriff
μεσίτης. Das Wort μεσίτης bezeichnet einen Mittler oder eine Mittelperson, die zwischen zwei
Parteien bei einem Streit oder Erreichung eines Zieles steht.5

Es ist also sichtbar, dass es sich hier um einen Randbegriff handelt, geht man von der
Häufigkeit der tatsächlichen Erscheinungen dieser Begriffe in der Heiligen Schrift aus. Es ist
aber der Fall, dass obwohl dieser Begriff nicht so oft vorkommt, er als Konzept und
Wirklichkeit sehr präsent ist und als solcher eine wichtige Stellung in der Heiligen Schrift hat:
z.B. Bund als Mittler (Gen 12,3; 17,7.11; Jes 59,21), Vermittlung durch Propheten (Ez 3,4; Ex
4;15-16; Jer 1,9 usw.), Priester als Mittler (1 Chr 21,26; 2 Sam 24,25; Dtn 33,10; 1 Kön 18,30-
38; Hebr 9,22-23), stellvertretende Fürbitte (1 Sam 12,23; Gen 20,7; Ex 32,30-32; Ps 106,23;
Jer 9,1…), Segen (Dtn 21,5; Gen 12,2-3; Num 6,22-27…), Vermittlung zwischen
Einzelpersonen (Gen 37, 21-22; Gen 41,9-13; 1 Sam 19,1-7; Phlm 10-21), Jesus als Mittler der
Worte Gottes (Joh 7,40; Mt 11,27; 17,5; Joh 14,6.9-10; Offb 19,13), Jesus als einziger Mittler

5
Vgl. Bauer W. ed. Aland K. und B., Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen
Testaments und der frühchristlichen Literatur (Berlin; New York: Walter de Gruyter, 1988), 1026.

5
(1 Tim 2,5-6), Jesus als Mittler, Priester und Opfer (Jes 53,10; Hebr 7,27; 2,17; 9,11-15), Jesus
als universaler Mittler (Kol 1,20) etc.

Also, der Gedanke der Mittlerschaft und des Mittlers ist viel breiter als reine Häufigkeit dieser
Begriffe in der Schrift. Dieses wollen wir nun kurz anschauen.

2.2. Altes Testament


Die Idee der Vermittlung ist für Israel wesentlich gewesen. Um seinen Bund und Plan zu
erfüllen, hat sich Gott bestimmte Personen auserwählt um das ganze Volk zu leiten –
grundlegend Priester, Propheten und die Könige. Die Priester haben eine besondere Rolle als
Mittler gehabt, indem sie die Gebete verrichteteten und die Opfer für das Volk darbrachten
(Lev 9,7; 16,15.19; Num 16,40; Dtn 33,10; 2 Chr 26,18). Die Propheten übten ihre Rolle als
Mittler indem sie die Worte Gottes zum Volk brachten (Dtn 18,15-22; Jes 43,8-15; 55,6-11
etc.). Durch die Könige befreite und leitete Gott sein Volk. Sie nahmen manchmal auch die
priesterlichen Funktionen ein (2 Sam 6,17-18; 1 Kön 8,54-61).6

Eine prominente Rolle als Mittler im AT hatte Moses (Num 12,6-8; Dtn 34,10; Apg 7,38; Gal
3,19). Gott hat ihn auserwählt, sein Volk aus der Sklaverei zu befreien und in das gelobte Land
zu bringen. Gott sprach durch ihn zu seinem Volk und er setzte sich mehrmals stellvertretend
für das Volk ein (Ex 32; Dtn 9; Num 21, 4-9). Auch der Hl. Paulus spricht von Mose als dem
Mittler (Gal 3). So erscheint Mose als ein Vorschatten Christi hinsichtlich Vermittlung
zwischen Gott und Menschen.

Die Jesajas Gottesknechtlieder spielen auch eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang,
indem sie den kommenden Knecht Jahwes als den neuen Mittler ankündigen, der sein Leben
für das Volk hingibt um es loszukaufen.

2.3. Neues Testament


Im Neuen Testament kommt das Wort Mittler nur sechsmal vor; zweimal in Bezug auf Mose
(Gal 3,19-20) und viermal auf Christus (1 Tim 2,5; Hebr 8,6, 9,15, 12,24). Im Vergleich zur
Bedeutung dieser allumfassenden theologischen Wahrheit scheint es wenig angesprochen zu

6
Vgl. Hahn S., Hrsg., Catholic Bible Dictionary (New York; London; Toronto; Sydney; Auckland:
Doubleday, 2009), 595.

6
sein. Die lehramtlichen Texte sprechen es auch nicht besonders häufig direkt an.7 Jedoch ist
das Thema bei den Vätern und in der Scholastik zentral und ist reichlich angesprochen worden.

Jesus Christus erscheint als der Mittler schlechthin. Wo das Wort Retter (σωτήρ) auch für den
Vater verwendet werden kann (1 Tim 2,3), ist der Begriff Mittler nur dem Sohn auf dieser Art
eigen und charakterisiert ihn auf eine besondere Weise. Durch den neuen Bund (Lk 22,20; 1
Kor 11,25) eröffnet Jesus als Mittler einen neuen Zugang zu Gott und gibt dem Menschen eine
neue Seinsweise. Er ist der Knecht Jahwes, der sein Leben dem Tod preisgab und sich unter
die Abtrünnigen rechnen ließ. „Er hob die Sünden der Vielen auf und trat für die Abtrünnigen
ein“ (Jes 53,12). Er wurde von einer Frau, als Mensch geboren, „dem Gesetz unterstellt, damit
er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“. Er sandte
den Geist seines Sohnes in unsere Herzen und so sind wir nicht mehr Sklaven, sondern Söhne
und Erben durch Gott (Gal 4,4-7).

2.3.1. Qualifikation und Wirksamkeit der Mittlerschaft Christi


Es ist genau seine Geburt/Inkarnation und seine Seinsweise (zwei Naturen), die die Grundlage
und Qualifikation der vollkommenen Mittlerschaft Christi sind. Mittler ist jemand, der
zwischen zwei Seiten steht, um den Frieden zu stiften.8 Alle Menschen haben gesündigt und
die Herrlichkeit Gottes verloren (Röm 3,23). Es lag nicht in der Kraft eines in Sünde geborenen
Menschen, diese Trennung aufzuheben9; auch nicht durch die alttestamentlichen Riten und
Opfer.10 Es ist Gott, der Initiative ergreift und seinen Sohn (als wahren Mittler) sendet, um uns
von dieser Situation zu befreien. Jesus Christus, der Gott ist, nahm unser Fleisch und Blut an
und war wahrer Mensch (Hebr 2,11-15). Als wahrer Gott und wahrer Mensch ist er derjenige,
der einzig und allein vollkommener Mittler zwischen Gott und den Menschen sein kann.11
Seine Mittlerrolle geht von seiner Menschennatur aus als principium quo operandi; ihre
Wirksamkeit aber hat sie aus seiner göttlichen Natur. Dieser ontologische Ausgangspunkt war
vor allem in der Patristik und Scholastik die Grundlage der Mittlerschaft Christi schlechthin.
Die Gottmenschlichkeit durch die hypostatische Union in Christus ist die Basis dafür. Durch

7
Leo I., Konzil von Florenz und Trent (Denzinger H., Enchiridion Symbolorum, Definitionum et
Declarationum de Rebus Fidei et Morum, 1957, 143, 711, 790); Semmelroth O., „Mediatorship“, ed.
Adolf Darlap, Sacramentum Mundi: An Encyclopedia of Theology (New York; London: Burns &
Oates; Herder and Herder, 1968–1970), 9.
8
Vgl. Vorgrimler H., „Mittler“, Neues Theologisches Wörterbuch (Freiburg; Basel; Wien: Herder,
2008), 424.
9
D 790.
10
D711; Heb 10,1.
11
Sth III, 1, 2.; Tertullian, Adv. Prax. 27.

7
diese Union erwerben das Leben, Sterben und die Auferstehung Christi ewige Verdienste für
den Menschen. Diese Mittlerschaft, basierend auf der Einzigartigkeit seiner Person, erstreckt
sich auf das Vermitteln der Worte seines Vaters (Joh 12,49-50; 14,24; 17,8), auf sein
heilbringendes Wirken, durch das die Liebe des Vaters zu Menschen sichtbar wurde (Joh 10,18;
10,32; 14,9-11), auf seinem Standhalten in der Versuchung (Mt 4,1-11; Lk 22, 39-46; Hebr
4,15) und gipfelt in seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung, die seine Mittlerschaft ein
für alle Mal besiegelt haben. Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, damit die Welt durch
ihn gerettet wird (Joh 3,17); er hat ihn, der keine Sünde kannte, zur Sünde gemacht, damit wir
in ihm Gerechtigkeit Gottes würden (2 Kor 5,21) und am Kreuz, durch sein Blut, durch ihn,
auf ihn hin alles versöhnt (Kol 1,20), damit wir die Vergebung der Sünden und die Erlösung
nach dem Reichtum seiner Gnade empfangen (Eph 1,7).

Wo wir alle in Adam, dem irdischen Lebewesen gestorben sind, sind wir in Christus, dem
zweiten Adam, dem lebendig machenden Geist, alle lebendig gemacht worden (1 Kor 15,
22.45).

Die Mittlerschaft Christi geschieht auf dreifacher Art, basierend auf seinem dreifachen Amt.12
Als Prophet vermittelte er uns die Worte des Vaters und war selbst das Wort. Als König, der
dem Haus David verheißen wurde, ist sein Leib das wahre Königreich, dem alle Gläubigen
angehören (1 Kor 12; Eph 4,4). In seinem Priestertum zeigt sich seine Mittlerschaft am
stärksten. Sein Priesteramt ist mit seiner Rolle als Mittler so verbunden, dass die zwei
Wirklichkeiten kaum zu trennen sind. Das wird vor allem im Hebräerbrief so deutlich. Er ist
ein Hohepriester, der den Himmel durchschritten hat, der mit unseren Schwächen mitfühlen
könnte und war in allem versucht wie wir, hat aber nicht gesündigt (Hebr 4,14-15). Er ist
Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedek, nicht notwendigerweise kraft der
Abstammung, sondern kraft des unzerstörbaren Lebens (7, 16-17). „Ein solcher Hohepriester
ziemte sich in der Tat für uns: einer, der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von
den Sündern und erhöht über die Himmel; einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die
Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes;
denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst dargebracht hat.“ (Hebr 7,26–27). Er
ist mit seinem eigenen Blut ein für alle Male ins Heiligtum hineingegangen und hat somit ewige
Erlösung bewirkt (9,12). „Und darum ist er der Mittler eines neuen Bundes; sein Tod hat die
Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt, damit die Berufenen das

12
Vgl. Bray G., „Jesus als Mittler“, in Grundriss der Dogmatik, ed. Ellis B., Ward M. und Parks J.
(Bellingham, WA: Lexham Press, 2018).

8
verheißene ewige Erbe erhalten.“ (Hebr 9,15). Er ist nicht in ein menschengemachtes
Heiligtum eingegangen, sondern in den Himmel selbst, um vor Gottes Angesicht für uns zu
erscheinen (9,24). Wo die Priester des alten Bundes viele Male die gleichen Opfer, die doch
niemals Sünden wegnehmen können darbrachten; hat Christus sich selbst als Opfer für die
Sünden ein einziges Mal dargebracht und die, die geheiligt werden für immer zur Vollendung
geführt (20,11-14). Unter diesen drei Ämtern Christi, wie gesehen, sticht sein Priesteramt als
hervorragendste Form seiner Mittlerschaft hervor.

Dieses Mittlertum, obwohl am Kreuz besiegelt, ist nicht statisch. Seine Wirksamkeit ist eine
vollkommene, ewige und fortdauernde. Seine Dynamik zeigt sich vor allem durch das Senden
des Heiligen Geistes13, das Stiften der Sakramente und der Kirche, und das dauernde Eintreten
Christi für uns beim Vater (Röm 8,34; Hebr 9,24, 1 Joh 2,1). Auf diese Weise währt das Werk
der Mittlerschaft Christi ewig. Es ist ein beständiges Merkmal unserer Beziehung zu Gott, die
außerhalb unserer Einheit mit Christus unmöglich ist.14

2.3.2. Mittlerschaft anderer


Obwohl einer Mittler zwischen Gott und den Menschen ist: der Mensch Christus Jesus (1 Tim
2,5), schließt das nicht notwendigerweise die Möglichkeit jeglicher Mittlerschaft anderer
Menschen aus. Ein klassisches Beispiel ist (unter Ähnlichem) das Gebet, wo man sich als
‚Mittler‘ für die anderen bei Gott einsetzt. Im Grunde ist alles menschliche heilbringende
Handeln eine Art ‚Mittlerschaft‘ und hat als solche Auswirkung auf die naheliegende
Gemeinde und Kirche als Ganze, deren Glieder jene sind; obwohl das konkrete Ausmaß der
Wirksamkeit dieser nicht präzise und klar zu berechnen und festzustellen ist. Eine solche
Mittlerschaft ist der Mittlerschaft Christi analog und von ihr abzuleiten; keineswegs aber ihr
gleich. Sie entspringt aber aus ihr. Die Früchte der Mittlerschaft Christi bleiben nicht einfach
passiv zu genießen, sondern ermächtigen den Empfänger, an ihr aktiv teilzunehmen. Ein
besonderes und hervorragendes Beispiel dafür ist die Jungfrau Maria, die Abbild der Kirche
und Vorbild jedes Christen ist. Sie ist die Fürsprecherin, Auxiliatrix, Adjutrix und Mediatrix
(LG 62). Die Einzigartigkeit ihrer Mittlerschaft liegt in ihrer Bereitschaft, Gottes Sohn zu
gebären und in ihrem Mitleiden bei der Kreuzigung ihres einzigen Sohnes, des einzigen wahren
Mittlers. Einmal aufgenommen in den Himmel, legt sie ununterbrochen ihre Fürsprache für
uns ein und erbittet für uns die Gnaden der Erlösung. Obwohl die Mittlerschaft Marias eine

13
Der selber eine Art Mittlerrolle hat (Mk 13,11; Joh 14,26; Apg 5,32; 9,31; 13,2; Röm 8,26-27; 1 Kor
6,19; Eph 3,5…)
14
Vgl. Bray G., „Jesus als Mittler“.

9
besondere und erhabene ist, ist sie auch nicht die der Christi gleichzustellen, was die Kirche
mit dem Erkennen ihrer untergeordneten Rolle klar zu unterscheiden weiß.15 Da Maria das
Abbild der Kirche ist, eröffnet uns ihre Mittlerschaft tieferes Erkenntnis über unsere eigene
Mittlerschaft, die im Empfangen des Sohnes Gottes in uns und das Tragen des Kreuzes mit ihm
ihren Anfang nimmt.

Die Mittlerschaft Marias ist, wie gesehen, eine besondere. Da das Priesteramt Christi das
stärkste Merkmal seiner Mittlerschaft ist, erhebt sich die Frage, ob den Priestern (des Neuen
Bundes), die er gesandt hat, wie ihn der Vater gesandt hat (Joh 20,21) und die gleiche Werke,
die er getan hat, und noch größere tun werden (14,12), auch eine besondere Art von
Mittlerschaft gehört. Um zu versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, wollen
wir nun zu Joseph Ratzinger zurückkehren.

3. Ratzingers Sicht auf die Mittlerschaft des Priesters16


Der Begriff „Mittler“ im Zusammenhang mit dem Priestertum wurde in den neueren Debatten
scharf kritisiert; aber im vergangenen Jahrhundert war der Gedanke des Mittlertums im
katholischen Bereich für die Entfaltung des Priesterbildes von großer Bedeutung. So schien es
Ratzinger richtig, den gegebenen thematischen Anregungen zu folgen und dem Begriff
„Mittler“ vorerst, dann aber auch der konkreten Realität der christlichen Dienste
nachzugehen.17

3.1. Mittler im Neuem Testament


Ratzinger bemerkt, wie oben schon erwähnt, dass der Begriff Mittler nur sechsmal im NT
vorkommt und somit eher am Rande steht. Er ist nicht zu einem eigentlichen Christustitel
aufgerückt, nicht in die Sprache des Bekenntnisses eingegangen. Er gehört jedoch der
theologischen Reflexion zu, um die Kernaussagen des Glaubens dem Denken zugänglich zu
machen. Er ist nicht ein Teil des zentralen Überlieferungsgutes, sondern schon eine Auslegung

15
Vgl. Semmelroth O., „Mediatorship“, ed. Darlap A., Sacramentum Mundi: An Encyclopedia of
Theology, New York; London, 1968–1970, 10.
16
Vgl. Ratzinger J., Künder des Wortes und Diener eurer Freude, Theologie und Spiritualität des
Weihesakramentes, Gesammelte Schriften XII, Freiburg in Breisgau, 2010., 107-128.
17
Ratzinger entschied sich bewusst auf Übermenge an Literaturangeben zu verzichten und nennt einige,
die er für diesen Kontext für wichtig hält: Deissler, Schlier, Audet, Der priesterliche Dienst I.; Auer,
Sakramente 296f.; Die deutschen Bischöfen, Über das priesterliche Amt; ITK, Bischofssynode,
Priesteramt, mit einem bedeutenden Kommentar von Hans Urs von Balthasar. Vgl. Ratzinger,
Gesammelte Schriften XII, 109.

10
innerhalb der biblischen Überlieferung. Dieser Titel „Mittler“ sei gegensätzlich gebraucht: im
Galaterbrief mit negativer, im Hebräerbrief und Timotheusbrief mit positiver Konnotation.

„Warum gibt es dann das Gesetz? Wegen der Übertretungen wurde es hinzugefügt,
bis der Nachkomme käme, dem die Verheißung gilt. Es wurde durch Engel erlassen
und durch einen Mittler bekannt gegeben. Der Mittler jedoch ist nicht der Mittler
eines Einzigen; Gott aber ist der Eine.“ (Gal 3,19-20)

Hier erscheint der Begriff Mittler als Ausdruck einer Unzulänglichkeit. Gott ist derjenige, der
alleine handelt und keinen Mittler braucht. So ist Christus für Paulus das Ereignis der
Unmittelbarkeit Gottes, die wiederhergestellte Direktheit zu Gott und damit das Ende des
eigentlich vom Ziel wegführenden Mittlertums. Christus ist in diesem Zusammenhang
eigentlich nicht der Mittler, sondern die Unmittelbarkeit, die sich an ihm, und dadurch an uns
erfüllt, damit wir mit ihm „ein Einziger“ werden können (3,28).

Der Hebräerbrief (oben diesbezüglich genügend zitiert) entwickelt eine andere Konzeption.
Auch dort werden die unvollkommene Mittler erwähnt, die durch den Vollkommenen, Jesus
Christus, der von Bildern weg in die Wirklichkeit hineinführt, ersetzt wurden. Aber in dieser
Direktheit erscheint der Mittlergedanke als positiv. Ähnlich wie es Paulus in 1 Tim 2,5
ausdrückt: „Einer ist Gott, / Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: / der Mensch
Christus Jesus“ (1 Tim 2,5). Was sagen diese zwei Verse von Jesus als Mittler aus?

In beiden Briefen hängen das Kreuz, Mittlertum und Priestertum zusammen. Dass Christus ein
wahrer Mittler ist, heißt es, dass er der einzig wirkliche Priester ist. Im Hebräerbrief ist der
Begriff Priester der umfassendere, wobei das Wort Mittler einen seiner Aspekte erläutert;
jedoch fallen sie in diesem Brief quasi zusammen. Aus diesen beiden Stellen kann man
folgende Aspekte hervorheben:

Zum einen ist dieses Mittlertum exklusiv; es ist aber paradoxerweise exklusiv, weil es inklusiv
ist. Jesus ist der einzig wahre Mittler zwischen Gott und Menschen und neben ihm als solchen,
gibt es keinen anderen. Seine Mittlerschaft hat Geltung für alle Orte und Zeiten und schließt
alles in sich hinein, sodass es andere Mittlerschaften ausschließt. „Ihre Einzigkeit gründet in
ihrer Universalität und ihre Universalität hat ihre Einzigkeit zu Folge.“18 Diese Einzigkeit
gründet wieder im Kreuz und der Priesterschaft Christi, den Gott selbst eingesetzt und zur
kosmischen Liturgie ermächtigt hat. So ist die eigentliche Wurzel des Mittlertums Christi die

18
Ebd., 112.

11
Setzung Gottes selbst. Nur der Sohn, der Mensch Jesus Christus kann der Mittler der Menschen
zu Gott hin werden, weil sich Gott in ihm schon vermittelt hat.

Diese Überlegung eröffnet die Möglichkeit eines Vergleichs zum Galaterbrief. Dort wird die
Vermittlung der Unmittelbarkeit entgegengestellt. Aber auch für 1 Tim und Hebr ist es
entscheidend, dass die Region des Mittelwesens überschritten ist. Beide sprechen im Grunde
von einer vermittelten Unmittelbarkeit. „Im Mittler Christus begegnen wir Gott unmittelbar,
und eben darin erweist er sich als der wahre Mittler, dass er zur Unmittelbarkeit führt oder
vielmehr: sie selber ist.“19

Zu diesem Zusammenhang kommt auch die Verbindung mit dem Leib-Christi-Gedanken. In


der Formel „Ihr seid einer in Christus“ (Gal 3,28), betont Paulus die exklusive Inklusivität von
Christi Tun. Christus ist nicht ein Abgesonderter, sondern als Allumfassender hat er die Kirche
als seinen Leib erbaut und mit ihr eine Einheit gebildet. Insofern also die Kirche mit Christus
ein Einziger ist, hat sie teil an seinem Mittlertum. „Sie ist Vermittlung zu Gott hin, weil sie die
Form ist, wie Christus in der Geschichte gegenwärtig bleibt.“20 Dieser Gedanke, verbunden
mit der Durchdringung der Christologie und Ekklesiologie erweitert den Gedanken des
Mittlertums, ohne die Einzigkeit des Mittlertums Christi zu mindern. In diesem
Zusammenhang aber können sich auch manche Gefahren verbergen.

3.2. Das Apostelamt


Die grundlegenden Fragen, mit denen Ratzinger diese Überlegung anfängt sind, in welcher
Beziehung der Apostel zu Christus steht und welche Vollmacht seinem Amt innewohnt?

Zunächst mal ist zu erwähnen, dass das NT das Apostolat durchgehend auf die Setzung des
Herrn zurückführt und als Ergebnis der Berufung darstellt (Mk 3,13-19). Damit hängt die
Tatsache zusammen, dass das Apostolat Teilhabe am Sendungsauftrag Christi ist. Vom Herrn
gesandt verkünden die Apostel das Reich Gottes und durch die ihnen verliehene Vollmacht
setzen sie die Machtzeichen der Nähe dieses Reiches (Mk 3,15; Mt 10,7). Die enge Verbindung
dieser zwei Aufträge wird in folgenden Sätzen zum Ausdruck gebracht: „Wer euch hört, der
hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab,
der mich gesandt hat (Lk 10,16); und „Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch!
Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch (Joh 20,21).“ „Beide Male wird Christus

19
Ebd., 113.
20
Ebd., 114.

12
selbst ausgelegt als der Apostel des Vaters, so dass diejenigen, die er als Apostel sendet,
darstellen, was er selber ist.“21

Im Unterschied zu den Synoptikern wird bei Johannes der Sendungsbegriff zu einem zentralen
christologischen Gedanken. „Christus ist seinem Wesen nach der Gesandte des Vaters, der
ganz darin aufgeht, Gesandter zu sein und so, als reiner Mittler, nichts neben dem Vater,
sondern eben dessen uneingeschränkte repraesentatio unter den Menschen ist…“22 Durch die
Auslegung Christi als Apostel des Vaters ist das Apostolat im Zentrum der Christologie
verankert. Das, was Ursprung und Bewegungsmacht des irdischen Daseins Christi ist, geht auf
die Apostel weiter. Somit ist das Apostolat ein zutiefst christologisch fundiertes Amt. Wenn
man die Sendung als Repräsentation des Sendenden und zugleich Vermittlung zum Sendenden
hin versteht, dann ist das Apostelamt zweifellos als Dienst der Vermittlung qualifiziert. In
diesem Zusammenhang beruht die Vermittlung auf der Selbstlosigkeit des Gesandten, der
hinter der Botschaft und hinter dem Sendenden ganz zurücksteht. Er gibt nicht sich, sondern
den, der ihn sendet. Es ist eine Selbstenteignung des Menschen und seine Durchlässigkeit für
einen Anderen. Sie beruht auch nicht auf eigenem Tun, sondern auf der Setzung des Anderen,
die Verfügbarkeit und Zurücktreten vor ihm als Folge hat. Auch bei Paulus ist dieser Gedanke,
dass die Berufung durch Christus für den apostolischen Dienst konstitutiv ist (Gal 1,10-17) und
dass das Apostolat etwas spezifisches, und nicht der ganzen Gemeinde zukommende ist (1 Kor
12,29), bekannt. In diesem Kontext, scheinen Ratzinger zwei Beobachtungen von besonderer
Bedeutung zu sein:

1.) Im zweiten Korintherbrief bezeichnet Paulus den Apostel als pneumatische Steigerung und
Überbietung der Gestalt des Mose und nimmt eine Identifikation zwischen den beiden vor. Wo
das Mosesamt innerhalb des Buchstabens verbleibt, ist das apostolische Amt auf der Ebene des
Pneuma. Diese Verbindung ist wichtig, weil es auf die zentrale Mittlergestalt des AT
zurückgreift. Mose erscheint hier als Typos des wahren Mittlers, Christus, durch dessen Achse
der apostolische Dienst als eine vom Herrn ermöglichte pneumatische Antithese zum
mosaischen Dienst zum Verstehen ist. Weiter, im fünften Kapitel, nennt Paulus das Apostelamt
„Dienst der Versöhnung“, was sehr nahe an den alttestamentlichen Dienst des Hohepriesters
heranrückt. Diese Idee ist aber wieder eher eine pneumatische Antithese als Parallele. Vor
allem aber kommt der Mittlergedanke im folgenden Vers zum Vorschein: „Wir sind also
Gesandte an Christi statt und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst

21
Ebd., 115.
22
Ebd., 115.

13
euch mit Gott versöhnen“ (2 Kor 5,20). Hier erklingt wieder eine Verbindung zu Mose, der
bereit ist, sich aufzureiben, um das Volk mit Gott und Gott mit dem Volk zu versöhnen. „Ich
aber will sehr gern alles aufwenden und mich für euch aufreiben“ (2 Kor 12,15a). Das Ganze
aber geht durch Christus, der selbst die Versöhnung ist. Wie gesehen ist diese Auslegung der
Diener des NT als Mittler nicht nur christologisch, sondern durch eine christologische
Auslegung des AT begründet; und zwar nicht kultisch, sondern durch die Gestalt des Mose als
Mittler. Auf das bereits gesagte zurückzugreifend, kann man auch nach diesen Einsichten
wiederholen, dass der Mittlerdienst des Apostels mit seiner Bereitschaft, sich selbst für das
Evangelium verbrauchen zu lassen, eng zusammenhängt.23

2.) In Röm 15,16 sagt der Heilige Paulus: „…damit ich als Diener Christi Jesu für die Heiden
wirke und das Evangelium Gottes wie ein Priester verwalte; denn die Heiden sollen eine
Opfergabe werden, die Gott wohlgefällig ist, geheiligt im Heiligen Geist“. Dieser Satz ist sehr
stark von der kultischen Terminologie geprägt, das Ganze ist aber auf eine neue Ebene
gehoben. Es sind nicht mehr irgendwelche Opfertiere, die als fehlerfreie und kultgerechte Gabe
dargebracht werden müssen, sondern es ist der Mensch, die Völker der Erde, die Menschheit.
Das Mittel zur Erreichung dieser Umgestaltung der Völker zur lebenden Hostie ist die
Botschaft des Evangeliums, wobei der priesterliche Dienst des Apostels und seine
missionarische Tätigkeit als Verkünder des Evangeliums zusammenkommen.

Weiter im Philipperbrief 2,17 sagt der Apostel: „Doch wenn auch mein Leben dargebracht wird
zusammen mit dem Opfer und Gottesdienst eures Glaubens, freue ich mich und freue mich mit
euch allen“. Diese missionarische Liturgie bezieht den Apostel ein, die zunächst in der
Verkündigung der Frohen Botschaft besteht, ihre Vollendung aber am Kreuz, im
Verbrauchtwerden der eigenen Person für das Wort hat. Hier ist wieder eine Verschmelzung
der Theologie des Apostolats und der Christologie sichtbar, die für den Apostel offenkundig
selbstverständlich ist und keiner besonderen Reflexion bedürftig scheint.

23
Das Interessante dabei ist, bemerkt Ratzinger, dass derselbe Paulus, der den Mittlerbegriff im
Galaterbrief selbst bei Christus ablehnt, ihn nun auf die Apostel anwendet. Es ist verfehlt, aus den
einzelnen Aussagen, ohne den Kontext, die terminologischen Festlegungen abzuleiten. Die Schreiber
fassen den Gedanken von einer bestimmten Richtung an, aber systematisieren ihn nicht. Sie reden
exemplarisch, mit Verbindlichkeit des Exemplarischen, was aber auch Grenzen hat und ergänzbar
bleibt. Dabei gibt es natürlich eine Abstufung, wie z.B. in diesem Kontext, wo 1 Tim gewichtiger ist,
weil es direkter aus dem neutestamentlichen Glaubensgut kommt, im Gegensatz zur Thoraspekulation
des Galaterbriefes. Dennoch muss man einer allzu buchstäblichen Dogmatisierung von 1 Tim Reserven
entgegenbringen. Vgl. Ebd, 118-119.

14
Obwohl hier der Begriff des Mittlers nicht direkt vorkommt, sind seine Elemente sehr
anwesend. Es ist die Theologie des Martyriums, die den ganzen Aspekt noch verstärkt. „… der
Mittler muss notwendigerweise zum ‚Opfer‘ werden: Das ist der Anspruch, den die reale
Liturgie des Gekreuzigten an ihn stellt.“24

3.3. Übrigen Dienstämter


Die übrigen kirchlichen Ämter bleiben doch im Vergleich mit der bisherigen Aposteltheologie
weniger beleuchtet. Selbst ihre Terminologie ist nicht von Anfang an festgelegt. Im
Hebräerbrief finden wir das Wort ἡγούμενοι (13,7; 17,24), was noch in Apg 15,22 zu finden
ist. Den Ausdruck προϊστάμενοι finden wir in 1 Thess 5,17 und Röm 12,8 und dann einmal in
1 Tim 5,17 in Verbindung mit dem Wort πρεσβύτεροι, das in der Apostelgeschichte und den
Katholischen und Pastoralen Briefen eine gebräuchliche Benennung der Amtsträger ist.
Schließlich finden wir im Philipperbrief (1,1) den Ausdruck ἐπίσκοποι καί διάκονοί. ἐπίσκοπος
ist in 1 Tim 3,2 und Tit 1,7 in der Einzahl zu finden. Dieser Ausdruck wird in Apg 20,28 nicht
als Titel, sondern als Funktion auf die Presbyter angewandt; der Erste Petrusbrief (2,25)
verwendet es als Würdetitel Christi, in deutlicher Beziehung zu den Amtsträgern der
Gemeinde. Eine Theologie dieser Ämter hat Paulus nur indirekt entwickelt, und zwar als
charismatische Funktionen des Leibes Christi (Röm 12,6-8; 1 Kor 12,28-31). Im Epherserbrief
nennt Paulus unter diesen pneumatischen Gaben nur noch folgende amtliche Dienste: Apostel,
Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer (4,11).

In der Apostelgeschichte entwickelt Paulus in seiner Abschiedsrede an die ephesinischen


Presbyter schon eine Theologie des Presbyterats. Zum einen ist es die apostolische Nachfolge.
Hier ist das Verhältnis des Apostels zu den Presbytern exemplarisch dargestellt. Es ist eine
Übertragung der Verantwortung des Hirten vom Apostel auf die Presbyter, die damit als
Nachfolger der Apostel angesehen werden. Zum zweiten ist es der Heilige Geist, der diese
Einsetzung vollzieht (20,28). Und zum dritten ist die Funktion der Presbyter. Sie werden
zunächst mal als Aufseher über die Herde verstanden. Somit folgt dieser Dienst der
alttestamentlichen Tradition, wo Jahwe der wahre Hirte seines Volkes ist, und wo Könige und
Priester als Hirten verstanden werden; womit der Weg zu einer christologischen Deutung
geöffnet ist. So wird auch ein vom Pneuma gegebenes Gegenüber der Gemeinde, der Presbyter,
klar.

24
Ebd., 120.

15
Im Ersten Petrusbrief identifiziert sich der Apostel als συμπρεσβύτερος (Mitpresbyter), womit
das Apostelamt gleichbedeutend mit dem Presbyteramt ausgelegt wird. Für Ratzinger ist das
die stärkste Verknüpfung der beiden Größen, die sachlich die Übertragung der Theologie des
Apostolats auf das Presbyterat einschließt.25

Das Ergebnis dieser Überlegung ist folgende: das Neue Testament verbindet klar das
Apostelamt mit dem Presbyteramt, sodass die strukturellen Gegebenheiten des Einen auch
diejenigen des Anderen sind. „Der Presbyter ist in den Mittlerdienst Jesu Christi prinzipiell in
derselben Weise einbezogen wie der Apostel; er ist Diener Jesu Christi wie dieser.“26

4. Abschließende Gedanken
Es ist aus den Schriften Ratzingers Folgendes über das Thema festgestellt worden:

Das Priesteramt kann nur in Zuordnung zu dem exklusiven und zugleich inklusiven Mittleramt
Christi verstanden werden. Es ist nicht von einem allgemeinen kulttheologischen Schema
abzuleiten, sondern aus der Gestalt Jesu Christi selbst.

Der Vollzugsort des Priesteramtes und des Mittleramtes Christi ist im Kreuz und seine
Voraussetzung und Grundlegung in der Inkarnation.

Ausgangspunkt des Presbyteramtes ist das Apostolat. Als Fortsetzung der Sendung Jesu ist es
vor allem als Evangelisierungsauftrag, und zwar auf dem Hintergrund des fleischgewordenen
und gekreuzigten Logos zu verstehen.

Paulus lässt prinzipiell ein Verständnis des Priesters als Mittler zu, insofern sich der
Mittlerdienst Christi im Tun und Leiden des Apostels konkretisiert. Der Priester ist aber nur
der Diener des wahren Mittlers, Christus. Daher, bemerkt Ratzinger, hat der Begriff Diener
Vorrang. Auf dem Begriff Mittler für Priester sollte der Eindeutigkeit wegen lieber verzichtet
werden, obwohl er in vieler Hinsicht nicht falsch ist.

Dabei ist zu bemerken: Die Voraussetzung zum Mittlerdienst und Amt des Priesters ist nicht
seine persönliche Heiligkeit, sondern die Heiligkeit dessen, der ihn sendet, Jesu Christi. Er steht
im Dienst des Heiligen. So kann das Heil Christi auch durch unheilige Diener kommen, weil
es eben von Gott und nicht von ihnen kommt. Das relativiert die Bedeutung des Priesters und
macht seine Stellung gegenüber dem absoluten Primat Christi sekundär. Obwohl eine seiner

25
Ebd., 122.
26
Ebd. 124.

16
Hauptaufgaben und Versprechen ist, sich Tag für Tag Christus, dem Herrn enger zu verbinden
und so zum Heil der Menschen für Gott zu leben.

Dieser Primat Christi entlastet den Priester, gibt ihm aber auch Wegweisung. Er muss sich auf
die Seite der Kirche und des Volkes stellen wissen und sich der Fürbitte dessen, der allein den
Vorhang durchschritten hat, anvertrauen. Er muss sagen können, nicht ich bin der Mittler,
sondern er ist der einzige wahrer Mittler. Somit verkündigt Priester nicht sich selbst, sondern
den Glauben der Kirche und in ihm Jesus Christus. Die wahre Heiligkeit im Mittleramt der
Priester hängt von diesem Zurücktreten und Sich-verlieren des Eigenen vor dem Anderen,
Christus, ab und zwar für die Menschen, die Christus ihnen anvertrauen will.27

27
Vgl. Ebd., 124-128.

17
Literaturverzeichnis

Die Bibel: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, überarbeitete Ausgabe. (Stuttgart:


Katholische Bibelanstalt, 2017).

Bauer W. ed. Aland K. und B., Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen
Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin; New York, 1988).

Bray G., „Jesus als Mittler“, in Grundriss der Dogmatik, ed. Ellis B., Ward M. und Parks J.
(Bellingham, WA: Lexham Press, 2018).

Denzinger H., Enchiridion Symbolorum, Definitionum et Declarationum de Rebus Fidei et


Morum, 1957.

Hahn S., Hrsg., Catholic Bible Dictionary, New York; London; Toronto; Sydney; Auckland:
Doubleday, 2009.

Ratzinger J., Künder des Wortes und Diener eurer Freude, Theologie und Spiritualität des
Weihesakramentes, Gesammelte Schriften XII, Freiburg in Breisgau, 2010.

Semmelroth O., „Mediatorship“, ed. Adolf Darlap, Sacramentum Mundi: An Encyclopedia of


Theology, New York; London, 1968–1970.

Vorgrimler H., „Mittler“, Neues Theologisches Wörterbuch (Freiburg; Basel; Wien: Herder,
2008).

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