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Herausgegeben von
Karl-Heinz Leven, Mariacarla Gadebusch Bondio,
Hans-Georg Hofer und Cay-Rüdiger Prüll
Band 17
PETER LANG
Frankfurt am Main · Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Wien
Ute Caumanns / Fritz Dross / Anita Magowska
(Hrsg. / red.)
PETER LANG
Internationaler Verlag der Wissenschaften
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlaggestaltung:
Olaf Glöckler, Atelier Platen, Friedberg
ISSN 1437-3122
ISBN 978-3-653-02086-1 (E-Book)
DOI 10.3726/978-3-653-02086-1
ISBN 978-3-631-62215-5 (Print)
© Peter Lang GmbH
Internationaler Verlag der Wissenschaften
Frankfurt am Main 2012
Alle Rechte vorbehalten.
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www.peterlang.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................... 11
Powitanie ................................................................................................................. 13
Grußwort ........................................................................................................... 14
Tadeusz Brzeziski
Medycyna i wojna w perspektywie historycznej. Gosy w dyskusji kocowej ...... 30
Medizin und Krieg in historischer Perspektive.
Beiträge zur Podiumsdiskussion ....................................................................... 32
Ingrid Kästner
Krieg und Nachkrieg: Josef Hohlbaum (1884-1945),
ein deutscher Chirurg in Prag ................................................................................ 188
Wojna i po wojnie. Josef Hohlbaum (1884-1945)
niemiecki chirurg w Pradze ............................................................................. 197
Michael Sachs
Der Schriftsteller und Künstler Ernst Penzoldt (1892–1955) als
Operationsgehilfe im deutschen „Leichtkranken-Kriegslazarett 3/531 (mot.)“
für polnische Kriegsgefangene in Lodz (Oktober 1939) ....................................... 198
wiadectwo humanitaryzmu podczas wojny. Pisarz i artysta Ernst Penzoldt
(1892-1955) jako pomocnik w szpitalu wojskowym dla polskich jeców w
odzi (padziernik 1939 r.) ............................................................................. 213
Rüdiger von Dehn
Tot aber glücklich. Anmerkungen zum Drogenmissbrauch in der deutschen
Wehrmacht 1939-1945. Aufgezeigt am Leben von Otto F. Ranke ....................... 214
Martwy, lecz szczliwy. Uwagi dotyczce kwestii nadu ywania
narkotyków w Wehrmachcie w latach 1939-1945. ycie Otto F. Ranke ....... 221
Bernd P. Laufs
Dr. Ottmar Kohler 1908-1979 – Der Arzt von Stalingrad .................................... 222
Dr Ottmar Kohler (1908–1979) – Lekarz spod Stalingradu ........................... 229
Franz A. Sich
Die Einrichtungen und die Berufsausbildung Kriegsverletzter des Ersten
Weltkrieges in der Städtischen Handwerker- und
Kunstgewerbeschule zu Breslau............................................................................ 262
Przygotowanie i szkolenie zawodowe inwalidów wojennych rannych
podczas I. wojny wiatowej w Szkoe Rzemiosa Artystycznego
we Wrocawiu ................................................................................................. 277
Tadeusz Brzezi ski
Walka z epidemiami w Armii Polskiej w ZSRR i
Armii Polskiej na Wschodzie ................................................................................ 278
Die Seuchenbekämpfung der Polnischen Armee in der UdSSR und der
Polnischen Armee im Osten im Zweiten Weltkrieg........................................ 282
Cay-Rüdiger Prüll
Der Aufbau des Sanitätswesens der Bundeswehr und
die Demokratisierung der deutschen Wehrmedizin .............................................. 286
Opieka medyczna onierzy Bundeswehry i demokratyzacja niemieckiej
medycyny wojskowej ...................................................................................... 296
8. Historiographie
Historiografia............................................................................................. 421
Antoni Jonecko
Stare ród a do dziejów medycyny wojennej z polskiego obszaru j zykowego... 423
Alte Quellen zur Geschichte der Kriegsmedizin im polnischen Sprachraum . 429
Marek Dutkiewicz
Badania dziejów wojskowej s uby zdrowia. Dorobek i kierunki prac
z ostatniego okresu na tle dotychczasowego stanu historiografii tej tematyki. .... 433
Zur Historiographie des Militärsanitätswesens. Erträge und Desiderate ........ 447
Colleen M. Schmitz
Krieg und Medizin. Eine Ausstellung der Wellcome Collection London und
des Deutschen Hygiene-Museums Dresden .......................................................... 451
Medycyna i wojna. Wystawa w Niemieckim Muzeum Hygieny, Drezno ...... 454
Vorwort
Der vorliegende Band dokumentiert die XII. Tagung der Deutsch-Polnischen Ge-
sellschaft für Geschichte der Medizin unter dem Titel „Medizin & Krieg – in histo-
rischer Perspektive“, die vom 18. bis zum 20. September 2009 in Düsseldorf statt-
fand. Diese Konferenz gehört in eine lange Reihe deutsch-polnischer Gemein-
schaftstagungen, welche die Gesellschaft zweijährig mit den jeweils verantwortli-
chen universitären Einrichtungen abwechselnd in Polen und Deutschland ausrich-
tet. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft für Geschichte der Medizin dient satzungs-
gemäß der Förderung des wissenschaftlichen Austauschs zwischen deutschen und
polnischen Forscherinnen und Forschern auf allen Gebieten der Geschichte der
Medizin.
Der deutsche Angriff auf Polen am 1. September 1939 und der damit begonnene
Zweite Weltkrieg stellt einen herausragenden Erinnerungsort nicht allein, aber ganz
besonders der gemeinsamen polnischen und deutschen Geschichte dar. Auf dem
vorhergehenden Symposium in Wrocaw im November 2007 hat die Deutsch-
Polnische Gesellschaft für Geschichte der Medizin daher beschlossen, das unmit-
telbare Umfeld des 70. Jahrestags des „Auftakts zum Vernichtungskrieg“ (Joachim
Böhler) im September 2009 für eine Konferenz unter dem Titel „Medizin und
Krieg“ zu wählen, um sich der besonderen Verantwortung für das deutsch-
polnische Gespräch in ihrem Aufgabengebiet bewusst zu werden und zu bleiben.
Um dieses Gespräch erfolgreich zu führen und Barrieren zwischen deutschen und
polnischen Forscherinnen und Forschern abzubauen, neue Kooperationen in die
Wege zu leiten und bestehende zu vertiefen, sollte sich der wissenschaftliche Dia-
log nicht auf deutsch-polnische Gewalttätigkeiten während des Zweiten Weltkriegs
beschränken – ganz ausdrücklich ohne dadurch Gewalt von Deutschen an Polen zu
verschweigen oder zu verharmlosen. Neben die chronologische Ausweitung auf die
gesamte Neuzeit sollte die geographische auf verschiedene europäische Kriegs-
schauplätze treten, schließlich wurde der Kreis der Beitragenden weit über ein im
Einzelnen an deutsch-polnischen Fragen interessiertes Publikum hinaus ausge-
dehnt.
Ausgerichtet hat die Tagung „Medizin & Krieg – in historischer Perspektive“ das
Institut für Geschichtswissenschaften V – Geschichte und Kulturen Osteuropas in
örtlicher Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der Medizin der Hein-
rich-Heine-Universität Düsseldorf sowie dem Polnischen Institut Düsseldorf.
Die Vorbereitung einer zweisprachigen Tagung bedarf einiger Geduld, ihre Durch-
führung zahlreicher Helferinnen und Helfer. Unser Dank gilt den beteiligten Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern des Polnischen Instituts Düsseldorf sowie des Instituts
für Geschichte der Medizin und der Abteilung Geschichte und Kulturen Osteuropas
des Instituts für Geschichtswissenschaften der Heinrich-Heine Universität Düssel-
dorf. Organisatorischen Rückhalt fanden wir durch den Vorstand der Deutsch-
12 Ute Caumanns/Fritz Dross/Anita Magowska
Polnischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Prof. dr habil. Boena Ponka-
Syroka (Wrocaw) und Prof. Dr. Michael Sachs (Frankfurt/Main) sowie Prof. Dr.
Jörg Vögele (Düsseldorf). Prof. Dr. Beate Fieseler (Düsseldorf) danken wir für die
umfassende Unterstützung bei Antragstellung, Durchführung und Abwicklung der
Konferenz wie für ihr hohes persönliches Engagement. Ausdrücklich hervorgeho-
ben sei auch der große Einsatz der beiden Dolmetscher Mateusz Hartwich und Mi-
kolaj Arkadiusz Masluk.
Schließlich bedanken wir uns für die finanzielle Unterstützung der Tagung bei der
Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstif-
tung, dem Dekan der Philosophischen Fakultät sowie dem Polnischen Institut Düs-
seldorf.
Die Drucklegung des umfänglichen Tagungsbandes verdanken wir der Mitarbeit
von Katarzyna Paczyska-Werner BA und PD Dr. Michael G. Esch bei Transkrip-
tion und Übersetzung sowie der finanziellen Beihilfe seitens der Deutsch-Polni-
schen Wissenschaftsstiftung und des Dekans der Philosophischen Fakultät.
Diese Publikation stand – nach Eingang und Redaktion aller Beiträge – im Sommer
2011 kurz vor dem Scheitern. Dass der Tagungsband schließlich in der ursprüng-
lich geplanten und unseres Erachtens in der Sache angemessenen zweisprachigen
deutsch-polnischen und damit verlegerisch derzeit nicht besonders attraktiven Form
erscheinen kann, verdanken wir der ebenso kurzfristigen wie beherzten Einladung
der Reihenherausgeber Prof. Dr. Karl-Heinz Leven, Prof. Dr. Mariacarla Gade-
busch und PD Dr. Hans-Georg Hofer sowie dem Engagement von Dr. Karl-Heinz
Well vom Verlag Peter Lang.
Der mit dieser Publikation vollbrachte Abschluss der Düsseldorfer Tagung „Medi-
zin und Krieg – in historischer Perspektive” verlangt schließlich den Hinweis auf
zwei Personalia. In der während der Tagung gehaltenen Mitgliederversammlung
der deutsch-polnischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin gedachten die
Mitglieder der Gesellschaft ihres im August 2009 verstorbenen Gründungsmit-
glieds Prof. Dr. Hans Schadewaldt, 1965–1991 Lehrstuhlinhaber für Geschichte der
Medizin in Düsseldorf. Die Gedenkrede hielt Prof. zwycz. dr hab. n. med. Tadeusz
Brzeziski, Gründungsmitglied der Gesellschaft und wie Hans Schadewaldt Teil-
nehmer des Zweiten Weltkriegs. Sie wurden als Feinde sozialisiert – ihrer späteren
Freundschaft verdankt die deutsch-polnische Gesellschaft ihre Etablierung. Ta-
deusz Brzeziski ist am 7. Januar 2010 verstorben. Ihm und seinem Engagement
für den deutsch-polnischen Dialog ist dieses Buch gewidmet. Sein Grußwort zur
Eröffnung und seine Diskussionsbeiträge in der abschließenden Podiumsdiskussion
gaben der Düsseldorfer Tagung den Rahmen – sie werden diesem Band daher vo-
rangestellt.
Düsseldorf und Pozna im Mai 2012
Ute Caumanns Fritz Dross Anita Magowska
Powitanie
Tadeusz Brzeziski
1 Anm. d. Red.: Georg Harig, * Leningrad 05.02.1935, † Berlin 06.08.1989, 1965 pracownik
naukowy, 1985–1989 Prof. w Instytucie Historii Medycyny na Uniwersytecie Humboldta w
Berlinie.
14 Tadeusz Brzeziski
ku, kiedy to po raz pierwszy bardzo liczna delegacja polska, midzy innymi dziki
dzia aniu profesora Schadewalda, mog a wzi liczny, aktywny udzia w tym kon-
gresie, mimo, e wtedy jeszcze przecie przyjedalimy spoza elaznej kurtyny.
Z tak gocinnoci spotkalimy si i dzisiaj, tutaj i myl, e równie dobrze
bdziemy wspominali te trzy dni pobytu, jakie nas czekaj tu, w Düsseldorfie. Za
to chcia bym organizatorom serdecznie podzikowa a wszystkim koleankom i
kolegom yczy wiele satysfakcji i poytku z tocz cych si obrad.
Dzikuj Pastwu.
Grußwort
Tadeusz Brzeziski
Magnifizenz, sehr verehrte Damen und Herren
32 Jahre sind vergangen seit der Zeit, als ich mit meinem Freund Georg Harig2 be-
schlossen habe, polnisch-deutsche Konferenzen zur Medizingeschichte auszurich-
ten. Wir dachten damals nicht darüber nach, wie viele dies werden würden, und ich
weiß nicht ob ich es geglaubt hätte, wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass sie
ein dauerhafter Bestandteil der polnisch-deutschen Kontakte werden würden. Und
doch zeigt die Tatsache, dass wir uns 31 Jahre nach unserer ersten Zusammenkunft
immer noch treffen, dass es genau so gekommen ist.
Wir haben jenen Moment überlebt, als diese Zusammenarbeit bedroht war, den
Moment, als die Medizinhistorische Gesellschaft der DDR aufgelöst wurde. Da-
mals, nach vier Konferenzen, die in der DDR und Polen stattgefunden hatten, kam
ein Augenblick, wo wir auf deutscher Seite niemanden – keine Institution – hatten,
mit der wir hätten sprechen können; damals half uns der damalige Vorsitzende der
Internationalen Gesellschaft für die Geschichte der Medizin, Hans Schadewaldt.
Ich erinnere mich noch, wie wir auf einem Kongress in Breslau, gemeinsam
mit der hier anwesenden Professorin Ingrid Kästner und Natalia Decker Herrn Prof.
Schadewaldt vom Wert einer bilateralen Zusammenarbeit überzeugt haben. Er half
uns, und im Jahre 1995 fand der nächste, fünfte Kongress in Stettin statt. Ich war
davon überzeugt, dass die heutige Konferenz eine Gelegenheit sein werde, Herrn
Prof. Schadewaldt wiederzusehen. Leider ist dies nicht so. Dieser große Gelehrte,
ein wunderbarer Mensch und Freund Polens und der Polen, starb am 29. August
diesen Jahres. Ich denke, ich bringe einen Gedanken zum Ausdruck, den alle hier
Anwesenden teilen – insbesondere die, die ihn persönlich gekannt haben – wenn
ich nun vorschlage, das wir uns im Andenken an ihn erheben und eine Schweige-
minute abhalten. Danke.
2 Anm. d. Red.: Georg Harig, * Leningrad 05.02.1935, † Berlin 06.08.1989, 1965 Wiss. Ass.,
1985–1989 Prof. für Geschichte der Medizin an der Humboldt-Universität Berlin.
Powitanie / Grußwort 15
Während der Stettiner Konferenz kam der Gedanke auf, die bis dahin unregel-
mäßig abgehaltenen Kongresse umzuwandeln in eine polnisch-deutsche Gesell-
schaft. Urheber dieser Idee war der Nestor der deutschen Medizingeschichte, Prof.
Heinz Goerke; auf dem folgenden Kongress in Dresden wurde diese Idee schließ-
lich umgesetzt. Seither treffen wir uns alle zwei Jahre. Zwischen uns sind nicht nur
wissenschaftliche Kontakte entstanden. Viele von uns sind einander auch freund-
schaftlich verbunden, und obwohl nur noch wenige aus der Gründergeneration da
sind – ich sehe hier im Saal Frau Professor Ingrid Kästner, Frau Professor Elbieta
Wickowska und Herrn Professor Jonecko; vielleicht ist ja noch jemand da – setzen
unsere Schüler, unsere Nachfolger, unsere Freunde diese Zusammenarbeit in wun-
derbarster Weise fort.
Heute wird unsere Konferenz erstmals so weit westlich der gemeinsamen
Grenze ausgerichtet. Die Ältesten von uns erinnern sich vielleicht an den großarti-
gen Kongress der Internationalen Gesellschaft für die Geschichte der Medizin, der
1988 hier in Düsseldorf ausgerichtet wurde und an dem – unter anderem dank des
Einsatzes von Prof. Schadewaldt – erstmals eine große polnische Delegation höchst
aktiven Anteil nehmen konnte, obwohl wir damals noch von der anderen Seite des
Eisernen Vorhangs kamen.
Die gleiche Gastfreundschaft begegnet uns hier auch heute, und ich denke, wir
werden diese drei Tage, die wir nun wieder in Düsseldorf vor uns haben, in ähnlich
gutem Gedächtnis behalten. Dafür möchte ich den Organisatoren bereits jetzt herz-
lich danken und allen Kolleginnen und Kollegen möglichst viel Bestätigung und
Nutzen aus den nun beginnenden Diskussionen wünschen.
Vielen Dank.
1.
Zur Einführung
Wprowadzenie
Einführung
Ute Caumanns, Fritz Dross, Anita Magowska
Nicht erst seit der Menschen verachtenden propagandistischen Ausgestaltung durch
Joseph Goebbels im Februar 1943 war (und bleibt) der Krieg ein „Totalereignis“
sämtlicher von kriegerischen Handlungen betroffenen Menschen, ein unmittelbarer
Angriff auf deren körperliche Unversehrtheit und physische Existenz selbst dann,
wenn die tatsächliche Vernichtung einer Person, einer Personengruppe oder eines
ganzen Volkes (noch) nicht leitende Intention der Kriegshandlung war. Kriegs-
handlungen hatten Voraussetzungen und Folgen, die keinen Bereich menschlichen
Zusammenseins unberührt ließen – insofern ist jede historisch arbeitende Disziplin
an der Analyse des Phänomens „Krieg“ beteiligt, das keine chronologische Begren-
zung zeigt – sehr wohl allerdings historische Spezifität. Interdisziplinarität ist damit
per se geboten.
Dies gilt auch für den Spezialaspekt „Medizin und Krieg“. Innerhalb der Medi-
zingeschichte haben sich die Fragen weiterentwickelt: Im biographischen Zugriff
wird die Tätigkeit einzelner Ärzte (allerdings kaum Ärztinnen) im Krieg inzwi-
schen ggf. auch der Täterseite zugeordnet. Eine Funktionalisierung des Krieges für
den „medizinischen Fortschritt“ im Sinne des Kriegs als einer „Schule der Chirur-
gie“ findet kaum noch Erwähnung. Sehr wohl dagegen wird der Krieg als Rahmen-
bedingung für inhumane medizinische Forschungen thematisiert. Eine Organisati-
onsgeschichte des Sanitätsdienstes und seiner Behandlungserfolge weicht einer an
der Behandeltenperspektive orientierten Untersuchung etwa des Lazaretts als „mo-
dernes“ Krankenhaus unter Kriegsbedingungen, die auch die Krankenpflege einbe-
zieht. Insgesamt kommt eine zivile Perspektive zur Geltung, die ein gut funktionie-
rendes Sanitätswesen zur Bedingung von Kriegshandlungen macht und in der Me-
dizin damit eine weitere Instanz der Vorbereitung und Durchführung, letztlich der
Ermöglichung von Kriegshandlungen sieht. Im Rahmen der Körpergeschichte
spielt die Geschichte der Gewalttätigkeit (im Krieg) eine erhebliche Rolle, sodann
kann der Krieg historisch als Katalysator sozial konstruierter Geschlechterverhält-
nisse gelten. Bezogen auf osteuropäische Schauplätze werden entsprechende Fra-
gen vor allem von der Osteuropäischen Geschichte behandelt, die in Deutschland –
wie die Medizingeschichte – multidisziplinär verfasst und ebenfalls nicht über
Epochengrenzen definiert ist. Die Kooperation von Osteuropäischer Geschichte
und Medizingeschichte gewinnt ihren besonderen Reiz darüber hinaus dadurch,
dass die Medizingeschichte mit ihrer Annäherung an die Sozial- und Kulturge-
schichte in den letzten 25 Jahren von dort auch die Fixierung auf westeuropäisch-
nordatlantische Forschungskontexte übernommen hat. Die osteuropäische For-
schungsliteratur ist in der deutschen Medizingeschichte weitgehend unbekannt. Die
Osteuropäische Geschichte übernimmt hier aufgrund ihrer Sprach- und Kulturkom-
20 Ute Caumanns/Fritz Dross/Anita Magowska
Die Ausgangssituation
Die deutschsprachige medizinhistorische Forschung im engeren Sinne hat sich –
ihrem Auftrag entsprechend – bisher insbesondere mit ärztlichen Tätigkeiten und
deren organisatorischen Strukturen befasst.1 Speziell die von der NS-Forschung
herausgearbeitete Paradoxie von „Heilen und Vernichten“ hat aber darüber hinaus
zuletzt eine kriegsermöglichende Medizin einerseits sowie eine – etwa durch Men-
schenversuche2 – vom Kriege profitierende Medizin in den Fokus gerückt.3 Für die
Epochen vor dem Zweiten Weltkrieg ist allerdings seitens der deutschsprachigen
Medizingeschichte eine Vernachlässigung mittel- und osteuropäischer Kriegs-
schauplätze festzustellen. Auch die Ergebnisse der neueren, kultur- und sozialhisto-
risch orientierten Militärgeschichte4 bezüglich der durch den Krieg extrem ver-
schlechterten Lebensbedingungen für Soldaten und Zivilisten sowie der Strategien
der Betroffenen, im Zweifel ohne (akademisch-)medizinische Betreuung damit um-
1 Den Anstoß für eine kritische Reflektion des Verhältnisses von Medizin und Krieg und der
gegenseitigen Funktionalisierungen gab in der deutschsprachigen Literatur: Johanna Bleker,
Heinz-Peter Schmiedebach (Hg.): Medizin und Krieg. Das Dilemma der Heilberufe 1865
bis 1985. Frankfurt/M. 1987.
2 Astrid Ley, Marion Maria Ruisinger: Gewissenlos – gewissenhaft: Menschenversuche im
Konzentrationslager [eine Ausstellung des Instituts für Geschichte der Medizin der Univer-
sität Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Erlangen, 23. Mai–29.
Juli 2001], Erlangen 2001. Zu Menschenversuchen nun überblicksweise: Nicolas Pethes,
Birgit Griesecke, Marcus Krause, Katja Sabisch (Hg.): Menschenversuche. Eine Anthologie
1750-2000, Frankfurt/M. 2008.
3 Wolfgang U. Eckart: Medizin im Zweiten Weltkrieg: militärmedizinische Praxis und medi-
zinische Wissenschaft im „Totalen Krieg", Paderborn 2006 (Krieg in der Geschichte 30);
Wolfgang U. Eckart: Medizin, Krieg und Gesellschaft: Deutschland 1914-1918, Paderborn
2007. Sehr reichhaltiges Material bieten die inzwischen fast flächendeckend vorliegenden
Universitäts-, Fakultäts- und Krankenhausgeschichten für die Zeit des NS sowie die Ergeb-
nisses des Projektes zur Geschichte der DFG im Nationalsozialismus (vgl. <http://
www.histsem.uni-freiburg.de/DFG-Geschichte/>), für die Medizin insb. Wolfgang U. Ec-
kart (Hg.): Man, medicine, and the state: The human body as an object of government spon-
sored medical research in the 20th century, Stuttgart 2006.
4 Repräsentiert etwa durch den Arbeitskreis Militärgeschichte <http://akmilitaergeschichte.de
/index.htm> sowie den Arbeitskreis Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit e.V.
<http://www.amg-fnz.de/>. Im Zuge eines material turn geraten die Felder Krieg und Mili-
tär zu eminenten Gegenständen aktueller kulturwissenschaftlicher Forschungen, wie bspw.
auf der Tagung „Militär und materielle Kultur in der Frühen Neuzeit“ im November 2008 in
Frankfurt/M. (<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2468>), vgl.
auch den Tagungsbericht „Unbeschreibliche Gewalt. Die Kultur der Schlacht von der Anti-
ke bis zum 20. Jahrhundert“ (<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=
2880>).
Einführung 21
5 Vgl. bspw. Jürgen Luh: Kriegskunst in Europa 1650–1800, Köln 2004; Stefan Kroll: Solda-
ten im 18. Jahrhundert zwischen Friedensalltag und Kriegserfahrung. Lebenswelten und
Kultur in der kursächsischen Armee 1728 – 1796, Paderborn 2006 (Krieg in der Geschichte
26); Gabriel Zeilinger: Lebensformen im Krieg. Eine Alltags- und Erfahrungsgeschichte des
süddeutschen Städtekriegs 1449/50, Stuttgart 2007.
6 Vgl. bspw. Christopher Storrs: "Health, Sickness and Medical Services in Spain's Armed
Forces c.1665–1700", in: Medical History 50 (2006) Nr. 3, S. 325-350; Geoffrey L. Hudson
(Hg.): British military and naval medicine 1600 – 1830, Amsterdam 2007.
7 Vgl. bspw. Maren Lorenz: Das Rad der Gewalt: Militär und Zivilbevölkerung in Nord-
deutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg (1650 – 1700), Köln 2007; Maike Christadler:
Gewalt in der Frühen Neuzeit - Positionen der Forschung, in: Gesnerus 64 (2007), S. 231-
245; Malte Prietzel: Blicke auf das Schlachtfeld. Wahrnehmung und Schilderung der wal-
statt in mittelalterlichen Quellen, in: Das Mittelalter 13 (2008) Nr. 1.
8 Beate Engelen: Soldatenfrauen in Preußen. Eine Strukturanalyse der Garnisonsgesellschaft
im späten 17. und 18. Jahrhundert, Münster 2005 (Herrschaft und soziale Systeme in der
Frühen Neuzeit 7); Karen Hagemann, Ralf Pröve (Hg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und
Nationalkrieger: Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel, Frank-
furt/Main 1998 (Reihe Geschichte und Geschlechter 26)
9 Vgl. für den Zweiten Weltkrieg etwa das Sonderheft über Katy: „Archiwum Historii i Fi-
lozofii Medycyny“ 53 (1990) H. 1-2.
10 Etwa das beim Historischen Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN)
angesiedelte Projekt über den Krim-Krieg, dessen Ergebnisse seit kurzem als Publikation
vorliegen; vgl. Jerzy W. Borejsza, Grzegorz P. B biak (Hg.): Polacy i ziemie polskie w do-
bie wojny krymskiej [Die Polen und die Länder Polens in der Zeit des Krimkrieges], War-
szawa 2008. Ähnliches gilt auch für das bei der polnischen Armee angesiedelte militärhisto-
rische Forschungsbüro [Wojskowy Instytut Historyczny, jetzt: Wojskowe Biuro Bada His-
torycznych]. Eine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht das Historische Seminar der Universi-
tät Kielce/Piotrków Trybunalski dar, dessen Institut für Geschichte Polens im Mittelalter
und in der Neuzeit bis zum 19.Jh. [Zakad Historii Polski redniowiecznej i Nowoytnej do
XIX wieku] ebenso wie das Institut für Geschichte des Militärwesens [Zakad Historii
Wojskowoci] mit Referenten an der Konferenz beteiligt war.
11 Zu den Ausnahmen gehört in dieser Hinsicht die Medizinische Universität Lodz mit dem
Institut für Geschichte der Medizin und der Pharmazie [Zakad Historii Medycyny i Far-
macji] sowie dem Institut für Geschichte der Wissenschaften und der Militärmedizin [Za-
kad Historii Nauk i Medycyny Wojskowej]; die Hochschule ist erst 2002 aus der Vereini-
22 Ute Caumanns/Fritz Dross/Anita Magowska
erschwerend hinzu, dass institutionalisierte Forschung seit den 1950er Jahren vor-
wiegend an den Medizinischen Akademien, also außerhalb der Universitäten ange-
siedelt war – mit Auswirkungen auf die methodische Offenheit der Medizinge-
schichte. ‚Krieg und Medizin‘ wurde vor allem im Kontext der Aufstände des 19.
und 20. Jahrhunderts und der beiden Weltkriege erforscht – oftmals unter Akzentu-
ierung der Opfergeschichte im Kontext der Selbstbehauptung einer Nation.12 Dabei
standen und stehen eine Militärgeschichte im engeren Sinne, Institutionsgeschichte
sowie biographische Werke und Chroniken im Vordergrund.13
Seit den achtziger Jahren und verstärkt seit Mitte der neunziger Jahre findet
sich innerhalb der polnischen Medizingeschichte wiederholt die Forderung nach
Anbindung derselben an die methodologischen Debatten der Allgemeingeschichte14
sowie der stärkeren Rezeption westlicher – vor allem englischer und deutscher –
Forschungsliteratur15. Die programmatische Forderung nach einer methodisch viel-
fältigen, mit neuen Fragestellungen versehenen und an geeignetem Quellenmaterial
überprüften Disziplin, wie sie dann auch auf dem Historikertag in Wrocaw 1999
von polnischer Seite an die Medizingeschichte insgesamt gerichtet worden ist,16
lässt sich ohne Abstriche auf den Komplex ‚Medizin und Krieg in der Geschichte‘
übertragen. Insofern ist, wie auch der Beitrag von Marek Dutkiewicz am Ende des
Bandes bestätigt, der wissenschaftliche Kenntnisstand in diesem Bereich – von
Ausnahmen abgesehen17 – thematisch fragmentarisch und methodisch problema-
tisch. Eine Synthese zum Tagungsthema liegt auf polnischer Seite bisher nicht vor.
In der gegebenen Forschungssituation erscheint es deshalb vorrangig, Einzelstudien
zu fördern und diese in einen diskursiven Zusammenhang mit der westlichen For-
schung, auch in vergleichender Absicht, zu bringen. In dieser Hinsicht kann und
soll die Deutsch-Polnische Gesellschaft für Geschichte der Medizin auch weiterhin
eine fruchtbare Plattform bieten.18
Für das hier unternommene Vorhaben, aktuelle Arbeiten – vorzugsweise, aber
nicht ausschließlich aus polnischen und deutschen Forschungskontexten – unter
dem Titel „Medizin und Krieg – in historischer Perspektive“ zusammenzubinden,
ergeben sich in der Summe zweierlei Problemlagen, die einander – dies dokumen-
tieren die hier vorgelegten Arbeiten gut – immer wieder überlagern:
– Der Kriegsdiskurs, auch der wissenschaftlich-historische, gehorcht national
recht unterschiedlich geprägten Mustern, und dies gilt auch, vielleicht sogar be-
sonders, für die Kontextualisierung historischer Fragen an kriegerisches Ge-
schehen in Polen und in Deutschland. Es war nicht Ziel der Konferenz und es
kann nicht Ergebnis dieses Bandes sein, diese Differenzen zu kaschieren. Wir
sind vielmehr der Ansicht, dass die Dokumentation eines Gesprächs über diese
Differenzen hinweg dieselben sichtbar und damit auch zum Gegenstand der
weiteren Debatte machen kann.
– Historisches Nachdenken über den Krieg gehorcht daneben noch stets diszipli-
när geprägten Mustern, die sich nur schwer und langsam überwinden lassen.
Ärztinnen und Ärzte stellen andere (historische) Fragen an den Krieg als Offi-
ziere, eine an militärischen Dienststellen betriebene Militärgeschichte verfolgt
andere Wege als eine an Historischen Seminaren der Philosophischen Fakultä-
Prze omy w historii. XVI Powszechny Zjazd Historyków Polskich. Wroc aw 15-18 wrze -
nia 1999 roku. Pami tnik, Bd. 3, Teil 4, Toru 2001, S. 181-189, hier S. 189.
17 Vgl. die Studien von Wi ckowska, Srogosz und Felchner, die das Thema mehr oder weni-
ger akzentuiert unter anders gefasster Fragestellung abhandeln: Elbieta Wi ckowska: Wal-
ka z ostrymi chorobami zaka nymi w Polsce w latach 1918-1924 [Seuchenbekämpfung in
Polen in den Jahren 1918-1924] (Habil. 1999); Tadeusz Srogosz: Problemy sanitarno-zdro-
wotne w dzialalno ci administracji Rzeczypospolitej w okresie stanis awowskim [Sanitäre
und gesundheitliche Probleme in der Verwaltungstätigkeit der Adelsrepublik in der Ära Sta-
nis aw August Poniatowskis] (Habil. 1995); Andrzej P. Felchner: S uba zdrowia Wojska
Polskiego – od jesieni 1918 r. do mobilizacji w 1939 r. [Der Gesundheitsdienst der Polni-
schen Armee – von Herbst 1918 bis zur Mobilisierung im Jahr 1939] (Habil. 1991).
18 Erste Kontakte deutscher und mit polnischen Medizinhistorikern reichen bis ins Jahr 1978
zurück, wobei auch die Verbindung von Krieg und Medizin schon Thema gemeinsamer Ge-
spräche gewesen ist (Tagung: „Medizin-Faschismus-Krieg“, Karl-Marx-Stadt, 1987).
24 Ute Caumanns/Fritz Dross/Anita Magowska
Druck der Beiträge in diesem Band wurde keinerlei Unterschied hinsichtlich der
ursprünglichen Präsentationsform als Kurzreferat oder als Poster gemacht.
ganda. Sie hält fest, dass die propagandistische Instrumentalisierung der Behand-
lung von Kriegsgefangenen auf deren Rücken ausgetragen wurde, indem jede Kri-
tik an den Zuständen als Propaganda mit Gegenpropaganda beantwortet wurde.
Tamara SCHEER (Wien) erörtert am Beispiel des Militärgouvernements Lublin die
Gesundheitspolitik und Seuchenpolizei der österreichischen Besatzungsmacht im
Ersten Weltkrieg vor dem Hintergrund des unlösbaren Problems der Besatzungsbe-
hörden, gleichzeitig als Besatzer mit Herrschaftsansprüchen aufzutreten und das
Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Ebenfalls einem Schauplatz der Ostfront
ist der Beitrag von Ljubov’ ŽVANKO (Char'kiv) gewidmet. Sie untersucht am Bei-
spiel der Ukraine die medizinische Versorgung von Millionen von Flüchtlingen
und Kriegsgefangenen in einem Transitland, das bei extrem schwierigen Transport-
und Verkehrsbedingungen und während der Auflösung des Zarenreiches und dem
Beginn der Revolution in Russland eine neue und eigenständige staatliche Ver-
fasstheit zu etablieren versuchte. Dass der Zweite Weltkrieg vor allem von deut-
scher Seite dominant zur Erörterung von Zwangsverhältnissen herangezogen wird,
spiegelt die Konjunktur deutschsprachiger medizinhistorischer Forschung zum Na-
tionalsozialismus wider. Herausragende Bedeutung kommt in diesem Zusammen-
hang der Arbeit der Gedenkstätten zu. Astrid LEY (Berlin) stellt das Krankenrevier
des Konzentrationslagers Sachsenhausen vor, in dem erstmals ein Krankenrevier
eines Konzentrationslagers museologisch erschlossen wurde. Eine andere, bislang
wenig beachtete Opfergruppe nimmt Peter STEINKAMP (Freiburg) in den Blick. Für
die Strafgefangenen der deutschen Wehrmacht rekonstruiert er anhand von Autop-
sie-Berichten die Lebensverhältnisse in den Strafgefangenenlagern. Die Studie von
Peter BREMBERGER (Berlin) stellt einen Beitrag zur engeren deutsch-polnischen
Beziehungsgeschichte dar. Am Berliner Beispiel erörtert er die prekäre Lage und
die medizinische Unterversorgung der polnischen Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter im Deutschen Reich.
Dem Zweiten Weltkrieg und seiner unmittelbarer Nachgeschichte gilt auch
Kapitel 4, das einen biographischen Zugang zu ‚Medizin und Krieg‘ wählt, indem
Erfahrungen und Lebenswege von Ärzten untersucht werden. Lesaw PORTAS
(Rzeszów) zeichnet dies in seinem Beitrag für den Epidemiologen Rudolf Weigl
nach. Dessen Arbeit war geprägt vom Einfluss gleich zweier Besatzungsregime,
NS-Deutschlands und der Sowjetunion, die um die kriegswichtige Expertise zur
Fleckfieberbehandlung konkurrierten. Mit der schwierigen Biographie des in Mäh-
ren geborenen Chirurgen Josef Hohlbaum, der in Graz Medizin studierte, seit 1912
in der chirurgischen Klinik der Universität Leipzig beschäftigt und für die österrei-
chische Armee im Ersten Weltkrieg war, 1918 Bürger der Tschechoslowakei wur-
de, aber in Leipzig blieb und 1941 auf den Lehrstuhl für Chirurgie in Prag berufen
wurde, befassen sich Ingrid KÄSTNER, Alena MÍŠKOVÁ und Josef STINGL. Am Bei-
spiel Josef Hohlbaums kommt die Berufsperspektive eines deutschen Mediziners in
den besetzten Gebieten in Kriegs- und Nachkriegszeiten in den Blick. Michael
SACHS (Frankfurt/Main) stellt eine bisher unbekannte Episode aus dem Leben des
Einführung 27
Arztes, Schriftstellers, Malers und Zeichners Ernst Penzoldt dar, der während des
Krieges als Operationsgehilfe in einem Lodzer Lazarett gearbeitet hatte. Aus der
Kombination von dort angefertigten Aquarellen sowie einer autobiographischen
Erzählung Penzoldts mit einem militärärztlichen Bericht eines ebenfalls dort tätigen
Unterarztes ergeben sich ungewohnte Perspektiven. Unter dem provokanten Titel
„Tot aber glücklich“ nimmt sich Rüdiger von DEHN (Wuppertal) der Rolle des Lei-
ters des Instituts für allgemeine und Wehrphysiologie, des späteren Erlanger Pro-
fessors Otto Ranke als zentralem Protagonisten der Prüfung und Entwicklung des
„Weckmittels“ Pervitin an. Wie bei Hohlbaum spielt der Übergang von Krieg und
Nachkriegszeit auch im Falle Ottmar Kohlers eine zentrale Rolle. Der Beitrag von
Bernd P. LAUFS (Idar-Oberstein) untersucht den wechselvollen Lebensweg dieses
als „Arzt von Stalingrad“ bekannt gewordenen Chirurgen und dessen außerge-
wöhnliche Resonanz in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit.
Kapitel 5 umfasst unter dem Titel „Politik und Organisation“ Beiträge zu
unterschiedlichen Organisationseinheiten auf bislang weniger beachteten Terrains
einer Institutionalisierungsgeschichte des Militärsanitätsdienstes seit der Frühen
Neuzeit. Matthias KÖNIG erläutert die Reform der militärchirurgischen Ausbildung
im Rahmen der österreichischen Feldsanitätsreformen im Zeichen der Aufklärung
unter Maria Theresia und Joseph II. Der für das 19. Jahrhundert so wirkungsmäch-
tigen Entwicklungen im Bereich der Krankenpflege widmen sich ein polnischer
und ein deutscher Beitrag. Für die Deutschen Reichseinigungskriege fragt Annett
BÜTTNER (Düsseldorf) am Beispiel Kaiserswerther Diakonissen nach der Rolle
konfessioneller Krankenschwestern in militärischen Strukturen und kriegerischen
Zusammenhängen. Sie verbindet damit neuere Ansätze zur Geschichte der Kran-
kenpflege unter der Perspektive „Medizin im Krieg“ mit geschlechtergeschichtli-
chen Aspekten und dem Augenmerk für die komplizierte Integration außermilitäri-
scher Strukturen – hier des Kaiserswerther Mutterhauses – in den militärisch struk-
turierten Sanitätsdienst. Dies kennzeichnet auch den Beitrag von Bozena URBANEK
(Warszawa/Katowice), die am polnischen Beispiel die Entwicklung der Kranken-
pflege am Übergang zum 20. Jahrhundert untersucht und dabei die Auswirkungen
auf die zivile Krankenpflege durch Frauen in der Nachkriegszeit betont. In der Zeit
von 1914 bis 1918, wenn auch jenseits der unmittelbaren Kriegssituation, bewegt
sich Franz A. SICH (Pfaffing) in seiner Darstellung der Rehabilitation von Kriegs-
versehrten. Am Beispiel der Städtischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule zu
Breslau erörtert er die Berufsausbildung von Kriegsverletzten und eröffnet damit
den Blick auf den Umgang mit Kriegsfolgen in Nachkriegsgesellschaften. Dem
Zweiten Weltkrieg, hier unter dem Aspekt der Seuchenbekämpfung, widmet sich
der Beitrag von Tadeusz BRZEZISKI (Szczecin). Für die in der Sowjetunion 1941
aufgestellte und dann über den Mittleren Osten evakuierte polnische Armee unter
General Anders war diese von herausragender Bedeutung, lag doch hier der Anteil
von Todesfällen aufgrund von Infektionskrankheiten wie Fleckfieber, Ruhr oder
Abdominal-Typhus wesentlich über dem Anteil von Kampfverlusten und kehrte die
28 Ute Caumanns/Fritz Dross/Anita Magowska
stilisiert. Aneta BODYREW (Piotrków Trybunalski) lenkt den Blick auf einen pol-
nischen Krisendiskurs im Ersten Weltkrieg. Es war insbesondere der natürliche Be-
völkerungszuwachs, der von polnischen Medizinern und Demographen als Miss-
stand angeprangert wurde. Das Zusammenspiel von kriegsbedingt niedriger Gebur-
tenrate, hoher Sterberate und verbreiteter Epidemien stand auf der Tagesordnung
und bestimmte bis weit in die zwanziger Jahre hinein den gesundheitswissenschaft-
lichen wie den gesundheitspolitischen Diskurs im neuen polnischen Staat. Mit der
Inneren Medizin im Krieg befasst sich Philipp RAUH (Erlangen). Auf der Grundla-
ge der Warschauer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin von
1916 zeichnet er die Debatte um kriegsbedingte Herzerkrankungen nach. Den dar-
aus resultierenden veränderten Umgang mit erschöpften und herzkranken Soldaten
überprüft Rauh anhand von Lazarettakten. Den umgekehrten Weg, nämlich von der
Praxis zur Wissenschaft, verfolgt Anita MAGOWSKA (Pozna ). In ihrem Beitrag
geht es um die kriegsbedingten Berufserfahrungen polnischer Ärzte und ihre Aus-
wirkungen auf die medizinischen Wissenschaften und deren Organisation. Im Zent-
rum steht dabei die Entwicklung der Chirurgie, der Orthopädie und der rehabilitati-
ven Medizin in der Zwischenkriegszeit. Aus wissenschaftshistorischer Perspektive
widmet sich El bieta WI CKOWSKA (Wroc aw) nochmals der Person Rudolf
Weigls. Ihr geht es um die Gewinnung des Impfstoffes gegen Fleckfieber und des-
sen wegweisenden Implikationen für die Laborforschung.
Das abschließende Kapitel 8 befasst sich mit historiographischen Reflexionen
über Medizin und Krieg. Für die Frühe Neuzeit untersucht Antoni JONECKO (Rzes-
zów) polnischsprachige Quellen zum Verhältnis „Krieg und Medizin“. Gegen den
Strich gelesen, eröffneten bereits frühneuzeitliche Kompendia die Erkenntnis der
Hilflosigkeit der Medizin im Krieg – auf dem Schlachtfeld war die frühneuzeitliche
Chirurgie nicht entwickelt worden. Marek DUTKIEWICZ (Piotrków Trybunalski)
steuert einen Beitrag mit einem Überblick über polnische Arbeiten zur Geschichte
des militärischen Sanitätswesens seit dem 19. Jahrhundert bei. Es ist zugleich der
Versuch, diese Forschungen aus dem Schnittfeld von Medizin- und Militärge-
schichte in ihren Entstehungskontext einzuordnen und institutionelle wie strukturel-
le Besonderheiten zu benennen. Der abschließende Beitrag von Colleen SCHMITZ
(Dresden) widmet sich dem Gesamtthema aus museologischer Perspektive und be-
richtet von der gemeinsamen Ausstellung „Krieg und Medizin“ des Dresdener Hy-
giene-Museum mit der Wellcome Collection London. Diese Ausstellung war vom
22. November 2008 bis 15. Februar 2009 in London, anschließend vom 4. April bis
7. August 2009 in Dresden zu sehen und ist ein weiteres Beispiel für die facetten-
reiche Perspektivierung und das übergreifende Interesse am Thema „Krieg und
Medizin“, zu dem auch dieser Band beitragen möchte.
Medycyna i wojna w perspektywie historycznej. Gosy w
dyskusji kocowej
Tadeusz Brzeziski
Przyznam, e podczas konferencji zastanawiaem si , na ile spenia ona rol , jak w
dyskusji z Georgiem Harigem zakadalimy przed laty. Gównym celem, jaki sobie
wtedy postawilimy, byo to, co przed chwil kolega powiedzia, mianowicie na-
wi zanie dialogu polsko-niemieckiego i szukanie problematyki, która nas czy,
ukazywanie polskiego i niemieckiego podejcia do tych samych problemów.
Stopniowo, podczas trwania kolejnych konferencji, pojawiay si nowe proble-
my. Okazuje si , e sensowne i celowe jest rozpatrywanie take takich problemów,
które nas dotycz , a niekoniecznie bezporednio zwi zków polsko-niemieckich, ale
które s podejmowane zarówno w rodowisku polskim jak i niemieckim.
Oczywicie, nie jest moliwe ustosunkowanie si do tak szerokiej tematyki, ja-
ka bya przedstawiona na konferencji. Chciabym wobec tego zwróci uwag prze-
de wszystkim na dwa zagadnienia.
Pierwsze, to rola wojny w post pie naukowym. Kiedy nazywano wojn epide-
mi urazu. Co jest charakterystyczne dla medycyny wojennej? To, e staje ona
przed nowym wyzwaniem, przed masowoci urazów, które w innych sytuacjach
na tak skal nie wyst puj . Wtedy pojawiaj si nowe odkrycia, chocia nie mo-
na powiedzie, e rola wojny jest pozytywna. Na pewno wojna przyspieszya zasto-
sowanie antybiotyków, rozwój anestezjologii, stosowanie krwiolecznictwa, ale tyl-
ko dlatego, e zmuszaa do tego.
Drugie zagadnienie, które chciabym poruszy, to kwestia roli lekarza wojsko-
wego. Autor artykuu z zakresu etyki lekarskiej opublikowanego na pocz tku I
wojny wiatowej napisa: „Lekarz wojskowy jest w sytuacji trudnej, poniewa
walczy w nim obowi zek lekarza z obowi zkiem oficera”. To przeciwstawne obo-
wi zki, co zreszt i dzisiaj, z ostatnich referatów, wyniko. Oficer ma przede
wszystkim stara si przywróci zdolno bojow onierza i nie osabia armii.
Lekarz ma przede wszastkim nie pomoc cierpi cemu czowiekowi. Cz sto rze-
czywicie mi dzy tymi dwiema rolami pojawia si kolizja, zwaszcza wtedy, kiedy
lekarz zaczyna by wykorzystywany do celów, które z medycyn nie maj nic
wspólnego. Musz powiedzie, e wyra nie omijalimy tematyk II wojny wiato-
wej, ona wyst powaa w niewielkim stopniu, musz powiedzie, e czasami od-
waniej ze strony kolegów niemieckich ni polskich. Trzeba pami ta, e zmusza-
nie lekarza wbrew jego posaniu do takich celów, jak eutanazja, jak nieetyczne do-
wiadczenia, zaley tylko i wy cznie od jego osobowoci, od jego charakteru. To
jest kwestia ksztacenia humanistycznego lekarzy, co my historycy medycyny tutaj
odczuwamy. I wtedy te, jeeli b dziemy dyskutowa na te bolesne tematy, to si
Medycyna i wojna / Medizin und Krieg 31
Na pewno temat ka dej sesji móg by by tematem odrbnej konferencji. To, czego
nam dotychczas nie udaje si zrealizowa , a co zrealizowa powinni my, to
wspólne badania polsko-niemieckie, nawizanie wspó pracy o rodków polskich
pracujcych nad pewnymi tematami i o rodków niemieckich. Wtedy taki temat b-
dzie rzeczywi cie opracowany wszechstronnie.
Chcia bym jeszcze ustosunkowa si do kwestii pozytywnego wp ywu wojny
na rozwój medycyny. eby to oceni , trzeba by przeprowadzi badania, jakie
osignicia w nauce zosta y zahamowane przez wojn. Przecie nie tylko podejmo-
wano nowe problemy, ale tak e przestawano pracowa nad problemami, które by-
yby rozwizane wcze niej. Dopiero taki bilans móg by co da .
Nale do grupy najstarszych cz onków Towarzystwa, którzy wojn znaj nie
tylko z literatury, a jednocze nie do tych, którzy inicjowali dzia alno Towarzyst-
wa. Musz powiedzie , e z przyjemno ci patrz na kolejnych zjazdach na nasze
miejsca przychodz m odzi koledzy. Obecny zjazd dowodzi , e Towarzystwo i
jego praca maj sens.
nur dann zu Aufgaben zwingen lässt, die seiner Berufung widersprechen – wie Eu-
thanasie, unmoralische Experimente –, wenn seine Persönlichkeit, sein Charakter
dies erlauben. Es geht hier um die Frage der humanistischen Ausbildung des Arz-
tes, die uns Medizinhistoriker heute beschäftigen muss. Und dann, wenn wir diese
schmerzlichen Themen besprechen, zeigt es sich, dass es neben den Hirt, Rascher,
Mengele auch Ströder3 und Heilmeier4 gab, derer in Krakau bis heute auf allerbeste
gedacht wird. Übrigens wird gerade ein Film über Ströder und seine Tätigkeit vor-
bereitet, in der er als jemand gezeigt wird, der sich polonisiert hat.
Meine Damen und Herren, ich denke, Konferenzen dieser Art sind eine Art
Antidot gegen eine falsch verstandene patriotische Erziehung. Denn häufig wird
patriotische Erziehung durch die Politiker, in geringerem Maße durch die Histori-
ker, gefüttert mit Kriegsheldentum, mit herausragenden, siegreichen Gestalten, die
keine Furcht kennen. Wir zeigen den Krieg hingegen von einer anderen Seite, aus
dem Blickwinkel des leidenden Menschen. Und das ist von großer Wichtigkeit.
Was ich sagen will ist: Die Referate, die den Einfluss des Krieges auf Gesell-
schaft und Einzelkreatur gezeigt haben, sind genau dieses Antidot gegen nationali-
stische Tendenzen in der Erziehung. Soweit meine Überlegungen. […]
Natürlich könnte das Thema jeder Sektion auch das Thema einer eigenen Konfe-
renz werden. Was wir bislang nicht haben organisieren können, was wir aber ma-
chen sollten, sind gemeinsame polnisch-deutsche Forschungsarbeiten, sind enge
Kooperationen polnischer Institute, die zu bestimmten Themen forschen, mit den
entsprechenden deutschen Instituten. Dann wird ein solches Thema tatsächlich in
allen Aspekten bearbeitet werden.
Ich möchte nun noch einmal zurückkommen auf die Frage, ob es einen positi-
ven Einfluss des Krieges auf die Entwicklung der Medizin gegeben hat. Um das be-
antworten zu können, müssen wir untersuchen, welche wissenschaftlichen Errun-
genschaften durch den Krieg gebremst wurden. Denn es sind ja nicht nur neue Pro-
bleme angepackt worden, man hat auch aufgehört, über Probleme nachzudenken,
3 Anm. d. Red.: Josef Ströder, *6.3.1912, †22.11.1993, 1948 Dir. Univ.-Kinderklinik Würz-
burg; Träger des Verdienstordens in Gold der Republik Polen für seine Verdienste um die
Rettung polnischer Kinder als Klinikleiter in Krakau während der deutschen Besatzung im
Zweiten Weltkrieg; vgl. Andreas Lawaty, Wiesaw Mincer, Anna Domaska: Religion,
Buch, Presse, Wissenschaft, Bildung, Philosophie und Psychologie, Wiesbaden 2000
(Deutsch-polnische Beziehungen in Geschichte und Gegenwart: Bibliographie; 1900 -
1998, Bd. 2), S. 1067.
4 Anm. d. Red.: Gajda, Zdzisaw: Der menschliche Mensch in unmenschlicher Zeit, Ludwig
Heilmeyer in Krakau, in: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 16 (1997), S. 541-
547. Ludwig Heilmeyer, *München 6.3.1899, †Desenzano (Gardasee) 6.9.1969, Mitgl.
Stahlhelm und SA, 1937 ao Prof. für Luftfahrtmedizin und Blutkrankheiten, 1941 Luftwaf-
fenarzt, 1944 Leiter der Inneren Abt. d. Universitätskliniken Krakau, Entlastungsgutachter
bei den „Nürnberger Prozessen“, 1946–1967 Prof. für Innere Medizin am Univ.-klinikum
Freiburg i. Br., 1967 Gründungsrektor Ulm; vgl. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum
Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. akt. Aufl., Frankfurt/M. 2005, S. 238.
34 Tadeusz Brzeziski
die ansonsten früher gelöst worden wären. Erst eine solche Bilanz kann uns da wei-
terbringen.
Ich gehöre ja zu den ältesten Mitgliedern unserer Gesellschaft, die den Krieg
nicht nur aus der Literatur kennen, und gleichzeitig zu denen, die die Gesellschaft
überhaupt erst ins Leben gerufen haben. Ich muss schon sagen, dass ich mit Freude
sehe, dass jüngere Kollegen auf den nächsten Konferenzen unseren Platz einneh-
men werden. Die jetzige Konferenz hat jedenfalls gezeigt, dass die Gesellschaft
und ihre Arbeit sinnvoll sind.
2.
Schlacht und Lazarett
Bitwa i lazaret
Wojna bez medycyny.
Ranni na polach bitew Europy rodkowo-Wschodniej w
XVI w.
Aleksander Bodyrew
Wojna zbiera a swe krwawe, a potem miertelne niwo od zarania dziejów. Im do-
skonalsze by o narzdzie walki – bro – tym czciej niwo krwawe ustpowa o
miertelnemu. Próby niesienia pomocy rannym w trakcie walki znane s od czasów
najdawniejszych. Dobrym przyk adem jest tu znalezisko z 1957 r. z Niezwisk nad
Dniestrem (kultura trypolska), w ramach którego odkryto czaszk m czyzny, któ-
ry po ciosie najprawdopodobniej zadanym w walce kamiennym toporem straci
górn szczk oraz dozna urazu koci ciemieniowych czaszki. Zniszczone frag-
menty szczki usunito w toku operacji chirurgicznej, za pozosta e rany zagoi y
si na tyle dobrze, e m czyzna ten y po wypadku jeszcze przynajmniej 10-15
lat. Dzia o si to ponad 4 tys. lat temu w spo ecznoci rolniczej.1 Podobne przyk-
ady mo na mno y i s zauwa alne w aciwie w ka dej kulturze. W obrbie ziem
polskich do wymieni przypadek wojewody Skarbimira i jego z otej rki,
szcztków m czyzny odkrytych na Lisiej Górce niedaleko P owiec,2 czy szczt-
ków wydobytych z mogi na polach grunwaldzkich.3
Lektura dawnych kronik, czy szerzej, wszelkiego rodzaju relacji historiogra-
ficznych powsta ych w XVI w., a wic listów, pamitników czy diariuszy pozwala
wysnu wniosek, e nie dotyczy y one tylko wielkich wydarze politycznych i mi-
litarnych. Autorzy czsto pochylali si nad drobnymi incydentami i losami ich bo-
haterów. We wspomnianych relacjach mo na odnale informacje dotyczce nie
tylko przebiegu poszczególnych kampanii czy batalii, lecz tak e opisy przypadków,
gdzie wyranie jest mowa o rannych, ich cierpieniu, próbach niesienia im pomocy,
na ogó przez towarzyszy broni, niezwykle rzadko przez osoby powo ane do pe ni-
enia funkcji medyków wojskowych.
Na prze omie redniowiecza i renesansu sytuacja na polach bitew zmieni a si
diametralnie, g ównie z uwagi na szerokie zastosowanie broni czarnoprochowej.
Rczna bro palna znacznie zwikszy a ryzyko ci kiego zranienia. Wynalazek ten
spowodowa rozszerzenie znanego katalogu mo liwych do zadania ran o rany po-
strza owe. Przyjmuje si, e rana taka, powsta a w wyniku uderzenia w cia o ludz-
kie kulistego pocisku, by a niezwykle trudna do opatrzenia i leczenia. Kszta t i
energia u ywanych wówczas pocisków powodowa y ogromne spustoszenia w cia-
ach kombatantów. Pociski najczciej wykonane z o owiu, niekiedy pokrywane
4 L. E. Magner, A History of Medicine, second edition, Taylor and Francis Group 2005, s.
216-217. Zob. tak e o dzia alnoci Ambro ego Pare na tym polu, ibidem, s. 215-216; J. E.
McCallum, Military Medicine. From Ancient Times to the 21st Century, ABC-Clio 2008, s.
238-239.
5 M. Bielski, Kronika polska, wyd. K. J. Turowski, Sanok 1856, s. 993-994.
6 Ibidem, s. 999.
Wojna bez medycyny 39
gorczk i ob kanie. Doktor uci mu je obie, kiedy do siebie przyszed , zacz si o
swoje nogi, jakby o sukni jak dopytywa ”.10
Praktyka odgórnego organizowania pomocy dla rannych zago ci a wic w polskiej
armii dopiero w ostatnim wier wieczu XVI stulecia. W 1580 r. w trakcie obl e-
nia Wielkich uk podczas jednego ze szturmów obrocy zorganizowali wycieczk
przez bram i starli si z nacierajcymi po drabinach o nierzami Batorego. Dosz o
do walki wrcz, w trakcie której „[…] by o rannych naszych niema o, których het-
man ratowa drugim kaza ”.11 Potwierdza t praktyk równie relacja J. Bielskiego
na temat bitwy pod Byczyn, która rozegra a si w 1588 r. Wówczas hetman naka-
zywa zwozi rannych do pobliskiego Wielunia, gdzie jak si wydaje urzdzono la-
zaret polowy”.12
Medycy musieli zmaga si z szerokim wachlarzem przypadków. W oparciu o
zgromadzony materia ród owy mo na stworzy „katalog” mo liwych do odnie-
sienia obra e w trakcie walki. Pocztek stulecia, kiedy jeszcze czsto w u yciu
by a bro neurobalistyczna, przynosi g ównie postrza y z uku. Tak by o na przy-
k ad nied ugo przed mierci króla Aleksandra, kiedy do Lidy przyby pos aniec z
wie ci o nadchodzcym czambule tatarskim. M. Kromer napisa , e „[…] z uku w
twarz postrzelony […]”,13 ale ju piszcy pó niej M. Bielski wspomnia tylko o
jakim postrzale.14 Podobnie opisa rany odniesione pod opuszn przez polskich
o nierzy L. J. Decjusz: „[…] wikszo odnios a rany od strza . […]”.15 Fakt, e
walki czsto prowadzono z przeciwnikiem o typowo wschodniej armaturze, powo-
dowa , e i pó niej tego typu rany nie nale a y o rzadko ci, jak cho by 24 VIII
1581 r. „Wgrzynowi jednemu z uku przestrzelili nog”.16
Innym oczywistym rodzajem obra e by y rany cite, powsta e w wyniku ude-
rzenia broni bia .17 I tak na przyk ad M. Stryjkowski w opisie bitwy pod Orsz
(1514 r.) odnotowa :
10 R. Heidenstein, Dzieje polskie od mierci Zygmunta Augusta do roku 1594 ksig XII, t um.
M. Gliszczyski, t. I, Petersburg 1857, s. 91-92. Szerzej na temat amputacji wykonywanych
przez chirurgów wojskowych zob. L. E. Magner, op. cit., s. 217.
11 M. Bielski, op. cit., s. 1472.
12 J. Bielski, Dalszy cig kroniki polskiej, Warszawa 1851, s. 91-92. Zob. tak e M. Plew-
czyski, Bitwa pod Byczyn 24 01 1588 r., „Studia i Materia y do Historii Wojskowo ci”, t.
XVII, cz. 1, 1971, s. 166-167.
13 M. Kromer, Kronika polska […] biskupa warmiskiego ksig XXX dotd w trzech jzy-
kach, a mianowicie w aciskim, polskim i niemieckim wydana, na jzyk polski z aciskie-
go prze o ona przez Marcina z B a owa B a owskiego, wyd. K. Pollak, Sanok 1857, s.
1374.
14 M. Bielski, op. cit., s. 930.
15 J. L. Decjusz, Ksiga o czasach króla Zygmunta, t um. K. Kumaniecki i inni, wyd. T. Bie-
kowski, Warszawa 1960, s. 67-68.
16 J. Piotrowski, Dziennik wyprawy Stefana Batorego pod Psków, wyd. A. Czuczyski, Kra-
ków 1894, s. 59.
17 M. Bielski, op. cit., s. 1214-1215; B. Paprocki, Relacja o bitwie pod Lubieszowem, [w:] Z.
Spieralski, J. Wimmer, Polska sztuka wojenna w latach 1563-1647, Warszawa 1961, s. 72.
Wojna bez medycyny 41
18 M. Stryjkowski, Kronika polska, litewska, mudzka i wszystkiej Rusi […], wyd. M. Mali-
nowski, t. II, Warszawa 1980 (fotooffset z wydania Warszawa 1846), s. 382.
19 M. G osek, B. uczak, Bitwa pod Lubiszewem (17 kwietnia 1577 r.) w wietle bada arche-
ologicznych, „Studia i Materia y do Historii Wojskowoci”, t. XXV, 1982, s. 92-93; B. u-
czak, op. cit., s. 76-80.
20 M. Bielski, op. cit., s. 1400, 1420, 1500-1501, 1609-1610; J. Bielski, op. cit., s. 89-92; J. D.
Solikowski, Krótki pamitnik rzeczy polskich od zgonu Zygmunta Augusta, zmar ego w
Knyszynie 1572 r. w miesicu lipcu, do r. 1590, t um. I wyd. W. Syrokomla, Petersburg
1855, s. 59; Pamitniki do historyi Stefana króla polskiego czyli korespondecya tego mo-
narchy, oraz zbiór wydanych przez niego urzdze, wyd. E. Raczyski, Warszawa 1830, s.
17, 18; B. Paprocki, op. cit., s. 72; J. Piotrowski, op. cit., s. 17, 55, 90-91, 96; R. Heiden-
stein, op. cit., s. 24, 96, 97; . Dzia yski, Dyaryusz obl enia i zdobycia Wieli a, Wielkich
uk i Zawo ocia od dnia 1 Sierpnia do 25 Listopada 1580 r. pisany przez […] starost Ko-
walskiego i Brodnickiego, [w:] Sprawy wojenne króla Stefana Batorego. Dyaryjusze, rela-
cyje, listy i akta z lat 1576-1586, wyd. I. Polkowski, Kraków 1887, s. 230, 233, 265; M.
G osek, B. uczak, op. cit., s. 95, 98; B. uczak, op. cit., s. 79, 81; J. Zborowski, Dyaryusz
zdobycia zamków: Wieli a, Uwiaty, Wielkich uk, w licie […] kasztelana gnienieskie-
go do Piotra Zborowskiego Wojewody Krakowskiego, [w:] Sprawy wojenne króla Stefa-
na…, s. 192. Zob. tak e Aneks na kocu.
21 R. Heidenstein, op. cit., s. 276.
22 M. Bielski, op. cit., s. 1490. Podobnie . Dzia yski, op. it., s. 231.
42 Aleksander Bo dyrew
jami broni bia ej, obity kijami i drgami. Nastpnie przychodzi czas na wszelkiego
rodzaju zaka enia, zgorzele, infekcje, w wyniku których w stosunkowo krótkim
czasie dochodzi o do zgonu. Dowodzcy walk stara si, rzecz jasna, potrzebuj-
cych pomocy zastpowa pe nosprawnymi o nierzami, jak czyniono pod Orsz w
1514 r. 29. Niekiedy l ej ranni pozostawali nadal aktywni, niekiedy nawet nie po-
rzucali funkcji dowódczych. Najbardziej znanym przypadkiem by incydent majcy
miejsce w trakcie bitwy pod Lubiszewem (1577 r.). Jeden z wgierskich rotmis-
trzów hajduckich – Micha Wadasz(cz), którego „[…] mieczem w kolano ranili
[…]”30„[…] baczc na to, lubo iu chromy, krzykn na hayduki aby do szabel sko-
czyli; oni rusznice od o ywszy, spisy Niemcom zacinali31.” Inny za walczcy, tym
razem po stronie gdaszczan, cho postrzelony, uciek .32 Pomimo wszelkich zagro-
e zwizanych z wojaczk, zdarza y si przecie i wypadki takie jak pod Wielkimi
ukami w 1580 r. Planowano podpali umocnienia moskiewskie, lecz uniemo li-
wia a to z a pogoda i konstrukcja kurtyny. Znalaz si jednak
„[…] Mazur jeden, rzeczony Wieloch, ze wsi Miastkowa, poddany Lasockich; cho by
postrzelony, przecie szed z ogniem a pali ; przeto go te król tam e szlachcicem uczy-
ni a hetman go do herbu swego przyj ; s u y potem królowi harcersk i zwano go
Wielko uckim”.33
Niekiedy jednak odniesione obra enia by y tak ci kie, e dochodzi o do umierca-
nia poszkodowanych. o nierze na polu walki dobijali rannych wspó towarzyszy.
Przypadek taki odnotowano 11 X 1581 r. podczas obl enia Pskowa. „Acz nie ma
dnia bez straty, ale i ten dzie niefortunny barzo by , bo hajduków tego dnia zgin-
o 13 i taki si trafunek trafi . Przyniós karczmarz Oglckiego roty beczk miodu
do szaców, któr 6 drabów stawia o.; drudzy si nacisnli do nich; ugodzi zdrajca
(Moskwicin – przyp. A. B.) w on beczk i w on gromad, e ich 5 zaraz zabi i
trzem po rce, po nodze utrci , z których dwu a dobito, bo ywi nie mogli by, a
oni si rozlecieli, osobno rce, nogi, g owy. P. Gostomski z P. Pkos awskim bli u
ich siedzia , tak, e sztuka g owy przed nie pad a”.34 Skoro takie zdarzenie trafi o
na karty róde , nale y przypuszcza, e mog o dochodzi do podobnych praktyk
czciej. Zachowanie o nierzy trudno kwalifikowa w kategoriach moralnych.
Wydaje si, e by o przejawem swoicie rozumianego humanitaryzmu.
Wród niebezpieczestw czyhajcych na o nierzy nie mog o zabrakn i po-
rzucenia. Przypadek taki zdarzy si pewnemu szlachcicowi, który „[…] w onej
przegranej bitwie, któr mia Janus król wgierski z cesarzem Ferdynandem, by
tak srodze ranion, e zosta na placu, a gdy nazajutrz Wgrowie si przechodzili po
onem pobojowisku ogldujc trupy, naleli go nagiego, co go knechci odarli, i tak
napo y umar ego wzili i do barwierza zanieli […]”. Pocieszajcy by fakt, e lek-
arzowi uda o uratowa si szlachcica, przykry za wynika z uznania go za
zmar ego, czemu da wiadectwo tchórzliwy s uga. Szlachcic ów bowiem „[…]
przyjecha do domu i zasta szwagry, a oni si ju majtnoci jego podzielili
[…]”.35 By a to kolejna konsekwencja odniesienia rany na polu bitwy.
Wydarzenia, jak to opisane wyej, prowadzi y nieuchronnie do stopniowego
oswojenia si z zagroeniem zdrowia i ycia, z makabryzmem pola walki i niebez-
pieczestwami zawodu o nierskiego. Z czasem wic uczestnicy walk czy ich ob-
serwatorzy (jak by o w przypadku autora relacji – ksidza Jana Piotrowskiego) za-
czynali przechodzi do porzdku dziennego nad kolejn mierci. Znowu w narra-
cji staje si zauwaalny ton anegdotyczny, wrcz rubaszny. J. Piotrowski wspomina
jakich rannych, nie mówi nic o pomocy dla nich.36 A innym razem (14 X 1581 r.)
odnotowuje, e
„knia Czartoryjski umar , pacho ek m ody. Przyjechawszy […] z drogi z Panem tro-
ckim od Starzyce, na koniu biegajc dzi trzeci dzie, szabla mu wypad a z poszew, ko
pod nim pad , owa na szabli nog sobie przez ud przebi , która szabla jadem na-
puszczona by a. Ogie piekielny mu si w ni wrzuci . Z ego sna barwierza mia , nie
móg mu pomódz. Woluntaryusz by , mia 50 koni strojno, kadego konia z wsidze-
niem na kilkaset z otych szacowano, za ko pod si da 1500 z .; utraci przez 200.000
w m odych leciech swych.”
I konstatuje: „on m od zostawi Burku abówn. Wzi z ni wszystkiego 100.00
z . posagu. Ktoby chcia , wiea wdowa”.37
Kolejn kwesti poruszan w pracy jest czas, w jakim s uby medyczne – o ile
w ogóle znajdowa y si na polu walki – by y w stanie zaopatrzy rannego oraz do-
stpno do fachowej pomocy. W XVI w. armie przeywa y zalew o nierzy condi-
tio popularis, co sugeruje konieczno postawienia pytania, czy pomocy medycznej
udzielano tylko nielicznym, dobrze sytuowanym szlachcicom, czy take o nie-
rzom pochodzenia plebejskiego? A co za tym idzie, czy mamy do czynienia z elita-
ryzmem, rozumianym jako powszechna dostpno do lekarzy, czy egalitaryzmem
„medycyny wojskowej”. I w kocu - czy problem „wojna i medycyna” jest proble-
mem charakterystycznym dla Europy rodkowo-Wschodniej w pocztkach nowo-
ytnoci, czy raczej nalea oby mówi o wojnie bez medycyny.
Sk ad spo eczny, etniczny czy wyznaniowy armii mobilizowanych zw aszcza
w drugiej po owie stulecia by niezwykle urozmaicony, zawsze jednak wykazywa
tendencj do gromadzenia plebejuszy, których, rzecz jasna, nie by o sta na utrzy-
manie w asnych medyków. Mogli jedynie liczy na opiek w tym zakresie o cha-
rakterze instytucjonalnym. Tymczasem liczba rannych ros a wraz ze wzrostem li-
czebnoci walczcych wojsk oraz przed uaniem si kampanii wojennych. W cza-
sie walk po Gdaskiem w latach 1576-1577 wykazano m. in. 14 zabitych Polaków i
45 ci ko rannych, 40 zabitych Wgrów oraz 80 ci ko rannych. Tak wic liczba
rannych przekracza a liczb zabitych na polu walki dwu, a nawet trzykrotnie.38
Prawid owo t potwierdza kolejny wykaz, tym razem sporzdzony po bitwie pod
Lubiszewem.39 Podobnie by o równie wczeniej, o czym informuje wzmianka do-
tyczca wydarze z 1567 r., kiedy to knia Roman Sanguszko pozyskawszy wi-
adomo o nadchodzcych wojskach moskiewskich, wyruszy przeciw nim 20 lip-
ca. Znienacka zaatakowa je, rozgromi i z upi obóz.
„Z tej pora ki Piotr Serebrenny hetman ranny ledwie uszed . Amurat hetman tatarskie
zabity. Knia Wasil Palecki poiman, ale od ran umar . A z naszych tylko 2 zabitych a
rannych by o 30, Moskwy od omi tysicy ma o co usz o.”40
Inne relacje historiograficzne daj podobny przekaz, a przyk ady mo na mno y.41
Niekiedy dochodzi o równie do dzia a sensu largo propagandowych, których
celem by o równie podniesienie morale wojska w trakcie d ugotrwa ego obl e-
nia, a jednoczenie majcych na celu specjalne uhonorowanie rannych. Postpi tak
hetman J. Zamoyski w 1580 r. podczas obl enia Wielkich uk, kiedy to
„Zamojski czem innem gdzieindziej zajty […] zaraz do okopisk przyby , rannych obe-
jrzawszy rozda im kilka sztuk z ota, które zawsze mia przy sobie, eby rekrutów
nagrod tak do wytrwa oci zachci, wyznaczy te im nagrod co rannych przy-
nios.”42
Zabiegi te niestety nie by y wystarczajce w obliczu czstego kontaktu bojowego z
nieprzyjacielem, o czym wiadczy uwaga zanotowana przez ksidza Piotrowskie-
go, który na bie co sporzdza relacj z obl enia Pskowa przez Stefana I Batore-
go. Zapisa on: „Barwierzow tak wiele nie masz, coby opatrowaniu wydo ali.”43 I
dalej: „[…] rannych barzo wiele umiera. Przy namieciech barwierskich, jak na
cmyntarzach, pe no grobów stoi.”44
Powy sze uwagi s jedynie pobie nym przegldem mo liwoci badawczych,
ich g ównych kierunków. Kompletna rekonstrukcja by aby mo liwa dopiero po
38 Stefan Batory pod Gdaskiem w 1576-77 r. Listy, uniwersa y, instrukcje, wyd. A. Pawi-
ski, [w:] ród a dziejowe, t. 3, Warszawa 1877, s. 26, 31.
39 B. Paprocki, op. cit., s. 74. Podobnie R. Heidenstein, op. cit., s. 270.
40 M. Bielski, op. cit., s. 1164-1165.
41 Ibidem, s. 1217: (1572 r.) „W tej bitwie, acz bardzo nierównej, tylko naszych 10 zgin o z
roty Lanckoroskiego i Jordanowej, okrom onych czterech Herbortowych, rannych by o
niema o.”; ibidem, s. 1407 (1577 r.) w trakcie utarczki z Tatarami „[…] Lanckoroski by
postrzelon […] gdzie Tatarów pad o do kilkadziesit, a naszych te postrzelanych by o nie-
ma o, acz nie miertelnie, bo si ka dy z nich wyleczy , chocia po kilka postrza ów mieli w
sobie.”; ibidem, s. 1412-1413 (1577 r.) „W tej bitwie leg o wszystkich Gdaszczan na placu
4427 wed ug powieci tych, którzy je z rozkazania hetmaskiego chowali, okrom tych, któ-
rzy w pogoni s pobici. […] Z naszych tylko szedziesit bez dwu zgin o, a sto i trzydzie-
ci rannych.”; . Dzia yski, op. cit., s. 228, 266.
42 R. Heidenstein, op. cit., s. 23.
43 J. Piotrowski, op. cit., s. 81.
44 Ibidem, s. 92.
46 Aleksander Bo dyrew
45 Archiwum G ówne Akt Dawnych w Warszawie, Archiwum Skarbu Koronnego, Oddzia III,
Rachunki nadworne królów, sygn. 3, k. 252-252v i n.
46 R. Heidenstein, op. cit., s. 134-137. Zob. take J. D. Solikowski, op. cit., s. 12; . Orzelski,
Interregni Poloniae libros 1572-1576, ed. E. Kuntze, Scriptores Rerum Polonicarum, t.
XXII, Cracovia 1917, s. 185-186; . Orzelski, Bezkrólewia ksig omioro czyli dzieje
Polski od zgonu Zygmunta Augusta r. 1572 a do r. 1576 skrelone przez […] starost
radziejowskiego, t um. i wyd. W. Spasowicz, t. I, Petersburg 1856, s. 222-225.
47 M. Bielski, op. cit., s. 1397 opisa podobny przypadek. Po zakoczeniu sejmu koronacyjne-
go Stefana I Batorego w 1576 r. 12 czerwca król przyby do Warszawy. Wówczas midzy
Polakami i Wgrami dosz o do zwady, która spowodowa a rozruch. Naprzeciw siebie mia o
stan po kilkuset wojowników. Proszono ich o opanowanie. „Chojnackiego niejakiego her-
bu Trzaska z rawskiej ziemie usiekli Wgrowie i, gdy szed do barwierza z ranami, zebra-
wszy si ich wicej szli za nim; i natenczas, gdy go opatrzy barwierz, wpadli i pojmali go,
bo te kilku Wgrów usiek by bronic si im; take go pojmawszy ku zamku wiedli, chcc
Wojna bez medycyny 47
go wsadzi , którego im naszy jli broni c i wydar o go im, ale tak go dobrze obuszkami
ut ukli Wgrowie, e potem prdko umar .”
48 Podobnie by o w innych krajach europejskich, zob. S. Wojtkowiak, Zarys dziejów wojsko-
wej s uby zdrowia, Warszawa 1974, s. 54-62.
49 H. Kotarski, Wojsko polsko-litewskie podczas wojny inflanckiej 1576-1582. Sprawy orga-
nizacyjne. Cz III, „Studia i Materia y do Historii Wojskowoci”, t. XVII, cz. II, 1971, s.
90-91.
50 J. Tarnowski, Consilium rationis bellicae, wstp napisa J. Sikorski, tekst dzie a do druku
przygotowa oraz not wydawnicz , komentarzem i s ownikiem opatrzy T. M. Nowak,
Warszawa 1987, s. 47.
48 Aleksander Bo dyrew
odwagi, w ramach których brak ju miejsca na drug stron tego zjawiska. W
warstwie kontekstowej wypowiedzi autorów dotycz ce rannych, zabitych, czy o-
kaleczonych s ciekawym ród em do problemu ju nie wojny bez medycyny, ale
raczej ich mentalno ci, zw aszcza w zakresie stosunku do cudzego cierpienia, ch ci
niesienia pomocy, czy w ogóle umiej tno ci dostrzeenia takiej potrzeby. Uywa-
j c wspó czesnej terminologii, s ród em do poznania inteligencji emocjonalnej
ludzi yj cych bez ma a 500 lat temu.
Wojna bez medycyny 49
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts tauchen immer häufiger Erwähnun-
gen über Verwundungen und Wundbehandlungen auf. Von einem militärischen
Gesundheitsdienst lässt sich allerdings erst unter Stefan I. Báthory sprechen, als
eine Gruppe von Ärzten, Chirurgen und Apothekern einberufen wurde, die vom
König finanziert wurde. Die Verwundeten wurden selektiert: Leichtverletzte wur-
den im Lager selbst behandelt und bald wieder in den Dienst entlassen, Schwerver-
letzte wurden aus der Kampfzone herausgebracht, auch damit sie der kämpfenden
Truppe – und dem zugeordneten medizinischen Personal – nicht weiter zur Last
fielen. Mitunter wurden chirurgische Eingriffe vorgenommen. So wurden einem
Adligen vor Pskov die erfrorenen Beine amputiert.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als Ballisten und Armbrüste in Gebrauch ka-
men, kannte man vor allem Schussverletzungen durch Pfeile. So erwähnt der Chro-
nist Marcin Kromer, ein Bote sei „vom Bogen aus ins Gesicht geschossen“ worden;
bereits Marcin Bielski spricht von einer „Schussverletzung“. Ähnlich schrieb Justus
Lodovicus Decius, die Mehrzahl der Soldaten sei „durch Schüsse“ verwundet wor-
den. Hinzu kamen Schnitt- und Hiebverletzungen durch Blankwaffen, wie sie Ma-
ciej Stryjkowski für die Schlacht an der Orsza 1514 erwähnt. Solche Verletzungen
wurden nicht nur während der Schlachten zugefügt, sondern auch danach, wenn die
fliehenden Feinde verfolgt und vom Pferd aus erschlagen wurden. Am häufigsten
erwähnt wurden nun jedoch Verwundungen durch Handfeuerwaffen oder Artillerie,
insbesondere in Beschreibungen der Kriege Stefan Báthorys. Hetmann Stanisaw
ókiewski etwa erlitt bei Byczyna einen Schuss in die Hüfte, den er aber überleb-
te. Verwundungen ganz anderer Art kamen vor, wenn ein befestigter Ort angegrif-
fen wurde, da es – wie wiederum in Pskov – üblich war, Angreifer mit Steinen und
Balken zu bewerfen.
Ein weiterer Problembereich waren Gesundheitsschäden wegen schlechten
Wetters. So erlitten viele polnische Soldaten während der russischen Kampagne
von 1581/82 schwere Erfrierungen. Jan Piotrowski berichtet, fast ein Drittel der
polnischen Soldaten sei erkrankt, weil der Winter so hart war, dass sofort Erfrierun-
gen an Händen, Ohren, Nase und Mund erlitt, wer das Zelt verließ. Schließlich er-
eigneten sich untypische Unfälle: wenn etwa vor Polock Mikoaj Radziwi von
einem Holzstück getroffen wurde, das von der belagerten Festung bis ins Lager
flog.
Eine recht detaillierte Aufstellung der Verwundungen ist über den misslunge-
nen Sturm auf Pskov am 8. September 1581 überliefert. Piotrowski schätzt – über
genaue Zahlen habe man nicht gesprochen –, es seien insgesamt 500 gefallen, viele
mit Steinen, Äxten, Knüppeln verletzt worden. Einige Offiziere, darunter manche
„Edle“, wurden von Büchsenschüssen getötet, weitere verletzt. Unter den Fußsol-
daten seien vor allem von den Ungarn und den Deutschen viele gefallen. Alle Ver-
wundeten seien zur Versorgung ins Lager gebracht worden; auch nach dem Angriff
seien täglich viele verstorben. Peter Kendi verstarb, weil sich eine leichte Schuss-
wunde am Bein entzündete. Andreas Sekel ginge es sehr schlecht, und er habe
Wojna bez medycyny 51
kaum Überlebenschancen. Ein weiterer Rittmeister der Fußtruppen sei nach einer
Schussverletzung – wie viele andere – in der Nacht verstorben.
Wir erfahren, dass die Soldaten Schussverletzungen aus Armbrüsten oder
Büchsen erlitten, von Artilleriegeschossen getroffen, von Verteidigern mit Steinen
und Balken beworfen, mit Hieb- und Stichwaffen verletzt und mit Knüppeln und
ähnlichem erschlagen wurden. Danach folgten Entzündungen jeglicher Art, Erkäl-
tungen, Infektionen, die die Sterblichkeit weiter erhöhten. Natürlich versuchte der
Feldherr, die Hilfsbedürftigen durch vollwertige Soldaten zu ersetzen, wobei
Leichtverletzte mitunter – auch in leitender Stellung – weiter am Kampf teilnah-
men. Das bekannteste Beispiel ist der ungarische Rittmeister Micha Wadaszcz,
der, obschon er einen Schwerthieb ins Knie erhalten hatte, seine Hajduken mit dem
Säbel gegen die Deutschen führte. Mitunter konnte ein Angeschossener noch flie-
hen. Ein Masure, der trotz Schussverletzung 1580 Velikie Luki in Brand setzte,
wurde vom König geadelt.
In anderen Fällen waren die Wunden so schwer, dass sie zum Tode geführt ha-
ben würden; die Verwundeten wurden dann von ihren Kameraden auf dem
Schlachtfeld erschlagen. Die fast beiläufige Erwähnung solcher Ereignisse lässt
schließen, dass entsprechende Praktiken durchaus üblich waren und als Äußerung
eines eigentümlichen Humanitarismus – als Erlösung vom Leiden – verstanden
werden sollten. Zu den Gefahren, die den Soldaten drohten, gehörte zudem das Zu-
rückgelassen werden: Ein Adliger war so stark verwundet, dass er liegengelassen
und erst am Folgetag gesucht wurde; man fand ihn entkleidet und fast tot, er konnte
aber von den Ärzten gerettet werden. In der Zwischenzeit hatte sich jedoch – auch
dies eine zusätzliche Gefahr bei Verwundung – sein Schwager seines Gutes be-
mächtigt, nachdem er ihn für tot erklären ließ.
Die Bedrohung von Gesundheit und Leben, das Grauen des Schlachtfelds ge-
hörten zu den alltäglichen Erfahrungen soldatischen Lebens. Die Kämpfenden oder
ihre berichtenden Beobachter gingen alsbald wieder zur Tagesordnung über, und
Verwundung und Tod wurden erneut eher anekdotisch erwähnt. Piotrowski er-
wähnt Verwundete, aber nicht, ob ihnen geholfen wurde. Unter dem 14. Oktober
1581 notiert er, der junge Czartoryski sei verstorben, nachdem er sich bei einem
Reitunfall selbst mit seinem Säbel verletzt hatte, und bemerkt, dessen Witwe sei
nun wegen ihrer Mitgift eine gute Partie.
Es bleibt die Frage, inwieweit die Medizin im Feldlager imstande war, Ver-
wundungen zu versorgen, und in welchem Umfang sie über Fachkräfte verfügte.
Da die Mehrzahl der Soldaten einfache Leute waren, ist zu klären, ob medizinische
Versorgung lediglich den wenigen wohlhabenden Adligen zukam oder auch Solda-
ten plebejischer Herkunft, ob also die „Kriegsmedizin“ egalitär oder elitär war. Zu-
dem ist von Interesse, ob wir es in Ostmitteleuropa mit dem Thema „Krieg und
Medizin“ oder eher mit „Krieg ohne Medizin“ zu tun haben.
Die Armeen der Zeit waren hinsichtlich, sozialer, ethnischer und konfessionel-
ler Zugehörigkeit sehr heterogen. Die meisten Soldaten waren Plebejer, die sich
52 Aleksander Bodyrew
keine eigenen Ärzte leisten konnten, sondern auf institutionelle Hilfe angewiesen
waren. Im Allgemeinen stieg die Zahl der Verwundungen mit der Dauer der Feld-
züge und der Größe der Armeen. So wird aus Danzig aus den Jahren 1576–77 be-
richtet, dass drei Mal so viele Verwundete wie Gefallene vorkamen; ähnlich ver-
hielt es sich bei der Schlacht vor Lubiszewo sowie im Juli 1567, als polnische
Truppen ein moskowitisches Lager überrannten. Mitunter gab es Ehrungen der
Verwundeten, die auch dazu dienen sollten, die Kampfmoral zu heben. So verteilte
Hetmann Jan Zamoyski 1580 Goldstücke an die Verwundeten, um die Rekruten zu
größerem Eifer und Tapferkeit anzuspornen.
Damit ist das Feld umrissen, auf dem sich eingehendere Forschungen ansiedeln
könnten. Noch zu erschließende Quellen wären Wirtschaftsakten wie die königli-
chen und burgstädtischen Rechnungsbücher. So findet sich in einem Rechnungs-
buch die Notiz eines Arztes aus der Schlacht von Velikie Luki über 13 Verwunde-
te, von denen elf Schussverletzungen, einer eine Schnittwunde am Hals davonge-
tragen hatten. Von Interesse wäre hier in erster Linie das Verhältnis zwischen den
Verwundungsarten.
Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass das Niveau medizinischen Wissens
in dieser Zeit nicht besonders hoch war, was zu Komplikationen wegen falscher
Behandlung führen mochte. So wurde die mit einem Pickel zugefügte Wunde eines
Kastellans kurz nach der Krönung Henryk Walezys nicht verbunden; stattdessen
hielt seine Zwillingsschwester den blutenden Kopf in den Händen, was zur Infekti-
on und zum Tod des Verwundeten führte. Mitunter hielten die Verwundeten selbst
eine Versorgung ihrer Verletzung für unnötig, andere versuchten immerhin, die
richtigen Schritte zu unternehmen.
Festzuhalten bleibt, dass es ehrenvolle Bemühungen gab, eine Versorgung
Verwundeter hinter der Front zu gewährleisten, und dass man sich gegenseitig im
Rahmen der vorhandenen Mittel half. Das Niveau der medizinischen Fertigkeiten
war aber zweifellos unzureichend. Für die Institutionalisierung der Kriegsmedizin
unter Stefan I. Báthory ist zu klären, ob er ungarische Sitten nach Polen mitbrachte
oder einheimische Reformvorschläge ausschlaggebend waren. Es gab also eine
tendenziell egalitäre Kriegsmedizin, deren Möglichkeiten aber gering waren. Für
weitere Forschungen bleibt schließlich der Charakter der Quellen zu betonen: An-
gaben über Verwundungen und ihre Behandlung sind meist anekdotisch und zeu-
gen oft mehr von der Mentalität der Autoren denn von der medizinischen Praxis der
beschriebenen Zeit.
Medycyna na usugach twierdzy Przemyl
Józef wieboda
Zbudowana w latach 1878-1914 twierdza Przemy l, pod wzgldem wielko ci
ustpowa a tylko podobnym fortyfikacjom w Antwerpii w Belgii i Verdun we
Francji.1 Powsta a jako forma zabezpieczenia Austro-Wgier przed atakiem wojsk
Rosji, której wp ywy na Ba kanach zosta y sparali owane po przyznaniu Austro-
Wgrom okupacji Bo ni i Hercegowiny, postanowieniem Kongresu Berliskiego w
1878 r., a ca kowicie wyparte po aneksji tych krain przez rzd wiedeski w 1908 r.
Ten konflikt polityczny, jak równie szereg innych powa niejszych o strefy
wp ywów w wiecie spowodowa wytworzenie si dwóch obozów militarnych
najpierw w Europie, pó niej i w wiecie, tzw. pastw sprzymierzonych – Ententy
(Francja, Rosja i Anglia) - i pastw centralnych (Niemcy, Austro-Wgry, W ochy).
Rywalizacja o strefy ekonomicznych i politycznych wp ywów oraz zwizany z tym
wy cig zbroje miedzy obu obozami doprowadzi do wybuchu I wojny wiatowej
(1914-1918), zapocztkowanej zamachem na austriackiego nastpc tronu ar-
cyksicia Franciszka Ferdynanda z ma onk w Sarajewie 28 czerwca 1914 r.
Przemy l na twierdz zosta wybrany ze wzgldu na strategiczne po o enie ge-
ograficzne. Po równinach od wschodu i pó nocy stanowi bram przej cia przez
Pogórze Przemyskie i Rzeszowskie na po udnie i zachód przez Karpaty oraz wa ny
wze ko owy i kolejowy otwierajcy szlak przez Chyrów- upków na Nizin W-
giersk i Ba kany oraz przez twierdz Kraków do Wiednia. Budowa twierdzy w
Przemy lu i zwikszenie stanu wojska w mie cie do kilku tysicy wp yn a ko-
rzystnie na rozwój infrastruktury miasta i proporcjonalny wzrost liczby mies-
zkaców z 10.140 mieszkaców w 1860 r. do 37.734 obywateli w roku 1900 r.2 O
rozmiarach twierdzy wiadczy fakt, e sk ada a si ona z 8 odcinków obronnych, z
których dwa pierwsze obejmowa y wewntrzny pier cie, o obwodzie pitnastu i
rednicy sze ciu kilometrów. Zewntrzny pier cie fortyfikacyjny, o obwodzie
czterdziestu piciu kilometrów, zosta podzielony na 6 odcinków obronnych, a
znajdowa o si w nim na 17 wzgórzach 42 forty i midzy nimi rozmieszczonych 25
stanowisk artylerii, w ka dym forcie od 20 do 54 luf dzia ró nego kalibru. Ponad
trzecia cz tych fortów by a pancerna (3,5 m grubo ci elbetonowe stropy), od-
porna na ogie ci kich dzia i mo dzierzy, posiadajca w obrotowych wie ach i
kopu ach pancerne haubice 150 mm, szybkostrzelne dzia a 53 mm i mo dzierze
210 mm. Wszystkie budowle by y po czone systemem zapór i rodków wspiera-
nia, wyposa one w nowoczesn instalacj elektryczn, d wigi, wentylatory, pompy
i reflektory. W sumie za oga twierdzy mia a liczy 85.000 o nierzy i 956 dzia ,
1 F. Forstner, Festung Przemy l, Wien 1987; t umaczenie polskie J. Bambor, Twierdza Prze-
my l, Warszawa 2000.
2 H. Kramarz, Ludno Przemy la w latach 1521-1921, Przemy l 1930; Tysic lat Przemy la,
Warszawa-Kraków 1974, cz. II.
54 Józef wieboda
faktycznie z chwil wybuchu wojny liczy a 130.000 o nierzy tj. prawie 1/10 ca ej
armii austriacko-wgierskiej, 14.500 koni i 1.010 dzia (armie niemiecka, francus-
ka, rosyjska liczy y po ok. 3 milionów o nierzy). Dowódc twierdzy by feldmars-
za ek Herman Kusmanek.3
Ofensywa wojsk rosyjskich na froncie po udniowo-wschodnim we wrzeniu
1914 r. rozbi a 900.000 armi austriacko-wgiersk, która zdziesitkowana do
400.000 zmczonych o nierzy stawi a wikszy opór na grzbiecie Karpat i nad rze-
k Dunajec. Twierdza Przemyl znalaz a si wówczas w pierwszym okreniu, ge-
neralnie od 26 wrzenia4 do 9 padziernika 1914 r., kiedy zosta a odbita. Naj-
groniejszy szturm wytrzyma a w dniach 6-8 padziernika kiedy Rosjanie podeszli
pod fort Siedliska. Straty w rannych i zabitych by y znaczne poniewa o nierze
rosyjscy razili forty i za og celnymi pociskami w nastpstwie wykradzenia planów
stanowisk obronnych przez wywiad rosyjski w 1913 r. (zdradzi p k Redl, szef
wywiadu i kontrwywiadu). Wed ug danych niemieckich i austriackich przy sztur-
mie na twierdz 280.000 carskiej armii w tej pierwszej fazie pad o oko o 20.000
o nierzy rosyjskich, drugie tyle zosta o rannych, w tym 2.000 wzito do niewoli.
Poleg ych pochowali obrocy kilkoma warstwami w zbiorowych mogi ach dopiero
po odparciu natarcia w padzierniku 1914 r. Z przedpola Przemyla wojska rosyj-
skie do ponownej ofensywy przesz y na lini Karpat i pod Kraków (Dunajec). W
przededniu drugiej ofensywy Rosjan po ow ludnoci cywilnej z miasta i z okolicz-
nych wiosek eksmitowano, po ow z zagwarantowanym na trzy miesice wyywie-
niem zostawiono w myl rozporzdzenia starosty z 2 listopada 1914 r.5
Podczas drugiego okrenia twierdza Przemyl broni a si mnie. Dopiero po
5 miesicach skapitulowa a – 22 marca 1915 r. Podczas oblenia w miecie wyst-
pi a droyna, da si odczu brak wielu artyku ów ywnociowych. Zakwit o dono-
sicielstwo i szpiegostwo, kradziee, nie by o dnia by kogo nie rozstrzelano. W
wojsku wprowadzono ograniczenia od grudnia 1914 r. Na o nierza przydzielano
jeden bochenek chleba na cztery dni i pó torej zapa ki. Po ow koni przerobiono na
konserwy, 5.000 wybito w chwili kapitulacji, cz ywnoci zosta a. O kapitulacji
zadecydowa o zmczenie, niepowodzenia przebicia si za ogi do austriackiej armii,
jak i nieudane wysi ki przyjcia z odsiecz formacji frontowych od strony Sanoka.
Zanim si poddano, rano 22 marca 1915 r. o godzinie 6,55 wysadzono wszystkie
forty, dzia a, sk ady amunicji, mosty, dworce, zniszczono przewody telefoniczne,
telegraficzne, bro i amunicj, reflektory i reszt wszelkiego rodzaju materia ów
wojennych, w tym klucz szyfrowy. Do niewoli dosta o si 117.000 oficerów i
3 Dislokation und Einteilung des k.u.k. Heeres, der k.u.k. Kriegsmarine, der k.k. Landwehr
und der königlich ungarischen Landwehr, Wien 1912; Schematismus für das k.u. k. Heer
und für die k.u k. Kriegsmarine für 1914, Wien 1914; S. Szuro, Informator statystyczny do
dziejów spo eczno-gospodarczych Galicji – Ludno wojskowa Austro-Wgier rekrutujca
si i stacjonujca na terenie Galicji 1869-1913, Kraków-Warszawa 1990.
4 J. Róaski, Twierdza Przemyl, Rzeszów 1983, s. 1-33.
5 Ibidem, s. 48.
Medycyna na us ugach twierdzy Przemyl 55
o nierzy, w tym 9 genera ów. Spóniona operacja spod Gorlic 14 kwietnia 1915 r.,
przy decydujcym wsparciu niemieckich oddzia ów, odrzuci a wojska rosyjskie do
koca wojny na lini Tarnopol-Pisk- Dyneburg.
Na wypadek wojny przewidziano zwikszone us ugi medyczne. W miecie dla
cywilów funkcjonowa nowoczesny szpital powszechny na 200-300 óek wybudo-
wany w latach 1904-1906, czynnych by o 7 aptek cywilnych, us ugi wiadczy o 34
lekarzy, 3 chirurgów i 14 farmaceutów.6 Dla potrzeb wojska i przysz ej twierdzy
wybudowano w latach 1882-88 w Przemylu szpital wojskowy na 600 miejsc (przy
ul. Dobromilskiej - S owackiego 85), najwikszy po szpitalu wojskowym w Wied-
niu. Jego personel i wyposaenie przeniesiono ze szpitala wojskowego nr 3 w Bu-
dzie (stolicy Wgier) do siedziby c.k. Komendy 10 Korpusu w Przemylu w 1888
roku.7 Szpital by po czony ze zbudowan w tym czasie wojskow aptek. Na 27
aptek wojskowych w monarchii austro-wgierskiej przed I wojn wiatow po ap-
tekach nr 1 i nr 2 w Wiedniu by a apteka nr 3 w Przemylu najlepiej wyposaon w
utensylia. W okresie pokojowym kadr medyczn szpitala wojskowego sk ada a si
z 4 medyków, ordynatora, którym by m. in. lekarz Adam Majewski (1867,1892),
póniejszy genera Wojska Polskiego, jego zastpca, praktykujcy lekarz i
pomocnik, nadto pielgniarki. Równie personel apteki sk ada si z kierownika
(Wiktor Antecki), zastpcy (W adys aw Biliski) i pomocnika (August Otevfel).8 Z
chwil wybuchu wojny stan ten zwielokrotniono, w wyniku powo ania do wojska
poborowych sporód cywilnego personelu lekarskiego i farmaceutycznego. Dla
wojskowych celów leczniczych w czono szpital ydowski na 40 miejsc i za-
rekwirowano odpowiednie pomieszczenia szkolne. Ju po pierwszych tygodniach
oblenia Przemyla okaza o si, e twierdza nie jest dobrze przygotowana do ob-
lenia. W szpitalach brakowa o bielizny dla chorych, rodków opatrunkowych i
dezynfekcyjnych. Po tragicznym odwrocie armii austriacko-wgierskiej we
wrzeniu 1914 r. w szpitalu coraz wicej by o chorych na choler i czerwonk, zda-
rza y si wypadki tyfusu.9
Po odparciu pierwszego okrenia w padzierniku 1914 r. znalaz y si w mie-
cie 2 armie austriacko-wgierskie, walczce na przedpolach miasta. Dotychczaso-
we szpitale nie wystarcza y, organizowano w szko ach nowe. W szpitalach dotkli-
wie odczuwano brak lekarzy, medykamentów i rodków opatrunkowych, co po-
cign o za sob wysok miertelno . Do opatrunków zamiast waty uywano
paku drzewnych, z braku chloroformu szereg operacji przeprowadzano bez narko-
zy. Nie by o desek na trumny. Pomocniczy personel sanitarny nie nada z usuwa-
6 Podrcznik statystyki Galicji, red. T. Pilat, t. IX (1908), wyd. Lwów 1913, s. 55; J. wiebo-
da, Apteki i farmaceuci w Polsce po udniowo-wschodniej od 1375 do 1951 r., Rzeszów
2006, s. 51.
7 G. Chojnacki, J. Kulig, Szpitalnictwo wojskowe w Przemylu: „Acta Medica Premisliensia,
2000, T. XIX, s. 107-115.
8 J. wieboda, Apteki.., s. 197-8.
9 Róaski , op. cit., s. 33.
56 Józef wieboda
niem zmar ych. Czsto leeli oni na salach razem z chorymi. Wybuch a take epi-
demia cholery, na któr zapad o wkrótce cztery tysi ce o nierzy. Szef s uby zdro-
wia genera Kanik zmuszony by zarz dzi kwarantann dla ca ej dywizji. Od po-
cz tku drugiego okr enia do koca lutego stan okr onej za ogi zmniejszy si o
24.000 o nierzy – zabitych, rannych lub powanie chorych. rednio do walki na-
dawa o si 30% pu ków oblonej za ogi, najdzielniej zachowywali si jeszcze W-
grzy (Honvedzi).10
zwei- bis dreihundert Betten, das in den Jahren 1904–1906 gebaut worden war. Es
gab sieben zivile Apotheken, 34 Ärzte, drei Chirurgen und 14 pharmazeutische
Mitarbeiter. Für den Bedarf des Militärs und der künftigen Festung wurde zwischen
1882 und 1888 in der Dobromilska-Sowacki-Straße 85 ein Militärkrankenhaus mit
600 Betten gebaut – die nach Wien zweitgrößte solche Einrichtung. Personal und
Ausrüstung wurden 1888 aus dem Militärhospital Nr. 3 in Budapest an den Sitz der
Kommandantur des 10. Korps in Przemy l verlegt. Dem Krankenhaus ange-
schlossen war eine Militärapotheke; sie war nach den Apotheken Nr. 1 und 2 am
besten ausgestattet.
In Friedenszeiten bestand der medizinische Kader des Militärkrankenhauses
aus vier Ärzten, dem Oberarzt und späteren General der Polnischen Armee Adam
Majewski (1867, 1892), seinem Stellvertreter, einem praktischen Arzt und einem
Gehilfen, außerdem Krankenschwestern. Auch das Personal der Apotheke bestand
aus einem Leiter (Wiktor Antecki), seinem Stellvertreter (Wadysaw Biliski) und
einem Gehilfen (August Otevfel). Bei Kriegsausbruch wurde dieser Personalstand
vervielfacht, indem auch das zivile ärztliche und pharmazeutische Personal für die
Armee rekrutiert wurde. Außerdem wurde das jüdische Krankenhaus mit 40 Betten
angeschlossen und es wurden Schulgebäude requiriert. Bereits in den ersten Wo-
chen der Belagerung zeigte es sich jedoch, dass Przemy l für eine solche Belage-
rung schlecht eingerichtet war.
In den Krankenhäusern fehlte es an Bettwäsche für die Kranken, an Ver-
brauchs- und Desinfektionsmaterial. Nach dem Rückzug der österreichisch-ungari-
schen Armee im September 1914 nahmen in den Krankenhäusern die Fälle von
Cholera und Ruhr zu, es kam zu Typhusfällen. Nach dem Entsatz der ersten Bela-
gerung im Oktober 1914 waren zwei österreichisch-ungarische Armeen am Ort sta-
tioniert, die im Vorfeld der Stadt kämpften. Da die vorhandenen Krankenhäuser
nicht ausreichten, wurden neue in den Schulen eingerichtet. Überall machte sich
der Mangel an Ärzten, Medikamenten und Verbrauchsmaterial schmerzlich be-
merkbar und führte zu einem Anstieg der Sterblichkeit. Für Wundverbände wurde
anstelle von Watte Werg verwendet; da es an Chloroform fehlte, wurden viele Ope-
rationen ohne Betäubung durchgeführt. Es gab keine Bretter für Särge, das Sani-
tätshilfspersonal kam mit der Beseitigung der Leichen, die häufig im gleichen Saal
wie die Lebenden untergebracht waren, nicht nach. Daneben brach eine Cholera-
epidemie aus, der innerhalb kurzer Zeit 4.000 Soldaten zum Opfer fielen. General
Kanik war als Leiter des Sanitätsdienstes gezwungen, über die gesamte Division
Quarantäne zu verhängen. Mit dem Beginn der zweiten Belagerung verringerte sich
der Personalstand der Besatzung um 24.000 Gefallene, Verwundete oder schwer
Erkrankte. Im Schnitt waren 30 Prozent der belagerten Besatzung kampffähig, am
tapfersten verhielten sich die Ungarn (Honvedzi).
Ärzte, Pflegekräfte, Soldaten –
eine Skizze zu den Hauptakteuren in den deutschen
Lazaretten im Ersten Weltkrieg
Petra Peckl, Freiburg
Einleitung
„Unermessen sind die Dienste der Ärzte, die sie in diesem gewaltigsten aller Kriege
häufig unter den schwierigsten Verhältnissen geleistet haben: im Toben der Schlacht
den Verwundeten als stets hilfsbereiter Kamerad, auf fremdem Boden in vielfach unzu-
länglichen Lazaretten als Freund voll aufopfernder Berufsfreudigkeit und in der Heimat
bei der unermüdlichen Fürsorge am Krankenbett als Tröster aller derer, denen eine bal-
dige Heilung von ihren Kriegsschäden nicht vergönnt war.“1
Mit diesen pathetischen Worten hat der Berliner Mediziner W. Hoffmann in dem
von ihm herausgegebenen Sammelband die Handlungen seiner Standesgenossen im
Ersten Weltkrieg umrissen. Ziel dieses schon kurz nach Kriegsende entstandenen
Werkes war es, die medizinischen Fortschritte während des Krieges zu präsentieren
und die Leistungen der deutschen Ärzte hervorzuheben.2 Das im Zitat aufschei-
nende Bild eines sich trotz aller Schwierigkeiten aufopfernden Arztes, der sich ein-
fühlsam um die ihm anvertrauten Patienten kümmert, entsprach zwar dem Selbst-
bild der Mediziner, jedoch nicht immer der Realität. Vielmehr standen die Trup-
pen- und Lazarettärzte in einem unauflöslichen Dilemma zwischen ihrer ärztlichen
Aufgabe und den militärischen Erfordernissen.3
Im folgenden Beitrag soll deshalb ein kurzer Einblick in das Lazarett als Ort
medizinischen Handelns gegeben werden. Dafür werden die unterschiedlichen Auf-
gaben, Interessen und Verhaltensweisen der Ärzte, Pflegekräfte, dabei vor allem
Krankenschwestern, und Soldaten als Patienten aus ihrer jeweiligen Perspektive
skizziert.
Die Quellenbasis dafür bilden Krankenakten aus den deutschen Lazaretten des
Ersten Weltkriegs aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg,4 daneben Quel-
1 W. Hoffmann (Hrsg.), Die deutschen Ärzte im Weltkriege. Ihre Leistungen und Erfahrun-
gen, Berlin 1920, S. III.
2 Der Erste Weltkrieg gilt als der erste Krieg, in dem die Verluste durch Kampfhandlungen
die durch Kriegsseuchen, wie zum Beispiel Fleckfieber, Typhus oder Cholera übertrafen,
vgl. Wolfgang U. Eckart/Christoph Gradmann, Medizin, in: Enzyklopädie Erster Weltkrieg,
hrsg. von Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz in Verbindung mit Markus Pöhl-
mann, Paderborn/München/Wien/Zürich 2004, S. 210.
3 Vgl. Johanna Bleker/Heinz-Peter Schmiedebach (Hrsg.), Medizin und Krieg. Vom Dilem-
ma der Heilberufe 1865 bis 1985, Frankfurt a. M. 1987.
4 Im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg im Breisgau befinden sich die noch erhaltenen
Krankenakten der deutschen Soldaten aus den Lazaretten bis zum Geburtsjahrgang 1899,
die zuvor im Krankenbuchlager in Berlin aufbewahrt wurden. Im Rahmen des DFG-Pro-
60 Petra Peckl
jekts „Krieg und medikale Kultur. Patientenschicksale und ärztliches Handeln im Zeitalter
der Weltkriege (1914-1945)“ wurden diese Akten stichprobenartig ausgewertet.
5 Feldpostbriefe sind für die historische Forschung wichtiges Quellenmaterial. Zu Kriegsbrie-
fen als Quelle, gerade für private und alltägliche Ereignisse, siehe neuerdings „Einmal muss
doch das wirkliche Leben wieder kommen!“ Die Kriegsbriefe von Anna und Lorenz Treplin
1914-1918, hrsg. von Heilweig Guedehus-Schomerus/Marie-Luise Recker/Marcus River-
ein, Paderborn/München/Wien/Zürich 2010, S. 9-13. Zu Feldpostbriefen als Massenquelle
siehe vor allem Bernd Ulrich, Die Augenzeugen. Deutsche Feldpostbriefe in Kriegs- und
Nachkriegszeit 1914-1933, Essen 1997.
6 Für eine kurze Übersicht vgl. Wolfgang U. Eckart, Lazarette, in: Enzyklopädie Erster Welt-
krieg, hrsg. v. Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz in Verbindung mit Markus
Pöhlmann, Paderborn/München/Wien/Zürich 2004, S. 674 f.
7 Sanitätsbericht über das Deutsche Heer im Weltkriege 1914/1918, Bd. 1, „Gliederung des
Heeressanitätswesens im Weltkriege 1914/1918“, bearb. in der Heeres-Sanitätsinspektion
des Reichswehrministeriums, Berlin 1935, S. 29 f.
Ärzte, Pflegekräfte, Soldaten 61
allem wenn er bedenke, „was für chirurgische Ignoranten z. Teil an den Lazaretten
arbeiten.“ Ein Kollege habe ihm berichtet, an seinem Lazarett seien nur Gynäkolo-
gen, die „noch nicht einmal einen vernünftigen Gipsverband anlegen könnten.“8
Die Tatsache, dass sich in autobiographischen Aufzeichnungen immer wieder der
Hinweis auf die großen, nicht immer erfolgreichen Bemühungen findet, den medi-
zinischen Qualifikationen entsprechend eingesetzt zu werden, verweist auf die or-
ganisatorischen Schwierigkeiten der Militärverwaltung angesichts des veränderten
Bedarfs an Fachärzten, insbesondere Chirurgen, im Krieg.9
Anlass für Konflikte bildeten auch der unterschiedliche Status der Ärzte: So
ärgerte sich Treplin, ein Stabsarzt der Reserve, immer wieder über „die Herren ac-
tiven Militärärzte“10, und meinte später:
„Die activen Herren gönnen eben keinem Reservemann etwas. Überhaupt könnte man
über den activen Militärarzt wie er ist und wie er sein sollte Bände schreiben. Es ist zu-
weilen zum Haareausreissen. Ärzte sind sie nicht, Officiere möchten sie sein. Aus die-
sem Gemisch entsteht namentlich in den höheren Chargen eine Sorte von Menschen, die
die grösste Angst haben vor solchen die wirkliche Ärzte sind kritisiert zu werden“.11
Als immer wieder schwierig wird der Umgang mit den eingesetzten Zivilärzten be-
schrieben, das heißt mit Ärzten, die keinen Militärdienst geleistet hatten. Sie hätten
„keine Ahnung vom Militärischen“ und könnten nicht einmal richtig grüßen.12
Selbstverständlich stand die medizinische Versorgung der verwundeten und er-
krankten Soldaten im Zentrum der ärztlichen Tätigkeit. Ärzte und Pflegekräfte soll-
ten für die angemessene Therapie und deren korrekte Durchführung sorgen. Davon
geben beispielsweise die Krankenakten aus den Lazaretten Zeugnis. Hier wurde
neben der Therapie und der verabreichten Kost der objektive Befund, aber auch das
subjektive Befinden des Patienten vermerkt. Von ärztlichem Interesse war daneben
aber auch, wie sich der Patient in das Lazarettleben eingliedert, etwa ob er „mür-
risch“, „still für sich“ war, oder hilfsbereit seinen Kameraden gegenüber. Auch der
mehr oder wenig große Fleiß, den der Patient bei den alltäglichen Arbeiten im La-
zarett an den Tag legte, konnte Teil der Notizen in der Krankenakte sein.
Neben vielfältigen anderen medizinischen Aufgaben waren die leitenden Ärzte
in den Lazaretten auch für Fragen der Hygiene, Ernährung und allgemeiner Ge-
sundheitsfürsorge zuständig. Beispielsweise sorgten sie für die Versorgung mit
Gemüse und Salat auch im Operations- und Etappengebiet, indem sie selbst den
Anbau organisierten. So finden sich in medizinischen Zeitschriften Artikel mit de-
taillierten Beschreibungen einzelner Verrichtungen, die über Hinweise zum Latri-
8 „Einmal muß doch das wirkliche Leben wieder kommen!“, Brief vom 11.10.1914, S. 110 f.
9 So auch beispielsweise der Augenarzt Eugen Henry Oppenheimer, Erlebnisse eines kriegs-
freiwilligen Arztes im Weltkriege, nach Tagebuchaufzeichnungen, Berlin 1933, S. 18 f., S.
89 ff.
10 „Einmal muß doch das wirkliche Leben wieder kommen!“, Brief vom 1.12.1914, S. 171.
11 „Einmal muß doch das wirkliche Leben wieder kommen!“, Brief vom 24.2.1915, S. 245.
12 Oppenheimer, Erlebnisse, S. 16.
62 Petra Peckl
nenbau bis zu einem Rezept für ein apfelweinähnliches Getränk reichten, um Tee
und Kaffee zu sparen.13 Ebenso wichtig erschienen Aufgaben zur „Allgemeine[n]
Hygiene und soziale[n] Fürsorge“, da die Ärzte davon ausgingen, dass gerade die
Patienten in den Lazaretten, wenn sie sich nach einer Verwundung und Operation
kurz erholt hatten, besonders aufnahmefähig für „allgemein bildende und hy-
gienische Erziehung“ seien, z.B. für eine gute Zahnpflege und „die Erziehung des
Volkes zum vernünftigen Kauen“, die in folgendem Merkspruch gipfelte:
„Wer langsam, langsam kaut,
viel, viel besser verdaut,
spart Doktor und Speise,
darum sei weise.“
Hier zeigt sich das paternalistische Verständnis der Ärzte ihren Patienten gegen-
über, nicht nur aufgrund ihres fachlichen Wissens, sondern auch aufgrund ihrer ge-
hobenen sozialen Stellung.14 Der berichtende Arzt interpretierte diese Bemühungen
dahingehend, dass die „Kranken, die vielfach der arbeitenden Klasse angehören,
[…] auf diese Weise den Eindruck [gewinnen], dass man sich um ihr leibliches und
geistiges Wohl kümmert“. Der Grundgedanke dabei war, dass der deutsche Soldat
niemals und nirgends in diesen Dingen aufnahmefähiger sei als gleich nach der
Aufnahme in den Lazaretten hinter der Front, wo ihm körperliche und geistige Ru-
he nach den Strapazen des Schützengrabens unendlich wohl tue.15 Man schrieb
dem Lazarett also auch eine Erziehungsfunktion für die Soldaten zu, auf die man
unter den besonderen Bedingungen des Lazarettlebens einen leichten Zugriff hatte.
Daneben galt es den Alltag zu strukturieren, einen geregelten Tagesablauf zu
organisieren und für die Zerstreuung der Patienten zu sorgen. Einfache Arbeiten
und Beschäftigungen, aber auch militärische und gymnastische Übungen, teils me-
dizinisch, teils mit militärischen Notwendigkeiten begründet, bildeten wichtige Ele-
mente im Tagesablauf.
Rein unterhaltende Veranstaltungen, wie sie zu Beginn des Krieges noch häufi-
ger stattfanden, wurden eingeschränkt, und die Soldaten sollten stattdessen an
ernstere Arbeiten gewöhnt werden. So empfahl etwa ein Erlass des Stellvertreten-
den Generalkommandos des XIII. (K.W.) Armeekorps vom Sommer 1915 die Ein-
führung von Unterrichtskursen, handwerksmäßige und landwirtschaftliche Arbeit
innerhalb und außerhalb des Lazaretts und der Lazarettanlagen sowie das Abhalten
13 H. Ziemann, Einiges über hygienische und soziale Aufgaben in den Lazaretten, in DMW
(1916), S. 1166. Ziemann war zu diesem Zeitpunkt als Generaloberarzt in Saarburg (dem
heutigen Sarrebourg) in Lothringen eingesetzt.
14 Vgl. Heinz-Peter Schmiedebach, Der Arzt als omnipotenter Kämpfer – zur Militarisierung
in der Medizin vor 1933, in: Thom, Achim/Samuel Mitja Rapoport (Hrsg.), Das Schicksal
der Medizin im Faschismus. Auftrag und Verpflichtung zur Bewahrung von Humanismus
und Frieden, Neckarsulm/München 1979, S. 160-163.
15 H. Ziemann, Einiges über hygienische und soziale Aufgaben in den Lazaretten, in DMW
(1916), S. 1168.
Ärzte, Pflegekräfte, Soldaten 63
2. Die Pflegekräfte
Die Pflegekräfte nahmen eine Vermittlerfunktion zwischen Ärzten und Patienten
ein. Sie standen in einem sehr viel engeren Kontakt zu den Patienten als die Ärzte
und trugen die Hauptlast der alltäglichen Versorgung in der Pflege der verwundeten
und kranken Soldaten.
Die weiblichen Pflegekräfte bildeten in der männlich geprägten Welt des Mili-
tärs eine besondere Gruppe. Nach offiziellen Angaben des Deutschen Roten Kreu-
zes sind mehr als 25.000 Frauen während des Ersten Weltkrieges als Kranken-
schwestern, Hilfsschwestern und Helferinnen im Dienst – in der Etappe – gewesen.
Die Schwestern des Roten Kreuzes bildeten die größte Gruppe (etwa 19.000
Schwestern und Helferinnen), daneben waren auch verschiedene andere Orden und
Verbände meist der katholischen oder evangelischen Krankenpflege tätig.18 Aber
Hier kommt ein besonderes Motiv für den Einsatz der Schwestern zur Sprache:
Insbesondere für junge Frauen bedeutete ihr Kriegseinsatz auch zu einem gewissen
Grad die Möglichkeit, Erfahrungen in der Fremde zu machen und etwas zu erleben.
So schrieb z.B. eine Schwester zu Beginn ihres Einsatzes in einem Brief an ihre
Familie, sie hoffe „auf Staatskosten“ möglichst weit reisen zu können.25 Auch zeigt
sich, dass die verschiedenen Institutionen der Kranken- und Verwundetenpflege
hinsichtlich ihrer Arbeit unterschiedlich wahrgenommen wurden und vor allem der
Einsatz von jungen Schwestern in dieser Männerwelt im Positiven wie im Negati-
ven für Unruhe im Arbeitsablauf sorgen konnte.
„Im Feldlazarett waren drei Krankenschwestern tätig, was ich noch in keinem erlebt hat-
te. Eine war jung, hübsch, und lustig, Tochter eines Oberstaatsanwaltes; natürlich wurde
sie vom Chef verzogen. Der raue Frontton war durch die Anwesenheit der Weiblichkeit
stark gemildert.“26
Der Gegensatz zwischen dem „rauen Frontton“ der reinen Männerwelt, in die die
„Weiblichkeit“ eindrang, die in der Erinnerung dieses Arztes positiv bewertet wur-
de, hatte aber auch eine aus der soldatischen Perspektive der behandelten Patienten
selten thematisierte Schattenseite. Die Scham des Soldaten, seine intimen Bedürf-
nisse einer weiblichen Pflegekraft gegenüber zu äußern, wurde kaum beachtet. Die
wohl bekannteste Darstellung ist eine Szene in Erich Maria Remarques erfolg-
reichem Roman „Im Westen nichts Neues“, in dem es dem Protagonisten, der nach
einer Verwundung im Lazarettzug auf dem Weg in die Heimat liegt, nur unter gro-
ßen Schwierigkeiten und mit Hilfe seines Kameraden gelingt, sein dringendes Be-
dürfnis zu urinieren gegenüber der begleitenden Schwester zu äußern. Während es
für den Soldaten „unter uns draußen“, also an der Front, zu seinen Kameraden mit
„einem einzigen Wort“ gesagt sei, weiß er nun dieser jungen Frau gegenüber nicht
mehr, wie er sich „tadellos und anständig ausdrücken soll.“27 Diese mit Scham be-
setze Thematik findet sich eher in der fiktionalen Form des Romans thematisiert als
in autobiografischen Zeugnissen wie Briefen oder Memoiren.
3. Keine Lust „sich lange im Lazarett herumzudrücken“?28 – Die
Perspektive der verwundeten und erkranken Soldaten
Für die Soldaten bzw. Patienten hatte das Lazarett ebenfalls eine durchaus ambiva-
lente Bedeutung. Natürlich standen für sie die ärztliche Versorgung und eine Bes-
serung des Gesundheitszustandes im Vordergrund, doch war ihnen auch bewusst,
dass eine schnelle Genesung unter Umständen auch eine schnelle Rückkehr an die
Front bedeutete. Das Lazarett bot ihnen jedoch die häufig ersehnte Möglichkeit aus
dem Frontalltag heraus zu kommen und wieder Ruhe und Erholung zu finden. Au-
ßerdem bestand die Hoffnung, in ein heimatnahes Reservelazarett verlegt zu wer-
den und wieder persönlichen Kontakt zur eigenen Familie aufzunehmen. Dass dies
allerdings von den Militärbehörden ebenfalls gesehen und als Gefahr betrachtet
wurde, belegt beispielsweise ein Erlass des Preußischen Kriegsministeriums
(5.9.1915):
„In letzter Zeit haben häufig Militärpersonen wegen unerlaubter Entfernung bestraft
werden müssen, die in andere Lazarette überwiesen, sich nicht daselbst sofort einge-
funden, sondern zunächst ihre Familien aufgesucht und bei diesen sich längere Zeit auf-
gehalten haben. Es handelt sich vielfach um bisher völlig unbescholtene Leute, die im
Kriege schwer verwundet worden sind und sich nur durch die Sehnsucht nach ihrer Fa-
milie haben verleiten lassen.
Es kann angenommen werden, dass diesen Mannschaften nicht hinreichend be-
wusst gewesen ist, dass die Lazarette für sie als Dienststellung im Sinne des Par.[a-
grafen] 64 Militärstrafgesetzbuches anzusehen sind, und dass ein vorsätzliches Fernblei-
ben davon deshalb als eine unerlaubte Entfernung angesehen werden muß.
In Anbetracht dieser Umstände und im Hinblick auf die hohen Strafen während des
Kriegszustands hält es das Kriegsministerium für angebracht, wenn die Leute eingehend
belehrt werden. [...]“29
Über das Verhalten der Soldaten im Lazarett erfährt man durch die Krankenakten
nur indirekt, wenn die Aktivitäten aus ärztlicher Sicht berichtenswert erscheinen,
weil sie Aufschluss über den Krankheits- bzw. Gesundheitszustand des Soldaten
liefern. Unzufriedenheit mit der verordneten Therapie wird hier vor allem durch die
Verweigerung einer Behandlung oder die Nichteinhaltung ärztlicher Vorschriften
(z.B. Alkoholverbot) dokumentiert, Zufriedenheit am ehesten indirekt in Äußerun-
gen wie „fühlt sich wohl“. Das Beispiel eines Soldaten, der einige Monate nach
seiner Entlassung wieder zurückkehrte und sich für die gute Behandlung bedankte,
bildet eine Ausnahme.30
Die Sicht der Patienten liefern dagegen unter anderem Beschwerden über die
ärztliche Behandlung. Ein Beispiel hierfür ist eine Untersuchung, die nach der Be-
schwerde eines Soldaten angestrengt wurde, der sich darüber beklagt hatte, dass ihn
die militärärztliche Kommission ohne Untersuchung k.v. [kriegsverwendungsfähig]
geschrieben hatte und dass ein Oberarzt ihn beim Revierdienst einen ‚unverschäm-
ten Lümmel’ geschimpft habe. Der Oberarzt gab die Beschimpfung auch zu, erklär-
te sie mit dem Verhalten des Patienten als „maßlose[m] Aggravant[en]“ mit „noto-
risch antimilitärischer Gesinnung“ und mit seiner eigenen nervösen Gereiztheit.
29 BHStA/IV, Stellv. Gen. Kdo. I. A.K. Nr. 592, Erlaß preußisches Kriegsministerium Nr.
4001/8. 15.C1. (Abdruck) v. 6.9.1915, zitiert nach Bernd Ulrich/Benjamin Ziemann (Hrsg.),
Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Quellen und Dokumente, Frank-
furt a.M, 1994, S. 150.
30 BArch Pers 9 (1.1.1891, Pf-Pz, Kanonier Ludwig P.)
Ärzte, Pflegekräfte, Soldaten 67
Die vermeintlich fehlende ärztliche Untersuchung erklärte der Arzt mit dem man-
gelnden medizinischen Verständnis des Patienten.31
Dieses Beispiel zeigt meiner Ansicht nach zweierlei: Zunächst belegt der
Schriftverkehr, dass sich Patienten in einzelnen Fällen durchaus gegen die Art und
Weise des ärztlichen Umgangs mit ihnen zur Wehr gesetzt haben und ihre eigenen
Vorstellungen von den Aufgaben und dem Verhalten eines Arztes ihnen gegenüber
hatten und diese auch zum Ausdruck gebracht haben. Vor allem beleuchtet es aber
eine grundlegende Problematik der ärztlichen Arbeit im Kriegsdienst, wo neben die
gesundheitliche Wiederherstellung des Patienten die Beurteilung seiner militäri-
schen Tauglichkeit tritt. In diesem Kontext spielte die „antimilitärische Gesinnung“
des Patienten eine zentrale Rolle im Umgang des Arztes mit seinem Patienten.32
Einen völlig anderen Aspekt des Lazarettaufenthalts beleuchtet folgender Fund
aus den Krankenakten: Am 7.11.1916 schrieb der Pfarrer der evangelischen Ge-
meinde in Elberfeld einen Brief an den Lazarettvorstand des Reservelazaretts Au-
gusta-Krankenhaus in Rath bei Düsseldorf, um mitzuteilen, dass ein Patient des
Lazaretts, der Reservist Wilhelm D., ein „ehebrecherisches Verhältnis“ mit einer
verheirateten Frau aus seiner Gemeinde habe, während deren Ehemann im Felde
sei, und dass Wilhelm D. sich auch vom Lazarett aus mit dieser Frau getroffen ha-
be. Als im Lazarett das Verhalten Wilhelm D.s genauer überprüft wurde, stellte
sich heraus, dass er sich zunächst unerlaubt aus dem Lazarett entfernt hatte und
nach seiner Rückkehr angegeben hatte, seiner eigenen Frau bei einem Umzug ge-
holfen zu haben und dort zu Hause einen Krampfanfall erlitten habe.33
Dieses Beispiel veranschaulicht, neben dem ungewöhnlichen Einsatz des Pfar-
rers, wie die Soldaten bei relativer Beschwerdefreiheit auf dem Wege der Gene-
sung die Zeit ihres Lazarettaufenthalts verbringen konnten. Dass es nicht unüblich
war, zwischenzeitlich der Familie zu helfen, wenn die Soldaten in heimatnahen La-
zaretten untergebracht waren, belegen auch Bitten um Verlegung durch die Solda-
ten oder auch durch Familienmitglieder.34 Daher ist es nicht verwunderlich, dass
Wilhelm D. dies als Grund für seine Entfernung angegeben hatte, auch wenn er –
wie sich später herausstellte – nur kurz bei seiner Ehefrau war.
Fazit
Sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte waren je nach militärischen Erfordernissen an
verschiedenen Lazaretten eingesetzt, und auch die verwundeten und erkrankten
Soldaten erfuhren je nach Gesundheitszustand mehrfach Verlegungen oder auch
mehrere Hospitalisierungen. Doch unabhängig von den hier gelieferten Moment-
aufnahmen aus verschiedenen Lazaretten,35 bleiben allgemeine Faktoren, die das
Leben und Arbeiten in den Lazaretten prägte:
Das Lazarett war nicht nur ein Ort der medizinischen Versorgung, sondern zu-
gleich die aktuelle Dienststelle des Soldaten. Der Arzt war als Sanitätsoffizier zu-
gleich Teil der militärischen Hierarchie. Daher existierten keine klaren Grenzen
zwischen medizinischem und militärischem Handeln.
Die weiblichen Pflegekräfte bildeten in der ansonsten männlich geprägten Welt
des Militärs eine besondere Gruppe, die von Ärzten und Soldaten teilweise positiv
aufgenommen wurde, jedoch auch besonderen Anlass für Konflikte bot.
Im militärischen und ärztlichen Interesse war es, auch während der Lazarettbe-
handlung die militärische Disziplin nicht zu stark zu lockern, um die Rückkehr des
Soldaten zur Truppe nicht zu erschweren – das persönliche Interesse der Soldaten
lief dem unter Umständen entschieden entgegen.
Das Lazarett konnte für Soldaten ein Ort „kleiner Freiheiten“ sein, die sie sich
manchmal mit der Unterstützung, häufiger aber gegen den Willen des behandeln-
den Arztes und des Pflegepersonals verschafften.
Doch letztlich blieb natürlich die Wiederherstellung der Soldaten für den Krieg
die Hauptaufgabe der ganzen Sorge. So formulierte Viktor Klemperer während sei-
ner Zeit im Lazarett:
„Es ist hier wirklich gut sein. O unsere Lazarette! Wie möchte ich sie rühmen als Höch-
stes der Humanität und Kultur! So fein, so sorgsam, so reichlich, so tadellos alles. Aber
dann frage ich mich: wozu? Man stellt den Mann wieder her, um ihn wieder auszunut-
zen. Wenn Leute nach dreimaliger Verwundung und Heilung beim vierten Vornsein fal-
len, so hat das deutsche Lazarett aus einem Menschen vier Schlachtochsen gemacht.
Was hat das mit Humanität zu schaffen?“36
35 Für einzelne Reservelazarette gibt es schon Untersuchungen, so z. B. die Arbeit von Heiner
Fangerau, Ein Sanatorium im Kriegszustand: Die „Rasenmühle“ bei Göttingen zwischen zi-
vilen und soldatischen Nervenleiden 1914–1918, in: Archiwum Historii i Folozofii
Medycyny 68 (2005), S. 147-161.
36 Victor Klemperer, Curriculum vitae. Erinnerungen 1881-1918, 2, hrsg. v. Walter Nowojski,
Berlin 1996, S. 440.
Ärzte, Pflegekräfte, Soldaten 69
1 T. Jurga, Obrona Polski 1939, Warszawa 1990, s. 167; Polski czyn zbrojny w II wojnie
wiatowej. Wojna obronna Polski 1939, red. E. Kozowski, Warszawa 1979, s. 247; B. Sta-
chiewicz, Genera Wacaw Stachiewicz. Wspomnienie, Warszawa 2004, s. 139.
2 Szerzej zob. J. Wróblewski, Armia „ ód” 1939, Warszawa 1975.
S u ba zdrowia armii „ ód “ 71
ki, zagro enie przecicia osi ewakuacji sanitarnej oraz w asnych o nierzy znajdu-
jcych si na tzw. dalekim zapleczu.7
W porównaniu z armiami Europy zachodniej s u ba zdrowia Wojska Polskiego
znalaz a si w nieco odmiennej sytuacji. By o to wynikiem polskiej doktryny wo-
jennej zak adajcej manewrowy charakter wojny, a wic sposób dzia ania nie po-
zwalajcy ograniczy si regulaminowymi schematami. Obowizujcy w polskiej
armii system etapowego leczenia poszkodowanych, z przewag ewakuacji, by
zgodny z koncepcjami sztuki operacyjnej. Problemem sta a si natomiast struktura
organizacyjna s u by zdrowia, wyposa enie w zbyt ci ki sprzt medyczny, a
zw aszcza nieodpowiedni stan komunikacji. Nie uda o si równie ostatecznie up-
ora z brakami kadrowymi wojskowej s u by zdrowia, co wynika o zapewne z wie-
lu czynników. Niektóre sigaj sw genez okresu z przed pierwszej wojny
wiatowej, kiedy to pastwa zaborcze traktujc tereny by ego pastwa polskiego
jako peryferia, zaniedba y rozwój wielu dziedzin nauk w tym i medycyny.8
S u ba zdrowia dysponowa a w 1939 roku blisko 6 tys. kadr, na któr
sk ada o si 900 oficerów zawodowych i prawie 5 tys. oficerów rezerwy. Przyjmu-
jc, i zgodnie z planem „W” polskie si y zbrojne mia y osign w 1939 roku stan
oko o 1.346 mln oficerów, podoficerów i o nierzy mo na obliczy , e na jednego
lekarza przypada o ponad 310 o nierzy co uzna mo na za kres ówczesnych mo -
liwo ci kadrowych.9
A jak przedstawia a si organizacja s u by zdrowia w Wojsku Polskim w 1939
roku?
Na szczeblu centralnym wojskow s u b zdrowia kierowa , odpowiadajc
równocze nie za jej przygotowanie na wypadek wojny, Departament Zdrowia Mi-
nisterstwa Spraw Wojskowych (MSWojsk.). Jego szefostwo w przededniu
wybuchu wojny piastowa gen. Stanis aw Rouppert bdcy jednocze nie zwierzch-
nikiem Centrum Wyszkolenia Sanitarnego oraz szefów sanitarnych KOP, Juna-
ckich Hufców Pracy, Inspektoratu Fortyfikacji, Lotnictwa, oraz Kierownictwa Ma-
rynarki Wojennej.10
W celu usprawnienia dowodzenia w sierpniu 1939 roku utworzone zosta o Sze-
fostwo S u by Zdrowia Naczelnego Dowództwa pod kierownictwem p k. dr Ksa-
werego Maszadro bdce najwy szym szczeblem kierowniczym sanitariatu wojsk
walczcych. Jak si mia o okaza posunicie to, cho w teorii s uszne w praktyce
okaza o si ma o korzystne. W zwizku z tym, i jego personel skompletowano
11 Tam e, s. 362.
12 F. Piotrowski, S u ba zdrowia Wojska Polskiego w wojnie obronnej 1939 r., msp, k. 1 – 3.
13 Centralne Archiwum Wojskowe (dalej CAW), II/3/3 – Relacja pp k. dr Z. Siedleckiego –
szefa s u by zdrowia armii „Prusy”.
14 Podrcznik dowódcy plutonu strzeleckiego, Warszawa 1938, s. 403–409.
74 ukasz Politaski
28 Szerzej zob. Plan mobilizacyjny „W”. Wykaz oddzia ów mobilizowanych na wypadek woj-
ny, wstp i opr. Piotr Zarzycki, Pruszków 1995.
29 M. Dutkiewicz, op. cit., s. 43.
30 E. Piwowarski, Przebieg i wyniki cz ciowej mobilizacji alarmowej z 23 marca 1939 r.,
„Wojskowy Przegld Historyczny” 1995, nr 1-2, s. 99 – 119.
31 Opracowane na podstawie: A. Nawrocki, Zabezpieczenie logistyczne wojsk ldowych si
zbrojnych II RP w latach 1936 – 1939, Warszawa 2002; Plan mobilizacyjny „W”. Wykaz
78 ukasz Politaski
36 Ogólna instrukcja walki z 1931 roku zak ada a, e: […] Organizacja i wyposa enie w sprzt
ogniowy dywizji piechoty pozwala jej w zwyk ych warunkach terenowych na opanowanie
ogniem pasa dzia ania do 10 km szeroko ci. Nale y jednak pamita , e wytrzyma o
zapory ogniowej zale y nie tylko od szeroko ci pasa dzia ania i w a ciwo ci terenu, lecz
tak e od si y natarcia nieprzyjaciela […]; Ogólna Instrukcja Walki, cz. I (Tymczasowa),
Warszawa 1931, s. 164;
Nieco inaczej okre lona zosta a w Ogólnej Instrukcji Walki z 1938 roku kwestia dotyczca
szeroko ci pasa obrony, przewidzianego dla dywizji piechoty. Zak ada a ona, e: […]
Dywizja piechoty jest w mo liwo ci zorganizowa obron sta w przecitnych warunkach
terenowych na froncie 7 – 8 km […] Jednocze nie: […] Obrona sta a ma za ama nieprzy-
jaciela i utrzyma teren bez wzgldu na w asne straty […]; Ogólna Instrukcja Walki.
Dzia ania Obronne, (Projekt), Warszawa 1938, s. 12.
37 Zwizek Kombatantów Rzeczypospolitej Polskiej i By ych Wi niów Politycznych w
odzi, T. Kierst, Dzia ania 30 Poleskiej Dywizji Piechoty w bitwie granicznej w dniach 1-3
wrze nia 1939 roku, msp., ód 1969.
38 Dzia ania po udniowego skrzyd a armii ód w bitwie granicznej w dniach 1–3 wrze nia
1939 r., msp., ód 1972, s. 17.
80 ukasz Politaski
39 Z relacji lekarza I batalionu 84 pp ppor. rez. K. Ungera o nalotach niemieckich i dzia aniach
s u by sanitarnej w walkach nad Wart, [W:] A. Weso owski„My Strzelcy Polescy …”
Udzia 84. Pu ku Strzelców Poleskich w wojnie 1939 r., Warszawa 2007, s. 346.
40 A. Nawrocki, 84 Pu k …, s. 31.
41 CAW, II/3/13 – Relacja mjr. Aleksandra Korsaka dowódcy 30 dywizjonu artylerii ci kiej.
42 S. Wojtkowiak, J. Talar, W. Majewski, F. Piotrowski, op. cit., s. 364.
43 CAW, akta Oddz. IV SG, t. 243 – Etatowe stany liczebne broni i s u b Dyw. Piech.
44 S. Wojtkowiak, J. Talar, W. Majewski, F. Piotrowski, op. cit., s. 364.
S u ba zdrowia armii „ ód “ 81
liczba personelu lekarskiego cigle mala a. Problem ten na wietli w sposób nie-
zwykle plastyczny cytowany ju lekarz I/84 pp – ppor. rez. lek. dr Kuno Unger
[…] Punkt opatrunkowy umie ci em w lasku niedaleko szosy prowadzcej do Be chato-
wa. Oko o 6-ej rano 5 wrze nia nasza artyleria lekka i ci ka bez przerwy by a w akcji
do godz. 12.00. Z kolei niemiecka ci ka artyleria obsypywa a nas gradem nieprzerwa-
nego ognia. Trwa o to 4 godziny. Niepodobna by o nadal pozosta w tym lasku i z oba-
wy o nastpstwa mogce wynikn z b. bliskiego ssiedztwa punktu amunicyjnego
piesznie przesunli my punkt opatrunkowy na lewe skrzyd o do innego lasku. Lecz i tu
przeniós si wnet ogie artylerii […] Od czasu do czasu pada y pociski artyleryjskie w
bezpo redniej blisko ci nas. Przy tej sposobno ci ci ko ranny w p uca zosta mój pod-
oficer sanitarny, którego natychmiast opatrzy em i odes a em na ty y. W przerwach og-
niowych sprawdza em stan rannych dostarczonych mi w midzyczasie, korzystajc z
ciemno ci opatrywa em ich i odprawia em do G.P.O. Przy tej sposobno ci stwierdzi em,
e prawie wszystkie konie moje i cudze umieszczone o kilka zaledwie metrów od nas
by y zabite. O godzinie 8.30 D-ca kaza przygotowa si do odwrotu, gdy npl przerwa
lewe skrzyd o i zachodzi na ty y. Prdko wyprzg em zabite konie, prze adowa em in-
wentarz obu wozów sanitarnych na jeden wóz i z trudem uda o mi si swoim wierz-
chowcem wycign wóz z materia em sanitarnym na piaszczysty trakt. Ogie kara-
binów maszynowych nie ustawa . W tych okoliczno ciach zasta em ju d-c swego
wraz ze sztabem na drodze do wsi Kaszewice. Koni wierzchowych nikt nie mia , wobec
czego wszyscy pieszo maszerowali. Po drodze zmieszali my si z ró nymi oddzia ami
piechoty i artylerii ci kiej, bez adnie cofajcej si. Straci em kontakt z dowódc,
zosta em tylko z oficerem czno ciowym por. Rybakiem […].45
6.09. rozbita zosta a kompania sanitarna 30 DP co doprowadzi o ostatecznie do za-
przestania ewakuacji rannych. Ich los zale a teraz od decyzji dowódcy. Najcz -
ciej po opatrzeniu rannych pozostawiano w okolicznych miejscowo ciach pod
opiek ludno ci cywilnej. Niekiedy dowódcy nie godzc si na pozostawienie swo-
ich o nierzy umieszczali ich w topniejcym z dnia na dzie taborze pu kowym,
który odes ali do Warszawy.46
Obecny stan bada nie pozwala na wyczerpujc ocen dzia ania s u by zdro-
wia w 1939 roku. Na szczeblu oddzia ów i zwizków taktycznych stara a si ona
dobrze wype nia swoje zadania, pracujc niejednokrotnie z pe nym po wiceniem.
Wystpujce do czsto niedocignicia nie by y wynikiem zaniedba ale samych
przygotowa do wojny oraz jej charakteru (wojna b yskawiczna). Postawionym
zadaniom nie sprosta a niestety s u ba zdrowia zwizków operacyjnych, bardzo
czsto nie w pe ni zmobilizowana i zgrana. Zaledwie po trzech dniach dzia a
zbrojnych rozpoczto ewakuacj w g b kraju szpitali Okrgowych z Poznania,
odzi, Krakowa i Torunia. Pewne ustabilizowanie si sieci szpitali wojennych na-
stpi o dopiero po zakoczeniu mobilizacji, a wic w chwili, kiedy jednostki
polskie wycofywa y si za Wis .47
Die erste Aufgabe der Armee bestand bei Kriegsausbruch darin, die Mobilma-
chung durchzuführen, wobei Teil-, gemischte und Generalmobilmachung in ver-
deckter und offener Form in flexibler Weise zusammenwirkten. Die Generalmobil-
machung wurde am 31. August 1939 verkündet und erfolgte in zwei Schüben. Die
Mobilisierung der Sanitätsdienste erfolgte hingegen zu verschiedenen Terminen:
Auf der Ebene der Kompanie, des Bataillons und des Zuges erfolgte sie zusammen
mit den Truppen, denen sie zugeordnet waren. Bei den taktischen Verbänden er-
folgte so nur die Aufstellung der Sanitätskompanien, während die Einrichtung der
Lazarette und anderen Einrichtungen einige Tage später vorgesehen war.
Es fehlt an Material über die medizinische Praxis bei der „ód “-Armee. Als
sicher kann gelten, dass sie unter erschwerten Bedingungen litt, da der Gesund-
heitsdienst nicht vollständig mobilisiert, sondern auf verschiedenen Ebenen gleich-
zeitig aufgestellt wurde. Tatsächlich verfügten bereits früher aufgestellte Einheiten
nicht über Feldlazarette, sondern hatten lediglich Sanitätskompanien oder -züge.
Als eines der ersten wurde das IX. Gebietskorps zusammengestellt. Zu ihm gehörte
neben der Sanitätskompanie 903 das 9. Bezirkslazarett in Brest/Brze am Bug. Die
Kompanie sollte 36 Stunden nach Mobilmachung einsatzbereit sein. Zur Division
gehörten zudem ein Feldlazarett, eine Desinfektionskolonne und ein bakteriolo-
gisch-chemisches Labor sowie eine zahnmedizinische Einrichtung, die nach fünf
Tagen bereitstehen sollten.
Die Mobilmachung verlief auf der Ebene des Regiments wie vorgesehen. So
war der Gesundheitsdienst 84 pp mit allen vorgesehenen Gerätschaften und Medi-
kamenten ausgestattet, auch die Feldapotheken waren gut gefüllt. Die zugewiese-
nen Reserveoffiziere trafen zum vorgesehenen Termin ein. Vom 24. bis 27. August
wurden die Abteilungen der 30. Infanteriedivision zu ihrem Übergangsquartier bei
Szczerców gebracht; die verbleibende Zeit bis zum Angriff wurde der Schulung der
Sanitäter gewidmet.
Am 25. August erhielt der kommandierende General L. Cehak den ersten Ein-
satzbefehl zum Aufhalten bzw. Verlangsamen des Feindes, der sich auf den Über-
tritt der Warthe vorbereitete. Die Aufstellung der „ód “-Armee erwies sich als
äußerst schwierig, weil für einen Abschnitt von 100 Kilometern nur drei Divisionen
zur Verfügung standen. Bei den ersten Kämpfen kam es in einigen Abteilungen zu
Verlusten von bis zu 40 Prozent; es gibt aber keine Berichte darüber, wie und wel-
che Hilfe den Verwundeten geleistet wurde. Das Hauptproblem scheint die Evaku-
ierung der Verwundeten gewesen zu sein; letzte Rettung war häufig die Hilfe durch
Kameraden.
Etwas besser war die Lage bei den Kompanien und Bataillonen. So erinnerte
sich Arzt Dr. Kuno Unger, wie er nach den ersten Fliegerangriffen Transporte mit
Verwundeten ins Hinterland leitete, bis auch seine Abteilung wegen fortgesetzter
Angriffe weiter ins Hinterland verlegt wurde. Am Abend des 2. September wurde
der Rückzug auf die vorbereitete Verteidigungslinie angeordnet. Nun entstand al-
lerdings das Problem, dass sich bestimmte Truppenverbände immer weiter vonein-
Suba zdrowia armii „ód“ 85
ander entfernten und eine Lücke entstand, die ohne motorisierte Einheiten nicht
mehr zu schließen war. Zudem war die Evakuierung von Verwundeten auf Pferde-
wägen angesichts des raschen Vorwärtskommens der deutschen Einheiten zu lang-
sam; viele Verwundete gerieten daher in Gefangenschaft.
Weitaus schlechter gestaltete sich die Lage bei den neu aufgestellten Abtei-
lungen, wo der rasche Vormarsch der Wehrmacht ein normales Funktionieren des
Gesundheitsdienstes verhinderte. Oft waren Verwundete auf sich selbst gestellt o-
der auf die Hilfe der Kameraden angewiesen. Zusätzlich erlitten die Sanitätsabtei-
lungen ständig Verluste. Am 6. September wurde die Sanitätskompanie der 30. In-
fanteriedivision zerschlagen; eine Evakuierung Verwundeter fand nun nicht mehr
statt, meist wurden sie nun der örtlichen Bevölkerung zur Pflege übergeben. Einige
Kommandanten zogen es allerdings vor, Verwundete auf dem immer kleiner wer-
denden Fuhrpark nach Warschau zu schicken.
Eine gründliche Einschätzung der medizinischen Praxis ist schwer zu leisten.
Sicherlich waren die Angehörigen des Militärsanitätsdienstes bemüht, ihre Pflicht
zu erfüllen. Mängel waren nicht die Folge von Nachlässigkeit, sondern von unzu-
reichenden Vorbereitungen angesichts des „Blitzkrieges“. Unzureichend war si-
cherlich der Gesundheitsdienst der operativen Verbände, weil er nicht vollständig
mobilgemacht und ausgestattet wurde. Zudem wurden bereits drei Tage nach
Kriegsbeginn einige Bezirkslazarette ins Hinterland evakuiert. Eine gewisse Stabi-
lisierung erfolgte erst, als sich die polnischen Truppen hinter die Weichsel zurück-
gezogen hatten.
86 Zdzis aw Jezierski
ich ókach. Gdy kilkudziesiciu lekko rannych schroni o si w budynku przy ul.
Joteyki 5, oblali go benzyna i podpalili.26
Przyk adem totalnej walki Niemców przeciwko Powstaniu by y ich dzia ania w
dzielnicy Wola. Tam pocztkowo mia a sw kwater Komenda G ówna AK. W
pierwszych dniach walki oddzia y AK odnios y pewne sukcesy bojowe, o-
panowujc kilka wanych obiektów. U atwieniem dla nich by o to, e nie stacjo-
nowa y tam wiksze niemieckie jednostki wojskowe. W dniu 4 sierpnia samoloty
nurkujce bombardowa y domy przy g ównych ulicach. Rano nastpnego dnia do
szturmu ruszy y wojska ldowe pod ogólnym dowództwem genera a SS Heinza
Reinefartha. Wdzierajc si w g b dzielnicy dokonywa y systematycznej rzezi
ludnoci w zajtych domach i wznieca y poary. Zamordowano wtedy oko o 30 ty-
sicy Polaków. Wród nich znajdowali si pacjenci oraz personel czterech szpitali
miejskich, które funkcjonowa y w centrum dzielnicy.27
Podobnie sta o si kolejnego dnia, 6 sierpnia, z Szpitalem Ujazdowskim, gdzie
jednak zdecydowana postawa lekarzy zapobieg a masakrze. Uzyskali oni zgod od
oficera niemieckiego na ewakuacje szpitala wraz z rannymi, personelem i sprz-
tem. W budynkach Zak adu Opiekuczego Zgromadzenia Sióstr Rodziny Marii
personel tego szpitala próbowa kontynuowa dzia alno medyczn na rzecz ran-
nych powstaców, ale nie toczy y si tam wiksze walki.28
Pracy na rzecz powstaców nie zdo a rozwin Szpital Dziecitka Jezus przy
ul. Nowogrodzkiej, który by najwiksz placówk medyczn w ródmieciu. Oto-
czony niemieckimi stanowiskami bojowymi nie móg przyjmowa rannych po-
wstaców. Natomiast 13 sierpnia zosta on obsadzony przez oddzia y nacjonalistów
ukraiskich, którzy usytuowali stanowiska ogniowe w pawilonach z oknami wy-
chodzcymi na ulic, a cz sal szpitalnych wykorzystali jako kwatery. W ten
sposób dwa g ówne szpitale ródmiecia zosta y wyeliminowane z dzia a me-
dycznych na rzecz powstaców.29
Szczególnie ofiarn dzia alno rozwin a s uba zdrowia AK na Starym
Miecie (Starówce). Pocztkowo nie by o tam wikszych oddzia ów wojsk nie-
mieckich. Dlatego te skierowane tam akowskie bataliony atwo opanowa y ten
rejon. Batalion „Chrobry II” midzy innymi zdoby budynek szko y przy ul. Baro-
kowej, gdzie mieci si niemiecki szpital polowy. Wykorzystuj c jego urz dzenia i
materia y sanitarne, lekarz batalionu, dr Tadeusz Podgórski „Morwa” rozwin tam
g ówny punkt opatrunkowy.30
Od 5 sierpnia na teren tej dzielnicy przechodzi y spychane z Woli oddzia y bo-
jowe. Przesz a równie Komenda G ówna AK.31
Dowództwo niemieckie zdawa o sobie spraw z przebywania na tym terenie
KG AK. W krótkim czasie okr y o t dzielnic szczelnym piercieniem swych
wojsk i podj o zmasowane ataki na pozycje bojowe oddzia ów AK, a take na
budynki mieszkalne.
Pocz tkowo oba szpitale, zarówno „Malta”, jak i w. Jana Boego, przyjmo-
wa y rannych ze Starówki, a take ewakuowanych z Woli. Dlatego te sta y si ce-
lem zaciek ych ataków. Po wtargniciu do jego wntrza o nierze niemieccy pytali
o rannych kolegów. By o ich kilkudziesiciu. Owiadczyli oni, e leczono i trakto-
wano ich tak samo, jak polskich pacjentów. To zapewne uratowa o personel i
pacjentów Szpitala Maltaskiego przed masakr . Jednake w dniu 14 sierpnia
nakazano im opuszczenie szpitala, w którym by o oko o 200 ciko rannych.
Naczelny lekarz tego szpitala opisa t ewakuacj nastpuj co:
„Wynoszenie rannych odbywa o si przy pokrzykiwaniach, poszturchiwaniach i innych
szykanach. Jednego z naszych rannych oficerów kazali wynie do ogrodu szpitalnego i
tam go na óku zastrzelili. Pobili równie naszego rentgenologa, dr. Lewandowskiego
(…) Odbylimy krótk narad z p k. Strehlem. (...) Postanowilimy, e wymaszerujemy
w kierunku Szpitala Ujazdowskiego. Legany [dowódca oddzia u niemieckiego – Z. J.]
zgodzi si na t koncepcj.”32
Uformowano d ug kolumn marszow , otoczon przez personel w bia ych far-
tuchach, która bezpiecznie przemaszerowa a przez pe en Niemców Ogród Saski.
Ranni byli niesieni na ókach przez cywilów, którzy schronili si w szpitalu.33
Po przejciu na teren zajty przez powstaców, rannych ze Szpitala Maltas-
kiego umieszczono w prowizorycznie zorganizowanych szpitalach.34
Przyk adem niezwyk ej ofiarnoci personelu medycznego podczas Powstania
Warszawskiego by a praca osób pracuj cych w Szpitalu w. Jana Boego. By to
szpital psychiatryczny, którego personel i wyposaenie, z formalnego punktu wid-
zenia, trudno by o wykorzysta do leczenia rannych powstaców. Mia on jednak
bogate dowiadczenia w tym zakresie, zdobyte w okresie Obrony Warszawy we
wrzeniu 1939 r. Jego dyrektor, mjr doc. dr Adolf Falkowski, wykorzysta orga-
nizacj OPL i przystosowa szpital do dzia a powstaczych. Wczeniej zatrudni
denten, die illegal weiter geschult wurden, sollten sich im Aufstand durch vorbildli-
che Haltung auszeichnen. Allerdings zog es ein Großteil gerade der jungen Medizi-
ner vor, mit der Waffe in der Hand am Aufstand teilzunehmen.
Der Bezirk Warschau der AK war mit medizinischem Personal gut ausgestat-
tet; gerade die zahlreichen Krankenschwestern waren gut auf ihre Aufgaben vorbe-
reitet. Grundsätzlich galt, dass die Versorgung der Kämpfenden Vorrang haben
sollte; auch die Zivilbevölkerung hielt sich an diesen Grundsatz. Der Sanitätsdienst
zerfiel in zwei Bereiche: Der eine umfasste die einzunehmenden medizinischen
Einrichtungen, der andere den Sanitätsdienst bei den kämpfenden Abteilungen, wo
jeweils ein Arzt die Gewährleistung Erster Hilfe organisieren sollte. Ernster Ver-
wundete sollten dann in die Krankenhäuser geschafft werden. Jede Abteilung, von
denen 3-4 je Stadtteil vorgesehen waren, und jedes Stadtteilkommando verfügte
über einen leitenden Arzt, der einen Behandlungs- und Operationsraum mit je 25-
30 Betten und zwei Ärzten, zwei Krankenschwestern und drei Sanitäterinnen
bereitstellen und leiten sollte. Wo dies nicht gewährleistet werden konnte, waren
Feldlazarette vorgesehen. Für schwerere Verwundungen und kompliziertere Be-
handlungen waren allerdings die bestehenden Krankenhäuser zuständig. Grundsätz-
lich sollte die Versorgung in den Bezirken stattfinden, in denen auch gekämpft
wurde; als eine Art Etappe sollte das Stadtzentrum wegen der Vielzahl der dort ver-
fügbaren Räumlichkeiten dienen.
Der Aufstand verlief jedoch nicht wie geplant, und seine Auslösung am 1. Au-
gust 1944 brachte nur bescheidene Erfolge. Die Mehrzahl der vorgesehenen Objek-
te blieb in deutscher Hand, außerdem wurden die meisten Einheiten voneinander
und von der Führung isoliert. Dies erwies sich allerdings insofern als vorteilhaft,
als damit flexibler mit den Eigenheiten des Partisanenkampfes in der Stadt – und
dem hohen Maß an Improvisation, das dafür typisch war – umgegangen werden
konnte. Dies galt nicht zuletzt für den Sanitätsdienst. Die deutsche Seite wiederum
hatte ihre Probleme mit dieser Improvisationsfähigkeit, die zudem mit großer Ent-
schlossenheit der Kämpfer einherging. Sie reagierten mit massiven Luftangriffen,
Panzern und nachfolgenden Einheiten, die brutal die Verwundeten und die Zivilbe-
völkerung töteten und auch vor Angriffen auf medizinische Einrichtungen nicht zu-
rückschreckten. Bereits am 4. August wurde das Ophthalmologische Institut kom-
plett niedergebrannt, das Krankenhaus des Polnischen Roten Kreuzes war nach hef-
tigen Angriffen nur noch eingeschränkt arbeitsfähig. Am 6. August besetzten SS-
Einheiten das Haus; ein Massaker an den Kranken konnte aber vom leitenden Arzt
Dr. Cetkowski, Träger des Eisernen Kreuzes, verhindert werden.
Besonders im Stadtteil Praga war die Lage des Sanitätsdienstes schwierig, da
die Angriffe hier weitgehend fehlgeschlagen waren. Verwundete mussten auf der
Straße oder in ad hoc gewählten Lokalitäten versorgt werden, da ihr Transport zu-
nächst nicht möglich war. Von zentraler Bedeutung war später das Krankenhaus
der Eisenbahner, das recht gut ausgestattet war, dann aber von der SS geräumt
wurde. Am schlechtesten sah es im Stadtteil Ochota aus, wo die Verwendung eines
Pomoc medyczna onierzom Armii Krajowej 101
Schulgebäudes daran scheiterte, dass es von den Deutschen als Kaserne verwendet
wurde. Erst am 2. August ließ sich ein Ersatzgebäude einnehmen, aber schon am
10. August eroberten die Deutschen den Stadtteil zurück; zahlreiche Verwundete
wurden in ihren Betten erschossen, andere verbrannten. Weitere Krankenhäuser –
darunter auch das Ujazdowski-Spital – fielen dem deutschen totalen Krieg zum Op-
fer. Erst gar nicht zum Einsatz kam das Jesuskind-Krankenhaus als größte medizi-
nische Einrichtung, da es von deutschen Truppen umringt und ab dem 13. August
von ukrainischen Nationalisten besetzt war.
In der Altstadt waren zwei Krankenhäuser tätig, die anfangs auch Verwundete
aus dem Stadtteil Wola aufnahmen, was zu heftigen Angriffen der Deutschen führ-
te. Da dort auch deutsche Verwundete in gleicher Weise behandelt worden waren,
fand ein Massaker nach der Einnahme nicht statt. Allerdings wurden die Spitäler
gewaltsam geräumt.
Als Beispiel für die Opferbereitschaft des medizinischen Personals sei das psy-
chiatrische Krankenhaus der Barmherzigen Brüder (Johannes-von-Gott Kranken-
haus) angeführt: Da das Personal aus dem Herbst 1939 über Erfahrungen mit der
Verwundetenbehandlung verfügte, schloss der Direktor Major Dr. Adolf Falkowski
es dem Sanitätsdienst der AK an und beschäftigte schon vorher zwei Chirurgen. Ab
dem 10. August wurde es beschossen und am 13. geräumt. Die Psychiaterin Dr.
Halina Jankowska blieb mit nicht transportfähigen Patienten zurück und starb mit
ihnen in den Trümmern. Damit fielen auch in der Altstadt die beiden wichtigsten
Einrichtungen ab Mitte August aus, während gleichzeitig die Zahl der Verwundeten
anstieg. Die Führung des Sanitätsdienstes ordnete daher die Einrichtung provisori-
scher Lazarette in Unterschlupfen und Kellern an. Die Arbeitsbedingungen dort
waren schwierig: Es fehlte mitunter an Wasser, zuweilen rieselte Putz von den Dec-
ken, als Beleuchtung wurden Kerzen verwendet, es fehlte an üblichen Desinfek-
tionseinrichtungen. Material und Hilfe kamen von der örtlichen Bevölkerung. Ge-
gen Ende August waren fast alle Keller in der Altstadt mit Verwundeten überfüllt.
Leichter Verletzte wurden daher nun in den Quartieren ihrer Abteilungen belassen
oder kämpften weiter auf den Barrikaden. Schätzungen zufolge gab es etwa 7.000
Verwundete, davon 2.500 Schwerverletzte; die Unmöglichkeit, sie zu versorgen,
war einer der Hauptgründe dafür, dass der Stadtteil aufgegeben wurde, wobei die
Schwerverletzten zurückgelassen werden mussten. Deutsche und ukrainische Sol-
daten ermordeten viele von ihnen nach der Besetzung des Stadtteils, der Rest wurde
in Lager deportiert. Dies änderte sich erst mit den Erklärungen der USA und der
Exilregierung in London von Ende August 1944, mit denen die AK zum regulären
Truppenteil erklärt wurde; am 3. September erkannte die deutsche Seite die AK-
Mitglieder als Kombattanten an, womit sie unter dem Schutz internationaler Ver-
einbarungen standen. Gleichwohl wurden die Kämpfenden bis zum Ende des Auf-
standes meist als „Banditen” behandelt und erschossen.
Das Sanitätswesen der AK veränderte sich während des Aufstands, insbesonde-
re dadurch, dass ab Mitte August keine eigentlichen Krankenhäuser mehr zur Ver-
102 Zdzisaw Jezierski
1 Die Gesamtzahl der Kriegsgefangenen des Ersten Weltkrieges ist nur grob zu ermitteln.
Neuere Studien gehen von 8 bis 9 Millionen aus. Vgl. Overmans, Rüdiger, „In der Hand des
Feindes“. Geschichtsschreibung zur Kriegsgefangenschaft von der Antike bis zum Zweiten
Weltkrieg, in: Ders. (Hrsg.), In der Hand des Feindes. Kriegsgefangenschaft von der Antike
bis zum Zweiten Weltkrieg, Köln u.a. 1999, S. 1-39, S. 9, sowie Oltmer, Jochen, Einfüh-
rung, in: Ders. (Hrsg.), Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkriegs, Paderborn u.a.
2006, S. 11-23, dort S. 11. Zum Vergleich: Im Krieg 1870/71 waren knapp 400.000 franzö-
sische und 90.000 deutsche Soldaten in Gefangenschaft geraten. Vgl. Mehrkens, Heidi, Sta-
tuswechsel. Kriegserfahrung und nationale Wahrnehmung im Deutsch-Französischen Krieg
1870/71, Essen 2008, S. 157.
2 Es waren dies die im Kapitel „Des prisonniers de guerre“ zusammengefassten Artikel 4 bis
20 des der Konvention von 1899 beigefügten „Règlement concernant les lois et coutumes
de la guerre sur terre“ (Annexe à la „Convention concernant les lois et coutumes de la guer-
re sur terre“), abgedruckt in: Scott, James Brown (Hrsg.), Les Conférences de la Paix de La
Haye de 1899 et 1907, Bd. 2, Annexe, dort S. 17-23. Die nur leicht modifizierte bzw. erwei-
terte Fassung von 1907 findet sich ebd., S. 60-66.
3 Règlement (HLKO 1899), in: Scott (Hrsg.), Les Conférences de la Paix de La Haye (wie
Anm. 2), Bd. 2, Annexe, Chapitre III: „Des malades et des blessés“, Artikel 21.
106 Uta Hinz
den.4 Schließlich kodifizierte die HLKO einen zentralen Grundsatz der Ge-
fangenenbehandlung, der den humanitären Errungenschaften des 19. Jahrhunderts
Rechnung tragen und als Leitlinie für alle nicht explizit geregelten Bereiche gelten
sollte: Nach ihrer Gefangennahme waren gegnerische Soldaten nicht mehr als Fein-
de, sondern mit Menschlichkeit zu behandeln.5
Das neue Recht bildete zweifellos einen verbesserten Schutz für die Millionen
Soldaten, die ab 1914 zum Teil mehrere Jahre in Lagern und Arbeitskommandos
beim Kriegsgegner ausharren mussten. Auch ab 1915 regelmäßig durchgeführte In-
spektionen der Lager durch Vertreter neutraler Schutzmächte (deutlich seltener
durch Delegationen des Roten Kreuzes) sorgten für eine – wenn auch faktisch äu-
ßerst begrenzte – Außenkontrolle. Das Funktionieren der etablierten Schutz-
mechanismen blieb mangels Sanktionsmaßnahmen letztlich aber abhängig vom
Interesse der Kriegsparteien, sich an die Regelungen zu halten.6 Hinzu kam die mit
Kriegsbeginn erfolgte Eruption von Feindbildern. Sie erzeugte ein Klima des Miss-
trauens, in dem auch der Grundsatz menschlicher Gefangenenbehandlung zum Ge-
genstand schwerer wechselseitiger Anschuldigungen wurde. Nicht nur Politik und
Diplomatie bekämpften sich auf diesem verbalen Kriegsschauplatz, insbesondere
die Publizistik in den kriegführenden Staaten bezog hier – unter reger Beteiligung
von Intellektuellen – massiv Stellung. Alle Seiten argumentierten mit dem postu-
lierten Gegensatz zwischen eigener Menschlichkeit und der ‚Barbarei‘ des Geg-
ners.7 Schon 1915 schloss eine französische Propagandaschrift ihre Darstellung zur
Gefangenenbehandlung in Frankreich und Deutschland:
„Il en ressort avec évidence que la France a tenu tous ses engagements, a été fidèle à ses
traditions d’humanité, a pris l’initiative de traitements bienveillants et libéraux quant au
régime des prisonniers et à leur assistance. [...]. Cet exposé impartial montre également
que, partout et toujours, l’Allemagne dédaigne aussi bien le respect des conventions que
de la vérité et demeure inébranlablement attachée à ses principes de dureté, ainsi qu’à
ses pratiques de terrorisme.“8
Nicht nur die Debatte um die Gefangenenbehandlung war durch diese Struktur ge-
prägt. Gerade ihr Verlauf lässt aber eine fatale Entwicklung des „Großen Krieges“
erkennen: die Entgrenzung von Feindbildern und Kriegsvorstellungen, mit der eine
Radikalisierung und Ausweitung von Propaganda untrennbar verwoben war.
Wie im Folgenden am Beispiel der Auseinandersetzung um die deutschen
Kriegsgefangenenlager 1914/15 skizziert werden soll, wurde innerhalb dieses Dis-
kurses bereits in der Frühphase des Krieges auch die materielle bzw. medizinische
Fürsorge für die Gefangenen zum Argument. Ein zentrales Thema war dabei das
von Januar bis August 1915 in deutschen Lagern auftretende Fleckfieber, das in
mindestens elf Lagern zu schweren Epidemien führte.9
Hintergrund waren die in den ersten Kriegsmonaten nachweislich vielerorts
unhaltbaren hygienischen Zustände in den rasch überfüllten deutschen Lagern.10
Eine unerwartet große und ständig steigende Gefangenenzahl (bis August 1915 auf
über eine Million11) stellte die deutschen Militärbehörden vor Herausforderungen,
auf die sie organisatorisch höchst unzureichend vorbereitet waren. Die 1914 direkt
von den Fronten eintreffenden Gefangenentransporte – spezielle Durchgangslager
gab es noch nicht – wurden auf Truppenübungsplätzen und in anderen militärischen
Einrichtungen zunächst provisorisch untergebracht. Die in späteren Publikationen
zahlreich abgebildeten Barackenlager mussten erst noch gebaut werden.
Erste Leitlinien des Preußischen Kriegsministeriums existierten seit August
1914. Sie enthielten nicht nur grobe Vorgaben zur Unterbringung und Ernährung
der eintreffenden Gefangenen. Vorgesehen waren darin auch ihre medizinische Un-
tersuchung auf ansteckende Krankheiten (Cholera, Ruhr, Diphtherie und Typhus),
Desinfektion und Impfung nach der Kriegssanitätsordnung.12 Für die Umsetzung
waren allerdings über zwanzig mit erheblichen Kompetenzen ausgestattete stellver-
tretende Generalkommandos (der Armeekorpsbezirke), die Lagerverwaltungen und
weitere militärische Stellen zuständig. Immer wieder rügte das Preußische Kriegs-
ministerium in den ersten Kriegsmonaten Missstände, forderte von den regionalen
Militärbehörden insbesondere die Einhaltung der Hygienebestimmungen ein.13
Eine systematische Kontrolle der 1915 schon mehr als hundert über das gesamte
9 Vgl. hierzu Otto, Richard, Fleckfieber, in: Handbuch der ärztlichen Erfahrungen im Welt-
kriege 1914-1918 (hrsg. von Prof. Otto von Schjerning, Chef des Feldsanitätswesens im
Kriege), 10 Bde., Bd. 7: Hygiene (hrsg. von Prof. Dr. Wilhelm Hoffmann), Leipzig 1922, S.
403-460, insbes. S. 404-406, sowie Gärtner, August, Einrichtung und Hygiene der Kriegs-
gefangenenlager, ebd., S. 162-266, insbes. S. 259-263.
10 Vgl. Hinz, Gefangen im Großen Krieg (wie Anm. 6), S. 92-102.
11 Im August 1915 zählte das Preußische Kriegsministerium 1.045.232 Kriegsgefangene in
deutschen Lagern und Lazaretten. Unter diesen waren die mit Abstand größten Gruppen:
269.389 französische und 708.694 Soldaten der Zarenarmee. HStA Stuttgart, M 1/6–1422:
Pr. Kriegsministerium: „Nachweisung der am 10. August 1915 in den Kriegsgefangenenla-
gern und Lazaretten untergebrachten Kriegsgefangenen“ (Abschrift).
12 Vgl. Hinz, Gefangen im Großen Krieg (wie Anm. 6), S. 94.
13 Ebd., S. 95.
108 Uta Hinz
Reichsgebiet verteilten Lager bestand zunächst aber nicht. Erst ab März 1915 for-
derte das Berliner Ministerium von allen Lagern genaue Berichte über den Zustand
ihrer Einrichtungen an.
Ein besonderes Problem waren im frühen Lageralltag die dichte Belegung der
provisorischen Unterkünfte und ungenügende sanitäre Anlagen. Im württembergi-
schen Lager Münsingen wurden beispielsweise die dort untergebrachten rund 3.000
Gefangenen im Winter 1914/15 zwischen Zelten und Stallbaracken hin und her ver-
legt, die sanitären Einrichtungen waren improvisiert und hatten laut Lagerarzt
schon im August „zu Befürchtungen Anlaß“14 gegeben. In sächsischen Lagern war
die Lage nicht besser. Ein Erfahrungsbericht führte im Rückblick aus:
„Im Lager Chemnitz war weder die Kanalisation, noch die Straßen, Plätze und Höfe im
Lager, noch auch die Zufuhrstraße zum Lager, fertig, und ganz besonders war nicht für
genügende Abortanlagen gesorgt.“15
Trotzdem wurden den Provisorien immer weiter Gefangene zugewiesen. Eine Kla-
ge des Württembergischen Kriegsministeriums, die dortigen Aufnahmekapazitäten
für 20.000 Gefangene seien überschritten, wies man in Berlin mit dem Hinweis zu-
rück, andere Armeekorpsbezirke hätten bis zu 90.000 Gefangene aufnehmen müs-
sen.16 Verschärft wurde die Lage allerdings durch die deutsche Kriegsgefangenen-
politik. Mitte Oktober 1914 hatte das Preußische Kriegsministerium angewiesen,
Soldaten verschiedener Nationen auch auf engem Raum zusammenzulegen. Dies
hatte politische Gründe. Wie es im Erlass hieß, sollten Franzosen und Briten ihre
russischen Verbündeten im Lager „kennenlernen“.17
Angesichts der skizzierten Situation mehrten sich Ende 1914 die Warnungen
von Lagerärzten vor bestehender Seuchengefahr. Im neu errichteten Barackenlager
Ulm (weder die Wasserleitung noch sanitäre Einrichtungen waren dort fertigge-
stellt) traten im November 1914 einzelne Cholerafälle auf. Im Dezember bat die
Verwaltung dringend um die Errichtung einer „Bade- und Entseuchungsanstalt“,
„[...] da ohne diese Einrichtung die Reinigung und Reinhaltung der Gefangenen
insbesondere der [dem Lager neu zugewiesenen, U.H.] Russen von Ungeziefer
nicht möglich ist.“18 In Ulm blieb die Lage bis Frühjahr 1915 zwar kritisch, doch
blieb (nach dem Bau der geforderten Desinfektionsanlage und verstärkter hygieni-
scher Prophylaxe) eine größere Epidemie aus. In anderen Lagern nicht: Ebenfalls
Ende 1914 tauchten erste Fälle von Fleckfieber auf und in mindestens elf deutschen
Lagern führte es in den folgenden Monaten zu schweren Epidemien. Erst aufgrund
dieser Entwicklung reagierten zentrale und lokale Militärbehörden regelrecht pani-
kartig mit einer erheblichen Verschärfung sowie konsequenteren Kontrolle hygie-
nischer Maßnahmen und Standards. In Preußen wurde außerdem eine spezielle
„Kriegssanitäts-Inspektion der Gefangenenlager“ eingerichtet, die auch eine syste-
matische Schulung des Lagerpersonals in Hygiene und Desinfektion durchführte.19
Ab Sommer 1915 verschwanden die Epidemien.
Hatten schon seit Kriegsbeginn Pressemeldungen von Übergriffen auf eintref-
fende Gefangenentransporte die Stimmung in den kriegführenden Staaten aufge-
heizt, so rückte ab 1915 in Frankreich und England insbesondere das Fleckfieber in
deutschen Lagern in den Fokus von Politik und Medien. Regierungsoffizielle Be-
richte und Proteste erhoben den Vorwurf des ‚criminal neglect‘.20 Die Verbreitung
von Fleckfieber wurde nicht nur auf mangelnde Hygiene, die Überbelegung der
Lager und unzureichende Ernährung zurückgeführt. Ein zentraler Vorwurf war,
deutsche Ärzte hätten in den betroffenen Lagern die Erkrankten schlicht im Stich
gelassen.21 Wie noch zu zeigen ist, war diese Kritik im Einzelfall berechtigt. Symp-
tomatisch aber ist, wie der Vorwurf sträflicher Vernachlässigung in den Kriegsme-
dien radikalisiert und mit Feindbildstereotypen aufgeladen wurde. Teilweise wur-
den die Epidemien in deutschen Lagern dort als Folge einer gezielten deutschen
Strategie der Kriegführung gegen entwaffnete Soldaten dargestellt. Medizinische
Hilfe sei vorsätzlich unterlassen worden, so die bereits zitierte Schrift des „Comité
Catholique de propagande française à l’étranger“.22 Eine populäre französische
Zeitschrift beschrieb das sächsische Lager Merseburg als „cité des morts“.23 Vor
allem die Lager Wittenberg und Kassel wurden gleichsam zum Synonym der
Schrecken in deutscher Gefangenschaft.24 Kaum eine Grausamkeit blieb außerhalb
25 Dr. de Christmas, Traitement des prisonniers de guerre français (wie Anm. 24), S. 167-173,
Zitat, S. 167.
26 Vgl. Becker, Annette, Oubliés de la Grande Guerre. Humanitaire et culture de guerre 1914-
1918. Populations occupées, déportés civils, prisonniers de guerre, Paris 1998, S. 105-109.
So stellte etwa ein französischer Arzt seiner 1919 in Nancy eingereichten Dissertation den
Hinweis voran: „On peut dire d’une façon générale que les épidémies, les souffrances et les
privations de nos malheureux prisonniers étaient uniquement attribuables à la cruauté et à la
négligence systématique des fonctionnaires allemands.“ Zitiert ebd., S. 109.
27 Vgl. dazu insbesondere die Bildbände: Aus deutschen Kriegsgefangenenlagern - Les Pri-
sonniers de Guerre en Allemagne (hg. vom „Ausschuß für Rat und Hilfe in staats- und völ-
kerrechtlichen Angelegenheiten für In- und Ausländer“, Frankfurter Verein vom Roten
Kreuz / Abt. Vermißtensuche für Ausländer): 1. Folge: Aus deutschen Kriegsgefangenenla-
gern - Les prisonniers de Guerre en Allemagne, Frankfurt/M. o.J. [1915]; 2. Folge: Aus
deutschen Kriegsgefangenenlagern. Zweite Folge mit 100 Originalaufnahmen, Frankfurt/M.
1916; 3. Folge: Correvon, Ch., Eindrücke eines Seelsorgers, Frankfurt/M. 1916 (= Aus
deutschen Kriegsgefangenenlagern. Dritte Folge); des weiteren die offiziösen Publikationen
von Backhaus, Alexander, Die Kriegsgefangenen in Deutschland. Gegen 250 Wirklichkeits-
aufnahmen aus deutschen Gefangenenlagern. In deutscher, französischer, englischer, spani-
scher und russischer Sprache, Siegen u.a. 1915 und Doegen, Wilhelm, Kriegsgefangene
Völker, Bd. 1: Der Kriegsgefangenen Haltung und Schicksal in Deutschland (hrsg. im Auf-
trag des Reichswehrministeriums), Berlin 1921.
Konflikt um die Kriegsgefangenenbehandlung 111
rung war in diesem Klima von Schuldvorwurf und Selbstrechtfertigung, der auf
allen Seiten festzustellenden Vermischung von Argumenten, Feindstereotypen und
immer auch propagandistisch eingefärbter Instrumentalisierung, unmöglich. Auch
nach Kriegsende änderte sich dies nicht. Jede Untersuchung von Missständen oder
Verletzungen des kodifizierten Gefangenenrechts scheiterte am politisch-propagan-
distischen ‚Krieg nach dem Krieg‘. Die durch die Alliierten in den Artikeln 227–
230 des Versailler Vertrages eingeforderte Bestrafung von (deutschen) Kriegs-
rechtsverletzungen, auch solchen des Kriegsgefangenenrechts, endete nach jahre-
langem Tauziehen als Farce. Die wenigen schließlich durch das Reichsgericht
Leipzig durchgeführten Verfahren endeten entweder mit milden Strafen oder Frei-
spruch. Dies galt auch für den dort 1921 verhandelten Fall des Benno Kruska, der
die Fleckfieberepidemie im Lager Kassel 1915 betraf und auf den gleich noch ein-
zugehen sein wird.34
So breit die hoch emotionale und propagandistisch aufgeladene zeitgenössische
Auseinandersetzung um die Fleckfieberepidemien in deutschen Lagern dokumen-
tiert ist, so schwierig ist heute deren historische Rekonstruktion und Bewertung.
Selbst bezüglich der Zahl der Erkrankungen und Todesfälle sind deutsche Publika-
tionen der Kriegs- und Nachkriegszeit einzige Quelle. Das 1922 erschienene deut-
sche „Handbuch der ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege“ macht dazu an zwei
Stellen Zahlenangaben. Genannt werden dort 44.564 bzw. 45.424 Fleckfieberer-
krankungen und insgesamt 3.665 bzw. 3.481 Todesfälle im Jahr 1915.35 Eine
systematische Überprüfung dieser Zahlen scheint kaum noch möglich, da die La-
gerakten heute großteils verloren und Quellen übergeordneter Verwaltungsstellen
nur in Teilen überliefert sind. Gleiches gilt für eine genaue Rekonstruktion des Ver-
laufs der Epidemien in einzelnen Lagern.
Im Fall des zeitgenössisch besonders berüchtigten Gefangenenlagers Kassel ist
die Quellenlage dagegen besser – aufgrund des erwähnten Verfahrens in Leipzig.
34 Vgl. hierzu die neueren Darstellungen von Wiggenhorn, Harald, Verliererjustiz. Die Leipzi-
ger Kriegsverbrecherprozesse nach dem Ersten Weltkrieg, Baden-Baden 2005 (der den be-
treffenden Prozess gegen den Kasseler Lagerkommandanten Generalmajor a.D. Benno
Kruska auf S. 237-251 ausführlich darstellt), sowie Hankel, Gerd. Deutsche Kriegsverbre-
chen und ihre strafrechtliche Verfolgung nach dem Ersten Weltkrieg, Hamburg 2003.
35 Vgl. den Abschnitt „Fleckfieber“ von Medizinalrat Richard Otto, in: Handbuch der ärztli-
chen Erfahrungen im Weltkriege 1914-1918, Bd. 7 (wie Anm. 9), dort die Aufstellung S.
405. Er führt 17 Lager auf, darunter elf mit schweren Epidemien. Der Artikel des (1915 er-
nannten) Kriegssanitätsinspekteurs der Kriegsgefangenenlager August Gärtner, Einrichtung
und Hygiene der Kriegsgefangenenlager, ebd., listet auf S. 261 insgesamt 31 Lager auf, in
denen 1915 überhaupt Fleckfiebererkrankungen aufgetreten seien. Bei den von ihm genann-
ten Zahlen (summiert 45.424 Erkrankungen und 3.481 Todesfällen) fehlt allerdings das bei
Otto aufgeführte Lager Havelberg (mit nach Otto 1.975 Erkrankungen und 279 Todesfäl-
len). Addiert man Gärtners umfangreicherer Auflistung die bei Otto angegebenen Zahlen zu
Havelberg hinzu, ergibt dies eine Zahl von 47.399 Erkrankungen und 3.760 Todesfällen
(bei insgesamt vier in beiden Aufstellungen genannten Lagern finden sich voneinander ab-
weichende Zahlenangaben).
Konflikt um die Kriegsgefangenenbehandlung 113
Aus den damaligen Ermittlungsunterlagen ergibt sich, dass im Verlauf der dortigen
Epidemie im Jahr 1915 von 18.300 Lagerinsassen 7.218 an Fleckfieber erkrankten
und 1.280 Soldaten (darunter 721 französische) verstarben.36 Diese Zahl liegt deut-
lich höher als die im „Handbuch“ 1922 angegebenen 803 Todesfälle37 – allerdings
niedriger als die in französischen Quellen genannten Zahlen.38
Durch die Ermittlungsakten ist zudem dokumentiert, dass dieses Lager im
Krieg zu Recht traurige Berühmtheit erlangte. Sein damaliger Kommandant Benno
Kruska handelte dort vor und während der Fleckfieberseuche mehr als fahrlässig:
Trotz einer grassierenden Läuseplage waren die Gefangenen weiterhin absichtlich
auf engstem Raum zusammengelegt und nach Ausbrechen der (nicht rechtzeitig
erkannten) Epidemie erforderliche Maßnahmen viel zu spät eingeleitet worden.
Obgleich nach deutschem Recht der Straftatbestand vorsätzlicher Körperverletzung
damit erfüllt war, wurde Kruska 1921 in allen Ehren freigesprochen. Wie etliche
andere Ermittlungsergebnisse unterschlug das Gericht in der Verhandlung auch,
dass er 1915 noch während der Epidemie als Lagerkommandant abgelöst worden
war.39
War Kassel ein Ausnahmefall? Wie oben skizziert, verweist eine breiter ange-
legte Auswertung vorhandener militärischer Überlieferungen zur Frühphase der
Lager 1914/15 darauf, dass die Zustände in Kassel vielleicht kein Einzelfall, die
Verhaltensweisen der dortigen Kommandantur allerdings nicht im Interesse der
übergeordneten Militärbehörden waren. Dies belegen auch die in Reaktion auf das
Fleckfieber im Frühjahr 1915 hektisch forcierten Hygienemaßnahmen in den
Lagern (gerade in Kassel zog man dazu den Jenaer Professor für Hygiene August
Gärtner heran).40
Inwiefern weitere Erkenntnisse zu den Fleckfieberepidemien selbst noch zu er-
langen sind, ist trotz fehlender militärischer Quellen noch nicht abschließend zu be-
antworten. Ein Blick in die zeitgenössische medizinische Fachliteratur liefert zu-
mindest Hinweise darauf, dass dort Material für weitere, insbesondere medizinhis-
torische Forschung zu finden sein könnte.41 Über die fatalen Konsequenzen der
skizzierten politisch-propagandistischen Aufladung des Gefangenendiskurses las-
sen sich klarere Aussagen treffen. Nicht nur die Kriegsgefangenen selbst hatten un-
ter ihr zu leiden. Sie trug zugleich dazu bei, das vor 1914 kodifizierte Kriegsgefan-
genenrecht direkt wieder zu unterhöhlen: In dem Maße, wie nahezu jeder Aspekt
der Gefangenenbehandlung ab 1914 in den Sog politischer Instrumentalisierung
geriet, ging auch jegliche berechtigte Kritik an Missständen oder Rechtsverstößen
darin unter.
Nierzadko jedynym ród em dot. tych wydarze s wspó czesne publikacje, na-
znaczone przez kontekst powstania. Tylko w wypadku s awnego wówczas obozu w
Kassel uda o si ustali , e opublikowane niemieckie dane s zanione. W wyniku
tamtejszej epidemii zachorowa o na tyfus plamisty 7 218 jeców na ogóln liczb
18 300. Przypadków miertelnych by o jednak 1 280, a nie 803, jak podaje „Hand-
buch” [p. Bibliografia]. Wysza liczba znajduje si w aktach rozprawy przeciwko
komendantowi obozu w Kassel z lipca 1921 r. przed Trybuna em Rzeszy (proces
zakoczy si uniewinnieniem). Dopiero po przybyciu profesora higieny, Augusta
Gärtnera z Jeny, uda o si odzyska kontrol nad epidemi za pomoc kwarantanny
i dezinfekcji. Zaraeni zostali przeniesieni z namiotów do baraków.
Nie mona definitywnie stwierdzi , czy spodziewa naley si dalszych ustale
dotycz cych epidemii duru plamistego. Wgl d w ówczesn medyczn literatur
fachow pozwala przypuszcza , e materia ten moe sta si podstaw dalszych
bada, szczególnie z zakresu historii medycyny. Niewykluczone s take nowe
konkluzje na temat roli lekarzy i epidemiologów, co dotychczas nie zosta o zbada-
ne. Mona jednak wysun bardziej jednoznaczne wnioski na temat fatalnych kon-
sekwencji politycznego i propagandowego ukierunkowania dyskursu jenieckiego.
Nie tylko jecy odczuwali skutki takiego rozwoju sytuacji, ale i same normy
midzynarodowe dot. jeców wojennych, ustanowione przed 1914 r., zosta y
os abione. Im bardziej kwestie te poddawane by y politycznej instrumentalizacji,
tym bardziej nawet uprawniona krytyka amania prawa lub panuj cych warunków
zag uszana by a przez ten spór.
Medizin und Hygiene in Besatzungsregimen am Beispiel
des k.u.k. Militärgeneralgouvernements Lublin
(1915-1918)
Tamara Scheer, Wien
Den Mittelmächten gelang es im Ersten Weltkrieg, ab dem Sommer 1915 mehrere
fremde Gebiete und Länder zu besetzen. Bis zu Kriegsende unterhielt Österreich-
Ungarn schließlich sieben Besatzungsregime, darunter Teile „Russisch-Polens“
bzw. ab 1916 des Königreichs Polen. Diese Gebiete lagen zwischen der Front und
dem so genannten Hinterland, also dem Staatsgebiet der Kriegführenden. Militä-
risch betrachtet, galten sie als Etappenraum, womit ihnen bestimmte Aufgaben zu-
fielen. Die Etappe diente als Durchzugsraum gleichermaßen für Soldaten und
kriegswichtige Güter wie für Verwundete und Kriegsgefangene. Aufgrund der ex-
ponierten Lage der besetzten Gebiete, Wochen zuvor waren sie noch umkämpftes
Frontgebiet gewesen, fanden die Besatzer meist zerstörte Strukturen vor, was die
zweite wichtige Aufgabe, die Ausnutzung der Landesgüter, nicht unbeträchtlich er-
schwerte. Schwere Verwüstungen gingen mit schlechten hygienischen Bedingun-
gen Hand in Hand. Im Fall Polens waren beinahe sämtliche Beamte, da sie meist
russischer Abstammung waren, mit der russischen Armee abgezogen.1 Die verblie-
bene Bevölkerung, die sich von den Mittelmächten eine Befreiung von der russi-
schen Herrschaft erhoffte, war zwar nicht offen feindlich gesinnt, wurde nach um-
fangreichen Requisitionen von Nahrungsmitteln und nicht unbeträchtlichen Inter-
nierungen aber zusehends verbitterter.
Das von Österreich-Ungarn besetzte Polen wies im Gegensatz zu anderen be-
setzten Gebieten in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten auf. Zum einen erhoffte
sich ein großer Teil der Bevölkerung von den Mittelmächten die Eigenstaatlichkeit,
während in der Donaumonarchie viele hohe Militärs und Politiker eher mit dem
Gedanken eines Anschlusses liebäugelten. Jene Militärs und Beamte, die vor Ort
wirkten, sahen sich insofern mit einem widersprüchlichen Auftrag konfrontiert.
Einerseits hatten sie konsequent Ruhe und Ordnung sicherzustellen sowie die Lan-
desgüter soweit als möglich für Front und Heimat auszunützen, andererseits aber
die Gunst der Bevölkerung im Hinblick auf eine spätere Annexion zu gewinnen.
Dies war sicherlich für viele auch einfacher als beispielsweise in Serbien, da die
Öffentlichkeit den Polen und den polnischen Belangen gegenüber nicht derart von
Negativpropaganda beeinflusst worden war. Zu den vielen, sowohl für Kriegfüh-
rung wie Politik nicht unwichtigen Aufgaben zählten die Organisation einer flä-
chendeckenden medizinischen Versorgung, sowohl für die eigenen Truppen wie für
die Bevölkerung und die Umsetzung hygienischer Maßnahmen. Bei der Art der
1 Arthur Hausner, Die Polenpolitik der Mittelmächte und die österreichisch-ungarische Mili-
tärverwaltung in Polen während des Weltkrieges (Wien 1935), 360.
Medizin und Hygiene in Besatzungsregimen 117
2 Beispielsweise „Der Militärarzt“, der als Beilage der „Wiener Medizinischen Wochen-
schrift“ erschien.
3 Hausner, Die Polenpolitik der Mittelmächte, 360.
4 Siehe u.a.: Österreichisches Staatsarchiv [ÖStA]/Kriegsarchiv [KA]/Armeeoberkommando
[AOK], San. Chef, Kt. 2317. Sämtliche Akten der obersten militärischen Verwaltungsbe-
hörde sind im genannten Archiv zu finden, außerdem Akten der Besatzungsverwaltung vor
Ort. Der weitaus größere Teil der Besatzungsverwaltung, des Gouvernements oder der
Kreise, befindet sich in polnischen Archiven.
5 Gottfried Frey, Bilder aus dem Gesundheitswesen in Polen (Kongress-Polen) in der Zeit der
deutschen Verwaltung (1914-18), Beiträge zur Bevölkerungsgeographie (= Veröffentli-
chungen der Landeskundlichen Kommission beim Deutschen Generalgouvernement War-
schau (ed.), Beiträge zur Polnischen Landeskunde, Reihe B, Bd. 7, Berlin: Gea Verlag
1919).
6 In Folge nicht wiederkehrend angeführt ist die folgende Monographie, hinsichtlich derer
insbesondere auf die Kapitel „Polen“, „Einrichtungen der Militärverwaltungen“ verwiesen
wird: Scheer Tamara, Zwischen Front und Heimat: Österreich-Ungarns Militärverwaltun-
gen im Ersten Weltkrieg (= Neue Forschungen zur ostmittel- und südosteuropäischen Ge-
schichte, Bd. 2, Frankfurt 2009). Zur Verwaltungsstruktur liegt in polnischer Sprache vor:
118 Tamara Scheer
Organisation
Bereits kurz nach Beginn des Krieges war durch kaiserliche Verordnung die obers-
te Zuständigkeit für später besetzte Gebiete dem k.u.k. Armeeoberkommando, d.h.
dem Generalstabschef, übertragen worden.7 Innerhalb dieser obersten militärischen
Verwaltung waren für die vorliegende Fragestellung vor allem in der Quartiermeis-
terabteilung die Gruppe Polen sowie der Sanitätschef von Relevanz.8 In erster Linie
galt das besetzte polnische Gebiet als Etappenraum, weshalb viele darauf Bezug
nehmende, später erlassene Verordnungen, auf den Bestimmungen der Etappenvor-
schrift basierten. Danach waren zur Durchführung gesundheitspolizeilicher Maßre-
geln die Zivilbehörden des Feindeslandes nach Möglichkeit heranzuziehen.9 Dies
geschah vor dem Hintergrund des Mangels an eigenem Personal, aber auch, da ge-
mäß der Haager Landkriegsordnung die Behörden unterster Instanz im Amt ver-
bleiben sollten.10 So konnte man unangenehme Maßnahmen von polnischen Funk-
tionären kommunizieren lassen, etwa Zwangsimpfungen und Internierungen. Be-
sonderes Augenmerk war dem Sanitätsdienst und einer strengen Gesundheitspolizei
zuzuwenden, wobei durchaus auch in diesem Bereich auf im Lande vorhandene
Güter zurückgegriffen werden sollte. Weniger erfreut waren die polnischen
Gemeindevertreter wohl von der Verordnung, dass die Behandlungs- und Medika-
mentenkosten für „Gemeindearme“ von ihnen übernommen werden mussten.11
Gemäß der Etappenvorschrift war der Etappenraum aus dem Frontbereich dann
auszugliedern, wenn das entsprechende Gebiet eine gewisse Größe überschritten
hatte. In diesem Fall wurde, wie für Polen in Lublin, ein Gouvernement eingerich-
tet.12 An der Spitze stand ein Gouverneur, dem die Leitung der zivilen und militäri-
schen Verwaltung oblag. Im Juli 1916 traten die neuen „Grundzüge für die Militär-
verwaltung Polens“ in Kraft, welche die Unterstellung der zivilen Beamtenschaft
unter den Generalstabschef aufhoben und die zivile Verwaltung einem dem Mili-
tärgeneralgouverneur unmittelbar unterstellten Zivillandeskommissär übertrugen.
Diesen Herren, meist polnischstämmige Adelige, war auch eine sehr wichtige po-
litische Rolle, jene eines Mittlers zwischen Generalgouverneur und Bevölkerung
zugedacht, schrieb der Stabschef des Gouvernements, Arthur Hausner.13 Auf der
gleichen organisatorischen Ebene wie der Zivillandeskommissär, oblag dem Stabs-
chef die Kontrolle über militärische Belange und militärisches Personal. Im Besat-
zungsgebiet waren rund 40.000 Mann Besatzung stationiert.14 Da sich das medizi-
nische Personal aus Militärs und Zivilisten zusammensetzte, war ihre Personalzu-
ständigkeit somit geteilt. Der Stabschef zeichnete außerdem für die Sanitätsabtei-
lung verantwortlich, dem Zivillandeskommissär oblagen die polizeilichen Angele-
genheiten.
Die Verwaltungsinstanz unterhalb des Gouvernements bildeten die insgesamt
rund 27 Kreise. Auch diese wiesen die Zweiteilung in militärische und zivile Ad-
ministration auf. Das Sanitäts- und Veterinärreferat, meist je ein Kreisarzt und ein
Kreistierarzt, unterstanden Zivilbeamten. Den Kreisen als vollziehende Behörde
waren Bezirkskommandos zur Seite gestellt, die u.a. die sanitätspolizeilichen Maß-
nahmen überwachten.
Daneben bestand eine Vielzahl größerer und kleinerer Spitäler, Ambulanzen
und Apotheken, die entweder in Eigenregie von der Militärverwaltung oder in Zu-
sammenarbeit mit polnischen Behörden betrieben wurden. Als Unterkunft diente
einem Lubliner Reservespital etwa das ehemalige russische Gymnasium, häufig
wurden auch Gesandtschaftsgebäude nunmehr feindlicher Mächte umgerüstet.15
Die der Militärverwaltung unterstehenden Militärspitäler dienten in erster Linie den
Angehörigen der Besatzungsmacht. Nach und nach wurden sie, je nach regionalem
Bedarf, für polnische Zivilisten, insbesondere für schwere chirurgische Fälle, ge-
öffnet. Ende 1918 bestanden schließlich 7.000 Betten. Polnische Institutionen wur-
den vom Militär, wenn nicht übernommen, so doch in ihrer Tätigkeit überwacht,
aber, und das ist die andere Seite, wenn finanzielle Mittel fehlten, häufig subventi-
oniert oder durch die Zuteilung von Medikamenten arbeitsfähig gemacht bzw. er-
halten.16
Vieles wurde, natürlich auch aus Eigeninteresse der Besatzungsmacht, wieder
in Stand gesetzt. So etwa das Schwefel- und Moorbad Busk (heute Stadt im Oblast
Lviv in der Ukraine), das unter der Regie der Besatzungsverwaltung, als k.u.k. Mi-
litärbad Busk, zur Förderung der „Gesundheitspflege“ wiedereröffnet wurde.17
Sämtliche medizinischen Einrichtungen waren streng angehalten, möglichst weit-
gehend aus eigenen Mitteln die Versorgung mit Lebensmitteln für Patienten und
Personal zu gewährleisten. Beinahe alle Spitäler hatten eigene Gemüse- und Obst-
gärten, Schweineställe und züchteten Geflügel. Tadäus Józefczyk, Spitals-
kommandant in Lublin, verwies immer wieder auf die Diäten der Kranken, weshalb
ein großer Bedarf bestand, ausgewogene Mahlzeiten durchgehend bereit zu stellen.
Derselbe schilderte in dem Bericht an seine Vorgesetzten noch detaillierter:
„Außerdem errichtete ich eine Selcherei, einen Schweinestall und einen Geflügelgarten,
so dass ein öfterer Wechsel der Diät möglich war.“18
23 Tatsächlich hatte bereits 1915 ein österreichischer Arzt anlässlich eines Vortragsabends der
Militär- und Zivilärzte der Festung Sarajevo „Über die Bekämpfung der Geschlechtskrank-
heiten im Kriege“ referiert, der trotz der strengen Zensur abgedruckt wurde: A. Glück, Über
die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten im Kriege, in: Der Militärarzt 49
(23.10.1915), S. 408.
24 Glück, Über die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, 409. Der Erreger der Syphilis
war erst seit 1905 bekannt. Ein – allerdings ziemlich teures – Heilmittel lag im Ersten
Weltkrieg ebenfalls bereits vor: Manfred Vasold, Grippe, Pest und Cholera. Eine Geschich-
te der Seuchen in Europa, Stuttgart 2008, S. 231-232.
25 Hugo Guth: Die Geschlechtskrankheiten im Kriege mit besonderer Berücksichtigung der
Syphilis und deren Behandlung, in: Der Militärarzt 50 (1.1916), 48. Guths Ausführungen
sind Teil eines Berichtes über einen Feldärztlichen Vortragsabend der Militärärzte der Gar-
nison Lublin.
26 Franz Exner: Krieg und Kriminalität in Österreich. Mit einem Beitrag über die Kriminalität
der Militärpersonen von G. Lelewer, Wien 1927 (Wirtschafts- und Sozialgeschichte des
Weltkrieges, Österreichische und ungarische Serie), S. 161.
27 ÖStA/KA/NFA, Kt. 1613, Nr. 122295, k.u.k. Bezirkspolizeikommissariat, 6.12.1916. Ähn-
liche Maßnahmen lassen sich auch bei den anderen kriegführenden Staaten nachweisen:
Lutz Sauerteig: Militär, Medizin und Moral. Sexualität im Ersten Weltkrieg, in: Die Medi-
zin und der Erste Weltkrieg, hrsg. von Wolfgang Eckart/Christoph Gradmann, Pfaffenwei-
ler 1996 (Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte. Quellen und Studien, 3), S. 197-
226.
Medizin und Hygiene in Besatzungsregimen 123
rinnen und Einwohner, Soldaten wie polnische Zivilisten, zugeführt werden, wenn
sie einer Erkrankung verdächtig waren. Bereits Erkrankte wurden evident geführt
bzw. in einer der hierzu errichteten Krankenanstalten, auch gegen ihren Willen,
behandelt. Reservatbefehle und interne Berichte sprachen in diesem Zusammen-
hang sogar von „Internierungen“.33 Zusammenfassend muss allerdings festgestellt
werden, dass meist die potenziellen Überträgerinnen Restriktionen unterworfen
bzw. kriminalisiert, die Soldaten aber nur belehrt wurden. In diese Richtung zielte
zweifellos auch das „Gesundheitsbüchel“.
Nicht nur im Fall des „Gesundheitbüchels“ soll Radom als Beispiel für die von
der Militärverwaltung etablierten medizinischen Strukturen und das verwendete
Personal dienen. Radom war ursprünglich Hauptstadt eines russischen Gouverne-
ments und wurde danach Kreishauptstadt. Eine Statistik des Sanitätschefs der
obersten Militärverwaltung zeigt, dass Radom der Kreis mit den meisten Amtsärz-
ten des Gouvernements war. Anhand dieser Angaben lässt sich feststellen, wer im
Kreis für die Aufsicht der medizinischen und hygienischen Einrichtungen, unter
anderem für ein Epidemiespital und ein Spital des Roten Kreuzes, eingeteilt war.
Aus der namentlichen Auflistung ergibt sich auch ein typisches Bild der Zusam-
mensetzung des medizinisch-akademischen Personals. Unter den elf Genannten
sind zwei kriegsgefangene russische Ärzte, drei österreichische bzw. ungarische
Mediziner des Landsturms und einer aus der Reserve. Den Namen nach dürfte es
sich bei drei Ärzten um österreichische Polen handeln, daneben lassen sich auch
jüdisch klingende Namen finden.34 Da der Antisemitismus sowohl auf Seiten der
Vertreter der Besatzungsmacht wie bei der polnischen Bevölkerung verbreitet war,
dürften die letzteren, zusätzlich zu ihrem Status als Vertreter der Besatzungsmacht,
mit Vorurteilen im Arbeitsalltag zu kämpfen gehabt haben. Obwohl die österrei-
chisch-ungarische Besatzung stets den Einsatz österreichischer Polen in der Mili-
tärverwaltung als besonderes Entgegenkommen der polnischen Bevölkerung ge-
genüber propagierte, stieß dies nicht nur auf Zustimmung. Im Gegenteil. Reservat-
akten berichteten davon, dass „die Polen des Königreiches ihre galizischen
‚Co-Nationalen’ als minderwertige Polen betrachteten“, was nicht ohne Folgen für
deren Akzeptanz geblieben sein dürfte.35
Die für Radom genannten Organisationsstrukturen sind im Prinzip auch für die
anderen Kreise gültig, lediglich in Lublin, dem Sitz der Militärverwaltung, wurden
wesentlich mehr Institutionen etabliert und Personal eingesetzt.36 Neben den militä-
und der gerichtlichen Medizin an die polnischen Kreisärzte zu lesen. Lediglich bei
ansteckenden Krankheiten musste im Einvernehmen mit der Besatzungsverwaltung
vorgegangen werden.39
Schlussbetrachtung
Die Verwaltung eines besetzten Gebietes bedeutete gerade in Kriegszeiten für die
okkupierende Macht, in diesem Fall Österreich-Ungarn, nicht unbedingt nur einen
Machtzuwachs. Vielmehr galt es in einem Territorium, dessen Bewohner den Be-
satzern meist ablehnend gegenüberstanden, diese und das meist mehrere tausend
Personen umfassende Besatzungspersonal zu ernähren und ihre medizinische Ver-
sorgung sicherzustellen. Gerade die Seuchenbekämpfung bei herrschendem Ärzte-
mangel und fehlenden Arzneimitteln stellte eine Herausforderung dar. Gleichzeitig
mit dem Niederhalten der Bevölkerung – das Militär sprach von der Aufrechterhal-
tung von Ruhe und Ordnung – und der Ausbeutung der Landesressourcen, galt die
politische Vorgabe, im polnisch besetzten Gebiet das Wohlwollen der Bevölkerung
zu gewinnen. Darin lag eine kaum zu überbrückende Barriere für das umsetzende
Personal vor Ort. Ansonsten war der Arbeitsalltag geprägt von Improvisation und
Eigeninitiative. Dennoch konnten einige der zwischen 1915 und 1918, durch öster-
reichisch-ungarische, polnische oder in gemeinsamer Anstrengung etablierten Ein-
richtungen vom polnischen Nachkriegsstaat genutzt werden.
die Krim und die Ostukraine besetzt, am 8. Mai endete der Vormarsch im westli-
chen Donkosakengebiet in Rostov am Don.
Die ukrainische Zentralrada betrieb nach der Februarrevolution eine allmähli-
che Ablösung vom russischen Gesamtstaat, was Anfang 1918 zur Unabhängig-
keitserklärung und zum Separatfrieden mit den Mittelmächten führte. Da die Sow-
jetrepublik nicht auf die Getreideanbaugebiete verzichten wollte, marschierte
Trotzkijs Rote Garde ein und löste damit den Eisenbahnvormarsch der Mittelmäch-
te aus. Gleichzeitig flüchteten antirevolutionäre und antibolschewistische Gruppen
aus Sowjetrussland in die Ukraine und nach Kiew, während Kriegsgefangene, rus-
sische Kriegsflüchtlinge aus den Westgouvernements, aber auch deportierte deut-
sche Kolonisten und russische Juden, ebenfalls aus dem Osten dorthin flüchteten.
Von der russischen Südwestfront strömten wieder – seit Herbst 1917 – Hunderttau-
sende Soldaten nach Osten, ebenfalls in ihre Heimat.
Während die Deutschen an den Demarkationslinien im Baltikum und an der
weißrussischen Ostgrenze ein rigides Grenzsystem durchsetzten, konnte das in der
Ukraine schon allein deren Größe wegen nicht gelingen; zudem überdehnte man im
Mai den Ausgriff bis ins Dongebiet, mit dessen Kosakenregierung man sich ver-
bündete. Da es in dem jungen ukrainischen Staat noch keine funktionierenden
Strukturen – vor allem in der Fläche – und auch eigentlich kein Staatsvolk gab, war
dort im wörtlichen Sinne alles im Fluss: Wer wollte bestimmen, wer Ukrainer, wer
Ausländer war? Daher sind wohl für diese Zeit kaum statistisch verlässliche Anga-
ben möglich; bezüglich der Heimkehr der Mittelmächte-Gefangenen für die Hei-
matstaaten in der Ukraine – anders als an der weißrussischen Ostgrenze – galt seit
April 1918 praktisch das Laisser-Faire. Die Situation war hier erheblich unüber-
sichtlicher als im Baltikum oder in Oberost/Weißrussland, zumal in der Ukraine
auch auf einen formal befreundeten und verbündeten Staat, das Hetmanat, Rück-
sicht genommen werden musste.
Reinhard Nachtigal
Nur der Geschichte ist bewusst, wie schmal der Grat ist, der die menschliche Zivili-
sation von der Möglichkeit trennt, in einen militärischen Konflikt zu geraten, durch
den das normale Leben eines einfachen Bürgers vor seinen Augen wie ein Karten-
haus zerstört wird. Auch zu Beginn des dritten Jahrtausends ist die Welt nicht si-
cherer geworden, denn wir alle sind potenzielle Flüchtlinge, selbst wenn diese Be-
hauptung durchaus problematisch ist. „Solange auf dein Haus keine Bombe fällt, ist
das schwer zu glauben“, hat der polnische Professor Jan Piskorski zutreffend be-
merkt.1
Ein Beispiel dafür ist der Erste Weltkrieg als tragische Erfahrung des 20. Jahr-
hunderts. Kein Staat hat in seiner Propaganda bis zum Krieg auch nur den Gedan-
ken an Zerstörung zugelassen, und kein einfacher Bewohner den Gedanken an den
Verlust seines über Jahre aufgebauten Besitzes. Dabei setzte der kriegerische Kon-
flikt riesige Menschenmassen aus ihren angestammten Orten in Bewegung. Peter
Gatrell hat daher neue Begriffe eingeführt, insbesondere «population displace-
ment», unter den auch Kriegsflüchtlinge subsummiert werden können, ebenso wie
Deportierte, kriegsgefangene Gegner und internierte Feindstaatenangehörige.2 Aus
dieser Gruppe entwurzelter Menschen konzipierte Gatrell den Begriff „refugee-
dom“, der morphologisch dem russischen „beženstvo“ nachgebildet ist: als beson-
derer Teil einer zwangsweise umgesetzten Bevölkerung.3 Besonders katastrophale
Ausmaße im Vergleich mit anderen kriegführenden Staaten nahm die Flucht vor
dem Kriegsgeschehen im Russischen Reich an.4
Der Krieg löste nicht nur eine Massenflucht aus, sondern führte auch zu mas-
senhaften Krankheiten, die die ohnehin schwierige Situation verschärften. Zwi-
schen 1900 und 1926 grassierte hier die sechste Cholera-Pandemie, und zum
Kriegsende erschien die Spanische Grippe, die auch als „Miniatur-Pest“ bezeichnet
wurde und diese Position einer neu ausbrechenden Pockenepidemie nicht überließ.5
Daher stellte jede Ansammlung der ausgezehrten, hilfsbedürftigen Bevölkerung ein
reales Risiko für die Entstehung neuer Epidemieherde dar.
Das Ziel dieses Beitrags ist es, die Probleme der medizinischen Versorgung der
Kriegsflüchtlinge im „Großen Krieg“ an der Ostfront zu beleuchten, ohne die Prob-
lematik in diesem Umfang grundsätzlich klären zu können.
In territorialer Hinsicht bezieht sich die Arbeit auf die bei Kriegsbeginn zum
russischen Reich gehörenden Teile der Ukraine. Die Ukraine befand sich gleichsam
im Epizentrum der kriegerischen Ereignisse: Die russische Südwestfront verlief
durch die Gouvernements Wolhynien und Podolien, während ein weiterer und be-
trächtlicher Teil der Ukraine als Hinterland von enormer Bedeutung für die russi-
schen Truppen war. Dort befand sich die Infrastruktur für medizinische Versor-
gung, Lebensmittel und Verkehrsverbindungen. So wurden im Jahre 1915 in
2 Gatrell, P ter, A Whole Empire Walking. Refugees in Russia during World War I, Bloo-
mington IN 22005.
3 Gatrell, Peter, Revisiting A Whole Empire Walking, ten years on, in: Japanese Society for
the Study of Russian History, Tokyo, 8 January 2011; www.soc.nii.ac.jp/jssrh/reikai/pdf/
Tokyo_ Gatrell.pdf.
4 Im Jahre 2009 hat die Verfasserin einen Dokumentenband veröffentlicht: Biženstvo peršoï
svitovoï vijny v Ukraïni: dokumenty i materialy (1914 - 1918 rr.), Charkiv 2009
<http://eprints.kname.edu.ua/15879/> [Ljubov’ Žvanko, Flüchtlinge des Ersten Weltkriegs
in der Ukraine: Dokumente und Materialien (1914–1918), Charkow 2009]. 250 der dort
publizierten Dokumente beleuchten das Schicksal der Flüchtlinge, die in der Ukraine zeit-
weise Zuflucht fanden.
5 Ljubov’ Žvanko: Social’ni vymiry Ukrajinskoji Deržavy (kviten’-gruden’ 1918 r.). [Die So-
zialpolitik des Ukrainischen Staates (April – Dezember 1918)]. Charkow 2007, S. 89.
Medizinische Versorgung von Kriegsflüchtlingen 131
den staatlichen Stellen waren auf die Versorgung einer solchen Menge von Flücht-
lingen nicht vorbereitet. Demzufolge lag die Last der medizinischen Fürsorge für
die Flüchtlinge vollständig auf den Schultern der medizinischen Organe des Zemst-
vo, der russischen landständischen Selbstverwaltung: Ärzte und Feldscher der
Stadtviertel und Landgemeinden kümmerten sich zusammen mit der Bevölkerung
vor Ort um die Flüchtlinge.
In der Folge der Februarrevolution 1917 und der Entwicklung der revolutionä-
ren Ereignisse wurde auf dem Boden der Ukraine im Sommer 1917 zuerst die Uk-
rainische Volksrepublik mit der Zentralrada unter Mychajlo Hruševs’kyj und Ende
April 1918 der Ukrainische Staat des Hetmans Pavel Skoropads’kyj geschaffen.
Dabei gründete sich die Tätigkeit der zentralen und lokalen Staatsorgane im Be-
reich der medizinischen Fürsorge für die Bevölkerung und die Flüchtlinge auf all-
gemeinen humanistischen Prinzipien. Die Zentralrada verkündete im Juni 1917 die
ukrainische Autonomie innerhalb des russischen Staatsverbands, am 25. Januar
1918 erklärte sie die vollständige Unabhängigkeit der Ukraine. Hinzuzufügen ist,
dass die Zeit der Ukrainischen Volksrepublik bis April 1918 am ehesten als eine
Übergangsperiode zu sehen ist, was die Etablierung von Organen des Gesund-
heitswesens und die Flüchtlingsbetreuung betrifft.
Die Administration unter Pavel Skoropads’kyj begriff das Gesundheitswesen
und die Sozialfürsorge als vorrangige Betätigungsfelder der Innenpolitik. Schon am
3. Mai 1918 wurde eine neue Behörde erstmalig auf dem Boden des ehemaligen
Russischen Reichs gegründet: das Ministerium für Volksgesundheit und Staatliche
Fürsorge (abgekürzt: MNZiGO). Die bedürftigen Gruppen der ukrainischen Gesell-
schaft – Waisenkinder, Kriegsinvaliden, Kriegsgefangene, Flüchtlinge [meine Her-
vorhebung, Lj. Ž.] und andere wurden Objekte der besonderen Aufmerksamkeit
und Fürsorge des Staates. Dieser Staat leitete breit angelegte prophylaktische Maß-
nahmen gegen epidemische, infektiöse, venerische und Berufserkrankungen ein
und versuchte, Kontakte zu den Okkupationsmächten Deutschland und Österreich-
Ungarn in Fragen der Bekämpfung epidemischer Krankheiten unter den heimkeh-
renden ukrainischen Kriegsgefangenen und Flüchtlinge zu unterhalten.10 Doch zu-
nächst blieb die Situation sowohl für den neuen Hetmanstaat als auch für die Besat-
zungsmächte zuhöchst unübersichtlich und wegen der Massenmigration chaotisch.
Die Verantwortung bei der Organisation breit angelegter Aktionen zur Heim-
führung hunderttausender Flüchtlinge des Ersten Weltkriegs übernahm das staat-
liche Flüchtlingsdepartment des ukrainischen Innenministeriums unter der erschwe-
renden Bedingung, dass gleichzeitig mehrere Epidemien im Land auftraten.
Als Folge des Rückzugs der russischen Armeen aus Polen, dem südlichen Bal-
tikum und Galizien begann in der Jahresmitte 1915 die vollständige Evakuierung
der Zivilbevölkerung aus den Frontgebieten in die Etappengouvernements des Rus-
sischen Reichs. Die genaue Anzahl dieser zwangsweise Umgesiedelten festzu-
10 Žvanko: Social’ni vymiry Ukrajin’skoji Der avy (kviten’-gruden’ 1918 r.), S. 33.
Medizinische Versorgung von Kriegsflüchtlingen 133
stellen, ist unmöglich.11 Nach vorläufigen Angaben wurden Ende 1915 in Russland
2.706.309 Flüchtlinge erfasst, von denen sich 571.342 in neun Gouvernements der
Ukraine befanden. Dazu angemerkt werden muss die Neigung, ihre Zahl ständig zu
vergrößern. Im November 1916 lebten in neun ukrainischen Gouvernements
601.092 Flüchtlinge,12 d. h. 21 Prozent der in ganz Russland erfassten. Die übrigen
waren über 55 Gouvernements verstreut, im russischen Zentralasien, Finnland und
in weiteren zwölf Verwaltungseinheiten (oblasti) des Russischen Reiches. Das
Gouvernement Ekaterinoslav nahm anteilig die meisten Flüchtlinge von allen 45
Gouvernements des europäischen Russlands auf.
Als soziale Erscheinung brachte die Flucht vor dem Krieg eine Reihe von
Problemen mit sich, mit deren Lösung in Russland verschiedene staatliche und
nicht-staatliche Strukturen befasst waren, unter anderen das „Komitee Ihrer Kaiser-
lichen Hoheit, der Großfürstin Tat’jana Nikolaevna“ (das sogenannte „Tatjana-
Komitee“), der „Allrussische Zemstvo-Verband“ (Vserossijskij Zemskij Sojuz), der
„Allrussische Städtebund“ (Vserossijskij Sojuz Gorodov), verschiedene Komitees
der nationalen Minderheiten des Russischen Reiches sowie Frauen- und andere
Wohltätigkeitskomitees.
Im Herbst 1915 wurden auf der Grundlage des Gesetzes zur Befriedigung der
Bedürfnisse der Flüchtlinge die „Sonderkonferenz zur Regelung der Flüchtlings-
frage“ und kurz darauf auch ihre Unterorgane in den Gouvernements geschaffen
und mit der administrativen Koordination betraut.13
Unter den wichtigen Fürsorgeeinrichtungen für die Flüchtlinge muss auch die
medizinische Versorgung der Zivilbevölkerung genannt werden. Sie war leicht an-
fällig für Typhus, Cholera, Pocken und andere gefährliche Krankheiten, die unter-
wegs geborenen Kinder starben oft unter den unhygienischen Bedingungen, und an
den Straßenrändern wuchsen die Hügel der Toten, häufig sogar ohne orthodoxe
Kreuze.
11 Ljubov’ Žvanko: Der schwere Weg nach Hause … Die Heimkehr der polnischen, litaui-
schen und lettischen Flüchtlinge des Ersten Weltkriegs aus Sowjetrussland (1920er Jahre)
«Trudnyj put’ domoj … Vozvraš enie pol’skich, litovskich i latvijskich bežencev Pervoj
mirovoj vojny iz Sovetskoj Rossii na rodinu (20-e gody XX v.), Vortrag auf der Internatio-
nalen Tagung «Migration-Integration-Isolation-Interaktion: Imperialer Zerfall und staatli-
cher Neuaufbau in der Zwischenkriegszeit» des Nordost-Instituts / IKGN e.V. Lüneburg
und des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität
Osnabrück. Lüneburg 14. bis 16. Oktober 2010.
12 Ljubov’ Žvanko: 1918 god i Ukraina: uregulirovanie problemy bežencev [Das Jahr 1918 in
der Ukraine: die Regelung des Flüchtlingsproblems], in: Rok 1918 w Europie rodkwo-
Wschodniej [Das Jahr 1918 in Mittel- und Osteuropa], Bia ystok, Wydawnictwo Uniwer-
sytetu w Bia ystoku, 2010, S. 602 (ukrainisch).
13 Sobranie ukazanij i razporjaženij pravitel’stva, izdavaemoe pri Pravitel’stvujuš em Senate
1915 [Sammlung von Dekreten und Verfügungen der Regierung, herausgegeben vom Re-
gierenden Senat 1915]. Bd. 1: Vtoroe polugodie. Petrograd 1915, Nr. 242, S. 2425.
134 Ljubov’ Žvanko
21 ubova Žvanko, Latvies bgi Pirm pasaules kara gados Harkov (1915 – 1916), Latvijas
Kara museum gadagrmata. X. Rga, 2009, l. 33 (in lettischer Sprache).
22 Jugobeženec (Südlicher Flüchtling), 1915, Nr. 1, 1. November.
23 Gosudarstvennyj Archiv Poltavskoj oblasti /Staatsarchiv des Gebiets Poltava Fond 1069,
opis’ [Inventar] 1 delo 2 list/Blatt 4-5.
Medizinische Versorgung von Kriegsflüchtlingen 137
Die den Lagern zugeteilten Mittel reichten jedoch nicht immer aus, insbesonde-
re für den Ablauf der medizinischen Betreuung. Wenn sogar die Zemstvo-
Verwaltungen Lebensmittel kauften, so war die Beschaffung von Arzneimitteln im
Revolutions- und Bürgerkriegsjahr 1918 unter den Bedingungen eines vollständi-
gen Mangels und der gleichzeitig raschen Ausbreitung epidemischer Krankheiten
extrem schwierig. In dieser Situation schlug am 29. Oktober 1918 der Direktor des
Sanitätsdepartements des Ministeriums für Volksgesundheit und Sozialfürsorge, O.
Korak-epurkov’skyj, dem Innenministerium vor, die Betreuung der Flüchtlinge
in diesen Lagern einer Unterbehörde zu übertragen. Als Ergebnis einer Vereinba-
rung zwischen Innenministerium und Ministerium für Volksgesundheit übernahm
letzteres die Organisation der medizinischen Fürsorge der Flüchtlinge. Daher orga-
nisierte am 25. November 1918 das Ministerium den Kampf gegen den Fleckty-
phus im Flüchtlingslager von Ekaterinoslav.34 Vorbildlich war die Tätigkeit des
Sanitätsdepartements des Ministeriums für Volksgesundheit unter den Bedingun-
gen des ungeregelten Zustroms an Menschen, die vor dem Roten Terror in Russ-
land flüchteten.
Nach dem Waffenstillstand an der Westfront endete Mitte November 1918 das
den ukrainischen Hetmanstaat dominierende Besatzungsregime Deutschlands und
Österreich-Ungarns. Deren Truppen zogen sich in den darauf folgenden Wochen
und Monaten nach Westen zurück. Am 14. November 1918 bildete der neue ukrai-
nische Führer Symon Petljura in Kiew eine neue Regierung, das Direktorium, wäh-
rend von Norden die Rote Armee der Sowjetmacht in die Ukraine einrückte, was
bis dahin die Truppen der Mittelmächte-Besatzer verhindert hatten. Diese Ver-
schärfung der innenpolitischen Lage des Ukrainischen Staats im November 1918
erlaubte den Organen des Gesundheitswesens und der lokalen Selbstverwaltung
nicht mehr, Pläne zur Verhinderung von Cholera, Spanischer Grippe, Typhus und
Pocken umzusetzen. Dabei erlangten gerade in der Zeit des Hetmans P. Skoro-
pads’kyj die Versuche ihrer Bekämpfung wie auch die medizinische Betreuung der
heimwärts strebenden Flüchtlinge eine überragende allgemeinstaatliche Bedeutung.
Das Problem der medizinischen Betreuung von Flüchtlingen des Ersten Welt-
kriegs ist in der ukrainischen Forschung noch kaum bearbeitet worden. Von weite-
ren Forschungen wäre zu fordern, ihre Arbeiten in den Kontext der Sozialfürsorge
für Flüchtlinge und überhaupt für die verschiedenen Gruppen entwurzelter Men-
schen im ersten totalen Krieg der Menschheit zu stellen.
im Sommer 1939 in den Revierbaracken eine Totenfeier für den an Krankheit ver-
storbenen KPD-Funktionär Lambert Horn durch, die vielen Häftlingen in Erinne-
rung geblieben ist. Eine Audiostation gibt die Stimmen verschiedener Beteiligter
wieder, die das Ereignis später aus je eigener Sicht schilderten.
Ein aus 32 kleinen Figürchen bestehendes Schachspiel steht für einen weiteren
zentralen Aspekt der im Revier betriebenen Krankenpflege durch Häftlinge, näm-
lich den altruistischer Hilfsbereitschaft in medizinischer wie universell menschli-
cher Hinsicht. Das Spiel stammt aus dem Besitz des ehemaligen Häftlings Franz
Cyranek, der von 1938 bis zur Befreiung des Lagers Röntgenlaborant im Kranken-
revier gewesen war. Sowjetische Kriegsgefangene hatten es aus der wohl kostbar-
sten Substanz gefertigt, die ihnen im KZ zur Verfügung stand: aus Brot. Sie
schenkten es dem deutschen Häftlingspfleger als Dank für seinen selbstlosen Bei-
stand. Wie der polnische Häftling Witold Zegarski berichtete, sei Cyranek „zu je-
der, auch der riskantesten Hilfe“ bereit gewesen. Eine solche uneigennützige Hilfs-
bereitschaft ist auch von etlichen anderen Funktionshäftlingen des Reviers überlie-
fert. In der Erinnerung vieler Überlebender war der Krankenbau somit vor allem
ein Ort von Opfersinn, Solidarität und Hilfe, und zwar trotz der dort verübten SS-
Verbrechen und trotz der dort herrschenden Machtkämpfe zwischen einzelnen
Häftlingsgruppen. Diese Konflikte waren Folge einer – von der SS bewusst ge-
schürten – Rivalität zwischen den Häftlingen um die besonders begehrten Posten
im Krankenrevier und anderen Innen-Kommandos, in denen nicht körperlich gear-
beitet werden musste.
Nachdem die SS über lange Zeit einzig Nicht-Mediziner in der Krankenver-
sorgung eingesetzt hatte, zog sie ab Ende 1942 konsequent inhaftierte Ärzte und
Medizinstudenten zum Dienst im Revier heran. Hintergrund dieser Neuerung war
der Funktionswandel der Konzentrationslager nach dem Scheitern der Blitzkriegs-
strategie, durch den die Lager zu einem „Arbeitskräftereservoir“ für die deutsche
Rüstungsindustrie geworden waren. Den aus vielen Ländern Europas stammenden
Häftlingsärzten wurde nun zur Aufgabe gemacht, durch eine verbesserte medizini-
sche Versorgung die Sterblichkeit im Lager zu senken und damit zugleich die Ar-
beitsfähigkeit des Häftlingskollektivs zu heben.
Dass nun medizinisch gut geschulte Gefangene aus vielen Nationen im Kran-
kenbau arbeiten konnten, bewirkte eine deutliche Verbesserung der Krankenversor-
gung. Wie Überlebende berichteten, führte etwa der 1943 wegen Widerstands ge-
gen die deutsche Besatzungsmacht nach Sachsenhausen verschleppte Pariser Chi-
rurg Dr. Emil Coudert im Lager eine Vielzahl komplizierter Operationen durch.
Auch der spätere norwegische Gesundheitsminister Dr. Sven Oftedal spielte als
Häftlingsarzt eine bedeutende Rolle. Erinnerungen von Mithäftlingen zufolge orga-
nisierte er z.B. größere Mengen von Stärkungsmitteln für das Krankenrevier, indem
er die skandinavischen Häftlinge, die zu dieser Zeit regelmäßig Pakete vom Roten
Kreuz erhielten, zur Abgabe des darin enthaltenen Lebertrans veranlasste. Auf eine
weitere Initiative des Norwegers weist eine erhalten gebliebene ärztliche Verord-
144 Astrid Ley
nung über zwei Tage Schonung hin, die in der Ausstellung zu sehen ist. Das im
März 1945 angefertigte Schriftstück entstand im Zusammenhang mit einer von
Oftedal ins Leben gerufenen Blutspendeaktion, die bei alliierten Bombenangriffen
verwundeten Häftlingen zugute kam.
Wie die Ausstellung auch am Beispiel anderer Mediziner etwa aus der Sowjet-
union und Polen illustriert, verfügten die Häftlingsärzte und -pfleger bei ihrer Ar-
beit im Revier über einen nicht unbedeutenden Handlungsspielraum. Dennoch wa-
ren sie als Funktionshäftlinge per se in einer schwierigen Lage, denn ihre Position
verlangte eine dauernde Gratwanderung zwischen den Befehlen der SS und den
Interessen der Patienten. Wegen des permanenten Mangels im Lager waren sie zu-
dem gezwungen, mit zu geringen Mitteln zu viele Kranke zu versorgen. Und nicht
zuletzt wurden ihre ärztlichen Bemühungen von der SS im Grunde missbraucht, um
unter den Bedingungen der Lagerhaft erkrankte Häftlinge für eine weitere wirt-
schaftliche Ausbeutung wiederherzustellen. Häftlinge, deren Arbeitsfähigkeit der
SS-Arzt für nicht wiederherstellbar hielt, wurden aus dem Krankenbau entfernt. Sie
wurden planmäßig vernachlässigt, in andere Lager abgeschoben oder ermordet. Vor
allem ab 1942 war das Revier somit auch Ort gezielter „Vernichtung“, wobei erste
systematische Selektionen zur „Säuberung des Krankenbaus von chronisch Kran-
ken“ sogar schon seit Oktober 1941 nachweisbar sind, wie ein eigener Ausstel-
lungsschwerpunkt zu „Selektion und Mord“ dokumentiert. Der in diesem Zusam-
menhang biographierte ehemalige Häftling Dr. Fritz Lettow hat das für die Lage
der Häftlingsärzte typische Dilemma in seinen Erinnerungen eindrucksvoll geschil-
dert.
Um die schwierigen Bedingungen häftlingsärztlicher bzw. -pflegerischer Tätig-
keit geht es letztlich auch in dem Ausstellungsabschnitt über die Rolle des Kran-
kenreviers als Haftlazarett der Sonderkommission „20. Juli“. Nach dem gescheiter-
ten Attentat auf Hitler nahmen Gestapo-Beamte eine große Zahl von Personen fest,
die zum Teil führend an den Planungen zum Staatsstreich beteiligt gewesen waren.
Bei dieser Verhaftungsaktion wurden durch Suizidversuch oder Gestapo-Folter ver-
letzte sowie erkrankte Regimegegner in das Krankenrevier des KZ Sachsenhausen
verlegt, um sie dort gesundheitlich für weitere Verhöre und gegebenenfalls Ge-
richtsverfahren wiederherzustellen. Zur Versorgung der Verhafteten zog man Häft-
lingspfleger heran, die man für das Überleben ihrer prominenten Patienten verant-
wortlich machte. Wie die Ausstellung unter anderem am Beispiel von Hans von
Dohnanyi und seinem dänischen Betreuer Knud Peter Damsgaard Jensen demons-
triert, entstanden trotz problematischer Rahmenbedingungen mitunter enge freund-
schaftliche Bindungen zwischen Krankem und Pfleger.
Die noch erhaltenen Baracken R I und R II, in denen die Ausstellung unterge-
bracht ist, waren nur ein Teil des damals laufend vergrößerten Krankenreviers. Bis
zum Kriegsende wuchs das Revier auf mehr als sechs Gebäude mit fast 800 Betten
an, in denen am Ende über 2.000 Patienten lagen. Doch die Abteilungen waren sehr
unterschiedlich ausgestattet. Während es in manchen Stationen am Nötigsten fehlte
Medizin und Verbrechen 145
und die Betten mit zwei oder mehr Kranken belegt waren, herrschten in anderen
relativ gute Zustände. Besonders die zuerst gebauten Baracken R I und R II verfüg-
ten über recht moderne Therapie- und Diagnoseeinrichtungen, wie Operationssäle,
Zahnstation, Röntgenkabinett und Laboratorien. In den Krankensälen gab es bis
zuletzt Bettzeug, in einigen waren sogar Einzelbetten aufgestellt. Wegen dieser gu-
ten Ausstattung – so berichteten verschiedene Überlebende – wurden R I und R II
häufig Besuchern gezeigt. Das verweist auf eine weitere Funktion des Kranken-
reviers, nämlich die eines Besichtigungs- bzw. Vorführobjekts.
Durch das 1936 als eine Art Modell-Lager erbaute und unweit der Reichs-
hauptstadt Berlin gelegene KZ Sachsenhausen wurden häufig Besuchergruppen aus
dem In- und Ausland geführt. Dabei zeigte man in der Regel aber nur ausgewählte
Lagerbereiche, wie die Baracken R I und R II sowie einige „Musterblocks“. Der
Kreis der Besucher war sehr heterogen und reichte von Vertretern verbündeter
Staaten bis hin zu kritischen Journalisten. Mit den Führungen sollte einer angebli-
chen Hetzpropaganda über die Konzentrationslager begegnet und zugleich das
Trugbild einer „harten aber gerechten“ Behandlung der Gefangenen vermittelt wer-
den. Doch nicht alle Besucher gewannen diesen Eindruck, wie zeitgenössische Pri-
vat-Aufzeichnungen über solche Besichtigungen offenbaren. Nicht zuletzt deshalb
existieren mehrere Sichtweisen von dem bei jenen Führungen Gezeigten: Das von
der SS entworfene Trugbild über die Realität im Lager steht einer unterschiedlichen
Wahrnehmung dieser Wirklichkeit durch verschiedene Besucher gegenüber. Hinzu
kommt die von den Häftlingen erlebte Realität, die bei jenen Besuchen gleichsam
als Statisten mitzuwirken hatten. Diese differierenden Sichtweisen galt es mitei-
nander zu konfrontieren, wollte man die Atmosphäre bei jenen Besucherführungen
rekonstruieren. Da wegen einer schwierigen Objektlage die klassischen musealen
Mittel versagten – so sind die Wahrnehmungen von Besuchern, aber auch Häftlin-
gen, oft nur in schriftlicher Form überliefert –, wurden mit einer Drei-Monitor-
Installation neue Wege zur Darstellung von Geschehen beschritten, das von den
Beteiligten unterschiedlich erlebt worden ist. Auf drei nebeneinander angebrachten
Bildschirmen, von denen einer stets die Sichtweise der SS, ein zweiter die der Be-
sucher und ein dritter die der Häftlinge wiedergibt, kann eine solche Führung
durchs Lager aus mehreren Perspektiven gleichzeitig in Film, Bild, Text und Ton
verfolgt werden.
An die Themen des bisher besprochenen Komplexes zum „Alltag im Kranken-
revier zwischen Versorgung und Vernichtung“ schließt sich – als zweiter Hauptteil
der Ausstellung – die Darstellung der im KZ Sachsenhausen begangenen medizini-
schen Verbrechen an. Hier geht es neben der eugenisch motivierten Zwangssterili-
sation sowie der Zwangskastration als „homosexuell“ klassifizierter Häftlinge vor
allem um die Krankenmordaktion „14 f 13“, der über 550 vermeintlich oder tat-
sächlich kranke Insassen des KZ Sachsenhausen zum Opfer fielen. Die „Aktion 14
f 13“ war nach dem Aktenzeichen benannt, das in der Oranienburger Inspektion der
Konzentrationslager für den Mord durch Gas verwendet wurde. Sie begann im Ap-
146 Astrid Ley
In der Ausstellung wird nicht nur der politische und wissenschaftliche Kontext
der jeweiligen Experimente und die Person, Motivation und institutionelle Zugehö-
rigkeit des ärztlichen Täters sowie der Mittäter und Beobachter thematisiert. Eine
zentrale Bedeutung kommt auch der Sicht der Opfer zu, der „Versuchspersonen“,
welche die Experimente durchleben und erleiden mussten. Eines der gezeigten Bei-
spiele, die Geschichte von elf jungen Juden, die im Sommer 1943 für Hepatitis-Ex-
perimente von der Rampe in Auschwitz in das Krankenrevier des KZ Sachsen-
hausen gebracht worden waren, kann sogar an seinem authentischen Schauplatz
präsentiert werden: in Raum 51 der Baracke R II, wo die Kinder und jungen Män-
ner während der über ein Jahr andauernden Versuche leben mussten.
Am Ende der Ausstellung ist ein „Learning-Center“ mit acht Computerarbeits-
plätzen untergebracht, in dem eine interaktiv-multimediale Präsentation zum The-
ma genutzt werden kann. Die in einer deutschen und einer englischen Fassung vor-
liegende Anwendung richtet sich vor allem an Schülergruppen und interessierte
Einzelbesucher. Im Zentrum der ca. 1.300 Bildschirmseiten umfassenden und reich
verlinkten Präsentation stehen zehn „Sprechende Objekte“, über die sich der Nutzer
verschiedene wichtige Aspekte der Ausstellung erschließen kann. Ein zugehöriges
Lexikon bietet mehr als 500 Artikel zu historischen Themen, medizinischen Fach-
begriffen, Tätern und Opfern sowie detaillierte Hintergrundinformationen zu Vo-
raussetzungen, Spezifika und Folgen der NS-Medizin. Mit der Ausstellung zum
Krankenrevier des KZ Sachsenhausen werden die Geschehnisse und Verbrechen in
diesem zentralen Funktionsbereich nationalsozialistischer Lager erstmals ausführ-
lich und für die breite Öffentlichkeit an einem authentischen Ort präsentiert.
148 Astrid Ley
1 Vgl. Fietje Ausländer, „Zwölf Jahre Zuchthaus! Abzusitzen nach Kriegsende!“ Zur Topo-
graphie des Strafgefangenenwesens der Deutschen Wehrmacht. In: Norbert Haase/Gerhard
Paul, Die anderen Soldaten. Wehrkraftzersetzung, Gehorsamsverweigerung und Fahnen-
flucht im Zweiten Weltkrieg. Frankfurt a.M. 1995, S. 50-65.
2 Rudolf Absolon, Die Sondereinheiten der früheren deutschen Wehrmacht (Straf-, Bewäh-
rungs- und Erziehungseinrichtungen). Aachen-Kornelimünster 1952.
3 Siehe Hans-Peter Klausch, Die Bewährungstruppe 500. Stellung und Funktion der Bewäh-
rungstruppe 500 im System von NS-Wehrrecht, NS-Militärjustiz und Wehrmachtstrafvoll-
zug. Bremen (DIZ-Schriften, Bd. 8) 1995.
4 Siehe Hans-Peter Klausch, Die 999er. Von der Brigade „Z“ zur Afrika-Division 999: Die
Bewährungsbataillone und ihr Anteil am antifaschistischen Widerstand. Frankfurt a.M.
1986.
5 Vgl. Manfred Messerschmidt, Die Wehrmachtjustiz 1933-1945. Paderborn 2005, S. 350-
366.
6 Vgl. Hans-Peter Klausch, Orte des Schreckens. Die Feldstraflager der Wehrmacht. In: Via
Regia. Blätter für internationale kulturelle Kommunikation, Heft 24/1995 [als pdf-Datei ab-
rufbar unter: http://www.via-regia.org/bibliothek/pdf/heft24/klausch_orte.pdf – Aufrufda-
tum: 12.10.2010].
7 Allein im Reichsgebiet waren das: Torgau/Fort Zinna, Torgau/Brückenkopf, Anklam, Grau-
denz, Glatz, Freiburg, Bruchsal, Germersheim.
150 Peter Steinkamp
10 Diese Zahlen nach: Ulrich Baumann/Magnus Koch, „Was damals Recht war...“ Soldaten
und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht, Berlin 2008, S. 193.
11 Beim Rückzug wurde dieses Kriegswehrmachtsgefängnis nach Tarnow verlegt; vgl. den
Bericht des dortigen protestantischen Gefängnispfarrers: Hans Leonhard, Wieviel Leid er-
trägt ein Mensch? Aufzeichnungen eines Kriegspfarrers über die Jahre 1939-1945. Amberg
1994 [als htm-Version abrufbar unter: http://www.menschenkunde.net/pfarrer/ – Aufrufda-
tum: 2.9.2009].
12 Allgemeine Heeresmitteilungen. Herausgegeben vom Oberkommando des Heeres. 9. Jahr-
gang. 12. Ausgabe, 7.5.1942, S. 238 (Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg, RHD 2/9). – Ab
1943 wurde dieser Strafvollstreckungsplan nochmals erheblich erweitert; s. hierzu: Allge-
meine Heeresmitteilungen. Herausgegeben vom Oberkommando des Heeres. 9. Jahrgang.
26. Ausgabe, 7.12.1942, S. 576f (Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg, RHD 2/9).
152 Peter Steinkamp
form. – Die fand dann der Bewachungsstamm [die als Bewacher eingesetzten, nicht
strafweise zu den Strafeinheiten zugehörigen Soldaten des so genannten Stamm-
personals; P.S.].“13
Der Gesundheitszustand der allermeisten Gefangenen war bereits nach kurzer Zu-
gehörigkeit zu den Strafeinheiten schlecht, die Sterblichkeit hoch. Bronchitiden,
Nephritiden, Erfrierungen, lebensgefährliche Infektionskrankheiten, Sepsis, Schädi-
gungen des Magen-Darm-Traktes durch unzureichende und ungeeignete Ernäh-
rung, Herz-Kreislaufschäden durch Überlastung und Erschöpfung, schließlich auch
Unfälle aller Art bei primitivsten Arbeitsbedingungen gefährdeten die Gesundheit
der Gefangenen und bedrohten ihr Leben. Hinzu kamen Misshandlungen durch die
Bewacher, die häufig bis zu willkürlichen Tötungen gingen, aber auch Misshand-
lungen durch Mitgefangene sowie in verzweifelter Stimmung begangene Selbstver-
stümmelungen und Suizide.
13 Der Spiegel 18/1951: „Sie haben etwas gutzumachen.“ Ein Tatsachenbericht vom Einsatz
der Strafsoldaten. 13. Fortsetzung. 2.5.1951, S. 15-19, hier: S. 19. – Die insgesamt vier-
zehnteilige Serie begann am 31. Januar 1951 und endete am 2. Mai 1951.
14 Allerdings sind einzelne Erinnerungsberichte publiziert worden, zum Beispiel von Strafla-
gerverwahrten die Berichte von Horst Schluckner (Horst Schluckner, Sklaven am Eismeer.
In: Überlebende. Nach Erlebnisberichten von Horst Schluckner, Hans-Joachim Else und
Siegfried Marohn. Ost-Berlin 1956, S. 7-47; Nachdruck auch in: Fietje Ausländer (Hrsg.),
Verräter oder Vorbilder? Deserteure und ungehorsame Soldaten im Nationalsozialismus.
Bremen (DIZ-Schriften, Bd. 2) 1990, S. 14-40) und Karl-Heinz Hoffmann (Karl-Heinz
Hoffmann, Am Eismeer verschollen. Erinnerungen aus der Haftzeit in faschistischen Straf-
gefangenenlagern in Nordnorwegen. Ost-Berlin 1988); von Feldstrafgefangenen exempla-
risch der Bericht eines Gefangenen bei der Feldstrafgefangenenabteilung 19: Peter Schil-
ling, Aus anderem Holz geschnitzt. Hamburg 2000. – Über die Folgen einer Überstellung in
eine Feldstrafgefangenenabteilung auf die Angehörigen des Betreffenden siehe Uwe-
Karsten Heye, Vom Glück nur ein Schatten. Eine deutsche Familiengeschichte. München
22004. Der Vater des Autors war 1943 in die Feldstrafgefangenenabteilung 4 überstellt
worden, die Mutter wurde darauf hin zur Scheidung gezwungen, der Großvater von seiner
beruflichen Position entfernt; der Autor selbst, der seinen Vater irrtümlich als gefallen
wähnte, traf mit diesem erst in den sechziger Jahren wieder zusammen.
Lebensbedingungen und gesundheitliche Verhältnisse 153
„Die Strafzeit begann am 6.12.42. Nach Angabe des Truppenarztes der Feldstrafgefan-
genenabteilung hat sich W. seit Jan[uar] 43. nicht krank gemeldet. Anlässlich einer Ge-
sundheitsbesichtigung am 14.4.43. fiel W. dadurch auf, dass er sehr stark verlaust und in
seinem Allgemeinzustand reduziert war. W. litt an Durchfall. Am 18.4.43. machte W.
im Arbeitseinsatz schlapp und wurde von Mitgefangenen zur Unterkunft getragen und
dem Tr[ruppen-]Arzt vorgestellt. W. machte einen schwer erschöpften Eindruck und
konnte sich ohne fremde Hilfe nicht aufrecht erhalten. Seine Hose war mit wässrigem
Kot beschmutzt. Wohl infolge Schwäche konnte er die an ihn gestellten Fragen nicht
beantworten. Herztätigkeit verlangsamt, Puls schwach, Untertemperatur. Anzeichen für
einen pneunomischen Infekt waren mit Sicherheit nicht nachzuweisen. W. sollte am
19.4.43. in das Lazarett eingewiesen werden. – In der Nacht vom 18. zum 19.4. ist W. in
seiner Unterkunft unbemerkt verstorben. Er wurde morgens beim Wecken von den Mit-
gefangenen tot im Bett liegend vorgefunden.“15
Der Obduzent, Oberarzt Dr. Jütte von der Pathologischen Abteilung der motori-
sierten Kriegslazarettabteilung 684, der am 20. April 1943 in Borrissowo, südlich
von Moskau, etwa auf der Hälfte der Strecke Moskau – Tula die Leichenöffnung
vorgenommen hatte, fasste deren Ergebnis folgendermaßen zusammen:
„Autoptisch fand sich eine hochgradige Abmagerung mit gallertartiger Atrophie des
subserösen Fettgewebes und vollkommener Fettschwund des Unterhautfettgewebes.
Atrophie der inneren Organe mit starker brauner Pigmentierung der Leber, allgemeiner
Anämie. Hirnödem mit Erweiterung und starker Füllung der Liquorräume. Ein anatomi-
scher Befund, wie man ihn zum Beispiel beim stenosierenden Ösopharguscarcinom fin-
det. Der Infekt des Magendarmkanals ist für diese hochgradige Abmagerung nicht ver-
antwortlich zu machen. Wohl aber spielt er trotz seiner Banalität bei dem tötlichen [!]
Ausgang an Kreislaufschwäche sicher eine Rolle.“
Man hatte Johannes W, der wegen eines läppischen Wachvergehens zu der ohnehin
nicht allzu langen Haftstrafe von neun Monaten verurteilt worden war, nach gerade
einmal vier Monaten, die er bei der Feldstrafgefangenenabteilung 14 schon ver-
bringen musste, schlichtweg verhungern lassen! Hinzu kam noch der anatomische
Nebenbefund „Chronisches Empyem der linken Stirnhöhle“, eine infektiös beding-
te Eiteransammlung, die mit großer Wahrscheinlichkeit mit heftigen Kopfschmer-
zen verbunden gewesen war. Oberarzt Jütte, der als Ergebnis der Obduktion das
Grundleiden „Hochgradige Abmagerung“ und als Todesursache „Körperliche Er-
schöpfung, Kreislaufinsuffizienz“ festhielt, führte in seinem Bericht abschließend
den Kenntnisstand der deutschen Sanitätsführung in der Sowjetunion über Hunger-
todesfälle von Wehrmachtstrafgefangenen an:
„Der Beratende Pathologe der 9. Armee hat meines Wissens zuerst auf Hungertodesfälle
bei strafgefangenen Wehrmachtsangehörigen aufmerksam gemacht, die dann später
auch nach Mitteilung des beratenden Pathologen der Heeresgruppe Mitte Herrn Ober-
feldarzt Prof[essor] Nordmann bei der 4. Armee beobachtet wurden. Rückfragen haben
damals zu dem Ergebnis geführt, dass nicht allein eine kalorische Unterernährung für
die schwere Abmagerung verantwortlich zu machen sei, sondern starke körperliche An-
strengungen verbunden mit Unterbringung in ungeheizten oder schlecht geheizten Un-
terkünften. Der Kalorienverbrauch durch Wärmeverlust war so gross [,] dass die Gefan-
genenkost unzureichend war. Die betreffenden Gefangenen wurden dadurch auffällig,
dass sie unsauber wurden, einnässten und sich sonst wie besudelten und asoziale Re-
gungen zeigten, die man an ihnen bisher nicht beobachtet hatte. Plötzlicher Tod, häufig
unter Mitwirkung eines kleinen belanglosen Infektes.“
Man wusste also ärztlicherseits um die Problematik, schien aber noch bereit zu
sein, sie hinzunehmen.
der Nacht vom 5. zum 6. Jan[uar] brach R. auf der Baustelle zusammen und musste zur
Unterkunft zurückgebracht werden, wo er um 6.30 Uhr eintraf. Laut Bericht des
San[itäts-]U[ntero]ff[i]z[iers] war er ohne Bewusstsein, Puls kaum fühlbar. Er injizierte
subcutan 1 ccm Cardiazol und Lobelin und benachrichtigte den im Ort stationierten
Truppenarzt Pi.Batl. 653. Oberarzt Dr. Bühler traf 7.15 Uhr in der Gef[angenen]-
Unterkunft ein, machte Strophantin Injektion, liess künstl[iche] Atmung durchführen.
8.30 Uhr stellte Oberarzt Dr. Bühler den Tod fest.“16
Als Todesursache vermutete der Abteilungsarzt Kreislaufinsuffizienz infolge einer
beginnenden Hirnhautentzündung. Ob er tatsächlich selbst an diese angesichts des
äußeren Erscheinungsbildes der Leiche (die äußere Besichtigung nach Augenschein
durch den Obduzenten stellte unter anderem fest: „Leib stark eingesunken. An Ar-
men und Beinen keine Fett- und nur geringe Muskelwülste.“) nur als krude zu be-
zeichnenden Vermutungsdiagnose geglaubt hatte, mag offen bleiben. Immerhin
hatte er mit seiner Meldung im Übrigen einen außerordentlich hohen Krankenstand
bei R.s Einheit bestätigt, allerdings wohl eher unbeabsichtigt. Wenn man nämlich
bedenkt, dass beispielsweise eine reguläre Kompanie der Infanterie bei der Wehr-
macht in der Regel eine Mannschaftsstärke von rund 180 Soldaten und Unter-
offizieren aufwies, so sind dreißig in der Revierstunde vom Truppenarzt auf
Krankheit hin zu beurteilende Strafgefangene ein sehr hoher Anteil an der Gesamt-
stärke ihrer Einheit. Vier davon befanden sich in so weit reduziertem gesundheitli-
chen Zustand, dass sie bereits in der Nacht vor der truppenärztlichen Untersuchung
trotz der sicherlich hierfür zu erwartenden Bestrafung nicht mehr arbeiten konnten,
was ihnen jedoch vom Truppenarzt als Simulation und Arbeitsverweigerung ausge-
legt werden sollte. Entsprechend wurde daher auch niemand der Untersuchten
überhaupt krankgeschrieben und von der Arbeit zurückgestellt. Der Obduzent fass-
te entsprechend die Vorgeschichte und die Unterlassung einer Krankschreibung
nicht nur durch den Abteilungsarzt der Feldstrafgefangenen, sondern später sogar
noch durch einen weiteren, nicht zur Abteilung gehörenden Truppenarzt zusam-
men:
„8 Tage vor dem Tode wurde er in einer Revierstunde vorgestellt, aber ebenfalls wie
andere dienstfähig geschrieben. Nochmals kurz vor dem Tode erfolgte Untersuchung
durch einen anderen Arzt als den Truppenarzt, der wieder keinen krankhaften Befund
erheben konnte und darum R. dienstfähig schrieb.“
Sodann verglich er, selbst noch in der Diktion des Obduktionsberichtes erkennbar
gereizt, seine Ergebnisse der Leichenöffnung mit den Angaben des Abteilungs-
arztes:
„Die Obduktion ergab in grossem Widerspruch zu den klinischen Angaben [des Abtei-
lungsarztes; P.S.] [,] dass 1. der Ernährungszustand mässig, dass 2. ein krankhafter Be-
fund zu erheben [war], eine hochgradige allgemeine Abmagerung, die schon äusserlich
auffallend war und sich durch die Untergewichtigkeit der inneren Organe weiterhin be-
stätigte. […] Es wurden nur Veränderungen angetroffen, wie sie bei schwerster Abma-
gerung und Erschöpfung zu finden sind. – Makroskopischer und mikroskopischer Be-
fund gleichen völlig den übrigen Befunden, wie sie vor ein und zwei Jahren bei gleich-
artigen Todesfällen in Feldstrafgefangenenabteilungen beobachtet wurden. Der Tod ist
darum allein Folge der Erschöpfung.“
Angesichts dieses harschen Urteils mochte sich der Obduzent dann offensichtlich
auch nicht zu einem weiteren auffälligen, ebenfalls bereits äußerlich sichtbaren Be-
fund an der Leiche äußern:
„Naseneingänge mit eingetrocknetem Blut beschmiert. Über dem Nasenrücken eine
markstückgroße Hautabschürfung, Blutborke auch über dem re[chten]Auge.“
Es muss daher offen bleiben, ob diese Gesichtsverletzungen von einem möglichen
Sturz bei R.s Zusammenbrechen während der Arbeit herrührten, oder ob er nicht
doch eher, was angesichts des auch sonst üblichen Verhaltens der Wachmann-
schaften wahrscheinlicher erscheint, vor seinem Tod noch misshandelt worden war.
Abb. 3: Karte der Einsatzorte der Strafeinheiten im Osten. Nach: Stiftung Denkmal für die ermor-
deten Juden Europas (Hg.), „Was damals Recht war...“ Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der
Wehrmacht. Berlin-Brandenburg 2008, S. 193. Mit freundlicher Genehmigung der Stiftung
Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin/MMCD NEW MEDIA, Düsseldorf
der Jahre 1949 und 1950. Amsterdam/München 2005, Lfd.Nr. 1352a u. 1352b, S. 253-266;
Lfd.Nr. 1336, S. 107-114.
Lebensbedingungen und gesundheitliche Verhältnisse 159
1 Siehe dazu die grundlegende Arbeit von Herbert, Ulrich, Fremdarbeiter. Politik und Praxis
des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches. Bonn 1999, und die
zusammenfassende Darstellung von Spoerer, Mark, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz.
Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im be-
setzten Europa. Stuttgart, München 2001.
2 Herbert, Fremdarbeiter, S. 77.
3 Der Eilmarsch der Arbeitsverwaltung in Polen. S. V 106 in: Reichsarbeitsblatt Teil V, Nr. 7,
1940.
„Patient ist Polin“ 161
4 Küppers, Hans, Die Stellung der Polen im Arbeitsleben. S. 532-537 in: Reichsarbeitsblatt
Teil V, Nr. 30, 1941 (1941:V 532).
5 Ebd., S. 535.
6 Berliner Geschichtswerkstatt (Hrsg.), Zwangsarbeit in Berlin 1940-1945. Erinnerungsbe-
richte aus Polen, der Ukraine und Weißrußland. Erfurt 2000.
7 Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Rep. 3 B I, Med, Nr. 1039, o. P., Schreiben
von Dr. Huwe vom 29. Juni 1940.
162 Bernhard Bremberger
tonte ferner, „dass die Maßnahmen der Gesundheitsämter wegen der Überwachung
lediglich dem gesundheitlichen Schutz der Deutschen Bevölkerung vor etwa bei
den polnischen Arbeitern vorhandenen oder auftretenden Infektionsmaßnahmen
dienen sollen; es kommen also keine fürsorgerischen Maßnahmen für die polni-
schen Arbeiter in Betracht“.8
Wie sollte man mit erkrankten polnischen Arbeitern umgehen? Eine minimale
medizinische Versorgung konnte ihnen theoretisch gewährleistet werden durch
mehr oder weniger ausgebildete Lagersanitäter oder Betriebsärzte. Deren Aufgabe
bestand allerdings weniger darin, für die Erkrankten zu sorgen, vielmehr waren sie
an allererster Stelle ihrem Arbeitgeber verpflichtet. Zwangsarbeiter mussten hoffen,
dass ihre Arbeitsunfähigkeit tatsächlich als krankheitsbedingt anerkannt und nicht
als Arbeitsbummelei oder -verweigerung interpretiert wurde. Dies hätte nämlich
schikanöse Strafen, etwa in einem so genannten Arbeitserziehungslager zur Folge
gehabt.
Was aber, wenn Zwangsarbeiter so schwer erkrankten, dass nur eine Kranken-
hausbehandlung Aussicht auf Genesung versprach? Spätestens seit Sommer 1940
stand die Frage im Raum, was für das Deutsche Reich effektiver und kostengünsti-
ger sei – eine Krankenhausbehandlung oder eine Entledigung per Rückführung der
Erkrankten in die Heimat. Das Reichsarbeitsministerium setzte am 22. Oktober
1940 fest:
„Mit Rücksicht auf die erheblichen Kosten der Zuweisung einer ausländischen Arbeits-
kraft und den dringenden Kräftebedarf der Betriebe im Reich muß grundsätzlich ange-
strebt werden, die in das Reich hereingeholten Arbeitskräfte dem Arbeitseinsatz […] so-
lange wie möglich zu erhalten. Die vorzeitige Rückbeförderung eines ausländischen Ar-
beiters in die Heimat kann notwendig werden, […] wenn er […] erkrankt, seine Wieder-
herstellung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist und vom ärztlichen Standpunkt sei-
ner Heimreise nichts im Wege steht.“
Als „absehbare Zeit“ ist eine Zweiwochenfrist genannt.9 Die Regelung, wonach
Kranke mit einer Genesungsdauer von voraussichtlich mehr als zwei Wochen in
ihre Heimat zurückbefördert werden sollten, galt auch für Polen.
Die Krankenhausunterbringung von polnischen Patienten folgte zentralen Vor-
gaben. Conti schrieb am 27. Januar 1941 über „die gemeinsame Unterbringung von
Kriegsgefangenen und Arbeitskräften aus den Feindstaaten sowie von polnischen
Arbeitern und deutschen Volksgenossen in Krankenanstalten“, die „schon mehr-
fach zu unliebsamen Vorfällen geführt“ habe:
8 BLHA, Rep. 3 B I, Med, Nr. 1039, o. P., Schreiben von Dr. Huwe vom 16. Juli 1940.
9 V a 5510/30 vom 22. Oktober 1940, „Einsatz ausländischer Arbeitskräfte; hier: Kosten der
Rückbeförderung bei Erkrankung usw., Krankenhauskosten und Überführungskosten bei
Todesfällen.“ Abgedruckt im Dienstblatt I des Hauptverwaltungsamtes Berlin, S. 9-11,
1941. Die Zweiwochenfrist wurde im Verlauf des Krieges ausgedehnt auf drei Wochen
(1941), auf acht Wochen (für „Ostarbeiter“, 1942) und auf sechs Wochen (für ausländische
Arbeiter allgemein, 1944).
„Patient ist Polin“ 163
„Sie widerspricht auch dem gesunden Volksempfinden, das in einer derartigen Maßnah-
me eine unbillige Gleichstellung erkrankter deutscher Volksgenossen und Angehörigen
der Feindstaaten bezw. den kulturell tiefer stehenden polnische[n] Arbeitern erblickt.“
Reichsgesundheitsführer Conti forderte daher, „für eine getrennte Unterbringung
Sorge zu tragen“.10 Ein vergleichbares Schreiben mit demselben Tenor polnischen
Krankenhauspatienten gegenüber muss schon in der ersten Hälfte des Jahres 1940
existiert haben, liegt dem Autor aber derzeit nicht vor. Darauf basieren offensicht-
lich die Überlegungen in den beiden folgenden Beispielen Guben und Berlin-
Neukölln.
10 BLHA, Rep. 41, Bötzow, Nr. 152, o. P., Schreiben des Reichsministers des Innern IV e
8880/40/3916 vom 27. Januar 1941.
11 BLHA, Pr. Br. Rep. 3 B, Reg. Frankfurt I Med, Nr. 1039, o. P., Schreiben des Oberbürger-
meisters der Stadt Guben, 27. Juli 1940. Dabei bezog er sich bereits auf eine ministerielle
Vorgabe, welche die Absonderung polnischer Patienten in Krankenhäusern von Deutschen
bestimmt. Siehe BLHA, Pr. Br. Rep. 3 B, Reg. Frankfurt I Med, Nr. 1039, o. P., Schreiben
des Regierungspräsidenten I.M. 991/46 vom 30. August 1940.
12 BLHA, Pr. Br. Rep. 3 B, Reg. Frankfurt I Med, Nr. 1039, o. P., Schreiben des Regierungs-
präsidenten I.M. 991/46 vom 30. August 1940.
13 BLHA, Pr. Br. Rep. 3 B, Reg. Frankfurt I Med, Nr. 1039, o. P., Schreiben des Oberbürger-
meisters der Stadt Guben, 27. Juli 1940.
164 Bernhard Bremberger
14 Zur Geschichte des Naemi-Wilke-Stifts siehe Hübener, Kristina, „… das Traurigste, was
uns das Jahr brachte.“ Pfleglinge des Naemi-Wilke-Stifts in Guben und ihre Einbeziehung
in das NS-„Euthanasie“-Programm. S. 140-160 in: Thomas Beddies / Kristina Hübener
(Hrsg.), Kinder in der NS-Psychiatrie. Berlin 2004, sowie Süß, Stefan / Hain, Gottfried
(Hrsg.), Das Naemi-Wilke-Stift in Guben. Eine Stiftung zwischen Tradition und Moderne.
Berlin-Brandenburg 2005 und Rose, Wolfgang, Das Naemi-Wilke-Stift in Guben. S. 205-
230 in: Wolfgang Hofmann / Kristina Hübener / Paul Meusinger (Hrsg.), Fürsorge in Bran-
denburg. Entwicklungen – Kontinuitäten – Umbrüche. Berlin-Brandenburg 2007.
15 Über die Einbeziehung von Pfleglingen des Naemi-Wilke-Stifts in die „Euthanasie“ siehe
Kristina Hübener, Kinder und Rose, Wolfgang, Das Naemi-Wilke-Stift im Dritten Reich. S.
91-108 in: Süß, Stefan / Hain, Gottfried (Hrsg.), Das Naemi-Wilke-Stift in Guben. Eine
Stiftung zwischen Tradition und Moderne. Berlin-Brandenburg 2005, S. 98-101.
16 Siehe Rose, Das Naemi-Wilke-Stift im Dritten Reich, S. 105.
17 BLHA, Pr. Br. Rep. 3 B, Reg. Frankfurt I Med, Nr. 1039, o. P., Schreiben des Regierungs-
präsidenten I.M. 991/46 vom 30. August 1940.
„Patient ist Polin“ 165
18 Dies konnte allerdings während des Krieges nicht konsequent durchgeführt werden; auch in
anderen Berliner Krankenhäusern wurden Polen aufgenommen.
19 Landesarchiv Berlin, A Rep 003-04-03, Nr.103, o. P., Abschrift eines Schreibens des Berli-
ner Hauptgesundheitsamtes (HGA VII 4 / III 5) vom 18. November 1940. Erst 2009 hat der
Autor die Forschung darauf aufmerksam gemacht und ist jüngst in der Festschrift zur 650-
Jahrfeier Neuköllns kurz darauf eingegangen (Bremberger, Bernhard, „Allmählich gewöhnt
sich der Organismus daran.“ Stimmen zur medizinischen Situation von Zwangsarbeitern in
Neukölln 1940-1945, S. 418-424 in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins
CVI (= Festschrift zum 650. Stadtjubiläum Neuköllns, 2010). Recherchen in den Beständen
des Landesarchivs zum Krankenhaus Neukölln nach weiteren Dokumenten zu den Polen-
Stationen blieben bislang ohne weitere Ergebnisse.
20 Zu den Forschungen im Standesamt Neukölln siehe Bremberger, Bernhard, Standesamtsun-
terlagen: Geburten- und Sterbebücher. Forschungen und Forschungsverhinderung in Neu-
kölln; S. 110-120 in: Wilfried Reininghaus / Norbert Reimann (Hrsg.), Zwangsarbeit in
Deutschland 1939-1945: Archiv und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrate-
gien. Bielefeld / Gütersloh 2001.
21 2.1.5.1./00001-0199/1039 IST Digitales Archiv. Die Politik des ITS liß es zur Zeit der Ab-
fassung des Beitrags nicht zu, die vollständige Liste zu kopieren. Damit blockierte der ITS
eine sinnvolle Auswertung. Erst nach Redaktionsschluss hat der Suchdienst im Herbst 2010
seine bisherige Politik der Forschungsverhinderung geändert und einen Kurswechsel voll-
zogen.
166 Bernhard Bremberger
sind.22 Wir können daraus ferner einige Namen der im Krankenhaus Neukölln be-
schäftigten polnischen Pfleger, Stations-Mädchen, Arbeiter und Arbeiterinnen ent-
nehmen, die eben auch als Patienten auf diesen Stationen aufgenommen wurden.
Manchmal (wie etwa bei Janina T., die in Mahlow, Dorfstraße 2 bei Krügerke lebte
und nach zwei Wochen mit der Diagnose „Of. Tbc.“ nach Polen entlassen wurde)
bleibt die Frage, ob die Rückgeführten nicht schon bei ihrer Heimkehr den in Polen
praktizierten mörderischen Aktionen gegen Tuberkulosepatienten zum Opfer fie-
len.23 Auch bleibt neispielsweise die besorgte Frage, was mit dem Arbeiter Josef A.
geschah, der am 23. Dezember 1940 wegen „Psychopathie-Simulatio“ dem Ar-
beitsamt zugestellt wurde.
Umfassende statistische Aussagen verbieten sich aufgrund der Unvollständig-
keit der herausgegebenen Materialien. Eine erste Auswertung des Monats Dezem-
ber 1940 ergibt: Insgesamt wurden 47 polnische Patienten genannt, 32 männliche
und 15 weibliche.24 Unabhängig vom Geschlecht kamen die meisten von ihnen (31)
auf die Station 23, Patienten mit so unterschiedlichen Krankheitsbildern wie Schä-
delbruch, Magenleiden und Abszess. Auf Station 14 kamen 10 Patienten mit Ruhr-
oder Scharlach-Verdacht, Paratyphus oder auch Krätze. Entbindungen und Säug-
linge finden sich auf Station 26. Die Stationen 14 und 23 scheinen also tatsächlich
die beiden Polenstationen gewesen sein, von denen Station 14 anscheinend als Iso-
lierstation diente. Zumindest auf Station 23 wurden auch in späteren Jahren zahl-
reiche Polen behandelt, so dass wir hier tatsächlich von einer über mehrere Jahre
bestehenden Polen-Station reden dürfen. Andere Stationen des Neuköllner Kran-
kenhauses kamen jedoch dazu.
Der ITS verwahrt auch Krankenblätter der im Krankenhaus Neukölln behan-
delten Polen. Zur Krankengeschichte einer 18jährigen Polin heißt es kurz und
prägnant: „Patient ist Polin. Anamnese nicht zu erheben.“25 Anschaulicher als hier
kann man kaum machen, wie wenig Wert auf die medizinische Betreuung der pol-
nischen Patienten gelegt wurde. Aus sprachlichen Gründen war es nicht einmal
möglich, eine Anamnese zu erheben. Die Patienten des Krankenhauses Neukölln
während des Zweiten Weltkrieges waren so international, wie eben Zwangsarbeiter
aus dem besetzten Europa in Berlin arbeiten mussten. Aber selbst auf der Polensta-
tion gab es offensichtlich niemanden, der die entsprechende Sprachkompetenz be-
saß.
22 Für die Neuköllner Lokalforschung füge ich das Polenlager in der Britzer Werderstraße 96
an, ein Lager in der Britzer Jahnstraße 20 sowie die noch zu verifizierende Grenzallee 31
für ein Gaubschat-Lager.
23 Siehe dazu Hamann, Matthias, Die Morde an polnischen und sowjetischen Zwangsarbeitern
in deutschen Anstalten. S. 121-181 in: Aussonderung und Tod. Die klinische Hinrichtung
der Unbrauchbaren. Berlin 1985.
24 Darunter ist mindestens ein im Krankenhaus Neukölln geborener Säugling mit seiner Mut-
ter; eine weitere Person ist wegen unterschiedlicher Lesarten doppelt aufgeführt.
25 ITS/ARCH/Berlin, Ordner 146, Seite 31.
„Patient ist Polin“ 167
Ryc.1. Rudolf Stefan Weigl (1883–1957) / Abb. 1. Rudolf Stefan Weigl (1883-1957)
Ryc.2. Od lewej: metryka urodzenia i chrztu R. Weigla; ojciec Fryderyk; Rudolf z mam
(siedzc), z rodzestwem w okresie gimnazjalnym / Abb. 2. Von links: Geburts- und Tauf-
urkunde Weigls; Vater Friedrich; Rudolf (sitzend) mit seiner Mutter; mit Geschwistern wäh-
rend der Gymnasialzeit
174 Les aw Portas
R. Weigl urodzi si 2 wrzenia 1883 roku w Przerowie nad Beczw , diecezji O o-
munieckiej na Morawach w rodzinie niemiecko–austriacko–czeskiej.
Jego rodzicami byli Elbieta Krösel i Fryderyk Weigl (Ryc.2). Gdy ojciec zgin w
wypadku, matka z trójk dzieci w tym z picioletnim Rudolfem przeprowadzi a si
do Wiednia. Tutaj pozna a Józefa Trojnara, polskiego nauczyciela gimnazjalnego,
za którego w nied ugim czasie wysz a za m (Ryc.3).
1 T. Cieszyski, Dzie o Rudolfa Weigla ofiarowane ludzkoci i Polsce, [w] Rudolf Weigl
(1883 – 1957), Wroc aw 1994, s. 19-24.
Rudolf Weigl 175
Ryc. 4. Z on Zofi Królikowsk (po lewej), synow i wnuczkami oraz Ann Herzig / Abb. 4. Mit
Ehefrau Zofia Królikowska (links), mit Schwiegertochter und Enkelinnen sowie Anna Herzig
Ryc.5. Laboratorium prof. Nusbauma, Weigl drugi od prawej, Lwów 1904 r. / Abb. 5. Labor Prof.
Nusbaums; Weil zweiter von rechte, Lemberg 1904
176 Les aw Portas
Uzyskane dog bne wykszta cenie przyrodnicze, przede wszystkim w zakresie en-
tomologii i histologii, stanowi y podstaw jego przysz ych prac. Nie mniej istotne
by o równie i to, e po mobilizacji z pocz tkiem I wojny wiatowej specjalizowa
si a zakresie bakteriologii u F. Eisenberga we Wiedniu. Tu po raz pierwszy zet-
kn si z tyfusem plamistym. Na polecenie austriackiego Ministerstwa Wojny roz-
pocz badania nad tyfusem plamistym w obozach jenieckich w Czechach i Mora-
wach (Ryc. 6, 7).
Ryc.6. R. Weigl (czwarty od lewej), 1914 r. / Abb. 6. R. Weigl (vierter von links) 1914
Ryc.7. Frenstat nad Libin, Weigl (siedzi pierwszy od prawej) w otoczeniu lekarzy i o nierzy aus-
triackich w 1915 r. / Abb. 7. Frenštát an der Lubina, Weigl (sitzend erster von rechts) umgeben
von österreichischen Ärzten und Soldaten
Rudolf Weigl 177
Ryc.8. R. Weigl (drugi od prawej) w Pracowni Bada nad Tyfusem Plamistym w Przemylu w
1919 . / Abb. 8. R. Weigl (zweiter von rechts) im Forschungslabor für Fleckfieber in Przemyl
1919
W roku 1920 uzyska nominacj na profesora oraz kierownika Zak adu Biologii
Uniwersytetu Lwowskiego (Ryc.9). Tutaj opracowa technologi szczepionki prze-
ciwtyfusowej.
2 A. Jonecko, Rudolf Weigl i tyfus plamisty – Wystawa w Przemy lu, „Acta Med. Prem.”
1998, 17, 14-17.
178 Les aw Portas
Ryc.10. Imadeka su ce do unieruchamiania wszy i zaka ania ich doodbytniczo / Abb, 10.
Schraubstöckchen zur Fixierung der Läuse und rektale Infizierung
Ryc.11. Od lewej: klateczki na wszy, karmienie wszy, skóra po karmieniu wszy / Abb. 11. Von
links: Läusekäfige, Läusefütterung, Haut nach Läusefütterung
Po osi gni ciu przez wszy szczytu choroby, zabijano je w formalinie. Wypreparo-
wywano z owada jelito, w którym namna aj c si uzyskiwano wysokie st enie Ri-
cettsia prowazeki. Jelita rozcierano, a z przes czu uzyskiwano szczepionk . Pierw-
sze próby w charakterze karmiciela wszy wykonywa na sobie, nast pnie na cz on-
kach rodziny i najbli szych wspó pracownikach. Sam Weigl przeby infekcj tyfu-
sow . W tym miejscu warto zwróci uwag , i w warunkach naturalnych do zaka-
enia cz owieka dochodzi o nie przez uk ucie zaka onej wszy, ale poprzez wciera-
nie/wdrapywanie w skór jej odchodów. Przy produkcji szczepionki uczestniczyli:
karmiciele wszy zdrowych i zaka onych, strzykacze i preparatorzy. Zatrudnieni oni
byli w dzia ach: hodowli wszy zdrowych, zaka alni i hodowli wszy zaka onych,
preparatorni i wytwórni zawiesiny szczepionkowej, a tak e dziale naukowo-badaw-
czym. (Ryc.12).
180 Lesaw Portas
Ryc.13. Fiolki ze szczepionk przeciwtyfusow i instrukcja stosowania / Abb. 13. Ampullen mit
Fleckfieberimpfstoff und Gebrauchsanweisung
Ryc.14. R. Weigl goci prof. Ch. Nicolle z Francji i doc. H. Sparrow z „Institte Paster” w Tu-
nisie, Lwów 1938 r. / Abb. 14. Prof. Ch. Nicolle aus Frankreich und Privatdozentin H. Sparrow
vom Institute Pasteur in Tunis zu Besuch bei weigl, Lemberg 1938
Ryc.15. R. Weigl (w fartuchu) w Afryce, Abisynia 1939 r. / Abb. 15. R. Weigl (im Arztkittel) in
Afrika, Abessinien 1939
W uznaniu dla zas ug na polu walki z tyfusem, Rudolf Weigl zosta odznaczony
Orderem w. Grzegorza przez papiea Piusa XI4 (Ryc.16). Nie dane mu by o z
3 R. Weigl, O istocie i postaci zarazka duru osutkowego, „Med. Dow. Spo .” 1927, 7, s. 1-2.
4 S. Kryski, By w nauce artyst , „Polityka” 1978, 24,s. 14.
182 Les aw Portas
rónych powodów, czysto ludzkich czy te politycznych, otrzyma nagrody Nobla,
na któr ze wszech miar zas ugiwa .
Ryc.16. Odznaczenia nadane R. Weiglowi za zasugi w walce z tyfusem.5 / Abb. 16. Auszeichnun-
gen Weigls für seinen Kampf gegen das Fleckfieber
5 Od lewej: Order Odrodzenia Polski, Krzyz Komandorski z 1937 r.; Order króla belgijskiego
Leopolda za skuteczne szczepienia ochronne w Afryce z 1937 r.; Order Rycerski w. Grze-
gorza nadany przez papiea Piusa XI za skuteczne szczepienie misjonarzy udaj cych si na
misje do Azji z 1938 r.
Rudolf Weigl 183
Ryc 17. Instytut Tyfusowy prof. Weigla we Lwowie przy ul. Potockiego w latach 1939–1944 / Abb.
17. Fleckfieber-Institut Prof. Weigls an der Potocki-Straße in Lemberg 1939-1944
Ryc.18. Piecz Instytutu Badawczego nad tyfusem plamistym w Krakowie 1946-1948 rok /
Abb. 18. Siegel des Instituts für Fleckfieberforschung in Krakau 1946-1948
Ryc.19. Nagrobek Rudolfa Weigla na Cmentarzu Rakowickim / Abb. 19. Grabstein Rudolf Weigls
auf dem Rakowicki-Friedhof in Krakau
*Zdjcia ze zbiorów Muzeum Narodowego Ziemi Przemyskiej. / Abbildungen aus den Beständen
des Nationalmuseums des Przemysler Landes
stoffes im Klaren und erlaubten es Weigl, seine Arbeiten am Impfstoff, den sowohl
die Rote Armee als auch die Wehrmacht brauchten, fortzusetzen. Als unter der so-
wjetischen Besatzung die Lemberger Universität bis auf ein Medizinisches Institut
mit angeschlossener Klinik geschlossen wurde, behielt Weigl den Lehrstuhl für
Biologie und konnte Vorlesungen abhalten. Das Biologische Institut wurde in Sani-
tär-Biologisches Institut umbenannt und mit der Herstellung von Impfstoff für so-
wjetische Armee und Zivilbevölkerung beauftragt (Abb. 17).
Eine Anstellung als Direktor in der Sowjetischen Akademie der Wissenschaf-
ten lehnte Weigl ab. Er rettete Menschen, die zur Deportation ins Hinterland der
UdSSR verurteilt waren, indem er ihre Unverzichtbarkeit für die Arbeit des Insti-
tuts belegte. Nachdem die deutsche Armee am 1.7.1941 in Lemberg eingerückt
war, verhandelte SS-General Katzmann als Abgesandter Himmlers mit Weigl, der
sich aber nicht einschüchtern und unterordnen ließ. Angeblich antwortete er – in
Kenntnis des Schicksals der Lemberger Professoren, die von den Deutschen er-
schossen worden waren: „Herr General, als Biologe weiß ich, dass alle sterben
müssen. Das Leben ist nun unerträglich geworden, und der Tod mag mich von die-
ser Quälerei erlösen.” Er schlug auch einen Lehrstuhl in Berlin aus, indem er sich
weigerte, die Deutsche Volksliste zu unterschreiben.
Sein Institut wurde nun in „Institut für Fleckfieber und Virusforschung des
OKH“ umbenannt, blieb aber unter seiner Leitung: Letztlich ließen die Nazis ihm
freie Hand in organisatorischen Fragen und hinsichtlich der Auswahl seines Perso-
nals – auch was die „Läusefütterer“ anging: Es war sein größter Wunsch, so viele
Wissenschaftler, Kulturschaffende und Studierende zu retten wie möglich. Im Insti-
tut fanden auf diese Weise Tausende Unterschlupf, darunter auch Angehörige der
Heimatarmee und Juden. Ihnen allen drohte tödliche Gefahr, und ihr größter Schatz
war der Institutsausweis, der sie schützte, wenn sie in Straßenrazzien gerieten.
Weigl empfand sich selbst als Pole. Noch 1944 lehnte er erneut eine Berufung nach
Berlin ab, als die Rote Armee in Lemberg einrückte.
Es war Weigls Impfstoff zu verdanken, dass es während des Zweiten Weltkrie-
ges auf beiden Seiten der Front nicht zu größeren Fleckfieberherden und -epide-
mien kam. Nach dem Krieg bekleidete er den Lehrstuhl für Bakteriologie an der
Universität Posen, schließlich an der Jagiellonischen Universität (Abb. 18).
Er starb am 11. August 1957 in Zakopane und wurde auf dem Rakowicki-
Friedhof in Krakau beerdigt (Abb. 19).
Krieg und Nachkrieg: Josef Hohlbaum (1884-1945),
ein deutscher Chirurg in Prag
Ingrid Kästner, Leipzig, mit Alena Míšková und Josef Stingl, Prag
Das 20. Jahrhundert wird in die Geschichte eingehen als ein Jahrhundert der Ver-
treibungen und zweier Weltkriege, die unermessliches Leid über die Menschen ge-
bracht haben. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dauerte es lange, bis die
europäischen Völker auch den Kalten Krieg überwanden, um sich in einem verei-
nigten Europa gemeinsam der Lösung existenzieller Probleme zuzuwenden. Diese
neue Situation eröffnete erst die Möglichkeit, bislang Verdrängtes anzusprechen
und anhand der Quellen historische Wahrheit jenseits von Ideologien zu suchen.
Diesem Anliegen dient auch die vorliegende Arbeit über den deutschen Chirurgen
Josef Hohlbaum, dessen akademische Karriere von der Leipziger an die Prager
Universität führte und der in den Nachkriegswirren umkam.
Die Arbeit an diesem Thema geht zurück auf den Beginn des Jahres 2006, als
Josef Stingl gefragt wurde, ob man im Archiv des Fakultätskrankenhauses Praha –
Královské Vinohrady feststellen könne, ob dort im Jahr 1945 Prof. Dr. med. Josef
Hohlbaum, der letzte Vorstand der Chirurgischen Klinik der Deutschen Medi-
zinischen Fakultät in Prag, behandelt worden sei. Anlass war eine Passage im Buch
von Hans Killian „Meister der Chirurgie“,1 worin Killian schwere Vorwürfe gegen
den Prager Professor Albert Jirásek richtete. Bei Killian heißt es:
„… Schwer verwundet schleppte man ihn [Hohlbaum, d. Verf.] in die Klinik des Prof.
JIRASEK, der ihm die Aufnahme und Behandlung verweigerte. Derselbe Mann hielt
kurz danach in Amerika Vorträge über Humanismus und ärztliche Ethik. Hohlbaum ist
1946 an den Folgen dieser Verletzung und Grausamkeit gestorben.“2
Mit dem Auffinden von Dokumenten über Hohlbaums Behandlung im Vinohrady-
Krankenhaus, womit bereits die falsche Behauptung von Killian widerlegt war, lie-
ßen die Verfasser es jedoch nicht bewenden, da bei den Recherchen zu Hohlbaum
zahlreiche bislang unbekannte, sehr interessante Archivalien gefunden wurden, die
es erlauben, das dramatische Schicksal Hohlbaums – vor dem Hintergrund der letz-
ten Kriegswochen und des Prager Aufstands – bis zu seinem Tod zum Jahresende
1945 darzustellen. Darüber hinaus ist es gelungen, mit Zeitzeugen zu sprechen und
Unterlagen aus dem Familienarchiv einsehen zu können, so dass aufgrund der Fülle
des Materials geplant ist, in einem Buch3 ein umfassendes Bild von Hohlbaums
Schicksal in seiner Zeit zu geben. In einem kurzen Abriss ist das Leben Hohlbaums
1 Killian, H., Krämer, G., Meister der Chirurgie und die Chirurgenschulen im deutschen
Raum. Deutschland, Österreich, Deutsche Schweiz. Leipzig 1951, 2. Auflage Stuttgart,
New York 1980.
2 Ebenda, 2. Aufl. 1980, S. 63.
3 Stingl, J.; Kästner, I.; Míšková, A.; Musil, V., Josef Hohlbaum (1884-1945) – Ein deutscher
Chirurg in Prag [Arbeitstitel]; erscheint 2012.
Krieg und Nachkrieg 189
4 Stingl, J.; Kästner, I.; Mišková, A.; Musil, V., Životní p íb h profesora Josefa Hohlbauma
[Die Lebensgeschichte Prof. Josef Hohlbaums]. In: Rozhledy v chirurgii [Chirurgische Um-
schau] 88 (2009), 3, S. 151-157.
190 Ingrid Kästner u.a.
und hier sei Jäckle18 zitiert, „bleibt die Tatsache bestehen, dass fast jeder zweite
deutsche Arzt nach 1933 in der NSDAP war, dass eine Mehrheit der deutschen
Ärzteschaft vor 1933 vaterländisch-deutschnational dachte, die Weimarer Republik
verachtete, obrigkeitsgläubig war und sich trotzdem als ‚unpolitisch‘ verstand.“
Auch Ferdinand Sauerbruch, einer der bekanntesten und einflussreichsten Chirur-
gen seiner Zeit, ließ sich von den nationalsozialistischen Größen hofieren und wur-
de 1942 Generalarzt des Heeres. Den Krieg lobte er als „blutigen Lehrmeister des
Chirurgen“ und schrieb später:
„Ich war immer ein unpolitischer Mensch. Ich war und bin der Meinung, man muss sei-
ne Arbeit machen, seine Pflicht tun und sein Land lieben“.19
In diesem Sinne war auch Josef Hohlbaum ein „unpolitischer“ Arzt. Im Zusam-
menhang mit dem Verfahren der Übernahme zum Professor neuen Rechts musste
Hohlbaum seinen „Ahnenpass“ zum Nachweis der „arischen Abstammung“ vorle-
gen und diverse Fragebögen20 beantworten. Dabei gab er auch an, er sei seit 1925
Mitglied der Freimaurerloge „Mozart“ ohne Amt und mit dem III. Grad gewesen
und 1930 „durch Streichung“ ausgeschieden.21
Hohlbaum wurde im Jahr 1941 Stabsarzt und Chefarzt der Chirurgischen Ab-
teilung eines Reserve-Lazaretts in Leipzig, doch zog man ihn nicht zum aktiven
Dienst in der Wehrmacht ein, und er gehörte auch nicht zu den deutschen Chirur-
gen, die man bereits im Jahr 1939 zu Beratenden Chirurgen des Heeres ernannt hat-
te.22 Erst in Prag wurde er „Beratender Chirurg beim Leitenden Sanitätsoffizier
beim Wehrmachtsbevollmächtigten beim Reichsprotektor in Böhmen und Mäh-
ren“.
Josef Hohlbaum, Leipzig, ist unter Ernennung zum o. Prof. der Deutschen Karls-
Universität der Lehrstuhl für Chirurgie übertragen worden.“24
Es muss hier an die Zeit vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erinnert werden,
in der die Tschechoslowakei geschwächt und schließlich als Staat zerstört wurde:
Mit dem in der Nacht zum 30. September 1938 unterzeichneten Münchener Ab-
kommen hatten die Politiker Großbritanniens und Frankreichs Adolf Hitler freie
Hand für die Annexion des mehrheitlich deutschsprachigen Sudetenlandes gege-
ben, und die ethnisch ungarischen und polnischen Gebiete spalteten sich daraufhin
ebenfalls ab. Auf Druck des Deutschen Reiches erklärte sich die Slowakei zum
selbstständigen Staat, am 15. März 1939 rückte die deutsche Wehrmacht in die
Rest-Tschechoslowakei ein, und damit hörte die „Zweite Republik“ auf zu existie-
ren. Das als „Protektorat Böhmen und Mähren“ bezeichnete Gebiet wurde dem
„Reichsprotektor“ Konstantin Freiherr von Neurath unterstellt.
Um das Schicksal Hohlbaums in die historischen Zusammenhänge einordnen
zu können, müsste genauer auf die Situation an der Prager Universität zwischen
den beiden Weltkriegen und vor allem auf die gravierenden Veränderungen nach
dem Münchener Abkommen eingegangen werden. Immerhin hatte es durch den
„Wiener Kompromiss“ von 1882 in Prag zwei Universitäten gegeben, eine deut-
sche und eine tschechische, deren akademische Gemeinschaften separat existierten.
Vor allem nach der Gründung des tschechoslowakischen Staates 1918 entbrannte
der Streit um das Recht, sich auf die historische Tradition der Karls-Universität
berufen zu dürfen, und 1920 wurde per Gesetz alleine der tschechischen Universität
dieses Recht (samt der historischen Insignien, des Archivs und des Carolinums)
zugesprochen. Auch auf anderen Gebieten verschärften sich bereits vor dem Mün-
chener Abkommen die Gegensätze und wuchsen nationalistische Tendenzen. Aus-
führlich sind die Vorgänge an der Deutschen (Karls-) Universität bei Míšková25
dargestellt, worauf hier explizit verwiesen werden soll.
stigt, rasch nach Osten vor. Die Hoffnung auf einen „Blitzsieg“ erfüllte sich aller-
dings nicht, und bereits Ende 1941 gab es große Verluste durch Kriegshandlungen
und den Wintereinbruch. Zu den ersten Opfern der Kämpfe an der Ostfront hatte
Hohlbaums älterer Sohn Harald gezählt, der als Militärarzt am 23. Juli 1941 bei
Smolensk gefallen war. Er hinterließ seine Frau mit dem Sohn, der zwei Monate
vor dem Tod seines Vaters auf die Welt kam. Hohlbaums Frau Adele litt schwer
daran, und auch Hohlbaum zog sich immer stärker zurück und arbeitete unermüd-
lich. Es gelang ihm, das durch Strauß ruinierte Renommé der Klinik wieder herzu-
stellen, indem er als ausgezeichneter Operateur alle Patienten ohne Ansehen der
Nationalität behandelte, zwei Mitarbeiter bis 1944 zur Habilitation führte, aller-
dings selbst kaum mehr wissenschaftlich arbeitete – lediglich eine Publikation aus
dieser Zeit lässt sich noch nachweisen.
Als Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und eigentli-
cher Organisator des Holocaust, zugleich Stellvertretender Reichsprotektor von
Böhmen und Mähren, am 27. Mai 1942 in Prag bei einem Attentat schwer verletzt
worden war, wurde Hohlbaum als Operateur angefordert.27 In der Eile hatte er aber
seine Brille vergessen, so dass er selbst nicht die erste Hand übernehmen konnte.
Bekanntermaßen starb Heydrich nach Milzexstirpation und anfänglicher postopera-
tiver Erholung, doch ist aufgrund des Verlustes der Patientenunterlagen und eines
widersprüchlichen postmortem die genaue Todesursache bis heute ungeklärt.28
Dennoch erhielt Hohlbaum im Oktober 1942 ein von Heinrich Himmler unterzeich-
netes Dankschreiben für die Heydrich geleistete ärztliche Hilfe.29
Nachdem Hohlbaums Frau Adele 1943 mit nur 52 Jahren unerwartet gestorben
war und der jüngere Sohn Gerhard, der sich als Abiturient mit 18 Jahren freiwillig
an die Front gemeldet hatte, als vermisst galt, lebte Hohlbaum nur noch für seine
Arbeit. Im Frühjahr 1945, als sich die Front immer mehr nach Westen verschob,
erkannten auch die deutschen Ärzte in Prag, dass der Krieg verloren war. Hohl-
baum plante die Übersiedlung nach Karlsbad und bot im April 1945 Jirásek die
Übernahme seiner chirurgischen Klinik an, was dieser aber ablehnte.
27 Schilderung dieser Umstände bei Lang, H., Viel Glück auf dem Weg nach München.
Landsberg 1983, S. 85f.
28 Defalque, R. J.; Wright, A. J., The Puzzling death of Reinhard Heydrich. In: Bulletin of
Anesthesia History 27 (2009), 1, S. 3-7.
29 BDC, NSDAP-Zentralkartei, Reichsführer SS an Prof. Hohlbaum, Feld-Kommandostelle,
21.10.1042.
196 Ingrid Kästner u.a.
Unrecht bitter büßen musste, sind von Betroffenen rückblickend geschildert wor-
den.30 Hier soll aber nur auf Hohlbaums Schicksal eingegangen werden.
Am 9. Mai 1945 wurden alle deutschen Ärzte des Allgemeinen Krankenhauses
im Hörsaal der Gynäkologischen Klinik versammelt und die Kliniken offiziell in
tschechische Hände übergeben. Zivilpersonen verhaftete man im Namen des
Tschechischen Nationalrates, Militärpersonen wurden an die Rote Armee in die
Kriegsgefangenschaft überstellt. Die verhafteten Zivilisten, darunter Hohlbaum,
brachte man über das Polizeipräsidium in das Gefängnis Pankrác. Nach etwa zwei
Wochen kam Hohlbaum mit Hunderten anderer Deutscher in das Internierungslager
in Klecany, etwa 15 km nördlich von Prag. Heute befinden sich dort nur noch Fel-
der, doch während des Krieges war das Gelände auch vom Militär als Flugplatz
genutzt worden. Hier musste Hohlbaum unter miserablen Bedingungen mit anderen
Gefangenen auf dem Feld und im Stall arbeiten.
Die Vorgänge, die zur Verwundung und schließlich zu Hohlbaums Tod führ-
ten, sind in einer von ihm selbst im Krankenhaus diktierten Darstellung enthalten.31
Darin heißt es: „Bei der Feldarbeit am 1.7.1945 fand der Aufseher ein Sprengstück,
das er unachtsam in meine Nähe warf. […]“ Dabei wurden sämtliche Weichteile
von Hohlbaums Unterschenkel zerrissen. Obgleich die Verwundung schwer war,
hätte das Bein erhalten werden können, doch erst mit einer Verzögerung von meh-
reren Tagen kam der durch mangelhafte Ernährung und schlechte hygienische Ver-
hältnisse stark geschwächte Patient in das Fakultätskrankenhaus Královské Vinohr-
ady (Weinberg-Krankenhaus).32 Hier wurde er sofort operiert, aber es entwickelte
sich eine langwierige Eiterung, die nicht beherrscht werden konnte, da noch keine
Antibiotika zur Verfügung standen. Hohlbaum wurde dann auf eigenen Wunsch in
das Reservelazarett Frauenheim (Ženské Domovy) verlegt, wo Ende August 1945
eine amputatio in crure erfolgen musste.
Unter größten Schwierigkeiten gelangte Hohlbaum im Oktober 1945 mit einem
Lazarettzug nach Bad Liebenstein, im November desselben Jahres in das Kranken-
haus Waltershausen und schließlich durch das große Engagement von Hohlbaums
Schwiegertochter Ruth in das Krankenhaus Leipzig-Markkleeberg, wo man ihn am
23. Dezember 1945 auf der Privatstation aufnahm. Trotz aller ärztlichen Bemühun-
gen starb Josef Hohlbaum am 30. Dezember 1945 im Alter von 61 Jahren an einer
Sepsis. Die Leipziger Universität hat der Familie kondoliert und zur Beisetzung
30 Vgl. z.B. bei Lang (1983), der erst in dieser Zeit von seinem chirurgischen Chef Hohlbaum
in Prag getrennt wurde.
31 Familienarchiv Klaus Hohlbaum. Beglaubigte Abschrift (datiert Leipzig, 5. Februar 1946)
der von Josef Hohlbaum im Krankenhaus (Reservelazarett Frauenheim Prag) gemachten
Angaben in Übereinstimmung mit den Patientenunterlagen.
32 Zuvor hatte man Hohlbaum in der Klinik von Jirásek, der aber selbst nicht im Hause war,
abgewiesen – so die Darstellung durch Hohlbaum. Die Gründe sind nicht bekannt, können
aber durchaus medizinischer Art gewesen sein. Im Weinberg-Krankenhaus wurde Hohl-
baum sofort aufgenommen und lege artis versorgt.
Krieg und Nachkrieg 197
Blumen gesandt. Das Urnengrab Josef Hohlbaums auf dem Leipziger Südfriedhof
ist nicht mehr vorhanden.33
Diese kurze Darstellung von Hohlbaums Schicksal zeigt, wie die politischen
Verhältnisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrfach das persönliche und
berufliche Leben des begabten Chirurgen negativ beeinflussten und vor diesem
Hintergrund eine Konstellation unglücklicher Ereignisse schließlich zu Hohlbaums
frühem Tode führten.
Der von Killian gegen Jirásek persönlich erhobene Vorwurf der angeblich
Hohlbaum verweigerten medizinischen Hilfe lässt sich nicht aufrechterhalten.
33 Auskunft Dr. Schmidt, Grünflächenamt der Stadt Leipzig, vom 8. März 2007.
Der Schriftsteller und Künstler Ernst Penzoldt (1892–
1955) als Operationsgehilfe im deutschen „Leichtkranken-
Kriegslazarett 3/531 (mot.)“ für polnische Kriegsgefangene
in Lodz (Oktober 1939)*
Michael Sachs, Frankfurt am Main
Der Schriftsteller, Bildhauer und Maler Ernst Penzoldt (1892-1955)1 wurde im Ok-
tober 1939 als Sanitätsfeldwebel und Operationsgehilfe in das „Leichtkranken-
Kriegslazarett 3/531(mot.)“ der Wehrmacht kommandiert. Das Lazarett (mit ma-
ximal 1.400 Betten) war seinerzeit am westlichen Stadtrand von Lodz („Straße des
Ersten Mai“) in zwei polnischen Kasernen (in einer größeren Infanteriekaserne und
in einer kleineren Artilleriekaserne) untergebracht.2 Hier wurden auch „schwerst-
verwundete“ polnische Kriegsgefangene versorgt. Die medizinische Tätigkeit die-
ses Kriegslazaretts kann durch verschiedene Quellen rekonstruiert werden, im Ein-
zelnen:
— die autobiographische Erzählung („Zugänge“), die Penzoldt im Frühjahr
1941 niederschrieb und im selben Jahre an den Verleger P. Suhrkamp
verkaufte, der sie aber erst 1947 publizieren konnte;3
— zahlreiche dokumentarische Aquarelle in zwei Skizzenbüchern (siehe
Abbildungen), die Penzoldt während seiner Zeit in Lodz und über seine
Tätigkeit anfertigte und die nicht zur Publikation gedacht waren;4
— einen medizinischen Erfahrungsbericht, den einer der in diesem Lazarett
tätigen Ärzte (Dr. med. habil. Albert Leichs, Approbation 1932) 1942 in
einer medizinischen Fachzeitschrift publizierte;5
— einen militärischen „Tätigkeitsbericht der beim L.-Kr. Krgs.-Laz. 3/531
eingesetzten Aerzte vom Stab Krgs.-Laz. Abt. (mot.) 571“;6
* Ganz herzlichen Dank an Frau Gertraud Lehmann (Stadtmuseum Erlangen) und an Herrn
Dr. Andreas Jakob (Stadtarchiv Erlangen) für Ihre freundliche Unterstützung!
1 Klein, Christian, Ernst Penzoldt. Harmonie aus Widersprüchen. Leben und Werk (1892-
1955). Köln, Weimar, Wien 2006 (Literatur und Leben, Bd. 66); Lehmann, Gertraud (Red.),
Ernst Penzoldt – Kunst und Poesie. Ausstellungskatalog (Stadtmuseum und Stadtarchiv Er-
langen). Erlangen 1992.
2 Anhand der Bilder Penzoldts hat Herr Prof. Tadeusz Brzeziski (1929-2011) die Kaserne in
ód, in der er 1947 seinen Wehrdienst geleistet hat, wieder erkannt.
3 Penzoldt, Ernst, Zugänge. Berlin 1947, S. 1: „geschrieben Frühjahr 1941“.
4 Stadtarchiv Erlangen. VI.T.a.11163/ Bl. 1-25 (Skizzenbuch I; begonnen Oktober 1939 in
Lodz, Balduinstein, Niederlahnstein, Frankenberg/Eder, beendet 27.2.1940 in Bad Soden
Allendorf); VI.T.a.11164/ Bl. 1-18 (Skizzenbuch II: gezeichnet März/April 1940 in Bad
Soden-Allendorf).
5 Leichs, Albert, Die Behandlung und Prognose der infizierten Schußbrüche. Stuttgart 1942
(Beilagenheft zur Zeitschrift für Orthopädie, Bd. 73).
Der Schriftsteller und Künstler Ernst Penzoldt 199
6 Tätigkeitsbericht der beim L.-Kr. Krgs.-Laz. 3/531 eingesetzten Aerzte vom Stab Krgs.-
Laz. Abt. (mot.) 571: Unterarzt Dr. Baumwart, Röntgenologe, Unterarzt Dr. Leichs, Ortho-
päde, Unterarzt Dr. Schwaabe, Chirurg. [4°, 2 S. (p. 18 u. 19); Druckseiten aus einer unbe-
kannten Publikation] Stadtarchiv und Stadtmuseum Erlangen, 33. Nr. 10. P.J. 59ff. (= M 6
a).
7 Briefe von Dr. Gerhard Bier an Frau Gertraud Lehmann vom Juli/August 1990 über seine
Tätigkeit in Lodz mit Penzoldt und Abschriften der Briefe Penzoldts an Gerhard Bier 1940.
Stadtarchiv und Stadtmuseum Erlangen, 33. Nr. 10. P.J. 74-104 ( M 6 A).
8 Der Deutsche Militärarzt 6 (1941), 502.
9 Penzoldt 1947, p. 147-148.
200 Michael Sachs
10 Leichs 1942.
11 Leichs 1942.
12 Penzoldt 1947, S. 21.
13 Fischer, Hubert, Der deutsche Sanitätsdienst 1921-1945. Organisation, Dokumente und
persönliche Erfahrungen. Osnabrück 1982, Bd. 1, S. 263, 270.
Der Schriftsteller und Künstler Ernst Penzoldt 201
14 Ebd., S. 209f.
202 Michael Sachs
Das Kriegslazarett 3/531 wurde am 4. November nach Lublin verlegt und die
Patienten und Räumlichkeiten an „schon im Anfang angeforderte polnische gefan-
gene Ärzte“ und 150 polnische Sanitätssoldaten übergeben. Außerdem halfen
„fünfzehn volkdeutsche Diakonissinnen“ und „polnische Rotkreuzschwestern“ und
zahlreiche nicht ausgebildete Helferinnen.15
Unterarzt Dr. Leichs stellte in seiner 1942 erschienen Publikation („Aus einem
Kriesglazarett in Polen und aus einem Teillazarett der Orthopädischen Klinik Mün-
chen“) das Krankengut von „über 1.014 Schußfrakturen (infiziert) und Ihre Letali-
tät“ in Lodz zusammen:16
Anzahl der Schuss- Letalität
Lokalisation
frakturen
Handgelenk 46 0
Unterarm 80 0
Ellbogen 55 0
Oberarm 149 7
Schulter 57 5
Sprunggelenk/Fuß 85 2
Unterschenkel 155 9
Kniegelenk 121 53
Oberschenkel 206 59
Hüfte 60 28
15 Tätigkeitsbericht 1939.
16 Leichs 1942, S. 8.
Der Schriftsteller und Künstler Ernst Penzoldt 203
17 Penzoldt, Ernst, Korporal Mombour. Eine Soldatenromanze. Berlin 1941 (2. Auflage 1943),
S. 8.
18 Ebd. S. 9.
19 Ebd. S. 9.
20 Ebd., S. 48.
21 Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen
der ehemaligen deutschen Wehrmacht (Berlin), Schreiben vom 7.4.2009.
204 Michael Sachs
1926 folgte das Studium der Medizin an den Universität Königsberg, unterbrochen
1923-1924 durch die Dienstzeit beim 1. Preußischen Artillerie-Regiment. 1926-
1927 war Kaiser Medizinalpraktikant an der Chirurgischen Universitätsklinik Kö-
nigsberg und im Auguste Viktoria-Krankenhaus in Berlin-Weißensee. 1927 arbeite-
te er als Assistent am Pathologischen Institut der Universität Königsberg; im glei-
chen Jahr wurde er approbiert und publizierte seine Promotionsarbeit aus der chi-
rurgischen Universitätsklinik zu Königsberg Pr. (Direktor: Prof. Dr. Martin Kirsch-
ner).22 Dr. Paul Kaiser war seit 1937 Stabsarzt in Berlin und um 1938 in dieser
Funktion beider Sanitäts-Staffel Berlin der Sanitätsabteilung 23 in Potsdam.23 An-
fang 1939 stieg er auf zum „Oberstabsarzt und leitende[n] Arzt der Ohren-, Nasen-,
Halsabteilung des Lazaretts in Berlin-Tempelhof“.24 Er war 1939 (Okto-
ber/November) Chefarzt des Leichtkranken-Kriegslazaretts 3/531 (mot.) in
Lodz/Polen und wurde seitdem „Polenkaiser“ genannt. 1941 lebte er in Berlin-
Schöneberg Münchener Str. 29 und praktizierte als HNO-Facharzt.25 Ende 1941
war er als Chefarzt des LK-KL 3/531 in Smolensk (im „roten“ und „grünen“ Haus
[Sportakademie] Kiewer Str.,) eingesetzt, danach in Roslawl. 1965 ist Kaiser als
HNO-Arzt in Wuppertal nachgewiesen.26
Vielleicht handelt es sich bei dem von Penzoldt erwähnten „schöne[n] Kom-
mandeur“ („der leitende Arzt des Lazaretts“27) um Paul Kaiser, der sich in seinem
Lehrbuch – nicht uneitel – bei der Untersuchung eines Patienten selbst abbildet.
Um wen es sich bei dem in der Erzählung „Zugänge“ von Penzoldt erwähnten, das
Lazarett besichtigenden „Armeearzt“ (wohl der 8. Armee) handelt, konnte ich lei-
der bisher noch nicht ermitteln.
1 St. E. Ambrose: To America. Personal Reflections of an Historian. New York u.a. 2002,
XVI.
2 Details über das deutsche Medizinwesen und über die Person Karl Brandts sind nachzulesen
in: U. Schmidt: Hitlers Arzt. Karl Brandt. Medizin und Macht im Dritten Reich. Berlin
2009.
3 Personalbogen, Otto Ranke, Offizierspersonalakt 9730, Bayerisches Hauptstaatsarchiv/
Kriegsarchiv, München. Ein allgemein gehaltener Lebenslauf findet sich bei: R. Wittern:
216 Rüdiger von Dehn
Rankes frühe medizinische Studien führten ihn nach München und nach Frei-
burg im Breisgau, wo er 1923 sein Staatsexamen ablegte. Die Promotion konnte
bereits 1924 („Über die Änderung des elastischen Widerstandes der Aortenintima
und ihre Folgen für die Entstehung der Atheromatose“) vollzogen werden. Es folg-
ten zwei weitere Jahre Studium an der Technischen Hochschule in München. 1928
begannen seine akademischen „Wanderjahre“, die an die Physiologischen Institute
der Universitäten in Basel und in Heidelberg führten.4 Dort schloss er seine Habili-
tation („Die Gleichrichter-Resonanz-Theorie“, 1932) an. Begleitet wurde sie von
seinem langjährigen akademischen Lehrer Philipp Broemser (1886-1940).5
1935 verließ der junge Mediziner Baden-Württemberg, um am Luftfahrtmedi-
zinischen Forschungsinstitut in Berlin tätig zu werden. Der Wechsel zahlte sich be-
reits 1937 aus. Als außerplanmäßiger Professor wurde er zum Direktor des Instituts
für Arbeits- und Wehrphysiologie an der Berliner Militärärztlichen Akademie er-
nannt. 1939 richtete Ranke das Zentralarchiv der Wehrmacht in Berlin ein. Bis
1945 sollte er diesen Posten innehaben. 1946 wurde er als ordentlicher Professor
der Physiologie nach Erlangen berufen, wo er mit den Aufgaben des Institutsdirek-
tors betraut wurde. Die Professorenschaft stellte sich ganz hinter seine Berufung.
Man sah „in Prof. Ranke einen unserer ersten Physiologen, der sich anderwärts und
hier ausgezeichnet bewährt“ habe. Nach zwei Jahren Kriegsgefangenschaft war er
ins akademische Leben der Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt, wo er in
der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit hoch geschätzt wurde. Ranke starb am
19. November 1959 in Erlangen.6
7 Erklärung von Otto F. Ranke, Pöcking, 7.4.1946, Personalakte: Otto F. Ranke, F 2/1 Nr.
1706, Universitätsarchiv Erlangen.
8 Nürnberger Zeitung, 3.7.1948, Ausgabe 53; Schreiben des Dekans der Medizinischen Fa-
kultät der Universität Erlangen, 2.6.1948; Nürnberger Nachrichten, Ausgabe Erlangen,
3. Juli 1948. Die öffentlichkeitswirksamen Anschuldigungen aus dem „Neuen Deutschland“
wurden im Zuge von Rankes Berufungsverfahren erneut abgeschwächt. So findet sich in
keiner Form der Begriff des Kriegsverbrechens. Vielmehr ginge es nun darum, „die An-
schuldigung des Militarismus“ fallen zu lassen – so der Dekan. Schreiben des Dekans der
Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen, Betreff: Wiederbesetzung des Lehrstuhls
für Physiologie, Erlangen, 9.8.1947, beide: Personalakte: Otto F. Ranke, F2/1 Nr. 1706,
Universitätsarchiv Erlangen. Für weitere Informationen zu Versuchsreihen im KZ Dachau,
siehe: Ausstellungskatalog, Konzentrationslager Dachau 1933-1945, hrsg. vom Comité In-
ternationale de Dachau. München 2005, S. 182ff.
9 I. Kästner, Der Mißbrauch des Leistungsgedankens in der Medizin unter der faschistischen
Diktatur und die Folgen für die Gesundheits- und Sozialpolitik. In: A. Thom/ G.I. Carego-
rodcev (Hrsg.), Medizin unterm Hakenkreuz. Leipzig 1989, S. 183–204, hier besonders: S.
194, Abb. 17.
218 Rüdiger von Dehn
seinem schwedischen Kollegen und Stabsarzt Nils Alwall (1904-1986). Dieser war
immer wieder nach Berlin gereist, um mit Ranke über seine in der schwedischen
Armee durchgeführten Versuchsreihen zu sprechen.10 Sein deutscher Kollege konn-
te bereits Ergebnisse aus dem Jahr 1938 vorweisen, die sich auf Pervitin-Versuche
an Fähnrichen der Militärärztlichen Akademie stützten.11
Gesundheit geringer ist als der persönliche oder allgemeine Schaden, der ohne die-
se Bekämpfung zu erwarten“ sei.14
In den ersten Jahren des Krieges wurde der Umgang mit Pervitin immer wider-
sprüchlicher. Einerseits wurde vor den Folgen des Missbrauchs gewarnt, anderer-
seits wurde es weiter als Motivationshilfe für kampfesmüde Soldaten beworben.15
Alsbald wurden Probleme mit der richtigen Anwendung des Weckmittels in der
Truppe heruntergespielt.16
1941/42 wurde schließlich die Grundannahme publik gemacht, dass nur von
charakterlich schlecht entwickelten Menschen eine Sucht bzw. ein Missbrauch zu
erwarten sei.17 Von Stabsoffizieren, die in 33 Kampftagen in Frankreich über 120
Tabletten konsumierten (normaler Konsum: 2 Tabletten für einen ca. 3 bis 8 Stun-
den andauernden Wachzustand) war kaum mehr die Rede.18 Gleiches gilt für Sani-
tätssoldaten, die mit den Tabletten einen morgendlichen „Kater“ wieder loswerden
wollten oder Pervitin „[a]ls Stimulanz bei Gesellschaften“ einnahmen. Längst wur-
de auch nicht mehr von Drogen gesprochen. Es gab nur noch „leistungssteigernde
Mittel“. Die Sicherstellung des militärischen Erfolgs stand längst über der Erhal-
tung der Gesundheit der eigenen Soldaten. In einigen Fällen konnte es sogar Leben
retten.19
Die Feststellung galt besonders für die Angehörigen der Kleinkampfmit-
telverbände der Kriegsmarine. Obwohl das „Wundermittel“ bis 1944 offiziell keine
Verwendung fand, mussten die Besatzungen der Klein-U-Boote zwangsläufig da-
rauf zurückgreifen. Die Notwendigkeit, in kurzen Abständen den Sauerstoffgehalt
im Boot zu prüfen, ermöglichte immer nur einem Besatzungsmitglied eine Ruhe-
14 Aus dem Arbeits- und Wehrphysiologischen Institut der Militärärztlichen Akademie, Ber-
lin, Leistungssteigernde Mittel, von Oberstabsarzt Prof. Dr. Ranke, ohne Datum, S. 7; Ent-
wurfschreiben, Wehrphysiologisches Institut der Militärärztlichen Akademie, Betr.: Weck-
mittel „Pervitin“ und „Elastonon“, Berlin, 8.4.1940, S. 4, Anweisung für den San.-Offizier
über das Schlafbeseitigungsmittel Pervitin, sämtliche Quellen Bestand: BA-MA, RH 12-
23/1882.
15 Walther von Brauchitsch, Der Oberbefehlshaber des Heeres, Berlin 12.4.1940, BA-MA, RH
12-23/ 1882.
16 Merkblatt über Ermüdungsbekämpfung (Pervitin-Merkblatt), Entwurf und Endfassung,
16.6.1941, BA-MA, RH 12-23/1882.
17 Siehe dazu u.a.: H. Greving, Wo liegen die Gefahren der Pervitin-Verordnung? In: Hippo-
krates, Sonderdruck (1942), H. 15, S. 279-281, hier: S. 2-5; : Pervitin-Merkblatt, Entwurf,
26.6.1941, BA-MA, RH 12-23/1882.
18 Schreiben des Beratenden Wehrphysiologen beim Heeres-Sanitäts-Inspekteur, Berlin,
27.5.1941.
19 Für weitere Details, siehe M. Unger, Der Einsatz von Pervitin im deutschen Heer im Zwei-
ten Weltkrieg und dessen wissenschaftliche Vorbereitung seit 1937. In: Wehrmedizinische
Monatsschrift 3 (1994), H. 11, S. 374-380, hier: S. 377. Ergänzend: Entwurfschreiben,
Wehrphysiologisches Institut der Militärärztlichen Akademie, Betr.: Weckmittel „Pervitin“
und „Elastonon“, Berlin, 8.4.1940, S. 2, 7; Pervitin-Merkblatt, Entwurf, 26.6.1941, beides
Bestand: BA-MA, RH 12-23/1882.
220 Rüdiger von Dehn
pause. Die durch Pervitin gesteigerte Aufmerksamkeit war in diesem Fall überle-
benswichtig.20
20 V. Hartmann, Pervitin. Vom Gebrauch und Mißbrauch einer Droge in der Kriegsmarine. In:
Wehrmedizinische Monatsschrift 38 (1994), H. 4, S. 137-142, hier: S. 140f.
Tot aber glücklich 221
und Mielke über das „Diktat der Menschenverachtung“10 gelesen hatten, sich be-
reits früh über die Dimension der Mittäter- oder Mitläuferschaft in Kenntnis setzen
konnten.
Nur vor diesem Hintergrund der Ausblendung11 konnte die Idealisierung einer
ärztlichen Tätigkeit gelingen, die mit archaischen Mitteln (Nähte mit Zwirn, Ampu-
tationen mit Metallsägen, Trepanationen mit normalen Handbohrern) heilte: Die
unpolitische elementare handwerkliche Chirurgie schien auf diesem Hintergrund
neutral zu bleiben gegenüber aller Barbarei, die Ärzten des sogenannten Dritten
Reiches durch kritische (Medizin-)Historiker angelastet wurde.
Freilich gab es auch in der Ärzteschaft Widerstand gegen die menschenverach-
tenden medizinischen Experimente und Tötung von sogenannten Geisteskranken;
dieser fand allerdings kaum Resonanz oder gar Unterstützung in den gleichge-
schalteten ärztlichen Standesorganisationen. Insofern kann es nicht wirklich ver-
wundern, dass die Medizin als Wissenschaft und Praxis und der Arztberuf im Be-
sonderen in der Nachkriegszeit rasch wieder an Reputation gewinnen konnten, dass
nur wenige Mediziner für ihre Teilnahme an den sogenannten Euthanasie-Aktionen
und an den Tötungen vermeintlich menschenunwürdigen Lebens strafrechtlich ver-
folgt wurden, und die positiven Beispiele ethisch korrekten ärztlichen Handelns,
vor allem im Kriegseinsatz, idealisiert wurden.
Als der Chirurg Dr. Ottmar Kohler an Silvester des Jahres 1953 im Lager
Friedland aus beinahe elfjähriger sowjetischer Gefangenschaft heimkehrte, war er
ein geachteter Mann:12 Er wurde am folgenden Neujahrstag im Kölner Hauptbahn-
hof nicht nur von Konrad Adenauer, sondern auch von vielen ehemaligen Kriegs-
gefangenen freudig begrüßt. Seine Frau lebte mit der Tochter damals in Köln-Mül-
heim; beide hatte er seit einem Urlaub (wegen einer Verwundung) zu Weihnachten
1942 nicht mehr gesehen. Nur etwa 6.000 (von ca. 90.000) Soldaten der 6. Armee,
die in Stalingrad vernichtet wurde, kehrten aus der Gefangenschaft nach Hause zu-
rück. Kohlers Ruf war ihm vorausgeeilt als „Arzt von Stalingrad“, der Hunderte
von Menschen in verschiedenen Kriegsgefangenenlagern mit primitiven Hilfsmit-
teln vor dem sicheren Tod gerettet hatte.
10 So der Titel der ersten Broschüre, dann 1949 als Abschlussbericht zu den Nürnberger Pro-
zessen als „Wissenschaft ohne Menschlichkeit“ im Verlag L. Schneider in Heidelberg er-
schienen, erst 1960 als Taschenbuch mit dem Titel „Medizin ohne Menschlichkeit“ wieder
aufgelegt.
11 Mitscherlich schrieb über das erste Erscheinen des Buches im Vorwort von 1960: „Nahezu
nirgends wurde das Buch bekannt, keine Rezensionen, keine Zuschriften aus dem Leser-
kreis; unter den Menschen, mit denen wir in den nächsten zehn Jahren zusammentrafen,
keiner, der das Buch kannte. Es war und blieb ein Rätsel – als ob das Buch nie erschienen
wäre.“
12 Bundeskanzler Konrad Adenauer hat ihn persönlich bei der Ankunft aus der Kriegsgefan-
genschaft im Lager Friedland am 3.1.1954 begrüßt. Siehe DIE WELT vom 1.8.1979. Siehe
auch: http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=402 und Nahe- Zeitung vom
1./2.02.2003, S. 17.
Ottmar Kohler 225
Als im Jahre 1956 ein Roman mit dem Titel „Der Arzt von Stalingrad“ von
dem Schriftsteller Konsalik erschien,13 war aller Welt klar, dass Dr. Kohler das
Vorbild dieses Stoffes war. Obwohl Konsalik den Chirurgen Kohler vor Erscheinen
des Romans nie getroffen hatte, sagte er über ihn: „Dieser Mann war ein Held der
Wirklichkeit, keine erfundene Romanfigur.“14
Kohler selbst war niemals glücklich über seine Verknüpfung mit der Romanfi-
gur des Arztes von Stalingrad. Er war kein Mensch für die öffentliche Bühne, er
vergaß nicht die vielen anderen Ärzte, die in Gefangenschaft Ähnliches leisteten,
und es gab durchaus Kollegen, die seine Anerkennung missgünstig beobachteten.
Im Juli 1954 erschien ein Bericht über Kohler in „Das Beste aus Reader’s Di-
gest“,15 im gleichen Jahr in der „Münchner Illustrierten“ eine Fotoreportage mit
dem Titel „Ein Held der Menschlichkeit“.16 Auch die in Florenz erscheinende „Na-
zione Sera“ erzählte in einer Serie über die außergewöhnlichen Leistungen des
„Dottore dei miraculi“.17
Trotz dieser Publizität und Anerkennung lag immer ein Schatten über Kohlers
Seelenleben, wie Mitarbeiter des Städtischen Krankenhauses in Idar-Oberstein be-
richten. Die mehrfache Tragik seines Lebens besteht darin, dass er, vaterlos aufge-
wachsen, 1941 als junger Mediziner in einem Sanitätskommando der 6. Armee in
einen beispiellosen Vernichtungskrieg nach Russland marschierte, über 10 Jahre in
russischer Gefangenschaft verbringen musste, und sich als Spätheimkehrer fremd
im eigenen Land fühlte. Er konnte an seinen Traum einer wissenschaftlichen medi-
zinischen Karriere nicht mehr anknüpfen und er wurde zuletzt funktionalisiert für
die Bedürfnisse der westdeutschen Nachkriegsgeschichte, indem er zur Projektions-
fläche für die Suche nach dem „guten Deutschen“ im Krieg angesichts der Ver-
brechen des Zweiten Weltkriegs geworden war.
Der Schriftsteller Heinz G. Konsalik hatte mit dem Ohr am Zeitgeist die Apo-
logie der Medizin in der Zeit des Nationalsozialismus im „Arzt von Stalingrad“
(1956) literarisch entworfen. Die Medizin der Nachkriegszeit interessierte sich
nicht mehr für die unmenschliche Medizin der Jahre von 1933 bis 1945, deren
ideologischer Boden allerdings bereits in der Zeit vor und nach dem Ersten Welt-
krieg durch eine fatale genetische und erbhygienische Forschung vorbereitet wurde.
Der immense Erfolg des Romans von Konsalik (später auch verfilmt mit O.E. Has-
se und Mario Adorf), der mit der Realität der Kämpfe um die Wolgastadt wenig
gemein hat, sondern den Mythos von Stalingrad nur als Chiffre für das Grauen des
Krieges aufnimmt, erklärt sich durch seine groteske Botschaft: Die Überlegenheit
der Deutschen zeige sich trotz der Niederlage im Krieg in der moralischen Integri-
tät und der überlegenen ärztlichen Heilkunst.
Ottmar Kohler wurde am 19. Juni 1908 in Gummersbach, einer Kreisstadt im
Oberbergischen Land, in eine Familie mit ärztlicher Tradition geboren.18 Der Vater,
ebenfalls Arzt mit gleichem Vornamen, starb einige Monate vor seiner Geburt. Die
Mutter Georgine war gebürtig aus Gummersbach. In ihrer Familie gab es den Arzt-
beruf bereits in der vierten Generation. Kohler studierte in Rostock, Wien und Köln
Medizin und bestand dort das medizinische Staatsexamen. Er war Mitglied in der
Münchener Burschenschaft „Cimbria“. Mit seiner Doktorarbeit über „Zwei ober-
bergische Ärzte und ihre Bedeutung für den Kaiserschnitt“ wurde er an der Univer-
sität Köln promoviert.19 Am 27. Juni 1938 erhielt er von der Reichsärztekammer
Rheinland die Facharztanerkennung im Fach Chirurgie.
Im September 1939 wurde er zur 60. Infanteriedivision eingezogen und er-
reichte als Oberarzt der Reserve mit dieser Division nach Einsätzen in Polen,
Frankreich und auf dem Balkan im Herbst 1942 Stalingrad, wo er in den berüchtig-
ten Kessel eingeschlossen und gefangen genommen wurde, obwohl er durch einen
Heimaturlaub im Dezember 1942 die Chance zum Verbleib in Deutschland gehabt
hätte: Er habe seine Kameraden nicht im Stich lassen wollen und kehrte in das In-
ferno zurück. Von Februar 1943 bis 1953 befand sich Kohler in russischer Gefan-
genschaft und verbrachte diese Zeit in insgesamt 13 verschiedenen Lagern: u.a. in
Jelabuga, Tarnowje, Solny, Dubowka. Er musste dort mit bescheidensten Mitteln
ärztlich tätig sein, besann sich auf mittelalterliche medizinische Methoden, diagno-
stizierte ohne Röntgen-Apparate nur mit klinischer Untersuchung. Kohler selbst litt
während der Gefangenschaft über dreizehn Tage an einer Fleckfieberinfektion mit
mehr als 40° C Fieber. Im Jahr 1949 übertrug man ihm die ärztliche Leitung der
Chirurgischen Abteilung des Zentralhospitals für Kriegsgefangene in Stalingrad.
Kohler hatte nach eigener Zählung während des Krieges mehr als 600 Bauchschüs-
se, sehr viele Brust- und Schädelverletzungen und unzählige Extremitäten-
Verletzungen angesichts widriger Bedingungen ungewöhnlich erfolgreich operiert.
Als Oberarzt an der 2. Chirurgischen Universitätsklinik in Köln versuchte er
„mit bewundernswerter Energie“, wie ihm sein Lehrer Prof. Schwaiger beschei-
nigte,20 wieder Anschluss an den Stand der medizinischen Entwicklung im Nach-
kriegsdeutschland zu finden; trotzdem blieb ihm eine universitäre Karriere ver-
schlossen. Auch wenn er 1954 aus der Hand des Bundespräsidenten Theodor Heuss
das Große Bundesverdienstkreuz, im gleichen Jahr die Paracelsus-Medaille der
Deutschen Ärzteschaft und 1978 die Hartmann-Plakette erhielt, fühlte er sich doch
18 Ebd.
19 Ottmar Kohler: Zwei oberbergische Ärzte und ihre Bedeutung für den Kaiserschnitt, Köln
1934.
20 Ebd.
Ottmar Kohler 227
In einem Brief vom 18. März 1968 macht sich Kohlers tiefe Enttäuschung über den
Empfang der Kriegsteilnehmer in der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit Luft:
„Das Fortgehen in Krieg und Gefangenschaft war sicher sehr schwer – aber das
Zurückkommen war tausendmal schwerer.“
Am 27. Juli 1979, im Alter von 71 Jahren verstarb Kohler unerwartet früh an
den Folgen eines Schlaganfalls, nachdem er im März des gleichen Jahres am Her-
zen operiert worden war. Beigesetzt wurde er in seinem Geburtsort Gummersbach.
Im Andenken an seine Verdienste, die ihm die „uneingeschränkte Zuneigung, das
Vertrauen und die Dankbarkeit der Bürger“25 (so Oberbürgermeister Korb in der
Grabrede) einbrachten, wurde die Strasse am Klinikum Idar-Oberstein nach ihm
benannt.
* Folgender Aufsatz beruht auf meiner im Dezember 2008 eingereichten und inzwischen
publizierten Diplomarbeit: Blutiges Handwerk – Die Entwicklung der österreichischen
Feldsanität zwischen 1748 und 1785, Wien 2012.
1 Francesco Ventura della Sala ed Abraca, Spanisches Kriegsreglement mit noethigen An-
merckungen, Berlin 1736, 305f.
2 Die französische Armee hatte schon am Beginn des 18. Jahrhunderts einen relativ gut orga-
nisierten Militärsanitätsdienst, der auch als Vorbild für andere europäische Staaten diente.
Auch die Truppen der englischen Krone schienen schon im Spanischen Erbfolgekrieg me-
dizinisch vergleichsweise gut versorgt gewesen zu sein. Vgl. Jürgen Luh, Kriegskunst in
Europa 1650-1800, Köln-Weimar-Wien, 2004, 55f.
3 Vgl. Achim Kutscher, Das Sanitätswesen in den kaiserlichen Heeren unter Prinz Eugen von
Savoyen, Diss. München 1985.
234 Matthias König
Die Ausgangssituation
Das Gesundheitswesen der frühen Neuzeit unterscheidet sich in vielen Punkten von
dem unserer Zeit. Der markanteste und wichtigste Unterschied ist dabei wohl die
Tatsache, dass akademisch ausgebildete Ärzte kein Marktmonopol besaßen. Die
medizinische Versorgung von Zivilisten und Soldaten wurde nämlich durch Ange-
hörige verschiedener Berufsgruppen gewährleistet. Dabei unterschied man grob
zwischen zwei Arten von Heilverfahren. Die cura interna, also die Behandlung von
Krankheiten durch die Einnahme verschiedener Substanzen, oblag den akademisch
ausgebildeten Ärzten oder Medici. Alle Therapien an der Körperoberfläche – dazu
gehörten alle chirurgischen Operationen, Behandlungen an Augen und Zähnen so-
wie das Schröpfen, der Aderlass und das Auftragen von Pflastern – fielen als cura
externa in den Aufgabenbereich einer großen Gruppe Heilkundiger, welche sich
ihre Kunst im Rahmen einer Lehre angeeignet hatte. Auffällig und für die heutige
Zeit nur schwer vorstellbar ist nicht nur die Tatsache, dass die Chirurgie ein Lehr-
beruf war, sondern dass sie auch eng mit Dienstleistungen zur Körperhygiene wie
der Zubereitung von Bädern, dem Scheren der Bärte oder dem Haareschneiden zu-
sammenhing.4
Ihre Ausbildung erfuhren die Chirurgi in einer der vielen zivilen Bad- oder
Barbierstuben.5 Laut Johann Hunczovsky,6 einem Zeitgenossen Josephs II. und
Lehrer am Josephinum, lernten sie aber dort lediglich „[…] barbieren, aderlassen
und wie man ein Blasenpflaster anlegt […] nach drey Jahren wurden sie sodann als
ausgelernt freygesprochen […]“.7
Diesem Zitat zum Trotz kann davon ausgegangen werden, dass viele Chirurgen
ihr Handwerk beherrschten und aufgrund des Ärztemangels vor allem in ländlichen
4 Vgl. dazu Michael Sachs, Die Geschichte der operativen Chirurgie, Die Entwicklung der
Chirurgie im deutschen Sprachraum vom 16. zum 20. Jahrhundert Bd. 4, Heidelberg 2003.
Vgl. auch: Sonia Horn, Des Propstes heilkundlicher Schatz, Medizinische Literatur des 16.
und 17. Jahrhunderts in der Bibliothek des ehem. Augustiner-Chorherrenstiftes St. Pölten,
St. Pölten 2002, 44-53.
5 Vgl. Sonia Horn, „… ein wohl auffgerichtes theatrum anatomicum.“, Anatomischer Unter-
richt für nichtakademische Heilkundige an der Wiener Medizinischen Fakultät im 18. Jahr-
hundert. In: Jürgen Helm/ Karin Stukenbrock, Anatomie, Sektion einer medizinischen Wis-
senschaft im 18. Jahrhundert, Stuttgart 2003, 189-22, hier 202–205.
6 Johann Nepomuk Hunczovsky (1752-1798). Ab Ende 1780 Lehrer für „niedere Chirurgie
und Operationen“. 1791 ernannte ihn Leopold II. zum Leibchirurg. Vgl. Wolfgang Baresel,
Personalbiographien von Professoren der medizinischen Fakultät der Universität Wien im
ungefähren Zeitraum von 1745-1790 und der Josephsakademie in Wien von 1780-1790,
Diss. Erlangen-Nürnberg 1971, 159-160.
7 Johann Hunczovsky, Ueber die neuere Geschichte der Chirurgie in den k. k. Staaten. Eine
Rede gehalten am 8ten November 1787, als die k. k. Josephinische medcinisch-chirurgische
Akademie zu Wien den Gedächtnisstag ihrer Stiftung und Uebersetzung zum zweytenmale
feyerte. Abgedruckt bei: Helmut Wyklicky, Das Josephinum, Biographie eines Hauses,
Wien 1985, 25f.
Blutiges Handwerk 235
8 Vgl. Salomon Kirchenberger, Das Militär-Sanitätswesen unter der Kaiserin Maria Theresia.
In: Der Militaerarzt, 22/10 (1888), 89–91, hier 90.
9 Vgl. Luh, Kriegskunst, 69. Auch zeitgenössische Urteile entsprechen dieser Einschätzung.
Vgl. beispielsweise Gerard van Swietens „Note über die Chirurgie“ vom 27. Februar 1759,
vollständig abgedruckt in: Salomon Kirchenberger, Geschichte des k. und k. österreichisch-
ungarischen Militär-Sanitätswesens, Wien 1895, 56–58; sowie Matthäus Mederers „Ent-
wurf einer verbesserten Verfassung“, vollständig abgedruckt in: Salomon Kirchenberger,
Neue Beiträge zur Geschichte des k. u. k. österreichisch-ungarischen Militär-Sanitätswe-
sens, Wien 1899, 33-54.
10 Vgl. Michael Hochedlinger, Austria’s Wars of Emergence. War State and Society in the
Habsburg Monarchy 1683-1797, London 2003, 115.
11 Feldschere bekleideten keine Offiziersränge und standen unter dem Stock des Regiments-
kommandeurs, sahen sich also teilweise demütigenden Strafen ausgesetzt. Vgl. Kirchenber-
ger, Militär-Sanitätswesen, 4-5.
12 Der Feldprotomedicus war oberster Verantwortlicher für den Militärsanitätsdienst in den
habsburgischen Armeen. Er musste Doktor der Medizin sein und hatte die Aufsicht über al-
le Feldmedici, Feldchirurgen und kranken Soldaten. Vgl. Joachim Moerchel, Das österrei-
chische Militärsanitätswesen im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Frankfurt/Main
1984, 27.
13 Gerard van Swieten (1700-1772), Leibarzt und Berater Maria Theresias, Begründer der älte-
ren Wiener Medizinischen Schule. Vgl. Erna Lesky, Gerard van Swieten, Auftrag und Er-
füllung. In: Erna Lesky/ Adam Wandruszka, Gerard van Swieten und seine Zeit, Internatio-
nales Symposium veranstaltet von der Universität Wien im Institut für Geschichte der Me-
dizin 8.–10. Mai 1972, Wien 1973, 11–62.
236 Matthias König
Grundlegende Neuerungen
Eine der wichtigsten und wegweisenden Reformen der ersten Reformwelle betraf
die Einführung eines für die gesamte Armee geltenden Reglements, des Exercitium
Regulaments im Jahr 1749.14 Diese Dienstvorschriften stellten eine wesentliche
Neuerung dar, wenngleich die Feldsanität nur am Rande Erwähnung fand. Zum
ersten Mal wurden darin nämlich Aufgaben und Pflichten der einzelnen militärchi-
rurgischen Chargen, aber auch generelle Anordnungen zur Hygiene, der Vergabe
von Essen und Medikamenten sowie zum Verhalten beim Marsch und während
einer Schlacht festgeschrieben.15 Neben diesen ersten normativen Veränderungen
versuchte der Hofkriegsrat, auch in anderen Bereichen tätig zu werden. So bemühte
man sich beispielsweise, den Dienst für das feldmedizinische Personal in der Ar-
mee attraktiver zu gestalten. Zu diesem Zweck wurden unterschiedliche Wege ein-
geschlagen; unter anderem die Umbenennung der Charge des Regimentsfeldsche-
rers in „Regimentschirurg“,16 die Befreiung der Feldscherer von der Stockstrafe
sowie die Erhöhung des militärischen Ranges und des Soldes.17 Eine weitere struk-
turelle Veränderung stellte die Einführung einer neuen feldmedizinischen Charge
des „Bataillonschirurgen“ im Jahr 1752 dar. Der Bataillonschirurg nahm eine Mit-
telstellung zwischen dem Regimentschirurg und den Unterfeldscherern ein und
musste den Regimentschirurg in dessen Abwesenheit vertreten können.18
Abgesehen von diesen strukturellen Veränderungen wurde auch versucht, die
Ausbildung der Feldchirurgen zu verbessern. So bemühte sich Gerard van Swieten
um die Einrichtung einer Schule für Chirurgen. Die schließlich im Jahr 1753 im
Wiener Bürgerspital eingerichtete Schule spielte auch bei der Rekrutierung von Mi-
litärchirurgen eine bedeutende Rolle. Bisher war es den Regimentsinhabern bzw. –
kommandeuren frei gestellt, medizinisches Personal nach eigenem Gutdünken in
ihre Einheiten aufzunehmen. Der Hofkriegsrat ordnete nun aber an, nur mehr sol-
che Feldchirurgen zu rekrutieren, die zuvor in besagter Schule unterrichtet und von
Professoren approbiert worden waren.19 Der Ausbildungseinrichtung sollte also
neben der Lehre auch eine Kontrollfunktion zufallen.
14 Vgl. Alexander Balisch, Die Entstehung des Exerzierreglements von 1749, Ein Kapitel der
Militärreform von 1748/49. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchives 27 (1974),
170–194, hier 171–172.
15 Vgl. Salomon Kirchenberger, Die ältesten reglementarischen Bestimmungen, den Sanitäts-
dienst im k. u. k. Heere betreffend. In: Der Militaerarzt, 28/2-3 (1894), 9–11 und 17–19.
16 Vgl. Kirchenberger, Bestimmungen. In: Der Militaerarzt 28/3 (1894), 19f.
17 Vgl. Resolution des Hofkriegsrats an alle Infanterie- und Kavallerieregimenter vom 4. Jän-
ner 1755 und Schreiben des Hofkriegsrates an den Obristfeldzeugmeister Octavian Fürst
von Piccolomini (1698-1757) vom 12. Februar 1755, beides vollständig abgedruckt in: Kir-
chenberger, Beiträge, 23–25.
18 Vgl. Kirchenberger, Bestimmungen. In: Der Militaerarzt, 28/3 (1894) 19.
19 Schreiben des Hofkriegsrats an Piccolomini vom 12. Februar 1755, vollständig abgedruckt
in: Kirchenberger, Beiträge, 25.
Blutiges Handwerk 237
20 Vgl. Kirchenberger, Bestimmungen. In: Der Militaerarzt, 28/3-5 (1894), 19f, 27–29 und
35–37.
21 ÖStA, KA, HKR Akten 1771-840-123.
22 ÖStA, KA, HKR Akten 1771-840-123.
23 ÖStA, KA, HKR Akten 1774-1026-97.
24 ÖStA, KA, HKR Akten 1774-1026-236.
238 Matthias König
sandt. Die Analyse der eingelangten Daten erfolgte durch den zuständigen Beam-
ten, Feldprotomedicus Wolfgang Graffenhuber, und die ihm beigestellte Arzney-
Rechnungs-Revision. Das Ergebnis bestätigte das Misstrauen des Hofkriegsrates,
denn zwischen 1766 und 1772 hatten sich die Ausgaben für Medikamente in der
Armee von 82.832 fl. 58 kr. auf 226.428 fl. 2¼ kr. erhöht.25 In der Folge wurde ei-
ne Kommission zur Ursachenfindung dieses dramatischen Kostenanstiegs einge-
setzt, die im Februar 1775 schließlich ein Ergebnis vorlegen konnte. Drei Faktoren
waren demnach für den Mehraufwand an Arzneimitteln und anderem medizini-
schen Material verantwortlich: die mangelhaften Kenntnisse der Militärchirurgen
„quo ad interna“ – also bei der Behandlung von Krankheiten –, geheime Abspra-
chen zwischen Chirurgen und Apothekern bei der Medikamentenfassung und
schließlich Unregelmäßigkeiten und Missverhältnisse bei der „Medicamenten
Tax“.26
Für die Reform der Militärsanität sollte besonders der erste Punkt eine bedeu-
tende Rolle spielen. Die mangelhaften Kenntnisse der Militärchirurgen über Ur-
sache und Behandlung von Krankheiten bzw. die Wirksamkeit von Medikamenten
verlängerte oder behinderte oftmals den Heilungsprozess und manifestierte sich
nachvollziehbarer Weise in einer beispiellosen Verschwendung. Der Hofkriegsrat
holte zunächst weitere Expertenmeinungen zu diesem Thema ein,27 bevor sich Ma-
ria Theresia schließlich für den Plan des kaiserlichen Leibarztes und Protomedicus,
Anton von Störck,28 entschied.29 Die wesentlichen Punkte des Störck’schen Plans
betrafen die Herausgabe eines Medikamentenkatalogs in deutscher Sprache, die
Unterbindung der ökonomisch höchst problematischen Absprachen zwischen Chi-
rurgen und Apothekern durch die Einführung von Ordinationsbüchern sowie die
Einstellung eines Lehrers und die Abfassung eines Lehrbuches zum Unterricht der
Chirurgen in innerer Medizin.30 Dieser Unterricht sollte im eigens dafür adaptierten
Garnisonsspital Gumpendorf stattfinden. Der erste Kurs in der „Lehranstalt für die
Behandlung der inneren Krankheiten und zur Erlernung der Militär-
Arzneimittellehre“31 begann im November 1775. Im Halbjahresrhythmus wurden
nun Regimentschirurgen an diese Schule gesandt, um Ursachen, Symptome und
Behandlungsarten der am häufigsten auftretenden Krankheiten zu erlernen. Nach
der Absolvierung, so der Plan des Hofkriegsrates, sollten die Regimentschirurgen
zu ihren Einheiten zurückkehren und die von ihnen kommandierten Chirurgen un-
Schlussfolgerungen
Die Reform der Feldsanität in den habsburgischen Armeen ist im Kontext jener
allgemeinen inneren Konsolidierungsphase zu betrachten, die durch den Österrei-
chischen Erbfolgekrieg ausgelöst wurde. Um im internationalen Wettbewerb wei-
terhin kompetitiv zu bleiben, bedurfte es einer wohlgerüsteten Armee.42 Ebenso
war es unabdingbar, dieses wertvollste außenpolitische Instrument kampfkräftig
und einsatzfähig zu erhalten. Gerade aufgrund taktischer Weiterentwicklungen wie
beispielsweise der Lineartaktik, welche eine langwierige und kostenintensive Aus-
bildung notwendig machte, mussten die Soldaten medizinisch gut versorgt werden,
denn man konnte es sich nicht leisten, sie durch unsachgemäße Betreuung zu ver-
lieren. Die Bemühungen um eine Verbesserung der medizinischen Versorgung der
Soldaten waren also keineswegs Ausdruck mitfühlend-philanthropischen Edelsinns,
sondern militärisch-ökonomischer Notwendigkeit.
Die Mittel, welche zur Erreichung dieses Ziels eingesetzt wurden, lassen sich
weitgehend nahtlos in jenes Instrumentarium frühneuzeitlicher Staatlichkeit einfü-
gen, das in anderen Gebieten ebenfalls zum Einsatz kam. Auch im Bereich der Mi-
litärsanität können herrschaftsverdichtende und disziplinierende Maßnahmen fest-
gestellt werden. Beispielsweise sollte die immer wieder und immer eindringlicher
geforderte Bindung der Rekrutierung von Feldchirurgen an eine institutionalisierte
Ausbildung die staatliche Kontrolle erweitern und gleichzeitig den Einfluss der Re-
gimentskommandeure zurückdrängen. Der wachsende bürokratische Apparat wie-
derum bot der staatlichen Verwaltung vorbeugende und nachprüfende Eingriffs-
möglichkeiten.43 Die zentralen Elemente frühneuzeitlicher Staatlichkeit lassen sich
also am Beispiel der Reform der Feldsanität geradezu idealtypisch nachzeichnen.
Dabei offenbart sich auch der ambivalente Charakter dieser herrschaftsverdichten-
den Bemühungen, denn die Reform der Feldsanität wirkte sich auch an anderer
Stelle positiv aus. Im Josephinum wurden neben Feldchirurgen nämlich auch zivile
Wundärzte ausgebildet, die fortan mithalfen, die Gesundheitsversorgung der Bevöl-
kerung zu sichern.
durch die relativ lange Friedensperiode in der Mitte des 19. Jahrhunderts war das
Militärsanitätswesen für lange Zeit aus der internen und öffentlichen Diskussion
verschwunden, bis es im Zusammenhang mit dem Krimkrieg und dem oberitalieni-
schen Konflikt von Florence Nightingale und Henri Dunant in den 1850er Jahren
wieder in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt wurde. Dennoch wa-
ren bis 1864 noch keine entscheidenden Schritte zur Verbesserung des militäreige-
nen Sanitätswesens oder zur Einrichtung einer geordneten freiwilligen Kranken-
pflege erfolgt.
Die maßgeblichen Quellen für den vorliegenden Beitrag befinden sich in den
Archiven evangelischer Diakonissenmutterhäuser bzw. der Mutterhäuser katholi-
scher Pflegeorden und -kongregationen. Dazu gehören der offizielle Schriftwechsel
der Anstaltsleitungen mit staatlichen und militärischen Stellen ebenso wie die zahl-
reichen Berichte von Schwestern aus den Lazaretten und die häufig normativen
Antworten der Mutterhausleitungen. Sie gestatten einen Einblick in den Pflegeall-
tag und die dabei zu bewältigenden Probleme sowie die seelsorgerliche Arbeit der
konfessionellen Pflegekräfte. Diese bisher kaum ausgewerteten Quellen sind umso
bedeutsamer, da die staatliche Gegenüberlieferung, insbesondere die preußische im
Militärarchiv in Potsdam, im Zweiten Weltkrieg vollständig vernichtet wurde. Le-
diglich in den Staatsarchiven Dresden, Stuttgart und München finden sich verein-
zelt Quellen zur Entstehungsgeschichte der freiwilligen Kriegsverwundetenfürsor-
ge und deren Zusammenarbeit mit dem organisierten Militärsanitätswesen.
Parallel dazu entwickelte sich insbesondere in Preußen ein stark militärisch ge-
prägtes, neues Bild der „Nation“ als rein männlich beherrschter Raum, aus dem
Frauen weitgehend ausgeschlossen wurden. Analog zum zeitgleich entstehenden
bürgerlichen Familienmodell, in dem Frauen ausschließlich der häusliche und fami-
liäre Lebensbereich zugewiesen wurde, betätigten sich die Frauenvereine nur noch
in krankenpflegerischen, hauswirtschaftlichen und fürsorglichen Tätigkeiten. Damit
entsprachen sie der bürgerlichen Weiblichkeitsideologie und ihrer neu zugewiese-
nen Rolle patriotischer Weiblichkeit innerhalb der „wehrhaften Nation“.6 Nach
dem Ende der Befreiungskriege lösten sich die Frauenvereine weitgehend wieder
auf. Wie bereits erwähnt ließ die daran anschließende lange europäische Friedens-
periode das Problem der Kriegskrankenpflege für Jahrzehnte in den Hintergrund
treten.7
Das Preußische „Reglement für die Friedens-Lazarethe“ von 1852 nannte erst-
mals den Beruf des Militärkrankenwärters als Angehörigen des Hilfspersonals für
die Garnisonslazarette.8 Paragraph 552 der genannten Verordnung regelte, dass
„die Zulassung von Frauen zur Verrichtung der Wärterfunktionen [...] unter allen
Umständen unstatthaft“ war. Durch die Militärbehörden erfolgte noch bis zu den
Reichseinigungskriegen eine strikte Ablehnung des Einsatzes von Frauen in der
Verwundetenpflege. So erscheint es nur folgerichtig, dass das bereits 1848 an den
preußischen König gerichtete Angebot des Vorstehers des Kaiserswerther Diako-
nissenmutterhauses Pfarrer Theodor Fliedner (1800-1864) von Diakonissen und
„Hilfswärtern“ zur Pflege der auf dem schleswig-holsteinischen Kriegsschauplatz
verwundeten Soldaten abgelehnt worden war.9 Ähnlich erging es auch noch seinem
Nachfolger, Pfarrer Julius Disselhoff (1827-1896). Er berichtete rückblickend über
ein Gespräch aus den frühen 1860er Jahren:
„Wiewohl König Friedrich Wilhelm IV. in jeder Weise ein Freund und Beförderer der
Diakonissensache war, so hatte sich dieselbe [1848] – sie zählte auch noch nicht einmal
volle 13 Jahre – doch noch nicht in dem Maße Bahn gebrochen, daß man den ganz neu-
en Gedanken, Diakonissen auch in den Krieg zu senden, hätte fassen können. Das blieb
auch so bis in den Anfang der sechziger Jahre. Als der Berichterstatter damals einem
6 Vgl. dazu: Herbert Grundhewer, Die Kriegskrankenpflege und das Bild der Kranken-
schwester im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Johanna Bleker, Heinz-Peter Schmiede-
bach, Medizin und Krieg. Vom Dilemma der Heilberufe 1865 bis 1985. Frankfurt/M. 1987,
S. 135-152, hier S. 136 f.; Hagemann (wie Anm. 5), S.180 sowie Ruth Seifert, Militär, Na-
tion und Geschlecht. Analyse einer kulturellen Konstruktion. In: Wiener Philosophinnen
Club (Hrsg.), Krieg/War. Eine philosophische Auseinandersetzung aus feministischer Sicht,
S. 41-49.
7 Zu einzelnen Initiativen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Ring (wie Anm. 1), S. 117
ff.
8 Reglement für die Friedens-Lazarethe der Preußischen Armee vom 5. Juli 1852, Berlin
1852. Die Bestimmungen für die Wärter wurden in den § 82 bis 85 sowie § 550 bis 561 so-
wie in Anlage B des Reglements festgelegt.
9 Martin Gerhardt, Theodor Fliedner. Ein Lebensbild. 2 Bd., Düsseldorf 1933, Bd. 2, S. 475.
246 Annett Büttner
unserer Arbeit entschieden zugethanen General der Kavallerie die schüchterne Frage
vorlegte, ob er meine, daß Hände der militärischen Lazarettwärter die Wäsche sowohl,
wie die Wunden der Soldaten so zart behandeln könnten, wie Frauenhände, war die
freundliche Antwort eine derartige, daß ich meine Frage nicht zum zweitenmal gethan
hätte.“10
Während die Behörden dem Einsatz weiblicher Pflegekräfte äußerst skeptisch ge-
genüberstanden, forderten führende Militärs die männlichen Brüder der sogenann-
ten Diakonenanstalten mehrfach zur Beteiligung am Militärsanitätswesen auf.11
Schon 1859 wurde dem Gründer des „Rauhen Hauses“ bei Hamburg, Johann Hin-
rich Wichern (1808-1881), wegen der akuten Kriegsgefahr durch den oberitalieni-
schen Konflikt vom Kommandeur des Gardehusarenregiments Potsdam, Alexander
Bismarck-Bohlen (1818-1894), nahegelegt, die Brüder im Kriegsfall für die freiwil-
lige Krankenpflege zur Verfügung zu stellen. Angestoßen durch Material des Rhei-
nisch-Westfälischen Provinzialausschusses für Innere Mission über die sittlichen
Zustände und Gefahren des Garnisonslebens, die der Zentralausschuss zu einer
Denkschrift an den preußischen Kriegsminister verarbeitete, wurde während der
Heeresreorganisation die Fürsorge für Soldaten durch die Innere Mission diskutiert.
Minister Roon versicherte ihm in einer wohlwollenden Antwort, dass ihr Inhalt
‚nicht unbeachtet’ bleiben würde.12 Aus Kreisen der Berliner Offiziersfrauen war
zudem im Dezember 1862 die Anregung gekommen, Brüder aus dem Johannesstift
in den Militärlazaretten einzusetzen. Alle diese Anregungen waren bis zum Aus-
bruch des Deutsch-Dänischen Krieges 1864 noch nicht in die Praxis umgesetzt
worden, so dass sich die Pflege von Militärangehörigen durch Diakone ebenso wie
durch Diakonissen hier erstmals bewähren musste.
Die bereits erwähnten Initiativen von Florence Nightingale (1820-1910)13 und
Henry Dunant (1828-1910)14 waren für die weitere Entwicklung der Kriegskran-
kenpflege auch hinsichtlich der Geschlechterrollen von Bedeutung. Nightingale
schlug den Ausbau des militäreigenen Sanitätswesens vor, da sie Kriege als eine
staatliche Angelegenheit betrachtete, deren Folgen auch vom Staat zu tragen sei-
10 Julius Disselhoff, Die Arbeit unserer Diakonissen im Krieg. In: Jubilate! Denkschrift zur
Jubelfeier der Erneuerung des apostolischen Diakonissen-Amtes und der fünfzigjährigen
Wirksamkeit des Diakonissen-Mutterhauses zu Kaiserswerth a. Rhein, Kaiserswerth 1886,
S. 207.
11 Martin Gerhardt, Ein Jahrhundert Innere Mission. Die Geschichte des Central- Ausschusses
für die Innere Mission der deutschen Evangelischen Kirche, 1. Teil: Die Wichernzeit. Gü-
tersloh 1948, S. 277.
12 Ebd.
13 Aus der zahlreichen Literatur über Nightingales Arbeit im Krimkrieg seien hier nur bei-
spielhaft erwähnt: Sue M. Goldie, „I have done my duty“. Florence Nightingale in the Cri-
mean War 1854-56. Manchester 1987, sowie Eduard Seidler, Karl-Heinz Leven, Geschichte
der Medizin und der Krankenpflege, Stuttgart 20037, S. 217-220.
14 Zu Dunant vgl.: Rudolf Müller, Entstehungsgeschichte des Roten Kreuzes und der Genfer
Konvention, Stuttgart 1897 sowie Dieter Riesenberger, Für Humanität in Krieg und Frie-
den. Das internationale Rote Kreuz 1863-1977, Göttingen 1992.
Konfessionelle Krankenschwestern 247
en.15 Ihrer Meinung nach würde die Einbeziehung freiwilliger Pflegekräfte die Be-
hörden nur zur Kriegführung und zur Abwälzung ureigenster Aufgaben auf die pri-
vate Wohltätigkeit verleiten. Dunant propagierte andere Lösungsansätze. Er schlug
die Verwendung freiwilliger Hilfskräfte vor, da die Behörden im Kriegsfalle außer
Stande seien, ausreichend für die Verwundeten zu sorgen. Analog zum bürgerli-
chen Familienmodell kamen für ihn überwiegend weibliche Kräfte in Frage, die
dank ihrer angeborenen Fähigkeiten, wie Hingabe, Liebe und Zartgefühl für die
Pflege von Verwundeten prädestiniert erschienen, während „Mietlinge“ fast immer
teilnahmslos und unfreundlich seien.16 Darin war er sich mit der von ihm sehr ver-
ehrten Florence Nightingale einig, die in ihrer Publikation „Notes on nursing“ aus
dem Jahr 1860 bereits im Vorwort feststellte: „Jede Frau ist eine Krankenschwe-
ster.“17 Zwar forderte sie gleichzeitig ein umfangreiches Wissen für die Pflegenden,
zu dessen populärwissenschaftlicher Verbreitung sie mit ihrem Buch ausdrücklich
beitragen wollte, andererseits grenzte sie sich sofort vom männlich dominierten
ärztlichen Beruf ab, der einer systematischen Ausbildung bedurfte.
15 Nightingale, Florence, Army sanitary administration and its reform under the late Lord
Herbert. London 1862.
16 Henry Dunant, Der preussische Hof und seine Sympathien für das internationale Humani-
tätswerk. Aufgabe der Frauen in Kriegs- und Friedenszeiten. In: Rudolf Müller, Entste-
hungsgeschichte des Roten Kreuzes und der Genfer Konvention, Stuttgart 1897, S. 332-
380, hier S. 370 ff.
17 Florence Nightingale, Bemerkungen zur Krankenpflege. Die „Notes on nursing“ neu über-
setzt und kommentiert von Christoph Schweikardt und Susanne Schulze-Jaschok. Frank-
furt/M. 2005, S. 21.
18 Graf Eberhard von Stollberg-Wernigerode (1810-1872), zugleich Großkanzler des Johanni-
terordens, versah das Amt von 1866 bis 1870. Ihm folgte Hans-Heinrich XI., Fürst von Pleß
(1833-1907).
248 Annett Büttner
19 Vgl. dazu u.a.: Amalie Luley, An Gottes Hand. Zürich 1891, S. 69 ff. Für das Diakonissen-
mutterhaus Neuendettelsau: Zentralarchiv der Diakonie Neuendettelsau (künftig: ZADN),
Mutterhausregistratur B IX, Zusammenfassender Bericht über die Lazareth-Tätigkeit der
Diakonissen von Neuendettelsau in dem deutschen Bundeskriege 1866, Bl. 114-117. Bei-
spielhaft für katholische Schwesternschaften: Archiv der Clemensschwestern Münster, Mut-
terhausarchiv Handschriften Krieg Registrande 946-950 (Schwesternbriefe vom August
1870). Auch die männlichen Felddiakone hatten 1866 in Bayern Schwierigkeiten, eine Be-
schäftigung in den Lazaretten zu finden. Vgl. Johann Heinrich August Ebrard, Die evange-
lische Felddiakonie in Baiern in dem deutschen Bundeskriege 1866. Erlangen 1866, S. 13
ff.
20 Vgl. dazu: Silke Köser, ‚Denn eine Diakonisse darf kein Alltagsmensch sein.’ Kollektive
Identitäten Kaiserswerther Diakonissen 1836-1914. Leipzig 2006, S. 286 ff. sowie zur dis-
ziplinierenden Funktion des Diakonissenmutterhauses Doris Arnold, Pflege und Macht. Der
Beitrag Foucaults. In: Sabine Braunschweig (Hrsg.), Pflege – Räume, Macht und Alltag.
Beiträge zur Geschichte der Pflege. Zürich 2006, S. 158-159. Sowohl das Militär als auch
die Mutterhäuser besaßen Merkmale totaler Institutionen, die durch die Verdrängung der
Individualität ihrer Angehörigen zu Gunsten von Disziplin und Gehorsam gekennzeichnet
sind. Der Begriff wurde vom amerikanischen Soziologen Goffman in den 1970 Jahren ge-
prägt und kontrovers diskutiert. Vgl. dazu: Erving Goffman, Asyle. Über die soziale Situa-
tion psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt/M. 1973.
21 Zur Tracht der konfessionellen Schwestern gibt es bisher keine umfassende wissenschaftli-
che Publikation. Die Tracht der Kaiserswerther Diakonissen wurde 1917 unter Marken-
schutz gestellt, da sie viele unbefugte Nachahmer gefunden hatte. Vgl.: Annett Büttner:
Kleidung und Symbole. In: Kaiserswerther Schwesterngrüße. Sonderausgabe zum fünfjäh-
rigen Bestehen der Kaiserswerther Schwesternschaft, 3 (2006), S.53-55. Vgl. auch die bibli-
sche Begründung der Diakonissentracht bei Wilhelm Löhe, Gesammelte Werke, Bd. 4,
Neuendettelsau 1962, S. 455 ff. Zum Problem der Nachahmung der Schwesterntracht durch
unbefugte Personen: Charlotte von Caemmerer, Berufskampf der Krankenpflegerinnen in
Krieg und Frieden, München u.a., 1915, S. 122ff.
Konfessionelle Krankenschwestern 249
22 Grundhewer (wie Anm. 6), S. 147. Der preußische Landesverband des Roten Kreuzes führ-
te 1912 eine einheitliche Verbandstracht ein, die als Uniform gesetzlich geschützt wurde.
Vgl. dazu: Riesenberger (wie Anm. 2), S. 101.
23 In Scutari, heute ein Stadtteil von Istanbul, befand sich das britische Militärlazarett.
24 Grundhewer (wie Anm. 6), S. 143.
25 Nightingale (wie Anm. 17), S. 204.
26 Richard Biefel, Tagebuch und Bemerkungen aus dem Feldzuge 1864. Breslau 1865, S.
146 f.
250 Annett Büttner
Festlegung auf die als „niedere Dienste“ angesehenen Pflegeaufgaben diese Option
nun nicht mehr als mögliches Handlungsmuster gelten.29 Konfessionelle Schwe-
stern waren zudem gleich doppelt von Einflussmöglichkeiten ausgeschlossen. Zum
einen waren sie trotz ihrer unbestrittenen Leistungen nicht an leitender Stelle im
militärischen Sanitätswesen vertreten, und zum anderen waren sie dem patriarcha-
lischen Mutterhaussystem unterworfen, das auf Selbstverleugnung und Gehorsam
und nicht auf Selbstbestimmung beruhte. Diese Erkenntnisse korrelieren mit den
jüngsten Ergebnissen der Pflegegeschichte. Sie hat festgestellt, dass mit der Entste-
hung von religiösen Schwesternschaften und der damit einhergehenden Verdrän-
gung von Männern aus der Krankenpflege die dafür nötigen Kenntnisse nicht mehr
als Qualifikation, sondern als Teil des weiblichen psychosozialen Geschlechtscha-
rakters angesehen wurden.30 Frauen waren demnach durch ihre mütterlichen Eigen-
schaften besonders für die „weibliche Liebestätigkeit“ prädestiniert.31
Damit setzte eine Abwertungsspirale ein, die mit dem Image eines „Frauen-
berufs“ einherging. „Auch wenn der christliche Liebesdienst katholischer oder pro-
testantischer Schwestern eine spezifische Tradition des Pflegeberufs darstellt, ist es
schliesslich die Tatsache, dass es Frauen sind, die diese Tätigkeit ausüben, die es
ermöglichte, diese Arbeit so lange und über die Phase der Säkularisierung und der
Verberuflichung am Ende des 19. Jahrhunderts hinaus als schlecht bezahlten Beruf
zu erhalten und die Qualifikationen, die für diesen Beruf notwendig waren, nicht
wirklich anzuerkennen.“32
Führende Ärzte und Militärs propagierten darüber hinaus sogar die unentgeltli-
che Pflege, die nur der inneren Befriedigung dienen solle.33 In seiner berühmten
Rede auf der Konferenz der Frauenvereine in Berlin sagte Rudolf Virchow 1869
zur Zukunft der Krankenpflege:
„Ja, meine geehrten Damen, meiner Meinung nach ist allerdings darauf hinzuarbeiten,
daß ein Stamm von Personen, welcher nicht gerade ohne Lohn – denn das würde ja eine
sonderbare Zumuthung sein – aber ohne entsprechenden Lohn, hauptsächlich mit der
Aussicht auf innere Befriedigung, mit dem Zweck, ihrer Kraft und Thätigkeit ein dank-
bares Feld zu schaffen, in diese Arbeit eintritt.“34
Ein ähnlicher Vorschlag an männliche Arbeitskräfte wie beispielsweise an junge
Assistenzärzte ist schlicht unvorstellbar. Mit der Bestimmung der Frau zur „gebore-
nen Pflegerin“ wurde sie nicht nur auf diese nicht hoch angesehene Tätigkeit fest-
gelegt, sondern die Krankenpflege selbst in ihrer Rolle als Hilfsorgan festgelegt,
während die männlich dominierte ärztliche Tätigkeit Teil der immer stärker natur-
wissenschaftlich durchdrungenen Medizin wurde.35 „Mit der Krankenpflege war
den Frauen der unselbständige, befehlsabhängige, körpernahe Teil der Medizin zu-
gefallen.“36
Fazit
An der stark von Chaos und Improvisation geprägten Versorgung von verwundeten
und erkrankten Soldaten während der deutschen Reichseinigungskriege nahmen die
konfessionellen Schwestern aus eigener Initiative teil, um dem größten Pflegenot-
stand abzuhelfen. Vom Militär wurden sie dabei zunächst nur geduldet. Durch ihre
bereits in den Mutterhäusern anerzogenen Eigenschaften wie Gehorsam und
Pflichtbewusstsein gelang es ihnen problemlos, sich in die militärischen Hierar-
chien einzuordnen. Prädestiniert durch ihre fachliche Ausbildung und ihre
Berufserfahrungen wurden sie zu einem festen Bestandteil der freiwilligen Kran-
kenpflege, die sich am Ende des 19. Jahrhunderts zu einer unverzichtbaren Ergän-
zung des Militärsanitätswesens entwickelte. Daraus erwuchs ihnen zwar temporär
ein größerer gesellschaftlicher Handlungsspielraum, der aber andererseits nicht zu
einem Machtzuwachs führte. Mit der Festlegung auf weiblich konnotierte Tätigkei-
ten und Pflichten verfestigten sich im Gegenteil die geschlechtsspezifischen Rol-
32 Regina Wecker: Geschlecht macht Beruf – Beruf macht Geschlecht. In: Braunschweig (wie
Anm. 19), S. 22. Vgl. auch: Angelika Wetterer, Arbeitsteilung und Geschlechterkonstruk-
tion. „Gender at Work“ in theoretischer und historischer Perspektive, Konstanz 2002.
33 Vgl. dazu Grundhewer, (wie Anm. 6), S. 145.
34 Zitiert nach: Seidler (wie Anm. 13), S. 295.
35 Vgl. dazu: Grundhewer, (wie Anm. 6), S. 142 f.
36 Ebd., S. 143.
Konfessionelle Krankenschwestern 253
Abb.: Im Lazarett in Schleswig 1864 (aus: Jahrbuch für Christliche Unterhaltung, Kaiserswerth
1866, S. 115).
37 Vgl. dazu u.a.: Ute Frevert, Nation, Krieg und Geschlecht im 19. Jahrhundert. In: Manfred
Hettling, Paul Nolte (Hg.),Nation und Gesellschaft in Deutschland, München 1996, S. 151-
170, hier besonders S. 160 ff.
254 Annett Büttner
7 Kurs dla wykszta cenia s u by do pielgnowania chorych, „Medycyna” 1906, nr 32, s. 610.
8 Wiadomo ci bie ce, „Gazeta Lekarska” 1911, nr 48, s. 1314-1315.
9 Wiadomo ci bie ce, „Medycyna i Kronika Lekarska” 1910, t. XIV, nr 52.
10 Pos owie i Senatorowie Rzeczypospolitej Polskiej 1919-1939. S ownik biograficzny, t. III,
red. P. Majewski, G.Mazur, Warszawa 2005, s. 379-380; J. Fetliska, Pielgniarki w pols-
kim Sejmie i Senacie, [w:] Zawód pielgniarki na ziemiach polskich w XIX i XX wieku,
pod red. Bo eny Urbanek, Warszawa 2008, s. 27-28.
Rozwój profesji pielgniarskiej 257
11 Tam e.
12 Wierna mi oci, Klasztor Sióstr Dominikanek, „Na Gródku”, Kraków 2008, s. 60-61.
13 Tam e, s. 114-115.
14 Wierna mi oci…, s. 60.
15 W tym bowiem dniu zgin a podczas katastrofy samolotu prezydenckiego pod Smoles-
kiem.
16 J. Fetliska, op.cit., s.23-24.
258 Boena Urbanek
Kriegsdienst ausgebildet. Ihre Rolle und ihre Bedrohung im Krieg führte wiederum
zu Überlegungen, wie für sie ein gewisser Schutz gewährleistet werden könnte; die
Lösung konnte nur darin bestehen, das Krankenpflegepersonal in nationalen Orga-
nisationen des Roten Kreuzes zusammenzufassen. Die für den kurzfristigen Bedarf
ausgebildeten Krankenschwestern erwiesen ihren nachhaltigen Wert, als sich die
Kampfhandlungen hinzogen und nach dem Krieg Tausende Invaliden zu betreuen
waren. Die fronterprobten Sanitätskräfte bildeten nun die Kerngruppe für eine Aus-
weitung und Professionalisierung der Krankenpflege; einige wurden mit leitenden
staatlichen Funktionen belohnt. Laut Dr. Janina Fetliska, ehemalige Kranken-
schwester und bis zum 10. April 2010 Senatorin, gab es in der Zwischenkriegszeit
40 weibliche Abgeordnete, von denen sieben im Krieg als Krankenschwestern ge-
dient hatten.
Gleichwohl blieb der Mangel an qualifiziertem Personal ein Erbe der Teilungs-
zeit und des Krieges: Von 7.000 Personen, die in der Krankenpflege beschäftigt
waren, wurden nur 600 vom Polnischen Roten Kreuz positiv bewertet. Dabei be-
stand im neuentstandenen Staat nach den nun geltenden Standards ein Bedarf an
15.000 Krankenschwestern. Der Aufbau des Berufsstandes begann also notwendig
mit der Gründung entsprechender Berufsschulen, wie sie 1921–1924 in Posen,
Warschau, Lemberg und Krakau eröffnet wurden. Später versuchte man, weitere
Schulen in Kattowitz und Wilna zu gründen.
Eine Erinnerung an die Rolle, die Krankenschwestern und Sanitäterinnen im
Kriege gespielt haben, vermittelt das Bild „Dolor et Charitas“ oder „Die Hölle der
Karpaten – zum Gedenken an den Weltkrieg“ von Wojciech Kossak aus dem Jahre
1915, wo eine Schwester im Ordensgewand zu sehen ist, die sich über einen ver-
wundeten Soldaten beugt, sowie folgende Verse aus der Hymne der Kranken-
schwestern der Zwischenkriegszeit:
Abb. 1: Stadtplan von Breslau. Der rote Pfeil markiert das Areal der Städtischen Handwerker-
und Kunstgewerbeschule in der Klosterstraße 17 in Breslau.
Zur Berufsumschulung und zur Ausbildung in gehobenen Berufen wurden die be-
stehenden, umfangreichen und vielseitigen Lehreinrichtungen und gut ausgestat-
teten Lehrwerkstätten der Städtischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule zu
Breslau in der Klosterstraße 17/19 bestimmt. Der Magistrat der Stadt Breslau stellte
die Schule unter der Bedingung zur Verfügung, dass sich die Kriegsverletzten der
Schulordnung vorbehaltlos unterordnen. Zur Ausbildung in die Handwerker- und
Kunstgewerbeschule zu Breslau konnten eingewiesen werden: Intelligente Kriegs-
Einrichtungen und Berufsausbildung Kriegsverletzter 265
verletzte, die in kurzer Zeit ihren Beruf erlernen konnten oder sich umschulen lie-
ßen, wie Mechaniker, Dekorationsmaler, Schriftsetzer, Buchdrucker, Buchbinder,
Photographen, Lithographen, Modellierer, Holzbildhauer, Tischler, Schlosser,
Kunstschmiede, Ziseleure, Graveure, Gold- und Silberschmiede. Die Anstalt bot
auch die Gelegenheit zur Erlernung der Chemiegraphie und deren Teilgebiete, wie
Reproduktionsphotographie, Ätzung und Klischeebearbeitung. Die Fachkurse wur-
den von 120 Kriegsverletzten belegt. Für die technische und fachliche Vorbereitung
wurden die Lehrkräfte der Handwerker- und Kunstgewerbeschule herangezogen.
Die Kursteilnehmer befanden sich in der günstigen Lage, dass sie gemeinsam mit
Schülern dieser Anstalt am Unterricht teilnehmen konnten. Leiter dieser Schule war
Direktor Prof. Richard Heyer. Die ärztliche Leitung lag in den Händen chirurgisch
erfahrener und orthopädisch sachverständiger Ärzte mit militärischem Rang. Zur
Aufnahme in die Schule musste an den Ausschuss für die Kriegsverletztenfürsorge
in Breslau, Höfchenplatz 8, ein Aufnahmeantrag gestellt werden.
Die Königlichen Eisenbahnwerkstätten in der Hubenstraße 2/6 in Breslau und
die Linke-Hofmann-Werke (Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagen-
Lokomotiven und Maschinenbau) in der Grundstraße 12 in Breslau hatten sich be-
reit erklärt, Kriegsverletzte für die Bedienung von Werkzeugmaschinen anzulernen.
Da viele Mannschaften außerhalb Breslaus untergebracht waren, wurde den Kurs-
teilnehmern freie Fahrt mit den Städtischen Straßenbahnen zugebilligt.
Die ersten Kriegsverletzten wurden am 31. August 1915 aufgenommen. Die
Zahl der Kursteilnehmer stieg bis zum 1. April 1916 auf 130 und betrug Ende der
Schulungen im Jahre 1923 785 Teilnehmer. Der Unterricht dauerte zwischen 4
Stunden und 52 Stunden wöchentlich.
Die Fachliteratur der Bibliothek der Handwerker- und Kunstgewerbeschule mit
4.097 Bänden stand den Kriegsverletzten zur Verfügung. Die Bibliothek war an
allen Wochentagen von 8–12 Uhr, sowie am Montag und Donnerstag von 18-21
und am Dienstag und Mittwoch von 15–20 Uhr offen. Leiter der Bücherei war
Fachlehrer Prof. Wilhelm Krause.
Je nach Vorbildung wurden die Kursteilnehmer in verschiedene Fachgruppen
eingeteilt. Für das Fach Zeichnen bestanden Unterrichtsfächer für Zirkel- und Pro-
jektionszeichnen mit Architekt Diesener, für Freihand- und Schriftzeichnen mit
Professor Wilhelm Krause, Maler Richard Gemeinhardt und Bildhauer Prof. Bruno
Zschau, für das Fach Aktzeichnen und für den Bereich kunstgewerbliches Zeichnen
und Architekturzeichnen mit Architekt und Maler Gebhard Utinger.
266 Franz A. Sich
Das Zirkel- und Projektionszeichnen bildete die Grundlage für den Fachunterricht
Zeichnen. Ihm wurden in der Regel nur Tischler, Maler und Bildhauer zugewiesen.
Für den Fachunterricht Freihandzeichnen wurden alle interessierten Kriegsverletz-
ten aufgenommen. Es erstreckte sich auf Körper- und Gerätezeichnen, Zeichnen
nach Fachmodellen, Ornamentzeichnen, sowie Pflanzen- und Tierstudium lebender
Modelle. Der Städtische Botanische Schulgarten lieferte Pflanzen. Das Zeichnen
von Tieren erfolgte im Zoologischen Garten.
In die Tischlerei wurden Tischler aufgenommen, die sich in ihrem Beruf ver-
vollkommnen oder wegen ihrer Verletzung in ein Sondergebiet des Tischlerhand-
werkes umschulen lassen wollten. Ausnahmsweise wurden auch Interessenten für
das Erlernen des Tischlerberufes aufgenommen. Die Werkstatt und der Maschinen-
raum waren täglich von 8–12 Uhr und nachmittags außer Sonnabend von 14–18
Uhr in Betrieb. Neben den Tischlerarbeiten gab es auch die Gelegenheit zum Erler-
nen von Einlegearbeiten, sog. Intarsien. Leiter der Tischlerei war Professor Wil-
helm Michael, Kunsttischler Georg Grzonka und Tischlermeister Menzel waren
Werkmeister. Zum Werkstattunterricht gehörte auch das Fachzeichnen. Es er-
streckte sich auf die Durcharbeitung von Bautischlerarbeiten und Einzelmöbeln bis
auf den Entwurf vollständiger Zimmereinrichtungen. Es wurden Kenntnisse der
Materialien, Konstruktions- und Formenlehre vermittelt. Der Unterricht bot den
Kriegsverletzten Tischlern eine Ausbildung zum Werksmeister bzw. Zeichner und
die Vorbereitung zur Meisterprüfung.
Abb. 8: Setzmaschine für Einarmige „Setzmaschine, an der bein- und handverletzte gelernte Set-
zer oder solche, welche stehend ihren Beruf nicht ausüben können, als Maschinensetzer aus-
gebildet werden können“
In der Werkstatt für Schriftsetzer bestand die Möglichkeit, sich im Werk- und Ak-
zidenz- sowie dem Maschinensatz fortzubilden. Es fanden Kurse zur Herstellung
von Linolschnitten, Holz- und Bleischnitten und im Stereotypieren statt. Gleichzei-
tig wurden Kenntnisse der Materialien- und Formenlehre, der Maschinenkunde und
das Berechnen von Drucksachen vermittelt. Zur Ausbildung kriegsverletzter Hand-
setzer wurde der Werkstatt vom Ausschuss der Kriegsverletztenfürsorge eine
Setzmaschine (Linotype) zur Verfügung gestellt. Leiter der Buchgewerblichen Ab-
teilung war der Maler und Graphiker Paul Hampel, der Buchdruckmeister Basler
und Maschinensetzer Marquardt vom Breslauer Generalkommando führten die
Werkstatt.
In die Werkstatt für Buchdrucker wurden Kriegsverletzte dieses Faches aufge-
nommen, die sich im Werk-, Akzidenz- sowie in ein- und mehrfarbigem Illustra-
tionsdruck mit verschiedenen Zurichtverfahren an Tiegelpressen sowie an einer
Einrichtungen und Berufsausbildung Kriegsverletzter 273
Die Leitung der Werkstatt für Steindruck oblag dem Steindrucker Bernhard Git-
schel. Es wurden Steindrucker im Handdruck, Umdruck und Reduktionsdruck auf
der Handpresse fortgebildet.
Für die Werkstatt Chemiegrafie wurde vom Generalkommando der Chemie-
graph Schönhals zugewiesen. Hier wurden kriegsverletzte Chemiegraphen in der
Reproduktionsfotografie einschließlich der Farbfotografie, in allen Ätztechniken, in
der Positivretusche und im Nachschneiden ausgebildet. Kriegsbeschädigte mit
zeichnerischen Veranlagungen wurden in die Sondertechniken der Chemiegrafie
eingeführt. Graveure konnten das Nachschneiden, Maler die Fotografie, die Retu-
274 Franz A. Sich
sche und die Farbätzung, Steindrucker das Strichätzen, das Kopieren und die Foto-
lithografie und Lithografen die Retusche erlernen.
Zur Buchgewerblichen Abteilung gehörte auch die Werkstatt für Buchbinder.
Die kriegsversehrten Buchbinder erlernten die Herstellung von Papp-, Halbleinen-
und Ganzlederbänden, das Handvergolden, den Lederschnitt, die Anfertigung von
Buntpapieren, den Titelsatz und den Stempeldruck. Die Werkmeistertätigkeit über-
nahm Buchbindermeister Petzsch vom Breslauer Generalkommando.
Die Buchgewerbliche Abteilung besaß auch einen Unterrichtsraum für das
Fachzeichnen im grafischen Gewerbe. Parallel zur praktischen Ausbildung bestand
die Gelegenheit einer gründlichen Ausbildung in der Entwurfsbearbeitung aller gra-
fischen Erzeugnisse, wie Familien- und Geschäftsdrucksachen, Etiketten, Packun-
gen, Briefköpfen, Vorsatzpapieren, Plakaten, Ehrenurkunden und künstlerischen
Bucheinbänden. Den Unterricht erteilte der Maler und Graphiker Paul Hampel.
Die Werkstattkurse fanden täglich von 8 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr au-
ßer Sonnabend, im Sommerhalbjahr von 7 bis 11 Uhr und von 14 bis 16 Uhr statt.
Die Reißschiene konnte durch die federnde Rolle a, die auf der Stirnseite des
Zeichenbrettes lief, gespannt, genau parallel geführt und angezogen werden. Das
Zeichendreieck drehte sich um die Schraube c des Schiebers b. Die Schraube d re-
gulierte das Verschieben auf der Schiene. Reißbrette lieferte jede größere Zeichen-
warenhandlung.
auch Falkenheyn, Zweck, Ziele und Aufgaben von Werkstätten und Unterrichtskur-
sen für Kriegsverletzte.
Elze, Günter, Hans Poelzig, In: Breslau – Biographie einer deutschen Stadt.
1993. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer.
Goebel, Wilhelm, Fürs Vaterland. Ein Wort an unsere Verwundeten und
Kriegsinvaliden, 2. Auflage. Verlag der Buchhandlung des Blauen Kreuzes. Bar-
men, 1916.
Heyer, Richard, 1900-1925: 25 Jahre Städtische Handwerker – und Kunstge-
werbeschule zu Breslau. Bericht erstattet von (Richard) Heyer. Breslau, (Druck von
der Klasse für Buchdruck) 1925.
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28.12.1914, Berlin W 66, Leipzigerstr. 5.
Paal, Hermann: Kriegsbeschädigten-Fürsorge und Ärzte. Vortrag geh. zu Mün-
ster 1915 von Dr. [Hermann] Paal, Landesarzt d. Prov. Westfalen. Münster: Bredt,
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Reichsausschuß der Kriegsbeschädigtenfürsorge: Die Fürsorgestellen der amt-
lichen bürgerlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge im Deutschen Reiche. 1. Juli 1917.
Norddeutsche Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin SW.
Seiffert, Karl Franz Anton (Junior), Das Fürstbischöfliche Krüppelheim zum
Heiligen Geist in Beuthen Oberschlesien im Dienste der Kriegsverletztenfürsorge,
in: Die Einrichtungen (wie Nr. 3), S. 132–140.
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nych [Abriss des schlesischen Schulwesens im Bereich des Kunsthandwerks],
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wia XIX. i XX. Wieku [Architekturmuseum – Architektur Wrocaws/Breslaus des
19. und 20. Jh.s], w/m Oddzia Archiwum Budowlane, ul. A. Cieszy skiego 9, 50-
136 Wrocaw. Schreiben vom 30.06.2009 und 10.07.2009.
Abbildungen aus: Heyer, Richard, Die Kriegsverletztenfürsorge an der Hand-
werker,- und Kunstgewerbeschule zu Breslau, in: Die Einrichtungen (wie Nr. 3), S.
102-131.
Einrichtungen und Berufsausbildung Kriegsverletzter 277
Die ersten vier Monate des Jahres 1942 zeichneten sich durch ein zwar anderes,
aber insgesamt ebenso ungünstiges Klima aus wie am vorherigen Stationierungsort.
Gerade in epidemiologischer Hinsicht war der Platz schlecht gewählt: Flecktyphus,
Malaria und Krankheiten, die über die Nahrung übertragen wurden, waren hier en-
demisch. 20 Prozent der hierher gebrachten polnischen Zivilisten starben, bevor die
Truppen eintrafen, größtenteils an Hunger. Da es an Möglichkeiten, die Regeln der
Hygiene zu befolgen, völlig fehlte, war Läusebefall ein allgemeines Phänomen.
Viele Eintreffende befanden sich bereits in der Inkubationszeit des Fleckfiebers,
was im Verein mit den ungünstigen Lebensbedingungen zu einer Epidemie führte,
die 10 Prozent des Personalstandes der Armee erfasste.
Ihren größten Umfang erreichte die Epidemie in der zweiten und dritten Deka-
de des März 1942. Insgesamt erkrankten in der inzwischen 66.000 Soldaten umfas-
senden Armee fast 7.500 an Fleckfieber; davon starben fast 3.300, also 17,5 Pro-
zent (siehe Tabelle 1). Obwohl der Krankheitsverlauf als vergleichsweise mild galt,
lag die Sterblichkeit höher als während der häufig beschriebenen Epidemie des Jah-
res 1919, wo sie nur 9,5 Prozent betragen hatte. Die höchste Erkrankungsrate erlitt
die Organisationsabteilung, da hier ständig neue Freiwillige eintrafen, die sich be-
reits infiziert hatten und deren hygienischer Zustand schlecht war. In den zuletzt
aufgestellten unvollständigen Divisionen war die Zahl der Erkrankungen am nied-
rigsten, dafür war hier die Sterblichkeit mit 30 Prozent am höchsten. Ob dies daran
lag, dass diese Divisionen noch nicht über eigene Gesundheitsdienste verfügten und
die sowjetischen Spitäler genutzt werden mussten, in denen der Mangel an Medi-
kamenten und Verpflegung noch empfindlicher war als in den improvisierten pol-
nischen Spitälern, ist schwer zu entscheiden. Immerhin konnte die Seuche einge-
dämmt werden. Es verloren in diesem Kampf jedoch insgesamt 112 Mitarbeiter der
Sanitärabteilungen, darunter 20 Ärzte, ihr Leben. Die Zahl der verstorbenen Zivilis-
ten wurde nicht erfasst.
Tabelle 1: Die Fleckfieber-Epidemie von Februar bis August 1942
Nach der Kälte des Nordens und dem Tauwetter der ersten Monate im Süden der
UdSSR herrschte ab Juli eine Hitzewelle von bis zu 70 Grad Celsius. Es fehlte an
Trinkwasser, die Verpflegung war quantitativ und qualitativ unzureichend mit ei-
nem zu niedrigen Brennwert von mitunter weniger als 1.000 Kalorien. Dies wie-
derum führte dazu, dass Nahrungsmittel an unsicheren Orten gesucht wurden, was
in der Folge zur Ausbreitung von Krankheiten führte, die über die Nahrung übertra-
gen wurden. Ihren größten Umfang erreichte diese Epidemie im Übergang vom
Frühling zum Sommer, das heißt von Mai bis Juli.
284 Tadeusz Brzeziski
Wieder war die jüngste Division – die VII. – am stärksten betroffen, als fast
10.000 Menschen – d.h. mehr als 80 Prozent des Bestands der 11.000 Mann zäh-
lenden Organisationsabteilung – von der Ruhr und weiteren Erkrankungen der Le-
ber und des Darms betroffen waren. Dagegen forderte die Epidemie in den ältesten
Abteilungen, denen bereits Disziplin eingedrillt worden war, die wenigsten Opfer.
Insgesamt erkrankten mehr als 35.000 Soldaten bei einer Sterblichkeit von 2 Pro-
zent. Die Epidemie erfasste insgesamt also mehr als 50 Prozent des Personalstandes
der Armee. In den improvisierten Spitälern und besonders in den Abteilungen, wo
wegen des Mangels an Spitalplätzen Kranke untergebracht wurden, gab es keinerlei
Möglichkeiten für bakteriologische Untersuchungen. Aus diesem Grunde gab es
nur 289 bakteriologisch nachgewiesene Fälle von Fleckfieber und etwas weniger
als 8.000 Fälle von Ruhr, während die übrigen 27.000 Fälle aufgrund des kli-
nischen Augenscheins als „andere Krankheiten der Leber und des Verdauungstrak-
tes“ diagnostiziert wurden (Tabelle 2). Es gelang nicht, diese Epidemien vor der
Evakuierung der Armee in den Iran zu besiegen: Es gab in den Quartieren keine
ausreichende Menge an Medikamenten. Arzneien, die außerhalb der UdSSR ange-
kauft wurden, trafen zu spät und in unzureichender Menge ein.
Tabelle 2: Erkrankungen und Sterblichkeit an über die Nahrung übertragbaren Krankheiten im
Februar bis August 1942
Die dritte Krankheit, die sich zu einer Epidemie ausweitete, war die Malaria, die
am Sammlungsort endemisch war. Aus diesem Grunde hatten die Behörden der
UdSSR um 1935 die Trockenlegung der Reis- und Baumwollfelder angeordnet.
Nun litt aber die Bevölkerung Hunger, weswegen diese Anordnung nach sieben
Jahren zurückgezogen und die Felder wieder geflutet wurden. Dies wiederum führ-
te zu einer Mückeninvasion. Die ersten Malariafälle, die allerdings wohl aus einer
früheren Ansteckung stammten, wurden schon im Februar festgestellt. Danach
wurden die Erkrankungen häufiger und erreichten im Juli und August 1942 ihren
Gipfel. Insgesamt wurden in der Zeit der Stationierung der Polnischen Armee in
der UdSSR fast 7.000 Fälle von Malaria verzeichnet, davon ein beträchtlicher An-
teil an der besonders schwer verlaufenden tropischen Malaria. Charakteristisch war
es dabei, dass die Malaria sich hinter den Symptomen anderer Krankheiten verbarg,
was zu zahlreichen Fehldiagnosen führte (Tabelle 3).
Walka z epidemiami w Armii Polskiej 285
6.784 83 1,2
Die abflauenden Epidemien waren ein Anlass dafür, die Armee in den Iran zu eva-
kuieren. Im März und August wurden 78.470 Soldaten, Rekruten und Frauen aus
dem militärischen Hilfsdienst sowie 37.272 Zivilisten in zwei Etappen evakuiert;
die Truppen wurden der Polnischen Armee im Osten angeschlossen. Während des
Transports von Kislovodsk nach Pahlewi im Iran wurden neue Erkrankungen fest-
gestellt: Während der ersten Evakuierungen gab es immer noch 335 Fälle von
Fleckfieber, 234 Fälle von Ruhr, 8 Fälle von Bauchtyphus und 137 andere über
Nahrung übertragene Krankheiten. Bei der zweiten Evakuierung gab es keine
Fleckfieberfälle mehr, stattdessen dominierten mit 691 Fällen im Sommer typi-
scherweise über die Nahrung übertragbare Krankheiten. Dies waren bei einer Ar-
mee von 80.000 Mann bereits keine beunruhigenden Zahlen mehr, zumal die Mala-
ria erst mit mehr als 1.000 Erkrankungen als Epidemie gelten musste. Tatsächlich
erloschen die Epidemien allmählich in dem Maße, in dem die Lebensbedingungen
verbessert, die Gesundheitsdienste aufgebaut und die Versorgung mit Medikamen-
ten sichergestellt wurden. Schön formulierte dies der Stabsarzt Wacaw Kessling:
„Der Gesundheitsdienst hat die erste Schlacht gegen die Seuchen gewonnen; nun
bereiten wir uns auf den entscheidenden siegreichen Kampf an der Front vor.“
Dass es in der Polnischen Armee zu so zahlreichen, in modernen Kriegen eher
unüblichen epidemischen Erkrankungen kam, hatte mehrere Gründe. Die wesentli-
chen waren:
— der allgemein schlechte Gesundheitszustand der im Aufbau befindlichen
Armee;
— der unzureichende sanitäre und epidemiologische Standard der Gebiete,
in denen die Armee versammelt wurde;
— das endemische Vorkommen ansteckender Krankheiten in diesen Gebie-
ten;
— zumal zu Beginn das Fehlen von Medikamenten und medizinischem Per-
sonal sowie hinreichend ausgestatteter eigener Spitäler.
Es lohnt allerdings den Hinweis, dass die negativen Erfahrungen aus dieser Zeit
einen positiven Einfluss darauf hatten, wie sanitäre Fragen vom Stab des zweiten
Korps behandelt wurden – jenes Korps, in das die erste Armee aufgenommen wur-
de. Dies wiederum hatte zur Folge, dass es (außer bei den venerischen Krankhei-
ten) weitaus weniger Fälle epidemischer Krankheiten gab als bei den übrigen alli-
ierten Armeen.
Der Aufbau des Sanitätswesens der Bundeswehr und die
Demokratisierung der deutschen Wehrmedizin
Cay-Rüdiger Prüll, Mainz
Seit etwa 20 Jahren besteht ein neues Interesse der Medizingeschichte am Verhält-
nis von Medizin und Krieg. Die Aktivitäten der Medizingeschichte laufen dabei
parallel mit einem Trend in der allgemeinen Geschichtswissenschaft, der sich
spätestens seit den 1990er Jahren unter dem Stichwort einer „Militärgeschichte von
Unten“ dem Blickwinkel des Frontsoldaten und des Zivilisten an der Heimatfront
im Rahmen einer Kultur- und Mentalitätsgeschichte des modernen Krieges wid-
met.1 Dabei wurden insbesondere der Erste Weltkrieg und mit deutlich weniger Ge-
wicht auch der Zweite Weltkrieg fokussiert.2 Die Militärmedizin nach 1945 wurde
im Vergleich damit eher stiefmütterlich behandelt. Sie wird oft nur in diachronen
Überblicksdarstellungen berücksichtigt. Im Zentrum kriegsbedingter Störungen
steht dabei sicherlich nicht zuletzt das Krankheitsbild PTSD (Post Traumatic Stress
Disturbance).3
1 Vgl. dazu beispielhaft: Wolfram Wette (Hrsg.), Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Mili-
tärgeschichte von unten, München/Zürich 1995; Bernd Ulrich: „Militärgeschichte von un-
ten“. Anmerkungen zu ihren Ursprüngen, Quellen und Perspektiven im 20. Jahrhundert“, in:
Geschichte und Gesellschaft, 22 (1996), S. 473-503.
2 Vgl. als grundlegende Literatur für die Geschichte der Medizin im Ersten und Zweiten
Weltkrieg: Roger Cooter; Steve Sturdy, Of War, Medicine and Modernity: Introduction, in:
Roger Cooter; Mark Harrison; Steve Sturdy (Hrsg.), War, Medicine and Modernity, Phoe-
nix Mill etc.1998, S. 1-21; Mark Harrison, Medicine and the Management of Modern
Warfare: an Introduction, in: Roger Cooter; Mark Harrison; Steve Sturdy (Hrsg.), Medicine
and Modern Warfare (Clio Medica 55), Amsterdam-Atlanta/GA. 1999; Wolfgang U.
Eckart; Christoph Gradmann (Hrsg.), Die Medizin und der Erste Weltkrieg (Neuere Medi-
zin- und Wissenschaftsgeschichte. Quellen und Studien, Bd. 3), Pfaffenweiler 1996; Leo
van Bergen, Before my Helpless Sight. Suffering, Dying and Military Medicine on the
Western Front, 1914-1918, Bodmin 2009; Wolfgang U. Eckart (Hrsg.), Medizin im Zweiten
Weltkrieg: Militärmedizinische Praxis und medizinische Wissenschaft im „Totalen Krieg"
(Krieg in der Geschichte, Bd. 30), Paderborn [u.a.] 2006; Alexander Neumann, „Arzttum ist
immer Kämpfertum“. Die Heeressanitätsinspektion und das Amt „Chef des Wehrmachtssa-
nitätswesens“ im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) (Schriften des Bundesarchivs 64), Düs-
seldorf 2005.
3 Vgl. Hans Binneveld, From Shellshock to Combat Stress. A Comparative History of Mili-
tary Psychiatry, Amsterdam 1997; John T. Greenwood; F. Clifton Berry, Medics at War:
Military Medicine from Colonial Times to the 21st Century. Presented by the Association
of the United States Army, Annapolis 2005. Siehe beispielhaft zu PTSD: Gilbert Reyes; Jon
D. Elhai; Julian D. Ford (Hrsg.), The Encyclopedia of Psychological Trauma, Hoboken,
New Jersey 2008 and Matthew J. Friedman; Terence M. Keane; Patricia A. Resick (Hrsg.),
Handbook of PTSD: Science and Practice, New York 2007; Allan Young, The Harmony of
Illusions. Inventing Post-traumatic Stress Disorder, Princeton 1995.
Aufbau des Sanitätswesens der Bundeswehr 287
Ebenfalls ein Desiderat der Forschung ist vor diesem Hintergrund die Ge-
schichte der Medizin in der Bundeswehr, die nicht systematisch erforscht wurde.4
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit einem Ausschnitt aus diesem Thema,
nämlich mit der Entwicklung der medizinischen Praxis und des Arzt-Patient-Ver-
hältnisses in der Frühphase der Bundeswehr zwischen 1955 und 1970. Dabei han-
delt es sich um ein Teilprojekt aus einer größeren DFG-geförderten Studie, die der
Autor zurzeit unter dem Titel „Patienten, Öffentlichkeit und die Medizin in West-
deutschland, 1945-1970 durchführt.5 Das Teilprojekt untersucht den Zusammen-
stoß zweier Kulturen der Medizin nach 1945 in Westdeutschland, indem die Frage
behandelt wird, wie die Wehrmedizin, die sich aufgrund der nationalsozialistischen
Vergangenheit in einer besonders heiklen Situation befand, in einem militärischen
Zwangskontext mit der Umsetzung demokratischer Prinzipien in der Patientenbe-
handlung umging.6 Damit werden auch zentrale medizinethische Konfliktzonen im
Verhältnis von Arzt und Patient zwischen 1945 und 1970 (Einverständnis und Auf-
klärung, Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient) thematisiert. Im Folgen-
den soll im Vorfeld der Untersuchung ein Projektaufriss gegeben werden, der erste
Ergebnisse bzw. Thesen formuliert. Die Intention besteht darin, das vorliegende
Thema in das Netzwerk nationaler und internationaler Forschungen einzubringen
und Arbeiten zum Thema zu koordinieren.
4 Zur Geschichte des Sanitätswesens der Bundeswehr gibt es nur Einzelstudien, vgl. Heinz
Goerke (Hrsg.), Militärsanitätsdienst in drei Jahrhunderten: ausgewählte Vorträge aus den
Sitzungen des Arbeitskreises Geschichte der Wehrmedizin (1991-1997) (Deutsche Gesell-
schaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e.V.), Bonn 1997; Joachim Henneberger, Die
Rechtsstellung des Arztes in der Bundeswehr, (Diss. Jur. Fak.) Würzburg 1977; Carsten
Gerd Dirks, Militärpharmazie in Deutschland nach 1945: Bundeswehr und Nationale Volks-
armee im Vergleich (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie 79), Stuttgart
(Marburg, Univ., Diss.) 2001.
5 Das Quellenmaterial zur Untersuchung des vorliegenden Teilprojektes sind vor allem die
Bestände zum Sanitätswesen der Bundeswehr, die im Bundesarchiv-Militärarchiv in Frei-
burg deponiert sind. Zentrale Bedeutung hat hier der Bestand BW 24, Inspektion des Sani-
täts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr.
6 Siehe zu diesem Ansatz die Untersuchung der „Demokratisierung“ der deutschen Medizin
in der amerikanischen Besatzungszone: Dagmar Ellerbrock, „Healing Democracy“ – De-
mokratie als Heilmittel. Gesundheit, Krankheit und Politik in der amerikanischen Besat-
zungszone 1945-1949, Bonn 2004.
288 Cay-Rüdiger Prüll
Thema. Ferner förderte Konrad Adenauer, der erste Kanzler der 1949 gegründeten
Bundesrepublik Deutschland, keine Remilitarisierung um ihrer selbst Willen.7 Der
Anspruch der Alliierten auf Beteiligung der Westdeutschen an der Abwehr der Be-
drohung durch die Sowjetunion während des Kalten Krieges entsprach dann aber
dem Bedürfnis Adenauers nach einer eindeutigen Westbindung seines Landes und
er sah die Gründung westdeutscher Streitkräfte als einen weiteren Pfeiler zur Errei-
chung dieses Zieles.8
Das „Amt Blank“, geleitet seit 1950 von Theodor Blank als „Bevollmächtigter
des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammen-
hängenden Fragen“, hatte die Planungen für die „neue Wehrmacht“, die ab 1956
offiziell „Bundeswehr“ hieß, übernommen. Am 8. Juli 1955 war er zum Verteidi-
gungsminister ernannt worden.9 Durch die Hektik der forcierten Errichtung der
Bundeswehr war es allerdings zu deutlichen Planungslücken gekommen. So war
die medizinische Versorgung der Soldaten zunächst nachrangig und provisorisch
behandelt worden. Die Freiwilligen der Bundeswehr sollten sich zunächst auf Kos-
ten ihrer Krankenkasse oder eigene Rechnung von Zivilärzten behandeln lassen.
Diese Anordnung war begleitet von dem Appell, dass die Freiwilligen durch
„Absprache mit den behandelnden Ärzten und entsprechende Anordnungen … be-
vorzugt abgefertigt werden und möglichst geringer Dienstausfall entsteht.“ Die
Truppenärzte würden keine Behandlung ausüben, sie sollten nur bei Unfällen Erste
Hilfe leisten und Anordnungen treffen.10
Hinter diesem Verweis der neuen Soldaten auf ihre Hausärzte verbargen sich
starke Unsicherheiten im Aufbau der medizinischen Versorgung der Bundeswehr,
die noch im Dezember 1955 diskutiert wurden. Schon in den Jahren vor 1955 hat-
ten sich in den Geheimverhandlungen, die unter Einschluss der Alliierten geführt
wurden, die Traditionalisten beim Aufbau der Bundeswehr durchgesetzt. Es han-
delte sich um die Elite der ehemaligen Wehrmacht, die im Ostfeldzug Hitlers und
der Abwehr der Sowjetunion im „Kalten Krieg“ eine Kontinuität erblickten und die
auf dieser Grundlage sogar auf eine nationalstaatlich orientierte Streitmacht ver-
zichteten. Ein Kreis der Reformer um Graf Wolf v. Baudissin (1907–1993) blieb
demgegenüber in seinem Einfluss auf die neuen Strukturen der Bundeswehr eher
beschränkt. In der Denkschrift, die entscheidende Berater Adenauers in der Abge-
schiedenheit des Klosters Himmerod verfassten, wurde mithilfe der alten Sprachfi-
guren und nach dem Vorbild der Wehrmacht Struktur und Bewaffnung festgelegt,
während sich nur Spuren von Baudissins Konzept einer „Inneren Führung“ des Sol-
daten als durch sein Gewissen geleitetes Individuum und „Bürger in Uniform“ in
der Deklaration fanden.11
Die Frage nach einer Einbindung der Bundeswehr in die junge Demokratie und
die Schaffung von Transparenz, um die es hier nicht zuletzt auch ging, fand ihre
Parallele in der Frage, ob der Bundeswehrarzt Militärarzt oder Zivilarzt, letztlich ob
er vorrangig Soldat oder vorrangig Arzt sein soll. Schnell traten wieder diejenigen
Wehrmediziner auf den Plan, die bereits in der NS-Zeit und vor allem während des
Zweiten Weltkrieges die Wehrmedizin organisiert hatten. Diese ehemaligen Sani-
tätsoffiziere gehörten zum Mitarbeiterstab des „Amtes Blank“ und konnten dessen
Planungen in der Folgezeit in ihrem Sinne beeinflussen. Die ehemaligen Sanitätsof-
fiziere argumentierten damit, dass sich der Sanitätsoffiziersstatus während des
Zweiten Weltkrieges bewährt habe, ferner damit, dass dem Arzt bei der Bundes-
wehr „ein Gerüst…handfester Autorität“ zugesprochen werden müsse. Ja, es war
im alten Sinne sogar vom „Arztsoldaten“ die Rede, wobei direkt an die ide-
ologische Ausrichtung der Sanitätsoffiziere vor 1945 angeknüpft wurde.12 Gemäß
der nationalsozialistischen Ideologie hatte der Sanitätsoffizier „Gesundheitsführer“
zu sein, der als Autoritätsperson den deutschen Soldaten in Sachen Gesundheit und
Krankheit anweist. Der Sanitätsoffizier war Soldat, der auch für die Moral der
Truppe verantwortlich war und der als politischer Arzt die Interessen der Volksge-
meinschaft vor die Interessen des Individuums stellen sollte.13 Behandlung und
Aussonderung wurden der militärischen Lage und Zielsetzung untergeordnet. Der
Militärarzt war vor 1945 in erster Linie Soldat und ein Helfershelfer der Wehr-
macht gewesen.14
11 Bald, Die Bundeswehr, S. 18-37. Zu den verschiedenen Lagern der ehemaligen Wehr-
machtsgeneräle nach 1945: Alaric Searle, Nutzen und Grenzen der Selbstzeugnisse in einer
Gruppenbiographie. Wehrmachtsgeneräle in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, in:
Michael Epkenhans; Stig Förster; Karen Hagemann (Hrsg.), Militärische Erinnerungskultur.
Soldaten im Spiegel von Biographien, Memoiren und Selbstzeugnissen (Krieg in der Ge-
schichte, Bd. 29), Paderborn, München, Wien Zürich 2006. Zum Konzept der „Inneren Füh-
rung“ vgl.: Innere Führung für das 21. Jahrhundert. Die Bundeswehr und das Erbe Baudis-
sins, hrsg. im Auftr. d. Führungsakademie der Bundeswehr, Hamburg v. Elmar Wiesendahl,
Paderborn, München etc. 2007; Frank Pauli, Wehrmachtsofiziere in der Bundeswehr. Das
kriegsgediente Offizierskorps der Bundeswehr und die innere Führung 1955–1970, Pader-
born 2010; Frank Nägler, Der gewollte Soldat und sein Wandel. Personelle Rüstung und
Innere Führung in den Aufbaujahren der Bundeswehr 1956 bis 1964/65 (Sicherheitspolitik
und Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland 9), München 2010.
12 Vgl. Henneberger, Die Rechtsstellung des Arztes in der Bundeswehr, S. 11. Zitat ebd. aus:
Peter Berglar-Schroer, Aeskulap und die Waffen, Frankfurter Allgemeine vom 7.12.1955.
13 Neumann, „Arzttum ist immer Kämpfertum“, S. 52-55.
14 Ebd., S. 169-175. Siehe zur Militärmedizin vor 1945 auch: Cay-Rüdiger Prüll, Die Bedeu-
tung des Ersten Weltkriegs für die Medizin im Nationalsozialismus, in: Gerd Krumeich
(Hrsg.), Nationalsozialismus und Erster Weltkrieg, Essen 2010, S. 363-378, bes. S.
369/370.
290 Cay-Rüdiger Prüll
15 „Betr. Lazarette. Weshalb eigene Lazarette der Bundeswehr?“, 3 Seiten, hier S. 2, in: BW
24 (Inspektion des Sanitäts- und Gesundheitswesens/ 5114 Organisation der Bundeswehrla-
zarette/Bundeswehrkrankenhäuser 1956–1957, Bundesarchiv–Militärarchiv Freiburg.
16 Siehe zur Neuorganisation der Ärzteschaft und der Gesundheitspolitik in Westdeutschland
am Beispiel der amerikanischen Besatzungszone: Ellerbrock, „Healing Democracy“. Vgl.
zur Reputation der deutschen Medizin nach 1945 ferner: Cay-Rüdiger Prüll, Ärzte, Journa-
listen und Patienten als Akteure von Teilöffentlichkeiten in Westdeutschland. Eine Analyse
am Beispiel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ (1947–1955), in: Medizinhistorisches
Journal 45 (2010), S. 102-133, hier S. 107-110.
17 Im Jahr 1952 berichtete „Der Stern“ über Missstände bei der Behandlung von Patienten in
der psychiatrischen Anstalt Eichberg. Im Rahmen des Prozesses gegen die Stern-Journali-
sten, der von den leitenden Ärzten initiiert worden war, hielt das Gericht nach Angaben des
„Stern“ einen der Ärzte „überführt, während des Krieges als Lazarettarzt in Königsberg, die
ihm damals als Patienten unterstellten Landser nicht nur nicht richtig behandelt, sondern
vielmehr richtig mißhandelt zu haben.“ Vgl.: Die Freiheit, hohes Gericht, bleibt in unserem
Lande immer ein Abenteuer. Das Fazit aus dem „Eichberg-Prozess“, in: Der Stern 45
(1952), S. 5/36. Siehe auch das Wirken von Helmut Bohnenkamp (1892-1973), Leiter der
Inneren Klinik der Universität Freiburg, der durch eine ungewöhnlich harte Remobilisie-
rung und das Aufspüren von „Drückebergern“ aufgefallen war. Vgl. Alexander Neumann,
Medizin und Krieg. Freiburger Ordinarien im Dienst der Wehrmacht, in: Bernd Grün;
Hans-Georg Hofer; Karl-Heinz Leven (Hrsg.), Medizin im Nationalsozialismus. Die Frei-
burger Medizinische Fakultät und das Klinikum in der Weimarer Republik und im „Dritten
Aufbau des Sanitätswesens der Bundeswehr 291
Nach einer Periode der Unsicherheit konnten sich schließlich die Traditionali-
sten im „Amt Blank“ durchsetzen. Der Verteidigungsausschuss des Bundestags
entschloss sich am 11. April 1956, dem Antrag auf Zubilligung des Offiziersstatus
für Ärzte der Bundeswehr zuzustimmen.18 Ebenfalls 1957 wurde dann die Inspek-
tion des Sanitäts- und Gesundheitswesens (InSan) gegründet. Am 24. August 1957
wurde der Wehrbereichsarzt IV, Oberstabsarzt Dr. Theodor Joedicke (1899-1996),
vom Bundesverteidigungsminister zum ersten Inspekteur des Sanitäts- und Gesund-
heitswesens der Bundeswehr ernannt. In Joedicke personifizierte sich die Entschei-
dung, die über die Ausrichtung des Sanitätswesens bei der Bundeswehr gefällt
wurde. Zunächst Offizier im Ersten Weltkrieg, studierte er zwischen 1919 und
1924 Medizin, um dann neben einer Facharztausbildung zum Chirurgen Karriere
als Sanitätsoffizier zu machen, die ihn ab März 1943 in die Heeressanitätsinspek-
tion führte. 1957 trat er als Oberstarzt in die Bundeswehr ein. Joedicke gehörte zu
denjenigen Kräften, die im Kaiserreich sozialisiert worden waren, und den traditio-
nellen Korpsgeist der deutschen Armee in die Bundesrepublik und das Sanitätswe-
sen der neuen Streitkräfte trugen.19
Diese Richtlinien erschienen nun nicht mehr ausreichend. Es wurde betont, dass
das Verhalten gegenüber dem Betrunkenen ebenso wichtig sei wie die richtige Dia-
gnose. Verständnisvolles Auftreten sei gefragt und ein möglichst geringer Einsatz
der Pharmakologie. Auch müsse der Betrunkene ernst genommen werden. Seine
Überwachung müsse auch im Stadium der Ausnüchterung und des „Katzenjam-
mers“ erfolgen, da er in diesem Stadium sehr anfällig für suizidale Handlungen und
Depressionen sei.29 Zwar wurde nach wie vor Betrunkenheit als disziplinarisches
Problem gesehen, leider sei es
„…jedoch auch vorgekommen, dass Soldaten der Bundeswehr, die wegen Volltrunken-
heit einer ärztlichen Behandlung bedurften, entweder dieser gar nicht zugeführt oder
aber einer Therapie unterzogen wurden, die nachträglich als Kunstfehler angesehen
werden musste.“30
Schwierigkeiten zwischen Behandlern und Patienten blieben bis zum Ende des Be-
arbeitungszeitraumes dieser Studie: So beriet am 5. Juli 1974 eine Kommission des
Bundesministers für Verteidigung zur Personal-Ergänzung beim Sanitäts- und Ge-
sundheitswesen die Notwendigkeit der Errichtung eines am Soldaten ausgerichteten
Sanitätsdienstes, der raumdeckend allen Mitgliedern der Streitkräfte zustehen solle.
Dabei beschrieb der stellvertretende Sanitätsinspekteur den Truppenarzt als den
„Hausarzt des Soldaten“. Zwar hätten die Kasernierung, Manöver und Ausbildung
der Soldaten die Anwesenheit von „Ärzten in Uniform“ erzwungen, doch die Hie-
rarchie sollte zugunsten einer intensiveren Betreuung der Soldaten in den Hinter-
grund treten. Die Verhältnisse im Sanitätsdienst seit 1957 werden beschrieben, der
Ärztemangel durch die fehlende Attraktivität des Dienstes: fachliche Einengung,
fehlende Freiheit, fehlendes wirtschaftliches Angebot.31 Letztlich näherte sich der
Sanitätsdienst der Bundeswehr Ende der 1960er Jahre zunehmend an die zivilen
Sanitätsdienste an – nicht zuletzt deshalb, weil man im Ernstfall alleine keine Ver-
sorgung der Truppe oder gar auch von Teilen der Zivilbevölkerung garantieren
konnte. Deshalb entstand die Idee, bereits in der Friedenszeit einen Planungsstab
für das Sanitäts- und Gesundheitswesen der Gesamtverteidigung einzurichten.32
Ferner wurde eine Demarkation zwischen „Soldatenärzten“ und „Zivilärzten“ auch
dadurch unterminiert, dass 1963 die Klage von Sanitätsoffizieren gegen die Mit-
gliedschaft in der jeweiligen Landesärztekammer mit dem Argument, sie hätten den
1 J. Lister, On the antiseptic principle of the practice of surgery, „Lancet” 1867, vol. 90, nr
2299.
300 Joanna Nieznanowska
8 Opieka …, s. 221.
9 Np. Opieka …, s. 222.
10 W. Kosmowski, op. cit., s. 99–101 (st d cytat); Notatki doktora…, s. 159; N. Pirogow – Z.
Dobieszewski, op. cit., s. 337-338.
11 Notatki doktora.., s. 166; J. Stella–Sawicki, Z pamitników naocznego wiadka…, s. 514 –
515 (st d cytat), 524 - 525.
Echa wojny francusko–pruskiej 303
16 Tame, s. 119.
17 Tame, s. 100.
18 Tame, s. 117 - 118; Notatki doktora…, s. 128, 143, 165–166, 183, 193–199.
19 Tame, s. 149–150.
20 Notatki doktora…, s. 159.
21 W. Kosmowski, op. cit., s. 99, 164-165; Notatki doktora…, s. 175.
22 W. Kosmowski, op. cit., s. 244; Notatki doktora…, s. 143, 190, 231.
Echa wojny francusko–pruskiej 305
hat“. Er arbeitete bis Kriegsende als Chirurg, wechselte aber nach seiner Rückkehr
nach Warschau zur Pädiatrie, wo er die erste kostenfreie Ambulanz Kongresspolens
gründete.
Viele Berichte von Ärzten richteten sich an ein nicht medizinisch gebildetes
Publikum. Hier ging es vor allem um neue Organisationsformen wie internationale
medizinische Hilfe, die Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Ge-
sundheitsdiensten, den Krankentransport per Bahn. Von besonderem Wert ist ein
Bericht Jan [Stella-]Sawickis aus dem belagerten Straßburg. Sawicki war in der Ar-
mee des Zaren rasch zum Oberst und Stabschef aufgestiegen; 1862 hatte er den
Dienst wegen des bevorstehenden Aufstands quittiert. Nach dessen Niederschla-
gung floh er in die Schweiz und ließ sich später in Straßburg nieder, wo er Medizin
studierte. Während der Belagerung betrieb er ein 200-Betten-Hospital für die aus-
gebombte Zivilbevölkerung. Nach der Kapitulation sorgten einflussreiche Straßbur-
ger dafür, dass er das Siedlungsrecht in Galizien erhielt, wo er als Krankenhaus-
inspektor tätig wurde.
Ausführliche Besprechungen und meist ergänzte Übersetzungen fremdsprachi-
ger Fachliteratur richteten sich dagegen an ein Fachpublikum. Es dominieren chi-
rurgische Fragen, insbesondere der Behandlung von Kriegswunden und Entzündun-
gen. Erwähnenswert sind die Übersetzung und Ergänzung einer französischen Ar-
beit von Prof. Spilmann durch Sawicki über die Statistik des Krim- und des Sezes-
sionskrieges sowie die ausführliche Zusammenfassung einer Studie von Nikolaj
Pirogov durch Zygmunt Dobieszewski, der sich als Redakteur der „Klinik“ darum
verdient gemacht hat, polnischen Medizinern modernste (meist deutsche) Praktiken
und Methoden zu vermitteln. Während des Januaraufstandes von 1863/64 hatte er
die in Privatwohnungen eingerichteten „Bürgerspitäler“ organisiert; diese Erfah-
rungen ließ er in seine Übersetzung einfließen.
Allen Publikationsformen sind die folgenden ausgeführten Hauptthemen ge-
meinsam: Die Genfer Konvention von 1864 sah vor, in künftigen Kriegen gewisse
zivilisatorische Standards einzuführen, darunter die Versorgung Verwundeter ins-
besondere der Verliererseite. Die Vorschriften, nach denen internationalen Ge-
sundheitsdienste und zivile Freiwillige Neutralität genießen sollten, und Probleme
mit ihrer Umsetzung wurden in Arbeiten, die sich mit dem Krieg von 1870/71 be-
fassten, häufig zitiert – so etwa die Entscheidung der preußischen Behörden, nur
von deutschen Behörden gestempelte Rot-Kreuz-Armbinden anzuerkennen. Zudem
verlor Basel wegen des raschen deutschen Vormarsches seine Funktion als Ver-
mittlungs- und Überwachungsstation der medizinischen Versorgung; innerhalb we-
niger Wochen geriet die gesamte Gesundheitsversorgung unter deutsche Kontrolle.
Deutsche und französische Verwundete wurden von deutscher Seite gepflegt, letz-
tere dann in Lagern interniert. Da erstere häufig wieder an die Front geschickt wur-
den, geriet die internationale Wohltätigkeit so zu einem Hilfsdienst für die Sieger.
Zudem wurde auf Missbrauch der Konvention durch die deutsche Seite verwiesen,
die mitunter bewaffnete Einheiten mit Rot-Kreuz-Armbinden ausstattete und Ge-
310 Joanna Nieznanowska
bäude mit dem roten Kreuz als Artilleriestellungen verwendete. Schließlich be-
schossen deutsche Truppen das gekennzeichnete Straßburger Hospital und verur-
sachten einen Großbrand. Als Erfolg sahen polnische Autoren die Unterbringung
von Verwundeten in Privathaushalten: Durch die Verteilung wurde Seuchen vorge-
beugt, und die Ernährung war meistens abwechslungsreicher.
Als schwächster Punkt hatte sich die Evakuierung der Verwundeten vom
Schlachtfeld erwiesen. In Preußen gab es je Korps von etwa 30.000 Soldaten 450
Sanitäter, die täglich nicht mehr als 1.000 Verwundete transportieren konnten, was
angesichts einer Verwundetenzahl von 10.000 auf das Bataillon innerhalb weniger
als einer Stunde Maschinengewehrfeuer viel zu wenig war. Verwundete lagen oft
mehrere Tage auf dem Schlachtfeld. Die Pferdefuhrwerke der Sanitätsabteilungen
bewährten sich nicht, da es zu wenige gab und sie häufig steckenblieben. Hervorge-
hoben wurde auch die preußische anachronistische Praxis, Feldärzte als Soldaten zu
sehen und kämpfen zu lassen, was nicht nur den Bestand des medizinischen Per-
sonals reduzierte, sondern auch ungünstige Folgen für die medizinische Moral und
Praxis hatte, da viele junge Ärzte sich lieber auf dem Schlachtfeld auszeichnen
wollten. Dies wiederum führte dazu, dass es zahlreiche Simulanten einerseits, zu
viele Ärzte in der Etappe andererseits gab. Für polnische und russische Freiwillige
bestand das Problem darin, dass es keine Ausrüstung für sie gab und sie oft wo-
chenlang vergeblich eine sinnvolle Beschäftigung suchten; selbst für die deutschen
Ärzte war zu wenig Material vorhanden. Auch deshalb schlug Prof. Esmarch noch
während des Krieges vor, jeden Soldaten mit einem Verbandpäckchen und einer
Grundausbildung in Erster Hilfe auszustatten. Die Auffassung, eine erfolgreiche
Behandlung könne nur weit hinter der Front erfolgen, stieß bei polnischen Autoren
auf Kritik, insbesondere wegen der offensichtlichen Transportprobleme. Zwar hat-
ten Sanitätszüge wie Militärzüge Vorrang; ihre Fahrt verzögerte sich aber oft, und
die Bedingungen an den Stationen waren äußerst schlecht. Zudem erwies sich der
allgemeine Befehl, alle Verwundeten, die chirurgischer Hilfe bedurften, in die
Etappe zu bringen, in manchen Fällen als nicht sinnvoll.
Während des Krieges hatten sich mehrere große Organisationen in der humani-
tären Hilfe für Verwundete engagiert. Neben dem späteren Roten Kreuz handelte es
sich vor allem um weltliche Orden wie die Malteser und die Johanniter, die von den
preußischen Behörden zu den Koordinatoren der Verwundetenpflege ernannt wur-
den. Da sich die Johanniter aus dem hohen deutschen Adel rekrutierten, hatten sie
ausgezeichnete Beziehungen zu Regierungsstellen. So ließen sich Konflikte zu mi-
litärischen Stellen in aller Regel sehr schnell beilegen. Informelle „Appelle“ schu-
fen Kontakte zwischen den freiwilligen Ärzten und erleichterten Koordinierung
und Organisation. Freilich gab es auch Kritiker der Stellung der Johanniter; die
meisten Organisationen fanden sich aber damit ab, und die Verdienste des Ordens
standen außer Zweifel.
Ein eigenes Thema war die Einbeziehung von Frauen in die humanitäre Hilfe –
und zwar weniger bei der Sammlung und Verteilung materieller Hilfsleistungen als
Echa wojny francusko–pruskiej 311
bei der Betreuung der Verwundeten und Kranken. Polnische Autoren lobten die
Qualität der Betreuung in den höchsten Tönen wegen der Kompetenz und Opferbe-
reitschaft insbesondere der weiblichen Freiwilligen, die die Patienten meist auch
psychisch und emotional betreuten – im Gegensatz zu den ausgebildeten Kranken-
schwestern, die ihren Beruf mitunter eher „wie ein Handwerk“ ausübten.
Ein weites Feld eröffnete die Chirurgie der Verwundungen und der Kampf ge-
gen Entzündungen; hier waren die polnischen Beiträge allerdings am wenigsten
originell: In aller Regel wurden lediglich die Ergebnisse fremdsprachiger Arbeiten
referiert. Selbst Kosmowski nutzte seine reichen Erfahrungen lediglich, um seine
oben erwähnte Zusammenfassung Pirogovs zu ergänzen. Interessant bei den Arbei-
ten über Aseptik und den Wandel in der Amputationspraxis ist, dass die Entwick-
lung von Kenntnissen nachvollzogen werden kann, die heute in der Chirurgie als
Grundwissen gelten. So war die mikrobiologische Ätiologie der ansteckenden
Krankheiten bereits akzeptiert, es war aber noch nicht bekannt, dass die Krankhei-
ten verwundeter Soldaten ansteckend sind. Es wurden Grundlagen der Fixierung
von Gliedmaßen entwickelt, wobei jeder der hier führenden deutschen Ärzte eigene
Lösungen vorschlug.
Hinsichtlich des Einflusses des Krieges auf die Bevölkerung überwogen zwei
Aspekte: Zum ersten waren die Verletzungen der Zivilbevölkerung andere als die
der Soldaten, weil hier vor allem Artilleriegeschosse ihr Unheil anrichteten. Da die
Bombardierungen nachts stattfanden, kam Schlafentzug als Problem hinzu. Gleich-
wohl zeigten die Statistiken für Paris einen überraschenden Rückgang von Psycho-
sen während des Krieges. A. Rothe zeigte aber, dass dies an der hohen Sterblichkeit
der Psychotiker während der Belagerung lag: Im September 1870 waren 350.000
Menschen nach Paris evakuiert worden, es herrschten Hunger und bald auch Kälte.
Infolgedessen überließen viele Familien psychisch kranke Angehörige sich selbst;
viele starben oder wurden erschlagen, weil sie für preußische Spione gehalten wur-
den. An neuen Krankheiten wurden „Säuferwahnsinn“ (v.a. bei jungen Männern)
und „Katatonie“ oder „Apathie“ ausgemacht. Die meisten Erkrankten gesundeten,
wenn ihnen Ruhe und hinreichende Nahrung gegeben wurden.
Eine einzige fremdsprachige Publikation zu ethischen Fragen wurde ohne
Kommentar oder Ergänzungen ins Polnische übersetzt, nämlich ein Bericht der Pa-
riser Ärztegesellschaft, der sich der moralischen Haltung der deutschen Ärzte im
Krieg widmete und zahlreiche Vorwürfe gegen die medizinisch-militärische Praxis,
über Verstöße gegen die Genfer Konvention und über das Verhalten der medizini-
schen Akademiker erhob. Der Abdruck wurde zudem auf die Schlussfolgerungen
der Kommission gekürzt.
„Invaliden der Tapferkeit“. Kriegsangst in den Debatten
deutscher und französischer Mediziner im Ersten Welt-
krieg
Susanne Michl, Greifswald
The Next War
Out there, we've walked quite friendly up to Death
Sat down and eaten with him, cool and bland,-
Pardoned his spilling mess-tins in our hand.
We've sniffed the green thick odour of his breath,
Our eyes wept, but our courage didn't writhe.
He's spat at us with bullets and he's coughed
Shrapnel. We Chored when he sang aloft;
We whistled while he shaved us with his scythe.
Oh, Death was never enemy of ours!
We laughed at him, we leagued with him, old chum.
No soldier's paid to kick against his powers.
We laughed, knowing that better men would come,
And greater wars; when each proud fighter brags
He wars on Death – for Life; not men – for flags.
Wilfried Owen1
Als der Autor dieser Zeilen, der britische Soldat und Dichter Wilfried Owen, bei
der Schlacht am Sambre-Oise Kanal am 4. November 1918 ums Leben kam, stand
das Kriegsende kurz bevor. Seine Gedichte, die er zwischen Sommer 1917 und
Herbst 1918 geschrieben hatte, wurden posthum veröffentlicht und erlangten nicht
zuletzt nach der Vertonung Benjamin Brittens in dessen „War Requiem“ 1962 ei-
nen hohen Bekanntheitsgrad. Wilfried Owen gilt als einer der bedeutendsten „War
Poets“, welche die Kriegsschrecken in Worte zu fassen vermochten. Sieht man über
die Grenzen des literarischen Genres hinaus, so ist seine Kriegslyrik jedoch nur ein
Zeugnis unter einer Vielzahl soldatischer Beschreibungen des Alltagslebens an der
Front und der allgegenwärtigen Todesnähe, an die sich die Soldaten im langwieri-
gen Ausharren in den Schützengräben gewöhnen mussten. Von diesen Erfahrungen
zeugen auch Feldpostbriefe, Tagebucheinträge sowie die Nachkriegsliteratur an
Memoiren und fiktionalen Erzählformen.2
1 Cecil Day Lewis (Hrsg.), The collected Poems of Wilfried Owen, New York 1963, S. 86.
2 Das kürzlich erschienene Buch des Soziologen Michael Roper untersucht ebenfalls emotio-
nale Strategien und Ressourcen des Kriegsüberlebens anhand von Briefen zwischen Solda-
ten an der Front und deren Müttern in der Heimat. Michael Roper, The secret battle. Emo-
tional Survival in the Great War, Manchester 2009. Zum Genre des Feldpostbriefes siehe
auch Bernd Ulrich, Die Augenzeugen. Deutsche Feldpostbriefe in Kriegs- und Nachkriegs-
zeit 1914-1933, Essen 1997. Auch der Historiker Ben Shephard bemerkt: „‚The manage-
„Invaliden der Tapferkeit” 313
Dass der Erste Weltkrieg eine emotionale Extremerfahrung bedeutete, ist in der
Forschung wohl unumstritten, zumal etliche historische Untersuchungen das Neue
des Ersten Weltkriegs hervorgehoben haben:3 etwa die Modernisierung der Krieg-
führung, den Einsatz neuer technischer und chemischer Waffen, die Tatsache, dass
der Gegner nur schwer zu lokalisieren war, den Schützengrabenkrieg, der die Sol-
daten immobilisierte, schließlich die Ausweitung des Kriegs auf die „Heimatfront“,
um nur einige Gründe zu nennen, die dafür sprechen, dass tatsächlich von einer
Zunahme und einer spezifischen Ausformung von psychischem Stress und Angst-
zuständen ausgegangen werden kann.
Auch das Gedicht von Owen beschreibt eine Strategie des Überlebens in einer
Frontgemeinschaft von Soldaten, die sich abseits einer nationalen Volksgemein-
schaft befindet, was im Satz zum Ausdruck kommt: Man werde „nicht gegen Män-
ner und nicht für Flaggen“, sondern „mit dem Tod, um das Leben“ kämpfen. Der
Tod wird als ein Teil dieser Frontgemeinschaft beschrieben. Es scheint, als füge er
sich in die alltäglichen Handlungen des Schützengrabenkriegs wie eine weitere un-
sichtbare, aber immer präsente Person ein. Angst wird aus dieser Szenerie des na-
hezu vertrauten Umgangs mit dem Tod und seinem Schrecken nicht explizit thema-
tisiert.
Man könnte dies nun auf verschiedene Weise deuten, am ehesten wohl psycho-
logisch als eine Allgegenwärtigkeit des Todes und der Todesangst, die wiederum
zu einer Art Abstumpfung gegenüber den Kriegsschrecken führt.
Ein Historiker wird sich dennoch nicht allzu weit in das Gebiet der Psychologie
wagen und sich den soldatischen Selbstzeugnissen auf eine andere Art und Weise
nähern. Im Mittelpunkt einer historischen Analyse stehen vielmehr die Fragen, was
von diesen Erfahrungen die Soldaten artikulieren und kommunizieren konnten und
was sich der Sprache gänzlich entzog, bzw. welchen Regeln diese Beschreibungen
folgten. Eine solche Herangehensweise verweist zudem auf andere Diskurse, etwa
auch auf den medizinischen Diskurs als Referenz- und Bezugsrahmen für die Sag-
barkeitsregeln der soldatischen Angstbeschreibungen.4
Der Diskurs über Angst wird, so steht zunächst zu vermuten, von den Vorstel-
lungen über soldatische Ideale wie Tapferkeit und Mut – die Kehrseite von Angst –
und von Männlichkeitsvorstellungen geprägt sein. Dies wird auch im Gedicht
Owens deutlich, in dem von dem nicht „schrumpfenden Mut“ oder den „besseren
ment of fear is the subject of nearly all Great War literature“, in: Ben Shephard, A War of
Nerves. Soldiers and Psychiatrist in the Twentieth Century, Cambridge Mass, 2000, S. 35.
3 Zur Debatte um eine Totalisierung des Kriegs siehe Roger Chickering/Stig Förster (Hrsg.),
Great War – Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914–1918, Cam-
bridge 2000; Manfred F. Boemeke/Roger Chickering/Stig Förster (Hrsg.), Anticipating To-
tal War. The German and American Experiences, 1871–1914, Cambridge 1999.
4 Ausführlicher zu den medizinischen Konzeptionen von Kriegsangst im Ländervergleich
siehe Susanne Michl und Jan Plamper, Soldatische Angst im Ersten Weltkrieg. Die Karriere
eines Gefühls in den Kriegspsychiatrie Deutschlands, Frankreichs und Russlands, in: Ge-
schichte und Gesellschaft 35, 2009, S. 209-248.
314 Susanne Michl
Männern“, die zukünftig kommen werden, die Rede ist. Damit wirft das Gedicht
die Frage auf, wie diese Angsterfahrungen zukünftig in die vorherrschenden Vor-
stellungen von Männlichkeit integriert werden können. Wie sieht der Mann der Zu-
kunft aus, den bereits Ernst Jünger als den neuen, durch das Stahlgewitter des
Kriegs gestählten Menschen beschrieben hatte? Eine gefühlshistorische Perspektive
wird ebenfalls die langfristigen Folgen des Kriegs untersuchen, indem sie der Frage
nachgeht, wie sich die kulturellen Normen, die das Sag- und Kommunizierbare der
Erfahrungen festlegen, in Kriegs- und Nachkriegszeit oder aber auch in unter-
schiedlichen Kontexten, wie Familie, Ehe oder politischer Öffentlichkeit verscho-
ben haben.
Oftmals entzieht sich Angst aber auch der Sprache und drängt sich körperlich
auf. Die unkontrollierbaren, körperlichen Angstreaktionen scheinen die Soldaten
besonders beschäftigt zu haben, nehmen sie doch einen breiten Raum in den solda-
tischen Selbstzeugnissen ein. So ist es wohl auch zu verstehen, dass die einzige of-
fensichtliche Gefühlsäußerung im Gedicht von Owen eine körperliche Reaktion ist:
die weinenden Augen. Im Ersten Weltkrieg traten die körperlichen Manifestationen
und Reaktionen auf das Kriegsgeschehen derartig massiv auf, dass sich Militär und
Medizin damit eingehend beschäftigten. Dabei handelte es sich vor allem um moto-
rische Störungen der sogenannten Kriegszitterer, also derjenigen Soldaten, denen
der Krieg buchstäblich in die Glieder gefahren war, die am ganzen Leib zitterten,
sich schüttelten, sich clownesk verrenkten, deren verkrampfte und gelähmten
Gliedmaßen und Duckstellungen sich auch mit Gewalt nicht mehr lösen ließen.
Aber auch andere, weniger massive körperliche Äußerungen, so das Zittern im Gra-
natenhagel, das Einnässen, chronischer Durchfall, plötzliche Wein- und Wutanfälle
wurden diesem Krankheitsbild zugeordnet.
An der Kriegsfront
Die unkontrollierten, „unmännlichen“ Bewegungsabläufe der „Kriegszitterer“ for-
derten vor allem die Kriegspsychiatrie heraus, die mit einem solchen Ausmaß und
einer solchen Schwere der Fälle von „traumatischer Neurose“ nicht gerechnet hat-
te.5 Die medizinischen Experten, die sich an der Debatte um das eigentümliche
5 Die Literatur zur Kriegspsychiatrie des Ersten Weltkriegs ist in den letzten Jahren stark an-
gewachsen. Ben Shephard, A War of Nerves: Soldiers and Psychiatrists in the Twentieth
Century, Cambridge Mass. 2001; Marc Micale u. Paul Lerner (Hrsg.), Traumatic Pasts: His-
tory, Psychiatry, and Trauma in the Modern Age, 1870–1930, Cambridge 2001; Marc Rou-
debush, A Battle of Nerves: Hysteria and Its Treatment in France during World War I,
Ph.D. diss., University of California, Berkeley 1985; Paul Lerner, Hysterical Men: War,
Psychiatry, and the Politics of Trauma in Germany, 1890–1930, Ithaca 2003; Catherine
Merridale, The Collective Mind: Trauma and Shell-Shock in Twentieth-Century Russia, in:
Journal of Contemporary History 35. 2000, S. 39–55; Peter Leese, Shell Shock: Traumatic
Neuroses and the British Soldiers of the First World War, New York 2002; Hans-Georg
„Invaliden der Tapferkeit” 315
8 Max Lewandowksy, Was kann in der Behandlung und Beurteilung der Kriegsneurosen er-
reicht werden?, in: Münchener Medizinische Wochenschrift, 31.7.1917, S. 1031.
9 André Léri, Commotions et émotions de guerre, Paris 1918; Gilbert Ballet u. Joseph Rogues
de Fursac, Les psychoses „commotionnelles“ (psychoses par commotion nerveuse ou choc
émotif), in: Paris Médical, Bd. 19. H. 1, 1916, S. 6f.
„Invaliden der Tapferkeit” 317
sicht und seine Haltung lassen ein seelisches Unbehagen erkennen, das er doch nicht
weiter bestimmen kann; im Regiment geht alles gut, aber zu Hause quält ihn etwas, er
fühlt sich 'ganz komisch'.“ 10
Besonders eindrücklich beschrieben die Schüler des bekannten Neurologen Ernest
Dupré Albert Devaux und Benjamin Joseph Logre die Angstzustände in ihrem
Werk über die „anxieux“, das sie bereits vor dem Krieg begonnen hatten und durch
die im Krieg gehäuft auftretenden angst-induzierten Erscheinungsbilder um ein
weiteres Kapitel ergänzen konnten:
„Nach einem großen emotionellen Schock, der von einer körperlichen Erschütterung
oder Verletzung begleitet werden kann oder nicht, wird ein vormals tapferer Mann zum
Feigling. Sein kriegerischer Mut geht ihm verloren. Er bekommt bereits beim Lärm von
Gefechtsfeuer Angst, fängt an zu zittern und kann seine Verwirrung weder verstecken
noch beherrschen. Er leidet gewissermaßen unter einer emotionellen Überempfindlich-
keit; er kann der Angst der Schlachtfelder nicht mehr siegreich widerstehen.“11
Auch bei der Beurteilung derartiger Angstzustände waren die französischen Psy-
chiater weniger kategorisch als ihre deutschen Kollegen, von denen etliche die
Kriegshysteriker als willensschwach stigmatisierten. In Frankreich war mit der
Kriegsangst eine Diagnosekategorie geschaffen, die es erlaubte, angstinduziertes
Verhalten nicht als Feigheit vor dem Feinde, sondern als kriegsbedingte Erkran-
kung zu klassifizieren. Eine solche Rehabilitierung von Soldaten, die unter dem
psychischen Stress des Kriegs zusammengebrochen waren, war auch das Anliegen
der beiden bereits genannten Psychiater Devaux und Logre. So befanden sie, dass
ein körperlich und ein psychisch versehrter Soldat die gleichen Rechte auf finan-
zielle, staatliche Entschädigungsleistungen haben sollte. Ein psychisch erkrankter
Soldat sei „im eigentlichen und militärischen Sinne“, so betonten die beiden Spe-
zialisten, „ein Invalide“, wenn auch „ein Invalide der Tapferkeit“.12 Der betroffene
Soldat sei vielmehr über die Grenzen seiner Belastbarkeit und Tapferkeit gegangen.
10 Raymond Mallet, Etats anxieux, Réunion Médicale de la IVème armée, 16 juin 1916, in:
Presse Médicale, 7.8.1916, S. 351: „Sans cause apparente, souvent même au cantonnement
de repos, un homme tombe brusquement dans l’anxiété: il arrive à l’hôpital inquiet, il ne
sait pourquoi; son visage, son attitude traduisent un malaise moral qu'il ne peut définir; tout
va bien au régiment et à la maison et pourtant il est tourmenté, ‚tout drôle.’“
11 Albert Devaux u. Benjamin Joseph Logre, Les anxieux, Paris 1917, S. 297: „A la suite d'un
gros choc émotif, accompagné ou on de commotion physique et de blessure, le sujet, qui
était brave, devient poltron. Il est déchu de son courage guerrier. En entendant le canon, il a
peur, il tremble, et ne peut cacher ni maîtriser son désarroi. Il est atteint, en quelque sorte,
d'anaphylaxie émotive; il ne peut plus résister victorieusement à l'angoisse des champs de
bataille.“
12 Ebd., S. 297: „Cette lâcheté acquise est le résultat d’un traumatisme moral de guerre, con-
tracté dans le service. Atteint dans con corps, le soldat aurait droit aux égards qu’on prodi-
gue aux blessés. Atteint dans son esprit, il a, en réalité, les mêmes droits. Il est, au sens pro-
pre et militaire du mot, un invalide, mais un invalide moral, un invalide du courage.” [Her-
vorhebung Logre und Devaux].
318 Susanne Michl
An der Heimatfront
From a blur of female faces
Distraught eyes stand out,
And a woman’s voice cried:
“The Zeppelins – they are attacking us.
Kingsland Road is alight
Stoke Newington is burning
Do you not hear the guns?
Oh, what shall we do?
We make jokes to reassure them.
I shiver: chill? excitement? fear?
Frank Stuart Flint13
Der Krieg tobte nicht nur an der Kriegs-, sondern auch an der Heimatfront.14 Bei
den zivilen Angstzuständen handelte es sich keineswegs um eine abstrakte Angst
vor dem Krieg. In einem bis dahin nicht bekannten Ausmaß hatten die kriegführen-
den Regierungen die Heimatfront in die Kriegsanstrengungen mit einbezogen. Ma-
terielle und emotionale Opfer, so forderte es der „totale“ Krieg, mussten auch von
der Zivilbevölkerung erbracht werden. Die Materialproduktion in der Kriegsindust-
rie schuf die Grundlage für die hoch technologisierte Kriegführung. Die Verluste
an der Kriegsfront mussten mental und materiell von der Heimatfront verarbeitet
und ausgeglichen werden. Es gab überdies etliche Regionen, die direkt von Kamp-
feshandlungen betroffen waren, entweder, weil sie sich im Operationsgebiet befan-
den, oder, weil sie direkte Ziele der kriegführenden Strategen geworden waren.
Bereits im Ersten Weltkrieg wurden Städte bombardiert, um die Moral der Zi-
vilbevölkerung gezielt zu erschüttern.15 Die Zerstörungen nahmen zwar nicht das
Ausmaß der urbanen Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs an. Dennoch machte
die Stadtbevölkerung etwa aus Paris, London oder den deutschen Städten an Rhein
und Ruhr ähnliche Erfahrungen wie die Soldaten im Operationsgebiet. Sie mussten
um ihr Leben bangen, waren ohnmächtig den feindlichen Granatkugeln ausgeliefert
und sahen sich mit Zerstörungen und Tod konfrontiert. Das Gedicht von Frank Stu-
13 Michael Copp (Hrsg.), The Fourth Imagist. Selected Poems of S. F. Flint, Danvers, Massa-
chusetts 2007, S. 108. Siehe auch Joanna Bourke, Fear. A Cultural History, London 2005,
S. 226.
14 Siehe hierzu Karen Hagemann/Stefanie Schüler-Springorum (Hrsg.), Heimat – Front. Mili-
tär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, Frankfurt am Main 2002.
15 D. H. Robinson, The Zeppelin in Combat. A History of the German Naval Airship Division,
1912-1918, London 1962.
„Invaliden der Tapferkeit” 319
art Flint, 1920 publiziert, beschreibt die Szenerie einer Bombardierung Londons
durch deutsche Zeppeline. Auch in dieser Kriegslyrik ist, ähnlich wie im Gedicht
Owens, die Empfindung nicht eindeutig zuzuordnen. Sie entzieht sich gewisserma-
ßen der sprachlichen Beschreibung und reduziert sich auf eine körperlich-physiolo-
gische Reaktion, das Zittern, ob aus Kälte, Aufregung oder Angst, bleibt indes un-
beantwortet.
Für die Mediziner, die in der Heimat verblieben waren, stellten die Reaktionen
der Zivilbevölkerung in den bombardierten Städten ein interessantes Untersu-
chungsfeld dar. Die Soldaten an der Kriegsfront bildeten keineswegs die Durch-
schnittsbevölkerung, waren sie doch durch die Rekrutierungsmaßnahmen, insbe-
sondere durch die gesundheitliche Eignungsprüfung bereits konstitutionell vor-
sortiert worden. Die Mediziner interessierte jedoch die Frage, wie Zivilisten –
Frauen, Kinder, Alte – auf die extremen emotionalen Erfahrungen, die eine solche
Bombardierung darstellte, reagierten.
Nach den Bombenabwürfen über Freiburg im April 1917 publizierte der Psy-
chiater Alfred Hoche seine Beobachtungen über menschliches Verhalten in lebens-
bedrohlichen Situationen.16 Der Krieg war in den Augen Hoches die Probe auf das
Exempel, ob sich der deutsche „Volkskörper“ als konstitutionell robust erweisen
würde. In diesem Sinne fand er es besonders bemerkenswert, dass nach den Bom-
benabwürfen kein einziger Zugang zur psychiatrischen Klinik zu verzeichnen
war.17 Bei „nervös und psychisch vollwertigen“ Individuen könne, so Hoche wei-
ter, von einer länger dauernden Nachwirkung der Bombardierung keine Rede sein.
Mit der Deutung des Kriegs als Gradmesser für die Volksgesundheit stand Ho-
che in der deutschen Psychiatrie nicht allein. Für die Zivilbevölkerung galt mehr
noch als für die Militärbevölkerung, dass ein gesundes Nervensystem den Kriegser-
eignissen durchaus standzuhalten vermochte. Dementsprechend günstig fiel auch
die Gesamtbilanz aus, die Hoche über die „Freiburger Nerven“ zog: „Die durch-
schnittliche seelische Widerstandskraft einer modernen Stadtbevölkerung“, so Ho-
che weiter, sei keineswegs so schlecht, „wie die ängstlichen Betrachtungen ein-
zelner Ärzte über die ‘nervöse Degeneration‘ unseres Zeitalters erwarten lassen“.18
Die Kehrseite einer solchen Betrachtungsweise war allerdings, dass nun all diejeni-
gen, die ihre Angst öffentlich zeigten, als bereits prädisponierte, schwache und
kranke Individuen stigmatisiert wurden.
Für Frankreich ergibt sich hier abermals ein ganz anderes Bild. Kriegsangst
war zunächst keine genuin militärische Erkrankung, die ausschließlich bei Soldaten
und im Kampfesgeschehen entstehen konnte. Bei der „Kriegsangst“ handelte es
sich vielmehr um eine Krankheitsform, die sowohl in der Militär- als auch der Zi-
vilbevölkerung auftrat und somit eine Brücke zwischen den Kriegserfahrungen von
Männern an der Front und Frauen in der Heimat schlug. In ihrer Symptomatik und
ihrem Auftreten, so stellten französische Mediziner fest, unterschieden sich Kriegs-
ängste an der Front und in der Heimat kaum voneinander.19 Die Kriegsangst dia-
gnostizierten Ärzte bei Zivilpersonen, die in der Armee einen Familienangehörigen
oder Freund hatten, oder bei denjenigen Personen, deren materielle Lebenssituation
und psychische Verfasstheit unter den Kriegsereignissen gelitten hatten. Die
Krankheit drücke sich in einer speziellen Ängstlichkeit aus, die sich beim kleinsten
äußerlichen Eindruck verstärkte. Überdies meinte man feststellen zu können, dass
es sich nicht um eine hysterische Störung handele sowie die Prädisposition eine un-
tergeordnete und zu vernachlässigende Rolle spiele. Während des Rückzugs von
Charleroi, zur Zeit der Luftangriffe auf Paris, während der Marneschlacht und der
Champagne-Offensive seien die meisten Fälle zur Beobachtung gekommen.20 Eine
solche Sicht bedeutete demnach auch, dass der Kriegs- und der Krankheitsverlauf
in direkter Beziehung zueinander standen. Die Kriegsangst entstand im und durch
den Krieg, und nicht, wie in der Deutung vieler deutscher Mediziner, als disponie-
render Faktor im erkrankten Individuum selbst.
Der deutsch-französische Vergleich der medizinischen Kriegsdebatten hat ge-
zeigt, wie unterschiedlich die psychiatrischen Deutungen der militärischen und zi-
vilen Angstformen waren. Mit diesem Befund steht eine Gefühlsgeschichte des
Kriegs allerdings erst an einem Anfang. Zieht man die soldatischen Selbstbeschrei-
bungen in Feldpostbriefen, Tagebüchern sowie Werke der Kriegs- und Nachkriegs-
literatur heran, so stellt sich die Frage, ob sich diese Unterschiede auch in soldati-
schen Ego-Dokumenten wiederfinden. Nur in der Zusammenschau mit weiteren
Quellen wird die Tragweite der medizinischen Deutungsmuster offensichtlich und
lässt sich die Frage beantworten, inwieweit die spezialisierten Auseinandersetzun-
gen mit der Kriegsangst einen Bezugsrahmen dafür darstellten, wie Angst von den
Betroffenen beschrieben, kommuniziert, ja vielleicht auch wie sie gefühlt wurde.
Einer emotionshistorisch erweiterten Militär- und Kriegsgeschichte wird sich hier
zukünftig ein weites Untersuchungsfeld bieten.
19 Louis Rénon, L’angoisse de guerre et son traitement, in: Bulletins et mémoires de la Société
de thérapeutique, 12.1.1916, S. 44-50 ; siehe ebenfalls den Lexikonartikel „Angoisse de
guerre” in: Galtier-Boissière (Hrsg.), Larousse médical illustré de guerre, Paris 1917, S. 12.
20 Louis Rénon, L., L’angoisse de guerre et son traitement, in: Bulletins et mémoires de la So-
ciété de thérapeutique, 12. Januar 1916, Nr. 41, S. 46.
„Invaliden der Tapferkeit” 321
1 Der Fortschritt hatte allerdings auch zur Folge, dass Seuchen, die im Osten noch grassier-
ten, in Westeuropa schon erloschen und damit kaum mehr Kenntnisse von ihnen vorhanden
waren, wie das beim Fleckfieber der Fall war: E. Gotschlich: Fleckfieber, in: Lehrbuch der
Mikrobiologie (mit besonderer Berücksichtigung der Seuchenlehre) (Hrsg. Ernst Friedber-
ger/Richard Pfeiffer), Bd. 2. Jena 1919, S. 1070-1090, hier S. 1071 f. Dies wirkte sich aus,
als es zu massenhaften Bevölkerungsbewegungen kam und damit Voraussetzungen für die
Verbreitung von Epidemien geschaffen waren.
2 Gotschlich: Fleckfieber S. 1071 (120.000 amtlich gemeldete Fleckfieber-Todesfälle in
Russland noch 1911).
Epidemien, Politik und Propaganda 323
der West-Entente, nämlich über 530.000, der französischen Armee angehörte, wur-
de hier die französische Regierung aktiv.
Zum Objekt der Propaganda wurden die Landsleute, die als Zivilisten und vor
allem als Soldaten in Gefangenschaft gerieten. Ihre Behandlung wurde zu einem
Gradmesser für die Menschlichkeit oder Barbarei des Gegners, womit dieser vor
der Weltöffentlichkeit unter Druck gesetzt werden konnte.3 Kriegsgefangene sind
dabei die wichtigste Gruppe, denn sie waren tendenziell wehrlos und der Gefahr, an
Seuchen zu erkranken oder zu sterben, besonders ausgesetzt. Von rund 70 Mil-
lionen mobilisierten Soldaten gerieten annähernd 9 Millionen in Gefangenschaft.
Jeder zehnte Weltkriegsgefangene überlebte diese nicht. Etwa zwei Drittel von ich-
nen starben an Seuchen.
In Deutschland und Österreich-Ungarn, die wegen hoher Zahlen an eingebrach-
ten Kriegsgefangenen ihrer Gegner (2,5 Millionen in Deutschland) und eigenen
Kriegsflüchtlingen sowie Zivilinternierten (vor allem das Habsburgerreich in seiner
nordöstlichen, an Russland angrenzenden Provinz Galizien, später auch Südtirol
und Siebenbürgen) in der Frühphase des Kriegs besonders betroffen waren, konn-
ten eingespielte Strukturen medizinischer Fürsorge ein Massensterben verhindern,
während die Epidemien in Russland seit 1915 zunahmen.
Die Mächte der West-Entente, England, Frankreich und Italien, waren von Epi-
demien viel weniger betroffen: nur Frankreich hatte eigene Staatsbürger als Flücht-
linge aus der Frontzone und einige hunderttausend Kriegsgefangene zu versorgen.
Hygieneprobleme, Seuchen oder Versorgungsengpässe waren aber hier genauso
wenig ein Thema wie in England oder Italien. Das änderte sich erst 1918 mit der
Spanischen Grippe.
Erst durch die Folgen der Handelsblockade der Entente traten seit 1916 bei den
Mittelmächten massive Probleme auf, die vor allem wegen der Nahrungsmittelver-
knappung sich auf die Schwächsten und Rechtlosen auswirkten: nicht arbeitsfähige
Alte, Kranke, Kinder und Kriegsgefangene. Nach britischen Schätzungen führte die
Hungerblockade in Deutschland zum Tod von 720.000 Menschen, weitere 140.000
Kriegsgefangene, überwiegend Osteuropäer, sind dort wohl bis 1918/19 umge-
kommen. Für Österreich-Ungarn wird man ähnliche Zahlen annehmen können.4
Dort attestierten die Medizinalbehörden seit 1917 zehntausendfachen Tod durch
Herzschwäche infolge von Unterernährung bzw. Auszehrung. Noch höher sind die
Zahlen für Russland, wo im Mai 1918 der Bürgerkrieg begann.
5 Sie ist keine typische Kriegsseuche, vgl. Rodenwaldt: Frühzeitige Erkennung S. 12.
6 Handbuch der ärztlichen Erfahrungen im Weltkrieg, Bd. 7: Hygiene (Hrsg. W. Hoffmann).
Leipzig 1922, darin August Gärtner: Einrichtung und Hygiene der Kriegsgefangenenlager,
S. 162-266, hier S. 260 f. Hohe Verluste in Schneidemühl und Kassel sind wohl auf die lan-
ge Virulenz der Seuche zurückzuführen, die hier acht Monate grassierte, während sie an-
dernorts sechs oder weniger Monate dauerte. Ebd. Richard Pfeiffer: Typhus, S. 327-349;
Karl E. Boehnke: Bazillenruhr, S. 360-385; Wilhelm Hoffmann: Cholera, S. 386-403;
Richard Otto: S. 403-460; Theodor v. Wasielewski/Carl Kersting: Rückfallfieber und Bern-
hard Möllers: Grippe, S. 574-585.
Epidemien, Politik und Propaganda 325
7 Die Sterberate für eine bestimmte Epidemie ist in der Frühphase des Krieges nicht eindeutig
bestimmbar, da Erkrankungen von anderen letalen Infektionen überlagert werden konnten.
Erfasst sind außerdem nur Fälle in Lagern, nicht solche außerhalb derselben! Diese Zahlen
auch bei Wolfgang U. Eckart: „Epidemien“ in: Enzyklopädie Erster Weltkrieg (Hgg. G.
Hirschfeld, G. Krumeich, I. Renz). Paderborn 2003, S. 459 f. Vgl. nachfolgend.
8 Eine Vergleichszahl für das deutsche Heer nennt 5.982 Fleckfieberfälle im Krieg, von de-
nen 22,5 Prozent letal waren: Hans Schloßberger: Kriegsseuchen. Historischer Überblick
über ihr Auftreten und ihre Bekämpfung. Jena 1945, S. 47. Für Bauchtyphus nennt der Au-
tor ebd. 116.481 Fälle im deutschen Heer, aber keine Sterberate. Insgesamt hat Deutschland
im Krieg 46.044 Soldaten durch Seuchen einschließlich Fleckfieber verloren (ebd. S. 45).
9 Rodenwaldt: Frühzeitige Erkennung und Bekämpfung von Heeresseuchen, S. 12.
10 Gärtner: Einrichtung und Hygiene, S. 257 f. Noch seltener waren Cholerafälle, die bei 3.301
Erkrankungen 850 Todesfälle aufwiesen, davon 844 Russen.
11 Ebd. S. 263 f. An Bauchtyphus 6.300, davon wieder über zwei Drittel Russen (ebd. S. 256).
326 Reinhard Nachtigal
Krankheiten dürften insgesamt 45.000 bis 50.000 Gefangene bis Kriegsende zu-
grunde gegangen sein. Zusammen mit 22.800 an Lungenentzündung Verstorbenen
war das die Hälfte aller Sterbefälle unter den 2,5 Millionen Kriegsgefangenen in
Deutschland (insgesamt schätzungsweise etwa 140.000 bzw. 5,6 Prozent).
Das Fleckfieber wurde im Spätjahr 1914 in österreichische Gefangenenlager
eingeschleppt. Am schlimmsten betroffen war offenbar das Serbenlager Mauthau-
sen bei Linz, wo von insgesamt 14.000 Insassen vielleicht 12.000 starben.12 Da zu
jener Zeit in weiteren Lagern der Monarchie Epidemien grassierten, kann man die
Verlustrate unter den Gefangenen am Ende der Typhusepidemie in Österreich auf
20.000 oder mehr veranschlagen. Danach blieb auch die Doppelmonarchie infolge
von Impfungen und Prophylaxe weitgehend seuchenfrei. Wie in Deutschland war
die seit 1917 wieder zunehmende Mortalität auf physische Auszehrung und in ihrer
Folge Tuberkulose oder Herzschwäche zurückzuführen. Allerdings waren davon in
Österreich mehr Gefangene betroffen: Der Staat hielt überwiegend Russen, Serben,
Italiener und Rumänen in Gewahrsam, deren Heimatstaaten keine groß angelegte
Hilfsaktion, etwa mit Lebensmittelpaketen, unternahmen, wie das England und
Frankreich taten, die über Holland und die Schweiz solche Liebesgaben in die deut-
schen Lager schickten, wo die gefangenen Franzosen, Briten und Belgier 1917/18
mitunter über eine bessere Verpflegung als ihre Bewacher verfügten. In Deutsch-
land machten Soldaten der West-Entente ein Drittel aller Kriegsgefangenen aus.13
Nur ein deutscher Seuchenfall zog nach Kriegsende bei den Kriegsverbrecher-
Prozessen vor dem Reichsgericht in Leipzig als Anklagepunkt einer Siegermacht
weitere Kreise. Die Fleckfieberepidemie von Kassel-Niederzwehren wurde von
Frankreich zur Anklage gebracht, weil die Mortalität der dort angesteckten Fran-
zosen besonders hoch schien.14 Russland hat sich dagegen zu keinem Zeitpunkt bis
zur Oktoberrevolution zu hohen Erkrankungsfällen oder Sterberaten seiner gefan-
genen Soldaten geäußert. Während Briten und Franzosen in Deutschland durch Ge-
fangenenpost und Lebensmittelpakete ständig Kontakt zur Heimat hielten, war das
bei den Russen nicht der Fall. Die meisten der russischen Bauern-Soldaten waren
Analphabeten oder mit Infektionen dieser Art schon vertraut. Hinzu trat seit 1916
ein zunehmendes Desinteresse des russischen Staates am Schicksal der gefangenen
Landsleute.15
Die Seuchenfälle in Deutschland und Österreich kamen im Sommer 1915 an
ihr Ende, weil die medizinischen Dienste wie die Führung an einer vollständigen
Eindämmung interessiert waren, zumal im Frühling 1915 der erste Arbeitseinsatz
von Gefangenen bevorstand, bei dem es zu Kontakten mit der eigenen Zivilbevöl-
kerung kommen musste. Paul Weindling hat den erfolgreichen Kampf deutscher
und österreichischer Seuchenmediziner 1914/15 dargelegt, wenn er auch die Epide-
mien im Zarenreich als wichtigsten, ursächlichen Seuchenherd unbeachtet lässt.16
Dass es sich für die Mittelmächte dabei um ein Phänomen in der Frühphase des
Krieges handelt, hat er hervorgehoben.17 Der Flecktyphus, mit dem 2,4 Millionen
Kriegsgefangene im Zarenrussland und später die russische Bevölkerung konfron-
tiert wurden, ist allerdings weder bei Weindling noch bei Wolfgang U. Eckart ein
Thema. An die 400.000 Gefangene überlebten dort ihre Infizierung nicht, weitere
20.000 bis 40.000 mögen an den Folgen von Skorbut gestorben sein.
15 Dies machte die gefangenen Russen seit 1917 zunehmend schutzloser. Vgl. R. Nachtigal:
Rußland und seine österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen 1914-1918. Remshalden
2003, S. 122-125 und Nagornaja: Drugoj voennyj opyt, S. 36 ff.
16 Weindling: Epidemics and Genocide a.a.O.
17 Bei Weindling führt die Betrachtung von der erfolgreichen Bekämpfung des Typhus
1914/15 fast gradlinig zur zunehmend rassistisch-antisemitisch geprägten Seuchenprophy-
laxe der Zwischenkriegszeit und endlich zum „epidemiologisch“ gedeuteten Antisemitis-
mus der Nazis und deren Vernichtungsstrategien. Vgl. noch Schloßberger: Kriegsseuchen.
Historischer Überblick, S. 47, der nach Angaben des russischen Seuchenstatistikers L. Tara-
sevi eine Letalität von 10-12 Prozent der russischen Gesamtbevölkerung im russischen
Bürgerkrieg, aber nur 5-6 Prozent der jüdischen Bevölkerung Russlands zitiert, woraus
Schlüsse gezogen wurden.
18 R. Nachtigal: Seuchen unter militärischer Aufsicht in Rußland: Das Lager Totzkoje als Bei-
spiel für die Behandlung der Kriegsgefangenen 1915/16?, in: Jahrbücher für Geschichte
Osteuropas 48 (2000) 363-387, hier S. 365-377.
328 Reinhard Nachtigal
Totzkoje ein Einzelfall sei und dass russische Gefangene unter viel katastrophale-
ren Verhältnissen bei den Mittelmächten „zu Tausenden litten und stürben“.19
Hier rief die Epidemie nicht nur wegen einer fehlenden politischen Öffentlich-
keit keine Resonanz hervor. Wie ein amerikanischer Medizinhistoriker feststellt,
war die medizinische Infrastruktur des auch in Friedenszeiten durchseuchten Lan-
des gleich nach Kriegsbeginn logistisch überfordert.20 Eine Folge des Rückzugs der
russischen Armee aus Polen war, dass allein in der zweiten Jahreshälfte 1915 rund
82.700 Seuchentote in Russland registriert wurden, davon entfielen 20.000 auf
Scharlach, 17.000 auf Typhus und 16.000 auf Cholera.21
Eine genaue Sterbeziffer ließ sich für Totzkoje nicht ermitteln, schon gar nicht
in Bezug auf eine bestimmte epidemische Erkrankung, denn dort grassierten noch
andere Seuchen wie Malaria, Diphtherie, Ruhr und Pocken: die Krankheiten über-
lagerten sich teilweise; welche dann den tödlichen Ausschlag gab, war offenbar zu
keiner Zeit mit Eindeutigkeit festzustellen. Doch muss die Mortalität während der
zehn Monate, in denen das Fleckfieber wütete, eine Zahl von wenigstens 6.000 von
insgesamt 16.000 bis 20.000 zugeführten Insassen erreicht haben.
Doch wie gingen die Mittelmächte damit um? Kenntnis von dieser Katastro-
phe, die in Gefangenenlagern insbesondere Russisch-Asiens nicht vereinzelt da-
stand, erlangten Berlin und Wien erst im Laufe des Jahres 1916. Und erst seit der
Tätigkeit einer schwedischen Rotkreuz-Delegation, die im Mai 1916 in Totzkoje
eintraf und das Lager „sanierte“, ist überhaupt ein besonderes Augenmerk der
Kriegsministerien in Berlin und Wien hinsichtlich dieses Lagers festzustellen.
Hielt sich die Doppelmonarchie insgesamt mit Drohungen und Repressalien, ja
auch mit Propaganda zurück, weil die Führung wegen der Vielvölkerproblematik in
ihrem Handeln eingeschränkt war und außerdem über zwei Millionen eigener
Landsleute in russischem Gewahrsam hatte, von denen viele freiwillig für Russland
gegen den Heimatstaat agierten, so dürfte in Deutschland die Ansicht vorgeherrscht
haben, dass Gegenmaßnahmen kaum möglich waren. Beide Mächte gelangten 1916
zum Schluss, dass sie auf unauffälligerem Wege besser ihren Landsleuten helfen
konnten. Dazu bediente man sich zunehmend der Vermittlung und Hilfe schwedi-
scher und dänischer Rotkreuz-Deputierter, die die russischen Lager seit 1915 be-
reisten. Das neutrale Dänemark war eine besonders gute Adresse. Es war die Hei-
mat der Mutter des letzten Zaren, die auch als Kaiserin Maria Fjodorowna immer
eine dänische Patriotin und in Russland der Germanophilie unverdächtig blieb. Die
19 Ebd. S. 373-377.
20 John F. Hutchinson: Politics and Public Health in Revolutionary Russia, 1890-1918. Balti-
more/London 1990, S. 108-132, vor allem 116-120.
21 Paul P. Gronsky/Nicholas J. Astrov: The War and the Russian Government. New Haven
1929, S. 243. Allgemein zur Mortalität u. a. infolge von Seuchen (mit z. T. unzutreffenden
Daten) Stanislas Kohn/Alexander F. Meyendorff: The Cost of the War to Russia. The Vital
Statistics of European Russia During the World War 1914-1917. New Haven 1932, S. 99-
141, hier S. 114ff., 136 und 141.
Epidemien, Politik und Propaganda 329
Bei den russischen Gegenrepressalien von November 1916 tauchte aber Totz-
koje noch einmal auf, und zwar als Repressalienlager für deutsche Offiziere, die in
Unkenntnis der Gründe ihrer Verbringung und der Vorgeschichte des Lagers dort
einige Wochen zubrachten, als das Lager nicht nur längst saniert war, sondern als
vorbildlich ausgestattet angesehen werden konnte.25 Trotzdem alarmierte dies die
deutsche Regierung, da Totzkoje einen unauslöschlichen Ruf erlangt hatte. Dass
die Seuchenthematik an der Ostfront nicht mehr auf der Agenda der betroffenen
Mächte erschien, lag vor allem an den Umbrüchen, die Osteuropa seit 1917 ergrif-
fen. Allerdings waren schon ab Sommer 1916 die meisten Seuchenlager in Russ-
land saniert; Epidemien traten in Russland erst nach Beginn des Bürgerkriegs 1918
wieder auf. Nach der Februarrevolution 1917 beschränkten sich die Mittelmächte
auf die Beobachtung der Verhältnisse in Russland, das allmählich in Chaos ver-
sank.
Im Dezember 1917 begannen Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der
bolschewistischen Regierung und den Mittelmächten, die Anfang März 1918 in den
Frieden von Brest-Litovsk mündeten. So waren für die letzten Kriegsjahre an der
Ostfront keine Voraussetzungen für eine Propaganda oder Politik gegeben, die den
Gegner wegen unzureichender medizinischer Hilfe tadelte. Ein wichtiger Faktor
mit deutlich inhumanen, gesundheitsgefährdenden Folgen für Russen bei den Mit-
telmächten war allerdings, dass durch das Desinteresse des Heimatstaats an seinen
Landsleuten und schließlich den Staatsverfall seit Ende 1917 den Gewahrsams-
mächten quasi freie Hand im Umgang mit den Russen gegeben war: Beim Arbeits-
einsatz wurden sie besonders ausgebeutet und eher misshandelt als die übrigen Ge-
fangenen. Aber sie schieden auch als Objekt für Vergeltung und Repressalien we-
gen schlechter Behandlung der gefangenen Deutschen aus: Es bestand keine Rezi-
prozität mehr, die sich als Schutzmechanismus für Gefangene oder als „Gleichge-
wicht des Elends“ erweisen konnte.26
Auch nach dem Krieg kam es nicht zur Aufrechnung solcher Fälle. Österreich
war wie Ungarn ein politisch unbedeutender Kleinstaat, Sowjetrussland und
Deutschland fanden sich als Ausgestoßene der Weltgemeinschaft und Kriegsverlie-
rer zusammen, was 1922 sogar dazu führte, dass man sich auf pragmatischer Ebene
einander annäherte. Politisch hatte das nun fest etablierte Sowjetregime darüber
hinaus keinen Grund, schwere Unterlassungen, Menschenrechtsverletzungen oder
gar Kriegsverbrechen des untergegangenen Zarenregimes zu rechtfertigen. Im Ver-
25 Nachtigal: Seuchen unter militärischer Aufsicht, S. 385. Ebd. zur Verlautbarung des Toc-
koe-Falls an die deutsche parlamentarische Öffentlichkeit in zurückhaltender Form im März
1917.
26 Dazu prägnant Rüdiger Overmans: „In der Hand des Feindes“. Geschichtsschreibung zur
Kriegsgefangenschaft von der Antike bis zum zweiten Weltkrieg, in: In der Hand des Fein-
des. Kriegsgefangenschaft von der Antike bis zum Zweiten Weltkrieg (Hrsg. Rüdiger
Overmans). Köln, Weimar, Wien 1999, S. 1-39, S. 27 f.
Epidemien, Politik und Propaganda 331
27 Susan Gross Solomon (Hg.): Doing medicine together: Germany and Russia between the
wars. Toronto 2006.
28 Im letzten Kriegsjahr publizierte das deutsche Auswärtige Amt Schriften, die auch der Pro-
paganda dienten und Gesundheitsgefahren für Deutsche im Gewahrsam der Entente anspra-
chen: Die Gefangenen-Mißhandlungen in den Entente-Ländern. Die Noten der Deutschen
Regierung an die neutralen Staaten. Berlin 1918. Hier S. 42-45 Totzkoje. Die Übersetzung
Les brutalités envers les prisonniers dans les pays d’entente. Notes du gouvernement alle-
mand aux Puissances neutres au sujet du traitement des prisonniers dans les pays de l’en-
tente. Publié avec l’agrément du Ministère allemand des affaires étrangères. Berlin 1918
enthält nicht den Totzkoje-Fall!
29 John M. Barry: The Great Influenza. The Epic Story of the Deadliest Plague in History.
New York 2004; Carol Byerly: Fever of War: The Influenza Epidemic in the US Army dur-
ing World War I. New York 2005; Alfred W. Crosby: America’s Forgotten Pandemic: The
Influenza of 1918. Cambridge ²1989; Howard Philips/David Killingray (Hrsg.): The Span-
ish Flu Pandemic of 1918: New Perspectives. London 2003 und Matthew R. Smallman-
Raynor/Andrew D. Cliff: War Epidemics. An Historical Geography of Infectious Diseases
in Military Conflict and Civil Strife, 1850-2000. Oxford/New York 2004, S. 579-593.
30 Unklar ist, ob darin auch Soldaten der britischen Expeditionsarmeen enthalten sind, die zu
jener Zeit über drei Kontinente verstreut waren. Sandra M. Tomkins: The Failure of Exper-
tise: Public Health Policy in Britain during the 1918-19 Influenza Epidemic, in: Social His-
tory of Medicine (1992) 435-454, hier 441. Die Autorin schätzt die Zahl der Grippetoten
weltweit viel höher als das Handbuch „Experimentelle Bakteriologie und Infektionskrank-
heiten“, S. 759. Patrick Zylberman: A holocaust in a holocaust. The Great War and the 1918
Spanish influenza epidemic in France, in: Phillips/Killingray (Hrsg.): The Spanish Influenza
Pandemic, S. 191-201. Für Deutschland vgl. Eckard Michels: Die „Spanische Grippe“
1918/19. Verlauf, Folgen und Deutungen in Deutschland im Kontext des Ersten Weltkriegs,
in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 58 (2010) 1-33, hier S. 27.
332 Reinhard Nachtigal
31 Heather Jones: Violence Against Prisoners of War in the First World War: Britain, France
and Germany, 1914-1920. Cambridge 2011, S. 257-286.
32 M. L. Sanders/Philip M. Taylor: Britische Propaganda im Ersten Weltkrieg 1914-1918.
Berlin 1990, S. 123 f. Im Jahr 1917 erschien in London die Flugschrift „A Corpse-
Conversion Factory“.
33 Schon vor der Grippe wurden die gefangenen Deutschen in Frankreich zu Geiseln der Poli-
tik. Vgl. Bernard Delpal: Zwischen Vergeltung und Humanisierung der Lebensverhältnisse.
Kriegsgefangene in Frankreich 1914-1920, in: Kriegsgefangene im Europa des Ersten
Weltkriegs (Hg. Jochen Oltmer). Paderborn 2006, S.147-164.
Epidemien, Politik und Propaganda 333
Recht ab, die deutschen Gefangenen besonders schlecht zu behandeln, zumal mit
keinen Sanktionen durch den Gegner mehr zu rechnen war: Eine Reziprozität be-
steht zum Ende eines Krieges eben aus diesem Grunde meist nicht, wenn es um
Kriege geht, die „total“, d. h. bis zur völligen Besiegung des Gegners geführt wer-
den.
Schlussbetrachtung
In den vorgestellten Fällen zeichnen sich diametral verschiedene Wahrnehmungen
und politische Reaktionen ab: einerseits ein bewusster Verzicht auf politische In-
strumentalisierung, weil besondere Umstände – etwa im deutsch-russischen Ver-
hältnis – andere, pragmatische Lösungen nahelegten, und andererseits das brutale
Vorgehen an der Westfront, wo die Propaganda gegen die Mittelmächte im Ge-
gensatz zur Ostfront nach 1916 noch deutlich zunahm. Die Sorge um die Überle-
benschancen der gefangenen Landsleute wurde hier insbesondere ein Objekt der
Propaganda Frankreichs und Englands. Die Instrumentalisierung schlug sich auf
die Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen und auf die Beziehungen der
Zwischenkriegszeit nieder, reichte also über die Kriegszeit hinaus. Heute ist be-
kannt, dass die Mortalität der Gefangenen sowohl in Deutschland als auch in
Frankreich bei etwa 5 Prozent lag, obwohl Deutschland ganz andere Seuchenprob-
leme und Versorgungskrisen zu lösen hatte als die West-Entente. Der Erste Welt-
krieg sollte aber der einzige Krieg bleiben, in dem das Auftreten massenhafter Epi-
demien propagandistisch gegen den Feind verwendet wurde.34 Der Zweite Welt-
krieg kannte an der Ostfront ebenfalls letale Seuchen, die vor allem gefangene Rot-
armisten, KZ-Häftlinge und seit 1945 die von der Roten Armee besetzten Gebiete
Ostmitteleuropas in weit höherem Ausmaß betrafen. Sie sind jedoch zu keiner Zeit
Objekt der Propaganda des Gegners bzw. des Heimatstaats der Gefangenen gewor-
den, nicht zuletzt, weil sie vom Heimatstaat abgeschrieben und aufgegeben wurden.
34 Mit Bezug auf Epidemien unter Kriegsgefangenen vgl. Hinz: Gefangen im Großen Krieg, S.
353-355.
334 Reinhard Nachtigal
Sozialpädiatrie
Die hohe Säuglingssterblichkeit wurde traditionell als unvermeidbares Schicksal
oder, mit dem Aufkommen eugenischen Gedankenguts, sogar als natürliche Ausle-
se im Sinne einer sozialdarwinistischen Interpretation gesehen. So schreibt der be-
rühmte Pädiater Adalbert Czerny rückblickend:
„Zu gleicher Zeit gab es in Deutschland eine sehr hohe Kinder- und Säuglingssterb-
lichkeit. Diese gab aber zu keiner Beunruhigung Veranlassung, denn der Zuwachs an
Kindern war so groß, dass trotz allem die Zunahme der Bevölkerung befriedigend war.
Die große Sterblichkeit betrachtete man als Auslese.“2
1 Dwork, Debórah, War is Good for Babies and Other Young Children. A History of the In-
fant and Child Welfare Movement in England 1898-1918. London 1987; Winter, Jay; Cole,
Joshua, Fluctuations in Infant Mortality Rates in Berlin During and After the First World
War. European Journal of Population 9 (1993), 235-263; Winter, Jay, et al., The Impact of
the Great War on Infant Mortality in London, Annales de démographie historique (1993):
329-353.
2 Czerny, Adalbert, Die Pädiatrie meiner Zeit. Berlin 1939, S. 27. Vgl. auch Weindling, Paul,
Health, Race and German Politics between National Unification and Nazism, 1870-1945.
Cambridge 1989, S. 206-209.
336 Jörg Vögele
Dagegen lösten sinkende Geburtenraten zum Ende des 19. Jahrhunderts Befürch-
tungen aus, dass die Zukunft der Nation in wirtschaftlicher und militärischer Hin-
sicht nicht mehr gewährleistet sei. Dies wurde verstärkt durch den Umstand, dass
das Deutsche Reich im internationalen Vergleich – man blickte besonders nach
England und Frankreich – schlecht abschnitt. So erlebten im letzten Drittel des 19.
Jahrhunderts mehr als 20 Prozent eines Geburtsjahrganges nicht den ersten Ge-
burtstag, heute dagegen liegt die Säuglingssterblichkeit in Deutschland weit unter
einem Prozent (Schaubild 1). Mit zunehmender gesellschaftlicher Bedeutung des
bevölkerungswissenschaftlichen Diskurses sicherten sich die Ärzte beim Thema
Säuglingssterblichkeit Aufmerksamkeit und wissenschaftliche Autorität – nicht zu-
letzt indem sie z.T. auch aggressiv nationale Töne anschlugen.3 Tatsächlich gelang
es, die Pädiatrie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als eigenes Fach in
der universitären Medizin zu etablieren.4 Es wurden die ersten Lehrstühle ein-
gerichtet, Zeitschriften begründet, Reihen aufgelegt sowie Lehr- und Handbücher
publiziert.5 Im Mittelpunkt stand dabei die Erforschung der Säuglingssterblichkeit
und ihrer Determinanten.
Die Pädiatrie der Zeit konzentrierte sich auf um die Jahrhundertwende domi-
nierende sozialhygienische Ansätze; sie verstand sich als Sozialpädiatrie. Da der
Säugling selbst keine hinreichende Auskunft über seinen Zustand geben konnte,
war die Medizin bemüht, die Einzelbefunde zu normieren und zu objektivieren. Da-
zu wurden einerseits Vorgaben über die monatliche Entwicklung von Größe und
Gewicht des Säuglings entworfen, anderseits galt die Säuglingssterblichkeit als auf-
schlussreicher Indikator. Angesichts der prominenten Rolle der gastrointestinalen
Erkrankungen, die mit Abstand die Haupttodesursache unter den Säuglingen dar-
stellten, identifizierten die Sozialpädiater des frühen 20. Jahrhunderts die Ernäh-
rungsweise als Schlüsselvariable für das Überleben bzw. das gesunde Heranwach-
sen des Säuglings. Konkret ging es um die Fragen, ob bzw. wie lange der Säugling
gestillt wurde, wann der Übergang zu künstlicher Ernährung erfolgte bzw. was in
welcher Menge, Zubereitung und Darreichungsform zugefüttert wurde. Entspre-
3 Lilienthal, Georg, Pediatrics and Nationalism in Imperial Germany. The Society for the
Social History of Medicine: Bulletin 39 (1986), 64-70; Raspe, Hans-Heinrich, Kinderärzte
als Erzieher. Ein spezieller Beitrag zur allgemeinen Geschichte der deutschen Pädiatrie.
Diss. med. Freiburg 1973; Seidler, Eduard, Jüdische Kinderärzte 1933-1945: entrechtet –
geflohen – ermordet. Erw. Neuaufl. Basel 2007, S. 19.
4 Neumann, Josef N., Die Etablierung der Pädiatrie als Unterrichts- und Prüfungsfach an den
deutschen Universitäten. In: Larass, Petra (Hrsg.), Kindsein kein Kinderspiel. Das Jahrhun-
dert des Kindes (1900-1999). Halle 2000, 391-409; Seidler, Eduard, Die Kinderheilkunde in
Deutschland. In: Schweier, Paul; Seidler, Eduard (Hrsg.), Lebendige Pädiatrie. München
1983, 13-85, hier vor allem S. 18-25; Eulner, Hans-Heinz, Die Entwicklung der medizini-
schen Spezialfächer an den Universitäten des deutschen Sprachgebietes. Stuttgart 1970, S.
202-221; Peiper, Albrecht, Chronik der Kinderheilkunde. 1. Aufl. Leipzig 1951 (bis 5. un-
veränd. Aufl. Leipzig 1992).
5 Seidler (2007) S. 11.
Sozialpädiatrie, Säuglingssterblichkeit und der Erste Weltkrieg 337
chend wurde die Ernährung des Säuglings zum Herzstück der Sozialpädiatrie und
der von ihr lancierten Säuglingsfürsorgebewegung im frühen 20. Jahrhundert de-
klariert.
Im Zuge der aufkommenden Bakteriologie während der 1880er Jahre kam es
zu einer kurzzeitigen Euphorie für die sogenannte künstliche Ernährung.6 Die Pas-
teurisierung der Milch wurde von Franz von Soxhlet 1886 vorgeschlagen. Zu die-
sem Zweck konstruierte er einen nach ihm benannten Sterilisationsapparat für die
Säuglingsnahrung. Nach der Jahrhundertwende äußerten sich die Ärzte zunehmend
despektierlich über seine Erfolge, wodurch nun – so Adalbert Czerny in seinen
Memoiren – ein „landwirtschaftlicher Chemiker“ die Ärzte „belehrte“.7 Da seine
Methode nicht patentiert wurde, verbreitete sie sich rasch,8 gleichwohl aber blieb
das Gerät für die ärmeren Schichten unerschwinglich.9 Dieses Verfahren fiel nicht
weiter auf,
„[...] weil es zu jener Zeit noch viele Laien gab, die sich mit der Säuglingsernährung be-
schäftigten. Es waren die Nährmittelfabrikanten, die ihre Präparate dem Publikum mit
einer mächtigen Reklame aufdrängten. Die hohe Sterblichkeit jener Zeit war kein Be-
weis für die Richtigkeit der bestehenden Gepflogenheiten.“10
So konnten Ärzte und Nahrungsmittelindustrie durchaus eine – auch finanziell –
fruchtbare Verbindung eingehen – oder, wie es für den amerikanischen Markt for-
muliert wurde, die Industrie produzierte und die Ärzte kontrollierten.11 Gleichwohl
wurde seitens der Sozialpädiatrie alsbald das Stillen als allein adäquate Säug-
lingsernährung propagiert und gegen die Nahrungsmittelindustrie argumentiert, die
ihrerseits versuchte, mit aufwendigen Werbefeldzügen Milchersatzprodukte auf
den Markt zu bringen. Dagegen wurde auf das Infektionsrisiko hingewiesen, beson-
ders wenn die Ersatznahrung mit Milch oder Wasser zubereitet, oder, wie es in
6 Schlossmann, Arthur; Pankow, Otto; Schlossmann, Erna, Über die Zunahme des Stillwil-
lens. Klinische Wochenschrift 3 (1924), 79-81. Vgl. auch die Debatten der Ernährungsfor-
schung und Bakteriologie, wie sie etwa in der Schule Theodor Escherichs relevant wurden,
z.B. Pirquet, Clemens von, Theodor Escherich. Zeitschrift für Kinderheilkunde 1 (1911),
423-441. Zu den Forschungen zur Ernährungsphysiologie, die bereits Ende des 19. Jahr-
hunderts von Heubner und Biedert begonnen wurden vgl. Vaupel, Dorothee, Philipp Biedert
(1847-1916). Leben, Werk, Wirkung. Diss. med. Hannover 1993.
7 Czerny (1939) S. 40.
8 Wilbert, Peter, Ueber den Einfluss der Ernährungsweise auf die Kindersterblichkeit. Bonn
1891, S. 30.
9 Engel, Stefan, Grundriss der Säuglingskunde. Ein Leitfaden für Schwestern, Pflegerinnen
und andere Organe der Säuglingsfürsorge nebst einem Grundriss der Säuglingsfürsorge von
M. Baum, 5. und 6. Aufl. Wiesbaden 1917, S. 80; Heubner, Otto, Säuglingsernährung und
Säuglingsspitäler. Berlin 1897, S. 1-3.
10 Czerny (1939) S. 40-41.
11 Apple, Rima D., „To be used only under the Direction of a Physician”: Commercial Infant
Feeding and Medical Practice, 1870-1940. Bulletin of the History of Medicine 54 (1980),
402-417.
338 Jörg Vögele
12 Müller, Rita, Von der Wiege zur Bahre. Weibliche und männliche Lebensläufe im 19. und
frühen 20. Jahrhundert am Beispiel Stuttgart-Feuerbach. Stuttgart 2000, S. 325-333.
13 Selter, Paul, Die Nothwendigkeit der Mutterbrust für die Ernährung der Säuglinge. Central-
blatt für allgemeine Gesundheitspflege 21 (1902), 377-392, S. 384. Über Untersuchungen
zur Stillhäufigkeit im Kaiserreich sowie zu deren Methoden und Erfassungskriterien siehe
Rosenfeld, Siegfried, Die Erhebung der Stillhäufigkeit bei der Volkszählung 1920. Statisti-
sche Monatsschrift 3 (1919), 185-206; Prinzing, Friedrich, Die Statistik des Stillens. Deut-
sche medizinische Wochenschrift 33 (1907), 184-185.
14 Böckh, Richard, Die statistische Messung des Einflusses der Ernährungsweise der kleinen
Kinder auf die Sterblichkeit derselben. In: VI. Internationaler Congress für Hygiene und
Demographie zu Wien 1887, Heft Nr. 28. Wien 1887, 3-48; Böckh, Richard, Tabellen be-
treffend den Einfluss der Ernährungsweise auf die Kindersterblichkeit. In: Bulletin de l'In-
stitut International de Statistique 2:2 (1887), 14-24. Vgl. auch Silbergleit, Heinrich, Säug-
lings- und Säuglingssterblichkeitsstatistik. In: Zahn, Friedrich (Hrsg.), Die Statistik in
Deutschland nach ihrem heutigen Stand. Bd. 1. München 1911, 434-455, insbesondere
S. 448.
Sozialpädiatrie, Säuglingssterblichkeit und der Erste Weltkrieg 339
Säuglingsfürsorge
Vor diesem Hintergrund setzte in Deutschland wie in anderen westeuropäischen
Ländern zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Gründungswelle von Säuglingsfürsor-
gestellen ein.15 Vielerorts wurden sie von Seiten der Kommunen oder von bürgerli-
chen Vereinen ins Leben gerufen. Als Musteranstalten mit Vorbildcharakter galten
dabei der 1907 gegründete Verein für Säuglingsfürsorge im Regierungsbezirk Düs-
seldorf und das „Kaiserin Auguste Victoria Haus zur Bekämpfung der Säuglings-
sterblichkeit im Deutschen Reiche“, das im gleichen Jahr in Berlin unter dem Pro-
tektorat der Kaiserin die Grundsteinlegung erfuhr. Im Jahr 1907 existierten bereits
101 solcher Fürsorgestellen.16 Durch Aufklärung und Kontrolle sollten die Mütter
zum Stillen ihrer Säuglinge angehalten werden. Die praktische Ausgestaltung der
Fürsorge war vor allem auf die Erziehung der Mütter ausgerichtet.17
Herzstück der Bewegung war die Stillpropaganda, unterstützt durch sogenannte
Stillprämien. Nach französischem Vorbild wurden seit 1904 zunehmend syste-
matisch Stillprämien für bedürftige Familien entweder in Naturalien oder in der Re-
gel in Bargeld gewährt. Für gewöhnlich dauerte die Unterstützung drei bis sechs
Monate.18 Die Höhe der Zuschüsse war dabei sehr unterschiedlich, in den zehn
größten deutschen Städten reichte sie von 0,25 Mark pro Woche in Frankfurt am
Main bis zu fünf Mark in Düsseldorf.19 In einigen Städten gewährte man eine be-
sondere Beihilfe in Risikozeiten: In Düsseldorf etwa wurde die Stillprämie in den
Sommermonaten erhöht, um das durch die heißen Temperaturen erhöhte Risiko bei
künstlicher Ernährung zu reduzieren.20
Allerdings waren Vorgehensweise und Methoden bürokratisch und oft gerade-
zu diskriminierend:21 Die Mütter hatten ihr Einverständnis zu unangekündigten
Hausbesuchen zu geben; sie mussten garantieren, sich wöchentlich, mancherorts
zumindest vierzehntägig, in der Fürsorgestelle einzufinden. Um eine Stillprämie zu
erhalten, hatten sie nachzuweisen, dass sie selbst stillten. Dazu mussten sie dies vor
dem anwesenden Personal demonstrieren oder den Stuhl ihres Kindes bzw. die ge-
brauchten Windeln mit in die Fürsorgestelle bringen. Damit wird deutlich, dass der
Ansatz auf einer weitgehenden Unkenntnis der Lebensbedingungen in den unteren
15 Vögele, Jörg, Urban Mortality Change in England and Germany, 1870-1910. Liverpool
1998.
16 Trumpp, Josef, Die Milchküchen und Beratungsstellen im Dienste der Säuglingsfürsorge.
Zeitschrift für Säuglingsfürsorge 2 (1908), 119-137, S. 120.
17 Fehlemann, Silke, Armutsrisiko Mutterschaft, Mütter- und Säuglingsfürsorge im Deutschen
Reich 1890-1924. Diss. phil. Düsseldorf 2004.
18 Rott, Fritz, Umfang, Bedeutung und Ergebnisse der Unterstützungen an stillende Mütter.
Berlin 1914, S. 13 und 27.
19 Vögele, Jörg, Sozialgeschichte städtischer Gesundheitsverhältnisse während der Urbanisie-
rung. Berlin 2001, S. 384.
20 Rott (1914) S. 26.
21 Vögele (2001) S. 386-393.
340 Jörg Vögele
Schichten beruhte. Selbst wenn die Mütter diese neuen Einrichtungen und die da-
mit verbundenen neuen Wertvorstellungen akzeptierten, konnten sie deren Potenzi-
al nicht ausschöpfen. Beispielsweise erforderte ein Besuch der Mutter in der Für-
sorgestelle der Großstadt häufig Zeit, Beschwernis und Unkosten. Die Wege zu den
Stellen waren weit und konnten oft nur mit teuren öffentlichen Verkehrsmitteln
zurückgelegt werden. Waren weitere Kinder vorhanden, mussten diese unbeauf-
sichtigt zu Hause gelassen oder mitgenommen werden. Kurzum, diese Ansätze
konnten nicht funktionieren, weil sie die Lebenswelt städtischer Arbeiterschichten
ignorierten und weder das familiäre Budget noch die vielfachen Belastungen der
Frauen als Zuverdienerin zum Familieneinkommen, als Hausfrau und Mutter be-
rücksichtigten.
So sehr sie auch in Einzelfällen erfolgreich gewesen sein mögen, kann den Für-
sorgestellen in der Kaiserzeit – epidemiologisch gesehen – kaum durchschlagende
praktische Wirkung zugeschrieben werden. Versorgt werden konnten vorwiegend
nur die von der Polizeiaufsicht erfassten oder von der Armenfürsorge verpflegten
Personen. Viele Stellen litten unter finanziellen Schwierigkeiten und sahen sich zu-
dem starken gesellschaftlichen Widerständen ausgesetzt, die beispielsweise von
niedergelassenen Ärzten oder von Industriebetrieben kamen. Bei den Stillkampag-
nen wirkten die Kontrollmechanismen eher kontraproduktiv,22 vor allem aber liefen
viele Elemente den Lebensbedingungen der angesprochenen Zielgruppen entgegen.
Untersuchungen der Fürsorgestellen in Karlsruhe, Magdeburg, Berlin, Leipzig,
Köln und Breslau ergaben, dass eine Erhöhung der Stilltätigkeit mit wenigen Aus-
nahmen nicht erreicht werden konnte.
22 Frevert, Ute, The Civilizing Tendency of Hygiene. Working-Class Women under Medical
Control in Imperial Germany. In: Fout, John C. (Hrsg.), German Women in the Nineteenth
Century. A Social History. New York 1984, 320-344; Vögele (2001); Fehlemann (2004).
23 Dwork (1987); Winter et al. (1993).
24 Local Government Board. 1918. Infant Welfare in Germany during the War. Report pre-
pared in the Intelligence Department of the Local Government Board. London; Butke, Sil-
ke; Kleine, Astrid, Der Kampf für den gesunden Nachwuchs. Geburtshilfe und Säuglings-
fürsorge im Deutschen Kaiserreich. Münster 2004; Fehlemann (2004).
Sozialpädiatrie, Säuglingssterblichkeit und der Erste Weltkrieg 341
„Mehr als je heisst es für uns unser Sondergebiet pflegen und die Bedeutung der Kin-
derheilkunde zu betonen, denn von ihr aus soll die Wiederaufforstung des deutschen
Volksbestandes beeinflusst werden, damit wir über die schweren Wunden hinwegkom-
men, die der Krieg uns schlägt.“25
Wenn schon die Hitzewelle 1911 als Argument genutzt wurde, sich stärker um das
Wohl der Säuglinge zu kümmern, so verstärkte sich dies durch erneut steigende
Säuglingssterberaten unmittelbar nach Ausbruch des Krieges. Zahlreiche fürsorge-
rische Maßnahmen wurden in die Wege geleitet, und tatsächlich ging die Säug-
lingssterblichkeit insbesondere in den Städten in den folgenden Jahren 1915 und
1916 signifikant zurück, was im Wesentlichen auf ein verändertes Stillverhalten
zurückzuführen ist. So wurden für die ersten Kriegsmonate ein Rückgang der Still-
häufigkeit und ein Anstieg der Säuglingssterblichkeit registriert, mit zunehmenden
Ernährungsengpässen und dem vielerorts eintretenden Zusammenbruch der Milch-
versorgung erfolgte eine stärkere Hinwendung der Mütter zu ihren Säuglingen, ins-
besondere durch ein verstärktes Stillen.26
Dies wurde unterstützt durch die Einführung der Reichswochenhilfe. Die Zah-
lung der staatlichen Wochenhilfe wurde – anders als die städtischen Stillprämien –
nicht von Kontrollbesuchen abhängig gemacht. Zwar leitete sich der Anspruch auf
Reichswochenhilfe aus der Kriegsteilnahme des Vaters bzw. Ehemannes ab und
bezog sich nicht auf die Stellung der Wöchnerin, allerdings zahlten auch die Kran-
kenkassen während des Krieges eine erweiterte Wochenhilfe, so dass auch selbst
versicherte Frauen diese Leistungen erhielten. Über die Regelungen der Reichswo-
chenhilfe gelang es zudem, die Rolle der Fürsorgestellen zu stärken, indem die in
der Reichswochenhilfe festgelegten Stillgelder nach Vereinbarung mit den Kran-
kenkassen in der Regel durch die Säuglingsfürsorgestellen ausgezahlt wurden. Auf
diese Weise konnten die Besuche der Beratungseinrichtungen erheblich gesteigert
und zugleich die Mütter langfristiger an die Institution gebunden werden. Die Ar-
beit der Beratungsstellen wurde so in das öffentliche Leistungsangebot integriert.
Daraus erwuchs ein enormer Ausbau der Säuglingsfürsorge während des Ersten
Weltkrieges. So bestätigte Marie Baum, die Geschäftsführerin des Düsseldorfer
Vereins für Säuglingsfürsorge, dass der Wirkungsbereich der Mütterberatung seit
Inkrafttreten der Reichswochenhilfe außerordentlich erweitert wurde. Worum man
bei freiwilligem Besuch oft vergebens warb, das sei durch diese einfache Verknüp-
fung einer gesetzlichen Leistung mit der Beobachtung durch die Beratungsstelle er-
reicht worden.27 Anderenorts kommentierte sie, dass der Krieg geschafft habe, was
sämtliche Stillpropaganda und Stillprämien nicht geschafft hätten, eine Rückkehr
der Mütter zum Stillen:
„Für die im Säuglingsalter stehenden Kinder hatten diese Schwierigkeiten (der Milchzu-
fuhr) größere Ausbreitung und längere Dauer der natürlichen Ernährung zur Folge.
Reichswochenhilfe und Milchnot sind gute Erzieher gewesen.“28
Die Reichswochenhilfe markierte einen deutlichen Umschwung in der Entwicklung
der Säuglingsfürsorge, da nun das Reich umfangreiche finanzielle Verpflichtungen
eingegangen war. Die finanzielle Verantwortung war bis dahin immer den Kommu-
nen, privaten Trägern und Krankenkassen überlassen worden. Wenn auch die
Reichswochenhilfe schon während der Demobilisierungsphase außer Kraft gesetzt
wurde, hat das „Gesetz über Wochenhilfe und Wochenfürsorge vom 26. September
1919“ an die Regelungen der Kriegswochenhilfe angeknüpft. Zur Ergänzung der
Wochenhilfe in der Reichsversicherungsordnung (RVO) führte man eine Familien-
wochenhilfe ein, und gleichzeitig wurde die Kostenübernahme der Wochenfürsorge
für unbemittelte und nicht versicherte Mütter durch das Reich durchgesetzt.
Die Zeitgenossen vor Ort schätzten die Wirkung der Maßnahmen positiv ein.
In München ergab eine Untersuchung des Bezirksverbands, dass in den Jahren
1916 bis 1919 etwa 70 Prozent (von 30.000 Säuglingen) gestillt wurden.29 Selbst
im Blick von außen wurden Veränderungen registriert. So war die englische Regie-
rung, die mit politischem Interesse die Entwicklung der Säuglingssterblichkeit im
Deutschen Reich während des Krieges verfolgte, mit ihrem Urteil zwar zurückhal-
tender, aber durchaus beeindruckt. Im Bericht des Intelligence Department wurde
die ansteigende Stillquote registriert und gleichzeitig mit kühlem Blick konstatiert,
dass die Frauen nach Ablauf der dreimonatigen Zahlungen prompt abstillten.30
Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so lässt sich aber insgesamt festhal-
ten, dass mehr Mütter stillten und eine dreimonatige Stillzeit für die Verhältnisse
im Deutschen Reich durchaus positiv zu bewerten ist. Entsprechend ging die Zahl
der Todesfälle an gastrointestinalen Erkrankungen zurück und konsequenterweise
verschwand der berüchtigte Sommergipfel (Schaubild 2).
Die Kriegsjahre brachten in der Tat einen substanziellen Anstieg der Stillquo-
ten und der Stilldauer in den deutschen Städten mit einem anschließenden Sinken
der Säuglingssterblichkeit (Schaubild 1),31 zu dem sicherlich auch ein Zusammen-
spiel von relativ kühlen Sommern und vor allem eine stark gesunkene Geburtenrate
kam. So sank die Zahl der Lebendgeborenen zwischen 1913 und 1916 um 40 Pro-
zent. Alfred Grotjahn schätzte insgesamt 3,6 Millionen ausgefallene Geburten wäh-
27 Baum, Marie, Grundriss der Säuglingsfürsorge. 5. und 6. Aufl. Wiesbaden 1917, S. 188.
28 Bericht des Vereins für Säuglingsfürsorge (1916) S. 65.
29 Hecker, Rudolf, Studien über Sterblichkeit, Todesursachen und Ernährung Münchener
Säuglinge. Archiv für Hygiene 93 (1923), 280-294, S. 292.
30 Local Government Board (1918).
31 Vögele (2001) S. 294.
Sozialpädiatrie, Säuglingssterblichkeit und der Erste Weltkrieg 343
rend des gesamten Krieges und damit größere Verluste für das Deutsche Reich als
durch die Kriegsgefallenen (1,8 Millionen) und Mehrgestorbenen (0,7 Millionen).32
Aus diesem Blickwinkel scheint die These, dass der Krieg gut für Babys war, nur
bedingt haltbar: Von den geborenen Kindern überlebte ein größerer Teil das erste
Lebensjahr, allerdings wurden viele Kinder gar nicht geboren. In langfristiger Per-
spektive wird hingegen deutlich, dass die Geburtenraten nach einem kurzen Nach-
holeffekt im Trend weiterhin rückläufig waren und nie mehr die Vorkriegswerte
erreichten.33 Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass diese aggregierten Daten lokale
Besonderheiten verdecken können. So wurde in Berlin eine erhöhte Sterblichkeit
der illegitimen Säuglinge konstatiert, während die der legitimen relativ stabil
blieb.34
32 Grotjahn, Alfred, Die Hygiene der menschlichen Fortpflanzung. Versuch einer praktischen
Eugenik. Berlin 1926, S. 104.
33 Vgl. beispielsweise: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: Bevölkerung. Fakten –
Trends – Ursachen – Erwartungen. Die wichtigsten Fragen. Sonderheft der Schriftenreihe
des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden 2004, S. 20.
34 Winter/Cole (1993).
Schaubild 1: Die Entwicklung der Säuglingssterblichkeit in Deutschland, 1816-2007
344
25
20
15
10
Jörg Vögele
0
00 810 820 830 840 850 860 870 880 890 900 910 920 930 940 950 960 970 980 990 000 010
18 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2
Preußen 1816-1900, Reichsgebiet 1901-1938, bis 1989 westliches Bundesgebiet, ab 1990 gesamtes Bundesgebiet
Quellen: Vögele 2001; DESTATIS.
Schaubild 2: Säuglingssterblichkeit in Düsseldorf, 1905, 1915 und 1925 – saisonal
60
50
40
30
20
10
Quellen: Jahresbericht des Statistischen Amts der Stadt Düsseldorf für 1905, S. 4-5; Jahresbericht der Stadt Düsseldorf für 1915–18, S. 33, 37;
1925, S. 22, 25.
345
Die Berichterstattung über die deutschen Anstaltsmorde
im besetzten Polen in der US-amerikanischen Tagespresse
(1939–1942)
Thorsten Noack, Düsseldorf
Aus der heutigen Perspektive markierte der deutsche Überfall auf seinen östlichen
Nachbarn am 1. September 1939 mit seiner entgrenzten Gewalt gegenüber der pol-
nischen Zivilbevölkerung einen eindeutigen zivilisatorischen Bruch.1 Ideologisch
wurde der „Auftakt zum Vernichtungskrieg“ (Jochen Böhler), allein mit ge-
schätzten zwei bis drei Millionen nicht-jüdischen Todesopfern, von einer Trias aus
radikalem Nationalismus, nationalsozialistischer Rassenideologie und Sozialdarwi-
nismus getragen.2 In zwei frühen Terrorwellen mordeten Einsatzgruppen der SS bis
zum Frühjahr 1940 in den annektierten Gebieten Nord- und Westpolens. Zu den
Opfern gehörten vorwiegend Angehörige der Bildungsschichten, die von den Be-
satzern generell als potenziell gefährlich eingestuft wurden, aber auch Patienten
psychiatrischer Anstalten.3 Diese stellten eine besonders gefährdete Opfergruppe
dar, da sie aus Sicht der NS-Ideologie als unnütze Esser und Angehörige einer min-
derwertigen slawischen Rasse lediglich Ressourcen banden. Biologistisch-rassisti-
sche Utopien und Nützlichkeitskriterien waren so eng miteinander verschränkt und
senkten die psychologischen und moralischen Hemmschwellen. Zudem konnten die
Verbrechen leicht durchgeführt werden, da die Opfer, in größeren Institutionen
konzentriert, von der übrigen Gesellschaft segregiert lebten.
Auch wenn das Regime die begangenen Massenverbrechen geheim zu halten
versuchte, wurden sie noch während des Zweiten Weltkrieges international publik.
Dies gilt nicht nur für den Holocaust, sondern ebenso für das deutsche Terror-
regime in den besetzten Territorien.4 Die Berichterstattung in großen amerika-
1 Garliski, Józef, Poland in the Second World War. Basingstoke 1985; Mallmann, Klaus-
Michael; Musial, Bogdan (Hrsg.), Genesis des Genozids, Polen 1939-1941, Darmstadt
2004; Rossino, Alexander B., Hitler strikes Poland. Blitzkrieg, Ideology, and Atrocity, Kan-
sas City 2003.
2 Böhler, Jochen, Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen 1939, Frank-
furt/Main 2006.
3 Polnische Quellen gehen von 13.000 ermordeten Anstaltsopfern in den annektierten Gebie-
ten aus Jaroszewski, Zdzislaw, Die Vernichtung der Geisteskranken während des Krieges in
Polen zum 50. Jahrestag der Verbrechen, in: Polskie Towarzystwo Psychiatryczne; Komisja
Naukowa Historii Psychiatrii Polskiej (Hrsg.): Zagada chorych psychicznie w Polsce
1939–1945 – Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939–1945, Warszawa 1993, S.
9–27., S. 19; Nasierowski, Tadeusz, In the Abyss of Death. The Extermination of the Men-
tally Ill in Poland During World War II, International Journal of Mental Health, Nr. 3, 35
(2006), S. 50-61.
4 Vgl. z.B. Lipstadt, Deborah E., Beyond belief. The American press and the coming of the
Holocaust 1933-1945, New York 1987; Shapiro, Robert Moses (Hrsg.), Why didn’t the
Berichterstattung über die deutschen Anstaltsmorde 347
Press Shout? American and International Journalism During the Holocaust, New York
2003, und Pohl, Dieter, Das NS-Regime und das internationale Bekanntwerden seiner Ver-
brechen, in: Bajohr, Frank; Pohl, Dieter (Hrsg.), Der Holocaust als offenes Geheimnis: Die
Deutschen, die NS-Führung und die Alliierten. München 2006, S. 84-129; für den Massen-
mord an behinderten und psychisch kranken Menschen in Deutschland siehe Noack, Thors-
ten; Fangerau, Heiner, Eugenics, Euthanasia and Aftermath, International Journal of Mental
Health 36 (2007), S. 112-124.
5 Die Presseartikel sind der Datenbank „proquest historical newspaper” entnommen, die eine
Volltextsuche für die Zeitungen Washington Post, New York Times, Los Angeles Times,
Christian Science Monitor, Atlanta Constitution, Chicago Tribune und den britischen Man-
chester Guardian ermöglicht.
6 Pohl (2006), S. 84-85; Engel, David, In the Shadow of Auschwitz: The Polish Government-
in-Exile and the Jews, 1939-1942. Chapel Hill 1987, S. 172.
7 Trotz der propagandistischen Intention zeichneten sie insgesamt ein realistisches Bild von
den Verbrechen, vgl. Böhler (2006), S. 13.
8 „‘Tartar Atrocity’ Charged In Polish Deportations”, Christian Science Monitor, 2.2.1940, S.
6; Poland: Martyrdom”, Time Magazine, 5.2.1940.
348 Thorsten Noack
gen. Dies war der westlichen Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt allerdings noch
nicht bekannt.
Eine erste Erwähnung in der New York Times fanden die Psychiatrieverbrechen
am 15. April 1940.9 Die bedeutende amerikanische Tageszeitung zitierte ausführ-
lich einen Bericht der polnischen Botschaft in Rom, der auf den Informationen ei-
nes aus dem besetzten Polen geflohenen katholischen Priesters beruhte.10 Der Arti-
kel, der aufgrund der dichten Aufzählung von mehreren Dutzend Massakern kaum
lesbar ist, erwähnte unter anderem, dass in drei Anstalten zahlreiche Kinder mit
Morphium schläfrig gemacht und erschossen worden seien. Als Tatorte wurden das
ostpolnische Chem (Cholm), das schlesische Lubliniec (Loben) und schließlich
das südlich von Pozna in Greisers Gau Wartheland gelegene Ko cian (Kosten)
aufgezählt. Allein in Chem, so der Geistliche, habe es sich um 428 Kinder ge-
handelt.
Weniger relevant für das Thema dieses Aufsatzes ist die Frage, wie genau die
Detailangaben der historischen Realität, wie sie sich heute rekonstruieren lässt,
folgten. Schließlich entsprach das grauenhafte Bild, das der Artikel zeichnete, den
Verhältnissen.11 Viel wichtiger ist hier die Frage, welche Aufnahme und Interpreta-
tion derartige Berichte in dieser frühen Kriegsphase erfuhren. Der Bericht – un-
schuldige, gesunde Kinder als Opfer – erinnerte vermutlich viele Journalisten und
Leser an die alliierte Propaganda aus dem Ersten Weltkrieg, als Gerüchte über
9 In der Datenbank „proquest historical newspaper” ist dieser Artikel der erste überhaupt, der
über die Anstaltsmorde berichtete.
10 Atrocity Charges Renewed by Poles, New York Times, 15.4.1940, S. 6; Dowbiggin, Ian
Robert, A merciful end. The euthanasia movement in modern America. Oxford 2003, S. 71
und S. 197.
11 So wurden am 12. Januar 1940 fast alle 440 Patienten der dortigen Anstalt von der SS er-
schossen; über fünfhundert Patienten der psychiatrischen Anstalt Ko cian wurden von An-
gehörigen eines SS-Sonderkommandos unter der Leitung des Kriminalkommissars Herbert
Lange zwischen dem 15. und 22. Januar 1940 in Lastwagen durch die Einleitung von Koh-
lenmonoxid ermordet (zu Chem vgl. Mlynarczyk, Tadeusz; Grzywna, Bo ena, Chelm –
Kommunales Wojewodschaftskrankenhaus für Psychisch Kranke, in: Polskie Towarzystwo
Psychiatryczne; Komisja Naukowa Historii Psychiatrii Polskiej (Hrsg.): Zagada chorych
psychicznie w Polsce 1939–1945 - Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939-1945,
Warszawa 1993, S. 108-113, zu Ko cian Zielonka, Jerzy; Talar, Maksymilian, Ko cian,
Wojewodschafts-Krankenhaus für psychisch Kranke, in: Polskie Towarzystwo Psychiat-
ryczne; Komisja Naukowa Historii Psychiatrii Polskiej (Hrsg.): Zagada chorych psy-
chicznie w Polsce 1939–1945 - Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939-1945,
Warszawa 1993, S. 102-108; Rieß, Volker, Die Anfänge der Vernichtung „lebensunwerten
Lebens“ in den Reichsgauen Danzig-Westpreußen und Wartheland 1939/40. Frankfurt am
Main 1995, S. 325-332 und zu Lubliniec vgl. Krupka-Matuszczyk, Irena; Bloch, Wlodzi-
mierz: Lubliniec - Schlesisches Psychiatrisches Krankenhaus, in: Polskie Towarzystwo Psy-
chiatryczne; Komisja Naukowa Historii Psychiatrii Polskiej (Hrsg.): Zagada chorych psy-
chicznie w Polsce 1939–1945 - Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939–1945,
Warszawa 1993, S. 170-175.
Berichterstattung über die deutschen Anstaltsmorde 349
12 Vgl. Horne, John; Kramer, Alan: German Atrocities, 1914. A History of Denial. New Ha-
ven, London 2001.
13 Vor allem auf Seiten der Leser bestand lange Zeit ein erheblicher Zweifel. Diese Haltung
sollte sich erst am Ende des Krieges grundlegend ändern, als mit der Befreiung der Vernich-
tungslager die ersten Bilder und Berichte bekannter Journalisten des eigenen Landes die
Realität der Massenverbrechen bezeugten.
14 Pohl (2006), S. 84-85.
15 Republic of Poland: The German Occupation of Poland. London 1941, S. 10.
350 Thorsten Noack
16 American Jewish Committee, Contemporary Jewish Record 4 (1941), S. 429; Nover, Bar-
net, Envoy's White Paper Charges: Nazis Making Slaves of Vanquished Poles In Master
Plan for Extermination of Race, Washington Post, 8.6.1941, S. 1. Das erste White Paper
(1940) hatte über Verbrechen im deutschen Angriffskrieg informiert, ohne auf die Gewalt
der Besatzer in den Anstalten einzugehen.
17 Knoch, Habbo, Die Tat als Bild, Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungs-
kultur. Hamburg 2001, S. 116-117.
18 Pohl (2006), S. 93-96.
19 Polish Ministry of Information, The Black Book of Poland, New York 1942 (britische Aus-
gabe: The German new order in Poland, London 1942), S. 71-72.
20 Rieß (1995), S. 290-311. Über die Einbeziehung von Prostituierten berichtete nicht nur das
Black Book 1942, sondern auch eine Widerstandsgruppe 1943, die vermutlich mit der Un-
Berichterstattung über die deutschen Anstaltsmorde 351
richtung dieser Gaskammer leitend waren, ist auch heute noch nicht geklärt. Wo-
möglich handelte es sich, wie bei den tödlichen Versuchen im Januar 1940 in der
Haftanstalt Brandenburg, um einen Probelauf für das systematische Morden der
„Aktion T4“.21
Das Black Book ist ein frühes und weitgehend singuläres Dokument, das die
Existenz einer Gaskammer für bewiesen erachtete.22 Eine ausführliche Rezension
des Black Book erschien in der New York Times, ohne auf die behauptete Existenz
einer Gaskammer einzugehen.23 Zur gleichen Zeit publizierte die New York Times
allerdings einen Artikel, der berichtete, dass nach polnischen Angaben die Deut-
schen für den Massenmord auch eine mobile Gaskammer einsetzten.24 Die Kunde
von den Gaskammern, erschreckende Realität eines industriell betriebenen Mas-
senmordes, für uns heute das Sinnbild der nationalsozialistischen Vernichtungspoli-
tik, blieb damals ohne weitere Rezeption. Der Begriff tauchte ein halbes Jahr spä-
ter, im November 1942, im Zusammenhang mit Berichten über das Vernichtungs-
lager Belzec in der Tagespresse wieder auf.25
Deutschland konnten zum einen aufgrund ihrer medizinischen Fassade trotz aller
Brüchigkeit als mildtätiger Akt, als „Gnadentod“ erscheinen, zum anderen als Rati-
onalisierungsmaßnahme zur Schonung der nationalen Ressourcen und als notwen-
dige Voraussetzung für den Gewinn des Krieges.
Für die polnische Perspektive auf die Anstaltsmorde in den besetzen Gebieten
war die Bewertung eine andere. Sie waren Bestandteil der Gewalttaten, die Deut-
sche an der polnischen Bevölkerung verübten. Hier fehlte jedes ambivalente, eine
gleichgültige Haltung fördernde Element. Entsprechend folgten die Berichte einem
einfachen, der brutalen Realität allerdings angemessenen Opfer-Täter-Schema.
Als die „Aktion T4“ im Frühsommer 1941 international bekannt wurde, beein-
flusste dies für eine kurze Zeit auch die zeitgenössisch publizierten Berichte über
Polen. Einige Texte verwendeten den Begriff „Euthanasie“ für die Verbrechen in
den besetzten Gebieten, so das erwähnte White Paper vom Juni 1941 und ein Be-
richt im American Hebrew. Das Dokument der polnischen Exilregierung sprach
von „compulsory euthanasia“, der Artikel in der New Yorker Wochenzeitung von
einer völlig neuen Ausrichtung der Sterbehilfe durch die Nationalsozialisten in Po-
len.28 Warum wurde dieser Bezug zwischen beiden Gewalttaten, wenn auch in ei-
ner sehr distanzierten Form, im Juni und Juli 1941 hergestellt? Die Berichte über
die „Aktion T4“ waren soeben durch die glaubwürdigen Publikationen amerikani-
scher Deutschlandkorrespondenten bestätigt worden. Möglicherweise sollte also
durch die Verbindung die Authentizität abfärben.
Die großen Printmedien in England und in den Vereinigten Staaten berichteten
insgesamt kaum über die Anstaltsmorde. Artikel zum Thema blieben mit wenigen
Ausnahmen auf die jüdische und linksliberale Presse sowie auf Publikationen der
polnischen Exilregierung beschränkt. Ein wesentlicher Grund hierfür lag in dem
Umstand begründet, dass über viele Details zum ersten Mal berichtet wurde, nach-
dem das Medieninteresse für Polen im Frühjahr 1940 bereits wieder abgenommen
hatte – die deutsche Besatzung dauerte schon längere Zeit an und neue Kriegser-
eignisse ließen das Thema in den Hintergrund treten.
Zudem konnte das, was veröffentlicht wurde, anscheinend nur schwer den Sta-
tus gesicherten Wissens erlangen, auch wenn etwa die Washington Post und die
New York Times zunehmend die Glaubwürdigkeit der Gräuelberichte unterstri-
chen.29 Dies war vor allem eine Folge der über Polen verhängten Nachrichtensperre
und des Einreiseverbots für ausländische Korrespondenten. Die meisten Berichte
28 „The Nazi German has put an entirely new interpretation on euthanasia or mercy deaths.
[...] The same policy [wie die „Aktion T4“, TN], on an even more drastic scale, was intro-
duced by the Nazis in occupied Poland.“ (White Paper zitiert nach: American Jewish
Committee, Contemporary Jewish Record 4 (1941), S. 429; „Nazi Death-Squad In Action“,
in: The American Hebrew. The National Weekly of Jewish Affairs, 18.7.1941, Bd. 149, 10,
S. 5).
29 Novick, Peter, Nach dem Holocaust. Der Umgang mit dem Massenmord, Stuttgart, Mün-
chen 2001, S. 37.
354 Thorsten Noack
30 Zum Wandel des Deutschlandbildes in den USA während der NS-Zeit vgl. Hönicke, Mi-
chaela, Das nationalsozialistische Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika
(1933–1945), in: Larres, Klaus; Oppelland, Torsten (Hrsg.), Deutschland und die USA im
20. Jahrhundert. Geschichte der politischen Beziehungen. Darmstadt 1997, S. 62-94.
Berichterstattung über die deutschen Anstaltsmorde 355
ofiary tej polityki, lecz ludzie starzy i inwalidzi wojenni. Due znaczenie posiada
przy tym raport o eutanazji popularnego reportera radiowego Williama Shirera,
opublikowany w czerwcu 1941 r. po jego powrocie z Niemiec. Shirer poinformo-
wa opini publiczn o wielu tajnych i intrygujcych szczegó ach zbrodni nazis-
towskich, jak np. o pi mie Hitlera upowaniajcym do u miercania pacjentów.
Dziki relacjom Shirera, zbrodnie te nie by y ju odbierane w kategorii plotek, lecz
posiada y wiarygodne potwierdzenie, nadajc im w odbiorze publicznym charakter
faktów.
Propaganda: Instytucje rzdowe Wielkiej Brytanii i USA posiada y take inne
ród a informacji ni relacje prasowe, jak np. doniesienia przedstawicielstw dyplo-
matycznych. Zbrodnie zwizane z programem eutanazji uznawane by y za pot-
wierdzone fakty ju pod koniec 1940 r. Zak adajc, e ludno niemiecka zgadza
si w duym stopniu z tego typu postpowaniem, nie wykorzystywano tej wiedzy
do celów propagandowych. W podobny sposób potraktowano pó niej informacje
nt. zag ady ydów.
Sytuacja ta zmieni a si na wiosn 1941 r., gdy ród a alianckie potwierdzi y
pojedycze przypadki wykonywania eutanazji na „normalnych obywatelach". Spo-
eczestwo zosta o wówczas poinformowane o tych faktach za pomoc kampanii
propagandowej, w której pominito jednak informacj, e w ród ofiar (ludzie star-
si, pensjonariusze domów starców, szpitali i hospicjów) znajdowali si równie lu-
dzie chorzy psychicznie. Generalnie mona jednak okre li przekazane informacje
jako wyczerpujce i poprawne.
Podsumowujc: Relacje prasowe i propaganda na uytek wewntrzny zmie-
nia y si równolegle w czasie, jednak brak wskazówek na temat centralnego stero-
wania opinii publicznej. Mona przypuszcza , e zarówno prasa jak i instytucje
rzdowe korzysta y z tych samych róde , wskazujc na „normalnych obywateli”
jako ofiary zbrodni.
Na podstawie posiadanych róde trudno okre li , na ile ludno Niemiec oraz
przywódcy Trzeciej Rzeszy zajmowali si zagranicznymi relacjami prasowymi i
obc propagand. Zadziwiajce jest przy tym nastpstwo czasowe midzy zmian
tonu relacji prasowych, wzgldnie pocztkiem propagandy alianckiej na ten temat
w czerwcu, a pocztkiem morderstw na wiksz skal w sierpniu 1941 r. Pozwala
to na przypuszczenie, e dotychczasowe badania mog y przecenia rol opozycji
ko cielnej w Niemczech, a nie docenia dzia alno ci aliantów w tym zakresie.
7.
Wissenschaft im Krieg
Nauka w wojnie
Narrative Etablierung einer Kriegswissenschaft. Die deut-
sche Bakteriologie am Vorabend des Ersten Weltkriegs*
Silvia Berger, Zürich
Die Bakteriologie ist ein locus classicus nicht nur der Medizingeschichte, sondern
des Selbstverständnisses der Medizin als Wissenschaft überhaupt. Ihr Aufstieg zum
herrschenden Paradigma, das Ende des 19. Jahrhunderts das Verständnis von
Krankheitsursachen und ihrer Bekämpfung gegenüber den hygienischen, und das
heißt vor allem auf Umweltfaktoren bezogenen Ätiologien revolutionierte, ist gut
erforscht. Während zunächst vor allem die beiden „Heroen“ Louis Pasteur und Ro-
bert Koch im Zentrum der Aufmerksamkeit standen, haben sich die Interessen mitt-
lerweile multipliziert. Diskutiert werden heute Fragen der Institutionalisierung der
neuen Wissenschaft, die durch sie ausgelöste laboratory revolution, Aspekte der
Epistemologie und Visualisierung, ihre öffentliche Wahrnehmung, ihre Durchset-
zung in Medizin und Gesundheitspflege sowie die politische Umsetzung und
Dienstbarmachung des bakteriologischen Wissens.1
Ein Themenfeld allerdings fand – zumal im deutschsprachigen Raum – bislang
wenig Aufmerksamkeit: Es ist der Konnex von Bakteriologie und Krieg. Wie in
diesem Beitrag argumentiert wird, ist genau dieser Konnex für das Ansehen und die
Wirkmächtigkeit der medizinischen Bakteriologie an der Wende zum 20. Jahrhun-
dert von zentraler Bedeutung. Mit einem Fokus auf Deutschland vertrete ich die
These, dass es Robert Koch und seinen Schülern gelang, die Geltung ihrer Diszip-
lin, die seit den spektakulären „Erregerjagden“ der 1880er Jahre kaum mehr Erfol-
ge vorweisen konnte, durch die Rekonfiguration der Bakteriologie als potente
Kriegswissenschaft zu Beginn des neuen Jahrhunderts massiv zu bestärken. So sehr
zu bestärken, dass sie bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf dem eigentlichen
Höhepunkt ihrer Autorität stand und mit bislang unerreichten finanziellen Mitteln,
Personal und Materialien ausgestattet wurde. Zentral für diese Entwicklung war der
Einsatz diskursiver Strategien und Narrative. Ein Narrativ sollte sich dabei als be-
sonders effektiv erweisen: Die zwangsläufige Verbindung von Kriegen und Seu-
chen in historischer Perspektive. Immer, wenn die „Kriegsfackel“ lodere, so das
Erzählmuster Kochs, würden die Kriegsseuchen ihr „Haupt“ erheben und aus ihren
„Schlupfwinkeln“ hervor kriechen. Kriege und damit das Geschick ganzer Völker
8 Als „Keim-“ oder „Bazillenträger“ bezeichnete man Menschen, die ohne erkennbare klini-
sche Erkrankung pathogene Bakterien in sich trugen und weiterverbreiteten. Wie Christoph
Gradmann zeigte, wurde die Neuausrichtung der bakteriologischen Seuchenbekämpfung auf
die „Bazillenträger“ maßgeblich durch Kochs Studien über tropische Tierinfektionen um
1900 beeinflusst. Gradmann, Christoph, Robert Koch and the invention of the carrier state:
tropical medicine, vetenery infections and epidemiology around 1900, in: Stud. Hist. Phil.
Biol. Biomed. 41:3 (2010), S. 232-240.
9 Vgl. Drigalski, Wilhelm v., Im Wirkungsfelde Robert Kochs, Hamburg 1948, S. 127ff. Die
an den sogenannten „Conradi-Drigalski-Agar“ geknüpften Erwartungen sollten sich später
nicht erfüllen. Zur Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten ab 1903 vgl. Hollatz,
Friedhelm, Die Typhusbekämpfung im Südwesten Deutschlands (1903-1918) im Spiegel
dreier medizinischer Wochenschriften, Med. Diss., Berlin 1948, S. 33ff.
10 Briese 2003 (Anm. 8), S. 305.
11 Koch, Robert, Seuchenbekämpfung im Kriege (1901), in: Schwalbe, Julius (Hrsg.), Ge-
sammelte Werke von Robert Koch, 2. Bd. 1. Teil, Berlin 1912, S. 290f.
Narrative Etablierung einer Kriegswissenschaft 363
12 Ebd., S. 293f.
13 Vgl. Koch an den Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, 17.
Dezember 1901, in: Schwalbe 1912 (Hrsg.), Gesammelte Werke, Bd. 2.2, S. 915.
14 Koch, Robert, Die Bekämpfung des Typhus, in: Schwalbe 1912 (Anm. 11), S. 296.
15 Ebd., S. 297.
364 Silvia Berger
gesorgt und die Wasserverhältnisse zu verbessern versucht habe – also einen „eher
defensiven Standpunkt“ einnahm – sei man jetzt in die „Offensive“ gegangen, so
Koch. Man kenne jetzt den Infektionsstoff und könne „direkt auf ihn losgehen“.
Mit dieser Rede von der „Offensive“ signalisierte Koch nicht nur Stärke und Ent-
schlossenheit, sondern löste vor dem Hintergrund der deutschen Militärdoktrin und
militärischen Standardpraktiken auch enorme Resonanzen aus. Wie Isabell Hull
dargelegt hat, wurde der „Kult der Offensive“ – obwohl ein europäisches Phäno-
men – nirgends so gepflegt und nirgends so stark als Grundlage für das militärische
Training und die Planung umgesetzt wie in Deutschland. Auch der um die Jahrhun-
dertwende Gestalt annehmende Schlieffen-Plan war ein rein offensiver Plan.16 Als
Resonanzraum verlieh dieser Plan beziehungsweise der gekonnte Einsatz der Me-
taphorik der „Offensive“ der von Koch propagierten Typhusbekämpfung zusätzli-
che Legitimität und Evidenz.
16 Hull, Isabell v., Absolute Destruction. Military Culture and the Practices of War in Imperial
Germany, Ithaca/London 2005, S. 164.
17 Vgl. Drigalski 1948 (Anm. 9), S.178.
18 Zum gerichtlichen Nachspiel der Epidemie und dem Richtungsstreit zwischen Kontagionis-
ten und Lokalisten vgl. Howard-Jones, N., Gelsenkirchen Typhoid Epidemic of 1901, Ro-
bert Koch, and the dead hand of Max von Pettenkofer, in: British Medical Journal, 13. Jana-
ry 1973, S. 103-5; Weyer-von Schoultz, Martin, Die Gelsenkirchener Typhusepidemie und
ihr gerichtliches Nachspiel, in: Vögele, Jörg, Woelk, Wolfgang (Hrsg.), Stadt, Krankheit
und Tod, Berlin 2000, S. 317-338.
Narrative Etablierung einer Kriegswissenschaft 365
ten entstanden waren und der Typhus als Volkskrankheit eine Gefährdung für die
soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Region bedeutete.
Im Verlauf des Jahres 1902 versprach der Kaiser, der von Generalstabsarzt von
Leuthold auf Kochs Typhusbekämpfung aufmerksam gemacht worden war, nach
einem Treffen mit Koch höchstpersönlich zusätzliche Mittel, um eine erste Erwei-
terung der Kampagne auf Saarbrücken zu ermöglichen.19 Anfang 1903 erhielt
Koch aus dem Budget des Reichsamts des Innern schließlich auch großzügige
reichsstaatliche Finanzmittel.20 Die von Militär, Landesbehörden und Reich bewil-
ligten Gelder, die sich bis 1911 auf insgesamt 2,5 Mio. Reichsmark beliefen, ge-
statteten eine Ausdehnung der „verschärften Typhusbekämpfung“ von den preußi-
schen Gebieten rund um Trier und Saarbrücken auf Gebiete der benachbarten baye-
rischen Pfalz, des oldenburgischen Birkenfelde und auf die reichsländischen Bezir-
ke Unterelsass und Lothringen. Insgesamt wohnten in diesem rund 26.000 Quad-
ratkilometer großen Gebiet im Südwesten Deutschlands ca. 3,5 Mio. Einwohner.21
Bis 1911 waren 85 Bakteriologen – davon die Hälfte Militärärzte – in elf Ty-
phusstationen an dem „planmäßigen Feldzug gegen den Typhus“22 beteiligt. Die
3.240 Gemeinden des Gebietes wurden dabei einem bakteriologischen Belage-
rungszustand unterworfen. So wurden zahllose Erkundigungen vor Ort vorgenom-
men, Auskünfte über Typhus- oder verdächtige Krankheitsfälle bei Geistlichen,
Lehrern und Ortskrankenkassen eingeholt, Zählkarten und Fragebögen ausgefüllt,
eine schier unvorstellbare Anzahl von Stuhl- und Urinproben in speziellen Ver-
sandgefässen an die Untersuchungsstellen verschickt (Bild 4), Hunderttausende
bakteriologischer Untersuchungen durchgeführt, Berichte verfasst und Ratschläge
an Ärzte und Ortsbehörden erteilt. Tausende von Kranken, Krankheitsverdächtigen
und möglichen gesunden Überträgern wurden desinfiziert und Typhuskranke und
Bazillenträger in Krankenhäusern oder Isolierbaracken abgesondert23 und einer
medizinisch kurativen Behandlung unterzogen.24
Mit dieser ersten medizinischen Rasterfahndung in der Geschichte sollte es
nicht nur gelingen, das Gebiet zugunsten der ansässigen Bevölkerung von Krank-
19 Kirchner, Martin, Über den heutigen Stand der Typhusbekämpfung, Jena 1907, S. 12; Dri-
galski 1948 (Anm. 10), S. 266. Spezialberichte von Leutholds an den Kaiser über den Vor-
versuch Kochs in der Umgebung Triers wiesen darauf hin, dass die Gesundheit der Regi-
menter an der Westgrenze zu Frankreich von der Aufdeckung versteckter Typhusfälle ab-
hing. Mendelsohn 1996 (Anm. 7), S. 625.
20 Mendelsohn 1996 (Anm. 7), S. 647, 648.
21 Hollatz 1948 (Anm. 8), S. 11; Vögele, Jörg, Typhus und Typhusbekämpfung in Deutsch-
land aus sozialhistorischer Sicht, in: Med.hist. Journal 33 (1998), S. 74.
22 Fraenkel, Carl: Rezension „Zusammenstellung der Maßnahmen der Typhusbekämpfung im
Regierungsbezirk Trier“ (von Schlecht), in: Hygienische Rundschau Bd. 9 (1904), S. 930.
23 Während man die gesunden Infizierten im Vorversuch allesamt der Isolierung unterwarf,
konnte dies im erweiterten Gebiet der Kampagne aufgrund wirtschaftlicher und juristischer
Probleme nicht mehr umgesetzt werden.
24 Zur Typhuskampagne als „Big Science“ vgl. Mendelsohn 1996 (Anm. 7), S. 672ff.
366 Silvia Berger
25 Vgl. (als Auswahl): Verhütung übertragbarer Krankheiten im Kriege, in: Vossische Zeitung
Nr. 431 (1914); Lentz, Otto, Die Bekämpfung der Infektionskrankheiten unter Berücksich-
tigung der Verhältnisse im Kriege und die Mitwirkung der Krankenkassen, in: Ortskran-
kenkasse Nr. 12 (1914), S. 386-393; Altschul, Theodor, Kriege und Seuchen, Prag 1914;
Bundesarchiv Berlin, R86/4538: Berichtentwurf Bumm an den Staatssekretär des Innern,
betrifft Verhütung von Kriegsseuchen bei der Zivilbevölkerung, 3.8.1914.
26 Kirchner, Martin, Verhütung und Bekämpfung von Kriegsseuchen, in: Adam, Curt (Hrsg.),
Seuchenbekämpfung im Kriege, Jena 1915, S. 28.
Narrative Etablierung einer Kriegswissenschaft 367
31 Vgl. Schwalm, Erich, Gliederung, Ausrüstung und Tätigkeit des Sanitätskorps im Felde, in:
Hoffmann, Wilhelm (Hrsg.), Die deutschen Ärzte im Weltkriege, Berlin 1920, S. 255-315.
Zu Entwicklung, Einsatz und den Debatten über die Wirksamkeit von Typhusimpfstoffen
unmittelbar vor und während des Weltkriegs vgl. Linton, Derek S., Was Typhoid Inoculati-
on Safe during World War I? Debates within German Military Medicine, in: J. Hist. Med.
Allied Sci. 55:2 (2000), S. 101-133; Vögele 1998 (Anm. 21), S. 76f.
32 Zur bakteriologischen „Kriegsführung“ im Weltkrieg vgl. detailliert Berger 2009 (Anm. *),
S. 186-251.
33 Zur Krise der Bakteriologie im Anschluss an die Influenza-Pandemie 1918/19 vgl. Men-
delsohn, J. Andrew, Von der „Ausrottung“ zum Gleichgewicht. Wie Epidemien nach dem
Ersten Weltkrieg komplex wurden, in: Gradmann, Christoph; Schlich, Thomas (Hrsg.),
Strategien der Kausalität, Pfaffenweiler 1999, S. 227-268; Berger 2009 (Anm. *), S. 283ff.
Narrative Etablierung einer Kriegswissenschaft 369
Abb. 1: Typhusversandgefäß, in: Lentz, Otto: Die Seuchenbekämpfung und ihre technischen
Hilfsmittel, Berlin 1917, S. 15.
11 T. Stpiczyski, Ludno ziem polskich podczas pierwszej wojny wiatowej oraz pastwa
polskiego w latach 1919-1939, „Przesz o Demograficzna Polski”, t. XX, 1997, s. 77.
12 K. Dunin-W sowicz, op. cit., s. 43.
13 S. Szulc, op. cit., s. 42 (tabl. 43).
14 A. Gawryszewski, op. cit., s. 175.
15 J. Milewski, Przemiany demograficzne i warunki ycia ludnoci Warszawy u schy ku I
wojny wiatowej, [w:] Warszawa popowstaniowa..., s. 53.
16 M. Okólski, Demografia. Podstawowe pojcia, procesy i teorie w encyklopedycznym zary-
sie, Warszawa 2005, s. 105; A. Chwalba, Historia Polski 1795-1918, Kraków 2000, s. 593.
17 A. Gawryszewski, op. cit., s. 82.
Wpyw I wojny wiatowej na przyrost naturalny ludnoci 375
uwa any by za kolejn plag wywo an przez wojn, trudn do ograniczenia w
warunkach energiczny ruchu wojsk i powszechnej pauperyzacji ludno ci.25
Lekarze wiele uwagi po wicali fatalnym warunkom ycia w miastach. G ód,
ch ód i brud uwa ano za czynniki wp ywajce na gwa towny wzrost zachorowalno-
ci na gru lic, a tak e przyczyn zwikszonej liczby zgonów z powodów chorób
serca, nerek, p uc i uwidu starczego.26 Za najwiksze niebezpieczestwo dla sytu-
acji zdrowotnej i demograficznej uwa ano zagro enie epidemiologiczne.27 Dlatego
rodowisko lekarskie aktywnie w czy o si w dzia alno instytucji samopomocy
spo ecznej, koncentrujc si g ównie na organizacji przedsiwzi majcych ogra-
nicza rozprzestrzenianie si chorób zaka nych. Mimo zaanga owania lekarzy i
tworzenia komitetów obywatelskich w miastach stan lecznictwa by ca kowicie
niewystarczajcy w stosunku do potrzeb.28 W prasie lekarskiej podkre lano, e
wysoka zachorowalno i miertelno na choroby zaka ne wywo ane s w du ej
mierze przez niedo ywienie mieszkaców, tragiczne warunki sanitarne i mieszka-
niowe. Dlatego w planach odbudowy kraju ze zniszcze wojennych za najistot-
niejsze uznawano budowanie wodocigów i kanalizacji. Podkre lano, e odbudowa
miast, miasteczek i wsi musi uwzgldnia wymogi higieny.29 Tomasz Janiszewski
uwa a , e w planach rozbudowy przestrzennej miast nale y uwzgldni podzia na
stref mieszkaln, przemys ow i rekreacyjn, zadba o w a ciw szeroko ulic
oraz wielko domów, by zapewni mieszkacom dostp wie ego powietrza i
wiat a, zapewni ochron przed nadmiern wilgoci i powodziami. Pisa , e tylko
wprowadzenie nowych przepisów sanitarnych zapewni w a ciw odbudow kraju i
jego ludno ci i zaznacza : „taka zmiana zaj musi bez wzgldu na to, czy nasz
w o cianin lub mieszczanin, odbudowywa bd swoje domy, wsi, miasteczka
wed ug lepszych wzorów dobrowolnie, z w asnego popdu, czy te zmuszeni do
tego nowymi przepisami i ustawami”.30
Problemowi zmian przyrostu naturalnego i zdrowotnej kondycji ludno ci
Polski w wyniku dzia a wojennych po wicony by odbywajcy si w dniach 1-3
XI 1918 r. w Warszawie Zjazd w sprawie Wyludnienia Kraju. Przedmiotem obrad
by y najbardziej palce w opinii rodowiska lekarskiego zdrowotno-spo eczne
problemy kraju. Komitet podzieli si na trzy sekcje. Pierwsza z nich zaj a si
walk z chorobami (m.in. chorobami zaka nymi, chorobami serca) wywo anymi
przez warunki wojenne i niedo ywienie, druga sekcja by a po wicona walce z
przez m.in. grup literatów i spo eczników, skupion wokó „Wiadomo ci Litera-
ckich”.57
W a nie metody kszta towania procesów ludno ciowych wywo ywa y
najwiksze kontrowersje w ród publicystów katolickich, wp ywajc ich ocen mal-
tuzjanizmu. Bo chocia Malthus jako rodek przeciw nadmiernej rozrodczo ci
zaleca „moraln roztropno ”, zwolennicy jego teorii rozwijajc j, propagowali
metody i rodki antykoncepcyjne. Ksi a i publicy ci zwizani z Ko cio em katoli-
ckim potpiajc neomaltuzjanizm, krytykowali zarazem Malthusa, przypisujc mu
odpowiedzialno za tak drog rozwoju jego koncepcji.58 Maltuzjanizm uznany
zosta za system wrogi rodzinie katolickiej, propagujcy niemoralno , niebe-
zpiecznie zmniejszajcy wysoko przyrostu ludno ci w wielu krajach Europy, w
tym przede wszystkim we Francji, ale tak e w Belgii i Niemczech. Katoliccy
publicy ci, jak ksidz Aleksander Wóycicki na amach „Ekonomisty” w 1918 r.,
przestrzegali Polaków przed „zgubnymi, wyniszczajcymi narody” praktykami ne-
omaltuzjaskimi.59 Odrzucali pogldy, i „uregulowanie i zmniejszenie urodze
dzieci jest konieczno ci bezwarunkow”.60
Równie negatywne stanowisko wobec teorii Malthusa zajmowali komentatorzy
z przeciwleg ego rodowiska wiatopogldowego. Socjali ci maltuzjanizm przed-
stawiali jako symbol usankcjonowania niesprawiedliwo ci spo ecznej, zarzucajc
jego zwolennikom cynizm, bezduszno , relatywizm. W tym duchu ocenia a mal-
tuzjanizm Zofia Daszyska-Goliska, socjalistka i pierwsza polska ekonomistka,61
która krytykowa a Malthusa za pominicie znaczenia przyrostu ludno ci jako czyn-
nika determinujcego wysoko produkcji. Za jeden z najwikszym b dów mal-
tuzjanizmu uwa a a rozpatrywanie problemu przyrostu ludno ci tylko z perspekty-
wy stosunku do podzia u i konsumpcji dóbr, nie dostrzegajc czynnika najistot-
niejszego – wp ywu przyrostu demograficznego na produkcj. Podkre lajc
potrzeb optymalizacji poziomu p odno ci nie zgadza a si ze stwierdzeniem, e
perfektybilizacja procesu reprodukcji ludno ci musi by zwizana z rygorysty-
cznym ograniczaniem przyrostu naturalnego. Omawiajc spadek przyrostu natural-
nego na ziemiach polskich i w ca ej Europie w czasie wojny Daszyska pod-
kre la a, e po 1918 r. sytuacja zacz a si normalizowa . Zwraca a uwag, e od
1921 r. w wielu krajach europejskich wida obni enie liczby urodze i uznawa a
ten proces za sta tendencj „charakteryzujc nowoczesn cywilizacj demo-
Jahre 1914 auf mehr als 41 Promille 1917 anstieg. Ähnlich sah es in ländlichen Ge-
bieten aus, die nach dem Durchzug von Truppen meist in einem jämmerlichen Zu-
stand waren und wo Verwüstungen der Äcker zu Hunger und vermehrten Todesfäl-
len führten. Der polnische Staat beherbergte schließlich am 1. Januar 1919 26,28
Mio. Menschen auf einem Gebiet, das vor dem Krieg von schätzungsweise 30,31
Mio. Menschen bewohnt worden war; die Bevölkerung war also um 13 Prozent
zurückgegangen. Die Hälfte dieses Verlustes resultierte aus einer negativen Migra-
tionsbilanz. Der Vorkriegsstand wurde erst 1927 wieder erreicht; aus diesem Grun-
de endet die Darstellung mit diesem Jahr.
Ärzte und politisch Aktive befassten sich schon während des Krieges mit der
sich verschlechternden demographischen und medizinischen Lage und forderten
die Gründung ärztlicher und sanitärer Organisationen und Einrichtungen, etwa in
der Zeitschrift „Zdrowie“ [Gesundheit]. Besondere Sorge erregte der für Kriegszei-
ten als typisch angesehene Anstieg ansteckender Krankheiten wie des Fleckfiebers,
des Typhus, der Spanischen Grippe oder der Ruhr. Daneben wurde der Anstieg von
Tuberkulosefällen bei Soldaten und Armen thematisiert, außerdem – auch nach
Kriegsende – die Zunahme venerischer Krankheiten als Gefahr für den gesundheit-
lichen und moralischen Zustand der Gesellschaft. Auch Geschlechtskrankheiten
wurden als Folge des Krieges, der unkontrollierbaren Bewegungen der Truppen
und der Verarmung der Bevölkerung betrachtet.
Viel Aufmerksamkeit wurde den katastrophalen Lebensbedingungen in den
Städten gewidmet, wo Hunger, Kälte und Schmutz als Ursache für den explosions-
artigen Anstieg der Tuberkulose ausgemacht wurden. Ärzte engagierten sich daher
in Selbsthilfeorganisationen, die sich darauf konzentrierten, die Ausbreitung von
Seuchen zu verhindern. In diesem Rahmen forderten sie den Bau von Wasserlei-
tungen und Abwasserkanälen sowie den Wiederaufbau von Städten und Dörfern
nach hygienischen Gesichtspunkten. Tomasz Janiszewski forderte eine staatliche
Planung und Aufteilung der Städte in Wohn-, Gewerbe- und Erholungszonen, hin-
reichende Straßenbreiten und Wohnungsgrößen, um allen Einwohnern Zugang zu
frischer Luft und Licht zu garantieren und übermäßige Feuchtigkeit zu vermeiden.
Anfang November 1918 fand ein Kongress statt, der dem Bevölkerungsrück-
gang und den damit verbundenen Problemen gewidmet war. In drei Kommissionen
diskutierte man die Eindämmung der Seuchen und anderer Krankheiten, die durch
den Krieg verursacht wurden, den Kampf gegen die venerischen Krankheiten und
die „Unmoral“ sowie die Betreuung von Mutter und Kind und den „Kampf gegen
den Gebärstreik“. Diese Themen sollten die Debatten der Spezialisten über die
zwanziger Jahre hinweg bestimmen; als Hauptproblem der polnischen Gesund-
heitspolitik wurden Seuchen, insbesondere die Tuberkulose, ausgemacht.
Daneben hatten Bemühungen um eine Senkung der Säuglingssterblichkeit, um
bessere Versorgung und den Schutz vor Erkrankungen bereits während des Krieges
eine zentrale Rolle bei der Freiwilligenarbeit der sog. Fürsorgeräte, der Rettungs-
komitees, der Landfrauenzirkel, der wohltätigen Gesellschaften usw. gespielt. Man
386 Aneta Bodyrew
warb für das Stillen und gab in den Städten saubere Milch für Säuglinge aus; die
Finanzierung erfolgte aus eigenen Mitteln oder über ausländische Geldgeber wie
die Hoover- oder die Rockefeller-Foundation. Ab 1918 wurde die Sorge um Mutter
und Kind eine der Hauptaufgaben des Ministeriums für Öffentliche Gesundheit, da
vor allem die Säuglingssterblichkeit als Ursache für die Entvölkerung des Landes
angesehen wurde.
Bereits der erwähnte Kongress hatte das Bevölkerungswachstum zur Haupt-
aufgabe des jungen Staates erklärt; parallel bemühte man sich um die biologische
Qualität der Bevölkerung, d.h. um eugenische Konzepte als Schutz gegen „Degene-
ration“, womit Überlegungen aufgegriffen wurden, die Ende des 19. Jahrhunderts
eingesetzt hatten. 1922 wurde die Polnische Eugenische Gesellschaft gegründet.
Da der Bevölkerungsrückgang infolge des Krieges ein zentrales Problem war,
war die eugenische Propaganda in Polen zunächst propopulationistisch. Selbst die
meisten Befürworter rassenhygienischer Ideen hielten Geburtenbeschränkungen in
dieser Situation für schädlich. In der 1918 gegründeten Zeitschrift „Zagadnienia
Rasy“ [Rassenfragen] wurde ein apokalyptisches Bild der Entvölkerung Polens be-
schworen – ganz im Gegensatz zu Westeuropa, wo eher über Geburtenkontrolle
diskutiert wurde und die Diskussion neomalthusianisch beeinflusst war. Dies führte
zur paradoxen Situation, dass in Ländern, in denen die Geburtenrate seit der Mitte
des vorigen Jahrhunderts sank, Geburtenkontrolle propagiert wurde, während in
Polen, wo die Fruchtbarkeit mit sechs Geburten je Frau im gebärfähigen Alter bis
1914 außerordentlich hoch gewesen war, das Gegenteil gefordert wurde. Es lässt
sich bei Kriegsende von einer regelrechten Obsession der polnischen Ärzte, Akti-
ven und Politiker sprechen, wobei die Befürchtungen hinsichtlich der Entvölkerung
des Landes nicht völlig unberechtigt waren. Diese Haltung änderte sich erst, als
gegen Ende der zwanziger Jahre die Bevölkerung wieder stark zunahm.
Die Bevölkerungsentwicklung beeinflusste auch die demographischen Konzep-
te der Ökonomen, etwa bei der Schätzung der Bevölkerungsentwicklung und der
Berechnung der optimalen Bevölkerungsverteilung. Die Demographie sollte Be-
standteil der Sozialpolitik sein.
Die demographische Situation bestimmte schließlich auch die Rezeption des
Malthusianismus als einer antipopulationistischen Lehre, der zufolge die Bevölke-
rung regelmäßig schneller wachse als die Möglichkeiten, die Lebensmittelerzeu-
gung zu steigern, weswegen die Geburtenrate insbesondere der ärmeren Bevölke-
rung begrenzt werden müsse. So entwickelte der Krakauer Ökonom Adam
Krzyanowski nach 1918 seine Auffassung, ein übermäßiges Bevölkerungswachs-
tum sei die Quelle wirtschaftlichen und politischen Untergangs. Daran hatte für ihn
auch der Bevölkerungsrückgang im Krieg nichts geändert, da mehr Beschäfti-
gungsmöglichkeiten denn Menschen vernichtet worden seien: Der Krieg habe das
Missverhältnis zwischen Bevölkerungszahl und Einsatzmöglichkeiten noch ver-
schärft. Gleichzeitig war er fasziniert vom angelsächsischen Wirtschaftsliberalis-
mus, aus dem er eine Kombination aus Bevölkerungsbegrenzung und Produktivi-
Wpyw I wojny wiatowej na przyrost naturalny ludnoci 387
1 Zit. n. Wilhelm His, Allgemeine Einwirkungen des Feldzuges auf den Gesundheitszustand,
in: Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege 1914/1918, Band 3: Innere Medi-
zin, Leipzig 1921, S. 4.
2 Zu Wilhelm His, insbesondere zu seinen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg siehe Wilhelm
His, Die Front der Ärzte, Bielefeld 1931.
3 Vgl. His, Allgemeine Einwirkungen, S. 6-28.
4 Zur Geschichte der Inneren Medizin im Ersten Weltkrieg existiert bislang kaum deutsche
Forschungsliteratur. Allenfalls am Rande gehen Überblicksdarstellungen auf die Rolle der
Inneren Medizin zwischen 1914 und 1918 ein (vgl. Alexander Schulz, Für die Einheit der
Inneren Medizin. 125 Jahre Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 2007, S.
67-76; Hermann Mannebach, Hundert Jahre Herzgeschichte. Die Entwicklung der Kardio-
logie 1887-1987, Berlin 1987). Dezidierte Forschungsarbeiten zu den Militärinternisten im
Ersten Weltkrieg finden sich vor allem in der angloamerikanischen Literatur. Siehe hierzu
Joel D. Howell, Soldier’s Heart. The Redefinition of Heart Disease and Specialty Formation
in early twentieth-century Great Britain, in: Medical History 5 (1985), S. 34-52; Charles F.
Wooley, The Irritable Heart of Soldiers and the Origins of Anglo-American Cardiology.
The US Civil War (1861) to World War I (1918), Ashgate 2002.
Der Sieg für die stärksten Herzen 389
5 Zum Kongress der Psychiater, auf dem die Vorgehensweise gegenüber den so genannten
Kriegsneurotikern diskutiert und beschlossen wurden, siehe Paul Lerner, From Traumatic
Neurosis to Male Hysteria. The Decline and Fall of Hermann Oppenheim, 1899-1919, in:
Mark S. Micale/Paul Lerner (ed.), Traumatic Pasts. History, Psychiatry, and Trauma in the
Modern Age, 1870-1930, Cambridge 2001, S. 143-154. Die Pathologen im Ersten Welt-
krieg beleuchtet Cay-Rüdiger Prüll in: Die Sektion als letzter Dienst am Vaterland. Die
deutsche „Kriegspathologie“ im Ersten Weltkrieg, in: Wolfgang U. Eckart/Christoph
Gradmann (Hrsg.), Die Medizin und der Erste Weltkrieg, Pfaffenweiler 1996, S. 155-182.
Eine zeitgenössische Dokumentation der Chirurgentagung findet sich in Medizinische Kli-
nik 12 (1916), S. 550 f.
390 Philipp Rauh
6 Paul Lerner spricht in diesem Zusammenhang von einem „new, rationalized system“ im
Umgang der Ärzte mit den erkrankten Soldaten. Dieses Management-System wurde ab
1916 Schritt für Schritt weiterentwickelt, wobei die Fachkongresse für diese Bestrebungen
einen wichtigen Bezugspunkt bildeten. Vgl. Paul Lerner, Rationalizing the Therapeutic Ar-
senal: German Neuropsychiatry in the First World War, in: Geoffrey Cocks/Manfred Berg
(ed.), Medicine and Modernity. Public Health and Medical Care in the 19th and 20th-
Century, New York 1997, S. 121-148.
7 Vgl. ebenda sowie Heinz-Peter Schmiedebach, Medizinethik und „Rationalisierung“ im
Umfeld des Ersten Weltkrieges, in: Andreas Frewer/Josef N. Neumann (Hrsg.), Medizinge-
schichte und Medizinethik. Kontroversen und Begründungsansätze 1900-1950, Frankfurt
a.M./New York 2001, S. 57-84.
Der Sieg für die stärksten Herzen 391
Jahre 1916 für eine außerordentliche Tagung im von den Deutschen besetzten War-
schau. Die Tagung wurde, dies machen die Sitzungsprotokolle der DGIM deutlich,
in enger Zusammenarbeit mit dem Feldsanitätschef Otto von Schjerning und den
militärischen Befehlshabern Warschaus geplant.8 Der mit der Organisation betrau-
te, eingangs bereits erwähnte Wilhelm His bat in seiner martialisch und patriotisch
gefärbten Eröffnungsrede von Schjerning darum, den Ehrenvorsitz des Warschauer
Kongresses zu übernehmen.9 Es wurde demnach von Seiten der Internisten ein
Schulterschluss mit der militärischen Leitung betont. In das Bild einer Kriegsta-
gung passte zudem, dass die überwiegende Mehrheit der rund 1.500 teilnehmenden
Mediziner gemäß ihrer aktuellen militärärztlichen Tätigkeit uniformiert zum Ta-
gungsort erschienen war. Neben den deutschen Militärinternisten nahmen noch Sa-
nitätsoffiziere aus Österreich und Ungarn sowie eine „ärztliche Mission unserer
tapferen türkischen Verbündeten“ an dem Kongress in Warschau teil.10
Die Organisatoren hatten sich bei der Wahl des Austragungsortes nicht zuletzt
von dem Gedanken leiten lassen, die Kongressteilnehmer könnten in Warschau die
Kriegsverhältnisse im Osten, die dort herrschenden Seuchen und die zu ihrer Ein-
dämmung errichteten Sanitätseinrichtungen einmal unmittelbar vor Ort in Augen-
schein nehmen. Der fachspezifische Charakter der Tagung war infolgedessen aus-
schließlich auf die neuen Anforderungen der Inneren Medizin im Kriege zuge-
schnitten. Subsumiert unter dem Begriffspaar „Kriegsseuchen und Kriegskrankhei-
ten“ gingen die einzelnen Redebeiträge insbesondere auf den „Schutz des Heeres
gegen Cholera“, die „Epidemiologie des Fleckfiebers“, den „Abdominalthyphus im
Felde“, den „Schutz des Heeres gegen Cholera“ oder die „Nierenentzündungen im
Felde“ ein.11 Zu einem programmatischen Höhepunkt der Tagung avancierte dann
schließlich der Vortrag des Wiener Kardiologen Karl Frederik Wenckebach über
die Herzerkrankungen bei Kriegsteilnehmern.12 Um sich die Bedeutung dieser Re-
8 Die Sitzungsprotokolle befinden sich im Archiv der DGIM in Wiesbaden. Zu von Schjern-
ing siehe Robin Joppich, Otto von Schjerning (4.10.1853-28.06.1921). Wissenschaftler,
Generalstabsarzt der preußischen Armee und Chef des deutschen Feldsanitätswesens im
Ersten Weltkrieg, Diss. med., Heidelberg 1997.
9 Die Eröffnungsrede von His ist abgedruckt in Hanns Gotthard Lasch/Bernhard Schlegel
(Hrsg.), Hundert Jahre Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin. Die Kongress-Eröff-
nungsreden der Vorsitzenden 1882–1982, München 1982, S. 343-351.
10 Zit. n. ebd., S.351.
11 Die einzelnen Tagungsbeiträge finden sich ebd., S. 343.
12 Der am 24.3.1864 in Den Haag geborene Karl Frederik Wenckebach lehrte und forschte
zunächst in den Niederlanden, danach in Deutschland, bevor er 1914 einem Ruf der Wiener
Universität folgte. Wenckebachs Forschungsschwerpunkt war die Arhythmie des Herzens.
Durch seine Studie über „Die Arhythmie als Ausdruck bestimmter Funktionsstörungen des
Herzens“ (Leipzig 1903) galt er bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg als ausgewiesener
Experte für Herz- und Kreislauferkrankungen bzw. für Ermüdungs- und Erschöpfungs-
krankheiten des männlichen Körpers. Im Jahr des Kriegsausbruches erschien sein Buch
über „Die unregelmäßige Herztätigkeit und ihre klinische Bedeutung“ (Leipzig 1914), die
ihn vollends zu einer der Leitfiguren der deutschen Armee-Internisten werden ließ. Karl
392 Philipp Rauh
de zu vergegenwärtigen, mag erneut ein Zitat von Wilhelm His im Rückblick auf
die Warschauer Tagung hilfreich sein:
„Unsere Ärzte (…) standen dem neuen Krankheitsbild anfangs ziemlich ratlos gegen-
über, ließen sich durch die Häufigkeit unreiner Töne oder Herzgeräusche irreführen,
täuschten sich, zumal die Röntgenuntersuchung nicht möglich war, über die Herzgröße;
vielfach fehlte ihnen das Interesse. Wie oft sollte ich an gefüllten Sälen vorbeigeführt
werden mit den Worten: Das ist nichts interessantes, das sind nur Herzneurosen! Erst
langsam brach eine bessere Erkenntnis dieser Massenerkrankung durch, besonders unter
dem Eindruck des lebendigen WENCKEBACHschen Referats auf dem Warschauer
Kongress.“13
Frederik Wenckebach starb 1940 in Wien. Bisher gibt es zur Person Wenckebachs lediglich
eine wissenschaftliche Studie aus den Niederlanden (vgl. Gerrit A. Lindeboom Karel Fre-
derik Wenckebach (1864-1940). Een korte schets van zijn levenn en werken, Haarlem
1965). Der Wortlaut des Referats von Wenckebach findet sich in: Medizinische Klinik 12
(1916), S. 465-471, daher sämtliche Zitate aus Wenckebachs Vortrag.
13 Zit. n. His, Allgemeine Einwirkungen, S.6.
14 So der Titel des Vortrages von Wenckebach. Zit. n. Medizinische Klinik 12 (1916), S. 465.
Der Sieg für die stärksten Herzen 393
Arythmiker eventuell lange leben, sondern ob er mit seinem gesunden, aber aryth-
mischen Herzen die verlangten körperlichen Anstrengungen wird leisten können“.
An die Adresse der Militärärzte in den frontnahen Lazaretten war dies die unver-
hohlene Aufforderung, die Behandlung von herzkranken Soldaten nach strengeren
Maßstäben vorzunehmen.
Der Wunsch nach härterem Durchgreifen zog sich indes wie ein roter Faden
durch die Beiträge in den medizinischen Journalen. Immer wieder wurde kritisiert,
dass man sowohl bei der Musterung als auch bei der alltäglichen Praxis in den La-
zaretten viel zu schnell eine Herzerkrankung diagnostiziere. In diesem Zusammen-
hang wiesen die Internisten wiederholt darauf hin, „welche Summe von Kraft durch
die Diagnose Herzfehler der Armee verloren geht“.15 Sei dem Soldaten ein Herz-
leiden erst einmal attestiert, so das damals gängige fachärztliche Argumentations-
muster, dann werde es schwerlich gelingen, ihn wieder als kriegsfähig aus dem La-
zarett zu entlassen. Den Soldaten wurde unterstellt, sie würden sich, sobald sie die
Diagnose Herzerkrankung vernommen hätten, erst in ihre Erkrankung hineinstei-
gern. Ein Ratschlag, der in den Publikationen wiederholt geäußert wurde, war, in
der Gegenwart von Soldaten nie von Herzfehlern oder Herzleiden zu sprechen, da
diese sonst glauben würden, wirklich krank zu sein bzw. im Krieg schon genug ge-
leistet zu haben. Man riet den für die Lazaretteinweisungen zuständigen Truppen-
ärzten vielmehr, es im Zweifel gar nicht erst zur Hospitalisierung kommen zu las-
sen:
„Denn jeder erfahrene Truppenarzt weiß, daß die Lazarettbeobachtung bei seinen Herz-
grenzfällen leicht zu einer ungünstigen psychischen Beeinflussung, zur Förderung hy-
pochondrischer Vorstellungen und Hemmungen führt. Schon die Lazarettüberweisung
an sich bringt Herznervöse leicht zur Ueberzeugung, ernstlich krank zu sein, noch mehr
natürlich nach häufig im Lazarett vorgenommene Herzuntersuchungen mit Pulszählun-
gen und womöglich mit diagnostischen Erörterungen vor den Ohren des Untersuchten.
Daher vermeidet der erfahrene Truppenarzt die Lazarettüberweisung zwecks Herzbe-
obachtung soweit als irgend möglich (…).“16
Bemerkenswert an diesem durchaus repräsentativen Zitat ist, dass die ärztliche Be-
handlung und Diagnostik im Lazarett als psychisch ungünstig für den herzkranken
Soldaten und somit als kontraproduktiv angesehen wurde. Auch Karl Frederik
Wenckebach warnte in seiner Rede auf dem Warschauer Kongress davor, den Sol-
daten mit einer Herzdiagnose zu konfrontieren, da sich dies schädlich auf den Zu-
stand des Soldaten auswirken würde.
Doch was verbarg sich hinter diesen radikal anmutenden Forderungen
Wenckebachs im Umgang mit erschöpften und herzkranken Kriegsteilnehmern?
Sein Maßnahmenkatalog speiste sich aus dem Selbstverständnis eines Mediziners,
15 Zit. n. Siegfried Kaminer und Antonio da Silva Mello, Erfahrungen bei der Untersuchung
von Kriegsfreiwilligen, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift (DMW) 41 (1915), S.
194.
16 Zit. n. Dannehl, Herzdiagnostik des Truppenarztes im Felde, in: DMW 44 (1918), S. 1388.
394 Philipp Rauh
17 Zit. n. Heinz-Peter Schmiedebach/Johanna Bleker (Hrsg.), Medizin und Krieg. Vom Di-
lemma der Heilberufe 1865-1985, Frankfurt am Main 1987.
18 Zur Bedeutung der Rassenhygiene für die Medizin im späten 19. und in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts siehe Paul Weindling, Health, Race and German Politics between Na-
Der Sieg für die stärksten Herzen 395
vor der „kontraselektorischen Wirkung“ eines Krieges, in dem vermeintlich nur der
Starke geopfert wird und der Schwache sich angeblich, weit weg von der Front, zu
Hause in Sicherheit wiegen könne. In dieser sozialdarwinistisch geprägten Sicht-
weise spiegelt sich die Mahnung vieler zeitgenössischer Rassenhygieniker wider,
wonach die Gesellschaft, durch das Kriegsgeschehen dramatisch beschleunigt, an
ihren schwachen, minderwertigen und „unwerten“ Gliedern zu Grunde gehe.19
Der schwache, herzkranke Soldat, der den Anforderungen des Krieges nicht
gewachsen war, wurde explizit in den Kontext der rassenhygienischen Ideologie
gestellt und damit als minderwertig stigmatisiert. Dieser am Beispiel des Internisten
Wenckebach nachweisbare Befund einer ideologischen Indoktrination der Medizin
im Ersten Weltkrieg, der bisher in erster Linie für die Kriegspsychiatrie erhoben
wurde, weist darauf hin, dass in einem viel stärkeren Ausmaß als in der Forschung
bisher wahrgenommen, rassenhygienische Gedanken auch in anderen Spezialdis-
ziplinen zu medizinischen Leitvorstellungen erhoben wurden.20 In der emotional
aufgeladenen Atmosphäre des Krieges stellte die deutsche Ärzteschaft an sich
selbst den politischen Anspruch, die Kampf- und Widerstandskraft der Nation nicht
nur durch die Wiederherstellung erkrankter und verwundeter Soldaten, sondern
auch durch die Konstitutionserhaltung des Volkskörpers zu erhöhen.
Fazit
Seine Rede „Ueber die Herzkonstatierung im Kriege“ abschließend zusammenfas-
send lässt sich sagen, dass Karl Frederik Wenckebach darin den Idealtypus eines
Militärarztes entwarf, der sich den wirtschaftlichen, ideologischen und militäri-
schen Zielvorstellungen des kriegführenden Staates in weitaus stärkerem Maße
verpflichtet fühlte als dem gesundheitlichen Wohlbefinden seiner Patienten. Seine
auf dem Kongress in Warschau vorgetragenen rigiden Forderungen zur Behandlung
von herzkranken Kriegsteilnehmern leitete Wenckebach aus einer Verknüpfung
von rassenhygienischer Sichtweise und utilitaristischen Beweggründen her. Dabei
versah er seine ökonomischen Betrachtungen mit einer rationalisierenden Stoßrich-
tung, die die neuen Anforderungen des Krieges an die Ärzteschaft durch zweckmä-
ßige, einheitliche und professionelle Strukturen erfüllen wollte. Die Rede Wencke-
bachs lässt sich somit in die Rationalisierungsbestrebungen der Medizin im Ersten
Weltkrieg einordnen. Soldaten, die sich den Anstrengungen im Felde physisch
tional Unification and Nazism, 1870-1945, Cambridge 1989; Hans-Walter Schmuhl, Ras-
senhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie. Von der Verhütung zur Vernichtung „lebens-
unwerten Lebens“, 1890-1945, Göttingen 1987. Zum Einfluss der rassenhygienischen Ideo-
logie auf die Medizin im Ersten Weltkrieg siehe seit Kurzem Cay-Rüdiger Prüll, Die Be-
deutung des Ersten Weltkrieges für die Medizin im Nationalsozialismus, in: Gerd Krumeich
(Hrsg.), Nationalsozialismus und Erster Weltkrieg, Essen 2010, S. 363-378.
19 Vgl. als zeitgenössische Quelle hierzu Max von Gruber, Rassenhygiene – die wichtigste
Aufgabe völkischer Innenpolitik, in: Deutschlands Erneuerung 2, Teil 1 (1918), S. 17-32.
20 Vgl. Prüll, Die Bedeutung des Ersten Weltkrieges, S. 366.
396 Philipp Rauh
21 Siehe hierzu Susanne Michl, Im Dienste des Volkskörpers. Deutsche und französische Ärz-
te im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2007, S. 54-113.
22 Vgl. Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen, Band 3, S. 151.
23 Vgl. Karl Frederik Wenckebach, Über Herzkonstatierung und Herzerkrankungen im Kriege,
Leipzig 1916.
Der Sieg für die stärksten Herzen 397
2 Jan Oga, O uszkodzeniach postrza owych krgos upa, „Przegl d Lekarski” 1916 s. 74-75.
3 Ludwik Rydygier, O leczeniu z ama postrza owych uda, „Przegl d Lekarski” 1916 s. 93-
97.
4 Roman Bar cz, Pomoc chirurgiczna na ty ach armii, „Przegl d Lekarski” 1917 s. 248-9.
400 Anita Magowska
Postrzay twarzy
Konsekwencj zaka onych postrza ów twarzy by a potrzeba rekonstrukcji nosa.
Protezy nosów wyrabiano ju od prze omu XIX i XX w., ale metod produkcji
ukrywano. Sposób wytwarzania opisa po raz pierwszy prof. Zinsser, odlewami
twarzy z gipsu a nastpnie uzupe niajc brakujce czci mas z elatyny, gli-
ceryny i barwników. Wykonywaniem protez zajmowali si lekarze, którzy
nastpnie pouczali pacjentów o sposobach wykonywania masy protetycznej i
mocowania protez oraz ich kosmetycznego tuszowania. W 1916 r. metod
sporzdzania protez nosa kosmetycznych zademonstrowa na zebraniu Towarzyst-
wa Lekarskiego Lwowskiego Franciszek Chomicki.7
miertelno wród o nierzy z postrza ami oczu wynosi a 15,5 %, 72 % z nich
traci o wzrok.8 Wobec tak dramatycznych wyzwa rozwin a si chirurgia oczna.
Podczas I wojny wiatowej wprowadzono nowe cicia spojówkowe i nowe techniki
5 Herman, O ranach postrza owych czaszki i mózgu, „Przegld Lekarski” 1916 nr 17.
6 Towarzystwo lekarskie lwowskie, „Przegld Lekarski” 1916 s. 87-89.
7 Fr. Chomicki, O protezach kosmetycznych, „Przegld Lekarski” 1917 s. 42-43.
8 Henryk Birnbaum, Zranienia wojenne oczu i wskazania chirurgiczne przy leczeniu.
„Przegld Lekarski” 1917 s. 219-221.
Praktyka zawodowa polskich lekarzy podczas I wojny wiatowej 401
Amputacje
Amputuj c w szpitalu wojennym koczyn zajt zakaeniem pocz tkowo
pos ugiwano si star metod liniow , pozwalaj c operowa w krótkim czasie.
Zabieg wykonania cicia okrnego trwa 7 minut. Zak adano opask Esmarcha, a
po jej odjciu – bez stosowania narkozy – podwi zywano drobne naczynia. Gdy
amputowano koczyn z powodu strzaskania koci, rany operacyjnej nie zmniejs-
zano szwem, a wszystkie nierównoci s czkowano15.
Czste, z powodu zakae spowodowanych postrza em lub odmroeniami,
amputacje uda pozwoli y wypracowa nowe techniki przeszczepiania skóry po-
trzebnej do przykrycia stercz cego kikuta kostnego. Z czasem zaniechano linio-
wego cicia i stosowano cicie pozwalaj ce zachowa due p aty skóry, które
zszywano tak, by pokry kikut. Metoda p atowa dawa a lepsze wyniki, a jej zwol-
ennikiem by m.in. Ludwik Rydygier.16
Postrza y stawów przyczyni y si do udoskonalenia techniki ich resekcji. W
przypadku potrzeby wy uszczenia w biodrze, amputowano udo bardzo wysoko
(przy czym damskie szpilki od kapeluszy przek uwaj ce na krzy czci mikkie
uda, zapobiega y zesuniciu si drenu zaciskaj cego naczynia.
Chirurgia naczy
Powik aniem ran postrza owych koci lub wynikiem obrae naczy krwiononych
by y ttniaki i uszkodzenia nerwów. Operacja ttniaków przedstawia a wtedy
znaczne trudnoci. Przed wojn , w przypadku ttniaka ttnicy podobojczykowej,
aby ods oni pole operacyjne, wypi owywano cz mostka, obojczyka i pier-
wszego ebra. W czasie wojny przypadków wymagaj cych takiej operacji, a wic
postrza ów ttnic, by o wicej, co pozwoli o Ludwikowi Rydygierowi na opraco-
wanie w asnej techniki zabiegu, w której wypi owywanie obojczyka nie by o
potrzebne.
Rydygier, podobnie jak inni chirurdzy wojenni, doskonali techniki chirurgii
naczy, a zw aszcza szwy naczyniowe ttnic. Wczeniej praktykowano pod-
Rentgenologia wojenna
Jedna z najm odszych dyscyplin lekarskich, radiologia, odegra a podczas I wojny
wiatowej du rol w rozpoznawaniu od amków koci i pocisków. Wszystkie mo-
carstwa zaangaowane w t wojn korzysta y z aparatów rentgenowskich. Radiolo-
gia czasów pokoju dysponowa a skromn kadr lekarzy specjalistów, dlatego pod-
czas wojny trzeba by o przeszkoli nie tylko lekarzy rónych specjalnoci, ale te
nauczycieli, inynierów i pielgniarki.
Konieczno wykrywania i lokalizacji cia obcych przyczyni a si do rozwoju
radiologii. O ile w czasach pokoju chirurdzy wyjmowali sporadycznie cia a obce z
prze yku i tchawicy, to podczas wojny usuwanie z cia a pacjentów g boko
tkwi cych pocisków by o na porz dku dziennym. Radiolodzy pomagali w opraco-
waniu tego zabiegu, który weryfikowa rozpoznanie rentgenowskie. Wojna przy-
nios a nowe postaci z ama koci, a metodami radiologicznymi udawa o si ro-
zpozna ropowice gazowe. Innym nowym zadaniem radiologii by o okrelanie
przydatnoci do s uby polowej na podstawie przewietlenia p uc, serca i o dka.
Próbowano te leczenia ran promieniami Rtg. Tak szerokie zastosowanie przy-
nios o radiologii szeroki plon.
I tak, u prawie jednej trzeciej rannych stwierdzano badaniem radiologicznym
obecno pocisku lub jego od amku w ciele. W 75 % przypadków stwierdzenie
po oenia pocisku dawa o szanse na uratowanie ycia o nierzy. Stwierdzenie
obecnoci pocisku za pomoc przewietlenia lub fotografii rentgenowskiej by o
atwe, ale znacznie trudniejsze by o okrelenie jego po oenia. W obrazie rentge-
Rehabilitacja
Dotkliwym nastpstwem I wojny wiatowej by rzesze ludzi pozbawionych jednej
lub wicej koczyn. Przed wojn przypadki takie zdarza y si rzadko, dlatego prob-
lem ludzi jednorkich nie mia wymiaru spo ecznego. Zastosowanie granatów
przyczyni o si do zwikszenia liczby kalek i uruchomienia dla nich specjalnych
szkó oraz kursów celem wyuczenia w nowym zawodzie. W jednym z polskich
27 Adolf Klsk, Jak mona pomóc jednorkiemu? „Przegl d Lekarski” 1918 s. 35-37.
408 Anita Magowska
allerdings konnten sich durch den auf die Laken fließenden Eiter andere Patienten
anstecken.
Als besonders problematisch galten Knochenbrüche durch Schussverletzungen.
Rydygier war der erste, der anstelle von Gips einen Streckverband anwandte, da er
in Wien erfahren hatte, dass sich Wunden im Gipsverband leicht entzündeten. Wa-
ren die Knochen verschoben, wandte er eine Kombination aus Gips- und Streck-
verband mit metallenen Doppel-T-Trägern an, eine Art Vorläufer der heutigen ex-
ternen Stabilisatoren. Die Teile verschraubte er mit Spannschrauben, die sonst für
Drähte verwendet wurden.
Bei Amputationen wurde zunächst die Schnürmethode angewandt, die eine
Amputation innerhalb von sieben Minuten gestattete. Bei Amputationen wegen
Knochenzersplitterung wurde die Operationswunde nicht vernäht, sondern eine
Drainage gelegt. Die häufigen Amputationen boten zudem Gelegenheit, neue
Techniken zur Hauttransplantation zu entwickeln: Das Hautschneiden durch
Schnüre wurde durch Methoden ersetzt, mit denen sich größere Hautstücke zur
Abdeckung der Knochenstümpfe gewinnen ließen. Schussverletzungen der Gelen-
ke trugen zudem zur Weiterentwicklung von Resektionstechniken bei – mitunter
mit großem Einfallsreichtum. So wurden Hutnadeln verwendet, damit bei Hüftope-
rationen die Drainage nicht die Gefäße abklemmte.
Aneurysmen und Nervenschäden waren die Folge von Verletzungen der Blut-
gefäße; ihre Operation war damals schwierig. Vor dem Krieg wurde bei Verletzun-
gen der Halsschlagader ein Teil des Brustbeins, des Schlüsselbeins und der ersten
Rippe herausgesägt. Rydygier konnte wegen der Vielzahl der Fälle eine Technik
entwickeln, die das Ansägen des Schlüsselbeins unnötig machte. Außerdem wurde
das Vernähen von Schlagadern perfektioniert.
Verletzungen des Rückgrats gehörten zu den schwersten Wunden, zumal wenn
das Rückenmark geschädigt war oder Verletzungen des Brustkorbs, des Bauchs
oder des Beckens hinzukamen. Rückenmarksverletzungen wurden an sekundären
Folgen wie Lähmungen oder Gefühlsverlust erkannt; mitunter kam es zu Ver-
wechslungen mit den Folgen des Drucks, den Kugeln oder Blutgerinnsel ausübten.
Erfolgte nach mehreren Wochen keine Besserung, wurden Blutgeschwülste, Kno-
chensplitter oder Kugeln operativ entfernt. War das Mark stark geschädigt, überleb-
te der Patient die Operation nicht; ansonsten rettete sie ihm das Leben.
Eine große Rolle spielte bei allen Kriegsteilnehmern die Röntgenologie als
jüngste medizinische Disziplin; da es zunächst wenige Fachleute gab, wurden Ärz-
te, Lehrer, Ingenieure und Krankenschwestern in Radiologie geschult. Dazu trug
nicht zuletzt die Notwendigkeit bei, Fremdkörper lokalisieren zu können; hinzu
kamen die neuen Arten von Knochenverletzungen, die sich ebenso wie Phlegmone
radiologisch diagnostizieren ließen. Außerdem wurden nun bei Musterungen Lun-
ge, Herz und Leber radiologisch geprüft. Schließlich gab es Versuche der Wundbe-
handlung mit Röntgenstrahlen. Alle Durchleuchtungsmethoden verlangten hoch-
spezialisiertes Wissen und Erfahrung.
Praktyka zawodowa polskich lekarzy podczas I wojny wiatowej 411
Tabela 1. Tyfus plamisty w Generalnej Guberni w latach 1940 - 1944 - zachorowania, zgony,
zapadalno na 100 000 mieszka ców i umieralno na 100 000.
5 Z. Stuchly, Praca naukowa Weigla i jego najwaniejsze odkrycia w tyfusie plamistym [w:]
Rudolf Stefan Weigl (1883-1957)... katalog wystawy..., s. 26.
6 E. Wickowska, Zwalczanie ostrych chorób zakanych..., s. 133, tabl. 27.
416 Elbieta Wi ckowska
lang es bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts nicht, den Impfstoff industri-
ell zu fertigen. Der Grund dafür lag vermutlich darin, dass sich Weigl zunächst
weigerte, die Ergebnisse seiner Forschungen zu veröffentlichen, d.h. an der großen
Vorsicht, mit der er seine Forschung betrieb. Hinzu kamen die geringen Mittel, die
das Staatsbudget für öffentliche Gesundheit vorsah. Weigl war damals als Student
im zweiten Jahr noch kein Arzt; als Biologe schreckte er lange vor der Immunisie-
rung von Menschen zurück und beschränkte sich auf sorgfältige und umfassende
Experimente an Tieren.
In den dreißiger Jahren gelangte Weigl schließlich zu internationalem Ruhm
und galt seitdem als Autorität für die Biologie und Epidemiologie des Flecktyphus.
Mitte 1939 organisierte er die Herstellung des von ihm entwickelten Impfstoffes in
großem Maßstab im Auftrag der Gesundheitsabteilung des Ministeriums für Sozia-
le Fürsorge. Zudem wurde ihm die Einrichtung von fünf Instituten zur
Impfstoffherstellung übertragen; der Kriegsausbruch durchkreuzte diese Pläne je-
doch. Die Besetzung Polens verschlechterte dann die Lebensbedingungen drastisch,
was wiederum zu einem sprunghaften Anstieg der Fleckfiebererkrankungen unter
der Zivilbevölkerung führte, bis die Epidemie zu einer realen Bedrohung für die
deutschen Truppen wurde. Damit stieg der Bedarf an einem wirksamen Impfstoff.
Nach der Besetzung Lembergs durch die Sowjetunion wurde das Weigl-Institut
zu einer selbständigen Einrichtung im Rahmen des Sanitär-Bakteriologischen Insti-
tuts Lemberg ausgebaut; die Impfstoffproduktion erfolgte nun ausschließlich für
den Bedarf der Roten Armee. Nach dem Ausbruch des sowjetisch-deutschen Krie-
ges und der Einnahme Lembergs durch die Deutschen gingen auch diese Einrich-
tungen in neue Hände über. Zudem wurden drei neue Labors unter der Kontrolle
und Leitung Weigls eingerichtet. Es gab Versuche, Impfstoff aus infizierten Vogel-
eiern zu gewinnen, was aber einen weniger effektiven Impfstoff ergab.
Während der Evakuierungen des Jahres 1944 wurden die Produktionsanlagen
ins Reichsgebiet gebracht; Weigl gründete nun in Krocienka am Dunajec ein klei-
nes privates Labor; nach dem Krieg war er in Krakau und Posen tätig. Mit der Ein-
führung und der Verbreitung des DDT und der Antibiotika ließ die Bedeutung des
Weigl-Impfstoffes allmählich nach.
Während der Jahre 1914–1919 blieb die Zahl der Flecktyphuserkrankungen
mit 3.000 bis 4.000 Fällen jährlich im Wesentlichen stabil auf einem ähnlichen Ni-
veau wie in den Ländern, die nach dem Ersten Weltkrieg Fleckfieberepidemien er-
lebt hatten. Die Gefahr eines epidemischen Ausbruchs bestand in Polen in den Ge-
bieten, in denen es 1919-1922 Epidemien gegeben hatte, d.h. in den Wojewod-
schaften Biaystok, Lublin, Warschau, Kielce, Rzeszów sowie Teilen der
Wojewodschaften Krakau und ód.
Der seit 1939 beobachtete allmähliche Anstieg der Fleckfiebererkrankungen
trug mit zur Epidemie von 1940 bei, die letztlich durch die Lebensbedingungen
unter der deutschen Besatzung ausgelöst wurde. Dem Fleckfieber fielen vor allem
die Bewohnerinnen und Bewohner der Ghettos, in „Polenreservate“ deportierte
418 Elbieta Wickowska
zuerst den sowjetischen, dann den deutschen – vorbehalten; gleichzeitig wurde die
Produktion ausgebaut. Zbigniew Stuchly schätzt, dass etwa 20 Mio. Impfeinheiten
produziert wurden. Der für die Polen verwendete Impfstoff wurde zudem auf 20 bis
30 Prozent der normalen Dosierung verdünnt und war damit praktisch unwirksam.
Dies wiederum führte dazu, dass das Vertrauen der Bevölkerung in Schutzimpfun-
gen gegen Fleckfieber insgesamt abnahm und es zu Missbrauch kam.
Mit dem Kriegsende nahm der Bedarf an Impfstoff rasch ab, allerdings wurde
er in Polen noch bis in die fünfziger Jahre zur Auslöschung von Seuchenherden
verwendet. Die massenhafte Entlausung der Bevölkerung trug weiter zum Ende der
noch bestehenden Fleckfieberherde bei. Die Einführung neuer Desinfektionsmittel,
insbesondere des DDT, das die Lebenserwartung der Läuse von zwanzig auf zwei
Tage reduzierte, und die zunehmende Zugänglichkeit von Antibiotika führten dazu,
dass die Produktion des Weigl-Impfstoffes allmählich eingestellt wurde. Wie viele
Polen jeweils nach der Weigl-Methode geimpft wurden, zeigt die folgende Aufstel-
lung:
Heute ist die Impfstoffproduktion nach Weigl nur noch ein Thema der Medizinge-
schichte. Ein bleibender Beitrag Weigls zur Epidemiologie ist jedoch die von Ch.
Nicolle so benannte Weigl-Reaktion zur einzig unfehlbaren Diagnose von Fleckty-
phus durch Agglutinierung einer Reinkultur von Rickettsia prowazekii.
8.
Historiographie
Historiografia
Stare róda do dziejów medycyny wojennej z polskiego
obszaru jzykowego
Antoni Jonecko, Kraków
Zadaniem pracy jest przedstawienie waniejszych róde dla historii wojskowej i
wojennej medycyny z okresu pomidzy XVI a XIX stuleciem. Ogólnie bior c, w
wiekach XVI i XVII, Rzeczpospolita Polska znajdowa a si u szczytu swojej potgi
militarnej. Dzia ania wojenne polskie, niekiedy skojarzone ze sojusznikami, by y
skupione na rubieach wschodnich, po udniowo-wschodnich i pó nocnych ówczes-
nego pastwa. Skrótowo mona powiedzie , e szczytowe rozwinicie polskiego
militaryzmu trwa o pomidzy zdobyciem i okupacj Moskwy (1610-1612),1 a ope-
racj odsieczy Wiednia w roku 1683.2 G ównymi wrogami dawnej Polski byli Tat-
arzy, Wo osi, a przede wszystkim Turcy. Dzia ania wojenne by y skuteczne i
ochroni y Polsk, Litw, Ru i Europ od inwazji.
Z okresu XVI wieku naley wymieni dzie o „Consilium rationis bellicae” z
1558 roku, które napisa Jan Tarnowski.3 Tarnowski by pierwszym z szeregu
wybitnych wodzów wojskowych, który wiadomie dostrzeg potrzeby medyczne w
wojsku. Domaga si, aby jednostkom przydzielono medyków i cyrulików. Mieli
by osobno dowodzeni. Zaleca przestrzeganie zasad higienicznych i doradza , aby
postoje jednostek wojskowych trwa y krótko, eby obozy stacjonowa y krótko.
Tarnowski postulowa , aby wydatki za us ugi medyczne na wojnie pokrywa skarb
królewski.
Antonius Schneeberger by Szwajcarem. Osiad w Krakowie i oeni si z kra-
kowiank , odt d ca e ycie powi za z Krakowem. Tame pisa i zmar . W roku
1564 wyda dzie o pt. „De bona militum valetudine conservanda liber…”. Jest to
pierwsze dzie o z zakresu medycyny wojskowej, powicone wy cznie rozpatry-
waniu warunków zdrowotnych dla wojska, czyli higienie wojskowej ogólnej i oso-
bistej, a nawet higienie psychicznej, jakbymy to dzisiaj powiedzieli. Schneeberger
nalea równie do pierwszych posiadaczy w asnego znaku ksi kowego, czyli ex-
librisu, co dodaj dla mi oników ksi ek.
W roku 1577 Stanis aw Sarnicki napisa „Ksigi hetmaskie”, w których
wymaga , aby wojsko mia o do dyspozycji dyplomowanych lekarzy, a to nawet i
promowanych na stopie doktora medycyny. Przytoczy równie sposoby leczenia
ran wojennych i zakae. Zaleca dobre wyywienie wojska i dbanie o korzystne
stacjonowanie obozów wojskowych.4 Historykom wojskowoci, ale równie filolo-
gom doradzam, aby zadbali o pilne, naukowo opracowane wydanie dzie a Sarni-
ckiego, bo dawne pi miennictwo wojskowe i w ogóle polskie nie jest obfite.5
Stanis aw Karliski, sam bdc medykiem i alchemikiem, wyda w roku 1599
dzie o pt. „Sprawy postpków rycerskich y przewagi opisanie krótkie, z naukami
wtey zacney zabawie potrzebnemi”. Znajdujemy w nim zalecenia odno nie
korzystnego lokowania obozów wojskowych, zachowania zasad czysto ci w czasie
stacjonowania. Dostrzeg sprawy zachorowa w czasie d ugotrwa ego oblegania i
zasad szeroko pojtego zaopatrzenia, czyli odpowiedniej logistyki. Karliski po raz
pierwszy wyrazi wymóg zatrudniania kobiet dla odpowiedniej pielgnacji rannych
i chorych o nierzy. Jest to pierwsza wzmianka o potrzebie osób pielgnujcych w
wojsku.6
Ju w wieku XVII, a mianowicie w roku 1680, Janusz Gehema7 wyda w
Szczecinie w jzyku niemieckim dzie o pt. „Der Kranke Soldat…”. Gehema by
wszechstronnie wykszta conym medykiem z doktoratem, bardzo do wiadczonym i
obytym poprzez swoj bytno w wielu krajach i poprzez swój udzia w wielu
dzia aniach wojennych. Chocia pisa w jzyku niemieckim, to wielokrotnie pod-
kre la , i jest polskim szlachcicem. Gehema by naprawd wielkim reformatorem
wojskowej s u by zdrowia, jakby my powiedzieli dzisiejszym jzykiem. Jego licz-
ne dzie a niemieckojzyczne zas uguj ze wszech miar na naukowe opracowanie,
ponowne wydanie, najlepiej dwujzyczne.
Równie z XVII wieku pochodzi znamienny zapis pt. „Pocztek i progres
Wojny Moskiewskiej…”,8 który dokona Stanis aw ó kiewski po roku 1612.
Dzie o to zajmuje si g ównie gr polityczn i ruchami wojsk na ogromnych przes-
trzeniach. Jest trudne w zrozumieniu i percepcji. Konieczne jest studiowanie dzie a
przy pomocy mapy oraz opracowa dodatkowych odno nie bitwy pod K uszynem
oraz opanowaniu, zdobyciu i okupacji Moskwy przez wojska polskie i litewskie.9
Reasumujc, dzie o pamitnikarskie ó kiewskiego ukazuje prawd o tym, e
powodzenie militarne Kampanii Moskiewskiej zale a o wy cznie prawie od
dobrej logistyki; mówic jzykiem dzisiejszym, która by a wtedy bardzo trudna.
Znajdujemy stosunkowo ma o danych wojskowo-medycznych. Z medycznego
punktu widzenia jednak e bardzo wa ny jest fakt, e ó kiewski poda pierwszy
polski opis choroby okopowej (po niemiecku: die Schuetzengraben-Krankheit). Ze
23 Heraklitos, Peri fizeos, [w:] Aforyzmy Greków. Wybór i przek ad Nikos Chadzinikolau,
Videograf Edukacja, Katowice 2004, s. 45.
24 C. von Clausewitz, Vom Kriege, Hrsg. U.M. Wedel, Reclam Verlag Stuttgart 1995; L. To -
stoj, O wojnie. Jasna Polana, dnia 21 maja 1904 roku, Nak adem Administracji „Naprzo-
du”, przek ad polski, bez podania t umacza i miejsca ukazania, 1904.
Stare róda do dziejów medycyny wojennej 429
„Anfangs waren viele, wie erwähnt wurde, in der Burg zusammengelaufen. Als
wir auf Smolensk marschierten, schwand ihre Kraft jedoch rasch wegen Krankhei-
ten, die in den Beinen begannen; und danach kroch die Krankheit in den ganzen
Körper. Tatsächlich war ein labes [Fleck; Fall] an ihnen. Und so starben sie häufig
auf grausame Weise, und zwar mehrere hundert jeden Tag, nicht aus Not, denn als
die Burg genommen wurde, fand sich dort Nahrung, viel Roggen, ausreichend Ha-
fer, sondern eher wie an einer Seuche, die unter ihnen war. Und dies war das
merkwürdigste, dass uns diese Seuche nichts anhaben konnte. Denn sehr viele von
ihnen verließen die Burg unter den verschiedensten Listen, ließen sich von den
Mauern herab, sprangen aus den Fenstern. Ihre starke Blässe war ein sichtbarer
Ausweis ihres Ungemachs, sie lebten unter uns im Lager, aber uns schadete das
nichts.“
Auch Jan Pasek erwähnt in seinen persönlichen Erinnerungen (1656–1688)
zahlreiche kriegsmedizinische Einzelheiten, darunter die erste Beschreibung einer
Amputation im Felde. Der Verwundete war Lanckoroski, der Chirurg Simonetti,
Leibarzt des Königs Sobieski. Der Vorfall wird in mehreren Quellen erwähnt, bei
Pasek in dem Gedicht „Apostrophe“; da die Verse als literarisch minderwertig gal-
ten, wurden sie in den Editionen gestrichen und erst in die jüngeren ungekürzten
Ausgaben wieder aufgenommen. Daneben beschreibt Pasek Alkoholmissbrauch
und sehr eindrücklich das Delirium tremens, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse
und Verwundungen. Er erwähnt auch eine silberne Gaumenprothese, die bei der
Behandlung von Schussverletzungen des oberen Atemwegs zur Anwendung kam,
sowie eine Depression bei Stefan Czarniecki, die man mit Musiktherapie zu behan-
deln suchte. Daneben finden sich Krankentransporte, tödliche Wunden und furcht-
bare Kriegsverbrechen. Da es sich aber um eine literarische Quelle handelt, ist sie
von Militärhistorikern kaum rezipiert worden.
Für das 18. und 19. Jahrhundert nimmt die Zahl der polnischsprachigen Quel-
len zu. 1791 widmete Rafa Czerwiakowski dem König seine „Dissertation über
den Adel, den Nutzen und den Gebrauch der Chirurgie“ mit Angaben zur Militär-
medizin; er bestand darauf, dass auch die Verwundeten des Gegners versorgt wer-
den müssten.
Wichtig auch für die Militärmedizin war der Orden der polnischen Barmherzi-
gen Brüder. So fertigte Ordensbruder Gabriel Kamil Graf Ferrara ein ausgezeichne-
tes Lehrbuch der praktischen Chirurgie an, 1793 verfasste Bruder Ludwik Perzyna
in Kalisz ein militärmedizinisches Werk mit laut Titel 54 Fällen, die Feldscherern
unterkommen konnten; hier würde sich ein Neudruck dringend empfehlen. In die-
sem Werk wird erstmals ein persönliches Verbandspäckchen für jeden Soldaten
empfohlen. Die „Anfänge der Chirurgie“ des Stabsarztes Ignacy Fijakowski von
1811 wiederum sind vor allem deswegen bedeutsam, weil sie in ihrer Berücksichti-
gung der Ballistik bei der Diagnose von Schussverletzungen ein Grundlagenwerk
auch für die Kriminalistik darstellten.
Stare róda do dziejów medycyny wojennej 431
czasów najdawniejszych a do 1885 r., [Wstp] J. Peszke, Warszawa 1888, wyd. 2, Warsza-
wa 1977.
4 F. Giedroy , ród a biograficzno-bibliograficzne do dziejów medycyny w dawnej Polsce,
Warszawa 1911, wyd. 2, Warszawa 1981; Idem, S uba zdrowia w dawnem Wojsku
Polskiem, Warszawa 1927.
5 L. Zembrzuski, Rys dziejów chirurgii wojennej polskiej, Warszawa 1919; Zota Ksiga
Korpusu Sanitarnego Polskiego 1797-1918, opr. L. Zembrzuski, Warszawa 1927.
6 S. Rudzki, Zarys historii szpitalnictwa wojskowego w Polsce, „Lekarz Wojskowy” 1927, R.
IX, z. 5.
7 Cykl artyku ów dotyczcych s uby zdrowia podczas powstania styczniowego, który publi-
kowany by na amach „Lekarza Wojskowego”
8 S. F. Sk adkowski, Moja suba w Brygadzie. Pamitnik polowy, t. 1-2, Warszawa 1932-
1933; Poza tym warto wspomnie o kilku artyku ach tego autora opublikowanych miedzy
innymi na amach „Lekarza Wojskowego”.
9 Karabin i nosze. Wspomnienia lekarzy i farmaceutów z lat 1914-1920, t. I, pod red. S. Ko-
nopki, Warszawa 1936.
Badania dziejów wojskowej s u by zdrowia 435
17 Tak sta o si midzy innymi z rozprawami: Romuald Papliski, Zaopatrzenie sanitarne w
Wojsku Polskim w wieku XIX i pocz tkach XX, Warszawa 1963; Roman Wankiewicz,
Su ba zdrowia Wojska Polskiego w bitwie nad Bzur (9-22 wrze nia 1939 r.), Bydgoszcz
1972; Andrzej Be dziski, Dziaalno su by zdrowia w obronie Wybrze a we wrze niu
1939 roku, Gdynia 1975; Andrzej Felchner, Dziaalno Polskiego Komitetu Pomocy Sa-
nitarnej (1914-1918), ód 1976; Marek Dutkiewicz, Wojskowa Akademia Medyczna im.
gen. dyw. prof. dr med. Bolesawa Szareckiego w latach 1958-1988, ód 1990; Adrian
Konopka, Su ba zdrowia polskich formacji wojskowych w Rosji (1914-1920), Bia ystok
1997.
Badania dziejów wojskowej s uby zdrowia 437
24 Z. Anusz, Dzia alno s uby zdrowia ZWZ-AK na terenie powiatu siedleckiego w latach
1939-1945, Warszawa 2001.
25 Wielka Ilustrowana Encyklopedia Powstania Warszawskiego (Polityka, Kultura,
Spoeczestwo), T. 2, Warszawa 2006.
26 Wielka Ilustrowana Encyklopedia Powstania Warszawskiego, T. 4, Warszawa 1997.
27 A. Adamczyk, Genera dywizji S awoj Felicjan Sk adkowski (1885-1962), Toru 2001; M.
Sioma, gen. S awoj Felicjan Sk adkowski (1885-1962) o nierz i polityk, Lublin, 2005.
440 Marek Dutkiewicz
stellt werden. Die Bibliographie der Nationalbibliothek ist hier keine große Hilfe,
da sie nur Aufsätze aus den wichtigsten Zeitschriften aufführt. Der vorliegende
Beitrag stützt sich daher großenteils auf die Angaben einiger Kollegen.
Offensichtlich hat die Zahl der Arbeiten in den letzten Jahren abgenommen; ei-
ner der Gründe dürfte die Auflösung der Militärmedizinischen Akademie 2002 ge-
wesen sein; damit ging ein organisatorisches Zentrum, das für Konferenzen und die
Ausbildung des Nachwuchses von großer Bedeutung gewesen war, verloren, nicht
zuletzt auch ein Teil des interessierten Publikums. Auch einige Zeitschriften wur-
den eingestellt, und lediglich der „Lekarz Wojskowy” publiziert noch regelmäßig
zu historischen Fragen des militärischen Sanitätsdienstes. Inzwischen fehlt es ihm
aber mitunter an Autoren. Die letzte Nummer des wichtigen „Archiwum Historii i
Filozofii Medycyny“ [Archiv für Geschichte und Philosophie der Medizin] er-
schien 2007.
Fast alle in den letzten Jahren erschienen Arbeiten beschäftigten sich mit dem
20. Jahrhundert; immerhin gab es gewisse Fortschritte hinsichtlich früherer Epo-
chen. Es liegt eine zweibändige, vor allem für die spätere Zeit gut dokumentierte
und illustrierte Darstellung von Witold Lisowski vor, die sich mit der Organisation
des Sanitätswesen während aller acht polnischen Aufstände von 1794 bis 1944 be-
fasst. Sie enthält daneben Kurzbiographien und Auflistungen der Verdienste von
Ärzten und Laien. Vom Autor stammt auch eine Studie zum Gesundheitsdienst in
den polnischen Legionen des Ersten Weltkriegs.
2001 fand in Warschau eine Konferenz zur dortigen Sanitätsschule der Zwi-
schenkriegszeit statt, begleitet von einer großen Ausstellung in den ehemaligen
Räumlichkeiten. Die Ergebnisse wurden veröffentlicht. Von Antoni Nawrocki
stammt eine Studie zum militärischen Gesundheitsdienst 1936–39, in der er sowohl
die Friedensorganisation als auch die Kriegsvorbereitung diskutiert. Tadeusz Brze-
ziski veröffentlichte 2008 eine reich dokumentierte Arbeit zum Gesundheitswesen
der polnischen Truppen im Exil sowie im Folgejahr eine in den sechziger Jahren
entstandene Studie zum Gesundheitswesen im belagerten Warschau im Herbst
1939.
Interessante Ergebnisse zeitigen mitunter regionalgeschichtliche Studien, da sie
Einzelheiten beschreiben, die zur Vervollständigung und Illustration des Gesamt-
bildes dienen können. So beschreibt Zbigniew Anusz am Beispiel Masowiens die
sanitären und Kampfbedingungen der Armia Krajowa (Heimatarmee). In der vor
einigen Jahren begonnenen mehrbändigen Enzyklopädie zum Warschauer Aufstand
spielen neben militärischen Fragen auch medizinische eine zentrale Rolle, insbe-
sondere im zweiten Band. Weitere Arbeiten behandeln die medizinischen Abtei-
lungen verschiedener Partisanengruppen. Großen Raum nehmen biographische
Studien ein. So liegen Studien über den Arzt, Minister und Premierminister Sawoj
Felicjan Skadkowski sowie über Mieczysaw Saby vor, den 1948 vom kommunis-
tischen Sicherheitsdienst ermordeten leitenden Arzt der Truppen auf der Wester-
platte.
Badania dziejów wojskowej su by zdrowia 449
Daneben sind einige bereits vor längerem entstandene, aber erst jetzt gedruckte
Erinnerungen von Ärzten aus der Kriegszeit erschienen, darunter die des kaschubi-
schen Aktivisten Aleksander Majkowski, der im Ersten Weltkrieg in die deutsche
Armee einberufen wurde. Aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs verfügen wir nun
über die Erinnerungen Jan Orlickis, eines der wenigen Überlebenden des Massa-
kers von Katy , der später im italienischen Feldzug gedient hat, oder des Kardiolo-
gen Jan Kwoczy ski über seine Zeit in Ungarn und Syrien. Olech Szczepski be-
schreibt seine Erlebnisse im Herbst 1939 sowie später in Afrika und Italien. Eine
eigene Gruppe bilden Erinnerungen, die über die Militärmedizin im Rahmen der
Armia Krajowa informieren. Hier hat Leszek Jan Malinowski eine Sammlung mit
Berichten von Sanitäterinnen mit Kurzbiographien vorgelegt. Hinzu kommen Be-
richte über Kriegsspitäler, in denen die außerordentlich schwierigen Bedingungen
für medizinische Hilfe deutlich werden.
Neben diesen Monographien erschienen zahlreiche kleinere Aufsätze, von de-
nen vor allem die Arbeiten Damian Kami skis und Krzysztof Zubas über das pol-
nisch-litauische Militärsanitätswesen im 16.–18. Jahrhundert erwähnenswert sind.
Kazimierz Janicki schreibt über den Gesundheitsdienst der Posener Legion des
Herzogtums Warschau, während die Arbeiten Marek Dutkiewiczs sich mit dem
Königreich Polen und dem Novemberaufstand befassen. Daneben gibt es einen
Überblick über das 19. und 20. Jahrhundert sowie über Spitäler in Graudenz/Gru-
dzi dz.
Von Adrian Konopka und dem Autor stammen zahlreiche Aufsätze zu den me-
dizinischen Abteilungen einzelner polnischer Einheiten während des Ersten Welt-
kriegs. Zum Teil handelt es sich um Materialien, die in wissenschaftlichen Qualifi-
kationsarbeiten nicht verwertet werden konnten.
Andrzej Felchner hat sich mit dem bislang unbeachteten militärischen Sani-
tätsdienst in den ersten Jahren des unabhängigen Polen sowie der Seuchenbekämp-
fung beschäftigt. Felchner publizierte außerdem – ebenso wie Danuta Beata Janina-
Janikowska, Krzysztof Handke und Kazimierz Janicki – zu medizinisch-militäri-
schen Fragen der Zwischenkriegszeit, letzterer auch – in Fortführung einer nicht
publizierten Habilitationsschrift – zur militärmedizinischen Ausbildung.
Zahlreicher sind auch bei den abhängigen Schriften die Studien zum Zweiten
Weltkrieg, wobei das Interesse für die einzelnen Unterthemen sehr unterschiedlich
verteilt ist. Lediglich zwei Autoren interessieren sich für den Gesundheitsdienst der
polnischen Truppen auf dem westlichen Kriegsschauplatz, was sicherlich an der
erwähnten umfassenden Darstellung Nawrockis liegt, die aber durchaus nicht alle
Fragen zu beantworten vermag. Fünf Aufsätze, Fortsetzungen älterer Studien, er-
schienen zu medizinischen Problemen der Armia Krajowa und des Warschauer
Aufstandes. Dagegen ist die Beschäftigung mit den in den fünfziger und sechziger
Jahren häufig thematisierten Verhältnissen an der Ostfront praktisch eingestellt
worden, obwohl viele der damaligen Feststellungen einer zeitgenössischen kriti-
schen Überprüfung bedürften. Immerhin erschien ein Konferenzband über die
450 Marek Dutkiewicz
Schlacht bei Lenino, in dem auch medizinische Fragen angesprochen werden. Die
Öffnung der ehemals sowjetischen Archive hat es zudem erlaubt, die Verluste unter
dem medizinischen Personal in Katy zu untersuchen. Dagegen fehlt es an Studien
zur Tätigkeit des militärischen Gesundheitsdienstes nach dem Krieg.
Auch Aufsätze beschäftigen sich häufig mit herausragenden Medizinern, sei es
während der Aufstände oder in den Polnischen Legionen. Schließlich sollen Auf-
sätze, die sich mit den Uniformen und Abzeichen des Sanitätsdienstes beschäftigen,
nicht unerwähnt bleiben. Abschließend sei bemerkt, dass der vorliegende Aufsatz
nicht eine vollständige Bibliographie der einschlägigen Literatur ersetzen kann;
Hinweise der Leserschaft sind hier willkommen.
Krieg und Medizin.
Eine Ausstellung der Wellcome Collection London und des
Deutschen Hygiene-Museums Dresden
Colleen M. Schmitz, Dresden
Aus internationaler Perspektive beleuchtete die vom 4. April bis 9. August 2009 in
Dresden (und zuvor vom 22. November 2008 bis 15. Februar 2009 in London) ge-
zeigte Ausstellung „Krieg und Medizin“ die entscheidenden Schnittstellen in der
Zusammenarbeit von Militär und Medizin vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zu
den Konflikten unserer Zeit. Mit der zunehmenden Technisierung des Krieges und
wachsenden Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften in der Neuzeit ge-
wann die Medizin stetig an strategischer Relevanz in der Kriegsführung. Nach wie
vor wird intensiv in Bereiche investiert, in denen sich militärische und medizini-
sche Interessen treffen. Dies hat Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen –
Soldaten und Zivilisten. Die Ausstellung blickte auf dieses janusköpfige, verhäng-
nisvolle Verhältnis und offenbarte das oft störende Spektrum schwieriger Entschei-
dungen und moralischer Zwiespälte, mit welchem die Medizin in Kriegszeiten kon-
frontiert ist. Angesichts der heute andauernden militärischen Präsenz europäischer
Armeen in internationalen Krisengebieten und der ungeheuren Zahl ziviler Opfer,
die sie hervorbringen, stießen diese schwierigen ethischen Fragestellungen den ak-
tuellen gesellschaftspolitischen Diskurs in England und Deutschland an.
Die Ausstellung folgte einer thematischen an Stelle einer historisch-linearen
Erzählweise und gliederte sich in drei Themenblöcke: Die Organisation des militä-
rischen Sanitätsapparates und die Anfänge der humanitären Hilfe in der Moderne,
die Destruktion und medizinische Rehabilitation des verletzten Körpers sowie die
traumatisierte Psyche.
Zentrales Element der Ausstellung war die durchgängige Einflechtung von
Zeitzeugenberichten von Ärzten, Krankenschwestern, körperlich und seelisch ver-
sehrten Soldaten wie auch zivilen Betroffenen. Dabei kamen sowohl bekannte
Künstler zu Wort als auch weithin unbekannte Einzelpersonen, die realitätsnah ihre
Erfahrungen mit Verwundeten und dem Verletztsein beschrieben.
Die Dresdner Präsentation übernahm die drei Gliederungsblöcke des Londoner
Konzepts. Um das Thema an die deutschen Erwartungen anzupassen, veränderte
Dresden die Erzählstruktur innerhalb dieser Bereiche und fächerte die Schau mit
mehreren internationalen Beispielen sowie für Deutschland und Dresden spezifi-
schen Inhalten auf.
452 Colleen M. Schmitz
Prolog
Die Ausstellung eröffnete in der Gegenwart mit der dreidimensionalen Videoinstal-
lation „Theatre“ des britischen Künstlers David Cotterrell, die eigens für die Schau
von der Wellcome Collection in Auftrag gegeben wurde. Der Titel „Theatre“ könn-
te mit „OP-Saal“ oder „Kriegsschauplatz“ übersetzt werden. Der Film bezieht sich
auf die persönlichen Erfahrungen des Künstlers während seines Aufenthaltes in
einem britischen Feldlazarett in Afghanistan 2007. Er begleitete dabei einen Nacht-
flug zur Evakuierung eines schwer verletzten britischen Soldaten. Der Flug bildet
symbolisch eine Brücke zwischen dem Durcheinander des Lazaretts und dem lang-
fristigen Prozess der Rehabilitation in der Heimat. „Theatre“ ist eine Rekonstrukti-
on des letzten Ausbildungstages der Evakuierungsteams vor ihrem Einsatz in Af-
ghanistan oder im Irak und bietet einen seltenen Einblick in eine sonst verborgene
Welt.
Der Apparat
Diese Abteilung erforschte den allmählichen Bewusstseinswandel bei Militärs und
Medizinern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie folgte der sich kontinuierlich
entwickelnden Allianz anhand der Rationalisierungsprozesse zur Verbesserung der
Rettungs- und Versorgungsinfrastruktur sowie der militärmedizinischen Forschung.
Dabei demonstrierte sie die Grenzen dieser Unternehmungen angesichts der De-
struktivität des Krieges und verdeutlichte die verworrene Verflechtung von huma-
nitären wie auch kriegsstrategischen Beweggründen, die bis heute das Verhältnis
von Krieg und Medizin prägen.
Der Körper
Die zweite Abteilung stellte den Körper des Menschen als wichtigen „Rohstoff“ für
den Kriegsapparat in den Mittelpunkt. Sie zeichnete auf, wie die Medizin den
menschlichen Körper angesichts der sich wandelnden Zerstörungskraft des Krieges
zu schützen bzw. wiederherzustellen und gegebenenfalls in die Gesellschaft wie-
dereinzugliedern versuchte. Die Abteilung veranschaulichte dabei die gespaltene
Rolle einer Medizin im Krieg, die zu helfen und zu heilen versucht und dabei un-
willkürlich zum Instrument der Kriegsmaschinerie wird. Sie warf ebenfalls die Fra-
ge nach der gesellschaftlichen Verantwortung gegenüber den Kriegsversehrten auf,
die heute zunehmend Zivilisten in unterentwickelten Ländern sind.
Die Psyche
Der letzte Ausstellungsraum fokussierte das psychologische Trauma, das Soldaten
und Zivilisten durch Kriegsereignisse erleiden. Die Darstellung teilte sich in zwei
Erzählstränge, die zum einen die Perspektive der Betroffenen, zum anderen die
Krieg und Medizin 453
Epilog
Zum Schluss der Dresdner Präsentation standen Bilder aus dem Kunstprojekt „One
Step Beyond. Wiederbegegnung mit der Mine“ des Darmstädter Künstlers Lukas
Einsele. Über 30 Schwarz-Weiß-Porträts von Minenopfern aus Afghanistan, Ango-
la, Bosnien-Herzegowina und Kambodscha dokumentierten die schmerzhaften Er-
innerungen von Menschen, die von einer Mine verwundet worden waren. Dreizehn
Fotografien erhielten schriftliche Beschreibungen des jeweiligen Unglücks, die ne-
ben dem Foto an die Wand geplottet war. Sieben Farbfotografien dokumentierten
das „Making Of“ des Projekts.
Dieses Werk rückte gemeinsam mit der Abteilung Psyche die dramatische Zu-
nahme an zivilen Opfern – vor allem Frauen und Kindern – ins Blickfeld, die in
den Kriegen von heute als „Kollateralschäden“ bezeichnet werden. Sie warf die
von Thomas Gebauer propagierte Idee der „accountability“ auf. Hierbei handelt es
sich um die Frage nach „[der] soziale[n] Verantwortung für eine zivile Konfliktlö-
sung und [der] Verpflichtung zum Schutz der Menschen.“ Der Epilog knüpfte an
das Kunstwerk des Prologs an. Somit umklammerten zwei eindrückliche künstleri-
sche Reflexionen auf die beiden Pole der medizinischen Versorgung in aktuellen
Kriegen die Ausstellung: Cotterrell thematisierte die High-Tech-Militärmedizin
eines Industrielandes, während Einsele auf die zivile Situation in unterentwickelten
Ländern blickte.
Gestaltung
Der renommierte deutsche Ausstellungsarchitekt und Bühnenbildner Hans Dieter
Schaal gewann den zweistufigen Architekturwettbewerb. Schaals dekonstruktivisti-
sche Architektursprache kombiniert mit der in Schwarz, Weiß und Grau gehaltenen
Farbigkeit setzte die Brüche dieses schwierigen Themas in starken, eindrucksvollen
Raumbildern um.
Besucherresonanz
36.000 Menschen besuchten die Ausstellung in Dresden, 35.000 die Schau in Lon-
don. Die Resonanz war an beiden Orten sehr positiv. Einige Kommentare der Be-
sucher in Dresden lauteten: „excellent exhibition“, „sehr gelungen“, „eindrucks-
voll“, „bewegend“, „…erschreckend aufklärend“, „Die Ausstellung sollte wandern
– nach New York, Jerusalem, Gaza, Tokio…“. Auffallend war die hohe Zahl jun-
ger Einzelbesucher – weiblich wie männlich.
Nachtrag: Vom 27. Mai – 15. November 2011 besuchten 96.000 Menschen die
Ausstellung im Canadian War Museum, Ottawa/Kanada.
Begleitbuch
London
Zur Ausstellung in London erschien der reichlich illustrierte Band War and Medici-
ne. Herausgegeben von Melissa Larner, James Peto and Nadine Monem, 256 Sei-
ten, 170 Abbildungen, £19.95, ISBN: 978 1 906155 52 0, Black Dog Publishing
London, 2008.
Dresden
Das Buch Krieg und Medizin nahm die englische Ausgabe als Grundlage und er-
gänzte sie mit Hauptbeiträgen und Zeitzeugenberichten zu den deutschen Erfahrun-
gen. Herausgeber: Melissa Larner, James Peto and Colleen M. Schmitz für die Stif-
tung Deutsches Hygiene-Museum und die Wellcome Collection. 272 Seiten, 200
Illustrationen. 24,90 €, ISBN: 978 3 8353 0486 4, Wallstein Verlag, Göttingen,
2009.
19. und beginnenden 20. Jh., Armut und Pathologie des gesellschaftlichen Lebens
1864–1918.
Publikationen / Publikacje:
Matka i dziecko w rodzinie polskiej. Ewolucja modelu ycia rodzinnego w latach
1795–1918 [Mutter und Kind in der polnischen Familie. Evolution eines Modells
familiären Lebens in den Jahren 1795–1918], Warszawa 2008; Recepcja teorii
ludno ci T. R. Malthusa w polskiej my li spo ecznej na prze omie XIX i XX w.
[Rezeption der Malthus’schen Bevölkerungstheorie im polnischen gesellschaftli-
chen Denken an der Wende vom 19. zum 20. Jh., w/in: Studia z Historii Spo eczno-
Gospodarczej XIX i XX wieku, t. 6, 2009.
Dr. Bernhard Bremberger, Berlin; Forschungsschwerpunkte: Lokalgeschichte,
Zwangsarbeit sowie Strafvollzug im Nationalsozialismus.
Dr. Bernhard Bremberger, Berlin; zainteresowania badawcze: historia lokalna,
praca przymusowa oraz wykonanie kary w czasie socjalizmu narodowego.
Publikationen / Publikacje:
Zwangsarbeit in Berlin. Archivrecherchen, Nachweissuche und Entschädigung
[Praca przymusowa w Berlinie. Kwerendy archiwalne, poszukiwanie dowodów i
odszkodowania], hg. mit Cord Pagenstecher und Gisela Wenzel, Berlin: Metropol-
Verlag 2008; Der „Ausländereinsatz“ im Gesundheitswesen (1939–1945). Histori-
sche und ethische Probleme der NS-Medizin [„Misja obcokrajowców“ w sektorze
ochrony zdrowia (1939–1945). Historyczne i etyczne problemy medycyny na-
zistowskiej], hg. mit Andreas Frewer und Günther Siedbürger, Stuttgart 2009.
Prof.zwycz. dr hab. n. med. Tadeusz Brzeziski (1929–2010) – d ugoletni
kierownik Katedry Humanistycznych Nauk Lekarskich Pomorskiej Akademii
Medycznej w Szczecinie; cz onek korespondent Nordrhein-Westfalischen Akade-
mie der Wissenschaften w Düsseldorfie; zainteresowania badawcze: historia
medycyny XIX-XX wieku, medycyna wojskowa w drugiej wojnie wiatowej, bio-
etyka.
Prof. Dr. med. Tadeusz Brzeziski (1929–2010 r.) – langjähriger Leiter der Ab-
teilung für humanistische medizinische Wissenschaften der Pommerschen Medizi-
nischen Akademie in Stettin; korrespondierendes Mitglied der Nordrhein-
Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Düsseldorf. Forschungsschwer-
punkte: Geschichte der Medizin im 19. und 20. Jh., Militär-Medizin im Zweiten
Weltkrieg, Bioethik.
Publikation / Publikacje:
Vom ungleichzeitigen Beginn im dreigeteilten Polen zur späten Vereinheitlichung
[Od niejednoczesnego pocz tku w trzycz ciowej Polsce do pózniejszego ujednoli-
458 Autorki i autorzy
cenia], in: Weltgeschichte der Homoeopathie. München 1996; Suba zdrowia Pol-
skich Si Zbrojnych na Zachodzie 1939–1946 [Der Gesundheitsdienst in den polni-
schen Streitkräften im Westen 1939–1946], Wrocaw 2008; The Foundations of
Medical Ethics and Bioethics in Poland: A Medical Ethicist’s Perspective, w/in:
Medicine, Ethics and Law – Canadian and Polish Perspectives. Montreal 1991.
Annett Büttner M.A., Historikerin und Archivarin, Fliedner-Kulturstiftung Kai-
serswerth (Düsseldorf); Forschungsschwerpunkte: Diakonie- und Pflegegeschichte,
Geschichte Hamburgs.
Annett Büttner Mgr., historyk i archiwista, Fundacja Kulturalna im. Fliednera w
Kaiserswerth (Düsseldorf); zainteresowania badawcze: historia diakonii i piel g-
niarstwa, historia Hamburga.
Publikationen / Publikacje:
Hoffnungen einer Minderheit. Suppliken jüdischer Einwohner an den Hamburger
Senat im 19. Jahrhundert [Nadzieje mniejszoci. Supliki ydowskich mieszka ców
do Senatu w Hamburgu w XIX w.], (= Veröffentlichungen des Hamburger Arbeits-
kreises für Regionalgeschichte, Bd.18), Münster 2003; Das internationale Netzwerk
der evangelischen Mutterhausdiakonie [Mi dzynarodowa sie ewangelicznego
Domu Matki Diakonki], in: Women in Welfare – Soziale Arbeit in internationaler
Perspektive (= Ariadne, Bd. 49), Kassel 2006, S. 64–71; Nachricht aus der Stadt
des großen Elends: Die Pflege von Cholerakranken in Hamburg im Jahr 1892 durch
Kaiserswerther Diakonissen [Wiadomo z miasta wielkiej n dzy: Opieka zdrowo-
tna chorych na choler w Hamburgu w 1892 roku przez Diakoni w Kaiserswerth],
in: Sabine Braunschweig (Hrsg.), Pflege-Räume, Macht und Alltag [Opieka, sia i
ycie codzienne], (7. Internationaler Kongress zur Geschichte der Pflege am 17.
März 2006 an der Universität Basel; Kongressband), Basel 2006, S. 261–270.
Dr. phil. Ute Caumanns, Historikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut
für Geschichtswissenschaften – Geschichte und Kulturen Osteuropas der Heinrich-
Heine-Universität Düsseldorf; Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Kulturge-
schichte der Medizin des 19. und 20. Jahrhunderts, polnisch-russische Beziehun-
gen, Verschwörungstheorien.
Dr. phil. Ute Caumanns, historyk, wykadowca historii na Wydziale Histo-
rycznym Uniwersytetu im. Heinricha-Heinego w Düsseldorfie; zainteresowania
naukowe: historia spoeczna i historia medycyny XIX i XX wieku, stosunki polsko-
rossijskie, teoria spisku w dziejach.
Publikationen / Publikacje:
Der Teufel in Rot. Trockij und die Ikonographie des „jüdischen Bolschewismus“
im polnisch-sowjetischen Krieg, 1919/20 , in: zeitenblicke 10, Nr. 2, [22.12.2011],
URL: http://www.zeitenblicke.de/2011/2/Caumanns/index_html, URN: urn:nbn:de:
0009-9-31963; Modernisierung unter den Bedingungen der Teilung. Überlegungen
Autorinnen und Autoren 459
Publikationen / Publikacje:
Arzt und Patient im Lichte preussischer Medizinal-Edikte für Schlesien [Lekarz i
pacjent w wietle pruskich edyktów medycznych dla l ska], in/w: Arch. Hist. Fil.
Med. 2002, 65, 251-279; Jonecko A. u. Keil G.: Studien zum Dichterarzt Nikolaus
von Polen [Studia o lekarzu-poecie Miko aju z Polski], in/w: Würzburger medizin-
historische Mitteillungen 11(1993), 205-225.
Prof. Dr. med. habil. Ingrid Kästner, Fachärztin für Pharmakologie und Toxiko-
logie, Medizinhistorikerin, Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und
der Naturwissenschaften, Leipzig; Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissen-
schaften zu Erfurt; aktuelle Forschungsschwerpunkte: Europäische Wissenschafts-
beziehungen (bes. deutsch-russische Beziehungen in Medizin und Naturwissen-
schaften); Geschichte der Neurowissenschaften; Fakultätsgeschichte.
Prof. Dr. med. habil. Ingrid Kästner, lekarz specjalista Farmakologii i Toksyko-
logii, historyk medycyny w Instytucie Historii Medycyny i Nauk Przyrodniczych
im. Karla Sudhoffa w Lipsku, cz onek Akademii Nauk w Erfurcie; aktualne zainte-
resowania naukowe: Europejskie stosunki naukowe, w szczególno ci stosunki nie-
miecko-rosyjskie w dziedzinie medycyny i nauk przyrodniczych), historia neurobi-
ologii, historia Wydzia .
Publikationen/Publikacje:
575 Jahre Medizinische Fakultät der Universität Leipzig [575 lat Wydzia u
Medycznego Uniwersytetu w Lipsku], Leipzig 1990 (mit Achim Thom); Sigmund
Freud (1856–1939). Hirnforscher, Neurologe, Psychotherapeut [Sygmund Freud
(1856–1939). Badacz umy-s u, neurolog, psychoterapeuta], Leipzig 1989 (mit
Christina Schröder), 2. Aufl. 1990; Lizenzausgaben beim Ueberreuter Wissen-
schaftsverlag Wien-Berlin 1990 sowie in Übersetzung im Verlag Arboretum:
Wroc aw 1997; Herausgabe der Reihe „Deutsch-russische Beziehungen in Medizin
und Naturwissenschaften“ [Publikacja z serii „Rosyjsko-niemieckie stosunki w
dziedzinie medycyny i nauk przyrodniczych“] mit Dietrich von Engelhardt, Lübeck
(bisher 16 Bände); I. Kästner (Hg.): Wissenschaftskommunikation in Europa im 18.
und 19. Jahrhundert [Komunikacja naukowa w Europie w XVIII i XIX wieku.]
Aachen 2009 (= Europäische Wissenschaftsbeziehungen; 1); Kästner, I. (Hg.):
Universitäten und Akademien. Aachen 2010 (= Europäische Wissenschaftsbezie-
hungen; 2) (mit Jürgen Kiefer); Kästner, I.: Zur Geschichte der Homöopathie im
post-revolutionären Russland und der UdSSR. Nach Dokumenten aus dem Archiv
des russischen Homöopathen Dr. med. Nikolaj E. Gabrilovi (1865–1941). Essen
2010 (mit Marina Ju. Sorokina); Kästner, I. (Hg.): Botanische Gärten und botani-
sche Forschungsreisen. Aachen 2011 (= Europäische Wissenschaftsbeziehungen; 3)
(mit Jürgen Kiefer).
462 Autorki i autorzy
Dr. phil. Astrid Ley, Historyk, Kierowniczka suby naukowej Muzeum Sachsen-
hausen, Fundacja Miejsce Pami ci w Brandenburgu; Zainteresowania: Medycyny
w III Rzeszy.
Publikationen / Publikacje:
Kinder als Opfer medizinischer Experimente in Konzentrationslagern [Children as
victims of medical experiments in concentration camps], in: Im Gedenken der Kin-
der, Ausstellungsbegleitband, in Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Kinder-
und Jugendmedizin hgg. von T. Beddies, Berlin 2012, S. 39–48; Medizin und Ver-
brechen. Das Krankenrevier des KZ Sachsenhausen 1936–1945 [Medical Care and
Crime. The Infirmary at Sachsenhausen Concentration Camp 1936–1945], Ausstel-
lungskatalog (mit G. Morsch), Berlin 2007; Geschlecht und „Rasse“ in der NS-
Medizin (hgg. mit I. Eschebach), Berlin 2012; Wissenschaftlicher Fortschritt, äuße-
rer Druck und innere Bereitschaft. Zu den Bedingungen verbrecherischer Men-
schenversuche in der NS-Zeit, in: Medycyna na Usugach Systemu Eksterminacji
Ludno ci w Trzeciej Rzeszy i na Terenach Okupowanej Polski, hgg. von G. u-
komskiego und G. Kucharskiego, Pozna-Gniezno 2011, S. 53–66; Der Beginn des
NS-Krankenmords in Brandenburg/Havel. Zur Bedeutung der „Brandenburger
Probetötung“ für die Aktion T4, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 4
(2010), S. 321–331; Vom Krankenmord zum Genozid. Die „Aktion 14f13“ in den
Konzentrationslagern, in: Dachauer Hefte 25 (2009), S. 36–49; Zwangssterilisation
und Ärzteschaft. Hintergründe und Ziele ärztlichen Handelns 1934–1945, Frank-
furt/M., New York 2004.
Dauerausstellungen/Wystawy stae: Medizin und Verbrechen. Das Krankenrevier
des KZ Sachsenhausen 1936–1945 [Medycyna i zbrodnia. Wydzia chorych w obo-
zie koncentracyjnym Sachsenhausen], Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen
(Eröffnung/Inauguracja: 2004); Das Konzentrationslager Sachsenhausen 1936–
1945. Ereignisse und Entwicklungen [Obóz koncentracyjny Sachsenhausen 1936–
1945, Wydarzenia i ewolucje], Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen (Eröff-
nung/Inauguracja: 2008); Die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel 1940
[Instytucja eutanazji Brandenburg nad Havel], Gedenkstätte für die Opfer der Eu-
thanasiemorde, Brandenburg/Havel (Eröffnung/Inauguracja: 2012)
Dr hab. Anita Magowska, kierownik Katedry i Zakadu Historii Nauk
Medycznych, Uniwersytet Medyczny Pozna; zainteresowanie badawcze: historia
narkotyków ro linnych, historia opieki zdrowotnej grup naraonych na ryzyko,
modernizacja medycyny przed 1939 r.
PD Dr. Anita Magowska, Leiterin des Instituts für Geschichte der Medizinischen
Wissenschaften, Medizinische Universität Pozna/Posen; Hauptinteressensgebiete:
Geschichte pflanzlicher Drogen, Geschichte der Gesundheitsfürsorge von Risiko-
gruppen, Modernisierung der Medizin vor 1939.
464 Autorki i autorzy
Publikationen / Publikacje:
Badania leków rolinnych w II Rzeczypospolitej [Die Forschung über pflanzliche
Heilmittel in der Zweiten Polnischen Republik], Wydawnictwo Kontekst: Poznan
2001; Zaangaowanie Polaków w misyjn opiek zdrowotn w Afryce [Das Enga-
gement von Polen in der missionarischen Gesundheitspflege in Afrika], Wydaw-
nictwo Kontekst: 2007; Charities in the 19th and the 20th centuries: Education and
Labour as the programme of fight against poverty, in: The Price of Life. Welfare
Systems, Social Nets and Economic Growth, L. Abreu, P. Bourdelais (eds.),
CIDEHUS-UE, Evora 2008 pp. 413–427.
Dr. phil. Susanne Michl, Historikerin, Wiss. Mitarbeiterin an der Ernst-Moritz-
Arndt Universität Greifswald im Forschungsverbund Gani_Med (Greifswald Ap-
proach to Individualized Medicine); Forschungsschwerpunkte: Krieg und Medizin,
Emotionsgeschichte, Geschichte des Arzt-Patienten-Verhältnisses, 19.–20. Jh.
Dr phil. Susanne Michl, historyk, pracownik naukowy na Uniwersytecie im. Erns-
ta Moritza Arndta w Greifswaldzie w sieci badawczym Gani_Med (Greifswald
Approach to Individualized Medicine); zainteresowania naukowe: Wojna i
Medycyna, Historia emocji, Historia relacji lekarz-pacjent, XIX i XX wieku.
Publikationen / Publikacje:
Im Dienste des „Volkskörpers“. Deutsche und Französische Ärzte im Ersten Welt-
krieg [Na us ugach „cia a narodu“. Niemieccy i francuscy lekarze w pierwszej
wojnie wiatowej], Göttingen 2007; „Der Kampf gegen die inneren Feinde“ – Se-
xualhygiene im Krieg 1914–1918 [„Walka przeciwko wrogom wewn trznym“ –
Higiena seksualna w czasie wojny w latach 1914–1918]. Ein deutsch-französischer
Vergleich, in/w: Ariadne 55 (2009) S. 46–53.
Dr. phil. Reinhard Nachtigal, Historiker, Forschungsprojekt „Verkehrswege und
ihre Sicherung in Kaukasien: ein Integrationsproblem des Zarenreichs“, Histori-
sches Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Neuere und Osteuropäi-
sche Geschichte; Forschungsschwerpunkte: Russland und Österreich-Ungarn im
19. und frühen 20. Jh., Deutsche in Russland und in der Sowjetunion, Erster Welt-
krieg, Kriegsgefangene, medizinische Versorgung und Gesundheitsverwaltung,
historische Verkehrsgeographie.
Dr phil. Reinhard Nachtigal, historyk, projekt badawcze „Infrastruktura transpor-
towa i jej bezpieczestwo w regionie Kaukazu: problem integracji w carskiej
Rosji", Instytut Historii na Uniwersytecie im. Alberta Ludwika we Freiburgu, His-
toria Nowoytna i Historia Europy Wschodniej; zainteresowania naukowe: Rosja i
Austro-W gry w XIX i na pocz tku XX wieku, Niemcy w Rosji i Zwi zku
Radzieckim, Pierwsza Wojna wiatowa, jecy wojenni, opieka medyczna i admi-
nistracja zdrowotna, geografia historyczna transportu.
Autorinnen und Autoren 465
Publikationen / Publikacje:
Russland und seine österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen 1914–1918 [Ros-
ja i jecy wojenni z rejonów Austro-Wgier w latch 1914–1918], Remshalden
2003; Die Murmanbahn 1915–1919 [Kolej murmaska w latach 1915–1919].
Kriegsnotwendigkeit und Wirtschaftsinteressen [Konieczno wojny a interesy
gospodarcze], Grunbach 2. Aufl. 2007; Kriegsgefangenschaft an der Ostfront 1914
bis 1918 [Niewola na froncie wschodnim w latach 1914–1918]. Literaturbericht zu
einem neuen Forschungsfeld [Raport literacki o nowym zakresie badawczym],
Frankfurt/Main 2005; Seuchen unter militärischer Aufsicht in Russland: Das Lager
Tockoe als Beispiel für die Behandlung der Kriegsgefangenen 1915/16? [Zarazy
pod wojskowym nadzorem w Rosji: Obóz Tockoe jako przyk ad traktowania
winiów wojennych w latach 1915/16?]. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas
48 (2000) 363–387; Hygienemaßnahmen und Seuchenbekämpfung als Probleme
der russischen Staatsverwaltung 1914 bis 1917: Prinz Alexander von Oldenburg
und die Kriegsgefangenen der Mittelmächte [rodki higieny i zwalczanie zarazy
jako problem rosyjskiej administracji pastwowej w latach 1914–1917: Ksie
Alexander von Oldenburg i jecy wojenni Pastw Centralnych], in/w: Medizinhis-
torisches Journal. Medicine and the Life Sciences in History 39 (2004) 135–163;
Beistand für Kriegsgefangene in Russland 1914–1918: Die Moskauer Deutschen
[Pomoc dla jeców wojennych w Rosji w latach 1914–1918: Moskiewscy
Niemcy], in: Deutsche in Russland und in der Sowjetunion 1914–1918, hg.v./wyd.
A. Eisfeld/V. Herdt/B. Meissner, Berlin 2007, 62–84; Zur Anzahl der Kriegsgefan-
genen im Ersten Weltkrieg [Liczba jecow wojennych w pierwszej wojnie wiato-
wej], in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 67 (2008) 345–384; Murmanskaja
železnaja doroga 1915–1919 g.: Voennaja neobchodimost’ i ekonomieskie
soobraženija. Verlag „Nestor-istorija“, St. Petersburg 2011 [Kolej murmaska w
latach 1915-1919: Konieczno wojny a interesy gospodarcze].
Dr med. Joanna Nieznanowska, lekarz, adiunkt w Zak adzie Historii Medycyny i
Etyki Lekarskiej Pomorskiej Akademii Medycznej w Szczecinie; zainteresowania
naukowe: Medycyna XVIII i XIX wieku, ze szczególnym uwzgldnieniem punktu
widzenia pacjentów, zwizki medycyny polskiej i niemieckiej w XIX wieku, prob-
lemy nauczania etyki na kierunkach medycznych.
Dr. med. Joanna Nieznanowska, Ärztin, Assistentin im Institut für Geschichte der
Medizin und der ärztlichen Ethik an der Pommerschen Medizinischen Akademie in
Stettin/Szczeci; Forschungsschwerpunkte: Medizin im 18. und 19. Jh., Schwer-
punkt Patientenperspektive, Verbindungen polnischer und deutscher Medizin im
19. Jh., Probleme des Ethikunterrichts in der Medizin.
466 Autorki i autorzy
Publikationen / Publikacje:
Obraz osiemnastowiecznej medycyny europejskiej w korespondencji rodziny Mo-
zartów [Das Bild der europäischen Medizin im 18. Jh. in der Korrespondenz der
Familie Mozart], Warszawa 2004; Spotkanie mi dzy granicami: specyfika i proble-
matyka nauczania etyki lekarskiej w grupach studentów obcoj zycznych [Treffen
zwischen den Grenzen: Spezifik und Probleme des Unterrichts medizinischer Ethik
bei den fremdsprachigen Studenten], in: Nauczanie etyki w uczelniach medycznych
[Ethikunterricht an der Medizinischen Hochschule], Gda sk 2007, s. 162–169;
Polsko-niemiecka wymiana my li medycznej w XIX wieku [Deutsch-polnischer
Austausch von medizinischem Denken im 19. Jh.] – za oenia metodologiczne pro-
jektu badawczego, w/in: Wspó praca na polu medycyny mi dzy Niemcami i Po-
lakami [Zusammenarbeit im Bereich der Medizin zwischen Deutschen und Polen],
Wroc aw 2008, s. 131–143.
Dr. med. Thorsten Noack, Arzt, Assistent am Institut für Geschichte der Medizin
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Forschungsschwerpunkte: Psychiatrie-
geschichte, Medizin im NS, Geschichte der Sterbehilfe.
Dr n. med. Thorsten Noack, lekarz, asystent w Instytucie Historii Medycyny na
Uniwersytecie im. Heinricha Heine w Düsseldorfie, zainteresowanie badawcze: hi-
storia psychatrii, medycyna w narodowym socjali mie, historia eutanazji.
Publikationen / Publikacje:
Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Juristische Entscheidungen,
Politik und ärztliche Positionen [Ingerencja w prawo samookre lenia pacjenta. De-
cyzje prawne, polityka i stanowiska lekarskie]. Frankfurt a. M. 2004; Begehrte Lei-
chen. Der Berliner Anatom Hermann Stieve (1886–1952) und die medizinische
Verwertung Hingerichteter im Nationalsozialismus [Berli ski anatom Hermann
Stieve (1886–1952) i medyczne wykorzystanie strace ców w nazistowskich
Niemczech, in/w: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 26 (2008), 9–35; Thorsten
Noack, Heiner Fangerau: Eugenics, Euthanasia and Aftermath. In: International
Journal of Mental Health 36 (2007), 112-124; Andreas Winkelmann, Thorsten
Noack: The Clara Cell: a „Third Reich eponym”? In: European Respiratory Journal
36 (2010), 722–727.
Petra Peckl, Historikerin, 2006–2009 Wiss. Angestellte am Institut für Ethik und
Geschichte der Medizin der Albrecht-Ludwigs-Universität Freiburg, Mitarbeiterin
im DFG-Projekt „Krieg und medikale Kultur. Patientenschicksale und ärztliches
Handeln im Zeitalter der Weltkriege (1914–1945)“; Forschungsinteressen: Milit-
ärmedizin im Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Petra Peckl, historyk, 2006-2009 pracownik naukowy w Instytucie Etyki i Historii
Medycyny na Uniwersytecie im. Alberta Ludwika we Fryburgu Bryzgowijskim,
pracownik naukowy nad projektem DFG „Wojna i kultura medyczna. Losy
Autorinnen und Autoren 467
Prof. Dr. med. Michael Sachs, Chirurg, Medizinhistoriker; Interessen- und For-
schungsschwerpunkte: Geschichte der Chirurgie, Medizingeschichte Schlesiens,
Ethnomedizin.
Prof. Dr. med. Michael Sachs, chirurga, historyk medycyny; zainteresowania i
badania naukowe: historia chirurgii, historia medycyny l ska, etnomedycyna.
Publikationen / Publikacje:
Sachs, Michael: Historisches Ärztelexikon für Schlesien. Biographisch-bibliogra-
phisches Lexikon schlesischer Ärzte und Wundärzte (Chirurgen) [Sownik histo-
ryczny lekarski dla l ska. Leksykon biobibliograficzny lekarzy i felczerzy l s-
kich). Z. Z. 4 Bde., Wunstorf: Scholl 1997–2006; Sachs, Michael: Geschichte der
operativen Chirurgie [Historia chirurgii operatywnej]. 5 Bände, Heidelberg: Kaden
2000–2005.
Dr. phil. Tamara Scheer, Historikerin, Forschungsassistentin am Institut für Zeit-
geschichte der Universität Wien; Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Habs-
burgermonarchie und Südosteuropas; Besatzungsregimes Österreich-Ungarns im
Ersten Weltkrieg in Polen, Serbien und Montenegro; Sandžak Novi Pazar (1879–
1908).
Dr phil. Tamara Scheer, historyk, lektorka w Instytucie Historii Najnowszej
Uniwersytetu w Wiedniu; zainteresowania badawcze: Historia monarchii habsbur-
skiej i Europy Poudniowo-Wschodniej; Austro-W gierska okupacja w pierwszej
wojnie wiatowej w Polsce, Serbii i Czarnogórze; Sandžak Novi Pazar / Plevlje
(1879-1908).
Publikationen / Publikacje:
Zwischen Front und Heimat: Österreich-Ungarns Militärverwaltungen im Ersten
Weltkrieg (= Neue Forschungen zur ostmittel- und südosteuropäischen Geschichte
[Mi dzy Frontem a Ojczyzn : Austro-w gierska administracja wojskowa w czasie
Pierwszej Wojny wiatowej], Frankfurt et. al.: Peter Lang 2009.
Colleen M. Schmitz, Kuratorin u.a. am Deutschen Hygiene-Museum Dresden;
Ausstellungsschwerpunkte: Kultur- und naturgeschichtliche Ausstellungen.
Colleen M. Schmitz, kurator i kierownik wystawy Niemieckiego Muzeum Higieny
w Drenie; wystawy o tematyce kulturalne i naturalnohistoryczne.
Publikationen / Publikacje:
Images of the Mind. Bildwelten des Geistes aus Kunst und Wissenschaft [Images
of the Mind. Ikonografie zmysu z sztuki i z nauki], hg. von Colleen Schmitz und
Ladislav Kerner. Göttingen: Wallstein Verlag, 2011; Krieg und Medizin [„Wojna i
medycyna“], hg.v. Melissa Larner, James Peto und Colleen Schmitz, Wallstein
Verlag, 2009; Life Without Arms: Carl Hermann Unthan and His Motivational
470 Autorki i autorzy
Work with Disabled Veterans in Germany, in/w: War and Medicine, edited by Me-
lissa Larner, James Peto and Nadine Monem, Black Dog Publishing Ltd., 2008.
Ausstellungen/Wystawy: Images of the Mind. Bildwelten des Geistes aus Kunst
und Wissenschaft, [Images of the Mind. Ikonografie zmysu z sztuki i z nauki], zu-
sammen mit der Mährischen Galerie Brno, Dresden 2011, Brno 2011-2012; Krieg
und Medizin [Wojna i medycyna. Wystawa w Niemieckim Muzeum Higieny w
Dre nie], zusammen mit der Wellcome Collection London, London 2008, Dresden
2009, Ottawa 2011; Evolution. Wege des Lebens [Ewolucja. Sposoby ycia], Dres-
den 2005-2006, Neapel 2007, Kerkrade 2009; Mensch und Tier – eine paradoxe
Beziehung [Czowiek a zwierz – paradoksalny zwi zek], Dresden 2002-2003];
Kosmos im Kopf. Gehirn und Denken [Kosmos w gowie: Mózg i myli], Dresden
2000, Mannheim 2001.
Dr. med. Franz A. Sich, Facharzt für Chirurgie (im Ruhestand); Forschungs-
schwerpunkte: Geschichte Schlesiens, besonders des Schlesischen Krankenhaus-
und Gesundheitswesens.
Dr med. Franz A. Sich, chirurg specjalista (emerytowany); Zainteresowania
badawcze: historia l ska, szczególnie historia szpitalnictwa i suby zdrowia Sl s-
ka.
Publikationen / Publikacje:
Julius Roger – ein Brückenschlag zwischen Schwaben und Oberschlesien [Juliusz
Roger – wspópraca mi dzy Szwabi i Górnym l skiem], in: Fritz Dross, Michael
Sachs, Boena Ponka-Syroka (Hg.): Wspópraca na polu medycyny mi dzy
Niemcami i Polakami – Austausch in der Medizin zwischen Deutschen und Polen,
Wrocaw 2008, S. 97–112.
Dr. phil. Peter Steinkamp, Historiker, Wissenschaftlicher Angestellter am Institut
für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universität Ulm; Forschungs-
schwerpunkte: Militär- und Medizingeschichte, vor allem des Zweiten Weltkrieges.
Dr phil. Peter Steinkamp, historyk, pracownik naukowy w Instytucie Historii,
Teorii i Etyki Medycyny na uniwersytecie w ie; zainteresowania badawcze: historia
wojska i historia medycyny, z wyszczególnieniem drugiej wojny wiatowej.
Publikationen / Publikacje:
Zur Devianzproblematik bei der Wehrmacht: Alkohol- und Rauschmittelmiss-
brauch in der Truppe [Problem dewjacji spoecznej w Wehrmachcie: Naduycia
alkoholu i narkotyków w wojsku]. Freiburg (phil.diss.) 2008; [www.freidok.uni-
freiburg.de/volltexte/5681/]; Generalfeldmarschall Friedrich Paulus: Ein unpoliti-
scher Soldat? [Dowódca, Marszaek Friedrich Paulus: Niepolityczny onierz?],
Erfurt 2001.
Autorinnen und Autoren 471
Prof. Dr. phil. Jörg Vögele, Geschäftsführer des Instituts für Geschichte der Me-
dizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Forschungsschwerpunkte: Ge-
schichte der Öffentlichen Gesundheitsfürsorge, Historische Epidemiologie und
Demographie, Geschichte der Sozialpädiatrie.
Prof. Dr. n. hum. Jörg Vögele, kierownik Instytutu Historii Medycyny, Heinrich-
Heine-Universität Düsseldorf; zainteresowania badawcze: historia zdrowia publicz-
nego, historia epidemiologii i demografii, historia pediatrii spoecznej.
Publikationen / publikacje:
Woelk, W./Vögele, J. (Hgg.), Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland.
Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der „doppelten Staatsgrün-
dung“, Berlin 2002; Vögele, J.: Sozialgeschichte städtischer Gesundheitsverhältnis-
se während der Urbanisierung, Berlin 2001; Vögele, J./Woelk, W. (Hgg.), Stadt,
Krankheit und Tod. Geschichte der städtischen Gesundheitsverhältnisse während
der Epidemiologischen Transition (vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert), Berlin
2000; Vögele, J.: Urban Mortality Change in England and Germany, 1870–1910,
Liverpool 1998.
Dr. Rüdiger von Dehn, Historiker, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Qualitäts-
beauftragter für Studium und Lehre im Dekanat des Fachbereich A, Geistes- und
Kulturwissenschaften der Bergischen Universität Wuppertal; Forschungsschwer-
punkte: Geschichte der USA im 19. und 20. Jahrhundert, Geschichte der Weltkrie-
ge/ Militärgeschichte, Ost-West-Konflikt im Nahen und Mittleren Osten.
Dr. Rüdiger von Dehn, historyk, naukowiec i promotor jakoci studiów i ksz-
tacenia w Dziekanacie Wydziau A, Nauki Humanistyczne i Kulturalne na Uni-
wersytecie w Wuppertalu; zainteresowania badawcze: historia Stanów Zjed-
noczonych w XIX i XX wieku, historia wojen wiatowych / historia wojska, kon-
flikt wschodnio-zachodni, konflikt na Bliskim Wschodzie.
Publikationen / Publikacje:
Die alliierte Invasion 1944 und Joseph Goebbels. Die Schlacht in der Normandie in
seiner Wahrnehmung und Propaganda [Inwazja aliantów w 1944 r. i Joseph Goeb-
bels. Przykad percepcji i propagandy w bitwie o Normandie], Hamburg 2008; Die
Reflexion des Krieges für die „Heimatfront” – Die Wahrnehmung eines Kampfes
ohne klare Fronten und Feind [Obraz wojny na „froncie ojczystym” – przykad
walki bez okrelenia linii frontu oraz wroga], in: Sebastian Buciak (Hrsg.): Asym-
metrische Konflikte im Spiegel der Zeit [Asymetryczne konflikty w zwierciadle
czasu], Berlin 2008, S. 410–424; »Und wirklich der Feind hat einen heillosen
Respect vor den deutschen Soldaten« Feldpost deutscher Auswanderer im Ameri-
kanischen Bürgerkrieg 1861–1865, in: Veit Didczuneit, Jens Ebert, Thomas Jander
(Hg.), Thomas, Schreiben im Krieg – Schreiben vom Krieg: Feldpost im Zeitalter
Autorinnen und Autoren 473
der Weltkriege [Pisa w wojnie – Pisa o wojnie: Poczta polowa w czasie wojen
wiatowych], Essen: Klartext 2011, S. 403–409.
Dr hab. Elbieta Wickowska; profesor nadzwyczajny w WSM w Legnicy,
Instytut Dziennikarstwa, Uniwersytet Wroc awski; zainteresowania badawcze:
zdrowie publiczne, psychologia spo eczna.
Dr hab. Elbieta Wickowska, außerordentliche Professorin an der WSM in Leg-
nica, Institut für Journalismus; Universität Wroc aw (Breslau); Forschungsinteres-
sen: öffentliche Gesundheit, Sozialpsychologie.
Publikationen / Publikacje:
Lekarze jako grupa zawodowa w II Rzeczypospolitej [Ärzte als Berufsgruppe in
der Zweiten Polnischen Republik], wyd. Uniw. Wroc ., Wroc aw 2004; Znaczenie
komunikacji niewerbalnej lekarza z pacjentem w kontakcie terapeutycznym [Die
Bedeutung der non-verbalen Kommunikation zwischen Arzt und Patient im thera-
peutischen Kontakt], w/in: Zdrowie Publiczne 4 (2008), s. 462–467.
Dr. phil. Ljubov Žvanko, Historikerin, Dozentin am Lehrstuhl für Geschichte und
Kulturologie der Nationalen Akademie für Stadtwirtschaft, Char'kiv; Forschungsin-
teressen: Geschichte der Kriegsflüchtlinge des Ersten Weltkrieges in der Ukraine.
Dr phil. Ljubov Žvanko, historyk, wyk adowca na Wydziale Historii i Kulturolo-
gii Narodowej Akademii Gospodarczej w Charkowie; zainteresowania badawcze:
historia uchodców wojennych w Pierwszej Wojnie wiatowej na Ukrainie.
Publikationen / Publikacje:
Social’ni vymiry Ukrajinskoji Deržavy (kviten’-gruden’ 1918 r.) [Die Sozialpolitik
des Ukrainischen Staates (April – Dezember 1918)/Polityka spo eczna pastwa Uk-
rainy (kwiecie-grudzie 1918 r.)], Char'kiv 2007; Rechtsregulierung der sozialen
Sicherheit der Kriegsflüchtlinge des Ersten Weltkrieges im Russischen Reich
[Prawne zabezpieczenia spo eczne uchodców wojennych z Pierwszej Wojny
wiatowej w Imperium rosyjskim], in/w: Probleme der Geschichte der Ukraine.
– Anfang Jahrhunderts [Problemy historii Ukrainy - pocztek ],
Ausg. 14. 2008 S. 233–244.
Medizingeschichte im Kontext
Die Reihe Medizingeschichte im Kontext veröffentlicht Studien, die Themen aus der Geschichte der
Medizin und des Gesundheitswesens in wissenschafts- und kulturhistorischer Perspektive betrachten.
Die Reihe versteht sich zugleich als Fortsetzung der von Ludwig Aschoff 1938/39 mit zwei Heften
begründeten, von Eduard Seidler 1971-1994 mit 17 Bänden weitergeführten Freiburger Forschungen
zur Medizingeschichte. Die Bände 1 bis 11 (1999 bis 2004) wurden von Karl-Heinz Leven und Ulrich
Tröhler herausgegeben.
Band 1 Christine Hummel: Das Kind und seine Krankheiten in der griechischen Medizin. Von
Aretaios bis Johannes Aktuarios (1. bis 14. Jahrhundert). 1999.
Band 2 Cécile Mack: Henriette Hirschfeld-Tiburtius (1834-1911). Das Leben der ersten selbständi-
gen Zahnärztin Deutschlands. 1999.
Band 3 Susanne Mende: Die Wiener Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof im Nationalsozialismus.
2000.
Band 4 Bernhard Gessler: Eugen Fischer (1874-1967). Leben und Werk des Freiburger Anato-
men, Anthropologen und Rassenhygienikers bis 1927. 2000.
Band 5 Jochen Binder: Zwischen Standesrecht und Marktwirtschaft. Ärztliche Werbung zu Beginn
des 20. Jahrhunderts im deutsch-englischen Vergleich. 2000.
Band 6 Cécile Mack: Die badische Ärzteschaft im Nationalsozialismus. 2001.
Band 7 Beate Waigand: Antisemitismus auf Abruf. Das Deutsche Ärzteblatt und die jüdischen
Mediziner 1918-1933. 2001.
Band 8 Georg Schomerus: Ein Ideal und sein Nutzen. Ärztliche Ethik in England und Deutschland
1902-1933. 2001.
Band 9 Barbara Rabi: Ärztliche Ethik – Eine Frage der Ehre? Die Prozesse und Urteile der ärztli-
chen Ehrengerichtshöfe in Preußen und Sachsen 1918-1933. 2002.
Band 10 Bernd Grün / Hans-Georg Hofer / Karl-Heinz Leven (Hrsg.): Medizin und Nationalsozialis-
mus. Die Freiburger Medizinische Fakultät und das Klinikum in der Weimarer Republik und
im „Dritten Reich“. 2002.
Band 11 E. Caroline Jagella: Ignaz Schwörer (1800–1860). Freiburger Geburtshelfer zwischen Ro-
mantik und Positivismus. Ein Beitrag zur Geschichte der medizinischen Ethik im 19. Jahr-
hundert. 2004.
Band 12 Stephan Anis Towfigh: Das Bahá’ítum und die Medizin. Ein medizinhistorischer Beitrag
zum Verhältnis von Religion und Medizin. 2006.
Band 13 Nils Kessel: Geschichte des Rettungsdienstes 1945–1990. Vom „Volk von Lebensrettern“
zum Berufsbild „Rettungsassistent/in“. 2008.
Band 14 Jette Sophia Jung: Erfolg und Scheitern der Hegar-Operation. Eine wissenschaftsge-
schichtliche Untersuchung über die Kastration der Frau im 19. Jahrhundert. 2007.
Band 15 Jasmin Beatrix Mattes: Die Stationsbenennungen des Klinikums der Albert-Ludwigs-Uni-
versität Freiburg im Breisgau. Erinnerungskultur, kollektives Gedächtnis und Umgang mit
nationalsozialistischer Vergangenheit. 2008.
Band 16 Simon Reuter: Im Schatten von Tet. Die Vietnam-Mission der Medizinischen Fakultät Frei-
burg (1961–1968). 2011.
Band 17 Ute Caumanns / Fritz Dross / Anita Magowska (Hrsg. / red.): Medizin und Krieg in histori-
scher Perspektive. Beiträge der XII. Tagung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft für Ge-
schichte der Medizin, Düsseldorf 18.-20. September 2009. Medycyna i wojna w
perspektywie historycznej. Prace XII. konferencji Polsko-Niemieckiego Towarzystwa
Historii Medycyny, Düsseldorf 18 do 20 wrzenia 2009 r.. 2012.
www.peterlang.de
Peter Lang · Internationaler Verlag der Wissenschaften
Lebenswelten im
Ausnahmezustand
Die Deutschen, der Alltag und der Krieg, 1914 –1918
Unter Mitarbeit von Simona Lavaud
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2011.
370 S.
Zivilisationen & Geschichte.
Herausgegeben von Ina Ulrike Paul und Uwe Puschner. Bd. 16
ISBN 978-3-631-63037-2 · geb. € 59,80*
Dieses Buch, eine Sammlung von Quellen, erzählt vom Ersten Weltkrieg.
Sein Thema ist der Alltag im Ausnahmezustand, womit das Leben jenseits
der Friedensjahre, jenseits auch der darin gültigen Normen, Werte und
Sinnbezüge gemeint ist. In den Texten spiegeln sich die Erfahrungen von