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Der Benediktinermönch Gregor der Große(540 – 604 n.Chr.) war offenbar der einzige
Mystiker unter den Päpsten in der Geschichte, der schriftlich von seiner kosmischen Vision
Zeugnis ablegte.
Papst Pelagius II für 7 Jahre als Papstvertreter an den Kaiserhof von Konstantinopel geschickt
wurde.
Stuhl Petri. Mann bezeichnete ihn als Idealgestalt eines Papstes. Er war ein herausragender
Seelsorger und wurde als Vorbild für alle seine Nachfolger mit dem Titel „der
Große“ ausgezeichnet.
Im Jahre 593/94 entstand Papst Gregors zweites Buch der Dialoge – darin der
Abschnitt „„Wohnen in sich selbst“. Gregor kannte die byzantinische Überlieferung:„Er
kehrte in seine geliebte Einsamkeit zurück und wohnte ganz in sich selbst – allein – im
Angesicht Gottes“. Gregor der Große prägte entsprechend den Begriff: „habitavit secum“.
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Gregor war ein sehr kontemplativer Mensch, der dem Wohnen in sich die
allergrößte Bedeutung zumaß.
Das Sich-Sammeln und Wohnen in sich selbst sollte Lebensgestaltung sein, bei der ich, wo
immer nur möglich, jede unnötige Zerstreuung und Ablenkung vermeide. Es geht um einen
generellen Reinigungsprozess, so dass in der Stunde der Stille schon eine gewisse Vorarbeit
geleistet ist, damit ich in dem momentanen Akt des Mich-Sammelns wirklich in die Tiefe
komme. Gregor nennt das einfach Kontemplation.
Wie das nun eigentlich geschieht und was der Mensch dabei tut – eine bestimmte Technik –
beschreibt er nicht. Der Beter erhebt sich einfach in einem Akt, der zum einen mühsam und
anstrengend ist, weswegen für ihn auch die Zeit der Kontemplation bemessen ist, nämlich auf
die halbe Stunde aus dem biblischen Buch der Offenbarung: „Und es war Schweigen im
Himmel eine halbe Stunde.“ Dann kehrt der Mensch zu normalem Bewusstsein, aber zu
einem Bewusstsein der Sammlung – und nicht der Zerstreuung – zurück.
Gregor sagte:
„Eine Quelle, die nicht abfließen kann, die gestaut wird, steigt nach oben; die Zweige eines
Baumes, die zusammengebunden werden, wachsen nach oben.“
Bei dem Wüstenvater Evagrius Ponticus (345 – 399 n.Chr.) findet sich der wunderschöne
Satz: „Der Geist des Menschen wohnt in sich, bei sich und hat genug an der Schönheit des
eigenen Antlitzes.“ Diese Schönheit des eigenen Antlitzes ist die Widerspiegelung der
Schönheit Gottes. Habitare secum ist aufgrund unserer heutigen Lebensform etwas sehr
Schwieriges ist. Das Schlimme ist, dass wir uns viel zu wenig Rechenschaft darüber geben,
was uns alles zerstreut, was uns alles nach außen zieht und ablenkt, was uns alles an der
Oberfläche hält und verhindert, dass wir in die Tiefe gehen.
Alle Weisen mahnen zur Besinnung, zur Rück- und Heimkehr in das ur-eigenste Zentrum,
welches man mit Gott, Brahman, Seinsgrund, Nirvana u.a. bezeichnen kann. Der große
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Transformationsprozess vollzieht sich bereits seit längerem, und immer wieder werden wir
durch periphere Sensationen und Phänomene in Atem gehalten.
Spirituelles Leben ist zunächst ein Prozess der Entdeckung und Verwirklichung
des wahren Wesens,
das tief in uns in der Gegenwart Gottes verborgen ist. Der Weg zu dieser inneren kosmischen
Ur-Quelle führt uns durch viele unangenehme Geröllschichten des Unterbewusstseins. Diese
Urquelle ist das Mysterium von Religion, die für alle Lebewesen unterschiedslos gleich-
wertig ist. Auf der Ebene der kulturell bedingten vielfältigen Konfessionen mag es
Unterschiede geben, aber für alle gibt es nur EINE Religion und EINE Wirklichkeit.
Der Prozess der Werdens verwandelt sich auf dem Weg des Vertrauens in das kosmische
Geschenk des Seins, des ewigen Da-Seins im Hier und Jetzt. Die vorangegangene Aktivität
des Glaubens gipfelt in der Erfahrung von Gewiss-heit und tiefster Erkenntnis
(griech.: gnosis), wo wir dann wie Jesus Christus sagen können: „Ich bin!“
Auf dem inneren, geistigen Weg gehen wir durch verschiedene Bereiche,
die wir als Phänomene von Dunkelheit, von Verlassenheit, von Trauer, von Schuld, von
Sucht, von Neid, von Hass, von Gier, von Feindseligkeit u.a. erleben. Es ist keine Lösung, sie
zu verdrängen, aber es ist auch nicht hilfreich, sich mit jeder Blockade analytisch
auseinanderzusetzen. Psychologie kann helfen, inner-psychische Vorgänge zu erkennen. Aber
kein Psychotherapeut kann uns ganzheitlich heilen. Die eigentliche Heilung kommt erst aus
dem erwartungsfreien Hintergrundsfeld, das tiefer als der psychische Bereich in jedem von
uns und um uns herum existent ist. Sich auf diese Quelle einzulassen, sie im Leben
zuzulassen, in sie hineinzutauchen und ihrem Strom Raum zu geben – darin entfaltet sich die
ureigentliche Heilkraft.
Im Zustand der erlösenden Heils-Gegenwart hört jeder Prozess, jedes Werden auf; dann
können wir sagen: ich bin / wir sind
Der bekannte deutsche Dominikanermönch und Mystiker Meister Eckhart vermittelt uns in
wenigen Worten das Geheimnis der Begegnung mit Gott in unserem Innersten:
Gott ist uns nahe, aber wir sind Ihm fern. Gott ist drinnen — aber wir sind draußen. Gott
ist unsere innere Heimat — aber wir sind uns selber Fremde. Du brauchst Gott nicht zu
suchen. Er ist nicht ferner als vor der Tür deines Herzens: da steht Er und wartet und
harrt, dass Er dich bereit finde, dass du Ihm auftust und Ihn einlässest. Du brauchst Ihn
nicht von fernher zu rufen, sondern dich nur nach innen zu wenden: Gott wartet
ungeduldiger als du, dass du dich Ihm öffnest; Ihn verlangt tausendmal dringender nach
dir, als dich nach Ihm. Dein Auftun und sein Eingehen geschieht in einem Augen-blick.
Willst du Gott ohne Vermittlung, unmittelbar erkennen, so musst du geradezu Er werden
und Er du — so ganz eins, dass dies Er und Du eins werden und sind. Das Auge, womit
Gott von dir gesehen wird, ist dasselbe Auge, womit Gott dich ansieht. Dein Aug und Gottes
Aug ist ein Aug“.
Die verborgene göttliche Quelle öffnet sich in vielfältigen Formen und gießt sich in
verschiedenen Heilsgestalten und Heilsmomenten der Menschheitsgeschichte aus. Wenn der
Schleier unserer Verblendung und Unwissenheit von uns genommen ist, erkennen wir die sich
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immer wieder ereignenden kairologischen Augenblicke, wenn gleichsam die Zeit erfüllt ist.
Nicht zu verwechseln mit chronologischen, uhrzeitlichen Geschehnissen und Abläufen.
Der Geist ist die Dynamik, der die verborgene göttliche Quelle aktiviert,
und die Kraft, welche die Quelle zu einem Leben spendenden Organ macht. Der Geist bringt
die Perichorese hervor: die Durchdringung von Kosmos und Mensch. Der Geist ist
gleichzeitig die verbindende und die hinaustreibende Kraft, die Energie der kosmischen
Fruchtbarkeit, die weibliche Dimension im Göttlichen, die gebärende, belebende, bewahrende
Mütterlichkeit im Universum.
Jesus wie alle großen spirituellen Meister haben den Schülern einen Weg gezeigt
(chinesisch: TAO). Keine Lehre, keine dogmatischen Strukturen, keine Moralvorschriften.
Der Meister fordert aber das volle Vertrauen auf den Weg ein.Weg und Leben sind
etymologisch eng miteinander verknüpft; lat.: via (Weg) und vita (Leben); frz.: la vie (Leben)
und la voie (Weg). Es ist völlig gleichgültig, gleichermaßen werthaltig, ob ich mich auf einem
christlichen, buddhistischen, hinduistischen Pfad u.a. fortbewege. Der Weg ist das Ziel – der
Weg hat weder einen Anfang noch ein Ende; andernfalls wäre er von der Polarität Geburt &
Tod begrenzt. Der Weg ist ewiges Leben, jenseits aller Dualität. Wenn jemand vom Zentrum
des Lebens distanziert ist, spricht man oft von weg sein, meint aber abwegig sein.
TAO TE KING
Kapitel 14
Schau, er kann nicht gesehen werden – er ist flüchtig.
Lausche, er kann nicht gehört werden – er ist geräuschlos.
Greife zu, er kann nicht gehalten werden – er ist unfassbar.
Diese drei können nicht festgehalten werden.
Sie verschmelzen zu einem.
Wenn er aufsteigt, erglitztert er nicht.
Wenn er herabsteigt, verdunkelt er nicht.
Wie ein endloser Faden, ohne Namen.
Kehrt er ins Nichts zurück.
Die formlose Form.
Das bildlose Abbild.
Er entschwindet und schäumt hervor.
Stehe ihm gegenüber, und Du siehst nicht sein Antlitz.
Folge ihm, und Du siehst nicht seinen Rücken.
Verweile mit dem Weg der alten Zeit.
In seiner Gegenwart werden wir gewahr.
Den uralten Anfang zu kennen, das ist das Wesen des Weges
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Das 14. Kapitel des Tao Te King beschreibt auf geradezu geniale Weise das
Geheimnis des Weges.
Lao Tse umreißt, was TAO nicht ist. Kenntnis vom TAO kann man nicht mit Hilfe der Sinne
erlangen: man kann es nicht sehen, hören oder anfassen. Es hat seinen Sitz im intuitiven
Bewusstsein und kann nur über seine Auswirkung in der sozialen Lebenswelt wahrgenommen
werden – in seiner Auswirkung auf Vorstellungen, Geschehensabläufe und gesellschaftlichen
Wandel. Weltliche Ereignisse treten immer wieder in sich stets wiederholenden Zyklen auf,
und Anhänger des TAO lernen, diesen Kreislauf zu durchschauen und zu transzendieren.
Jeder, der auf dem Weg ist, spürt den Ursprung der eigenen Existenz.
Jesus sagt in dem bedeutungsvollen Johannes-Kapitel 14, Das Gespräch über den Weg zum
Vater (Vater und Gott sollte man als Urgrund verstehen):
Wenn Ihr mich erkannt habt, werdet Ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt (die
Betonung liegt auf jetzt) kennt ihr ihn und habt ihn gesehen“.
Die institutionalisierten christlichen Kirchen nehmen Jesus Christus nicht ernst, und anstatt
die Aussagen dieser großartigen Injektion (wörtlich: des Hineinwerfens in das Dasein,
Hiersein Gottes) authentisch zu verkünden, wird mit Projektionen (Hinauswerfen)
manipuliert, wo periphere, vom Zentrum losgelöste Spekulationen zu teilweise hohen Preisen
und Mitgliedsbeiträgen erzeugt werden. Der spirituelle Meister zeigt den sicheren Weg zum
Ursprung unseres Seins auf. Diese Wegweisung ist ohne spezielle Methode, weil das Einüben
in die Gegenwärtigkeit nichts anderes als bedingungslose Achtsamkeit erfordert. Der Meister
lässt den Schüler an seiner Gegenwart teil-haben: wenn ihr mich seht, schaut Ihr auf den
Urgrund.
Mir ist bewusst geworden, dass das morphogenetisch Feld ein dynamisches
Schöpfungsgeschehen (Werden) ist, welches aus dem ruhenden Urgrund (Sein) hervorgeholt
wird. Am Meeresgrund selbst findet man keine unruhigen Wellenbewegungen; je mehr man
aus der Tiefe schöpfend (Kreation, Schöpfung kommt immer aus dem Urgrund und nicht von
anderen Planeten) an die Oberfläche gerät, bekommt der Ozean, das Meer als heraus-ragende
Welle Existenz; lat.: exsistere = hervortreten.
Diese Existenz ist nur eine Teilwirklichkeit des ganzen Lebens, vom dem der größere Part
unsichtbar und verborgen ist. Der Baum wächst von unten nach oben und nicht in
umgekehrter Richtung. Die Wurzeln unserer Existenz sind tief ver-ankert. Daher kommen ja
unsere Ausdrücke: „einer Sache auf den Grund gehen“, „das Leben ergründen“, „tiefe
Gefühle haben“, „zutiefst erschüttert sein“, „Ursache“, „Grundmotiv“, „gründlich“, „aus
gutem Grunde“.
Alle großen Weisen und Heiligen Schriften lehren uns, dass es einen Himmel gibt, der unser
eigenes Wesen ist (Urgrund, Ursein, Gott, Brahman, Tao u.a.). Dieser innwendige,
tiefgründige Wohnort, der Tempel des Geistes, hat oftmals einen störenden Bewohner:
das Ego. Wenn ein Mann einen zerlumpten Mantel trägt, sagt er: „ich bin arm“. Tatsächlich
aber ist der Mantel arm, nicht er selbst. Was der Himmel, der Raum in uns selbst auf-nimmt,
ist das, wofür der Mensch sich hält, seine Wirklichkeit, seine Begrenzung. Die Begrenzung,
die aus dem Lateinischen Wort kommende Terminologie, ist die Tragödie der Seele. Man
kann das inwendige Brahman-Schloss oder Königreich Gottes entweder mit seinem Ego
füllen oder Gottes Anwesenheit immer größeren Raum verschaffen.