Deutsch perfekt DEBATTE 29

Eine Übung zu diesem Text finden Sie auf Seite 46.

Ja Nein
„Wir Erwachsenen könnten „In diesen unsicheren Zeiten
ohne das Schenken alle viel können weihnachtliche
weniger Stress haben.“ Traditionen Stabilität geben.“

Plötzlich ist er da: der Herbst. Die Tage
„lle Jahre wieder
werden kürzer. Die ersten Blätter fallen. , Anfang eines bekannten
Und niemand will mehr ohne Jacke das Weihnachtslieds; jedes Jahr
Haus verlassen. Das ist genau der Zeit- wieder
punkt, an dem ich alle Jahre wieder an w¡gschieben
, hier: ignorieren
Weihnachten denken muss. Aber ich
schiebe den Gedanken ganz schnell wie- d¢rch die Tür p¶ltern
, m plötzlich und
der weg. Denn Weihnachten ist zwar ein unangenehm da sein
schönes Fest, aber bedeutet auch Stress.
der Adv¡ntskalender, -
Wo feiern wir? Was kochen wir? Besucht
, Kalender mit 24 kleinen
uns jemand? Und wem schenke ich was? Geschenken oder Bildern,
eins für jeden Dezembertag
Also erst einmal weg damit! Aber vor Weihnachten
dann kommt der goldene Oktober. Kurz
s“ch der Herausforderung
danach poltert der November mit viel st¡llen
Regen durch die Tür. Und dann geht alles , eine schwierige Aufgabe
ganz schnell. Meine Kinder öffnen das akzeptieren und lösen
wollen
erste Türchen des Adventskalenders –
w¢nschlos gl•cklich
und in meinen Augen ist Panik. Es ist der , hier: auch ohne Ge-
erste Dezember und ich habe noch keine
schenk glücklich sein
Geschenke! Und jetzt muss ich mich der z¢m Teufel jagen w¶llen
Herausforderung stellen: Was schenke , m wirklich genug
ich den lieben Verwandten? Mein Mann haben von; absolut nicht
mehr wollen
behauptet immer, dass er wunschlos
(der Teufel, -
glücklich ist. Meine Mutter hat alles. , Satan)
Mein Vater sowieso. Und meine Schwes-
vorenthalten
ter lächelt nur (sie hat nämlich im Gegen- , hier: verhindern, dass …
satz zu mir schon lange alles besorgt!). etwas bekommt/erlebt
Und spätestens das ist der Punkt, an gew“ss
dem ich das Schenken auch an einem , speziell
christlichen Fest wie Weihnachten zum das Chr“stkind
Teufel jagen will. Können wir uns nicht , Bild/Figur von Jesus als
neugeborenes Baby; hier:
darauf einigen, dass es keine Geschenke ≈ Figur, von der Kinder
gibt? Natürlich möchte ich niemandem glauben, dass sie die Weih-
den Spaß wegnehmen. Kindern würde nachtsgeschenke bringt
ich zum Beispiel nie die Magie von Weih- die Nächstenliebe
, soziales Ideal in
nachtsgeschenken vorenthalten (die bis vielen Religionen; Liebe und
zu einem gewissen Alter sowieso das Freundlichkeit, mit der man
Christkind besorgt …). sich um andere Menschen
Fotos: Voloshyna Anna/Shutterstock.com; Matthieu Rouil
Die Effekte der Pandemie und des Kriegs
die Lebenshaltungs­
in der Ukraine auf unseren Alltag sind kosten Pl.
groß: Neben den politischen, gesellschaft- , Geld, das man z. B.
lichen und humanitären Fragen, mit de- für Wohnung, Essen und
Kleidung ausgeben muss
nen unsere Gesellschaft durch diese Kri-
die Zuneigung
sen konfrontiert ist, macht den meisten , Sympathie; Gefühl, dass
Menschen aktuell auch der Blick auf die man jemanden mag
steigenden Lebenshaltungskosten große der Resp¡kt
Sorgen. In diesen unsicheren Zeiten kön- , hier: Meinung, dass man
nen weihnachtliche Traditionen Stabili- jemanden ehrt / akzeptiert
tät geben und Geschenke Freude in den stærken
, hier: intensiver machen;
Alltag bringen. verbessern
Die Tradition des Schenkens gibt es
wobei
auf der ganzen Welt seit Hunderten von , obwohl
Jahren. Geschenke können Zuneigung,
N¡rven k¶sten
Dank oder Respekt ausdrücken und so , ≈ ärgerlich machen;
auch unsere Beziehungen stärken. Wo- Stress bedeuten
bei das natürlich vom Geschenk abhängt: die Aufmerksamkeit, -en
Worüber freut sich die Person, der man , hier: kleines Geschenk
etwas schenken möchte? Diese Frage die Nachhaltigkeit
, Qualität, dass etwas
kostet oft Zeit und Nerven, wenn einem
keine negativen Effekte auf
wirklich gar nichts einfällt. Aber dann gibt die Umwelt hat
es ja noch die Möglichkeit, sich direkt zu dafür
erkundigen. Es muss ja kein teures Ge- , hier: als Kompensation
schenk sein. Auch eine kleine Aufmerk- aber
samkeit, etwas Selbstgemachtes oder eine das Konsumverhalten
, persönlicher Konsum:
gemeinsame Aktivität macht Freude.
Wie und warum kaufe ich
Sinn macht es, beim Schenken auch etwas?
auf die Nachhaltigkeit zu achten: lieber das Besch¡nktwerden
weniger Geschenke, dafür etwas qualita- , von: beschenkt werden
tiv Gutes und nachhaltig Produziertes, an = Geschenke bekommen
dem man auch noch länger seine Freude die Sprachredakteurin, -nen
, Sprachlernexpertin bei
hat. Wenn es zu teuer wird, können auch
einer Zeitschrift: Sie küm-
mehrere Personen zusammen schenken. mert sich um die Didaktik.
Es muss auch nicht immer Neuware sein:
Vor allem Kinderspielsachen sind oft
auch secondhand noch fast wie neu.
Vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt,

kümmern soll
Aber wir Erwachsenen könnten alle
viel weniger Stress haben. An Weihnach- die Redakteurin, -nen
franz.
ten soll ja die Idee der Nächstenliebe im , ≈ Journalistin
Zentrum stehen, nicht der Konsum. Da das Sprachmagazin, -e
wäre doch ein großzügiger Geldbetrag , Zeitschrift zum Lernen
an eine soziale Organisation viel besser! einer Sprache
einmal kritisch über das eigene alltägliche
Konsumverhalten nachzudenken. Ande-
ren und sich selbst die Freude am Schen-
ken und Beschenktwerden in diesen erns-
ten Zeiten zu nehmen, muss dabei nicht
die logische Konsequenz sein.

Claudia ­May ist Redakteurin des Katharina Heydenreich arbeitet für

Sprachmagazins ECOS. Sie würde Deutsch perfekt als Sprachredakteurin
Weihnachten gern in der Karibik und wünscht sich jedes Jahr, dass es an
verbringen – ohne Geschenke im Koffer. Weihnachten endlich mal wieder schneit.