Sie sind auf Seite 1von 425

Münchener Universitätsschriften

Katholisch-Theologische Fakultät

Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes


zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie
Herausgegeben von Michael Schmausf, Werner Dettloff,
Richard Heinzmann, Ulrich Horst
Band 47
Georgij Awakumov

Die Entstehung
des Unionsgedankens
Die lateinische Theologie des Hochmittelalters
in der Auseinandersetzung mit dem Ritus der Ostkirche

Akademie Verlag
Gedruckt mit Unterstützung der Erzdiözese München und Freising

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titeldatensatz für diese Publikation


ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich.

ISBN 3-05-003715-6

ISSN 0580-2091

© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2002

Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706.

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches
darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form — durch Photokopie, Mikroverfilmung oder
irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbei-
tungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden.

Einbandgestaltung: Petra Florath, Berlin t


Druck: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza
Bindung: N. Klotz, Jettingen-Scheppach

Gedruckt in Deutschland
Vorwort

In einem jeden Kulturkreis gibt es Bereiche des Wissens und Könnens, die, mit welcher
Begründung auch immer, als fremd und für die eigene Kulturidentität als störend emp-
funden und dadurch aus dem gerade vorherrschenden intellektuellen Diskurs ausge-
grenzt oder sogar dämonisiert werden. Nichtsdestotrotz üben diese Bereiche vielleicht
gerade wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen „Kulturfremdheit" bisweilen eine
besondere Faszination aus. Es gibt kaum einen Bereich der Theologiegeschichte, der in
Rußland so wenig bekannt, so ungern erforscht und mit so vielen Vorurteilen behaftet
ist, wie die scholastische Theologie des lateinischen Mittelalters. Eben diese Aus-
gangslage wirkte für den Autor der vorliegenden Studie, einen gebürtigen Russen, der
seine Ausbildung in russisch-orthodoxer Theologie und in klassischer Philologie in
Rußland erwarb, seit langem als Herausforderung und Ansporn, sich mit der lateini-
schen Scholastik zu befassen. Ich hegte seit Jahren den Wunsch, die Rolle der mittelal-
terlichen lateinischen Theologie für die Begegnung der östlichen und der westlichen
christlichen Kulturen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Dieser Wunsch gab die
erste Anregung zum Thema der vorliegenden Arbeit.
Ein weiteres russisches Vorurteil trug zur Entstehung des vorliegenden Buches bei,
und zwar die zum großen Teil politisch motivierte Voreingenommenheit gegen die
katholische Kirche des byzantinischen Ritus, gegen die „Unierten", die bisweilen als die
„Erzfeinde" der Moskauer Orthodoxie angesehen werden. Die theologische und kultu-
relle „Anmaßung" der Unierten, für sich gleichermaßen ein „Byzantinisch-Sein" und
ein „Katholisch-Sein" zu beanspruchen, wird ihnen nicht leicht verziehen. Allenthalben
sind Aussagen zu hören, daß die „Kirchenunionen" der Ostslaven mit der römischen
Kirche, ja selbst die bloße Existenz der „Unierten" ein „ekklesiologisches Absurdum"
darstellten. Diese Vorurteile werden im Westen, auch in Deutschland, oftmals unkri-
tisch übernommen. Das gesamte Problemfeld der „Kirchenunion" ist mit so vielen
Emotionen und Befangenheiten befrachtet, daß es an der Zeit ist, mit aller gebotenen
Nüchternheit den theologischen Grundlagen des Phänomens unierter katholischer Kir-
chen aus historischer Perspektive nachzugehen. Eben dieses Desiderat wurde zur zwei-
ten Anregung der vorliegenden Studie.
Es gab aber auch noch eine dritte Anregung, die mit dem gegenwärtigen geistigen
Klima in Deutschland zusammenhängt. Bei vielen Christen hierzulande ist eine deutli-
che Verdrossenheit über das rituelle Leben in der Kirche spürbar. Dies führt auf der
einen Seite zu einem totalen Unverständnis und einer Gleichgültigkeit gegenüber der
6 Vorwort

rituellen Dimension des Religiösen generell, auf der anderen Seite hingegen zu einem
Ästhetizismus, der die „exotischen" Formen, etwa die byzantinische Liturgie, nicht
mehr als lebendigen Organismus und adäquaten Ausdruck religiös-liturgischer Behei-
matung empfindet, sondern lediglich als ästhetisches Kulturschauspiel, als archäolo-
gisch-volkskundliches „Happening" konsumiert. In einer solchen Atmosphäre wird die
Bedeutung, die den Fragen des Ritus in der Entwicklung der Theologie - gerade auch in
hochaktuellen und zentralen Problemkomplexen! - zukam, nicht selten verständnislos
übergangen. Das vorliegende Buch stellt daher ferner einen Versuch dar, auf wichtige
Sinnzusammenhänge zwischen Ritual und christlicher Existenz im Horizont historisch-
kirchlicher Vermittlung hinzuweisen.
Die vorliegende Studie wurde im Sommersemester 2001 von der Katholisch-
Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation
angenommen. Die unmittelbare Anregung zum Thema verdanke ich meinem verehrten
Lehrer, Herrn Professor Dr. Ulrich Horst OP. Er hat die Arbeit von ihren Anfängen bis
zu ihrer Fertigstellung mit Rat und Tat interessiert und aufmerksam begleitet. Für die
Erstellung des Zweitgutachtens sei Frau Privatdozentin Dr. Marianne Schlosser herzlich
gedankt.
Die Arbeit hätte nicht realisiert werden können ohne die wohlwollende Förderung
zuständiger kirchlicher Entscheidungsträger, die meine Forschungen am Grabmann-
Institut in München ermöglichten. An erster Stelle weiß ich mich dem Hochwürdigsten
Herrn Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising, in tiefer
Dankbarkeit verbunden. Herzlichst danke ich auch Herrn Msgr. Dr. Iwan Dacko, der
vor neun Jahren als damaliger Generalvikar der Erzdiözese Lemberg meinen For-
schungsaufenthalt in München angeregt hat; der Leitung von „Kirche in Not / Ostprie-
sterhilfe", welche die drei ersten Jahre der Forschung finanziell förderte; Herrn Domka-
pitular Dr. Lothar Waldmüller, der die Arbeit mit Interesse und Sympathie verfolgte.
Die Drucklegung des Buches wurde dank des Kostenzuschusses des Erzbistums Mün-
chen und Freising möglich.
Mein aufrichtiger Dank gilt auch mehreren Personen, die durch kritische Anregun-
gen, hilfreiche Hinweise oder sprachliche Korrekturen zur Ausarbeitung der Studie
beigetragen haben. Vor allem möchte ich hier die Herren Professoren Gerhard
Podskalsky SJ (Frankfurt) und Franz Tinnefeid (München) mit Dankbarkeit erwähnen,
sowie Herrn Dr. Hans-Joachim Härtel, Herrn Dipl.-Ing. (Univ.) Marcus Wandinger Obl.
OSB und Herrn Lic. theol. Karl-Heinz Steinmetz.
Es ist für einen Forscher ein besonderes Geschenk, wenn seine Arbeit von einem
Fachgenossen mit unermüdlichem Interesse begleitet wird, der die Gabe zur Herausfor-
derung durch Kritik und Einspruch besitzt. Ein solcher Fachgenosse und Freund war
mir die Jahre hindurch Herr Dr. Thomas Prügl, derzeit Professor an der Universität
Notre Dame, USA. Für seine Begleitung, seine sprachlichen Verbesserungen, seine
Kritik und Ermutigung weiß ich mich ihm in besonderer Dankbarkeit verbunden.
Ich freue mich, dieses Buch meiner Frau widmen zu dürfen. Ohne ihre Geduld, ihr
Verständnis und ihre Liebe wäre die Abfassung dieser Studie nicht möglich gewesen.

München im Januar 2002 Georgij Awakumov


Inhalt

EINLEITUNG 11

Erster Teil
Die ostkirchliche Herausforderung:
Konflikte und Polemiken um die Fragen des Ritus

A. Der Azymenstreit 29
I. Biblische und patristische Grundlagen 29
1. Mit welchem Brot feierte Jesus das letzte Abendmahl? 32
2. Das ungesäuerte Brot und die „Judaizantes" in der alten Kirche 34
a. Zur Terminologie: Jüdische „Azymen" und christliches „Brot" 34
b. Die „Judaizantes" und das Azymenverbot 37
c. Die Typologie der Azymen und des Sauerteigs 41
d. Von der Verurteilung der „Judaizantes" zur Abwertung des eucharistischen
ungesäuerten Brotes 44
3. Die Verfestigung der eucharistischen Bräuche 46

II. Der Ausbruch des Azymenstreites 50


1. Der politischer Hintergrund des Konflikts 51
2. Der Ausbruch der Polemik 60
3. Der Auslöser des Streites 68
4. Die Auswirkungen auf Süditalien und Armenien 83
5. Der Azymenstreit und das sog. "Schisma von 1054" in der
Kirchengeschichtsschreibung 85

III. Die Polemik der Griechen 87


1. Ein Überblick über die byzantinische und altslavische
antiazymitische Literatur 87
a. Einleitung 87
b. Werkverzeichnis zum Azymenstreit (11.-13. Jh.) 91
8 Inhalt

2. Vier Argumentationsrichtungen gegen die Azymen 103


a. Das Judaisierungsargument 103
b. Das Einsetzungsargument 107
c. Das physische/etymologische Argument 108
d. Das typologische/symbolische Argument 109
3. Theologische Schlußfolgerungen der Byzantiner 111
4. Tolerantere Ansichten: Petras von Antiocheia, Theophylaktos von Achrida,
Theorianos, Demetrios Chomatenos 114

IV. Die Polemik der Lateiner 117


1. Ein Überblick über die Literatur 117
2. Die Polemik gegen das Judaisierungsargument 125
3. Die Polemik gegen das Einsetzungsargument 133
a. Christus als Erfilller des Gesetzes 133
b. Das Datum des letzten Abendmahles 140
4. Die Polemik gegen das physische/etymologische Argument 146
5. Die Polemik gegen das typologische/symbolische Argument 148
a. Die „unerhörten" Typologien der Byzantiner 149
b. Die biblische Typologie von Gesäuertem und Ungesäuertem 153
c. „Non significat, sed est": Die eucharistische Realpräsenz 157

B. Das Problem der Wasserbeimischung 161


1. Unterschiede in der Wasserbeimischungspraxis bei Griechen, Armeniern
und Lateinern 161
2. Anselm von Havelberg und der Ursprung des Irrtums über die
Wasserbeimischung 172
3. Das Problem der Wasserbeimischung in der lateinischen Theologie
des 12. und des 13. Jahrhunderts 188
a. Das Thema der Wasserbeimischung ohne Bezugnahme auf die Griechen 188
b. Die lateinische Erörterung des angeblichen Fehlens der Wasserbeimischung
bei den Griechen 192

C. Der Taufformelstreit 199


1. Der Konflikt um die Taufformel 1231/32 199
2. Byzantinische Schriften zur Taufformel 204
3. Die lateinische Diskussion der Taufformel 207
a. Das Problem der Zugehörigkeit der Worte „Ego te baptizo" zur Substanz
der Taufformel 207
b. Die griechische Taufformel bei hochscholastischen Autoren 212
Inhalt

Zweiter Teil
Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche:
Im Spannungsfeld zwischen „Zurückführung" und Union

D. Die politische Dimension 221


I. Die Zeit vor 1204 223
1. Die Zeit nach dem Konflikt von 1053/54 bis 1099 223
2. Von der Entstehung des Schismas in den Patriarchaten von Jerusalem und
Antiocheia in den Jahren 1099/1100 bis 1204 234

II. Die Zeit nach 1204 247


1. Von der Eroberung Konstantinopels 1204 durch die Kreuzfahrer
bis 1261 247
a. Die Gründung des lateinischen Patriarchates von Konstantinopel 247
b. Papst Innozenz III 248
c. Kontroversgespräche mit den Griechen 259
d. Die Mendikanten und die Gespräche von Nikaia/Nymphaion 1234 263
e. Kulturelle Spannungen: Das ,,Azymenrnartyrium" von Zypern und
andere Fälle 281
2. Von der Wiederherstellung der griechischen Herrschaft in Konstantinopel
1261 bis zum Zerfall der Kreuzfahrerstaaten um 1300 287

E. Die Reflexion der Lateiner 303


Einleitung: Problemfelder und Fragestellungen der theologischen
Auseinandersetzung mit der ostkirchlichen Eigenart 303

I. Theoretische Zugänge zur ostkirchlichen Eigenart 308


1. Das ekklesiologische Problemfeld 308
2. Das sakramententheologische Problemfeld 314
a. Die Analyse des sakramentalen Zeichens 314
b. Ekklesiologische Voraussetzungen des sakramententheologischen Urteils 318
c. Welcher Brauch ist „besser"? 322
3. Das kirchengeschichtliche Problemfeld 325

II. Wie soll die rituelle Eigenart der Ostkirche gehandhabt werden? 335
1. Drei Modelle: Mißbilligung, Duldung, Anerkennung 335
2. Die Schriften von 1053/54 zwischen Anerkennung und Mißbilligung 336
3. „Unterschiedliche Gewohnheiten - ein Glaube": Patristische und
kanonistische Grundlagen 340
4. „Potest, sed non debet": Das Mißbilligungsmodell 346
10 Inhalt

5. „Quantum cum Domino possumus sustinendo": Das Duldungsmodell 353


6. „Diversa, non adversa": Das Anerkennungsmodell 357
a. Die „Zauberformel" des 12. Jahrhunderts 357
b. Die Multiformität des Ordenslebens und die rituelle Eigenart der Ostkirche 360
c. Ein Höhepunkt des scholastischen Anerkennungsgedankens:
Thomas von Aquin 368

NACHWORT 373

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 383
QUELLEN-UND LITERATURVERZEICHNIS 385
1. Quellen 385
a. Lateinische Quellen 385
b. Griechische Quellen 390
c. Altslavische Quellen 393
2. Literatur 393
NAMENSVERZEICHNIS 419
Einleitung

An non putandi sunt isti et quamplures alii testimonio fidei probati


fiiisse de unitate Ecclesiae, qui licet una fide, tarnen diversis modis
vivendi et diverso sacrificiorum ritu unum Deum coluerunt?

ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon I, 3

Τοις οΰν έχέφροσι πάντα ορθά, τοις δε μη τοιούτοις σκάνδαλόν τε


καΐ πρόσκομμα.

THEORIANOS, Brief an die Priester in Oreine

Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erfuhr die konfessionelle Landkarte des
Weltchristentums eine bemerkenswerte Veränderung. Man wurde Zeuge der Rückkehr
der katholischen Kirchen des byzantinischen Ritus, der sogenannten „griechisch-
katholischen" oder „unierten" Kirchen, in das öffentliche Leben und Wirken Osteuro-
pas. Nach mehr als vierzig Jahren Verfolgung und illegaler Existenz unter kommunisti-
scher Herrschaft gewannen diese kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verbotenen und
gewaltsam in die orthodoxen Verwaltungsstrukturen eingegliederten Kirchengemein-
schaften in den neuen postkommunistischen Staaten Europas einen offiziell anerkannten
gesellschaftlichen Status. Dank dieser jüngsten Entwicklung wird heute auch dem „la-
teinischen" Westen mit neuer Aktualität bewußt, daß es Millionen von Gläubigen in
„nicht-lateinischen" Ortskirchen gibt, die sich als Teil des byzantinischen Erbes und
zugleich als der katholischen Kirche zugehörig verstehen. Dadurch entdeckt man wie-
der eine alte, aber im westlichen Kulturkreis kaum mehr bewußte Wahrheit, daß näm-
lich „Katholisch-Sein" nicht mit „Lateinisch-Sein" identisch ist. Man wird dadurch an
eine grundlegende Eigenschaft der katholischen Kirche erinnert, die sich als Gemein-
schaft kultureller Vielfalt konstituiert, als eine Gemeinschaft von „Ritus-Kirchen", die
in ihrem Glauben und in ihrer Anerkennung des Bischofs von Rom als des Oberhauptes
der Weltkirche einig sind, sich aber in kultureller Hinsicht voneinander unterscheiden.
Die Frage, inwieweit die Vielfalt in der Kirche mit der Einheit vereinbar ist, - im
Grunde die Frage nach der Toleranz gegenüber fremden Kulturformen - erwies sich im
Laufe der Kirchengeschichte als kein leichtes Problem. Die Vorstellungen über die
12 Einleitung

zulässigen Grenzen und die Tolerierbarkeit der kulturellen Vielfalt waren in der Kirche
in ihren verschiedenen Epochen und Kontexten recht unterschiedlich. Letzteres wird in
besonderer Weise durch die Geschichte der Spannungen und Spaltungen zwischen dem
lateinischen Westen und dem byzantinischen Osten seit dem Mittelalter bestätigt. Gera-
de die kulturelle Verschiedenheit spielte bei diesen Spannungen eine gewichtige Rolle
und wurde bisweilen zum Hauptfaktor der gegenseitigen Entfremdung. Den Kirchen-
gemeinschaften, die voneinander abweichende Riten und Gewohnheiten pflegten, ging
allmählich das Bewußtsein verloren, ein und derselben Kirche anzugehören. Einen be-
sonders empfindlichen Bereich stellte dabei die sakramentale Praxis dar: Kleinste Di-
vergenzen im Ritenvollzug der Sakramente boten bisweilen einen Anlaß zu gegenseiti-
gen Vorwürfen und nährten Intoleranz. Die Streitigkeiten und Kontroversen, die auf
diesem Boden entstanden waren, forderten das Selbstbewußtsein der Kirchen sowohl im
Osten als auch im Westen heraus und regten die kirchlichen Entscheidungsträger und
Theologen an, nach Modellen zu suchen, die Differenzen zu bewältigen.
Unaflde - diver so ritu („Im einen Glauben, in der Verschiedenheit der Riten"): Mit
dieser im 12. Jahrhundert geprägten Formel versuchte man immer wieder bis in die
frühe Neuzeit, in Form von „Kirchenunionen" das Schisma zwischen der lateinischen
und der östlichen Christenheit zu heilen. Man bemühte sich, die gegenseitige Intoleranz
in Kulturfragen dadurch zu überwinden, daß man sich bereit erklärte, unterschiedliche
rituelle und disziplinäre Kulturformen im Rahmen der einen, vom römischen Papst
geleiteten und in der Einheit des Glaubens stehenden Kirche zuzulassen und anzuerken-
nen. Man meinte, der Wunsch, die Eigenart der Ostkirche unangetastet zu lassen, müßte
eine Versöhnung zwischen den Kirchen erleichtern und ihre Einigung ermöglichen. Das
Prinzip unafide - diverso ritu bildete eine der wichtigsten theologischen Grundlagen,
auf denen das Phänomen der „linierten" Kirchen entstand und bis heute nachwirkt.
Das Wort „Kirchenunion", unio ecclesiarum, wurde erst in der Neuzeit zum festen
Begriff, den man auf historisch fixierte Ereignisse wie die „Union von Lyon" 1274, die
„Union von Florenz" 1439, die „Union von Brest" 1596, die „Union von Uzgorod"
1646 usw. anwendet. Man hat jedoch bereits seit dem 13. Jahrhundert die Ausdrücke
wie unio Graecorum, unio Armenorum usw. gebraucht, um die Wiederherstellung der
Einheit der jeweiligen Ostkirche mit Rom zu bezeichnen, wenn auch meist andere Aus-
drücke wie reduetio oder reversio im Gebrauch waren. Erst auf dem Konzil von Florenz
im Jahre 1439 setzte sich unio als Fachterminus für die Versöhnung der Kirchen durch.
In den Dokumenten des Konzils begegnet sogar der Ausdruck „die heilige Union" {unio
saneta, ή άγια ενωσις)1. Für die Begriffsbildung wurde dadurch zweifellos ein entschei-
dender Schritt getan. Theorie und Praxis der Kirchenunionen mit der Ostkirche hinge-
gen waren von Anfang an umstritten. Die Hauptforderung aller Unionen an die östliche
Seite, den Primat des römischen Papstes und seine Jurisdiktion auch über die Patriar-
chate des Ostens anzuerkennen, stößt bei den orthodoxen Kirchen auf heftige Ableh-

1 COD/DÖKII521.
Einleitung 13

nung. Zugleich ruft die Tatsache, daß der Abschluß der Unionen eng mit politischen
Interessen und Machterwägungen der beteiligten Parteien verwoben war, Kritik hervor.
Es wird auch darauf hingewiesen, daß die in der Theorie versprochene Bewahrung der
kulturellen Vielfalt in der Praxis oft nicht eingehalten wurde, was eine schleichende
Latinisierung der mit Rom unierten Kirchen zur Folge hatte. Die Probleme und Schat-
tenseiten der historischen Unionen werden dabei anachronistisch an der Meßlatte mo-
derner ökumenischer Ideale gemessen und beurteilt. Die „Kirchenunion" erscheint in
dieser Sicht als negativer Gegenpol zur „Ökumene" und zum „ökumenischen Dialog"
im modernen Sinne. Theorie und Praxis der Unionen werden daher im heutigen Dialog
zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche oftmals als „Uniatis-
mus" bezeichnet2. Dieser bewußt abwertende Ausdruck bleibt inhaltlich recht vage und
verstellt den Blick auf eine unvoreingenommene und historisch angemessene Bewer-
tung der vergangenen Ereignisse und der leitenden Ideen jener Kirchenunionen. Die
gewichtige Rolle, die die theologische Grundlegung der Kirchenunionen für die Bewäl-
tigung der Kulturdifferenzen in der Kirchengeschichte gespielt hat, wird im heutigen
zwischenkirchlichen Dialog vernachlässigt, und nicht selten tendenziös interpretiert. Es
wird kaum darauf geachtet, daß die Unionsidee für das Mittelalter und die frühe Neuzeit
in vielerlei Hinsicht eine Funktion erfüllte, die der gegenwärtigen ökumenischen Idee
und Praxis an Bedeutung nicht nachsteht. Das, was heute unter dem großen Problem-
kreis „Ökumene" behandelt wird, sah man damals unter dem Gesichtspunkt der „Uni-
on", der Wiedervereinigung der Kirchen. Der Unionsgedanke stellt somit einen der
frühesten Versuche des westlichen Denkens dar, sich mit der interkulturellen Proble-
matik und mit den Fragen der christlichen Einheit auseinanderzusetzen.
Die vorliegende Arbeit versteht sich als eine Studie zur Entstehung des Unionsge-
dankens. Unter dem Ausdruck „Unionsgedanke" wird im Folgenden die Gesamtheit
jener theologischen Prinzipien und Ideen subsumiert, die den Unionsversuchen des
Westens mit der Ostkirche im Mittelalter und in der frühen Neuzeit zugrunde lagen.
Dabei handelt es sich nicht nur um jenes theologische Gut, das den historisch konkreten
Texten der bekannten zwischenkirchlichen Unionsvereinbarungen entnommen werden
kann, sondern auch um das zeitlich und räumlich divergierende geistige Umfeld, auf
dessen Hintergrund sich die Verständigung zwischen Ost und West abspielte und das
die Unionsvereinbarungen theologisch vorbereitete. Mit dem Begriff „Ostkirche" meine

Seit der 6. Vollversammlung der Dialogkommission der katholischen und der orthodoxen Kirche in
Freising im Juni 1990 wird im Rahmen des orthodox-katholischen Dialogs auf Verlangen der or-
thodoxen Seite ausschließlich das Thema „Uniatismus" diskutiert, s. das Freisinger Dokument in:
Una Sancta 45 (1990) 327-329. Die Ergebnisse dieser Diskussionen schlugen sich vor allem in
dem Dokument nieder, das im Juni 1993 in Balamand, Libanon, verabschiedet wurde: Uniatismus -
eine überholte Unionsmethode - und die derzeitige Suche nach der vollen Gemeinschaft:, deutscher
Text in: Una Sancta 48 (1993) 256-263. Das Wort „Uniatismus" scheint ein aus dem Westen
stammender unierter Theologe Cirillo Korolevskij (Francois Charon) im ersten Drittel des 20. Jahr-
hunderts geprägt zu haben, s.: KOROLEVSKIJ [CHARON], Uniatisme (1927).
14 Einleitung

ich im Folgenden vor allem die griechische Kirche im byzantinischen Reich sowie ihre
„Tochter-Kirchen" in den süd- und ostslavischen Ländern wie Bulgarien, Serbien und
die Kiever Rus', deren Gläubige in der lateinischen theologischen Literatur mit der
Sammelbezeichnung „die Griechen", Graeci, zusammengefaßt wurden3. Die Problema-
tik der Unionen mit den altorientalischen Nationalkirchen, die infolge der Kirchenspal-
tungen auf den Konzilien von Ephesos 431 und von Chalkedon 451 entstanden sind,
bildet einen eigenen Bereich und bleibt daher im Folgenden außer Betracht. Eine Aus-
nahme werden die Armenier sein, deren rituelle Eigenart eine gewisse Rolle für die
lateinische Diskussion einiger griechischer Bräuche spielte. Die Arbeit konzentriert sich
auf die früheste Phase der Geschichte des Unionsgedankens, deren Anfang der Aus-
bruch des Azymenstreites in dem Konflikt zwischen Papst Leo EX. und dem konstan-
tinopolitanischen Patriarchen Michael Kerullarios von 1053/54 markiert und an deren
Ende das Scheitern der sogenannten „Union von Lyon" 1274, der frühesten aller be-
kannten „Unionen" mit den Griechen, und der Verfall der Kreuzfahrerstaaten im Nahen
Osten um 1300 steht. Streng genommen kann man von einem „Unionsgedanken" im
Mittelalter erst dann sprechen, wenn eine klar vollzogene Kirchenspaltung zu Bewußt-
sein gekommen ist, die es zu überwinden gilt. Solch ein Bewußtsein setzte sich in der
lateinischen Kirche erst am Anfang des 13. Jahrhunderts vollends durch. Jedoch war
man sich im Westen bereits in der zweiten Hälfte des 11. und im 12. Jahrhundert durch-
aus der Ungereimtheiten, Konflikte, Streitigkeiten und Kontroversen zwischen den
Kirchen im klaren und um ihre Lösung besorgt, weshalb man schon zu jener Zeit ge-
wisse theologische „Vorarbeiten" zum Unionsgedanken beobachten kann. Diese frühe-
ste Phase ist aber auch die grundlegende, die unter anderem zur Formulierung des Prin-

Ein sprechender Beleg für diese umfassende Bedeutung des Wortes Graeci im lateinischen Hoch-
mittelalter begegnet etwa bei dem Dominikanermissionar Ricoldo von Montecroce (*ca. 1243,
f 1320). Ricoldo teilt die christlichen Völker des Ostens in drei Gruppen ein: Die Nestorianer (Ne-
storini) und die Jakobiten (Iacobini: eine für jene Zeit übliche Bezeichnung für die Monophysiten)
seien „christiani sed haeretici"; die Griechen (Graeci) dagegen seien den Lateinern im Glauben und
in den Sitten „sehr ähnlich". Der Streit zwischen Lateinern und Griechen ist Ricoldo zufolge im
Grunde genommen nicht theologischer, sondern kirchenpolitischer Art. Auf die drei genannten Be-
zeichnungen, deren Sinngehalt in gewisser Hinsicht mit den modernen „Konfessionen" vergleich-
bar ist, reduziert sich für den dominikanischen Orientfachmann des frühen 14. Jahrhunderts die
ganze Vielfalt der christlichen Völker des Ostens. So zählen zu den Iacobini „Armenier" und
„Kopten", zu den Graeci aber neben den ethnischen Griechen auch „Russen", „Ruthenen", „Geor-
gier", „Alanen" und „Iberer". RICOLDO VON MONTECROCE, Libellus ad nationes orientales, ed. cit.
168: „Sunt praeterea in partibus orientis quedam alie secte vel nationes de quibus non oportet
facere specialem mentionem sive tractatum quia reducuntur ad predictas. Sunt namque armeni sed
hü sunt jacobini <...> Sunt etiam copti <...>, et hü sunt similiter jacobini. <...> Sunt etiam
georgiani, russi, yberi, alani, ruteni. Isti omnes modo pro maiori parte sunt greci". Zu Ricoldo s.:
A. DONDAINE, Ricoldiana. Zu Bedeutungen unterschiedlicher Völkernamen in der lateinischen Li-
teratur des Mittelalters sowie zu Ricoldo s. auch: VON DEN BRINCKEN, Die Nationes christianorum
orientalium.
Einleitung 15

zips unafide - diverso ritu entscheidend beigetragen hat. Die späteren Unionsversuche,
- darunter auch der Höhepunkt aller mittelalterlichen Unionsbemühungen, die Union
von Florenz 1439, - basierten auf den Lösungen und Modellen, die bereits in jener frü-
heren Zeit entwickelt wurden; auch hat man aus den Fehlern und Mißerfolgen von einst
Lehren gezogen. Wenn ich das bislang kaum benutzte Wort „Unionsgedanke" verwen-
de und damit die eben skizzierten Inhalte verbinde, ist damit auch eine historisch kor-
rekte Abgrenzung und Distanzierung von im gegenwärtigen ökumenischen Dialog herr-
schenden Werturteilen angestrebt. Diese Arbeit versteht sich als streng
theologiegeschichtliche Studie - auch wenn der Verfasser der Überzeugung ist, daß die
Ergebnisse der Untersuchung nicht ohne Relevanz für das aktuelle ökumenische Ge-
spräch sind.
Der Unionsgedanke bildete sich heraus als Bewältigung jener Herausforderung, die
die Eigenart der Ostkirche und die damit verbundenen Konflikte und Polemiken her-
vorgerufen haben. Dabei stellten die Fragen des ostkirchlichen Sakramentenritus nur
einen Aspekt der Unionsproblematik. Das Schwergewicht des Unionsgedankens lag
zweifellos im Bereich der Ekklesiologie und der Kirchenverfassung und gipfelte in der
Frage des päpstlichen Primats. Eben diese letztere Frage begleitete gleichsam wie ein
Schatten alle übrigen Konflikte und Streitigkeiten; von ihrer Lösung hing auch die Re-
flexion und das Vorgehen in anderen Bereichen ab. Den Bereich der Dogmatik be-
herrschte in der Zeit 1053-1300 vor allem die Frage nach dem Hervorgang des Heiligen
Geistes, die sog. Filioque-Frage, der wohl berühmteste aller dogmatischen Kontrovers-
punkte zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche überhaupt. Im 13. Jahr-
hundert kam eine weitere dogmatische Kontroverse hinzu, und zwar das Problem der
Existenz des Fegfeuers, eine Frage, die zum ersten Mal 1235/36 diskutiert wurde. Im
disziplinären Bereich stießen die Lateiner auf die bei den Byzantinern praktizierte Zu-
lassung verheirateter Kleriker zu den höheren Weihen sowie auf die Firmpraxis, da in
der Ostkirche das Sakrament auch von einfachen Priestern gespendet wird und nicht
ausschließlich den Bischöfen vorbehalten ist. All diese Streitfragen aus dem dogmati-
schen und dem disziplinären Bereich haben ihre eigene Rolle in der Entwicklung des
Unionsgedankens gespielt. Jedoch waren für die Formierung des Prinzips unafide -
diverso ritu die Fragen des Ritenvollzugs der Sakramente, und besonders der beiden
wichtigsten Sakramente der christlichen Kirche, Taufe und Eucharistie, entscheidend.
Dementsprechend steht die Sakramententheologie und -praxis, insbesondere soweit sie
die beiden genannten Sakramente betrifft, im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit.
Die Diskussion über die rituelle Eigenart der Ostkirche konzentrierte sich in der la-
teinischen Theologie auf folgende drei sakramentale Bräuche:
(1) Die griechische Praxis der Zelebration mit gesäuertem Brot, während die lateini-
sche Kirche die Eucharistie mit ungesäuertem Brot feierte. Dies gab den Anlaß zum
sogenannten „Azymenstreit", der in den Jahren 1053/54 ausbrach.
(2) Die vermeintlich griechische, in Wirklichkeit aber armenische Praxis der Nichtbei-
mischung des Wassers bei der eucharistischen Gabenbereitung. Dieses Thema
16 Einleitung

tauchte um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf; seine Diskussion in der lateinischen
Theologie verdankt sich einer Verwechslung der griechischen Eigenart mit der ar-
menischen.
(3) Der griechische Wortlaut der Taufformel, der von der lateinischen Formel diver-
gierte. Während die lateinische Kirche die Formel „Ich taufe dich im Namen des
Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" gebrauchte, taufte man in der
griechischen Kirche mit den Worten „Es wird der Knecht (bzw.: die Magd) Gottes
N. im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft". Der
unpersonale Ausdruck des Taufaktes sowie das Fehlen des expliziten Hinweises auf
den Taufspender wurden von den Lateinern als problematisch wahrgenommen. Der
Streit um diese Frage brach im Jahre 1231 aus.
Im ersten Teil der Studie {Die ostkirchliche Herausforderung: Konflikte und Polemiken
um die Fragen des Ritus) wird der historische Ablauf der drei genannten Kontroversen
mit den jeweiligen Argumentationen und Gegenargumentationen im Einzelnen verfolgt.
Im zweiten Teil der Arbeit {Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche: Im
Spannungsfeld zwischen „Zurückführung" und Union) wird versucht, einen Überblick
über die Bewältigung dieser Problematik, zunächst in der Kirchenpolitik, dann aber in
der eigentlichen Theologie zu verschaffen und die Modelle zu diskutieren, die zur Lö-
sung der drei Streitfragen vorgeschlagen und angewendet wurden. Es wird sich im Lau-
fe der Untersuchung zeigen, daß sich die gesamten kirchenpolitischen und theologi-
schen Beziehungen zwischen Ost und West im Hochmittelalter in gewisser Hinsicht
stets um die Streitfragen des Ritus drehten. Mögen auch aus „moderner" Sicht die drei
genannten Problemkreise als gänzlich unbedeutend, ja kleinlich erscheinen, so besaßen
sie für den zwischenkirchlichen Diskurs im Mittelalter nicht weniger Gewicht als dog-
matische, ekklesiologische und politische Kontroversen. Mit der Aufklärung wurde es
unter Historikern üblich, sich über die rituellen Streitfragen als baren Unsinn, einer
soliden Betrachtung unwürdig, zu mockieren oder sie ebenso hilf- wie verständnislos zu
beklagen4. Spätestens seit Husserl, besonders aber seit der Rezeption seiner Ideen bei
Soziologen wie Alfred Schütz, gelten jedoch den Humanwissenschaften auch „kleinli-

Mit folgenden im Geist der Epoche verfaßten elegischen Distichen eröffnete ζ. Β. der evangelische
Pastor und Theologe Johann Gottfried Hermann seine 1737 in Leipzig erschienene Studie über die
Geschichte des Azymenstreites (HERMANN, Historia concertationum):
„Semina fermenti fermentum gignit et äuget:
Pabula dissidii panis amicus habet.
Turbida sie puro naseuntur flumina fönte:
Datque malis magnis ianua parva viam.
Detege vela, precor, rerumque hie perspice causas.
Hie hominum mores ingeniumque dole".
Vgl. die bei Edward Gibbon (*1737, f 1794) üblichen abschätzigen Äußerungen über die
dogmatischen und liturgischen Kontroversen zwischen Lateinern und Byzantinern, s. ζ. Β. für unser
Thema: GIBBON, The Decline and Fall ΙΠ 2103-2104.
Einleitung 17

ehe" Dinge, wie alltägliche Gewohnheiten und Interaktionsrituale, für höchst untersu-
chenswert5. Solche aus den modernen Sozialwissenschaften stammende Zugänge sind
daher für das Verstehen der mittelalterlichen Geisteswelt bisweilen besser geeignet als
manch gewohnter Blick aufklärerischer Prägung6. Ein ähnlicher Perspektivenwechsel
kann zweifelsohne auch für Theologiegeschichte fruchtbar sein . Hinter den für den
heutigen Menschen schwer nachvollziehbaren mittelalterlichen Streitigkeiten um De-
tails des Ritenvollzugs verstecken sich bisweilen lebenswichtige Probleme der gegen-
seitigen Verständigung. In den verwickelten Nuancen der diesbezüglichen theologi-

5 Zur Bedeutung des deutsch-amerikanischen Soziologen Alfred Schütz (*1899, f 1959) für die
Erforschung der gesellschaftlichen Gewohnheitswelt s. zusammenfassend die Einleitung Thomas
Luckmanns in: SCHÜTZ, Das Problem der Relevanz (1971) 7-23. Grundlegend für das wissen-
schaftliche Verstehen solcher Themen wie die unsere s.: SCHÜTZ, Collected Papers I 287-356.
Schütz selbst führte seine Methode auf die transzendentale Phänomenologie Edmund Husserls zu-
rück, s.: ebd., 1118-139. Vgl. die Erforschung unterschiedlicher Formen der Rituale und des ritua-
lisierten Verhaltens, die in den letzten zwei Jahrzehnten bei Religionswissenschaftlern, Ethnologen,
Soziologen und Sprachwissenschaftlern besonders intensiv betrieben wird, s. ζ. Β.: Ronald GRIMES,
Beginnings in Ritual Studies (Columbia, South Carolina '1982, 2. rev. Ed.: 1995); Iwar WERLEN,
Ritual und Sprache (Tübingen 1984); Frits STAAL, Rules without Meaning (New York u. a. 1989);
Caroline HUMPHREY / James LAIDLAW, The Archetypal Actions of Ritual (1994); Jan PLATVOET /
Karel Van der TOORN (Hg.), Pluralism and Identity. Studies in Ritual Behavour (Leiden / New
York / Köln 1995); Catherine BELL, Ritual. Perspectives and Dimensions (New York / Oxford
1997). Dt. Übersetzungen einiger wichtigster Aufsätze s.: Andrea BELLIGER / David J.
KRIEGER (Hg.): Ritualtheorien (Opladen / Wiesbaden 1998).
6 Dies haben in der Geschichtswissenschaft hinreichend die „Annalisten" demonstriert, s. zusammen-
fassend: Peter BURKE, Offene Geschichte. Die Schule der „Annales " (Berlin 1991).
7 Ungeachtet der blühenden Entwicklung der Liturgiewissenschaft als historischer Disziplin gilt es
darauf hinzuweisen, daß die theoretische Reflexion über Natur, Funktion und Gesetze des Rituals
in der zeitgenössischen Theologie - trotz einiger wichtiger Anstöße wie etwa noch der Odo Casels
(*1886, f 1948; s. grundlegend: CASEL, Das christliche Kultmysterium, Ί932) - den historischen
Entdeckungen immer noch weit hinterherläuft. Eine Einladung zum Dialog zwischen Theologie
und Ritualtheorie (s. Anm. 6) findet sich in: JENNINGS, Ritual Studies and Liturgical Theology
(1987). Der Autor zieht eine Parallele zwischen der Entstehung der Ritualforschung in den
Sozialwissenschaften einerseits und der Formierung der sog. „liturgischen Theologie" (engl.
liturgical theology, Lehnübersetzung aus dem Russischen „HHTyprtPiecKoe öorocuoBHc") unter
dem Einfluß vor allem des amerikanischen orthodoxen Theologen russischer Abstammung Alexan-
der Smeman andererseits, s. bes.: SMEMAN, Vvedenie (1961). Jene Theologen, die in diesem Gebiet
Pionierarbeit leisteten, entwickelten ihre Ansichten in intensiver Auseinandersetzung mit der
religionsphilosophischen und -soziologischen Erforschung des Rituals, wie etwa noch der russisch-
orthodoxe Theologe Pavel Florenskij (*1882, f 1937) in seinen hervorragenden, 1917-1922
entstandenen und erst seit den 70-er Jahren aus seinem Nachlaß stückweise veröffentlichten
Vorlesungen zur Theologie des Kultes, s.: FLORENSKIJ, IZ bogoslovskogo nasledija (1978); DERS.,
Ikonostas (1972); DERS., Filosoflja kul'ta (1991).
18 Einleitung

sehen Kontroversen verbirgt sich eine teils scharfsinnige Diskussion über grundlegende
Fragen der interkulturellen Kommunikation.
Die lateinische Diskussion strittiger Fragen des Ritus begann in der polemischen Li-
teratur des 11. Jahrhunderts. Über die systematischen Werke der Früh- und Hochschola-
stik, die auf dieses Material zurückgriffen, wurde die Frage nach der Ritusdifferenz ein
fester Bestandteil der scholastischen Sakramententheologie überhaupt. In der Regel
wurde die ostkirchliche sakramentale Praxis im Rahmen des Sakramententraktats als
reale bzw. hypotethische Abweichung von der Norm des Sakramentenvollzugs be-
trachtet. Die vorliegende Studie wird daher die Entstehung des Unionsgedankens nicht
nur anhand der für die Problematik grundlegenden und unabdingbaren polemischen
Literatur sowie der diesbezüglichen päpstlichen Verlautbarungen verfolgen, sondern
auch anhand der systematischen Sakramententheologie, angefangen bei den frühschola-
stischen Sentenzensammlungen und Summen bis hin zu den Quästionensammlungen,
Sentenzenkommentaren und Summen der Hochscholastik8. Diese Akzentuierung hat
ihre Gründe: Die scholastische Systematik vermittelte den allgemeingültigen Fundus
des theologischen Wissens und Könnens und prägte dadurch das Bewußtsein des gebil-
deten Menschen des westlichen Mittelalters entscheidend. Aus Vorlesungen und Dis-
putationen ihrer magistri schöpften die damaligen Studenten und zukünftigen Weltprie-
ster und Ordensleute, Prälaten und Professoren ihre theologischen Grundkenntnisse,
aber auch die Allgemeinplätze über die Ostkirche. Die scholastischen Ansätze konnten
also nicht ohne gewichtige Folgen für das Verhalten der abendländischen Welt gegen-
über der Ostkirche bleiben. In entscheidendem Maße wurde durch die scholastische

8 Zur inhaltlichen Klärung des Begriffes „scholastische Theologie" s. neuerdings: SCHÖNBERGER,


Was ist Scholastik? (1991); LEINSLE, Einführung (1995) bes. 1-15. Grundlegend für die methodo-
logische Erforschung der Scholastik bleibt nach wie vor die klassische Studie von Martin
GRABMANN, Geschichte der scholastischen Methode (1909-1911), s. bes. seine klassische Definiti-
on der scholastischen Methode: I 36-37. Der Begriff „Scholastik" umfaßt eine vielseitige, komple-
xe Realität, die sich auf eine lange Zeitspanne von den Anfängen in den 11.-12. Jahrhunderten
durch das Hoch- und Spätmittelalter bis in die Neuzeit erstreckt sowie in mehreren Literaturgattun-
gen ihren Ausdruck findet. Über die genaue Abgrenzung des Begriffes gibt es bei zeitgenössischen
Forschern keine Einstimmigkeit; manche Forscher sind sogar der Ansicht, daß auf den Begriff
„Scholastik" grundsätzlich zu verzichten sei (so FLASCH, Einführung 38). Die vorliegende Untersu-
chung geht demgegenüber von der gewissen methodischen Einheitlichkeit systematischer Theolo-
gie in der Zeit vom 12. bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert aus, in Anlehnung an CHENU, Art.
Scholastik in: HthG IV 35-51; DE RIJK, La philosophie au Mqyen Äge (1985) 20-21, und andere.
Im Folgenden konzentriert sich die vorliegende Darstellung auf die Texte, die unbestritten den
„Grundstock" der theologischen Scholastik bilden, und zwar auf die theologische Systematik wie
Sentenzensammlungen (Sententiae) und Summen (Summae) aus der frühscholastischen Zeit sowie
Summen und Kommentare zu den Sentenzen des Petrus Lombardus aus der Zeit der Hochschola-
stik. Quaestiones disputatae und Quaestiones quodlibetales werden beschränkt herangezogen; an-
dere Gattungen der theologischen Produktion der Scholastiker wie Bibelkommentare, Predigten
usw. bleiben mit wenigen Ausnahmen außer Betracht.
Einleitung 19

Problemstellung und -lösung auch die päpstliche „Ostpolitik" beeinflußt. Dies läßt sich
gut am Beispiel der großen mittelalterlichen Konzilien wie des Lateranense IV, des
Lugdunense II sowie des Florentinums ablesen, deren Beschlüsse über die Ostkirche
ohne die Vorbereitungsarbeit der scholastischen Theologie undenkbar gewesen wären.
Mehr noch: Mit gutem Grund darf man die Entstehung des Unionsgedankens und die
Bildung des Prinzips unafide - diverso ritu als eine typische Leistung der scholasti-
schen Rationalität ansehen.
Auch wenn das Hauptaugenmerk der vorliegenden Studie auf das lateinische Mittel-
alter gerichtet ist, ist es selbstverständlich nicht möglich, ohne Kenntnisse der byzanti-
nischen Argumentation gegen die Lateiner zum Verständnis der lateinischen Haltung
zur ostkirchlichen Eigenart zu gelangen. Daher werden wir auch die byzantinische und
altslavische polemische Literatur möglichst eingehend heranziehen und diskutieren. Als
Ergebnis des Vergleichs zwischen dem lateinischen und dem byzantinischen Material
wird man einige fundamentale Unterschiede in der Haltung zu den Fragen des Ritus bei
den Lateinern einerseits und bei den Griechen andererseits feststellen können. Dieses
Resultat wird eine merkliche „Asymmetrie" in der kirchlichen Entwicklung im Westen
und im Osten ans Licht bringen, die darin besteht, daß es im Gegensatz zur aktiven
programmatischen Unionspolitik des Papsttums in der orthodoxen Welt fast keine Ver-
suche gab, „unierte" Kirchen des lateinischen Ritus unter der Jurisdiktion der östlichen
Patriarchate zu gründen. In dieser Hinsicht erscheint der Unionsgedanke als eine vor-
wiegend westliche Erscheinung, die im Osten nur von wenigen Theologen und Kir-
chenmännern nachvollzogen wurde.
Die griechisch-lateinischen Kontroversen um die Fragen des Ritus sind seit Petrus
Arcudius und Leo Allatius im 17. Jahrhundert immer wieder Gegenstand der histori-
schen Forschung gewesen. Im 20. Jahrhundert kommt in dieser Hinsicht dem umfas-
senden Werk von Martin Jugie eine besondere Bedeutung zu9. Speziell zur Azymen-
kontroverse sind die Arbeiten von Anton Michel nach wie vor von großem Wert10. Die
bisherige Literatur zu jenen drei Streitfragen, die im Mittelpunkt der Arbeit stehen, wird
unten in den jeweiligen Kapiteln aufgelistet und ausgewertet. Es lohnt sich jedoch, an
dieser Stelle schon darauf aufmerksam zu machen, daß die theologiegeschichtliche
Forschung der letzten 50 Jahre den Streitfragen um den Ritus unverhältnismäßig wenig
Aufmerksamkeit schenkte, verglichen mit dem Gewicht, das diesen Fragen im Mittel-
alter beigemessen wurde. Während das Filioque sowie der päpstliche Primat in den
letzten Jahrzehnten mehrmals Gegenstand von Monographien und Studien wurden11,
besitzen wir aus der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg nur eine einzige Monographie zur

9 JUGTE, Theologia dogmatica christiemorum orientalium, 5 Bde. 1926-1935.


10 Aufgelistet unten, S. 50 Anm. 1.
1! So z. B. zum Filioque: HAUGH, Photius and the Carolingians (1975); MARX, Filioque und Verbot
(1977); VISCHER (Hg.), Gewi Gottes - Geist Christi (1981); PAPADAKIS, Crisis in Byzantium
(1997); STIRNEMANN / WILFLINGER (Hg.), Vom Heiligen Geist (1998); OBERDORFER, Filioque
(2001).
20 Einleitung

Azymenkontroverse, die jedoch der Komplexität ihres Gegenstandes nicht gerecht wird
und die Erforschung dieser bedeutenden griechisch-lateinischen Streitfrage kaum
voranbrachte12. Die beiden übrigen Probleme, der Taufformelstreit und die Wasserbei-
mischung, wurden bisher nur in kürzeren Zeitschriftenaufsätzen oder lediglich nebenbei
in Monographien zu anderen Themen behandelt.
Obwohl sich in der Vergangenheit zahlreiche, teils namhafte Untersuchungen mit der
Geschichte der drei rituellen Streitfragen auseinandergesetzt haben, wurde doch jene
spezielle Fragestellung, die im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht, bislang kaum
berücksichtigt. In gewisser Hinsicht gehören in unser Forschungsinteresse all jene Stu-
dien, die sich der Wahrnehmung der Ostkirche und generell des byzantinischen Ostens
im lateinischen Mittelalter widmen, wie die Arbeiten von Martin Arbagi13, B. Ebels-
Hoving14 und Anna-Dorothee von den Brincken15. Das primäre Interesse der beiden
ersten Arbeiten zielt jedoch nicht auf die Kulturproblematik, sondern auf allgemeinpo-
litische Einstellungen; die letztgenannte Studie interessiert sich zwar speziell für Kul-
turfragen, untersucht aber nicht die lateinische theologische Literatur oder päpstliche
Verlautbarungen, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die historiographische
Literatur. In der Tat findet sich in der Forschung der letzten fünfzig Jahre wohl nur eine
einzige Monographie, die in ihrer Fragestellung der unseren sehr nahe kommt. Es han-
delt sich um die in vieler Hinsicht bahnbrechende Studie von Wilhelm de Vries Rom
und die Patriarchate des Ostens, die unter Mitarbeit von Octavian Bärlea, Josef Gill
und Michael Lacko im Jahre 1963 erschien. Der zweite Teil dieser Studie, Roms Hal-
tung zur Eigenart des Ostens, ist dem gleichen Problemkreis wie die vorliegende Arbeit
gewidmet16; hier findet man einen knappen, aber inhaltsreichen Überblick zu diesem

12 SMITH, And Taking Bread {1978).


13 ARBAGI, Byzantium in Latin Eyes (1969).
14 EBELS-HOVING, Byzantium in westerse ogen (1971).
15 VON DEN BRINCKEN, Die Nationes christianorum orientalium (1973).
16 In der Einleitung skizzieren die Autoren ihre Absicht: „Es geht uns in diesem Buche nicht darum,
eine Geschichte der Union der östlichen Patriarchate mit Rom zu schreiben und im einzelnen über
die Phasen des Annäherungsprozesses und des endlichen Abschlusses der Union zu berichten.
Unser Augenmerk richtet sich vielmehr auf die mit der Existenz einer eigenständigen Ostkirche
im Rahmen der universalen Kirche gegebenen allgemeinen Probleme und auf die Art und Weise,
wie Rom diese Probleme sieht und zu ihnen Stellung nimmt. Im Grunde geht es um die Frage,
wie Einheit und Katholizität, die beide der Kirche wesentlich sind, miteinander in Einklang ge-
bracht werden können. Bedeutet Einheit notwendig Gleichheit der liturgischen Sprache, Riten und
Gebräuche, Identität des Kirchenrechts und der hierarchischen Struktur? <...> In der Auseinander-
setzung mit dem christlichen Osten stand Rom immer wieder diesen Problemen gegenüber. Es hat
sie zu verschiedenen Zeiten verschieden zu lösen gesucht Es läßt sich also eine Geschichte der
Haltung Roms gegenüber dem Osten und seiner Eigenart schreiben. Wir haben versucht, dies zu
tun" (DE VRIES, Rom und die Patriarchate 1-2).
Einleitung 21

Thema für die Zeit vom Mittelalter bis zur Gegenwart17. In der Monographie von de
Vries wird jedoch das Thema ausschließlich anhand von päpstlichen Verlautbarungen
untersucht; die systematische theologische Literatur der Lateiner - also genau das,
worauf die vorliegende Studie den Schwerpunkt legt, - bleibt ganz außer Betracht.
Man wundert sich vielleicht darüber, daß es bislang keinen historischen Überblick
über die Problematik der ostkirchlichen kulturellen Eigenart in der systematischen
Theologie der Früh- und Hochscholastik gibt. Eine Ursache dafür mag man darin er-
blicken, daß sich auch die theologiegeschichtliche Forschung, insofern sie sich den
liturgischen Riten zuwandte, bis zum II. Vatikanum weitgehend als Kontroverstheolo-
gie verstanden hat. Spätestens seit dem Tridentinum galten aber im kontroverstheologi-
schen Bereich die scholastischen, näherhin die thomistischen Ansätze und Problemlö-
sungen als unbestrittener Maßstab und verbindliche Grundlage. Man sah in der
scholastischen Kontroverstheologie eine überzeitlich gültige Weise der Auseinanderset-
zung, die keiner Revision bedürfe. Mehr noch: Die eigentliche Erforschung der ost-
kirchlichen Theologie ist gewissermaßen aus dem Geiste der Spätscholastik geboren.
Petrus Arcudius im siebzehnten Jahrhundert wie auch etwa Martin Jugie in der ersten
Hälfte des zwanzigsten waren in der Welt der Scholastik ausgebildet und mit der scho-
lastischen Methode bestens vertraut18. An einer kritischen Hinterfragung des Ursprungs
und der Entwicklung der scholastischen Problemlösungen waren sie nicht interessiert.
Es bedurfte erst der Einsicht in die historische Bedingtheit der scholastischen Methode,
um ihre Abhängigkeiten oder Schwächen, aber auch ihre Größen und Leistungen hin-
reichend würdigen zu können. Erst ab der Mitte des letzten Jahrhunderts begann die
kritische historische Erforschung scholastischer Einstellungen gegenüber der Ostkir-

17 S.: DE VKIBS, Rom und die Patriarchate 183-222.


18 Kennzeichnend ist, wie Martin Jugie in seiner Theologia dogmatica christianorum orientalium
(wie Anm. 9) die Sakramentenproblematik angeht. Die sakramentale Praxis der Ostkirche sowie
die diesbezüglichen Kontroversthemen zwischen Ost und West werden hier gänzlich nach der
Gliederung eines klassischen scholastischen Sakramententraktats behandelt: De definitione, De
institutione, De materia (remota et proxima), De forma, De charactere, De effectibus, De
ministro, usw. (s. JUGIE, Theologia dogmatica, Bd. 3). Dabei wird nicht beachtet, daß alle ge-
nannten Begriffe und Themen der lateinischen Sakramententheologie am Ursprung der meisten
sakramententheologischen Kontroversen zwischen der römischen und der byzantinischen Kirche
im 11.-13. Jahrhundert noch in der Phase der Ausgestaltung waren und erst im Tridentinum ihre
„endgültige", durch den Verfasser der Theologia dogmatica vorausgesetzte, Bedeutung bekamen,
- von der byzantinischen Theologie ganz zu schweigen, die vor Beginn der lateinischen theologi-
schen Einflüsse im 14. Jahrhundert mit diesen scholastischen Begriffen gar nichts anfangen
konnte. Ein ähnlicher Ansatz ist auch für Zeitgenossen Jugies charakteristisch; s. ζ. Β.: PALMIERI,
Theologia dogmatica orthodoxa (1911); SPÄCIL, De sacramento baptismi (1926); DERS., De SS.
Eucharistia (1928-1929); DERS., De sacra infirmorum unctione (1931); DERS., De sacramentis in
genere (1937); GORDILLO, Compendium iheologiae orientalis (1950). Zu Person und Werk des
großen griechischen in Rom ausgebildeten Gelehrten Petrus Arcudius (*1562 od. 1563, f 1633) s.:
PODSKALSKY, Griechische Theologie 156-160.
22 Einleitung

ehe19. Yves Congar steuerte wichtige Beiträge bei, aber auch bei ihm blieb das Thema
mehr oder weniger am Rande seiner Studien. Er interessierte sich vor allem für die
ekklesiologische Bewertung der Ostkirche, und dies nur bei einigen Vertretern der
Scholastik, ohne daß eine umfassende Übersicht über das Thema erreicht wurde20. Nach
dem Zweiten Vaticanum schlug das Pendel in die andere Richtung aus. Die nachkonzi-
liare ökumenisch gesinnte Erforschung der Ostkirche entwickelte geradezu eine Aversi-
on gegen die Scholastik, und man lastete ihr zuweilen die „Fehlentwicklungen" des
lateinischen Westens gegenüber dem byzantinischen Osten an21. Daß diese letztere
Haltung nicht weniger tendenziös ist und der mittelalterlichen Theologie nicht gerecht
wird, möge aus der vorliegenden Studie ebenfalls ersichtlich werden.
Indessen erzielte die Erforschung der mittelalterlichen scholastischen Theologie ge-
nerell in den letzten fünf Jahrzehnten wichtige Fortschritte. Seitdem in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts Martin Jugie, Aurelio Palmieri, Theophilus Späcil und andere
scholastisch geschulte Ostexperten ihre Studien publiziert hatten, erweiterte sich die
Quellenbasis und die Kenntnis der mittelalterlichen Theologie erheblich. Heute sieht
unser Bild von der scholastischen Systematik in vielerlei Hinsicht anders als noch vor
fünf Jahrzehnten aus. Dadurch eröffnen sich auch neue Möglichkeiten für die Ge-
schichte der ostkirchlichen Problematik. Eine ganze Reihe von scholastischen Texten,
vor allem aus der Zeit der Frühscholastik, die für die Interpretation der Ostkirche von
Bedeutung sind, liegen mittlerweilen ediert vor. Es seien hier vor allem erwähnt der
Tractatus de sacramentis des Petrus Comestor22, der Tractatus de sacramentis des Gui-
do von Orchelles23, die anonyme Summa Totus homo24, die Summa de sacramentis et
animae consiliis des Petrus Cantor25, die Glossa super quatuor libros Sententiarum und
die Quaestiones disputatae aus der vorfranziskanischen Zeit des Alexander von Haies26,

19 1933 gab Josef Geiselmann eine flüchtige Übersicht über die Einstellungen einiger scholastischer
Theologen zur Azymenfrage (GEISELMANN, Die Abendmahlslehre 65-68). Die zahlreichen Unter-
suchungen von Anton Michel enthielten zwar viele wichtige Informationen zur Herkunft des
Kontroversmaterials in der scholastischen Systematik, konzentrierten sich aber - was das westli-
che Material anbelangt - überwiegend auf Humbert von Silva Candida und seine Bedeutung für
die Vorscholastik und frühere Kanonessammlungen; s. bes.: MICHEL, Die folgenschweren Ideen;
DERS., Humbert von Silva Candida bei Gratian. Die Arbeiten von Mauricio Gordillo gehörten
geistig und methodologisch noch zur Neuscholastik; zur Interpretation der Ostkirche bei schola-
stischen Theologen s.: GORDILLO, Theologia orientalium (1960) 242-243. 271-280.
20 S. die einschlägigen Abschnitte in: CONGAR, L'ecclesiologie du haut Moyen-Age (1968), bes.
319-393; DERS., Die Lehre von der Kirche (1971); DERS., Zerrissene Einheit (1959).
21 Ein sprechendes Beispiel bietet das Buch von Ηοτζ, Sakramente (1979), bes. 13-14. 80-86. •
22 Hg. von R.M. Martin (1937).
23 Hg. von Damien und Odulf Van den Eynde (1953).
24 Hg. vonH. Betti(1955).
25 Hg. von J.-A. Dugauquier (1954-1967).
26 Hg. von dem Bonaventura-Collegium in Quaracchi (1957 und 1960).
Einleitung . 23

die Quaestiones de sacramentis des Wilhelm von Militona27, die Traktate des sog.
„Normannischen Anonymus"28, die Summa Zwettlensis des Peter von Wien29, die
Quodlibeta quattuor des Roger Marston30. Die einflußreiche Summa aurea des Wilhelm
von Auxerre ist erstmals kritisch ediert31. In grundlegend neuen kritischen Editionen
sind weiterhin die für das Thema unerläßlichen Werke Theologia 'Summi boni' und
Theologia 'Scholarium' des Peter Abaelard32, die Sententiae des Petrus Lombardus33,
die Ordinatio und die Lectura zu Distinktion 11 des ersten Sentenzenbuches über den
Hervorgang des Heiligen Geistes des Johannes Duns Scotus34 erschienen. Alle diese
Werke enthalten beachtenswerte Stellen, an denen sich die Autoren mit der Eigenart der
Ostkirche auseinandersetzen. Die Möglichkeiten, die diese neueren Ergebnisse der
theologischen Mediävistik bieten, wurden bisher von der Erforschung der ostkirchli-
chen Problematik kaum wahrgenommen35.
Der umfassende Anspruch dieser Studie ließe sich nicht realisieren, ohne eine gewis-
se Selektion des Quellenmaterials vorzunehmen. So habe ich mich für eine Untersu-
chung ausschließlich der gedruckten Quellen entschieden, näherhin handelt es sich um
ca. 60 lateinische theologische Werke, ca. 20 päpstliche Dekretalien und Konzilsdoku-
mente und ca. 40 griechische und altslawische Schriften, wobei das Spektrum der unter-
suchten Literatur sehr weit reicht: von aus aktuellem Anlaß geschriebenen Briefen über
kurze polemische Pamphlete bis hin zu umfangreichen systematischen Quästionen-
sammlungen und Summen. Dabei sind, wie bereits gesagt, viele der hier untersuchten
lateinischen Texte bisher noch nie zur Erforschung der ostkirchlichen Problematik her-
angezogen worden. Aufgrund der Entscheidung, ausschließlich gedruckte Quellen zu

27 Hg. vonC. PianaundG. Gäl(1961).


28 Hg. von Karl Pellens (1966).
29 Hg. von Nikolaus M. Häring (1977).
30 Hg. von G. I. Etzkorn und I. C. Brady (1994).
31 Hg. von Jean Ribaillier (1980-1985).
32 Hg. von E. M. Buytaert und C. J. Mews (1987).
33 Hg. von Ignatius C. Brady (1971-1981).
34 Editio Vaticana, Bd. V (1959) und Bd. XVII (1966).
35 Den von Byzantinisten gelegentlich unternommenen Versuchen, auf scholastische Interpretatio-
nen der ostkirchlichen Problematik hinzuweisen, mangelt es nicht selten an Kenntnissen des aktu-
ellen Forschungsstands, sie fallen deshalb in der Regel flüchtig aus, s. ζ. Β.: SMITH, And Taking
Bread 48-49, Anm. 51 und 52, wo der Autor keinen Zweifel an der Authentizität der Quarta pars
der Summa fratris Alexandri erkennen läßt; oder TAFT, Water into Wirte 332, wo die Historizität
des Disputationsberichtes im 2. und 3. Buch des Antikeimenon des Anselm von Havelberg für
unbestritten erklärt wird (s. dazu unten, Kap. Β 2). Man muß demgegenüber den bahnbrechenden
Beitrag der Byzantinisten zur Erforschung der byzantinischen Scholastik hervorheben, s. dazu
Gerhard PODSKALSKY, Theologie und Philosophie, bes. 180-230 (hier auch die einschlägige Lite-
ratur). Die Geschichte der scholastischen Methode in Byzanz ist jedoch ein anderes Thema, das
zwar mit dem Gegenstand vorliegender Untersuchung verwandt ist, aber eine eigene Fragestel-
lung voraussetzt.
24 Einleitung

berücksichtigen, sah ich mich gezwungen, auf eine eingehende Untersuchung des
größtenteils nur handschriftlich vorliegenden kanonistischen Materials - vorerst - zu
verzichten, obwohl man nicht vergessen darf, daß gerade der Kanonistik eine außeror-
dentlich wichtige, vielleicht sogar führende Rolle in der Auseinandersetzung mit der
ostkirchlichen rituellen Eigenart zukam. Untersucht wurden nur jene kanonistischen
Werke, die bisher im Druck erschienen sind; ungedruckte kanonistische Texte wurden
nur vereinzelt herangezogen, wie ζ. Β. die für unser Thema unerläßliche Summa
decretorum des Huguccio. Was die griechischen und altslawischen Texte betrifft, so
liegen viele der hier untersuchten Schriften nur in schwer zugänglichen unkritischen
Editionen aus dem 17. bis zum 19. Jahrhundert vor. Die außerordentliche Verworren-
heit der Quellenlage des byzantinischen und altslawischen Materials, die Vielfalt und
Widersprüchlichkeit der Zuweisungen, Datierungen und Interpretationen, die in der
Forschungsliteratur herrscht, veranlaßte mich, ein kommentiertes Verzeichnis der ein-
schlägigen antilateinischen Schriften und ihrer Autoren zusammenzustellen36. Dieses
Verzeichnis möge man - um einen treffenden Ausdruck Horst Fuhrmanns aufzugreifen
- als „Ersatz für ein besseres"37 ansehen, da ein abschließendes Urteil über sämtliche
Zusammenhänge und Abhängigkeiten in der byzantinischen antilateinischen Literatur
ohne eine gründliche Sichtung und Auswertung aller ungedruckten Quellen nicht mög-
lich ist. Diese letztere Arbeit bleibt jedoch eine Aufgabe der zukünftigen Forschung.
Bei der Untersuchung der Kontroversen um die Fragen des Ritus gilt es, auf zwei
Aspekte Rücksicht zu nehmen. Zum ersten war die Haltung des Westens gegenüber der
rituellen Eigenart der Ostkirche grundsätzlich von einer ekklesiologischen Vorbedin-
gung, nämlich von der Anerkennung des päpstlichen Primats, abhängig. Daher ist eine
Interpretation des sakramententheologischen Materials ohne Berücksichtigung der ek-
klesiologischen Grundlagen nicht möglich. Dieser Prämisse versucht auch die vorlie-
gende Studie gerecht zu werden. Zum zweiten stimmte die theologische Reflexion mit
der Kirchenpolitik, die Unionstheorie mit der Unionspraxis nicht immer überein. Nicht
selten sagte man das Eine und tat das Andere. Mehr noch: Die Theologie der unio
(„Einigung") widersprach bisweilen dem politischen Vorgehen der reductio („Zurück-
fuhrung") und vice versa. Dies wird insbesondere am Beispiel der „Union von Lyon"
1274 ersichtlich, wobei der fehlende Wille und die Unfähigkeit der an dieser Union
beteiligten kirchlichen Entscheidungsträger, sich mit den damit zusammenhängenden
Kulturfragen ernsthaft auseinanderzusetzen, mit einer der sprechendsten Formulierun-
gen der Anerkennung der ostkirchlichen Eigenart durch den größten zeitgenössischen
Theologen, Thomas von Aquin, zeitlich zusammenfiel. Die Geburt und die Formierung
des Unionsgedankens war schwierig, ihre Verwirklichung war mit vielen Rückschritten,
Bedenken, Inkonsequenzen und Mißerfolgen verbunden. Die vorliegende Arbeit ver-
sucht, diesem Wechselspiel zwischen politischer Praxis und theologischer Reflexion

36 S. unten, S. 91-103.
37 FUHRMANN, Einfluß und Verbreitung I, S. VII.
Einleitung 25

Rechnung zu tragen, indem zwischen der Union und der „Zurückfuhrung" unterschie-
den und die eine der anderen gegenübergestellt wird. Während die Politik mit der „Uni-
on", oder besser gesagt: „Reduktion von Lyon" 1274 in dem von uns untersuchten Zeit-
raum völligen Schiffbruch erlitt und erst später mit der Union von Florenz 1439 gewisse
positive Ergebnisse erzielen konnte, erreichte die Theologie in ihren prominentesten
Vertretern das Niveau der Anerkennung der fremden Identität, was für die mittelalterli-
chen Voraussetzungen und Verhältnisse gar nicht überschätzt werden kann. Eben in
dieser letzteren Hinsicht zeichnet sich der mittelalterliche Unionsgedanke als ein Vor-
läufer der späteren neuzeitlichen Toleranzidee ab.
Toleranz, Anerkennung des Anderen, Respekt vor fremden Kulturen wurde in der
jüngsten Zeit zu einem beliebten Gegenstand sowohl der systematischen als auch der
historischen Forschung. Die Theologie stand dabei nicht abseits38. Eine besondere
Aktualität gewann dieses Thema angesichts des Ausbruches von Intoleranz in Form von
interkonfessionellen und interreligiösen Konflikten am Ende des 20. Jahrhunderts sowie
angesichts eines Anschwellens jenes gesellschaftlichen Phänomens, das man heute mit
dem Wort „Fundamentalismus" zu bezeichnen pflegt. Auch die jüngste Multikultura-
lismus-Debatte in den Sozialwissenschaften regte das Interesse an der Problematik in-
terkultureller Toleranz, Anerkennung und Verständigung an39. In den letzten Jahren
wurde die Toleranz immer öfter auch als Thema der Mediävistik entdeckt, wobei so-
wohl die interreligiöse Toleranz als auch die Problematik der „sozialen, rechtlichen und
theologischen Reaktionen auf religiöse Abweichung" ganz unterschiedlicher Art erör-
tert wurden40. Es wurde in den jüngsten mediävistischen Beiträgen mit Recht darauf
hingewiesen, daß das Mittelalter, entgegen der herrschenden Meinung, die es für eine
beinahe „ihrem Wesen nach" intolerante Epoche hält, durchaus auch tolerante Haltun-
gen gegenüber den Fremden kannte und praktizierte41. Unter anderem wurde bereits das
Thema der Kirchenunion unter dem Blickwinkel der Toleranzproblematik analysiert42,
jedoch wurden zugleich auch Bedenken ausgesprochen, ob die Unionsproblematik tat-
sächlich zum Thema „Toleranz" gerechnet werden darf oder ob sie sich für die Tole-
ranzproblematik nicht doch zu „sperrig" erweist43. Nach dieser Ansicht sei „das Wesen
der Union die Aufhebung, die Überwindung von Gegensätzen"; „Toleranz ist aber per
definitionem der Versuch, Modi zu finden, um mit Gegensätzen zu leben". Die Union

38 Die philosophische und historische Literatur zur Toleranz ist uferlos; s. Literaturhinweise in:
HWP X 1251-1262. Zur Toleranzproblematik im christlichen Kontext s.: ARENS (Hg.), Anerken-
nung der Anderen (1995); BROER/ SCHLÜTER (Hg.), Christentum und Toleranz (1996).
39 S. die grundlegende Arbeit von Charles TAYLOR, Multiculturalism {1994).
40 S. Vortrags- und Aufsatzsammlungen: SIMON (Hg.), Religiöse Devianz (1990); NEDERMAN /
LAURSEN (Hg.), Tolerance and Dissent (1996); Toleranz und Intoleranz im Mittelalter (1997);
PATSCHOVSKY / ZIMMERMANN (Hg.), Toleranz im Mittelalter (1998).
41 S. z. B.: PATSCHOVSKY/ZIMMERMANN, Toleranz imMittelalter, bes. 7-8. 12.
42 WALSH, Zwischen Mission und Dialog.
43 PATSCHOVSKY, Toleranz im Mittelalter 399-400.
26 Einleitung

ziele also „im dialektischen Sinne auf Aufhebung der Toleranz"44. Wie unsere Studie
darlegen möchte, war der Sinn der Unionsbestrebungen gerade nicht die Aufhebung
von kulturellen Gegensätzen, sondern eben das Finden von „Modi", „um mit Gegensät-
zen zu leben". Nur so laßt sich eben das Prinzip unafide - diverso ritu interpretieren. In
diesem Sinn gehört der Gegenstand der vorliegenden Arbeit eindeutig in den Bereich
der Vorgeschichte der Toleranz in den westlichen Gesellschaften. Die Haltung der To-
leranz und in einigen seltenen Fällen sogar der Anerkennung gegenüber dem Fremden,
war in der von uns untersuchten Zeit keine Selbstverständlichkeit. Daher wird man in
dieser Studie auch zahlreichen Zeugnissen von Intoleranz und Mißbilligung fremder
Eigenart begegnen. Um so wertvoller leuchten die selteneren Fälle von toleranter und
anerkennender Haltung auf. Und damit wäre für die historische Forschung und nicht
zuletzt für den Dialog der Kirchen viel gewonnen.

44 Ebd., 400.
Erster Teil

Die ostkirchliche Herausforderung:


Konflikte und Polemiken um die Fragen des Ritus
Α. Der Azymenstreit

I. Biblische und patristische Grundlagen


Der Unterschied zwischen dem östlichen und dem westlichen Christentum in der eucha-
ristischen Praxis, der als Anlaß für den Streit um das ungesäuerte Brot diente, existiert
spätestens seit dem Ausbruch des Azymenstreites um die Mitte des 11. Jahrhunderts.
Wie im Mittelalter verwenden auch in der Gegenwart alle Ostkirchen, abgesehen von
der armenischen und der maronitischen, in der Eucharistie Brot aus Sauerteig. Die
westlichen Kirchen - die römisch-katholische und in ihrem Gefolge auch die protestan-
tischen - sowie die Armenier und die Maroniten gebrauchen ungesäuertes Brot. In der
römisch-katholischen Kirche ist die Verwendung von ungesäuertem Brot in c. 926 CIC
1983 vorgeschrieben, für die katholischen Ostkirchen schreibt c. 707 §1 CCEO keine
konkrete Qualität des eucharistischen Brotes vor, sondern bestimmt, daß in jeder Kirche
sui iuris eigene Normen bezüglich dieses Gegenstandes aufgestellt werden sollen . In
der armenischen Kirche wird die Zelebration mit ungesäuertem Brot nach einigen An-
gaben seit dem 7. Jahrhundert praktiziert2. Bei den Maroniten ist die Verwendung von
ungesäuertem Brot aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Abschluß der Union mit
Rom im 12. Jahrhundert verbunden, wenngleich die Umstände des letzteren Ereignisses
weiterhin umstritten bleiben3. In allen übrigen Ostkirchen wird die Eucharistie aus-
schließlich mit gesäuertem Brot vollzogen4. In der byzantinischen Liturgie wird die

1 CCEO c. 707 §1: „circa panis eucharistici confectionem <...> iure particulari uniuseuiusque
Ecclesiac sui iuris normae aecurate statui debent".
2 Dazu ausfühlicher s. unten, Kap. Β 1.
3 ODB 1304 (KAZHDAN). HANSSENS, Institutiones 11/1 138 (Nr. 226), ist der Ansicht, daß das
ungesäuerte Brot bei den Maroniten „a tempore immemorabili" in Gebrauch war.
4 Leon von Achrida (zu ihm s. unten, Kapitel Α ΓΠ lb, Nr. 20) nennt in der Mitte des 11. Jh. noch die
„Jakobiten" (Ίακωβϊται, 2. Brief über die Azymen, in: PITRA, Analecta VI 756) sowie die
.Ägypter" (ΑΙγύπτιοι, 3. Brief über die Azymen, in: EkklAl 2/4 [1887] 152), die mit Azymen
Eucharistie feiern. Anton MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 116, vermutet, daß unter „Ägypter"
„wohl die Kopten <...>, nicht die Jakobiten, zu verstehen" seien; die Erwähnung der,Jakobiten" im
2. Brief des Leon scheint er übersehen zu haben. HANSSENS, Institutiones Π/1 136 (Nr. 223
30 Die ostkirchliche Herausforderung

Verwendung der Sauerbrote durch den Ritus der Gabenbereitung - Proskomidie (oder
Prothesis, gr. προσκομιδή und προ'θεσις) - bestätigt, wonach einzelne Handlungen des
Ritus wie zum Beispiel das Herausschneiden des sog. „Lammes" aus dem Brot sowie
seine Durchbohrung, aber auch die Entnahme von Partikeln zum Gedenken an die Hei-
ligen, an die Lebenden und die Verstorbenen mit Hilfe eines besonderen liturgischen
Gerätes, der sog. „Lanze" (gr. λόγχη), nur möglich ist, wenn aus Sauerteig hergestellte
Prosphoren verwendet werden5.
Als um die Mitte des 11. Jahrhunderts der Streit zwischen Griechen und Lateinern
über das eucharistische Brot entflammte, faßten beide Seiten ihre jeweiligen Bräuche
als völlig etabliert auf5. Dabei hielt jede Seite den eigenen Brauch für den ursprüngli-
chen, ältesten Brauch der christlichen Kirche, der auf die Einsetzung der Eucharistie
durch Jesus Christus im letzten Abendmahl zurückreiche. Zugleich wurden von beiden
Parteien auch reichlich patristische Argumente herangezogen. Die Frage, welches Brot
Jesus beim letzten Abendmahl verwendet hat, ist jedoch heute ebenso ungeklärt wie die

[Druckfehler: 213]); 137 (Nr. 225), hält das Zeugnis des 2. Briefes Leons, unterstützt durch das
Opusculum eines „Meletios" (PG 95, 389 C) für ein Argument zugunsten des Azymengebrauchs
bei den Jakobiten im 11. Jahrhundert. Die beiden Stellen des Leon bedürfen noch einer
eingehenden liturgiegeschichtlichen Untersuchung. HANSSENS, Institutiones liturgicae Π/1 125
(Nr. 206); 139-140 (Nr. 228), zählt, neben der armenischen und maronitischen, auch die
malabarische Kirche zu den Kirchen, die das ungesäuerte Brot gebrauchen. Der Gebrauch des
ungesäuerten Brotes hat sich bei den Malabaren jedoch frühestens im 16. Jh. etabliert. Für die
Erforschung des mittelalterlichen Azymenstreites spielt die neuzeitliche Einführung des
ungesäuerten Brotes bei den Malabaren keine Rolle.
5 S.: KALLIS, Liturgie 18-39. Zu den Prosphoren allgemein s.: ONASCH, Lexikon 320-321. Generell
zu dem Brot der Eucharistie in den Ostkirchen s.: HANSSENS, Institutiones liturgicae JJ/1 121-217
(Nr. 197-381); Woouwi,TheBread 44-78.
6 Im Dialogus gegen die Schrift des Leon von Achrida (s. unten, Kapitel Α IV 1, Nr. 1) werden als
Argument gegen die Griechen einige Stellen aus einem Schreiben eines Erzbischofs von Jerusalem
herangezogen, aus dem hervorgehe, daß die Kirche von Jerusalem früher mit Azymen zelebriert
hat, WILL 109b: „eumdem ritum divini sacrificii sanetam Hierosolymitanam ecclesiam observasse
antiquitus, quem sacrosaneta Romana ecclesia observare non cessat hactenus". Michael Kerullarios
schreibt in seinem 1. Brief an Petros von Antiocheia, ihm werde berichtet, daß die Bischöfe von
Alexandreia und Antiocheia die Gewohnheit haben, die hl. Mysterien auch mit Azymen zu feiern,
WILL 179a: εστίν δτι καί αυτοί [d. h. ό 'Αλεξανδρείας καί ό 'Ιεροσολύμων: WILL 178a Z. 18-
19] δι'άζύμων την θείαν έκτελοΰσι μυσταγωγίαν. καί ήμεΐς μεν μη τίνος εύποροϋντες εκ τοΰ
προχείρου, δι'οΰ την περί τούτου προς εκείνους ερώτηση' ποιησόμεθα, άλλως δέ μηδέ
άλλοις περί τούτων θαρρεΤν έχοντες τό παν της έρεύνης τη ση άνατίθεμεν άγιότητι, ώς αν
αύτη περί τοΰ πράγματος ακριβώς έξετάσασα γνωρίση τη ήμων μετριότητι. In seinem
Antwortschreiben an Kerullarios (WILL 189-204) erwähnt Petros diese Angelegenheit mit keinem
Worf Vgl. dazu: HANSSENS, Institutiones II/l 140-141 (Nr. 229). Zum wahrscheinlichen
Azymengebrauch in Jerusalem und Alexandreia zu gewissen Zeiten des liturgischen Jahres s.:
MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 115.
Der Azymenstreit 31

Ursprünge der jeweiligen eucharistischen Bräuche in Ost und West. „Ut intelligent
omnes, quam intricata sit controversia de azymo, quantis ambagibus involuta", so be-
stimmte Jean Mabillon im Jahre 1673 eines der Ziele seiner Untersuchung über das Brot
der Eucharistie7. Die Geschichte der Verwendung von gesäuertem und ungesäuertem
Brot in der Zeit vor dem Ausbruch der Azymenkontroverse ist seit Mabillon nicht viel
klarer geworden - trotz der Bemühungen einer ganzen Reihe von Forschern . Umstrit-
ten ist bis auf den heutigen Tag die Frage, in welche Zeit man die Verfestigung des
Gebrauchs des ungesäuerten in der lateinischen und des gesäuerten Brotes in der grie-
chischen Kirche datieren muß. Es bleibt unklar, ob einer der beiden Bräuche der ur-
sprüngliche war oder ob beide seit den ältesten Zeiten nebeneinander existierten.
Schließlich bestehen immer noch unterschiedliche Meinungen darüber, welche Brotart
Jesus beim letzten Abendmahl verwendet hat. Für eine weitere Betrachtung der Ge-
schichte des Azymenstreites ist es ratsam, kurz die Problematik der Beschaffenheit des
eucharistischen Brotes in der Zeit vor dem Beginn des Azymenstreites zu beleuchten,
und zwar einen Überblick darüber zu geben, was uns heute über die Geschichte der
beiden Bräuche bekannt ist, sowie auf welchem religionsgeschichtlichen Hintergrund
sie zum Zusammenstoß miteinander um die Mitte des 11. Jahrhunderts kamen. Dies
wird uns erlauben, die Problematik des mittelalterlichen Azymenstreites in eine zutref-
fende theologische Perspektive zu setzen.

7 MABILLON, Dissertatio de pane eucharistico 1244 D.


8 Eine gute Zusammenfassung bietet nach wie vor: DThC I 2653-2664 (PARISOT). Über die
Beschaffenheit des eucharistischen Brotes vor dem 11. Jh. s. (in chronologischer Reihenfolge):
SIRMOND, Disquisitio de azymo ('1651); BONA, Dissertatio de fermento (Ί671); MABILLON,
Dissertatio de pane eucharistico (Ί673); MACEDO, Disquisitio theologica de ritu azymi (1673);
CIAMPINI, Conjecturae (Ί688); LEQUIEN, De azymis (1712); GIESE, Erörterung (1852) 37-111;
WOOLLEY, The Bread (\9\3) 1-22; DACL I 3254-3260 (CABROL, von Parisot abhängig); SPÄCIL,
De SS. Eucharistia Π 125-145 (Nr. 303-338); HANSSENS, Institutiones Π/1 127-141 (Nr. 209-
229); MICHEL, Humbert und Kerullarios I 112-130; GEISELMANN, Die Abendmahlslehre (1933)
21-41, vgl. dazuA. Michels Rezension in: ByZ 36 (1936) 117-120; SCHWEINBURG, Zum Ursprung
(1934); MICHEL, Die Anticipation (1936); RAC11056-1062 (O. MICHEL; der Artikel gibt nützliche
Hinweise auf die jüdischen Mazzen, enthält jedoch fragwürdige Angaben zu den christlichen
Quellen); JUNGMANN, Missarum sollemnia (51962) Π 40^17; LMA I 1318-1319 (H.-J. SCHULZ);
LThK3 I 1326-1328 (PETZOLT). Im Handbuch der Liturgiewissenschaft sind dem Problem der
gesäuerten/ungesäuerten Beschaffenheit des eucharistischen Brotes ganze zwei Zeilen, zumal mit
irrtümlicher Datierung (der Anfang des Azymenstreites wird hier auf das 12. Jh. gelegt!) gewidmet,
s.: MEYER, Eucharistie (1989) 150.
32 Die ostkirchliche Herausforderung

1. Mit welchem Brot feierte Jesus das letzte Abendmahl?

Da die Väter und die mittelalterlichen Autoren den jeweiligen eucharistischen Brauch
mit der Einsetzung der Eucharistie9 durch Jesus begründen, müssen wir einen kurzen
Blick auf die Diskussion werfen, die in der exegetischen Forschung hinreichend erörtert
wurde. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht die Frage, ob man das letzte Abend-
mahl Jesu als ein jüdisches Passamahl oder als eine wesentlich von dem alttestamentli-
chen Passaritual unterschiedene Handlung deutet. Davon hängt auch die Frage nach der
Beschaffenheit des verwendeten Brotes ab, denn das Passamahl mußte nach jüdischer
Vorschrift mit ungesäuertem Brot gefeiert werden. Folgt man eher der synoptischen
Darstellung, nach der Jesus das letzte Abendmahl am „ersten Tag des Festes der Unge-
säuerten Brote, an dem man das Paschalamm schlachtete" (Mk 14, 12; vgl. Mt 26,17),
d. h. am 14. Nisan vollzog, so mußte Jesus mit seinen Jüngern ein jüdisches Passamahl
mit ungesäuertem Brot gefeiert haben10. Dagegen scheint der johanneische Bericht das
Abendmahl auf den Vorabend des 13. Nisan festzusetzen, so daß das Abendmahl Jesu

9 Wenn wir hier und im Folgenden von der „Einsetzung der Eucharistie" sprechen, so sind wir uns
der historisch-exegetischen Probleme, die eine derartige Auslegung des Verhältnisses der Eucha-
ristie zum letzten Abendmahl Jesu mit sich zieht, voll bewußt. KOLLMANN, Ursprung und
Gestalten (1990) 33, ist der Meinung, daß „unter den an der Abendmahlsdiskussion beteiligten
Exegeten ein weitreichender Konsens darüber herrscht, daß die frühchristliche Begehung einer
sakramentaler Mahlfeier auf ein letztes Mahl Jesu zurückgeht und die neutestamentlichen
Einsetzungsberichte zumindest im Kern authentisch sind". Das Problem des Ursprungs und der
frühen Formen der christlichen Eucharistie wird dennoch bis heute kontrovers diskutiert. Vgl.
dazu jüngst: McGcwAN, Ascetic Eucharists (1999), bes. 18-32. Für unsere Zwecke ist jedoch von
entscheidender Bedeutung, daß die mittelalterlichen Autoren kernen Zweifel an der Einsetzung
der Eucharistie durch Jesus Christus gehabt haben.
10 Bekanntlich war die Schlachtung des Osterlammes im Alten Testament am Abend des 14. Tages
des Monats Nisan (Aviv) - des ersten Monats des jüdischen Jahres - durchzuführen (Ex 12, 2-3.
6; Lev 23, 5; Num 28, 16). Am folgenden Tag, dem 15. Nisan, begann das siebentägige Fest der
Ungesäuerten Brote (Mazzotfest) wovon der erste und der letzte Tag (d. h. der 15. und der 21.
Nisan) besondere Feiertage waren, an denen sabbatgleiche Ruhe geboten war (Ex 12, 15-16. 19;
Ex 13,6-7; Lev 23, 6-8; Num 28, 17-18. 25; Dtn 16, 8). Obwohl die beiden Feste - das Pascha,
gefeiert in der Nacht vom 14. zum 15. Nisan, und das darauffolgende siebentägige Fest der Unge-
säuerten Brote - sich ursprünglich voneinander unterschieden, wurden sie im Laufe der Zeit als
ein einziges mehrtägiges Fest verstanden, um so mehr als ungesäuertes Brot bereits für das Pas-
samahl am Abend des 14. Nisan vorgeschrieben war (Ex 12, 8. 18). Die besondere sakrale Be-
deutung des ungesäuerten Brotes im Rahmen des Festes wurde durch einige Details der altte-
stamentlichen Exodusgeschichte begründet (Ex 12, 39; Dtn 16, 2-3). Schon mit dem Abend des
14. Nisan war den Juden aufs strengste verboten, in ihren Häusern Gesäuertes zu haben: Alles
Gesäuerte mußte noch vor dem Beginn des Passamahles aus dem Haus entfernt (weggeworfen
oder verbrannt) werden (Ex 12,15. 19-20; 13, 7; Dtn 16,4).
Der Azymenstreit ;33·

noch kein jüdisches Passamahl war11. In dem letzteren Fall drängt sich die Vermutung
auf, daß Jesus „normales", gesäuertes Brot verwendet haben könnte. Wie kompliziert
die Frage nach dem Charakter des letzten Mahles Jesu Christi ist, bezeugt die Tatsache,
daß die Streitigkeiten aus diesem Anlaß beginnend mit der patristischen Zeit bis auf den
heutigen Tag nicht verstummen wollen. Auch im 20. Jahrhundert kann man unter den
Neutestamentlern in dieser Frage diametral entgegengesetzte Ansichten finden. Es ge-
nügt an dieser Stelle, auf zwei Namen hinzuweisen: Wenn Hans Lietzmann eindeutig
den Passacharakter des letzten Abendmahles leugnet12, dann ist Joachim Jeremias eben-
so kategorisch davon überzeugt, daß das Mahl Jesu Christi nur ein jüdisches Passamahl
sein konnte13. Unter den Neutestamentlern überwiegt heute dank der Forschungen von
Jeremias die Ansicht, daß Jesus ein Passamahl gefeiert und folglich Azymen verwendet
hat14. Diese Ansicht herrschte auch unter den Forschern des mittelalterlichen Azymen-
streites vor15. Gleichwohl ist die Frage nicht definitiv entschieden. Viele Elemente der
Einsetzungsberichte lassen sich nur schwer mit den jüdischen Bräuchen vereinbaren16.

11 Das letzte Abendmahl bezieht Joh 13, 1 auf die Zeit „vor dem Paschafest". Den Tag der Ver-
handlung vor Pilatus bestimmt Joh 19, 14 als „Rüsttag des Paschafestes". Die Juden, die Jesus zur
Verhandlung zu Pilatus gefuhrt haben, gehen nicht in das Prätorium hinein, „um nicht unrein zu
werden, sondern das Paschalamm essen zu können" (Joh 18,28): Das heißt, die Schlachtung des
Osterlammes am Freitagabend stand noch bevor.
12 LIETZMANN, Messe und Herrenmahl (1926) 211 -213.
13 JEREMIAS, Die Abendmahlsworte (31960), bes. 9-82; ThWNT V 898-899 (JEREMIAS).
14 Die exegetische Diskussion braucht hier nicht referiert zu werden. Den neuesten Forschungsstand
berichtet KOLLMANN, Ursprung und Gestalten (1990) 17-37. Einen der jüngsten Versuche, das
letzte Abendmahl Jesu als jüdische Passafeier zu identifizieren s. in: SMITH, Jesus' Last Passaver
Meal (1993). Die gleiche Meinung vertreten meist auch die Liturgiewissenschaftler. So spricht
Josef Andreas JUNGMANN, Missarum sollemnia Π 40-41, die feste Überzeugung aus, daß „kaum
ein Zweifel" bestehe, „daß Christus der Herr beim letzten Abendmahle das für das Opfermahl
vorgeschriebene ungesäuerte Brot <...> verwendet hat".
15 So sprechen sich uneingeschränkt zugunsten des paschalen Charakters des letzten Abandmahls
sowie der Benutzung der Azymen durch Christus aus: MABILLON, Dissertatio 1234 D - 1235 A;
LEQUIEN, De azymis 391; GESE, Erörterung 40; JUGIE, Theologia dogmatica HI 241; SPÄCIL, De
SS. Eucharistia II133 (Nr. 316); MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 113-114. Vorsichtiger sind
HANSSENS, Institutiones Π/1 127 (Nr. 209), und SCHWEINBURG, Zum Ursprung, bes. 607. Die
Erforscher des mittelalterlichen Azymenstreites bemühen sich jedoch nicht immer um eine einge-
hende Analyse der Argumente zugunsten des einen oder des anderen Standpunktes. So ζ. Β. auch
der sonst sehr gründliche Anton MICHEL, der in dem der Azymenproblematik gewidmeten 1 in-
seitigen Abschnitt seines Hauptwerks (Humbert und Kerullarios Π 112-130) mit 8 Zeilen
(S. 113-114) meinte, das Problem abschließend behandelt zu haben. Ähnlich kurz (und durchaus
irreführend) ist HANSSENS, Institutiones H/l 127 (Nr. 209). Vgl. dagegen die ausführliche
Darstellung bei SPÄCIL, De SS. Eucharistia Π 125-135 (Nr. 303-319).
16 So ist ζ. Β. LEON-DUFOUR, Abendmahl und Abschiedsrede 385, der Ansicht, daß „keines der
vierzehn von Jeremias vorgetragenen Argumente zugunsten des Paschamahles <...> schlagende
34 Die ostkirchliche Herausforderung

Außerdem bleibt das Datum des letzten Abendmahls nach dem jüdischen Kalender nach
wie vor nicht eindeutig geklärt17. Folglich muß auch die Verwendung von Azymen
durch Jesus beim letzten Abendmahl offen bleiben, wenngleich dies wahrscheinlicher
ist als die Verwendung von gesäuertem Brot.
Die Frage nach dem Datum der Einsetzung der Eucharistie durch Jesus Christus und
nach dem Charakter des letzten Abendmahles mit den Jüngern wurde bereits in der
alten Kirche zum Gegenstand der Diskussion, und das Mittelalter, wie aus dem weiteren
zu sehen sein wird, schöpfte gerade aus diesem Gebiet einen bedeutenden Teil der Ar-
gumente im Azymenstreit .

2. Das ungesäuerte Brot und die „Judaizantes" in der alten Kirche

a. Zur Terminologie: Jüdische „Azymen" und christliches „Brot"


Nicht selten begegnet man auch in der wissenschaftlichen Literatur einer unbesehenen
Identifikation der Begriffe „ungesäuertes Brot" (griech. άρτος αζυμος, lat. panis azymus
sowie panis non fermentatus / absque fermento / sine fermento / infermentatus) und
„Azymen" (griech. αζυμα, lat. azyma, substantiviertes pl. neun*.)19. Indessen konnotierte

Beweiskraft" hat. Das Fehlen in den Evangelien von Hinweisen auf das Schlachten und Essen des
Osterlammes, auf die Rezitation des Midrasch über den Auszug aus Ägypten und die Wanderung
durch die Wüste, sowie die Verkostung aus einem gemeinsamen Kelch, und nicht aus vier
Bechern, wie das durch die jüdische Tradition vorgeschrieben war, spreche eher dafür, daß das
Mahl Jesu kein Paschamahl war (ebd., 246-252). RAC Π 621 (SEVERUS) nennt noch das
Aufschauen Jesu zum Himmel als ein Detail, das mit dem alttestamentlichen Brauch keineswegs
übereinstimmt. Nach TRE I 49 (DELLING) bieten die „Bräuche des Judentums nicht mehr als
einen Hintergrund für das besondere Handeln Jesu am letzten Abend". LEON-DUFOUR, ebd., 250,
hat denselben Sachverhalt noch deutlicher ausgedrückt: „Allem Anschein nach geht es [in den
neutestamentlichen Berichten über das letzte Abendmahl Jesu] um das jüdische Fest, also das Fest
»der Ungesäuerten Brote«. In Wirklichkeit zeigt sich aber bei genauerem Hinsehen, daß dies zwar
für den <...> Rahmen zutrifft, daß aber das gefeierte Fest ganz eigentlich Jesu Fest ist: es handelt
sich um sein Pascha" (Hervorhebung im Original).
17 Einer der zahlreichen Versuche, die synoptische Chronologie mit der johanneischen zu harmoni-
sieren, ist die sog. Antizipationstheorie, nach der Jesus, als er das letzte Abendmahl am 13. Nisan,
also gemäß dem Johannesevangelium, vollzog, das jüdische Pascha antizipierte, indem er es einen
Tag früher als die Juden feierte. Ausführlicher zur Antizipationstheorie, die bereits in der alten
Kirche und im Mittelalter eine bedeutende Rolle gespielt hat, s.: JEREMIAS, Die Abendmahlsworte
15; SCHWEINBURG, Zum Ursprung 597; MICHEL, Die Anticipation; SPÄCIL, De SS. Euchanstia
128-135 (Nr. 308-319). Nach JEREMIAS, ebd., scheitert die Antizipationstheorie „an der Tatsache,
daß eine privatim antizipierte Passafeier eine Unmöglichkeit war".
18 Dazu ausführlich s. unten, S. 107-108 und 140-146.
19 S. besonders: LThK 3 11326-1328 (PETZOLT), WO erstaunlicherweise überhaupt kein Hinweis auf
die Azymen des Alten Testaments gemacht wird; vgl. dagegen die korrekte Perspektive in:
Der Azymenstreit 35

man im 1. Jahrtausend mit den Begriffen „ungesäuertes Brot" und „Azymen" durchaus
unterschiedliche Sachverhalte. Die „Azymen" erinnerten an die jüdische Herkunft, wo-
hingegen der Ausdruck „gesäuertes/ungesäuertes Brot" religiös und kultisch neutral
war.
In der christlichen Literatur der apostolischen und patristischen Zeit wurde zur Be-
zeichnung des eucharistischen Brotes ausschließlich das Wort άρτος / panis benutzt,
wozu im Notfall Attribute hinzugefügt wurden, die seine konkrete physische Eigen-
schaft oder eine Besonderheit seiner Form, Zubereitung usw. kennzeichneten . Zwar
wurde der Ausdruck άρτος αζυμος /panis azymus /panis absque fermento usw., dem
Wortgebrauch der Septuaginta und Vulgata folgend, unter anderem auch für die Kenn-
zeichnung des ungesäuerten Brotes der Juden verwendet, war jedoch in religiöser Hin-
sicht neutral. Er wurde dann benutzt, wenn man auf ungesäuertes Brot als Nahrungs-
mittel und nicht auf seine sakrale Bedeutung verweisen mußte21. Im Gegensatz dazu
bezeichnete das Wort αζυμα / azyma fast immer die jüdischen Mazzen (1"ή2!3), etwa
beim Fest der Ungesäuerten Brote22 als auch bei sakralem ungesäuerten Brot allge-
mein23, das bereits in der klassischen Latinität als panis judaicus bezeichnet wurde24.

LThK 1 1 879-880 (EBERHARTER). Insgesamt kommt die synonyme Verwendung der Ausdrücke
„Azymen" und „ungesäuertes Brot" in der Literatur der letzten zwei Jahrhunderte ziemlich oft
vor, auch in den Werken, die die alttestamentliche Problematik mitberücksichtigen; so ζ. Β. bei
GIESE, Erörterung 75 u. passim; MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 112-130. Vgl. dagegen die
umsichtige Verwendung beider Ausdrücke in der älteren Literatur, etwa bei Mabillion, Bona,
Sirmond und anderen (s. oben, Aran. 8). Die von einigen Autoren gebrauchte Neubildung
fermentata (pl. neutr., um eine Parallele zu den azyma zu schaffen, so GIESE, Erörterung 37. 63)
findet in der patristischen und in der mittelalterlichen Sprache keinen Anhalt.
20 Z. B. panis quadratus, panis trifidus (s.: JUNGMANN, Missarum sollemnia Π 42; RAC Π 617); vgl.
später panis infermentatus bei Hrabanus Maurus (s. unten, S. 48 Anm. 88) vmäpanis mundissimus
bei Alkuin (s. unten, S. 49 Anm. 95).
21 ISIDOR VON SEVILLA, Etymologiae lib 20, cap 2, 15 (ed. cit., II496): „Panis dictus quod cum omni
eibo adponatur <...> Fermentacius fermentis confectus. Azymus non fermentatus; nam αζυμος
est sine fermento, sincerus. Acrozymus leviter fermentatus, quasi acroazymus".
22 Grammatikalisch ist die Verwendung des substantivierten pl. neutr. für die Bezeichnung eines
Festes (sog. „Festplural") im altgriechischen Sprachgebrauch nicht ungewöhnlich, vgl. τα
εγκαίνια, γενέσια, σάββατα, dazu s.: ThWNT Π 904; RAC I 1057; durch die Vulgata-
Transkription ist diese Form in den lateinischen Sprachgebrauch eingegangen.
23 Zahlreiche Belege für den griechischen Sprachgebrauch in: PGL 40^41 (Art. 'αζυμος', bes. unter
I und 3); SOPHOCLES 86 (Art. 'αζυμος', unter 2); für den lateinischen Sprachgebrauch in: ThesLL
II 1645-1646 (Art. 'azymus', bes. 1645 Z. 63 - 1646 Z. 51); BLAISE 108; MLW I 1299-1300,
bes. 1300 Z. 3-30. Aus den in diesen Nachschlagewerken angeführten Stellen wird ersichtlich,
daß unter dem entscheidenden Einfluß des Sprachgebrauchs der LXX und der Vulgata auch in der
altchristlichen Literatur die Formen αζυμα und azyma sich in der Regel auf das jüdische
Mazzotfest sowie auf das sakrale ungesäuerte Brot der Juden beziehen. Falls es um ein
ungesäuertes Brot in einem nichtjüdischen Kontext geht, wird der Ausdruck άρτος αζυμος und
36 Die ostkirchliche Herausforderung

Dieses Wort war im Gegensatz zum Ausdruck „ungesäuertes Brot" deutlich kultisch
geprägt25.
Der Ausdruck „Azymen" meinte also in der Väterzeit in aller Regel das kultische
Brot der Juden, und wurde nicht für die Beschaffenheit des christlichen Brotes herange-
zogen. Im eucharistischem Kontext stellte man nur das „gesäuerte" dem „ungesäuerten"
Brot gegenüber. Erst im 11. Jahrhundert vollzog sich eine deutliche Verlagerung im
Wortgebrauch von „ungesäuertes Brot" und „Azymen". Wenn es die Lateiner bis dahin
vorzogen, den Ausdruck „Azymen" in der Anwendung auf das eucharistische Brot zu
vermeiden, ließ man sich die Wortwahl der griechischen Polemik aufdrängen und ak-
zeptierte den Ausdruck „Azymen" als ein Synonym für das eucharistische „ungesäuerte
Brot". Aber auch in diesem neuen Kontext wurde das Wort „Azymen" von den Grie-
chen weiterhin tendenziös im Sinne der jüdischen sakralen Praxis interpretiert.
Erst in diesem Kontext werden die Streitigkeiten um das Wort άρτος verständlich,
die seit dem 11. Jahrhundert andauern. Die byzantinischen Polemiker waren der An-
sicht, daß das Wort άρτος ausschließlich gesäuertes Brot bezeichnen kann26. Da nun die
Evangelisten bei der Beschreibung des letzten Mahles Jesu immer vom άρτος und nie
von den άζνμα sprechen, galt es für die griechischen mittelalterlichen Autoren als er-
wiesen, daß die Eucharistie mit gesäuertem Brot eingesetzt worden ist. Schon in einer
der frühesten lateinischen Antwortschriften gegen die Griechen, die in Zusammenhang
mit dem Konflikt von 1053/54 entstanden sind, wird daraufhingewiesen, daß άρτος in
der Septuaginta, wo es als Übersetzung für das hebräische ΟΠ^ verwendet wird, in
einigen Fällen auch ungesäuertes Brot bedeuten kann27. Heute sprechen sich viele For-
scher dafür, daß das Wort άρτος ohne Unterschied sowohl für gesäuertes als auch für
ungesäuertes Brot verwendet werden konnte28.
Bei diesbezüglichen Schlußfolgerungen gilt es jedoch dieselbe Vorsicht wie in der
Frage nach dem kultischen Charakter des letzten Abendmahles Jesu walten zu lassen.

panis azymus oderpanis sinefermento /panis nonfermentatus /panis infermentatus (zu den drei
letzteren Ausdrücken s.: ThesLL W l 524 Z. 63 - 525 Z. 43) bevorzugt.
24 Tacitus, hist. 5, 4: „raptarum frugum argumentum panis iudaicus nullo fermento detinetur", in:
ThesLL W l 525-526.
25 Im profanen antiken Latein gibt es kein substantiviertes pl. neutr., sondern nur den Ausdruck
panis azymus bzw. panis sinefermento. S. einschlägige Stellen bei Scribonius Largus und Celsus
in: ThesLL Π1645 Ζ. 63-65; W l 525 Ζ. 73-75; vgl. OLD 222. Vgl. die richtigen
Beobachtungen bei MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 121; Michel hält aber zu unrecht die
Wortform azymum für diejenige, die man „gescheut [hat], um keine judaisierenden Tendenzen
anklingen zu lassen". Der Ausdruck azymum als substantiviertes sing, neutr. ist jedoch nur in ganz
wenigen Einzelfällen belegt.
26 Ausführlich über die griechischen Argumente zu dem Wort άρτος s. unten, S. 108-109.
27 S.: WILL 99a Z. 4 2 - 1 0 0 b Z. 2.
28 So SPÄCIL, De SS. Eucharistia II 135 (Nr. 320); HANSSENS, Institutiones Π/1 128 (Nr. 211);
MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 122.
Der Azymenstreit . 37

Kaum haltbar sind sowohl die Meinung der byzantinischen Polemiker, die glaubten, daß
das Wort άρτος nur für gesäuertes Brot stehen könne, als auch der Standpunkt moderner
Forscher, die annehmen, daß das Wort άρτος gegenüber der gesäuerten bzw. ungesäu-
erten Beschaffenheit des Brotes absolut gleichgültig sei29. Der Wortgebrauch der Sep-
tuaginta und des Neuen Testaments spricht eher zugunsten der byzantinischen Ausle-
gung als gegen sie30. Obwohl άρτος bisweilen auch nur ungesäuertes Brot bedeuten
kann, gilt es dennoch festzuhalten, daß die Einsetzungsberichte den (theologisch bela-
denen) Begriff αξυμα vermeiden und ausschließlich von άρτος berichten. Zumindest für
die Zeit der Abfassung der Evangelien liegt daher die Vermutung nahe, daß man beim
Einsetzungsbericht an gesäuertes Brot dachte31.

b. Die „Judaizantes" und das Azymenverbot


Die Erfolge der Heidenmission förderten die Emanzipierung und Abgrenzung der jun-
gen Kirche von der jüdischen Mutterreligion32. Das Verb Ιονδαίζειν / iudaizare begeg-
net bereits in Gal 2,11-14, wo Petrus getadelt wird, daß er die bekehrten Heiden nötige,
das alttestamentliche Gesetz zu beobachten, er sie also ,judaisieren" möchte. Von Igna-
tios von Antiocheia stammt der Satz: „Es ist absurd, Jesus Christus zu verkünden und

29 S. ζ. Β.: JUNGMANN, Missarum sollemnia Π 41.


30 Für die Verwendung des Wortes άρτος in LXX läßt sich sagen: Es ist die gewöhnliche Bezeich-
nung für profanes, d. h. in der Regel gesäuertes, Brot (Gen 21, 14; 28, 20; 41, 54. 55; 47, 15-17.
19; Lev 26, 26; Jos 9, 5. 12; 1 Regn 25, 18; 2 Regn 16, 1; Am 4, 6); es wird jedoch gelegentlich
für einige Arten sakralen ungesäuerten Brotes (bes. Schaubrote) gebraucht (Ex 25,30;
1 Regn 21,6; Lev 24, 5-7). Dabei wird in der Regel das Wort άρτος mit näherer Bestimmung
(άρτοι ένώπιοι, άρτοι της προθέσεως, άρτοι άγιοι) \ierwendet. Das entscheidende Argument
zugunsten der byzantinischen Auslegung besteht aber darin, daß es mit einer einzigen Ausnahme,
die nicht als Gegenbeweis dienen kann (Dtn 16, 3, wo das Wort metaphorisch gebraucht wird), in
LXX keinen einzigen Fall gibt, in dem sich das Wort άρτος auf das ungesäuerte Brot des Festes
der Ungesäuerten Brote bezieht. Substantiviertes pl. neutr. αζυμα als Übersetzung von Π125ΘΠ ist
hingegen die gewöhnliche Bezeichnung für die Brote am Fest der Ungesäuerten Brote. Für andere
Arten von Brot wird dieses Wort fast nie gebraucht. Die Vulgata folgt in der Regel dem Gebrauch
der LXX, obwohl es hier Einzelstellen gibt, wo mit dem Ausdruck panes azymi das griechische
Wort αζυμα wiedergegeben wird (so Ex 12, 8). Ich lasse hier jene Stellen außer Betracht, wo
durch die Attribute αζυμος / azymus, absque fermento usw. ein anderes Wort erläutert wird, etwa
λάγανον (z. B.: LXX Num 6, 19), έγκρυφίας (z. B.: Ex 12, 39), laganum, torta (beide Worte
z. B. Vulg. Num 6, 19), usw. Vgl. zum griechischen Sprachgebrauch: BATTAGLIA, 'Artos' 62-63.
113-114.
31 So WELLHAUSEN, "Αρτον εκλασεν, 182; LIETZMANN, Messe undHerrenmahl 211.
32 Einen Überbück über die Problematik des Judenchristentums der Urgemeinde bietet: TRE XVII
313-319 (STRECKER, 323-324 Literatur).
38 Die ostkirchliche Herausforderung

[gleichzeitig] zu judaisieren"33. Unter dem Begriff „Judaizantes" fanden sich verschie-


dene Gruppen und Strömungen des frühen Christentums. In der modernen Literatur
unterscheidet man bisweilen zwischen den „Judenchristen", d. h. Christen jüdischer
Herkunft, die nach ihrer Konversion zum christlichen Glauben fortfuhren, die alttesta-
mentlichen Vorschriften zu beachten, und den „Judaizantes", d. h. Heidenchristen, die
eine zumindest teilweise Befolgung des jüdischen Gesetzes für notwendig erachteten .
Eine der eingehendsten Widerlegungen des christlichen Judaisierens in der Patristik
sind die 386-387 in Antiocheia entstandenen Predigten des Joannes Chrysostomos, die
man unter dem Namen Adversus Judaeos kennt, obwohl sie in Wirklichkeit nicht gegen
die Juden, sondern gegen judaisierende Christen gerichtet sind35. Im Streit gegen die
Judaizantes ging es nicht um Fragen der Glaubenslehre, sondern um kultische Bräuche
und Riten, die ja als Identitätsfaktoren sowohl für Christen als auch für Juden und Hei-
den bisweilen eine weitaus wichtigere Rolle spielten als die Lehre. Die Abgrenzung und
Verurteilung der jüdischen Riten begegnet dort, wo größere Gemeinschaften von
Christen und Juden auf engem Raum zusammenlebten, entsprechend häufiger als in
monokulturellen Gebieten. So war im 4. Jahrhundert das Problem des Judaisierens in
Syrien beträchtlich akuter als etwa in Spanien - obwohl auch in Spanien des 4. Jahr-
hunderts Synodalbeschlüsse gegen Judaizantes bekannt sind36.
Ein Konfliktfeld, das in die Kategorie des „Judaisierens" fiel, war der Osterfeststreit,
der in unterschiedlichen Formen vom 2. bis zum 5. Jahrhundert dauerte. Als die frühe-
ste Form der Osterfestkontroverse kann man den Streit um die sogenannten Quartode-
zimaner ansehen37, die Ostern genauso wie die Juden immer am 14. Nisan feierten,
unabhängig davon, auf welchen Wochentag dieses Datum fiel38. Die Frage nach dem

33 IGNATIOS VON ANTIOCHEIA, Epistola adMagnesios 10, 3 (ed. cit. 206): ατοπόν εστίν, Ίησοΰν
Χριστόν λαλεΐν και ίουδάίξειν.
34 Zu den „Judaizantes" s.: RAC Lfg. 146, 130-142 (DEROCHE); WILKEN, John Chrysostom 68-94;
wichtige Informationen zu den Sympathisanten jüdischer Religion und zum jüdischen
Proselytismus in der Zeit bis zum 5. Jh. bei: FELDMAN, Jew and Gentile 342^115. Zu den
Judenchristen s.: TRE XVII310-325 (STRECKER); RAC Lfg. 147,228-245 (STBMBERGER).
35 Zum historischen Hintergrund dieser Predigten s.: WILKEN, John Chrysostom (1983).
36 So verurteilte das Konzil von Elvira (ca. 300) in can. 49 diejenigen, die von den Juden ihre Äcker
segnen lassen, s.: FELDMAN, Jew and Gentile 380.
37 Lat. quartodeeimani, gr: τεσσαρεσκαιδεκατΐται, daraus tessarescaedecatitae dicti, quia XIV
lunapascha cutn Judaeis observandum contendunt bei ISIDOR VON SEVILLA, Etymologiae W I 5,
61 (ed. cit. I 700). Dieser Text fand Eingang in das DECRETUM GRATIANI, C. 24 q. 3 c. 39 (ed. cit.
1005). Die Standardmonographie nach wie vor: LOHSE, Das Passafest der Quartadecimaner
(1953).
38 EUSEBIOS VON KAISAREA, 'Ιστορία εκκλησιαστική V 23-25 (ed. cit., II 66-72). Deutsche
Übersetzung dieser Stelle bei LOHSE, Das Passafest 10-13. Wie Eusebios von Kaisarea mitteilt,
schloß um 195 Papst Viktor „die Gemeinden von ganz Asia zusammen mit den benachbarten
Kirchen ganz und gar von der einen Gemeinschaft aus, wie wenn sie heterodoxe wären; er
brandmarkte sie öffentlich durch Schreiben und erklärte all die dortigen Brüder für außerhalb der
Der Azymenstreit · 39

Zeitpunkt der Osterfeier stand auch auf der Tagesordnung des Konzils von Nikaia 325,
das jene verurteilte, die Pascha „gemeinsam mit den Juden" feierten39. Derselbe Vor-
wurf begegnet in einer der erwähnten Homilien des Joannes Chrysostomos40. Die Po-
lemik gegen die Quartodezimaner ist für unser Thema deshalb von Interesse, weil ein
zentrales Argument daraus von den mittelalterlichen griechischen Polemikern aufge-
griffen werden wird: Da Jesus das letzte Abendmahl nicht am 14., sondern gemäß der
johanneischen Chronologie am 13. Nisan gefeiert habe, habe er nicht das jüdische Pa-
scha vollzogen, sondern eine neue mystische Handlung eingesetzt. Es gebe also keinen
Grund, das Pascha am selben Tag wie die Juden zu feiern noch die Eucharistie mit un-
gesäuertem Brot zu zelebrieren. Eine der wichtigsten Quellen für die Kenntnis der
Quartodezimaner, die sogenannte „Osterchronik", entstanden um 630, zieht aus der
johanneischen Chronologie folgenden Schluß: Das letzte Abendmahl Jesu habe nicht
gemeinsam mit den Juden und nicht nach jüdischen Vorschriften stattgefunden. Deshalb
habe Jesus dabei seinen Jüngern nicht vom Opferlamm und den „Azymen", sondern
vom „Brot" und dem Kelch zu kosten gegeben41.
Außer dem Osterdatum gab es noch weitere Kritikpunkte, die man den Judaizantes
zur Last legte. Zu diesen gehörte unter anderem die Frage nach der Bedeutung des Sab-
bats und die Fasttage. Der Diognetbrief nennt die Beobachtung des jüdischen Sabbats
„einen lächerlichen Aberglauben"42, und Ignatios von Antiocheia ruft die Christen auf,

Gemeinschaft stehend". Der Grund dafür bestand darin, daß die Kirchen Asiens das vorösterliche
Fasten nicht am Ostersonntag beendeten, sondern immer am 14. Nisan, aufweichen Wochentag
das Datum auch fiel, d. h. offensichtlich feierten sie Pascha nach dem quartodezimanischen
Brauch. Aus dem Text des Eusebios kann man den Schluß ziehen, daß der Autor die scharfe Re-
aktion des römischen Bischofs verurteilt; er verweist auch darauf, daß viele zeitgenössische Bi-
schöfe die Kontroverse um das unterschiedliche Osterdatum für einen Streit um einen unbedeu-
tenden Unterschied in den Bräuchen hielten, der der Übereinstimmung im Glauben nicht schaden
konnte. S. bes. EUSEBIOS, ebd., V 24 [13] (ed. cit, Π 70).
39 Zu dieser späteren Form des Osterstreites, bei der es sich um die Berechung der eigenen Paschalie
handelte, s.: LMA VI1515-1516 (GRÜNBECK; jedoch ohne Hinweis auf die Quartodezimaner).
40 Adversus iudaeos 3; dazu s.: WILKEN, John Chrysostom 67-68.
41 CHRONICON PASCHALE, ed. cit. I 409^10: δτι δέ ού κατά ιδ' έπετέλεσεν το πάσχα, αλλά προ
τούτου τό τυπικόν έτέλεσεν δεΐπνον, δτε και ό αγιασμός των άζύμων και ή προετοιμασία
της εορτής έγίνετο, ευρίσκεται τοις μαθηταΐς μεταδιδούς ού θύματος ουδέ άζύμων, άλλ'
αρτου και ποτηριού. Der Gebrauch der Worte αζυμα und αρτος ist hier bemerkenswert und
bestätigt unsere Ausführungen im vorigen Paragraphen. Zu dieser Stelle s.: SCHWEINBURG, Zum
Ursprung 604. Für weitere Zeugnisse antiquartodezimanischer Polemik s.: LOHSE, Das Passafest
19-20. SCHWEINBURG, Zum Ursprung 598-601, hat als erster auf die Bedeutung der
antiquartodezimanschen Polemik für die Frage des gesäuerten Brotes hingewiesen.
42 EPISTOLA AD DIOGNETUM 4, 1 (ed. cit. 356): 'Αλλά μην τό γε περί τάς βρώσεως αυτών
ψοφοδεές και την περί τά σάββατα δεισιδαιμονίαν και την της περιτομής άλαζονείαν και
την της νηστείας και νουμηνίας είρονείαν, καταγέλαστα και ούδενός αξία λόγου, ού
νομίζω σε χρήζειν παρ'έμοΰ μαΟεΐν.
40 Die ostkirchliche Herausforderung

„nicht Sabbat zu feiern, sondern gemäß dem Tag des Herrn zu leben"43. Als Zeichen der
Abgrenzung von der jüdischen Überlieferung galt auch die Wahl der Fasttage. Wenn es
bei den Pharisäern üblich war, am Montag und am Donnerstag zu fasten, so setzten die
Christen den Mittwoch und den Freitag als Fasttage fest. „Damit euer Fasten nicht mit
dem Fasten der Heuchler zusammenfällt", formuliert die Didache zu Beginn des
2. Jahrhunderts44. Schließlich wird auch die Teilnahme der Christen an den jüdischen
Festen als besonders verwerflich gegeißelt. In den erwähnten Homilien des Joannes
Chrysostomos nimmt dieser Aspekt sehr breiten Raum ein. Zu derartigen Festen ge-
hörte natürlich auch das Fest der Ungesäuerten Brote.
Der Prozeß der Abgrenzung gegenüber der jüdischen Kultpraxis fand seinen Nieder-
schlag auch in der kirchlichen Gesetzgebung. Zu den bekanntesten Gesetzen gegen die
Judaizantes zählen die sogenannten „Apostolischen Kanones", entstanden wahrschein-
lich Ende des 4. Jahrhunderts in Anriocheia. Sie bilden einen Anhang zu den
Constitutiones Apostolorum. Das Dokument, das sich als Werk aus apostolischer Zeit
ausgab, wurde in späterer Zeit sehr einflußreich. Im Westen wurden zwar nur die ersten
50 der insgesamt 85 Kanones anerkannt45, aber in Byzanz bestätigte das Konzil in
Trullo 692 die Autorität aller 85 „Apostolischen Kanones" 46 . Kanon 7 der „Apostoli-
schen Kanones" droht einem Diakon, Priester oder Bischof mit Suspension, sollte er
Pascha „vor der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche gemeinsam mit den Juden" feiern47.
Kanon 65 unterwirft einen Kleriker der Exkommunikation, sollte er „zum Gebet in eine
jüdische Synagoge" gehen48. Kanon 71 exkommuniziert einen Christen, falls er Öl in
einen heidnischen Tempel oder in eine jüdische Synagoge bringt oder an ihren Festen
einen Leuchter entzündet"49. Von besonderem Interesse für unser Thema ist aber Ka-
non 70:
,,FalIs irgendein Bischof oder ein anderer Kleriker gemeinsam mit den Juden fasten oder ge-
meinsam mit ihnen Feste feiern oder [von ihnen] Gaben ihrer Feste empfangen sollte, wie zum

43 IGNATIOS VON ANTIOCHEIA, Epist. ad Magnesios 9, 1 (ed. cit. 204): μηκέτι σαββατίζοντες,
άλλα κατά κυριακήν ζώντες.
44 DIDACHE 8, 1 (ed. cit. 320): Ai δε νηστεΐαι ύμΐν μή εστωσαν των υποκριτών, νηστεΰουσι γάρ
δευτέρα σαββάτων και πέμπτη· ύμείς δε νηστεύσατε τετράδα και παρασκευήν.
45 Unter Papst Hormisdas (514-523) wurden die Canones vom 51 bis 85 in die Liste De libris non
reeipiendis aufgenommen; dazu s.: OHME, Die sogenannten „antirömischen Kanones" 312
Anm. 39.
46 Can. 2; Text in: NEDUNGATT / FEATHERSTONE, The Council in Trullo 64-65. In demselben Kanon
verurteilte jedoch das Konzil die Constitutiones apostolorum als eine Fälschung, die einige
häretische Lehren enthalte.
47 CONSTITUTIONES APOSTOLORUM, ed. cit ΙΠ 276.
48 Text s.: ebd., 298.
49 Text s.: ebd., 300.
Der Azymenstreit 41

Beispiel die Azymen oder etwas derartiges, der sei suspendiert. Falls das ein Laie begeht, sei
er exkommuniziert"50.

Demnach sollte jeder Christ, der jüdische Azymen zu sich nimmt, einer Bestrafung
unterworfen sein. Als Quelle für diesen Kanon diente offensichtlich Kanon 38 der
Synode von Laodikeia51, worin festgesetzt wird, daß „es sich nicht zieme, von den Ju-
den Azymen zu empfangen oder an ihren Gottlosigkeiten teilzunehmen"52. Schließlich
wiederholt bereits im 7. Jahrhundert das Konzil in Trullo in Kanon 11 erneut das Ver-
bot, auf irgendeine Weise mit den Juden Umgang zu pflegen und deren Azymen zu
essen53.
Aus der Polemik gegen Christen, die bei den Juden Azymen empfangen, darf man
jedoch nicht den Schluß ziehen, daß das Verbot der jüdischen „Azymen" ein Verbot
von „ungesäuertem Brot" bei der Eucharistie bedeutet. Es wäre beispielsweise falsch, in
einem Text des Joannes Chrysostomos, wo die Azymen als „unrein" beschrieben wer-
den, ein implizites Verbot des ungesäuerten Brotes bei der Eucharistie zu sehen, wie es
bisweilen in der Forschungsliteratur begegnet54. Erst mit dem Ausbruch des Azymen-
streites im 11. Jahrhundert erhielten Motive und Argumente der altkirchlichen Polemik
gegen die Judaizantes eine neue Bedeutung, als die Byzantiner diese Argumente für
ihren Kampf gegen den lateinischen Gebrauch von ungesäuertem Brot einsetzten.

c. Die Typologie der Azymen und des Sauerteigs


Parallel zur fortschreitenden Abgrenzung gegenüber den Juden vollzog sich der Prozeß
einer symbolischen Umdeutung von Handlungen und Gegenstände des jüdischen Kul-
tes, die in den christlichen Gottesdienst keinen Eingang fanden. Man hielt die Vor-

50 Ebd., 300: Εϊ τις επίσκοπος ή άλλος κληρικός Ληστεύει μετά 'Ιουδαίων ή εορτάζει μετ'
αυτών ή δέχεται αυτών τα της εορτής ξένια, οίον αζυμα ή τι τοιούτον, καθαιρείσΟω· ει δέ
λαϊκός, άφοριζέσθω.
51 Die Datierung des Konzils ist unsicher, es wird in die Zeit zwischen 343 und 381 gelegt, s.:
FELDMAN, Jew and Gentile 399.
52 FUNK, Didascalia et Constitutiones apostolorum I 585: δτι ου δει παρά των 'Ιουδαίων αζυμα
λαμβάνειν ή κοινωνεΐν ταΐς άσεβείαις αυτών.
53 NEDUNGATT / FEATHERSTONE, The Council in Trullo 81-82: Μηδείς των έν ίερατικω τάγματι,
ή λαϊκός, τά παρά των 'Ιουδαίων αζυμα έσθιέτω, ή τούτοις προσοικειούσθω, ή έν νόσοις
προσκαλείσθω καί ιατρείας παρ'αυτών λαμβανέτω, ή έν βαλανείοις τούτοις παντελώς
συλλουέσθω· ει δέ τις τοΰτο πρδξαι έπιχειροίη, ει μέν κληρικός εϊη, καθαιρείσθω, ε'ι δέ
λαϊκός, άφοριζέσθω.
54 WOOLLEY, The Bread 10—11. Es handelt sich um eine Stelle aus Joannes Chrysostomos, De
proditione Judae 2, 3: ...όρςίς πώς ακάθαρτα τά άζυμα; πώς παράνομος ή εορτή; πώς
πάσχα Ίουδαϊκόν ποτέ άλλ'έλύΟη νΰν καί άπηλθε το πνευματικόν πάσχα. Woolley zieht
folgenden Schluß: Joannes „could not have said that τά αζυμα were ακάθαρτα if he knew of
unleavened bread being used in the Eucharist". Vgl. dazu FIANSSENS, Institutiones Π/1 129
(Nr. 213).
42 • Die ostkirchliche Herausforderung

Schriften der Torah jedoch keineswegs für sinnlos. Sie waren nach dem Verständnis der
christlichen Interpreten vorausdeutende Symbole auf Christus hin. In dieser symboli-
schen Auslegung erlangten gerade jene Riten des jüdischen Kultes eine positive sote-
riologische Bedeutung, deren wörtliche Beobachtung man umgekehrt als „Judaisieren"
verurteilte. Dieser Prozeß betraf auch die christliche Interpretation des Festes der Unge-
säuerten Brote und die Azymen.
Das wohl früheste Beispiel für die christliche Umdeutung des Festes der Ungesäuer-
ten Brote findet sich im Ersten Korintherbrief:
„Wißt ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? Fegt den alten Sauer-
teig aus, damit ihr ein neuer Teig seid, wie ihr ja bereits ungesäuert seid! Denn auch unser Pa-
schalamm, Christus, ist geschlachtet. Darum laßt uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauer-
teig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit sondern mit Ungesäuertem der
Lauterkeit und Wahrheit!"55.

Der Sauerteig erhält hier eine negative Bedeutung als Symbol der Unreinheit und Sün-
de. Diese Deutung des Sauerteigs kommt überein mit den Warnungen Jesu „vor dem
Sauerteig der Pharisäer, daß heißt vor der Heuchelei"56. Indessen wurde der Sauerteig in
der neutestamentlichen und frühchristlichen Literatur nicht immer in negativem Sinne
verstanden. Schon das Gleichnis Jesu, in dem das Himmelreich mit einem Sauerteig
verglichen wird (Mt 13, 33; Lk 13, 20-21), stellt den Sauerteig in ein günstiges Licht.
Außerdem erlaubte der antike Wortgebrauch allgemein, den „Sauerteig" als eine erhe-
bende und begeisternde Kraft zu deuten57. So nennt Ignatios von Antiocheia Jesus Chri-
stus einen „neuen Sauerteig" und stellt ihn dem „altgewordenen schlechten Sauerteig"

55 1 Kor 5, 6-8: ούκ οϊδατε δτι μικρά ζΰμη δλον τό φύραμα ζυμοΐ; έκκαθάρατε την πάλαιαν
ζύμην, ίνα ήτε νέον φύραμα, καθώς έστε αζυμοι· και γαρ τό πάοχα ήμων έτύθη Χριστός,
ώστε έορτάζωμεν μη έν ζύμη παλαιή μηδέ έν ζύμη κακίας και πονηρίας άλλ'έν άζύμοις
ειλικρίνειας και αληθείας. Vulg.: „nescitis quia modicum fermentum totam massam corrumpit?
Expurgate vetus fermentum, ut sitis nova consparsio sicut estis azymi, etenim pascha nostrum
immolatus est Christus. Itaque epulemur non in fermento veteri, neque in fermento malitiae et
nequitiae, sed in azymis sinceritatis et veritatis".
56 Lk 12, 1; vgl. Mt 16, 6 und 11-12; Mk 8, 15. Zu den Begriffen „Sauerteig" und „Ungesäuertes"
im Neuen Testament s.: ThWNT Π 904-908 (WINDISCH).
57 S. einschlägige Stellen in: ThesLL W l 527 Z. 3-15. Tendenziös ist die Behauptung Anton
MICHEL'S (Humbert undKerullarios II1 ] 9 und Anm. 3), daß „der Sauerteig <...> überwiegend in
heidnischen und christlichen Schriften <...> als unrein bezeichnet" wurde. Wie es aus den im
ThesLL angeführten Stellen hervorgeht, konnte der Sauerteig in der heidnischen Literatur oft in
der positiven symbolischen Bedeutung verwendet werden. In der christlichen Literatur steht das
negative Verständnis des Sauerteigs unter dem Einfluß von 1 Kor 5. Aber auch bei den
christlichen Autoren kann Sauerteig durchaus als etwas Positives gedeutet werden (vgl. dazu die
nächste Seite, Anm. 59).
Der Azymenstreit , 43

des Judentums gegenüber58. In der patristischen Literatur begegnen ferner Ausdrücke


wie „Sauerteig der göttlichen Wahrheit", „Sauerteig der Jungfräulichkeit", „himmli-
scher Sauerteig der Güte"59. Als im Mittelalter die Azymenpolemik in aller Schärfe
entbrannte, begegnet man der Ansicht, daß der Sauerteig das beseelende Prinzip, die
„Seele" des Brotes darstelle60. Hier lohnt es sich, auf eine philologische Besonderheit
hinzuweisen, die im mittelalterlichen Azymenstreit zu Mißverständnissen führte: Pau-
lus gebraucht in seinen Briefen neben 1 Kor 5, 6 das Sprichwort „Ein wenig Sauerteig
durchsäuert den ganzen Teig" auch in Gal 5, 961. Die Vulgata übersetzte das Verb ζνμοΐ
(„säuert") mit corrumpit („verdirbt"): Diese Besonderheit des lateinischen Textes bot
den lateinischen Vätern einen weiteren Grund, im „Sauerteig" ein negatives Symbol zu
sehen, was freilich für die griechischsprachigen Autoren nicht nachvollziehbar war.
Wir erwähnten bereits, daß man nicht von den vielen Warnungen und Verboten, die
jüdischen Azymen zu essen, auf die Verwendung von gesäuertem Brot in der Euchari-
stie rückschließen kann. Ebenso sagen jene patristische Stellen, welche die alttesta-
mentlichen Azymen allegorisch umdeuten und ihnen einen neuen soteriologischen Sinn
verleihen, genauso wenig über die gottesdienstliche Praxis aus. Wenn Paulus sagt, man
solle feiern „mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit", folgt daraus noch nicht,
daß die Eucharistie in der christlichen Urgemeinde mit ungesäuertem Brot vollzogen
wurde62. Dasselbe gilt für eine Stelle aus Iustinos dem Märtyrer, wo die Schaubrote als
Vorbilder für das eucharistische Brot gedeutet werden63, und für Beda, der das Sakra-
ment des Leibes und Blutes Christi mit „den Azymen des Landes der Verheißung" ver-

58 IGNATIOS VON ANTIOCHEIA, Epistola ad Magnesios 10 (ed. cit. 206): ΰπέρθεσθε οΰν την κακήν
ζύμην, την παλαιωθεΐσαν και ένοξίσασαν, καί μεταβάλεσθε εις νέαν ζύμην, δ έστιν
Ίησοΰς Χριστός.
59 Benedictus, reg. 2: „iussio [abbatis] vel doctrina fermento divinae iustistiae in diseipulorum
mentibus conspargatur"; Rufinus, Orig. in num. 23, 7: „aeeepto castitatis fermento" (s.: ThesLL
VI/1 527); Macarius Aegyptius, hom. 24, 4 (PG 34, 665 Α): ζύμη επουράνιος άγαθότητος (s.:
PGL 592).
60 Dazu ausführlicher unten, S. 109-111.
61 1 Kor 5, 6; vgl. Gal 5,9: μικρά ξύμη δλον το φύραμα ζυμοΐ; Vulg.: „modicum fermentum totem
massam corrumpit".
62 Man kann jedoch annehmen, daß die christliche Urgemeinde zumindest einmal im Jahr die Feste
des Pascha und der Ungesäuerten Brote mit den Juden und genauso wie die Juden feierte. Das ist
zumindest die Hauptthese der Monographie Lohses, der das quartodezimanische Pascha für die
ursprüngliche Form der christlichen Paschafeier hält (LOHSE, Das Passafest der
Quartadecimaner).
63 IUSTINOS, Dialogus 41 (ed. cit. 138): και ή της σεμιδάλεως δέ προσφορά <...> ή υπέρ των
καθοριζομένων άπό της λέπρας προσφέρεσΟαι παραδοθείσα, τύπος ην του άρτου της
ευχαριστίας.
44 Die ostkirchliche Heraurforderung

gleicht64, auch wenn diese beiden Stellen in der Forschung als Beweise für den euchari-
stischen Gebrauch von ungesäuertem Brot herangezogen wurden65.

d. Von der Verurteilung der „Judaizantes" zur Abwertung des eucharistischen


ungesäuerten Brotes
Hatte nun die Auslegung der alttestamentlichen Azymen und ihre theologische Deutung
überhaupt keinen Einfluß auf die gottesdienstliche Praxis und auf das eucharistische
Brot? Man wird wohl eine enge Wechselwirkung zwischen theologischer, kanonisti-
scher und liturgischer Reflexionsebene annehmen dürfen, doch erlaubt die dürftige
Quellenlage höchstens Vermutungen. Eine dieser meines Erachtens durchaus wahr-
scheinlichen Annahmen äußerten bereits eine Reihe von Theologen des 13. Jahrhun-
derts, darunter Thomas von Aquin, Bonaventura und Petrus von Tarentaise. Ihrer Mei-
nung nach zog die griechische Kirche gesäuertes Brot in der Eucharistie deshalb vor,
um der Häresie der „Judaizantes" entgegenzuwirken (Thomas nennt die Sekte der Na-
zoräer, Petrus die Sekte der Ebioniten als wahrscheinliche Gegner der griechischen
Kirche)66. Die Scholastiker stellten sich den Wechsel der griechischen Kirche von der
ihrer Meinung nach ursprünglichen Praxis, ungesäuertes Brot zu verwenden, als Folge
eines Beschlusses der kirchlichen Obrigkeit oder eines Konzils vor. Wenn es dafür auch
keine Hinweise in den Quellen gibt, entbehrt diese Vermutung angesichts der verbrei-
teten Sorge der alten Kirche, sich von den „Judaizantes" zu distanzieren, nicht einer
gewissen Plausibilität.
Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang folgendes Zeugnis über die
judenchristliche Sekte der Ebioniten67 aus dem Panarion des Epiphanios von Zypern
(entstanden 374-377 68 ):
„Sie vollziehen [ihre] Sakramente, indem sie die kirchlichen Sakramente nachahmen, jährlich
mit Azymen, und den zweiten Teil des Sakraments nur mit Wasser [ohne Wein]"69.

64 BEDA VENERABILIS, In Lucae evangelium expositio 22, 15 (ed. cit. 377): „pascha cum discipulis
manducans ita demum mane inluscente mundissima sui corporis et sanguinis mysteria in crucis
altari consecrata quasi azima terrae repromissionis imbuendis fidelibus offerat".
65 Zur Iustinos-Stelle: SPÄCIL, De SS. Eucharistie! Π 139 (Nr. 325), und MICHEL, Humbert und
Kerullarios Π 114-115; zu der Beda-Stelle: MICHEL, ebd., 120. In eine korrekte Perspektive stellt
dagegen die Beda-Stelle in Bezug auf die Beschaffenheit des eucharistischen Brotes GEISELMANN,
Die Abendmahlslehre 34-37.
66 Dazu ausfuhrlich s. unten, S. 327-331 (mit Belegstellen).
67 Zu den beiden Bezeichnungen s.: TRE XVII312 (STRECKER).
68 Datierung nach: LMAΙΠ 2068 (HAUSIDLD).
69 EPIPHANIOS VON ZYPERN, Panarion 30, 16 (ed. cit. 353): μυστήρια δέ δήθεν τελοϋσι κατά
μίμησιν των άγιων έν Tfj εκκλησία, άπό ένιαυτοΰ είς ένιαυτόν διά άζύμων και τό αλλο
μέρος τοΰ μυστηρίου δι'ΰδατος μόνου. Meine Übersetzung versucht absichtlich den
ursprünglichen Wortlaut wiederzugeben, um die Mehrdeutigkeit des Textes sichtbar zu machen.
Der Azymenstreit 45

Gegenüber der historischen Zuverlässigkeit des Epiphanios muß man bekanntlich Vor-
sicht walten lassen, aber gerade diese Mitteilung erfährt eine Bestätigung bei Origenes,
der die Paschafeier mit Azymen „Ebionitismus" nennt70. Epiphanios spricht nicht von
dem täglichen Vollzug der Eucharistie, sondern von der jährlichen Paschafeier, aber der
cucharistische Kontext (κατά μίμησιν των αγίων εν τβ εκκλησία, το άλλο μέρος τον
71
μυστηρίου) ist offenkundig . Man darf daraus schließen, daß Epiphanios die Verwen-
dung von ungesäuertem Brot als ebenso schwere Verfehlung gegen die Ordnung des
Sakraments betrachtet wie den Gebrauch von Wasser anstelle von Wein72. Dabei wird
der Gebrauch von Azymen direkt mit der Praxis der Judenchristen (oder im weiteren
Sinn der Judaizantes) in Verbindung gebracht. Die angeführte Stelle aus Epiphanios
wurde in der Forschung des öfteren kommentiert: Eine Reihe von Historikern zog dar-
aus den Schluß, daß zur Zeit des Epiphanios und in den Gebieten, wo er tätig war, ge-
säuertes Brot die bevorzugte eucharistische Materie darstellte73. Dabei übersah man
bislang einen meines Erachtens hochinteressanten Aspekt dieser Stelle. Epiphanios
stellt, soweit ich sehe, zum ersten Mal den christlichen kultischen Gebrauch des unge-
säuerten Brotes in einen negativen Kontext, denn bei den Ebioniten handelt es sich
eindeutig um eine christliche Sekte74. Nach Epiphanios ist nicht nur jener zu verurtei-
len, der an jüdischen Festen teilnimmt und Azymen von den Juden annimmt, sondern
auch jener, der die christliche Eucharistie mit ungesäuertem Brot vollzieht. In demsel-
ben Sinn erfuhren die kanonischen Verbote, die jüdischen Azymen zu essen (Kanon 38
von Laodikeia, Apostolischer Kanon 70, Kanon 11 des Konzils in Trullo), eine analoge
Erweiterung im Sinne eines Verbots des ungesäuerten Brotes in der christlichen Eucha-
ristie. Ähnliches geschah mit den Kanones, welche die Paschafeier gemeinsam mit den

70 S.: RAC IV 495. Ober die Ebioniten schreibt auch IRENÄUS VON LYON, Adversus haereses V 1, 3
(hg. A. ROUSSEAU U. a. in: SC 153, 25-28), der auch über die ausschließliche Verwendung des
Wassers berichtet.
71 Die Behauptung HANSSENS', Institutiones liturgicae Π/1 129 (Nr. 213), daß das Zeugnis des
Epiphanios nicht ad eucharistiam spectat, ist irreführend. Der Ausdruck τά άγια έν τη εκκλησία
meint eindeutig die Eucharistie. Zum Gebrauch des Ausdrucks τά αγία s.: PGL 18.
72 Über den eucharistischen Gebrauch des Wassers an Stelle von Wein in der alten Kirche s.:
MCGOWAN, Ascetic Eucharists 143-250.
73 Einige Forscher haben versucht, diese Stelle dahingehend zu interpretieren, daß die Azymen nicht
den Gegensatz zu der christlichen Feier, sondern gerade ihre „Nachahmung" bilden und
Epiphanios nicht die Azymen, sondern nur den Gebrauch des Wassers ohne Wein für eine
häretische Eigenschaft der ebionitischen Mysterien halte, s. SPÄCIL, De SS. Eucharistia Π 138
(Nr. 324). Daß diese Stelle nicht in diesem Sinne verstanden werden kann, hat m. E. überzeugend
schon Kardinal Bona im 17 Jh. gezeigt, s.: BONA, Epistola 1224 B-C.
74 Wie unscharf die Grenze zwischen Orthodoxie und Häresie in der alten Kirche war, gerade auch
in Bezug auf Verschiedenheiten der liturgischen Praxis, stellte jüngst MCGOWAN, Ascetic
Eucharists, heraus. Auch LOHSE, Das Passafest der Quartadecimaner, geht von der gleichen
These aus.
46 Die ostkirchliche Herausforderung

Juden verboten. Sie wurden dahingehend erweitert, daß nicht so sehr die Teilnahme am
jüdischen Pascha, sondern die christliche Paschafeier nach der jüdischen Paschalie
untersagt wurde75. Wie wir sehen werden, setzte sich diese Akzentverschiebung des
Verbotes, jüdische Azymen zu essen, auf das Verbot des eucharistischen ungesäuerten
Brotes in der griechischen Polemik gegen das ungesäuerte Brot der Lateiner im
11. Jahrhundert fort.

3. Die Verfestigung der eucharistischen Bräuche

Vor dem 9. Jahrhundert finden wir keinen eindeutigen Hinweis über die Beschaffenheit
des eucharistischen Brotes. Rekonstruktionsversuche, wie sie seit dem 17. Jahrhundert
von Liturgiehistorikern unternommen worden sind, basieren auf Vermutungen und
können sich nur auf indirekte Zeugnisse in den Quellen stützen. Im Laufe der letzten
drei Jahrhunderte entstand dadurch ein Repertoire von fraglichen Quellenstellen, das
von einer Studie zur anderen unterschiedliche Interpretationen erfährt. Was schält sich
als Konsens heraus?
(1) In der apostolischen Zeit (1.-2. Jahrhundert) feierten die Christen mit dem Brot, das
„zur Hand" war, also mit normalem, handelsüblichem Brot76, ohne sich um seine
gesäuerte bzw. ungesäuerte Beschaffenheit zu kümmern77. In der patristischen Lite-
ratur begegnet der Ausdruck „gewöhnliches Brot" {άρτος κοινός™, panis usita-
tus19), um damit das eucharistische Brot zu bezeichnen. Was dieser Ausdruck
genau bedeutet, darüber gehen die Meinungen auseinander. Während Geiselmann
dahinter nichts anderes als „gesäuertes Brot" sieht80, meint Anton Michel, daß „der
Gegensatz vom »gewöhnlichen« Brot <...> meist auch nicht Azymum, sondern
»geheiligtes« Brot" war81. Michel hat insofern recht, als es für die altchristlichen
Autoren wichtig war, den prinzipiellen Unterschied zwischen dem noch nicht kon-

75 Dazu s.: LMA VI 1515-1516 (GRÜNBECK).


76 LThK 3 1 1327 (PETZOLT): Urspünglich wurde „überall das alltägliche, häusliche Brot vom Markt
oder aus den Gaben der Gläubigen genommen".
77 DThC I 2654 (PARISOT): „Quant aux apötres et aux fondateurs des premieres Eglises, on doit
croire qu'ils se servirent de l'element pain leve ou azyme, qui se trouvait ä leur portee dans les
maisons ou se tenaient les reunions chretiennes". DACL I 3254 (CABROL): „les apötres
n'attacherent pas grande importance ä cette question et celebrerent avec le pain qu'ils avaient ä
leur disposition".
78 So z. B.: GREGOR VONNYSSA, In diem luminum, ed. cit. 225; ό άρτος πάλιν άρτος εστί τέως
κοινός· άλλ'δταν αυτόν το μυστήριον ίερουργήση, σώμαΧρίμστοΰ λέγεται τε και γίνεται
79 AMBROSIUS VON MAILAND, De sacramentis 4,14 (ed. cit. 51-52): „Tu forte dicis: »Meus panis est
usitatus«. Sed iste panis est ante verba sacramentorum; ubi accesserit consecratio, de pane fit caro
Christi".
80 GEISELMANN, Die Abendmahlslehre 25. Derselben Ansicht ist WOOLLEY, The Bread 7.
81 S. Michels Rezension des Buches von Geiselmann in: ByZ 36 (1936) 120.
Der Azymenstreit 47

sekrierten Brot und dem Brot, das bereits zum Leib des Herrn geworden war, zu
verdeutlichen. Die Bezeichnung „gewöhnliches Brot" gab also keine Auskunft über
die Zubereitung desselben. Es konnte sich je nach örtlichem Brauch sowohl um un-
gesäuertes als auch um gesäuertes Brot handeln, wobei letzteres doch beträchtlich
verbreiteter war.
(2) Man darf vermuten, daß sich in der Folge in verschiedenen Gebieten ein eigener
Brauch in Bezug auf das eucharistische Brot herausbilden konnte. Anton Michel
versuchte die Unterschiede unter den Ortskirchen nachzuweisen und stellte den Ge-
brauch von ungesäuertem Brot in Alexandreia, in Jerusalem und in der westlichen
Kirche, von gesäuertem Brot in Syrien und in Konstantinopel fest82. Allein seine
Ergebnisse bleiben fraglich, denn in den Stellen, die er anführt, ist ausschließlich
von der symbolischen Deutung der beiden Brotarten die Rede. Dagegen sahen wir
bereits, daß sich eine Bevorzugung des gesäuerten Brotes besonders in jenen Ge-
bieten nahelegte, wo die Gefahr des „Judaisierens" als besonders akut empfunden
wurde.
(3) Vermutlich aus dem 6. Jahrhundert gibt es für den byzantinischen Bereich ein
Zeugnis, das ausdrücklich über den Gebrauch von gesäuertem Brot in der Euchari-
stie spricht, nämlich eine Stelle in der dem Joannes Philoponos zugeschriebenen
Schrift De paschate. Der Autor spricht sich dafür aus, daß die Eucharistie nicht mit
ungesäuertem, sondern mit gesäuertem Brot gestiftet worden sei und daß das unge-
säuerte Brot nicht das Zeichen des göttlichen Leibes Jesu sein könne. Dann merkt
er an: „Sonst wäre es ja auch bis heute so"83. Die Authentizität dieser Schrift ist bis
heute nicht geklärt. Einige Forscher datieren das Werk in viel spätere Zeit84. Daher
beweist erst das Vorhandensein der Lanze in der Proskomidie die Verwendung des
gesäuerten Brotes85. Da diese offenbar erst im 9. Jahrhundert eingeführt wurde86,
kann auch das gesäuerte Brot erst zur selben Zeit als Opfermaterie zweifelsfrei
nachgewiesen werden.
(4) Für die lateinische Kirche begegnet das erste eindeutige Zeugnis zugunsten des
Gebrauchs von ungesäuertem Brot in De institutione clericorum des Hrabanus
Maurus, das in den Jahren 817-819 entstanden ist87. Hrabanus spricht von „unge-
säuertem Brot" (pemis infermentatus), das in der Eucharistie zu verwenden sei, und
begründet dies mit dem alttestamentlichen Verbot, dem Herrn Gesäuertes darzu-

82 MICHEL, Humbert und Kerullarios 1115-121.


83 JOANNES PHILOPONOS, De paschate, ed. cit. 216: ουδέ αζυμον αρτον άντίτυπον τοΰ ιδίου
σώματος τοις έαυτοΰ μαθηταΐς εδωκεν ό Χριστός, έγίνετο γαρ αν και μέχρι νϋν.
84 Dazu ausfuhrlicher s. unten, S. 96 (Nr. 18).
85 Vgl. oben, S. 30.
86 ONASCH, Lexikon 242. 321.
87 Zur Datierung s.: HRABANUS MAURUS, De institutione clericorum, hg. D. ZIMPEL, 34.
48 Die ostkirchliche Herausforderung

bringen88. Somit kann man auch im Westen erst mit dem 9. Jahrhundert verbindlich
vom Gebrauch des ungesäuerten Brotes ausgehen.
Die Frage nach dem Alter des Gebrauchs von ungesäuertem Brot in der lateinischen
Kirche wurde unter westlichen Forschern besonders lebhaft diskutiert. Diese Frage war
bereits im 11. Jahrhundert durch die Behauptung der griechischen Polemiker provoziert
worden, daß die römische Kirche den ursprünglichen Brauch der Kirche willkürlich
geändert habe. In der Neuzeit wurde die Frage seit dem 17. Jahrhundert diskutiert.
Jacques Sirmond äußerte 1651 die Ansicht, daß in der lateinischen Kirche ungesäuertes
Brot erst nach der Zeit des Patriarchen Photios in Gebrauch kam, weil dieser in seiner
Enzyklika Ad sedes orientales von 867, in der die Abweichungen der Lateiner vom
wahren Glauben und der rechten liturgischen Praxis angeprangert werden, das ungesäu-
erte Brot mit keinem Wort erwähnte. Sirmond führte eine Fülle weiterer Zeugnisse an,
die seine These unterstützen sollten89. Kardinal Bona schloß sich im ersten Buch seiner
im Jahre 1671 herausgegebenen Studie De rebus liturgicis der Meinung Sirmonds an90.
1673 unternahm Jean Mabillon den Versuch, Sirmond zu widerlegen, indem er den
Gebrauch des ungesäuerten Brotes in der lateinischen Kirche spätestens seit dem
4. Jahrhundert postulierte91. Unter dem Einfluß Mabillons korrigierte Bona seine Positi-
on, meinte indessen, daß nicht irgendeine, sondern beide Arten von Brot verwendet
wurden92.
In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts flammte mit der berühmten Studie von
Geiselmann die Kontroverse neu auf, der zufolge man den Gebrauch von ungesäuertem
Brot im Westen erst seit dem Ende des 8. Jahrhunderts nachweisen kann93. Anton Mi-
chel hielt dagegen, daß dies spätestens seit dem 7. Jahrhundert als bewiesen gelten
darf94. Michel führte zu seinen Gunsten auch jene Texte und Beschlüsse ins Feld, die

88 HRABANUS MAHRUS, De institutione clericorum I, 31 (ed. cit. 332-333): „Ergo panem


infermentatum, et vinum aqua mixtum, in sacramentum corporis et sanguinis Christi sanetificari
oportet, quia ipsas res de se dominum testificare evangelium narrat. <...> Quod autem panem
sacrificii sine fermento esse oporteat, testatur über Leviticus, ubi commemoratur, dominum per
Moysen filiis Israel ita praeeipisse: »Omnis«, inquit, »oblatio, quae offertur domino, absque
fermento fiat, nee quiequam fermenü ac mellis adolebitur in sacrificio domini«. Credimus ergo et
panem illum, quem primum dominus in coena mystica in ministerium corporis sui consecravit,
infermentatum esse, maxime cum in tempore paschae ullum fermentum cuiquam vesci, sed nee
in domo habere ulli licebat, domino ülud in lege praeeipiente ac dicente, sicut Exodus testatur".
89 SIRMOND, Disquisitio de azymo (' 1651).
90 BONA, Dissertatio de fermento (' 1671).
91 MABILLON, Dissertatio de pane eucharistico (' 1673).
92 BONA, Epistola.
93 GEISELMANN, Die Abendmahlslehre 34-41: „Vor dem Ende des 8. Jahrhunderts läßt sich der
Gebrauch der Azymen in der abendländischen Kirche nicht nachweisen".
94 MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 119-121: „Man wird <...> Azymen für das 7. Jahrhundert
ebenso annehmen müssen wie für das 8. und 9. Jahrhundert".
Der Azymenstreit 49

für das eucharistische Brot forderten, es müsse „rein" oder sogar „allerreinst" sein95. Er
hielt dieses Wort für eine Bezeichnung des ungesäuerten Brotes im Gegensatz zum
Sauerteig, der in der Regel als unrein gegolten habe96. Daß der Sauerteig aber auch
positiv gedeutet werden konnte, haben wir oben gezeigt. Die Bezeichnung „rein"
könnte auch einen Hinweis auf die Beschaffenheit des Mehls gewesen sein. Man for-
derte reines Mehl ohne irgendwelche Beimengungen. Angesichts der mangelhaften
Qualität des Brotes im Mittelalter konnte eine solche Vorschrift rein praktische Grunde
gehabt haben. Vor Hrabanus Maurus haben wir also nach wie vor kein eindeutiges
Zeugnis zugunsten des ungesäuerten Brotes in der lateinischen Kirche.
Um zu klaren Ergebnissen zu kommen, müßte man das bekannte Quellenmaterial
wesentlich erweitern. Das könnte in zwei Richtungen erfolgen: Einmal sollte man die
einschlägigen Quellen, die während der letzten hundert Jahre erstmals ediert wurden,
prüfen, einschließlich jener in orientalischen Sprachen wie Syrisch, Koptisch usw. So-
dann müßte man auch archäologisches und ikonographisches Material heranziehen97.
Der erste Weg wurde bisher nur von Hanssens in seinen Institutiones liturgicae unter-
nommen, aber seit dem Erscheinen seines Werkes sind schon über siebzig Jahre ver-
gangen. Den zweiten Weg beschritt für unsere Problematik bislang noch niemand. Dies
zu leisten würde die Grenzen der vorliegenden Arbeit sprengen. Dieses Kapitel wollte
nur auf einige Kernprobleme hinweisen, auch wenn wir auf Aspekten, die für das Ver-
ständnis des mittelalterlichen Azymenstreites besondere Bedeutung haben, länger insi-
stierten. *

95 So z. B. ALKUIN, Epistola 137 (ed. cit. 211-212): „panis, qui in corpus Christi consecratur,
absque fermento ullius alterius infectionis debet esse mundissimus", sowie die Anweisung des 16.
Konzils von Toledo, can. 6 (MANSI ΧΠ 73Β-74Α): „quod non panes mundos et studio
praeparatos, sed <...> de panibus suis usibus praeparatis crustulam in rotunditatem auferant <...>
Non aliter panis proponatur nisi integer et nitidus, qui ex studio fuerit praeparatus, neque grande
aliquid, sed modica tantum oblata, seeundum quod consuetudo retentat".
96 MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 119-120.
97 Daß dieser Zugang für die Problematik des eucharistischen Brotes erfolgreich sein kann, beweist
unter anderem ein interessanter Hinweis bei JUNGMANN, Missarum sollemnia Π ΛΧ-Α2.
50 Die ostkirchliche Herausforderung

II. Der Ausbruch des Azymenstreites


Der Ursprung des Azymenstreites ist unmittelbar mit jenen Ereignissen verknüpft, die
als „das Schisma von 1054" in die Kirchengeschichtsbücher Eingang fanden. Bekannt-
lich haben in diesem Jahr die drei Legaten der römischen Kirche Kardinalbischof Hum-
bert von Silva Candida, Kanzler Friedrich von Lothringen und Erzbischof Petrus von
Amalfi den Patriarchen von Konstantinopel Michael Kerullarios mit dem Anathem
belegt, als sie am 16. Juli 1054 die Exkommunikationsbulle auf den Altar der Hagia
Sophia legten. Kerullarios reagierte darauf, indem er am 24. Juli eine Sitzung der stän-
digen Synode der griechischen Bischöfe einberief, auf der die drei päpstlichen Legaten
ihrerseits exkommuniziert wurden. In dieser wechselseitigen Exkommunizierung er-
reichte der Streit zwischen der römischen Kurie und dem Patriarchen von Konstantino-
pel, der in den Jahren 1053 und 1054 ausgetragen wurde, seinen Höhepunkt. Am An-
fang dieses Streites stand der Angriff der Griechen auf den Brauch der lateinischen
Kirche, in der Eucharistie ungesäuertes Brot zu verwenden.
Der griechisch-lateinische Konflikt in den Jahren 1053/54 war Gegenstand zahlloser
Untersuchungen1. Mit dem Datum 1054 wird bis auf den heutigen Tag jener Bruch
zwischen dem östlichen und dem westlichen Christentum verbunden, den man das

1 Während die auf der Grundlage von Sekundärliteratur verfaßten Überblicke fast unüberschaubar
sind, gibt es nur wenige historische Untersuchungen, die sich um die genaue Rekonstruktion der
Ereignisse und ihrer Motive aufgrund der Quellenbasis bemühen. Zu letzteren gehören die Arbeiten
von Anton MICHEL, vor allem sein Hauptwerk Humbert und Kerullarios (2 Bde., 1924-1930),
sowie einige für unsere Problemstellung bedeutende Aufsätze: Die „Accusatio" des Kanzlers
Friedrich (1930); Verstreute Kerullarios- und Humbert-Texte (1931); Die Rechtsgültigkeit des
römischen Bannes (1943/49); Schisma und Kaiserhof (1954). Ebenfalls wichtig sind: DThC X
1677-1703 (AMANN, Michel Cerulaire); JUGIE, Le Schisme byzantin (1941); RUNCIMAN, The
Rastern Schism (1955); PETRUCCI, Rapport (1973); PETRUCCI, Ecclesiologia (1977); KRAUSE, Das
Constitutum Constantini (1983); TINNEFELD, Michael I. Kerullarios (1989); KAPLAN, Le „schisme"
de 1054 (1995). Weiterhin hilfreich: NICOL, Byzantium and the Papacy (1962); DENZLER, Das sog.
Morgenländische Schisma (1966). BARMIN, Stolknovenie (1999). Von Bedeutung sind einschlägige
Kapitel in den zusammenfassenden Darstellungen: NORDEN, Das Papsttum und Byzanz (1903) 2 3 -
28; EVERY, The Byzantine Patriarchate (1962) 148-153; JEDIN, Handbuch der Kirchengeschichte
m (1966) 467-476 (H.-G. BECK); BECK, Geschichte (1980) 142-147; NYSSEN / SCHULZ / WIERTZ,
Handbuch der Ostkirchenkunde I (1984) 94-101 (H.-J. SCHULZ); HUSSEY, The Orthodox Church
(1986) 129-136. Schließlich sei auch auf die immer noch lesenswerte Untersuchungen aus dem
19. Jh. hingewiesen: PICHLER, Geschichte der kirchlichen Trennung I (1864) 250-262;
HERGENRÖTHER, Photius ΠΙ (1869) 730-789; BREHIER, Le schisme oriental (1899).
Der Azymenstreit 51

.jnorgenländische Schisma"2 nennt, obwohl es dagegen ernste Einwände gibt, wovon


noch die Rede sein wird. Wenn auch seit den Forschungen Anton Michels die Ereignis-
se jener Jahre sehr viel besser bekannt sind, liegen dennoch viele Einzelheiten und vor
allem die Handlungsmotive der Protagonisten des Streites weiterhin im Dunkeln. Das
Ziel der vorliegenden Studie verbietet es, eine umfassende Beschreibung des Verlaufs
der Ereignisse von 1053/54 zu geben, dennoch müssen zum Verständnis des Azymen-
streites einige politische Aspekte in Erinnerung gerufen werden.

1. Der politische Hintergrund des Konflikts

Heute wird allgemein anerkannt, daß der zwischenkirchliche Streit von 1054 durch
einen kirchenpolitischen Interessenkonflikt zwischen Rom und Konstantinopel ausge-
löst wurde, in dem der militärpolitischen Situation in Süditalien eine Schlüsselrolle
zukam. Beim Versuch zu erklären, warum dieser Konflikt in solch scharfer Form ver-
lief, werden häufig zwei Aspekte hervorgehoben. Auf der einen Seite spricht man vom
Reformpapsttum des 11. Jahrhunderts „mit seinem gesteigerten Primatsverständnis"3,
das nicht dulden wollte, daß im Osten die Autorität der römischen Kirche auf irgendei-
ne Weise angezweifelt würde. Um so bereitwilliger habe es sich in den Konflikt mit den
Byzantinern ziehen lassen und um so heftiger habe es auf jeden Widerspruch und jede
Kritik reagiert. Auf der anderen Seite wird darauf verwiesen, welch unglückliche Rolle
die impulsiven Charaktere und Temperamente der in den Ereignissen von 1053/54 füh-

Diesen umstrittenen Begriff fuhren bis heute Standardnachschlagewerke wie LMA VI 838-839
(SUTTNER), LThK3 VE 47(M74 (BAYER); vgl. auch LThK2 Vü 630-635 (DVORNK). Gelegentlich
begegnet auch der Ausdruck „orientalisches Schisma" (ζ. Β. in der dt. Übersetzung von CONGAR,
Zerrissene Einheit!-\T)\ zum engl. und franz. Sprachgebrauch s.: RUNCIMAN, The Rastern Schism;
JUGIE, Le Schisme byzantin. Der Begriff ist vor allem deswegen umstritten, weil er westlich geprägt
und daher der ostkirchlichen Sichtweise nicht gerecht wird. Einige neuere katholische Autoren
bevorzugen es, den Ausdruck mit dem vorsichtigen „sog." zu versehen, s. ζ. Β.: DENZLER, Das sog.
Morgenländische Schisma. Die Orthodoxen charakterisieren dagegen die Spaltung zwischen Rom
und Konstantinopel als „abendländisches Schisma" (s.: CHOMJAKOV, Socinenija 67-68) oder
..römisches Schisma" (s. z. B.: KARMIRIS, The Schism of the Roman Church, in Bezug auf
Ereignisse unter Photios). In der russischen kirchenhistorischen Literatur - auch bei nicht
besonders ökumenisch gesinnten Autoren - hat sich in der ersten Hälfte des 20. Jh. ein viel
ausgewogenerer Ausdruck „pa3,ti.e.JieHHe π,ερκΒβϋ" („Spaltung der Kirchen") etabliert, s. ζ. Β.:
LEBEDEV, Istorija razdelenija cerkvej (21905), obwohl bei manchen Autoren auch der Ausdruck
..ornaaeiiHe 3arra/i,HoM ΙΙ,ερκΒΗ οτ ΒΟΟΤΟ^ΗΟΜ" („Abfall der westlichen Kirche von der
östlichen") anzutreffen ist (s. in der annotierten Bibliographie bei LEBEDEV, ebd., 414).
Insbesondere bei Autoren, die unter dem Einfluß von Vladimir Solov'ev (s.: SOLOV'EV, Der große
Streit) stehen, wird oft der Ausdruck „BejiHKHft iiepKOBHtiü pacKOJi" („das große kirchliche
Schisma") gebraucht, s. z. B.: POSNOV, Istorija Christianskoj Cerkvi (1964) 527.
So BAYER in: LThK3 VH 472.
52 Die ostkirchliche Herausforderung

renden Figuren, des Patriarchen von Konstantinopel Michael Kerullarios und des Kar-
dinals Humbert, eines der engsten Mitarbeiter von Papst Leo EX., gespielt haben. Beide
Aspekte sind zweifelsohne wichtig. In der Tat wandelte sich gerade um die Mitte des
11. Jahrhunderts das Selbstverständnis und das Selbstbewußtsein des Papsttums tief-
greifend, wobei Leo IX. (1049-1054) am Beginn einer Reihe von „Reformpäpsten"
steht4. Auch spielten der Charakter und die Ambitionen des Michael Kerullarios
(*ca. 1005/1010, f 1059)5, der 1040 erfolglos für den kaiserlichen Thron kandidierte6,
1043 Patriarch wurde und sich aktiv in die kaiserliche Politik bis zu seiner Absetzung
im Jahre 1058 einmischte, eine außerordentlich wichtige Rolle. Bei Kardinal Humbert7
sollte man mit Schlußfolgerungen vorsichtiger sein, denn seine Rolle im Konflikt mit
den Griechen ist längst nicht so klar, wie es sich für Anton Michel darstellte, der den
Konflikt zwischen Griechen und Lateinern in den Jahren 1053/54 beinahe auf den
Kampf zwischen zwei Persönlichkeiten - Humbert und Kerullarios - zurückführte,
wobei er durch großzügige Zuschreibungen einiger anonymer Texte an die beiden
Hauptfiguren deren Rolle noch mehr betonte8. Die jüngste Forschung tendiert eher
dahin, die überragende Rolle Humberts im Konflikt mit Byzanz in Zweifel zu ziehen9.

4 Zu Leo LX. s.: TELLENBACH, Die westliche Kirche 154-157; LMA V 1880 f. (R. SCHIEFFER); DHP
1025-1027 (PARISSE).
5 Zu Michael Kerullarios s.: BECK, Kirche 533-534; LMA VI 601-602 (Broncov / TODT); ODB
1361 (KAZUDAN); TRE XXII 708-710 (TINNEFELD). Die gesamte Literatur zum „Schisma 1054"
kann selbstverständlich nicht an der Person des Kerullarios vorbeikommen. Grundlegend für die
Untersuchung der Tätigkeiten des Kerullarios bleiben nach wie vor die Arbeiten von Anton
Michel (s. Anm. 1). Michel schreibt allerdings einige Werke Kerullarios zu unrecht zu (vgl.
unten, Α ΠΙ lb, Nr. 8 und 36). Für eine Zusammenfassung der neuesten Entwicklungen in der
Kerullarios-Forschung s.: TINNEFELD, Michael I. Kerullarios (1989).
6 Zu dieser Episode s.: TINNEFELD, Michael I. Kerullarios 99.
7 Zu Kardinal Humbert und zu den unterschiedlichen Seiten seiner Tätigkeiten gibt es zahlreiche
Veröffentlichungen; vor allem sind hier wiederum die Arbeiten Anton Michels von Bedeutung
(s. Anm. 1). Speziell der Behandlung der Azymenfrage durch Humbert widmet ein Kapitel seiner
Studie KANDLER, Die Abendmahlslehre des Kardinals Humbert (1971) 15-37; diese Arbeit ist
jedoch von zweitrangiger Qualität. Eine detailierte Übersicht über die Werke Humberts mit
Beschreibungen des wichtigsten handschriftlichen Materials s.: HOESCH, Die kanonischen
Quellen (1970). Kurze zusammenfassende Darstellung von Leben und Werk Humberts s.: TRE
XV 682-685 (BLUMENTHAL), sowie jüngst DISCHNER, Humbert von Silva Candida (1996);
letztere jedoch in Bezug auf die mit dem „Schisma 1054" verbundenen Schriften ziemlich
oberflächlich.
8 Kritik an den Zuschreibungsmethoden Michels s.: KRAUSE, Das Papstwahldekret 15-23.
9 S.: TRE XV 683-684 (BLUMENTHAL); DISCHNER, Humbert 49-69, zu den im Zusammenhang mit
der byzantinischen Problematik entstandenen Schriften. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß
sowohl Papst Leo LX. als auch die beiden anderen Legaten, die 1054 mit Humbert nach
Konstantinopel gereist und an der Exkommunikation vom 16. Juli 1054 direkt beteiligt gewesen
sind, hinreichende Möglichkeit hatten, den Verlauf der Ereignisse zu beeinflussen sowie an der
Der Azymenstreit 53

Aber auch unabhängig vom Einfluß Humberts auf die Ereignisse von 1053/54 gilt: Die
Schärfe des Zusammenstoßes wäre ohne ein konfliktfreudiges Temperament, bei wel-
chem der Legaten auch immer, kaum zu erklären.
Die erwähnten Aspekte sind für das Verständnis der Ereignisse von 1053/54 zwei-
fellos von Bedeutung, allein eine Überbetonung könnte den falschen Eindruck erwek-
ken, als ob es sich ausschließlich um einen Konflikt zwischen ambitionierten Kirchen-
fürsten gehandelt hätte. So gesehen wäre der Azymenstreit nur ein Instrument des
politischen Kampfes gewesen, unabhängig von seinem theologischen und kulturhistori-
schen Inhalt. Indessen sind die politische und die kulturelle Dimension des Konflikts
unlöslich miteinander verbunden. Diese wechselseitige Abhängigkeit zwischen politi-
schen und kulturellen Faktoren gewinnt an Schärfe, blickt man auf die Lage Süditaliens
im 11. Jahrhundert.
Die Sonderrolle, die Süditalien bei den Beziehungen zwischen Rom und Konstanti-
nopel spielte, ist weithin bekannt10. Hier pflegte man nachbarschaftliche Beziehungen
ebenso wie permanente Konkurrenz, und zwar auf drei Ebenen. (1) In militärischer
Hinsicht war Süditalien im 10. und 11. Jh. das Aufmarschgebiet vieler Mächte, vom
Papsttum und dem deutschen Königtum angefangen, über die Langobarden und die
Normannen, bis hin zum byzantinischen Reich und den Arabern. (2) In kirchenpoliti-
scher Hinsicht standen sich zwei kirchliche Jurisdiktionen, die römische und die kon-

Abfassung der Schriften gegen die Griechen mitzuarbeiten. Besondere Aufmerksamkeit verdient
dabei Friedrich von Lothringen, der zukünftige Papst Stephan LX. (1057-1058), der im Jahre
1054 Kanzler der römischen Kirche war, s.: LMA VHI 118-119 (R. SCHIEFFER). Kerullarios hielt
ihn offenbar für den Chef der päpstlichen Legation (s.: WILL 187 Z. 6-9). Kaum erforscht ist die
Person und Tätigkeit des Erzbischofs Petrus von Amalfi, s.: LMA VI 1958 (FORNASARI); auch er
dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Schriften gegen die Griechen mitgewirkt haben.
Diese Erwägungen schließen die (Mif-)Autorschaft Humberts keineswegs aus: „Zumindest als
Mitarbeiter an den im Zusammenhang mit der Legation 1054 entstandenen Schriften" erkennt ihn
auch die neuere Forschung (TRE XV 684) an. Als „Gemeinschaftswerk der Legaten <...>, wobei
eine federführende Rolle Humberts nicht ausgeschlossen werden kann", bezeichnet jüngst
Dischner den Dialogus und die Contradictio, s.: DISCHNER, Humbert 58.
10 Zu den politischen Beziehungen zwischen dem Papsttum und Byzanz in Süditalien s.: GAY,
L'Italie meridionale (1904); FALKENHAUSEN, Untersuchungen (1967). Zu den normannischen
Eroberungen s.: CHALANDON, Histoire de la domination normende (2 Bde., 1907); JAHN,
Untersuchungen (1989); BÜNEMANN, Robert Guiskard (1997). Zu den kirchlichen Aspekten ist
nach wie vor unerläßlich: RODOTÄ, Dell 'origine, progresso, e stato presente del rito greco in
Italia (3 Bde., 1758-1763). Sehr hilfreich für unsere Problematik ist: HERDE, Das Papsttum und
die griechische Kirche (1970); KLEWITZ, Studien über die Wiederherstellung (1933/34);
zusammenfassend s.: LAURENT, L'Eglise de l'Italie meridionale (1973). Speziell zur kirchlichen
Lage in Apulien s.: KLEWITZ, Zur Geschichte der Bistumsorganisation (1932/33). Weiterhin
nützlich: FORTESCUE, The Uniate Eastern Churches (1957) 47-145 (Kapitel The Italo-Greeks in
the Past). In vielfacher Hinsicht irreführend in Bezug auf die süditalienischen Verhältnisse
dagegen ist BÖHMER, Das Schisma von 1054 (1969), vgl. dazu unten, S. 57 Anm. 26.
54 Die ostkirchliche Herausforderung

stantinopolitanische, gegenüber. (3) In kirchlich-kultureller Hinsicht fand die Zweispra-


chigkeit (lateinisch - griechisch) ein Pendant in der liturgischen Praxis mit zwei unter-
schiedlichen Riten. Alle drei Aspekte trugen auf ihre Weise und untereinander verwo-
ben dazu bei, in Süditalien ein Gewirr von politischen und kulturellen Spannungen zu
erzeugen, wie sie typisch sind für Schnittpunkte kultureller Räume.
Militärpolitisch betrachtet bedeutete das 11. Jahrhundert für die Byzantiner den
Verlust ihrer Kontrolle über den südlichen Teil der Apennin-Halbinsel zugunsten der
Entstehung eines jungen und aggressiven normannischen Staatsgcbildes. Unter dem
militärisch sehr erfolgreichen Kaiser Basiieios II. .hielt Byzanz zu Beginn des 11. Jahr-
hunderts auf der gesamten südlichen Apennin-Halbinsel fest Stellung11. Als ab 1030 die
Normannen in Italien eindrangen, versetzte dies den byzantinischen Befestigungen
einen schweren Schlag. Eine ganze Reihe süditalienischer Städte ging von Byzanz zu
den Normannen über. Das Papsttum wurde um 1050 zum potentiellen Bundesgenossen
von Byzanz. Seine Beziehungen zu den Normannen gestalteten sich unter PapsLLeo JK._
feindlich. Die Versuche des Papstes, mit Hilfe des deutschen Kaisers Heinrich III. so-
wie des Statthalters der byzantinischen Gebiete in Süditalien, Argyros, militärischen
Widerstand gegen die Normannen zu organisieren, endeten jedoch in der Schlacht bei
Civitate am 18. Juni 1053 mit einer schweren Niederlage. Dabei wurde der Papst von
den Normannen gefangengenommen und nach Benevent gebracht, wo er bis zum
Frühjahr 1054 festgehalten wurde. Gerade in dieser Zeit suchte der Papst ein Bündnis
mit dem byzantinischen Kaiser gegen die Normannen. So sandte er zu Beginn des Jah-
res 1054 aus Benevento ein Schreiben an den byzantinischen Kaiser Konstantinos IX.
Monomachos (1042-1055) mit der Bitte um militärische Hilfe gegen das „zügellose
und fremde Volk", das sich
„mit unglaublicher und unerhörter Raserei und Ehrlosigkeit, schlimmer als die Heiden, gegen
die Kirchen Gottes erhebt, schonungslos das Blut der Christen vergießt und nicht wenige mit
nie dagewesenen und entsetzlichen Foltern zu Tode quält; das nicht die geringste Menschen-
liebe zu Kindern, zu Greisen, zu Frauen zeigt; das keinen Unterschied zwischen dem Sakralen
und dem Profanen macht; das die heiligen Kirchen plündert, brennt und dem Erdboden
gleichmacht"12.

11 Die byzantinischen Territorien in Süditalien teilten sich in der zweiten Hälfte des 10. Jh. in die
Themen „Kalabrien" und „Langobardien". Das letztere, das das Territorium Apuliens umfasste,
wurde um 970 in einen Katepanat und um 1040 in einen Dukat mit dem Namen 'Ιταλία
umgewandelt. Sizilien ging schon im 9. Jh. an die Araber verloren.
12 WILL 86b: „Dia ergo sollicitudine, qua omnibus ecclesiis debeo invigilare, videns indiseiplinatam
et alienem gentem incredibili et inaudita rabie et plus quam pagana impietate adversus ecclesias
Dei insurgere passim, Christianos trueidare et nonnullos novis horribilibusque tormentis usque ad
defectionem animae afiligere, nee infanti, aut seni, seu femineae fragilitati aliquo humanitatis
respectu parcere, nee inter sanetum et profanum aliquam distantiam habere, sanetorum basilicas
spoliare, incendere et ad solum usque diniere".
Der Azymenstreit 55

Aus verschiedenen Gründen, zu denen auch der kirchliche Konflikt zwischen Byzanti-
nern und Lateinern von 1053/54 gehörte, blieben jedoch die Versuche des Papstes er-
folglos. Die Beziehungen des Papsttums zu den Normannen änderten sich auf radikale
Weise fünf Jahre später, als der Führer der Normannen, Robert Guiskard, Papst Niko-
laus II. den Lehnseid leistete und vom.Papst als Herzog von Apulien, Kalabrien und
Sizilien (letzteres befand sich damals noch in den Händen der arabischen Muslime)
belehnt wurde13. Von diesem Zeitpunkt an geriet Byzanz im Süden der Apennin-
Halbinsel in immer größere Isolation. 1071 fügte Robert Guiskard der byzantinischen
Herrschaft in Italien durch die Eroberung von Bari den entscheidenden Schlag zu. Um
1080 war die byzantinische Administration und Herrschaft vollständig aus Süditalien
verbannt14. Seit dieser Zeit war die Herrschaft der Byzantiner in Italien beendet und
wurde nie wiederhergestellt15.
Wichtig für das Verständnis des kirchenpolitischen Hintergrunds des Konflikts von
1053/54 ist weiterhin die vermutlich 732-733 durchgeführte Herausnahme des östlichen
Illyricums, Siziliens und Kalabriens durch den byzantinischen Kaiser und Bilderfeind
Leon III. aus der Jurisdiktion des Papstes und der Anschluß dieser Gebiete an das Patri-
archat von Konstantinopel, mit der gleichzeitigen Abtrennung der päpstlichen Patrimo-
nien in Süditalien und Sizilien16. Seit dieser Zeit wurde eine aktive HeUenisierung_jdes,
Episkopats durchgeführt, die man etwa um die Zeit des 7. Ökumenischen Konzils 787
als abgeschlossen betrachten kann17. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts war der Epis-
kopat von Mittel- und Südkalabrien (Sizilien war zu dieser Zeit bereits von den Arabern
erobert, und das Illyricum stellt ein eigenes Thema dar, das hier nicht berührt zu werden
braucht) fast zur Gänze griechisch und ordnete sich dem Patriarchen von Konstantino-
pel unter18. Indessen hielten die Päpste die Frage nach der Jurisdiktion der Kirche
Kalabriens nicht für abgeschlossen. Die Päpste Hadrian I. (772-795) und Nikolaus I.

13 Den Text des Lehnseids überliefert DEUSDEDIT, Kanonessammlung, lib 3, cap 285 (ed. cit. 393—
394): „Ego Robertus Dei gratia et Sancfi Petri dux Apuliae et Calabriae et utroque subveniente
futurus Siciliae, ab hac hora et deinceps ero fidelis sanctae Romanae Ecclesiae et apostolicae sedi
et tibi domino meo Nicoiao papae".
14 HERDE, Das Papsttum 5.
15 Gleichwohl pflegten die Normannen auch · weiterhin intensive Beziehungen mit dem
byzantinischen Reich, so daß in den ersten hundert Jahren nach der Eroberung sogar einige
Beamte in Italien byzantinisch blieben, s.dazu: ODB 1493-1494 (KAZIIDAN).
16 Über das genaue Datum dieses Ereignisses sind die Forscher unterschiedlicher Meinung. Die
einen datieren es auf die Jahre kurz nach dem bilderfeindlichen Dekret 732-733 (ANASTOS, The
Transfer). Andere datieren es in die Zeit des Kaisers Konstantinos V. zwischen 752 und 757
(GRUMEL, L'annexiori). Die beiden Päpste Nikolaus I. und Hadrian sehen in Leon III. den
Urheber dieses Ereignisses.
17 Zur Gräzisierung der Kirche Kalabriens s.: LAURENT, L'Eglise de l'Italie 11-14; MENAGER, La
„ byzantinisation " religieuse.
18 S.: FALKENHAUSEN, Untersuchungen 147-151.
56 Die ostkirchliche Herausforderung

(858-869) äußerten in ihren Briefen an die byzantinischen Herrscher die inständige


Bitte, die zur Zeit des Bilderstreites abgetrennten Gebiete zurückzugeben19. Die byzan-
tinischen Kaiser sahen jedoch keine Veranlassung, auf die Bitten der Päpste zu reagie-
ren20. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts wandte sich Papst Leo ΓΧ. erneut dieser Pro-
blematik zu. In dem bereits erwähnten Brief an Konstantinos Monomachos von 1054,
worin er um Hilfe gegen die Normannen rief, trat er an den Kaiser auch mit der Bitte
heran, bei der Rückgabe der päpstlichen Patrimonien in den dem byzantinischen Kaiser
unterstellten Gebieten mitzuwirken2.1. Obwohl sich der Papst dabei nicht mehr auf die
Ereignisse während des Bilderstreites bezieht, ist die Rede selbstverständlich von
Kalabrien und Sizilien. Davon, daß der Papst wie früher fortfuhr, Sizilien und Kalabrien
als seine Jurisdiktionsgebiete zu betrachten und seine Patrimonien zu verwalten bean-
spruchte, spricht auch die Tatsache der Erhebung von Kardinal Humbert in den Rang

19 So Hadrian I. in seinen Briefen an Konstantinos und Irene (785): ,Jmo et consecrationes


archiepiscoporum seu episcoporum, sicut olitana constat traditio, nostrae Dioecesi existentes
penitus canonice sanetae Romanae nostrae restituantur Ecclesiae, ut nequaquam schisma inter
concordiam perseverare valeat sacerdotum, sicut in vestra serenissima iussione exaratum est"
(CICO Fontes I/l 589, Nr. 311). Brief Hadrians an Karl den Großen von 791: „Dudum quippe,
quanto eos pro sacris imaginibus erectioni adhortavimus, simili modo et de Dioecesi tarn
archiepiscoporum, quam et episcoporum sanetae catholicae et apostolicae Romanae Ecclesiae,
quae tunc cum patrimoniis nostris abstulerunt, quando sacras imagines deposuerunt,
commonentes, restituere eidem sanetae catholicae et apostolicae Romanae Ecclesiae quaesivimus,
et nee responsum quodlibet exinde dederunt" (CICO Fontes I/l 597, Nr. 313); Nikolaus I. in
seinem Schreiben an byzantinischen Kaiser Michael HI. im Jahre 860: „Praeterea Calabritanum
patrimonium Siculumque, quae nostrae ecclesiae concessa fuerunt et ea possidendo optinuit et
disponendo per suos familiäres regere studuit, vestris concessionibus reddantur, quoniam
irrationabile est, ut ecclesiatica possessio, unde luminaria et concinnationes Ecclesiae Dei fieri
debent, terrena quavis potestate subtrahantur <...> Inter ista et superius dieta volumus, ut
consecratio Syracusano episcopo nostra a sede impendatur, ut traditio ab apsotolis instituta
nullatenus nostris temporibus violetur" (CICO Fontes I/l 604, Nr. 316).
20 Papst Hadrian beschwerte sich in einem Brief an Karl den Großen, daß der byzantinische Kaiser
ihm keine Antwort gab, und drohte den Kaiser zum Häretiker zu erklären, falls er dem Papst die
süditalienischen Gebiete nicht zurückgeben werde: „Unde si vestra annuerit a Deo proteeta
regalis excellentia, eodem adhortamur imperatore, pro sacris imaginibus in pristino statu erectione
gratiam agentes et de Dioecesi sanetae nostrae Romanae Ecclesiae tarn archiepiscoporum quam
episcoporum seu de patrimoniis iterum increpantes commonemus, ut, si noluerit ea sanetae
nostrae Romanae Ecclesiae restituere, haereticum eum pro huiusmodi erroris perseverantia esse
decemimus" (CICO Fontes I/l 597, Nr. 313). Es muß berücksichtigt werden, daß es nicht nur um
die Jurisdiktion im kirchenrechtlichen Sinne ging, sondern auch um die Verwaltung und
Besteuerung der päpstlichen Patrimonien.
21 WILL 88a: „devotissime fili et serenissime imperator, collaborare nobis dignare ad relevationem
tuae matris sanetae ecclesiae, et privilegia dignitatis atque reverentiae ejus nee non patrimonia
recuperanda in tuae ditionis partibus".
Der Azymenstreit 57

eines Erzbischofs von Sizilien im Jahre 105022. Die Bemühung der Päpste, die Jurisdik-
tion über Kalabrien und Sizilien zurückzuerlangen, erfüllte sich im Jahre 1059, als Ro-
bert Guiskard Papst Nikolaus II. unter Eid versprach, „ein Gehilfe bei der Erhaltung und
Mehrung der Besitzungen des heiligen Petrus zu sein" sowie alle Kirchen in die Macht
der Päpste zu übergeben, die sich auf dem von ihm eroberten Territorium befinden wer-
den, zusammen mit all ihrem Besitz und ihren Grundstücken23. Nach der Eroberung
Kalabriens durch die Normannen, die im Großen und Ganzen 1061 beendet war, er-
langte das Papsttum die Jurisdiktion über die Kirchen dieser Region zurück, damit be-
gann der Prozeß der Latinisierung der Kirche Kalabriens und die allmähliche Ablösung
der griechischen Bischöfe durch lateinische. Der Prozeß verlief langsam und nicht ein-
deutig: Viele Bistümer blieben noch lange Zeit griechisch; überall existierten weiterhin
beide Sprachen und Riten nachbarschaftlich nebeneinander. Allein, die neue Tendenz
war vorgezeichnet und gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurden nur noch die Metropo-
lie Santa Severina, das autokephale Erzbistum Rossano und das Bistum Gallipoli von
griechischen Bischöfen verwaltet24.
Die weitere Quelle für Spannungen zwischen Rom und Konstantinopel im 11. Jahr-
hundert war die kirchenpolitische Situation in Apulien, einem Gebiet, das wie Kalabrien
zum byzantinischen Reich gehörte, aber im Unterschied zu Kalabrien überwiegend
lateinisch war. Hier dominierten, von der Terra d'Otranto abgesehen, noch seit der Zeit
der Langobardenherrschaft die Lateiner, und der Episkopat war lateinisch. Gleichwohl
sahen sich die lateinischen Bischöfe in ihren Beziehungen zu Rom schweren Behinde-
rungen ausgesetzt25. Ohne Zustimmung Konstantinopels konnte kein einziger lateini-
scher Bischof Apuliens seine Kathedra besteigen. Obwohl im Unterschied zum kalabre-
sischen Episkopat der apulische Episkopat formell nichts mit dem Patriarchen von
Konstantinopel zu tun hatte26, nahm Konstantinopel faktisch direkten Einfluß auf die
kirchliche Situation in diesem Gebiet. Die Mehrheit der lateinischen Bischöfe Apuliens

22 IRE XV 683 Z. 2-3.


23 DEUSDEDIT, Kanonessammlung, lib 3, cap 285 (ed. cit. 394): „Sanctae Romanae ecclesiae tibique
adiutor ero ad tenendum et acquirendum regalia Sancti Petri eiusque possessiones <...> Omnes
quoque ecclesias, quae in mea persistunt dominatione, cum earum possessionibus dimittam in
tuam potestatem, et defensor ero illarum ad fidelitatem Sanctae Romanae ecclesiae". Angesichts
der Vorgeschichte des Streites um Kalabrien und Sizilien ist die Verwunderung einiger Forscher
über die rechtliche Grundlage des Lehnseides unbegründet; s. ζ. Β.: BONEMANN, Robert Guiskard
41; KAWERAU, Ostkirchengeschichte III20.
24 Zum Prozeß der Latinisierung der Kirche Kalabriens s.: GIRGENSOHN, Dali' episopato greco;
KLEWITZ, Studien über die Wiederherstellung; FALKENHAUSEN, Untersuchungen 150-151.
25 KLEWITZ, Zur Geschichte 19.
26 Im Gegensatz zu den unbegründeten Behauptungen von BÖHMER, Das Schisma 322-323, der
meint, daß ganz Süditalien in das Patriarchat von Konstantinopel vom byzantinischen Kaiser
Leon ΙΠ. eingegliedert wurde; eine ähnliche falsche Behauptung auch bei: JEDIN / LATOURETTE /
MARTIN, Atlas zur Kirchengeschichte 26*;. '
58 Die ostkirchliche Herausforderung

war Byzanz gegenüber loyal und unterstützte die byzantinische Politik in Süditalien27.
Einer dieser Bischöfe war der Erzbischof von Trani und Siponto Johannes, der 1053
vom byzantinischen Kaiser den Titel eines Synkellos verliehen bekam28, „ein treuer
byzantinischer Parteigänger", wie ihn Vera von Falkenhausen charakterisiert . Zur
selben Zeit, als das Papsttum seine Politik gegenüber den Normannen änderte, ver-
suchte es auch, sich des Bischofs von Trani zu entledigen. Auf der Synode von Melfi
1059 wurde Johannes von seinem Bischofssitz entfernt30. Mit dem Namen des Johannes
von Trani taucht auch erstmals in einem griechischen Dokument die Polemik gegen das
ungesäuerte Brot der Lateiner auf.
Kurz vor Ausbruch des Konflikts unternahm Papst Leo IX. im Jahr 1050 eine längere
Pastoralreise durch Apulien, namentlich in jene Gegenden, die von den Normannen
bereits erobert waren, mit dem Ziel der „Wiederherstellung der christlichen Religion,
die, wie es schien, in dieser Region gänzlich in Verfall geraten war", aber auch „um die
örtlichen Bewohner mit den Normannen zu versöhnen"31. In Siponto hielt der Papst
1050 eine Synode ab, auf der er zwei Erzbischöfe absetzte. Die Vita Leonis gibt keine
genaueren Angaben, um wen es sich dabei handelte, aber die Tatsache selbst bezeugt
die Maßnahmen des Papstes in Apulien. Solche Bemühungen konnten in Konstantino-
pel, das diese Gebiete gerade verloren hatte, auf keine Gegenliebe stoßen.
Mit Apulien ist auch die Tätigkeit eines Mannes verbunden, der eine zwielichtige
Rolle im Konflikt zwischen dem römischen Papst und dem Patriarchen von Konstanti-
nopel sowie im Streit um die Azymen gespielt hatte: Argyros. Von 1051 bis 1058 war
er byzantinischer Statthalter der süditalienischen Gebiete; ein Mann und Politiker, der
sich zwischen der lateinischen und griechischen Welt frei bewegte, ein langobardischer
Lateiner, der eine griechische Ausbildung genossen hatte und im Dienst von Byzanz
stand32. Er wurde in Bari zu Beginn des 11. Jahrhunderts als Sohn des Langobarden
Meles geboren, der 1009-11 und 1017-18 einen Aufstand gegen die byzantinische
Herrschaft unternommen hatte. Offensichtlich als Geisel wurde Argyros noch im Kin-
desalter nach Konstantinopel deportiert und erhielt dort eine griechische Ausbildung:
sapientia et diseiplina in greco et latino usque ad unguem politus, beschrieb ihn eine

27 FALKENHAUSEN, Untersuchungen 151-157.


28 Ebd., 156-157; KLEWITZ, Zur Geschichte 54.
29 FALKENHAUSEN, Untersuchungen 155.
30 KLEWITZ, Zur Geschichte 22.
31 Vita Leonis lib 2, cap 6 (PL 143, 494 B): „iter sumpsit peragraturus fines Apuliae, ut Christianam
repararet religionem, quae itidem videbatur pene dispersisse, maximeque inter aecolas regionis et
Normannos concordiam componere satagens, quos dudum adiutores contra exteras gentes
suseeperant prineipes regni, sed tunc saevissimos tyrannos ac patriae vastatores non sponte
sustinebant".
32 Argyros hatte den Titel des δοΰξ 'Ιταλίας, Καλαβρίας, Σικελίας και Παφλαγονίας inne (s.:
FALKENHAUSEN, Untersuchungen 187). Zu Argyros s.: ODB 165-166 (BRAND); LMA I 925
(FALKENHAUSEN), FALKENHAUSEN, Untersuchungen 58-61. 187-190.
Der Azymenstreit 59

zeitgenössische Quelle33. Er kehrte 1029 nach Bari zurück; 1042 wählten ihn die Lan-
gobarden und Normannen in der Annahme, daß er das Werk seines Vaters, die Befrei-
ung Apuliens aus byzantinischer Abhängigkeit, fortsetzen werde, zum princeps et dux
Italiae. Aber schon im gleichen Jahr schlug sich Argyros auf die Seite Konstantinopels
und schloß mit Kaiser Konstantinos Monomachos Frieden, indem er den Aufruhr aus-
nützte, den der Heerführer Georgios Maniakes gegen den byzantinischen Kaiser in Sü-
ditalien entfacht hatte. Als sich Argyros 1045 bis 1051 in Konstantinopel aufhielt, geriet
er in Ereignisse, die unmittelbare Auswirkungen auf den Konflikt von 1053/54 hatten,
wie wir noch sehen werden. Argyros wollte in der Hauptstadt seine Treue gegenüber
dem Kaiser beweisen, indem er an der Unterdrückung des Aufstandes des Leo Torniki-
os 1047 mithalf, dabei aber in Konflikt mit dem Patriarchen Michael Kerullarios geriet.
Über die Ursachen dieses Konflikts weiß man sehr wenig, bekannt ist nur, daß dabei die
Frage des ungesäuerten Brotes der lateinischen Eucharistie eine nicht unwichtige Rolle
spielte. Kaiser Konstantinos ernannte Argyros 1051 zum Statthalter der süditalienischen
Provinzen. Nach Apulien zurückgekehrt, begann er sofort, ein Waffenbündnis mit Papst
Leo IX. zu suchen. Ende 1051 wurde eine Gesandtschaft nach Rom geschickt mit der
Bitte um Hilfe gegen die Normannen34. Die Niederlage bei Civitate im Juni 1053 und
der zu dieser Zeit entbrannte kirchliche Konflikt zwischen Rom und Konstantinopel
verhinderten gemeinsame Aktionen des Argyros und des Papstes. Später beschuldigte
Patriarch Michael Kerullarios in seinen Briefen Argyros mehrmals, daß dieser gegen
Konstantinopel Übles im Sinn hatte und sogar eine Fälschung begangen habe, als er
einige päpstliche Dokumente, die an Kerullarios gerichtet waren, in einem für ihn, Ar-
gyros, günstigen Sinn umgemünzt habe35. Die Tatsache, daß Argyros im Laufe seines
Lebens seine Loyalität gegenüber Byzanz einige Male geändert hat, zeigt, daß die Ver-
dächtigungen des Patriarchen vielleicht nicht ganz unbegründet waren, aber ihn der
Fälschung päpstlicher Dokumente zu bezichtigen, entbehrt jeder Grundlage.
Auf dem historischen Hintergrund des Konflikts von 1053/54 gewahren wir also ei-
nerseits die erfolglosen Versuche sowohl des Papsttums als auch des byzantinischen
Reiches, eine Koalition gegen die Normannen zustande zu bringen, und andererseits
die Spannungen, die in Bezug auf das Problem der Jurisdiktion und der Patrimomen in
Kalabrien entstanden, dazu die besondere Situation in Apulien, wo die lateinische Kir-
che trotz päpstlicher Jurisdiktion in Abhängigkeit von Konstantinopel lebte. Neben der
politischen gilt es aber, stets auch die kulturelle Rivalität im Auge zu behalten. Hier
trafen über einen langen Zeitraum griechische und lateinische Sprache und Kultur auf-
einander, was sich auch in einem Konkurrenzkampf der liturgischen Riten und Gebräu-
che niederschlug. Alle diese Faktoren trugen dazu bei, daß gerade Süditalien, ge-
nauer Apulien, zu dem Boden wurde, aus dem nicht nur der kirchenpolitische Konflikt

33 FALKENHAUSEN, Untersuchungen 58.


34 Ebd., 187, Nr. 61.
35 WILL 175 Z. 3-19; 176 Z. 5-12; 185 Z. 15-16 und 21-28.
60 Die ostkirchliche Herausforderung

der Jahre 1053/54, sondern auch der Kulturkonflikt um liturgische Fragen, unter denen
die Azymenfrage den ersten Platz einnahm, hervorwuchsen.

2. Der Ausbruch der Polemik

Das erste uns bekannte Dokument der griechischen Polemik gegen das ungesäuerte Brot
der Lateiner ist das Schreiben des Erzbischofs Leon von Achrida an den Erzbischof
Johannes von Trani, das wahrscheinlich im Frühjahr 1053 erschienen ist36. Der Autor
des Schreibens ist ein Grieche, seit 1025 Vorsteher des autokephalen Erzbistums Achri-
da in Bulgarien. Vor seiner Erhebung auf die bulgarische Kathedra war er Chartophylax
der Hagia Sophia in Konstantinopel, d. h. einer der ersten Gehilfen des Patriarchen von
Konstantinopel, der faktisch die Funktion eines Generalvikars ausübte37. Leon erhebt
gegenüber seinem Adressaten und „durch ihn" gegenüber „allen Bischöfen der
Franken" sowie gegenüber dem „hochwürdigsten Papst selbst"38 eine Reihe von
Vorwürfen, unter denen der lateinische Brauch der Zelebration der Eucharistie mit
ungesäuertem Brot die erste Stelle einnimmt. Leon von Achrida nennt das ungesäuerte
Brot der lateinischen Eucharistie „Azurnen" (τα αζυμά) und wirft den Lateinern vor,
daß sie „auf unziemliche Weise nach dem Beispiel des Mose" die Azymen beachtend
sich dadurch in Gemeinschaft mit den Juden befänden39. Als jüdischer Brauch gehöre
sich für Christen die Verwendung von Azymen nicht: „Die Azymen enthalten kein
Gedächtnis des Herrn und verkünden seinen Tod nicht, weil sie von Mose stammen und
vor eintausendsechshundert Jahren vorgeschrieben waren; durch das Neue Testament,
d. h. durch das Evangelium, wurden sie abgeschafft und ihnen ein Ende gesetzt"40.
Jesus Christus habe bei der Einsetzung der Eucharistie nicht die jüdischen „Azymen",
sondern „Brot" benutzt. „Brot" bedeute ausschließlich „gesäuertes Brot": Die
Verwendung dieses Wortes im Alten Testament in Bezug auf die Schaubrote sei nur
mißbräuchlich geschehen41. Dem Hauptvorwurf bezüglich der Azymen fügt der Autor
eine Reihe weiterer Beschuldigungen hinzu: Den Lateinern wird das Samstagsfasten,
das mit der Beobachtung des jüdischen Sabbats gleichgesetzt wird42, angelastet sowie

36 Zu dem Brief allgemein und seiner Oberlieferung s. unten, S. 97 (Nr. 20a). Die kritische Edition
des Briefes fehlt bis heute.
37 Vgl. BECK, Kirche 109-111. Zu Funktionen des Chartophylax s. auch: ODB 415^16
(MACRIDES); LMA Π 1745-1746 (PRINZING); DARROUZES, Recherches 334-353.
38 WILL 56a: προς πάντας τους αρχιερείς τών Φράγγων, και προς αυτόν τον αΐδεσιμώτατον
Πάπαν.
39 WILL 56a: ύπομνησαι περί τε των άζύμων και τών σαββάτων, α μωσαϊκώς άσυντηρήτως
έπιτελοϋντες, συγκοινωνείτε τοις Ίουδαίοις.
40 WILL 58b: Τα δέ αζυμα οΰτε άνάμνησιν εχουσι τοΰ κυρίου, οΰτε τον θάνατον αύτοϋ
καταγγέλλουσιν.
41 WILL 57a Ζ. 2.
42 WILL 58b Ζ. 11-59aZ. 11.
Der Azymenstreit 61

der Genuß von Ersticktem als ein heidnischer Brauch43 und das Auslassen des Halleluja
in den Gottesdiensten der Quadragesima44. Der Schwerpunkt liegt aber deutlich auf den
Azymen. Nach der Ansicht des Autors hören die Lateiner durch die Praktizierung der
falschen Bräuche auf, vollkommene Christgläubige zu sein: Sie seien weder „reine
Juden", noch „reine Heiden", noch „reine Christen"45. Der Brief endet mit der
Aufforderung an die Lateiner die jüdischen und heidnischen Gewohnheiten den Juden
und den Heiden zu überlassen, um dadurch „mit uns", d. h. mit den Griechen,
Übereinstimmung im Glauben zu erzielen und so die eine Herde des einen Hirten zu
bilden46. Der Bischof von Trani wird gebeten, das Schreiben „mehrfach dem eigenen
Volk vorzulesen" und - „damit er das Heil seiner Seele bewahre" - anzuordnen, den
Brief „in vielen Kopien abzuschreiben"47 und an die Bischöfe in Italien48 zu
verschicken. Dabei solle der Bischof von Trani seine Kollegen zur Korrektur des
liturgischen Brauches ermahnen. Am Ende seines Schreibens verspricht der Autor, falls
der Adressat seine Bitte erfülle, ihm ein neues Schreiben zu schicken, das etwas „Grö-
ßeres und Umfangreicheres" zur Vergewisserung des wahren Glaubens enthalten
werde49. In seiner äußeren Form ist das Schreiben in zurückhaltendem und ehrerbieti-
gem Ton verfaßt. Man könnte es als correctio fraterna charakterisieren50. Der Autor
wendet sich an seinen Adressaten nur mit der Anrede ω άνθρωπε / άνθρωποι τον
θεον5λ und vermeidet alle schroffen Ausdrücke. Obwohl das Schreiben die „Reinheit"
des Glaubens der Lateiner in Zweifel zieht und andeutet, daß die Weigerung, sich zu
bessern, das Seelenheil des Adressaten gefährden werde, enthält es keine Verurteilun-
gen ekklesiologischen Charakters der lateinische Kirche insgesamt. Von „Häresie" in
Anwendung auf die „Franken" und den römischen Bischof ist in dem Schreiben nicht
die Rede, auch droht der Autor nicht mit der Exkommunikation.
Obwohl das Schreiben des Leon von Achrida allgemein an die „Bischöfe der Fran-
ken" und nur indirekt an den Papst appellierte, wurde es in kurzer Zeit an der Kurie des
PapstesJLeQ ΓΧ. bekannt und ins Lateinische übersetzt. Wie es dazu kam, berichtet die

43 WILL 59a Z. 17-25. Verzicht auf „Blut" setzte das Verzicht auf „Ersticktes" (τά πνικτά /
suffocata) voraus; s. Lev 17,10-14; vgl. Apg 15,20. 29; 21,25.
44 WILL 59b Z. 7-14.
45 WILL 59a-b: οΰτε εθνικοί καθαροί είσι, <...> οΰτε 'Ιουδαίοι καθαροί, <...> οϋτε χριστιανοί
καθαροί.
46 WILL 59b Ζ. 2 4 - 6 0 a Ζ. 6.
47 Μεταστραφήναι bei WILL 60b Z. 2 ist zweifelsohne als μεταγραφηναι, „abgeschrieben
werden", zu lesen, vgl. MICHEL, Schisma und KaiserhoJ'385 Anm. 1.
48 Mit der Bezeichung 'Ιταλία (WILL 60b Z. 5) ist wohl nicht die ganze Apennin-Halbinsel zu
versthen, sondern nur das byzantinische Herrschaftsgebiet in Süditalien.
49 WILL 60b Z. 9-15.
50 Vgl. die richtige Beobachtung von SMITH, And Taking Bread 115.
51 Zu den Bedeutungen des Ausdrucks in der patristischen Literatur s.: PGL 141.
62 Die ostkirchliche Herausforderung

Vita Leonis52, die älteste und zuverlässigste Quelle für den Pontifikat Leos IX., die in
ihrem Hauptteil kurz nach dem Tod des Papstes entstanden ist. Dort wird erzählt, daß
das Schreiben des Leon von Achrida Kardinal Humbert während seines Aufenthaltes in
Trani in die Hände fiel („gezeigt wurde") und „auf seine Bemühungen hin" ins Lateini-
sche übersetzt53 und dem Papst überbracht wurde54. Die Übersetzung ist überaus nach-
lässig, an vielen Stellen liest der Übersetzer den griechischen Text nicht richtig oder er
versteht ihn nicht, was manchmal den Sinn des Originals sehr entstellt. Offensichtlich
ließen die Griechischkenntnisse des Übersetzers zu wünschen übrig55. Außerdem nennt
die Übersetzung zwei Autoren: Als Hauptverfasser wird Patriarch Michael genannt,
danach erst folgt der Name des Leon von Achrida56. Die Autorschaft des Michael Ke-
rullarios wird durch die bisher bekannten griechischen Abschriften des Schreibens nicht
bestätigt und von einer ganzen Reihe von lateinischen Quellen verworfen, so daß man
an eine Fälschung denken muß. Es ist nicht ganz klar, ob das Original gefälscht wurde
oder ob der Name Michael erst in der lateinischen Übersetzung erschien. Die Mehrheit
der Forscher neigt dazu, daß die Einfügung auf Humbert zurückgehe, der hinter dem

52 Die Vita Leonis ist hier offensichtlich von einer Intitulatio aus dem sog. „Briefbuch des Kardinal
Humbert", Cod. Bern. lat. 292 (11. Jh.), abhängig. Eine ausführliche Beschreibung der
Handschrift mit der Publikation des einschlägigen Textes s.: HOESCH, Die kanonischen Quellen
11-16, der die Zusammenstellung des Kodex bis einschließlich f. 60 auf Humbert selbst
zurückführt.
53 Es ist nicht klar, ob Humbert die Übersetzung selbst angefertigt hat, oder ob er nur der
Auftraggeber war: Der Ausdruck eius studio kann in beiden Bedeutungen verstanden werden. Für
eine Autorschaft Humberts plädierte Anton MICHEL, Schisma und Kaiserhof 386 Anm. 3; seine
Schlußfolgerungen über das Corpus der Werke Humberts sind jedoch insgesamt sehr zweifelhaft
(vgl. oben, Anm. 8 und 9). Ich halte die Ansicht von Friedrich Thaner für glaubwürdiger, daß
Humbert die griechische Sprache nicht in dem Maße beherrschte, um allein als Übersetzer zu
fungieren (MGH.LL I 98 Z. 11-20). Letzteres schließt jedoch nicht aus, daß die Übersetzung von
Humbert redigiert wurde und so ihre endgültige Gestalt vom ihm erhielt.
54 Die Mitteilung der Vita Leonis stimmt mit der Nachricht des „Briefbuches des Kardinals
Humbert" (vgl. Anm. 52) überein, f. 25v: „Haec quidem calumnia [d. h. der Brief Leons] graeco
sermone edita et Johanni Tranensi episcopo, in sugillationem omnium Latinorum direeta, cum
fuisset Trani exhibita Humberto, sanetae ecclesiae Silvae Candidae episcopo, in latinum est
translata eius studio atque delata domino papae Leoni nono" (Zitiert nach: HOESCH, Die
kanonischen Quellen 13; vgl. dazu auch: PETRUCCI, Rapporti 752-753).
55 Die wichtigsten Fälle, in denen der Übersetzer den Originaltext nicht verstanden oder
unaufmerksam gelesen hat, sind in den Fußnoten zu der Edition Wills angegeben. Ich füge noch
zwei Stellen hinzu, die von Will nicht vermerkt wurden: εν πολλοίς ίσοτύποις („in vielen
Kopien": WILL 60b Z. 2-3) wird vom Übersetzer als multis similem consuetudinem habentibus
(WILL 64b Z. 7) mißverstanden; άναγνούς (WILL 60a Z. 15) widergibt er als agnoscens (WILL
64b Z. 5).
56 WILL, 61a: „Michael, universalis patriarcha novae Romae, et Leo, archiepiscopus Achridae
metropolis Bulgarorum, dilecto fratri Ioanni Tranensi episcopo".
Der Azymenstreit 63

Schreiben des Erzbischofs von Achrida den Patriarchen von Konstantinopel vermute-
te57. In jedem Fall war man an der Kurie der Überzeugung, daß der Brief letzten Endes
auf den Patriarchen selbst zurückging.
Das erste uns bekannte Dokument, das eine Reaktion der päpstlichen Kurie auf das
Schreiben des Erzbischofs aus Bulgarien enthält, ist der Brief „Leos JX. In terra pax an
die „Bischöfe Michael von Konstantinopel und Leon von Achrida", der wahrscheinlich
im Frühsommer 1053 entstanden ist58. Diese Epistel ist der erste von heute zwei be-
kannten Briefen Leos IX. an Kerullarios. Anton Michel und eine Reihe ihm folgender
Forscher haben die Meinung geäußert, daß Leo IX. nicht der Autor dieses Schreibens
sein kann, sondern daß man als eigentlichen Verfasser Humbert ansehen muß59. In
jüngster Zeit wird eine mögliche Verfasserschaft des Kardinals vorsichtiger beurteilt60.
Unabhängig davon, welchen Anteil Humbert daran hatte, steht doch zumindest die mo-
ralische Urheberschaft Leos außer Zweifel61. Die Epistel ist kein Privatbrief, sondern
ein offizielles Dokument, das im Namen und offensichtlich unter Mitwirkung des Pap-
stes abgefaßt wurde. Das päpstliche Schreiben läßt sich nicht auf eine Beurteilung der
rituellen und disziplinären Fragen ein, die Leon von Achrida aufgeworfen hatte, son-
dern widmet sich zur Gänze der detaillierten Begründung des päpstlichen Primates.
Lediglich am Schluß stellt es eine Folgeschrift in Aussicht, die sich mit der Frage des
eucharistischen Brotes auseinandersetzen werde62. Während sich dieser Aufgabe der
sog. Dialogus widmen wird, befaßt sich der erste Brief, der in der handschriftlichen
Überlieferung als Libellus63 bezeichnet wird, ausschließlich mit den Privilegien und
Prärogativen der römischen Kirche. Der Libellus ist fünfmal umfangreicher als das
Schreiben des griechischen Erzbischofs, außergewöhnlich scharf im Ton und voller
Angriffe nicht nur gegen den Adressaten, sondern auch gegen griechische Kirche insge-

57 So bereits WILL 54. Auch PETRUCCI, Rapporti 252-259, und mit ihm TINNEFELD, Michael I.
Kerullarios 104 Anm. 63, halten Humbert für den Autor des Zusatzes. Für die Fälschung des
Originals spricht sich SMITH, And TakingBread 124-125, aus.
58 Bis heite fehlt eine kritische Edition des Briefes. Die geläufigsten Ausgaben sind WILL 65-85;
und PL 143, 744-769, die auf alten Drucken basieren. Zu den Ausgaben und zur
handschriftlichen Überlieferung s.: KRAUSE, Das Constitutum Constantini 133-134. Zur
!
Datierung: MICHEL, Humbert und Kerullarios 154-55 Anm. 4.
59 MICHEL, Humbert und Kerullarios 144-53; HOESCH, Die kanonischen Quellen 27.
60 So Uta-Renate BLUMENTHAL (TRE XV 683 Z. 38^0); DISCHNER, Humbert 52..
61 So auch MICHEL, Humbert und Kerullarios I 53: „Ihre moralische Zugehörigkeit zu Leo LX. als
Amtsperson muß ja unbestritten bleiben".
62 WILL 84b: „...alio exordio congruum censuimus respondere vestrae calumniae, quam confratribus
et coepiscopis nostris Apulis scriptam ad sugillationem nostri azymi et praedicationem vestri
fermenti non dubitastis dirigere".
63 Den gleichen Titel benutzt auch die neuere Forschung. Eine eingehende theologische Analyse des
Libellus findet sich bei PETRUCCI, Ecclesiologia (1977).
64 Die ostkirchliche Herausforderung

samt64. Die Verurteilung des ungesäuerten Brotes der Lateiner nennt der Verfasser des
Briefes „eine unerhörte Frechheit", wovon „die Mutterkirche zuinnerst erschüttert wird,
die christlichen Gefühle verstummen, die kirchliche Disziplin und die Wirksamkeit der
heiligen Kanones zerstört und mit Füßen getreten werden"65. Der Autor will zeigen, daß
jedweder Versuch, die römische Kirche zu verurteilen, sowie jeder Widerspruch gegen
ihre Lehre und ihre Gebräuche ein Verstoß gegen die göttliche Ordnung sei: „Nicht
gegen uns, sondern gegen den Herrn ist euer Murren"66. Der Libellus erlangte in der
Wissenschaft einen hohen Bekanntheitsgrad, weil darin ein umfangreicher Auszug aus
dem gefälschten Constitutum Constantini61 angeführt wird, wobei in Betracht zu ziehen
ist, daß dieses in der mittelalterlichen Literatur erstmals in solchem Umfang und in
einem Dokument mit programmatischer Bedeutung zitiert wird68. Das umfangreiche
Zitat daraus sollte beweisen, daß dem römischen apostolischen Stuhl „das irdische und
himmlische Reich" (terrenum et coeleste Imperium) zukomme: Dies anzuerkennen sei
für jeden Christen notwendig, also auch für die Griechen, „wenn ihr nur Christen sein
oder genannt werden wollt und nicht offen - was Gott verhüten möge! - die Wahrheit
des Evangeliums leugnet"69. Die Berufung auf das Constitutum Constantini war, wie
Hans-Georg Krause gezeigt hat, vom Verfasser nicht so sehr als Stärkung der These
vom Primat der römischen Kirche gedacht, sondern vielmehr als zusätzliches Argu-
ment, um die Ansprüche auf das patrimonium Petri zu begründen. Im konkreten Fall
zielte das natürlich auf die süditalienischen Patrimonien70. Den Grundgedanken des
Dokuments drückt eine Passage gut aus:

64 Insbesondere werden hier auf detaillierte Weise die im Osten entstandene Häresien aufgezählt
(WILL 68b Z. 43 - 71a Z. 13), um zu zeigen, daß die römische Kirche, die super petram id est
Christum et super Petrum (ebd., 68b Z. 18-19) gegründet worden war, immer, im Gegensatz zur
Ostkirche, den richtigen Glauben bewahrte und post Dominum Jesum caput <...> omnium
ecclesiarum Bei ist (ebd., 71a Z. 6-7).
65 WILL 67b - 68a:,Jnde est totum illud, quod tandem cum indieibili contritione et gemitu cordis ac
corporis effundimus, in quo omnia viscera catholicae matris coneutiuntur; in quo omnes sensus
Christianorum obtunduntur, in quo diseiplina ecclesiastica et sanetorum vigor canonum
confunditur ac calcatur".
66 WILL 83a: „Nee contra nos est murmur vestrum, sed contra Dominum".
67 WILL 72b Z. 10 - 74a Z. 29; 74a Z. 33^4.
68 Zur Benutzung des Constitutum Constantini in Leos Brief s.: FUHRMANN, Einfluß und
Verbreitung Π 383-385; KRAUSE, Das Constitutum Constantini; TINNEFELD, Michael I.
Kerullarios 105-108.
69 WILL 72a: „His et aliis quamplurimis testimoniis jam vobis satisfactum esse debuit de terreno et
coelesti imperio, imo de regali sacerdotio S. Romanae et apostolicae sedis, praeeipue super
speciali ejus dispositione in coelis, si quoquo modo Chrsitiani esse vel dici optatis, et si ipsam
evangelii veritatem aperte, quod absit! non impugnatis".
70 KRAUSE, Das Constitutum Constantini 139-140.
Der Azymenstreit 65

„Wenn irgendjemand aus Hochmut sich irgendwelche Rechte gegenüber dem apostolischen
Stuhl und seiner Entscheidungen herausnimmt, können wir das nicht dulden, denn ein jeder,
der versucht, die Autorität und Privilegien der römischen Kirche zu vernichten oder herabzu-
setzen, der hat nicht nur den Umsturz und das Verderben irgendeiner [Orts-]Kirche, sondern
der gesamten Christenheit im Sinn"71.
Das erste Schreiben Leos IX. an Kerullarios wurde, wie heute die Mehrheit der For-
scher glaubt, nie„ abgeschickt und somit in Konstantinopel nie bekannt72. Allein der
scharfe polemische Ton gegen die Griechen, der im Libellus angeschlagen wurde, und
vor allem die Tendenz, die Verurteilung der römischen Bräuche als Angriff auf die
Prinzipien des Christentums selbst zu interpretieren, wurden in den folgenden lateini-
schen Dokumenten der Jahre 1053/54 beibehalten und in mancher Hinsicht sogar über-
boten. Im Jahr 1054 wurde eine umfangreiche und eingehende Widerlegung des Schrei-
bens des Leon von Achrida in Form eines Dialogs zwischen einem „Römer" und einem
„Konstantinopolitaner" verfaßt, worin konkrete Fragen des Ritus und der Disziplin, die
Leon von Achrida in Frage gestellt hatte, auf detaillierte Weise analysiert werden. Aller
Wahrscheinlichkeit nach ist dies jenes Werk, das den Griechen im ersten Schreiben des
Papstes an Kerullarios versprochen worden war73. Der Dialogus antwortet auf die An-
griffe der Griechen unter anderem dadurch, daß er seinerseits eine Reihe von byzantini-
schen kirchlichen Bräuchen angreift und-zum Schluß offeajnit der Exkommunikation
für den Fall droht, daß die Griechen weiterhin die lateinischen Bräuche ablehnen sollten
und keine Buße täten74. Noch ungehaltener, manchmal bis zur Grobheit gehend, war der
Ton der Contradictio, der ebenfalls im Jahr 1054 entstandenen Widerlegung der Schrift
eines Mönches aus dem Studitenkloster, Niketas Stethatos, gegen die Azymen75. Wenn-
gleich die Schrift des Niketas auch im Vergleich zum Schreiben des Leon von Achrida

71 WILL 83a: „...ut quieunque quodlibet ex superbia arripiat et sibi contra nostram Apostolicam
sedem atque leges ejus usurpet, hoc nos tolerare non possumus, quia quisquis Romanae ecclesiae
auetoritatem vel privilegia evacuare seu imminuere nititur, non hie unius ecclesiae, sed totius
Christianitatis Subversionen! et interitum machinatur".
72 BREHIER, Le schisme oriental 100, hatte noch kein Bedenken, daß der Brief in Byzanz bekannt
wurde und sogar den Patriarchen zur versöhnlichen Haltung bewogen hat. Anton MICHEL äußerte
zunächst die Überzeugung, daß der Brief nie abgesandt worden sei {Humbert und Kerullarios I
55-57); später war er aber der Ansicht, daß der Brief doch bereits im Frühsommer 1054
übergeben wurde (Schisma und Kaiserhof 374 Anm. 7). Entscheidend sind die Untersuchungen
von KRAUSE, Das Constitutum Constantini, der gezeigt hat, daß Byzanz die Version des
Constitutum Constantini nicht aus dem Libellus kannte. Der These, daß der Brief nie in Byzanz
bekannt wurde, schließt sich auch TINNEFELD, Michael I. Kerullarios 106, an.
73 Zum Dialogus s. unten, S. 118.
74 WILL 126b: „Pro quibus omnibus et aliis, quos longum est scripto prosequi, erroribus, nisi
resipueritis et digne satisfeceritis, irrevocabile anathema hie et in futuro eritis a Deo, et ab
omnibus catholicis".
75 Text in: WILL 136-150.
66 Die ostkirchliche Herausforderung

den Katalog der rituellen und disziplinären Verfehlungen der Lateiner erweitert, so
zieht sie doch, ähnlich wie das Schreiben des Erzbischofs aus Bulgarien, keine weitrei-
chenden Schlüsse über die Rechtgläubigkeit der römischen Kirche und bleibt auch im
Ton gegenüber den Lateinern moderat. Die lateinische Widerlegung ist ungeachtet des-
sen im Ton noch aggressiver als der Dialogus, voller Beschimpfungen und Häresie-
vorwürfe.
Leider sind heute zwei Schreiben an Leo IX. nicht mehr erhalten - eines von Kaiser
Konstantinos Monomachos mit dem Vorschlag eines Bündnisses gegen die Normannen,
ein weiteres in versöhnlichem Ton gehaltenes von Michael Kerullarios. Diese Schreiben
wurden offenbar im Zusammenhang mit der von Argyros Ende Sommer bis Herbst
1053 organisierten Reise des Bischofs Johannes von Trani nach Konstantinopel verfaßt.
Man wollte nach der Niederlage von Civitate das weitere Vorgehen abstimmen, aber
auch die zwischenkirchlichen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Schreiben des
Leon von Achrida an Johannes von Trani und der Reaktion der römischen Kurie darauf
entstanden sind, erörtern. Die Schreiben des Kaisers und des Patriarchen brachte Johan-
nes von Trani Ende 1053 mit nach Italien77. Über beide Schreiben sind wir nur deswe-
gen unterrichtet, weil die Antwortschreiben Leos LX. an den Kaiser Konstantinos und
an den Patriarchen von Konstantinopel, die vom Papst offensichtlich während seines
erzwungenen Aufenthalts in Benevent Anfang 1054 verfaßt worden sind, diese Briefe
erwähnen. Die Schreiben des Papstes, besonders jenes an den Kaiser, sollten als litterae
commendatitiae für die drei Legaten, die vom Papst nach Konstantinopel gesandt wur-
de, dienen: für Kardinal Humbert, Kanzler Friedrich (den künftigen Papst Stephan IX.)
und Erzbischof Petrus von Amalfi. Die Gesandtschaft wurde in erster Linie in politi-
scher Absicht zum Kaiser geschickt, um gemeinsame Aktionen gegen die Normannen
auf den Weg zu bringen, aber auch um kirchliche Fragen zu lösen. Die Legaten mach-
ten sich Ende Januar auf den Weg und kamen im April oder Mai 1054 in Konstantino-
pel an78. Am 19. April 1054, wahrscheinlich zu einer Zeit, als die Legaten noch unter-
wegs waren, starb Leo IX. in Rom, nachdem er etwas mehr als einen Monat seine
Befreiung aus Benevent überlebt hatte79.

76 So z. B.: „o perfide Stercorianista" (WILL 144a Z. 18); „o abominabilis cynice, quomodo non
erubuisti tantum nefas evomere?" (ebd., 147b Z. 31-32); „miserrime Niceta" (ebd., 150b Z. 7).
77 Zur Reise des Johannes von Trani s.: FALKENHAUSEN, Untersuchungen 187-188. Infolge dieser
Reise wurde Johannes der Titel eines Synkellos verliehen.
78 Zu Datierungen: MICHEL, Schisma und Kaiserhof 405^106. Die beiden Begleitschreiben des
Papstes gedruckt in WILL 85-92; der Brief an den Kaiser auch in: ERDMANN, Ausgewählte Briefe
14-19.
79 Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wann genau der Tod des Papstes in Konstantinopel
bekannt wurde. MICHEL, Rechtsgültigkeit 196 und Schisma 425 nimmt an, daß der Tod Leos erst
nach den wechselseitigen Exkommunikationen bekannt wurde. TINNEFELD, Michael I. Kerullarios
114-116, ist dagegen der Meinung „daß Kerullarios schon einige Zeit vor dem 16.07. vom Tode
des Papstes wußte und dieser mithin auch in Byzanz bekannt war".
Der Azymenstreit 67

In Konstantinopel angekommen, wurden die Legaten wohlwollend vom Kaiser auf-


genommen, erfuhren aber einen sehr unfreundlichen Empfang beim Patriarchen. Zu den
nicht unwichtigen Episoden der Frühgeschichte des Azymenstreites gehört auch die am
24. Juni 1054 in Gegenwart des Kaisers und auf Drängen der Legaten vollzogene Ver-
urteilung der Schrift des Niketas Stethatos, wobei der Verfasser selbst eine Abschrift
des Werks dem Feuer übergeben mußte80. Nach einer Reihe von Versuchen, zu einer
Übereinkunft sowohl in politischen als auch in kirchlichen Fragen zu kommen, wurde
die Gesandtschaft, die eigentlich Versöhnung und Einvernehmen erzielen sollte, mit der
wechselseitiger Exkommunizierung vom 16. und vom 24. Juli 1054 beendet81. Das
Thema des eucharistischen Brots spielte in den Formulierungen der Exkommunikation
von 1054 eine wesentliche Rolle. Wir begegnen darin zwei Schimpfworten, mit denen
sich beide Seiten im Streit bedachten: „Azymit" (azymita 1 άζυμίτης), d. h. derjenige,
der mit Azymen die Eucharistie vollzieht, und „Prozymit" (prozymita Ι προζυμίτης),
d. h. derjenige, der behauptet, man könne die Eucharistie nur mit gesäuertem Brot voll-
ziehen82. Die kürzere Exkommunikationsformel gegen Kerullarios lautet:
„Wer dem Glauben des heiligen römischen und apostolischen Stuhls sowie seinem
[eucharistischen] Opfer hartnäckig widerspricht, sei Anathema, Maranatha; man möge ihn
nicht für einen katholischen Christen halten, sondern für einen häretischen Prozymiten. So
geschehe es, so geschehe es, so geschehe es!"83.

Somit geht aus den Formulierungen der Verurteilung klar hervor, daß die päpstlichen
Legaten im Angriff des Patriarchen von Konstantinopel und seiner Anhänger auf den

80 Darüber berichtet die Brevis et succinta commemoratio, s.: WILL 151aZ. 4-19.
81 Detaillierte Analyse der Gesandtschaft s.: MICHEL, Schisma AQ5-A18.
82 Das Wort „Azymit" begegnet nur in den lateinischen Texten, die zu Beginn des Azymenstreites
entstanden; s. neben der angegebenen Stelle: WILL 76b Z. 34; 256a Z. 37 (= MICHEL, Die
„Accusatio" 167). In den griechischen Texten, die im Zusammenhang mit den Ereignissen von
1054 entstanden sind, erscheint das Wort άζυμίτης nur einmal, in der Übersetzug der
lateinischen Exkommunikationsbulle ins Griechische, die in den Text des Semeioma inkorporiert
wurde (WILL 164a Z. 12). Deswegen ist die durch mehrere Nachschlagewerke wandernde
Behauptung, daß das Wort azymitae „zum ersten Male <...> 1053 vom bulgarischen Eizbischof
Leo von Achrida im Einverständnis mit Michael Caerularius gebraucht" wurde, falsch, s.: RGG3
1804 (W. C. VANUNNIK); vgl. RAC I 1061-1062 (O. MICHEL). Den beiden Worten „Azymit"
und „Prozymit" sollte man nicht allzu große Bedeutung beimessen, wie dies z. B. PETZOLT in
LThK3 I 1327 tut, indem er die Azymenkontroverse als „Azymenstreit der Azymiten gegen die
Prozymiten" bezeichnet. Die beiden Wörter erscheinen nur sehr sporadisch und überwiegend in
der früheren Phase des Streites; im folgenden spielten sie in der Polemik um die Azymen kaum
mehr eine Rolle. Vgl. zum Wort άζυμίτης: LBGr 127.
83 WILL 154: „Quicunque fidei sanetae Romanae et apostolicae sedis ejusque sacrificio pertinaciter
contradixerit, sit anathema, Maranatha, nee habeatur Christianus catholicus, sed prozymita
haereticus. Fiat, fiat, fiat".
68 Die ostkirchliche Herausforderung

lateinischen Brauch bei der Eucharistie einen der wichtigsten Gründe für die Exkom-
munizierung des Kerullarios sahen.

3. Der Auslöser des Streites

„Die Kontroverse wurde ausgelöst durch ein Schreiben des Metropoliten Leon von
Achrida an den Bischof Johannes von Trani", schreibt Hans-Georg Beck in seinem
klassischen Handbuch zur Kirche und theologischen Literatur im Byzantinischen
Reich84. In der Tat ist der Brief des Metropoliten das erste uns bekannte Dokument der
griechischen Polemik gegen die Azymen. Ob dieses Schreiben jedoch als der
eigentliche Auslöser des Streites bezeichnet werden darf, scheint mir sehr zweifelhaft.
Betrachtet man die ersten Dokumente der Polemik über die Azymen und vergleicht
das Schreiben des Leon von Achrida mit dem ersten Schreiben des Papstes an Kerulla-
rios, dann fällt die anscheinend unadäquate Art der Reaktion der päpstlichen Kurie auf
den Brief aus Achrida auf. Man gewinnt den Eindruck, daß das päpstliche Schreiben
nicht so sehr eine Antwort auf den eigentlichen Brief des Erzbischofs von Achrida dar-
stellt, sondern eher auf etwas anderes. Selbst wenn man historisch größere Maßstäbe
hinzuzieht, etwa das neue Selbstbewußtsein des Reformpapsttums, den brüsken Cha-
rakter der Hauptfiguren oder die besondere Lage in Süditalien, wovon bereits die Rede
war, bleibt immer noch unverständlich, weshalb ein kurzer, im Ton moderat gehaltener
Brief eines Erzbischofs aus Bulgarien, der außerdem nicht einmal nach Rom, sondern
nach Apulien gesandt wurde, eine solch heftige Reaktion in der päpstlichen Kurie her-
vorrufen und zum Anlaß weitgehender ekklesiologischer Schlußfolgerungen und Ver-
urteilungen werden konnte. Auch wenn man in Rechnung stellt, daß man in Rom den
Patriarchen von Konstantinopel als den Urheber des Briefes ansah, erscheint die Ant-
wort immer noch nicht angemessen85. Einige Forscher bemühen sich, die Reaktion der
päpstlichen Kurie in Schutz zu nehmen und im Schreiben des griechischen Bischofs
gleichsam zwischen den Zeilen einen scharfen Angriff auf die römische Kirche zu
sehen . Indessen kann man das Schreiben des griechischen Bischofs nur dann so inter-
pretieren, wenn man es in den breiteren Kontext der Vorfalle in Konstantinopel stellt.

84 BECK, Kirche 318.


85 Von „ungewöhnlich scharfer Reaktion des Papstes" spricht ζ. Β. DENZLER, Das sog.
Morgenländische Schisma 28; vgl. ARBAGI, Byzantium in Latin Eyes 87, der sein Erstaunen über
die Reaktion der Lateiner auf die Schriften, „politely questioning Latin customs", ausdrückt.
86 S. z. B.: ANDRESEN, Handbuch I 353-354; vgl. MICHEL, Schisma 385 Anm. 4 und 386 Anm. 1:
„Kriegserklärung an Altrom"; nach ihm DENZLER, Das sog. Morgenländische Schisma 28.
Der Azymenstreit . 69

Schaut man auf die Lage der lateinischen Kirchen und Klöster in Konstantinopel um
das Jahr 105387, gewinnt man einen Verständnisschlüssel für die Reaktion der Lateiner.
Seit dem Brief Leos IX. an Kerullarios verweisen sämtliche lateinische Schriften, die in
den Jahren 1053/54 entstanden sind, auf die „Schließung" lateinischer Kirchen und
Klöster, die auf Geheiß von Michael Kerullarios vorgenommen worden war, sowie auf
die „offene und öffentliche Verfolgung" eines jeden, der die Eucharistie mit ungesäu-
ertem Brot vollzieht (und empfängt). Dieser permanente Anklagepunkt der lateinischen
Quellen wurde in der wissenschaftlichen Literatur durchaus gesehen, man verlieh ihm
jedoch nicht die Bedeutung, die ihm meiner Meinung nach zukommen müßte. Im Ge-
genteil, diese Zeugnisse wurden nicht selten gänzlich ignoriert oder ernsthaft angezwei-
felt. Das gilt vor allem für solche Arbeiten, die in der „Azymenkontroverse" einen aus-
schließlich theoretischen, theologischen Streit erblicken, die sich auf die Darstellung
der theologischen Argumentation konzentrieren und dem Ereignishintergrund des Kon-
fliktes von 1053/54 nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken88. Andere For-
scher, die die Glaubwürdigkeit der lateinischen Quellen leugnen, begründen dies damit,
daß die zeitgenössischen griechischen Quellen über die Schließung der lateinischen
Kirchen und die Verfolgung von Lateinern in Konstantinopel schweigen. So hält Pe-
trucci den Vorwurf der Lateiner für il frutto di una generalizzazione und für
un 'esagerazione drammatied'9. Mahlon Smith meint: It is doubtful that the patriarch
had actually committed himself to suppressing the Latin rite90; und der griechische Hi-
storiker Georgiades hielt gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Behauptung der Lateiner
für eine Lüge {αυτόχρημα φενδος)9]. Indessen gibt es keine ernsthaften Gründe, an den
Mitteilungen der lateinischen Dokumente zu zweifeln, unrichtig ist auch die Behaup-
tung, daß die griechischen Texte die Zeugnisse der Lateiner nicht bestätigen. Und selbst
wenn es Gründe gäbe, die Berichte der Lateiner über die Ereignisse, die sich damals in
Konstantinopel abgespielt haben, in Zweifel zu ziehen, kann man nicht leugnen, daß die
Autoren der antigriechischen Schriften der vollen Überzeugung waren, daß eine Unter-
drückung der lateinischen Kirche in Konstantinopel im Gange war. Nur wenn man diese
Bedenken ernst nimmt, wird die Reaktion der Lateiner plausibel, und damit auch die
Entstehung des Azymenstreites.
Wenn man von der Verfolgung der lateinischen Kirchen in Konstantinopel spricht,
verweist man in der Regel auf ein begrenztes Repertoire von Stellen aus den Schreiben

87 Generell zur lateinischen Präsenz in Konstantinopel sowie zu lateinischen Kirchen und Klöstern
in Konstantinopel s.: JANIN, Constantinople byzantine 245-255; LILIE, Die lateinische Kirche.
Speziell für die Zeit vor 1054 s.: FEDALTO, La chiesa latina 223-225.
88 So übergeht ζ. Β. Klaus Wessel im Kapitel über die Azymenkontroverse in: ANDRESEN,
Handbuch I 352-363, diesen Aspekt völlig.
89 PETRUCCI, Rapporti 772 Anm. 97.
90 SMITH, And Taking Bread 120.
91 S.: EkklAl 3 (1886) 376; vgl. MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 143 Anm. 1, und DERS.,
Schisma und Kaiserhof 3S0 Anm. 6.
70 Die ostkirchliche Herausforderung

Leos LX. an Kerullarios und an Kaiser Konstantinos, aus dem Dialogus und aus dem
Rechenschaftsbericht der Legaten über die Reise nach Byzanz92. Indessen sind die
Stellen, die bezeugen, daß nicht die Verurteilungen im Brief des Leon von Achrida die
scharfe Reaktion der Kurie hervorriefen, sondern vor allem die Verfolgung der lateini-
schen Kirchen durch Kerullarios, zahlreicher. In einigen Passagen wird davon bildlich
gesprochen, außerdem können mehrere Aussagen der lateinischen Schriften nur im
Lichte dieser Voraussetzung verstanden werden.
Wir haben bereits gesehen, daß im ersten Brief von Papst Leo IX. an Kerullarios die
Reaktion des Papstes als „stärkste Erschütterung", als „unsägliche Trauer und Seufzen
des Herzens"93 charakterisiert wird. Wodurch wurde diese hervorgerufen? Dadurch,
„...daß man von dir, unser immer noch teurer Bruder in Christo und Bischof von Konstantino-
pel und von dir, Leo von Achrida, berichtet, daß ihr in nicht gekannter Anmaßung und un-
glaublicher Kühnheit die apostolische und lateinische Kirche, ohne sie angehört und irgendei-
ner Sache überfuhrt zu haben, öffentlich verurteilt habt, hauptsächlich dafür, daß sie es wagt,
das Gedächtnis der Leiden des Herrn mit Azymen zu feiern"94.

Aus diesem Text, in dem erstmals die griechische Polemik gegen das ungesäuerte Brot
der Lateiner zur Sprache kommt, wird klar, daß hier nicht der Brief des Leon von
Achrida gemeint war. Nicht dieser Brief, den der Papst in der lateinischen Übersetzung
unmittelbar kennen durfte, rief den Kummer des Papstes hervor, sondern das, was man
ihm „mitgeteilt habe" {dieimini), wobei offen bleibt, durch wen diese Information er-
folgte. Auch der weitere Inhalt der angeführten Stelle deutet auf weitergehende Infor-
mationen hin, die der Papst unabhängig vom Brief des Bischofs von Achrida erhalten
hat. Der Patriarch wird nämlich beschuldigt, er habe die lateinische Kirche „verdammt"
{damnasse). Damnare ist ein sehr starkes Wort, das in christlichem Kontext meistens
„verfluchen", „mit dem Anathem belegen" bedeutet, das also eine juridische Wirkung
ausdrückt95: Der Inhalt des Schreibens des Leon von Achrida entspricht dem in keiner
Weise. Sodann gibt der Tadel des Papstes, Kerullarios habe die lateinische Kirche ohne
vorherige Anhörung verurteilt, keinen Sinn, wenn er sich auf ein literarisches Doku-
ment bezieht. Eine Antwort auf den Brief des griechischen Bischofs stellt ja eben die
Möglichkeit dar, der lateinischen Seite Gehör zu verschaffen. Der Vorwurf des Papstes
erhält jedoch einen Sinn, wenn er nicht auf literarische Vorwürfe seitens der Griechen

92 So TINNEEELD, Michael I. Kerullarios 104 Anm. 63; MICHEL, Humbert und Kerullarios II 143
Anm. 1.
93 WILL 67b Z. 36-37: „...vehementer obstupeseimus..."; 67b Z. 43^t4: „...cum indieibili
contritione et gemitu cordis..."
94 WILL 68a: „...quia tu, charissime nobis et adhuc dicende in Christo frater et antistes
Constantinopolitane, tuque Leo Archidane, dieimini apostolicam et Latinam Ecclesiam nova
praesumptione atque incredibili audacia nee auditam nee convietam palam damnasse, pro eo
maxime, quod de azymis audeat commemorationem Dominicae passionis celebrare".
95 S.: BLAISE 238; NIERMEYER 300; zum heidnischen Sprachgebrauch s.: OLD 483^84.
Der Azymenstreit 71

zielt, sondern auf Aktionen des Kerullarios und des Bischofs von Achrida gegen die
lateinische Kirche.
Worin diese Aktionen bestanden, verrät der gleiche Brief, nur an anderer Stelle. Es
ging nämlich um die Schließung von Kirchen und das Verbot von Gottesdiensten . Die
Mutterwürde der römischen Kirche sei verletzt, weil
„...ihr sie mit Beschimpfungen und Kränkungen verfolgt, und weil ihr, sogar unter Zuhilfe-
nahme von Bannspruch und Schlägen danach strebt, ihre Lämmer von ihr abzusondern, damit
diese die Stimme der Mutter nicht vernähmen und ihr nicht folgten. Wie man uns nämlich er-
zählt, habt ihr alle bei euch befindlichen Kirchen der Lateiner geschlossen, habt den Mönchen
ihre Klöster und Abteien weggenommen, damit sie nach euren Regeln zu leben beginnen"97.

Die Griechen werden aufgefordert, sich eines Besseren zu besinnen und Vernunft anzu-
nehmen. Sie sollten aufhören, die Lateiner höhnisch „Azymiten" zu nennen, „ihnen die
Kirchen zu verwehren" und „sie zu quälen, wie ihr [Griechen] zu tun begonnen habt" .
Sogar das Verbot der griechischen Herrscher könne, wie berichtet werde, Kerullarios
und seine Anhänger nicht davon abhalten, daß sie „das auserwählte Geschlecht" (d. h.
die lateinischen Christgläubigen) „öffentlich schmähen und verfluchen"99. Erst ganz
am Schluß seines langen Schreibens erwähnt der Papst den Brief des Leon von Achrida
an Johannes von Trani. Er bezeichnet ihn als „Verleumdung", „die ihr an unsere Mit-
brüder und Mitbischöfe in Apulien gerichtet habt, um unser ungesäuertes Brot zu
schmähen und eueren Sauerteig zu predigen": Dabei stellt der Autor ein anderes Werk
in Aussicht, das sich mit diesem Schreiben des Leon auseinandersetzen wird100.
Das erste Schreiben Leos LX. an Kerullarios ist also nichts anderes als die Antwort
auf dem Papst zu Ohren gekommene Berichte über eine Verfolgung der lateinischen
Kirchen in Byzanz durch Kerullarios. Nach der Darstellung des Papstes forderte man
von den Lateinern, daß sie ihren eucharistischen Brauch den Griechen anglichen, widri-

96 WILL 76b: „Verum vestra insolentia nihil pendens talia specialibus Christi ovibus claudere et
interdicere non timet, in quibus temporaliter ad laudem Dei reeubabant, ovilia".
97 WILL 80b-81a: „matris venerandam faciem conspuere quaeritis, dum eam insequimini convieiis
et maledictis, dum agnos ejus ab ea segregare etiam anathemate et flagellis, ne vocem maternam
agnoscant et sequantur, contendilis. Ut enim fertur, omnes Latinorum basilicas penes vos
clausistis, monachis monasteria et abbatibus tulistis, donec vestris viverent institutis".
98 WILL 76b: „...a tanta amentia resipiscite et Latinos vere catholicos atque maximi Patris
familiariores diseipulos institutionisque ejus devotiores seetatores cessate subsannando azymitas
vocare, aut ecclesias illis denegare, seu tormenta, sicut coepistis, inferre, si vultis nunc et semper
pacem et portionem cum Petro habere".
99 WILL 71: „Vos vero nee amor Dei et proximi nee reverentia divinorum canonum, aut sicut
dicitur orthodoxorum prineipum verstrorum prohibitio revocat, quin publice maledictatis et
detestemini genus electum, regale sacerdotium, gentemque sanetam".
100 WILL 84b: „alio exordio congruum censuimus respondere vestrae calumniae, quam confratribus
et coepisopis nostris Apulis scriptam ad suggillationem nostri azymi et praedicationem vestri
fermenti non dubitastis dirigere".
72 Die ostkirchliche Herausforderung

genfalls würden ihre Gottesdienste verboten. Die Anspielung auf „Schläge" (flagella,
tormentä) legt die Vermutung nahe, daß es dabei zu Übergriffen kam.
Dieselbe Angelegenheit steht im Mittelpunkt der Schreiben Leos IX., die die päpstli-
chen Legaten dem Kaiser und dem Patriarchen überreichten. In wohlwollendem, teils
freundschaftlichem Ton äußerte der Papst gegenüber dem Kaiser seine Besorgnis über
die Anmaßungen des Kerullarios:
„Wir haben gehört, daß er, brennend vor Eifer, die lateinische Kirche offen verfolgt und nicht
davor zurückschreckt, alle zu exkommunizieren, die die Eucharistie mit ungesäuertem Brot
feiern"101.

Wenn der Patriarch damit fortfahre, sei eine Versöhnung mit ihm unmöglich102.
Gleichwohl gibt sich der Papst konziliant und hofft, daß die Anschuldigungen entweder
nicht zutreffen, oder daß der Patriarch sein Verhalten ändere103.
Ahnliche Formulierungen finden wir in dem zweiten Schreiben Leos IX. an Kerulla-
rios, worin der Papst auf Gerüchte über den Patriarchen anspielt, die unglaublich er-
schienen, aber noch nicht überprüft werden konnten104. Erneut erhebt der Papst die
Beschuldigung, daß Kerullarios gegen alle, die mit ungesäuertem Brot kommunizieren,
„eine öffentliche Verfolgung" anstachele und sie exkommuniziere. Der Papst bezieht
sich dabei sowohl auf Gerüchte als auch auf den „Text deines Schreibens an die Apu-
Her"105.
Die eigentliche Antwort auf das Schreiben des Leon von Achrida an Johannes von
Trani erfolgt im Dialogus, der Punkt für Punkt die Argumente des griechischen Briefes
widerlegt. Man darf in ihm die Fortsetzung des ersten Schreibens Leos IX. erkennen, er
ist das aliud exordium, das am Ende des ersten Schreibens an den Patriarchen verspro-
chen wurde. Darin wird erneut an die Schließung der lateinischen Kirchen erinnert,
dazu kommen aber auch andere interessante Nachrichten: Zunächst habe es Fälle von

101 WILL 88b: „Sed noverit tua claritas: super praesumptionibus ejus multa et intolerabilia
jamdudum pervenisse ad aures nostras, qualiter etiam aperta persecutione in Latinam ecclesiam
exardescens, anathematizare non timuit omnes, qui sacramenta attrectant ex azymis".
102 WILL 88b: „In quibus si, quod absit, pertinax fuerit, pacem nostram nullatenus retinere potent".
103 WILL 8 8 b - 89a: „Coniidimus tarnen, quod praeveniente gratia Dei invenietur innoxius ab his,
aut correctus, aut cito resipiscet admonitus; et efficietur non qualis dicitur, sed qualis a nobis pie
desideratur et speratur".
104 WILL 90a: „Plurima autem [de] tua fraterniiate intolerabilia rumor jam diu pertulit ad aures
nostras, quae nos, partim quia incredibilia videbantur, partim quia nulla facultas inquirendi talia
concedebatur, indiscussa hucusque reliquimus".
105 WILL 91a: „Illud autem quis non stupeat, quod post tot sanctos et orthodoxos patres per mille et
viginti a passione Salvatoris annos novus calumniator ecclesiae Latinorum emersisti
anathematizans omnes et publicam persecutionem excitans, quicunque participarentur
sacramentorum ex azymis? Quam praesumptionem tuam et fama nobis obtulit et litterarum sub
nomine tuo ad Apulos datarum textus manifestavit".
Der Azymenstreit 73

Wiedertaufen gegeben106, sodann hätten einige Griechen die eucharistischen Gestalten


der Lateiner geschändet („mit Füßen zerstampft")107. Auf die Fälle der Wiedertaufe
werden wir noch zurückkommen, hier seien allerdings die an den Heiligen Gaben be-
gangenen Sakrilegien hervorgehoben, die das Bild der Verfolgung der Lateiner in Kon-
stantinopel, wie es sich in der päpstlichen Kurie darbot, ergänzen.
Die Legaten kamen mit bestimmten Informationen nach Byzanz. Der Brief des Leon
von Achrida an Johannes von Trani war nur die Bestätigung dessen, was ihnen aus
anderen Quellen bekannt geworden war. Ihre Aufgabe war auch, diese Informationen
und Gerüchte in Konstantinopel zu überprüfen und zu verifizieren. Entsprachen die
Berichte, die der Papst erhalten hatte, der Wahrheit? Der Text der Exkommunikations-
bulle gegen Kerullarios vom 16. Juli 1054 läßt diese Frage positiv beantworten. Der
längere von den zwei erhaltenen Entwürfen beschuldigt den Patriarchen, daß er die
Legaten zur Zeit ihres Aufenthaltes in Konstantinopel „überall in Wort und Tat" ver-
folgte, indem er sie „Azymiten" nannte und „ihnen untersagte, die Messe zu feiern, so
wie er auch früher die Kirchen der Lateiner geschlossen hatte"108. Zusammen mit Ke-
rullarios verurteilte die Exkommunikationsbulle auch den Sakellarios des Patriarchen
mit Namen Konstantinos, der das Meßopfer der Lateiner mit Füßen getreten und ge-
schändet habe109. Die griechische Übersetzung der Exkommunikationsbulle, die als
Grundlage für das Semeioma, die Gegenexkommunikation des Michael Kerullarios,
diente, gibt lat. Latinorum sacrificium mit 777V των Λατίνων θυσίαν wieder. Jedenfalls
geht es um die eucharistischen Gaben, wenn auch nicht eindeutig ist, ob sie bereits
konsekriert sind oder nicht. Sowohl das lateinische als auch das griechische Wort läßt
die beiden Möglichkeiten offen111. In ihrem Rechenschaftsbericht (Brevis et succinta
commemoratio) erwähnen die Legaten, daß die Gesandten nach der Verkündung des
Anathems für Kerullarios und unmittelbar vor ihrer Abreise „die lateinischen Kirchen in
den Grenzen Konstantinopels in Ordnung brachten"112: Das hat nur dann einen Sinn,

106 WILL 125b Z. 44-126a Z. 5.


107 WILL 126a: „Vere omnino ad nescio quem panem absconditum invitatis, quando vivifica et
terribilia sacramenta corporis et sanguinis Jesu Christi profanis pedibus conculcatis".
108 WILL 154a: „nobis nuntiis <...> ecclesias ad missas agendum interdixit, sicut et prius Latinorum
ecclesias clauserat, et eos azymitas vocans verbis et factis ubique persecutus fuerat".
109 WILL 154b: „Michael abusivus patriarcha neophytus <...> et sacellarius ipsius Michaelis,
Constantinus, qui Latinorum sacrificium profanis conculcavit pedibus, <...> sint anathema". Der
griechische Text der Exkommunikationsbulle im Semeioma korrigiert den Namen des
Sakellarios: ό Νικηφόρος (WILL, 164a Z. 35-36) - übrigens ein Zeichen dafür, daß es sich um
eine konkrete und bekannte Person handelte; vgl. MICHEL, Schisma 380 Anm. 7. Zum Amt des
Sakellarios s.: ODB 1828-1829(KAZHDAN/MAGDALINO); OAKROWIES, Recherches 310-314.
110 WILL 164a Z. 36.
111 S.: BLAISE 731-732; SOPHOCLES 588.
112 WILL 152a: „Hinc ordinatis ecclesiis Latinorum intra ipsam Constantinopolim <...> alacres
coeperereverti...."
74 Die ostkirchliche Herausforderung

wenn die lateinischen Kirchen zuvor Behinderungen erfahren hatten, also in „Unord-
nung" geraten waren. Die Episode der sakrilegischen Zertretung der Heiligen Gaben
mit den Füßen wird auch in dem anonymen Fragmentum disputationis contra Graecos
erwähnt, dessen Abfassung man nach der Ankunft der Legaten in Konstantinopel im
Frühjahr 1054 in Verbindung bringen muß. Dort ist die Rede davon, daß dieses Sakrileg
„ein Grieche in bischöflichem Rang" begangen habe .
Auch wenn sich die Legaten während ihres dreimonatigen Aufenthalts in Konstanti-
nopel eine eigene Meinung über die Verfolgungen bilden konnten, stellt sich die Frage,
ob man den Beschuldigungen, die sie in der Exkommunikationsbulle aussprachen,
Glauben schenken darf. Oder wurden diese Anschuldigungen nur vorgeschützt, um die
Exkommunikation zu rechtfertigen? Nach Hans-Georg Beck war die Exkommunikati-
onsbulle „eine Ungeheuerlichkeit insofern, als ihr Inhalt von Unkorrektheiten und
Unwahrheiten strotzte"114. Dieses Verdikt, das in der neueren Literatur vorherrscht,
bedarf meines Erachtens einer gewissen Korrektur. Die Bulle stellt in der Tat an sich
„eine Ungeheuerlichkeit" dar, weil ihre Verfasser ihren Gegnern Häresien anlasten,
deren sie sich niemals schuldig machten. Allein den Inhalt der Bulle als eine bloße An-
sammlung von faktischen Unwahrheiten zu halten, geht nicht an. Bei aufmerksamer
Analyse des Inhalts kommt man zu dem Schluß, daß es für jede der darin enthaltenen
Beschuldigungen einen realen Anlaß gab. Die Tatsachen entsprechen zwar nicht den
altchristlichen Häresien, mit denen sie abqualifiziert wurden, aber dennoch hat jede
Beschuldigung ein fundamentum in re.
Insgesamt lastet die Bulle dem Kerullarios und seinen Anhängern neun Häresien an.
Läßt man die Verweise der Autoren auf alte Häresien beiseite, sehen die Anklagen der
Bulle folgendermaßen aus: (1) Kerullarios und seine Anhänger „verkaufen die Gabe
Gottes", d. h. sie sind Simonisten. (2) Sie nehmen Eunuchen unter die Kleriker und
Bischöfe auf. (3) Sie praktizieren die Wiedertaufe, insbesondere bei den Lateinern.
(4) Sie behaupten, daß die Kirche Christi, die wahre Eucharistie und die wahre Taufe
nur noch in der griechischen Kirche existiere. (5) Sie erlauben, daß die Altardiener in
der Ehe leben. (6) Sie nennen das mosaische Gesetz verflucht. (7) Sie haben aus dem
Glaubensbekenntnis die Erwähnung des Hervorgangs des Heiligen Geistes aus dem
Sohne entfernt. (8) Jeden Sauerteig nennen sie beseelt. (9) Sie hängen jüdischen Bräu-
chen an, indem sie die Taufe von Kindern sogar bei Todesgefahr bis zum achten Tag
verbieten und indem sie den Frauen während der Menstruation und bei der Geburt die
Kommunion verbieten, sogar wenn Lebensgefahr bestehe. Das gleiche gelte auch für
die Taufe von heidnischen Frauen. Schließlich nehmen sie jene nicht in die Gemein-

113 MICHEL, Die Accusatio des Kanzlers Friedrich 166: „Arguimus, quod sacrificio dei detrahitis et
adversus dominum linguas ut serpentes aeuitis; ita, ut quidam ex vobis in archierarchica
dignitate corpori Christi anathema dixerint et ad terram cum exprobrationibus multis proiecerint
et super sanguinem redempüonis nostrae pedibus immundis calcaverint". Michel wies dieses
Fragment dem Kanzler Friedrich von Lothringen zu.
114 BECK, Geschichte 146.
Der Azymenstreit 75

schaft auf, die nach dem Brauch der römischen Kirche den Bart scheren . Natürlich
machte sich Kerullarios nicht aller dieser Vergehen schuldig116, allerdings gilt es zu
fragen, inwieweit diese Anklagen der griechischen Praxis damals entsprachen, wobei
freilich dann auch die Haltung des Kerullarios in Betracht gezogen werden muß.
Auf die Punkte (2) und (5) braucht man nicht im Einzelnen einzugehen, sie entspra-
chen ohne Zweifel der Wirklichkeit117. Der Anlaß für die Behauptung (7) bezüglich des
Filioque ist klar, auch wenn sie tendenziös, und zwar aus römischer Perspektive formu-
liert ist118. Die Punkte (6) und (8) sind aus den griechischen Schriften gegen das lateini-
sche ungesäuerte Brot gewonnen, genauer gesagt, aus den lateinischen Übersetzungen
dieser Texte. Der Satz, daß das mosaische Gesetz „verflucht" sei, basiert auf einem
Übersetzungsfehler: Das Wort καταργηθέντα, „aufgehoben", das Leon von Achrida in
Bezug auf die Gebote des mosaischen Gesetzes gebrauchte, las der Übersetzer als
καταρηθέντα, „verflucht", und übersetzte es mit maledictaeU9. Die Behauptung, der
Sauerteig sei „beseelt", begegnet in der griechischen Polemik mehrfach. Die Widerle-
gung dieser Behauptung (auch mit dem Verweis auf die Häresie der Manichäer) griffen
auch die lateinischen Werke gegen die Griechen aus den Jahren 1053/54 auf120. Die
griechischen Invektiven gegen das ungesäuerte Brot und gegen die Taufe durch einma-
liges Untertauchen führte die Verfasser der Bulle zu dem Schluß (4), die Griechen
zweifelten die Gültigkeit der lateinischen Sakramente an und damit auch die Kir-
chengliedschaft der lateinischen Kirche. Dieser Schluß ist angesichts der teils extremen
Rituskritik nicht weit hergeholt. Eine eingehendere Beurteilung verdienen die Punkte
(1), (3) und (9).

115 WILL, 153b- 154a: „... fl] sicut Simoniaci donum Dei vendunt; [2] sicut Valesii hospites suos
castrant, et non solum ad clericatum sed insuper ad episcopatum promovent; [3] sicut Ariani
rebaptizant in nomine sanetae Trinitatis baptizatos, et maxime Latinos; [4] sicut Donatistae
affirmant excepta Graecorum ecclesia ecclesiam Christi et veram sacrificium atque baptismum
ex toto mundo periisse; [5] sicut Nicolaitae carnales nuptias concedunt et defendunt sacri
altaris ministris; [6] sicut Severiani maledictam dieunt legem Moysis; [7] sicut Pneumatomachi
vel Theumachi abseiderant a symbolo Spiritus saneti processionem a Filio; f8] sicut Manichaei
inter alia, quodlibet fermentatum fatentur animatum esse; [9] sicut Nazareni carnalem
Judaeorum munditiam adeo servant, ut parvulos morientes ante oetavum a nativitate diem
baptizari contradicant, et midieres in menstruo vcl partu periclitantes communicare, vel si
paganae fuerint baptizari prohibeant, et capillos capitis ac barbas nutrientes eos, qui comas
tondent, et seeundum institutionem Romanae ecclesiae barbas radunt, in communione non
reeipiunt".
116 Wie dies Anton MICHEL, Die römischen Angriffe 422, zu Recht betonte.
117 Zu den Eunuchen im kirchlichen Amt s.: ODB 746-747.
118 Vgl. MICHEL, Schisma 420.
119 WILL 58b Z. 10 und Anm. 26; vgl. WILL 63a Z. 16.
120 WILL, 104b Z. 21.
76 Die ostkirchliche Herausforderung

(1) Es ist bekannt, daß die Simonie in der byzantinischen Kirche weithin üblich und
im 11. Jahrhundert praktisch „institutionalisiert" war121. In unserem Zusammenhang
erhebt sich die Frage, ob die Beschuldigung in der Bulle auf konkreten, den Legaten
bekannten Fakten gründet oder ob sie pauschal erhoben wurde, um die Schwere der
Anklagen zu vergrößern. Anton Michel teilt die Anklagen der Exkommunikationsbulle
in gerecht und ungerecht erhobene ein122. Zu den ungerechten Anklagen rechnet Michel
auch den Vorwurf der Simonie, weil Kardinal Humbert (den Michel für den alleinigen
Autor der Bulle hält) in seinem späteren Werk Adversus simoniacos die Griechen „für
durchaus rein von Simonie" erkläre123. In der Tat verweist Humbert im dritten Buch
gegen die Simonisten (entstanden 1057-58) auf eigene Beobachtungen während seines
Aufenthalts in Konstantinopel im Jahre 1054 und auf die Zeugnisse, die er persönlich
von Kaiser Konstantinos darüber erhalten hatte, daß „weder der Kaiser selbst, noch
irgendjemand aus den Laien sich jemals ein Recht angeeignet habe, über Kirche, kirch-
liche Weihen oder Besitztümer zu verfügen", sondern daß alles „den Metropoliten und
kirchlichen Leuten zur Verfügung stünde"124. Indessen geht hier die Rede nicht darüber,
daß es in der griechischen Kirche überhaupt keine Simonie gegeben habe. Humbert kam
es nur darauf an, zu unterstreichen, daß in Byzanz die weltliche Macht kein Recht hatte,
über kirchliche Besitzungen zu verfügen. Was jedoch die Käuflichkeit kirchlicher Wür-
den in der griechischen Kirche betrifft, wird diese von Humbert hier ausdrücklich be-
stätigt. In dieser Beziehung ist für ihn die Ostkirche kein Muster zur Nachahmung. Die
Praxis der Ostkirche sei nur „erträglicher" (tolerabilius) im Vergleich mit dem Westen,
weil kirchliches Eigentum im Osten nur „an Metropoliten und ihre Verwandten" ver-
kauft werde, wohingegen es im Westen auch „an Fürsten und deren Verwandte"
gelangt125. Wenn man in Betracht zieht, daß der Begriff „Simonie" bei Humbert einen
weiten Sinn hat und den beliebigen Kaufund Verkauf von kirchlichen Besitzungen und

121 Zur Simonie in der byzantinischen Kirche s.: ODB 1901-1902 (MACRIDES).
122 MICHEL, Schisma 420-421.
123 MICHEL, Schisma 421.
124 HUMBERT, Adversus simoniacos, lib 3, cap 8 (ed. cit. 207): „...sicut auditu et visu comprobavi et
insuper ab ore orthodoxae memoriae imperatoris Constantini Monomachi in ipsa regia urbe pro
apostolicae sedis responsis positus agnovi, nee ipse imperator nee laicorum quilibet ullam
dispositionem ecclesiarum aut ecclesiasticarum ordinationum seu facultatum sibi praesumit, sed
euneta simul postquam semel relicta sunt, relinquuntur disponenda metropolitanis et
ecclesiasticis personis".
125 HUMBERT, Adversus simoniacos, lib 3, cap 8 (ed. cit. 206):,,Distrahitur ergo partim et sparsim
res ecclesiastica prius a prineipibus et eorum familiaribus, deinde a metropolitanis et eorum
familiaribus. Neutra quippe venditio fit sine mediatoribus. Quanto tolerabilius venderetur, si
saltem exemplo orientalis et transmarinae ecclesiae a metropolitanis tantum eorumque
familiaribus venderetur, quia bis tantum et non quater venderetur. Quamvis enim multimodis
erroribus ecclesiae Constantinopolitani imperii vexentur, ab hoc tarnen immunes per omnia
noseuntur".
Der Azymenstreit 77

Würden bezeichnet, aber keineswegs mit der Laieninvestitur identifiziert wird126 (wie
das wahrscheinlich Michel angenommen hat), wird klar, daß diese Stelle im dritten
Buch von Adversus simoniacos in keiner Weise dem Text der Exkommunikationsbulle
widerspricht, sondern ihn vielmehr bestätigt. Welche konkreten Fälle von Simonie bei
den Griechen die Verfasser der Bulle vor Augen hatten, ist unbekannt. Jedoch fällt da-
durch neues Licht auf die bereits oben erwähnte Absetzung des Erzbischofs von Trani
und Siponto Johannes im Jahre 1059. Wie eine Bemerkung des Petrus Damiani über
diese Absetzung nahelegt, wurde der Erzbischof wahrscheinlich der Simonie
überfuhrt127. Vielleicht standen den Legaten bei ihrer Verdächtigung Bischöfe wie Jo-
hannes von Trani vor Augen, die enge Beziehungen mit Byzanz pflegten.
(3) Eindeutige Zeugnisse über die Wiedertaufen von Lateinern in Byzanz um die
Mitte des 11. Jahrhunderts haben sich in griechischen Quellen bisher nicht gefunden.
Patriarch Michael Kerullarios wirft jedoch in seinem berühmten Katalog der Abwei-
chungen der westlichen Kirche vom wahren Glauben, der sich in dem 1054 verfaßten
Brief an den Patriarchen von Antiocheia Petros III. findet, den Lateinern die Taufe
durch einmaliges Untertauchen vor, worüber er von „einigen" benachrichtigt worden
sei128. Bekanntlich wurde die Taufe durch einmaliges Untertauchen tatsächlich in Spa-
nien praktiziert. Anton Michel vermutet, daß der spanische Mönch Johannes dem Ke-
rullarios als Dolmetscher in byzantinischen Diensten davon erzählt haben konnte129. Die
Panoplia, die von Anton Michel dem Kerullarios zu Unrecht zugeschrieben wurde und
in Wirklichkeit aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts stammt130, enthält die klare
Behauptung, daß „der durch einmaliges Untertauchen Getaufte nicht getauft" sei m.
Auf alle Fälle ist klar, daß Kerullarios bereits um die Mitte des 11. Jahrhunderts gegen
die Taufe durch einmaliges Untertauchen ernsthafte Zweifel hegte, wenn er sie nicht

126 Dazu s.: LMA VD 1923 (R. SCHIEFFER).


127 PETRUS DAMIANI, Opusculum XXXI, cap 6 (ed. cit. 538 D - 539 A): „Nunquam certe vidisse me
memini pontificales baculos tarn continuo radiantis metalli nitore contectos, sicut erant qui ab
Esculano atque Tranensi gestabantur episcopis. Uterque tarnen, alter in Apulibus finibus,
Nicoiao praesidente; alter in Lateranensi ecclesia, coram Alexandro, Romanis scilicet
pontifieibus, sunt dejeeti. Nee eis profuit quod pontifices ligneis auratis usi sunt baculis".
128 WILL 182a: ώς δε τίνες ήμδς διεβαιώσαντο, και τά θείον βάπτισμα έπιτελοΰντες τους
βαπτιζομενους βαπτίζουσιν εις μίαν κατάδυσιν τό δνομα τοϋ πατρός και τοϋ υίοΰ και
τοΰ αγίου πνεύματος έπιλεγοντες.
129 WILL 161a: τον μοναχόν Ίωάννην τον Ίσπανόν.
130 S. dazu unten, S. 101 (Nr. 36).
131 MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 276: εϊ τις ού βαπτίζεται εις τό δνομα τοϋ πατρός και
τοΰ υίοΰ καί τοΰ άγιου πνεύματος και εν τρισί καταδύσεσιν, ήγουν εν μία μυήσει,
άβάπτιστος.
78 Die ostkirchliche Herausforderung

sogar als ungültig ablehnte. Dann wäre die Wiedertaufe die logische Konsequenz gewe-
sen132.
(9) Dieser Punkt enthält eine ganze Reihe von Anklagen an die Adresse der Grie-
chen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den darin berührten Fragen würde eine
eigene Studie erfordern. Für unsere Ziele genügt es darauf zu verweisen, daß die Zulas-
sung von Frauen zur Kommunion oder zur Taufe während der Menstruation oder kurz
nach einer Geburt bereits im 9. Jahrhundert zur Zeit des sogenannten „photianischen
Schismas" Gegenstand der Meinungsverschiedenheiten zwischen Ost und West war.
Einen literarischen Niederschlag erfuhr dies in den 866 entstandenen Responsa ad
consulta Bulgarorum von Papst Nikolaus I.133 Was das Barttragen betrifft, so nennt eine
Entscheidung der Synode griechischer Bischöfe vom 24. Juli 1054 das Rasieren des
Bartes „der menschlichen Natur zuwider"134. Auch der Patriarch Michael Kerullarios
lehnt in seinem ersten Schreiben an Petros von Antiocheia die Rasur der Lateiner ab135.
Welche konkreten Folgen diese Ablehnung in kultischem Sinn haben konnte, ist nicht
völlig klar. Der Hinweis der Bulle darauf, daß die Griechen jene, die den Bart scheren
und die Haare schneiden, „nicht in Gemeinschaft aufnehmen" (in communionem non
reeipiunt; griechische Übersetzung im Semeioma: εις την κοινωνίαν ου
καταδέχονται136), muß nicht unbedingt die Verweigerung der Hl. Kommunion bedeu-
ten137. Es bezieht sich wahrscheinlich in erster Linie auf den alltäglichen Umgang mit-
einander - obwohl die Art und Weise des alltäglichen Umgangs selbstverständlich auch
Auswirkungen auf die kultische Gemeinschaft nach sich zieht138.
Aus allen diesen Beispielen wird die Methode der Verfasser der Bulle gut erkennbar:
Sie nehmen einzelne in Byzanz wirklich stattgefundene Ereignisse oder Aussagen der
Griechen aus dem Kontext heraus und stilisieren sie zu allgemein praktizierten Häresien
hoch. Diese Methode, die man „ungeheuerlich" nennen kann, macht indessen die Fak-
ten selbst, die den Anklagen zugrunde liegen, nicht unglaubwürdig. Wer in den Ankla-
gepunkten der Bulle nur absurde Behauptungen sehen will, hat zudem einen wichtigen
Aspekt nicht berücksichtigt: den intendierten Adressatenkreis der Bulle. Dies war frei-
lich nicht Michael Kerullarios, sondern „die glorreichen Herrscher, Klerus, Senat und

132 Zur Wiedertaufe s.: MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 145-151. Der Schluß Anton Michels,
daß „die Tatsache der Wiedertaufe unter Kerullarios <...> klar zutage" liegt (ebd., 147), basiert
in erster Linie auf der Panoplia und muß deswegen korrigiert werden.
133 S.: NIKOLAUS I, Ad consulta Bulgarorum, cap 65, in: MGH.Ep VI 590. Dazu: HEISER, Die
Responsa 151-154. Zur gleichen Frage vgl.: DECRETUM GRATIANI D. 5 (ed. cit. 7).
134 WILL, 157a- 158a: ...έγκαλέσαντες ήμΐν <...> δτι τους πώγωνας παραπλησίως έκείνοις
ξυρδν και την κατά φύσιν ανθρώπου μορφήν παρά φύσιν έξαλλάσσειν ούκ άνεχόμεθα.
135 WILL, 180a Ζ. 10. S. hier auch die Anm. 23 des Herausgebers zum Bartrasieren.
136 WILL, 163a Z. 25-164a Z. 1.
137 Wie das RUNCIMAN, The Eastern Schism 48, meinte.
138 Zum Bartrasieren s.: MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 143-144.
Der Azymenstreit 79

Volk der Stadt Konstantinopel"139. Die Legaten hatten ein großes Interesse daran, die
Zustimmung der Byzantiner zu ihrer Bannbulle zu bekommen. Der christlichen und
rechtgläubigen Stadt Konstantinopel wird der verbrecherische und häretische Patriarch
vor Augen gehalten140. Um so weniger ist es wahrscheinlich, daß die Verfasser der
Bulle irgendwelche Behauptungen aufstellten, die in den Augen des Kaisers und der
Konstantinopolitaner völlig absurd gewesen wären. Die Legaten hätten kaum den Na-
men des hohen Beamten Sakellarios mit sakrilegischen Aktionen in Verbindung ge-
bracht, hätte es dafür nicht reale Gründe gegeben. Die Verfasser der Bulle hätten kaum
die Schließung der lateinischen Kirchen erwähnt, wenn es dem Kaiser klar gewesen
wäre, daß diese Behauptung nicht der Wirklichkeit entspricht.
In diesem Zusammenhang verdient die Reaktion des Kerullarios und seiner ständigen
Synode auf die Anschuldigungen der Legaten unser Interesse. Die Exkommunikations-
bulle der Legaten wird im Semeioma als „ruchloses Schreiben" charakterisiert141, den
Legaten werden „Schamlosigkeit und Unverschämtheit gegenüber der Frömmigkeit"
vorgeworfen142, aber nirgendwo wird im Semeioma der Versuch unternommen, die
Behauptungen der lateinischen Bulle als Lüge und Betrug darzustellen, was Kerullarios
freilich getan hätte, hätte er dazu eine Möglichkeit gesehen. Zwar bemühte sich der
Patriarch, die Mission der Legaten als Betrug und von Argyros konstruierte Fälschung
darzustellen. Die Legaten seien nicht vom Papst, sondern vom Statthalter Italiens ge-
sandt worden143. Die Legaten hätten zwar gewagt, das Anathem über „alle Rechtgläubi-
gen" zu verhängen, „die nicht der Versuchung erlegen sind, gemeinsam mit ihnen [den
Lateinern] deren Gottlosigkeiten (δνσσεβήματά) zu begehen"144, aber die Vorwürfe
werden nicht zurückgewiesen oder als erlogen qualifiziert. Vielmehr bestätigt das Se-
meioma die Differenzen: Das Rasieren der Barte, der Zölibat und das Filioque seien
jene „Gottlosigkeiten", die dem griechischen rechten Glauben entgegenstehen. Auf die

139 WILL 153a: „cognoscant <...> gloriosi imperatores, clerus, senatus et populus hujus
Constantinopolitanae urbis..."
140 WILL 143: „Quantum autem ad columnas imperii et honoratos ejus cives sapientes
Christianissmia et orthodoxa est civitas. Quantum autem ad Michaelem abusive dictum
patriarcham, et ejus stultitiae fautores, nimia zizania haereseon quotidie seminantur in medio
ejus".
141 WILL 165a: ταϋτα μεν οΰν τά της δυσσεβοΰς ταύτης και άνοσίου γραφής.
142 WILL 165a: κατά της ευσέβειας τόλμαν και τήν άναίδειαν.
143 WILL 160a-161a: ... μάλλον δέ και αυτήν τήν αφιξιν πεπλασμένην τήν αρχήν ποιησάμενοι
και έκ της 'Ρώμης μεν άφικέσθαι και παρά τον πάπα άπόσταλήναι σκηψάμενοι, της δέ
αληθείας ταΐς παρά τοΰ Άργυροΰ δολεραΐς ύποθήκαις και συμβολαΐς αυτοί τε άφ'
εαυτών άφικόμενοι και μηδέ παρά τοϋ πάπα άποσταλέντες, αλλά γράμματα, α ώς άπ'
εκείνου δήθεν έπεφέροντο, πλασάμενοι.
144 WILL 157a: πάντας τους μή συνυπαγομενους τοις αύτων δυσσεβήμασιν ορθοδόξους
άναθέματι δι αυτό τοϋτο, δτι εϋσεβεΐν και τό όρθόδοξον προβαίνειν έθέλομεν,
καθυπέβαλον.
80 Die ostkirchliche Herausforderung

übrigen Punkte geht das Semeioma nicht ein. All das bestätigt noch einmal, daß die
Behauptungen der lateinischen Bulle auf wirklichen Vorfallen gründen.
Daß man gegen die mit ungesäuertem Brot vollzogene Eucharistie vorging, bestätigt
auch Michael Kerullarios in seinem ersten Schreiben an Petros von Antiocheia. Danach
wurde der Lateiner Argyros während seines Aufenthalts in Konstantinopel (wahr-
scheinlich 1046-1051) wegen der Azymen „nicht nur einmal, sondern zwei-, drei- und
viermal aus der göttlichen Gemeinschaft und Kommunion [durch den Patriarchen
selbst] ausgeschlossen und vertrieben"145. Aus dem Kontext wird nicht klar, was der
Auslöser des Konflikts zwischen Kerullarios und Argyros war. Kerullarios behauptet,
daß der Inhalt des Schreibens, das er vom Papst erhalten hat (d. h. der zweite Brief
Leos IX. an Kerullarios), sich praktisch nicht davon unterscheidet, was Argyros dem
Patriarchen über die Azymen bereits früher gesagt hatte. Diese Tatsache betrachtet er
als Beweis dafür, daß das päpstliche Schreiben von Argyros gefälscht worden sei. Der
Konflikt mit Argyros konnte dadurch hervorgerufen worden sein, daß der Patriarch
wünschte, Argyros solle sich völlig hellenisieren. Er sollte - vielleicht als Beweis sei-
ner vollen Loyalität Konstantinopel gegenüber - den lateinischen Bräuchen entsagen
und die griechischen befolgen. Diese Vermutung wird durch eine Bemerkung des Patri-
archen im gleichen Schreiben an Petros von Antiocheia erhärtet, wonach Argyros „nie-
mals seine heimische Frömmigkeit sowie seine Doppelzüngigkeit vergessen hatte, son-
dern immer nur gegenüber dem Reich und Romania feindlich gestimmt war"146. Die
Treue des Langobarden zu seiner „heimischen Frömmigkeit" rief also den Unwillen und
Argwohn des Patriarchen hervor. Eine derartige Interpretation des Konflikts mit Argy-
ros wegen der Azymen bleibt jedoch nur Vermutung. Nähere Details über den Anlaß
des Konflikts zwischen dem Patriarchen und dem zukünftigen byzantinischen Statthal-
ter Italiens kennen wir nicht147. Nichtsdestoweniger dürfte klar sein, daß der mehrmali-
ge Ausschluß aus der Gemeinschaft, von dem der Patriarch hier spricht, keine Privat-

145 WILL 177a: εκείνα γαρ [d. h. τά γράμματα des Papstes, die dem Kerullarios durch die Legaten
überreicht wurde] και έδήλσυν άπαραλλάκτως, απερ έν τχ\ μεγαλοπόλει ό 'Αργυρός
ένδημόδν προς τήν ήμετέραν πολλάκις έλεγε μετριότητα· μάλιστα δε περί των άζύμων, δι'
α και ούχ απαξ μόνον, άλλα και δις ήδη και τρϊς και τετράκις της θείας έξώσθη και
άπεβλήθη παρ' ημών κοινωνίας και μεταλήψεως.
146 WILL 175a: ö μάγιστρος δε, ως ακριβώς μεμαθήκαμεν, ουδέποτε της οίκείας
έπιλελησμένος θρησκείας και διπλόης άλλ' άει τάναντία κατά της βασιλίδος και της
'Ρωμανίας φρονώ ν.
147 Die Bedeutung des Konfliktes zwischen Kerullarios und Argyros darf nicht unterschätzt werden:
Im Grunde entzündete sich daran der ganze Streit um die Azymen. Die wenigen Anhaltspunkte
über die Ursachen des Konfliktes mit Argyros entsprechen unseren ungenügenden Kenntnissen
des Ursprungs des Azymenstreits. Man darf deswegen diesen Konflikt nicht ignorieren, wie dies
ζ. Β. Hans-Georg BECK, Geschichte 143-147, tat; vgl. dazu die Feststellung der
Glaubwürdigkeit des Berichtes des Kerullarios bei TINNEFELD, Michael I. Kerullarios 103
Anm. 58.
Der Azymenstreit 81

fehde zwischen Kerullarios und Argyros sein konnte148, sondern grundsätzliche Dimen-
sionen berührte.
Es liegt die Vermutung nahe, daß Argyros gerade eine jener Personen war, von de-
nen der Papst und seine engste Umgebung erste Informationen über die Verfolgung der
Lateiner in Konstantinopel erhielten. Kann es sein, daß Argyros den Patriarchen belo-
gen und den Papst bewußt falsch unterrichtet hat? Kerullarios beschuldigt in seinen
Briefen Argyros mehrmals verschiedener Machenschaften und Fälschungen, darunter
der Veruntreuung von Geldern149, der Fälschung des päpstlichen Schreibens an Kerulla-
rios150 sowie der Finte, daß er die drei von ihm selbst eingeladenen lateinischen Bischö-
fe als päpstliche Gesandtschaft ausgab151. Heute ist es nicht mehr möglich, ein Urteil
über eine eventuelle unrechtmäßige Bereicherung des Argyros zu fällen. Die Absurdität
der beiden anderen Beschuldigungen zeigt jedoch, daß man den Anklagen des Patriar-
chen gegen Argyros mit größtem Vorbehalt begegnen muß.
In seinen Briefen an Kerullarios spricht Leo IX. davon, daß ihm über den Patriarchen
noch drei fragwürdige Dinge bekannt geworden seien: (1) daß Kerullarios unmittelbar
zum Patriarchen erhoben wurde, ohne sich zuvor in den kirchlichen Rängen bewährt zu
haben (Leo LX. nennt ihn in diesem Zusammenhang einen „Neophyten")152, (2) daß er
sich die Privilegien des alexandrinischen sowie des antiochenischen Patriarchen ange-
eignet habe153, und (3) daß er sich den Titel „universaler Patriarch" zugelegt habe154.
Der erste Punkt entspricht im Grunde genommen - wenn man von der tendenziösen
Verwendung des Wortes neophytus absieht - der Wahrheit und zeigt, daß die Infor-
manten des Papstes die byzantinischen Verhältnisse gut kannten155. Dem dritten Vor-

148 Wie dies, m. E. zu Unrecht, SMITH, And Taking Bread 123 Anm. 139, tut, der die Kontroverse
als personal bezeichnet.
149 WILL 175a Z. 13-19.
150 WILL 177a Z. 22-29; 185a Z. 23-28.
151 WILL 175a Z. 20-23; 185a Z. 13-20.
152 WILL 90a: „Denique diceris neophytus, et non gradatim prosiluisse ad episcopale fastigium:
quod nullatenus esse faciendum et Apostolus edocet et venerabiles canones interdicunt". Das
Wort νεόφυτος / neophytus wurde im christlichen Kontext zuerst in 1 Tim 3, 6 gebraucht,
jedoch in einem anderen Sinne: Es handelt sich hier darum, daß der Bischof nicht aus den
Neugetauften gewählt werden darf. Die - an sich sinnenstellende - Anwendung dieses Wortes
in abwertenden Sinne auf die Hierarchen, die in kürzester Zeit aus dem Laienstand zu einem
hohen Kirchenrang erhoben worden sind, begegnet bei den Päpsten seit spätestens dem 9. Jh.
Ein ähnlicher Vorwurf wurde vom Papst Nikolaus I. gegen den Patriarchen Photios von
Konstantinopel erhoben (s.: CICO Fontes I/l 616-617, Nr. 320).
153 WILL 90a: „Hinc nova ambitione Alexandrinum et Antiochenum patriarchas antiquis suae
dignitatis privilegiis privare contendens contra omne fas et jus tuo dominio subjugare conaris".
154 WILL 90b: „Qualis vero, et quam detestabilis atque lamentabilis est illa sacrilega usurpatio, qua
te universalem patriarcham jactas ubique et scripto et verbo, cum omnis Dei amicus hujusmodi
hactenus horruerit honorari vocabulo?"
155 Vgl. dazu: TINNEFELD, Michael I. Kerullarios 100 Anm. 40.
82 Die ostkirchliche Herausforderung

wurf liegt offensichtlich kein konkretes Vorkommnis zugrunde, sondern er scheint ein
Reflex auf die offizielle Titulatur in byzantinischen Dokumenten zu sein156. Was den
zweiten Punkt betrifft, so könnte er die Folge einer tendenziösen Interpretation des
Titels „ökumenischer Patriarch" sein, wobei eine solche Interpretation von Argyros
vorgeschlagen werden konnte, es ist aber auch denkbar, daß sie in der Kurie selbst ent-
standen ist157.
So kann man aus dem Gesagten zwei Schlüsse ziehen:
1. Wir haben keinen Grund, die Mitteilungen der lateinischen Quellen über die Lage
der Lateiner und der lateinischen Kirchen in Konstantinopel um 1053 prinzipiell
anzuzweifeln. Zwar läßt sich schwer nachweisen, ob es tatsächlich eine amtlich or-
ganisierte Schließung von Kirchen und Klöstern gab, jedoch ist klar, daß eine öf-
fentliche und erhebliche Verfolgung der Lateiner unter dem Vorwand des Zelebrie-
rens mit Azymen vorgekommen ist. Wenn dies auch keine Schließung aller Kirchen
nach sich zog, so darf doch als sicher gelten, daß ein normales Funktionieren der
lateinischen Kirchen und Klöster in Konstantinopel nicht mehr möglich war. In die-
sem Kontext muß auch die Erzählung vom Sakellarios Konstantinos (Nikephoros)
betrachtet werden, der öffentlich die eucharistischen Gestalten schändete. Dieser
Vorfall gewinnt angesichts aller angeführten Zeugnisse unbedingt an Glaubwürdig-
keit. Kerullarios war, wie aus dem Bericht der lateinischen Exkommunikationsbulle
deutlich wird, offenbar ein Meister der Demagogie158 und nutzte diese Fähigkeit in
seinem Konflikt mit Lateinern und dem Kaiser aus. Die von ihm organisierte Ver-
folgung der „Azymiten" kann man als Vorläufer einer ganzen Reihe von späteren
und schrecklicheren Unruhen der Byzantiner gegen die in der Stadt lebenden Latei-
ner ansehen, von denen die aufsehenerregendste der traurig berühmte Pogrom im
April 1182 war159.
2. Selbst wenn die Schließung der Kirchen und die Behinderung ihrer Tätigkeit nicht
in dem Maße stattgefunden haben, wie das die lateinischen Quellen darstellen, ist es
nichtsdestoweniger von entscheidender Bedeutung, daß der Papst und seine Umge-
bung von der Glaubwürdigkeit der Nachrichten, die sie erhalten hatten, überzeugt
waren. Die lateinische Argumentation im Azymenstreit war die Antwort vor allem
auf tatsächliche (oder für tatsächlich gehaltene) Vorkommnisse, und nur in zweiter
Linie auf theologische und liturgiegeschichtliche Argumente der byzantinischen
Polemiker. Mit anderen Worten: Der Azymenstreit hatte vom Anfang an nicht nur
theologisch-theoretischen Charakter, sondern war für die Lateiner ein Aspekt in-

156 Vgl. WILL 172a Z. 5; 184a Z. 14. Bekannt sind auch Siegel des Kerullarios mit dieser Titulatur,
dazu s.: BARMIN, Stolknovenie 149 Anm. 57.
157 S. dazu: MICHEL, Die römischen Angriffe.
158 Vgl. der Bericht der Brevis et succinta commemoratio über den von Kerullarios inspirierten
tumultus des Volkes in Konstantinopel gegen den Kaiser: WILL 152b Z. 8-15.
159 Zu dem Pogrom von 1182 s. ausführlicher unten, S. 243-244.
Der Azymenstreit 83

nerhalb eines für sie lebenswichtigen Problems, nämlich ihrer Existenz auf byzanti-
nischem Territorium.

4. Die Auswirkungen auf Süditalien und Armenien

Die Verfolgung des lateinischen Ritus auf byzantinischem Territorium bedeutete in


liturgischer Hinsicht nichts anderes als den Versuch, den Gottesdienst zu vereinheitli-
chen. Die starken Vereinheitlichungstendenzen sind im 11. Jahrhundert sowohl für Rom
als auch für Konstantinopel charakteristisch. Die Vereinheitlichung der Liturgie im
Westen, die von den Karolingern ausgegangen war, hat gerade im 11. Jahrhundert in-
folge der Bestrebungen des Reformpapstrums ihren Höhepunkt erreicht160: Man denke
etwa an die Unterbindung des mozarabischen Ritus 1080 durch das Konzil von Bur-
gos161.
Die Vereinheitlichungstendenzen Konstantinopels waren auf der einen Seite nach
Westen, nämlich nach Süditalien gerichtet. Die Rivalität der griechischen und der latei-
nischen Ritusformen, aber auch die einander abwechselnden Wellen der Latinisierung
und Gräzisierung waren seit Jahrhunderten der Boden, auf dem Konflikte in Ritusfragen
erwuchsen. Ein bemerkenswertes Beispiel bietet uns Liudprand von Cremona: Er er-
wähnt im Bericht über seine Gesandtschaft nach Konstantinopel im Jahre 968, daß der
byzantinische Kaiser Nikephoros Phokas (963-969) „dem Patriarchen von Konstanti-
nopel befohlen habe, die Kirche von Otranto in den Rang eines Erzbistums zu erheben,
damit in ganz Apulien und Kalabrien nicht lateinisch, sondern nur griechisch zelebriert
werde"162. Es ist klar, daß die Verfolgung der Zelebration mit ungesäuertem Brot in

160 Einen allgemeinen Überblick über die Unifizierungstendenzen in der Entwicklung der Liturgie
im Westen bietet WEGMANN, Liturgie 183-189; sehr wichtig femer: GY, L'unification
liturgique, hier bes. 155-159.
161 Über das Schicksal der spanischen Liturgie s.: PINELL, Unite et diversite.
162 LIUDPRAND VON CREMONA, Relatio 62 (ed. cit. 215): „Nicephorus cum omnibus ecclesiis homo
sit impius, livore, quo in vos abundat, Constantinopolitano patriarchae praeeepit, ut
Hydrontinam ecclesiam in archiepiscopatus honorem dilatet, nee permittat in omni Apulia seu
Calabria latine amplius, sed Grece divina mysteria celebrare. <...> Scripsit itaque Polyeuctos
Constantinopolitanus patriarcha privilegium Hydrontino episcopo, quatinus sua auetoritate
habeat licentiam episcopos consecrandi in Acirentila, Turcico, Gravina, Maceria, Tricario, qui
ad consecrationem domini apostolici pertinere videntur". Diese Stelle bei Liudprand wird ofl
dahingehend interpretiert, daß Nikephoros durch den Patriarchen „den lateinischen Ritus in
Süditalien verboten habe" (so ζ. Β. FALKENHAUSEN, Untersuchungen 151): Die
Glaubwürdigkeit dieser Nachricht wird deswegen ernsthaft angezweifelt. Ich glaube, man könne
dem Text Liudprands kein amtliches „Verbot" entnehmen: Liudpand spricht hier von der
Erhebung des Erzbistums zur Metropolie und nennt als Zweck dieser Erhebung die Verbreitung
der griechischen Zelebration. Diese Entscheidung, falls sie wirklich stattgefunden hat, förderte
nur den griechischen Ritus und implizierte keine amtlichen Verbote gegen den lateinischen. Die
84 Die ostkirchliche Herausforderung

Konstantinopel unweigerlich auch Auswirkungen auf die lateinischen Kirchen des by-
zantinischen Territoriums in Apulien haben mußte. Nur so kann man die Entstehung des
von Kerullarios inspirierten Briefes des Leon von Achrida an Johannes von Trani erklä-
ren. Gleichzeitig mit der Attacke auf den lateinischen eucharistischen Brauch mußte die
Widerstandskraft der griechischen Kirchen in Süditalien gegen ihre mögliche Latinisie-
rung gestärkt werden. Eine Gefahr der Latinisierung bestand im Zusammenhang mit
den normannischen Eroberungen tatsächlich. Es ist schwer zu sagen, auf welche Weise
- von der Ersetzung griechischer Bischöfe durch lateinische abgesehen - die Latinisie-
rung im südlichen und mittleren Kalabrien und in den anderen griechischen Gebieten
Süditaliens verlief und welche Elemente des griechischen Ritus am ehesten bedroht
waren. Daß die Befürchtungen der Griechen nicht grundlos waren, zeigt das weitere
Schicksal der Zelebration mit gesäuertem Brot in den griechischen Kirchen Süditaliens.
Zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert glichen sie allmählich ihren Brauch an den
lateinischen an, bis das ungesäuerte das gesäuerte Brot vollständig verdrängt hat .
Die griechische Ablehnung der Azymen richtete sich jedoch von Anfang an nicht nur
gegen die Lateiner. Die Kirche der Armenier, die östliche Nachbarin der Byzantiner,
verwendete ebenfalls ungesäuertes Brot als eucharistische Opfermaterie164. Durch die
Tatsache, daß im Jahre 1045 das armenische Reich von Ani in das byzantinische Reich
eingegliedert worden war165 und der armenische Katholikos Petros I. in den Jahren
1049-1051 in Konstantinopel weilte166, erlangte die Frage nach den Azymen besondere
Schärfe. Dieses Ereignis konfrontierte die Griechen mit der armenischen Kirche und
ihrer dogmatischen und liturgischen Eigenart unmittelbar. Angesichts der anstehenden
Union zwischen den beiden Kirchen wurde von den Byzantinern die Vereinheitlichung
der Bräuche angestrebt167.
Eine Untersuchung zahlreicher antiarmenischer Texte aus Byzanz, die nur hand-
schriftlich überliefert sind, würde gewiß weitere Erkenntnisse über den Ursprung der
Azymenkontroverse liefern168. Das, was bereits bekannt ist, zwingt zu der Folgerung,
daß die antilateinische Azymenpolemik sehr eng mit der armenischen Problematik zu-
sammenhing. Die Argumente für das gesäuerte und gegen das ungesäuerte Brot wurden

Verdrängung der lateinischen Zelebration ist also verbunden mit der Erhebung des Bistums
Otranto zum Erzbistum, wodurch ihm mehrere Diözesen unterstellt wurden.
163 Viele Details sind immer noch ungeklärt. Zu dieser Frage s.: FORTESCUE, The Uniate Eastern
Churches 180-181 und Anm. 4; RODOTA, Dell'origine ü 225-231.
164 Ausführlicher zu den liturgischen Gewohnheiten der armenischen Kirche, die bei den Griechen
und im lateinischen Westen als problematisch empfunden waren, s. unten, Kapitel Β 1.
165 Zur Eingliederung von Ani s.: DER NERSESSIAN, Etudes I 307-308; DIES., Armenia and the
Byzantine Empire 11; OSTROGORSKY, Geschichte 260. 276.
166 ORMANIAN, The Church of Armenia 3 9 ^ 0 .
167 Dazu s.: RUNCIMAN, The Eastern Schism, 40—41; PETRUCCI, Rapporti 769-771; TINNEFELD,
Michael I. Kerullarios 103-104.
168 Vgl. DARROUZES, Trois documents 89.
Der Azymenstreit 85

sowohl gegen die Lateiner als auch gegen die Armenier genutzt und waren für den je-
weiligen Kontext austauschbar169.

5. Der Azymenstreit und das sog. „Schisma von 1054" in der


Kirchengeschichtsschreibung

Die wechselseitigen Exkommunizierungen von 1054 erfuhren ein einzigartiges Schick-


sal in der neuzeitlichen Interpretation. Die Ereignisse der Jahre 1053/54 waren nicht
mehr als nur eine Episode in der Geschichte der Entfremdung zwischen der griechi-
schen und der lateinischen Kirchen. Zwar war sie eine der markantesten Episoden, über
die wir heute wesentlich mehr wissen als über viele andere, aber immerhin steht sie in
gleicher Reihe etwa mit dem „Dreikapitelstreit" 544-554 und dem sogenannten
„photianischen Schisma" 859-880. Darüber besteht spätestens seit dem Ende des
19. Jahrhunderts Konsens. Vielmals wurde daraufhingewiesen, das die Ereignisse von
1054 durch die Zeitgenossen und durch die folgenden Generationen sowohl im Osten
als auch im Westen nicht als ein endgültiger Bruch zwischen Rom und Konstantinopel
wahrgenommen wurde und daß die zwischenkirchlichen Kontakte auch nach 1054 bis-
weilen sehr intensiv fortgesetzt wurden. Zu Recht äußerten sich die Forscher mehrmals
in dem Sinne, daß einerseits die Brüche auch vor 1054 stattgefunden hatten und daß
andererseits der wirklich folgenschwere Bruch zwischen Rom und Konstantinopel frü-
hestens 1204 geschah170.
Nichtsdestoweniger bleibt das Jahr 1054 - insbesondere in der populärwissenschaft-
lichen Literatur - das Datum, mit dem man die Zeitrechnung des Schismas zwischen
der katholischen und der orthodoxen Kirche beginnen läßt171. Das im Jahr 1965 von
Papst Paul VI. und vom Patriarchen von Konstantinopel Athenagoras feierlich ausge-
sprochene Bedauern über die Exkommunizierungen von 1054 verleitete in der jüngsten
Zeit zusätzlich zu der Annahme, daß man dieses Datum immer noch als Beginn des
„morgenländischen Schismas" ansieht. Manchmal wird es sogar als Geburtsstunde der
beiden Konfessionen angesehen, ungeachtet dessen, daß von Konfessionen im heutigen
Sinne erst seit dem 18. Jahrhundert die Rede sein kann. Die Bestrebung, ausgerechnet
an das Jahr 1054 den Beginn des Schismas zu knüpfen, ist in gewisser Hinsicht ver-
ständlich. Aus streng kanonischer Sicht bleiben die gegenseitigen Exkommunizierun-
gen von 1054 die einzige kirchenrechtliche Grundlage für die Spaltung. Wie merkwür-
dig dies auch scheinen mag, gibt es sonst, zumindest aus der mittelalterlichen Zeit,
keine kirchenrechtlichen Dokumente, die den getrennten Zustand beider Kirchen sozu-

169 Quellenhinweise zu Wechselwirkungen zwischen der antiarmenischen und antilateinischen


Polemik s. unten, Kapitel ΑIII lb, Nr. 7. 8. 30b.
170 Ein Überblick über unterschiedliche Ansichten in der Literatur s. in: PAPADAKIS, Revision in
Histoty.
171 Für ein typisches Beispiel s.: FRANZEN, Kleine Kirchengeschichte 186-188.
86 Die ostkirchliche Herausforderung

sagen „legalisieren" könnten. Natürlich stellen die Exkommunizierungen von 1054 eine
Wunde dar, die nie wieder geheilt wurde, - im Gegensatz etwa zum „photianischen
Schisma" im 9. Jahrhundert, das mit einer Versöhnung endete. Es kommt hinzu, daß die
Ereignisse von 1054 den letzten originär kirchlichen (nicht staatlichen) Bruch vor dem
Unionsversuch von Lyon 1274 darstellen. Wenn 1274 die Kirchen in Lyon es für not-
wendig hielten, sich wieder zu vereinigen, waren sie folglich zu diesem Zeitpunkt be-
reits im Zustand des Schismas. Aber seit wann bestand dieses Schisma? Als das gün-
stigste Datum erschien der neuzeitlichen Kirchengeschichtsschreibung das Jahr 1054,
da nach diesem Datum bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts nichts Vergleichbares im
kirchlichen Bereich stattfand. So wurde der Mythos über das „Große Kirchenschisma
1054" geboren, über jenes Ereignis, das die Epoche der „alten, ungeteilten Kirche" von
der Epoche des „geteilten Christentums" abgrenze, das die Christenheit in einen westli-
chen „katholisch-protestantischen" und in einen östlichen „orthodoxen" Teil aufspalte.
Im Vorgriff auf die weitere Darstellung der Entstehungsgeschichte des Unionsge-
dankens gilt es festzuhalten, daß diese traditionelle Sicht der Ereignisse von 1054 den
vorurteilsfreien Blick auf die Ursprünge der Streitfragen des Ritus verstellt. Wir werden
später sehen, daß die lateinischen Autoren des 11. und des 12. Jahrhunderts in ihrer
Interpretation der Ritusfragen keineswegs von einer Spaltung der Kirchen ausgingen,
im Gegenteil: Die Kontroversen wurden unter der Annahme ausgetragen, daß die Kir-
chen immer noch verbunden seien, wenn auch ihre Einheit durch die Ungereimtheiten
ernsthaft bedroht sei. Erst in der Zeit des Innozenz III., insbesondere seit der Eroberung
Konstantinopels durch die Kreuzfahrer im Jahre 1204, wird die kirchliche Einheit als
verloren empfunden. Die Texte über die Problematik der Riten in der Früh- und Hoch-
scholastik werden erst dann plausibel, wenn man diese Tatsache in Rechnung stellt.
Der Azymenstreit 87

III. Die Polemik der Griechen


I. Ein Überblick über die byzantinische und altslavische
antiazymitische Literatur

a. Einleitung
Die Widerlegung der Azymenzelebration nahm einen gewichtigen Platz in der byzanti-
nischen dogmatisch-polemischen1 Literatur vom 11. bis zum 13. Jahrhundert ein. Die
Azymenfrage wurde in fast jeder antilateinischen (aber auch antiarmenischen) Schrift
erwähnt und nicht selten ausführlich behandelt. Verglichen mit anderen Streitfragen
änderte sich im Laufe der Zeit die Gewichtung dieser Streitfrage. Während die Azymen
im 11. und im 12. Jahrhundert die Auseinandersetzung weithin beherrschten, rückte im
13. Jahrhundert die Filioque-Fragc in den Vordergrund. Die Azymen blieben jedoch bis
ins 18. Jahrhundert Gegenstand polemischer Erörterungen. Der russische Forscher Mi-
chail Celcov, der im Jahre 1879 die bis heute umfassendste Monographie zur griechi-
schen und slavischen antiazymitischen Polemik publizierte2, fand für die Zeit vom 11.
bis zum 18. Jahrhundert ca. 70 polemische Abhandlungen über die Azymen. Ungefähr
die Hälfte fällt ins 11. und 12. Jahrhundert3. Dieses Bild wird auch von Hans-Georg
Beck in seinem Standardwerk zur Kirche und Theologie im byzantinischen Reich be-
stätigt4.
Aus dem griechischen Sprachraum wanderte das Thema der Azymen bereits im
II. Jahrhundert in die ostslavischen Gebiete, die unter byzantinischem Einfluß standen.
Besondere Verbreitung genossen die Übersetzungen der griechischen antiazymitischen
Literatur in der Kiever Rus'. Mehrere griechische Metropoliten in den ostslavischen
Gebieten sind als Verfasser solcher Schriften bezeugt, wobei es eine Reihe antiazymiti-

1 „Dogmatik" und „Polemik" waren in der byzantinischen Literatur sehr eng miteinander verbunden,
so daß die Dogmengeschichte der Byzantiner „in erster Linie die Geschichte der byzantinischen
Polemik ist" (BECK, Kirche 279).
2 CELCOV, Polemika. Es gibt nur wenige Untersuchungen, die den Azymenstreit nicht nur im
Zusammenhang des Konfliktes 1053/54 betrachten, sondern auch einen Überblick über die Weiter-
entwicklung der Azymenkontroverse in der späteren Zeit bieten. Neben der Monographie Celcovs
sei hier erwähnt: HERMANN, Historia concertationum (1737); JUGIE, Theologia dogmatica III
(1930) 232-256; HANSSENS, Institutiones liturgicae Π/1 (1930) 141-156; ERICKSON, Leavened and
Unleavened (1970). SpezialUntersuchungen zu einzelnen antiazymitischen Schriften werden im
folgenden zu den jeweiligen Schriften angeführt.
3 CELCOV, Polemika 1.
4 BECK, Kirche, s. Stichwort „Azymen" im Register, S. 808; zu der griechischen Azymen-Literatur
vom 15. bis 18. Jh. s.: PODSKALSKY, Griechische Theologie, s. Stichwort „Azyma" im Register, S.
410.
88 Die ostkirchliche Herausforderung

scher Abhandlungen gibt, für die nur der slavische Text überliefert ist. Ohne Berück-
sichtigung der altslavischen Texte ist also eine Geschichte der antiazymitischen Litera-
tur undenkbar5.
Die argumentativen Grundlinien für die Widerlegung der Azymenzelebration wurden
im 11. Jahrhundert gelegt, und zwar von den Autoren, die unmittelbar in die Ereignisse
der Jahre 1053/54 verwickelt waren: Erzbischof Leon von Achrida, Studitenmönch
Niketas Stethatos, sowie die beiden Patriarchen Michael Kerullarios von Konstantino-
pel und Petras III. von Antiocheia. Es läßt sich heute nur noch sehr schwer abschätzen,
welcher der genannten Autoren die Hauptarbeit dafür leistete. Anton Michel wollte in
einer umfangreichen Sammelhandschrift (im Wiener Kodex theol. gr. 306), die er Pa-
noplia gegen die Laieiner nannte und Michael Kerullarios zuwies, die Grundlage für
eine breit angelegte Polemik gegen die Lateiner erkennen6. Eine ähnliche Rolle wies
Michel der Dialexis des Niketas Stethatos zu, in dem er eine „Programmschrift über die
Azymen" sehen wollte7. Wie aber später nachgewiesen wurde8, entstand die Panoplia
erst im späten 13. Jahrhundert. Daher muß diese vielschichtige Kompilation eher als
Resultat denn als Grundlage der Entwicklung der antilateinischen Polemik angesehen
werden. Was die Dialexis des Niketas anbelangt, so ist die Ansicht Michels zwar nicht
unwahrscheinlich, aber auch keineswegs zwingend: Es gibt nämlich keine besonderen
Gründe, vor allem Niketas für die antiazymitischen Gedankengänge der Byzantiner
verantwortlich zu machen. Insgesamt weisen die antiazymitischen Schriften bereits in
der frühen Phase im 11. Jahrhundert so viele Parallelen, ja wörtliche Übereinstimmun-
gen auf, daß der Prototyp und die Reihung der jeweiligen Abhängigkeiten kaum mehr
zu ermitteln sind9. Die Geschichte der antiazymitischen Literatur bis ins 13. Jahrhundert
ist höchst verwickelt. Nicht selten wurde der gleiche Stoff mehrmals überarbeitet und
ein und dieselbe Schrift, mehr oder weniger leicht variiert, unter einem neuen Namen
wiederholt aufgelegt. In solchen Plagiaten oder Kompilationen neue, eigenständige
„Werke" zu erblicken, bedarf im Einzelfall einer genauen Überprüfung.

5 Angaben zu den slavischen Abhandlungen zur Azymenproblematik s. bei: PODSKALSKY, Christen-


tum, Stichwort „Azyma" im Register, S. 336; DERS., Theologische Literatur, Stichwort „Azyma"
im Register, S. 537.
6 MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 129, nennt den Teil der Panoplia, in dem es sich um die
Azymen handelt, den Jeuerbrand, der die Verfolgung der Azymiten in Byzanz zum Ausbruch
brachte, von dem auch die Feuergarben sengend hinausgingen". Ebd., 289, meint er, daß die Pa-
noplia auch für Leon von Achrida als „Vorlage" diente.
7 MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 298-319, bes. 308-310.
8 S. unten, S. 101 (Nr. 36).
9 Dies gesteht auch Anton MICHEL bei der Untersuchung der Dialexis und des Antidialogus zu
(MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 318). Als völlig verfehlt muß man den Versuch von SMITH,
And Talcing Bread 173, charakterisieren, einen Stammbaum von Dokumenten in der Azymenkon-
troverse zusammenzustellen.
Der Azymenstreit 89

Für unsere Untersuchung mag es hilfreich sein, eine Liste aller bekannten Schriften
zur Azymenfragc vom 11. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zusammenzustellen10.
Hier werden in alphabetischer Reihenfolge11 die Namen der byzantinischen und altsla-
wischen Autoren bzw. Kompilatoren und die Titel der anonymen Werke aufgelistet. Es
werden auch jene Namen berücksichtigt, deren Autorschaft nach heutigem Forschungs-
stand umstritten ist. Unsere Liste versteht sich folglich als Reflex und Synopsc der
neueren Forschung. Dabei werden nicht alle irrtümlichen handschriftlichen Zuschrei-
bungen berücksichtigt, sondern nur jene, welche in der neuzeitlichen Forschungslitera-
tur zumindest für eine gewisse Zeit übernommen wurden, auch wenn sie später wieder
als falsch verworfen worden sind.
Die hier angeführten Werke kann man auf zwei Haupttypen zurückfuhren. Zum ei-
nen sind es jene Abhandlungen, die sich ausschließlich oder zum größten Teil der
Azymenfrage widmen. Derartige Abhandlungen sind für unser Thema von primärem
Interesse. Diese Schriften erwähnen bisweilen auch andere Streitfragen, jedoch ist für
sie der Stoff aus anderen Bereichen (Sabbatfasten, Filioque, usw.) von zweitrangiger
Bedeutung. Ein klassisches Beispiel einer derartigen Schrift stellt das erste Dokument
der antiazymitischen Polemik, der Brief des Leon von Achrida an Johannes von Trani,
dar, der die Azymenzelebration zum Hauptvorwurf gegen die Lateiner macht und, auch
wenn er für die Ablehnung der Azymen ausführlich argumentiert, einige andere Irrtü-
mer der Lateiner erwähnt (Nr. 20a). Zum anderen handelt es sich um Irrtumslisten oder
Kataloge12, in denen der Azymenvorwurf nur ein Punkt unter vielen ist und in der Regel
keine spezielle Behandlung erfährt. Als Prototyp für Schriften dieser Art kann man den
Katalog der lateinischen Irrtümer aus dem ersten Brief des Michael Kerullarios an Pe-

10 Verzeichnisse der antiazymitischen Schriften und Autoren für die Zeit vom 11. bis zum 15. Jh.
findet man bei SPÄCIL, De SS. Eucharistia Π 118-120 (Nr. 291. 293) und bei HANSSENS, Institu-
tiones liturgicae Π/1 142-151 (Nr. 232-252. 254. 256). Das erstere ist ziemlich flüchtig gemacht;
das letztere ist dagegen viel gründlicher. Die beiden Verzeichnisse sind jedoch ausgehend von
dem heutigen Stand der Forschung veraltet und in mehreren Fällen überhaupt nicht mehr brauch-
bar. Unser Verzeichnis versucht, die irrtümliche und fragwürdige Zuschreibungen der beiden
Verzeichnisse mit Hilfe der Querverweise zu korrigieren.
11 Die alphabetische Reihenfolge wurde der chronologischen aus dem Grund vorgezogen, da es für
eine Reihe von Schriften sehr undeutliche Datierungen gibt, was auch damit zusammenhängt, daß
die Autorschaft in vielen Fällen umstritten ist. Außerdem ist die alphabetische Reihenfolge für
Nachschlagezwecke praktischer, angesichts der bisweilen verwirrenden Situation mit unter-
schiedlichen Autorennamen, die man in der Literatur beobachten kann.
12 Speziell zu den antilateinischen Katalog-Schriften s.: DARROUZES, Le memoire 51-56; ARGYRIOU,
Remarques sur quelques listes grecques; KOLBABA, Heresy and Culture, letztere Arbeit von be-
scheidener Qualität.
90 Die ostkirchliche Herausforderung

tros von Antiocheia ansehen (Nr. 25)13. Eine weitere einflußreiche Schrift dieser Art ist
die anonyme Abhandlung Über die Franken und die übrigen Lateiner (Nr. 35). Auch
die Aitiamata von Konstantinos Stilbes (Nr. 19) zählen dazu, worin unter den insgesamt
104 (!) „Verstößen" der Lateiner gegen den rechten Glauben und die rechte Lebenswei-
se die Azymen und das Filioque in einem Atemzug mit den Behauptungen, daß die
Lateiner zusammen mit Hunden und zahmen Bären essen und sich im eigenen Urin
abwaschen, genannt werden14. Wenn auch die Schriften des ersten Typs die wichtigeren
Quellen für das Verständnis der Azymenproblematik darstellen, so dürfen doch die
Irrtumslisten nicht als belanglos angesehen werden. Sie demonstrieren, welcher Platz
und welche Bedeutung der Azymenfrage in der gesamten Polemik gegen die Lateiner
eingeräumt wurde und welche Schlußfolgerungen sich für den Umgang mit den Latei-
nern daraus ergaben. Zudem ist bisweilen die Grenze zwischen den beiden Traktatfor-
men fließend, vor allem dann, wenn sich die Autoren bzw. Kompilatoren nicht mit einer
bloßen Erwähnung der Streitpunkte begnügen, sondern dieselben einer ausführlicheren
Behandlung unterziehen. Zu dieser „Mischform" gehört beispielsweise der Brief des
Kiever Metropoliten Joannes II. an den Gegenpapst Clemens III., in dem jeder der ins-
gesamt sechs Anklagepunkte gegen die Lateiner, darunter auch die Azymenfrage,
ziemlich ausführlich erörtert wird (Nr. 14a). Nicht zu vergessen sind auch die viel-
schichtigen kompilatorischen Sammelwerke wie die oben erwähnte Panoplia sowie die
einschlägigen Abschnitte aus theologischen und kirchenrechtlichen Sammelwerken
(ζ. Β. Nr. 8, 26). Ausnahmsweise ist in das Verzeichnis auch eine Schrift aufgenom-
men, die ursprünglich aus dem 6. Jahrhundert stammt (Nr. 18). Diese Schrift erlangte
jedoch erst in der Zeit vom 11. bis 13. Jh. große Wirkung und wurde damals unter un-
terschiedlichen Autorennamen weit verbreitet.
Wegen ihrer parallelen Argumentationsstruktur und der daraus resultierenden wech-
selseitigen Einsetzbarkeit sind in unserer Liste auch einige antiarmenische Texte aufge-
führt. Die griechische Polemik gegen die lateinischen Azymen läßt sich nicht ohne
Berücksichtigung der gleichzeitigen antiarmenischen Polemik verstehen. Dafür spre-
chen auch die Entdeckungen Jean Darrouzes, daß nämlich eine Reihe von byzantini-
schen Texten gegen den Gebrauch von ungesäuertem Brot, die lange Zeit als antilatei-
nisch galten, in Wahrheit auf die Armenier zielten. Dies trifft ζ. Β. auf die Abhandlung
über die Azymen zu, die von Anton Michel als ein antilateinisches Pamphlet des Ke-
rullarios identifiziert wurde, tatsächlich aber aus dem antiarmenischen Tit. 23 der
Πανοπλία δογματική des Euthymios Zigabenos stammt, der seinerseits von dem antiar-
menischen Traktat des Euthymios Peribleptenos abhängt (Nr. 7 und 8). Ähnlich verhält
es sich mit dem Traktat des Niketas Stethatos, den Hergenröther unter dem Titel Contra

13 Auch die berühmte Encyclica ad sedes orientales des Patriarchen Photios (867) enthält eine Art
Verzeichnis lateinischer Irrtümer, das insbesondere im slavischen Raum auch als eigenständige
Schrift überliefert wurde, s. dazu: POPOV, Istoriko-literaturnyj obzor 9-12.
14 DARROUZES, Le memoire de Constantin Stilbes 80. 81.
Der Azymenstreit 91

Armenios et Latinos de fermentato et azymis ediert hat. Dieser stammt aller Wahr-
scheinlichkeit nach aus einer Reihe von insgesamt fünf antiarmenischen Abhandlungen
des Niketas. Erst später wurden die Worte „gegen Lateiner" {κατά Λατίνων) in den Titel
des Werkes und „gegen Franken" {κατά Φράγγων) in den Textanfang interpoliert
(Nr. 30b). Die Bedeutung des Azymenproblems gerade für die byzantinische antiarme-
nische Polemik bezeugen auch drei Texte aus dem 11. und 12. Jh., die 1990 von Jean
Darrouzes ediert worden sind15.
Bewußt verzichtet unser Verzeichnis darauf, die Textüberlieferung zu rekonstruieren.
Hinweise auf Handschriften mögen der in den Fußnoten angegebenen Literatur ent-
nommen werden16. Ebensowenig kann an dieser Stelle eine detaillierte Studie über eine
wechselseitige Textabhängigkeit oder -becinflussung geleistet werden. Unsere Liste soll
vielmehr als Nachschlage- und Orientierungshilfe für die weitere Darstellung der grie-
chischen antiazymitischen Argumentation dienen.

b. Werkverzeichnis zum Azymenstreit (11.-13. Jh)


1. Ta Aitiamata tes latinikes ekklesias {Τά αίηάματα της λατινικής εκκλησίας).
->Konstantinos (Kyrillos) Stilbes.
2. Pseudo-Athanasios.
Die unter dem Namen des hl. Athanasios von Alexandreia überlieferte Schrift stellt
eine Kompilation aus den Schriften des -^Niketas Stethatos und des ->Petros von
Antiocheia dar und ist wahrscheinlich ca. Ende des 11. oder Anfang des 12. Jahr-
hunderts zu datieren17. Die Schrift ist in Mignes Patrologia Graeca unter den Wer-
ken des hl. Athanasios abgedruckt18. Der Text ist teilweise auch unter dem Namen
des Epiphanios von Zypern überliefert19. Er deckt sich teilweise auch mit dem Text
des -»(Pseudo-)Joannes Damaskenos.
3. Demetrios Chomatenos (f ca. 1236), Erzbischof von Achrida von ca. 1216 bis
ca. 123620.
(a) Die kanonische Antwort 3 an den Metropoliten von Dyrrachion Konstantinos
Kabasilas. Hier wird die Frage erörtert: „Was soll man von den bei den Latei-
nern konsekrierten Azymen halten: Sind sie profan oder heilig?"21.

15 DARROUZES, Trois documents, zu den Azymen: 129-131. 153.


16 Soz. B. für die Nr. 33. 40.
17 BECK, Kirche 536; CELCOV, Polemika 5; MICHEL, Humbert und Kentllarios Π 309-310.
18 PG26,1328-1332.
19 HERGENRÖTHER, Monumenta 8.
20 Zu Demetrios Chomatenos s.: LMA II 1874-1875 (PRINZING); ODB 426 (MACRIDES); BECK,
Kirche 708-710; PODSKALSKY, Theologische Literatur 250. 495^97; DERS., TWO Archbi-
shops 144-148.
21 Text ediert in: PITRA, Analecta VI625-630, und in: PG 119, 951-958.
92 Die ostkirchliche Herausforderung

(b)Die kanonischen Antworten 8 und 9 an den serbischen Herrscher Stefan über


das eucharistische Brot und die Azymen22.
(c) -»Niketas Choniates.
4. Ephraim, Metropolit von Kiev, ca. 1054/5 5-106523.
Sein antilateinischer Traktat in Katalog-Form, der vor kurzem ediert wurde24, weist
wichtige Textübereinstimmungen mit dem -^Opusculum contra Francos auf. Der
Herausgeber des Traktats ist der Ansicht, daß das Opusculum auf der Schrift
Ephraims beruht25.
5. Pseudo-Epiphanios von Zypern -»(Pseudo-)Athanasios.
6. Eustratios, Metropolit von Nikaia (* ca. 1050, f nach April 1117)26.
(a) Λόγος προς τους Λατίνους περί των προσφερομένων άζύμων, άτε παρά τους
θείους κανόνας ταϋτα ποιοΰντας.27
(b) Eine Abhandlung über die Azymen (Περί άζύμων λόγος), mit dem Inzipit:
Πάλαι γαρ τίνες γιγαντιαΐον τον λόγον... . Sie wird gelegentlich -»Joannes von
Jerusalem zugeschrieben28.
7. Euthymios Peribleptenos (Mitte des 11. Jh.)29.
In seiner Zweiten Invektive gegen die Armenier30 ist auch den Azymen ein Ab-
schnitt gewidmet31. Durch die Aufnahme in die Panoplia des -»Euthymios Zigabe-
nos entfaltete dieser Text eine nachhaltige Wirkung.
8. Euthymios Zigabenos (um 1100)32.
Ein Abschnitt aus dem Titlos 23 seiner Πανοπλία δογματική ist der Frage der Azy-
men in Hinblick auf die armenische eucharistische Praxis gewidmet33. Zigabenos
ist hier von einem antiarmenischen Traktat des -»Euthymios Peribleptenos abhän-

22 Text ediert in: PITRA, Analecta VI693-698.


23 Zu Metropolit Ephraim s.: PODSKALSKY, Christianstvo 451; CICUROV.ÄM antilateinischer Trak-
tat (1998) 330-335.
24 CICUROV, Ein antilateinischer Traktat 343-345.
25 Ebd., 342-343.
26 Zu Eustratios von Nikaia s.: TRE X 550-551 (PODSKALSKY); LMA IV 117 (PODSKALSKY); BECK,
Kirche 618-619; ODB 755 (KAZHDAN).
27 Text in: DEMETRAKOPULOS, Εκκλησιαστική βιβλιοθήκη 100-127.
28 Text unter dem Namen des Joannes von Jerusalem in: DOSITHEOS, Τόμος αγάπης 504-516. BECK,
Kirche 611. 618, äußert sich zugunsten der Autorschaft des Joannes; dagegen hält Gerhard
Podskalsky in TRE X 551, Z. 30, die Abhandlung für ein Werk des Eustratios.
29 Zu Euthymios Peribleptenos, oder Euthymios von Akmonia, s.: ODB 756 (KAZHDAN).
30 Die Invektive wurde früher einem gewissen „Katholikos Isaak" zugeschrieben. Die Autorschaft
des Peribleptenos stellte als erster GRUMEL, Les Invectives contre les Armeniens, fest.
31 Ediert in: PG 132,1173 B-l 180 A.
32 Zu Zigabenos s.: BECK, Kirche 614-616; ODB 2227 (KAZHDAN/CUTLER); LMA IV 120
(KONSTANTINOU).
33 Text gedruckt in: PG 130,1180-1182.
Der Azymenslreil 93

gig34. Derselbe Text ist auch als eigenständige Schrift unter dem Namen des -»Mi-
chael Kerullarios überliefert; Anton Michel versuchte, ohne den Text des Zigabe-
nos zu kennen, diese Zuschreibung als echt nachzuweisen .
9. Feodosij Grek (Mitte des 12. Jh.), Mönch griechischer Abstammung, als Überset-
zer aus dem Griechischen in Kiev tätig. Plausibel ist die Vermutung, daß er mit
dem Igumen der Kiever Höhlenkloster Feodosij, f 1156, identisch ist36.
• Wahrscheinlich ist er der Autor des Briefes über den lateinischen Glauben an Fürst
Izjaslav (Poslanie ο vere latinskoff'', der zum großen Teil in Form eines Irrtümer-
katalogs verfaßt ist. Der Brief ist handschriftlich unter dem Namen des -»Feodosij
Pecerskij überliefert. Dieser handschriftlichen Zuschreibung sind bisher mehrere,
vor allem russische, Forscher gefolgt38. Gerhard Podskalsky legte gewichtige
Gründe dafür vor, daß die Schrift erst im 12. Jh. entstehen konnte39. Die Meinungen
darüber sind jedoch bis heute geteilt40.
10. Feodosij Pecerskij (*ca. 1036, f 1074), Igumen des Kiever Höhlenklosters, eine
der berühmtesten Gestalten der frühen Kirchengeschichte der Kiever Rus' '.
-»Feodosij Grek.
11. Pseudo-Georgij von Kiev. .
Unter dem Namen des Georgij, griechischstammigen Metropoliten von Kiev (ca.
1065-ca.l076)42, ist die antilateinische Schrift Streitgespräch mit einem Lateiner
(Stjazanie s latinoju) in altslavischer Sprache überliefert, die in Katalog-Form ver-
faßt ist43. Aleksej Pavlov bezweifelte mit guten Gründen die Autorschaft des Geor-
gij und hielt die Schrift für eine im 12. Jh. entstandene Kompilation aus dem Brief
des Metropoliten -»Nikifor an den Fürsten Vladimir Monomach und aus dem Brief

34 Dazu s.: GWJMEL, Les Invectives; TRAPP, Die Quellen.


35 MICHEL, Verstreute Kerullarios- und Humbert Texte 355-366. Dazu s.: DARROUZES, Un faux
Περί των άζΰμων.
36 Zu Feodosij Grek s.: PODSKALSKY, Christentum 179-181 (=DERS., Christianstvo 294-297);
SKKDR1459^61 (BULANINA).
37 Jüngst kritisch ediert in: PONYRKO, Epistoljarnoe nasledie 16-18, als Werk des -»Feodosij
Pecerskij; s. auch: POPOV, Istoriko-literaturnyj obzor 70-81.
38 Zuletzt PONYRKO, Epistoljarnoe nasledie, zum Problem der Autorschaft: 10-12.
39 S.: PODSKALSKY, Christentum 180. 182, Anm. 786 (=DERS., Christianstvo 295-296. 299).
40 Neben Podskalsky spricht sich zugunsten der Autorschaft des Feodosij Grek auch ODB 783 aus;
für eine Autorschaft des Feodosij Pecerskij dagegen plädieren: SKKDR I 458. 460, und LMA IV
355.
41 Zu Feodosij Pecerskij s.: SKKDR I 457-459 (TVOROGOV); ODB 782-783 (FRANKLIN/
HOLLINGSWORTH); LMA IV 355 (HANNICK).
42 Zu Georgij s.: PODSKALSKY Christentum 172-174 (=DERS., Christianstvo 282-285);
SKKDR 1104-105 (TVOROGOV).
43 Ediert in: PAVLOV, Kriticeskieopyty 191-198.
94 Die ostkirchliche Herausforderung

über den lateinischen Glauben des ->Feodosij Grek44. Für die Spätdatierung spricht
die offenkundige Abhängigkeit von griechischen Abhandlungen, diefrühestensaus
dem 12. Jahrhundert stammen45. Die einzige erhaltene Handschrift des Stjazanie s
Latinoju stammt aus dem 15. Jh.46; ein griechisches Original - sollte es überhaupt
existiert haben - ist unbekannt.
12. Germanos II., Patriarch von Konstantinopel, 1222-124047.
Es sind zwei Abhandlungen über die Azymen aus seiner Feder bekannt; nur eine ist
teilweise ediert48. Diese Schrift hat auch eine lateinische Gegenschrift nach sich ge-
49
zogen .
13. Joannes, Patriarch von Jerusalem (wahrsch. 1. Hälfte des 12. Jh.)50.
(a) Disputation mit einem Italiener über die Azymen {Λόγος περί των άζνμων, ον
σννεγράφατο κατά την διάλεξιν, ην προς τιναλατϊνον φιλόσοφον έποιησατο)5\
(b) Περϊ άζύμων λόγος πρώτος, -»Eustratios von Nikaia (b).
(c) Περί άζνμων λόγος δεύτερος.52
14. Joannes (Ioann) II., Metropolit von Kiev ('Ιωάννης μητροπολίτης 'Ρωσίας), ca.
1080-108953.
(a)Brief an (Gegen-)Papst Clemens III. {'Επιστολή προς Κλημεντα πάπαν
'Ρώμης), verfaßt 1084/85 oder 1088 in Form eines Katalogs, der allerdings je-
den Anklagepunkt - auch die Azymen - ausfuhrlich kommentiert. Neben dem
griechischen Original ist auch die altslavische Übersetzung überliefert54.
(b) Fragmente über die Azymen, die S. K. Oikonomos 1868 als Werk des Joan-
nes II. ediert hat55. Diese Fragmente sind fast identisch mit den Fragmenten β'
und γ ' des ->(Pseudo-)Joannes Damaskenos (a). Die Autorschaft des Joan-

44 PAVLOV, Kriticeskie opyty 48-58.


45 Dazu s.: POPOV, Istoriko-literaturnyj obzor 83.
46 PODSKALSKY, Christianstvo 282, vgl. 518 (Anm. *48).
47 Zu Germanos s.: BECK, Kirche 667-668; ODB 847 (TALBOT); LMA IV 1345 (KONSTANTINOU).
48 Fragment bei DONDAINB, Contra Graecos 429—430.
49 Dazu s.: DONDAINE, Contra Graecos 376-378.
50 JUGIE, Theologia dogmatica I 407-408; BECK, Kirche 611; DThC Vm 766-767 (PETIT);
HAMILTON, The Latin Church 179-180.
51 Text in: DOSITHEOS, Τόμος αγάπης 527-538.
52 Text in: DOSITHEOS, Τόμος αγάπης 516-527.
53 Zu Joannes II. s.: BECK, Kirche 610; ODB 1045-1046 (FRANKLIN); PODSKALSKY, Christentum
174-177 (=DERS., Christianstvo, 285-288); PONYRKO, Epistoljarnoe nasledie 24-28.
54 Die beste Edition des griechischen Textes in: OIKONOMOS, Τοϋ οσίου πατρός ήμων 'Ιωάννου
1-13. Die kritische Edition des altslavischen Textes in: PONYRKO, Epistoljarnoe nasledie 30-35.
Sowohl der griechische als auch der slavische Text sind auch ediert bei PAVLOV, Kriticeskie
opyty 169-186.
55 OIKONOMOS, Τοϋ οσίου πατρός ήμων 'Ιωάννου 13-18.
Der Azymenstreit 95

nes II. wird durch die handschriftliche Überlieferung nicht bestätigt und wurde
deswegen angezweifelt56.
15. Joannes IV. (V.) Oxeites, Patriarch von Antiocheia (1089-1100, fnach 1112)57.
Brief an den Bischof von Adrianupolis über die Azymen {Λόγος περί των άζύμων
προς τον Άνδρινονπολίτην). Es ist auch eine altslavische Übersetzung des Briefes
bekannt58.
16. Joannes, Metropolit von Klaudiupolis (um 1166)59.
Traktat über die Azymen (IIcpl των άζύμων), in Katalogform60.
17. Pseudo-Joannes Damaskenos.
(a) Unter dem Namen des Heiligen ist eine Sammlung kleiner Fragmente über die
Azymen überliefert, die ursprünglich von LeQuien als ein antiarmenischer Text
(„Sechste Häresie der Armenier") ediert und in der Patrologia Graeca unter
den Werken des Joannes Damaskenos abgedruckt wurden61. Fragment α ' wird
im griechischen Text mit dem Namen „Meletios" eingeführt62; daher wird es
bisweilen in der Literatur als Schrift eines Meletios zitiert63. Dieses Fragment
ist auch unter dem Namen des Methodios, Patriachen von Konstantinopel,
überliefert64. Die Fragmente β' und γ ' sind auch separat überliefert und in der
Literatur unter dem Namen des ->Joannes II. von Kiev (b) bekannt. Insgesamt
stellt der Text des Pseudo-Joannes eine Kompilation aus den antiazymitischen
Abhandlungen des -»Niketas Stethatos und des -»Petros von Antiocheia dar. Es
ist nicht ausgeschlossen, daß als weitere Vorlage eine Schrift diente, die im
Θησαυρός της ορθοδοξίας des -»Niketas Choniates überliefert ist. Ein abschlie-
ßendes Urteil läßt sich erst nach einer eingehenden Analyse des Textes und
seiner Überlieferung fällen.
(b) -*Joannes Philoponos.

56 So PAVLOV, Kriticeskie opyty 61-62. Dazu s. auch: PODSKALSKY, Christentum 175-176, Anm.
754.
57 Zu Joannes Oxeites s.: ODB 1049 (KAZHDAN); GAUTIER, Jean Vl'Oxite; BECK, Kirche 613.
58 Das griechische Original ediert in: LEIB, Deux inedits 244 [112]—263 [131]; die slav. Übers, in:
CELCOV, Polemika 389^(05.
59 Zu Joannes von Klaudiupolis s.: BECK, Kirche 627-628.
60 Ediert in: PAVLOV, Kriticeskie opyty 189-191 (nicht vollständig).
61 PG 95, 388-396. Diese Fragmente werden in der Literatur oftmals als Schrift des Pseudo-Joannes
Damaskenos behandelt, dazu s.: BECK, Kirche 536; MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 309.
62 PG 95, 389 Β.
63 So SMITH, And TakingBread 139-145; 153-156.
64 CELCOV, Polemika 5 Anm. 3; BECK, Kirche 536.
96 Die ostkirchliche Herausforderung

18. Joannes Philoponos (* ca. 490, f ca. 570)65.


Der Traktat mit dem Titel Daß das Abendmahl des Herrn am dreizehnten Tag des
Monats, einen Tag vor dem gesetzlichen Pascha, geschah und daß Christus damals
mit den Jüngern nicht das Lamm kostete ( Ότι rfj τρεισκαιδεκάτχι της σελήνης προ
μιας τον νομικού πάσχα το μυστικόν τον κνρίον γέγονε δεΊπνον και ώς ον τον άμνόν
66
τότε μετά των μαθητών εφαγεν ό Χριστός) , der unter dem Kurztitel De paschate
bekannt ist, erlangte in der Azymenkontroverse besondere Popularität67. In griechi-
schen Handschriften wird der Traktat auch unter dem Namen des Joannes Damas-
kenos sowie des Niketas David von Paphlagonien (f 890) überliefert68. In der altsla-
vischen Übersetzung wird Niketas David von Paphlagonien als Autor genannt69.
Einige Forscher datieren den Traktat in das späte 11. bzw. in das frühe 12. Jahrhun-
dert70. Anton Michel erschien die Abhandlung „bei ihrer rein wissenschaftlichen
unpolemischen Art für so späte Zeit unmöglich"71. Die Autorschaft des Joannes
Philoponos hat Karl WaJter 1899 in seiner Edition der Schrift überzeugend nach-
gewiesen72. Die Verfasserschaft ist jedoch bis heute umstritten73.
\74
19. Konstantinos (Kyrillos) Stilbes, Metropolit von Kyzikos (ab ca. 1204)
Er kompilierte im frühen 13. Jahrhundert eine Katalogschrift Die Anklagen gegen
die lateinischen Kirche (Τα αΐτιάματα της λατινικής εκκλησίας)15, wo insgesamt
104 Verstöße der Lateiner gegen den rechten Glauben und die rechte Lebensweise
aufgezählt werden. Die Schrift hatte großen Einfluß und wurde auch im slavischen
Bereich nachgeahmt und überarbeitet. Die Autorschaft des Konstantinos stellte erst
Jean Darrouzes 1963 fest76; in früheren Editionen begegnet diese Schrift anonym77.

65 Zu Joannes Philoponos s.: BECK, Kirche 391-392; TRE XVII 144-150 (SORABJI); ODB 1657
(BALDWIN/TALBOT); LMA V 593-594 (LACKNER); JOHANNES PHILOPONOS, De opificio mundi I
(FC XXm/1) 7^13 (SCHÖLTEN).
66 Text ediert von WALTER, Ioannis Philoponi Libellus de paschate (1899).
67 In der Forschung hat erstmals SCHWEINBURG, Zum Ursprung (1934) 604-606, die Schrift De
paschate als authentisches Werk des Philoponos für die Problematik des gesäuerten Brotes
herangezogen. Ihm folgte MICHEL, Anticipation (1936) 157.
68 S.: WALTER, Ioannis Philoponi Libellus 209 (krit. App.); LEIB, Deux inedits 153, Anm. 52.
69 Edition des altslavischen Textes s.: CELCOV, Polemika 379-389.
70 So CELCOV, Polemika 8; LEIB, Deux inedits 153; HANSSENS, Institutiones Π/1 141 (Nr.229).
71 MICHEL, Humbertund Kerullarios Π 116, Anm. 4.
72 WALTER, Ioannis Philoponi Libellus 199-207.
73 Kritisch zur Echtheit äußerte sich jüngst C. Schölten in seiner Edition von De opificio mundi (FC
XXm/1 43). Weder LMA V 593-594 noch ODB 1657 erwähnen De paschate unter den Werken
des Philoponos. Dagegen zählt TRE XVII 147 De paschate zu den authentischen Schriften des
Philoponos. Auch BECK, Kirche 392, äußert keinen Zweifel an der Autorschaft des Philoponos.
74 Zu Konstantinos Stilbes s.: DARROUZES, Le memoire 56-57; ODB 1956-1957 (KAZHDAN).
75 Letztlich ediert von DARROUZES, Le memoire 61-91.
76 DARROUZES, Le memoire.
77 So bei COTELIER, Ecclesiae graecae monumenta ΓΠ (1686) 495-520.
Der Azymenstreit -97

20. Leon, ab 1025 Erzbischof von Achrida in Bulgarien, davor Chartophylax in der
Hagia Sophia78.
(a) Brief an Johannes von Trani über die Azymen und den Sabbat ('Επιστολή
πεμφθεΐσα προς τίνα έπίσκοπον 'Ρώμης περί των άξνμων καϊ των σαββάτων,
„Erster Brief über die Azymen"), erschienen spätestens im Frühjahr 105379.
Das erste uns bekannte Dokument der antilateinischen Azymenpolemik. Es gibt
auch eine lateinische Übersetzung, die kurz nach der Abfassung des Originals
von Kardinal Humbert veranlaßt wurde80. Eine kurze Zusammenfassung des
Inhalts wurde in die altslavische Kormcaja kniga aufgenommen81.
(b) Zweiter Brief über die Azymen ('Επιστολή δεύτερα περί των όζνμων)82.
(c) Dritter Brief über die Azymen ('Επιστολή τρίτη περί των άζνμωνγ3. Es gibt
auch eine altslawische Übersetzung des Briefes, die unter dem Namen des Pa-
triarchen -^Petras von Antiocheia überliefert ist84. Einige Forscher bestreiten
die Echtheit des Dritten Briefes85.
21. Leon, Metropolit von Perejaslavl' in Kiever Rus' (Λέων μητροπολίτης της εν
'Ρωσία Πρεσθλάβας). Früher wurde er entweder als erster (legendärer) Metropolit
Leontij von Kiev (Ende des 10. Jh.) oder als Leon von Preslav in Thrakien (Bulga-
rien) identifiziert86. Andrzej Poppe hat gezeigt, daß es sich um einen Griechen han-
delt, der im russischen Perejaslavl' vermutlich in den 60er Jahren des 11. Jh. Me-
tropolit war87.
Die Schrift des Leon an die Römer, d.h. Lateiner, über die Azymen (Προς
'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί των άζύμων) ist nur griechisch überliefert88. Sie ent-
stand wohl in den 60er Jahren des 11. Jh.

78 Zu Leon von Achrida s.: BECK, Kirche 534-535; ODB 1215 (MEYENDOREF); LMA V 1892-1893
(KONSTANTINOU); TINNEFELD, Mzcftae//. Kerullarios 104; LThK3 VI814-815 (PRINZING).
79 Text in: WILL 56-60 und PG 120, 833-844. Zur handschriftlichen Überlieferung sowie zu Editio-
nen s.: MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 282-283, und TINNEFELD, Michael L Kerullari-
os 104, Anm. 61.
80 Text der Übersetzung s.: WILL 61-64. •
81 Dazu s.: POPOV, Istoriko-literaturnyjobzor 124-125.
82 Text in: PAVLOV, Kriticeskie opyty 146-151; EkklAl 2/3 (1886) 421^127; PrraA, Analec-
ta VI751-760.
83 Ediert in: EkklAl 2/4 (1887) 150-162; CELCOV, Polemika 336-357; sowie unvollständig in:
PITRA, Analecta VI759-762.
84 Altslawische Übersetzung ediert in: CELCOV, Polemika 336-357.
85 So LEIB, Deux inedits 145, der sich für Petros von Antiocheia als Autor ausspricht. BECK, Kir-
che 535, hält dagegen an Leon von Achrida fest.
86 So BECK, Kirche 610.
87 POPPE, Le trotte; PODSKALSKY, Christentum 171 (=DERS., Christianstvo 280-281, mit Ergänzun-
gen).
88 Text in: PAVLOV, Kriticeskie opyty 115-132 und in: Pamjatniki drevnerusskogo kanoniceskogo
prava Π71 (1920) 73-101 (hg.V. N. BENESEVIC).
98 Die ostkirchliche Herausforderung

22. Meletios, -»(Pseudo-)Joannes Damaskenos.


23. Meletios Galesiotes, oder Homologetes (*1209, f 1286)89.
Der siebente Teil seines Verstraktates Κατά 'Ιταλών και Λατίνων ist der Azymen-
frage gewidmet90.
24. Michael Glykas (* um 1130, f bald nach 1200)91.
Brief „an den Mönch Maximos Smeniotes" über die Azymen92. Der Brief geht auf
das Problem des Passamahles Jesu ein.
25. Michael Kerullarios (*ca. 1005-1010, flO59), Patriarch von Konstantinopel von
1043 bis 105893.
Kerullarios hat keine Schrift zur Azymenproblematik hinterlassen. Die von Anton
Michel dem Kerullarios zugeschriebene -^Panoplia stammt nicht von ihm. Im Er-
sten Brief an Petros von Antiocheia listete Kerullarios einen Katalog lateinischer
Irrtümer auf, unter denen der Vorwurf der Azymenzelebration den ersten Platz ein-
nimmt94 Dieser Katalog steht am Anfang der ganzen Reihe von antilateinischea
Irrtumslisten. Er erfuhr auch Überarbeitungen im Altslavischen. Einige altslavische
Katalog-Traktate sind daneben fälschlicherweise unter dem Namen des Kerullarios
überliefert95.
26. Niketas Choniates (* um die Mitte des 12. Jh., f um 1212)96.
In seine umfangreiche dogmatisch-polemische Summe Θησαυρός της ορθοδοξίας
hat Niketas einen Text über die Azymen aufgenommen, der eine Erweiterung und
Überarbeitung der Dialexis und des Antidialogus des -»Niketas Stethatos darstellt.
Dieser anonyme Text wurde wahrscheinlich schon Anfang des 12. Jahrhunderts zu-
sammengestellt97. Der gleiche Text ist aber auch eigenständig überliefert und von
Pitra unter dem Namen des Demetrios Chomatenos ediert worden98. Nach dem
Florentinum zitierte ein gewisser Mönch Hilarion in seiner pro-lateinischen Ab-
handlung Über das mystische Brot der Griechen und das ungesäuerte Brot der La-
teiner daraus99; er nennt als Autor dieser Schrift einen Niketas100. Es ist nicht aus-

89 Zu Meletios Galesiotes s.:DThCX/l 536-538 (PETIT); BECK, Kirche 678-679.


90 Ediert von SIMOPOULOS, Μελέτιος ό Γαλησιότης (1978) 108-114.
91 Zu Glykas s.: BECK, Kirche 654-655; ODB 855-856 (KAZHDAN); LMAIV 1519 (SCHREINER).
92 Ein Fragment aus dem Brief ediert in: DEMETRAKOPULOS, 'Ορθόδοξος Ελλάς 16-21.
93 Literatur zu Kerullarios s. oben, S. 52 Anm. 5.
94 Ediert in: WILL 172-184, Katalog: 180a, Z. -7-183a, Z. 17.
95 ΡAVLOV, Kriticeskie opyty 151-153, mit weiteren Anklagepunkten: 153-155, und einem Schluß:
155-157; POPOV, Istoriko-literaturnyj obzor 52-56.
96 BECK, Kirche 536.
97 Zu diesem Text s.: MICHEL, Humbert und KerullariosR 309. 313.
98 PITRA, Analecta VI761-778.
99 Text des Hilarions ediert in: PG 158, 977-983. Dazu s.: MICHEL, Humbert und Kerullari-
Ο5Π313. . • :

100 PG158,977A.
Der Azymenstreit ';99

zuschließen, daß der gleiche Text auch als Vorlage für eine Schrift, die unter dem
Namen des -»(Pseudo-)Joannes Damaskenos überliefert ist, diente.
27. Niketas David von Paphlagonien, -»Joannes Philoponos.
28. Niketas, Metropolit von Nikaia, zuvor Chartophylax des Patriarchen von Konstan-
tinopel (erste Hälfte des 12. Jh.)101.
(a) Περί των άζύμων. Nur ein Bruchstück dieser Schrift ist erhalten; ein Teil davon
wurde auch ins Altslavische übersetzt102.
(b) -»Symeon von Jerusalem.
29. Niketas Seides von Ikonion, Rhetor in Konstantinopel (1. Hälfte 12. Jh.)103.
(a) Rede gegen die Lateiner. Hier werden die Azymen im Katalog lateinischer Irr-
tümer erwähnt104.
(b) Rede über die Azymen105.
30. Niketas Stethatos (*nach 1005, f vor 1092), Studitenmönch106.
(a)Dialexis {Διάλεξις προς Φράγγονς ήγουν Λατίνους)10''. Eine überarbeitete Ver-
sion dieser Schrift, von Anton Michel Antidialogus genannt, stimmt im Haupt-
teil mit der Dialexis im Wesentlichen überein, ist aber mit eigener Einleitung
versehen {Περί άζύμων και σαββάτων νηστείας)]0Β. Eine weitere Überarbei-
tung, die von -»Niketas Choniates in seinen Thesauros aufgenommen wurde,
wird bei Michel als Werk des Niketas Stethatos angesehen und Sylloge ge-
nannt109.
(b) Gegen Armenier und Lateiner über Gesäuertes und Ungesäuertes {Κατά
'Αρμενίων και Λατίνων περί ενζύμων και άζύμων). Diese Schrift gehört zu ei-
ner Reihe von insgesamt fünf antiarmenischen Traktaten des Niketas, wovon
vier noch unediert sind. Die Erwähnung der Lateiner in der Überschrift und am

101 BECK, Kirche 6X9.


102 Ediert in: PAVLOV, Kriticeskie opyty 135-145, mit altslavischer Obersetzung.
103 BECK, Kirche 617-618; ODB 1865 (KAZHDAN).
104 Text in: PAVLOV, Kriticeskie opyty 186-188; weitere Fragmente: ALLATIUS, De Ecclesiae
Occidentalis atque Orientalisperpetua consensione 209. 211. 475-^177. 1111- 1112.
105 Unediert, s.: BECK, Kirche 617; s. auch: DARROUZES, Nicolas d'Andida 207; GRUMEL, Autour du
voyage 28; DARROUZES, Les documents byzantins 53.
106 Zu Niketas s.: ODB 1955-1956 (KAZHDAN); LMA VI 1162 (P. PLANK); I R E XXIV 463^164
(TINNEFELD); BECK, Kirche 535-536; DARROUZES, Nicatas Stethatos 7-24; SCHWEINBURG, Die
Textgeschichte; MICHEL, Die vier Schriften.
107 Ediert in: MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 320-321. 323-342.
108 Ediert in: MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 322. 323-342. Zur Textgeschichte beider
Schriften s.: ebd., 298-319.
109 Zur Sylloge s.: MICHEL, Die vier Schriften 327-332.
100 Die ostkirchliche Herausforderung

Anfang des Textes ist wahrscheinlich eine Interpolation. Darrouzes identifiziert


diese Schrift als „Fünfte Homilie gegen die Armenier"110.
31. NikiforL, Metropolit von Kiev (18.12.1104 -April 1121)1".
(a) Brief an Fürst Vladimir Monomach über den lateinischen Glauben112, der in
seinem Hauptteil einen Katalog von Irrtümern darstellt.
(b) Brief an Fürst Jaroslav Svjatopolcic über den lateinischen Glauben (Napisanie
na Latinu ko knjazju)ni, der einen ähnlichen Aufbau zeigt.
32. Nikolaos von Andida (Ende 11. Jh.), bekannt als Autor eines Liturgiekommentars
mit dem Titel ProtheoriaUA; in der älteren Literatur auch unter dem Namen Theo-
doros von Andida bekannt115.
Die Schrift Gegen jene, die die Azymen in der Eucharistie darbringen {Κατά των
αζυμα προσφερόντων εν rfj θεία ιερουργία) wurde vermutlich ca. 1100 verfaßt.
Diese Schrift wurde erst 1974 von Jean Darrouzes entdeckt und teilweise ediert110.
Sie deckt sich mit einem Teil des Azymen-Traktats des -»Symeon von Jerusalem.
33. Nikolaos, Bischof von Methone, ab ca. 1150 (f zw. 1160 und 1166)117.
Demetrakopulos nennt zwei Schriften über die Azymen, die handschriftlich als
Werke des Nikolaos von Methone überliefert sind. Sie sind bislang unediert118.
34. Nikolaos-Nektarios, Abt von Casole 1219-1235 (* ca. 1155-1160, f 1235)119.
Fungierte als Dolmetscher der päpstlichen Legaten Benedikt von S. Susanna und
Pelagius Galvani in den Jahren 1205/7 bzw. 1214/5.
Nikolaos verfaßte drei Syntagmata gegen die Lateiner, von denen das zweite dem
Azymenproblem gewidmet ist120. Über weite Strecken stellen die Syntagmata einen
Bericht über die 1206 in Konstantinopel stattgefundenen Disputationen zwischen
Kardinal Benedikt von S. Susanna und den Griechen.

110 Edition in: HERGENRÖTHER, Monumenta graeca 139-154. Zu den antiarmenischen Schriften des
Niketass.: DARROUZES,NicetasStethatos 11-12. Vgl. DARROUZES, Unfaux290.
111 PODSKALSKY, Christentum 177-179 (=DERS., Christianstvo 290-294); PONYRKO, Epistoljarnoe
nasledie 59-64.
112 PONYRKO, Epistoljarnoe nasledie 71-73; zur Datierung des Briefes s.: ebd., 60.
113 PONYRKO, Epistoljarnoe nasledie 73-79; zur Datierung des Briefes s. ebd., 63-64.
114 Zu Nikolaos s.: ODB 1468 (KAZHDAN).
115 So bei BECK, Kirche 645.
116 DARROUZES, Nicolas d'Andida 207-210. Zur Entstehung der Schrift sowie zu ihrem Verhältnis
zum Traktat des Symeons von Jerusalem s.: a. a. O., 203-207; PLANK, Patriarch Symeon II. von
Jerusalem 293-294.
117 BECK, Kirche 624-625; ODB 1469 (KAZHDAN).
118 DEMETRAKOPULOS, 'Ορθόδοξος Ελλάς 25; CELCOV, Polemika 15-16.
119 BECK, Kirche 669-670; ODB 1470-1471 (KAZHDAN); LMA VI 1167-1168 (B. PLANK);
HOECK/LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios.
120 Unkritische Edition nach einer Moskauer Handschrift: Bischof ARSENIJ PVASCENKO], Nikolaja
Gidruntskago (1896) 24-59.
Der Azymenstreit 1Θ1

35. Opusculum contra Francos (Über die Franken und übrigen Lateiner, Περί των
Φράγγων και των λοιπών Λατίνων). Eine anonyme Schrift gegen die Lateiner in
Katalog-Form, wahrscheinlich aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert, die in
der handschriftlichen Überlieferung dem Patriarchen Photios zugeschrieben wird121.
Eine lateinische Übersetzung der Schrift wurde von Hugo Etherianus in den 1170er
Jahren angefertigt und mit einer kurzen Einleitung und einem Schluß versehen. In
dieser Form ist diese lateinische Übersetzung unter dem Titel De haeresibus, quas
Graeci in Latinos devolvunt bekannt122. Eine altslawische Übersetzung des Opu-
sculum wurde unter dem Titel Ο Frjazech i procich Latinach in die Kormcaja kniga
aufgenommen123.
36. Panoplia (Πανοπλία κατά των Λατίνων). Eine umfangreiche Sammelschrift gegen
die Lateiner, die erstmals von Anton Michel ediert124 und dem Michael Kerullarios
zugewiesen wurde125. Darin ist ein Teil der Azymenfrage gewidmet126. Wie die
beiden Assumptionisten Vitalicn Laurent und Jean Darrouzes nachgewiesen haben,
stammt die Schrift aus der Zeit nach dem II. Konzil von Lyon und muß als Werk
eines anonymen Kompilators gelten127.
37. Petros III., Patriarch von Antiocheia (1052-1056)128.
(a) Ein Abschnitt aus seinem Brief an Dominicus von Grado stellt einen kleinen
Traktat über die Azymen dar, der von späteren Autoren mehrfach benutzt und
überarbeitet wurde129.
(b) Die Azymenthematik ist auch in seinem Brief an den Patriarchen Michael Ke-
rullarios angesprochen. Dort ist das Thema zwar nur kurz behandelt, aber es
werden dennoch wichtige Aussagen gemacht130.
(c) -»Leon von Achrida (c).

121 Jüngst kritisch ediert in: CICUROV, Ein antilateinischer Traktat (1998) 347-350. Frühere Edition
von IIERGENRÖTHER, Monumenta graeca (1869) 62-71.
122 Ediert als Teil der Schrift eines anonymen Dominikaners aus dem Jahr 1252 Tractatus contra
errores Graecorum in: PG 140, 541-544. Zu der Übersetzung von Hugo s.: A. DONDAINE, IIU-
guesEtherien 114-116.
123 Ediert in: POPOV, Istoriko-literaturnyj obzor 58-69. Kap. 47/48 der gedruckten Kormcaja kniga,
s.: ZUZEK, Kormcaja kniga (1964) 86-88. Zur Problematik der Verhältnisse der handschriftli-
chen Oberlieferung zu den gedruckten Ausgaben der Kormcaja s.: ebd., 52-63.
124 S.: MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 208-281.
125 Zum Problem der Autorschaft s.: MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 88-109.
126 Abschnitt ΠΙ Α = c. 17-19 nach der Einteilung der Michels Edition; s.: MICHEL, Humbert und
Kerullarios II230-234.
127 LAURENT / DARROUZES, Dossier grec 116-127.
128 Zu Petros von Antiocheia s.: BECK, Kirche 535; ODB 1637 (PAPADAKIS); LMA VI 1953
(TODT).
129 Texts. in: WILL213a, Z. 7-227a, Z. 23.
130 S. bes.: WELL 199a, Z. 4-14; 203a, Z. 5-23.
102 Die ostkirchliche Herausforderung

38. Pseudo-Photios
Unter dem Namen des berühmten Patriarchen von Konstantinopel (858-867 und
877-886) ist das -^Opusculum contra Francos überliefert.
39. Symeon II., Patriarch von Jerusalem (vor 1095-nach 1105)131.
Traktat über die Azymen132. Der Herausgeber des Traktates, Bernard Leib, lehnte
die handschriftliche Zuweisung der Schrift an Symeon ab und versuchte, Niketas
von Nikaia als Autor zu identifizieren133. Anton Michel konnte diese Bedenken aus-
räumen und zeigen, daß der Traktat Symeons eine Antwort nicht auf die Schrift De
sacrifleio azymo des Bruno von Segni (ca. 1110), wie dies Leib vermutete, sondern
auf die Epistola ad defendendum se de azymis contra Graecos eines gewissen Lay-
cus von Amalfi (ca. 1070) darstellt134. Jüngst hat Peter Plank gezeigt, daß der
Traktat frühestens auf 1105 datiert werden kann135. Symeon scheint aus dem Trak-
tat des ->Nikolaos von Andida abgeschrieben zu haben136.
40. Theodoros Smyrnaios (* um die Mitte des 11. Jh., f nach 1112)137. Disputierte
vermutlich mit dem Erzbischof von Mailand Petrus Grossolanus.
Seine Schrift über die Azymen gegen die Armenier ist unedierti3S.
4L Theophylaktos, Erzbischof von Achrida (Bulgarien), (* ca. 1050, f nach 1126)139.
(a) Sein Traktat über die Dinge, die den Lateinern vorgeworfen werden
(Προσλαλιά τινι των αντον ομιλητών περί ων εγκαλούνται Λατίνοι)140 enthält
einen Abschnitt zum Problem der Azymen141.
(b) -»(Pseudo-)Theophylaktos von Bulgarien.

131 ODB 1982(PAPADAKIS). Nach BECK, Kirche 611, starb der Patriarch 1098 in Zypern. Jüngst hat
Peter Plank überzeugend dargelegt, daß der Patriarch frühestens 1105 gestorben sein kann, weil
er im Traktat gegen die Azymen den Gegenpapst Silvester IV. (Nov. 1105-April 1111) erwähnt
hat, s.: PLANK, Symeon II. von Jerusalem; LMA VIII 362 (P. PLANK); S. dazu ausführlicher un-
ten, S. 238-239.
132 Text m: LEIB, Deitt/MeiÄte 217 [85]-239 [107].
133 LEIB, Deux inedits 177 [45] - 190 [58].
134 MICHEL, Amalfi und Jerusalem 28-33. Vgl. unten, S. 119, Nr. 6.
135 S.: PLANK, Patriarch Symeon 296-298.
136 Der erste Teil des Traktats des Nikolaos von Andida entspricht den Kapiteln 15-31 des Trakta-
tes des Symeon, dazu s.: DARROUZES, Nicolas d"Andida 204; PLANK, Patriarch Symeon, 2 9 3 -
294.
137 Zu Theodoros s.: BECK, Kirche 616-617; ODB 2044 (KAZHDAN).
138 DARROUZES, Unfaux 291; vgl. dazu BECK, Kirche 617.
139 BECK, Kirche 649-651; ODB 2068 (KAZHDAN); LMA Vffl 671-672 (HANNTCK); PODSKALSKY,
Theologische Literatur 233-235. 246 f. 439-441.
140 Ediert von GAUTIER, Theophylacte d'Achrida 247-285. Ältere Edition bei WILL 229-253. Zum
Traktat und seiner Datierimg s.: GAUTIER, ebd., 97-114.
141 S. 261-267 in Edition von GAUTIER (S. die vorherige Anm.). Zur Datierung: ebd. 105-114.
Der Azymenstreit 103

42. Pseudo-Theophylaktos von Bulgarien.


Unter dem Namen des -»Theophylaktos von Bulgarien ist eine Schrift Über die
Azymen überliefert142. Diese stammt jedoch nach Paul Gautier nicht von Theophy-
laktos, sondern ist das Werk eines anonymen Autors aus der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts143.
43. Theorianos Philosophos (um 1169-1171)144.
Brief an die Priester in Oreine über das Sabbatfasten und die göttliche Eucharistie
('Επιστολή προς τους εν -rfj 'Opcivtf ιερείς περί της έν σαββάτφ νηστείας της τε
θείας κοινωνίας)145. In diesem Brief ist ein Abschnitt dem Problem der Azymen
gewidmet. Ein interessantes Schicksal erlebte der Text des Theorianos bei lateini-
schen Autoren146. Ein Fragment aus dem Brief wurde unter dem Namen des Joan-
nes Chrysostomos im anonymen Tractatus contra errores Graecorum zitiert .

2. Vier Argumentationsrichtungen gegen die Azymen

In der antiazymitischen Polemik der Byzantiner lassen sich vier Argumentationsstränge


beobachten. In der Regel kamen alle vier zum Zuge, auch wenn sich bei einzelnen Au-
toren bzw. Kompilatoren verschiedene Akzentuierungen feststellen lassen.

a. Das Judaisierungsargument
Die meisten der hier untersuchten Werke identifizieren das ungesäuerte Brot der christ-
lichen Eucharistie mit den jüdischen „Azymen". Dabei wird weder zwischen dem pro-
fanen und dem kultischen Gebrauch des ungesäuerten Brotes unterschieden noch der
religiöse Kontext des kultischen Brotgebrauchs berücksichtigt. Die bloße Verwendung
des ungesäuerten Brotes impliziert demzufolge bereits die Nähe zum, ja sogar die Teil-
nahme am jüdischen Kult148. Jeder, der ungesäuertes Brot als eucharistische Opfermate-
rie benutzt, befindet sich „unter dem Schatten des alttestamentlichen Gesetzes" und
„nimmt an der jüdischen Mahlgemeinschaft teil"149. Der Vorwurf des „Judaisierens" ist
das erste und wohl das markanteste Argument in der antiazymitischen Polemik150.

142 Ediert in: GAUTIER, Un second traite 556-569.


143 Ebd., 552-556.
144 Zu Theorianos s.: BECK, Kirche 628; ODB 2069 (KAZHDAN); LMA Vm 673 (HOFFMANN).
145 Ediert in: LOENERTZ, L 'epitre de Theorien 55-66; PG 133,297 und PG 94, 405^09. 85-86.
146 Dazu ausführlicher s. unten, S. 332-333.
147 PG 140, 524 D-526 A.
148 LEON VON ACHRIDA, Επιστολή δεύτερα περί των άζύμων, ed. cit. 756: ίνα μή
συνεορτάζωμεν τοις Ίουδαίοις.
149 NIKETAS STETHATOS, Διάλεξις προς Φράγγους ήγουν Λατίνους, ed. cit. 321: οι οΰν ετι των
άζΰμων, ώ 'Ρωμαίοι, μετέχετε, ύπό την σκιάν ετι τοϋ νόμου έστέ και τράπεζαν 'Ιουδαίων
έσθίετε, paral. DERS., Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων 3, ed. cit. 140. Vgl. PETROS VON
104 Die ostkirchliche Herausforderung

Dabei transferierten die byzantinischen Polemiker des hohen Mittelalters die Frage
nach der Beschaffenheit des eucharistischen Brotes anachronistisch in den Kontext der
Polemik gegen die Judaizantes der ersten nachchristlichen Jahrhunderte. Die Polemik
beschränkte sich nicht auf die Brotfrage, sondern folgerte von hier aus auch auf die
Beobachtung anderer jüdischer Bräuche und Riten wie Sabbatfeier, Beschneidung,
Neumond usw.151 „Wenn ihr schon Azymen essen wollt, warum laßt ihr euch nicht
gleich auch beschneiden?"152: Solche polemisch überspitzenden Fragen wurden zum
Allgemeinplatz antiazymitischer Literatur. Gegen den lateinischen Brauch des ungesäu-
erten Brotes wurde oftmals mit Kanon 11 des Trullanischen Konzils argumentiert, der
das Verbot ausspricht, Azymen am jüdischen Fest der Ungesäuerten Brote zu essen153.
Dabei spielte es nach der Ansicht der griechischen Polemiker keine entscheidende Rol-
le, ob die Lateiner an dem jüdischen Fest der Ungesäuerten Brote tatsächlich teilneh-
men oder nicht:
„Wenn ihr sagt, daß ihr Azymen nicht von den Juden empfangt, sondern sie zu Hause macht,
was soll das? Ob ihr Azymen von Juden empfangt oder sie zu Hause macht, so sind es [glei-
chermaßen] Azymen, und ihr werdet deswegen eine noch größere Strafe haben154 <...> Derje-
nige, der das ungesäuerte Brot macht und ißt, auch wenn er es nicht von den Juden empfangt,
sondern sie in dieser Sache nur nachahmt, denkt wie ein Jude und verstößt gegen das Gesetz;
ähnlich wenn sich jemand beschneiden läßt, auch wenn er nicht von den Juden beschnitten
wird, er nichtsdestoweniger wie ein Jude denkt"155.

ANTIOCHEIA, Epistola ad Dominicum Gradensem 8, ed. cit. 214a, Z. 26-27; PS.-THEOPHYLAK-


TOS VON ACHRIDA, Λόγος περί άζύμων, ed. cit. 561; PS.-JOANNES DAMASKENOS, Περί των
άζύμων, ed. cit. 392 Α.
150 Ζ. Β.: SYMEON VON JERUSALEM, Περί των άζύμων 10, ed. cit. 222: φανερως ίουδαίζετε.
LEON VON PEREJASLAVL', Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί τών άζύμων, ed. cit. 95:
Ίουδάίζοντες.
151 LEON VON ACHRIDA, Επιστολή τρίτη περί των άζΰμων 4, ed. cit. 152: ού δεόμεθα ουν ώς
τέλειοι Θεοΰ χάριτι ώσπερ ουδέ περιτομης σαρκικής, χάριτι γάρ περιτέμνονται ήμων τά
πάθη, οϋτως ουδέ άζύμων ώς οι νηπιώδεις και εκφρονες 'Ιουδαίοι και οι σύμφρονες
τούτων 'Ιταλοί τε και Άρμενοι.
152 NIKETAS STETHATOS, Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων περί ενζύμων και άζύμων 5, ed. cit.
144: ε'ι δε και πάλιν τά άζυμα έσθίειν βούλεσθε, τι μη περιτέμνεσθε; vgl. PETROS VON
ANTIOCHEIA, Epistola ad Dominicum Gradensem 11, ed. cit. 217a, Z. 9-11.
153 Den Wortlaut s. oben, S. 41 Anm. 53.
154 NKETAS STETHATOS, Διάλεξις προς Φράγγους ήγουν Λατίνους 6, ed. cit. 328-329: Εί δέ
λέγετε μη δέχεσθαι ταΰτα παρά 'Ιουδαίων, αλλά ποιεΐν οίκοθεν τι τοΰτο; είτε
παρ'έκείνων δεχόμενοι εϊτε οίκοθεν ποιοϋντες, αζυμά εστί και κατά τοϋτο μάλλον
βαρυτέραν εξετε την τιμωρίαν. Zeitgenössische lateinische Übersetzung: WILL 130a, Ζ. 8-12.
155 NKETAS STETHATOS, Διάλεξις προς Φράγγους ήγουν Λατίνους 10, ed. cit. 334: ό γοϋν
αζυμα ποιων και έσθίων ε'ι και μή λαμβάνει ταϋτα παρά 'Ιουδαίων, αλλά μιμητής
εκείνων εν τοΰτο γινόμενος, ίουδαιόφρων εστί και παράνομος, ώσπερ ε'ι και περιτέμνει
Der Azymenstreit 105

Auf derselben Linie liegt der Vorwurf, daß in der lateinischen Kirche der Sabbat beob-
achtet werde. Als jüdische Sabbatbeobachtung interpretierten die Byzantiner die Ge-
wohnheit der römischen Kirche, am Samstag zu fasten. Schon der Brief des Leon von
Achrida an Johannes von Trani kennt diesen Vorwurf und in späteren antilateinischen
Abhandlungen wird der Vorwurf der Azymenzelebration oftmals mit dem Vorwurf der
Sabbatbeobachtung verbunden. Die byzantinische Kritik am römischen Samstagsfasten
ist älter als der Azymenstreit. Bereits Kanon 55 des Trullanischen Konzils tadelte die
römische Kirche für die Gewohnheit, am Samstag in der Quadragesima zu fasten, und
erinnerte in diesem Zusammenhang an den apostolischen Kanon 64, der das Fasten am
Sonntag und am Samstag verbietet156. Jedoch erst im 11. Jahrhundert wurde das Sams-
tagsfasten mit der Sabbatbeobachtung gleichgesetzt und als Judaisieren gebrandmarkt.
Der „Judaisierungsverdacht" bot byzantinischen Polemikern die Gelegenheit, über
das Verhältnis des Neuen zum Alten Testament zu reflektieren, wobei vor allem her-
vorgehoben wurde, daß die alttestamentlichen kultischen Vorschriften im Neuen Te-
stament abgeschafft wurden. So stellen der zweite und der dritte Brief des Leon von
Achrida über die Azymen in der Tat kleine Traktate über das Verhältnis der beiden
Testamente dar. Umfangreiche Erörterungen zu diesem Thema kann man auch in ande-
ren antiazymitischen Schriften finden157. Die Aussagen dazu basieren auf paulinischem
und klassisch patristischem Gedankengut und beinhalten theologisch gesehen nichts
Neues. Es wird auf das übliche Arsenal der christlichen Umdeutung des alttestamentli-
chen Kults zurückgegriffen: die Unterscheidung zwischen der „körperlichen" (bzw.
buchstäblichen) und der „geistigen" Beobachtung der Kult-Vorschriften158, die Gegen-
überstellung des Priestertums Aarons und Melchisedeks159 oder jene des „neuen Volkes
Christi" und der Völker der Heiden und Juden160. Neu ist in diesem Kontext die Über-
tragung dieser Gegensätze auf das Verständnis der Beziehungen zwischen den christli-
chen Kirchen.
Von besonderem Interesse erscheint uns die Theorie des Leon von Perejaslavl', wenn
er zu erklären versucht, warum die Lateiner dem Judaisieren verfallen seien. Er sieht

τις εαυτόν, εί και μη παρά 'Ιουδαίων περιτέμνεται- άλλ'όμόφρων εκείνων εστί, τους
κανόνας και τάς πράξεις των αποστόλων και πατέρων παραβαίνων και άθετών. Vgl. eine
entgegengesetzte Äußerung zur gleichen Frage bei Anselm von Canterbury, s. unten, S. 127—
128.
156 Kanon 55 Περί τοϋ μη έν σαββάτοις και κυριακαΐς νηστεύειν (NEDUNGATT / FEATHER-
STONE, The Council in Trullo 136-137).
157 So z. B. LEON VON PEREJASLAVL', Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί των άζύμων, ed. cit.
85-86.
158 LEON VON ACHRIDA, Επιστολή τρίτη περί των άζΰμων 2, ed. cit. 151-152.
159 LEON VON PEREJASLAVL', Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί των άζύμων, ed. cit. 75; Ps.-
THEOPHYLAKTOS VON ACHRIDA, Λόγος περί άζύμων, ed. cit. 561; GERMANOS VON KON-
STANTINOPEL, Fragment, ed. cit. 429.
160 LEON VON ACHRIDA, 'Επιστολή δεύτερα περί των άζύμων, ed. cit. 752-753.
106 Die ostkirchliche Herausforderung

einen Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung und der Verordnung des Kaisers
Herakleios (610-641), der eine Zwangstaufe der Juden im westlichen Teil des Römi-
schen Reiches anordnete. Leon zitiert einen Brief des Maximos Homologetes, der die
Befürchtung äußert, daß der Befehl des Kaisers an den Eparchos des Westens, alle Ju-
den unter Androhung des Todes taufen zu lassen, den Christen nur „Verderben" bringen
könne: „Ich fürchte, daß sich die Juden nur aus Furcht taufen lassen werden, und daß,
sobald sie mit dem Volke der Christgläubigen frei verkehren können, sie es verderben
werden". Leon von PerejaslavP schreibt in diesem Zusammenhang:
„Damals hat der Heilige dies prophetisch gesagt, aber später erfüllte sich dieses Wort, und ihr
seht, was heute vor sich geht. Mit der Zeit wurden viele Juden zu Klerikern, Priestern und Bi-
schöfen. Sie vermochten zwar nicht mehr, das Judentum offen wiederherzustellen, aber mit
kleinen Hinzufügungen erzielten sie listig das Gleiche"161.
Es erübrigt sich zu ergänzen, daß Leon von PerejaslavP eine dieser „Hinzufügungen"
im ungesäuerten Brot der Lateiner erblickt.
Parallel zu dem Vorwurf des Judaisierens wurden gegen die Lateiner auch Vorwürfe
des „Hellenisierens", d.h. der Befolgung heidnischer Bräuche, erhoben. Dazu zählten
die byzantinischen Polemiker den Genuß von Ersticktem162. Der Vorourf des „Judaisie-
rens" und der Vorwurf des „Hellenisierens" stehen in antiazymitischen Traktaten auf
geradezu bizarre Weise nebeneinander. In manchen Schriften wird den Lateinern auch
noch „Armenisieren" oder die Befolgung jakobitischer Bräuche vorgeworfen163: So-
wohl die Armenier als auch die Jakobiten werden in der Schrift des Pseudo-Joannes
Damaskenos „Jüdischdenkende" genannt164, allein aus dem Grund, weil sie die Eucha-
ristie mit Azymen feiern.

161 LEON VON PERHJASLAVL', Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί των άζύμων 14, ed. cit.
95:Ίουδαΐοι ταϋτα έπεισηξαν ύμΐν, ώς εξεστι μαθεΐν τήν έπιστολήν έπί χείρας λαβοϋσιν,
ην ό όμολογητής Μάξιμος συνεγράψατο προς τον τότε ήγοΰμενον ενός των έν
Χρυσοπόλει μοναστηριών· έχει γάρ οντος- ό βασιλεύς προσέταξε τον επαρχον πάσης
δύσεως τους ευρισκομένους 'Ιουδαίους έν αύτη ή πειθομένους βαπτίζειν, ή μη
πειΟομένους άποκεφαλίζειν. Και φοβούμαι, φησίν ό αγιος, μήπως τω φόβω ε'ιξαντες
βαπτιστθώσι κάκτούτου άδεως συναναμιγνύμενοι τφ χριστωνύμω λαφ διαστρέψωσιν
αυτόν. Τοϋτο λόγω μεν τότε είπεν ό αγιος προφητικώς πάντως, έργα) δ'ΰστερον απέβη
καί νων όραται τελούμενον. Εικός γάρ τφ χρόνω πολλούς εκείνων κληρικούς γενέσθαι
και ιερείς και αρχιερείς, οι τότε φανερώς άνανεώσασθαι τον Ίουδαϊσμόν μη δυνάμενοι,
ταΐς κατά μικρόν προσθήκαις τοΰτο έμηχανήσατο.
162 So LEON VON ACHRIDA, Επιστολή περί των άζύμων καί των σαββάτων, ed. cit. 59a, Ζ. 17-
25; LEON VON PEREJASLAVL', Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί των άζύμων 19, ed. cit.
99-100.
163 So KONSTANTINOS STILBES, Τα α'ιτιάματα της λατινικής εκκλησίας 100, ed. cit. 86, und
LEON VON ACHRIDA (vgl. oben, S. 29-30, Anm. 4).
164 Ps.-JOANNES DAMASKENOS, Περί τών άζύμων, ed. cit. 389 C: Ίουδαιόφρονες 'Αρμένιοι καί
Ίακωβΐται.
Der Azymenstreit · 107

Auch in den Katalogen der lateinischen Irrtümer, in denen der alttestamentliche Ur-
sprung des ungesäuerten Brotes keine ausführliche Erörterung findet, wird über die
lateinische Eucharistie bemerkt, daß sie ein Kennzeichen des Judaisierens sei. Gerade
diese Motivation der Ablehnung der Azymenzelebration überlagert nicht selten alle
anderen Argumente in den Katalog-Schriften.
Man stößt auf keinen ausdrücklichen Protest gegen diese Argumentationslinie seitens
der griechischen Autoren, auch wenn einige auf dem Argument nicht insistieren oder es
sogar schweigend übergehen. Für die überwiegende Mehrheit der byzantinischen
Theologen ist der Vorwurf des Judaisierens gerade das entscheidende Argument gegen
den Gebrauch des ungesäuerten Brotes in der Eucharistie.

b. Das Einsetzungsargument
Mit dem ersten Argument ist ein zweites eng verknüpft, wonach Jesus das letzte
Abendmahl nicht mit ungesäuertem, sondern mit gesäuertem Brot begangen haben soll.
Diese Frage hängt, wie wir oben165 zeigten, unlösbar mit dem Problem zusammen, ob
das letzte Abendmahl ein jüdisches Passamahl war oder nicht. Die meisten byzantini-
schen Polemiker favorisieren die johanneische Chronologie und sind der Ansicht, daß
das jüdische Passa auf den Tag der Kreuzigung Jesu fiel. Das Einsetzungsargument ist
jedoch nicht mit der Frage nach dem Datum des letzten Mahles Jesu, also mit der Dis-
krepanz zwischen der synoptischen und der johanneischen Chronologie identisch. Die
griechischen Autoren sahen es als ihre Hauptaufgabe, zugunsten dessen zu argumentie-
ren, daß Jesus bei der Einsetzung der Eucharistie, also beim letzten Abendmahl, in je-
dem Fall gesäuertes Brot verwendet habe. Der von Jesus vollbrachte Ritus war die Ein-
setzung eines prinzipiell neuen Mysteriums und nicht die Feier des jüdischen
Passamahles; deswegen habe er gesäuertes Brot verwendet. Man legte den Akzent dar-
auf, daß Jesus, an welchem Tag er das letzte Abendmahl auch immer feierte, nicht das
jüdische Pascha, sondern das neue, christliche Mysterium der Eucharistie vollzogen hat.
Dieses Mysterium wollte er nicht mit der alten, gesetzlich vorgeschriebenen Materie,
den Azymen, einsetzen, sondern verwendete dafür gesäuertes Brot. So verweist Leon
von Achrida in seinem ersten Brief nirgends auf die Chronologie des Johannesevangeli-
ums, hebt aber zugleich hervor: „Christus ließ sich, damit er nicht gottlos erscheine,
beschneiden und beging zunächst das alttestamentliche Pascha. Damals jedoch [am
Donnerstag der Karwoche] hörte er auf, jenes [alttestamentliche] Pascha zu feiern, und
setzte ein neues, unser Pascha ein"166. Auch andere Autoren sprechen sich in dem Sinne
aus, daß Jesus ein mystisches „eigenes Pascha" 167, das „Mysterium der göttlichen My-

165 S. 32-34.
166 LEON VON ACHRIDA, Επιστολή περί των άζΰμων καί τών σαββάτων, ed. cit. 56a, Z. 10-14:
το δ' ήμετερον πάσχα ό Χριστός έστιν, δς, ϊνα μη νομισθη άντίθεος, καί περιετμήθη και
το νομικόν πάσχα έτέλεσε πρότερον, είτα εκείνο καταπαύσας το ήμετερον έκαινούργησε.
108 Die ostkirchliche Herausforderung

stagogie"168 gefeiert habe. Niketas Stethatos resümiert seine Untersuchung über das
letzte Abendmahl folgendermaßen:
„Ihr [Lateiner und Armenier] sollt wissen, daß ihr weder von Christus noch von den Aposteln
das Essen und das Darbringen der Azymen übernehmen konntet, weil weder Christus, unser
Gott, zur Zeit seines Leidens die Azymen, die damals durch die Juden noch nicht vorbereitet
waren, im voraus aß, noch die Apostel euch das tradieren konnten, was sie selber nicht über-
nommen hatten"169.

Die Frage, was Jesus Christus im letzten Abendmahl gefeiert hat, wurde auch in frühe-
ren Werken der byzantinischen Literatur diskutiert, jedoch ohne die Beschaffenheit des
eucharistischen Brotes zu thematisieren. Die Diskussion dieser Frage, die ihren Nieder-
schlag in der Polemik mit den Quartodezimanern sowie in der Schrift des Joannes Phi-
loponos De paschate fand, erlangte aber eine große Bedeutung für die spätere Polemik
gegen das ungesäuerte Brot der Lateiner. Dem Umfang nach nimmt das Thema der
Einsetzung der Eucharistie und das damit verbundene Problem der österlichen Chrono-
logie den bedeutendsten Platz in den antiazymitischen Schriften ein.
Ein einziger byzantinischer Autor erhob einen Einwand gegen das Einsetzungsargu-
ment: Theophylaktos von Achrida. Auf diesen Ausnahmefall werden wir weiter unten
zu sprechen kommen170.

c. Das physische/etymologische Argument


Dieses Argument geht von der physischen Beschaffenheit des Brotes aus, das erst durch
den Sauerteig zum Brot wird, also notwendigerweise auf Sauerteig angewiesen ist.
„Nicht die Azymen hat der Herr genommen, mit ihnen Dank gesagt, sie gebrochen und
den Jüngern gegeben, sondern das Brot, wie dies die vier Evangelisten und der heilige
Apostel Paulus bezeugen"171. Das Wort άρτος, das in den neutestamentlichen Texten
gebraucht wird, weist nach Ansicht der byzantinischen Polemiker darauf hin, daß Jesus

167 NIKETAS STETHATOS, Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων περί ενζύμων και άζύμων 6, ed. cit.
145: τό οίκεΐον πάσχα.
168 PETROS VON ANTIOCHEIA, Epistola ad Dominicum Gradensem, ed. cit. 219a: παραδω τοις
μαθηταΐς της θείας μυσταγωγίας τό μυστήριον.
169 NIKETAS STETHATOS, Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων περί ένζυμων και άζύμων 7, ed. cit.
146: 'Ιστέ ουν, δτι άπό τοΰ Χρίστου ή των αποστόλων αύτοϋ τά αζυμα έσθίειν ή
προσκομίζειν ού παρελάβετε, επειδή οΰτε ό Χριστός αυτός ό θεός ημών κατά τον καιρόν
τοΰ πάθους αύτοϋ έφθασε φαγεΤν τά αζυμα μήπω παρά των 'Ιουδαίων έτοιμασθέντα
οϋτε οί απόστολοι παρέδωκαν ΰμΐν δπερ ού παρέλαβον.
170 Siehe S. 115.
171 NIKETAS STETHATOS, Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων περί ενζύμων και άζύμων 1, ed. cit.
139: ού γάρ άζυμον λαβών ό κύριος εύχαριστήσας έκλασε και τοις μαθηταΐς εδωκεν, άλλ'
αρτον, ώς οί τέσσαρες εύαγγελισταί και ό θείος Παΰλος μαρτυρεί ό απόστολος. Paral.
PETROS VON ANTIOCHEIA, Epistola ad Dominicum Gradensem, ed. cit. 214a, Z. 28-32.
Der Azymenstreit 109

nicht ungesäuertes, sondern gesäuertes Brot benutzt habe. Die griechischen Autoren
fuhren die Etymologie des Wortes άρτος auf das Verb αίρω („hochheben") und άρτιος
(„vollkommen") zurück, in dem Sinne, daß diese beiden Wörter den Teig charakterisie-
ren, aus dem gesäuertes Brot gefertigt wird. Es gehört also zur Substanz, zum Wesen
des Brotes, gesäuert zu sein. Ungesäuerte Azymen sind demnach prinzipiell kein Brot.
Ausdrücklich gegen dieses Argument spricht sich als einziger Theorianos aus .

d. Das typologische/symbolische Argument


Der Begriff αντίτυπα, der in der griechischen Theologie der patristischen und mittelal-
terlichen Zeit häufig in Bezug auf die eucharistischen Gestalten verwendet wurde, ist
der Schlüsselbegriff zum Verständnis des vierten Argumentationsstranges. Das Argu-
ment geht davon aus, daß es zwischen der physischen Beschaffenheit des Brotes, das in
der Eucharistie dargebracht wird, und dem Leib Christi eine gewisse Entsprechung und
symbolische Ähnlichkeit geben muß: Das Brot als physische Substanz repräsentiert den
Leib Christi und ist daher sein άντίτνπον113. Dabei legten die byzantinischen Polemiker
Wert darauf, daß ausschließlich gesäuertes Brot die Funktion einer symbolischen
Repräsentation ausüben kann. Ungesäuertes Brot passe nicht dazu, seine physische
Beschaffenheit widerspreche dieser Funktion.
Warum nun ist das gesäuerte Brot als Symbol für den Leib Christi geeigneter als das
ungesäuerte? Wir erwähnten bereits, daß dem ungesäuerten Brot, aber auch dem Sau-
erteig bereits im Neuen Testament bestimmte symbolische Qualitäten zugeschrieben
wurden. Die Polemiker des 11. Jahrhunderts fügten diesen alten Interpretationen des
Sauerteigs noch eine Eigenschaft hinzu. Der Sauerteig „belebt" und „erwärmt den Teig
mit einer gewissen lebendigen Kraft"174, so daß das Brot, das dadurch entsteht, „be-
seelt" sei175. Demgegenüber sei, „wie die Natur der Dinge selbst zeigt", das ungesäuerte

172 S. unten, S. 115-116.


173 Das Wort άντίτυπον begegnet bereits in der neutestamentlichen Literatur, s.: 1 Petr 3, 21, in der
Bedeutung einer irdischen Repräsentation der himmlischen Realität. Zum Ende der patristischen
Epoche hat sich der Gebrauch des Plur. αντίτυπα in Bezug auf die eucharistischen Gestalten
verfestigt. In der späteren Literatur wurde besonders streng darauf geachtet, daß der Begriff aus-
schließlich auf die Gestalten vor der Konsekration gebraucht wird: Nach der Konsekration seien
die Elemente nicht mehr αντίτυπα, sondern wahrer Leib und wahres Blut Christi. Die frühere
Literatur traf diese deutliche Unterscheidung noch nicht. S.: PGL 159; SOPHOCLES 190-191.
Unter den antiazymitischen Polemikern hat besonders NKETAS STETHATOS das Wort intensiv
gebraucht, s.: Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων περί ένζυμων και άζύμων, ed. cit. 139. 140.
150. 151.
174 NIKETAS STETHATOS, Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων περί ένζυμων και άζύμων 3, ed. cit.
141: Προκαταβληθεϊσα γαρ ή ζύμη εν τ φ φυράματι τοΰ αλεύρου και συμφυραθεΐσα
αύτω και κατά τό δλον ζύμη άποτελεσθεΤσα δυνάμει τινί ζωτική έκθερμαίνει αυτήν και
κινητήν οία δη ζώσαν εργάζεται.
175 Ebd.: έμψυχος έστιν ή ουσία τοΰ ημετέρου φυράματος.
110 Die ostkirchliche Herausforderung

Brot „unbeseelt"176: „Es gibt keine lebendige Kraft in den Azymen, weil sie tot sind"177.
Die Wurzeln dieser Vorstellungen könnten sich womöglich bei den mittelalterlichen
Physiologen finden178; einen konkreten Anhaltspunkt dafür liefert Albert der Große, der
auf eine zoologische Schrift des Aristoteles als mögliche Quelle der byzantinischen
Ansichten verweist179.
Nur die Eucharistie mit gesäuertem Brot garantiere die symbolische Entsprechung
des physischen Elementes zum beseelten Leib des Herrn. Weil das gesäuerte Brot selbst
„beseelt" sei, ist es geeignet, zum άντίτυπον des Leibes Christi zu werden, der mit einer
menschlichen Seele beseelt ist. Umgekehrt bedeutet dies: Wer für das άντίτυπον des
Leibes Christi ungesäuertes, daß heißt „unbeseeltes", Brot nimmt, verstößt gegen die
Entsprechung von Symbol und Symbolisiertem: Der Leib Christi bleibt in diesem Fall
„seelenlos", also „leblos".
Aus diesem Gedankengang werden weitreichende Schlüsse bezüglich der Rechtgläu-
bigkeit der Lateiner gezogen. Eine alte christologische Häresie aufgreifend wirft man
ihnen Apollinarianismus vor. Da die Lateiner die Eucharistie mit Azymen feiern, leug-
nen sie, daß Jesus Christus einen Leib angenommen hat, der mit einer menschlichen
Seele beseelt war180. Leon von PerejaslavP wirft den Lateinern aus dem gleichen Grund
Nestorianismus vor181; bei Joannes II. von Kiev werden die Lateiner sogar der Häresien
von Mani, Valentinos, Apollinarios, Paulos von Samosata, Eutychios, Dioskoros, Ser-
gios und Pyrrhos beschuldigt182. Wie auch immer: Für die byzantinischen Polemiker

176 Ebd.: τό γαρ αζυμον δήλον και αψυχον, ώς καί αύτη των πραγμάτων ή φύσις
έκδηλότερον έκδιδάσκει. LEON VON PEREJASLAVL', Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί
των άζύμων 13, ed. cit. 93: αζυμος <...> ήτοι αζωος.
177 NIKETAS STETHATOS, Κατά 'Αρμενίων καί Λατίνων περί ένζυμων και άζύμων, ed. cit. 142:
έν τοις άζύμοις ουδεμία τις έστι δύναμις (νεκρά γάρ είσιν).
178 Das vermutet ERICKSON, Leavenedand Unleavened 162, Anm. 35.
179 Dazu s. unten, S. 152-153, Belegstellen: Anm. 178 und 179.
180 NIKETAS STETHATOS, Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων περί ένζυμων καί άζύμων 13, ed. cit.
151-152: ίστέον <...>, δτι αζυμον κατέχοντες εις την 'Απολλιναρίου <...> περιπίπτετε
αϊρεσιν. εκείνος γάρ σώμα μόνον αψυχόν τε καί άνουν είπε παραλαβεΐν τον Χριστόν εκ
της αγίας παρθένου Μαρίας, δπερ εστί νεκρόν. καί οι τά αζυμα ετι έσθίοντες εις
άντίτυπον τοϋ σώματος του Χρίστου, νεκράν έσθίουσι σάρκα, καί ού ζωσαν. ή γάρ
προζύμη αντί ψυχής τω φυράματι γίνεται, τό δέ αλας αντί νοός· α μη έχον τό αζυμον
νεκρόν καί μωρόν έστι, νεκρούς καί μωρούς ποιοΰν τους έσθίοντας καί ώς τό άναίσΟητον
έμπίπτειν αυτούς εις την τοΰ 'Απολλιναρίου καί αϊρεσιν. S. auch: PS.-ATHANASIOS, Περί
των άζύμων, ed. cit. 1328 B-C.
181 LEON VON PEREJASLAVL', Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί των άζύμων 13, ed. cit. 93: ό
τρώγων τά άζυμα θεόν καί άνθρωπον τόν Χριστόν ούχ ομολογεί, οΰτε τήν σάρκα τούτου
τεθεωμενην δοξάζει- ψιλόν δέ άνθρωπον κατά τόν φρενοβλαβή Νεστόριον δογματίζει
την ποιητήν τοΰ παντός· καί ούαί αϋτψ, ώς καί τοις άφροσιν Ίουδαίοις.
182 JOANNES VON KIEV, Επιστολή προς Κλήμεντα πάπαν 'Ρώμης, ed. cit. 10: ει δέ λέγετε διά
τοΰτο τό αζυμον έπιτελεΐν, διά τό αμιγές ένύλου παντός καί καθαρόν τής θεότητος,
Der Azymenstreit - 111

war der Gebrauch von Azymen keine Nebensächlichkeit, sondern zielte in das Zentrum
des christologischen Bekenntnisses, insofern die hypostatische Union eine konsequente
Fortsetzung im eucharistischen Sakrament erfahrt.
Unter den byzantinischen Polemikern hat dieses Argument niemand konkret abge-
lehnt, auch wenn es nicht alle explizit herangezogen haben. Eine Schlüsselrolle nimmt
diese Argumentationslinie bei Niketas Stethatos ein, von wo aus sie eine umfangreiche
Wirkungsgeschichte gewinnt, dabei aber an Schärfe und Deutlichkeit verliert. Eine Spur
dieser Wirkungsgeschichte ist der wiederkehrende Vorwurf des Apollinarianismus, der
in den späteren Katalog-Schriften, nicht selten ohne jegliche theologische Begründung,
ausgesprochen wird.

3. Theologische Schlußfolgerungen der Byzantiner

Welche sakramententheologischen und ekklesiologischen Schlußfolgerungen haben die


byzantinischen Polemiker aus ihrer Ablehnung der Azymenzelebration gezogen? Diese
Frage ist nicht leicht zu beantworten183, da die antiazymitische Polemik insgesamt einen
unsystematischen und keinesfalls streng rationalen Charakter hatte. Die polemischen
Aussagen der Byzantiner unterscheiden sich wesentlich von der nüchternen systemati-
schen Argumentation, die wir später bei den Scholastikern beobachten werden. Die
Polemik vermeidet, ja verwischt absichtlich den strengen, klaren Begriff. Sie zeigt in
der Regel nur die „Tendenz" und verweist uns auf die „Stimmung". Von ihr unbesehen
theoretischen oder streng dogmatischen Charakter zu erwarten, hieße ihre Regeln und
Absichten zu verkennen.
Die gesamte antiazymitische Polemik ist in erster Linie eine In-Frage-Stellung der
eucharistischen Verwendung des ungesäuerten Brotes. Positiv gewendet heißt dies, die
Polemik unterstreicht, daß man nicht mit Azymen, sondern ausschließlich mit gesäuer-
tem Brot zelebrieren dürfe. Alle weiteren Schlußfolgerungen hängen von der Intensität
der antilateinischen Stimmung der Autoren bzw. Kompilatoren ab. Der am häufigsten
anzutreffende theologische Vorwurf ist der Häresievorwurf, der von „Judaisieren" bis
hin zu „Apollinarianismus" reichte. Bezüglich des Sakraments selbst hat man kaum
eindeutige Schlußfolgerungen gezogen. Aber eine ganze Reihe von scharfen Beschuldi-

λανθάνετε εμπίπτοντες εις την αΐρεσιν των αρχαίων αιρετικών Ούαλεντίνου και
Μανέντος- ετι δέ 'Απολιναρίου τοΰ Λαοδικέως καί Παύλου τοΰ Σύρου τοΰ Σαμοσατέως,
Ευτυχούς, Διοσκόρου, Σευήρου, των επί της αγίας έκτης συνόδου άναφυέντων
μονοθελητων Σεργίου, Παύλου, Πυρρού και τών σΰν αύτοΤς. Έν τούτοις γάρ απασιν
επνευσεν ό διάβολος, καί πάντων σχεδόν ή αΐρεσις μία, αρνουμένων την τελείαν
ένανθρώπησιν καί καθ'ύπόστασιν τοΰ ενός Σωτηρος Χριστοί), τοΰ άληθινοΰ Θεοΰ ήμων.
Slav. Übers.: DERS., Karchiepiskopu rimskomu ob opresnocech, ed. cit. 34.
183 Vgl.: JUGIE, Theologia dogmatica I 314-319, „Utrum Michael Caerularius et polemistae graeci
saeculi XI validitatem consecrationis in pane azymo negaverint".
112 Die ostkirchliche Herausforderung

gungen gibt Anlaß zu der Vermutung, daß auch die Gültigkeit des mit Azymen vollzo-
genen Sakraments zumindest implizit in Frage gestellt wurde. Nach Niketas Stethatos
nehmen die Lateiner und die Armenier, wenn sie die Eucharistie mit ungesäuertem Brot
feiern, „den toten Leib, und nicht den Leib des lebenden Christus" zu sich. „Was kann
abstoßender sein als das, daß ihr den toten Leib eßt ähnlich wie jene Hunde, die Kada-
ver fressen?"184. Leon von PerejaslavP sagt: „Derjenige, der nicht den lebendigen Leib
Christi kostet, sondern die toten Azymen, wird nicht leben"185. Patriarch Germanos von
Konstantinopel leugnet ausdrücklich die Wandlung der Heiligen Gaben bei den Latei-
nern: „Falls [dir] ein Lateiner sagt, daß die konsekrierten [Azymen] zum Leib Chrsiti
werden, [so antworte ihm:] Wie wird das konsekriert, was bei Gott verhaßt und als un-
vollkommen verworfen ist?"186. Die lateinische Relatio der vier Mendikanten über die
Disputation mit den Griechen unter der Leitung des Patriarchen Germanos II. in Nikaia
und Nymphaion im Jahre 1234 berichtet, daß die griechische Seite sich eindeutig in
dem Sinne geäußert habe, daß die Zelebration mit Azymen unmöglich sei. Auf die Fra-
ge der Mendikanten, ob dies de jure oder nullo modo gemeint ist, lautete die Antwort:
Nullo modo. Die griechischen Patriarchen, die auf dem Konzil in Nymphaion anwesend
waren, bestätigten diese Meinung mit den Worten: „Dies ist unser Glaube, so glauben
wir"187. Die Autoren des 13. Jahrhunderts, zu denen auch Germanos gehört, werden in
ihrer Verwerfung der Azymen immer intoleranter. Diese Tendenz läßt auf eine Ver-
schärfung in der weiteren Entwicklung schließen, bis man im 14. Jahrhundert dem
vielleicht klarsten und eindeutigsten Bestreiter der Gültigkeit der lateinischen Euchari-
stie begegnet: Matthaios Angelos Panaretos188.
„Wir glauben, daß der Heilige Geist nicht auf eure Gaben herabkommt, so daß sie zum Leib
und Blut werden, sondern sie bleiben ungesäuertes Brot und Wein"189.

184 NKETAS STETHATOS, Κατά 'Αρμενίων καί Λατίνων περί ενζύμων και άζύμων 13, ed. cit.
152: νεκράν, ϊστε, σάρκα έσθίετε, καί ού ζώντος Χρίστου <...> Καί τούτου τι αν γένοιτο
ύμΐν χαλεπώτερον, σάρκα έσθίουσιν αψυχον καί κυσΐν έοικόσι τοις τ ά νεκρά έσθίουσι
πτώματα; Vgl. NKIFOR VON Kmv, Napisanie na latinu ko knjazju, ed. cit. 79: IDKC oiuiaTKH
aaymHH, HKO neu, Mpyrb, a He XHBV Hflymen IDIOTB.
185 LEON VON PEREJASLAVL', Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί των άζύμων 3, ed. cit. 77: ό
μη τρώγων αύτοΰ την ζωσαν σάρκα, τά άζυμα δε τά νεκρά, ού ζήσεται.
186 GERMANOS VON KONSTANTINOPEL, Fragment, ed. cit. 430: ει δε λε'γει ό Λατίνος δτι αγιάζεται
καί γίνεται σώμα Χρίστου, πως τό μισοϋμενον παρά τοϋ θεοΰ καί άποστρεφόμενον ώς
κολοβόν άγιασθή σεται;
187 GOLUBOVICH, Disputatio 453^54; den Wortlaut s. unten, S. 276 Anm. 136.
188 Zu Panaretos s. LMA VI 1651 (PRINZING); LThK3 Vü 1309-1310 (FAILLER); BECK, Kirche
744-745; Risso,MatteoAngeloPanareto 8 (1914) 91-105. 162-179. 231-237. 274-290; JUGIE,
Theologia dogmatica I 446-448; PODSKALSKY, Theologie und Philosophie 210. Fünf seiner
anü'lateinischen Traktate sind ediert in: Risso, Matteo Angela Panareto.
189 PANARETOS, Κατά των λατινικών άζύμων άνασκευαστικός λόγος 59, ed. cit. 11/12 (1916)
156: πιστεύομεν ώς ούκ έπιφοιτςί τό πανάγιον Πνεΰμα τοΤς ύμετεροις, Λατίνοι, δώροις,
Der Azymenstreit 113

Vielleicht noch interessanter sind die Konsequenzen, die die Byzantiner für den Um-
gang mit den Lateinern gezogen haben. Die Ablehnung der Azymen wurde zu einem
der wichtigsten Gründe, die das negative Bild der Lateiner bestimmten. So formuliert
ζ. Β. Joannes Oxeites von Antiocheia seine Sicht der Azymenkontroverse folgenderma-
ßen:
„Die Frage nach den Azymen ist die wichtigste Ursache der Spaltung zwischen uns [Griechen]
und ihnen [Lateinern]. <...> Die Azymenfrage enthält ja die Summe der christlichen Religi-
on- 190 .

Schon Kerullarios hatte die Ansicht geäußert, daß die Lateiner infolge ihres Abfalls
vom richtigen Glauben und der richtigen Lebensweise nicht zu den Rechtgläubigen
gerechnet werden dürfen. In seinem Katalog lateinischer Irrtümer in dem Brief an Pe-
tros von Antiocheia schreibt er:
„Solange sie also auf diese Weise leben und von solchen Sitten durchdrungen sind und es wa-
gen, ausdrücklich Verbotenes, Unzulässiges und Unpassendes zu begehen, dürfen sie dann von
denen, die richtig urteilen, zu den Rechtgläubigen gerechnet werden? Ich glaube nicht"191.

Besondere Schärfe kennzeichnet auch eine Reihe späterer Schriften aus der zweiten
Hälfte des 12. und aus dem 13. Jahrhundert. So belehrt Feodosij Grek den Fürst Izjas-
lav, sich an die Lateiner mit folgenden Worten zu wenden:
„Indem ihr die apostolischen Gebote und die Überlieferung der heiligen Väter ablehntet, habt
ihr eine Irrlehre und einen verdorbenen Glauben angenommen, einen Glauben, der voller Ver-
derbnis ist. Deswegen seid ihr auch von uns verworfen, deswegen dürfen wir mit euch keine
Gemeinschaft haben und zusammen mit euch nicht zu den Heiligen Mysterien gehen, so daß
weder ihr zu unserem Gottesdienst kommen dürft, noch wir zu eurem, weil ihr mit dem toten
Leib zelebriert, und des Herrn als Toten gedenkt. Wir aber feiern unsere Liturgie mit dem le-
bendigen Leib, wir schauen den Herrn selbst, der lebt und zur Rechten des Vaters sitzt. <...>
Ihr seid tot, Lateiner, und ihr bringt das tote Opfer dar. Wir aber bringen dem lebendigen Gott

ώστε μεταβάλλειν αυτά είς σόδμα καί αίμα τοΰ Χρίστου, μενουσι δε οϋτως, αζυμος άρτος
και οίνος.
190 JOANNES OXEITES VON ANTIOCHEIA, Λόγος περί των άζύμων προς τον Άνδρινουπολίτην 2,
ed. cit. 245 [113]: Τό γαρ μάλιστα της προς εκείνους διακρίσεως ήμΐν αίτιώτατον, τό περί
τών άζύμων εστί <...> Τό δε των άζύμων περί αυτό μεν τείνει της ευσέβειας τό κεφάλαιον.
Vgl. zu dieser Aussage: WARE, Eustratios Argenti 113; ERICKSON, Leavened and Unleavemd
157.
191 MICHAEL KERULLARIOS, Epistola I. ad Petrum patriarcham Antiochenum 14, ed. cit. 183a:
οϋτω τοίνυν βιοΰντες καί τοιούτοις εθεσιν έντεθραμμένοι καί τά προδήλως αθέμιτα καί
άπηγορευμένα τολμώντες καί αποτρόπαια, εν ορθοδόξων δλως μοίρα τοις ευ φρονοϋσι
τετάχθαι δόξουσι; ούκ εγωγε οΐμαι. '
114 Die ostkirchliche Herausforderung

ein lebendiges, reines und unbeflecktes Opfer dar, und wir werden das ewige Leben erlangen.
Es ist ja geschrieben: »Jedem wird nach seinen Werken in Christo vergolten«"192.
Feodosij Grek stand mit seiner scharfen Verurteilung der Lateiner nicht alleine. Auch
Metropolit Nikifor von Kiev kommt, nachdem er die lateinische Irrtümer aufgelistet hat.
zu dem Schluß: „Aus den genannten Gründen sowie aus vielen anderen haben wir die
Lateiner aus der heiligen Kirche ausgestoßen"193.

4. Tolerantere Ansichten: Petros von Antiocheia, Theophylaktos von


Achrida, Theorianos, Demetrios Chomatenos

Auch wenn man bei einzelnen Autoren Unterschiede in der Intensität ihrer Ablehnung
beobachten kann, so war doch die dominierende Tendenz der byzantinischen Polemik
eindeutig intolerant. Innerhalb der Vielzahl der Autoren, die über die Azymen schrie-
ben, finden sich jedoch vier Namen, bei denen man toleranteren Ansichten begegnet:
Patriarch Petros III. von Antiocheia, Erzbischof Theophylaktos von Achrida, Theoria-
nos Philosophos und Demetrios Chomatenos. Von diesen wiederum haben nur Theoria-
nos und Demetrios konsequent und eindeutig an einer duldsamen Haltung gegenüber
der Azymenzelebration festgehalten und alle vier hier vorgestellten Argumentationsli-
nien ausdrücklich oder implizit abgelehnt. Die beiden anderen Autoren waren zwar
etwas toleranter als die übrigen Polemiker, aber jeder von den beiden ließ doch keinen
Zweifel an seiner Meinung, daß die Azymen keine Opfermaterie sein dürften.
Petros von Antiocheia versuchte einen mäßigenden Einfluß auf Michael Kerullarios
auszuüben und riet ihm, er solle die Zelebration mit Azymen zulassen, auch wenn es
dafür keine Gründe weder aus der Einsetzung der Eucharistie noch in der kirchlichen
Überlieferung gebe, „damit wir, indem wir alles fordern, nicht alles verlieren

192 FEODOSIJ GREK, Poslanie ο vere latinskoj, ed. cit. 18: BBI ace OTpHHVBine nponoBeflamie
anocTOJibCKoe Η CBHTHX οτεΐΐ HcnparaeuHS, npuHcre HenpaBeanoe yieHBe Η Bepy
pa3BpameHy Η HcnojmeHy ΜΗΟΓΗΗ non>i6ejiH. Toro pafln Η ΟΤ Hac 6BicTe OTBepaceiiH. fla
ΤΟΓΟ paflH Η Hajvrb c Bainn HeflocTOHT cyacHTHa ΗΜβτκ; HH KB BO)KBCTBBHBIMB TaHHaMB
oßbiije c BaMH Ham. He npncTynaTH, HH BaMi> κ Hamen cnysKÖe, HH naMb KB Barnen,
3aHexe MepTBBiMB TejioMB cjiyacirre aKBi MepTBa Focnofla ΜΗΗΙΠΒ. Α MBI cnyacSy TBOPHM
TCJIOVTB; caMoro Focnofla aoiBa BHflsime Η oaecHyro Οτιρί ce^ama, Η naKBi
cyzjHTB >KHBBIMB Η ΜβρτΒΒΐΜΤ>. BBI ace ecre, ο jiaTHHHiie, MPBTBH, HJKC inpBTBy
cT>,n;eBaeTe. HaMT» XHBy Bory aoiBy acpBTBy, iMcrry Η Henopo4Hy npHHOcame,
>KHBOTB BeqbHbiH oßpecTH. TaKO 6o Η nncaHO ecTB: «BB3/iacTBca κοΜγχςαο no
HXb ο XpncTe».
193 NIKIFOR VON KIEV, Poslanie Vladimiru Monomachu ο vere latinskoj, ed. cit. 73: TexB
ΒΗΗΐ, Η ΗΗβΧΒ ΜΗΟΓΒ ΟΤΒρΒΓΟΧΟΜΤ> e OT CBSTHa
Der Azymenstreit 115

werden"194. Dabei nimmt er Bezug auf seinen Brief an Dominicus von Grado, in den er
einen ziemlich scharfen Traktat gegen die Azymen eingefügt hat, der wahrscheinlich
aus verschiedenen Vorlagen, vor allem aber aus Schriften des Niketas Stethatos, kom-
piliert ist. In diesem Traktat bedient sich Petras aller vier Argumentationslinien. Ein
einziges Mal läßt er auch in dem Brief an Dominicus von Grado Verständnis anklingen,
wenn er zugesteht, daß die Azymen einst doch erlaubt waren. Diese Erlaubnis sei je-
doch später aufgehoben worden195.
Ein moderater Gegner der Azymen war auch Theophylaktos von Achrida. Er ist der
Ansicht, daß Jesus am Gründonnerstag zunächst ein alttestamentliches Pascha gefeiert
und erst danach das Mysterium des eigenen Pascha eingesetzt habe, und zwar mit dem
Brot, das im Augenblick vorhanden war, nämlich mit ungesäuertem Brot196. Damit
widerspricht Theophylaktos als einziger dem Einsetzungsargument der byzantinischen
Polemiker. Erst später haben nach Theophylaktos die Apostel den Brauch des ungesäu-
erten Brotes geändert und begonnen, die Eucharistie mit gesäuertem Brot zu feiern. Der
Wechsel des Brauchs sei daran gelegen, daß man in apostolischer Zeit für die Euchari-
stie jenes Brot verwendet habe, das auch bei den üblichen Mahlzeiten gereicht wurde.
Diese seien aber für gewöhnlich nicht mit ungesäuertem, sondern mit gesäuertem Brot
zubereitet worden197. Nichtsdestoweniger hält Theophylaktos von Achrida an der Mei-
nung fest, daß die Zelebration mit gesäuertem Brot eindeutig zu bevorzugen sei und daß
dies durch die ganze Kirchengeschichte bestätigt werde198.
Theorianos im 12. und Demetrios Chomatenos im 13. Jahrhundert scheinen die ein-
zigen byzantinischer Autoren zu sein, die sich in der Sache der Azymen von allen ande-
ren Autoren klar unterscheiden. So erkennt Theorianos die Gleichberechtigung beider
Bräuche an. Gegen das „physische" Argument stellt er unmißverständlich fest, daß
beide Brotarten Brot sind und dazu geeignet, eucharistische Opfermaterie zu sein:
„Das heilige Brot ist, bevor es konsekriert wird, sei es ungesäuert oder gesäuert, auf gleiche
Weise Brot und wird auch Brot genannt durch die göttlichen Worte. <...> Nach der Konsekra-

194 PETROS VON ANTIOCHEIA, Epistola ad Michaelem Cerularium 22, ed. cit. 203a: δ δη και τήν
σήν θεοειδή μακαριότητα συναινώ καταδέξασθαι, ϊνα μη τό παν έκζητήσαντες τό παν
άπολήσομεν.
195 PETROS VON ANTIOCIEIA, Epistola ad Dominicum Gradensem 25, ed. cit. 227a: προς καιρόν
μεν συνεχωρήΟη τα αζυμα, δτι μεγάλη τις ην Εβραϊκή τότε εις Τώμην, καθώς ή βίβλος
των πράξεων των αποστόλων διασαφεί. "Επειτα δε ήνίκα καιρός, κατελύθη και ταΰτα.
196 'ftiEOPHYLAKTos VON ACHRIDA, Προσλαλία, ed. cit. 263: φαγεΐν δέ τό νομικόν πρότερον,
εΤτα και τό μυστήριον παραδοΰναι τοΰ κατ'αυτόν πάσχα τοις μαθηταΐς, δήλον ώς έκ τοΰ
παρευρεθέντος αρτου, εΰρητο δέ τηνικαΰτα αζυμος.
197 Ebd.: ϊσως δέ τις άκούων και της βίβλου τών πράξεων πολλαχοΰ μεμνημένης κλάσεως
αρτου, εΰρίσκων δέ ταύτό και παρά Παύλφ, τοιοΰτον είναι συλλογίσεται τον μυστικως
τότε κλώμενον οίος και προς τήν κοινήν βρώσιν προΰκειτο. ήσθίετο δέ οΰ πάντως ό
αζυμος, οΰτος γαρ ρηταΐς τισιν ήμεραις και θυσίαις άποκεκλήρωτο.
198 Ebd., 267.
116 Die ostkirchliche Heraurforderung

tion ist es aber nicht mehr ungesäuertes oder gesäuertes Brot, sondern der Leib des Herrn, und
nicht das eine gegen das andere. <...> Das Wort »Brot« bezeichnet eine Gattung und wird von
Gesäuertem und Ungesäuertem in gleicher Weise ausgesagt. Diese beiden sind lediglich Ar-
ten"199.

Außerdem ermahnt Theorianos die Adressaten seines Briefes, die griechischen Mönche,
die Lateiner als Brüder im gleichen Glauben anzusehen:
„Liebt die Lateiner als eure Brüder, sie sind rechtgläubig und Kinder der katholischen und
apostolischen Kirche wie wir. Die Fragen [über die Azymenl - falls es denn überhaupt ir-
gendwelche geben sollte - berühren auf keinen Fall den Glauben. Alles ist gut, wenn wir es zu
Ehre Gottes tun. Weder die Gewohnheit der Lateiner noch unsere kennt Dinge, die gegen die
Angemessenheit und die Korrektheit verstießen, sondern sie sind von Gott so vorgesehen und
ersonnen. Denjenigen, die Verstand haben, ist also alles richtig, den Unverständigen aber
Skandalon und Ärgernis"200.

Ähnlich äußert sich auch Demetrios Chomatenos unmißverständlich für die tolerante
Sicht der lateinischen Azymen in seinen kanonischen Antworten an Konstantinos Kaba-
silas und an den serbischen Herrscher Stefan; dabei versucht er, seine Ansicht auf die
Autorität des Theophylaktos von Achrida zu stützen201.
Die wenigen Ausnahmen scheinen die allgemeine Intoleranz eher zu bestätigen als
zu relativieren. Auf dem Hintergrund der ca. vierzig antiazymitischen Schriften, die uns
heute bekannt sind, stehen der kurze Brief des Theorianos und die kanonischen Ant-
worten des Chomatenos ziemlich isoliert da202.

199 THEORIANOS, Επιστολή προς τους εν τη 'Ορεινή ιερείς, ed. cit. 61: ό θείος άρτος προ μεν
τοϋ άγιασθήναι, εϊτ'αζυμος εϊτ'ενζυμος ην, άδιαφόρως άρτος εστί τε και λέγεται προς
των θείων Λογίων <...>. μετά δε το άγιασθηναι οϋτε ένζυμος οϋτ'αζυμος, αλλά σώμα και
σαρξ τοΰ κυρίου ή αύτη, και ουκ αλλη άντ'άλλης. Ed. cit. 64: το γαρ άρτος δνομα, γένος
δν, τοϋ τε ενζύμου και άζύμου έπ'ϊσης κατηγορείται, ειδών δντων αΰτοϋ.
200 THEORIANOS, Επιστολή προς τους έν τη 'Ορεινή ιερείς, ed. cit. 56-57: αγαπάτε τους
Λατίνους αυτούς ώς συναδέλφους · ορθόδοξοι γάρ είσι και τέκνα της καθολικής και
αποστολικής εκκλησίας ώσπερ ήμεΐς. αϊ γάρ ζητήσεις αύται συνήθεις, ει τινές είσι, τής
πίστεως μηδαμως καθαπτόμεναι. πάντα γάρ καλά εάν εις δόξαν Θεοΰ ποιωμεν αυτά.
ουδέν γάρ οΰτ'έν τη των Λατίνων εκκλησιαστική συνήθεια οϋτ'έν ημετέρα εξω τοΰ καλοϋ
ή τοΰ πρέποντος εϊληφεν ή κρατεί, αλλά θειοτέρου εϊχοντο σκοποΰ και νοήματος, τοις
οΰν έχέφροσι πάντα ορθά, τοις δε μη τοιούτοις σκάνδαλόν τε καί πρόσκομμα.
201 S.: PITRA, Analecta VI 629-630 und 693-698.
202 Sonderbarerweise ist Theorianos bei anderen Punkten wie dem Sabbatfasten und dem Bartrasie-
ren nicht mehr so tolerant wie in der Azymenfrage. Nichtsdestoweniger kann man die versöhnli-
chen Ansichten des Theorianos als Vorläufer jener geistigen Strömung in Byzanz ansehen, die
in der späteren Zeit zu mehreren Konversionen zur römischen Kirche geführt hat (wie z. B. bei
Manuel Kalekas), sowie zur Bildung einer „lateinerfreundlichen Partei" (λατινόφρονες) unter
den griechischen Intellektuellen. Diese geistige Strömung trat jedoch erst im 14. Jahrhundert in
Erscheinung.
Der Azymenstreit .

IV. Die Polemik der Lateiner


1. Ein Überblick über die Literatur
Wie bereits in unserer Untersuchung der byzantinischen Literatur, wird auch der fol-
genden Erörterung ein Verzeichnis jener Werke lateinischer Autoren vorangestellt, die
sich vom 11. bis zum 13. Jahrhundert mit der Azymenfrage auseinandersetzten1. Die
gesamte lateinische Literatur, die in diesem Zusammenhang entstand, läßt sich in zwei
Kategorien unterteilen.
Zur ersten Kategorie zählen jene Werke, deren Hauptzweck ein bewußt polemischer
ist. Zu diesen Schriften gehören die Nr. 1-4, 6, 9-10, 13, 17, 21-23, 32, 35-37, 40-41
des folgenden Verzeichnisses. Das sind die Schriften, die unter dem Titel Contra
Graecorum errores oder ähnlich überliefert sind, aber auch Berichte über Disputationen
mit den Griechen, gelegentliche Briefe, deren Ziel es ist, den Adressaten mit Argumen-
ten gegen die Griechen zu versehen, sowie Abhandlungen, die eine unmittelbare Ant-
wort auf eine griechische polemische Schrift darstellen. Nur zwei von diesen Schriften
sind vollständig der Azymenfrage gewidmet (Nr. 6 und 10), eine weitere Schrift fast
vollständig (Nr. 9). Die übrigen behandeln neben den Azymen auch andere Streitfragen
und kommen ihrer literarischen Form nach den byzantinischen Schriften κατά των
Λατίνων am nächsten. Der bedeutende Unterschied liegt jedoch darin, daß die lateini-
schen Schriften der Azymenproblematik im Vergleich zu anderen Streitfragen einen
viel bescheideneren Platz einräumen, als dies in den griechischen Schriften „gegen die
Lateiner" der Fall ist. Außerdem gibt es im lateinischen Bereich so gut wie keine aus-
schließlichen Irrtumskataloge, lediglich die Nr. 23 kommt dem Katalog-Typus am
nächsten; in aller Regel überwiegt bei ihnen die theologische Diskussion.
Zur zweiten Kategorie gehören Werke, die in keinem Zusammenhang mit der Pole-
mik gegen die Griechen stehen; hierunter fallen die Nr. 5, 7-8, 11-12, 14-16, 18-20,
24-31, 33-34, 38-39, 4 2 ^ 9 des Verzeichnisses. Die Intention dieser Werke ist primär
unpolemisch, sie sind zumindest nicht gegen die Griechen gerichtet. Vielmehr verfol-
gen diese Schriften andere Ziele und sind primär anderen Themen und Fragenkomple-
xen gewidmet. Die Frage des eucharistischen Brotes und die Beziehung zu den Grie-
chen wird in diesen Werken nur nebenher berührt, vor allem illustrativ, aber auch
argumentativ. Das Thema der Azymen läßt sich angefangen von den Traktaten des
Typus De divinis offlciis (Nr. 11, 26) über die Meßkommentare {De sacro altaris
mysterio u. ä.: Nr. 5, 25, 28, 30) bis hin zu den sakramententheologischen Abschnitten
in den frühscholastischen Sentenzenbüchern und Summen (Nr. 16, 18, 27, 31), und

1 Dabei sollen die einschlägigen päpstlichen Dekretalien, die in der folgenden historischen Darstel-
lung angesprochen werden, vorerst unberücksichtigt bleiben.
118 Die ostkirchliche Herausforderung

schließlich bis hin zu den Quaestiones disputatae über die Sakramente (Nr. 33, 34) und
den Traktaten De sacratnentis in den hochscholastischen Sentenzenkommentaren und
Summen (Nr. 42-49) verfolgen. Neben den sakramententheologischen Werken werden
jedoch auch Texte herangezogen, deren Interesse in der für das Verständnis der Azy-
menfrage unentbehrlichen Problematik der consuetudo liegt (Nr. 15); damit befassen
sich auch einige kanonistische Texte (Nr. 20 und 24). Einige Schriften - so ein Traktat
aus dem sog. „Normannischen Anonymus" (Nr. 8) oder die Schrift des Gerhoch von
Reichersberg De eo, quodprineeps huius mundi iam iudicatus est (Nr. 14) - entstanden
vor dem Hintergrund des sog. „Investiturstreits" und zielen auf Gegner innerhalb der
lateinischen Kirche (Gerhoch gegen die Simonisten, der „Normannische Anonymus"
gegen die römischen Ansprüche auf die gesamtkirchliche Leitung). Da sie aber ihre
Polemik auch mit sakramententheologischem Gedankengut untermauern, kommt dabei
auch die Azymenproblematik zur Sprache. Ein Kapitel aus dem Historiographen Jakob
von Vitry (Nr. 30) wurde deswegen in das Verzeichnis aufgenommen, weil dieses Ka-
pitel eigentlich einen kleinen Sakramententraktat darstellt.
1. Dialogus, die erste lateinische Schrift nach dem Ausbruch des Azymenstreites, in
der auf die liturgischen Streitfragen eingegangen wird2. Die Schrift wird in der
neueren Forschung als „Gemeinschaftswerk der Legaten" bezeichnet, das unter der
federführenden Rolle Kardinals Humbert von Silva Candida im Jahr 1054 verfaßt
wurde3.
2. Responsio sive Contradictio adversus Nicetae Pectorati libellum4. Die Antwort der
Legaten auf die Dialexis des Niketas Stethatos5, verfaßt im Jahr 1054.
3. Anonymes Fragmentum disputationis adversus Graecos, das wahrscheinlich noch
im Jahre 1054 oder kurz darauf entstanden ist6.
4. Patriarch Dominicus von Grado: Brief an Petras von Antiocheia 1053/547. Dieses
Dokument ist nur in der griechischen Version erhalten.

2 Gedruckt bei WILL 93-126 und PL 143,931-974.


3 So DISCHNER, Humbert 58; s. auch BLUMENTHAL in IRE XV 684 Ζ. 2-Λ. Zum Datum und Ort der
Abfassung des Dialogus gehen die Meinungen der Forscher auseinander. Anton MICHEL,
Humbert und Kerullarios 152-53, ist der Ansicht, daß Humbert diese Schrift noch in Italien Ende
1053-Anfang 1054 vor der Abreise nach Konstantinopel zusammenzustellen begann; HOESCH,
Die kanonischen Quellen 13, beruft sich auf die Angabe des „Briefbuches des Kardinal Humbert"
und ist der Meinung, die Abhandlung sei erst in Konstantinopel während der Legation 1054
entstanden.
4 Gedruckt in: WILL 136-150, und PL 143,983-1000.
5 S. oben, S. 99, Nr. 30a.
6 Gedruckt in WILL 254-259 (zur Azymenfrage: 256a Z. 34 - 258a Z. 12) und in MICHEL, Die
Accusatio des Kanzlers Friedrich 162-171. Michel wies dieses Fragment dem Kanzler Friedrich
von Lothringen, einem der drei päpstlichen Legaten von 1053/54, zu.
7 Gedruckt bei WILL 205-208; zur Azymenfrage: 207-208.
Der Azymenstreit 119

5. Petrus Damiani (*1007, f 1072)8: Expositio canonis missae, verfaßt zwischen 1054
und 10729.
6. Laycus von Amalfi: Epistola missa Sergio ctbbati ad defendendum se de azymis
contra Graecos, nach dem Urteil Anton Michels verfaßt um 107010.
7. Bonizo von Sutri: Libellus de sacramentis, verfaßt in den achtziger Jahren des
11. Jh.11
8. Traktat J 18 {De consecratione sacerdotis) des „Normannischen Anonymus",
verfaßt um 110012.
9. Anselm von Canterbury (*1033, f 1109): Epistola de sacrificio azymi etfermentati,
verfaßt 1106/713. Der Anlaß für das Schreiben war eine Anfrage des Bischofs
Walram von Naumburg, der Anselm um Argumente bat, um die lateinische Kirche
gegen die Angriffe gewisser „zu ihm gekommener Griechen" zu verteidigen14.
10. Bruno von Segni (f 1123): Argumentum de sacrificio azymo ad Leonem Monachum,
verfaßt ca. 1 HO15. Dieser Brief stellt eine etwas gekürzte Rezension des Schreibens
des Laycus von Amalfi (Nr. 6) dar. Abgesehen vom geänderten Adressatennamen
und einigen Auslassungen stimmen die beiden Texte fast völlig überein16.
11. Rupert von Deutz (*1075/80, fl 129/30): De divinis offieiis, verfaßt vor 113017

8 Bei den bekannten Namen wie Petrus Damiani und Anselm von Canterbury, aber auch bei den
Klassikern des 13. Jahrhunderts wie Thomas von Aquin, Bonaventura usw., in deren vielseitiger
literarischer Produktion die Azymenproblematik nur einen kleinen Ausschnitt darstellt, wird auf
eine umfassende Bibliographie verzichtet. In Einzelfallen werden jedoch Publikationen erwähnt,
die sich speziell zum Thema äußern.
9 Text gedruckt in: PL 145,879-892; zur Azymenfrage: 881 A-B.
10 Text in: MICHEL, Amalfi und Jerusalem 35^17. Hier auch eine textkritische Einführung in die
Edition: 5-34. Vgl. oben, S. 102, Nr. 39.
11 Text ediert in: BERSCHIN, Bonizo von Sutri 147-160; zu den Azymen: 154. Zu Bonizo s.: LMA I
424-425 (GOEZ); BERSCHIN, Bonizo von Sutri.
12 Text ediert in: PELLENS (Hg.), Die Texte des Normannischen Anonymus; zu den Azymen S. 106.
Zum Problem des Normannischen Anonymus (in der früheren Literatur „Anonymus von York"
genannt) s: BAER, Studien (1966); HARTMANN, Beziehungen (1975); REYNOLDS, The Unidenüfied
Sources (1969); NINEHAM, The So-Called Anonymous (1963); LMA I 673-674 (CLASSEN).
13 Text in: ANSELM VON CANTERBURY, Opera omnia, hg. F. S. SCHMITT, Π 223-232.
14 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacrificio azymi, ed. cit. 223: „...ad defensionem veritatis,
quam contra Graecos qui ad vos venerunt quaeritis...". Zum Briefs, auch: SCHMITT, Eine dreifa-
che Gestali.
15 Text in: PL 165, 1085-1090. Zu Bruno von Segni s.: LMA Π 791-793 (ARNALDI); GREGOIRE,
Bruno de Segni, zum Argumentum: 102-104.
16 Ausführlich zum Problem des Verhältnisses der beiden Texte s.: MICHEL, Amalfi und Jerusalem.
17 Zur Azymenfrage: lib 2, cap 22; Text hg. von HAACKE in: CChr.CM VII 52-56. Zu Rupert von
Deutz s.: LMA VII 1107 (BEINERT); ARDUINI, Rupert (1987; Bibliogr.); zur Bedeutung Ruperts
für die Ostkirche: ODB 1818 (MCCORMICK), jedoch ohne Hinweis auf die Behandlung der Azy-
men in De divinis offieiis.
120 Die ostkirchliche Herausforderung

12. Alger von Lüttich (f 1131/32): De sacramentis corporis et sanguinis Domini,


verfaßt vor 113018.
13. Petrus Diaconus (*1107 oder 1110, fnach 1159): Altercatio pro Romana Ecclesia
contra Graecum quendam19. Hier wird die Azymenfrage anhand ausfuhrlicher Zi-
tate aus den Schriften der Legaten von 1053/54 angesprochen.
14. Gerhoch von Reichersberg (*1092/93, f 1169): Libellus de eo, quodprinceps mundi
huius iam iudicatus est, verfaßt zw. 1135 und 114020.
15. Petrus Venerabilis (*1092/94, fll56): Epistula 111 ad Bernardum aus dem Jahr
114421.
16. Summa Zwettlensis, die nach Vermutung von N. M. Häring von Magister Peter von
Wien vor 1150 verfaßt wurde22.
17. Anselm von Havelberg (*ca. 1099, fH58): Antikeimenon, verfaßt 1149/50. Die
Bücher 2 und 3 sind in Form eines Berichtes über eine Disputation des Autors mit
einem griechischen Erzbischof verfaßt23.
18. Magister Rolandus: Sententiae, verfaßt in den 1150er Jahren24.
19. Robert von Melun (f 1167): Quaestiones in epistulas Pauli, verfaßt 1150-115725.
20. Stephanus von Tournai (*1128, fl203): Summa über das Decretum Gratiani,
entstanden in den späten 50er Jahren des 12. Jh.26

18 Zur Azymenfrage: lib 2, cap 10; Text s. in: PL 180, 827 B-830 D. Zu Alger von Lüttich s.: LMA
1410-411 (L.OTT).
19 Text ediert von A. AMELLI in: Miscellanea Cassinese (1897) 10-32; zur Azymenfrage: 23-24. Zu
Petrus Diaconus s.: LMA VI1972-73 (DELLOMO); ODB 1641 (KAZHDAN).
20 Text hg. E. SACKUR in: MGH.LL ΠΙ237-272; zur Azymenfrage: 260. Zum Libellus s.: CLASSEN,
Gerhoch 408^09.
21 Ediert in: CONSTABLE (Hg.): The Letters of Peter the Venerable I 274-299; zur Azymenfrage:
279. Kommentar: ebd., Π 172-174. Zu Petrus Venerabilis s.: LMA VI 1985-1987 (BULST);
TORRELL / BOUTIHLLIER, Pierre le Venerable (1986).
22 Ediert in: HÄRING (Hg.): Die Zwettler Summe (1977) 138-215; zur Azymenfrage: 192-193. Zur
Autorschaft der Zwettler Summe s.: ebd., 2-9; zur Datierung: ebd., 9. Zu Peter von Wien
(f 1183): LMA VI1939 (COURTH); LThK3 VHI143-144 (SEIBERT).
23 Text in: BALUZE / MARTENE / DE LA BARRE (Hg.): Spicilegium I 161-207, und PL 188, 1159-
1248, zur Azymenfrage: lib 1, cap 2-19 (PL 1211-1241). Ausfuhrlich zu Anselm von Havelberg
und seinem Werk s. unten, S. 172-186; dort auch die einschlägige Literatur.
24 Ediert in: GIETL, Die Sentenzen Rolands (1891); zu den Azymen: 232. Magister Rolandus wurde
früher mit dem Papst Alexander HI. identifiziert Es wurde aber vor ca. 20 Jahren nachgewiesen,
daß es sich um eine eigene Persönlichkeit handelt, s.: NOONAN, Who Was Rolandus? (1977);
WEIGAND, Magister Rolandus (1980). Vgl. LMA I (1980) 372-373 (SCHWAIGER) mit LMA VD
(1995) 962 (WIEGAND).
25 Ediert in: R. Μ MARTIN, CEuvres de Robert de Melun Π (1938); zur Azymenfrage: S. 210. Zu
Robert von Melun s.: LMA VII 909 (COURTH); HORST, Die Trinitäts- und Gotteslehre 3-23.
26 Hg. J. F. von SCHULTE, Gießen 1891 (ND Aalen 1965); zur Azymenfrage: S. 1. Zur Datierung der
Summa: ebd., S. XIX-XX. Zu Stephanus von Tournai s.: LMA VHI 129 (ZAPP).
Der Azymenstreit 121

21. Gerhoch von Reichersberg: Tractatus contra Graecorum errorem, verfaßt zw. 1157
undll64 27 .
22. Epistola ad Redemptum des Pseudo-Isidorus28. Dieser Brief stammt, wie
J. R. Geiselmann eingehend gezeigt hat, kaum aus der Zeit vor 117029.
23. Leo Tuscus: De haeresibus etpraevaricationibus Graecorum, verfaßt zw. 1177 und
118130. Es ist eine der ganz wenigen lateinischen Schriften, die der Form nach einer
griechischen Katalogschrift nahestehen31.
24. Huguccio (fl210)32: Summa decretorum, beendet ca. 1188-119033.
25. Balduin von Canterbury (f 1190): De sacramento altaris, verfaßt vor 119034.
26. Sicard von Cremona (fl215): Mitrale, sive Summa de offieiis ecclesiasücis, verfaßt
vorll95 35 .
27. Petrus Cantor (f 1197): Summa de sacramentis et animae consiliis, verfaßt 1180—
119736.
28. Innozenz III. (Lothar von Segni, *1160/61, f 1216, Papst von 1198 bis 1216): De
missarum mysteriis (De sacro altaris mysterio), verfaßt zw. 1195 und 1197,
revidiert zw. 1208 und 121637.

27 Text in: GERHOCH VON REICHERSBERG, Opera hactenus inedita, hg. von F. SCHEIBELBERGER,
1341-377; zur Azymenfrage: 354. Zu dem Tractatus s.: CLASSEN, Gerhoch 424.
28 Gedruckt unter den Werken Isidors von Sevilla in: PL 83, 905-907.
29 GEISELMANN, Die Abendmahlslehre 9-163; zur Datierung bes. 162-163.
30 Gedruckt als Appendix zur Schrift des anonymen Dominikaners vom 1252 in: PG 140, 544 Α -
550 Β; zur Azymenfrage: 544 D - 545 A. Zu Leo Tuscus und zu seinem Bruder Hugo Etherianus
s.: DThC VE 308-310 (PETIT); DONDAINE, Hugues Etherien; LThK3 V 307 (VOLK); ODB 1218
(BRAND). Irreführend ist R. PEPPERMÜLLER in seinen beiden Artikeln zu Leo Tuscus und zu Hugo
Etherianus in LMA V 170 und ebd., 1882: In einem vertritt er die Ansicht, Leo sei der Übersetzer
des Opusculum contra Francos; im anderen schreibt er dieselbe Schrift (PG 140, 541-544), deren
Titel ursprünglich De haeresibus, quas Graeci in Latinos devolvunt lautete, zurecht dem Hugo zu.
Zur Datierung: DONDAINE, Hugues Etherien 119.
31 Ein weiteres Beispiel ist der Brief des päpstlichen Gesandten Hieronymus von Ascoli an Papst
Gregor X. De errore Graecorum et ritu, quem tenebant aus dem Jahre 1274 (Text in: ROBERG,
Die Union 229-231).
32 Die Summa ist nach wie vor unediert. Ich habe die Handschrift Vat. lat. 2280 benutzt. Zu Huguc-
cio s.: BRUNDAGE, Medieval Canon Law 215; MÜLLER, Huguccio.
33 Zur Datierung: MÜLLER, Huguccio 68-73.
34 Ediert von J. MORSON in: SC 93-94; zur Azymenirage: pars 2, cap 1 (S. 108-114). Zu Balduin
von Canterbury s.: LMA 11371-1372 (SCHNITH).
35 Text in: PL 213, 9-436; zur Azymenfrage: 118-119. Zu Sicard von Cremona s.: LMA VII 1833
(ARIS); dort auch zur Datierung.
36 Hg. J.-A. DUGAUQUIER (1954-1967), zur Azymenfrage: pars 3, cap 38, § 293 (Bd. UI-2a, S. 326).
Zu Petrus Cantor s.: LMA VI1965-1966 (PEPPERMÜLLER); BALDWIN, Masters (1970).
37 Gedruckt in: PL 217, 773-916. Zu Innozenz ΙΠ. gibt es umfangreiche Literatur. Überblicke mit
Bibliographie s.: TRE XVI 175-182 (SCHWAIGER); DHP 877-882 (GUYOTJEANNIN). ZU dieser
122 Die ostkirchliche Herausforderung

29. Guido von Orchelles (f 1125): Tractatus de sacramentis aus der Summa de
sacramentis et offieiis ecclesiae, verfaßt zwischen 1215 und 122538.
30. Jakob von Vitry (* 1160/70, fl240): Kapitel 38 {De sacramento altaris) aus der
Historia occidentalis, verfaßt vermutlich 1219/21, jedenfalls vor 122639.
31. Wilhelm von Auxerre (fl231): das vierte Buch der Summa aurea, verfaßt ca.
1222-122940.
32. Disputatio Latinorum et Graecorum, seu Relatio apoerisariorum Gregorii IX -
Bericht über die Disputationen der Lateiner mit den Griechen in Nikaia und in
Nymphaion im Jahre 123441.
33. Alexander von Haies (*um 1185, f 1245): Quaestio 51 De sacramento altaris aus
den Quaestiones disputatae 'Antequam esset frater', verfaßt 1220-123642.
34. Wilhelm von Militona (f 1257): Quaestiones de sacramentis, verfaßt 1245—124943.
35. Tractatus contra Graecorum errores, mit dem Incipit: Licet Graecorum ecclesiam,
von einem anonymen Dominikaner, verfaßt 1252 .
36. Nikolaus von Durazzo: Libellus defide Trinitatis, verfaßt zw. 1231 und 125645.

Abhandlung s.: TILLMANN, Papst Innozenz 14, Anm. 89. Zur Datierung: TRE XVI 176 Z. 21 und
TILLMANN, ebd.
38 Ediert von D. und O. VAN DEN EYNDE (1953); zur Azymenfrage: cap 5, Nr. 61 (S. 59-62). Zu
Guido von Orchelles: LMA IV 1776 (HÖDL), dort auch zur Datierung.
39 Ediert in: IIINNEBUSCH, The Historia Occidentalis 202-246; zur Azymenfrage: 219-220. Zu
Jakob de Vitry: LMA V 294-295 (BOURGAIN). Zur Datierung s.: HINNEBUSCH, The Historia 16-
20.
40 Hg. J. RIBAILLIER in: SpicBon 16-20 (1980-1987); zur Azymenfrage: tract 7, cap 8: De discordia
quae est inter Graecos et Latinos in confectione eucharistiae (SpicBon 19, 185-193). Zu Wil-
helm von Auxerre: LMA LX 163-164 (ARNOLD).
41 Text ediert von H. Golubovich nach drei Handschriften in: AFH 12 (1919) 428-470; zur Azy-
menfrage passim. Frühere Edition in MANSI 23,279-319.
42 Hg. PP. Collegii S. Bonaventura^ U (BFSMA 20) 891-976; zur Azymenfrage: q 51, disp2,
mem 1: An sacramentum altaris sit conficiendum ex azymo vel exfermentato, und 2: An in solo
fermentato rite fiat consecratio (S. 905-912). Zu Alexander von Haies s.: TRE Π 245-248
3
(DETTLOFF); LThK 1 362-364 (GÖSSMANN). Zur Datierung s. Prolegomena zur Edition, Bd. I,
S. 36*.
43 Hg. C. PIANA / G. GÄL, 2 Bde. (BFSMA 22-23); zur Azymenfrage: tract 4, pars 3, q 9: Utrum
corpus Christi debeat confici ex azymo vel exfermentato (Bd. 2, S. 544-556). Zu Wilhelm von
Militona s.: LMA IX 175 (HÖDL). Zur Datierung s. Prolegomena zur Edition, Bd. 1, S. 24*-28*;
LMA, ebd.
44 Gedruckt in: PG 140, 487-574 unter dem Namen eines „Pantaleo Diaconus". Zur Azymenfrage:
518-526. Zur Datierung, Autorschaft und Oberlieferung dieser Schrift s.: A. DONDAINE, Contra
Graecos.
45 Ediert von II.-F. DONDAINE in: THOMAS VON AQUIN, Opera Omnia. Ed. Leonina, XL Α 109 -
Α 151; zur Azymenfrage: Α 148-Α 149.7jim Libellus s. e b d . , A 7 - A 19.
Der Azymenstreit 123

37. Thomas von Aquin (*1224/25, fl274): Co/rtra Graecorum errores, verfaßt
1263/6445.
38. Hugo Ripelin von Straßburg (* 1200/10, fl268): Kapitel De sacramento
eucharistiae aus dem Compendium theologicae veritatis, verfaßt 1260-126847.
39. Albertus Magnus (*um 1200, f 1280): De corpore Domini (Liber de sacramento
eucharistiae)4S. Die Echtheit des Werkes wurde angezweifelt, wobei heute eine
Mehrzahl der Forscher dazu neigt, die Authentizität anzuerkennen49.
40. Humbert von Romans (*um 1200, f 1277): zweiter Teil De schismate Graecorum
des Opusculum tripartitum, verfaßt 1272/127350.
41. Bonacursius von Bologna OP: Traktat gegen die Griechen mit dem Incipit: Sicut
scribitur Proverbiorum, verfaßt ca. 129251.
Zum Werkverzeichnis gehören auch die einschlägigen Quästionen und Artikeln aus
scholastischen Summen und systematischen Werken. Von diesen wurden nur die wich-
tigsten herangezogen:
42. Albertus Magnus: In IV. Sententiarum (abgeschlossen 1249)52,
43. Bonaventura (*1217, fl274): In IV. Sententiarum (zw. 1248 und 1257)53,

46 Ediert von H.-F. DONDAINE in der Ed. Leonina, XL Α 71 - Λ 105; zur Azymenfrage: Α 103 -
Α 104. Eine Einführung in die Entstehungsgeschichte und Überlieferung des Opusculum s. ebd.,
Α 5 - Α 66. Zum Opusculum s. auch: CHENU, Das Werk 388-390; WEISHEIPL, Friar Thomas 389;
TORRELL, Magister Thomas 141-143 und 364.
47 Gedruckt unter dem Namen des Albertus Magnus in: ALBERTUS MAGNUS, Opera omnia,
hg. BORGNET, Bd. 34, S. 1-261; zur Azymenfrage: S. 210. Zu Hugo Ripelin s.: LMA V 176
(MOJSISCH), hier auch zur Datierung. Zur Autorschaft und zur handschriftlichen Überlieferung
des Compendium s.: STEER, Hugo Ripelin.
48 Gedruckt in: ALBERTUS MAGNUS, Opera omnia, hg. BORGNET, Bd. 38, S. 191-432; zur
Azymenfrage: dist 6, tract 4, cap 1 (S. 416^22).
49 Gegen die Echtheit äußerte sich wiederholt Albert Fries, s.: FRIES, Meßerklärung (1955); DERS.,
Der Doppeltraktat (1984). Zugunsten der Authentizität des Traktats sprechen sich aus: JORISSEN,
Meßerklärung (1956); VOGELS, Zur Echtheit (1978). Vgl. dazu: TRE U 181 (P. SIMON). Auch
FAUSER, Die Werke (1982) 326-336, zählt die Schrift unter die authentischen Werke Alberts.
50 Gedruckt in: Edward BROWN (Hg.): Appendix ad Fasciculum rerum expetendarum et
fugiendarum (London 1690) 185-229; zu den Azymen: 215. Zu Humbert von Romans s.: BRETT,
Humbert of Romans (1984); LMA V 209 (VICAIRE). Zur Datierung: BRETT, Humbert of Romans
177.
51 Ediert von STEGMÜLLER, Bonacursius contra Graecos (1956). Auszüge gedruckt bei
A. DONDAINE, Contra Graecos 408-409. 412—413: letzterer Abschnitt zur Azymenfrage. Zu dem
Opusculum s. ebd., 406^18.
52 Gedruckt in: ALBERTUS MAGNUS, Opera omnia, hg. BORGNET, Bd. 29-30; zur Azymenfrage: dist
12, C, art 8 (Bd. 29, S. 305-308). Zur Datierung des 4. Buches: TRE Π 179 Z. 32 (P. SIMON).
53 Ediert in: BONAVENTURA, Opera omnia. Bd. 4 (Quaracchi 1889). Zur Azymenfrage: dist 11,
a r t 2 , q l ( S . 260-262).
124 Die ostkirchliche Herausforderung

44. Thomas von Aquin: In IV. Sententiarum (1253-56)54,


45. Petrus von Tarentaise (Papst Innozenz V.) (f 1276): In IV. Sententiarum (vor
1276)55,
46. Richard von Mediavilla (*um 1249, f 1302/08): In IV. Sententiarum (1285-1295)56,
47. Johannes Duns Scotus (*um 1265, f 1308): Ordinatio (Opus Oxoniensef1 zum 4.
Buch der Sentenzen (zwischen 1298 und 1308)58.
Schließlich wurden die einschlägigen Stellen aus den beiden Summen des Thomas von
Aquin untersucht:
48. Summa contra Gentes (1259-1266)59. .. . . ......
49. Summa theologiae (1266-1273)60.
Von den genannten Autoren und Werken behandeln einige das Thema ausführlich,
andere berühren dagegen die Azymenfrage nur nebenbei und ganz kurz (so Nr. 5, 7, 8,
18, 20, 21). Nichtsdestoweniger habe ich mich für die Aufnahme auch solcher Texte in
die Liste entschieden, da einige trotz ihrer knappen Bemerkungen wichtige Interpretati-
onsanstöße geben und/oder einen Einfluß auf die spätere Literatur ausgeübt haben. Ein
gutes Beispiel dafür ist die Expositio canonis missae des Petrus Damiani (Nr. 5), in der
dem Problem der Azymen nur vier Zeilen (in der Migne-Ausgabe) gewidmet sind. Und
dennoch haben diese Formulierungen des Damiani Aufnahme in mehrere wichtige sa-
kramententheologische Texte gefunden61. Daher ist die Kenntnis seiner Äußerungen für
das Verständnis und die zutreffende Auswertung der späteren Literatur unerläßlich.

54 Im Folgenden zitiert nach der Edition: THOMAS VON AQUIN, Opera ut sunt in Indice thomistico,
hg. R. BUSA, 1416-708, zur Azymenfrage: dist 11, q 2, art 2c (S. 479-480).
55 Edition Toulouse 1651; zur Azymenfrage: dist 11, q 2, art 2 (S. 123-125).
56 Edition Brescia 1591; zur Azymenfrage: dist 11, art 2, q 3 (S. 139-141).
57 Auf die Problematik der Textüberlieferung der Ordinatio und ihres Verhältnisses zum sog. Opus
Oxoniense kann hier nicht eingegangen werden, zumal die Schriften des Scotus zum
4. Sentenzenbuch nur in unkritischen Editionen vorliegen. Generell zur textkritischen Problematik
des scotischen Werkes s.: BALIC,Disquisitio historico-critica (1950); vgl.: RICHTER, Studien zum
literarischen Werk (1988); WOLTER, Reflections (1996). Ich gehe im Folgenden von der von Karl
BALIC (Edilio Vaticana I 148*) postulierten grundsätzlichen Übereinstimmung der Ordinatio mit
dem bei Vives, Bd. 16-21, abgedruckten Text aus.
58 Im Folgenden zitiert nach der Edition Wadding-Vives, Bd. 17; zur Azymenfrage: dist 11, q 6
(S. 476 und 484^85).
59 Im Folgenden zitiert nach der Marietti-Ausgabe, Turin/Rom 1961-1967. Zur Azymenfrage: lib 4,
cap 69 (Bd. 3, S. 371-373).
60 Im Folgenden zitiert nach der Marietti-Ausgabe, Turin/Rom 1952-1956. Zur Azymenfrage:
3 a pars, q 74, art 4 (Bd. 3, S. 441^(42).
61 Eine wichtige Vermittlungsrolle spielte in diesem Zusammenhang De missarum mysteriis des
Innozenz ΠΙ. (Nr. 28). •••.-•
Der Azymenstreit ' 125

Der Einfluß, den die einzelnen Werke in der Geschichte der Azymenfrage ausgeübt
haben, war sehr unterschiedlich. Besonders einflußreich und namentlich immer wieder
zitiert waren die Schriften von Humbert (Nr. 1, 2), von Anselm von Canterbury (Nr. 9)
und von Innozenz III. (Nr. 28). Unerkannt blieb dagegen bei späteren Theologen der
Einfluß von Rupert von Deutz (Nr. 11), obwohl Autoren wie Sicard von Cremona
(Nr. 26) und Innozenz III. (Nr. 28) reichlich aus Rupert -jedoch ohne seinen Namen zu
erwähnen - abgeschrieben haben. Einige Autoren verfaßten zwar interessante und
scharfsinnige Ausführungen zum Thema, waren aber so gut wie unbekannt - so ζ. Β.
Anselm von Havelberg, dessen hervorragendes Werk Antikeimenon (Nr. 17) im 12. und
13. Jahrhundert fast nicht rezipiert wurde. Andere Autoren hingegen, wie ζ. Β. Inno-
zenz III. (Nr. 28), deren Beitrag zur theologischen Diskussion eher gering und unorigi-
nell war und deren Texte nur Kompilationen darstellen, haben manchmal großen Ein-
fluß ausgeübt und wurden später häufig namentlich zitiert. Die von hochscholastischen
Autoren zitierten Äußerungen des bekannten Papstes aus dem Beginn des 13. Jahrhun-
derts stammen meistens von früheren Autoren, wie Petrus Damiani, Rupert von Deutz
oder Sicard von Cremona. Ähnlich bedienten sich die scholastischen Sentenzenkom-
mentare immer wieder der gleichen Autoritäten und Texte, die von Werk zu Werk wei-
ter übernommen und in der Regel nur wenig überarbeitet wurden. Manchmal bestand
die Originalität des jeweiligen Werkes nicht so sehr in den neuen Gedanken und For-
mulierungen als vielmehr in der darin getroffenen Materialauswahl. Aber auch im
13. Jahrhundert gab es Autoren, die wichtiges neues Material in die Azymendiskussion
brachten, so besonders der anonyme dominikanische Traktat Licet Graecorum
Ecclesiam aus dem Jahr 1252 (Nr. 35) oder patristische Florilegien (wie Nr. 36). Unter
den hochscholastischen Autoren kommt Alexander von Haies (Nr. 33) dank einer inter-
essanten Nachricht besondere Bedeutung zu, wenn auch seine Quelle bisher leider nicht
zu ermitteln ist62. Im folgenden wird versucht, so weit wie möglich gegenseitige Ein-
flüsse und Abhängigkeiten unter den lateinischen Autoren aufzuzeigen.

2. Die Polemik gegen das Judaisierungsargument

Gegen dieses Argument wurde bereits in dem Dialogus von 1054 polemisiert. Diese
Polemik wurde zum Teil wörtlich von vielen späteren Autoren übernommen. Mit der
für ihn typischen Emotion weist Humbert im Dialogus den Angriff der Griechen zu-
rück:
,X>a ihr aber unverschämt und böswillig behauptet, wir würden Gemeinschaft mit den Juden
pflegen, indem wir auf figürliche Weise [typice, d. h. nach Art des Alten Gesetzes] die Azy-
men und den Sabbat halten, sind wir der Ansicht, daß ihr in euerer seit alters verwurzelten Ra-

62 S. unten, S. 327-331.
126 Die ostkirchliche Herausforderung

serei vollständig gesunden Verstand verloren habt, so daß ihr weder eure Taten noch eure
Worte bedenkt"63.

Der Autor macht vor allem auf den fehlenden religionsgeschichtlichen Kontext des
griechischen Vorwurfs aufmerksam. Er stellt die einschlägigen alttestamentlichen Stel-
len zusammen, die das jüdische Fest der Ungesäuerten Brote beschreiben und diesbe-
zügliche Verordnungen nach sich ziehen64, um zu zeigen, daß die Lateiner den Verord-
nungen des Alten Testaments „dem Leib nach" (carnaliter) eben nicht folgen65, sondern
diese sehr wohl „geistig" (spiritualiter) und nur „geistig" verstehen. Die jüdischen Vor-
schriften behalten also ihre symbolische, typologische, übertragene Bedeutung bei66.
Wenn die Griechen meinen, daß das ungesäuerte Brot durch das Neue Testament ganz
aufgegeben worden sei, so müssen sie belehrt werden, auf welch gefährlichem Boden
sie sich damit befinden. Falls man nämlich ihren Vorwurf konsequent weiterdenkt,
müßte man aus dem Azymenverbot auch die Gotteshäuser, Opfer, Kandelaber, alle
liturgischen Gefäße und Gewänder, die ja alle auch aus dem alttestamentlichen Kult
stammen, verbieten67. Mehr noch: Man müßte auch die Gebote des Dekalogs abschaf-
fen, da sie ebenfalls im Alten Gesetz promulgiert wurden68. Wenn man das ungesäuerte
Brot deswegen nicht verwenden dürfe, weil dies im Alten Gesetz verordnet wurde, dann
dürfte man eigentlich auch kein gesäuertes Brot verwenden, weil im Alten Testament

63 WILL 95a: „Quod autem impudenter calumniamini nos cornmunicare Judaeis observando typice
azyma et sabbatum, phrenesi inveterata arbitramur adeo vos perdidisse sensum, ut nee factum
vestrum respiciatis nee dictum".
64 WILL 95a Z. 21-96a Z. 5.
65 WILL 96a: „Haec omnia, si ita Judaeis camalibus carnaliter observanda vetus legislator coelitus
censuit constat haec seeundum carnalem observationem omnino aliena a nobis. <...> In quo ergo
communicamus Judaeis? et in quo solemnitatem azymorum custodimus?".
66 WILL 96b: „Sie quoque omnia quae superius nos carnaliter observare negavimus Domino
annuente spiritualiter et observamus et omnimodo cupimus observare, proeul dubio credentes,
quaeeunque scripta sunt, ad nostram doctrinam scripta esse".
67 WILL 116a: „Et quia <...> insipienter putatis omnia Veteris Testamenti reprobata, et penitus
destrueta et ad nihilum redaeta sacramenta: hinc jam perpendatis necesse est, ad quantas
difficultates properet haec vestra opinio. Denique si vetera non proficiendo, sed deficiendo
transierunt, unde vobis templum, altare, sacrificium, candelabrum, et cetera saneti ministerii vasa
seu ornamenta aut vestimenta sacerdotalia? Unde vobis encaenia, pentecoste et pascha seu
Quadragesima? Unde vobis pontifices, sacerdotes et levitae ac reliqui ecclesiastici gradus ex
ordine? Unde primarie et deeimae?". Wörtliche Entlehungen und Paraphrasen bei: ALGER VON
LÜTTICH, De sacramentis, üb 2, cap 10 (ed. cit. 830 D); SICARD VON CREMONA, Mitrale, lib 3,
cap6(ed. cit. 118 C-D).
68 WILL 116a: „Postremo, unde vobis dilectio Dei et proximi? ac reliqua mandata decalogi? Quia
ergo seeundum vos ita nova faeta sunt, ut vetera relicta sint omnino et per Christum maledicta,
abjiciantur proeul ab ejus ecclesia, quae supra diximus omnia et plura quae retieuimus alia, et
veteribus contraria fiant jam nova. Odio habeatur Deus et proximus, pater et mater inhonoretur,
homo oeeidatur: omnes moechentur, furentur, mentiantur, coneupiscant, adulterent...".
Der A zymenstreit

auch das gesäuerte Brot für bestimmte Fälle vorgeschrieben wurde, und zwar in
Lev7, 11.13; 23, 1769.
Die Contradictio adversus Nicetam nimmt auch zu den Kanones Stellung, und zwar
zum 70. Apostolischen und zum 11. des Konzils in Trullo, mit denen die griechischen
Autoren ihren Judaisierungsvorwurf begründeten70. Die Autorität der beiden Kanones
wurde in der lateinischen Kirche bekanntlich anders eingeschätzt. Von den sogenannten
„Apostolischen Kanones" erkannten die Lateiner nur die ersten 50 an; der von den by-
zantinischen Autoren zitierte Kanon 70 galt ihnen also als kirchenrechtlich nicht ver-
bindlich. Folgerichtig bestreiten die Autoren der Contradictio die Authentizität des
Kanons. Dagegen war Kanon 11 des Trullanums bekannt und fand später Aufnahme in
das Decretum Gratiani71 - auch wenn die Kanones des Konzils in Trullo bzw. das Kon-
zil als solches auf Widerstand seitens der Päpste gestoßen waren72. Die Antwort der
Contradictio in beiden Fällen lautet: Es handele sich in den zitierten Kanones aus-
schließlich um eine Teilnahme an jüdischen Festen, wovon bei den Lateinern nicht die
Rede sein könne73.
Vielfach zitiert wurden in der späteren Literatur auch die Ausfuhrungen des Anselm
von Canterbury zu diesem Thema. Er dachte zwar in der Richtung von Humbert, fand
aber eigene Gegenargumente. Außerdem unterscheidet sich sein besonnener Ton er-
heblich von der aufgeregten Polemik von 1053/54:
„Wenn sie [die Griechen] behaupten, daß wir judaisieren, so ist das nicht wahr, weil wir mit
dem ungesäuerten Brot opfern, nicht um das alte Gesetz zu beobachten, sondern damit dies
[sc. das Opfern] überlegter geschehe und wir den Herrn nachahmen, der dies nicht mit der Ab-
sicht zu »judaisieren« getan hat. Wenn wir nämlich etwas tun, was Juden getan haben, um den
»Judaismus« zu beobachten, »judaisieren« wir deswegen noch nicht, solange wir dies nicht
wegen des »Judaismus«, sondern aus einem anderen Grund tun. Wenn nämlich jemand in den
Ostertagen ungesäuertes Brot ißt - sei es, weil er kein anderes hat, sei es weil es ihm besser als
gesäuertes Brot schmeckt, - oder wenn jemand wegen einer Krankheit gezwungen ist, sich die
Vorhaut beschneiden zu lassen, oder wenn jemand seinem Ochsen beim Dreschen keinen

69 WILL 115b: „...si azyma, quemadmodum astruere conamini, per Christum et ejus evangelium
fuerunt maledicta, reprobata et derelicta, et ideo deineeps non debentur offerri in sacrificio
Domini, quia per Moysen constituta sunt Judaeis; sciatis fermentatum quoque constitutum per
Moysen Judaeis". Ebd., 116a: „Quapropter, si a nobis non debent offerri azyma quia Mosaica
sunt, nee a vobis debent offerri fermentatum et sal, quia aeque Mosaica sunt".
70 Zu diesen Kanones ausführlich s. oben, S. 4(M1.
71 C. 28 q. l c . 13 (ed. cit. 1087).
72 Dazu s.: OHME, Die sogenannten »antirömischen Kanones« 308-309.
73 WILL 140a (zum 70. apostolischen Kanon): „Etiam si hoc capitulum ex libris authenticis prolatum
esset, nullo modo nos tangeret, quia nee cum Hebraeis jejunamus nee cum eis epulamur aut
festivitatem eorum munera aliqua aeeipimus". WILL 141a (zum 11. Kanon des Trullanums):
„Quis nostrum, rogo, azyma, quae apud Judaeos sunt, comedit? Quamvis enim etiam reliqua
capituli hujus observemus, illud tarnen super omnia de azymis observamus".
128 Die ostkirchliche Herausforderung

Maulkorb anlegt, damit er nicht dürstet [Dtn 25,4], dann würde kein vernünftiger Mensch den,
der so etwas tut, für einen »Judaisierer« halten. Wenn wir also das ungesäuerte Brot darbrin-
gen, tun wir dies nicht, um mit den Azymen auf figürliche Weise den kommenden Herrn Jesus
zu bezeichnen, sondern um im Opfer zu begehen, wie dieses Brot durch seine göttliche Wirk-
kraft in seinen Leib verwandelt wird, so wie er selbst es getan hat. Keinesfalls beobachten wir
dabei das alte Gesetz, sondern feiern die Wahrheit des Evangeliums"74.

A m Beispiel Anselms wird der fundamentale Unterschied der lateinischen Auffassung


zu der griechischen ersichtlich. Die Byzantiner dachten in viel stärkerem Maße „kultu-
rell" und „wertrational". Für sie war jede, auch rein äußerliche und formelle Ähnlich-
keit mit dem jüdischen Kult bereits verdächtig. Anselm denkt dagegen eher „intentio-
nal", ja sogar beinahe „zweckrational". Nur die Absicht, mit der eine bestimmte
Handlung vollzogen wird, zählt; ihre symbolische, typologische Bedeutung ist der In-
tention des Handelnden untergeordnet. In dieser Hinsicht stehen die Ausführungen des
Anselm der Argumentation des Niketas Stethatos diametral entgegen. Besonders mar-
kant zeigt sich dies in der Frage, ob eine Beschneidung in einem nicht-jüdischen Kon-
text als „Judaisieren" zu betrachten sei. Niketas beantwortet diese Frage eindeutig mit
Ja, während Anselm darin nur ein mögliches medizinisches Faktum erblickt, das keine
religiöse oder theologische Relevanz besitzt75. Anselm verbindet mit dem Argument des
Judaisierens auch die Problematik „Figur - Wahrheit"76, die bei späteren Autoren ähn-

74 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacrificio azymi 3, ed. cit. 226: „Quod autem aiunt nos
iudaizare non est verum, quia non sacrificamus de azimo ut legem veterem servemus, sed ut hoc
diligentius fiat, et dominum qui hoc non iudaizando fecit imitemur. Cum enim facimus aliquid
quod Iudaei, ut iudaismum servarent, faciebant, non iudaizamus, si non propter iudaismum, sed
propter aliam causam hoc agimus. Si enim in diebus Paschae azimum panem aliquis comedit -
sive quia non habet alium, sive quia magis illo delectatur quam fermentato - , aut si quis propter
infirmitatem praeputium circumcidere cogitur, aut si bovi suo quis trituranti ne esuriat os non
obturat: nullus nisi insipiens haec agentem iudaizare iudicabit. Cum ergo nos panem azimum
sacrificamus, non ut per azimi figuram talem dominum Iesum futurum significemus, sed ut ipsum
panem in corpus eius divina virtute operante sicut ipse fecit sacrificemus: nequaquam in hoc legis
vetustatem servamus, sed evangelii veritatem celebramus".
75 Vgl. den Text der Stethatos-Stelle oben, S. 104 Anm. 155.
76 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacrificio azymi, ed. cit 228: „Si vero aiunt Christianos
non debere uti figuris, quia vetera transierunt, in quibus erant necessariae, negent - ut alia taceam
- baptismum esse figuram cuiusdam mortis et sepulturae, contra apostolum dicentem:
»Quicumque baptizati sumus in Christo Jesu, in mortem ipsius baptizati sumus«. <...> Aut si
concedunt nos uti figuris, sed non in eisdem rebus quibus in figura lex vetus utebatur, et ideo non
esse panem azimum assumendum ad ullam figuram, quia ad hoc in eadem lege accipitur: non
baptizent in aqua, quoniam »patres nostri omnes in Moyse baptizati sunt in nube et in man« -
quod negari nequit in figura fuisse - , et ne videantur baptizare baptismo lohannis, qui baptizavit
in aqua".
Der Azymenstreit 129

lieh benutzt wird, etwa bei Alexander von Haies77. Dieses Thema grenzt bereits an das
symbolische Argument, auf das wir später noch zurückkommen werden.
Bei Anselm erscheint zum ersten Mal ein Einwand, der angeblich von den Griechen
in die Diskussion eingebracht wurde; in den Schriften von 1053/54 taucht er jedoch
noch nicht auf. Es handelt sich um die Stelle 2 Kor 3, 6: „Der Buchstabe tötet, der Geist
aber macht lebendig". Darauf wollten die Griechen ihren Judaismus-Vorwurf an die
Lateiner gründen. Über diesen Einwand der Griechen berichtete Bischof Walram von
Naumburg an Anselm, der sich darauf ausdrücklich beruft78. Die Griechen wollten nach
Ansicht des Anselm zeigen, daß „uns der Buchstabe tötet, der befiehlt, das alte Pascha
mit Azymen zu feiern. Sollten wir diesen Buchstaben beobachten und das Opfer mit
Ungesäuertem darbringen, legen wir die Worte des Apostels nicht richtig aus"79. In
seiner Polemik verweist Anselm auf den Kontext der betreffenden Stelle, den er in vol-
ler Länge zitiert (2 Kor 3, 6 - 4,1), und fügt hinzu, es sei klar, daß diese Worte des
Paulus „weder den Griechen helfen noch uns schaden"80. Das Motiv, das im Schreiben
von Walram zum ersten Mal auftauchte, erschien später auch bei Autoren der Hoch-
scholastik, die es als Einwand der Griechen, den es zu entkräften galt, aufgefaßt ha-
ben81.
Nur wenige der späteren Autoren gehen auf das Judaisierungs-Argument der Grie-
chen ausführlich ein, in der Regel sind sie dann mehr oder minder vom Dialogus und
Anselm von Canterbury abhängig82. Eine Ausnahme stellt Rupert von Deutz dar, der
einen etwas anderen Zugang zu dieser Problematik wählt. Seine Ausführungen kreisen
um die Typologie der Azymen und ihre figürliche Bedeutung, daher sind sie auch als
typologisches Gegenargument wichtig.

77 Zitats, unten, S. 131 Anm. 87.


78 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacrißcio azymi, ed. cit. 229: „Obiciunt enim nobis, sicut
in vestra legi epistola, quod dicit apostolus: »Littera enim oeeidit, Spiritus autem vivificat«".
79 Ebd., 229: „Unde nituntur ostendere quia littera, quae vetus Pascha celebrari iubet in azimis, nos
oeeidit, cum eam servamus azimum sacrificando, non bene apostoli verba intelligentes".
80 Ebd., 230: „De occisione litterae et vivificatione spiritus superfluum mini videtur super haec
aliquid addere. Satis igitur patet quia nee Graecis prodest nee nobis obest, quod de oeeidente
littera obiciunt".
81 So WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 4, pars 3, q 9, η 15 (ed. cit. 553-
554); THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2c, arg 7 und ad 7 (ed. cit. 479).
82 So ALGER VON LÜTTICH, De sacramentis, üb 2, cap 10 (ed. cit. 830 C-D): „Si enim <...>
credantur transisse omnia, et periisse veteris testamenti instituta, ubi est dilectio Dei et proximi,
ubi sunt praeeepta Decalogi, ubi est ordo levitarum et sacerdotii, dedicalio altaris et templi? Haec
omnia ab illis ad nos non deficiendo, sed proficiendo transierunt. Encaenia, Pascha, Pentecosten,
Quadragesimam, quia in veteri lege instituta sunt, celebrari non desistimus; pontifices, sacerdotes,
levitas, reliquosque ecclesiasticos ordines ad exemplum veterum instituimus, et caetera quamplura
in hunc modum". .
130 Die ostkirchliche Herausforderung

„Dieser Verweischarakter [significatio] einer so notwendigen Sache [der Azymen] ist nicht aus
dem Grund abzulehnen, weil er bekanntlich von den Zeremonien des alten Gesetzes stammt.
Wir lehnen ja nicht alle [auf Zukünftiges] vorausweisenden Gewohnheiten des alten Gesetzes
ab. Bis heute schauen wir auf den Vollmond und feiern niemals Ostern, wenn er nicht ganz
voll ist. Und täglich lassen wir den heiligen Weihrauch im Wohlgeruch vor dem Herrn empor-
steigen [Lev 2, 2], und wir haben das heilige Salböl, und statt Trompeten haben wir Glocken
und viele weitere solcher Dinge. Denn das, worauf verwiesen wird, sind die geistlichen Güter,
daher feiern wir die verweisenden Dinge [significationes] alle in der Lesung, einige feiern wir
aber auch tatsächlich, damit sich die damit bezeichneten Dinge [significata] gelegen oder un-
gelegen unseren Sinnen einprägen [2 Tim 4, 2]. Wer würde wagen, dies zu verwerfen? Die
Lehrsätze der heidnischen Philosophen und Gelehrten pflegen wir aufzugreifen, wenn diese
etwas Gutes gesagt oder getan haben, so wie man einer gefangenen Frau die langen Nägel und
Haare abschneidet, damit sie, von fremder Falschheit gereinigt, würdig sei, in das Brautge-
mach der Wahrheit einzutreten [vgl. Dtn 21, 10-13]. Soll sich nun die Kirche nicht vertrauter
und richtiger ihrer eigenen Altertümer erinnern, die sich im Hohelied rühmt und sagt: »Alle
Früchte, neue und alte, habe ich für dich, mein Geliebter, aufgehoben« [Hld 7, 13]. Folglich
durfte man die Azymen nicht verwerfen weil sie im alten Gesetz wegen ihres Verweischarak-
ters überliefert wurden, vielmehr muß man sie deswegen behalten, weil das, worauf sie ver-
weisen, das Beste ist und dieser Zeit der Gnade am angemessensten"83.

Von Rupert von Deutz sowie Humbert de Silva Candida war Sicard von Cremona ab-
hängig 84 . Auf Grundlage der Texte von Humbert und mehr noch jener von Rupert

83 RUPERT VON DEUTZ, De divinis officiis, lib 2, cap 22 (ed. cit. 55-56): „Nee ideo rei tarn
necessariae significatio haec reicienda est, quia de legis antiquae caeremoniis illam constat esse
profeetam. Non enim eunetas legis antiquae significatiuas consuetudines abieimus. Adhuc quippe
plenariam lunae faciem consideramus, nee unquam in defectu eius pascha celebramus, et quotidie
thus sacrum Domino in odorem suauitatis adolemus, et oleum unetionis sanetum apud nos est, et
pro tubis campanas habemus, et multa eiusmodi. Nam illa, quae significantur, quoniam bona sunt
moralia, significationes ipsas omnes quidem lectione, quasdam uero actu quoque celebramus, ut
significata ipsa nostris sensibus opportune importune ingerantur. Quis hoc improbare audeat? De
gentilibus quoque philosophorum atque doctorum sententiis solemus auferre, si qua ab illis probe
dieta uel faeta sunt, et tamquam captiuae mulieris ungues pilosque superfiuos amputare, ut ab
alienigena falsitate mundata thalamum ueritatis digna sit introire. Nonne ergo familiarius aut
iustius antiquitatum suarum reminiscitur ecclesia, quae in Canticis canticorum gloriatur et dicit:
Omniapoma noua et uetera dilecte mi seruaui tibi? Igitur azyma non propter hoc abicienda erant,
quia significationis gratia in antiqua lege tradita erant, quin potius ideo retinenda, quia quod
significant optimum et huic tempori gratiae magis congruum est".
84 SICARD VON CREMONA, Mitrale, lib 3, cap 6 (ed. cit. 118): „Item ait Graecus: Azyma offerre est
judaizare; si ergo hoc Latine figurativum observare contendis, judaizas et in rehquis, in
circumeisione et sacrifieiis. Respondeo: Et quidem azyma significat ut epulemur in azymis
sinceritatis et veritatis. Non tarnen haec tarn necessariae rei abiieienda est figuratio: non enim
eunetas legis significativas abieeimus, sed quaedam adhuc etiam actualiter celebrantur, ut eorum
significata opportune et importune nostris sensibus ingerantur: nam templo, altari, candelabro,
thuribulo, oleo, plenilunio, in pascha utimur, et similibus; nee tarnen in his judaizare censemur".
Der Azymenstreit 131

stellte Innozenz III. seine Ausführungen in De missarum mysterns zu diesem Thema


zusammen. Er paraphrasiert seine Vorlagen weithin und fügt fast nichts Neues hinzu85.
Sein Text ist jedoch insofern wichtig, als er aufgrund seiner weiten Verbreitung für die
hochscholastische Diskussion der Azymen maßgebend war.
Der JudaisierungsVorwurf wurde von der lateinischen Theologie bis in die Hoch-
scholastik hinein aufgegriffen. Bei Alexander von Haies begegnet der Einwand des
Judaisierungsvorwurfs folgendermaßen :
„Schon in der alten Kirche stimmte es nicht, daß man judaisierte, und auch bis heute trifft dies
nicht zu. Deswegen wurden viele vorausweisende Dinge (figurae) aufgegeben, damit es nicht
scheint, als ob wir »judaisieren«. Wenn dies wahr ist, so muß man noch viel stärker darauf
achten, daß in diesem besonders wahren Sakrament kein Buchstabe des Gesetzes befolgt wer-
de, damit wir nicht den Anschein des »Judaisierens« geben. Denn nach der Ankunft der Wahr-
heit mußte der Schatten (figura) weichen. Wie man also dem Buchstaben nach keine Bitter-
kräuter mehr zu essen braucht86, sondern diese Verweis auf Kommendes (figura) waren, so
durfte dem Buchstaben nach auch das ungesäuerte Brot nicht weiter bestehen bleiben"87.

85 INNOZENZ ΠΓ., De missarum mysteriis, lib 4, cap 4 (ed. cit. 856 D - 857 A): „Sciendum ergo quia
non omnes antiquae legis consuetudines abjecit Ecclesia, sed quasdam provida consideratione
retinuit. Unde sponsa dicit ad sponsum in Canticis canticorum: Omnia poma nova [et] vetera,
dilecte mi, servavi tibi. Adhuc enim faciem plenae lunae observat ne pascha celebretur in defectu.
Adhuc conficit oleum unctionis et thus suavitatis incendit, adhuc solvit decimas et primitias,
adhuc habet candelabrum et lucemas et vestes et vasa et pontifices et levitas. Nam si propterea
repudiandum est azymum, quia lex illud admisit, pari ratione repudietur fermentum, qui lex statuit
in Levitico: Ojferent panes fermentatos, cum hostia gratiarum, quae offertur pro pacificis! Item
in Pentecoste offeretis panes primitiarum de duabus decimis similae fermentatae. Non solum de
constitutionibus legalibus, verum etiam de scriptis gentilium libenter assumit Ecclesia, si quid in
eis probe dictum vel factum agnoscit, et tanquam mulieris captivae resecat ungues pilosque
superfluos, ut ab aliena superfluitate mundata thalamum veritatis digna sit introire".
86 Der Hinweis auf die Bitterkräuter erscheint bei WILHELM VON AUXERRE, Summa aurea, lib 4,
tract 7, cap 8 (ed. cit. 186-187): „Item, si conficimus de azimo quia agnus paschalis comedebatur
in azimis, opponunt Greci quod eadem ratione debemus conficere cum lactucis agrestibus, quia
agnus paschalis comedebatur cum lactucis agrestibus". Ebd., 189: „Ad Ultimo obiectum dicimus
quod ecclesia non accipit de legalibus, nee retinuit nisi quod deeuit et oportuit. Unde non retinuit
lactucas agrestes. Nimis enim amarae sunt, et praeterea non inveniuntur ubique". Als Grundlage
für ein solches Verständnis konnte der Text des INNOZENZ ΠΙ. dienen, ed. cit. 856 C-D: „Sed ipsi
[Graeci] mrsum opponunt, quia cum veritas venit, figura cessavit, et evanuit umbra, cum lumen
effulsit. Cum ergo ad nostrum pascha perventum est, quae praecesserunt in typo cessaverunt. <...>
Et ideo Christus verum pascha confecit sine lactucis agrestibus, sie et absque panibus azymis, ne
veterem ritum in novo sacrificio retineret, ac per hoc judaizare doceret". Hier erwähnt
Innozenz III. die Bitterkräuter jedoch nur beiläufig.
87 ALEXANDER VONUALES, Quaestiones antequam, q 51, disp2, mem 1, η 38 (ed. cit. 908-909): „In
primitiva Ecclesia non competebat iudaizare, nee adhuc; unde multae figurae abieetae fuerunt, ne
videremur iudaizare. Si hoc est verum, multo fortius in hoc sacramento vere praeeipuo nulla legis
132 Die ostkirchliche Herausforderung

In der Regel schöpften die hochscholastischen Autoren aus Anselm und Inno-
zenz ΠΙ.88, obwohl auch die Abhängigkeit von Humbert, meist ohne explizit seinen
Namen zu erwähnen, deutlich ist. Bei manchen Autoren hat sich dieser Einwand vom
Kontext der griechisch-lateinischen Polemik losgelöst wie ζ. Β. in der Summa theolo-
giae des Thomas von Aquin. Sein Gegenargument lautet:
„Die, welche [die Eucharistie] mit ungesäuertem Brot vollziehen, haben nicht die Absicht, die
Zeremonien des Gesetzes zu halten, sondern sich der Einsetzung Christi anzugleichen, deshalb
judaisieren sie nicht. Andernfalls würden das auch jene tun, welche mit gesäuertem Brote die
Feier begehen, weil die Juden gesäuerte Erstlingsbrote opferten"89.

Insgesamt wurde dem Thema des „Judaisierens" in der lateinischen Literatur eine viel
geringere Bedeutung eingeräumt, als dies bei den griechischen Autoren der Fall war.
Bei den Byzantinern war der Judaisierungsvorwurf einer der wichtigsten Einwände
gegen den liturgischen Gebrauch von Azymen. Dieser Einwand besaß in den Augen der
Griechen eine eigenständige und gewichtige Berechtigung. Er war zwar mit anderen
Argumentationslinien verbunden, aber nicht von ihnen abhängig. Dagegen entscheidet
sich aus der Sicht der Lateiner das Thema des Judaisierens an einer weiteren Frage,
nämlich ob Jesus das letzte Abendmahl mit ungesäuertem Brot zelebriert hat. Anselm
von Canterbury hat als erster diese zwei Fragen nachdrücklich miteinander in Verbin-
dung gebracht. Nach seiner Ansicht bezichtigen die Griechen mit ihrem Angriff auf die
Lateiner Christus selbst des „Judaisierens", weil er das Azymengebot befolgt hat90.
Auch die späteren Autoren reduzieren das Thema des Judaisierens auf die Frage der
Einsetzung. Damit sind wir bereits beim nächsten Gegenargument.

littera servanda est, ne videamur iudaizare; quare adveniente veritate, [figura] debuit cessare. Ergo
sicut litteraliter non tenetur quod cum lactucis comedatur, sed erat figura, ita nee azyma manere
debuit ad litteram".
88 So WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 4, pars 3, q 9, nn. 14 und 15 (ed.
cit. 552-554); ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, dist 12, C, art 8, ad 4-7 (ed. cit. 307-
308); THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2c, ad 7 (ed. cit. 480).
89 THOMAS VON AQUIN, Summa theologiae, 3a pars, q 74, art 4 ad 2 (ed. cit. ΓΠ 442). „Ad seeundum
dicendum quod conficientes in azymo non intendunt caeremonias legis servare, sed conformare se
institutioni Christi; et ideo non iudaizant; alioquin et celebrantes in pane fermentato judaizarent;
quia Judaei panes primitiarum fermentatos offerebant". Die Übersetzung in DThA 30, 38 ist ζ. Τ.
irreführend, weil dort das Wort „iudaizare" mit dem Ausdruck „nach jüdischer Weise leben" wie-
dergegeben ist.
90 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacrificio azymi, ed. cit. 225: „Si autem dieunt quia
iudaizamus, dicant similiter Christum iudaizasse. Et si audent asserere Christum propter
iudaismum, ut praeeeptum de azimo datum servaret, de azimo corpus suum fecisse: absurdissime
errant, cum illum tarn sinceram novitatem infecisse fermento vetustatis existimant".
Der Azymenstreit 133

3. Die Polemik gegen das Einsetzungsargument

Die Diskussion der Frage, ob Jesus mit gesäuertem oder ungesäuertem Brot zelebriert
habe, zog die meiste Aufmerksamkeit der lateinischen Autoren auf sich. Es scheint, als
ob die lateinischen Theologen allein dieses Argument für gewichtig und diskutierwür-
dig hielten. Die anderen Argumente der Griechen waren für viele von ihnen nur „lä-
cherliche", „nichtige" und „kindische" Worte91. Dagegen erschien den Lateinern das
Einsetzungsargument als das Argument in der Polemik gegen die Griechen. Die lateini-
sche Behandlung dieses Arguments betrachtete zwei Aspekte des Problems. Zum einen
(a) wurde die Frage gestellt, ob Jesus grundsätzlich gegen die alttestamentliche Vor-
schrift des ungesäuerten Brotes verstoßen konnte. Dieser Aspekt berührt die Diskussion
über die Judaisierung und stellt bei manchen Autoren deren Fortsetzung und Erweite-
rung dar. Zum zweiten (b) wurde das Datum des letzten Abendmahles Jesu sowie die
Diskrepanz zwischen der synoptischen und Johanneischen Chronologie diskutiert. Die-
ses zweite Thema hat sich mit der Zeit zu einer eigenständigen exegetischen Frage ent-
wickelt, deren befriedigende Antwort bis heute nicht gefunden ist92.

a. Christus als Erfüller des Gesetzes ·


Da die erste antiazymitische Schrift der Griechen, der Brief des Leon von Achrida, das
Problem des Datums des letzten Abendmahles nicht berührte, wandte sich Humbert im
Dialogus zunächst dem ersten Aspekt zu. Von der synoptischen Chronologie ausge-
hend, ruft der Autor des Dialogus die alttestamentliche Vorschrift in Erinnerung, nach
der jeder Jude, bei dem man während des siebentägigen Paschas gesäuertes Brot gefun-
den hätte, als Übertreter des göttlichen Gesetzes (divinae legis transgressor) mit dem
Tode bestraft werden mußte93. Jesus aber sagte: „Ich bin nicht gekommen, um das Ge-
setz aufzulösen, sondern um es zu erfüllen" (Mt 5, 17). Es sei also zu glauben und zu
verkünden, daß Jesus kein Jota und nicht den kleinsten Buchstaben des Gesetzes über-
treten wollte, sonst hätte er denjenigen, die ihm eine Übertretung des Gesetzes nachwei-
sen wollten, nicht gesagt: „Wer von euch überführt mich einer Sünde?" (Joh 8, 46)94.

91 So bei Humbert vanum et puerile (WILL 99a Z. 38), ridicula opinio (WILL 102a Z. 17) u. ä. Wir
haben schon oben gesehen, mit welcher emotionalen Aversion Humbert über das
Judaisierungsargument gesprochen hat.
92 S. oben, S. 32-34.
93 WILL 100b: „Nam, sicut sufilcienter supra ostensum est, in septem paschae diebus fermentatum
nee inveniebatur nee apparebat in eunetis domibus seu finibus Israel. Et apud quemeunque fuisset
inventum, justa animadversione velut divinae legis transgressor absque recrastinatione peribat de
coetu Israelitarum".
94 WILL 100b: „Quod si credimus verbis Veritatis dicentis: Non veni solvere legem, sed adimplere,
credendum etiam et praedicandum est Dominum Jesum nee unum jota aut unum apicem legis
praeteriisse et ut totius transgressionis expertem insidiatoribus suis dixisse: quis ex vobis arguet
me de peccato".
134 Die ostkirchliche Herausforderung

Sonst hätte er nicht die Sünden der Anderen tragen können, sonst wäre er nicht für uns
gestorben, sondern hätte für seine eigene Übertretung des Gesetzes bestraft werden
müssen95. Falls er also zum letzten Abendmahl gesäuertes Brot verwendet hätte, hätte er
nicht nur sich selbst, sondern auch alle seine Jünger zu Übertretern des Gesetzes ge-
macht: „Seht also, wohin diese eure Erörterung führt"96. „Falls unser Herr Jesus das
Gesetz hätte übertreten können, wäre unser Glauben vergeblich, vergeblich auch unsere
Verkündigung"97. In der Contradictio adversus Nicetam wird auf ähnliche Weise ge-
gen die Theorie des Stethatos, der von der johanncischen Chronologie ausging, argu-
mentiert. Falls Jesus - wie Niketas behauptet - das Pascha am 13. Nisan und mit gesäu-
ertem Brot vollzogen hätte, hätte er sich zweifach strafbar gemacht: zum einen weil er
das Pascha nicht in der vorgeschriebenen Zeit gefeiert hätte, zum zweiten weil er für
das Paschamahl gesäuertes Brot verwenden hätte98. Dann aber würde sein Tod uns
nichts nutzen, weil er zum transgressor sanetae legis geworden wäre99.
Ahnlichen Ausführungen begegnet man in Fragmentum disputationis adversus
Graecos100. Von den Schriften 1053/54 abhängig ist sowohl Laycus von Amalfi, der
dasselbe Gegenargument in ähnlichem Wortlaut wiedergibt, als auch Bruno von Segni,
der aus der Schrift des Laycus abschreibt101. Auf der Grundlage des Dialogus und der

95 WILL 100b: „Alioquin nee ipse peccata multorum tulit, nee pro transgressoribus oravit, ut non
perirent; nee pro nobis passus, sed pro sua praevaricatione juste punitus".
96 WILL 100b: „...praesertim qui nee solus legis transgressor inventus est fermentato apud se tunc
reperto, sed insuper multos diseipulos reos mortis effecit eibans illos fermentato. Videte,
quorsum evadat haec vestra disputatio".
97 WILL 104a: „Si Dominus Jesus legem potuisset transgredi, inanis enim esset fides nostra, inanis
et praedicatio nostra".
98 WILL 140b: „Quod si juxta tuam assertionem Christus pascha fecit tertiadeeima luna cum
fermentato, dupliciter reus fuit, juste puniendus seeundum legem, quia pascha fecit in tempore
non suo et quia cum fermentato".
99 WILL 140b- 141a: „Quapropter mors ejus nil omnino nobis conferret, quia non pro nostris, sed
pro suis peccatis interiit, scilicet quia fuit transgressor sanetae legis".
100 WILL257a Z. 3 7 - b Z . 10.
101 LAYCUS VON AMALFI, Epistola de azymis, cap 8 (ed. cit. 39^10): „Dicant, obsecro, qualis panis
fuit ipse, quem apostolis dedit <...>? Si dixerint: Fermentatus, ergo falsa est ipsius domini
sententia dicentis: Non veni legem solvere, sed adimplere. <...> Quomodo ille, qui legem dedit,
benedictionem utique nobis afferret, si ea quae legis sunt, non observasset? Si hoc fecisset, ut
transgressor legis iuste puniretur et non pro nostra omnium redemptione moreretur". Vgl.
BRUNO VON SEGNI, De sacrificio azymo, ed. cit. 1086 B-C. Kennzeichnend ist die eindeutige
Postuliemng des Passacharakters des letzten Abendmahles Jesu bei LAYCUS VON AMALFI, ed.
cit. 40: „Imminente itaque tempore ipsius paschae inquiunt diseipuli ad eum: Ubi vis paremus
tibi comedere pascha? At ipse: lte ad civitatem ad quendam et dicite ei: Magister dicit: Ubi est
diversorium, ubi pascha cum diseipulis meis manducem? Quo dicto datur intellegi, quia illut
pascha tunc tipicum celebravit et ipsum apparatum habuit, cuius domus fiierat preparata ad
edendum ex more pascha".
Der Azymenstreit 135

Contradictio stellt auch Alger von Lüttich seinen Text zusammen . Vom gleichen
Grundsatz geht auch Anselm von Havelberg aus .
Einen eigenen Weg dagegen beschreitet, - wie auch durchgehend in seinem Kapitel
zur Azymenfrage, - Rupert von Deutz:
,£>ie Azymen gingen aus der Autorität sowohl des Evangeliums als auch des alten Gesetzes
hervor. Denn der Herr befahl im [alten] Gesetz, wo er das figürliche vorausweisende Opfer des
Pascha befohlen hatte, den Sauerteig zu verwerfen, und im Evangelium, wo er das neue Opfer
zum ersten Mal zelebrierte, konsekrierte er um nichts weniger mit Azymen. Und damit du
vielleicht nicht etwas anderes annimmst: Damals gab es in den Häusern Israels keinen Sauer-
teig, weil dies im Gesetz des Herrn verboten war. Er hat also, vom alten zum neuen Opfer
schreitend, die Azymen nicht aufgegeben, sondern segnete, brach und gab sie seinen Jüngern
mit den Worten: »Tut dies zu meinem Gedächtnis«. Hat er vielleicht etwas über den Sauerteig
gesagt oder sich beklagt, daß er, von der Gewohnheit des Gesetzes gezwungen, den Sauerteig
vermisse? Vielmehr konnte er, der im [alten] Gesetz die Azymen verordnete, unter der Gnade
nicht das Gegenteil verordnen. Man möge bedenken und im Gedächtnis behalten, daß keine
Gewohnheiten des alten Gesetzes durch neue gegenteilige Anordnungen des Evangeliums zer-
stört wurden. Die aber aufgegeben oder zerstört wurden, wichen besseren, nicht gegenteiligen,
wie beispielsweise die Beschneidung der Taufe. Denn die Beschneidung war ja gut, aber die
Taufe ist besser. <...> Die Vorhaut scheint aber der Beschneidung eher entgegengesetzt zu
sein, so wie das Haben dem Verlust. Aber der Herr hat über die Vorhaut nichts gesagt, viel-
mehr hat er über beides geschwiegen, denn die Beschneidung ist nichts, und das Unbeschnitten
sein ist nichts [1 Kor 7, 19], wie der Apostel sagt, sondern der durch Liebe wirksame Glaube
[Gal 5, 6]. Das ungesäuerte und das gesäuerte Brot aber sind offenkundig einander entgegen-
gesetzt, als unmittelbare Gegensätze. Deswegen ziemte es Gott nicht, daß er - gleichsam wie
einer, der sich selbst widerspricht - das ungesäuerte [Brot] verwerfe und das gesäuerte verord-

102 ALGER VON LÜTTICH, De sacramentis, lib 2, cap 10 (ed. cit. 828 C-D), in Beantwortung des
Arguments der „Wunder-Fermentierung" Jesu (s. unten, Anm. 112): „Quia hoc miraculum eum
fecisse non legitur, licet potuerit, quod tarnen fecerit nulla auetoritate firmatur; praesertim qui
eotenus ita legem servaverat, ut ex ea nee iota unum solvere voluerit. Quia enim natus ex
muliere, factus sub lege, debitor legis extiterat; si eotenus legem solvisset, legem transgrediendo
peccator fieret, causaque nostrae salutis periret. Nisi enim omnino innocens et mundus pro nobis
immundis et injustis oecumberet, non alienae, sed suae eulpae debitum moriendo solveret, et sie
Adae peccato non deleto, regnum mortis aeternae non cessaret. Cum enim de observantia
azymorum lex dicat: Quicunque fermentatum comederit, peribit anitna illa de Israel, justam
occisionis suae causam Judaei invenissent, si eum ut legis transgressorem punirent".
103 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 17 (BALUZE 203 = PL 1235 C-D): „Quia
igitur seeundum mandatum legis in illis septem diebus paschalibus in nulla domo Israel
inventum est fermentatum, sed tantum solum azyma, et Christus venerat non solvere legem, sed
adünplere, manifestum est eum in coena paschali, ubi consecravit corpus suum, azyma habuisse,
et illud consecrasse, antiquum pascha ita quidem consummando et novum pascha initiando".
136 Die ostkirchliche Herausforderung

ne, das er zuvor verboten hatte, als er sprach: »Du sollst das Blut meines Opfers nicht über Ge-
säuertem darbringen« [Ex 23,18]" 104 .

Diese Ausführungen Ruperts machte sich wiederum Innozenz III. zu eigen 105 .
Auf jeden Fall bleibt in der ganzen scholastischen Literatur der Grundsatz gültig, der
im Brief des Pseudo-Isidorus an Redemptus formuliert ist:
„Unser Herr feierte das Pascha gemäß dem Gesetz, und im Abendmahl gab er seinen Leib un-
ter der Gestalt des Brotes und des Weins den Jüngern zur Speise hin und verlieh ihnen die
Gewalt, denselben zu konsekrieren. Er brachte das ungesäuerte Brot dar, mit dem das Pascha
zu feiern war"106.

Guido von Orchelles argumentiert für die lateinische Praxis folgendermaßen:

104 RUPERT VON DEUTZ, De divinis officiis, lib 2, cap 22 (ed. cit 54-55): „At uero azyma tarn ex
euangelica quam ex legali auctoritate profecta sunt Nam Dominus et in lege, ubi typicum
paschae sacrificium mandauit, fermentum abici iussit, et in euangelio, ubi nouum sacrificium
primus celebrauit, azymo nihilominus ipse consecrauit. Et ne forte aliter suspiceris, fermentum
in domibus Israel tunc non inueniebatur, lege enim Domini hoc sancitum erat Dum ergo a
uetere ad nouum sacrificium proficiscens azyma non reliquit, sed azyma benedixit fregit, et
dedit discipulis suis dicens: Hoc facite in meam commemorationem, numquid de fermento
quidquam dixit aut questus est, quod cogente consuetudine legis fermentum sibi defuerit? Immo
qui in lege de azymis iussit, in gratia, quod contrarium erat, statuere non debuit. Notandum
quippe est et animo memori retinendum nullas antiquae legis consuetudines contrariis
superuenientibus ex euangelio decretis esse destructas. Sed quae abolitae sunt uel destructae
melioribus non contrariis cesserunt, ut circumcisio baptismo. Nam circumcisio bona quidem,
sed baptismus mehor. <...> Magis autem praeputium oppositum videtur circumcisioni scilicet ut
habitus priuationi. Sed Dominus de praeputio nihil dixit, immo de utroque tacuit, quia
circumcisio nihil est, et praeputium nihil est, ait apostolus, sed fides, quae perdilectionem
operatur. At uero azymum et fermentatum manifeste opposita sunt, ut contraria immediata.
Igitur non decebat Deum, ut tamquam sibimet contrarius abiecto azymo de fermento praeciperet,
de quo ante prohibuerat dicens: Non immolabis super fermento sanguinem hostiae meae'\
105 INNOZENZ ΠΙ., De missarum mysteriis, lib 4, cap. 4 (ed. cit. 857 B): „...legales ergo
consuetudines non penitus sint abolitae, neque contrariis supervenientibus sunt destructae, sed
interdum in melius commutatae. Nam cum Deus circumcisionem mutavit, non superduxit
contrarium, id est praeputium, sed protulit melius, id est baptismum, quia circumcisio nihil est,
neque praeputium aliquid valet, ut dicit Apostolus, sed fides quae per dilectionem operatur. At
azymum et fermentum penitus sunt opposita, sicut immediata contraria: non ergo decebat, ut
Deus tanquam sibi contrarius abjiceret azymum, et assumeret fermentatum, quasi minus bonum
praeferret".
106 PSEUDO-ISIDORUS, Epistola ad Redemptum, ed. cit. 906 C: „Dominus igitur noster pascha
secundum legem celebravit, et in coena suum corpus sub panis et vini specie discipulis edendum
tradidit, et eis eumdem conficiendi tradidit potestatem, atque panem azymum cum quo pascha
agebatur obtuht".
Der Azymenstreit 137

„[Daß eher mit ungesäuertem als mit gesäuertem Brot die Eucharistie zelebriert werden muß,]
wird bewiesen durch die Autorität des Gesetzes, Ex 12[, 6] <...>. Folglich hat der Herr dem
Gesetz zufolge am 14. Tag des Monats mit seinen Jüngern das Pascha gefeiert. Folglich stand
dem Herrn damals dem Gesetz zufolge kein gesäuertes Brot zur Verfügung. Folglich konnte er
nur mit ungesäuertem Brot zelebrieren. Folglich haben wir diesen Ritus, daß wir mit ungesäu-
ertem Brot zelebrieren, vom Herrn [selbst]"107.

In den hochscholastischen Sentenzenkommentaren, wie bei Bonaventura , Albertus


Magnus109, Thomas von Aquin110, wurde die bisherige Argumentation auf ihre wesent-
lichsten Aspekte zusammengedrängt und diente als einleitendes Argument in den ent-
sprechenden Artikeln über die Brotbeschaffenheit.
In seinem Dialogus berichtet Humbert von einem Einwand der Griechen, den er
selbst gehört haben will, und der das verzweifelte Bemühen der Griechen zeigt, die
Brotbeschaffenheit zu einem fast zentralen Aspekt des eucharistischen Sakramentes zu
machen, ohne den es seine Wirkung nicht entfalten kann111. Humbert stellte ihnen die

107 GUIDO VON ORCHELLES, Tractatus de sacramentis, cap 5, η 61 (ed. cit. 59): „...hoc idem
probatur auetoritate Legis, in Exodo 12 <...>. Ergo seeundum Legern, XTVa die mensis
celebravit Dotninus pascha cum diseipulis suis; ergo tunc, seeundum Legern, non invenit
Dominus fermentatum; ergo non confecit nisi de azymo. Ergo hunc ritum habemus a Domino
quod conficimus ex azymo".
108 BONAVENTURA, In IV. Sententiarum, dist 11, pars 2, art 2, q 1, arg 3, sc 5 und ad 5 (ed. cit. 261-
262): „Item, ratione videtur: quia Dominus non venit solvere legem, sed adimplere mandata
Legis; sed praeeeptum erat, Exodi duodeeimo et Deuteronomii deeimo sexto, quod comederent
pascha cum azymis: ergo comedit azyma. Sed de illo pane confecit, quem in Coena comederat:
ergo etc."
109 ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, dist 12, C, art 8, arg 3 (ed. cit. 306): „Item, Jesus non
venit legem solvere, sed adimplere: ergo ipse ritum Paschae non solvit, sed adimplevit: ritus
autem fuit comedere in azymo: ergo ipse corpus suum tradidit in azymo".
110 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, üb 4, dist 11, q 2, art 2c, sc 2 (ed. cit. 479):
„Praeterea, Christus non venit legem solvere, sed implere, ut dicitur Matth. 5. Sed seeundum
legem agnus paschalis comedebatur cum azymis, ut patet exod. 17. Ergo Christus agnum
paschalem cum azymis comedit. Ergo de azymo confecit"; DERS., Summa contra Gentes, lib 4,
cap 69, η 4 (ed. cit. 142): „Cum autem non esset licitum seeundum legem quod prima die
azymorum fermentatum in domibus iudaeorum inveniretur, ut patet Exodi 12-15, Dominus
autem, quandiu fiiit in mundo, legem servavit: manifestum est quod panem azymum in corpus
suum convertit, et diseipulis sumendum dedit".
111 MICHEL, Die Anticipation 158-159, und DERS., Humbert und Kerullarios 1118, möchte diese
Diskussion in dem sonst unbekannten Konzil von Bari erblicken, wovon die Rationes de saneti
Spiritus processione der drei Legaten von 1053/54 berichten. Auf diesem Konzil, das Michel
nach dem 23. Juni 1053 beginnen läßt, sollte die Filioque-Yragc diskutiert werden: „Sed et
sapientissimus iam supra nominatus papa Leo tale me audiente in Barensi concilio coram
universis, qui aderant, de Saneti Spiritus processione a Patre et Filio dedit exemplum" (MICHEL,
Humbert und Kerullarios I 101). Diese Behauptung Michels bleibt jedoch nur Vermutung;
138 Die ostkirchliche Herausforderung

Frage, woher denn Jesus beim letzten Abendmahl gesäuertes Brot nehmen konnte, da es
doch in den Tagen des Pascha grundsätzlich kein solches gab? Darauf antworten ihm
die Griechen folgendes:

„Wenn man glaubt, daß er allmächtig ist, konnte er sofort, woher auch immer, gesäuertes Brot
herbeischaffen oder gewiß das ungesäuerte Brot durch seinen Segen zu gesäuertem ma-
chen"112.

Humbert fand diese Antwort nur lächerlich (frivolum), und er ergänzte die bereits be-
kannte Konsequenz, daß sich Jesus zum Gesetzesübertreter gemacht hätte, hätte er da-
mals gesäuertes Brot auch nur bei sich geführt113. Die Antwort auf das Argument der
Griechen mußte also lauten:
„Auch wenn der Herr Jesus alles, was er wollte, machte und noch macht dieses konnte er
nicht machen, wie er auch einst aus Steinen kein Brot machen konnte. Falls man fragt, war-
um?, so muß die Antwort lauten: Weil er das nicht wollte. Aber woher weiß man, daß er das
nicht wollte? Weil er das Gesetz nicht übertreten konnte und es auch nicht übertreten hat, - j e -
nes Gesetz, das er nicht aufzulösen gekommen ist, sondern zu erfüllen. Ihr müßt euch also für
eines von beiden entscheiden: entweder hat er, indem er das Gesäuerte verachtet hat, in der
Feier der Azymen das Gesetz erfüllt, oder er hat, indem er gesäuertes Brot verwendet hat, das
Gesetz aufgelöst. Dann hätte er aber gelogen, wenn er sagte, er sei gekommen, das Gesetz zu
erfüllen. Dies aber sei ferne!""4

Mit der Möglichkeit, daß Jesus im letzten Abendmahl auf wundertätige Weise das un-
gesäuerte Brot in gesäuertes verwandelt habe, wird sich dank Humbert auch die spätere

außerdem ist die Quellenlage um das genannte Konzil viel zu unklar, um etwas Konkretes über
seine Tagesordnung sagen zu können - falls es tatsächlich in der angegebenen Zeit stattgefun-
den hat. Aus ihm ein „Unionskonzil" zu machen, wie dies MICHEL, Humbert und Kerullarios Π
298, tut, erscheint sehr gewagt.
112 WILL 102a: „...suscitantibus nobis, unde Dominus Jesus fermentatum in coena habuerit, cum in
omnibus ünibus Israel non inveniretur, respondent: Si creditur omnipotens, potuit subito
undecunque fermentatum exhibere aut certe ipsum azymum benedicendo fermentare".
113 WILL 102a: „Quod quam sit frivolum, nemo non intelligit, quia, quocunque modo apud eum in
ipsa sollemnitate fermentatum apparuisset, legis transgressor fieret plane dignus puniri, qui in
sanctae legis contumeliam fermentatum tractasset".
114 WILL 102b: „...vobis fideliter et constanter respondemus: Quamvis omnia, quaecunque voluit,
fecerit et faciat Dominus Jesus, hos facere non potuit, sicut quondam de lapidibus panem facere
non potuit. Si quaeritur: cur? Breviter respondetur, quia noluit. Sed unde scitur, quia noluit?
Quia non transgredi potuit nee transgressus est legem, quam non venit solvere, sed adimplere.
Itaque unum e duobus eligatis necesse est. Aut enim fermentato abjeeto in solemnitate
azymorum legem implevit, aut suseepto fermentato legem solvit, propter quam adimplendam se
venisse mentitus invenietur, quod absit!"
Der Azymenstreit 139
115
Literatur noch auseinandersetzen. So erwähnen dieses Argument Alger von Lüttich
und Anselm von Havelberg116.
Aus der gemeinsamen Argumentationslinie der Lateiner schert Anselm von Canter-
bury ein wenig aus. Er bescheinigt den Griechen, daß sie „auf sinnloseste Weise irren",
wenn sie Christus vorwerfen, er Judaisierte", weil er das alttestamentliche Azymenge-
bot beachtet habe. Daß dies eben nicht der Fall war, versucht Anselm mit Hilfe der
biblischen Typologie des Ungesäuerten zu zeigen: Nur das „lautere", ungesäuerte Brot,
nicht aber der „alte Sauerteig" entspricht dem Mysterium der Eucharistie
(1 Kor 5, 8)117. Seine weiteren Ausführungen drehen sich also um das typologische
Gegenargument, auf das wir erst weiter unten ausführlicher eingehen werden. Interes-
sant erscheint jedoch, daß Anselm offenbar keinen Wert auf die Beobachtung des altte-
stamentlichen Azymengebotes durch Jesus legt; damit unterscheidet er sich von der seit
Humbert vorherrschenden Ansicht in einem wesentlichen Punkt, ja er widerspricht
sogar der allgemeinen lateinischen Theorie:
„Wenn daher Jesus das ungesäuerte Brot für diese Handlung verwendete, so tat er das nicht,
um das Azymengebot zu befolgen, sondern entweder damit die »Fermentierer« |=Griechen],
die er kommen sah, verworfen und die »Azymiten« [=Lateiner] bestätigt würden, oder aber
damit, wenn auch die »Fermentierer« bestätigt worden sein sollten, die »Azymiten« ebenfalls
bestätigt würden"118.

Mit dieser nicht ohne Humor vorgetragenen Lösung entledigt sich Anselm des leidigen
Einsetzungsproblems. Da sich auch sonst in seiner Epistola de sacrificio azymi keine
Diskussion typischer „Einsetzungs-Fragen" findet, wie beispielsweise der jo-
hanneischen Chronologie, scheint ihn dieser Problembereich nicht interessiert zu haben.
Die angeführte Stelle Anselms hat allerdings Alger von Lüttich abgeschrieben119.

115 ALGER VON LÜTTICH, De sacramentis, ed. cit. 828 C: „Sed opponunt Graeci Christum
fermentatum panem mirabiliter sibi exhibuisse, sicut de quinque panibus legitur millia
hominum pavisse".
116 ANSELM VON HAVELBBRG, Antikeimenon, lib 3, cap 17 (BALUZE 203 = PL 1235 D): „Nisi forte
inde talem tibi opinionem fingere velis, quod ipse tamquam omnipotens novum sibi fermentum
tunc ad hoc sacramentum complendum creaverit. Quod non solum contra evangelium, verum
etiam contra omnem verisimilitudinem esse constat".
117 ANSELM VON CANTKRBURY, Epistola de sacrificio azymi, ed. cit. 225: „Et si audent asserere
Christum propter iudaismum, ut praeeeptum de azimo darum servaret, de azimo corpus suum
fecisse: absurdissime errant, cum illum tarn sinceram novitatem infecisse fermento vetustatis
existimant".
118 Ebd., 225-226:,,Patet igitur quia cum usus est azimo ad illud opus, non hoc fecit ut praeeeptum
de azimo servaret, sed aut ut fermentarios quos praevidebat reprobans azimitas approbaret, aut
certe ut, si etiam fermentarii approbarentur, azimitas quoque approbaret".
119 ALGER VON LÜTTICH, De sacramentis, ed. cit. 829 D: „Hoc utique Christus faciens, non fecit
tantummodo ut praeeeptum de azymis in pascha servaret, sed etiam ut fermentarios, quos
140 Die ostkirchliche Herausforderung

Eine Variation des Problems der Einsetzung begegnet griechischerseits bei Theo-
phylaktos von Achrida. Sein Argument lautete, daß man Jesus - selbst unter der Vor-
aussetzung, daß er das letzte Abendmahl mit Azymen vollzogen habe, - darin nicht zu
folgen brauche. Denn Jesus befand sich am Tag seines letzten Abendmahles noch unter
dem alten Gesetz; wir Christen haben aber die neue Freiheit in Christo . Bei den La-
teinern nahm sich Alger von Lüttich dieses Argumentes an121 und beantwortete es mit
dem lapidaren Hinweis, daß Jesus, falls er nicht wollte, daß die Eucharistie mit unge-
säuertem Brot zelebriert werde, dies ausdrücklich verboten hätte. Wenn denn die De-
tails des eucharistischen Vermächtnisses Jesu so wichtig gewesen wären, daß sie über
Leben und Tod entscheiden, so hätte Christus doch explizit davor gewarnt122. Sein Ge-
genargument hat Alger aus Anselm von Canterbury übernommen123

b. Das Datum des letzten Abendmahls


Wie bei fast allen Fragen, die der Azymenstreit aufwarf, steht auch bei der Behandlung
der Chronologie des letzten Abendmahles der Dialogus am Beginn der lateinischen
Argumentation. Im unmittelbaren Gespräch mit den Griechen wurde der Autor mit der
johanneischen Chronologie konfrontiert, aus der seine Gesprächspartner ihr Argument
gegen ein Abendmahl Jesu mit ungesäuertem Brot ableiteten. Die Lösung des Problems

praevidebat, reprobans, azymitas approbaret, aut certe si etiam fermentarii approbarentur, ipse
azymita, azymitas praeponeret".
120 THEOPHYLAKTOS VON ACHRIDA, Προσλαλία, ed. cit. 263: Ού μην επειδή εκείνος ό άρτος
αζυμος ην, της ανάγκης τοϋ νόμου τούτο ποιούσης, ήδη και ήμεΐς οι της εν Χριστώ
ελευθερίας καταπολαύοντες, αζυμον έξ ανάγκης ποιήσομεν, τον ζυμίτην
άπορριπίσαντες. Vgl. oben, S. 115.
121 ALGER VON LÜTTICH, De sacramentis, ed. cit. 828 D - 829 A: „Opponunt Graeci quia et si ante
passionem legis debitor fuit, post resurrectionem legi nihil debuit <...> Quoniam igitur post
resurrectionem non legi, sed Deo vivit, ideo ipse nil jam legi debens, baptismum novae gratiae,
quod ante non fecerat, in remissionem peccatorum non Judaeis tantum, sed et omnibus gentibus
praedicari et praestari instituit. Unde etiam astruunt, quia etiamsi Christus panem azymum
consecraverit, non tarnen hoc imitandum sit in ipso, sicut nee circumeisionem cum baptismate,
nee celebrationem veteris paschae cum novo usurpamus: quamvis ipse ut mediator novi
testamenti ac veteris, illud complendo, istud instituendo, peragere sit dignatus; quia ante
passionem quidem aliqua novi testamenti ac veteris pro sua dignitate rite perfecit, sed post
resurrectionem omni legalis vetustatis umbratica superfluitate remota, solius gratiae veritatem
omnibus instituit".
122 Ebd., 829 B: „Si mortiferum scisset Christus fidelibus suis fore de azymo corpus suum
conficere, sicut caetera peccata ne hoc faceremus interdixisset, vel saltem facere non
praeeepisset".
123 ANSELM VON CANTERBURY, Epist. de sacrificio azimi, ed. cit. 226: „si noluisset ut nos, quibus
hoc in apostolis ρΓαβοερίζ hoc de azimo faceremus: praemonuisset nos in eis et dixisset: ne
faciatis hoc de azimo".
Der Azymenstreit 141

der johanneischen Chronologie sieht der Autor des Dialogus in der Austauschbarkeit
der Ausdrücke pascha und azyma, die er für die Zeit Jesu postuliert. Dabei beruft er
sich auf jene Synoptiker-Stellen, die belegen, daß die beiden Feste des Paschas und der
Ungesäuerten Brote im Zusammenhang standen. Diese Verbindung erstreckt sich aber
nach dem Dialogus nicht nur auf die Bezeichnung der Feste, sondern auch auf die Be-
zeichnung der festlichen Speisen. Mit dieser Prämisse deutet der Dialogus Joh 18, 28,
das von den Byzantinern als Schlüsselstelle für das letzte Abendmahl Jesu am 13. Nisan
gesehen wurde. „Das Pascha" bedeute im Kontext dieser Stelle nicht „das Osterlamm",
sondern „das ungesäuerte Brot", „die Azymen". Die Worte des Johannesevangeliums
habe man also folgendermaßen zu interpretieren: „Sie gingen nicht hinein in das Präto-
rium, damit sie sich nicht verunreinigten, sondern die Azymen essen könnten"124. Der
„Rüsttag des Paschas" in Joh 19, 14 müsse man nach dem Dialogus als „Rüsttag des
großen Sabbats" verstehen, des Tages, der bei den Juden „feierlicher als die übrigen
Paschatage war". Auch wegen der besonderen Verehrung eben dieses Tages durfte man
nicht in das Prätorium hinein, und konnten auch die Leichen der Gekreuzigten nicht am
Kreuz bleiben125.
Charakteristisch sind die Ausführungen der Contradictio adversus Nicetam, die einen
anderen Weg einschlägt. Zur Entkräftung der johanneischen Chronologie werden hier
keine linguistischen bzw. chronologischen Untersuchungen unternommen, sondern nur
der Grundsatz der lateinischen Position, mit dem wir bereits aus der vorherigen Diskus-
sion vertraut sind, bekräftigt: Christus wollte nicht ein Jota des Gesetzes vergehen las-
sen, er war kein Übertreter des Gesetzes. Deswegen durfte er das Pascha nur am
14. Nisan und nur mit ungesäuertem Brot vollziehen, alles andere wäre „Fiktion"
(figmentunif26. Der Grundsatz, nach dem sich das Alte und das Neue Testament in

124 WILL 103a: „Quod si quaeritur, quare Ioannes deeimam quintam lunam, id est, a pascha
seeundam, dixeritpascha? turn videatur dicere debuisse: Et ipsi non introierunt in praetorium, ut
non contaminaretur, sed ut manducarent azyma, quorum prima erat dies ipsa. Sciatis
indifferenter ab evangelistis dici pascha et azyma. <...> Ubi si indifferenter non aeeipiuntur
pascha et azyma, ut modo pascha pro festo azymorum, modo festum azymorum intelligatur pro
pascha, quomodo stabit: Erat pascha et azyma post biduum? Nam juxta opinionem vestram
debuit sie scribi: Erat pascha post biduum et azyma post triduum [die Lesart in WILL 103a Z. 32
und in PL 143, 944 B: biduum, gibt keinen Sinn]. Sed beatus Lucas omnem hujusmodi
dissolvens controversiam inquit: Appropinquabat dies azymorum, qui diciturpascha".
125 WILL 103b: „Parasceve paschae praeparatio paschae interpretatur. Quando jam praeparatur vel
instabat celebritas magni diei sabbati, qui celebrior reliquis paschalibus diebus apud Judaeos
habebatur, adeo ut ob reverentiam ejus gentilis hominis cohabitatione vel introitu praetorii pollui
vererentur, et insuper ne in cruce remanerent corpora in sabbato, praeeaverent".
126 WILL 140b: JDeinde post inanes latratus super vocabulo panis reduxisti nobis annos ab initio
mundi usque ad passionem Christi, quando seeundum te cyclus solaris erat XVHI et lunae V, ut
hoc saltem figmento posses evadere cum fermentato tuo, quasi juxta hanc supputationem tuam
oecurrat in ipsa Coena Domini luna ΧΠΙ, in qua nondum fermentum abjeeerat plebs Hebraea.
142 Die ostkirchliche Herausforderung

keinem Gegensatz zueinander befinden, wiegt also für den Autor der Contradictio
schwerer als irgendwelche historischen bzw. chronologischen Zeugnisse. Ähnlich ar-
gumentiert auch das Fragmentum disputationis contra Graecos gegen die beiden Posi-
tionen der Griechen, - das letzte Abendmahl habe stattgefunden (a) am 13. Nisan, oder
(b) am 14. Nisan, in jedem Fall aber mit gesäuertem Brot, - mit einem einzigen Be-
weisgrund, und zwar mit dem Prinzip: „Christus ist gekommen, nicht um das Gesetz
aufzulösen, sondern um es zu erfüllen"127.
Innozenz III. weitet die exegetische Untersuchung auf die Synoptiker aus. Zusätzlich
zu den Johannesstellen (13, 1; 18, 28 und 19, 31), die bereits Humbert diskutierte,
nimmt er Lk 23, 54-56 und Mt 26, 5 in den Blick128. Die Johannesstellen „entschärft"
Innozenz III. wie der Dialogus, indem er paschet und azyma als synonyme Ausdrücke
erachtet129. Die Aussage bei Lukas, wonach die Frauen Salben zubereiteten, erlaubt
nach Innozenz III. eine Reihe von Rückschlüssen auf die Chronologie: (1) So konnten
am Festtag des Freitags die Frauen Salben anrühren, weil sie sich nicht mehr unter dem
Gesetz, sondern unter der Gnade befanden - obwohl Lukas festhielt, daß die Jünger am

Sed nos chronographis et calculatoribus talia relinquentes maxime cum apud Graecos et Latinos
atque Hebraeos diversae de temporibus habeantur rationes, hoc tantum dieimus, quia Christus
nee unum iota aut apicem veteris legis resolvit. Unde et XTV luna ad vesperum quinta sabbati
pascha celebravit et mox eadem nocte comprehensus crueifixus est quintadeeima luna, id est
sexta sabbati, quae specialiter dicebatur prima dies azymorum. Quamvis et in tota praecedente
die, id est quarta deeima luna, fermentatum non appareret in omnibus finibus Israel. Nam et
agnus cum azymis comedebatur".
127 WILL 2 5 7 a - b : „Arguimus, quod Dominum ante quartamdeeimam lunam pascha contra legem
fecisse vel in quartadeeima fermentum comedendo violasse contenditis, et sie transgressorem
legis, et solvisse legem, antequam impleretur, astraitis; quod evangelium prima die azymorum,
quod dicitur pascha, fuisse commemorat, et Christus non ad solvendam, sed ad implendam
legem se venisse confirmat".
128 INNOZENZ III., De missarum mysteriis, ed. cit. 855 B: „Nam et Joannes evangelista testatur,
quod ante diem festum paschae Jesus cum apostolis nocte coenavit. Dicit etiam Judaeos in
Parasceve non intrasse praetorium, ut non contaminarentur, sed comederent pascha. Sabbatum
quoque post crucem magnum diem sabbati nominavit, quod dici non solet, nisi cum sabbato
festum coneurrat. Et Lucas ait, quod mulieres in parasceve paraverunt unguenta, quod eis in die
festo facere non liceret. Matthaeus quoque describit, quod prineipes sacerdotum et seniores
populi disposuerant Christum oeeidere, sed non in die festo, ne forte tumultus fieret in populo".
129 Ebd., 855 C - 856 A: „Pascha namque dicitur dies solemnis, agnus et hora. <...> Diem magnum
sabbati nominabant in tribus solemnitatibus hebdomadalibus quoeunque septem dierum
contingeret. Nam omnes erant solemnes, et si non adeo sicut primus et ultimus, sed ad edendum
azyma septem diebus oportebat eos omnes existere mundos. Unde quolibet septem dierum non
poterant introire praetorium, ne contaminarentur, sed comederent pascha, id est in pascha. Vel
nomine paschae possunt et azyma designari".
Der Azymenstreit 143

Sabbat „nach dem Gebot" ruhten (Lk 23, 56)130. (2) Ferner war es den Frauen unmög-
lich, die Öle am Samstag zu kaufen, weil am ersten und am letzten Tag des Festes der
Ungesäuerten Brote eine besondere Ruhe geboten war, und niemand hätte den Frauen
die Öle verkauft, auch wenn sie noch so sehr darum gebeten hätten131. (3) Außerdem
kauften die Frauen nach Mk 16, 1 die wohlriechenden Öle erst „als der Sabbat vergan-
gen war"132. (4) Schließlich konnten die Frauen das Öl bereits früher vorbereitet haben,
weil von Maria Magdalena in Mt 26, 12 und in Joh 12, 7 berichtet ist, daß sie, als sie
Jesus salbte, dies zu seinem Begräbnis tat. Folglich konnte sie das Salböl, das sie früher
schon vorbereitet hatte, später fertigstellen133. Auf die Matthäusstelle (Mt 26, 5), wo-
nach die Priester beschlossen, Jesus nicht am Fest zu töten, um einen Aufstand zu ver-
meiden, entgegnet Innozenz, daß sich der Plan der Priester nicht über die Anordnung
Gottes hinwegsetzen konnte. Gottes Ratschluß wollte aber, daß das wahre Lamm in den
Pascha-Tagen dargebracht werde134. Neben den genannten Evangelien-Stellen wendet
sich Innozenz III. einem weiteren Einwand zu, den die Griechen angeblich vorgebracht
haben: Der Karfreitag mußte auf den Paschatag fallen, damit die figura, der Verhei-
ßungscharakter, des Gesetzes erfüllt werde. An diesem Tag wurde ja das wahre Lamm -
Christus - geschlachtet. Da aber Christus voraussah, daß er am Paschatag zu leiden
habe, hat er am Vorabend die Paschafeier „antizipiert", und zwar mit gesäuertem
Brot135. Das gesamte Azymenkapitel bei Innozenz III. stellt eine einzige Kompilation
von Argumenten früherer Schriften - vor allem aus Humbert, Petrus Damiani, Rupert
von Deutz und Sicard von Cremona - dar. Die Diskussion der exegetischen Stellen,
denen wir uns zuletzt widmeten, trägt auch Züge einer nicht sehr durchdachten Kompi-

130 Ebd., 856 A: „Quod autem mulieres die festo parasceve dieuntur unguenta parasse, non obest,
quia non erat sub lege, sed sub gratia, verumtamen Lucas ait, quia sabbato siluerunt seeundum
mandatum ".
131 Ebd., 856 A: „Sed et mandatum erat in lege, quod in diebus azymorum prima et ultima nihil
operis facerent exceptis his quae pertinent ad vescendum. Praeterea nemo tunc etiam volentibus
emere vendidisset aromata, ut venientes ungerent Jesum".
132 Ebd., 856 B: „Ut ergo nihil dubietatis remaneat, Lucas reducatur ad Marcum, ut intelligatur quia
mulieres revertentes paraverunt seeundum Lucam aromata et unguenta: non tunc, sed seeundum
Marcum cum sabbatum pertransisset".
133 Ebd., 856 B: „Quod si longe antea paraverant, quia frequenter audierant Dominum in proximo
venturum? Nonne Magdalena jam parasse videtur, et per inspirationem praeoecupasse
mysterium unetionis, teste Veritate, quae dixit: Mittens hoc unguentum in corpus meum, ad
sepeliendum me fecit. Et iterum: Sinite illam, ut in diem sepulturae meae servet illud. Sed
unguentum quod prius ineeperat, postea consummavit".
134 Ebd., 856 B-C: „Porro dispositio sacerdotum dispositioni Dei praevalere non potuit, qui
disposuerat, ut verus Agnus in diebus paschalibus immolaretur".
135 Ebd., 855 Α-B: „Graeci <...> de fermentato conficiunt, asserentes in parasceve lunam quartam
deeimam exstitisse, in qua verus Agnus est immolatus, ut legis impletur figura. Dominus ergo ea
die se passurum esse praenoscens, praecedente vespera necessitate antieipavit comedere pascha,
quia tunc poterat comedi fermentatum, et ipsi corpus Domini de fermentato conficiunt".
144 Die ostkirchliche Herausforderung

lation: Die Argumentation ist sehr unpräzise und verworren, die Benutzung der Bibel-
stellen undeutlich und manchmal sogar irreführend. Auch wenn ich keine unmittelbare
Vorlage dafür finden konnte, spricht vieles dafür, daß Innozenz auch diese Passagen
von irgendwo abschrieb.
Die genannten fünf Stellen (Joh 13,1; Joh 18,28; Joh 19,31; Lk 2 3 , 5 4 - 2 4 , 1 ;
Mt 26, 5) wurden von der Hochscholastik dank Innozenz III. als die wichtigsten Argu-
mente der Griechen zugunsten des letzten Abendmahls am 13. Nisan aufgefaßt. Wäh-
rend bei Guido von Orchelles alle fünf Stellen besprochen werden136, setzt sich Albertus
Magnus nur mit Joh 13, 1 auseinander137. Thomas von Aquin bespricht im Sentenzen-
kommentar Joh 13, 1; Joh 18, 28, und Lk 23, 54-24, 1, nicht aber die Matthäusstel-
le138. In der Summa contra Gentes und in Contra errores Graecorum werden Joh 13,1
und Joh 18, 28; in der Summa theologiae nur Joh 13, 1 angeführt. Die hochscholasti-
schen Autoren bleiben im Rahmen der Lösungsmodelle, die bei Innozenz III. zu finden
waren. Eine Ausnahme bildet Alexander von Haies, dessen Auslegung der Hauptstelle
der chronologischen Problematik, Joh 18, 28, sich von den anderen Scholastikern unter-
scheidet. Er scheint ein Befürworter der Theorie der mehrtägigen Paschafeier gewesen
zu sein. Seiner Ansicht nach durfte man das Pascha in der Zeit Jesu an unterschiedli-
chen Tagen feiern, ohne daß dadurch gegen das Gesetz verstoßen wurde. Daher konnte
Jesus an einem, die anderen Juden an einem anderen Tag feiern139. Sein Argument ist
innerhalb der untersuchten lateinischen Literatur einmalig.
Bei mehreren scholastischen Autoren des 13. Jahrhunderts läßt sich eine deutliche
Akzentverschiebung beobachten: zunächst wird beinahe die ganze Problematik des
eucharistischen Brotes auf die Einsetzungsfrage reduziert und dann in einem weiteren
Schritt die Einsetzungsproblematik selbst ausschließlich auf die Chronologie zurückge-
führt: „Wann hat das letzte Abendmahl stattgefunden?" Der vielschichtige Streit um
zwei verschiedene sakramentale Gewohnheiten mündet also innerhalb der sich formie-
renden systematischen Universitätstheologie in eine Diskussion der Chronologie des
letzten Abendmahles. Ein sprechendes Beispiel dafür ist Wilhelm von Auxerre:
„Von der Zwietracht zwischen Griechen und Lateinern über die Zelebration der Eucharistie:
Die Griechen zelebrieren nämlich mit gesäuertem, die Lateiner mit ungesäuertem Brot. Die
Griechen versuchen zu beweisen, daß es mit dem gesäuerten zu zelebrieren sei, weil, wie sie

136 GUIDO VON ORCHELLES, Tmctatus de sacramentis, cap 5, η 61 (ed. cit. 59-60).
137 ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, dist 12, C, art 8, sc 2 und ad 2 (ed. cit. 306-307).
138 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2c, arg 1. 3-5 (ed. cit. 479).
139 ALEXANDER VONHALES, Quaestiones antequam, q 51, disp 2, mem 1, η 38 (ed. cit. 908-909):
„Ad hoc quod obicitur 18 Ioan., 28 <...> respondeo quod tempus illud habuit latitudinem; unde
potuit contingere quod Dominus posset celebrare et alii nondum celebrassent, sed postea
celebraverunt in alia hora. Non enim fu.it determinatum tempus pro una hora tantum. Et sie ut
non contaminarentur, id est ut manducarent aliud Pascha".
Der Azymenstreit 145

sagen, der Herr das Pascha am 13. Monatstag vollzog, als es in den Häusern der Juden keine
Azymengab"140.
Die weiteren Einwände der Griechen, wie sie von Wilhelm dargestellt werden, befassen
sich fast alle mit der Chronologie: Das sind eben die bekannten fünf Evangelien-Stellen,
die den 13. Nisan als das Datum der Eucharistie-Einsetzung beweisen sollen. Dazu
kommt noch das Argument „Die Wahrheit soll der Figur entsprechen"141. Die Ausein-
andersetzung mit diesen Stellen leistet Wilhelm auf der Grundlage des Textes von In-
nozenz III., wobei die Diskussion der Lukas-Stelle besonders umfangreich ist. Zum
Schluß des Kapitels wird allerdings auf eine Frage eingegangen, die bei Innozenz III.
fehlt: „Warum feiern aufgrund dieses biblischen Befundes die Christen das Pascha nicht
immer am 14. Tag des Monats?"142 Erst hier kommen auch einige typologisch-
symbolische Gründe zur Sprache, die sich jedoch nicht mehr als Polemik gegen die
Argumente der Griechen verstehen. An diesem Beispiel sieht man, wie die ursprüngli-
che Kontroverse der Theologie neue Fragen und Problemkreise aufzeigte. Auch Wil-
helm von Militona versucht zwar, den aus Innozenz ΠΙ. und Anselm von Canterbury
allbekannten Einwänden der Griechen gerecht zu werden, versteht jedoch das Azymen-
problem in erster Linie als Problem der Einsetzungschronologie143. Bonaventura geht
das Thema der Azymen in der Quästio „Ob Christus mit ungesäuertem oder mit gesäu-
ertem Brot zelebriert hat?" an. Die Kontroverse mit den Griechen kommt nur als ein
untergeordneter Aspekt im Rahmen dieser Quästio zur Sprache144.
Die Erörterung, die wohl am klarsten den Kern der Problematik trifft, findet man im
Traktat Licet Graecorum ecclesiam von 1252 eines anonymen Dominikaners. Hier wird
- wohl einmalig in der lateinischen Literatur - die Grundproblematik des Streites ange-
sprochen: War das letzte Abendmahl das jüdische Passamahl oder eine christliche
Handlung? Dabei werden nicht nur die chronologischen Argumente der Griechen auf-

140 WILHELM VON AUXERRE, Summa aurea, lib 4, tract 7, cap 8 (ed. cit. 185): „De discordia que est
inter Grecos et Latinos de confectione eucharistie. Conficiunt enim Greci de fermentato et Latini
de azimo. Et probant Greci quod de fermentato conficiendum est, quia dicunt quod Dominus
fecit pascha tertia decima luna, quando nulla azima erant in domibus Iudaeorum".
141 Ebd., 185-186.
142 Ebd., 190: „Item, obicitur: Veritas debet respondere umbre. Sed agnus typicus comedebatur
quarta decima luna; ergo agnus veras comedendus est quarta decima luna; ergo male facit
ecclesia, quod non celebrat quarta decima luna". Ebd., 191: „...quare non celebramus pasca
quarta decima luna".
143 WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacmmentis, tract 4, pars 3, q 9, η 5 (ed. cit. 545):
„Quod autem debeat fieri ex fermentato, ostenditur sie: Iudaei toto tempore ante pascha
utebantur pane fermentato, in pascha autem solum pane azymo. Sed dies cenae, in qua confecit
Christus et hoc sacramentum instituit, fuit ante Pascha Iudaeorum; ex quo igitur tunc confecit
pane quo vescebantur Iudaei, confecit solo pane fermentato. Haec est ratio Graecorum".
144 BONAVENTURA, In IV. Sententiarum, dist 1, pars 2, art 2, q 1 (ed. cit. 260): „Utrum Christus
confecerit in azymo, an in fermentato". Zu den Griechen s.: ebd., 261-262.
146 Die ostkirchliche Herausforderung

gelistet, sondern auch die Erzählungen des letzten Abendmahles in den Evangelien
aufmerksam gelesen: Im Gesetz heiße es, man muß stehend, mit Bitterkräutern und in
Eile (vgl. Ex 12, 8. 11) das Osterlamm essen. Nichts dergleichen findet man aber in den
Evangelien. Daraus folge, daß das letzte Abendmahl kein jüdisches Passamahl, sondern
das Pascha der Christen gewesen sei145. Das neue Niveau der Polemik zeigt sich auch
daran, daß man nun gegen die griechischen chronologischen Argumente mit den Texten
der griechischen Väter und byzantinischer Theologen argumentiert, so wird neben
Joannes Chrysostomos auch Theophylaktos von Achrida herangezogen146.

4. Die Polemik gegen das physische / etymologische Argument

Der Dialogus versucht als Argument gegen die Griechen nachzuweisen, daß in der
Hl. Schrift und in den apostolischen sowie patristischen Schriften das Wort άρτος „ohne
Unterscheidung vom ungesäuerten als auch vom gesäuerten Brot ausgesagt wird"147.
Der Autor des Dialogus demonstriert seine Kenntnisse des Hebräischen, indem er die
Verwendung des Wortes άρτος im Einsetzungsbericht bei Matthäus, der ja hebräisch
geschrieben haben soll, auf das hebr. DIT? zurückführt148. Aus der Hl. Schrift kann man
den Tatbestand aus folgenden Stellen erheben: (1) Das Manna wird an mehreren Stellen
mit dem Wort άρτος bezeichnet. Wenn nun solch eine Bezeichnung auf das Manna
angewendet wird, das doch dem „Brot" im herkömmlichen Sinne sehr unähnlich war,
ist es unbegreiflich, warum man den Azymen den Namen „Brot" abspricht, zumal die
Azymen ihrer „Natur, Form und Geruch nach Brot sind und Brot genannt werden"149.
(2) Die Schaubrote, von denen niemand bezweifelt, daß sie ungesäuert waren, werden

145 PG 140, 519 B: „Item cum scriptum sit, quod stando et cum lactucis agrestibus et festinanter
deberet comedi agnus paschalis, nullum tale quid in evangelio reperitur. Unde constat, quod illa
coena non fuit pascha Judaeorum, sed potius coena et pascha Christianorum, et non cum azymis,
sed cum fermentato pane <...> fuit celebratum".
146 PG 140, 519 D - 520 A. Zu den patristischen und pseudo-patristischen Stellen bei den lateini-
schen Autoren s. unten, S. 332-334. Die methodische scholastische Theorie dieses Vorgehens
liefert THOMAS VON AQUIN im Quodlibet IV, q 9, art 3 (Ed. Leonina XXV/2 340): „...si autem
cum schismaticis [disputetur], qui reeipiunt Vetus et Novum Testamentum, non autem
doctrinam sanetorum nostrum, sicut sunt Graeci, oportet cum eis disputare ex auetoritatibus
Novi et Veteris Testamenti et illorum doctorum quos reeipiunt".
147 WILL 99: „...in omnibus scripturis invenimus panem indifferenter dici, sive fuerit azymus, sive
fuerit fermentatus".
148 WILL 100a, Z. 29-32.
149 WILL 99b: „Si ergo manna <...> auetoritate divina dicitur panis, sive άρτος, quod utique nullam
similitudinem aut verum saporem panis habebat, quomodo azymae possit tolli nomen panis, non
videmus, qui utique natura, forma et sapore omnimodis panis est et dicitur".
Der Azymenstreit 147

in der Hl. Schrift oi άρτοι τον προθέσεως, hebr. lechem pavini genannt 1 5 0 . (3) In
Dtn 16, 3 werden die Azymen „das Brot der Bedrängnis", άρτος ταπεινώσεως (so im
Dialogus; in der Septuaginta: κακώσεως), hebr. lechem oni, genannt 1 5 1 . (4) In Ez 4, 9
wird dem Prophet von Gott befohlen, sich „Brote" zu machen; bei der Aufzählung der
Zutaten wird der Sauerteig nicht genannt152. Der Schluß, zu dem der Dialogus kommt,
lautet:
„Dir sollt wissen, daß eure Lehre sehr schwach ist, falls ihr sonst nichts habt, was für euch
sprechen könnte. Jede Lehre, die auf Meinung beruht, ist zweifelhaft"153.
Im mittelalterlichen Denken sind der „etymologisch-sprachliche" und der „physisch-
substantielle" Aspekt des Arguments unlösbar miteinander verbunden. Deswegen gehö-
ren in diesen Problembereich auch die Überlegungen, ob sich die Azymen und das Brot
der Substanz nach (substantialiter) voneinander unterscheiden, womit sich Anselm von
Canterbury als erster beschäftigt hat. Diesem Thema werden wir weiter unten ausführli-
cher nachgehen154 An dieser Stelle interessiert uns zunächst die sprachliche Problema-
tik des Wortes άρτος, wie sie in der lateinischen Literatur dargestellt wird.
Dem sprachlichen Argument wurde in der lateinischen Literatur keine große Auf-
merksamkeit geschenkt. Kurz erwähnt es Anselm von Havelberg, jedoch nur als Ein-
wand des Griechen, auf den er nicht weiter eingeht155. Innozenz III. erwähnt dieses
Argument überhaupt nicht, ebensowenig Guido von Orchellcs und Wilhelm von Auxer-
re. Erst bei den Mendikanten wird diese Frage erneut diskutiert. In der Disputation in
Nymphaion 1234 wurde sie konkret gestellt. Dabei gaben nach Darstellung der Autoren
der Relalio die Griechen selbst zu, daß das Wort άρτος in der Hl. Schrift nicht immer
nur gesäuertes Brot bedeutet. Sie waren jedoch der Ansicht, daß die eigentliche Bedeu-
tung doch das gesäuerte meint156. Alexander von Haies geht auf dieses Argument kurz

150 WILL 99b: „In lege et in evangelio invenimus τους άρτους προθέσεως, id est panes
propositionis, quos azymos fuisse nemo dubitat, qui legis Mosaice aliquam notitiam retentat".
151 WILL 99b, Z. 33-34.
152 WILL 99b: „Sermo quoque Domini ad Ezechielem factus dixit: Et tu, fili hominis, sume tibi
frumentum, hordeum, fabam, lentem, milium et viciam, et mittes in vas unum, et fades tibi
panes. Ecce tarn hie quam in subsequentibus panes dieuntur, ubi nulla fermenti mentio habetur".
153 WILL 100a: „...sciatis istam sententiam vestram satis infirmain esse, si aliud non habetis, quod
possit vestrae parti favere".
154 S. 314-317.
155 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 17 (BALUZE 203 = PL 1237 A-B).
156 GOLUBOVICH, Disputatio 459: „Et quesivimus, si ubieunque arton supponit pro fermentato. Et
responderunt: »Non; quia quandoque ponitur arton per se, quandoque ponitur cum adiuneto.
Quando per se, supponit fermentatum; quando cum adiuneto, ut Levitici VII, arton azimum, et
est quasi oppositio in adiecto, ut cum dicitur: homo mortuus«. Et nos iterum quesivimus: »Si
arton per se positum, semper supponat fermentum?« Responderunt quod non. Nam quandoque
per se positum tenetur proprie, et tunc semper tenetur pro fermenato; quandoque improprie, et
tunc supponit per azimo. [Tunc diximus:] »Ergo arton per se positum communiter tenetur, nee
148 Die ostkirchliche Herausforderung

ein. Seine Quelle war nicht unbedingt der humbertinische Dialogus. Vielleicht erfuhr er
davon durch die Brüder der franziskanischen Missionen157. Im anonymen Contra Grae-
corum errores von 1252 wird dieses Problem ebenfalls angesprochen. Der Autor der
Schrift fuhrt auch ein neues Gegenargument ins Feld: Bei Lk 24, 30 wird der Aufer-
standene von den Emmaus-Jüngern erkannt, als er das Brot brach. Dies geschah jedoch
am Tag der Auferstehung, das heißt, jedenfalls noch vor dem Abschluß des Festes der
Ungesäuerten Brote, also in der Zeit, als in den Häusern der Juden kein gesäuertes Brot
zu finden war. An dieser Stelle wird aber im Evangelium das Wort άρτος benutzt. Folg-
lich konnte dieses Wort in der Hl. Schrift auch das ungesäuerte Brot bezeichnen .
Im Anschluß an Alexander von Haies und an den Traktat Contra errores Graecorum
von 1252 haben die hochscholastischen Autoren das sprachliche Argument in ihr Re-
pertoire aufgenommen und besprochen. So Albertus Magnus (ohne biblische Beleg-
stellen)159 und Thomas von Aquin in ihren Sentenzenkommentaren160. Unerwähnt läßt
Thomas dieses Argument dagegen in Contra errores Graecorum und in den beiden
Summen. Auch Wilhelm von Militona und Bonaventura, also genau jene Autoren, die
einen besonderen Wert auf die Chronologie legen, lassen die sprachliche Problematik
beiseite.

5. Die Polemik gegen das typologische / symbolische Argument

Die Erörterung des von den Griechen gestellten Einwandes, die Azymen seien nicht
dazu geeignet, typologisch den Leib Christi zu repräsentieren, erfolgte in der lateini-
schen Literatur unter drei Aspekten.
(a) Einmal widerlegte man jene Ansichten der byzantinischen Polemiker, die sie mit-
tels typologischer Deutungen erzielten, die bei den Lateinern nicht bekannt waren.

semper pro fermentato, nee semper pro azimo, sed quoandoque pro hoc, quandoque pro hoc;
ergo arton per se positum panem supponit, nee speeificat. Ergo de Evangelio quod dicitis,
tantum tenetur pro nobis, quam pro vobis«".
157 ALEXANDER VONHALES, Quaestiones antequam, q 51, mem 1, η 39 und 45 (ed. cit. 909. 911).
158 PG 140, 522 C-D: „Scriptum est in Luca, quod cum Dominus apparuisset in specie peregrini,
coactus fuit a duobus diseipulis, ut discumberet, et post: aeeepit αρτον, et benedixit, et quae
sequuntur. Sed constat, quod haec faeta sunt in die resurrectionis, hoc est in die azymorum, qui
per septem dies seeundum legem durabant, in quibus non solum non comedi, verum nee in
domibus, nee in finibus illis omnibus panis fermentatus poterat inveniri". Die weiteren Belege
s.: PG 140, 523 A.
159 ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, dist 12, C, art 8, sc 1 und ad 1 (ed. cit. 306. 307).
160 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2c, arg 6 (ed. cit. 479): „Praeterea,
artos seeundum Graecos significat panem fermentatum. Sed hoc nomen invenitur apud Graecos,
ubi nos habemus: aeeepit Iesus panem. Ergo de fermentato confecit"; ebd. ad 6 (ed. cit. 480):
„...artos apud Graecos quandoque etiam pro azymo pane ponitur; et ideo Exod. 12 dicitur in
graeco artos ubi nos habemus panes azymos".
Der Azymenstreit 149

Das war vor allem die Theorie, nach der die Azymen „unbeseelt" seien und nur ge-
säuertes Brot die Seele Christi repräsentieren könne. Diese Ansicht hatte, wie be-
reits im vorigen Kapitel angesprochen wurde, keine explizit biblischen Wurzeln
und wurde deswegen von den lateinischen Theologen als neu und „unerhört" wahr-
genommen. Ein ganz neues Bild, das sonst nicht bekannt ist, bringt Rupert von
Deutz in die Kontroverse ein. Nach ihm behaupteten die Byzantiner, daß das gesäu-
erte Brot „den schwangeren Bauch der Jungfrau" bedeute.
(b) Sodann gingen die lateinischen Theologen auf die bekannte und anerkannte bibli-
sche, vor allem die paulinische Allegorese von Gesäuertem und Ungesäuertem ein.
(c) Und schließlich wurde in diesem Zusammenhang ein grundsätzliches sakramen-
tentheologisches Problem angesprochen: Spielt die physische Qualität des Brotes
überhaupt eine Rolle, da es nach der Konsekration ohnehin nicht mehr um eine ty-
pologische Repräsentation, sondern um die Realpräsenz des Leibes Christi geht?

a. Die „unerhörten" Typologien der Byzantiner


Die humbertinischen Schriften finden die Behauptung der griechischen Polemiker, daß
die Azymen „unbeseelt" und „unvollkommen", der Sauerteig dagegen „beseelt" und
„vollkommen" sei, schlichtweg „unerhört"161.
,,Daß [die Azymen], die zwar das menschliche Leben zeitlich ernähren, freilich - wie das ge-
säuerte Brot auch - keine Seele haben, wagt höchstens ein verrückter Manichäer zu bestreiten.
Denn im Mysterium des Leibes Christi wird [das Brot] ohne Zweifel immer wieder zur leben-
digen Speise. Wenn ihr aber versucht, den Apostolischen Stuhl wegen der Azymen zu tadeln,
fließt aus euch die Fäulnis der alten Häresie, da ihr behauptet, daß den gesäuerten Broten auch
außerhalb des Mysteriums des Leidens unseres Herrn eine Seele innewohne"162.

Der Vorwurf der manichäischen Häresie fand Aufnahme auch in die Exkommunikati-
onsbulle vom 16. Juli 1054. Hier wird dem Kerullarios und seinen Anhängern vorge-
worfen, daß sie „wie Manichäer neben anderen Dingen auch jeden Sauerteig beseelt
nennen"163.
Erneut begegnet dieses Thema bei den Autoren, die mit den Griechen unmittelbar in
Kontakt traten - wie etwa Leo Tuscus im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts. Er be-
richtet, daß die Griechen behaupten, das gesäuerte Brot verleihe Leben und beseele.
Dies wäre kaum der Rede wert, wenn sie sich nicht wie auf einen großen Schutzwall

161 WILL 104b Z. 3-4: „inaudita injuria".


162 WILL 104b: „Quae quamvis humanam vitam temporaliter sustentent, tarnen sine anima esse,
sicut et fermentatum, nullus negare audet, nisi Manichaeus demens. Nam in corporis Christi
mysterio indubitanter vitalis esca fit perpetuo. Sed dum nitimini apostolicae sedi derogare super
azymis, putredine inveteratae haeresis vos scatere monstratis, asserendo panibus inesse animam
fermentatis etiam absque mysterio aliquo dominicae passionis".
163 WILL 153b Z. 17-18.
150 Die ostkirchliche Herausforderung

darauf stützen würden164. Auch im Contra errores Graecorum von 1252 wird dieses
Einwands gedacht. Unter anderem klingt hier auch der Gedanke des Niketas Stethatos
an, der einen Zusammenhang zwischen dem gesäuerten Brot und 1 Joh 5, 7-8 herstellte
(„drei, die das Zeugnis ablegen: der Geist und das Wasser und das Blut")165. Der an-
onymer Dominikaner ist neben Humbert wohl der einzige lateinische Autor, der diese
These angesprochen hat, auch wenn er sie für „Altweibergeschwätz" hielt166.
Rupert von Deutz berichtet über eine andere typologische Interpretation der Byzanti-
ner:
„Einige erzählen, daß sie von den Griechen folgende Begründung für das gesäuerte Brot ge-
hört hätten: Weil Maria vom Heiligen Geist schwanger wurde, wird durch das gesäuerte Brot
zurecht die Menschwerdung des Herrn und das sichtbare Schwellen des jungfräulichen Mut-
terleibes durch das gesäuerte Brot bezeichnet. Wer auch immer sich von ihnen auf diese Be-
gründung stützt, ist weiter von den Regeln der gesunden Lehre entfernt, als wenn sie überhaupt
keine Gründe für diese Sache angäben. Was also? Bringen sie das Gesäuerte aus dem Grund
dar, um den schwangeren und geschwollenen Bauch Marias zu bezeichnen? Sie wollen also in
Bezug auf das Opferbrot Maria bezeichnen, in Bezug aber auf den Fehler des Brotes aber, -
was ja der Sauerteig ist,-ihren Sohn Christus"167.

164 Der in PG 140, 545A edierte Text ist leider ziemlich verdorben, so daß ich mir erlaube, einige
Konjekturen und Korrekturen anzubringen: „Quod nequaquam relatu dignum esset, nisi quod ei
omnes, tanquam magno propugnatori innituntur, asserentes fermentatos panes <PG: fermentati
panis> vitam et animationem conferre. Sed omne opus <PG: corpus> arti[fi]cii, sicut ex se
simile non producit, <ita> vita caret et animatione. Nimirum causam extrinsecus habet
moventem, ut stannum, domus, arca, fermentatus panis et similia. Quae vero intrinsecus habent
moventem causam, naturalia sunt ut quaequae animata".
165 PG 140, 519 C: „...non cum azymis, sed cum fermentato pane, quod significat Christi
perfectionem, fuit celebratum. Nam Christus Dominus noster duas naturas in unam personam
sibi univit, et sicut divina est simplicissima, ita humana est composita ex anima et corpore, sive
carne. Sicut ergo in Christo fuit et est divinitas, anima et corpus, ita in mysterio sacramenti
nostri, quod ex perfecto pane, id est fermentato, perficitur, similiter tria reperiuntur, scüicet
farina <PG: forma>, fermentum et aqua".
166 PG 140, 524 Α-B: „Ad id quod sequitur, quoniam illa tria, quae sunt in Christo, scüicet corpus,
et anima, et divinitas, si ista fabula aliquo modo digna esset responsione, possumus dicere, quod
praeter illa tria, aliae duae proprietates possent in suo fermentato assignari. Est enim in farina
fermentata sal, aqua et ignis, sine quo unquam panis ad essentiam suam potest pervenire. Et ita
non ternarius, ut ipsi mentiuntur, sed quaternarius et quinarius numerus in pane invenitur
fermentato. In nostro vero sacramento, in quo nihil est superfluum, etiam seeundum
significationes suas, tria tantum reperiuntur, scilicet farina, aqua et ignis; mediante quo farina et
aqua conjunguntur. Farina supponit pro carne; aqua pro anima; ignis vero pro divinitate; quae
utraque assumpsit in unitatem personae. Sed quid nobis de istis fabulis vetularum?"
167 RUPERT VON DEUTZ, De divinis qffieiis, ed. cit. 53: „Ferunt tarnen quidam hanc a Graecis
fermentati se audiuisse rationem, eo quod Maria praegnans de Spiritu saneto faeta fuerat atque
ideo per fermentatum significari recte dominicam incarnationem et manifestum uirginei uentris
Der Azymenstreit 151

Rupert kritisiert diese Deutung in zweifacher Hinsicht. Zum einen werde in der Eucha-
ristie nicht der Leib Marias, sondern der des Herrn dargebracht. Ein Grund für eine
Analogie legt sich also allein wegen des Bildes vom „Anschwellen" nicht nahe168. Zum
zweiten - und hier stimmt Rupert mit den Ausführungen Humberts überein - unterstützt
keine Stelle des Alten noch des Neuen Testaments eine allegorische Verwendung des
Sauerteigs im positiven Sinne169. Wenn schon die physische Beschaffenheit des eucha-
ristischen Brotes als Metapher für die theologische Deutung herangezogen wird, so legt
sich nach Rupert ein ekklesiologisches Bild, das in der Frühscholastik häufiger vorge-
tragen wurde170, aber bereits aus der Patristik stammt, sehr viel näher: Wie ein Brot aus
vielen Körnern gemacht wird, so besteht auch die Kirche aus vielen Menschen, vereint
in der Einheit des Glaubens171.
Auch wenn - oder vielleicht gerade weil? - Rupert von Deutz das Argument vom
schwangeren Bauch als Geschwätz abtat, zog es die Aufmerksamkeit späterer Autoren
auf sich. Von Rupert übernimmt dieses Motiv Sicard von Cremona in sein Mitrale. Bei
ihm avanciert dieses Argument sogar zum einzigen typologischen Argument der Grie-
chen172. Ebenso kennt es Innozenz III., der es jedoch mit einem anderen mariologischen
Motiv verknüpft. Die Griechen sagen nämlich, der Sauerteig bezeichne „die Glut des
Heiligen Geistes, die den Leib Christi im Fleisch der Jungfrau erzeugte". Innozenz zu-

tumorem. Quicumque ex eis huic innituntur rationi, longius a sanae doctrinae regulis absunt,
quam si nullas omnino supradictae rei causas redderent. Quid enim? Ideo fermentatum offerunt,
ut impraegnatum et tumidum Mariae significent uterum? Nempe hoc respectu pancm sacrificii
Mariam, uitium autem panis id est fermentum Christum eius filium esse uolunt".
168 Ebd.: „Primo, quia non Mariae sed Christi solius, qui solus pro nobis crucifixus est, corpus
offerre debemus".
169 Ebd.: „Secundo quia fermento, ut aliquid boni signifcare mereatur, nulla omnino sacrae
scripturae de ueteri aut nouo testamento auctoritas suffragatur". Vgl. unten, S. 154 Anm. 181.
170 Vgl. ζ. Β. im Kontext der Azymenproblematik bei: GERHOCH VON REICHERSBERG, Libellus de
eo, ed. cit. 261.
171 RUPERT VON DEUTZ, De divinis officiis, ed. cit. 54: „...ita incarnationem dominicain nos
reparamus non sicut fermentum in pane significante Mariam sed sicut Dei Verbum in pane
catholicam significat ecclesiam, in eo quod, sicut unus ille panis de multis confectus est granis,
sie eccleisa de multis hominibus una consistit per fidei unitatem".
172 SICARD VON CREMONA, Mitrale, ed. cit. 118: „Panis iste utrum debeat esse de azymo vel
fermento quaestio est propter Graecorum importunitatem; aiunt enim: Beata Virgo praegnans
fuit de Spiritu Sancto, recte ergo per fermentatum significamus Dominicam incarnationem,
propter virginei ventris tumorem. Respondeo: Non offerimus in sacrificium Virginis uterum, nee
ad transsubstantiandum credimus uterum necessarium, sed fidem et Dei verbum; qui enim
manibus operatur, et verbum dicit, sed non credit, est asinus ad lyram aures arrigens, sed
cantilenae melodiam non intelligens: unde qui visibilem panem comedit et invisibilem non
credendo expellit, Christum oeeidit; quia vitam a vivificando seiungit, et quasi mortuum corpus
laniat sacrificii. Unde reus est corporis et sanguinis Domini. Haec vita spiritualis est, quae sie in
sacrificio absque vita animali, sicut lux solis sine calore, nobis repraesentatur in opere lunae".
152 Die ostkirchliche Herausforderung

folge begründen die Griechen diese Interpretation durch das Gleichnis, worin das Him-
melreich mit einem Sauerteig verglichen wird, den eine Frau unter drei Maß Mehl
mengte, bis das ganze durchsäuert war (Mt 13, 33)173. Mir scheint jedoch, daß Inno-
zenz III. hier zwei Dinge vermischt: einmal die Ausfuhrungen des Sicard von Cremona
zu den Azymen und dann die Deutung des Zeon174, über die Humbert berichtet, und die
Rupert von Deutz auf die jungfräuliche Empfängnis zurückführt. Generell ist diese
Stelle bei Innozenz sehr vage und etwas verworren. Er stellt dem griechischen Argu-
ment eine andere Interpretation des Gegensatzes von Gesäuertem und Ungesäuertem in
Hinblick auf die Menschwerdung Christi entgegen, die er von Sicard von Cremona
übernimmt. Diese spielt auf 1 Kor 5, 8 an: Wie Christus den menschlichen Leib aus der
„sündigen Masse" ohne jede Sünde angenommen habe, so hebt sich das reine Ungesäu-
erte vom unreinen Gesäuerten ab175. In der Zeit nach Innozenz taucht das Motiv des
„anschwellenden Mutterleibes" der Jungfrau nochmals bei Wilhelm von Militona auf,
der dabei Innozenz III. ausdrücklich als Quelle nennt176.
Schließlich überliefert De corpore Domini (Liber de sacramento Eucharistiae) des
Albertus Magnus ein interessantes Zeugnis über den Ursprung der Vorstellung der
Griechen, daß das gesäuerte Brot beseelt sei177. Albert sieht in Aristoteles De

173 INNOZENZ HL, De missarum mysteriis, ed. cit. 857 B-C: „Nee illud valere putandum est, quia
ferraentatum, ut aiunt, Spiritus saneti fervorem signat, quo superveniente corpus Christi de
Virginis came coneeptum est, sicut angelus praedixerat: Spiritus superveniet in te <...>,
trahentes hanc significationem fermenti ex illa parabola evangelica: Simile est regnum caelorum
fermento quod aeeepit mulier, et abscondit in farina satis tribus, donec fermentatum est totum".
174 Vgl. zum Zeon unten, S. 161-171.
175 INNOZENZ III., De missarum mysteriis, ed. cit. 857 C-D: „Nam et [si] <PL fehlt> fermentum
manifeste signat tumorem uteri virginalis et vinculum unionis, porro multo religiosius insinuat,
quod seeundum apostolum de massa peccatrice corpus sine peccato suseepit, tanquam de
fermentato suseeperit azymum, et ut inter Christum et populum ita malitiae et nequitiae nihil
intersit, sicut inter frumentum et aquam in azymo nihil veteris massae vel alienae corruptionis
intervenit. Nam per frumentum Christus, per aquam populus designatur, seeundum illud: Nisi
granumfrumenti cadens in terram mortuum fuerit, ipsum solum manet [Joh 12, 24-25] et illud:
Beati qui seminatis super aquas [Jes 32, 20]. Aqua sine fermento, mixta frumento, designat
populum sine peccato Christo conjunetum. Quanquam et illud valeat designare, quia sicut
azymus panis de pura massa sine fermento conficitur, ita corpus Christi de illibata Virgine sine
peccato coneeptum est". Vgl. bei SICARD VON CREMONA, Mitrale, ed. cit. 118 D - 119 A: „inter
Christum, qui de massa peccatrice camem assumpsit sine peccato, velut azymum de fermento, et
inter Christianum populum, qui per aquam figuratur, nihil sit malitiae vel corruptionis, sicut in
azymo, inter frumentum et aquam nihil est alienae confectionis".
176 WILHELM VON MILITONA, tract 4, pars3, q 9 , η 13(ed. cit. 552).
177 Hier wird die Typologie des Gesäuerten / Ungesäuerten auch mit Mt 13, 33 in Verbindung
gebracht: ALBERTUS MAGNUS, De corpore Domini, dist 6, tract 4, cap 1 (ed. cit. 418): „Tertia
ratio est ex hoc quod dieunt, quod mulier evangelica [Mt 13, 33] figuram hujus sacramenti
praefiguravit, quae mulier, ut dieunt, figura est Ecclesiae. Haec est autem de qua dicit Dominus,
Der Azymenstreit 153

animalibus XVII178 die mögliche Quelle der Ansicht der Griechen179 und behauptet, daß
er dies selbst in den griechischen Büchern gelesen habe180.

b. Die biblische Typologie von Gesäuertem und Ungesäuertem


Beginnen wir unsere Untersuchung wiederum mit dem Dialogus, der in seiner Erwide-
rung auf Leon von Achrida die Typologie von Gesäuertem und Ungesäuertem in den
Blick nimmt. Diese Untersuchung wendet sich zunächst den physischen Qualitäten der

quod simile est regnum caelorum fermento, quod acceptum mulier abscondit in farinae satis
tribus, donec fermentatum est totum. Si ergo hoc mulier evangelica praefiguravit, videtur quod
in fermentato debet sumi: et ideo non in azymo, ut dicunt. Mulier enim evangelica nullo modo
sata tria, hoc est, corporis et sanguinis et animae Christi abscondisset fermento commixta, nisi
signare vellet, quod in fermentato conficeretur, et non in azymo: ergo in fermentato, ut dicunt,
est conficiendum".
178 Albert bezieht sich auf die vor 1220 entstandene lateinische Übersetzung des Michael Scotus,
der, seiner arabischen Vorlage folgend, verschiedene zoologische Schriften des Aristoteles unter
dem Titel De animalibus zusammengefaßt hat, s.: LMA VI606 (ACKERMANN). Die Bücher 15-
19 der Scotus-Übersetzung enthalten die Schrift Περί ζφων γενέσεως (De generatione
animalium). In unserem Fall handelt es sich um die Stelle: ARISTOTELES, De generatione
animalium, üb 3, cap 4,755a 14-21 (ed. cit. 111): ή δε τοΰ φοΰ αΰξησις όμοία τοΤς σκώληξίν
έστιν και γάρ τα σκωληκοτοκοΰντα των ζφων μικρόν άποτίκτει το πρώτον, τοϋτο
δ'αύξάνεται δι'αύτοϋ και ού διά πρόσφυσιν ούδεμίαν. το δ'αΐτιον παραπλήσιον δπερ επί
της ζύμης· καί γάρ ή ζύμη έκ μικρδς μεγάλη γίγνεται τοϋ μεν στερεωτέρου ύγραινομενου
τοϋ δ'ύγροΰ πνευματουμένου. δημιουργεί δέ τοΰτο ή τοϋ ψυχικοί) θερμοϋ φύσις εν τοις
ζφοις, έν δέ ταΐς ζύμαις ή τοϋ χυμοΰ τοΰ συγκραθέντος θερμότης. In der Übersetzung des
Michael Scotus findet sich diese Stelle nicht in Buch XVI, wie der Text bei Borgnet (s. die
nächste Anm.) nahelegt, sondern in Buch XVII von De animalibus, s.: MICHAEL SCOTUS,
Aristotelis De animalibus, ed. cit. 134-135: „Crementum autem ovorum est simile cremento
vermium, quoniam animal generans vermes generat ipsos valde parvos, deinde crescunt illa per
se. Et causa illius est similis causae fermenti, quoniam fermentum crescit postquam est parvum,
quoniam durum quod est in eo fit humidum et impletur illa humiditas [korrupter Text:
vermibus]. Et non creat istos vermes aliquid nisi natura caloris animae, quae est in animalibus;
in fermento autem erunt ex calore qui admiscetur cum humiditate".
179 ALBERTUS MAGNUS, De corpore Domini, ed. cit., 418: „Quarta ratio est, quia dicunt, quod
fermentum signat spiritum: quia sicut fermentum spiritualiter diffiisum ingreditur in pastam, et
levat eam, et quasi animat eam: ita Spiritus elevat et animat cor hominis ad divina intelligenda,
et vivificat ad vitam virtutis. Cum ergo sacramentum istud sit sacramentum Spiritus, potius est
sumendum in fermentato quam in azymo. Quod autem fermentum inspiret et quasi vivificet
pastae conspersionem, patet per hoc quod dicit Philosophus, qui in libro XVI de Animalibus
dicit, quod fermentum ingreditur in pastam sicut Spiritus in corpus: et ideo dicit, quod semen
masculi habet naturam fermenti, quod sie ingreditur in guttam foeminae sicut Spiritus in corpus.
Et hoc est quod dicunt in quarta ratione".
180 Ebd., 419:,,Haec igitur sunt potissima, quae ego ipse legi in Graecorum assertionibus".
154 Die ostkirchliche Herausforderung

beiden Brotarten sowie ihrer Verwendung in der heidnischen Literatur und schließlich
in der Hl. Schrift und in der christlichen Literatur zu. Daraus sehe man, daß alle Schrif-
ten, „ob göttlich oder menschlich", den Sauerteig mit negativen Attributen versehen
haben181.
„Auch wenn ihr alle Schriften durchforscht habt, so werdet ihr niemals und nirgendwo den
Sauerteig in einer guten Bedeutung verwendet finden, außer an einer Stelle im Evangelium,
wo der Herr das Himmelreich mit einem Sauerteig vergleicht, wobei er damit die apostolische
Lehre meint. Wenn ihr aber alle Bücher wälzen werdet, so werdet ihr niemals und nirgendwo
finden, daß den Azymen eine schlechte Bedeutung gegeben wird, sondern sie entweder die
Aufrichtigkeit oder die Wahrheit bezeichnen, wie der Apostel sagt: »Feiern wir mit den Azy-
men der Lauterkeit und Wahrheit!« [1 Kor 5, 8]" 182 .

W a s die soteriologische Dimension des eucharistischen Gebrauchs betrifft, so kommt


der Autor des Dialogus zu dem Schluß, daß „das Leiden und Sterben Christi in ange-
messenerer Weise (convenientius) durch das ungesäuerte als durch das gesäuerte Brot
verkündet wird". Dies werde nicht nur daraus ersichtlich, daß der Herr selbst den Jün-
gern die Feier seines Gedächtnismahles mit ungesäuertem Brot aufgetragen habe, son-
dern auch aus einigen biblischen Stellen, die eine typologische bzw. allegorische Be-
deutung erlauben, ja sogar erfordern. So werden beispielsweise im Alten Testament die
Azymen das „Brot der Bedrängnis" genannt. Dadurch werden die Christen heute aufge-
fordert, ihre Seelen in Bedrängnis zu versetzen und Gott als Opfer einen „zerknirschten
Geist und ein zerschlagenes und demütiges Herz" (Ps 50, 19) darzubringen183. Von der
„literarhistorischen" Auslegung des Dialogus ist Anselm von Havelberg abhängig, der
bestätigt, daß das Bild des Sauerteigs in der Hl. Schrift niemals eine positive Konnotati-
on erfährt184

181 WILL 107a: „Quod vero fermentum, sicut praefati sumus, in divinis et humanis litteris in malum
ponatur, Dominus ipso in evangelio testatur: Cavete, inquiens, afermento pharisaeorum, quod
est hypocrisis". Weiter wird zu Unterstützung dieser These 1 Kor 5, 7 und 8 angeführt, als
auch ein Zitat aus Persius, Sat. 1,21 (WILL 107a Z. 41 - b Z. 8).
182 WILL 107b: „Et si omnes scripturas perscrutati fueritis, nunquam et nusquam fermentum in
bonam significationem poni invenietis, nisi in uno loco evangelii, ubi regnum caelorum
fermento simile Dominus dick doctrinam videlicet apostolicam significans. Si vero omnes
revolvatis scripturas, nunquam et nusquam invenietis azyma poni in significationem contrariam,
sed aut sinceritatem aut veritatem significare, sicut apostolus ait: Epulemur in azymis sinceritatis
et veritatis".
183 WILL 117a: „Quod vero passio et mors Christi convenientius annuntietur azymo quam
fermentato, ex hoc comprobatur, quod Dominus ipse azymo discipulis memoriam sui agendam
tradidit; et quod in lege panis afflictionis dicitur, ut per hoc praemoneamur affligere animas
nostras et pariter offerre sacrificium Deo spiritum contribulatum, cor contritum et humiliatum".
184 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 18 (BALUZE 204 = PL 1238 B): „Proinde in
omni divina scriptura fermentum tuum nusquam invenitur in bona significatione acceptum, sicut
Der Azymenslreii 155

Die Paulus-Stelle 1 Kor 5, 6-8 gehört zu den in diesem Zusammenhang am meisten


zitierten Schriftworten, da hier nicht nur die entsprechende Terminologie vorhanden
ist, sondern die Gegensatzmetapher auch breiten Raum für Allusionen bietet. Sogar bei
Wilhelm von Auxerre, der sich auf die byzantinischen Typologien überhaupt nicht ein-
läßt und dieser Problematik kaum Aufmerksamkeit schenkt, begegnet immerhin ein
Verweis auf die Korintherstelle:
,,Diese Autorität [1 Kor 5, 6-8] spricht gegen die Griechen, die mit gesäuertem Brot zelebrie-
rea Denn das Sakrament muß die Ähnlichkeit mit dem Gegenstand haben, dessen Sakrament
es ist. Von dem Gegenstand aber will der Apostel jeden Sauerteig entfernt wissen, folglich
muß er auch vom Sakrament entfernt werden"185.

In anderer Gestalt zeigt sich das typologische Argument bei Alexander von Haies. Der
Einwand, den er selbst erhebt und der meines Wissens keine Entsprechung bei griechi-
schen Autoren findet, will der negativen Konnotation des Sauerteigs in der Hl. Schrift,
die ja von den lateinischen Theologen übereinstimmend hervorgehoben wurde, gerecht
werden. Wie läßt sich also das negativ besetzte fermentum dennoch als eucharistische
Materie rechtfertigen? Der Sauerteig könne, so Alexander, die Strafverfallenheit
(poenalitas) bezeichnen, der der Leib Christi infolge der Scheidung der Seele vom Leib
unterlag. Falls also das Sakrament „zum Gedächtnis dieser Scheidung" instituiert wur-
de, müsse man folglich mit gesäuertem Brot zelebrieren186. Im Gegenargument hebt
Alexander die negative Bedeutung des Sauerteigs hervor. „In vielen Stellen der
Hl. Schrift weist der Sauerteig auf die Verderbnis der Schuld hin", wie ζ. Β. in Mt 16, 6
(„Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer", usw.). Demgemäß lautet seine Schluß-
folgerung:
„Da also der Herr von jedem Sauerteig frei war, war ihm das gesäuerte Brot nicht angemessen,
zumal in diesem Sakrament der unvergängliche Leib Christi bezeichnet wird, nämlich die
Reinheit von jeder Verderbnis der Schuld und der Strafe. Als Bezeichnendes (figura) kommt
hierfür eher das Ungesäuerte als das Gesäuerte in Betracht. Ungeachtet dessen, daß der Sauer-

nostrum azyma". Angeführt sind die üblichen Stellen: Lk 12, 1; Mt 16,6; Mk 8, 15 und
1 Kor 5,7.
185 WILHELM VON AUXERRE, Summa aurea, ed. cit. 192: „...hec auetoritas est contra Grecos qui
conficiunt de fermentato <so die m. E. korrektere Lesart der Handschriften Β und C anstelle des
von Ribaillier bevorzugten fermento>. Sacramentum enitn debet habere similitudinem cum re
cuius est sacramentum, et a re removet Apostolus fermentum <so wiederum die Lesart der
Handschriften Β und C. Ribaillier bevorzugt fermentatum>; ergo et a sacramento debet
removeri".
186 ALEXANDER VON HALES, Quaestiones antequam, q 51, disp 2, mem 1, η 44 (ed. cit. 910-911):
„Sed quod magis conveniat fermentatum, videtur: quia per fermentum significatur poenalitas
quae fuit in corpore Christi quoad separationem animae a corpore Domini; ergo, si ad
memoriam illius separationis fuit institutum hoc sacramentum, et magis per fermentatum
significatur quam per azymum, relinquitur quod in fermentato debet fieri celebratio".
156 Die ostkirchliche Herausforderung

teig die Strafverfallenheit bedeutet, ist es angemessener, dieses Sakrament mit ungesäuertem
Brot zu zelebrieren, da dieses Sakrament ein Zeichen für den Erweis der Auferstehung des
Leibes Christi ist, auch wenn es gleichzeitig ein Zeichen zur Erinnerung an das Leiden Christi
ist"187.

Ein weiteres Motiv fiir die typologische Auslegung trägt Robert von Melun bei. Nach
ihm „bezeichnen die Griechen durch den Sauerteig die Liebe (caritas), die verborgen
ist". Dasselbe Ding könne jedoch bisweilen in positiver, bisweilen in negativer Bedeu-
tung verwendet werden. Aus den Worten des Paulus: „Fegt den alten Sauerteig hin-
weg", folgt, daß der „Sauerteig" Verderben bezeichnet, wohingegen die lateinische
Kirche im ungesäuerten Brot die „Festigkeit der Liebe", die den Menschen mit Gott
verbindet, erblickt188. An das Bild der Azymen als Caritas erinnert sich Wilhelm von
Militona, der es jedoch nicht bei Robert, sondern in der Glossa ordinaria gefunden hat.
Der Sauerteig in seiner positiven Bedeutung in Mt 13, 33 wird dort glossiert fermento:
id est „Caritas"pro „fervore"189'. Her fervor wiederum scheint aber eine Reminiszenz
an das griechische Argument zu sein, das Innozenz III. übermittelt, wonach der Sauer-
teig die „Glut des Heiligen Geistes" symbolisiert. Aus diesem Konglomerat formuliert
nun Wilhelm von Militona seine Frage, ob das gesäuerte Brot, das von der Glosse als
„Glut der Liebe" (fervor caritatis) interpretiert wird, nicht das bessere Zeichen für den
eucharistischen Christus ist190. Die Antwort Wilhelms gesteht immerhin zu, daß das
gesäuerte Brot die Caritas, also eine vorzügliche Eigenschaft Christi, bezeichnet. Den-

187 ALEXANDER VONHALES, Quaestiones antequam, q 51, disp 2, mem 1, n44 (ed. cit. 911): „Cum
ergo Dominus immunis fu.it ab omni fermento, tunc non competebat ei fermentatum; maxime
cum in hoc sacramento significetur corpus Christi incorruptibile, et figura huius magis competit
azymo quam fermentato, scilicet puritas ab omni corruptione culpae et poenae. Licet ergo
fermentum significet poenalitatem, tarnen, cum hoc sacramentum sit Signum demonstrativum
corporis Christi secundum quod resurrexit, licet sit signum rememorativum Christi passi, magis
competit in azymis fieri".
188 ROBERT VON MELUN, Quaestiones de ep. Pauli, ad 1 Kor. 10,16 (ed. cit. 210): ,Jn altari
conficitur corpus Christi de pane frumentitio tantum. Cuius re ipse documentum dedit, dicens:
Nisi granum frumenti cadens, etc. Se enim granum frumenti vocat. Sed apud Graecos de pane
fermentato. Ipsi enim per fermentum caritatem designant, quae lata est. Licet enim eandem rem
nunc in bona nunc in mala significatione accipi. Ecclesia vero Latinorum de pane azimo, pro
soliditate caritatis qua Deo vincimur si digne sumimus. Unde Apostolus: Expurgate vetus
fermentum, etc. Fermentum enim corruptionem significat".
189 GLOSSA ORDINARIA, ad Mt 13, interlin. ad v. fermento: „Caritas pro fervore vel sacra doctrina"
(ed. cit. IV 49).
190 WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 4, pars 3, q 9, η 13a (ed. cit. 552):
,Jtem, fermentatum expressius significat Christum quam azymum. Probatio: Matth. 13, 33
habetur: Simile est regnum caelorum fermento, ibi Interlinearis: Caritas pro fervore. Unde vult
Glossa quod fermentum fervorem significet caritatis; sed per azyma significatur puritas Christi,
scilicet azyma peccati. Sed maius bonum est fervor caritatis quam puritas a peccato, igitur
fermentum repraesentat Christum quantum ad maius bonum quam azymum".
Der Azymenstreit 157

noch kommt der Verweischarakter des ungesäuerten Brotes „näher" an die Wirklichkeit
Christi heran (expressa similitudine Christum exprimii), die Wilhelm in der „Reinheit"
erblickt: „Das ungesäuerte Brot bezeichnet nämlich die einzigartige Reinheit, die nur
Christus zu eigen ist, weil Christus ja die menschliche Natur ohne jede Verderbnis der
Sünde angenommen hat"191. Diese Lösung mit denselben Vergleichen gibt auch Tho-
mas von Aquin in seinem Sentenzenkommentar wieder192. Wenn er auch in der Tertia
pars der Summa theologiae das Bild des ungesäuerten Brotes nochmals variiert193, so
tradiert er dennoch in beiden Fällen die Deutung des fermentierten Brotes als Caritas
bzw. fervor caritatis.

c. „Non significat, sed est": Die eucharistische Realpräsenz


Die wohl radikalste lateinische Entgegnung auf die Einwände der Griechen bestand
darin, daß man von der Typologie der Brotmaterie grundsätzlich absehen wollte, indem
man darauf hinwies, daß nach der Konsekration keine Rede mehr von „Brot" und von
„Wein", sondern ausschließlich vom „Leib Christi" sein kann. Die Totalität der Real-
präsenz läßt alle Aspekte, Motive und Anspielungen der Typologien verblassen. Der
Streit um das angemessenere Zeichen wird vor diesem Mysterium sekundär. Bereits
Humbert machte darauf aufmerksam, daß die Rede etwa vom „Beseelt-Sein" des Brotes
nur im Kontext des Mysteriums, also des konsekrierten Brotes, möglich wäre. Daher
„rieche" das griechische Argument, das bereits dem bloßen gesäuerten Brot eine „Le-
bendigkeit" zuschrieb, nach der Häresie des Manichäismus, der alle geschaffenen Dinge
„beseelt" sehen wollte. Humbert hat jedoch mit einer solchen Redeweise für das konse-
krierte Brot, gleich ob gesäuert oder ungesäuert, keine Probleme194. Den lateinischen

191 WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 4, pars 3, q 9, η 13b (ed. cit. 552):
„Respondeo: etsi fermentum significat, secundum quod exprimit Glossa supra dicta, quod
melius est in Christo, scilicet caritatem, non tarnen ita propria et expressa similitudine Christum
exprimit; azymum enim significat puritatem singularem Christi solius, scilicet naturam nostram
sumptam sine omni corruptione infectionis".
192 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarurn, dist 11, q 2, art 2c, arg 8 (ed. cit. 480):,,Praeterea, hoc
sacramentum est specialiter sacramentum caritatis. Sed fermentum caritatem significat, ut patet
in Glossa Matth. 13, super illud: Simile est regnum caelorum fermento, etc. Ergo maxime debet
confici de fermentato". Ebd., S. 479: „in hoc sacramentum continetur Christus ut hostia: et quia
puritas praecipue in hostia, etiam secundum legem, exigebatur; ideo magis competit huic
sacramento ut significetur Christi puritas per panem azymum, quam quod significetur fervor
caritatis per fermentum".
193 In der Tertia pars beantwortet Thomas die gleiche Argument etwas anderes als im Sentenzen-
kommentar: „Fermentum significat caritatem propter aliquem effectum, quia scilicet panem facit
sapidiorem et maiorem. Sed corruptionem significat ex ipsa ratione suae speciei" (3a pars, q 74,
art 4, ad 3).
194 WILL 99a: „Quis enim audebit panem quemlibet absque mysterio, quod supra diximus, asserere
plenum spiritu et animatum, nisi discipulus Manichaeorum?" Vgl. WILL 104b: „...asserendo
158 Die ostkirchliche Herausforderung

Grundsatz hat der Autor des Fragmentum disputationis contra Graecos treffend ausge-
drückt:
„Es gibt nämlich kein Mittleres: Entweder handelt es sich um den Leib Christi und muß von
allen verehrt werden, oder es handelt sich nicht um seinen Leib, dann muß es als Götzenbild
verachtet werden. <...> Was hat das ungesäuerte oder das gesäuerte [Brot] mit dem Leib Chri-
sti zu tun?"195

Es wurde zu Recht in der Forschung darauf hingewiesen, daß diese Unterscheidung, auf
der bereits Humbert insistierte, zweifellos vor dem Hintergrund des zeitgenössischen
Konflikts um die Eucharistielehre Berengars von Tours, in den ja Humbert persönlich
involviert war, gesehen werden muß196. Die „paschasianischc" Linie der lateinischen
Sakramententheologie, die in der Verurteilung Berengars im Jahre 1059 ihren Sieg
feierte und zu deren wichtigsten Exponenten Humbert von Silva Candida zählte, zeigt
sich ganz deutlich auch in der antigriechischen Polemik. Fortgesetzt wurde diese Linie
durch Rupert von Deutz, der zwar seine Typologie des Ungesäuerten / Gesäuerten gut
begründet, aber sofort hinzufügt, daß diese Typologie nur für die materielle Beschaf-
fenheit des Brotes gelte, nicht aber für seine Darbringung und Konsekration. Sobald es
konsekriert ist, bezeichnet es den Leib Christi nicht mehr, sondern es ist der Leib Chri-
sti197 In die gleiche Richtung weist Leo Tuscus, wenn er das typologische Argument
der Byzantiner über das „Beseelt-Sein" des gesäuerten Brotes mit dem Gegenargument
entkräftet: „Nicht im Brot ist die Kraft der Heiligung, sondern im Wort"198. In der hoch-

panibus inesse animam fermentatis etiam absque mysterio aliquo dominicae passionis". Vgl.
WILL 105b: „...nee fermentatus panis absque consecratione est suavitate aliqua plenior azymis
panibus".
195 WILL 257a = MICHEL, Die Accusatio 167: „Nihil enim est medium: aut corpus est Christi et
omnibus adorandum; aut corpus ejus non est et ut idolum contemnendum. <...> Quid azymo vel
fermento cum corpore Christi?".
196 GEISELMANN, Die Abendmahlslehre 75-77; MACY, The Theologies of the Eucharist 38, von
Geiselmann abhängig; wie Geiselmann mißt er der Trinitätssymbolik in der griechischen Argu-
mentation eine übergroße Bedeutung zu; in seiner Schilderung wird die Trinitätssymbolik fast
zu dem Hauptargument der Byzantiner. Indessen diente der Hinweis auf die Trinität in dem
Brief des Leon von Achrida (WILL 57b Z. 13-17) lediglich der Hinführung zu einem anderen
Gedanken, nämlich der Auslegung des Gleichnisses in Mt 13, 33. Vgl. zum Problem der Beren-
garianischen Kontroverse in Bezug auf die Azymen: ERICKSON, Leavened and Unleavened 163-
164.
197 RUPERT VON DEUTZ, De divinis offieiis, ed. cit. 54: „Significari autem pane illo dixi ecclesiam
non in eo, quod offertur et consecratur, sed in eo, quod de multis, ut dictum est, granis
conficitur. Nam in eo, quod consecratur, nee ipsum indiuiduum corpus Domini β ί ^ ί ^ ζ sed
est, transfuso in se Dei Verbo per fidem passionis, resurrectionis et ascensionis Domini.
Dominus enim non: Hoc significat, sed Hoc est corpus meum inquit".
198 LEO TUSCUS, De haeresibus et praevaricationibus, ed. cit. 545 A: „Non autem est in pane vis
sanetificationis, sed in verbo".
Der Azymenstreit 159

scholastischen Literatur kommt dieses Argument im Zusammenhang der Azymenpro-


blematik nicht mehr vor. Über die Gründe mag man streiten. Ich vermute, daß die neue
Art systematischer Theologie, die stärker auf begrifflich-logische Argumentation Wert
legte, in Typologien generell keinen besonderen „wissenschaftlichen" Anspruch sah.
Dazu mag bei vielen scholastischen Autoren eine mangelnde Kenntnis der griechischen
Praxis und eine daraus resultierende mangelnde Sensibilität der griechischen Argu-
mentation gegenüber gekommen sein.
Dies mag vorerst zum Thema der Azymen genügen. Wenden wir uns nun den
weiteren Themen des Streites um rituelle Fragen zwischen Lateinern und Griechen zu,
der Beimischung des Wassers und der Taufformel. Die Azymenproblematik wird uns
jedoch noch einmal beschäftigen, wenn wir im Kapitel Ε den Kern der Reflexion der
Lateiner über die rituelle Eigenart der Ostkirche herauszuschälen versuchen.
Β. Das Problem der Wasserbeimischung

1. Unterschiede in der Wasserbeimischungspraxis bei Griechen,


Armeniern und Lateinern

Ab der Mitte des 12. Jahrhunderts begegnet man in der westlichen Diskussion griechi-
scher liturgischer Bräuche einem Kuriosum. Ab diesem Zeitpunkt wird immer wieder
behauptet, daß die Griechen bei der eucharistischen Gabenbereitung dem Wein kein
Wasser beimischten. Als erster systematischer Theologe hat diese Ansicht Petrus Lom-
bardus im 4. Buch seiner Sentenzen geäußert: „Es wird über die griechische Kirche
berichtet, daß sie kein Wasser hinzufügt", bemerkt er im Eucharistietraktat anläßlich der
Frage über die Wasserbeimischung1. Die besondere Rolle, die die Sentenzen des Lom-
bardus bei der Entwicklung der scholastischen Systematik spielten, sorgte dafür, daß
diese Behauptung in zahlreichen Sentenzenkommentaren und anderen Werken tradiert
wurde. Obwohl in der Sache völlig unzutreffend, übernahmen viele lateinische theolo-
gische Werke der zweiten Hälfte des 12. und des 13. Jahrhunderts diese Ansicht, die
dann in der lateinischen Kritik griechischer Bräuche - auf jeden Fall bis zum Ausbruch
des Taufformelstreits im Jahre 1231 - den zweitwichtigsten Platz nach der Azymenfra-
ge einnahm. Dabei hatten die zeitgenössischen byzantinischen Autoren von dieser ver-
meintlichen „Streitfrage" zwischen den beiden Kirchen kaum eine Ahnung2.
Um das Problem, das die Bemerkung bei Petrus Lombardus aufwarf, in eine richtige
Perspektive setzen zu können, muß man zunächst einen Blick auf die tatsächliche Praxis
der Ostkirche werfen. In der heutigen Form des byzantinischen Ritus wird der euchari-
stische Wein zweimal mit Wasser vermischt: Einmal in der Prothesis oder Proskomidie
(προσκομιδή, Ritus der Gabenbereitung: Vorbereitungsteil der Liturgie, der vom Zele-
branten noch vor dem offiziellen Beginn der Eucharistiefeier am Opfertisch mit leiser

1 PETRUS LOMBARDUS, Sententiae, lib 4, dist 11, cap 5 (ed. cit. Π 302): „Graecorum Ecclesia non
apponere aquam dicitur".
2 Es gab jedoch auch griechischerseits einzelne Vorwürfe, die Lateiner mischten angeblich dem
eucharistischen Wein kein Wasser bei, so Nikifor von Kiev (zu ihm s. oben, S. 100, Nr. 31), den
Wortlaut s. unten, S. 188 Anm. 132.
162 Die ostkirchliche Herausforderung

Stimme verrichtet wird3), und zum zweiten Mal nach der Konsekration der Gaben un-
mittelbar vor der Priesterkommunion. In der Proskomidie spricht der Zelebrant bei der
Wasserbeimischung die Worte des Johannesevangeliums 19,34: „Einer der Soldaten
durchbohrte seine Seite mit einer Lanze, und sogleich floß Blut und Wasser heraus".
Der Diakon, der in diesem Augenblick Wein und Wasser in den Kelch gießt, sagt zum
Priester: „Segne, Gebieter, die heilige Einigung", griechisch: Ενλόγησον, δέσποτα, την
άγίαν ενωσιν4. Dieser Ritus wird daher in der Regel ενωσις, „Einigung", genannt. Die
zweite Mischung, nach der Konsekration, hebt sich von der „Henosis" dadurch ab, daß
man dabei heißes Wasser gebraucht. Der Diakon sagt bei dieser Mischung zum Priester:
„Segne, Gebieter, das heiße Wasser", griechisch: Ενλόγησον, δέσποτα, το ξέον. Der
Zelebrant antwortet: „Gesegnet sei die Glut {ή ζέσις) Deiner Heiligen allezeit, jetzt und
immerdar und in alle Ewigkeit". Der Diakon gießt heißes Wasser in den Kelch und sagt
dabei: „Die Glut des Glaubens, voll des Heiligen Geistes", griechisch: Ζέσις πίστεως,
πλήρης πνεύματος όγίον5. Der Beimischungsritus nach der Konsekration erhielt da-
durch den Namen ζέον, oder θερμο'ν (sc. νδωρ), „warmes, heißes Wasser". Die beiden
Mischungen in der byzantinischen Eucharistiefeier, nämlich die Beimischung des Was-
sers bei der Gabenbereitung in der Proskomidie (der „Henosis-Ritus") sowie das Ein-
gießen des heißen Wassers in den bereits konsekrierten eucharistischen Kelch kurz vor
der Kommunion (der „Zeon-Ritus") werden sowohl in der Chrysostomos- als auch in
der Basilios-Liturgie praktiziert.
Die Wasserbeimischung als solche ist für die byzantinische Liturgie seit dem
6. Jahrhundert bezeugt6. Das früheste bekannte Zeugnis für die Beimischung des Was-
sers vor der Konsekration stammt von Eutychios, Patriarch von Konstantinopel 552-
565 und 577-5827: Er legte allerdings den Zeitpunkt dieser Beimischung anscheinend
nicht auf die Prothesis (die damals erst in einer embryonalen Form praktiziert wurde),

3 Zum Prothesis-Ritus (Proskomidie) s.: TAFT, The Great Entrance 350-373; ONASCH, Lexikon
321-322.
4 KALLIS, Liturgie 22.
5 KALLIS, Liturgie 160.
6 Grundlegend für die Geschichte der Wasserbeimischung in der byzantinischen Eucharistie sind die
Arbeiten von HANSSENS, Institutiones liturgicae Π/1 231-242, und von TAFT, Water into Wine.
Von großem Wert bleiben bis heute die Werke der Gelehrten des 17. Jahrhunderts: ARCUDIUS,
Libri VII de concordia 173-175, und BERLENDI, De oblationibus 53-56. Speziell zum Zeon-Ritus:
TAFT, The Precommunion Rites 441-502. Zur Kontroverse um den Zeon-Ritus: JUGIE, Theologia
dogmatica ΠΙ223-227. S. auch: SCHULZ, Die byzantinische Liturgie 75-81; ONASCH, Lexikon 386-
387. Aus der früheren Literatur kann man nennen: ARCUDIUS, Libri VII de concordia 320-322;
GOAR, Εύχολόγιον 127-128; BRINKTRINE, Ein auffallender Brauch; GRONDIJS, Autour de
l 'iconographie 51-71.
7 EUTYCHIOS, Sermo de paschate et de sacrosaneta eucharistia 8 (PG 86, 2400-2401): "Ωστε
ματαιάζουσιν oi τόν της προθέσεως άρτον, και το κερασΟέν άρτίως ποτήριον, τω άγίω
θυσιαστηρίω προσάγειν μελλούσης της λειτουργικής τάξεως....
Das Problem der Wasserbeimischung 163

sondern auf den Augenblick kurz vor dem Großen Einzug8. Das Konzil in Trullo drohte
692 den Geistlichen, die das Wasser in der Eucharistie nicht beimischen, mit der Abset-
zungsstrafe9. Einer der ältesten byzantinischen Liturgiekommentare, die sog. 'Ιστορία
εκκλησιαστική, der dem Germanos, Patriarchen von Konstantinopel 715-730, zuge-
schrieben wird10, enthält einen Hinweis auf die Wasserbeimischung im Rahmen der
Prothesis". Auf den eucharistischen Gebrauch des heißen Wassers bei den Griechen
scheint der armenische Katholikos Movses II. noch Ende des 6. Jahrhunderts angespielt
zu haben, falls man einem diesbezüglichen Bericht aus dem 12. Jahrhundert glauben
darf12. Die Zeugnisse, die aus der Zeit vor dem 11. Jahrhundert stammen, repräsentieren
die frühere Entwicklungsphase der byzantinischen Eucharistiefeier; daher ist es nicht
immer eindeutig, zu welchem genauen Zeitpunkt die Wasserbeimischung, von dem der
Verfasser spricht, stattfinden sollte, und ob die Durchführung der beiden Riten (Heno-
sis- und Zeon-Ritus) vorausgesetzt wird. Klar ist allerdings, daß die Wasserbeimi-
schung - in welcher Form auch immer - spätestens seit dem 7. Jahrhundert einen festen
Bestandteil der byzantinischen Eucharistiefeier darstellte.
Ab dem 11. Jahrhundert gibt es eindeutige Zeugnisse für die Praxis, die in den we-
sentlichen Zügen mit der heutigen identisch ist. So enthält die aus dem letzten Jahrzehnt
des 11. Jahrhunderts stammende Προθεωρία des Nikolaos von Andida13 einen Hinweis
sowohl auf die Wasserbeimischung bei der Gabenbereitung als auch auf die Eingießung
des heißen Wassers in den konsekrierten Wein und nennt auch den Zeitpunkt dieser
Eingießung: „zur Zeit [d.h. hier: „unmittelbar vor"] der Kommunion"14. Mitte des

8 Dafür spricht das von Eutychios benutzte Wort άρτίως, „soeben, gerade": κερασθέν άρτίως
ποτήριον, „soeben gemischter Kelch". Großer Einzug, Μεγάλη είσοδος: Feierliche Übertragung
der Hl. Gaben vom Rüsttisch, wo die Gaben vorbereitet wurden, zum Altartisch zur
darauffolgenden Konsekration.
9 Kanon 32 des "Indianischen Konzils, s.: NEDUNGATT / FEATIIERSTOME, The Council in Trullo
106-110 (den Wortlaut s. unten, S. 165 Anm. 21).
10 Zur Datierung, Textgeschichte und Problem der Autorschaft der 'Ιστορία εκκλησιαστική s.:
BOHNERT, Les commentaires hyzantins 125-160.
11 GERMANOS I.: 'Ιστορία εκκλησιαστική, PG 98, 384^t53.
12 S. unten, S. 165 Anm. 23.
13 Zur Datierung, dem Problem der Autorschaft und der Textgeschichte der Protheoria s.: BORNERT,
Commentaires byzantins 181-199; vgl. Rezension auf diese Arbeit von DARROUZES in: REByz 25
(1967) 286; s. auch: DARROUZES, Nicolas d'Andida 199-203.
14 NIKOLAOS VON ANDIDA, Προθεωρία 36 (ed. cit 464 Β): εϊρεται γαρ εν Tfj apxfj της προθέσεως
ώς ετοιμάζεται μετά τοΰ θειου σώματος και το Δεσποτικόν αίμα παρά τοΰ διακόνου,
έπεμβάλλοντος δηλονότι και μέρος μικρόν ΰδατος· και μένουσιν οΰτως άγιαζόμενα και
μεταποιούμενα τφ άγίω Πνεύματι άχρι τοΰ καιροϋ της υψώσεως τοϋ τιμίου σώματος τοΰ
Χρίστου καί Θεοΰ ημών τότε δή κομίζεται ΰδωρ θερμότατον εις λεβητάριον, και κιρνώσιν
έξ αύτοϋ τά προκείμενα εν τη αγία τραπέζη, είτε κρατήρες είτε ποτήρια εΐεν ΐν' ώσπερ ώς
εκ ζοής προήλθον της θείας πλευράς, αμφότερα θερμότητος πεπληρωμένα, οϋτω δε τό
ϋδωρ θερμότατον έν τω καιρώ της μεταλήψεως έπεμβαλλόμενον, τέλειον τον τύπον
164 Die ostkirchliche Herausforderung

11. Jahrhunderts spricht Niketas Stethatos in seiner Αιάλεξις gegen die Lateiner über die
symbolische Bedeutung des Zeon-Ritus, und zwar in Verbindung mit der Azymenfra-
ge15. Anfang des 12. Jahrhunderts stellt Euthymios Zigabenos in seiner Πανοπλία
δογματική fest, daß die Griechen „dem Wein das Wasser beimischend konsekrieren
(Anspielung auf den Henosis-Ritus) und kommunizieren (Anspielung auf den Zeon-
Ritus)"16. Ein Klassiker der byzantinischen Kanonistik, Theodoros Balsamon (f nach
1195), bespricht in seinem Kommentar zum 32. Kanon des Trullanischen Konzils so-
wohl den Henosis- als auch den Zeon-Ritus und gibt Gründe an, warum heißes Wasser
nur im Zeon-Ritus und nicht im Henosis-Ritus verwendet werden soll17. In der lateini-
schen Übersetzung der Chrysostomos-Liturgie, die von Leo Tuscus (t nach 1182), ei-
nem Übersetzer am Hofe des Kaisers Manuel I. Komnenos, zusammengestellt wurde,
wird jeder der beiden Wasser-Riten und die dabei gesprochenen Worte genau beschrie-
ben18. Alle genannten Zeugnisse stammen aus Konstantinopel. Dies bedeutet, daß es
sich hier nicht um lokale, etwa italo-griechische liturgische Bräuche handelt19. Es kann
also kaum einen Zweifel geben, daß um die Mitte des 12. Jahrhunderts, in der Zeit der
Abfassung der Sentenzen des Petrus Lombardus, die beiden Wasser-Riten bereits fest in
der byzantinischen Liturgie verankert waren.
Unter den verschiedenen östlichen liturgischen Traditionen kennt allein die byzanti-
nische den Zeon-Ritus; alle anderen Ostkirchen mischen Wasser nur bei der Gabenbe-
reitung bei. Die einzige Ostkirche, die nicht nur keinen Zeon-Ritus, sondern auch kei-
nen Henosis-Ritus, d.h. überhaupt keine Beimischung des Wassers praktiziert, ist die
armenische Kirche20. Dieses Merkmal der armenischen Liturgie führte schon sehr früh
zu Kontroversen zwischen Griechen und Armeniern. So verurteilte 692 das Konzil in

άναπληροΐ των μεταλαμβανόντων τη θηλή τοϋ ποτηριού, ώς αύτη τη ζοωπαρόχω πλευρςί


•ψαυόντων.
15 NIKETAS STETHATOS, Διάλεξις 3 (ed. cit. 325); den genauen Wortlaut s. unten, S. 168.
16 EUTHYMIOS ZIGABENOS, Πανοπλία δογματική, ed. cit. 1184 Α: Ήμεΐς δε τόν οΐνον ϋδατι
κιρνωντες, ίερουργοΰμεν τε και μεταλαμβάνομεν.
17 PG 137,620-621.
18 LEO TUSCUS, Institutio divini ministerii, ed. cit. 136: „Deinde facit commixtionem in calice
mittens uinum et aquam et dicit: Vnus militum latus eius aperuit et continuo exiuit sanguis et
aqua". Ebd., 159-160: „Quo peracto, accipiunt diaconi sacros calices pre_stolantes cum feruente
aqua uenientem subdiaconum, qui et dicit: Benedicito, domine, hoc femidum. At ille respondet:
Benedictus Deus noster et nunc et semper et in s^cula s^culorum. Amen. Tunc infundit aquam
callidam quantum sufficit".
19 Auf das Problem, das lokale Verschiedenheiten der liturgischen Praxis bei den Griechen
aufwerfen, hat zu Recht HANSSENS, Institutiones liturgicae Π/1 241, speziell im Hinblick auf
italo-griechische Bräuche, hingewiesen.
20 Zu der armenischen Praxis der Nichtbeimischung s. in: HANSSENS, Institutiones liturgicae Π/1
250-271; JUGIE, Theologia dogmatica V 689-693; GALANUS, Conciliationis Ecclesiae Armenae
Π 560-578.
Das Problem der Wasserbeimischung 165

Trullo in dem bereits erwähnten Kanon 32 die armenische Praxis der Nichtbeimischung
mit folgenden Worten:
„Wir haben erfahren, daß im Lande der Armenier jene, die den imblutigen Opferdienst voll-
ziehen, nur Wein zum heiligen Altar bringen und dabei kein Wasser beimischen. <...> Falls ein
Bischof oder Priester nicht gemäß der von den Aposteln überlieferten Regel handelt, das Was-
ser dem Wein beimischend, und auf diese Weise das Opfer darbringt, muß er abgesetzt werden
als einer, der das Mysterium unvollkommen verkündet und in die Überlieferung Neuigkeiten
einführt."21

Auch die Armenier haben ihrerseits die byzantinischen liturgischen Bräuche (sowohl
die Beimischung des Wassers als auch die Verwendung des gesäuerten Brotes) scharf
verurteilt: Eines der frühesten und wohl bekanntesten Beispiele sind die Worte des ar-
menischen Katholikos Movses II. (574-604), die er nach dem Bericht der im 12. Jahr-
hundert verfaßten Narratio de rebus Armeniae als Antwort auf den Befehl des byzanti-
nischen Kaisers Maurikios (582-602), nach Konstantinopel zu kommen, äußerte:
„Ich werde nicht den Fluß Azat22 überschreiten, ich werde weder das gebackene Brot essen
noch heißes Wasser trinken".23
Der Ausdruck „das gebackene Brot" (griech. φονρνιτάρις) bezieht sich offensichtlich
auf das gesäuerte eucharistische Brot der Griechen im Gegensatz zu dem bei den Arme-
niern üblichen ungesäuerten. Der Hinweis auf „heißes Wasser" (griech. θερμός) ist
nicht so eindeutig. Er scheint darauf hinzudeuten, daß das Oberhaupt der armenischen
Kirche hier den Zeon-Ritus anspricht. Allerdings gibt es Zeugnisse vom 11. bis zum 13.
Jahrhundert, die dafür sprechen, daß die Griechen das Wasser auch bei dem Henosis-
Ritus erwärmten. Von der symbolischen Bedeutung des warmen Wassers in Bezug auf
den Henosis-Ritus spricht die dem Patriarchen Germanos I. zugeschriebene 'Ιστορία
εκκλησιαστική, die viel Stoff auch aus den 12. und 13. Jahrhunderten enthält24. Auch
ein ca. 1120 verfaßtes byzantinisches Dokument, das die Anfrage eines Priesters an den
Metropoliten Elias II. von Kreta bezüglich der Proskomidie sowie die Antwort des
letzteren enthält, kann als Hinweis auf heißes Wasser auch bei der Prothesis interpretiert

21 NEDUNGATT / FEATHERSTONE, The Council in Trullo 106-110: Επειδή εις γνώσιν ήμετέραν
ηλθεν, ώς έν τη 'Αρμενίων χώρο; οΐνον μόνον έν τη ίερςι τραπέζη προσάγουσιν, ϋδωρ αύτω
μή μιγνύντες οι την άναίμακτον θυσίαν έπιτελοΰντες <...> Εϊ τις επίσκοπος ή πρεσβύτερος,
μή κατά την παραδοθεΐσαν ύπό των αποστόλων τάξιν ποιεί, και ϋδωρ οϊνψ μιγνύς, οΰτω
τήν αχραντον προσάγει θυσίαν, καθαιρεΐσθω, ώς ατελώς το μυστήριον έξαγγέλλων και
καινίζων τά παραδεδομένα.
22 Entlang dem Fluß Azat verlief die Grenze zwischen dem Byzantinischen Reich und Persien.
23 CSCO 132, Subsidia 4, 226-227: Ού μή παρέλθω τον ποταμόν Άζάτ, ούδ'οΰ μή φάγω
φουρνιτάριν, ούδ'ού μή πίω θερμόν. Zu den Armeniern im Byzantinischen Reich s. CHARANIS,
The Armenians; TER-MIKELIAN, Die Armenische Kirche; HALFTER, Das Papsttum und die
Armenier 63-67.
24 PG 98, 397. 449.
166 Die ostkirchliche Herausforderung

werden25. Sowohl angesichts der genannten Zeugnisse als auch im Hinblick auf den
grundsätzlichen Verzicht der Armenier auf die Wasserbeimischung gibt es also gewisse
Gründe, die Worte des armenischen Katholikos nicht nur auf den Zeon-Ritus der By-
zantiner zu beziehen, sondern als Verspottung der griechischen Wasserbeimischung
überhaupt zu verstehen.
Die Nichtbeimischung des Wassers bei den Armeniern wird zu einem bedeutenden
Kontroversgegenstand in der byzantinischen antiarmenischen Literatur vom 11. bis zum
13. Jahrhundert, auch und gerade in der Zeit, als die antilateinische Polemik gegen die
Azymen ausbricht. Ca. 1100 widmete der griechische Theologe Euthymios Zigabenos
in seiner Πανοπλία δογματική ein Kapitel der Widerlegung armenischer Lehren und
Gewohnheiten, wo er auch gegen die Praxis der Nichtbeimischung schreibt:
„Im heiligen Mahl bringen sie [die Armenier] den Wein nicht mit dem Wasser gemischt dar,
sondern unvermischten Wein, und zwar überhaupt ohne Beimischung des Wassers. Dadurch
wollen sie die eine Natur in Christo verkünden <...> Wir aber konsekrieren und kommunizie-
ren mit Beimischung des Wassers, und dadurch machen wir die Einheit zweier Naturen in
Christo deutlich. <...> Aus der Seite Christi floß ja nicht nur Blut, sondern auch Wasser her-
aus, zur Bekräftigung des Glaubens an die zwei Naturen."26

In den Jahren 1169 und 1171 hat ein byzantinischer Gelehrter, Theorianos, mit dem
armenischen Katholikos Nerses IV. Streitgespräche geführt27. Unter anderem wurde das
Problem der Beimischung diskutiert. Aus dem griechischen Bericht über die Gespräche
geht hervor, daß der armenische Katholikos versuchte, die Frage der Beimischung als
für den Glauben unrelevant wegfallen zu lassen; dagegen bestand Theorianos auf der
Wichtigkeit der Beimischung des Wassers, „ohne die eine vollkommene Liturgie nicht
stattfindet"28. Drei interessante Dokumente zur Geschichte der griechisch-armenischen
Polemik, die aus dem 12.-13. Jahrhundert stammen, hat Jean Darrouzes im Jahr 1990
ediert. Diese Dokumente bestätigen das Gewicht, das die Frage der Wasserbeimischung
(zusammen mit der Frage über die Azymen) bei den armenisch-griechischen Kontro-
versen gespielt hat29. Selbst noch im frühen 15. Jahrhundert spricht sich der Autor eines

25 Text s. in: LAURENT, Le rituel. Eine Interpretation in Bezug auf den Wassergebrauch s. bei TAFT,
Water into Wim 336-340.
26 EUTHYMIOS ZIGABENOS, Πανοπλία δογματική, ed. cit. 1181 D - 1184 C: Έν ταΐς ίερουργίαις
πάλιν ού προσφέρουσιν οίνον ΰδατι μεμιγνένον, άλλ'ακρατον, και άμιγη παντάπασιν
ϋδατος, μίαν και δια τούτου φύσιν έν τφ Χριστώ καταγγέλλοντες <...> 'Ημείς δε τον οίνον
ΰδατι κιρνωντες, ίερουργοΰμέν τε και μεταλαμβάνομεν, έμφαίνοντες την ενωσιν των έν
Χριστφ δυο (ρύσεων. <...> Έκ δε της πλευράς Χρίστου ούχ αίμα μόνον, άλλα και ύδωρ
εβλυσεν ε'ις πίστωσιν των έν αύτφ δύο φύσεων.
27 Zu Theorianos s. oben, S. 103, Nr. 43.
28 THEORIANOS PHILOSOPHOS: Διάλεξις δεύτερα, ed. cit. 257: ΚΑΘΟΛΙΚΟΣ. Έάσωμεν τό περί
τοΰ ύδατος ζήτημα· ού γάρ προς την πίστιν αντίκειται. ΘΕΟΡΙΑΝΟΣ. Σφόδρα εστίν
άναγκαΐον άνευ γάρ αύτοΰ τελεία ιερουργία ού γίνεται.
29 DARROUZES, Trois documents 125. 145. 147.
Das Problem der Wasserbeimischung 167

klassisch gewordenen Liturgiekommentars, Symeon von Thessalonike (fl429)30, in


seiner Besprechung der Prothesis gegen die „armenischen Häretiker" aus, die in der
Eucharistie kein Wasser beimischen31.
Allmählich wurde sich auch der Westen der liturgischen Verschiedenheiten sowie
der diesbezüglichen Kontroversen zwischen der griechischen und der armenischen Kir-
che bewußt. Im Jahre 1080 kam ein gewisser Priester Johannes als Abgesandter des
armenischen Katholikos Grigor II. nach Rom, um Papst Gregor VII. vor einem aus
Armenien vertriebenen Häretiker, der angeblich nach Süditalien umgesiedelt sei, zu
warnen. Gregor VII. forderte von diesem Priester Johannes, sein Glaubensbekenntnis
abzulegen, aufgrund dessen sich der Papst von der grundsätzlichen Rechtgläubigkeit
des armenischen Abgesandten überzeugen konnte, wie er selbst in einem Brief an Rott-
fred, Erzbischof von Benevent, berichtet32. Am 6. Juni 1080 schickte Gregor VII. ein
ausführliches Schreiben an den armenischen Katholikos, worin er über die ganze Pro-
blematik der theologischen und der liturgischen Eigenart der Armenier spricht. Er wirft
den Armeniern unter anderem vor, die Wasserbeimischung zu unterlassen:
„Aus dem Bericht einiger haben wir erfahren, daß in der Zelebration der heilbringenden eucha-
ristischen Opfer bei euch dem Wein überhaupt kein Wasser beigemischt werde. Indessen be-
zweifelt aber kein Christ, der die heiligen Evangelien kennt, daß aus der Seite des Herrn mit
dem Blut auch Wasser herausfloß".33

Zugleich lobt der Papst die Armenier dafür, daß sie ungesäuertes Brot in der Eucharistie
gebrauchen, und drückt ihnen seine Unterstützung aus, zumal sie von den Griechen

30 Zu dem Liturgiekommentar des Symeon von Thessalonike s.: BORNERT, Les commentaires
byzantines 245-263. Zu Symeon von Thessalonike allgemein s. in: BECK, Kirche 752-753; LMA
Vm 362-363 (P. PLANK); ODB 1981-1982 (TALBOT).
31 SYMEON VON THESSALONIKE, Περί της Ιεράς λειτουργίας, ed. cit. 276 B-C: Δια τοϋτο και άεΐ
άναγκαΐον είναι έν τφ ποτηρίψ τφ φρικτφ, ώς και τον οΐνον, και το ϋδωρ εις τήν τοΰ
μυστηρίου παράστασιν και μήτε ΰδωρ μόνον, <...> μήτε οΐνον μόνον κατά τους
αιρετικούς 'Αρμενίους.
32 GREGOR VLT., Registrum VLT 28 (ed. cit. 509): „Fratemitati tuae notum faeimus presentium
latorem Iohannem presbyterum, virum quidem, sicut ex professione sua cognovimus,
orthodoxum, nobis ex parte Symandensis archiepiscopi Armenii conquestum esse super quodam
nefario, quem nos ex ore suo convictum haereticum adiudicavimus, quod is ob hanc impietatem
de Armenia expulsus gravem contra Armeniam eiusdem haeresis gignat latinae apostolicae
catholicaeque Ecclesiae suspitionem, immo vero iudicium".
33 GREGOR VLT., Registrum VIII 1 (ed. cit. 511): „Quorundam siquidem relatione didieimus in
caelebrandis sacrificiorum salutiferis sacramentis aquam vino penitus apud vos non admisceri,
cum nemo christianus, qui sacra novit evangelia, dubitet a latere Domini aquam cum sanguine
emanasse".
168 Die ostkirchliche Herausforderung

wegen der Azymen angegriffen werden34. Ob eine Reaktion des armenischen Katholi-
kos erfolgte, ist nicht bekannt35.
In besonderem Maße stand der Zeon-Ritus im Blickfeld der Kontroversen zwischen
den Kirchen. Die Tatsache, daß der genannte Ritus in keiner anderen liturgischen Tra-
dition außer der griechischen praktiziert wurde, gab nicht nur den Armeniern, sondern
auch den Lateinern Anlaß zu Angriffen auf die byzantinische Praxis. Ihrerseits kämpf-
ten die griechischen Polemiker seit dem 11. Jahrhundert „an zwei Fronten", nämlich
sowohl gegen die armenische Nichtbeimischung als auch gegen das lateinische „Aus-
lassen" des Zeon-Ritus. In der Hitze des Gefechts beurteilten sie nicht selten das Fehlen
des Zeon-Ritus in anderen Kirchen als Verstoß gegen die richtige Sakramentenspen-
dung. Es wurde bereits auf eine Stelle aus der Dialexis des Niketas Stethatos gegen die
Lateiner verwiesen, wo er über die symbolische Bedeutung des Zeon spricht. Wörtlich
sagt Niketas:
„Merkt euch, daß es in den Azymen keine lebendige Kraft gibt, weil sie tot sind. In dem Brot
aber, d.h. in dem Leib Christi, gibt es ein dreifach Lebendiges und Lebenspendendes für jene,
die ihn würdig genießen: den Geist, das Wasser und das Blut. So bezeugt auch Johannes, der
an der Brust Christi ruhte: »Drei sind es, die Zeugnis ablegen«, sagt er, »der Geist, das Wasser
und das Blut, und diese drei sind eins« [1 Joh 5,7-8], das ist der Leib Christi. Dies wurde auch
zum Zeitpunkt der Kreuzigung des Herrn offenbar, als das Wasser und das Blut aus seiner un-
befleckten Seite herausfloßen und die Lanze seinen Leib durchstach. Aber der lebendige und
heilige Geist blieb in seinem vergöttlichten Leib. Und wir, wenn wir ihn im Brot essen, das
durch den Geist verwandelt wurde und zum Leib Christi geworden ist, leben in ihm, indem wir
den lebendigen und vergöttlichten Leib essen. In gleicher Weise werden wir auch von jedem
Makel gereinigt und durch den lebendigen Geist erfüllt, indem wir sein lebendiges und heißes
Blut trinken, mit dem Wasser, das aus seiner unbefleckten Seite herausfloß. Wir trinken ja, wie
ihr wißt, den warmen Kelch, gleichsam aus der Seite des Herrn, weil uns aus dem mit dem
Geist lebendigen und warmen Leib Christi das warme Blut und das Wasser erschien. Dies ge-
schieht bei denen, die die Azymen essen, nicht"36.

34 GREGOR VII., Registrum VIII 1 (ed. cit. 513): „De reliquo quia cognovimus Ecclesiam vestram
azima sacrificare et ob hoc a Graecis dumtaxat imperitis quasi de haeresi reprehendi, nolumus vos
de temeraria garrulitate illorum multum mirari, sed nee ab instituto desistere...".
35 S. dazu: HALFTER, Das Papsttum und die Armenier 114-121. S. auch unten, S. 225.
36 NIKETAS STETHATOS, Διάλεξις 3 (ed. cit. 324-325): σκοπείτε δέ, δτι έν μεν τοις άζΰμοις
ουδεμία τίς έστι ζωτική δύναμις· νεκρά γάρ είσιν. έν δέ τφ άρτω ήγουν τ φ σώματι τοΰ
Χρίστου, τρία τα ζωντα και ζωήν παρέχοντα τοις αυτόν άξίως έσθίουσι· το πνεΰμα, τό
ϋδωρ και τό αίμα, ώς και αυτός ό τοΰ Χρίστου επιστήθιος 'Ιωάννης συμμαρτυρεΓ τω λόγω·
τρεις γάρ είσιν οι μαρτυροΰντες, φησί, τό πνεΰμα, τό ϋδωρ και τό αίμα, και οι τρεις εις τό
εν εισιν, δηλονότι τό σώμα τοϋ Χρίστου· δ καΐ κατά τον καιρόν της τοΰ κυρίου
σταυρώσεως δηλον γέγονεν, όπηνίκα τό ΰδωρ και τό αίμα εκ της αχράντου πλευράς αύτοΰ
ερρευσε, λόγχη νυγείσης αύτοΰ της σαρκός, τό δέ ζων και αγιον πνεΰμα εμεινεν έν τχ\
τεθεωμεντι σαρκί αύτοϋ, ην έσθίοντες ημείς έν τφ αρτω, τφ μεταβαλλομένω διά τοΰ
Das Problem der Wasserbeimischung 169

Wie man sehen kann, ist der eigentliche Gegenstand des Angriffes nicht das Fehlen des
Zeon-Ritus, sondern der lateinische Gebrauch von ungesäuertem Brot. Aber durch die
Parallele, die Niketas zwischen dem Zeon und dem gesäuerten Brot gezogen hat, wurde
auch das Fehlen des Zeon-Ritus in der römischen Liturgie als verdächtig betrachtet. In
der Responsio sive Contradictio adversus Nicetae Pectorati libellum wird darauf sehr
scharf reagiert:
„Hier ist eine verderbliche Lehre, hier ist eine teuflische Einflüsterung, mit deren Hilfe du
Bannerträger versuchst, die Meinungen und Erfindungen der Deinigen gegen die apostolische
Überlieferung und gegen die offensichtliche Wahrheit zu verteidigen, indem du behauptest,
daß warmes Wasser und Blut aus dem lebendigen und warmen Leib Christi herausfloß und daß
die Griechen aus diesem Grund mit Recht seinem Blut heißes Wasser beimischen37.

Der Autor der Contradictio bemüht sich weiter zu zeigen, daß nach dem Bericht der
Evangelisten Christus im Moment, als er mit der Lanze durchbohrt wurde, bereits tot
war: Daher konnte sein Leib nicht warm sein. Ironisch führt er den Griechen die Un-
stimmigkeit ihrer Ritus-Erklärung vor Augen:
„Siehe: Wenn er in der neunten Stunde starb und am späten Abend, als er bereits vom Kreuz
genommen werden sollte, mit einer Lanze durchbohrt wurde, war sein Blut natürlicherweise
nicht warm, weil der ganze Leib bereits tot und kalt war. Wenn er aber in irgendeiner Weise
doch warm war, warum hat dann das Evangelium über ein so großes Wunder und Geheimnis
geschwiegen? Daher wollen wir, daß ihr neue Mysterienteilnehmer sagt, ob nur das Blut oder
nur das Wasser oder beides warm war? Falls nur das Blut, wozu erwärmt ihr dann das Wasser?
Falls nur das Wasser, warum erwärmt ihr mit ihm das Blut Christi? Falls beides zugleich, war-
um wird nicht beides zugleich erwärmt?"38

πνεύματος καί γινόμενα» είς σάρκα Χριστοί], ζώμεν έν αντφ, ώς ζωσαν και τεθεωμενην
σάρκα έσθίοντες. ούτω δέ καί τό αίμα το ζών καί θερμότατον αύτοΰ πίνοντες, μετά τοϋ
έκρεύσαντος ύδατος εκ της ακήρατου πλευράς αύτοΰ, καθαιρόμεθα πάσης αμαρτίας καί
ζέοντος πληρούμεΟα πνεύματος, θερμόν γαρ ώς όρδτε, οία δη εκ της πλευράς τοΰ κυρίου,
τό ποτήριον πίνομεν επειδή έκ ζώσης σαρκός τω πνεύματι καί θερμότατης Χρίστου,
θερμότατον τό αίμα ήμΐν καί τό ΰδωρ έξέβλυσεν δπερ έν τοις τά αζυμα έσθίουσιν ούκ έχει
χώραν του γίνεσθαι. Die zeitgenössische lateinische Übersetzung dieser Stelle, ausgeführt im
Auftrag von Humbert von Silva Candida, s.: WILL 128.
37 WILL 139: „Ecce pestifera doctrina, ecce diabolica suggestio, cujus tu signifer conaris opiniones
et adinventiones tuorum contra traditionem apostolicam et contra manifestam veritatem defendere
dicendo aquam calidam et sanguinem de vivo et calido Christi corpore exisse et ideo Graecos
aquam ferventem sanguine ejus jure miscere".
38 WILL 139: „Ecce si hora nona obiit et sero, jam de cruce deponendus, lancea percussus fuit;
sanguis ille naturaliter calidus non fuit, toto corpore praemortuo et fhgido. Quod si aliquo modo
caluit: evangelium quare tantum miraculum et sacramentum taeuit? Unde vos novi symmystae
volumus dicatis, an sanguis tantum, aut aqua tantum an simul utrumque caluerit? Si sanguis
tantum, quare aquam calefacitis; si aqua tantum, quare ex ea calefacitis sanguinem Christi? Si
utrumque simul, quare utrumque simul non calefit?"
170 Die ostkirchliche Herausforderung

Das ist der erste mir bekannte lateinische Angriff auf den griechischen Zeon-Ritus. Ein
späteres Beispiel einer Kritik am Zeon-Ritus finden wir in der Schrift De haeresibus et
praevaricationibus Graecorum, die Leo Tuscus zwischen 1177 und 1181 verfaßte .
Griechische Theologen gingen in ihrer Antwort ausführlicher auf die Bedeutung des
Zeon ein. Der Abt des süditalienischen griechischen Klosters San Nicola di Casole
Nikolaos (Nektarios) von Otranto40 schrieb in den Jahren 1233-1235 eine Apologie des
Zeon-Ritus gegen einen griechischen süditalienischen Erzpriester, der seinen Mitgeistli-
chen vorgeworfen hatte, sie praktizierten den Zeon-Ritus ohne ausreichende Begrün-
dung. Nektarios sieht sich zum Schreiben bewegt besonders wegen „unserer Nachbarn
und Freunde, der Lateiner, weil sie sich ständig gegen uns erheben und nach einem
Anlaß gegen uns suchen"41. Der Autor weist zunächst darauf hin, daß es grundsätzlich
unmöglich, aber auch unnötig sei, für einen jeden Ritus und Brauch eine Erklärung zu
finden. Dann bezieht sich die Schrift auf den Evangeliumsbericht über die Durchboh-
rung der Seite Jesu mit der Lanze. Die Wärme des Wassers, das dem Wein beigemischt
wird, bedeute zum einen die Glut des Heiligen Geistes und zum zweiten die Wärme des
lebendigen Blutes und Wassers, die aus der Seite des Erlösers herausflossen42. Der
Zeon-Ritus gehöre nach Nikolaos-Nektarios zu den Bräuchen, „die alle rechtgläubigen
östlichen Kirchen Gottes seit alters her und ununterbrochen durch die unerschütterliche
Überlieferung der Väter einhalten"43. Im 14. Jahrhundert schrieb Matthaios Angelos
Panaretos44, ein griechischer Autor, der die antilateinische Polemik zu seinem Lebens-
werk machte, einen kurzen Dialog mit einem lateinischen Bischof, der den Zeon-Ritus
angegriffen haben soll. In der Wiedergabe des Panaretos lautet die Anfrage des Latei-
ners folgendermaßen:
„Aus welchem Grund gießt ihr heißes Wasser in die heiligen Mysterien? Wenn ihr glaubt, daß
der Leib des Herrn, der am Kreuz hing und aus dessen unbefleckter Seite Blut und Wasser
herausflossen, in Wirklichkeit und nicht nur in der Vorstellung tot war, warum konsekriert ihr
dann sein göttliches Blut warm? Der tote Leib ist ja kalt, nicht warm. Falls ihr denkt, daß jenes
kostbare Blut aus seiner unbefleckten Wunde warm war, dann verkündet ihr den Tod des
Herrn, wie es euerer Phantasie entspringt, nicht wie es in Wirklichkeit war"."15

39 PG 140, 545 B: „Nam simul frigidam, calidamque denuo, quasi benedictio impotens conficiendi
fuerit, Dominico sanguini ad consummationem admiscent".
40 Zu Nikolaos-Nektarios von Otranto s. oben, S. 101, Nr. 34.
41 HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 137: „...vicinos et amicos nostros Latinos, quid ex
adverso semper insurgunt, ne aliquam contra nos captent occasionem".
42 Ebd., 138: „Ponimus autem et aquam calidam, quae significat fervorem Spiritus et quod vivus erat
et calidus sanguis et aqua, quae fluxit a latere Salvatoris".
43 Ebd.: „...quae omnes orthodoxae orientales Dei ecclesiae antiquitus et succesione temporum
traditione patrum inconeussa retinent".
44 Literatur zu Panaretos s. oben, S. 112 Anm. 188.
45 PANARETOS, Περί τοΰ ζέου ϋδατος, ed. cit. 146: διά ποίον τρόπον ζέον ΰδωρ έν τοις θείοις
μυστηρίοις εμβάλλετε; εΐ μέν γάρ πιστεύετε κατά άλήθειαν και ού κατά φαντασίαν νεκρόν
Das Problem der Wasserbeimischung 171

Eine theologische Begründung der Wasserbeimischung und speziell des Zeon-Ritus


liefert auch der im orthodoxen Bereich klassische Liturgiekommentar von Nikolaos
Chamaetos Kabasilas (*ca. 1322/23, t nach 1391)46. Ihm zufolge bedeutet das Eingie-
ßen des heißen Wassers in den konsekrierten Kelch das Herabsteigen des Heiligen Gei-
stes auf die Kirche. Für diese Bedeutung eigne sich das heiße Wasser auch dadurch,
weil es am Feuer teilhat. Der Heilige Geist kam nämlich in Feuerzungen auf die Jünger
herab. Durch den konsekrierten Kelch werde aber die Kirche Christi symbolisiert47.
Aus all der Vielzahl der Zeugnisse ergibt sich für die Zeit des 12.-13. Jahrhunderts
das folgende Bild:
Henosis- Zeon-Ritus Azymen
Ritus
Lateiner -1- — +
Armenier — — +
Griechen + + —

Jede Differenz in der liturgischen Praxis gab der einen Seite Anlaß, eine andere Seite
anzugreifen. Einige Vorwürfe wurden zudem irrtümlich erhoben. Im folgenden wird
versucht, die Anfänge und das Ausmaß der lateinischen Unterstellung, die Griechen
würden dem eucharistischen Wein kein Wasser beifügen, nachzuzeichnen.

είναι το κυριακόν σώμα το κρεμάμενον επί τοϋ σταυροΰ, το δια της αχράντου πλευράς
πήγασαν τό αίμα και ΰδωρ, πώς ζέον αυτό το θείον αίμα ίερουργεΐτε; το γαρ νεκρόν σώμα
•ψυχρόν, ου ζέον. ει δε ζέον εκείνο τό τίμιον αίμα λογίζεσθε τό έκ της αχράντου ρεΰσαν
πλευράς, κατά φαντασίαν καταγγέλλετε τόν θάνατον τοΰ Κυρίου, και ού κατά άλήθειαν.
46 Zu dem Liturgiekommentar des Nikolaos Kabasilas s.: BORNERT, Les commentaires byzantins
215-244. Hinweise auf die wichtigste Literatur zu diesem bedeutenden byzantinischen Autor s.
in: BECK, Kirche 780-783; LMA V 845-846 (BIEDERMANN); ODB 1088 (TALBOT); LThK3 V
] 118-1119 (PODSKALSKY).
47 KABASILAS: Εις την θείαν λειτουργίαν 37, cd. cit. 226-228: Οϋτω δε συγκαλέσας τους
πιστούς εις τό ιερόν δεΐπνον, αυτός [ιερεύς] πρώτος αύτοϋ μεταλαμβάνει και δσοι των
όμοταγών, καί δσοι περί τό βήμα· θερμόν ϋδωρ πρότερον εις τό ποτήριον έμβαλών,
σημασίας ένεκα της τοϋ αγίου Πνεύματος έπΐ την Έκκλησίαν καθόδου. Κατήλθε γάρ τότε
της οικονομίας τελεσθείσης τοΰ Σωτήρος άπάσης· νΰν δε έπιδημεΐ, της θυσίας
άνενεχθείσης, καί τελειωθέντων τών δώρων, τοις γε άξίως κοινωνοΰσιν αυτών. <...> Τό μεν
γάρ ΰδωρ, τοΰτο αυτό τε ΰδωρ δν καί πυρός μετέχον, τό Πνεΰμα σημαίνει τό αγιον, δ καί
ΰδωρ λέγεται, καί ώς πΰρ έφάνη τότε τοις τοΰ Χρίστου μαθηταΐς έμπεσόν. <...> Δια δε τών
μυστηρίων καί ή Εκκλησία σημαίνεται.
172 Die ostkirchliche Herausforderung

2. Anselm von Havelberg und der Ursprung des Irrtums über die
Wasserbeimischung

Noch vor Petrus Lombardus - und offensichtlich zum ersten Mal in der Theologiege-
schichte überhaupt - begegnet die Unterstellung, die Griechen mischten kein Wasser
bei, bei dem bedeutenden Prämonstratensertheologen des 12. Jahrhunderts Anselm von
Havelberg. Man darf mit gutem Grund vermuten, daß der Lombarde aus einer - mittel-
baren oder unmittelbaren - Quelle schöpfte, die auch Anselm benutzt hatte.
Anselm48, vermutlich kurz vor 1099 geboren, ein Jünger Norberts von Xanten, der
auch dem Hofe der deutschen Kaiser Lotiiar III. und Friedrich Barbarossa nahestand,
war von 1129 bis 1155 Bischof von Havelberg, von 1155 bis zu seinem Tod am
12. August 1158 Erzbischof von Ravenna. In den Jahren 1135-36 reiste er als Leiter
einer Gesandtschaft Lothars III. nach Konstantinopel zum byzantinischen Kaiser Joan-
nes II. Komnenos49. Dort diskutierte er unter anderem mit einem griechischen Erzbi-
schof über dogmatische und liturgische Differenzen zwischen Lateinern und Griechen.
Etwa 14 Jahre später, um 1149/50, hat Anselm im Auftrag des Papstes Eugen III. einen
Bericht über seine Disputation verfaßt. Dieser Bericht ging in sein aus drei Büchern
bestehendes Werk Antikeimenon50 ein, das auch unter dem bei Migne verwendeten Titel

48 Zu Anselm von Havelberg allgemein s.: VerLex I 384-391 (J. W. BRAUN); LMA I 678-679
(DERS.); ODB 108 (KIANKA); NDB I 309-310 (M. GRABMANN); DOMBROWSKI, Anselm von
Havelberg; FINA, Anselm von Havelberg; LEES, Anselm of Havelberg: 'Ecclesia' and 'Historia';
SIEBEN, Die eine Kirche = DERS., Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters 153-187; 1998 ist
als neueste und bislang umfassendste Arbeit erschienen: LEES, Anselm of Havelberg. Deeds into
Words.
49 Die Gesandtschaft sollte wahrscheinlich ein Bündnis gegen Roger Π. von Sizilien
zusammenbringen. Über die politischen Resultate der Verhandlungen ist nichts bekannt. Zu dem
politischen Hintergrand der Gesandtschaft sowie zur Westpolitik des Kaisers Joannes Π.
Komnenos s.: CHALANDON, Les Comnene Π 164-168; LAMMA, Comneni e Staufer 24-30.
Wichtige Informationen über die Beziehungen zwischen dem deutschen Kaiser, Byzanz und den
italienischen Staaten s. auch in: LILIE, Handel und Politik 376-378.
50 Der Text des Werkes wurde zuerst 1677 gedruckt in: D'ACHERY, Spicilegium ΧΠΙ 88-252, nach
zwei derzeit verlorenen Handschriften aus Cfteaux (s. dazu: BRAUN, Studien 186-195). In der
zweiten, 1723 erschienen Ausgabe des Spicilegium haben die Herausgeber einige Veränderungen
in dem von d'Achery gedruckten Text vorgenommen, s.: BALUZE / MARTENE / DE LA BARRE,
Spicilegium I 161-207. Diese zweite Ausgabe diente als Grundlage für den bei Migne
abgedruckten Text des Werkes: PL 188, 1139-1248, jedoch mit einigen Konjekturen sowie
zahlreichen Druckfehlern. Der Text des Antikeimenon wird im Folgenden nach der zweiten
Ausgabe 1723 zitiert, da wegen zahlreicher, zum Teil gravierender Druckfehler die Migne-
Ausgabe an vielen Stellen unbrauchbar ist (s. ζ. Β. die für unser Thema einschlägigen
Sp. 1241 C-1243 D, wo innerhalb von zweieinhalb Spalten elf sinnentstellende Druckfehler
enthalten sind). Zusätzlich zur Edition von Baluze gebe ich die Spalte und den Buchstaben der
Migne-Ausgabe an. Eine kritische Edition des Antikeimenon, die noch in den 70er Jahren von
Das Problem der Wasserbeimischung 173

Dialogi bekannt ist51. Die Bücher zwei und drei dieses Werkes geben sich als wörtlicher
Bericht einer Disputation zwischen Anselm von Havelberg und einem gewissen Niketas
(Nechites), Erzbischof von Nikomedien. Diesen beiden Büchern hat der Autor eine
Schrift De una formet credendi et multiformitate vivendi α tempore Abeljusti usque ad
novissimum electum als erstes Buch vorausgeschickt, die eine geschichtstheologische
Betrachtung zum Problem der Pluriformität in der Kirche, insbesondere in Bezug auf
unterschiedliche monastische consuetudines, darstellt. Das gewandt und lebhaft ge-
schriebene Antikeimenon, das engagiert auf aktuelle Probleme der damaligen Zeit rea-
giert und eine Reihe interessanter Gedanken und Beobachtungen enthält, hat bereits seit
langem die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen, sowohl wegen seiner ge-
schichtstheologischen Auffassungen52 als auch als Quelle für die Geschichte der Kon-
troversen zwischen Lateinern und Griechen im 12. Jahrhundert 3.
Die Gesandtschaftsreise des Anselm von Havelberg nach Konstantinopel ist in zeit-
genössischen Quellen gut belegt54. Sein Disputationsbericht im Antikeimenon, der in

Johann Wilhelm Braun angekündigt wurde (s.: BRAUN, Studien 135; VerLex I 387; zuletzt LMA
I 679), liegt immer noch nicht vor. Das erste Buch des Werkes wurde 1966 von G. SALET in
SC 118 auf der Grundlage von Mignes Text neu veröffentlicht und mit einem Sachkommentar
sowie mit einer französischen Übersetzung versehen. Zur handschriftlichen Überlieferung des
Antikeimenon sowie zu seinen Ausgaben s.: BRAUN, Studien.
51 Der Titel Antikeimenon ist durch die Mehrheit der Handschriften bezeugt, s. BRAUN, Studien 135—
136; LEES, Anselm of Havelberg. Deeds into Words 8. Im Prologus bezeichnet Anselm selbst sein
Werk als quasi 'Αντικειμένων, id est, librum contrapositorum, sub dialogo verfaßt (BALUZE 162
= PL 1140 C). Der Titel des Werkes weist eine markante Ähnlichkeit mit einem Werk des
Miamis von Toledo auf, *ca. 642, 1690; vgl.: PL 96, 585-704 ('Αντικειμένων sive
Contrapositorum sive contrariorum <...> libri duo).
52 Zur Geschichtstheologie Anselms s.: EDYVEAN, Anselm of Havelberg and the Theology ofHistory
(1972); MORRISON, Anselm of Havelberg: Play and the Dilemma (1987); BERSCHIN, Anselm von
Havelberg und die Anfänge (1988). Die Geschichtstheologie Anselms wird seit GRUNDMANN,
Studien 92-95, oft als Vorwegnahme Joachims von Fiore interpretiert.
53 Zu dem Streitgespräch Anselms sowie zu seinem Bericht im Antikeimenon gibt es eine Reihe von
Abhandlungen und Aufsätzen, allerdings von unterschiedlicher Qualität. In chronologischer
Reihenfolge sei verwiesen auf: DRÄSEKE, Bischof Anselm von Havelberg und seine
Gesandtschaftsreisen; NORDEN, Das Papsttum und Byzanz 97-99; LAUERER, Die theologischen
Anschauungen 53-91; SCHREIBER, Anselm von Havelberg und die Ostkirche; BEUMER, Ein
Religionsgespräch aus dem 12. Jh.; BERGES, Anselm von Havelberg in der Geistesgeschichte;
FITZTHUM, Anselm von Havelberg als Verteidiger der Einheit, EVANS, Anselm ofCanterbury and
Anselm von Havelberg; RÜSSEL, Anselm of Havelberg and the Union ofthe Churches; EBERHARD,
Ansätze zur Bewältigung 368-385; EVANS, Unity and Diversity; LEES, Confronting the Otherness.
Auch Byzantinisten haben inzwischen Anselms Unterredung als wichtige Quelle entdeckt, s.:
BECK, Kirche 313-314; DARROUZES, Les documents byzantins 59-65.
54 S. Annalista Saxo, AD 1135, MGH.SS VI 769: ,Jnperator <...> assumptionem sanete Marie
Mersburh celebravit. Illuc confluebant <...> et legati Grecorum inperatoris, honorifica secum
174 Die ostkirchliche Herausforderung

Dialogform verfaßt ist, wirkt historisch überzeugend. Anselm gibt viele Details an, die
die Historizität des Ereignisses sowie die Glaubwürdigkeit seiner Wiedergabe zu bestä-
tigen scheinen. Angegeben sind das genaue Datum im Jahre 1136 (die erste Sitzung am
10. April, „wenn ich mich nur richtig erinnere" 55 , die zweite Sitzung in der nächsten
Woche 56 ), der Ort (in der Nähe von der Kirche Hagia Eirene 57 im Pisaner Stadtviertel
Konstantinopels58 für die erste Sitzung und die Hagia Sophia für die zweite Sitzung ),

munera ferentes, pacem ab inperatore et amicicia ac auxilium contra Rokkerum tirannum


poscentes, qui partem Romani inperii et terram Grecorum nimis vexaverat. Quibus decenter
remuneratis, cum suis legatis Anselmo Havelbergensi episcopo et ceteris eos in propria remisit".
AD 1136 (ebd., 770): „Inperator <...> celebravit <...> natalica apostolorum Petri et Pauli
Goslariae; ibique Anseimus Havelbergensis episcopus rediens a Constantinopoli, quo missus
fuerat, ad eum venit". Diese Infoimationen werden fast wörtlich in den Annales Magdeburgenses,
MGH.SSXV1185. 186, wiederholt.
55 Antikeimenan, lib 2, cap 1 (BALUZE 172 = PL 1163 B): „mense Aprili die deeimo, si tarnen bene
memor sum".
56 Antikeimenon, lib 3, cap 1 (BALUZE 192 = PL 1209 A): „...in praeterita hebdomada <...>
convenissemus...".
57 Es gab in Konstantinopel fünf Kirchen, die der heiligen Eirene geweiht waren. In diesem Fall
handelte es sich nicht um die bekannteste, von Konstantin dem Großen im 4. Jahrhundert
gegründete, sog. „Alte Hagia Eirene" (Αγία Ειρήνη ή Παλαιά), da sich diese Kirche nicht im
Pisaner Stadtviertel, sondern im Stadtzentrum, unweit der Hagia Sophia befand. Die einzige
Hagia Eirene, die hier in Betracht kommen kann, ist die sog. Αγία Ειρήνη τοΰ Περάματος
(„Perama" ist ein weiteres Stadtteil in Konstantinopel, s.: JANIN, Constantinople byzantine 406),
die im Pisaner Viertel lokalisiert werden kann, dazu s.: JANIN, Le Siege de Constantinople 112-
113. Daher ist die Identifikation des Orts der ersten Sitzung mit der „alten Konstantinskirche"
Hagia Eirene bei SCHREIBER, Anselm von Havelberg und die Ostkirche 360, und RÜSSEL, Anselm
of Havelberg and the Union ofthe Churches 95, ein Irrtum.
58 Antikeimenon, lib 2, cap 1 (BALIZE 172 = PL 1163 A): „...in vico qui dicitur Pisanorum, juxta
ecclesiam Agie Irene, quae lingua Latina Sanctae Pacis nuneupatur"; ebd., lib 3, cap 1 (BALUZE
192 = PL 1209 A): „...in loco, qui vocatur Pisanorum vicus...". Das Stadtviertel der Pisaner war
neben jenen der Amalfitaner, der Venezianer und der Genuesen eine der wichtigsten lateinischen
Siedlungen in Konstantinopel im 12. Jahrhundert. Ein Viertel mit einem dazu gehörigem
Landungsplatz in Konstantinopel wurde den Pisanern 1111 durch den Chrysobull des Kaisers
Alexios I. Komnenos gewährt. Die Pisaner erhielten nach diesem Dokument auch einen eigenen
Platz in der Hagia Sophia und im Hippodrom, die sie an hohen Festtagen und zu anderen
öffentlichen Anlässen benutzen durften. Zum Viertel der Pisaner in Konstantinopel und seine
Topographie s.: ODB 1680 (ΟΤΊΈΝ-FROUX); JANIN, Constantinople byzantine 249-250; LILIE,
Handel und Politik 73; LILIE, Die lateinische Kirche 206-208; DALLEGIO D'ALESSIO, Recherches
452-453. Es ist nicht ganz klar, wie man die Worte Ansehns iuxta ecclesiam konkret verstehen
soll. DRÄSEKE, Bischof Anselm 173, vermutet, daß dieser Ausdruck „wie es scheint, unter freiem
Himmel" bedeutet.
Das Problem der Wasserbeimischung 175

die Namen der dabei anwesenden Dolmetscher (Jakob von Venedig, Burgundio von
Pisa und Moses von Bergamo60 - alle drei sind als bedeutende Übersetzer und Gelehrte
des 12. Jahrhunderts bekannt61). Seinen griechischen Gesprächspartner schildert An-
selm als einen praeeipuus im Kollegium der zwölf didascaloi, denen das Recht zustehe,
über die schwierigsten Streitfragen aus dem Bereich der Lehre zu entscheiden62, als
einen Hierarchen, der durch seine Gelehrsamkeit, Klugheit und Redegewandtheit in
Konstantinopel bekannt und geschätzt sei63. Der Bericht Anselms zeigt, daß er sich in
den byzantinischen Verhältnissen der damaligen Zeit aus eigener Erfahrung gut aus-
kennt. Sich selbst charakterisiert er als „begierigen Erforscher und aufmerksamen Un-
tersucher"64 des kirchlichen und vor allem des monastischen Lebens im Byzantinischen
Reich65. Im Prologus zu seinem Werk sagt Anselm, daß er bei seiner Reise nach Kon-

59 Antikeimenon, lib 3, cap 1 (BALUZE 192 = PL 1209 Α-B): „...quoniam omnium vestrum
excellentiae placuit ut in hac saneta basilica Sanctae Sophiae iterum conveniremus, in cujus
absida nunc sedemus".
60 Antikeimenon, lib 2, cap 1 (BALUZE 172 = PL 1163 B): „Aderant quoque non pauci Latini, inter
quos fuerunt tres viri sapientes, in utraque lingua periü et litterarum doctissimi: Jacobus nomine,
Vcneticus natione; Burgundio nomine, Pisanus natione; tertius inter alios praeeipuus, Graecarum
et Latinarum litterarum doctrina apud utramque gentem clarissimus, Moyses nomine, Italus
natione ex civitate Pergamo: iste ab universis electus est, ut utrimque fidus esset interpres".
61 Zu Jakob von Venedig (fl. 1157-1169) s.: MINIO-PALUELLO, Jacobus Veneticus Grecus;
GRABMANN / OTT, Aristoteles 69-82; SCHULTHESS / IMBACH, Die Philosophie 476-^t77. Zu
Burgundio von Pisa (*ca. 1110, f 1193) s.: CLASSEN, Burgundio von Pisa; LMA Π 1097-1098
(DURLING); ODB 340 (MCCORMICK); SCHULTHESS / IMBACH, Die Philosophie 404. Zu Moses von
Bergamo, oder del Brolo (*vor 1100, tvermutl. nach 1156/57) s.: LMA VI 862 (PABST); ODB
1417 (MCCORMICK).
62 διδάσκαλοι, s.: ODB 619 (MACRIDES); PODSKALSKY, Theologie und Philosophie 54-56;
DARROUZES, Recherches 66-86. Speziell zu Erwähnung der didascaloi bei Anselm von
Havelberg s.: DARROUZES, Les documents byzantins 60 Anm. 4.
63 Antikeimenon, Prologus (BALUZE 162 = PL 1141 A): „Fuit autem idem archiepiscopus Nechites
praeeipuus inter duodeeim didascalos, qui juxta morem sapientum Graecorum, et liberalium
artium et divinarum Scripturarum studia regunt, et caeteris sapientibus, tanquam omnibus
praeeminentes in doctrina, praesunt, et ad quos omnes quaestiones difficillimae referuntur, et ab
eis solutae deineeps sine retraetatione et pro confirmata sententia tenentur et scribuntur". Ebd.,
Prooem. seeundi libri (BALUZE 171 = PL 1162 C-D): „Praedictus namque archiepiscopus cum
esset magnus apud illos religionis typo, et acerrimus ingenio, et eruditissimus Graecarum
litterarum studio, et faeundissimus eloquio, et cautissimus in dando et aeeipiendo responso, nihil
eorum in disputatione seu collatione tacendo neglexit, quae viderenrur posse speetare ad suae
sententiae firmitatem, vel ad nostrae sententiae destruetionem; praesertim cum ipse inter
duodeeim didascalos, qui studiis Graecorum ex more solent praeesse, tunc temporis fuerit
praeeipuus, et ab universis in officium nostrae disputationis adversum me electus".
64 Antikeimenon, lib 1, cap 10 (BALUZE 169 = PL 1156 D): „avidus explorator et diligens
Inquisitor".
176 Die ostkirchliche Herausforderung

stantinopel, wo er „einige Zeit weilte"66, viele private und öffentliche Gespräche sowohl
mit Lateinern als auch mit Griechen zu Fragen der Lehre und der Riten geführt habe67.
Die Disputation, von der er nun in Dialogform berichtet, sei öffentlich mit Erlaubnis
und unter dem Patronat des byzantinischen Kaisers und des Patriarchen von Konstanti-
nopel veranstaltet worden68.
Der Gegenstand des Streitgesprächs zwischen Anselm und Niketas waren die zum
damaligen Zeitpunkt bereits „kanonisierten" Kontroversfragen zwischen Griechen und
Lateinern, und zwar das Filioque, dem das ganze Buch 2 gewidmet ist69, die Materie
des eucharistischen Brotes70, sowie der Primat der römischen Kirche, - letzteres wurde
als Teilfrage zum Azymenproblem behandelt71. Zu den genannten Themen kamen zwei
kleinere Fragen bezüglich der griechischen Sakramentenpraxis hinzu: Die Wiederho-
lung der Firmung bei der Aufnahme von Lateinern in die griechische Kirche72 sowie die
angebliche Nichtbeimischung des Wassers bei der Gabenbereitung73. Das Gespräch
verlief, wie Anselm es wiedergab, in einer Atmosphäre des gegenseitigen Respektes
und der Höflichkeit: Zwar gelangten die Gesprächspartner zu keinem Konsens im dog-
matischen bzw. sakramententheologischen Sinne, beendeten aber jedes Thema mit einer
gemeinsamen optimistischen Erklärung, insbesondere sprachen sie sich für die Not-
wendigkeit aus, ein concilium generale zu veranstalten, um zum gegenseitigen Einver-
ständnis zwischen den beiden Kirchen zu kommen.
Die Wasserbeimischung im griechischen Ritus taucht im 20. Kapitel des 3. Buches
des Antikeimenon auf. Gegen Schluß der zweiten Sitzung, nachdem die Fragen über die
Azymen und den römischen Primat bereits besprochen worden sind (Buch 3, Kapitel 3 -
18) und Niketas von Nikomedien die Diskussion mit einem Plädoyer für das generale

65 Die Beobachtungen Anselms zu den Mönchskongregationen, die er im byzantinischen Reich


angetroffen hat, sind besonders interessant, s. Antikeimenon, lib 1, cap 10 (BALUZE 169 = PL
1156 C-D); den Wortlaut s. unten, S. 364 Anm. 108 und 109. Zu den Beobachtungen Anselms s.:
SCHREIBER, Anselm von Havelberg und die Ostkirche.
66 Antikeimenon, Prologus (BALUZE 162 = PL 1140 B): „aliquam moram faciens".
67 Ebd., BALUZE 162 = PL 1140 B-C: „multas super hujusmodi doctrina et ritu collationes et
quaestiones, modo in privatis, modo in publicis, tarn Latinorum quam Graecorum conventibus
habui".
68 Antikeimenon, lib 2, cap 1 (BALUZE 172 = PL 1163 A): „placuit imperatori piissimo Kaloiohanni,
placuit etiam patriarchae civitatis N. viro religioso, ut publicus conventus fieret". Kaloiohannes:
So nennt Anselm Joannes II. Komnenos, den byzantinischen Kaiser in den Jahren 1118-1143.
Der Patriarch, den Anselm nicht namentlich erwähnt, war in dieser Zeit Leon Stypes (Patriarch
von Konstantinopel 1134-1143).
69 BALUZE 173-191 = PL 1165-1210.
70 Antikeimenon, lib 3, cap 3-19 (BALUZE 193-205 = PL 1211-1241).
71 Ebd., cap 5-16, BALUZE 193-202 = PL 1213-1234.
72 Ebd., cap 21, BALUZE 207 = PL 1245-1247.
73 Ebd., cap 20, BALUZE 205-207 = PL 1241-1245.
Das Problem der Wasserbeimischung 177

concilium zur Lösung aller strittigen Fragen abgeschlossen hat (Buch 3, Kap. 19), er-
greift Anselm die Initiative, indem er sagt, es bleibe noch etwas, was er von seinem
Gesprächspartner gerne erfahren möchte74:
„Sag also, warum bringt ihr im Altaropfer nicht den Wein und das Wasser gleichzeitig in den
Kelch eingegossen und gemischt dar? Warum konsekriert ihr unvermischten Wein ohne Was-
ser? Denn nachdem der dargebrachte reine Wein bereits konsekriert ist, mischt ihr erst dann
dem heiligsten Blut das einfache nichtkonsekrierte Wasser bei, das in den Kelch eingegossen
wird, und so kommuniziert ihr. Aus welchem Grund, frage ich Dich, macht ihr das?"75

Wie aus dieser Frage hervorgeht, leugnet Anselm die Wasserbeimischung bei den Grie-
chen nicht vollständig. Er weist auf die Praxis der Wasserbeimischung nach der Konse-
kration vor der Kommunion hin. Anselm kennt die Eigenart der griechischen liturgi-
schen Praxis teilweise richtig. Er beobachtete zwar den Zeitpunkt des Zeon-Ritus,
merkte aber nicht, daß man dazu heißes Wasser gebraucht. Außerdem entging ihm die
erste Beimischung, was ihn zu der Überzeugung führte, daß unvermischter Wein kon-
sekriert werde. Dieser teilweise richtige Befund rechtfertigt die Annahme, daß sich
Anselm auf eigene Beobachtungen stützt. Den Henosis-Ritus hat er offenbar nicht
wahrgenommen, weil sich seine Aufmerksamkeit auf die zweite Beimischung richtete,
die er allein mit eigenen Augen sah. Denn der Henosis-Ritus fand in der Prothesis statt,
die spätestens seit dem 8. Jahrhundert als leise vollzogener Vorbereitungsritus vor dem
Beginn der eigentlichen Eucharistiefeier oder in einem von der Kirche getrennten
Skeuophylakion zelebriert wurde76. Der Zeon-Ritus erfolgte im Gegensatz dazu an einer
„auffälligen" Stelle der byzantinischen Liturgie, nämlich nach der Konsekration der
Gaben und unmittelbar vor der Priesterkommunion. Einem aufmerksamen Beobachter
aus der lateinischen Welt mußte auffallen, daß es in der römischen Messe keine Paral-
lele zu dem Zeon-Ritus gibt; der Henosis-Ritus dagegen konnte ihm leicht verborgen
bleiben.
Darf man in der Anfrage des Anselm noch ein Versehen erblicken, so läßt einen die
Antwort des griechischen Gesprächspartners doch ratlos zurück. Dieser scheint davon
auszugehen, daß die Behauptung des lateinischen Bischofs stimme und daß es in der
byzantinischen Liturgie eine Wasserbeimischung nur nach der vollzogenen Konsekrati-
on gebe:

74 Ebd., cap 19, BALUZE 205 = PL 1241 B: „adhuc aliquid restat quod a tua prudentia velim
cognoscere".
75 Ebd., cap 20, BALUZE 205 = PL 1241 C: „Die ergo quare in sacrificio altaris vinum et aquam
simul in calicem infusam et mixtam non offertis? Quare vinum merum sine aqua consecratis?
Postquam enim vinum merum oblatum sacrificatum est, tunc demum aquam simplicem et non
sanetificatam in calicem infusam cum sacratissimo sanguine miscetis, et ita communicatis. Qua
ratione, quaeso, hoc facitis?"
76 S.: TAFT, The GreatEntrcmce 185-194; MANDALÄ, La Protest 64.
178 Die ostkirchliche Herausforderung

„Es heißt von Christus nicht, er habe in seinem großen Abendmahl, das insbesondere das
Abendmahl des Herrn genannt wird, mit Wein vermischtes Wasser im Kelch konsekriert. Da-
her gleichen wir uns seiner Vorgehensweise an, und es gibt für uns keinen gewichtigeren
Grund als die Nachahmung des Heilandes selbst"77.

Anselm antwortet, daß es in den Evangelien keinen ausdrücklichen Hinweis darauf gibt,
ob der Wein beim Abendmahl vermischt oder unvermischt war. Gemäß dem Brauch der
Juden und der Bewohner Palästinas aber, die den Wein immer mit Wasser vermischt
trinken, sei es nicht widersinnig, daß auch Christus vermischten Wein konsekriert ha-
be78. Es sei jedenfalls kühn zu behaupten, daß der Wein beim Abendmahl unvermischt
gewesen sei, da man in zweifelhaften Fragen nichts mit Kühnheit behaupten darf79.
Außerdem erwähne das Johannesevangelium ausdrücklich, daß aus der geöffneten Seite
des Herrn Blut und Wasser herausfloß. Daher scheine es richtig {rede) zu sein, daß mit
Wasser vermischter Wein dargebracht werde. Durch den Wein werde das Blut Christi
bezeichnet, das Wasser bezeichne das Volk, d.h. die Kirche Gottes, die sich mit ihrem
Haupt, Christus, verbinde und dadurch den einen mystischen Leib Christi darstelle80.
Beim griechischen Brauch werde dagegen die Kirche nicht mitbezeichnet, und das
Haupt des mystischen Leibes wird ohne seine Glieder dargebracht81.

77 Antikeimenon, lib 3, cap 20, BALUZE 205 = PL 1241 C: „Christus in magna illa sua Coena, quae
specialiter Dominica Coena vocatur, non legitur aquam cum vino mixtam in calice consecrasse,
ideoque ad formam illius nos similiter faeimus, et non est nobis major aliqua ratio, quam ipsius
Salvatoris imitatio".
78 Ebd., BALUZE 205 = PL 1241 D: „Anseimus Havelbergensis episcopus dixit: Quamvis in
Evangelio manifeste de aqua nihil scriptum est, ita ut vel apposita, vel non apposita ibi legatur;
tarnen non videtur absurdum, si juxta morem Judaeorum et Palaestinorum, qui semper vinum
aqua mixtum bibunt, ipsum quoque Christum vinum aqua mixtum sacramentaliter consecrasse
intelh'gamus".
79 Ebd., BALUZE 205 = PL 1242 A: „Ego quidem contentiose non affirmo vinum aqua mixtum in
calice Domini fuisse, sed nee tu illud contentiose debes negare, praesertim cum auetoritas
evangelica nee alterum affirmet, nee alterum neget. Porro in ambiguis rebus nihil est cum
temeritate affirmandum, et nihil cum indignatione refellendum".
80 Ebd., BALUZE 205 = PL 1242 Α-B: „Quoniam autem Evangelio manifeste dicente, de latere
Domini in cruce exivit sanguis et aqua in redemptionem nostrae salutis, recte videtur vinum et
aqua in calice mixta in Dominicae passionis commemorationem <...> offerri, ut videlicet in
sanguine novi et aeterni Testamenti non desit aqua quae populum significat, qui in communione
ejusdem sanguinis novi et aeterni Testamenti redemptus salvatur, et tamquam unum corpus
Ecclesiae cum capite suo qui est Christus, concorporatur et unitur, et sanetificatur et offertur.
Scriptum quippe est: Aquae multae populi multi sunt. Hac itaque ratione Latini vinum simul et
aquam in uno calice mixtum offerunt, ut videlicet per vinum sanguis Christi, et per aquam plebs
Christi, quae est Ecclesia, sigmficetur".
81 Ebd., BALUZE 205 = PL 1242 C: „Vos autem cum solum vinum merum sine aqua in calice
offertis, jam non Ecclesiam quae est corpus Christi, cum Christo capite significatis, sed solum
Christum caput Ecclesiae sine membris consecratum offertis".
Das Problem der Wasserbeimischung 179

Niketas erwidert darauf, daß eben angesichts dieser symbolischen Bedeutung des
Wassers die Griechen richtiger handelten als die Lateiner. Sie bringen den ungemisch-
ten Wein dar und mischen das Wasser erst nach der Konsekration bei. Das Volk Gottes
sei ja nicht aus sich selbst heilig, sondern werde erst durch die Aufnahme in den mysti-
schen Leib Christi geheiligt. Es wäre nicht angemessen, wenn bei der Konsekration die
Würde des Heiligenden und des zu Heiligenden nicht unterschieden würde82.
Anselm macht darauf seinem Gesprächspartner den Vorwurf, daß er durch ein
Scheinargument der Vernunft das Haupt von den Gliedern trenne. Wenn Wein ohne
Wasser dargebracht werde, beginne das Blut Christi ohne uns zu sein, und es wäre das
Haupt ohne Glieder. Falls aber Wasser allein dargebracht würde, wäre das Volk Gottes
ohne Christus, so wie Glieder ohne ihr Haupt. Zunächst werde der Mensch durch das
Wasser der Taufe erneuert, erst dann dürfe man an den heiligen Sakramenten teilneh-
men. Daher handelten die Lateiner richtig, wenn sie das Wasser vor der Konsekration
mischen und, nachdem die beiden zusammen zum Blut Christi konsekriert sind, kom-
munizieren. Schwer (non modice) sündigte jener, der das gut Vereinte trenne83.
Niketas erwidert, daß er keineswegs die Glieder der Kirche von ihrem Haupt trennen
wolle; vielmehr sei er bereit, durch viele Gründe (rationes) zu zeigen, wie durch die
griechische Art und Weise Haupt und Glieder würdiger zusammengebracht werden84.
Anselm wirft daraufhin ein, daß diese Art zu streiten unendlich lange fortgesetzt
werden könnte85. Jede noch so große Unwahrheit könne man durch langes Reden als

82 Ebd., BALUZE 205-206 = PL 1242 D-1243 A: „vinum merum tantum in calice ofierimus <...>,
cui etiam convenienter postea et rationabiliter aquam admiscemus, ut videlicet popiüus
nequaquam per se sanetificatus, per unionem, qua unitur sacrato jam sanguini, sanetificetur; et sie
in consecratione vini meri solius sanguinis Christi consecrationem debita reverentia devotissime
celebremus. <...> Minus quippe dignum videretur, ut sanetificans et sanetificandum aequaliter
essent in una eaderaque consecrationis dignitate; sufficit autem si aqua qui est populus,
sanetificatur divinae consecrationis partieipatione, et non ejusdem consecrationis integra
dignitate. Nee enim ab initio cum Christo sanetificati sumus, nisi per sanetum Spiritum, et per
saneti Spiritus communicationem: et per saneta Sacramenta Christi et Ecclesiae partieipando et
communicando sanetificari coepimus".
83 Ebd., BALUZE 206 = PL 1243 Α - 1244 C: „Nollem te separare caput a membris, nee membra a
capite <...> Vide ergo, frater, ne aliquo ceu deeeptoriae rationis figmento caput a membris, vel
membra a capite separanda existimes <...> Nam si vinum sine aqua offertur, sanguis Christi
ineipit esse sine nobis quasi caput sine membris. Si autem aqua sola offeratur, jam plebs videtur
esse sine Christo, quasi membra sine capite. <...> non inconvenienter vinum et aqua prius mystice
commiscetur, et tarnen post consecrationem nonnisi sanguis bibitur, quia in illo prius per aquam
baptizati, postea eum esuriendo et sitiendo spiritualiter potamus".
84 Ebd., BALUZE 206 = PL 1244 C: „Ego membra Ecclesiae capiti suo Christo bene divinitus
conjuneta non tento separare, sed congruo modo convenienter conjungere, ut membra
sanetificatione capitis pereepta ipsa quoque sanetificentur, et sanetificationis unione Christo
dignitus coaptentur: quod et ita faciendum esse multis rationibus adstruere possum".
180 Die ostkirchliche Herausforderung

Wahrheit hinbiegen, und umgekehrt. Er selbst sei von der Richtigkeit und Wahrheit
seiner Auffassung überzeugt. Da die Lateiner unzweifelhaft wissen und glauben, daß
nach dem Zeugnis des Evangeliums gleichzeitig Blut und Wasser aus der Seite Christi
herausflossen, genüge es ihnen, die „Form" der Passio Christi nachzuahmen. Sie wollen
sich nicht durch irgendwelche neue Erfindungen davon abbringen lassen .
Mit einer fairen Geste beendet Niketas das Thema der Wasserbeimischung, indem er
die Weisheit und Klugheit Anselms lobt, und ruft (wie immer am Schluß eines jeden
Themas der Disputation) zum concilium generale auf, damit sich die Kirchen bezüglich
ihrer Sakramentenpraxis keine Vorwürfe mehr machten. Der Streit hierüber sei mehr zu
fürchten als die Verschiedenheit der Gewohnheiten bei der Darbringung desselben Op-
fers .
Das referierte Kapitel des Antikeimenon führte einige Erforscher der byzantinischen
Liturgie in die Irre. So sah sich Robert Taft in seinem 1987 erschienenen Aufsatz über
die Wasserbeimischung im byzantinischen Ritus gezwungen, angesichts der Aussagen
von Anselm und Niketas, die er für learned and reliable witnessesss hält, bei einigen
Priestern in Byzanz im 12. Jahrhundert auf eine Zelebration der Prothesis ohne Beimi-
schung des Wassers zurückzuschließen - trotz einer Menge zeitgenössischer Quellen,
die für das Gegenteil sprechen. Er ging davon aus, daß Anselm „die Diskussion so zu-
verlässig und ehrlich, wie er sie im Gedächtnis behalten hat, berichte", und hält es für
„unmöglich, das Zeugnis Anselms zurückzuweisen"89. Dagegen zeigte sich Hanssens
1930 in seinen Institutiones liturgicae de ritibus orientalibus dem Zeugnis Anselms
gegenüber skeptisch und meinte, der Havelberger Bischof habe sich geirrt. Die Argu-

85 Ebd., BALUZE 206 = PL 1244 C: „Semper respondere semper respondentibus usque ad infinitum
ducit".
86 Ebd., BALUZE 206 = PL 1244 D - 1245 A: „Quid autem tarn falsum, quod dicendo non putetur
posse videri verum? Aut quid tarn verum, quod dicendo non putetur posse videri falsum? <...>
Ego scio et non dubito me verum dixisse. Nam nos de latere Christi in cruce sanguinem et aquam
simul manasse in redemptionem salutis nostrae et totius humani generis, Bvangelio testante,
indubitanter seimus et credimus, ideoque et nos vinum et aquam simul in uno calice mixta et
consecrata in remissionem omnium peccatrum offerimus, et propter hoc hunc ritum offerendi
docemus, et sufficit nobis formam Passionis Christi imitari, qui nolumus aliquibus novis
adinventionibus impediri".
87 Ebd., BALUZE 206-207 = PL 1245 B: „Placet ratio, placet auetoritas, placet veritas, placet ritus,
placet etiam tua humilitas, placet tua affabilitas, placet verborum tuorum ordinata maturitas; sed
super his omnibus generale concilium videre desidero <...> Magis enim tarn nobis quam vobis
timenda est periculosa contentio, quam ejusdem oblationis [vgl. LEES, Anselm of Havelberg.
Deeds into Words 278 Anm. 341 ] diversa consuetudo".
88 TAFT, Water into Wirte 332; vgl. jüngst: DERS., The Precommunion Rites 457.
89 TAFT, Water into Wine 333: „...it is generally agreed that Anselm reports the discussion as
faithfully and honestly as he remembered it <...> So I find it impossible to dismiss Anselm's
testimony, and can only conchide that not all Byzantine priests mixed water with the wine at the
prothesis in the twelfth Century". Vgl. DERS., The Precommunion Rites 457^(58.
Das Problem der Wasserbeimischung ' 181

mente, die Niketas von Nikomedien im Laufe der Disputation für den Zeon-Ritus, nicht
für die Nichtbeimischung, tatsächlich vorgebracht hat, habe der Autor des Antikeimenon
beim Zusammenstellen seines Berichtes eigenen falschen Vorstellungen angepaßt90. Die
Fragen, wie dies konkret geschehen konnte und wie sich diese Erklärung in den Kontext
der Abfassungsgeschichte des Antikeimenon einfügen läßt, blieben in der Untersuchung
Hanssens unberührt91.
Dagegen zeigten sich die Theologiehistoriker, die sich mit Anselm von Havelberg im
Kontext des lateinischen 12. Jahrhunderts beschäftigen, an dieser Ritusfrage nicht inter-
essiert. Keiner der oben genannten Autoren92 hielt eine nähere Untersuchung des The-
mas für notwendig. „Hierauf näher einzugehen ist bei der Geringfügigkeit des Gegen-
standes um so weniger erforderlich, als Anselm und Niketas sich hier wirklich
verständigten": Die Ansicht Dräsekes aus dem Jahr 190193 scheint bis heute in der An-
sclmus-Forschung zu gelten. Auch in dem neuesten, 1998 erschienenen Buch von Jay
Terry Lees, das ohne Frage als Standardwerk über Ansehn von Havelberg und seinen
schriftlichen Nachlaß gelten darf, blieb das Problem unerkannt94.
Um das Rätsel der Wasserbeimischung, wie um sie im Antikeimenon gerungen wird,
lösen zu können, gilt es zunächst, die historische Glaubwürdigkeit dieses Werkes gene-
rell zu hinterfragen. Wie steht es um die Historizität der anderen Teile des Disputati-
onsberichtes? Inwieweit ist dem Bericht des Anselm über seine Disputationen in Kon-
stantinopel überhaupt zu glauben?
Diese Frage wurde in der Forschung unterschiedlich beantwortet. Nur wenige waren
geneigt, den Bericht Anselms für eine protokollartige Niederschrift zu halten95. Der
Autor des Antikeimenon gibt ja selbst zu, allein aufsein Gedächtnis angewiesen zu sein.
..Soweit es mir möglich war, habe ich den Wortlaut des Gesprächs im Gedächtnis be-
halten", schreibt er im Prolog96. Nun darf man selbst beim besten Erinnerungsvermögen

90 IIANSSENS, Institutiones liturgicae Π/1 242 (Nr. 420): „Haec autem probabilior dubii solutio est,
ut admittatur Anselmum Havclbergenscm erravisse <...>; argumenta vero quibus Nicetas
Nicomediensis usum aquae ferventis addendae tuebatur, ad suum falsum conceptum
deformavisse".
91 Ebd., 236-242 (Nr. 412-^20).
92 S. obenS. 173 Anm. 53. '
93 DRÄSEKE, Bischof Anselm von Havelberg 178.
94 LHES, Anselm of Havelberg. Deeds into Words 275-278.
95 So RÜSSEL, Anselm qf Havelberg and the Union 85 Anm. 1, der behauptet, der Text der
Disputation basiere auf einen „verbatim record". Ähnliche Äußerungen kann man bei BEUMER,
Ein Religionsgespräch 466, finden, nach dessen Ansicht „die literarische Echtheit" des Berichtes
„außer Zweifel" stehe. Es sei nach BEUMER auch „keineswegs ausgeschlossen", daß das
Gedächtnis Anselms „sich auf Notizen stützen konnte". Aber auch er äußert einige Bedenken an
der Echtheit des Antikeimenon.
96 Antikeimenon, Prologus, BALUZE 162 = PL 1141 A: „Conservavi autem, quantum memoria
subministrabat, tenorem dialogi..."
182 Die ostkirchliche Herausforderung

nicht erwarten, daß man sich 14 Jahre nach einem Ereignis noch Wort für Wort an ein
Gespräch erinnert. Es wurden auch mehrmals Bedenken darüber geäußert, daß den
Ausführungen Anselms im Disputationsbericht mehr Platz eingeräumt wird als jenen
seines griechischen Gesprächspartners und daß der Grieche sich in manchen Fragen
allzu bereit zeigt, sich dem lateinischen Standpunkt anzuschließen oder zumindest seine
grundsätzliche Übereinstimmung in wesentlichen Sachen zu signalisieren97. Es hat sich
mehrheitlich die Ansicht durchgesetzt, daß die Bücher 2 und 3 des Antikeimenon zwar
keine Niederschrift sind, jedoch im Großen und Ganzen den echten Verlauf des Ge-
sprächs sowie die dabei angeführten Argumente beider Parteien wiedergeben. Diese
Ansicht findet sich grundlegend bei Dräseke (1901) und Schreiber (1941), die lange
Zeit hinweg als Gewährsleute für unseren Problemkomplex galten98. Somit stellte Spite-
ris 1979 einen Konsens in der Forschung fest, daß Anselm wenn auch nicht den Wort-
laut, so doch den Gedankengang der Gesprächsteilnehmer treffend referiert . Dieser
forschungsgeschichtliche Konsens nötigte offenbar Taft im oben zitierten Aufsatz dazu,
aufgrund der „Zuverlässigkeit" Anselms eine liturgiegeschichtliche Sonderform zu
postulieren100.
In einem ganz anderen Licht erscheint uns der Disputationsbericht Anselms jedoch,
seit man nicht unbedeutende textuelle Abhängigkeiten des Antikeimenon von anderen
Quellen entdeckte. Solche Abhängigkeiten konnten H. Finke 1942101, Wilhelm Berges
1956102, Hermann Josef Sieben 1979 und 1984103 sowie Jay Terry Lees 1998104 für die
Bücher 2 und 3 des Antikeimenon nachweisen. Es handelt sich um die im Text des

97 So BEUMER, Ein Religionsgespräch 466.


98 DRÄSEKE, Bischof Anselm von Havelberg 173: „...für den allgemeinen Verlauf der Sache, den
Ton und die Stimmng der Verhandlungen ist uns Anselm allerdings ein sehr wertvoller Zeuge";
SCHREIBER, Anselm von Havelberg und die Ostkirche 361: „Der Unionsredner hat natürlich nur
den Hauptinhalt seiner Verhandlungen mit Niketas aufgezeichnet".
99 SPITERIS, La critica bizantina 89: „Gli studiosi sono d'aecordo neH'ammettere ehe Anselmo e
fedele se non alla forma, almento al pensiero dei suoi interlocutori e questo per le seguenti
ragioni <...> Possiamo, quindi, credere con grande probabilita ehe Anselmo nei primi 14
capitoli del ΠΙ Libro dei suoi Dialoghi ci riporta l'autentico pensiero dei greci sul primato
papale". Vgl. auch die Ansicht von Yves CONGAR, L'ecclesiologie 34, zu Niketas von
Nikomedien: „Nous n'avons aueun ecrit de lui, mais Anselme de Havelberg semble traduire
exaetement sa pensee dans ses Dialogi, lib. Π et III rapportant ses conversations de 1136".
100 TAFT, Water into Wine 332 Anm. 49; 333 Anm. 54.
101 FINKE, H.: Die Lehre Anselms von Havelberg über den Ausgang des Heiligen Geistes in seinen
Unionsgesprächen mit den Griechen. Rom [1942]. Wie BERGES, Anselm von Havelberg in der
Geistesgeschichte 57 Anm. 63, und SIEBEN, Die Konzilsidee 157 Anm. 16, blieb auch mir diese
Arbeit unzugänglich. Über die Arbeit informiert LANDGRAF, Einführung 69.
102 BERGES, Anselm von Havelberg in der Geistesgeschichte 45; 56-57.
103 SIEBEN, Die eine Kirche. Eine leicht überarbeitete Version dieses Aufsatzes wurde
aufgenommen in: SIEBEN, Die Konzilsidee (s. bes. S. 157 und 161).
104 LEES, Anselm of Havelberg. Deeds into Words 245; 248-249; 257; 267.
Das Problem der Wasserbeimischung 183

Dialogs verborgenen Zitate und Paraphrasen aus patristischen und zeitgenössischen


Werken, die dafür sprechen, daß der Autor eben nicht um eine möglichst treue Wieder-
gabe des Gesprächsverlaufes bemüht war, sondern zumindest einige Teile des Dialogs
aus einschlägigen Quellen kompilierte. So basieren Kap. 24, 25 und 26 des 2. Buches
auf Abaelards längerer Version der Theologia 'Scholarium '105. Anselm wiederholt nicht
nur die Reihenfolge der Zitate und kurze Erläuterungen aus Abaelard, sondern legt auch
eine passende Frage in Bezug auf das letzte Hilariuszitat in den Mund des Niketas106. In
diesem Fall argumentiert der lateinische Gesprächspartner mit dem Text aus Abaelard.
Viel offenkundiger und die Historizität der Dialoge vollständig in Frage stellend sind
aber die wörtlichen Parallelen im Munde des Griechen. Lees hat wörtliche Überein-
stimmungen zwischen der Rede des Niketas in Buch 2, Kap. 21 107 und Augustinus De
baptismo contra Donatistas II 5, 6 sowie zwischen der Rede des Niketas in Buch 3,
Kap. 3 und Augustinus De baptismo, II 8, 13 nachgewiesen108. Damit noch nicht genug:
Eine Passage aus der Rede des Niketas entstammt wörtlich einer anderen Abhandlung
von Anselm selbst, nämlich der sog. Epistola apologetica pro ordine canonicorum
regularium\W9
Ein schwieriges Problem stellt aber auch die Person des Niketas von Nikomedien
dar. Alles, was wir über ihn wissen, stammt aus dem Antikeimenon. Keine andere
Quelle, sei sie byzantinisch oder lateinisch, bestätigt den Bericht Anselms über die Per-
son seines griechischen Gesprächspartners110. Im Gegenteil: Wie Darrouzes nachgewie-
sen hat, ist in byzantinischen Quellen eine andere Person namens Konstantinos als Bi-
schof von Nikomedien für das Jahr 1136 angegeben111. Hugo Etherianus spricht in
seinem Werk De sancto et immortali Deo (bei Migne unter dem Titel: De haeresibus,
quas Graeci in Latinos devohnmi) über Nicomediae praesul, Nicomediae metropolita

105 Vgl. ABAELARD, Theologia 'Scholarium', lib 2, cap 157-165 (ed. cit. 483-489), mit
Antikeimenon, lib 2, cap 24-26 (BALUZE 188-191 = PL 1202 D-1208 B).
106 Antikeimenon, lib 2, cap 25 und 26 (BALUZE 190 = PL 1206 D-1207 Λ).
107 BALUZE 186 = PL 1197 A-B.
108 LEES, Anselm of Havelberg. Deeds into Words 248-249 Anm. 259; und S. 257.
109 LEES, Anselm of Havelberg. Deeds into Words 245. Antikeimenon, lib 2, cap 14 (BALUZE 181 =
PL 1183 D-l 184 Λ): „Quantum malum sit, intellectum Scripturae, quae divina meruit appellari,
ad proprium sensum quasi violenta expositione distorquere, ac non potius proprium sensum
omnino divinae Scripturae humiliter mancipare et accomodare, nulli debet esse incognitum qui
sacris lectionibus vacare consuevit". Vgl.: Epistola apologetica, PL 188, 1119 B-C: „Quantum
vero malum sit, quamvis sacram Scripturam suo sensui emancipare, et non potius divinae
Scripturae suum sensum adaptare, nulli incognitum esse debet qui sacris lectionibus vacare
consuevit".
110 Dies mußte noch LAUERER, Die theologischen Anschauungen 55-57 Anm. 16, zugeben.
111 S.: DARROUZES, Les documents byzantins 60 und Anm. 7. Wichtige Beobachtungen zu Niketas
von Nikomedien machte BECK, Kirche 313-314.
184 Die ostkirchliche Herausforderung

oder Nicomediae antistes112, ohne seinen Namen zu erwähnen. Er geht ziemlich aus-
fuhrlich auf seine Ansichten bezüglich der Prozession des Heiligen Geistes ein. Diese
Ansichten haben nichts mit den Ansichten des Gesprächspartners in Anselms Antikei-
menon zu tun. Aus diesem Grund hat Lauerer 1911113 die Identifikation mit dem Ge-
sprächspartner Anselms abgelehnt.
Bereits Hans-Georg Beck hat sich sehr vorsichtig über die Historizität des Werkes
geäußert, obwohl ihm damals die Argumente gegen die Historizität des Antikeimenon
noch nicht bekannt waren114. Auch Kurt Fina hat 1956 die treffende Vermutung ausge-
sprochen, daß „es gar nicht im Sinne Anselms liegen konnte, sein Gespräch mit Niketas
möglichst genau wiederzugeben". Fina glaubte vielmehr, daß Anselm die Absicht ver-
folgt habe, „ein apologetisches Kompendium vor allem für die Hand des Kontrover-
stheologen" zusammenzustellen, und dazu „eine möglichst klare und systematische
Darlegung des Gemeinsamen und des Trennenden in der westlichen und der östlichen
Lehrmeinung" zu bieten115. Wie Hermann Josef Sieben und Jay Terry Lees gezeigt
haben, lag eine derartige Darlegung jedoch nicht in der Absicht des Anselm. Er scheint
vielmehr ganz andere Absichten verfolgt zu haben, die nicht so sehr auf die Griechen,
sondern auf die eigene lateinische Kirche zielten. Das Motto gab Ansehn im ersten
Buch des Werkes an: „Pluriformität des Lebens, Uniformität des Glaubens", „Unter-
schiedliche Gewohnheiten in der einen Kirche"116. Die östliche Thematik wurde vor
allem illustrativ herangezogen, um ein westlich orientiertes Problem zu behandeln117.
Als erster hat Sieben die Frage nach der Historizität der Bücher 2. und 3. des Antikei-
menon entschieden negativ beantwortet: „Wir haben es in den beiden Büchern nicht mit
der Aufzeichnung des tatsächlichen Verlaufs des Glaubensgesprächs zu tun, sondern
vielmehr mit einem literarischen Produkt, mit einem fingierten Dialog, der freilich in
seinem gedanklichen Kern und seiner Substanz auf Gespräche zurückgehen mag, die 14
Jahre vorher in Byzanz geführt worden waren"118. Auch Lees, der sich zunächst noch
skeptisch gegenüber der Schlußfolgerung Siebens gezeigt hatte119, schloß sich 1998

112 PL 202, 236 D und 295 Β („Nikomediae praesuT); 360 Λ („Nicomediae antistes"); 242 Β
(, Jficomediae metropolita"), etc.
113 LAUERER, Die theologischen Anschauungen 56 Anm. 16.
114 BECK, Kirche 313-314.
115 FINA, Anselm von Havelberg 97.
116 Auf diese für unsere Fragestellung sehr wichtige Problematik werde ich weiter unten im Kapitel
Ε Π 3 und Ε Π 6b näher eingehen, - auch in Bezug auf das Werk des Anselm von Havelberg, s.
S. 362-367.
117 Nach SIEBEN, Die Konzilsidee 157, beabsichtigte Anselm in seinem Werk, eine Art „mittelalter-
liches De unitate Ecclesiae" zusammenzustellen.
118 SIEBEN, Die Konzilsidee 162
119 LEES, Anselm of Havelberg: 'Ecclesia'and Historia' 192-194; bes. 194 Anm. 128: „I disagree
with Sieben on the question ofthe historicity ofthe dialogi".
Das Problem der Wasserbeimischung 185

dessen Ansicht an und machte in der Folge eine Reihe weiterer Entdeckungen, die die
Ansicht Siebens bestätigen120.
Man hat also im Falle der Bücher 2 und 3 des Antikeimenon einen, um mit Sieben zu
sprechen, „fingierten Dialog" vor sich. Historisch ist daran nur das Faktum, daß die
Gespräche stattgefunden haben121. Mehr läßt sich über die Historizität des Berichtes
nicht sagen. Da der Inhalt solcher Literatur als historische Quelle im Einzelfall immer
diskutabel bleibt, wird man sich vor Aussagen hüten müssen, die keine Bestätigung in
anderen Quellen finden. Vor allem darf man das Antikeimenon keineswegs als Primär-

120 Lees über Sieben s.: LEES, Anselm of Havelberg. Deeds into Words 44 Anm. 21. 233. Was die
Abhängigkeit von Abaelard angeht, so möchte ich hier - zusätzlich zu den von Sieben und Lees
angeführten Stellen - auf noch ein Beispiel verweisen. Anselm laßt den Niketas zum Problem
des Filioque unter anderem folgendes antworten: „Proinde ut übi verum fatear, nos et plerique
nostrorum sapientes a vobis non dissentiunt in sensu hujus processionis; sed sicut jam saepe
dixi, verbum hujus processionis hactenus apud nos fuit alienum. Nee horremus processionis
sensum, quia rectus est, sed processionis verbum, quia insolitum est" (BALUZE 188 = PL
1202 C). Abgesehen davon, daß diese Behauptung ohnehin keine Parallelen in der griechischen
polemischen Literatur findet, ist dieser Gedanke eine Anlehnung an Abaelard, der offensichtlich
als erster bezüglich des Filioque die Ansicht vertreten hat, daß die Griechen mit den Lateinern
in sensu übereinstimmen, wenn sie sich auch in verbo der lateinischen Formulierung nicht an-
schlössen. Dies betraf sowohl das Filioque als auch die Fragen der göttlichen hypostaseis. So
ABAELARD, Theologia 'Scholarium', lib 2, cap 165 (ed.cit. 488-489): „Et hoc fortasse modo, si
a solo Patre procedere Spiritum Graeci intelligant, eo scilicet quod sie ab ipso sit, quasi a
summo et non existente ab alio, nulla est sententiae controversia, sed verborum diversitas". Zum
Unterschied zwischen dem lateinischen Begriff persona und dem griechischen substantia
schrieb ABAELARD, Theologia 'Summi boni', lib 3, cap 6 (ed. cit. 168): „Non est autem nunc
nobis sermo adversus Graecos, nee fortassis a nobis in sensu diversi sunt, sed in verbis tantum,
abutentes nomine substantiae pro persona". Dieser Gedanke, der charakteristisch für Abaelard
und für das lateinische 12. Jahrhundert ist, mit seiner Formel diversi non adversi (vgl. unten,
S. 357-358), ist eine typische scholastische Leistung, die später mit Petrus Lombardus zu einem
Allgemeinplatz der scholastischen Ausführungen zum Problem der hypostaseis und des Filioque
wird. Er konnte kaum von dem griechischen Bischof stammen. Anselm läßt also seinen Ge-
sprächspartner das sagen, was ihm selbst als nützlich erscheint.
121 Dafiir spricht insbesondere Anselms Hinweis auf die drei Übersetzer Moses, Jakob und Burgun-
dio, die alle im Westen gut bekannt waren. Vor allem Burgundio von Pisa, ein Landsmann des
Papstes Eugen III., in dessen Auftrag das Antikeimenon geschrieben wurde, ein Übersetzer, den
der Papst persönlich gekannt hat und der im Auftrag Eugens ΙΠ. gerade zu der Zeit seine Über-
setzung der Matthäus-Homilien des Joannes Chrysostomos angefertigt hat (S.: CLASSEN,
Burgundio von Pisa 71-72, Regesten Nr. 9), ist der beste Garant für die Historizität des Ereig-
nisses.
186 Die ostkirchliche Herausforderung

quelle für die byzantinischen Ansichten zu den Kontroversfragen im 12. Jahrhundert


gelten lassen, was leider in der Forschung bis heute immer wieder geschieht122.
Der Liturgiehistoriker darf also das Zeugnis Anselms für die Nichtbeimischung vor
der Konsekration ohne weiteres übergehen. Es gibt keine Notwendigkeit, unsere Vor-
stellungen von der liturgischen Praxis des 12. Jahrhunderts in Byzanz aufgrund der
Ausführungen Anselms zu korrigieren, wie dies Taft getan hat. Taft formulierte seine
Ansicht vorsichtig und folgerte, daß „nicht alle" byzantinischen Priester den Wasserri-
tus in der Prothesis vollzogen123. Als Stütze für seinen Standpunkt zog er ein zeitgenös-
sisches Dokument aus Kreta heran, das die Nichtbeimischung in der Prothesis zu impli-
zieren scheint124. Doch selbst wenn es vereinzelt Priester gegeben haben sollte, die in
der Prothesis kein Wasser in den Wein schütteten, wäre es undenkbar gewesen, daß ein
„hochangesehener" Hierarch, Erzbischof von Nikomedien, das sich in unmittelbarer
Nähe zur Reichshauptstadt befand, die Wasserbeimischung öffentlich in Konstantinopel
vor einer Menge der Griechen zumal anläßlich eines Streitgesprächs mit Lateinern ge-
leugnet hätte.
Auf keinen Fall darf nun aber Anselm aufgrund seiner Anleihen aus anderen Werken
als bloßer Kompilator bewertet werden. Vielmehr war er ein eigenständig denkender
Autor, der seine Zitate seiner Intention dienstbar machte. Der Aufriß seines Werkes ist
originär. Der „fingierte" Charakter der Dialoge schmälert auch nicht den Wert des Anti-
keimenon als Quelle für die Geschichte der Beziehungen zwischen der griechischen und
der lateinischen Kirche. Unter Berücksichtigung der genannten Sachverhalte darf man
sie zwar nicht als Quelle für die byzantinischen Positionen auswerten, wohl aber für die
lateinischen Reaktionen und Einstellungen gegenüber den Griechen. In dieser Hinsicht
bleibt das ideenreiche Werk des Havelberger Bischofs nach wie vor von unschätzbarem
Wert.
Gerade die Darstellung der Wasserbeimischung bei Anselm von Havelberg verdeut-
licht, wie verworren die Vorstellungen im Osten und im Westen voneinander waren.
Der Schluß, den Hanssens gezogen hat, scheint mir der einzig richtige zu sein: Anselm
von Havelberg hat sich geirrt, wenn er aus der griechischen Praxis der Wasserbeimi-
schung nach der Konsekration daraufschloß, daß auch vor der Konsekration kein Was-
ser dazugegeben worden sei125. Hanssens hat jedoch nicht die Rolle der armenischen
Praxis erkannt, die der mögliche Auslöser dieses Irrtums war. Bekanntermaßen war ja
die fehlende Wasserbeimischung ein Problem des armenischen Ritus. Nun wurde gera-
de in den 40er Jahren des 12. Jahrhunderts - zur Zeit der Verfassung des Antikeimenon

122 Das jüngste Biespiel bietet die Studie von GAHBAUER, Der orthodox-katholische Dialog 69-70,
wo die Ausführungen des Niketas zum Filioque kommentarlos und unkritisch übernommen
sind, was beim Leser den Eindruck erweckt, sie seien für bare Münze genommen.
123 TAFT, Water Mo Wirte 333; vgl. DERS., The Precommunion Rites 458.
124 TAFT, Water into Wine 336-340; vgl. DERS., The Precommunion Rites 461-465. Taft stützt sich
auf die Edition des Dokuments in: LAURENT, Le rituel de proscomidie.
125 HANSSENS, lnstitutiones liturgicae II/l 242 (Nr. 420). Für den Wortlaut s. oben, S. 181 Anm. 90.
Das Problem der Wasserbeimischung 187

- die armenische Frage für das Papsttum besonders aktuell: 1145 traf eine armenische
Gesandtschaft bei Papst Eugen III. ein126. 1145/46 hat Eugen III. einen Brief an den
armenischen Katholikos geschickt, in dem speziell die Frage der Wasserbeimischung
angesprochen wurde127. Ungeachtet dieser Kontakte herrschte im lateinischen Westen
trotz vager Vorstellungen weite Unwissenheit und Verwirrung über die liturgischen
Besonderheiten der armenischen Kirche. Diese Verwirrung erstreckte sich bisweilen
auch auf die griechische Kirche, was in dem oben angesprochenen „Dreieck" liturgi-
scher Unterschiede seine Wurzeln hatte128. Wie weit die Vorstellungen der Lateiner
bisweilen von der Wirklichkeit entfernt waren, zeigen einige Bemerkungen aus der
ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. So behauptete Bischof Walram von Naumburg in
einem Brief an Anselm von Canterbury um 1107, daß die Armenier das eucharistische
Opfer mit gesäuertem Brot darbringen129. Anselm hielt es nicht für geboten, den Mit-
bruder zu korrigieren, offensichtlich waren auch ihm die tatsächlichen Verhältnisse
nicht bekannt. Selber Augenzeuge der armenischen Gesandtschaft von 1145, behauptete
Otto von Freising kurz danach in seiner Chronica sive Historia de duabus civitatibus
über die rituelle Eigenart der Griechen und Armenier folgendes:
„Zwischen ihnen [den Armeniern] und den Griechen besteht in bezug auf die Eucharistie in ei-
nigen Dingen Übereinstimmung, in anderen aber Uneinigkeit. Sie verwenden gesäuertes Brot
wie jene, aber sie mischen kein Wasser in den Wein, so wie wir und jene es tun"130.

Man darf sich also nicht wundern, wenn sich in Bezug auf die Wasserbeimischung so-
gar solche Autoren, die, wie Anselm von Havelberg, den Osten aus eigener Anschauung
kannten131, über die Details nicht im klaren waren132.

126 Über dieses Ereignis berichtet OTTO VON FREISING, Chronica, lib 7, cap 32 (ed. cit. 554): „Ea
tempestate Armemorum episcoporum eorumque metropolitani, quem ipsi catholicon, <...>
vocant, legati ab Ultimo pene Oriente summum pontificem Biterbi laboriosum iter per annum et
VI menses complentes adeunt". Nach eigener Auskunft war er selber bei diesem Ereignis
zugegen, s. ebd.: „nobis cum aliis multis praesentibus, apud Veterem Aulam aperiunt [legati
Armeniorum episcoporum] quae tales erant [causas viae]".
127 Der Brief ist nicht erhalten; Hinweise auf ihn findet man in den Akten des Landeskonzils der
armenischen Kirche zu Sis 1307; ausführlich zur armenischen Gesandtschaft von 1145 und zu
dem Brief des Eugen HL s. in: HALFTER, Das Papsttum und die Armenier 139-143.
128 S. die Tabelle oben, S. 171.
129 WALRAM VON NAUMBURG, Epistola ad Anselmum, ed. cit. 234: „Armenii quidem de fermentato
se laudem sacrificare putant".
130 OTTO VON FREISING, Chronica, ed. cit. 554: „Inter ipsos et Graecos quaedam de ritu sacrificii
habitudo est in quibusdam, in aliis vero discrepantia. Ponunt enim fermentatum panem sicut Uli,
aquam autem vino non admiscent sicut nos et illi".
131 Es ist ein griechischer Bericht über eine Disputation des Basileios von Achrida mit einem latei-
nischen Bischof erhalten. In der Forschung geht man (vereinzelt) davon aus, daß der an der Dis-
putation beteiligte lateinische Bischof Anselm von Havelberg war. Dieser scheint tatsächlich
nochmals in Byzanz gewesen zu sein, im Zusammenhang mit der Legation Friedrich Barbaras-
188 Die ostkirchliche Herausforderung

3. Das Problem der Wasserbeimischung in der lateinischen Theologie


des 12. und 13. Jahrhunderts133

a. Das Thema der Wasserbeimischung ohne Bezugnahme auf die Griechen


Anselm von Havelberg stellte in Kapitel 20 des 3. Buches des Antikeimenon eine Stan-
dardargumentation zusammen, womit im lateinischen 12. Jahrhundert die Wasserbeimi-
schung für gewöhnlich begründet wurde. Diese umfaßte folgende Motive:
(a) Das Einsetzungsargument: Man machte darauf aufmerksam, daß Jesus beim letzten
Abendmahl die erste christliche Eucharistie mit vermischtem Wein gefeiert und so
seinen Jüngern zu trinken gegeben haben soll. Dies sei so geschehen, weil es dem
zeitgenössischen Brauch in Palästina entsprach, Wein mit Wasser zu mischen. Die-
ses Einsetzungsargument wurde in der Frühscholastik für gewöhnlich mit einer

sas um 1155. Im griechischen Bericht über die Disputation wird nur der Zeon-Ritus und nicht
das Problem der Wasserbeimischung in der Proskomidie angesprochen, s: SCHMIDT, Des
Basilius aus Achrida bisher unedierte Dialoge 39.
132 Ein weiterer Beleg —jedoch aus dem 13. Jh. - für die irrtümlichen Ansichten der Lateiner über
die griechische rituelle Eigenart bietet der Brief des päpstlichen Gesandten Hieronymus von
Ascoli OFM an Papst Gregor X. aus Konstantinopel, verfaßt kurz vor dem zweiten Konzil von
Lyon 1274. Darin wird behauptet, daß die Griechen weder ein Sakrament der Firmung noch ein
Sakrament der Letzten Ölung hätten, s. den Text des Briefes in: ROBERG, Die Union 229-231.
Aber auch in umgekehrter Richtung erhob man unbegründete Vorwürfe bezüglich der liturgi-
schen Eigenart: So glaubte NKIFOR VON KIEV, Napisanie na latinu ko knjazju, ed. cit. 79, zu
wissen, daß die Lateiner, wie die Armenier, dem Wein kein Wasser beimischen: JlaTHHa >κβ
cBHTyio cjiy>K6y BHHOMT> e/iHnem, npHHOcHTt, 6e3 ΒΟΛΉ. Taxo ace H ΒΟ ApMeHCTeH 3eMJin
epeTHnti BHHOM TO^HK) KO cB5rren Tpaneee npHHoesT, BO/IH He CMemaBmeH.
133 Da das einschlägige Material zur Wasserbeimischungsfrage wesentlich weniger umfangreich als
im Falle der Azymen ist, verzichte ich im Haupttext darauf, ein ausführliches Verzeichnis aller
herangezogenen Werke zu erstellen. Hier seien jedoch kurz die lateinischen Schriften, in denen
das Motiv der Nichtbeimischung des Wassers bei den Griechen auftaucht, aufgelistet:
— Ansehn von Havelberg: Antikeimenon, verfaßt 1149/50;
— Petrus Lombardus: Sententiae, verfaßt 1150-1160;
— Summa Totus homo, verfaßt zwischen 1170 und 1190;
— Petrus Cantor: Summa de sacramentis et animae consiliis, verfaßt 1180-1197;
— Petrus Comestor: Tractatus de sacramentis, verfaßt vor 1187;
— Innozenz ΓΠ.: De missarum mysteriis, verfaßt 1190-1198, revidiert 1208-1216;
— Thomas von Aquin: 4. Buch des Sentenzenkommentars;
— Petrus von Tarentaise: 4. Buch des Sentenzenkommentars;
— Richard von Mediavilla: 4. Buch des Sentenzenkommentars;
— Johannes Duns Scotus: Ordinatio (Opus Oxoniense) zum 4. Buch der Sentenzen.
Das Problem der Wasserbeimischung . 189

Stelle aus Cyprian von Karthago bekräftigt, wo der afrikanische Bischof ausdrück-
lich diese Auslegung des Einsetzungsberichtes vertritt .
(b) Die Durchbohrung der Seite Jesu in Joh 19,34: Die Beimischung des Wassers re-
präsentiere typologisch die Öffnung der Seite Jesu, aus der Blut und Wasser heraus-
flossen135. Dieses Argument begegnet schon in der Patristik136 und wurde im
12. Jahrhundert durch die Autorität eines Textes bekräftigt, der unter dem Namen
des Papstes Alexander I. Eingang in das Decretum Gratiani fand, tatsächlich jedoch
aus den Pseudo-Isidorischen Dekretalien stammte137.
(c) Die Bezeichnung des Volkes durch das Wasser (aqua populum significatUi): Das
Bild stammte ursprünglich von Cyprian von Karthago139, im 12. Jahrhundert wurde

134 CYPRIAN VON KARTHAGO, Epistola 63, ad Caecilium 17 (ed. cit. ΙΉ/2 715): „Si quis de
antecessoribus nostris vel ignoranter vel simpliciter non hoc observavit, quod nos Dominus
facere exemplo vel magisterio suo docuit, potest simplicitati eius indulgentia Domini venia
concedi: nobis vero non potent ignosci, qui nunc a Domino admoniti et instructi sumus, ut
calicem dominicum vino mixtum, secundum quod Dominus optulit, offeramus". Die Stelle
erscheint bei PETRUS LOMBARDUS, Sententiae lib 4, dist 11, cap 5 (ed. cit. 302), und, ihm
folgend, bei GANDULPHUS VON BOLOGNA, Sententiae, lib 4, § 120 (ed. cit. 451), und PETRUS
COMESTOR, Tractatus de sacramentis, ed. cit. 40*. Den ausdrücklichen Hinweis auf das Einset-
zungsargument fmdet man neben Ansehn von Havelberg ζ. Β. im frühen 13. Jh. bei
PRAEPOSITINUS, De sacramentis et de novissimis, ed. cit. 75, der auch die beiden anderen Argu-
mente heranzieht: „Admiscetur tarnen aqua vino propter tria. Quia Christus immiscuit et quia de
latere eius tarn sanguis quam aqua profluxit et quia in aqua populus intelligitur iuxta illud, aque
multipopuli multf.
135 So z. B. Anselm von Laon: „Aqua cum vino ideo ponitur in sacramento, ut aqua, que de Christi
latere cum sanguine fiuxit, representetur" (LOTTIN, Psychologie et morale V 152).
136 So AMBROSIUS, De sacramentis, lib 5, cap 1,4 (ed. cit 60-61).
137 DECRETUM GRATIANI, D. 2 de cons. c. 1 (ed. cit. 1314): „In sacramentorum oblationibus, que
inter missarum sollempnia Domino offeruntur, panis tantum et uinum aqua permixtum in
sacrificium offerantur. Non enim debet in calice Domini aut uinum solum, aut aqua sola offerri,
sed utrumque permixtum, quia utrumque ex latere eius in passione sua profluxisse legitur". Vgl.
BURCHARD VON WORMS, Decretorum libri XX, lib 5, cap 5 (ed. cit. fol. 95 r); ANSELM VON
LUCCA, Collectio canonum, lib 9, cap 1 (ed. cit. 459); Ivo VON CHARTRES, Decretum, pars 2, cap
15 (ed. cit. 164). Der Text ist der „Epistola Alexandri papae ad universos ortodoxos ubique
constitutos directa" aus den DECRETALES PSEUDO-ISIDORIANAE, ed. cit. 94-102, hier 99, ent-
nommen.
138 So wörtlich bei PETRUS LOMBARDUS, Sententiae, lib 4, dist 11, cap 5 (ed. cit. 301). Bei ANSELM
VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 20 (BALUZE 205 = PL 1242 B): „per aquam plebs
Christi [significatur]".
139 CYPRIAN VON KARTHAGO, Epistola 63, ad Caecilium, 13 (ed. cit. ΙΠ/2 711-712): „Sie autem in
sanetificando calice Domini offerri aqua sola non potest, quomodo nee uinum solum potest.
Nam si umun tantum quis offerat, sanguis Christi ineipit esse sine nobis; si vero aqua sit sola,
plebs ineipit esse sine Christo. Quando autem utrumque miscetur, et adunatione confusa sibi
invicem copulatur, tunc sacramentum spiritale et caeleste perficitur. Sie vero calix Domini non
190 Die ostkirchliche Herausforderung

es jedoch meist mit einem von Cyprian abhängigen Text zitiert, der als Dekretale
des Papstes Julius kursierte und als solche Aufnahme in die wichtigsten Kanones-
sammlungen des 11. und 12. Jahrhunderts fand140. Die diesbezügliche Stelle lautet:
„Der Kelch des Herrn muß nach der Vorschrift der Kanones gemischt aus Wein
und Wasser dargebracht werden, weil wir sehen, daß mit dem Wasser das Volk
gemeint ist, im Wein aber das Blut Christi gezeigt wird. Wenn sich daher im Kelch
das Wasser mit dem Wein vermischt, wird das Volk mit Christus geeint und das
Volk der Gläubigen mit dem, an den es glaubt, verbunden und vereinigt. Diese
Verbindung und Einigung des Wassers und des Weins wird im Kelch des Herrn so
vermischt, daß diese Mischung nicht wieder getrennt werden kann. Wenn nun je-
mand nur Wein darbringt, beginnt das Blut Christi ohne uns zu sein. Wenn aber nur
das Wasser [dargebracht wird], beginnt das Volk, ohne Christus zu sein. Wenn
folglich nur die Weintrauben dargebracht werden, in denen die Wirkung des Weins
nur bezeichnet wird, wird das Sakrament unseres Heiles, das durch das Wasser be-
zeichnet wird, vernachlässigt. Denn der Kelch des Herrn kann nicht Wasser oder
Wein allein sein; man muß sie beide miteinander mischen"141. Als zusätzliche Be-

est aqua sola aut vinum solum, nisi utrumque misceatur, quomodo nee corpus Domini potest
esse farina sola aut aqua sola, nisi utrumque adimatum fuerit et copulatum et panis unius
conpage solidatum". Cyprian ging es in seinen Ausführungen nicht so sehr um die Beimischung
des Wassers: Er richtete sich gegen die Aquarier, also gegen diejenigen, die Wasser ohne Wein
in der Eucharistie darbrachten. Der Text Cyprians fand Eingang in die Kanonessammlung des
ANSELM VON LUCCA, lib 9, cap 4 (ed. cit. 460), und in das DECRETUM GRATIANI, D. 2 de cons.
c. 2 (ed. cit. 1314-1315). Die mit Kursiv markierten Worte gingen jedoch infolge eines Ab-
schreibefehlers in den beiden Kanonessammlungen verloren; dadurch wurde das Bild, das die
eucharistische Wasserbeimischung begründen sollte, zerstört. Auf den Text Cyprians baute je-
doch die Konstitution des III. Konzils von Braga ca. 675 auf, deren Text als Dekretale des Pap-
stes Julius bekannt wurde (s. unten, die beiden nächsten Anm.). Die Wirkung des cyprianischen
Bildes in der christlichen Literatur war groß; so beeinflußte es BEDA VENERABILIS (S. unten,
Anm. 142); ISIDOR VON SEVILLA, De offieiis ecclesiasticis I 18 (CChr.SL113, 20); und
HRABANUS MAURUS, De institutione clericorum, lib 1, cap 31 (ed. cit. 335).
140 Der Text ist unter dem Namen von Papst Julius überliefert in: BURCHARD VON WORMS, Decre-
tum, lib 5, cap 1 (ed. cit. fol. 94 r-v); Ivo VON CHARTRES, Decretum, pars 2, cap 11 (ed. cit.
162-163); DERS., Panormia, lib 1, cap 146 (ed. cit. 1078-1079). Der Text stellt die Konstituti-
on 1 des m. (IV.) Konzils von Braga ca. 675 dar, s.: MANSI XI155-156.
141 DECRETUM GRATIANI, D. 2 de cons. c. 7 (ed. cit. 1316): „...calix dominicus iuxta canonum
preeeptum uino et aqua permixtus debet offerri, quia uidemus in aqua populum intelligi, in uino
uero ostendi sanguinem Christi. Ergo, cum in calice uino aqua miscetur, Christo populus
adunatur, et credentium plebs ei, in quem credit, copulatur et iungitur. Que copulatio et
coniunetio aquae et uini sie miscetur in calice Domini, ut illa mixtio non possit separari. Nam si
uinum tantum quis offerat, sanguis Christi ineipit esse sine nobis. Si uero aqua sit sola, plebs
ineipit esse sine Christo. Ergo, quando botrus solus offertur, in quo uini efficientia tantum
Das Problem der Wasserbeimischung 191

griindung für dieses Motiv wurde oftmals auch ein Motiv aus Offb 17,15 herange-
zogen, demzufolge „viele Gewässer" die „Völker und Völkerscharen, Nationen und
Sprachen" bezeichnen. Diese Stelle wurde in die Formel gekleidet: Aquae mulü
populi mulü [sunt]. Erstmals erscheint dieses Motiv bei Beda Venerabilis, wo es auf
dem bereits bekannten cyprianischen Bild fußt142.
„Anseimus" und „Nechites" aus dem Antikeimenon (Wir setzen diese beiden Namen in
Anführungszeichen, um daran zu erinnern, daß es sich um rein literarische Figuren
handelt) gehen in ihrer Diskussion der Wasserbeimischung nicht über diese im Westen
bekannten Motive hinaus. Nicht nur die Ausführungen, die der Verfasser dem „Ansel-
mus" in den Mund legt, sondern auch die Einwände des „Nechites" gegen die Wasser-
beimischung haben gewisse Parallelen in der zeitgenössischen lateinischen Theologie.
Unter anderem spricht sich „Nechites" gegen das Einsetzungsargument aus143. Zweifel
daran, daß Jesus die Eucharistie mit gemischtem Wein eingesetzt habe, wurden auch in
der lateinischen Theologie der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts geäußert. So sprachen
sich die zur Schule Abaelards gehörigen Sententiae Parisienses ausdrücklich gegen eine
solche Begründung der Wasserbeimischung zugunsten des Apokalypse-Motivs144. Auch
die Bedenken, die „Nechites" gegen das apokalyptische Motiv Aquae mulü populi mulü
sunt hegt, bleiben im Grunde innerhalb des Rahmens der lateinischen Standardargu-
mentation. „Nechites" weist die Formel aus der Offb 17, 15 nicht zurück, sondern
gleicht sie nur an die von ihm postulierte Wasserbeimischung nach der Konsekration
an145.
Noch bevor der Vorwurf gegen die Griechen laut wurde, beschäftigte man sich im
Westen mit den Fragen, (1) ob eine Eucharistie, die ohne Beimischung des Wassers
zelebriert wurde, gültig sei, sowie (2) welche Folgen die Auslassung der Wasserbeimi-
schung, falls sie aus Nachlässigkeit geschah, für den Zelebranten habe. Der Verfasser

designatur, salutis nostrae sacramentum negligitur, quod aqua significatur. Non enim potest
calix Domini esse aqua sola, aut uinum solum, nisi utrumque misceatur".
142 BEDA VENERABILIS, In Lucae Evangelium expositio 6 (ed. cit. 378-379), parall. In Marci
Evangelium expositio 4 (ed. cit. 611-612): „Verum quia et nos in Christo et in nobis Christum
manere oportet uinum domini calicis aqua miscetur attestante enim Ioanne: Aquae populi sunt.
Et neque aquam solam neque solum uinum sicut nee granum frumenti solum sine aquae
admixtione et confectione in panem cuiquam licet offerre ne talis uidelicet oblatio quasi caput a
membris secernendum esse significet et uel Christum sine nostrae redemptionis amore pati
potuisse uel nos sine Christi passione saluari ac patri offerri posse contingat".
143 S. oben, S. 178 Anm. 77.
144 SENTENTIAE PARISIENSES, ed. cit. 42: „Queritur, quare aqua apponatur, cum Christus non
apposuerit, quando corpus et sanguinem suum diseipulis dedit in cena. Ecclesia apposuit
propter illam letitiam, quam habuit de intratione gentium. Aque muhe, populi multi. Aqua
fluidum elementum est et frigidum. Similiter gentes in fluxu erant, quia in bivio erroris erant et
mutabiles".
145 S. oben, S. 179 Anm. 82.
192 Die ostkirchliche Herausforderung

der einflußreichen Summa sententiarum äußerte sich zu diesen beiden Fragen folgen-
dermaßen:
„Es wird oftmals gefragt, ob das [eucharistische] Opfer ungültig sei, falls man aus Versehen
oder aus Nachlässigkeit kein Wasser beigemischt hat. Da wir aber über keine Autorität zu die-
ser Frage verfügen, wagen wir nicht, unsere Meinung als verbindlich aufzustellen. Wir können
jedoch das sagen, daß derjenige, der so etwas tut, schwer bestraft werden muß"146.

Unter Berücksichtigung der Summa sententiarum wie auch des bisher gesammelten
kanonistischen Materials verfaßte Petrus Lombardus seine Distinktion zur Frage Quare
aqua misceatur. Wie eingangs erwähnt, unterstellte der Lombarde - wenn auch mit
gewisser Vorsicht - der griechischen Kirche, sie mische dem Wein in der Eucharistie
kein Wasser bei.

b. Die lateinische Erörterung des angeblichen Fehlens der Wasserbeimischung


bei den Griechen

Woher Petrus Lombardus die Information bezog, daß die Griechen keine Wasserbeimi-
schung praktizieren, läßt sich kaum noch eindeutig nachweisen. Es wird angenommen,
daß der Lombarde 1153/54 kurz nach dem Tod Eugens III. und bestimmt noch vor der
Abfassung des 4. Buches der Sentenzen, nach Rom reiste, wo er unter anderem die
Übersetzung von De fide orthodoxa des Joannes Damaskenos, die Burgundio von Pisa
im Auftrag des Papstes eben vollendet hatte, kennenlernen konnte147. Etwa nur drei
Jahre früher, um 1149/50, wurde das Antikeimenon mit seinen verworrenen Vorstellun-
gen zur Wasserbeimischung, das ebenfalls im Auftrag Eugens III. verfaßt wurde, nach

146 SUMMA SENTENTIARUM, tract 6, cap 9 (ed. cit. 145): „Solet quaeri si oblivione vel negligentia
aliqua non opponeretur aqua, utrum irritum fieret sacrificium. Sed quia de auetoritate nihil inde
habemus, de nostro sensu nihil asserere de his audemus. Hoc tarnen dicere possumus quod
hujusmodi graviter puniendus esset" (die Schlußphrase des Textes ist bei Migne offensichtlich
verdorben; der Sinn ist jedoch kaum zweifelhaft). Ebenfalls mit Vorsicht äußerten sich dazu die
SENTENTIAE PARISIENSES, ed. cit. 42: „Si queratur, an illud sacramentum possit celebrari sine
aqua, et an aqua transeat in sanguinem Christi, non diffinio". Die Sententiae de sacramenäs, die
GILBERT VON POITIERS zugeschrieben werden, sprachen sich in dem Sinne aus, daß eine Eucha-
ristie, die ohne Beimischung von Wasser und/oder ohne Wein zelebriert wurde, ungültig sei:
„Queritur si in hoc sacramento non ponatur aqua uel uinum si sit ibi consecratio corporis et
sanguinis Christi. Ad quod dieimus si propter negligentiam alieuius contingat ea non ibi poni,
non remanet quin sit consecratio corporis et sanguinis Christi quia nee caro deest a sanguine nee
sanguis a came" (ed. cit. 140).
147 S. zu dieser Reise des Lombardus: Ignatius BRADY, Prolegomena zur Edition der „Sentenzen":
PETRUS LOMBARDUS, Sententiae in IV libris distinetae, tomus 1, pars 1, S. 32*, 63*; tomus 1,
pars 2, S. 167.
Das Problem der Wasserbeimischung 193

Rom geschickt148. Hatte nun der Lombarde Gelegenheit, das jüngst vollendete Werk
während seines Romaufenthaltes einzusehen? Vieles spricht dagegen. Zum einen gibt es
abgesehen von der Wasserbeimischung in den „Sentenzen" kaum Spuren, die auf eine
Benützung des Antikeimenon hindeuten. Gerade die Azymenproblematik, die ja im
Antikeimenon einen wesentlichen Platz einnahm, kommt im Werk des Lombarden
überhaupt nicht vor. Parallelen zwischen dem 2. Buch des Antikeimenon und der Dis-
kussion des Filioque im 1. Buch der „Sentenzen" lassen sich durch eine Abhängigkeit
beider Autoren von Abaelard erklären149. Zum andern vermittelt der Wortlaut der be-
treffenden Stelle beim Lombarden den Eindruck, Petrus referiere nur eine mündliche
Nachricht: „Es wird berichtet..." (diciiur), formuliert er. Man kann daher m. E. mit gu-
tem Grund vermuten, daß sich die irrtümliche Information der Verwirrung innerhalb
jenes Dreieck-Geflechts von lateinischem, griechischem und armenischem Ritus ver-
dankt, der man an der Kurie in dieser Zeit offensichtlich unterlag.
Im Unterschied zum unsicheren Urteil der Summa sententiarum beantwortet Petrus
Lombardus die Frage nach der Gültigkeit der ohne Wasserbeimischung vollzogenen
Eucharistie eindeutig positiv. Er meint, daß der Ausdruck non potest in der Julius-
Dekretale im Sinne von non debet verstanden werden muß150: „Daraus wird ersichtlich,
daß, wenn jemand aus Einfalt oder Unwissenheit den Wein ohne Wasser darbringt, er
dennoch das Sakrament vollzieht"151. Gleichzeitig betont der Lombarde in Überein-
stimmung mit seinen frühscholastischen Vorläufern, daß derjenige, der die Wasserbei-
mischung unterlasse, schwer sündige:
„Wenn gefragt wird, ob das ohne Wasserbeimischung Vollzogene ungültig sei, höre zu, was
im Kanon des Julius folgt: »Der Kelch des Herrn«, heißt es dort, »kann weder das Wasser al-
lein noch der Wein allein sein, sondern nur beides vermischt«. <...> Wenn aber jemand ohne
Absicht, eine Häresie zu begehen, dennoch aus Vergeßlichkeit oder Unwissenheit das Wasser
beiseite läßt, scheint das Sakrament nicht ungültig zu sein. Aber jener muß scharf zurechtge-
wiesen werden. Man sagt nämlich, daß auch die griechische Kirche kein Wasser beifüge"152.

148 Bekanntlich verbrachte Eugen HL nur etwa ein Achtel seines Pontifikats in Rom, das jedoch das
Zentrum der Kurie blieb; s.: LMAIV 78.
149 Vgl. PETRUS LOMBARDUS, Sententiae, lib 1, dist 11, cap 2 (ed. cit. 1/2 116-117), mit ANSELM
VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 2, cap 24 (BALUZE 188-189 = PL 1202 D - 1203 C). Die
beiden sind von ABAELARD, Theologia 'Scholarium', lib 2, cap 14-15 (ed. cit. 483^89), ab-
hängig.
150 PETRUS LOMBARDUS, Sententiae, lib 4, dist 11, cap 5 (ed. cit. 303): „Quod ergo supra dictum est,
non posse vinum solum offerri, determinari oportet. Recipit enim exceptionem: non potest, nisi
simpliciter vel ignoranter fiat; vel non potest, id est non debet. Quibusdam tarnen videtur hoc
generaliter verum".
151 Ebd., 302, in Bezug auf ein Cyprianus-Zitat: „Ex hoc videtur quod, si quis simpliciter vel
ignoranter vinum offerat sine aqua, sacramentum conficiat".
152 Ebd.: „Si vero quaeritur an irritum sit quod geritur, si aqua praetermittatur, audi quid sequitur in
eodem canone (Iulius): Non potest, inquit, calix Domini esse aqua sola, aut vinum solum, nisi
194 Die ostkirchliche Herausforderung

Es ist nicht eindeutig, welche Funktion in diesem Kontext der Hinweis auf die Griechen
erfüllen soll. Ist die angebliche Handlungsweise der Griechen eher ein Beleg für die
Gültigkeit der Eucharistie auch ohne Wasserbeimischung, oder soll der Satz vielmehr
illustrieren, daß das Beiseitelassen des Wassers schwere Strafen nach sich ziehen wür-
de? Mehr spricht m. E. für die erste Interpretation. Zum einen steht die Gültigkeitsfrage
im Mittelpunkt der ganzen Distinktion. Nur dieser zugespitzte Aspekt wird hier als
problematisch und begründungsbedürftig empfunden. Zum andern interpretiert einer der
treuesten Schüler und Anhänger des Lombarden, Petrus Comestor, die Nachricht seines
Lehrers über die Griechen gerade in diesem Sinne. Die einschlägige Stelle seines Trac-
tatus de sacramenlis (verfaßt zwischen 1160 und 1187) lautet:
„Es wird gefragt, ob das Sakrament ohne Wasser zustande kommen kann. Einige sagen, daß
dies nicht möglich sei. <...> Die anderen aber sagen, daß das Sakrament auch ohne Wasser zu-
stande kommen kann. Denn auch die griechische Kirche gibt, wie man sagt, kein Wasser bei.
Entweder kann also das Sakrament ohne Wasser zustande kommen, oder die griechische Kir-
che vollzieht das Sakrament nicht. Das ist aber absurd zu behaupten, daß eine so große und so
fromme Kirche das Sakrament nicht vollziehen sollte"153.

Das Kompliment an die Griechen hindert Comestor jedoch nicht, in Übereinstimmung


mit dem Lombarden, die Strafbarkeit der defizienten Sakramentsfeier herauszustel-
len 154
In demselben Sinne äußert sich die zum Einflußkreis des Alanus von Lille gehörende
Summe Totus homo. Das Sakrament ist auch ohne Wasser gültig, aber der unachtsame
Zelebrant soll zurechtgewiesen werden 1 5 5 . Auf die Griechen bezogen fügt sie hinzu:
„Die Griechen pflegen nämlich, dem Wein kein Wasser beizumischen, und dennoch ist ihr Sa-
krament deshalb nicht ungültig. Aber weil es in unserer Kirche Brauch ist, dem Wein Wasser

utrumque misceatur. <...> Si quis tarnen, non intendens introducere haeresim, oblivione vel
ignoranü'a aquam praetermiserit, non videtur esse irritum sacramentum, sed ille graviter est
corripiendus. Nam et Graecorum Ecclesia non apponere aquam dicitur".
153 PETRUS COMESTOR, Tractatus de sacramentis, ed. cit. 39*: „Queritur autem si sacramentum
possit esse sine aqua. Quidam dieunt non. <...> Quidam vero dieunt quod sine aqua possit esse
sacramentum. Nam et Grecorum Ecclesia aquam, ut dicitur, non apponit Aut igitur sine aqua
potest esse sacramentum, aut Grecorum Ecclesia non conficit. Quod est absurdum dicere, quod
tanta et tarn religiosa Ecclesia non conficiat".
154 PETRUS COMESTOR, Tractatus de sacramentis, ed. cit. 39*M0*: „Si quis tarnen, non intendens
inducere heresim, per ignorantiam vel per simplicitatem aquam pretermiserit, sacramentum
quidem irritum non erit, sed sacerdos graviter est puniendus".
155 SUMMA DE SACRAMENTIS „TOTUS HOMO", ed. cit. 45-46: „Item quaeritur si aqua vino non
apponatur utrum illud sacramentum debeat irritum reputari. Ad quod dieimus quod si ex
negligentia vel ignorantia dimittatur non est sacramentum irritum; sed qui negligenter vel
ignoranter dimittit graviter est puniendus".
Das Problem der Wasserbeimischung 195

beizumischen, muß derjenige, der gegen die Gewohnheit der Kirche in diesem Sakrament han-
delt, schwer bestraft werden"156.

Die Strafbestimmung erstreckt sich also nach dem Verfasser der Summa Totus homo
nur auf den nachlässigen lateinischen Priester, weil die Wasserbeimischung ein Brauch
nur der lateinischen Kirche ist (und daher für die griechische Kirche daraus keine Ver-
pflichtung erwächst).
Ungeachtet der klaren Antworten des Petrus Lombardus und seiner Anhänger bleiben
bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Unsicherheiten über die Gültigkeit der ohne Wasser
vollzogenen Konsekration bestehen. Das Schwanken hierüber und gerade bezüglich des
griechischen Ritus wird vor allem bei Petrus Cantor deutlich:
„Was sollen wir also über die Griechen sagen, die bei diesem Sakrament nie Wasser beimi-
schen und dies wissentlich tun und aus Hartnäckigkeit irgendeiner von den Vorfahren überlie-
ferten Sekte. Sollen wir sagen, daß diese Überlieferung nach Häresie schmecke? Muß man da-
her sagen, daß sie das Sakrament niemals vollziehen? Und - um noch einen Schritt weiter zu
gehen - müssen sie als von der Kirche abgeschnitten gelten, da sie sich selbst getrennt haben
sowohl in Bezug auf die Sakramentengemeinschaft als auch in Bezug auf andere gottesdienst-
liche Gebräuche sowie in Bezug auf den geschuldeten Gehorsam gegenüber dem römischen
Papst? Wenn sie von Anfang an als solche zu gelten haben, soll ihnen dann aufgrund einer so
langen Zeitspanne diese Strafe erlassen werden, damit sie sich gleichsam unter einem Vor-
wand als Verbrecher schützen könnten und sie nicht wie Verbrecher verurteilt werden? Und in
der Tat: Wir sehen, daß die [römische] Kirche mit ihnen Gemeinschaft pflegt. Unsere Kräfte
reichen nicht aus, um dieses Problem zu lösen, daher gehen wir zu anderem über. Eine ähnli-
che Untersuchung könnte man über all jene anstellen, die sich bei der Wahl des römischen
Papstes durch die Spaltung eines Schismas von der Kircheneinheit trennen"157.

In diesem hochinteressanten Text drückt sich die ganze Unentschiedenheit und Ambi-
guität der „Griechenfrage" in der lateinischen Theologie des 12. Jahrhunderts aus. Ei-
nerseits müßten die Griechen laut Cantor aufgrund ihrer Abweichungen für praecisi

156 Ebd., 46: „Graeci quidem non consueverunt aquam vino miscere, nee tarnen ideo irritum est
eorum sacramentum; sed quoniam aquam vino miscere nostra consuevit ecclesia qui contra
ecclesiae consuetudinem in hoc sacramento egerit, graviter quidem puniendus est".
157 PETRUS CANTOR, Summa de sacramentis etanimae consiliis, pars 1, § 64 (ed. cit. I 165): „Quid
ergo dieimus de grecis qui nunquam apponunt aquam in sacramento et hoc scienter faciunt, et ex
pertinacia secte alieuius tradite a maioribus. Nunquid dicemus quod heresim sapit illa traditio?
Et ita dicendum est quod nunquam conficiunt? Et ut altius progrediamur, nunquid habendi sunt
pro precisis ab ecclesia, cum ipsi se diuiserint et in sacramentorum communione, et in aliis
obseruantiis et in obedientia debita romano pontifici? Nunquid si ab initio tales habendi erant,
remittitur hec censura tanta temporis prolixitate, ut quasi prescriptione possint se tuen criminosi,
ne tamquam criminosi iudicentur? Sane uidemus quod ecclesia cum illis communicat. Ad hec
dirimenda non suffieimus, ideo ad alia pertransimus. Consimilis autem questio posset fieri de
omnibus qui in electione romani pontificis per scissuram scismatis se separant ab unitate
ecclesie".
196 Die ostkirchliche Herausforderung

gehalten werden, zugleich wird aber darauf aufmerksam gemacht, daß die römische
Kirche mit ihnen immer noch Gemeinschaft pflegt. Man fühlt sich an die etwa drei
Jahrzehnte älteren Worte Bernhards von Clairvaux erinnert, der über die Griechen sag-
te, sie seien „mit uns und zugleich nicht mit uns"158. Aber auch für die Frage der Was-
serbeimischung ist dieser Text bezeichnend: Was bei Lombardus und Comcstor noch
als eine Ungewisse Auskunft unklarer Herkunft erschien, bekommt bei Petrus Cantor
den Charakter einer unumstößlichen Tatsache.
Zur Verfestigung des Irrtums trug auch die Aufnahme des Motivs in die Glossa ordi-
naria bei. In der sog. magna glossatura zu 1 Kor 11, die auf Petrus Lombardus zurück-
geht, werden die Ausführungen des Lombarden zur Wasserbeimischung zwar gekürzt,
aber in der Sache identisch wieder aufgegriffen. Vor allem wird die Auskunft weiterge-
reicht: „Auch die Griechen mischen kein Wasser bei"159.
Schließlich wiederholt auch Innozenz III. in seinem im 13. Jahrhundert weitverbrei-
teten Werk De missarum mysteriis die Unterstellung der Nichtbeimischung des Wassers
bei den Griechen, ohne inhaltlich etwas Neues hinzuzufügen160.
In der Hochscholastik wurde das Motiv der Wasserbeimischung in Verbindung mit
dem Ritus der griechischen Kirche nicht weiter entwickelt und verkam zu einer Formel.
Beinahe alle Kommentatoren der Sentenzen fühlten sich verpflichtet, den Hinweis auf
die Nichtbeimischung des Wassers in der griechischen Kirche zu wiederholen. In der
Regel diente diese Aussage, wie bereits beim Lombarden, die Gültigkeit des ohne Was-
ser dargebrachten Sakramentes zu belegen. Als Beispiele kann man auf die einschlägi-
gen Passagen bei Thomas von Aquin151, Petrus von Tarentaise162, Richard von Media-

158 Den Wortlaut s. unten, S. 246 Anm. 109.


159 GLOSSA ORDINARIA ad 1 Kor 11, sub verbis Accipite et manducate (ed. cit. IV 326): „Quaeritur
etiam: Si aqua aliquando oblivione vel ncgligentia non apponatur, an irritum sit. Quod cum de
autoritate nobis certum non sit, sine assertione quod nobis videtur dieimus, quia si non animo
introducendi haeresim, sed oblivione praetermittatur, non minus conficitur, verumtamen est
graviter puniendum. Nee greci aquam addunt".
160 INNOZENZ ΠΙ., De missarum mysteriis, lib 4, cap 32 (ed. cit. 877 C-D): „Quaeritur autem, an
irritum sit quod geritur, si forte praetermittitur aqua. Cautum est enim in Canone, quod non
potest calix Domini aqua sola esse, neque vinum solum, nisi utrumque misceatur. Hoc quidam
constanter affirmant, dicentes, quod sicut aqua sine vino consecrari non potest, sie vinum sine
aqua transsubstantiari non potest, quia de latere Christi simul utrumque manavit. Alii vero
concedunt, quod si quisquam non intendens haeresim introducere, oblivione vel ignorantia
praetermiserit aquam, ille quidem vehementer est corripiendus et graviter, non tarnen fit irritum
sacramentum. Quod ergo praedictum est, hoc est verum vinum solum offerri non posse,
determinari debet, quia reeipit exceptionem, hoc modo: non potest nisi fiat simpliciter vel
ignoranter, vel non potest, id est non debet, quia non dicitur posse fieri, quod de jure non fit;
nam et Graecorum Ecclesia dicitur aquam non apponere sacramento".
161 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 4b, sc 1 (ed. cit. 480): „Sed contra:
Graeci non apponunt aquam, ut Magister dicit, sed tarnen conficiunt. Ergo sine aquae
admixtione confici potest sacramentum".
Das Problem der Wasserbeimischung 197

villa163 und Duns Scotus164 verweisen. Ohne Hinweis auf die Griechen behandeln die
Frage der Wasserbeimischung dagegen Guido von Orchelles165, Alexander von Ha-
ies166, Wilhelm von Militona167, und, zumindest in ihren Sentenzenkommentaren, Al-
bertus Magnus168 und Bonaventura169. Interessant und für die mittelalterliche Mentalität
bezeichnend ist jedoch die Tatsache, daß keinem der hier untersuchten hochscholasti-
schen Autoren die Unrichtigkeit der von Petrus Lombardus überlieferten Behauptung
auffiel, von einer Richtigstellung ganz zu schweigen. Dabei gab es unter ihnen Theolo-
gen, die mit den Griechen bzw. mit der zeitgenössischen griechischen Literatur in Be-
rührung kamen und die über die griechische Liturgie besser Bescheid wissen konnten.
Das Motiv spielte aber in späterer Zeit für die Beziehungen mit den Griechen kaum
mehr eine Rolle, auch wenn ein so später Autor wie Gabriel Biel (f 1495) immer noch
den Wortlaut des Lombarden wiederholt170. Die Frage der Wasserbeimischung behielt
jedoch ihre Aktualität für die Beziehungen mit der armenischen Kirche, was in der
Bulla unionis Armenorum des Konzils von Florenz 1439 seinen Niederschlag fand171.
Die Bedeutung dieser Frage für unser Thema liegt vor allem darin, daß die theologische
Reflexion der Lateiner zur rituellen Eigenart der Byzantiner neben den Problemen der
Azymen und der Taufformel auch durch diese rituelle „Episode" angeregt wurde. Zu
welchen Ergebnissen diese Reflexion führte, wird uns weiter unten beschäftigen172.

162 PETRUS VON TARENTAISE, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 4, sc 3 (ed. cit. IV 126): „Graeci
aquam non apponunt, et tarnen conficiunt: ergo non est de substantia sacramenti".
163 RICHARD VON MEDIAVILLA, Super IV. Sententiarum, dist. 11, art. 3, q.4 (ed. cit. 144):
, jRespondeo, quod si sacerdos consecret vinum sine aqua, vere convertitur in sanguinem, nam et
Graecorum ecclesia dicitur aquam non apponere sacramento, ut dicit Dominus Inno[centiusJ. de
offi. mis. par. 3, c. 26, et tarnen ecclesia ipsos non negat conficere sanguinem Christi".
164 JOHANNES DUNS SCOTUS, In IV. Sententiarum, dist 11, q 7 (ed. cit. XVII496): „Graeci etiam non
apponunt aquam ut dicit Innocentius de officio missae..."
165 GUIDO VON ORCHELLES, Tractatus de sacramentis, cap 5, η 78: An de necessitate apponatur
aqua; ed. cit. 79-80.
166 ALEXANDER VONHALES, Quaestiones antequam, q 51, disp 2, mem 3: An aqua sit addenda vino
et qua ratione addetur, ed. cit. 912-916.
167 WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 4, pars 3, q 11: Utrum aqua sit de
substantia sacramenti, undq 12: Utrum possit confici sanguis ex vino puro; ed. cit. 559-574.
168 ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, lib 4, dist 12, C, art 9: An aqua debeat admisceri vino,
et quantum aquae? et, Qualiter peccent qui omittunt?; ed. cit. 29, 308-311.
169 BONAVENTURA, In IV. Sententiarum, dist 11, pars 2, art 1, q 3: Utrum aqua sit de integritate
sacramenti Eucharistiae; ed. cit. IV 257-259.
170 BIEL, Canonis missae expositio, lectio 50 (ed. cit. Π 26): „Item dicitur grecos aquam non
apponere, et tarnen non negat ecclesia latinorum eos vere conficere".
171 S.: COD/DÖK Π 545-546; den Wortlaut s. unten, S. 376 Anm. 12.
172 Siehe Kapitel E.
C. Der Taufformelstreit

Das Problem der griechischen Taufformel ist ein Thema, das in den meisten systemati-
schen Werken der Hochscholastik vorkommt. Den Anlaß zur Problematisierung der
Taufformel lieferte der Unterschied zwischen der lateinischen und der griechischen
sakramentalen Praxis. In der lateinischen Kirche taufte man mit der Formel Ego te
baptizo in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti; in der byzantisichen mit den Worten:
Βαπτίζεται [Ind.] ό δούλος τον Θεον [ό δείνα] εις το όνομα τον Πατρός και τον Υιον και
τον Άγίον Πνεύματος, lat.: Baptizatur servus Christi [N.] in nomine Patris et Filii et
Spiritus Sancti. Im lateinischen Sprachbereich war diese Formel für gewöhnlich in der
konjunktivischen Form (Baptizetur servus Christi...) bekannt. Der Unterschied in der
Taufformel blieb nicht unbemerkt und löste 1231 einen Streit aus, der zwar nach weni-
gen Monaten beigelegt werden konnte, aber eine Fernwirkung auslöste, die bis in die
meisten sakramententheologischen Abhandlungen des 13. Jahrhunderts reichte1.

1. Der Konflikt um die Taufformel 1231/32

Am 12. November 1231 sandte Papst Gregor EX. einen Brief an den Erzbischof von
Bari, Marinus2, der ihn offenbar zuvor um Aufschluß bezüglich der anderslautenden
Taufformel der griechischen Kirche bat.
„Auf deine Anfrage hin antworten wir kurz, daß die Griechen, die unter der Wortformel »Es
wird dieser oder jener getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«
von jemandem für getauft gehalten werden, nicht getauft sind, weil sie nicht gemäß der evan-
gelischen Form getauft worden sind. Deswegen ordnen wir an, sowohl diese als auch die
künftig zu Taufenden, mit der Formel »Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes

Mit dem Taufformelstreit setzten sich bisher nur ganz wenige Forscher auseinander, und dann
meist nur am Rande. Am ausführlichsten ist GIANMELLI, Un documento 150-165. S. auch:
ARCUDIUS, Libri VII. de concordia 14; JUGIE, Theologia dogmatica ΠΙ 80-85; HOECK / LOENERTZ,
Nikolaos-Nektarios 64-67. Einige Angaben zu den neuzeitlichen russischen und griechischen An-
sichten zu dieser Frage s. in: SPÄCIL, De sacramento baptismi 198-199.
Zu Marinus Filangieri, Erzbischof von Bari (1226-1251) s.: GIANNELLI, Un documento 158
Anm. 2.
200 Die ostkirchliche Herausforderung

und des Heiligen Geistes« zu taufen. <...> Zu [deiner Frage], daß einige, wie du behauptest,
die auf diese Weise getauft wurden, sich die höheren und niederen Weihen spenden ließen,
ordnen wir an, - und dabei halten wir uns an den sichersten Weg - diese zuvor nach der obi-
gen dir überlieferten Formel zu taufen und sie [erst dann] nach den einzelnen Weihestufen zu
ordinieren"3.

Der Papst verbietet im gleichen Schreiben auch zwei weitere sakramentale Gewohn-
heiten der Griechen, und zwar die Firmspendung durch Priester und den Gebrauch des
Antimension als Portativaltar4.
Auf welches Echo ein derartiges Verbot der griechischen Taufformcl und die Forde-
rung nach Wiedertaufe beim griechischen Klerus stieß, zeigen die Briefe des Georgios
Bardanes, des griechischen Metropoliten von Kerkyra (fca. 1240)5. Bardanes, eine
bedeutende kirchenpolitische Figur im Epirotischen Reich, hatte guten Kontakt zu den
süditalienischen Griechen, vor allem zum Abt des Klosters San Nicola di Casole bei
Otranto Nikolaos-Nektarios6. Eine Reihe seiner Briefe an süditalienische Adressaten
aus der Zeit 1231-1236 sind in lateinischer Übersetzung erhalten. In einem Brief an
seinen Freund Johannes Grasso, Notar in Otranto, geht Bardanes auf die „schlechten

3 CICO Fontes ΠΙ 225-226 (Nr. 170): „Consultationi tuae breviter respondemus, quod Graeci, qui
sub hac forma verborum: Baptizatur talis in nomine Patris et Filii et Spiritus saneti baptizati ab
aliquo exstiterunt, non sunt, cum non fuerint seeundum formam evangelicam baptizati et ideo tarn
illos quam de cetero baptizandos sub hac forma: Ego te baptizo in nomine Patris et Filii et Spiritus
Saneti praeeipimus baptizari. <...> Ad haec quia nonnulli, ut asseris, taliter baptizati se fecerunt et
ad maiores et minores Ordines promoveri, nos quod tutius est sequentes, eos primo seeundum
formam superius tibi traditam baptizatos per singulos Ordines praeeipimus ordinari".
4 Ebd., S. 226: „Chrismati vero, ut verbis tuis utamur, a simplici sacerdote, confirmationis munus
minime reeeperunt, quia de solis Apostolis legitur, quoram sunt episcopi successores, quod per
manus impositionem Spiritum Sanctum dabant; et ideo tarn illi quam confirmandi de cetero a solis
episcopis consignentur. Ulis quoque, qui pro altari viatico utuntur panno lineo a graeco episcopo
benedicto, studeas firmiter inhibere, ne in panno huiusmodi celebrare praesumant, sed id de cetero
faciant vel in altari itinerario vel in altari maiori seeundum ritum Ecclesiae consecratum".
5 Zu Georgios Bardanes s.: HOECK/LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 150-174, und ODB 254-255
(MACRIDES). Mit Vorsicht zu benutzen sind BECK, Kirche 668-669, und LMA I 1455-1456
(KONSTANTINOU): Becks Werk ist noch vor der Veröffentlichung der Studie von Hoeck und
Loenertz erschienen, Konstantinou berücksichtigt die Ergebnisse der Studie von Hoeck und
Loenertz nicht; daher die irrtümliche Datierung des Aufenthaltes des Bardanes in Italien mit 1231
und die Behauptung, daß er „bei seinem Freund Abt Nikolaos (Nektarios) von Casole" weilte (vgl.
dazu die nächste Anmerkung!).
6 Zu Nikolaos-Nektarios s. oben, S. 101, Nr. 34. In den Jahren 1235/36 unternahm Bardanes im
Auftrag des Kaisers von Thessalonike, Manuel Angelos, eine Gesandtschaftsreise nach Italien und
weilte im Kloster von St. Nikolaos von Casole (zu diesem Zeitpunkt war der Abt Nikolaos-
Nektarios bereits verstorben). Dort disputierte Bardanes mit dem Franziskaner Fra Bartolomeo über
das Fegefeuer, was zum Ausbruch der Fegefeuerkontroverse zwischen lateinischer und griechischer
Kirche führte, s.: HOECK/LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 165-167.
Der Taufformelstreit 201

Nachrichten" über die Verfolgung, die die griechische Geistlichkeit in Otranto erleiden
müsse, ein. Über diese Nachrichten, die ihm offensichtlich von Grasso übermittelt wur-
den, „entbrannte mein Herz, wurde mein Inneres erregt und stieg in mir die Hitze heili-
gen Zorns empor, daß ich in keiner Weise den Überfall solcher Neuigkeiten auf die
Welt ertragen konnte"7. Daß Bardanes hier über den römischen Angriff auf die griechi-
sche Taufe und Firmung spricht, wird aus weiteren Erwähnungen in seiner Korrespon-
denz ersichtlich. Bardanes verspricht seinem Adressaten, über die umstrittene Sache
später zu schreiben, falls es ihm der Heilige Geist angesichts seiner derzeitigen Erkran-
kung erlaube8. Bardanes löste dieses Versprechen ein und hinterließ eine kurze Schrift
zur Verteidigung der griechischen Taufformel, auf die wir später noch eingehen wer-
den. In einem weiteren Brief an den gleichen Adressaten aus dem Jahr 1231 spricht
Bardanes deutlicher und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, daß , jene Gefahr, die uns von
der römischen Handlungsweise droht, sich vielleicht mildert und dieser Sturm sich be-
ruhigt und diese tägliche Belästigung und Turbulenz sich auf die Seite unserer Gegner
schlägt"9.
Die Forderung des Papstes nach der Wiedertaufe der Griechen dauerte jedoch nicht
lange, da er bereits im Schreiben vom 20. Februar 1232 an den Erzbischof von Bari
seinen Beschluß - vielleicht auf Proteste der süditalienischen Griechen hin - abgemil-
dert hat. „Die Griechen des Königreiches Sizilien" gebrauchen, wie dem Papst bekannt-
geworden sei, „unterschiedliche Taufformeln"10. Da es aber nur einen Glauben und eine

7 HOECK/LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 188: „Ad has igitur tuarum litterarum voces mala haec
nuntia nobis nuntiantes inflammatum est cor meum et turbati sunt renes mei et ardorem et
turbationem divini zeli passi sunt, ut nullo pacto [gr. ομολογία?] ferre possem novitatum istarum
mundi invasionem". Laut Datierung von Hoeck war dieser Brief im Winter 1230-1231, also noch
vor dem Erlaß des päpstlichen Beschlusses vom 12. November 1231, verfaßt. Dies macht jedoch
die Annahme, daß Bardanes in diesem Brief den Taufformelstreit anspricht, nicht unplausibel.
Der eigentliche Streit mußte noch vor diesem Datum entbrannt sein, da Gregor IX. in seinem
Beschluß vom 12. November von der bereits erhobenen Anfrage des Marinus von Bari ausging.
Diese Anfage weist aber darauf hin, daß in Süditalien bereits zu diesem Zeitpunkt Streitigkeiten
und Uneinigkeiten um die Taufformel bestanden.
8 HOECK/LOENERTZ, Nikokos-Nektarios 188: ,3t quid dicam? Nunc equidem nihil amplius, non
enim mini superest tempus neque ad scalpendum caput, ut inquit ille. Loquar tarnen non multo
post, si quid per meam infirmam valetudinem mihi licitum fuerit, a Spiritu illo principali videlicet,
qui etiam brutis inspirat sermonem et largitur sapientiam".
9 HOECK/LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 190: „...spero quod pro ea quam ipse [Nikolaos von
Otranto] a Deo assecutus est gratiam, periculum istud, quod nobis irnminet de rebus Romanis [lat.
„res" soll man hier offensichtlich als Übersetzung des gr. πράγματα verstehen], mitescet fortasse
et haec tempestas in tranquillitatem mutabitur et convertetur et quotidiana haec molestia et
turbulentia in adversam retrocedat partem nostrorum adversariorum".
10 CICO Fontes III 229 (Nr. 173): ,Audivimus, quod in Sacramento baptismi Graeci de regno
Siciliae diversis formis utuntur, quarum aliqua Latinorum dicitur formae difformis et aliqua non
concordat". Die Stelle ist unklar und macht den Endruck eines fehlerhaften Textes. Vor allem ist
202 Die ostkirchliche Herausforderung

Taufe gebe, müsse es auch in diesem Sakrament Übereinstimmung geben. Jedoch


wollte Gregor die Griechen „zur einheitlichen Beobachtung eher durch die Vernunft als
mit Gewalt bringen". Daher ordnete er an, daß die Griechen in Apulien und Kalabrien
kundige Vertreter mit einschlägigen Büchern zum Apostolischen Stuhl entsenden, um
die Sache zu diskutieren und zu erforschen". Bis dahin aber befiehlt der Papst dem
Erzbischof von Bari, von Wiedertaufen abzusehen, aber bei den neu zu Taufenden un-
bedingt jene Form zu beobachten, die die römische Kirche hält und die durch keine
Zweifel oder Bedenken in Frage gestellt werden könnte12.
Die angeforderten griechischen Experten wurden auch entsandt und konnten in der
Kurie das Problem der Taufformel diskutieren. Einer der Abgesandten, vielleicht auch

unklar, welches die beiden Formeln sind, über die Gregor auf so merkwürdige Weise das gleiche
sagt, daß sie beide mit der römischen Kirche nicht übereinstimmen. GIANNELLI, Un documen-
to 163, vermutet, daß es sich hier um zwei Varianten der griechischen Formel handelt, eine im In-
dikativ (Baptizatur), die andere im Konjunktiv (Baptizetur). Eben hier liege der Ursprung des
Irrtums (Konjunktiv anstelle des Indikativs), der in die scholastische Literatur Eingang gefunden
hat. Μ. Ε. handelt es sich hier jedoch um eine Korruption des Textes: Der Papst spricht über zwei
Formeln, von denen die eine, wie er gehört habe, mit der römischen Kirche übereinstimmt, die
andere nicht (z. B.: „aliqua Latinorum dicitur formae difformis et aliqua concordat"). Erst dann
wird auch der versöhnliche Ton dieses Schreibens verständlich: In den Augen des Papstes sprach
offensichtlich die Tatsache, daß die Griechen teilweise auch die lateinische Taufformel ge-
brauchten, zugunsten einer Abmilderung des Verdikts. Außerdem ist sonst das audivimus am An-
fang des Briefes nicht verständlich: Der Papst beruft sich ja selbst auf seine Anordnung, die er vor
ca. 3 Monaten auf Anfrage des Erzbischofs von Bari gemacht hat: Er hat ja bereits vom Erzbi-
schof über die abweichende Formel „gehört": Nun aber berichtet er diese Nachricht als eine
Neuigkeit. In meiner Interpretation würde diese Schwierigkeit beseitigt. Daß die lateinische For-
mel bei den süditalienischen Griechen tatsächlich im Gebrauch war, bezeugt das griechische
Euchologion Ottob. gr. 344 aus dem Jahr 1177, das von STRITTMATTER, Liturgical Latinisms 55-
56, beschrieben wurde: Hier wird die lateinische Formel (sogar in italienisierter lateinischer Spra-
che mit griechischen Buchstaben transliteriert) in den griechischen Taufritus eingeführt. Dieses
letzte Zeugnis ist ein weiteres Argument zugunsten der kulturellen Einflüsse und Latinisierungen,
die bei den süditalienischen Griechen im Fluß waren.
11 CICO Fontes ΙΠ 229 (Nr. 173): „Cum autem una sit fides, unum baptisma et unum esse debet in
hoc Sacramento conformitas, fraternitati tuae per apostolica scripta mandamus, quatenus Graecis
de Apulia et Calabria ex parte nostra districte praeeipias, quod ex se aliquos peritiores cum libris
ad hoc necessariis ad Apostolicam Sedem transmittant, ut discussis et examinatis plenius quae
super hiis discutienda et examinanda viderimus, ipsos ad observationem uniformem ratione potius
quam violentia inducamus".
12 Ebd.: „Interim autem illos, qui praetextu cuiusdam nostri rescripti per te sunt exeommunicationis
vineulo innodati, reeepto iuramento de parendo Ecclasiae mandatis, absolvas, rebaptizandi
coactione suspensa, quam per veritatis indaginem introdueta ratione induetione voluntas forte
necessariam non habebit. In pueris vero et ceteris fönte baptismatis renascendis, illam formam de
cetera facias observari, quam Romana tenet Ecclesia, dubitationibus nullis obscuram et nullis
quaestionibus lacescitam". *
.
Der Taufformelstreit . 203

der Leiter der Gesandtschaft, war Nikolaos-Nektarios, Abt von San Nicola di Casole.
Darüber berichtet Georgios Bardanes. Als Bardanes vom Tod des Nektarios am 9. Fe-
bruar 1235 erfuhr, stimmte er einen Panegyrikos auf die Verdienste des Abtes an und
pries in höchstem Tönen auch besagte Disputation. Damals sei Nikolaos zur Verteidi-
gung einer „gefährdeten Gewohnheit" der Griechen vor der Versammlung jener aufge-
standen, die versuchten, „das Mysterium unserer Vervollkommnung niederzutreten"
(ein üblicher byzantinischer Ausdruck für Taufe und Firmung)13.
In der Kurie schien man jedoch von den Fähigkeiten der griechischen Gesandtschaft
weniger überzeugt gewesen zu sein. Am 8. Juni 1232 schrieb nämlich Gregor EX. einen
weiteren Brief an Marinus von Bari, worin er sich beklagte, daß „die Griechen, die
neulich zu uns gesandt wurden, nicht über die nötigen Kenntnisse zu verfugen schienen,
um mit ihnen die neulich aufgetauchte Frage über die Form der Taufe umfassend dis-
kutieren zu können"14. Die geeigneteren Experten, die man befragen müßte, vermutet
der Papst in Romania, also im lateinischen Kaiserreich von Konstantinopel. Die südita-
lienischen Gesandten schickte der Papst zurück und trug dem Erzbischof von Bari auf,
„das Vorgehen gegen diejenigen, die behaupteten, sie seien getauft, einstweilen ruhen
zu lassen"15. Gleichzeitig schärft ihm der Papst wieder ein, daß bei künftigen Täuflin-
gen nach der römischen Taufformel zu verfahren sei16.
Aber bereits fünf Tage später, am 13. Juni 1232, schrieb Gregor EX. ein neues Res-
kript an den Erzbischof von Bari:
„Die Griechen, die du uns neulich wegen der Taufformel gesandt hast, haben wir sorgfaltig
angehört. Aber da in Aussicht auf eine vollständigere Untersuchung eine Entscheidung dieser

13 HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 201: „...periclitanti civitati [fehlerhafte Übers.; im


Original stand offensichtlich πολιτεία, „Sitte", s. dazu: HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios
64 Anm. 48] pro virili sua est auxiliatus; stetit enim quasi altera nubis columna, suis quidem
umbra et mite et suave propagulum fidei factus, adversariis vero quasi ignis comburens apparens.
Mini autem opinari in mentem venit quod ea quae tunc habita fuit disputatio mirabilem illum
manifestavit coram illo praesidentium coetu et supercilium attollente circumcirca et conante
mysterium nostrae perfectionis conculcare; sed mirabiliorem puto illum factum ipsis angelicis
choris e coelo fortasse observantibus et verba excipientibus robusti illius senis, cuius robur et
vigorem longa aetas non debilitavit, sed vigebat animo et robore et eos qui sermonis velocitate et
faeundia praestabant, quasi iuxta Lydium currum currentes, tardos et segnes demonstrabat".
14 CICO Fontes III234 (Nr. 178): „Missi Graeci nuper ad nostram praesentiam non videbantur illius
esse peritiae, quod cum eis plene possit discuti quaestio quae ineidit hiis diebus de forma
baptismatis circa Graecos".
15 Ebd.: „Quia vero cum peritioribus et forte imperii Romaniae habenda est super hoc plenioris
discussionis indago, et istos remittimus et te volumus interim supersedere processui circa illos qui
se asserunt baptizatos".
16 Ebd., 234-235: „Sed in baptizandis de cetero Apostolicae Sedis forma servetur, quam nee
instantia quaestionis ambiguam nee dubitationis scrupulus reddit obscuram". •
204 Die ostkirchliche Herausforderung

Frage hinausgezögert werden könnte, haben wir sie heimgeschickt und werden es hinnehmen,
daß sie diesbezüglich in der Einhaltung ihres Ritus vorerst nicht gestört werden"17.

Damit war der Taufformelstreit, zumindest auf der Ebene der Verwaltungsmaßnahmen,
sieben Monate nach seinem Ausbruch beendet. Zwar gestattete Gregor IX. den griechi-
schen Ritus „bis auf Weiteres" {interim) zu tolerieren, jedoch nahm sich die päpstliche
Politik des Problems der griechischen Taufformel nie mehr wieder an. In der theologi-
schen Literatur hingegen hinterließ diese Episode sowohl bei den Lateinern als auch bei
den Griechen deutliche Spuren, die bis in die Neuzeit hinein reichen.

2. Byzantinische Schriften zur Taufformel

In der griechischen Literatur jener Jahre kann man auf zwei Abhandlungen hinweisen,
die die unterschiedliche Taufformel bei Lateinern und Griechen ansprachen. Die eine
stammt von Georgios Bardanes und ist offensichtlich jene Apologie der griechischen
Taufformel, die in seinem oben erwähnten Brief an Johannes Grasso versprochen wur-
de. Die Apologie ist wie fast die ganze Korrespondenz des Bardanes nur in lateinischer
Übersetzung erhalten und ist in die Zeit 1231-1235 zu datieren18. Bardanes führt zu-
gunsten der griechischen Taufformel die Ehrwürdigkeit und das hohe Alter des griechi-
schen Brauchs ins Feld. Sein lateinischer Gegner gehöre dagegen zu jenen, die „die
Worte der Wahrheit verderben und den reinen Wein der Rechtgläubigkeit verwässern".
Solche Leute seien durch die heiligen Kanones oftmals verurteilt worden19. Bardanes
äußert sich nicht über die Gültigkeit der lateinischen Taufe, jedoch merkt er an, daß die
Pervertierer des heiligen Dogmas sich selbst aus dem Himmelreich ausgeschlossen
haben, weil sie nicht durch die richtige Wiedergeburt im Wasser und im Geist eintreten.
Die Lateiner hindern laut Bardanes aber auch die Anderen, die rechten Glaubens sind,

17 CICO Fontes ΙΠ 235 (Nr. 178a): „Missos nuper a te Graecos ad nostram praesentiam super forma
baptismatis audivimus diligenter, sed, quoniam expeetatio plenioris indaginis decisionem
protrahere poterit quaestionis, remittimus iüos ad propria, sustinentes eosdem super praemisso in
sui ritus tollerantia interim non turbari".
18 Ediert (unvollständig) in: HOECK/LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 230-233; zur Datierung der
Schrift über die Taufformel s.: ebd. 156.
19 HOECK/LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 232-233: „Quid igitur anabaptismum quaeris a Graecis?
Magna certe est haec exquisitio et nullus sequetur istud tuum dogma, sicut nee ullus laudabit
unquam aliquem iterum ordinari neque translationes fieri ecclesiarum ab humilioribus scilicet
thronis et sedibus ad superiores et altiores. Divinorum et sanetorum canonum paginas si evolveris,
sexcentis in locis invenies quasnam poenas statuunt adversus eos qui dogmata evertunt et
contrahunt et corrumpunt veritatis verba et quasi dicas vinum purum orthodoxiae adulterant et
depravant et generositatem et suavitatem ipsius aquosam reddunt per dolosam et superfluam et
vanam verborum contentionem".
Der Taufformelstreit 205

daran, in das Himmelreich einzutreten20. Auf den Wortlaut der lateinischen Formel
eingehend, bemerkt Bardanes, daß deren grammatikalische Form in der ersten Person
Singular keine Grundlage in der Hl. Schrift habe21.
Eine weitere kleine griechische Abhandlung zur Frage der Taufformel wurde 1944
von Giro Giannelli ediert. Sie trägt den Titel „Über die göttliche Taufe" (Περί τον θείον
βαπτίσματος) und stellt nicht so sehr eine Verteidigung des griechischen Brauchs als
vielmehr eine Widerlegung des lateinischen dar. Das Hauptargument gegen die lateini-
sche Taufformel besteht hier darin, daß in dieser Formel durch die Hervorhebung des
Taufspenders (Ego te baptizo...) die Wirkung des göttlichen Logos übersehen wird. Die
Taufe geschieht ja nicht durch die Gewalt des Spenders, sondern wird von Christus
selbst bewirkt, was durch die Worte Johannes des Täufers bezeugt wird: „Dieser ist es,
der mit Heiligem Geist tauft" (Joh 1, 33) und: „Er wird euch mit Heiligem Geist taufen"
(Mk 1, 8)22. Die griechische Formel, die die göttliche Wirkung hervorhebe, entspreche
dagegen den Worten des Paulus: „Nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir"
(Gal 2, 20). Der Lateiner aber, indem er sagt „Ich taufe", raubt die Gnade Christi für
sich selbst. Er müßte dann auch sagen „Ich verkünde" und würde sich selbst dadurch
über den heiligen Paulus erheben23. Über die Gültigkeit der lateinischen Taufe macht
diese Schrift keine Aussagen.
Es ist bemerkenswert, daß diese Schrift, die in einer aus Kalabrien stammenden
Handschrift überliefert ist, kein Wort über das Verbot der griechischen Taufformel und
über die Wiedertaufe der Griechen verliert. Der Herausgeber datiert die Handschrift
aufgrund paläographischer Merkmale in die ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts24. Es

20 Ebd., 233: „Quorum peccatum huiusmodi divinae iustitiae satis obnoxium et graviter puniendum
divina dicit scriptura, quoniam claudunt regnum caelorum tum sibi ipsis, dum non ingrediuntur
per reetam regenerationem per aquam et Spiritum, tum etiam quia impediunt alios qui
ingrediuntur in rectitudine fidei totis viribus et utraque ut fertur manu".
21 S. die Paraphrase des lateinischen Textes in: HOECK/LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 232.
22 GIANNELLI, Un documento 166: συνάγεται ούν άπό της φωνής τοϋ λέγοντος δτι έγώ σε
βαπτίζω, δτι περί της πίστει παρ' ήμων λαμβανομένης αναγεννήσεως εκφωνεί, και αναιρεί
ή φωνή αΰτη την έξουσίαν τοϋ υίοΰ και λόγου τοϋ θεοϋ, δς έμαρτυρήθη παρά 'Ιωάννου
λέγοντος ούτος έστιν ό βαπτίξων έν πνεϋματι άγίφ και αυτός ύμας βαπτίσει έν πνενματι άγίω.
ώστε ουν δ δούς έντολάς βαπτίζει, αυτός λέγεται βαπτίξειν είτε γαρ oi απόστολοι δι'
εκείνου εϊτε ήμεΐς αυτοί βαπτίζομεν, αυτός δοκεΐ βαπτίζειν άοράτως.
23 Ebd., 166-167: ού χρή οΰν λέγειν δτι έγώ σε βαπτίζω, αλλά βαπτίζεται, λέγει γάρ και ό αγιος
απόστολος τοΰ Χρίστου Παύλος, ό τριπηχϋς και μέχρι τρίτου ούρανοΰ φθάσας- <...> ζω δέ
ούκέτι έγώ, αλλά ζή έν έμοί Χριστός. <...> ό ούν Παϋλος, εις τον θάνατον Χρίστου βαπτισθείς
και πνεϋμαΧρίστου έχων, ού ζχ\ έαυτφ, και διά τοΰτο ουδέ ένεργεΐν αυτός φαίνεται λέγων
βαπτίζεται ό δούλος τοΰ Θεοϋ, δηλονότι διά της χάριτος τοΰ Θεοΰ τοΰ κελεύσαντος
κυρύττειν δι' αυτής και βαπτίζειν σύ δέ αρπάζων την τοΰ Χρίστου χάριν λέγων έγώ σε
βαπτίζω, συνάρπαζε καί τήν τοΰ κηρύγματος λέγων δτι έγώ κηρύσσω, ό ζων έαυτψ, και οϋκ
ή χάρις, φρονών υπέρ τον Παΰλον, ώς εις τέταρτον ούρανόν φθάσας τάχα.
24 GIANNELLI, Un documento 158. 159.
206 Die ostkirchliche Herausforderung

scheint, daß diese Schrift noch vor den Ereignissen von 1231 entstanden ist. Falls dies
zutrifft, wäre dieses kleine Schriftstück ein deutliches Indiz dafür, daß es in Süditalien
schon vor der Intervention des Papstes Spannungen wegen der unterschiedlichen Tauf-
formeln gab. Dies kann man schon aus dem ersten einschlägigen Schreiben Gregors ΓΧ.
vom 12. November 1231 erschließen, denn dieses Schreiben erfolgte ja nicht aus eige-
nem Antrieb, sondern auf Anfrage des Erzbischofs von Bari, der offensichtlich eine
Lösung für ein bereits entflammtes Problem anstrebte.
Auf Einwände gegen die lateinische Taufformel trifft man auch in der späteren by-
zantinischen Literatur. So wendet sich Symeon von Thessalonike (f 1429) in seiner
Schrift über die Hl. Mysterien kurz gegen die lateinische Taufformel25. Selbst im
16. Jahrhundert findet man etwa bei Manuel von Korinth (ca. 1460-ca. 1551)26 noch
Aussagen gegen die Formel der Lateiner27. Die beiden Autoren sprachen sich in dem
Sinne aus, daß die lateinische Taufformel die Willensfreiheit des Getauften ignoriere.
Diese späten Fälle liegen jedoch außerhalb des Zeitrahmens meiner Studie. Was die
Schriften gegen die Lateiner in unserem Untersuchungszeitraum angeht, so kann man
feststellen, daß, abgesehen von den zwei genannten Schriften, keine weiteren polemi-
schen Abhandlungen gegen die lateinische Taufformel bekannt sind. Gleichwohl wur-
den in den Katalog-Schriften andere Einwände gegen die lateinische Taufe erhoben, die
sich vor allem gegen das einmalige Untertauchen28, oder gegen andere Besonderheiten
des Taufritus, wie etwa daß man dem Täufling Salz in den Mund gab, richteten29.

25 SYMEON VON THESSALONIKE, Περί των ίερων τελετών, ed. cit. 228 D - 229 Α: Βαπτίζεται δέ,
φησί, καί οΰ Βαπτίζω έγώ, ως ol Λατίνοι κάν τούτφ καινοτομοΰντες, το έκούσιον τοΰ
βαπτιζομένου μαρτύρων ό άρχιερεύς. Το γάρ Βαπτίζω έγώ ούκ εμφαίνει το εκουσίως
βαπτίζεσθαι τον φωτιζόμενον. Ένδεχόμενον γάρ καί κατά δυναστείαν τίνα, καί παρά
.. γνώμην, καί αυτόν βαπτίζειν ά φ ' έαυτοΰ τον βαπτίζοντα μόνον. Τό δέ Βαπτίζεται καί τό
εκουσίως σημαίνει, και π α ρ ' έμοϋ τοϋ άρχιερέως ή ιερέως καί τό έργον ήδη ποιοϋντος και
τοϋ έν Τριάδι μόνου Θεοί), ού και τό όνομα τοΰ βαπτοζομένου τρανώς επιλέγεται. S. dazu:
JUGIE, Theologia dogmatica ΙΠ 82-83. Jugie behauptet irrtümlich, daß die Polemik gegen die la-
teinische Taufformel erst mit Symeon von Thessalonike begann. Die Episode von 1231/32 scheint
ihm nicht bekannt gewesen zu sein.
26 Zu Manuel von Korinth s.: PODSKALSKY, Griechische Theologie 87-88.
27 Zitiert in: JUGIE, Theologia dogmatica ΠΙ83.
28 Zum ersten Mal bei Michael Kerullarios in seinem Brief an Petras von Antiocheia (WILL
182a Z. 10-11); auch bei KONSTANTINOS STILBES, ΑΊτιάματα 18 (ed. cit. 65), bei FEODOSIJ
GREK, Poslanie ο vere latinskoj, ed. cit. 16, und bei PS.-GEORGIJ VON KIEV, Stjazanie s latinoju 21
(ed. cit. 195).
29 Zum ersten Mal ebenfalls bei Kerullarios (WILL 182aZ. 13-14); auch im OPUSCULUM CONTRA
FRANCOS 14 (ed. cit. 348) und bei PS.-GEORGIJ VON KIEV, Stjazanie s latinoju 22 (ed. cit. 195).
Der Taufformelstreit 207

3. Die lateinische Diskussion der Taufformel


a. Das Problem der Zugehörigkeit der Worte „Ego te baptizo" zur Substanz
der Taufformel
Die Probleme, die Papst Gregor IX. mit der Taufformel der Griechen hatte, versteht
man besser, wenn man sie vor dem Hintergrund der frühscholastischen Diskussion des
Taufsakraments liest. Denn bereits seit ca. 1170 erörterte man die Frage, ob die Worte
Ego te baptizo wesentlicher Bestandteil der Taufformel seien30. Am Ursprung dieser
akademischen Frage stand wohl eine Episode, die sich frühestens 1170, spätestens aber
1176 zutrug. Der Bischof von Clermont Pontius wandte sich mit einer Anfrage bezüg-
lich eines in seiner Diözese verbreiteten Brauchs an den Bischof von Paris Maurice de
Sully und an einen der anerkanntesten Kanonisten seiner Zeit, Stephanus von Tournai,
damals Abt von Saint-Euverte31. Bisweilen tauften Eltern ihre neugeborenen Kinder -
im konkreten Fall war es ein Vater - nur mit den Worten: „Im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes"; man sprach also nicht die ganze Formel, sondern
ließ das Verb ausfallen. Pontius fragte nun, ob eine derartige Handlung als Taufe ange-
sehen werden darf oder ob man das Kind kanonisch korrekt noch einmal taufen müß-
te32. Auf die Anfrage des Bischofs antworteten die beiden Angefragten gegensätzlich.
Maurice de Sully war kompromißlos:
„Auf euere Anfrage <...> antworten wir kurz, daß uns die Form, in der die Taufe gespendet
oder empfangen werden muß, aus der Autorität der göttlichen Schrillen und aus dem Zeugnis
der heiligen Väter in folgender Weise überliefert ist: »Ich taufe dich im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes«. Diesen Worten eignet eine derartige Lebendigkeit, daß
man daran nichts ändern und keine Neuerungen einfuhren darf. Falls diese Worte von wem
auch immer und in welcher Sprache auch immer nicht vollständig vorgebracht werden, glau-
ben wir nicht, daß eine Taufe stattgefunden hat. Weil aber, wie wir deinem Schreiben entneh-
men konnten, der in dieser Angelegenheit Beschuldigte bei dem Untertauchen seines Sohnes
die Worte »Ich taufe dich« nicht aussprach und nur die Worte »Im Namen des Vaters und des
Sohnes und des Heiligen Geistes« vortrug, war dies keine Taufe, und deswegen muß dieses
Kind getauft werden, weil es niemals eine Taufe empfangen hat"33.

30 Über diese Diskussion ausführlich s.: LANDGRAF, Dogmengeschichte HI/2 47-86.


31 Zu diesem Briefwechsel s.: OTT, Untersuchungen 118-119; LANDGRAF, Dogmengeschichte ΠΙ/2
60-61.
32 DESILVE, heitres d'Etienne de Tournai 20: „Cum <...> puer natus esset, nee posset sacerdos ad
baptizandum eum congrue reperiri, pater eius immersit eum aqua dicens: In nomine Patris et Filii
et Spiritus Sancti. Et hec est pessima consuetudo in terra nostra, ut in talis necessitatis articulo
dicant: In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, nee totam exprimant verborum formam que
debet exprimi in baptismo: quod undeiare vocant. Querimus ergo utrum istud baptismus sit, vel
utrum puer postea debeat baptizari".
33 Ebd., 21: „Super quo celsitudo vestra nostram consuluit parvitatem, breviter respondemus, quia in
quem modum forma baptismi tradi vel reeipi debeat, Scripturarum divinarum auetoritate et
208 Die ostkirchliche Herausforderung

Gegen diese Meinung des Pariser Bischofs, die keinen Zweifel an dem postulierten
Standpunkt zuzulassen schien, hat sich Stephanus von Tournai gewandt. Verglichen mit
dem Schreiben des Maurice von Sully formulierte er seine Antwort viel differenzierter
und zog auch Schrift- und Väterstellen zur Lösung des Problems heran. Außerdem
brachte er mehrmals zum Ausdruck, daß ihm eine definitive Entscheidung hierüber
nicht zustehe34, sondern er lediglich eine „Meinung" (opinio), aber kein „Urteil"
(assertio) zum Ausdruck bringen will. Bei allem Respekt aber gegenüber dem Pariser
Bischof sei Stephanus jedoch nicht verpflichtet, ihm in allem zu folgen35. Trotzdem läßt
Stephanus das Problem nicht in der Schwebe, sondern spricht sich unzweideutig zugun-
sten der Gültigkeit der Taufe, die ohne die Worte „Ich taufe dich" stattgefunden hatte,
aus36. Er schlägt eine Lösung vor, die auf der Grundlage der in der Frühscholastik for-
mierten sakramcntenthcologischen Begrifflichkeit ruht. Der Anruf der Trinität gehöre
zur Substanz der Taufe, dagegen seien die Worte „Ich taufe dich" nur „zur Feierlichkeit
des Gottesdienstes" hinzugefügt worden. Die Auslassung dieser letzteren Worte macht
also die Taufe nicht ungeschehen, vorausgesetzt die Substanz der Taufform ist nicht
betroffen. Gleichzeitig erkennt Stephanus die Würde und den Wert der Formel als Gan-
zer, die Worte „Ich taufe dich" miteingeschlossen, an. Diese Worte habe die Mutter
Kirche eingeführt, daher müsse man sie in höchster Achtung halten37. Priester, die aus
Nachlässigkeit oder Unerfahrenheit diese Worte auslassen, seien scharf zu tadeln und

sanetorum Patrum testimonio traditum habemus in hunc modum, scilicet: Ego te baptizo in
nomine Patris, et Filii, et Spiritus saneti, et tanta est horum verborum vivacitas ut nichil immutari,
nichil innovari oporteat. Nisi vero tota haec verba simul a quocumque et quacumque lingua
proferantur, baptismum esse non credimus. Quia ergo, sicut litterarum vestrarum testimonio
cognovimus, praesentium lator in submersione filii sui Ego te baptizo siluit, et tantum In nomine
Patris, et Filii, et Spiritus saneti protulit, baptismus non fuit, et ideo puer ille baptizandus est, quia
baptismum nequaquam suseepit".
34 Ebd., 22: „Premit, fateor, imperitiam meam et querentis auetoritas et novitas questionis". Diese
Aussage ist besonders wichtig, weil sie bezeugt, daß früher diese Frage nicht als Problem
angesehen worden ist; vgl.: LANDGRAF, Dogmengeschichte ΓΠ/2 61.
35 DESILVE, Lettres d'Etienne de Tournai 24: „Opiniones profero, non assertiones, paratus, ut dixi,
summi et catholici viri domini Parisiensis sequi vestigia, non tarnen addictus in alicujus jurare
verba".
36 Ebd., 22: „üitingens ergo cum intentione baptizandi, si proferat quod Veritas jubet, id est, In
nomine Patris, et Filii, et Spiritus saneti, baptizasse videtur, et formam a Christo traditam
complevisse".
37 Ebd., 24: „Clausulam <...> quae a baptizantibus solet et debet dici, scilicei, ego te baptizo, summa
reverentia deosculor, summo Studio amplector. Eam mater Ecclesia sie induxit ut esset de
solemnitate ministerii, non de substantia sacramenti; nam si aliud dixerimus, absque numero
confitebimur dampnatos, quos in necessitatis articulo a laicis noverimus baptizatos".
Der Taufformelstreit 209

mit einer Strafe zu belegen38. Nichtsdestoweniger brauche derjenige, der nur mit den
Worten „Im Namen des Vaters" usw. getauft worden ist, nicht wiedergetauft werden39.
Es ist unklar, ob Gregor IX. diesen Briefwechsel kannte, jedoch findet sich in seinem
1234 in Kraft gesetzten Liber extra ein Text zur Taufformel, der als Dekretale des Pap-
stes Alexander III. (1159-1181) bezeichnet wird, in dessen Pontifikatsjahre die Episode
mit der Anfrage des Clermonter Bischofs fällt. Die Dekretale verneint die Gültigkeit der
ohne die Worte „Ich taufe dich" vollzogen Taufe:
„Falls jemand ein Kind dreimal »im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Gei-
stes, Amen« in Wasser untertaucht, und dabei nicht sagt: »Ich taufe dich im Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen«, ist [in diesem Fall] das Kind nicht ge-
tauft"40.

Die Dekretale war Anfang des 13. Jahrhunderts in der theologischen Literatur gut be-
kannt und fand bereits Aufnahme in die zweite Compilatio antiqua, die in den Jahren
1210-1212 zusammengestellt wurde41. Wenn auch die Authentizität dieses Textes bei
manchen mittelalterlichen Autoren als zweifelhaft angesehen war42, schlössen sich sei-
nem Standpunkt so einflußreiche Werke wie die Summa decretorum von Huguccio
(beendet ca. 1188-90)43 und die Summa aurea von Wilhelm von Auxerre (ca. 1222-
1229)44 an. Generell aber herrschte in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts in dieser Frage
Unentschiedenheit. Als nicht zur Substanz der Taufe zugehörig erachtete die Worte Ego
te baptizo beispielsweise Praepositinus von Cremona (ca. 1206-1210)45 und Alexander
von Haies in den Quaestiones antequam (1220-1236)46.

38 Ebd., 24: „Vehementer tarnen arguendos et poenitentia afficiendos dixerim sacerdotes, qui vel per
negligentiam, vel per imperitiam aliquid omiserint de verborum solemnium dignitate".
39 Ebd.: „Qui praemissis rationibus fidem adhibuerit, baptizatum taliter, in nomine Patris, et Filii, et
Spiritus sancti, non iterum baptizabit".
40 DECRETALES GREGORII K . , X 3.42.1 (ed. cit. 644): „Si quis sane puerum ter in aqua immerserit in
nomine Patris, et Filii, et Spiritus sancti, amen, et non dixerit: Ego baptizo te in nomine Patris, et
Filii, et Spiritus sancti, amen: non est puer baptizatus".
41 QUINQUE COMPILATIONES ANTIQUAE, comp 2, lib 5, tit 19, 1 (ed. cit. 103). Zur Datierung der
zweiten Compilatio s.: BRUNDAGE, Medieval Canon Law 194-195.
42 Beleges.: LANDGRAF,Dogmengeschichte W2 77.
43 S.: LANDGRAF, Dogmengeschichte TU/2 75.
44 WILHELM VON AUXERRE, Summa aurea, lib 4, tract 5, cap 3, q 1 (ed. cit. 98-99): „Queritur ulrum
verbum baptizandi sit de essentia verborum que exiguntur ad baptismum. Probatur quod non <...>
Contra. Usus ecclesie habet hoc de verbis baptizandi sicut de forma verborum. Et Alexander dicit
in quadam decretali quod nisi baptizans dicat: Ego baptizo te in nomine Patris etc., non est
baptizatus; ergo verbum baptizandi est de essentia forme verborum. Quod concedimus".
45 PRAEPOSITINUS, De sacramentis et de novissimis, ed. cit. 25: „Sequitur de forma, de qua solet
queri utrum haec verba, s c , in nomine Patris et Filii et Spitirus Sancti sufficiant an hoc verbum,
baptizo, sit de substantia. Magistri nostri omnes dixerunt quod hoc sufficit, in nomine Patris et
Filii et Spiritus Sancti. Sed Alexander in quadam sua decretali dicit quod non est baptisma nisi
210 Die ostkirchliche Herausforderung

Bei der Interpretation der Dekretale Alexanders III. in der lateinischen Theologie wa-
ren zwei Fragestellungen möglich. Die eine konnte kaum die griechische Taufformel
betreffen, die andere dagegen mußte auch Auswirkungen auf das Problem der griechi-
schen Taufformel haben. In der grundlegenden quellenreichen Darstellung von Artur
Michael Landgraf zu diesem Thema werden die beiden Fragestellungen leider nicht
unterschieden. Landgraf interpretierte die lateinische Kontroverse um die Taufformel
im einheitlichen Sinne. Seiner Ansicht nach ging es nur um die Frage, ob das Baptizo te
zur Form der Taufe gehöre47. Eines der wichtigsten Argumente zugunsten der Zugehö-
rigkeit des Baptizo te zur Substanz der Taufe bestand darin, daß man auf die Notwen-
digkeit hinwies, den eigentlichen Akt des Taufens zum Ausdruck zu bringen. In diesem
Sinne verstanden die meisten Autoren, die ihr Einverständnis mit der Dekretale aus-
drückten, die Worte Alexanders III. Sehr deutlich kommt diese Ansicht bei Huguccio
zur Geltung, der darauf hinweist, daß die Taufformel erkennbar machen muß, daß es
sich bei dem Akt um eine Taufe handelt und nicht etwa nur um ein Waschen, Untertau-
chen oder Benetzen. Das Wort baptizo sei also nötig, um die symbolische Handlung
klar als Sakrament zu bezeichnen und ihr sakramentale Kraft zu verleihen48. In diesem
Verständnis aber stimmen die griechische Taufformel und die lateinische überein. Da
der Akt des Taufens in beiden Fällen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht wird,
müßte man einräumen, daß auch nach der griechischen Formel das Sakrament gültig
zustandekommt.
Während es bei dieser ersten Fragestellung grundsätzlich um die Notwendigkeit des
Verbes in der Taufformel geht, richtet sich die zweite Fragestellung an deren absolute,
wortwörtliche Befolgung. Kommt man darin zu dem Schluß, daß auch die spezifische
grammatikalische und syntaktische Form zum Wesen der sakramentalen Form gehört,
mußte dies unausweichlich die Ablehnung der griechischen Taufformel nach sich zie-
hen. Die Dekretale Alexanders III. konnte man also auch als eine Einschränkung ver-
stehen, die nicht die kleinste Abänderung des Wortlauts der lateinischen Formel zuließ.
Die Hochscholastiker haben den Unterschied zwischen den beiden Fragestellungen klar

dicatur, baptizo te in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. <...> Solutio. Dicimus quod non est
verum baptisma nisi baptizetur in nomine Trinitatis vel, ut quibusdam placet, in nomine Christi".
46 ALEXANDER VON HALES, Quaestiones antequam, q 51, disp 6, mem 3 (ed. cit. 957): „...forma
substantialis in Baptismo: in nomine Patris et Filii". Weitere Belege für beide Positionen s.:
LANDGRAF, Dogmengeschichte III/2 79-85.
47 „Die Frage der Zugehörigkeit des Baptizo te zur Form der Taufe", lautet der Titel des einschlägi-
gen Kapitels bei LANDGRAF, Die Dogmengeschichte III/2 47.
48 Huguccio hebt die sakramentale Kraft des Wortes baptizo hervor. Ihm geht es nur darum, daß der
Akt des Taufens, und nicht etwa des Abwaschens, ausgedrückt wird: ,/dia non possunt imponi
pro eis [d.h. statt der lateinischen Formel]. Ergo non est baptismus, si pro baptizo dicatur tinguo
vel abluo vel immergo vel lavo. Licet enim baptizo et tingo vel abluo videantur eiusdem
significationis, tarnen in collatione baptismi hoc verbum baptizo quandam vim habet oecultam,
quam nullum aliud verbum consignificat et notat" (LANDGRAF, Dogmengeschichte TU/2 75).
Der Taufformelstreit 211

gesehen. Bereits Wilhelm von Militona, der etwa 15 Jahre nach der Episode von
1231/32 schrieb, teilt das Problem in zwei Quästionen auf, in denen er untersucht,
(1) ob das Verb baptizo zur Form der Taufe gehöre und (2) ob das Pronomen ego zur
Form der Taufe gehöre49. Die Anwort auf die erste Frage fällt positiv aus, weil die In-
tention zu taufen für den Vollzug der Taufe notwendig sei:
„Wie die Intention notwendigerweise zum Wesen der Taufe gehört, so gehört auch das Verb
baptizo notwendigerweise zur Taufformel. Denn dadurch drückt der Taufende aus, daß er [den
Täufling] nicht zum Spaß oder um ihn zu waschen, sondern um ihn zu taufen eintaucht"50.

Dem gegenüber seien die Pronomina (ego, te) zum Zustandekommen des Sakraments
nicht unbedingt notwendig, obwohl sie vorgeschrieben, also für den Spender notwendig
sind. Sollte der Taufspender diese Worte dennoch auslassen, findet die Taufe trotzdem
statt:

„In den Sakramenten und besonders in diesem sind eine Notwendigkeit, die sich auf den Sa-
kramentenspender bezieht, und eine Notwendigkeit, die sich auf das Sakrament selbst bezieht,
zu unterschieden. In Hinblick auf die Gültigkeit des Sakraments (necessitas faciendi) gehört
[das Wort ego] nicht notwendigerweise zur Form. Vielmehr glaube ich, daß der Getaufte die
Wirkung des Sakraments in vollem Maße empfängt, wenn gesagt wird Baptizo usw., ohne das
Pronomen voranzusetzen. Aber in Hinblick auf jene Notwendigkeit, die sich auf den Handeln-
den bezieht (necessitas facientis), gehört [das Pronomen ego] notwendigerweise zur Form,
damit dadurch die Intention des Taufspenders eingefangen und auf den vollzogenen Akt bezo-
gen wird. Außerdem gehört es zur Form im Hinblick auf die Verpflichtung des Taufspenders
(necessitas baptizantis). Da die Kirche in dieser Form: Ego baptizo usw. tauft, verfahrt derje-
nige, der etwas von dieser Form der Kirche wegläßt, sehr nachlässig. Daher ist [das Pronomen]
notwendig in Hinblick auf den Taufenden, damit er durch solche Vernachlässigung nicht sün-
dige"51. ·

49 WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 2, pars 4, q 21: Utrum hoc quod dico
„Baptizo" sit deforma verborum (ed. cit. 312); ebd., q 22: Utrum „ego" sit de forma baptismi
(ed. cit. 317).
50 WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 2, pars 4, q 21, η 2d (ed. cit. 315):
„Sicut <...> intentio est de necessitate et essentia Baptismi, sie hoc verbum baptizo de necessaria
forma verborum. Per hoc enim exprimit baptizans se tingere non ad ludendum, vel ad lavandum,
sed ad baptizandum".
51 Ebd., q 22, η 3 (ed. cit. 317-318): „...in sacramentis, et maxime in hoc, est necessitas facientis et
necessitas faciendi. Quantum ad necessitatem faciendi non est necessario de forma; immo aestimo
quod baptizatus assequitur plenarie effectum sacramenti si dicatur Baptizo etc., sine appositione
pronominis. Nihilominus est de forma necessario quantum ad necessitatem facientis, scilicet ut
coaretetur intentio baptizantis et referatur ad actum exercitum. Praeterea, est de forma quantum ad
necessitatem baptizantis. Quia Ecclesia baptizat sub hac forma: Ego baptizo, etc., valde negligit
qui aliquid de forma Ecclesiae omittit; unde necessitatis est quantum ad illum, ne peccet
negligendo". ·
212 Die ostkirchliche Herausforderung

Vermutlich wären jene lateinischen Theologen und Kirchenmänner, die die griechische
Taufe um 1231/32 für ungültig erklärten, nicht mit der von Wilhelm von Militona ver-
tretenen Ansicht einverstanden gewesen, denn sie sahen die wortwörtliche Beobachtung
der lateinischen Formel als für das Zustandekommen der Taufe absolut notwendig an.

b. Die griechische Taufformel bei hochscholastischen Autoren


In den Sakramententraktaten hochscholastischer Werke wurde die griechische Tauffor-
mel als eine der Abweichungen vom normativen Brauch behandelt. Die Autoren, die
nach dem Zeitpunkt der Zugeständnisse Gregors IX. an die griechische Taufformel
schrieben, äußerten sich meistens gegen die Zugehörigkeit des Ego te baptizo zur Sub-
stanz der Taufe, urteilten aber über die Zulässigkeit der griechischen Formel unter-
schiedlich. Wir haben soeben gesehen, daß Wilhelm von Militona das Pronomen ego
für das Zustandekommen der Taufe nicht unbedingt für erforderlich hielt. Zugleich aber
erhebt er massive Einwände gegen die griechische Formel, weil sie mit der lateinischen
nicht übereinstimmt:
„...die griechische Tauformel wird von der Kirche nicht akzeptiert und ist mit jener lateini-
schen weder in Bezug auf die sinnlich noch in Bezug auf die geistig wahrnehmbare Form
identisch. Daher werden, wie man sagt, die in jener [griechischen] Form getauft worden sind,
in der Form der römischen Kirche faktisch wiedergetauft. Daher billigt die Kirche diese Form
nicht"52.

Die Verteidiger der griechischen Formel entgegnen nun, daß diese Formel von den
heiligen Vätern auf den alten Konzilien überliefert worden sei. Wilhelm antwortet
darauf:
„Den Einwand, daß die griechische Formel von den Heiligen instituiert wurde, konzediere ich
gerne. Was aber nach menschlichem Gutdünken eingerichtet wurde, kann ebenso widerrufen
werden. Daher ist zu sagen, daß die römische Kirche, die das Ilaupt der Kirchen ist, ja die Kir-
che selbst, indem sie eine andere Formel eingesetzt hat, sie die andere logischerweise widerru-
fen hat. Daher ist die griechische Formel nicht zu billigen"53.

Thomas von Aquin beschreibt im Sentenzenkommentar (1253-56) die Differenzen der


griechischen Tauformel von der lateinischen, aber auch die Gründe, die dabei zugrunde
lagen:

52 Ebd. q 19, η 5 (ed. cit 310): „Respondeo quod haec forma non reeipitur ab Ecclesia, neque est
eadem cum illa quantum ad formam sensibilem, neque quantum ad intelligibilem. Unde, ut
dieunt, de facto rebaptizantur in forma Ecclesiae Romanae baptizati in forma illa. Unde illam
formam non approbat Ecclesia".
53 Ebd., q 22, η 6 (ed. cit. 310): „Ad quod obicitur, quod fuit instituta a Sanctis, bene concedo. Sed
quia ea quae instituta sunt humano arbitrio, revocari possunt eodem, dicendum quod Ecclesia
Romana quae est caput Ecclesiarum, immo ipsa Ecclesia, instituendo aliam, illam ex consequenti
revoeavit; unde approbanda non est".
Der Taufformelstreit 213

„Ihre Taufformel unterscheidet sich von der unseren in drei Aspekten: Erstens nennen sie darin
nicht die Person des Spenders. Das machen sie, wie sie sagen, um den Irrtum zu vermeiden,
der in der Urkirche vorkam, wonach die Wirkung der Taufe dem Taufenden zugeschrieben
wurde, wie aus 1 Kor 3[, 4-7] hervorgeht. Zweitens bezeichnen sie die Handlung in einer an-
deren, nämlich der dritten, Person, und in einem anderen Modus, nämlich im Konjunktiv bzw.
im Optativ, um damit auszudrücken, daß der innere Akt von außen erhofft wird. Drittens er-
wähnen sie den Täufling im Nominativ und in der dritten Person, weil dieser mitunter noch
keine Einsicht hat, so daß man das Wort an ihn richten könne"54.

Selbst über 20 Jahre nach dem Streit von 1231/32 weiß Thomas, daß es unterschiedli-
che Meinungen in dieser Sache gibt. Was die Gültigkeit betrifft, ist er selbst der An-
sicht, daß die Worte Ego te bapiizo nicht zur Substanz der Taufe gehören:
„Ob aber die Griechen etwas verändern, was zur Substanz der Form gehört, so daß man in die-
sem Fall wiedertaufen müßte, ist, wenn auch einige dies behaupten, dennoch nicht entschie-
den, sondern wird von anderen bezweifelt. Diese meinen nämlich, daß es zur Vollkommenheit
des Sakraments genügt, den Akt der Taufe zu bezeichnen, und daß die Bestimmung der Dinge,
die [in der Taufformel] mitbezeichnet werden, von der Kirche festgesetzt wird. Es ist aber si-
cher, daß die Form, die wir verwenden, die bessere ist, weil sie sowohl vollkommener ist, wie
oben gesagt wurde, als auch besser mit den Worten des Evangeliums übereinstimmt, wo es
über den Dienst der Taufspender spricht, als auch wegen der Autorität der Kirche, die diese
Formel von den Aposteln erhielt und weitergibt. Über diese Kirche heißt es, daß sie nie vom
rechten Glauben abgewichen ist. Daher ist es besonders den Lateinern nicht erlaubt, mit der
Formel der Griechen zu taufen. Falls sie dies aber wagen, so wäre es nach Meinung einiger
keine Taufe, nach Meinung anderer dagegen käme die Taufe zustande, aber diejenigen, [die
das tun], würden schwer sündigen"55.

Von einem ähnlichen Grundsatz geht Thomas in der Tertia pars aus. Die Dekretale
Alexanders III. interpretiert er mit Wilhelm von Militona dahingehend, daß die Tauf-

54 THOMAS VON AQUTN, In IV. Sententiarum, dist 3, q 1, art 2b ad 1 (ed. cit. 432): „...differunt in
forma a nobis quantum ad tria. Primo, quia personam ministri in forma non exprimunt; et hoc
dicunt ad removendum errorem qui fuit in primitiva ecclesia, qui efficaciam baptismi baptizanti
attribuebat, ut patet Corinth. 3. Secundo in hoc, quod significant actum sub alia persona, scilicet
tertia, et sub alio modo, scilicet subjunctivo vel optativo, ad significandum quod actus interior
expectatur ab extra. Tertio quia personam pomint in nominativo casu, et in tertia persona; quia
quandoque baptizatus non habet intellectum ut ad eum possit dirigi sermo".
55 Ebd.: „Utrum autem ipsi mutent aliquid quod sit de substantia formae, ut sie oporteat rebaptizari,
quamvis quidam dicant hoc, non tarnen est determinatum, sed dubium apud quosdam, quibus
videtur, quod sufficiat actum baptismi significare ad perfectionem sacramenti, et quod
consignificationis determinatio sit ex ecclesiae institutione. Hoc autem certum quod forma qua
nos utimur, melior est: turn quia perfectior est, ut patet ex supradictis; turn quia magis consonat
verbis Evangelii quod ministros baptizantes dicit; turn propter auetoritatem ecclesiae, quae hanc
formam tradit, quae nunquam a vera fide legitur declinasse, hanc formam ab apostolis retinens; et
ideo non licet, praeeipue Latinis, in forma Graecorum baptizare: quod si praesumerent, seeundum
quosdam non esset baptismus, seeundum quosdam autem esset, sed graviter peccarent".
214 Die ostkirchliche Herausforderung

formel in erster Hinsicht den Taufakt klar zu bezeichnen hat. „Wenn der Akt der Taufe
nicht ausgedrückt wird, sei es auf unsere Weise, oder auf die Weise der Griechen, wird
das Sakrament nicht vollzogen"56. Auch Thomas ist also vor allem die Bezeichnung des
Taufaktes wichtig. Die Herkunft der griechischen Formel begründet Thomas - und
nach ihm auch Richard von Mediavilla - mit der im 1. Korintherbrief erwähnten Ge-
fahr, daß die Wirkung der Taufe nicht Christus, sondern dem Spender zugeschrieben
wird („Ich bin des Paulus, ich aber des Apollos" 1 Kor 1, 12): Um diesen Irrtum zu
vermeiden, hätte man in der alten Kirche diese Formel eingeführt57. Wenn die Lateiner
die Formel in der 1. Person sprechen, so gehöre dies nicht zur Substanz der Form, son-
dern diene dazu, der Intention besseren Ausdruck zu verleihen58.
Bei Richard von Mediavilla scheinen nun alle Zweifel beseitigt zu sein. Die griechi-
sche Taufe sei unbestritten gültig, weil keine wesentlichen Elemente der Taufformel
fehlen:
„Der Teil der Formel, der lautet: »Ich taufe dich«, enthält einiges, was zum Wesen der Formel
gehört, und das ist der Ausdruck des Taufaktes und der Person des Täuflings, weil auf diese
Person der Taufakt gerichtet ist. Wenn daher etwas von den oben genannten [Elementen] aus-
gelassen wird, bleibt die Wirkkraft der Taufe aus. Die Bezeichnung des Spenders scheint aber
zum Wesen der Formel nicht zu gehören, die Christus in der Einsetzung der Taufe überliefert
hat. Die Taufe erhält nämlich ihre Kraft nicht vom Spender. Daher bezeichnen die Griechen
die Person des Spenders nicht, und taufen dennoch wirklich"39.

56 THOMAS VON AQUIN, Summa Theologiae, 3a pars, q 66, art 5 ad 2 (ed. cit. 379): „...si non
exprimatur actus baptismi, vel per modum nostrum, vel per modum Graecorum, non perficitur
sacramentum: seeundum illam decretalem Alexandri ΠΙ".
57 Ebd., art 5 ad 1 (ed. cit. 379): „Graeci autem non attribuunt actum baptismi ministris, ad
evitandum antiquorum errorem, qui virtutem baptismi baptistis attribuebant, dicentes: Ego sum
Pauli, et ego Cephae. Et ideo dieunt: Baptizetur servus Christi talis in nomine Patris, etc. Et quia
exprimitur actus exercitus per ministrum cum invocatione Trinitatis, verum perficitur
sacramentum".
58 Ebd.: „Quod autem additur ego in forma nostra, non est de substantia formae, sed ponitur ad
maiorem expressionem intentionis".
59 RICHARD VON MEDIAVILLA, Super IV. Sententiarum, dist 3, art 2, q 2 ad 1 (ed. cit. 37): „In illa
autem parte formae quae est Ego baptizo te, sunt aliqua pertinentia ad essentiam formae, scilicet
expressio actus baptizandi, et personae baptizatae, eo quod ad illam terminatur baptizandi actus.
Unde si aliquod praedictorum subtrahatur, non remanet virtus baptismi. Expressio autem ministri
non videtur esse de essentia formae quam Christus tradidit in baptismi institutione, quia a ministro
baptismus non habet virtutem. Unde Graeci personam ministri non exprimunt, et tarnen vere
baptizant". ; . ..
Der Taufformelstreit 215

Nichtsdestoweniger weist Richard darauf hin, daß die Form der Lateiner „sicherer" sei,
weil sie durch die römische Kirche, für die Christus selbst gebetet hat, damit ihr Glaube
nicht aufhöre, überliefert ist60.
Ein weiteres Argument zugunsten der lateinischen Formel findet sich in den
Reportata parisiensia und in der Ordinatio des Johannes Duns Scotus. Wenn die Grie-
chen den Täufling „Knecht Gottes" nennen, dann treffen sie nicht die richtige Wort-
wahl, denn nicht der „Knecht Gottes" wird getauft, sondern Knecht Gottes wird man
erst nach der Taufe. Daraus wird gefolgert, daß die lateinische Form besser und zutref-
fender sei61.
Petrus von Tarentaise (Innozenz V.) schließt sich, wie Thomas von Aquin, der An-
sicht an, daß die Griechen „das, was zur Substanz der Formel gehört, beobachten, aber
in den akzidentellen Teilen variieren"62. Die Dekretale Alexanders III. interpretiert er in
dem Sinne, daß es in ihr nicht um die wortwörtliche Befolgung des lateinischen Aus-
drucksmodus geht, sondern um die Bezeichnung des Taufaktes63:
, Jn der Taufformel sind zwei Teile enthalten: Der eine ist die Anrufung der Trinität; sie dient
zur Heiligung des Elements. Der andere Teil ist die Bezeichnung des Taufaktes; sie dient zur
Bestimmung der Intention. Der erste Teil verdankt sich göttlicher Einsetzung und ist in allen
Kirchen und zu allen Zeiten identisch. Der zweite Teil verdankt sich kirchlicher Überlieferung
und ist weder in allen Kirchen noch zu allen Zeiten gleich. Denn bei diesem [zweiten] Teil
kommen zwei Dinge zusammen: Zum einen die Bezeichnung des Aktes selbst und der Person,
an der der Akt ausgeführt wird, und dieses ist wiederum gemeinsam bei allen, daher scheint
dies auf die erste Überlieferung und die apostolische Taufgewohnheit zurückzureichen. Zum
anderen die Ausdrucksweise. Diese ist bei den Griechen und bei den Lateinern unterschiedlich.
Da aber die Taufe eine ist und die, die mit der griechischen Formel getauft worden sind, in der
lateinischen Kirche nicht [wiederjgetauft werden, folgt, daß das, was zum Wesen der Formel
gehört, eins ist, und was nicht eins ist, nicht zum Wesen der Formel gehört. Deswegen gehört
jener Teil der Formel, der sich auf die Heiligung des Elements erstreckt, zum Wesen. Im ande-
ren Teil gehört das, was zur Bezeichnung des Aktes dient, ebenso zum Wesen. Was aber die

60 Ebd., ad 9 (ed. cit. 39): „...est etiam noster modus exprimendi tutior, quia traditus est nobis a
sancta Romana ecclesia, pro qua oravit Christus ut non deficiat fides eius: cum dixit Petro, Ego
pro te rogavi, ut non deficiat fides tua, ut habetur Lucae 22".
61 JOHANNES DUNS SCOTUS, Reportata parisiensia, lib 4, dist 3, q 2 (ed. cit. 1274): „Graeci etiam
melius potuissent uti aliis verbis quam istis, baptizetur servus Christi, quia non est servus Christi
antequam baptizatur, sed baptizatur ut fiat servus Christi et ideo non ponunt conveniens
susceptivum baptismi. Verius ergo et expressius exprimitur veritas huius sacramenti per formam
communem traditam ab Ecclesia, quam per formam Graecorum". (paral.: DERS., In IV. librutn
Sententiarum, ed. cit. XVI288).
62 PETRUS VON TARENTAISE, In IV. Sententiarum, dist 3, q 2, art 1 ad 5 (ed. cit. 33): „...servant illud
quod est de substanüa formae sed variant accidentaliter".
63 Ebd., ad 1 sc (ed. cit. 33): „Ad 1., quod opponitur in contrarium ex constitutione Alexandri. Resp.
Ut patet ex verbis, loquitur in casu in quo omittitur non solum modus latinus exprimendi actum,
sed ipsa actum expressio".
216 Die ostkirchliche Herausforderung

Ausdrucksweise betrifft, die unterschiedlich ist, so ist sie nicht wesentlich, sondern stammt aus
der Anordnung der Kirche. Der Beschluß der Kirche kann den Spender verpflichten, aber er
kann das Sakrament substanziell nicht ändern. Folglich ist die Ausdrucksweise notwendig in
Bezug auf den Handelnden, nicht aber in Bezug auf die vollzogene Sache"64.

Zwei Dinge sind in diesem Text bemerkenswert. Zum einen schließt Petrus von dem
gemeinsamen Gebrauch in den verschiedenen Kirchen auf die apostolische Herkunft
zurück. Was in der gegenwärtigen Praxis an Übereinstimmung auszumachen ist, darf
einen apostolischen Ursprung für sich reklamieren. Zum anderen geht Petrus von dem
Prinzip aus: „Was nicht eins ist, gehört nicht zur Substanz der Form" (Quod non est
unum, non est de substantia formae). Diese beiden Gedanken des Petrus repräsentieren
einen der ekklesiologischen Zugänge zur sakramententheologischen Problematik, auf
die wir weiter unten bei der Besprechung der theologischen Reflexion der Lateiner
näher eingehen65.
Zum Schluß dieses Kapitels sei noch auf einige interessante Informationen zum Kon-
flikt um die Taufformel hingewiesen, die der Sentenzenkommentar des Albertus
Magnus enthält, dessen Abfassung relativ nahe an die Ereignisse von 1231/32 heran-
reicht (das einschlägige 4. Buch wurde 1249 abgeschlossen66). Die Anordnungen Gre-
gors IX. bezogen sich nach der Darstellung des Albertus nicht nur auf die Griechen,
sondern auch auf Jene in Dalmatien, die der römischen Kirche Untertan sind"67. Über
die Haltung des Papstes schreibt er folgendes:

64 Ebd., art 1 (ed. cit. 32-33): „...in forma verborum baptismi duae particulae continentur: una
pertinens ad sanetificationem elementi, scilicet invocatio Trinitatis: et altera pertinens ad
determinationem intentionis, scilicet expressio actus baptizandi. Prima habetur ex institutione
divina, et est eadem apud omnes Ecclesias, et seeundum omne tempus: seeunda habetur ex
traditione ecclesiastica, nee est omnino eadem apud omnes Ecclesias, nee seeundum omne
tempus, nam circa ülam duo coneurrunt: unum expressio ipsius actus, et personae in quam transit
actus, et hoc iterum commune est apud omnes, unde videtur descendisse a prima traditione et
consuetudine baptizandi Apostolica: alterum modus exprimendi; hie diversus est apud Graecos est
Latinos. Cum ergo baptisma sit unum, nee baptizarentur in Ecclesia Latinorum baptizati
seeundum formam Graecorum, oportet quod illud quod est de substantia formae sit unum, et quod
non est unum, non est de substantia formae: unde pars üla formae quae pertinet ad
sanetificationem elementi, de substantia est: altera vero pars quantum ad expressionem actus,
iterum de substantia est; quantum vero ad modum expressionis qui varius est, non est de
substantia, sed aeeidit ex statuto Ecclesiae. Quia tarnen statutum Ecclesiae potest obligare
ministrum, sed non potest mutare substantialiter sacramentum, ideo etiam üle modus de
necessitate facientis est, sed non rei faetae".
65 S. unten, S. 314-321.
66 ZurDatierungs.:TREII179.
67 ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, dist 3, E, art 2, q 2 ad 8 (ed. cit. XXIX 66): „Graeci et
Dalmatae ita baptizant: Baptizetur servus Christi in nomine, etc. Si forte dicas, quod non sunt
baptizati. Contra: Beatus Nicolaus et alii saneti ita sunt baptizati, ut dicitur. Item, Dominus
Gregorius Papa super hoc consultus, de consilio respondit, quod non rebaptizarentur illi qui sunt
Der Taufformelstreit 217

, J)er Papst war im Zweifel über diese Sache. Bezüglich jener, die in Dalmatien sind, antwor-
tete er zunächst, daß man sie wiedertaufe. Später aber ließ er von dieser Forderung ab, verord-
nete aber, daß es zukünftig vermieden werde. Einige Brüder aber aus unserem Orden - wenig-
stens drei - befahl er, in Rom wiedertaufen zu lassen"68.

Außer dieser Nachricht des hl. Albert haben wir sonst keine Zeugnisse für den Tauf-
formelstreit in Dalmatien und die Wiedertaufe der drei dalmatinischen Dominikaner in
Rom. Wegen des dichten Informationsnetzes des Dominikanerordens gibt es aber kei-
nen Anlaß, an seinen Worten zu zweifeln. Als Professor kam er mit vielen Brüdern aus
allen Provinzen zusammen69, und die erzwungene Wiedertaufe von drei Mitbrüdern hat
im Orden bestimmt weite Aufmerksamkeit erregt. Es bleibt allerdings unklar, ob die
drei wiedergetauften Dominikaner ihrer Herkunft nach „Griechen" (im kulturhistori-
schen Sinne des Wortes) oder Lateiner waren70. Im ersten Fall hätte man es hier mit
einem Zeugnis für die Latinisierung der „Griechen", im zweiten Fall aber mit einem
Beleg für die Hellenisierung der Lateiner zu tun. Die drei dalmatinischen Dominikaner
waren in jedem Fall „der römischen Kirche Untertan", auch wenn sie nach griechischem
Ritus getauft worden waren71.

sub Ecclesia Romana in Dalmatia, sed caveretur ne amplius fieret: ergo videtur, quod hoc sufficit
ad formam: quia aliter rebaptizandi essent".
68 Ebd., q 2, arg 8 (ed. cit. XXK 63): „...Papa in hoc dubius fuit: quia de Ulis qui sunt in Dalmatia
primo respondit, quod rebaptizarentur, et postea permisit, et ut caveretur in posterum praecepit:
quosdam autem fratres in ordine nostro existentes, tres ad minus in urbe Roma rebaptizari
praecepit".
69 Der Eintritt Alberts in den Orden geschah 1223 oder spätestens 1229, bereits ab 1233 begann
Albert, in den Ordenshäusem in Deutschland zu lehren, s.: TRE Π 177 Z. 53-56.
70 Bekanntlich lebten „Griechen" und Lateiner in mehreren Städten, insbesondere an der Adriaküste,
miteinander. Die letzte byzantinische Herrschaft über Teile Dalmatiens lag nicht lange zurück
(1165-1180). Zur Lage in Dalmatien s.: HÖSCH, Küsten-Dalmatien und Byzanz; LMA ΠΙ 444-
457, hier 449 (HAHN / RAPANIC).
71 Zu diesem Zeugnis Alberts des Großen s. auch: GIANNELLI, Urt documento 164-165.
Zweiter Teil

Die lateinischen Zugänge zur Eigenart


der Ostkirche:
Im Spannungsfeld zwischen „Zurückführung" und Union
D. Die politische Dimension

Die Rolle, die der Azymenstreit in den Ereignissen von 1053/54 gespielt hat, war in
kirchenpolitischer Hinsicht einmalig: Mit solcher Intensität wiederholte sich ein Streit
um die Fragen des Ritus in den Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel - so-
weit wir sehen - nicht mehr. Im Laufe der Geschichte verlor die Azymenfrage langsam
an Schärfe und Aktualität, statt dessen traten andere Kontroversfragen, vor allem das
Filioque, aber auch die Primatsfrage, in den Vordergrund. Nichtsdestoweniger blieb das
Azymenproblem auch für Jahrhunderte nach dem Konflikt von 1053/54 eine der wich-
tigsten Hürden bei Dialogversuchen zwischen Rom und Konstantinopel. Im 12. Jahr-
hundert gesellte sich zu der Azymenfrage, wie wir oben gesehen haben, das Motiv der
Wasserbeimischung, und im 13. Jahrhundert der Streit um die Taufformel hinzu. Diese
drei Streitfragen besaßen insofern Aktualität und Gewicht, als die Problematik der litur-
gischen und besonders der sakramentalen Divergenzen zwischen den Kirchen immer
von großer kirchenpolitischer Bedeutung war. Sowohl die offizielle Haltung Konstanti-
nopels gegenüber der rituellen Eigenart der lateinischen Kirche als auch die offizielle
Haltung Roms gegenüber der rituellen Eigenart der Ostkirche waren einerseits stark
politisch motiviert, andererseits hatten sie selbst Auswirkungen auf die kirchenpoliti-
sche Situation. Das nachfolgende Kapitel stellt einen Versuch dar, die Streitfragen des
Ritus und vor allem die prominenteste von ihnen, die Frage der Azymen, in den breite-
ren Kontext der Geschichte der Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel zu
stellen. Die folgende knappe Darstellung konzentriert sich auf die für die rituelle Pro-
blematik relevanten kirchenpolitischen Ereignisse, um eine historische Grundlage für
die Betrachtung der theologischen Reflexion der Lateiner zu diesem Thema zu schaf-
fen.
Die in Betracht kommende Zeit läßt sich in vier kleinere Zeitabschnitte einteilen, und
zwar: (1) von 1054 bis 1099; (2) von 1099 bis 1204; (3) von 1204 bis 1261; (4) von
1261 bis ca. 1300. In jedem der genannten Zeitabschnitte erreichte die Polemik um die
Fragen des Ritus ihre je eigene Intensität, was mit der aktuellen kirchenpolitischen Si-
tuation zusammenhing. Die Schnittstellen dieser Periodisierung liefern uns vor allem
die Kreuzzüge, die das Bewußtsein der Byzantiner in ihrem Verhältnis zu den Latei-
nern, aber auch umgekehrt das Bewußtsein der Lateiner gegenüber den Griechen ent-
scheidend prägten. Dabei sollen für unsere Problematik nur jene Ereignisse in Betracht
222 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

kommen, die nicht nur rein politische, sondern insbesondere kirchenrechtliche und ek-
klesiologische Auswirkungen auf das Bewußtsein beider Seiten hatten.
Die politische Dimension 223

I. Die Zeit vor 1204


1. Die Zeit nach dem Konflikt von 1053/54 bis 1099

Der Konflikt von 1053/54 erscheint uns gleichsam wie mit einem Suchscheinwerfer aus
der Geschichte herausgehoben. Weithin im Dunklen bleiben dagegen nicht nur die Vor-
geschichte des Konfliktes, sondern auch seine Auswirkungen auf die kirchenpolitische
Situation unmittelbar nach 1054. Dabei wäre es von großem Interesse, mehr über die
Lage in Konstantinopel in den darauffolgenden Jahren zu wissen. Der Patriarch Michael
Kerullarios ging ja aus dem Konflikt mit den päpstlichen Legaten - falls man den im
Zusammenhang mit der Legation von 1054 entstandenen Schriften Glauben schenken
darf- als eigentlicher Sieger hervor. Die Legaten wurden durch synodale Entscheidung
an den Pranger gestellt und mußten beschämt abreisen. Der Kaiser endlich mußte sich
dem Willen des Patriarchen beugen. Die Volksunruhen zugunsten des Kerullarios de-
monstrierten, daß der Patriarch in seiner antilateinischen Haltung mit einer breiten Un-
terstützung der Konstantinopolitaner Bevölkerung rechnen konnte1. Hat Kerullarios
seine antilateinische Politik - insbesondere in Bezug auf die lateinischen Kirchen und
Klöster in Konstantinopel - auch bis zu seiner Absetzung durch den Kaiser Isaak I.
Komnenos im Jahre 1058 fortgesetzt? Darüber besitzt man heute keine gesicherten
Informationen und ist weithin auf Vermutungen angewiesen. Es ist sehr unwahrschein-
lich, daß die lateinischen Kirchen in Konstantinopel - falls Kerullarios je versucht ha-
ben sollte, nicht nur ihre Tätigkeit zu verhindern, sondern sie auch wirklich zu schließen
- während seiner ganzen Amtszeit geschlossen blieben. Solch ein Zustand wäre ein
allzu heikles politisches Problem für die weltlichen Herrscher gewesen. Außerdem
berichtet die Brevis et succineta commemoratio über die Wiederherstellung einer nor-
malen Tätigkeit der lateinischen Kirchen in Konstantinopel durch die Legaten unmittel-
bar vor ihrer Abreise2. Auch erwähnte Papst Viktor II. (1054-1057) in seinem Brief an
eine byzantinische Kaiserin (vermutlich Theodora) aus dem Jahre 1055/563, dem im
Zusammenhang mit byzantinischen Angelegenheiten stehenden einzig erhaltenen
päpstlichen Dokument aus der Zeit 1055-1058, das Problem der lateinischen Kirchen in
Konstantinopel mit keinem Wort, obwohl er sich sonst in diesem Brief über die schwie-

1 S. die Berichte über den Verlauf der Ereignisse nach den Exkommunikationen in der Brevis et
succineta commemoratio 3 (WILL 151-152) und im Semeioma (WILL 165 Z. 11-168 Z. 16).
2 WILL 152a Z. 9-10.
3 Falls der Brief tatsächlich von Viktor H., und nicht von Viktor III. (1086-1087) stammt. S. dazu:
CICO Fontes I 784 (Nr. 373), Anm. 1; sowie jüngst: COWDREY, Pope Victor and the Empress A.
(1991/92).
224 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

rigc Lage der westlichen Pilger im byzantinischen Machtbereich beschwerte4. Anderer-


seits spricht alles, was wir heute über den Charakter des Kerullarios und seine Laufbahn
kennen5, eher dafür, daß er sich in seiner antilateinischen Haltung infolge der Exkom-
munikationen nur bestärkt sehen mußte. Der eigenwillige und politisch ambitionierte
Patriarch vermochte auch in anderen Fällen, als sich einige eher schwache bzw. kurzle-
bige Regenten auf dem Thron abwechselten, die Stärkung eigener Macht konsequent
durchzusetzen. Erst dem energischen Isaak I. ist es gelungen, dem politischen Wirken
des Patriarchen ein Ende zu setzen, obwohl sich die Verhaftung des Kerullarios und der
Versuch, ihn vor Gericht zu stellen, letzten Endes für den Kaiser als Pyrrhus-Sieg er-
wiesen hat6. Es besteht kaum Zweifel, daß Kerullarios den Ausgang des Konflikts von
1053/54 als seinen Erfolg und als Beweis seiner Macht ansah und daß er ebendeswegen
von seiner antilateinischen Politik kaum Abstand genommen hätte. Wie dem auch sei,
man muß sicher von einer sehr gespannten Lage der lateinischen Kirchen in Konstanti-
nopel in den Jahren nach 1054 ausgehen, so daß auch der Konflikt um die Azymenzele-
bration, wenn auch nicht mit der Schärfe wie in den Jahren 1053/54, so doch gleichsam
unter der Oberfläche weiter schwelte. Diese Vermutung findet darin ihre Bestätigung,
daß im Jahre 1089, drei Jahrzehnte nach dem Tod des Kerullarios (21.01.1059), die
problematische Lage der lateinischen Kirchen in Byzanz ausgerechnet in Verbindung
mit der Azymenzelebration wieder zur Sprache kam, wie wir noch sehen werden.
Sowohl von römischer als auch von byzantinischer Seite hat man nach 1054 einige
Male versucht, den Kontakt miteinander wiederaufzunehmen. Die Päpste betrachteten
jedoch die oströmischen Kaiser, nicht die Patriarchen, als ihre primären Gesprächspart-
ner; mit kirchlichen Würdenträgern verhandelte man erst in zweiter Reihe. Wie die
Chronik aus Monte Cassino berichtet, entsandte im Jahre 1058 Papst Stephan IX., der
als Friedrich von Lothringen selbst der Legation von 1054 angehörte, eine neue Ge-
sandtschaft nach Konstantinopel, und zwar unter der Leitung von Abt Desiderius von
Montecassino, dem zukünftigen Papst Viktor III. Die Legation kam jedoch nur bis Bari;
dort erreichte sie die Nachricht vom Tod Stephans IX., und man kehrte nach Rom zu-
rück7. Um 1062 hat Petrus Damiani seinen Traktat über den Hervorgang des Heiligen
Geistes an einen griechischen Patriarchen, vermutlich Konstantinos III. Leichudes von

4 Text in: CICO Fontes 1784 (Nr. 373).


5 S. zusammenfassend bei TINNEFELD, Michael I. Kerullarios (für unsere Fragestellung ausschlagge-
bend: S. 101-102; 118-124).
6 Während der Amtszeit des Kerullarios wechselten sich insgesamt vier Herrscher auf dem byzanti-
nischen Thron ab: Konstantinos IX. Monomachos (1042-tJanuar 1055), Kaiserin Theodora
(1055 - f September 1056), Michael VI. (von 1056, abgesetzt infolge eines Komplotts mit Beteili-
gung des Kerullarios im August 1058); Isaak I. Komnenos (1058, abgesetzt infolge eines Kom-
plotts 1059). Bei allen drei Herrschanswechseln (1055, 1056, 1058) war der Patriarch politisch
aktiv und übte einen nicht unbedeutenden Einfluß auf die Bestimmung des Nachfolgers aus (für ei-
nen Überblick über diese Zeit s.: OSTROGORSKY, Geschichte 279-282).
7 Chronica monasterii Casinensis, MGH.SS VII702-703.
Die politische Dimension 225

Konstantinopel (1059-1063), gerichtet8, um, wie aus dem Text hervorgeht, Papst
Alexander II. mit Material für die Verhandlungen mit den Griechen zu versorgen9.
Weiteres ist über diese Verhandlungen nicht bekannt. Von manchen Forschern ange-
zweifelt, aber wahrscheinlich nicht ohne historischen Kern, ist die Gesandtschaft unter
der Leitung von Bischof Petrus von Anagni um 1072 unter demselben Papst10. Im Jahre
1073 trafen bei Gregor VII. zwei Mönche, Abgesandte des byzantinischen Kaisers Mi-
chael VII. Dukas, ein. Im Gegenzug entsandte Gregor den Patriarchen Dominicus von
Grado nach Konstantinopel11. In seinem Begleitschreiben bringt Gregor seinen Wunsch
zum Ausdruck, „die Eintracht zwischen der römischen Kirche und ihrer Tochter, der
Kirche von Konstantinopel, zu erneuern"12. Es ist unbekannt, welche Rolle die Azy-
menfrage bei den genannten Gesandtschaften spielte. Gregor VII. ist indessen der erste
Papst nach Leo EX., von dem eine offizielle Stellungnahme zum Problem der Azymen
erhalten ist. In seinem Schreiben an den armenischen Katholikos Grigor aus dem Jahre
108013 weist der Papst daraufhin, daß er von den Häresievorwürfen der Griechen an die
Armenier erfahren habe. Der Papst ermahnt seinen Adressaten, vom Gebrauch des un-
gesäuerten Brotes nicht abzuweichen, und bittet ihn, sich über die Vorgehensweise der
Griechen nicht zu wundern, da diese „aus ähnlichem Grund, aber mit größerem Un-
recht" denselben Vorwurf gegen die römische Kirche erheben14. Die Stellung der römi-
schen Kirche zu diesen Vorwürfen beschreibt der Papst folgendermaßen:
„Sie [die Griechen], indem sie ihr gesäuertes [Brot] aufdrängen, haben keine Bedenken, hart-
näckig gegen uns völlig haltlose Worte des Tadels zu äußern. Wir aber, die wir unser ungesäu-
ertes [Brot] mit einem unanfechtbaren Argument bei Gott verteidigen, tadeln weder ihr gesäu-
ertes [Brot] noch lehnen wir es ab, gemäß dem Apostel, der sagt: »Den Reinen ist alles rein«
[Tit. 1,15]"15

8 Opusculum 38 Contra etrorem Graecorum de processione Spiritus Sancti s. in: PL 145, 633-642.
Zu dieser Kontaktaufhahme s.: GRUMEL, Le premier contact (1942).
9 S. bes.: PL 145, 633 B-C. 642 B-C.
10 Dazu s.: BECKER, Papst Urban 4(M2. .
11 S.: GREGOR Vü., Registrum, 118 (ed. cit. 29-30).
12 Ebd., S. 29: „inter Romanam, cui licet indigni deservimus, ecclesiam et filiam eius
Constantinopolitanam antiquam Deo ordinante concordiam cupimus renovare". Zu den Beziehun-
gen Gregors VII. zu der byzantinischen Welt s. jüngst: COWDREY, Pope Gregory (1998) 481^187.
13 Über diesen Brief und die armenische Problematik bei Gregor VE. s. ausführlicher oben, S. 167-
168.
14 GREGOR VII., Registrum, VIII 1 (ed. cit. 513): „...quia cognovimus ecclesiam vestram azima
sacrificare et ob hoc a Graecis dumtaxat imperitis quasi de heresi reprehendi, nolumus vos de
temeraria garrulitate illorum multum mirari, sed nee ab instituto desistere, scientes eorum
procacitatem non modo vobis hanc velut calumniam obicere, verum etiam simili de causa,
graviori vero iniuria hueusque contra sanetam R[omanam] ecclesiam insurgere".
15 Ebd.: „...illi quidem suum fermentatum commendantes reprehensionis in nos levissima verba
contumaciter iaculari non desinunt. Nos vero azimum nostrum inexpugnabili seeundum Deum
226 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Auf dem Hintergrund der generell sehr spärlichen Quellenlage über die Beziehungen
zwischen Rom und Konstantinopel in der Zeit 1055-1099 gewinnt der Verständigungs-
versuch16 zwischen Papst Urban II. und dem byzantinischen Kaiser Alexios I. Komne-
nos sowie dem Patriarchen von Konstantinopel Nikolaos III. Grammatikos17 im Jahre
1089 eine besondere Aufmerksamkeit, da wir heute über diese Episode wesentlich bes-
ser informiert sind als über andere römisch-byzantinische Kontakte aus dieser Zeit18.
Ungefähr ein Jahr nach seinem Amtsantritt entsandte Papst Urban II. (1088-1099) eine
Legation nach Konstantinopel bestehend aus Abt Nikolaus von Grottaferrata und Kar-
dinaldiakon Roger. Eines der Ziele dieser Gesandtschaft war offensichtlich, dem Ge-
genpapst Clemens-Wibert19 zuvorzukommen und die Anerkennung für Urban II. im
byzantinischen Reich zu gewinnen. Nach Ankunft der Legaten in Konstantinopel riefen
Kaiser und Patriarch eine Sitzung der ständigen Synode zusammen, um über die von
den Abgesandten des Papstes angesprochenen Angelegenheiten zu beraten. Das griechi-
sche Protokoll dieser Sitzung20 sowie einige im Zusammenhang mit der Legation von
1089 stehende Briefe, darunter auch der Brief des Patriarchen Nikolaos an den Papst21,
sind erhalten. Von westlicher Seite gibt es nur spärliche Nachrichten über diese Ge-
sandtschaft; die ausführlichste und für unsere Problematik interessanteste Information
stammt von Gaufredus Malaterra:
„Der Apostolicus, <...> hatte den Kaiser von Konstantinopel Alexios durch Nikolaos, den Abt
von Grottaferrata, und den Diakon Roger mit väterlichem Tadel ermahnt, daß er den lateini-
schen Christen, die in seinem Machtbereich weilten, untersagt hatte, mit ungesäuertem [Brot

ratione defendendes ipsorum fermentatum nee vituperamus nee reprobamus sequentes apostolum
dicentem mundis esse omnia munda".
16 Man darf diese Episode nicht als „Unionsverhandlungen" bezeichnen, wie dies HOLTZMANN, Die
Unionsverhandlungen, machte; von „Unionen" kann man erst nach 1204 sprechen. Vgl. dazu
richtige Beobachtungen von BECKER, Papst Urban 1. Ohne das Verdienst Holtzmanns in Zweifel
zu ziehen, muß man bemerken, daß die Terminologie, die er in seinem Aufsatz benutzt, auch
sonst anachronistisch und daher irreführend ist, so sind ζ. Β. Ausdrücke wie „römisch-
katholische" und „griechisch-orthodoxe Kirche" (HOLTZMANN, Die Unionsverhandlungen 38),
„Katholizismus" (ebd., 45), „Konfessionswechsel" (ebd., 46) usw. auf keinen Fall in Bezug auf
die mittelalterliche Zeit zu verwenden.
17 Zu Nikolaos HL s.: LMA VI1166-1167 (PLANK); ODB 1467 (KAZHDAN/ CUTLER).
18 Die letzte vollständigste Zusammenfassung der Forschungsergebnisse bietet BECKER, Papst Ur-
ban 108-177; bei ihm findet man auch den ausgezeichneten Kommentar zu den griechischen Do-
kumenten, s.: 206-271. An seine Behandlung schließt sich auch meine Erörterung der Problema-
tik an. Die griechischen Dokumente sind erstmals ediert bei HOLTZMANN, Die
Unionsverhandlungen (1928).
19 Zu Gegenpapst Clemens (Wibert)s.: LMA Π 2139-2140 (STRUVE).
20 Text in: HOLTZMANN, Die Unionsverhandlungen 60-62, mit dt. Übersetzung zuletzt abgedruckt
in: BECKER, Papst Urban 215-222.
21 Text des Briefes in: HOLTZMANN, Die Unionsverhandlungen 62-64, mit dt. Übersetzung zuletzt
abgedruckt in: BECKER, Papst Urban 249-255.
Die politische Dimension 227

das eucharistische] Opfer darzubringen, indem er ihnen vorgeschrieben hatte, in ihrem [eucha-
ristischen] Opfernach der griechischen Sitte gesäuertes [Brot] zu verwenden, was unsere Reli-
gion überhaupt nicht kennt. Der Kaiser aber nahm seinen Tadel demütig an und lud ihn durch
die gleichen Legaten mit dem in goldenen Buchstaben geschriebenen Schreiben ein, mit recht-
gläubig gebildeten Lateinern zu einem in Konstantinopel zusammengerufenen Konzil zu
kommen, wo eine Disputation zwischen den Griechen und den Lateinern stattfinden solle, da-
mit durch gemeinsamen Beschluß in der Kirche Gottes jenes [Hindernis] zerrissen werde, daß
die Griechen mit gesäuertem, die Lateiner aber mit ungesäuertem fBrot] Eucharistie feiern,
und daß damit die eine Kirche Gottes einen [einzigen] Brauch halte. Und er fügte hinzu, daß er
gerne der rechtgläubigen Diskussion zustimmen werde, und daß er von da an befolgen wolle,
was aufgrund der authentischen Lehren in Anwesenheit der Griechen und der Lateiner als
Übereinkunft beschlossen würde, nämlich ob man mit gesäuertem oder ungesäuertem Brot das
Opfer darbringen müsse. Er hat auch einen Termin gesetzt, an dem der Papst eintreffen solle,
nämlich in anderthalb Jahren. Der Graf [Roger I. von Sizilien] gab den Rat, dorthin zu gehen,
damit eine solche Spaltung von der Kirche Gottes entfernt werde. Aber weil die Feinde der
heiligen Kirche Gottes, die in Rom feindselig gegen ihn blieben, es verhinderten, konnte die
Reise nicht stattfinden"22.

Die erhaltenen griechischen Schriftstücke, die die Nachricht Malaterras in einigen


Punkten haargenau bestätigen23, setzten jedoch andere Akzente. Weder das Synodal-
protokoll noch der Brief des Patriarchen an den Papst erwähnen die Azymenfrage aus-
drücklich. Das Anliegen des Papstes, das Malaterra als eine Beschwerde über das Azy-
menverbot darstellt, wird in der Sicht des Patriarchen zu einer Beschwerde über die
Vertreibung der Lateiner in Konstantinopel aus ihren Kirchen. Die Gründe für eine

22 GAUFREDUS MALATERRA, Historia Sicula, lib 4, cap 13 (ed. cit. 1192): „...idem Apostolicus <...>
Alexium imperatorem Constantinopolitanum per Nicolaum abbatem Cryptae ferratae et Rogerium
diaconum conveniens petema increpatione commonuerat, quod christianis Latinis, qui in sua
provincia morabantur, azymo immolari interdixerat, praeeipiens in sacrifieiis more Graecorum
fermentato uti, quod nostra religio omnino non habet. Imperator vero increpationem eius
humiliter suseipiens, invitat eum per eosdem legatos chartulis aureis litteris scriptis, ut veniens
cum eruditis catholice viris latinis, Constantinopolitano concilio congregato, disputatio fieret inter
Graecos et Latinos, ut communi definitione in Ecclesia Dei illud scinderetur quod Graeci
fermentato Latini vero azymo immolabant unaque Ecclesia Dei unum morem teneret, dicens se
libenter catholicae discussioni assentire et quod authenticis sententiis, praesentibus Graecis et
Latinis, assentiri definiretur, sive azymo sive fermentato immolandum esset, se deineeps
observare velle. Terminum etiam quo papa accedere deberet statuit, anni videlicet et dimidii.
Comes vero, ut tantum schisma ab Ecclesia Dei amputaretur, eundi consilium dedit. Sed
impedientibus inimicis sanetae Dei Ecclesiae, qui Romae sibi infesti persistebant, iter prohibitum
est".
23 Ζ. Β. was die Einladung des Papstes bzw. seiner Vertreter nach Konstantinopel zur Besprechung
der kanonischen Probleme zwischen den Kirchen und die gesetzte Frist von anderthalb Jahre (im
griechischen Synodalprotokoll: 18 Monate) anbetrifft (s.: BECKER, Papst Urban 221).
228 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

solche Vertreibung (etwa Verbot der Azymenzelebration) werden nicht näher dargelegt.
Ich zitiere die diesbezügliche Passage in der Übersetzung Alfons Beckers:
„Wir empfanden <...> Schmerz <...> darüber, daß betrügerische und wahrhaft schadenfrohe
Menschen deiner Seligkeit eingeredet haben, wir seien derart gegen die Lateiner eingestellt,
daß sie von uns sogar ganz aus ihren heiligen und göttlichen Kultstätten vertrieben worden sei-
en. Gewiß vergebens haben sie deine heiligste Seele beschwätzt <...> Siehe, da möchten wir
dir darlegen, daß sie [die Lateiner] keineswegs aus den göttlichen Kirchen noch aus den ge-
wohnten gemeinsamen Versammlungen verdrängt werden, sondern daß so, wie deine Ehrwür-
digkeit die Unsrigen, die von euch Griechen genannt werden, von ihren gewohnten [Gottes-
dienst-] Versammlungen nicht fernhält, also auch wir den Einigen dies nicht antun, und ihr
sollt diesbezüglich keine Sorge und Befürchtung haben; weder sind sie nämlich aus den Kir-
chen verdrängt, noch sollen sie in Zukunft verdrängt werden"24.

Das Synodalprotokoll erwähnt die Frage einer Behinderung der lateinischen Kirchen
nicht, sondern beschreibt das Anliegen des Papstes als ein „Begehren nach Frieden,
Eintracht und der Wiederanführung seines Namens in den heiligen Diptychen - denn
nicht aufgrund synodaler Beurteilung und Entscheidung sei die Kirche von Rom von
der Gemeinschaft mit uns abgetrennt worden, sondern aus Nachlässigkeit, wie es
scheint, werde der Name des Papstes nicht mehr [in den Diptychen] geführt"25. Aus
dem Protokoll werden weiter die zwei wesentlich verschiedenen Positionen in dieser
Frage - die eine des Kaisers und die andere der an der Synode teilnehmenden Bischöfe
- ersichtlich: Der Kaiser neigt dazu, die Wiederaufnahme des Namens des Papstes in
die Diptychen bedingungslos gutzuheißen, die Bischöfe weisen dagegen daraufhin, daß
zwischen den Kirchen „kanonische Probleme" bestehen, deren Lösung die Vorausset-
zung für die Anführung des Papstnamens in die Diptychen sein muß, - „da die Lateiner
sich hierin zu verfehlen schienen"26. Es wird letzten Endes so entschieden, daß die Auf-
nahme in die Diptychen erst nach der Zusendung des Systatikons (des Amtsantritt-
schreibens, das auch das Glaubensbekenntnis des Hierarchen enthalten soll27) des Pap-
stes erfolgen muß. Zur Lösung der „Probleme" wird der Papst bzw. ein von ihm
bestimmter Vertreter nach Konstantinopel eingeladen, um durch Dialog die Streitfragen
zu lösen, was spätestens 18 Monate nach der erfolgten Aufnahme in die Diptychen
stattfinden soll. Geschieht dies nicht, wird die Sache nach Ablauf der gesetzten Frist
gemäß der „kirchlichen Gesetzestreue" {εκκλησιαστική ακρίβεια) entschieden. Die zu
lösenden Streitfragen werden dabei nicht konkret genannt.
Was konnte unter jenen „Problemen" oder „Streitfragen", die zwischen den Kirchen
bestehen, gemeint sein? Die im Synodalprotokoll gebrauchte Terminologie deutet eher

24 BECKER, Papst Urban 250-251.


25 Ebd., 216.
26 Ebd., 218.
27 Für das 11. Jahrhundert sind die Inthronistika des Petras von Antiocheia besonders wichtig, die
von MICHEL, Humbert und Kerullarios Π 416^75, ediert und kommentiert worden sind.
Die politische Dimension 229

auf kirchenrechtliche als auf dogmatische Meinungsverschiedenheiten hin: Die zu lö-


senden Streitfragen nennt man hier zweimal κανονικά ζητήματα und einmal
εκκλησιαστικά ζητήματα, dabei unterstreicht man, daß diese Probleme „kanonischer
Berichtigung" {κανονική διόρθωσις) bedürfen28. Dabei ist bemerkenswert, daß der
päpstliche Primat die griechischen Bischöfe als mögliche „Streitfrage" offensichtlich
gar nicht interessiert. Man hatte wohl kaum Vorstellungen von den im Westen stattge-
fundenen ekklesiologischen Veränderungen. Das Verfahren, das zur Lösung der Ange-
legenheit vorgeschlagen wird, vor allem die Zusendung des Systatikons29, geht von den
ekklesiologischen Vorstellungen der patriarchal organisierten „kaiserlichen" Kirche des
4.-7. Jahrhunderts aus. Daß es seitens des Papsttums grundsätzliche theoretische Ein-
wände gegen ein solches Verfahren geben könnte, war den griechischen Bischöfen
offenbar nicht bewußt. Hinter den „kanonischen Problemen" verbergen sich wohl jene
Streitfragen, die uns bereits seit dem Schreiben des Leon von Achrida bekannt sind:
Sabbatfasten, Zölibatfrage, und vor allem die Azymen. Es ist kein Zufall, daß die grie-
chischen Bischöfe vom päpstlichen Systatikon nicht nur die Darlegung des Glaubens
der sieben ökumenischen Konzilien verlangten, was eine im Grunde übliche Forderung
war, sondern auch die Bestätigung dessen, daß der Papst die „Kanones der heiligen
Väter und Lehrer verehre und annehme, die das sechste Konzil angenommen hat" .
Diese letzte Forderung war für die zeitgenössischen Glaubensbekenntnisse und Systati-
ka ganz unüblich, ja sogar einmalig31. Gemeint ist ohne Zweifel das Konzil in Trullo
von 691/232, dessen Kanones 13 und 55 über das Sabbatfasten und die Priesterehe be-
kanntlich die Gewohnheiten der römischen Kirche ausdrücklich in Frage stellten33 und
dessen Kanon 11 über die jüdischen Azymen34 schon bei Niketas Stethatos als Begrün-
dung für die Ablehnung des lateinischen ungesäuerten Brotes herangezogen wurde35.
Der Papst wird also bewußt aufgefordert, jene Kanones, die bei der Behandlung der

28 BECKER, Papst Urban 218-221.


29 Bemerkenswerterweise, um „denjenigen <...> [der] gleichrangigen Amtsbrüder (!), die schon vor
ihnen Kirchenfuhrer geworden sind, ihren frommen und wahrhaften Glauben" anzuzeigen, s.:
BECKER, Papst Urban 252: τοις προηγησαμένοις των όμοταγων τον της εύσεβοΰς και
ειλικρινούς πίστεως λόγον έπιδεικνυσθαι.
30 BECKER, Papst Urban 220.
31 Dazu: BECKER, Papst Urban 245 Anm. 117. Vgl. auch bei MICHEL, Humbert und Kerullarios Π
416—475, die Inthronistiken des Petros von Antiocheia.
32 Da das sechste ökumenische Konzil keine eigene Kanones verabschiedet hatte, galt das Konzil in
Trullo (691/2) als dem sechsten ökumnischen Konzil angehörend sowohl in der byzantinischen
als auch im römischen kanonischen Recht (s. z. B.: DECRETUM GRATIANI, D. 22 c. 6; C. 28 q. 1
c. 13, und bei Niketas Stethatos, WILL 131b Z. 8-9).
33 Text s.: NEDUNGATT / FEATHERSTONE, The Council in Trullo 84-86; 136-137. Zu den sog. „anti-
römischen Kanones" des Quinisextums s.: ebd., 307-321.
34 Den Wortlaut des Kanons s. oben, S. 41 Anm. 53.
35 WILL 131b Z. 16-23.
230 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

„kanonischen Probleme" die griechische Seite in den Fragen der Priesterehe, des Sab-
batfastens und der Azymen zu unterstützen scheinen, ausdrücklich anzuerkennen .
Daß die Frage des eucharistischen Brotes trotz der Nichterwähnung in den griechi-
schen Quellen und in voller Übereinstimmung mit der Nachricht von Malaterra eine
große, aller Wahrscheinlichkeit nach die entscheidende Rolle in den Verhandlungen
von 1089 spielen sollte, bestätigt in indirekter Weise eine erhaltene Schrift eines der
Konzilsteilnehmer. Der Patriarch Joannes IV. Oxeites von Antiocheia, der an der Syn-
ode in Konstantinopel 1089 teilnahm, erinnerte sich in seinem späteren Traktat über die
Azymen37 an einen „Vermittlungsversuch", den er „bezüglich der Einigung der Kir-
chen" in Übereinstimmung mit dem Kaiser und mit dem „unter allen besten und ersten
der Brüder" - offensichtlich dem Patriarchen von Konstantinopel - unternommen ha-
be38. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich dabei um seine Rolle auf der Synodalsit-
zung vom Jahre 1089 handelte39. In Erinnerung an diesen Versuch widmete er seinen
Azymentraktat „zur Gegenüberstellung unserer rechtmäßigen Wahrheit mit der irrigen
Ansicht derer, die diese Azymen verehren, damit, wenn jene entsprechend dem darauf
abzielenden Bestreben mit uns zusammentreffen und diesbezüglich eine Diskussion
entsteht, dieser Traktat nützlich ist"40. Weiter charakterisiert Joannes die Frage der
Azymen als die wichtigste Ursache der Trennung zwischen den Griechen und den La-
teinern: „Die Azymenfrage enthält ja die Summe der christlichen Religion"41.
Spezielles Interesse verdient in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Lateiner in
Konstantinopel bei ihren Gottesdiensten tatsächlich Behinderungen hinnehmen mußten.
Die Ausgangslage im Jahr 1089 ist der Situation in den Jahren 1053/54 sehr ähnlich:
Der Papst habe gehört (ihm wurde „eingeredet"42), daß die Lateiner in Konstantinopel
aus ihren Kultstätten vertrieben worden seien (Brief des Patriarchen Nikolaos an den
Papst). Der Grund für diese Vertreibung sei offensichtlich das Verbot, mit ungesäuer-
tem Brot Eucharistie zu feiern (Ergänzung Malaterras). Daß man die Lateiner wirklich
aus ihren Kirchen vertrieben habe, und daß der Patriarch in seinem Brief den Papst
blank belogen habe, ist kaum möglich, vor allem deswegen, weil Kaiser Alexios im
Jahr 108243 den Venezianern als Belohnung für ihre Hilfe im Krieg gegen die Norman-

36 Entgegen der Meinung von BECKER, Papst Urban 245 Anm. 117, der versucht, die Bedeutung des
Hinweises auf das Quinisextum gewissermaßen herunterzuspielen.
37 Zu dieser Schrift s. oben, S. 95 (Nr. 15).
38 BECKER, Papst Urban 229.
39 Diese Meinung vertritt BECKER, ebd. Dagegen hält diese Nachricht des Joannes Jean DARROUZES,
Les documents byzantins 54, nach wie vor für rätselhaft.
40 BECKER, Papst Urban 230.
41 Den Wortlauts, oben, S. 113 Anm. 190.
42 πεπείκασιν: HOLTZMANN, Die Unionsverhandlungen 63.
43 Es gibt auch andere Datierungsansätze: 1083 und 1092 (ODB 2158). Das letzte Datum übernimmt
ζ. Β. FEDALTO, La Chiesa latina 225-227. Das Datum 1082 wird von LILIE, Handel und Politik,
übernommen.
Die politische Dimension 231

nen eine Reihe wichtiger Privilegien, vor allem für ihre kommerziellen und finanziellen
Interessen in Byzanz, einräumte. Nach kaiserlichem Beschluß bekamen die Venezianer
in Konstantinopel auch ein eigenes Stadtviertel mit eigenen Kirchen, welches eine rela-
tiv große Unabhängigkeit von der byzantinischen Verwaltung genoß44. Jeder Versuch,
die Lateiner generell aus ihren Kirchen zu vertreiben, hätte einen drastischen Verstoß
gegen die kaiserliche Politik und gegen die jüngst gewährten Rechte der Venezianer
bedeutet. Daß jedoch auch die Azymenzelebration der Lateiner nicht öffentlich getadelt
wurde, kann man aus den Worten des Nikolaos Grammatikos nicht erschließen. Viel-
mehr hört man im Brief des Patriarchen gewisse Untertöne, die darauf schließen lassen,
wie der Patriarch eigentlich gesinnt war. Der Patriarch fügt, nachdem er die Beschwer-
de des Papstes entschieden zurückgewiesen hat, hinzu:
, J)enn nicht zu unterdrücken oder zu zerstreuen, sondern vielmehr um die getrennten Glieder
zusammenzuführen, bemühen wir uns eifrig und wollen, daß sie zu einem Leib Christi zu-
sammengefügt werden - j a wir wünschen, daß alle dasselbe denken, mit ganzer Seele, Über-
zeugung und Bestrebung, und [daß sie] eben darin rechtens wandeln und in nichts vom Rech-
ten überhaupt abweichen"45.

„Vom Rechten abweichen": Das konnte im Schreiben des griechischen Patriarchen an


das Oberhaupt der westlichen Kirche eine Reihe ganz konkreter Dinge bedeuten, und
zwar: das Filioque, das Sabbatfasten, das Verbot der Priesterehe und eben die Euchari-
stie mit ungesäuertem Brot. Die Stellungnahme des Patriarchen Joannes Oxeites von
Antiocheia zur Frage der Azymen demonstriert, welches Gewicht dem Problem des
eucharistischen Brotes von einem der prominentesten Vertreter des byzantinischen
Episkopats zugewiesen wurde. Wir wissen nicht, was konkret die Beschwerde des Pap-
stes über die Behinderung lateinischer Gottesdienste in Konstantinopel hervorgerufen
hat. Man darf aber mit gutem Grund vermuten, daß Urban die Nachrichten über die
Angriffe der Griechen auf die lateinische Azymenzelebration als Behinderung der latei-
nischen Liturgie in Konstantinopel verstanden haben könnte.
Der interessanteste Aspekt dieser Episode ist wohl der Vorschlag der griechischen
Bischöfe, die bestehenden Streitfragen auf einem Konzil in Konstantinopel zu lösen. Es
ist bemerkenswert, daß man im Synodalprotokoll auf die Notwendigkeit hinweist, zu
solch einer Zusammenkunft mit dem Papst bzw. seinen Vertretern auch die übrigen
östlichen Patriarchen (von Alexandreia und Jerusalem; der von Antiocheia war bereits
auf der Synode anwesend) einzuladen. Das Ziel der Zusammenkunft sei es, die Streit-
fragen zu besprechen und „in exakter Übereinstimmung mit den göttlichen Kanones" zu

44 S. dazu ausführlich: LILIE, Handel und Politik 8 ff.; speziell zu den lateinischen Kirchen: LILIE,
Die lateinische Kirche 202-203.
45 BECKER, Papst Urban 251-252: Ουδέ γαρ κωλύειν ή σκορπίξειν, άλλα συνάγειν μάλλον τα
διεστώτα μελή σπουδάζομεν και εις εν σώμα Χρίστου συναρμολογεΐσθαι ταϋτα βουλόμεθα
τό αυτό τε φρονεΐν όλη ψυχή και προαιρέσει καί τφ αύτω στοιχεΐν πάντας ορθώς καί κατά
μηδέν τοϋ εικότος δλως έκτρέπεσθαι εϋχόμεθα.
232 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

lösen. Es erscheint denkbar, daß die östlichen Patriarchen für die geplante Zusammen-
kunft keine tiefgreifende Diskussion strittiger Fragen, sondern ausschließlich eine „ka-
nonische Berichtigung" eines in Irrtümer verfallenen Amtsbruders im Sinne hatten.
Nichtsdestoweniger ist die Idee in gewisser Hinsicht bahnbrechend. Wir werden sehen,
wie sie im Laufe der Geschichte der Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel
immer wieder auftauchen wird. Das, was wir aus dem Synodalprotokoll erfahren, wird
durch die Nachricht von Gaufredus Malaterra bestätigt. Er schildert jedoch den Vor-
schlag als Angebot des Alexios I., das im kaiserlichen Schreiben an den Papst enthalten
war. Der Gegenstand der Diskussionen auf dem Konzil soll nach Malaterra ausschließ-
lich die Azymenfrage sein. Das Ergebnis des geplanten Konzils zielte nach Malaterra
auf die Vereinheitlichung des eucharistischen Brauchs. Wir wissen nicht, ob das
Schreiben des Kaisers diese tatsächlich in Aussicht stellte. Möglich ist ebenso, daß
diese Meinung eher die Ansicht des Malaterra ausdrückt, der die Vereinheitlichung des
liturgischen Brauches als Vorbedingung zur kirchlichen Einheit ansah.
Die Dokumente, die im Zusammenhang mit dem Verständigungsversuch von 1089
stehen, führen uns zu einem weiteren Aspekt der damaligen Problematik, und zwar in
die kirchenpolitische Lage in Süditalien. Zwei griechische Bischöfe aus Kalabrien,
Metropolit Basileios von Rcggio und Erzbischof Romanos von Rossano, wurden vom
Patriarchen Nikolaos beauftragt, einen Brief von ihm dem Papst zu überbringen. Das
von Holtzmann edierte griechische Dossier enthält einen Brief des Basileios von Reggio
an Nikolaos Grammatikos, in dem er dem Patriarchen von der gespannten Lage in
Kalabrien und von der von Papst Urban II. einberufenen Synode von Melfi 1089 be-
richtet. Über die Grundlagen der süditalienischen interkulturellen Spannungen war be-
reits die Rede46. An dieser Stelle sei hervorgehoben, daß für die Byzantiner in der
zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts insbesondere der endgültige Verlust der Kontrolle
über Süditalien an die Normannen von Bedeutung war, sowie der Streit um die Neube-
setzung der Bistümer, wo lateinische und griechische Kandidaten oftmals miteinander
rivalisierten. Das war gerade auch bei Basileios von Reggio der Fall: Er wurde, wie er
selbst berichtet, 1078 aus seinem Erzbistum vertrieben, und verlor seinen Sitz an einen
Lateiner. Papst Urban II. scheint auf dem Konzil von Melfi 1089 die Richtlinien für
seine Politik in Bezug auf die griechischen Bistümer in Süditalien und die damit ver-
bundenen Probleme der Riten gefunden zu haben. Basileios, ein heftiger Gegner Urbans
und Sympathisant des Gegenpapstes Clemens, hat in seinem Brief an den Patriarchen
Nikolaos die Politik Urbans Π. den griechischen Bischöfen in Süditalien gegenüber
prägnant formuliert: „Unterwirf dich mir, und du wirst deine Kirche wieder erhalten"47.
Solange die griechisch-kalabresischen Bischöfe den römischen Papst als ihr Oberhaupt

46 S. oben, S. 53-60.
47 HOLTZMANN, Die Unionsverhandlungen 65: ΰποτάγηθι μοι και λήψει τήν έκκλησι'αν σοΰ.
Die politische Dimension 23 3

und ihren Jurisdiktionellen Vorsteher anerkannten, durften sie unbeschadet ihres Ritus
und ihrer sakramentalen Gewohnheiten ihre Bistümer behalten48.
Zusammenfassend kann man die 45 Jahre nach den Ereignissen von 1053/54 als eine
„Zwischenzeit" charakterisieren, als eine Zeit der langsam wachsenden Entfremdung,
die ohne konkrete Konflikte ablief. Die wenigen Kontakte, die zustande kamen, führten
jedoch zu keinen tiefgreifenden Ergebnissen. Der Konflikt von 1053/54 hat sich nicht
weiterentwickelt, sondern scheint in den darauffolgenden Jahrzehnten zum Erliegen
gekommen zu sein. Keine der beiden Konfliktseiten hat aus den gegenseitigen Exkom-
munizierungen weitere Schlußfolgerungen gezogen: Sie betrafen ja nur die an den da-
maligen Ereignissen beteiligten Personen und nicht die beiden Kirchen als ganze.
Kennzeichnend ist hierfür die Nachricht des Synodalprotokolls von 1089: Dreiundiunf-
zig Jahre nach den Exkommunikationen von 1054 konnten die griechischen Bischöfe in
der Hagia Sophia und im Patriarchalarchiv keine Schriften ausfindig machen, die er-
kennen ließen, „ob die Kirche von Rom von uns [Griechen] getrennt sei und ob deshalb
der Name des Papstes in den heiligen Diptychen nicht angeführt werde"49. Anscheinend
gingen die Ereignisse von 1054 spurlos vorüber. Die Kircheneinheit wurde zwar durch
gewisse Ungereimtheiten und „Probleme" als gefährdet empfunden, sie galt jedoch
weder im Westen noch im Osten als verloren: Lateiner und Griechen pflegten weiterhin
verschiedenste Kontakte, sei es im Handel, in Wallfahrten und Pilgerreisen bis hin zu
dynastischen Verbindungen50. Bei derartigen Kontakten hegte man im Großen und
Ganzen keinen Zweifel an der gemeinsamen Zugehörigkeit zu der einen christlichen
Kirche. Auch die Zielsetzungen des ersten Kreuzzugs, wie sie in den Dokumenten dar-
gelegt werden, deuten daraufhin, daß die Griechen von den Lateinern als „Mitchristen"
empfunden wurden, denen Hilfe gewährt werden mußte51. Andererseits aber blieben die
sichtbaren und eindeutigen Zeichen der aktuellen Kircheneinheit zwischen dem Papst
von Rom und den Patriarchen des Ostens aus. Für das Morgenland war insbesondere
der lange Ausschluß des päpstlichen Namens in den liturgischen Diptychen52 der östli-
chen Patriarchen von Bedeutung, eine Tatsache, die bereits in der Mitte des

48 BECKER, Papst Urban 80.


49 HOLTZMANN, Die Unionsverhandlungen 61: καί ώς ταύτας [γραφάς] μέν μη ΰπείναι
συνέθεντο οι αρχιερείς.
50 Ein anschauliches Beispiel des Zusammenwirkens der Lateiner und Griechen im religiösen Be-
reich in der in Betracht kommenden Zeit bietet die Tätigkeit von Cluny, s.: BECKER, Papst Urban
15-17.
51 BECKER, Papst Urban 403, Anm. 306.
52 Zu den liturgischen Diptychen sowie ihrer kirchenrechtlichen und kirchenpolitischen Bedeutung
in Byzanz s.: ODB 637-638 (TAFT / KAZHDAN); TAFT, The Diptychs. Zur Problematik der Kom-
memoration in den Diptychen im Konflikt von 1053/54 s.: MICHEL, Humbert und Kerullarios Π
24-40.
234 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

11. Jahrhunderts unter Byzantinern diskutiert wurde53 und in den Verständigungsver-


handlungen von 1089 wieder zur Sprache kam. Als den wichtigsten Störungsfaktor
jedoch in den Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel in dieser Zeit muß man
zweifelsohne das Problem des eucharistischen Brotes betrachten54.
Zwei Ereignisse dieses Zeitabschnittes haben sich als besonders folgenschwer für die
spätere Zeit erwiesen, sie bargen in sich schon die Keime der neuen Epoche. Das erste
war die Vergabe des Handelsprivilegs von Kaiser Alexios I. Komnenos an Venedig im
Jahr 1082, wovon bereits kurz die Rede war. Dieses Privileg bereitete die Expansion
Venedigs und anderer italienischer Seestädte wie Pisa und Genua auf dem byzantini-
schen Territorium im Laufe des 12. Jahrhunderts vor. Dadurch wurden die Byzantiner
immer stärker mit dem Westen konfrontiert, was letzten Endes zu den schwer über-
brückbaren wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Spannungen zwischen Latei-
nern und Griechen führte. Das zweite Ereignis war noch folgenschwerer: Der Anfang
der Kreuzzugsbewegung, die die ganze Problematik der Beziehungen zwischen Rom
und Konstantinopel in den nächsten Jahrhunderten bestimmen sollte55. Der erste Kreuz-
zug (1096-1099) hatte die Gründung der Kreuzfahrerstaaten im Nahen Osten zur Folge,
was den Beginn eines neuen Zeitabschnitts in den kirchenpolitischen Verhältnissen
zwischen Rom und Konstantinopel markierte.

2. Von der Entstehung des Schismas in den Patriarchaten von Jerusalem


und Antiocheia 1099/1100 bis 1204

Nachdem 1054 als das Datum der endgültigen Trennung zwischen der lateinischen und
der byzantinischen Kirche durch die Forschung des 20. Jahrhunderts in Frage gestellt

53 So tadelte Kerullarios den Petras von Antiocheia dafür, daß dieser angeblich den Namen des
Papstes in seinen Diptychen kommemoriere; Kerullarios selber äußerte die Oberzeugung, daß der
Name des Papstes seit dem 6. Ökumenischen Konzil nicht in den Diptychen angeführt werde
(WILL 178 Z. 15 - 179 Z. 6). Petras dagegen äußerte in seinem Antwortschreiben an Kerullarios
die Meinung, der Name des Papstes sei erst unter Papst Sergius (IV., 1009-1012) aus den Dipty-
chen gelöscht worden (WILL 190 Z. 7 - 193 Z. 10).
54 Dies wird auch durch andere Schriften gegen die Azymen aus dieser Zeit bezeugt, ζ. Β. Joannes
von Kiev an Gegenpapst Clemens, s. oben, S. 94 (Nr. 14a).
55 Die folgende Erörterung der Problematik, die im Zusammenhang mit der Geschichte der Kreuz-
züge im 12. und 13. Jahrhundert steht, basiert auf folgenden zusammenfassenden Darstellungen:
RUNCIMAN, Geschichte der Kreuzzüge, 3 Bde. (Originalaug.: 1951-54; dt. Übers.: 1957-60);
SETTON (Hg. ),AHistoryofthe Crusades, 6 Bde. (21969—1989); KAWERAU, Ostkirchengeschichte,
HI: Das Christentum in Europa und Asien im Zeitalter der Kreuzzüge (1982); RILEY-SMITH, The
Crusades (1987); MAYER, Geschichte der Kreuzzüge (71989); RILEY-SMITH (Hg.), Illustrierte
Geschichte der Kreuzzüge (Originalausg.: 1995; dt. Übers.: 1999); RICHARD, The Crusades
(Originalausg. 1996; engl. Übers. 1999). Literatur zur Einzelproblematik wird im folgenden ange-
führt.
Die politische Dimension 235

wurde, scheint das Jahr 1204 die besten Aussichten zu haben, als Zeitpunkt des irrever-
siblen Bruchs anerkannt zu werden. Indessen hat bereits Steven Runciman in seiner
Monographie zum östlichen Schisma (1955) auf ein weiteres Datum aufmerksam ge-
macht, das kirchenrechtlich gesehen sowohl mit 1054 als auch mit 1204 konkurrieren
könnte56. Es handelt sich um die Jahre 1099/1100, in denen die Gründung der Kreuzfah-
rerstaaten und die Einsetzung lateinischer Patriarchen für Jerusalem und für Antiocheia
stattfand. In den genannten Jahren wurden die griechischen Patriarchen von den Kreuz-
fahrern vertrieben und an ihrer Stelle lateinische Geistliche ernannt. Aus kanonischer
Sicht vollzog man damals in Jerusalem und Antiocheia ein Schisma im klassischen
Sinne des Wortes57: Es entstand eine Situation, in der jeweils flir einen Patriarchensitz
zwei Patriarchenlinien für längere Zeit miteinander rivalisierten. Vertreter der einen
Linie wurden von den neuen lateinischen Herrschern eingesetzt und gewannen dabei
geistliche Gewalt jeweils über das ganze ehemalige melkitische58 Patriarchat ein-
schließlich der dort lebenden Griechen und Syrer. Vertreter der anderen Linie, die vom
byzantinischen Kaiser designiert wurden, residierten in Konstantinopel und verstanden
sich als alleinige rechtmäßige Patriarchen, die von ihren Sitzen verbannt sind bzw. im
Exil leben müssen. Über das Schicksal der beiden um 1099 amtierenden melkitischen
Patriarchen Joannes IV. (V.) Oxeites von Antiocheia und Symeon II. von Jerusalem
wissen wir wenig, jedoch kann man heute die Verbannung aus ihren Städten und die
gleichzeitige Einsetzung von lateinischen Klerikern an ihrer Statt als nachgewiesen
betrachten. Die Gründung der lateinischen Patriarchate in Antiocheia und Jerusalem
kurz zu resümieren lohnt sich umso mehr, als die beiden 1099/1100 vertriebenen Patri-
archen unter anderem bedeutende Schriften gegen den lateinischen Gebrauch von Azy-
men hinterlassen haben.
Dank der verbesserten Quellenlage besitzen wir heute über Joannes Oxeites mehr
Kenntnisse als über Symeon59. Wahrscheinlich 1089 zum Patriarchen von Antiocheia
ernannt, nahm Joannes in demselben Jahr an der oben angesprochenen Synode in Kon-
stantinopel teil, die sich im Zusammenhang mit der Legation Urbans II. versammelte.
Einige Zeit darauf verfaßte er eine Schrift gegen die lateinische Azymenzelebration60.
Zum Zeitpunkt seiner Ernennung war Antiocheia nach mehr als 100 Jahren der sog.
„zweiten" byzantinischen Regierungszeit (969-1084) in die Hände der Seldschuken

56 RUNCIMAN, The Eastern Schism 92. 97.


57 So z. B.: Cyprian von Karthago, Epistola 69: „...perditionem sibi maximam de indignatione Dei
adquirant qui schisma faciunt et relicto episcopo alium sibi foris pseudoepiscopum constituunt..."
= DECRETUM GRATIANI C. 7 q. 1 c. 9 (ed. cit. 569). Zum Begriff „Schisma" s.: FEINER / LÖHRER
(Hg.),Mysterium salutis TV/l 415^26 (CONGAR).
58 Zur Bezeichnung „Melkiten", die in Bezug auf die in Syrien und Ägypten ansässigen Chalkedo-
nenser verwendet wird, s.: ODB 1332 (GREGORY).
59 Der Stand der Forschung ist resümiert bei: GAUTIER, Jean V. l'Oxite 128-135. S. auch: ODB 1049
(KAZHDAN).
60 S. oben, S. 95 (Nr. 15).
236 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

gefallen. Zwei Jahre mußte Joannes in der Reichshauptstadt warten, bis er 1091 seine
Residenz in Antiocheia aufschlagen konnte. Während der Belagerung Antiocheias
durch die Kreuzfahrer vom 21. Oktober 1097 bis zum 3. Juni 1098 blieb der Patriarch
nach Berichten westlicher Geschichtsschreiber in Antiocheia. Dabei wurde er von den
Türken auf den Mauern der Stadt vor den Augen der Belagerer öffentlich gefoltert61.
Nach dem Bericht des Albert von Aachen wurde Joannes nach der Einnahme Antio-
cheias durch den Normannen Bohemund von Tarent auf seinem Patriarchensitz „mit
aller Unterwerfung und Verehrung" belassen62. Nach Ordericus Vitalis und Wilhelm
von Tyrus mußte Joannes jedoch nach etwa zwei Jahren sein Patriarchat verlassen. Am
interessantesten ist die Nachricht des Ordericus, der den Ereignissen zeitlich am näch-
sten steht63; sein Zeugnis ist auch wegen seines normannischen Hintergrunds besonders
wertvoll. Hier ist die Erzählung aus seiner Historia ecclesiastica:

„Ein gewisser Grieche hatte das Patriarchat Antiocheias zur Zeit der türkischen Regierung in-
ne, der von den normannischen Siegern schwer gefügig zu machen war. Die Normannen,
nachdem sie die Macht über die Stadt erlangt hatten, beschlossen, den Klerus und das Volk auf
den lateinischen Ritus hin zu verpflichten, was die Griechen, die [ihren] alten Gewohnheiten
folgten, für unangemessen kühn hielten. Nachdem Bohemund gefangengenommen worden
war, entstand im Volk ein Gerücht, daß der Patriarch die Übergabe der Stadt an den [byzanti-
nischen] Kaiser vorbereite. Als der [Patriarch] erfuhr, daß solch ein Gerücht über ihn im Um-
lauf sei, wurde er sehr zornig und, ich weiß nicht ob durch die Reinheit seines einfachen Ge-
wissens entrüstet oder durch die Anklage der frevlerischen Schuld und durch die Furcht
bewogen, verließ er sein Bistum, zog sich in die Wüste zurück und beschloß, nie wieder zu je-
nen zurückzukommen, deren Gewohnheiten er verabscheute"64.

61 ALBERT VON AACHEN, Historia hierosolymitana, V 1 (RecHC.Occ IV 433): „Patriarcham <...>


urbis, virum christianissimum, quem Turci, cum adhuc christianorum obsidione circumdaretur,
saepius funibus astrictum vivum ad moenia suspenderunt in oculis omnium, ad augendas populo
christiano molestias, et cuius pedes frequenter compedum laesione attriverant".
62 ALBERT VON AACHEN, ebd.: „Patriarcham <...> urbis, virum christianissimum, <...> decenter in
cathedra sua relocaverunt et principem antiochenae ecclesiae cum omni subiectione et religione
praefecerunt".
63 Seine Historia eccelsiastica ist in den Jahren 1120-1142 entstanden, s.: LMA VI 1432-1433
(SCHMALE).
64 ORDERICUS VITALIS, Historia ecclesiastica, pars 3, lib 10, cap 21 (ed. cit. 775 C-D): „Quidam
graecus, tempore Turcorum, patriarchatum Antiochiae possidebat, qui victoribus Normannis
intractabilis erat. Nam ipsi, postquam principatum adepti sunt, secundum ritus latinos clerum et
populum disponere decreverunt, quod Pelasgi priscos mores secuti satis incongruum esse temere
censuerunt. Capto autem Bohemundo, murmur ortum est in populo quod iste praesul pararet
urbem antiochenam prodere Augusto. Cumque idem comperisset de se talem murmur esse, iratus
est valde et nescio, an puritate simplicis conscientiae indignatus an nefarii reatus accusatione et
metu stimulatus, relicto episcopatu, in eremum successit, nee ultra redire ad eos, quorum mores
abhorrebat, diffinivit".
Die politische Dimension 237

Ordericus bringt die Unzufriedenheit der Normannen mit dem griechischen Patriarchen
klar zum Ausdruck und versucht nicht, den Konflikt zwischen Joannes und den Kreuz-
fahrern zu vertuschen. Wilhelm von Tyrus (f 1186) gibt in seiner Historia eine geglät-
tete Version der Ereignisse um Joannes von Antiocheia, aber sein Versuch, die Ge-
schichte in besseres Licht zu stellen, überzeugt nicht, vielmehr bestätigt seine Erzählung
die Spannungen, die damals aufgetreten sind. Nach seinem Bericht wurde Joannes nach
der Eroberung Antiocheias zuerst „mit viel Ehre" auf seinem eigenen Stuhl belassen.
Bewußt wurde zunächst kein lateinischer Patriarch gewählt, um zu vermeiden, daß zwei
Personen einen Sitz beanspruchten, „was ausdrücklich gegen die hl. Kanones" sei.
Gleichzeitig aber haben die Kreuzfahrer „für die angrenzenden Städte" Bischöfe (d.h.:
lateinische Bischöfe) konsekriert65. Nach zwei Jahren habe Joannes selber gesehen,
„daß es nicht hinreichend nützlich sei, wenn ein Grieche den Lateinern [d.h. den neu
konsekrierten lateinischen Bischöfen] vorstehe". Daher habe er Antiocheia verlassen
und sei nach Konstantinopel gegangen. Danach seien „der Klerus und das Volk" in
Antiocheia zusammengekommen und hätten als neuen Patriarchen von Antiocheia Ber-
nard von Valencia gewählt, der früher Kaplan im Heere der Kreuzfahrer war und kurz
vor seiner Wahl lateinischer Bischof von Artah wurde66. Von Joannes Oxeites ist ein
datiertes Schreiben vom Oktober 1100 erhalten, in dem er sein Patriarchenamt nieder-
legt67. Die Chronologien von Ordericus Vitalis und Wilhelm von Tyrus stimmen so-
wohl untereinander als auch mit der Datierung des Abdankungsschreibens des Joannes
überein: Nach der Einnahme Antiocheias durch die Kreuzfahrer am 3. Juni 1098 blieb
Joannes noch zwei Jahre im Amt. Kurz nachdem Bohemund vom Emir von Sebastia
Danischmend gefangengenommen wurde (Juli/August 1100), hat Joannes Antiocheia
verlassen und ging nach Konstantinopel. Dort dankte er im Oktober 1100 ab, wohlge-
merkt nicht zugunsten eines Lateiners, sondern offenkundig mit der Absicht, einen
griechischen Nachfolger wählen zu lassen. An seiner Stelle wurde jedoch von den

65 Es sei betont, daß es sich ausschließlich um Sitze handelte, die im Jurisdiktionsbereich nicht des
Jerusalemer, sondern des antiochenischen Patriarchen lagen. S.: FEDALTO, La Chiesa latina 98
und 118.
66 WILHELM VON TYRUS, Chromeon, lib 6, cap 23 (ed. cit. LXIII 340): „Dominum <...> patriarcham,
Joannem nomine, qui tanquam veras Christi confessor post nostrorum adventum inünita ab
infidelibus pertulerat supplicia, in sede propria cum multo honore locaverunt, per urbes finitimas,
quae cathedralem consueverant habere dignitatem, constituentes episcopos. Nostrae vero
Laünitatis patriarcham, eo vivente, qui pridem ibi ordinatus fuerat, eligere vel consecrare non
praesumpserunt, ne duo unum et eundem obtinere thronum viderentur, quod manifeste contra
sacros canones et contra sanetorum statuta patrum esse dinoscitur. Sed tarnen postmodum vix
evoluto biennio videns ipse quod non satis utiliter praeesset Grecus Latinis, urbe cedens,
Constantinopolim abiit Post cuius discessum convenientes eiusdem civitatis clerus et populus
Artasiensem episcopum, Bemardum nomine, natione Valentinum, qui, in eadem expeditiione
dominum Podiensem episcopum sequutus fuerat capellanus eius, sibi praefecerunt patriarcham".
67 Ediert in: GAUTIER, Jean V. l'Oxite 136-140.
238 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Kreuzfahrern vermutlich noch im Jahre 1100 Bernard von Valencia zum Patriarchen
gewählt.
Über die Geschichte des Patriarchen Symeon II. von Jerusalem gibt es widersprüch-
liche Zeugnisse. Lange Zeit galt es als bewiesen, daß Symeon noch zur Zeit der Belage-
rung Jerusalems durch die Kreuzfahrer im Juli 1099 auf Zypern verstorben sei68. Die
Wahl des Arnulf von Chocques zum (lateinischen) Patriarchen der Heiligen Stadt am
1. August 1099 durch die neuen Herrscher Jerusalems erschien daher als ein zwar über-
eilter, aber doch gewissermaßen gerechtfertigter Schritt. Symeon galt in der Literatur
als Freund der Lateiner und Förderer der Kreuzfahrer. Diese Meinung stützt sich vor
allem auf zwei lateinische Briefstücke, die sich als Aufrufe der Kreuzfahrer und des
Patriarchen von Jerusalem aus den Jahren 1097-1098 an das Abendland verstehen und
um dringende militärische Hilfe aus dem Westen werben69. Beide Briefe schienen Pro-
dukte engster Zusammenarbeit zwischen den Kreuzfahrern und dem Patriarch Symeon
zu sein70. Noch 1869 hat Philipp Jaffe den bekannteren der beiden Briefe für eine Fäl-
schung gehalten71. Auch die Glaubwürdigkeit der Berichte über den Tod des Symeon
im Jahre 1099 hat man vereinzelt angezweifelt; Martin Jugie hat diese Zweifel 1927
ausführlich begründet72. Jüngst vermochte Peter Plank auf überzeugende Weise alle
erhaltenen Zeugnisse über Symeon zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzuführen73.
Nach seinen Untersuchungen darf es heute als sehr wahrscheinlich gelten, daß der Tod
des Patriarchen im Jahre 1099 auf Zypern Legende ist, deren Zweck es war, die Ernen-
nung eines Lateiners zum Oberhaupt der Kirche von Jerusalem zu legitimieren. Das
gewichtigste Argument für diese Interpretation der Quellen liefert die Tatsache, daß
unter dem Namen des Patriarchen Symeon ein Traktat gegen die Azymen überliefert ist,
der nicht vor 1106 entstanden sein kann74. Auch die „Lateinerfreundlichkeit" des Sy-

68 So noch RUNCIMAN, The Eastern Schism 87. S. auch: RILEY-SMITH, The Crusades 46; MAYER,
Geschichte der Kreuzzüge 58 (hier jedoch mit gewisser Vorsicht); HAMELTON, The Latin
Church 12; BECKER, Papst Urban 432; PAPADAKIS, The Christian East 94; ODB 1982 (PA-
PADAKis). Diese Ansicht basiert auf Berichte Alberts von Aachen (Historia hierosolymitana, I 2 -
5 und VI39) und Wilhelms von Tyrus {Chronicon, 111, und Vm 23, ed. cit. 124-126. 416). Vgl.
dagegen: LMA VHI362 (P. R A N K ) .
69 Die Briefe ediert in: HAGENMEYER, Epistulae et chartae 141-142 (Nr. VI) und 146-149 (Nr. IX);
Kommentar: 242-247 und 269-275.
70 So ζ. Β.: RUNCIMAN, The Eastern Schism 85; HAMILTON, The Latin Church 6-7; LILIE, Die latei-
nische Kirche 216.
71 JAFFE, Monumenta Bambergensia 181 Anm. 1: „Commenticiam esse hanc epistolam, minime
difficile intellectu est".
72 JUGIE, Le traite sur les azymes. .
73 PLANK, Patriarch Symeon II. von Jerusalem (1994).
74 In diesem Traktat wird auf eine Schrift „eines gewissen Papst Silvester" Bezug genommen (Text
in: LEIB, Deux inedits 217 [85]), der nur mit dem Gegenpapst Silvester IV. (Maginulfus) identisch
sein kann, der erst am 18. November 1105 als (Gegen-)Papst gewählt wurde. Die Rivalität des
Die politische Dimension 239

meon entbehrt jeglicher historischen Grundlage, weil in beiden Briefen, auf die sich
diese Meinung stützt, der Verweis auf patriarcha Hierosolymitanus eine Fälschung ist.
Vielmehr gibt es Gründe dafür, daß Symeon nach der Eroberung der Stadt durch die
Kreuzfahrer sich nach Kräften wehrte, die Reliquie des Heiligen Kreuzes den Lateinern
zu übergeben, und deswegen in einen ernsthaften Konflikt mit den neuen Herrschern
Jerusalems geriet75. Vielleicht war eben dieser Konflikt der Anlaß seiner Vertreibung
aus der Stadt.
Man sieht also, daß in beiden Fällen - sowohl in Antiocheia als auch in Jerusalem -
die Rechte der melkitischen Patriarchen von den Kreuzfahrern ignoriert worden sind.
Beide Patriarchen waren - auch wenn wir die Einzelheiten nicht kennen - gezwungen,
ihre Patriarchate zu verlassen. Die Wahl des Arnulf von Chocques zum lateinischen
Patriarchen von Jerusalem nur zwei Wochen nach der Einnahme der Heiligen Stadt
markierte den Beginn einer neuen Epoche in den Beziehungen zwischen Ost und West,
nämlich die Präsenz einer lateinischen Hierarchie im Orient76. Die Annulierung der
Wahl des Arnulf durch den päpstlichen Legaten Daimbert von Pisa, die Erhebung
Daimberts zum Patriarchen Ende Dezember 1099 anstelle des Arnulfs und die Bestäti-
gung dieses Vorgangs durch Papst Paschalis II. bedeuteten, daß Rom am Aufbau einer
lateinischen Kirche im Heiligen Land unmittelbares Interesse hatte. Kurz nach seiner
Amtseinführung weihte Daimbert vier lateinische Bischöfe: für Tarsus, Mamistra
(Mopsuestia), Artah und Edessa77. Bemerkenswerterweise lagen alle diese Städte im
Jurisdiktionsbereich nicht des jerusalemischen, sondern des antiochenischen Patriar-
chen, der damals noch Joannes Oxeites hieß. Einer von den vier neugeweihten Bischö-
fen, Bernard von Artah, wird kurz darauf anstelle des resignierten Griechen Patriarch
von Antiocheia. Die beiden griechischen Patriarchen fliehen nach Konstantinopel, wo
sich im 12. Jahrhundert eine konkurrierende Reihe von Patriarchen der beiden Städte
etabliert78. Damit fing ein Schisma an, das im Gegensatz zu jenem von 1054, das trotz
seiner heutigen Berühmtheit keine langfristigen kirchenrechtlichen Auswirkungen hatte,
viel gravierender und auf eine längere Dauer etabliert war.

Maginulfus mit Paschalis Π. dauerte bis April 1111, s.: LMA VII 1908 (SCHWAIGER). Vgl. oben,
S. 102 (Nr. 39).
75 Darauf deutet ein Bericht aus der Narratio de reliquiis in monasterium Scqfhusene trartslatis, s.:
PLANK, Patriarch Symeon 315-323.
76 Zur lateinischen Kirche im Orient s.: LEQUIEN, Oriens christianus Ι-ΠΙ; FEDALTO, La Chiesa
latina; HAMILTON, The Latin Church. Einzelne Aspekte der Problematik sprechen auch an: LILIE,
Die lateinische Kirche; FAVREAU-LILIE, Die italienischen Kirchen.
77 FEDALTO, La Chiesa latina 98. 118.
78 Die Überlieferung ist nicht eindeutig, manche griechische Patriarchen scheinen von den Lateinern
eingesetzt worden zu sein, so Sabas für Jerusalem in den Jahren 1117-1118 (HAMILTON, The La-
tin Church 180). Vgl. die Wiedereinsetzung des Athanasios ΙΠ. auf den Thron von Antiocheia
1165-1170 (HAMILTON, The Latin Church 175-176; BRAND, Byzantium Confronts the West 26).
240 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Paradoxerweise entsprang dieses Schisma der Überzeugung, daß sowohl die Lateiner
als auch die Griechen der einen Kirche Christi angehören, daß diese Kirche einig und
eben nicht nach ethnischen, kulturellen oder theologischen Merkmalen gespalten sei.
Die Einsetzung von lateinischen Patriarchen in Antiocheia und Jerusalem ist der beste
Beweis dafür, daß das „Schisma von 1054" zumindest im Bewußtsein der Lateiner an
der Wende zum 12. Jahrhundert nicht als normatives Ereignis wahrgenommen wurde79.
Andernfalls wäre man mit den melkitischen Patriarchaten so verfahren wie mit den im
Fürstentum Antiocheia lebenden Nicht-Chalkedonensern. Denn die Rechte des jakobiti-
schen und des armenischen Patriarchen, über ihre Gläubige geistige Gewalt auszuüben,
wurden von den Kreuzfahrern nicht in Frage gestellt. Mit wenigen Ausnahmen80 ver-
folgte man hier eine Politik der Nichteinmischung, selbstverständlich unter Vorausset-
zung der politischen Loyalität der Betroffenen. Bei den melkitischen Patriarchaten hatte
man dagegen keine Bedenken, einen lateinischen Bischof bzw. Patriarchen als geistiges
Oberhaupt für die dort lebenden Syrer und Griechen einzusetzen. Vielmehr erschien
dies den Kreuzfahrern als eine natürliche Folge ihrer Eroberungen. Solches Denken war
aus militärpolitischer Sicht für das hohe Mittelalter - wohlgemerkt nicht nur im Westen,
sondern auch im Osten - eine Selbstverständlichkeit81. Die neuen Herrscher haben je-
doch die kulturellen Dimensionen dessen, was sie sich anmaßten, völlig unterschätzt.
Für unser Thema sind die Ereignisse in den Kreuzfahrerstaaten deswegen wichtig, als
sie das Zentrum der lateinisch-griechischen interkulturellen Spannungen und die Riva-
lität der Riten in die beiden alten Patriarchate verlegen. Der Kulturkonflikt, der im
11. Jahrhundert vor allem auf süditalienischem Boden ausgetragen wurde, weitete sich
nun auf den östlichen Mittelmeerraum aus82. Wie dies konkret aussah, berichtet eine um

79 Deswegen sind z. B. die Ausführungen von FAVREAU-LILIE, Die italienischen Kirchen 15, m. E.
verfehlt, wenn sie schreibt: „das Schisma hatte ohnehin eine strenge Trennung zwischen griechi-
scher und lateinischer Kirche bewirkt", und dies als Grund dafür angibt, daß die Gründung der
lateinischen Kirchen „problemlos" vor sich ging. Wenn es überhaupt wirklich „problemlos" ge-
hen sollte, ist dafür nicht das Schisma, das es damals eben nicht gab, verantwortlich, sondern die
sprachlichen Differenzen, die es nicht erlaubten, die Seelsorge zu vereinheitlichen.
80 Vgl. z. B. die Geschichte des Athanasios ΙΠ.: HAMILTON, The Latin Church 174-177.
81 Die emotionalen Urteile, die in der heutigen Forschung über die Einsetzung der lateinischen
Bischöfe für Antiocheia und Jerusalem abgegeben werden (s. bes. bei Peter PLANK, Patriarch
Symeon 326-327), sind insofern irreführend als sie die Motivation der Kreuzfahrer und die Ge-
wohnheiten jener Zeit verkennen. Indessen war die Einsetzung einer lateinischen Hierarchie eine
für jene Zeit normale Folge der Eroberung, die kein Spezifikum der westlichen Handlungsweise
darstellte, vgl. etwa die ,3yzantinisierung" in Süditalien, vgl. oben, S. 55 und 83. Die Mehrheit
der Gläubigen in den melkitischen Patriarchaten Antiocheia und Jerusalem sprachen Arabisch; ih-
re Liturgie wurde auf Syrisch zelebriert. Ihnen waren die griechischen Patriarchen wohl genauso
fremd wie die lateinischen, dazu s.: RUNCIMAN, The Eastern Schism 103.
82 Zu der schwierigen Problematik der Multikulturalität in den Kreuzfahrerstaaten s. kürzlich:
MAYER / MOLLER-LUCKNER (Hg.), Die Kreuzfahrerstaaten (1997).
Die politische Dimension 241

1100 entstandene Schrift des Nikolaos von Andida „gegen jene, die die Azymen in der
Göttlichen Liturgie darbringen"83. Der byzantinische Theologe beruft sich auf seine
Erfahrungen, die er kurz zuvor auf der Insel Rhodos, dem Stützpunkt der venetiani-
schen Flotte während des ersten Kreuzzugs, gemacht hatte. Er ist darüber empört, daß
jener „Menge der Lateiner und der ihnen gleichgesinnten Venetianer8 ', die auf der
Insel weilt, nicht nur gestattet werde, die Eucharistie nach ihrer Art mit Azymen darzu-
bringen, sondern sie sich auch anmaßten, mit ihrer Argumentation zugunsten des unge-
säuerten Brotes die einfachen Seelen der einheimischen Griechen zu verführen85. Daß
der Azymenstreit im Hintergrund der Spannungen um die Patriarchenstühle von Jeru-
salem und Antiocheia stand, wird vor allem aus dem Kontext der Epoche ersichtlich. Es
ist kein Zufall, daß die beiden vertriebenen griechischen Patriarchen gerade Schriften
gegen die Azymen verfaßt haben86. Nach all dem, was man aus ihren Traktaten er-
schließen kann, war es unvermeidlich, daß sie einen Verzicht des häresieverdächtigen
Brauches von den neuen Herrschern gefordert haben87. Die Azymenfrage mußte neben
anderen Punkten, wie etwa die erzwungene Herausgabe der heiligen Reliquien, eines
der wichtigsten Anliegen ihres Konfliktes mit den Kreuzfahrern werden. Die Bemer-
kung des Ordericus Vitalis über jenen „Abscheu" gegen die Sitten und Bräuchen der
Ankömmlinge, der den griechischen Patriarchen bewogen habe, sein Patriarchat zu
verlassen88, gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit. Andererseits drängt sich aber auch
die Vermutung auf, daß die von den Griechen praktizierten liturgischen Riten und Ge-
wohnheiten, wie die Zelebration mit gesäuertem Brot, von den Kreuzfahrerstaaten als
eine latente Bedrohung, zumindest als destabilisierender Faktor angesehen werden
konnten.

83 Zu Nikolaos von Andida und seinen Schriften s. oben, S. 100 (Nr. 32).
84 Die Venetianer wurden als Untertanen des byzantinischen Reiches betrachtet; dazu: LILIE, Die
lateinische Kirche 203.
85 DARROUZES, Nicolas d'Andida 208 Z. 2-33. ANGOLD, Church and Society 511, interpretiert diese
Stelle in dem Sinne, daß „the local people were beginning to adopt the Latin custom of using
azymes in the communion Service". Indessen ist diese Interpretation falsch: Nikolaos war bereits
empört darüber, daß die Venetianer den Griechen die Toleranz gegenüber ihrem Brauch auf-
drängten.
86 Es sind auch von dem Nachfolger Symeons, Joannes (VH[.) von Jerusalem Schriften gegen die
Azymen bekannt, s. oben, S. 94 (Nr. 13).
87 Symeon von Jerusalem richtete zum Schluß seiner Schrift einen Aufruf an die Lateiner, „mit dem
Widerstand aufzuhören", nachdem sie seine Belehrung über das ungesäuerte Brot gehört haben.
Joannes von Antiocheia spricht sich noch unnachgiebiger aus: Für ihn sei die Azymenfrage nicht
nur die wichtigste Ursache der Trennung und die Summe der christlichen Religion; er sagt aus-
drücklich, sollte diese Krankheit nicht geheilt werden, werde die ganze Kirche krank (LEIB, Deux
inedits 239 [107] und 245 [113]).
88 Den Wortlaut s. oben, S. 236 Anm. 64.
242 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Erst kürzlich wurde in der Forschung darauf aufmerksam gemacht, daß eben die in
Konstantinopel residierenden griechischen Titularpatriarchen von Antiocheia und Jeru-
salem eine Quelle antilateinischer Stimmungen in Byzanz während des ganzen
12. Jahrhunderts hindurch waren89. Der bekannteste von ihnen, Theodoros Balsamon,
Titularpatriarch von Antiocheia ca. 1185 - 119590, hat als einer der führenden Kanoni-
sten seiner Zeit besonders dazu beigetragen, das Bild der Lateiner im Bewußtsein der
Byzantiner zu verzerren. In seinen kanonischen Antworten an den Patriarchen Markos
von Alexandreia (verfaßt ca. 1195) beschäftigt er sich unter anderem mit der Frage, ob
es erlaubt sei, den lateinischen Kriegsgefangenen die heilige Kommunion zu geben.
Seine Antwort ist auch für unser Thema bemerkenswert:
„»Wer nicht für mich ist, ist gegen mich«, sagt das heilige Evangelium, »und wer nicht mit mir
sammelt, der zerstreut« [Mt 12, 30 = Lk 11, 23]. Da vor langer Zeit die Versammlung der
westlichen Kirche (das heißt Roms) von der geistigen Gemeinschaft der übrigen vier heiligen
Patriarchen abgefallen ist und sich Sitten und Dogmen, die der katholischen Kirche und den
Orthodoxen fremd sind, zugewandt hat (weswegen auch der Papst in den heiligen Gottesdien-
sten nicht der gemeinsamen Erwähnung mit den Namen der Patriarchen gewürdigt wird), ist es
nicht erlaubt, daß die Sippe der Lateiner aus den priesterlichen Händen durch die göttlichen
und unbefleckten Mysterien geheiligt werde, bevor sie nicht den lateinischen Dogmen und
Gewohnheiten abschwört und gemäß den Kanones instruiert wird und [dadurch] gleichwertig
mit den Orthodoxen wird"91.

Als Hindernis für die Zulassung zur Hl. Kommunion nennt Balsamon immer wieder
zwei Dinge: die falschen δόγματα (Dogmen, Lehrmeinungen) und εθη / σννήθειαι
(Bräuche, Sitten, Gewohnheiten). Während unter dem ersten Begriff offensichtlich das
Filioque zu verstehen ist, umfaßt der letztere zweifelsohne die rituellen Streitfragen, vor
allem das Azymenproblem.
Ein anderer Faktor, der zur Verschärfung der gegenseitigen Aversionen und vor al-
lem zur Vertiefung antilateinischer Stimmungen in Byzanz im 12. Jahrhundert beigetra-
gen hat, ist die wirtschaftliche Expansion der italienischen Seestädte im byzantinischen

89 ANGOLO, Church and Society 506-508.


90 Zu Theodoros Balsamon s.: LMA11389-1390 (STEIN); ODB 249 (KAZHDAN).
91 BALSAMON, Ερωτήσεις κανονικαί Antwort 5 (ed. cit. 968 B): ö μη ών μετ'έμοϋ, κατ'έμοΰ
έστι, το θείον εφησεν Εύαγγέλιον καί ό μή συνάγων μετ'έμοϋ σκορπίζει. Έπεί οΰν προ
χρόνων πολλών άπεσχίσθη της δυτικής Εκκλησίας, της 'Ρώμης φαμέν, τό περιώνυμον
άθροισμα έκ της των έτερων τεσσάρων αγίων πατριαρχών πνευματικής κοινωνίας, και
άπεσχοινίσθη προς εθη καί δόγματα της καθολικής Εκκλησίας και των ορθοδόξων
αλλότρια. Διά γαρ τοϋτο οΰτε έν ταΐς θείαις ίεροτελεστίαις, κοινής τών πατριαρχικών
ονομάτων αναφοράς ό πάπας ήξίωται, ούκ οφείλει γένος Λατινικόν έκ χειρός Ιερατικής
διά τών θείων καί άχραντων μυστηρίων άγιάζεσθαι· ει μή κατάθηται πρότερον άπέχεσθαι
τών Λατινικών δογμάτων τε καί συνηθειών, καί κατά κανόνας κατηχηθή, καί τοις
όρθοδόξοις έξισωθή. Zu dem Status der Lateiner als Exkommunizierten vgl. ebd., Antwort 32
(ed. cit. 985).
Die politische Dimension '243

Reich, auf die wir hier im Einzelnen nicht einzugehen brauchen92. Für uns ist jedoch
von Belang, daß diese Expansion einen beträchtlichen Zuwachs von lateinischen Sied-
lungen und dementsprechend auch lateinischen Kirchen auf byzantinischem Territorium
nach sich zog. Nicht nur erhielt Venedig, worauf oben bereits hingewiesen wurde, 1082
ein eigenes Stadtviertel in Konstantinopel, sondern auch Pisa (1111) und Genua (1155)
gewährte man dasselbe Recht, was selbstverständlich auch den Unterhalt lateinischer
Kirchen miteinschloß93. Die halbhäretischen „Azymiten", die Patriarch Michael Kerul-
larios in der Reichshauptstadt kaum dulden wollte, faßten im 12. Jahrhundert im Zen-
trum des oströmischen Reiches mehr und mehr Fuß. Mehr noch: Sie mischten sich im-
mer häufiger in die inneren Angelegenheiten des Staates ein. Die Politik der
Komnenen-Dynastie gegenüber den italienischen Seestädten schwankte zwischen den
Extremen. Besonders stark waren davon die Venezianer betroffen: Zunächst von bei-
spiellosen Privilegien unter Alexios I. Komnenos verwöhnt, erlitten sie unter seinem
Enkel Manuel I. einen vernichtenden Rückschlag, als am 12. März 1171 alle Venezia-
ner im byzantinischen Reich (schätzungsweise 20.00094) auf Befehl des Kaisers ver-
haftet und ihre Güter beschlagnahmt wurden95. Die Verwicklung der in der Hauptstadt
ansässigen Lateiner in die byzantinische Politik brachte ihnen nicht nur Vorteile: Neben
politischen Maßnahmen wie die oben genannte sahen sie sich auch wütenden Ausbrü-
chen des Pöbels ausgesetzt. Inmitten der politischen Unruhen des Jahres 1182 kam es in
Konstantinopel zu schrecklichen Massakern gegen die Lateiner (nach der Vertreibung
der Venezianer waren dies meist Pisaner und Genuesen)96. Bemerkenswert ist dabei,
daß es nach den erhaltenen Berichten insbesondere die griechischen Geistlichen waren,
die nicht nur zu Ausschreitungen gegen die Lateiner aufgehetzt haben, sondern auch
selbst daran teilnahmen. Vorrangiges Ziel des Hasses war dabei der lateinische Kle-
rus97. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Stelle aus dem Bericht des Wilhelm
von Tyrus:
, 3 « den griechischen Adeligen und besonders bei seinen [des Manuel I. Komnenos] Ver-
wandten und im übrigen Volk wuchs ein unersättlicher Haß gegen die Unsrigen. Dabei kam
hinzu, daß der Unterschied in den Sakramenten zwischen uns und ihnen die Entrüstung auf
den Höhepunkt brachte und den Zunder des Hasses noch zusätzlich anheizte. Über alle Maßen
arrogant und von der römischen Kirche durch Unverschämtheit getrennt, halten sie jeden für

92 Dazu zusammenfassend: LILIE, Handel und Politik.


93 Zu den Kirchen der Pisaner und Genuesen in Konstantinopel s.: JANIN, Constantinople byzantine
247-251; LILIE, Die lateinische Kirche; DALLEGGIO D'ALLESSIO, Recherches 452—454.
94 S.: BRYER, Cultural Relations 87.
95 Dazu s.: BRAND, Byzantium Confronts the West 15-16; OSTROGORSKY, Geschichte 321-322.
ANGOLD, Church and Society 511, spricht zu Recht von einem „love-hate relationship" der By-
zantiner zu den Lateinern.
96 Dazu s.: BRAND, Byzantium Confronts the WestA\-Al>.
97 Am ausfuhrlichsten berichtet über die Greueltaten des Pogroms WILHELM VON TYRUS, Chronicon,
lib 22, cap 13 (ed. cit. 1022-1024).
244 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

einen Häretiker, der ihre unbedachten Traditionen nicht befolgt, obwohl sie vielmehr sich
selbst den Namen von Häretikern aneignen sollen, weil sie ja gegen die römische Kirche und
den Glauben der Apostel Petrus und Paulus, <...> neue und ungesunde Lehrmeinungen her-
vorbringen oder befolgen"98.

Man sieht also, daß die „Verschiedenheit der Sakramente" auch 120 Jahre nach Kerulla-
rios eines der wirksamsten Hetzmittel gegen die Lateiner blieb. Der Pogrom war nicht
nur politisch, sondern vor allem kulturell und religiös motiviert". Seinerseits erwiderte
Wilhelm die Animositäten der Byzantiner mit einem Häresievorwurf, nun gegen die
Griechen. Die antivenezianische Aktion Manuels von 1171 und das Massaker von
1182100 bereiteten in gewisser Hinsicht den Weg für die Eroberung Konstantinopels im
vierten Kreuzzug. Die Lateiner, besonders die Venezianer, nutzten 1204 die Gelegen-
heit, Revanche flir die Kränkungen der letzten Jahrzehnte zu nehmen101.

98 WILHELM VON TYRUS, Chronicon, lib 22, cap 11 (ed. cit. 1021): „Grecorum nobiles et maxime
eius consanguinei, sed et reliquus populus odium insaciabüe adversus nostros conceperant,
accedente etiam ad indignationis cumulum et odiorum fomitem et incentivum ministrante
sacramentorum inter nos et eos differentia. Arrogantes enim supra modum et a Romana ccclesia
per insolentiam separati, hereticum omnem eum reputant qui eorum frivolas non sequuitur
traditiones, cum ipsi magis hereticorum sibi nomen adaptent, dum contra Romanam ecclesiam et
apostolorum Petri et Pauli fidem <. ..> novas et pestilentes opiniones aut gignunt aut sequuntur".
99 Dieser Bericht Wilhelms wird in indirekter Weise durch die weiteste Verbreitung antilateini-
scher Schriften in Byzanz in der gleichen Zeit bestätigt. Daher halte ich die Verwunderung von
LILIE, Die lateinische Kirche 219 Anm. 86, für unberechtigt, daß Wilhelm von Tyrus es gewe-
sen sei, der „plötzlich alle alten religiösen Vorwürfe" hervorgeholt habe, „über die er bis dahin
sorgfältig geschwiegen hatte". Wilhelm folgte in seinem Bericht den Vorwürfen der Griechen,
dessen weite Verbreitung in Byzanz auch von anderen byzantinischen Quellen und antilateini-
schen Traktaten bestätigt wird. Es überraschen auch andere Aussagen des Autors, wie ζ. Β. die
Behauptung, daß „wir nicht den geringsten Hinweis auf einen etwaigen Widerstand der Kon-
stantinopolitaner Kirche gegen die Etablierung lateinischer Kirchen in der Romania haben"
(S. 209) und daß „im religiösen Bereich" sich „überraschenderweise" keine Aussagen finden,
die die Lateiner etwa als Häretiker apostrophieren würden (S. 212). Die ganze antilateinische
Literatur des 11. und 12. Jahrhunderts spricht gegen diese Behauptung. Dabei sei nochmals be-
tont (vgl. oben, S. 240 Anm. 79), daß in der damaligen Zeit man nicht davon ausging, ein
Schisma vollzogen zu haben. Beide Seiten sahen sich als eine Kirche an, wenn auch die jeweils
andere Seite als irregeleitet betrachtet wurde. Darin bestand gerade die paradoxe Situation, die
LILIE in seinem Aufsatz, der ansonsten viele hilfreiche historische Informationen bietet, in ver-
kehrter Perspektive darstellt.
100 Wobei es anzumerken gilt, daß es auch nach 1182, etwa im Jahre 1187, zu gelegentlichen Aus-
brüchen des Pöbels gegen die Lateiner in Konstantinopel kam; diese erreichten jedoch nicht die
Intensität des Massakers von 1182; s. dazu: BRAND, Byzantium Confronts the West 83-84.
101 Die erste Erwiderung auf das Progrom kann man in der normannischen Einnahme von Thessa-
lonike im Jahr 1185 sehen, die durch besondere Greueltaten gekennzeichnet war. S.: ANGOLD,
Greeks andLatins 63.
Die politische Dimension 245

Im Laufe des 12. Jahrhunderts kam es zu einer Reihe von Kontakten zwischen Rom
und Konstantinopel, auf denen die Streitfragen zwischen den Kirchen besprochen wur-
den. Mehrmals hat man öffentlich, auch in Anwesenheit des Kaisers, miteinander dis-
putiert und dabei auch die Frage der Azymen erörtert102. Jedoch tritt dieses Problem auf
offizieller Ebene jetzt in den Hintergrund. Ein gewisses Mißverhältnis ist zu konstatie-
ren: Im alltäglichen kirchlichen Umgang lieferten die Azymen, besonders dort, wo La-
teiner und Griechen nebeneinander lebten und den gleichen Kirchenstrukturen ange-
hörten, nach wie vor reichlich Zündstoff, aber die offiziellen Disputationen wandten
sich im 12. Jahrhundert zunehmend anderen Streitpunkten zu, unter denen das Filioque
unbestritten den ersten Platz einnahm. Mit der Primatsfrage trat aber nun ein neuer und
zukunftsträchtiger Kontroversgegenstand auf den Plan. Auf byzantinischer Seite scheint
über den Primat zum ersten Mal Niketas Seides im Jahr 1112 mit dem Erzbischof von
Mailand Petrus Grossolanus disputiert zu haben103. Seitdem tritt die Schlüsselrolle die-
ses Problems immer stärker in das Bewußtsein der Byzantiner. Die Diskussion der
Azymen wird, wie wir unten sehen werden, tendenziell nicht mehr im sakramenten-
theologischen Kontext erfolgen, sondern interessanterweise im Licht der Primatspro-
blematik.
Michael Angold kommt in seiner Untersuchung über die byzantinische Kirche und
Gesellschaft unter den Komnenen zu dem Schluß, daß die byzantinische Identität im
Laufe des 12. Jahrhunderts langsam in einem antilateinischen Sinne umgestaltet wur-
de1 . Selbst wenn es so ist, darf man sich diese Umgestaltung keinesfalls als einen
eindeutig zielgerichteten Prozeß vorstellen. Die politischen Interessen und Prioritäten,
Bündnisse und Kriege richteten sich nach ganz unterschiedlichen Konstellationen, die
sich durchaus nicht auf die Formel „West gegenüber Ost" reduzieren lassen. Die Politik
der Komnenen konnte sowohl „lateinerfeindliche" als auch „lateinerfreundliche" Züge
annehmen, je nach der aktuellen politischen Konjunktur. Ebenfalls waren das Papsttum
und die westlichen Mächte bisweilen Alliierte, bisweilen Feinde des oströmischen Rei-
ches105. Man dachte pragmatisch-politisch und nicht religiös-kulturell. Aber auch in
kultureller Hinsicht brachte das 12. Jahrhundert nicht nur die lateinerfeindlichen Aussa-
gen des Balsamon hervor, sondern etwa auch die Ansichten des Theorianos, der die
griechischen Mönche ermahnte, die Lateiner als Brüder im selben Glauben zu lieben106.
Bemerkenswerterweise demonstriert auch die oben zitierte Stelle bei Balsamon eine im

102 Unklar ist, ob die Azymenfrage in der Disputation mit Petrus Grossolanus (1112) diskutiert
wurde (zu Grossolanus s.: ODB 885); Grumel ist der Meinung, daß diese ausschließlich dem
Filioque gewidmet war (GRUMEL, Autour du voyage 33).
103 DARROUZES, Documents byzantins, und nach ihm SPITERIS, La critica bizantina, haben das
bisher Bekannte systematisiert. S. auch: GAHBAUER, Gegen den Primat.
104 ANGOLD, Church and Society 508: „the Byzantine identity was being reshaped in an anti-Latin
sense".
105 Vgl. zu den politischen Konstellationen: LILIE, Byzanz und die Kreuzfahrerstaaten 235-251.
106 S. oben, S. 116.
246 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

ekklesiologischem Sinne schwankende Einstellung. Im Falle der Lateiner ist die gefor-
derte Abkehr von Irrtümern, um zur Kommunion zugelassen zu werden, wesentlich
milder als bei anderen Häretikern, die von Balsamon im gleichen Werk angesprochen
wurden. Von diesen anderen verlangte er - entsprechend dem Grad ihres Abfalls vom
rechten Glauben - entweder Firmung oder Wiedertaufe107. Das um 1155 verfaßte
Schreiben des Erzbischofs Basileios von Achrida an Papst Hadrian IV. formulierte das
Verhältnis zwischen den beiden Kirchen folgendermaßen:
„Wir, ich und alle [Bischöfe], die dem großen und apostolischen Stuhl von Konstantinopel an-
gehören, verkünden und predigen das Gleiche wie Du [Papst]. Dasselbe ist auch das Wort des
Glaubens, das in den beiden Kirchen gesprochen wird, das gleiche Lamm wird dargebracht,
<...> obwohl einige unbedeutende Steine des Anstoßes, die in unsere Mitte geworfen wurden,
uns gelrennt haben und aus uns, die wir ja aus demselben Geist stammen, eine Vielheit mach-
ten"108.

Auch von lateinischer Seite aus hegte man gegenüber den Griechen zweideutige Ge-
fühle. Kennzeichnend ist eine Bemerkung des Bernhard von Clairvaux über die Grie-
chen: „die mit uns sind und nicht mit uns sind, im Glauben [mit uns] vereint, im Frieden
[von uns] getrennt", - Bernhard fügt hinzu: „Obwohl sie auch im Glauben von den
richtigen Wegen abgewichen sind"109.
Das 12. Jahrhundert wurde bisher in der Erforschung der Ost-West-Problematik eher
vernachlässigt. Allzu viele Fragen bleiben offen und allzu viele Texte unediert, und
einzelne Teiluntersuchungen kommen zu unterschiedlichen, bisweilen sogar wider-
sprüchlichen Schlußfolgerungen. Auf jeden Fall entzieht sich der Zeitraum von 1099
bis 1204 einer eindimensionalen Interpretation. Wenn auch eine zunehmende Aversion
zu einem grundlegenden Bewußtseinswandel führte, so waren in diesem Prozeß die
Alternativen als reale Möglichkeiten nach wie vor offen.

107 BALSAMON, Ερωτήσεις κανονικαί Antwort 29 (ed. cit. 981-984).


108 PG 119, 932 C-D: τά αυτά σοι πρεσβεύομεν και διδάσκομεν έγώ τε και πάντες οι τοϋ
μεγάλου και αποστολικού της Κωνσταντινουπόλεως θρόνου· και εις έν άμφοτέραις τάίς
Έκκλησίαις ό λαλοΰμενος λόγος της πίστεως· και ό αυτός αμνός θύεται <...>· ει καί τίνα
βραχέα προσκόμματα εις μέσον παραρριφέντα διέστησαν ήμδς, καί πολλούς πεποιήκασι
τους ενός καί τοϋ αύτοϋ Πνεύματος.
109 BERNHARD VON CLAIRVAUX, De consideratione, lib 3, cap 1 (4) (ed. cit. 433^34): „Ego addo
de pertinacia Graecorum, qui nobisum sunt et nobiscum non sunt, iuncti fide, pace divisi,
quamquam et in fide ipsa claudicaverint a semitis rectis".
Die politische Dimension < 247

II. Die Zeit nach 1204


1. Von der Eroberung Konstantinopels 1204 durch die Kreuzfahrer
bis 1261

a. Die Gründung des lateinischen Patriarchates von Konstantinopel


Das Jahr 1204 stellt unbestritten den Scheidepunkt für die politische Geschichte der
lateinisch-byzantinischen Beziehungen im Mittelalter dar. Die Eroberung Konstantino-
pels am 13. April 1204 durch die Kreuzfahrer des Vierten Kreuzzugs1, die anschließen-
de drei Tage dauernde Plünderung der reichsten und anziehendsten Stadt der damaligen
christlichen Oikumene, schließlich die Gründung des lateinischen Kaiserreiches Kon-
stantinopel und anderer lateinischer Staaten auf byzantinischem Territorium - dies alles
hinterließ bei den Byzantinern eine tiefe Wunde, die im historischen Gedächtnis der
Völker des byzantinischen Kulturraumes bis heute präsent ist. So sucht man gerade im
Jahr 1204 nach den Wurzeln des modernen griechischen Nationalbewußtseins2. Aber
auch in rein kirchlicher Hinsicht hat dieses Datum eine einmalige Bedeutung. Die mo-
derne Forschung tendiert seit Runciman3 dazu, den endgültigen Bruch zwischen den
Kirchen von Rom und von Konstantinopel auf 1204 zu datieren.
Die Eroberung Konstantinopels verursachte eine kirchliche Spaltung, die im Großen
und Ganzen nach dem Schema von 1099/1100 ablief. Der griechische Patriarch von
Konstantinopel Joannes X. Kamateros war vor den Eroberern geflüchtet, und bereits
zwischen Juni und Oktober 1204 wählten die Kreuzfahrer den Venezianer Thomas
Morosini zum (lateinischen) Patriarchen. Die Wahl wurde von Papst Innozenz III. zwar
als unkanonisch qualifiziert4, Morosini wurde aber dennoch - „um den Venezianern
eine Gunst zu erweisen" - in seinem Amt bestätigt5. Am 30. März 1205 erhielt Morosi-

1 An diesem Datum fand eigentlich die zweite Eroberung der Reichshauptstadt durch die Kreuzfahrer
statt: Die erste geschah am 17. M i 1203 und hatte zum Zweck, die Wiedereinsetzung des Isaak
Angelos (und mit ihm des Alexios IV.) auf dem byzantinischen Thron. Zusammenfassende Dar-
stellungen der Ereignisse 1204 und ihres Hintergrunds bieten: BRAND, Byzantium Confronts the
West 232-269; SETTON, The Papacy and the Levant I 1-26; QUELLER, The Fourth Crusade,
GODFREY, 1204. The TJnhofy Crusade.
2 S.: VACALOPOULOS, Origins ofthe Greek Nation 21-45.
3 S.: RUNCIMAN, The Eastern Schism 151; zur Problematik der Datierung des Schismas in der mo-
dernen Literatur s.: PAPADAKIS, Revision in History.
4 Wohlgemerkt bemängelte der Papst dabei nicht, daß man auf die Griechen keine Rücksicht ge-
nommen hätte.
5 S. das diesbezügliche Schreiben des Innozenz m. in: CICO Fontes Π 285-289 (Nr. 68), hier 289.
248 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostlurche

ni vom Papst in Rom das Pallium6. Währenddessen kam Joannes Kamateros nach Di-
dymoteichon in Thrakien, in das Gebiet, das im Jahr 1205 das Zentrum des Widerstan-
des gegen die Lateiner wurde7, und blieb dort bis zu seinem Tod im Juni 12068. Erst
kurz vor seinem Hinscheiden dankte er im April oder Mai 1206 von seinem Patriar-
chenamt ab9. Nachdem die ersten durch die lateinischen Eroberungen ausgelösten Tur-
bulenzen einigermaßen zur Ruhe gekommen waren, entstand in Nikaia ein Exilkaiser-
tum unter dem neuen Kaiser Theodoros I. Laskaris, der auch einen neuen Patriarchen
wählen ließ. Aus dieser Wahl ging am 20. Mai 1208 Michael Autoreianos als neues
Oberhaupt der griechischen Kirche hervor, der zwar den Titel des ökumenischen Patri-
archen von Konstantinopel führte, aber in Nikaia residierte. Wie im Falle Jerusalems
und Antiocheias entstanden zwei rivalisierende Patriarchenlinien: die eine im lateini-
schen Kaiserreich von Konstantinopel, die andere im griechischen Kaiserreich von
Nikaia10. Erst mit der Wiederherstellung der griechischen Herrschaft in Konstantinopel
im Jahr 1261 konnte der griechische Patriarch (damals Arsenios Autoreianos) seinen
Thron in Konstantinopel wieder in Besitz nehmen. Daß dieses neue Schisma weit gra-
vierendere Folgen haben mußte als die früheren Rivalitäten um Jerusalem und Antio-
cheia, da es hier um den Patriarchensitz der Reichshauptstadt sowie letzten Endes um
das Schicksal des oströmischen Reiches in seiner griechisch geprägten Gestalt ging,
braucht man nicht zu betonen.

b. Papst Innozenz III.


Die kirchenpolitischen Aspekte der Gründung des lateinischen Kaiserreiches und Patri-
archates in Konstantinopel sind hinreichend erforscht und brauchen hier nicht wieder-

6 Eine Chronologie der Ereignisse um die Gründung des lateinischen Patriarchats Konstantinopel
bei FEDALTO, La Chiesa latina 283-286.
7 Am 14. April 1205 fand bei Adrianopel eine Schlacht statt, bei der das Heer der Lateiner von den
bulgarisch-kumanischen Truppen vernichtet wurde, s.: OSTROGORSKY, Geschichte 352-353.
8 P. SCHREINER nennt in LMA V 550 als Datum des Todes April/Mai 1206, was offensichtlich eine
Verwechslung mit dem Datum der Abdankung ist.
9 Zu Patriarchen Joannes Kamateros s.: PAPADAKIS / TALBOT, John X Camaterus; ODB 1054-1055
(TALBOT); LMA V 550 (SCHREINER). HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 44 Anm. 70, be-
zweifeln die Abdankung des Kamateros und sind der Meinung, daß die Quellenberichte nicht über
die Abdankung, sondern über den Verzicht, nach Nikaia zu gehen, sprechen. Später sollte dieser
Verzicht als Abdankung interpretiert werden.
10 In Epeiros formierte sich ein zweites Exilkaisertum, das mit dem von Nikaia rivalisierte. Hier gab
es eigenes Kirchenoberhaupt, das jedoch nicht den Titel eines ökumenischen Patriarchen trug. Zu
Epeiros und seinen kirchlichen Beziehungen zu Nikaia und zum lateinischen Konstantinopel s.
zusammenfassend bei GILL, Byzantium and the Papacy 48-51.
Die politische Dimension 249

holt zu werden11. Uns interessieren vielmehr die kulturellen Aspekte und Implikationen
der genannten Ereignisse, insbesondere die Auswirkungen auf Liturgie und Sakramente,
besonders auf die Azymenfrage. In diesem Zusammenhang kommt der Initiative des
Papstes Innozenz III. eine entscheidende Bedeutung zu.
Die Rolle Innozenz' III. in den Ereignissen des Vierten Kreuzzugs und in der Er-
richtung des lateinischen Patriarchates von Konstantinopel wird in der Literatur sehr
unterschiedlich beurteilt. „Aggressor or Apostle?", so formulierte Joseph Gill kurz und
prägnant das zentrale Dilemma der Forschung12. Walter Norden etwa scheint das erste,
Theodosius Haluscynskyj dagegen das zweite Attribut zu favorisieren13. Zum Teil
gründen solche Bewertungen auf konfessionellen Vorurteilen, was angesichts der Be-
deutung des Pontifikats Innozenz' III. als eines „Gipfelpunkts der Machtentfaltung des
Papsttums im Mittelalter"14 durchaus verständlich ist. Aber auch das zwiespältige Ver-
halten des Papstes selbst verbietet es, zu einem klaren, unzweideutigen Urteil zu gelan-
gen. In der Korrespondenz Innozenz' III. finden sich durchaus widersprüchliche Aussa-
gen zur byzantinischen Frage. So warnte der Papst zunächst die Kreuzfahrer
ausdrücklich davor, byzantinische Territorien zu erobern und zu plündern. „Niemand
von euch möge sich täuschen, es sei ihm erlaubt, das Land der Griechen zu okkupieren
oder zu plündern, aus dem Grund, daß dieses Land nicht dem apostolischen Stuhl un-
terworfen sei. <...> Es ist nicht eure Sache, über die Vergehen der Griechen zu urteilen.
Nicht zu diesem Zweck habt ihr das Zeichen des Kreuzes genommen", schrieb Inno-
zenz III. im Juni 1203 an die militärischen Führer des Kreuzzuges15. Ungeachtet dessen
drückte der Papst kurz nach der Einnahme Konstantinopels seine Freude darüber aus,
daß das Reich der Griechen „nach dem gerechten Urteil Gottes" von den Schismatikern

11 Zusammenfassende Darstellung der Geschichte des lateinischen Kasierreiches Konstantinopel s.:


WOLFF, The Latin Empire ofComtantinople. Zum lateinischen Patriarchat von Konstantinopel s.:
WOLFF, The Organisation; FEDALTO, La Chiesa latina 235-282; RICHARD, The Establishment.
12 GILL, Innocent III and the Greeks (1973).
13 NORDEN, Papsttum und Byzanz (1903), bes. 242-258; vgl.: HALUSCYNSKYJ, Introductio zur
Sammlung einschlägiger Urkunden und Briefe Innozenz' ΙΠ. in: CICO Fontes Π 3-143. Neben
diesen Studien sei noch auf einige Arbeiten hingewiesen, die neben anderen Themen auch die
Rolle des Innozenz III. in den Beziehungen mit dem Osten behandeln, s.: TILLMANN, Papst Inno-
zenz III. (1954) 212-219; DE VRIES, Rom und die Patriarchate (1963) 186-188; DERS., Innozenz
III. und der christliche Osten (1965); RÖSCHER, Papst Innozenz III. und die Kreuzzüge (1969);
GILL, Byzantium and the Papacy (1979) 20-23; SAYBRS, Innocent III. (1994)164-176. 185-186.
14 So LMA V 436 (MALECZEK), vgl. TRE XVI181 Z. 29-30 (SCHWAIGER)
15 CICO Fontes Π 238 (Nr. 38, vom 20. Juni 1203): „Nullus <...> vestrum temere sibi blandiatur,
quod terram Graecorum oecupare sibi liceat vel praedari tamquam minus sit apostolicae sedi
subieetam <...> non est tarnen vestrum de ipsorum iudicare delictis, nee ad hoc crucis signaculum
assumpsistis". Vgl. ebd. 246-247 (Nr. 45)
250 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

auf die Rechtgläubigen (catholicos) übertragen worden ist16. In der Folgezeit stellte sich
der Papst mit seiner ganzen Autorität hinter die Eroberer. Auch nachdem das griechi-
sche Kaiserreich in Nikaia entstanden war, hat Innozenz III. das lateinische Kaiserreich
Konstantinopel entschieden gegen Nikaia unterstützt. Kennzeichnend hierfür ist sein
Brief an den nikaischen Kaiser Theodoros I. Laskaris vom 17. März 1208. Der Papst
gibt zwar zu, daß die Lateiner, als sie Konstantinopel erobert haben, „nicht ganz un-
schuldig" gewesen sind, drückt jedoch gleichzeitig seine Überzeugung aus, daß die
Griechen von Gott selbst durch die Lateiner „nach dem gerechten Urteil bestraft worden
sind"17. Innozenz III. empfiehlt „dem vorzüglichen Herrn Theodoros Laskaris"18, sich
gegenüber „unserem teuersten Sohn in Christo und vornehmen Kaiser von Konstanti-
nopel" demütig zu verhalten und ihm die schuldige kaiserliche Ehre zu erweisen19.
Daß der Papst ungeachtet seiner ursprünglichen Warnungen die Eroberer militärisch
und politisch unterstützte, wird bereits aus seinem Verhalten bei der Wahl des Thomas
Morosini zum Patriarchen von Konstantinope] ersichtlich, den Innozenz III. für das
einzig legitime Oberhaupt der Kirche von Konstantinopel hält. Die griechische Kirche
sei dadurch wieder mit Rom versöhnt. „Die Kirche von Konstantinopel ist zum Gehor-
sam des Apostolischen Stuhls wie die Tochter zu ihrer Mutter zurückgekehrt", jubelt er
in seinem Schreiben an die lateinische Geistlichkeit in Konstantinopel vom 21. Januar
120520. Ahnlich, wenn auch etwas vorsichtiger, berichtet er in einem Brief vom 25.
März 1205 an den Klerus in Frankreich: „Wir jubeln, und mit Recht muß die ganze
Kirche der Heiligen jubeln, daß uns das aufstrahlende Licht aus der Höhe besucht hat
[vgl. Lk. 1, 78], so daß der große Teil der östlichen Kirche, und zwar beinahe das ganze
Griechenland, das seit längsten Zeiten verachtete, dem Weg seiner Mutter, der römi-
schen Kirche, zu folgen, in unserer Zeit von der ungehorsamen zur gehorsamen und von
der verachtenden zur ergebenen [Tochter] wurde"21. Kurz nach dem Tode des Patriar-
chen Joannes Kamateros in Didymoteichon im Jahr 1206 richteten die „in Konstantino-

16 CICO Fontes II 276 (Nr. 64): „regnum Graecorum <...> a schismaticis ad catholicos iusto Dei
iudicio est translatum".
17 CICO Fontes Π 347 (Nr. 114): „Licet autem ipsi [Latini] omnino inculpabiles non existant, per
eos tarnen Graecos iusto Dei iudicio credimus fuisse punitos".
18 Ebd., S. 345: „Nobili viro, Theodore Lascaro".
19 Ebd., S. 347: „... nobilitati tuae consulimus, ut in conspectu charissimi in Christo Glii nostri,
Henrici Constantinopolitani imperatoris illustris, humiles temetipsum eique servias honorem
debitum impendendo...".
20 Ebd., S. 287 (Nr. 68): „...ecclesia Constantinopolitana reddit ad oboedientiam apostolicae sedis,
tanquam ad matrem filia".
21 Ebd., S. 304 (Nr. 81): „Exultamus siquidem, et merito exultare debet omnis sanetorum ecclesia,
quod visitans vistavit nos oriens de alto, ut magna pars Orientalis Ecclesiae, Graecia videlicet
pene tota, quae a longissimis temporibus matris suae sanetae Romanae ecclesiae contempserat
imitari vestigia, nostris temporibus faeta sit de inoboediente oboediens, et de contemptrice
devota".
Die politische Dimension 251

pel versammelten" griechischen „Bischöfe, Priester, Diakone und übrigen Kleriker"


sowie „das ganze christliche Volk" an den Papst eine „schmerzliche Epistel" (λνπράν
γραφήν) mit der Bitte, ihnen zu gestatten, einen griechischen Patriarchen für die Kirche
von Konstantinopel zu wählen. Nachdem der neue Patriarch mit Zustimmung des Pap-
stes gewählt sein wird, soll eine Synode unter dem Vorsitz der päpstlichen Legaten
zusammengerufen werden, auf der die strittigen kirchlichen Fragen (αμφισβητούμενα
εκκλησιάστηκα ζητήματα) besprochen werden sollen. „Auf diese Weise werden mit
Hilfe des friedenstiftenden Gottes, nachdem die strittigen Fragen gelöst sind und die
Wahrheit geoffenbart ist, alle in einem Geist und mit einer Zunge den einen <...> Gott
loben und ehren, und Deiner Hoheit wird die von Anfang an geschuldete Kommemora-
tion und die Erwähnung an erster Stelle in unseren heiligen Diptychen gewährt wer-
den"22. Wie bei den Verhandlungen von 1089 mit Urban II. schlagen die Griechen ein
Konzil zur Lösung strittiger Fragen vor. Es ist keine Antwort Innozenz' III. auf dieses
Schreiben bekannt23. Der Lauf der Ereignisse zeigt jedoch, daß der Bitte der griechi-
schen Geistlichkeit nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt wurde24.
Während der Papst unerschütterlich am lateinischen Patriarchen festhielt, mußte er
bezüglich der Verwaltung der Diözesen den Griechen gewisse Zugeständnisse einräu-

22 HEISENBERG, Neue Quellen, I. 64: έκχωρησαι ήμΐν χειροτονησαι πατριάρχην ημών κατά τους
Ιερούς και θείους κανόνας, συνεξαποστείλχις δέ κάκ τοΰ σοΰ πλευροΰ άνδρας τους τον σον
ύψηλότατον τόπον τηρήσοντας, ώς αν μετά το τον ήμετερον παρ'ήμών κανονικώς
χειροτονηθήναι πατριάρχην προκαθεσθέντων αυτών συνάμα τω ήμετέρω πατριάρχη και
Tfj ύπ' αυτόν συνόδφ λαληθώσι τά μέσον ημών αμφισβητούμενα εκκλησιαστικά ζητήματα,
και οϋτω θεοΰ συνεργία τοΰ είρηνάρχου διαλυθεισών των αμφισβητήσεων και της
αληθείας άναφανείσης ένί πνεύματι και μιςί γλωσση πάντες τον ενα θεόν τον εν τρισί
προσκυνούμενον τελείαις τάϊς ύποστάσεσι δοξολογήσωμέν τε και άνυμνήσωμεν και τφ σώ
ϋ-ψει την έξ άρχης άπονενεμημενην έν τοΤς ίεροΐς ημών διπτύχοις προαναφοράν και
προκήρυξιν άπονείμωμεν.
23 Mit seinen Verhandlungen mit Kaiser Alexios III. und Joannes Kamateros, die noch vor dem
Beginn des Vierten Kreuzzugs stattfanden, hat Innozenz HL sich zu einem Konzil nur unter der
Vorbedingung einverstanden erklärt, daß sich der griechische Patriarch zunächst dem Papst un-
terwirft. S. Brief des Innozenz EL an den Patriarchen Joannes Kamateros vom 12. November
1199 in: CICO Fontes Π 187-195, hier bes. 194 (Nr. 9).
24 Ein anderer Text s.: PG 140, 293-298. Dazu: HEISENBERG, Neue Quellen, I. 14. Heisenberg ist
der Ansicht, daß der Schluß des Briefes: „Lebe wohl, Bischof des ersten Stuhles, hochverehrter
Herr" dem Papst „wie Spott und Hohn klingen" mußte. Daher hätten die Griechen ein anderes
Schreiben verfaßt, das mit der bei Migne abgedruckten Version zusammenfalle. Wenn auch mög-
lich ist, daß das Schreiben der Griechen dem Papst nie bekannt wurde, so zeigt doch das Verhal-
ten des Papstes in aller Deutlichkeit, daß Innozenz HI. grundsätzlich nicht bereit war, die Rechte
der lateinischen Patriarchen des Ostens zugunsten ihrer griechischen/melkitischen Rivalen in Fra-
ge zu stellen. In seinem Schreiben an den Patriarchen von Jerusalem vom 4. März 1208 charakte-
risierte er den melkitischen Patriarchen Symeon Π. von Antiocheia als intrudor und forderte ihn
auf, alle seine Unterstützer zu exkommunizieren. S.: CICOFontesU 339-340 (Nr. 107).
252 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

men, da die Lateiner nur eine dünne Oberschicht im Kaiserreich von Konstantinopel
darstellten und die überwältigende Mehrheit der Gläubigen griechisch war. In einer
Instruktion an den lateinischen Patriarchen von Konstantinopel Thomas Morosini vom
2. August 1206 schreibt Innozenz III. vor, für jene Diözesen, in denen allein Griechen
ansässig sind, griechische Bischöfe zu ordinieren, vorausgesetzt, es finden sich Kandi-
daten, die dem Papst und dem lateinischen Patriarchen treu ergeben sind25. In Diözesen
mit gemischter Bevölkerung seien Lateiner zu bevorzugen26. Diese Vorstellungen des
Papstes haben sich letzten Endes als unrealisierbar erwiesen. Nur ganz wenige griechi-
sche Bischöfe waren bereit, sich dem Papst und dem lateinischen Patriarchen unterzu-
ordnen27. Das Modell der gemischten Bistumsbesetzungen im Osten scheint neun Jahre
später auf dem IV. Lateranum (1215) modifiziert und den Realitäten des lateinischen
Kaiserreiches angepaßt worden zu sein. Hier wird in Konstitution 9 vorgeschrieben, daß
der (lateinische) Bischof für die Betreuung der Gläubigen anderer Sprache und eines
anderen Ritus einen geeigneten (griechischen) Geistlichen, der mit der Sprache und den
Gewohnheiten der einheimischen Bevölkerung vertraut ist, als seinen Vikar bestimme.
Die Konstitution verbietet gleichzeitig, daß in einer Stadt zwei Bischöfe residierten:
„Sie wäre ein Leib mit mehreren Köpfen, gleichsam eine Mißgeburt"28. Von einer Be-
setzung der Diözesen durch Griechen ist hier keine Rede mehr, bezeichnend ist jedoch
der Nachdruck, mit dem die Konstitution unter Androhung von harten Strafen „mit
Hilfe des weltlichen Armes" {adhibito brachio saeculari) verbietet, sich in die geistige
Betreuung der einheimischen Gläubigen „sonstwie einzudrängen", das heißt, ohne Er-
laubnis und Zustimmung des lateinischen Bischofs Seelsorge zu praktizieren. Das Kon-
zil hat hier jene griechischen Bischöfe und Kleriker im Blick, die sich geweigert haben,
dem Papst und dem lateinischen Ortsbischof den Treueid zu leisten, und mit Unterstüt-
zung der einheimischen Gläubigen ihre Seelsorge fortsetzten. Die Sorge des Latera-
nums zeigt, daß diese Fälle häufig vorkamen29 und vom Papst als akute Gefahr angese-
hen wurden30.

25 CICO Fontes II 319 (Nr. 91): „in Ulis ecclesiis, in quibus sunt solummodo Graeci, graecos debes
episcopos ordinäre, si tales valeas reperire, qui nobis et tibi devoti et fideles existant, et a te
consecrationem velint recipere humiliter et devote".
26 Ebd.: „In illis vero [ecclesiis], in quibus cum Latinis Graeci sunt mixti, latinos praeficias ipsis
Graecis".
27 So Theodoros von Negropont, s. über ihn: RICHARD, The Establishment 47.
28 COD/DÖK II 239: „Prohibemus omnino, ne una eademque civitas sive dioecesis diversos
pontifices habeat, tanquam unum corpus diversa capita, quasi monstrum".
29 S. die Hinweise bei RICHARD, The Establishment 48^19.
30 COD/DÖK Π 239: „Quoniam in plerisque partibus intra eadem civitatem atque dioecesim
permixti sunt populi diversarum linguarum, habentes sub una fide varios ritus et mores, districte
praecipimus ut pontifices huiusmodi civitatum sive dioecesum, provideant viros idoneos, qui
secundum diversitates rituum et linguarum divina officia illis celebrent et ecclesiastica sacramenta
ministrent, instruendo eos verbo pariter et exemplo. Prohibemus autem omnino, ne una eademque
Die politische Dimension 253

Auch hinsichtlich der rituellen Eigenart der Ostkirche weist die Haltung Inno-
zenz' III. gewisse Widersprüchlichkeiten auf. Diese reichen so weit, daß die einen For-
scher den Papst in dieser Sache als intolerant, die anderen ihn dagegen als eher liberal
bezeichnen. So charakterisiert Helene Tillmann die Politik Innozenz' III. in Bezug auf
den griechischen Ritus als durch „Mäßigung, Klugheit und Weitherzigkeit" gekenn-
zeichnet31. Sie glaubt jedoch, eine gewisse Entwicklung in den Ansichten des Papstes
feststellen zu können, da er ihrer Meinung nach zunächst den griechischen Riten gegen-
über ablehnend war, später aber seine Position revidiert habe32. Indessen überzeugen die
Argumente Tillmanns nicht. Es stimmt zwar, daß der Papst hier und da sein Einver-
ständnis zum griechischen Ritus äußerte, man sollte sich aber dadurch nicht über die
grundsätzlich negative Einstellung des Papstes hinwegtäuschen lassen. Die Zugeständ-
nisse, die er machte, oder vielmehr machen mußte, geschahen, wie Wilhelm de Vries
m. E. zu Recht betont, widerwillig. In der Regel zielte der Papst auf eine „Angleichung
an den lateinischen Ritus"33. Man gewinnt aus seiner Korrespondenz bisweilen den
Eindruck, daß er einen „Kulturkampf gegen die Griechen zu führen glaubte. Unter
diesem Gesichtspunkt hat der Papst die Eroberung der Reichshauptstadt und die Eta-
blierung eines lateinischen Patriarchates nicht nur politisch legitimiert, sondern darüber
hinaus auch versucht, diese Usurpation in einen religiösen und kulturellen Zusammen-
hang einzupassen.
Gott habe „das Reich von Konstantinopel von den Stolzen zu den Bescheidenen, von
den Ungehorsamen zu den Ergebenen, von den Schismatikern zu den Rechtgläubigen
(catholicos), d.h. von den Griechen zu den Lateinern" übertragen. So schrieb der Papst
an die lateinische Geistlichkeit in Konstantinopel kurz nach der Eroberung34. Auf sol-

civitas sive dioecesis diversos pontifices habeat, tanquam unum corpus diversa capita, quasi
monstrum; sed si propter praedictas causas urgens necessitas postulaverit, pontifex loci
catholicum praesulem, nationibus illis conformcm, provida deliberatione constituat sibi vicarium
in praedictis, qui ei per omnia sit obediens et subiectus, unde si quis aliter se ingesserit,
excommunicationis se noverit mucrone percussum, et si nee sie resipuerit, ab omni ecclesiastico
ministerio deponatur, adhibito, si necesse fuerit, brachio saeculari ad tantam insolentiam
compescendam".
31 TILLMANN, Papst Innozenz 216. Vgl. dazu auch: DE VRIES, Innozenz III. 114. Tillmann kontra-
stiert seine Politik mit der des Cölestin (1191-1198), der Zypern „a beluato fermentatorum
schismate" zu befreien suchte (s.: CICO Fontes 1815, Nr. 398). Indessen ist dieses Beispiel nicht
beweiskräftig, weil Cölestin nicht unbedingt um das Verbot der Zelebration mit dem gesäuerten
Brot, sondern um die fermentati als Verteidiger des gesäuerten Brotes ging. Auch NORDEN, Das
Papsttum und Byzanz 195-197, spricht einerseits von der bewundernswerten Mäßigung des Pap-
stes in der Sache des Ritus, andererseits unterstreicht er, daß diese Mäßigung die Kurie „einzig
und allein aus Politik" übte.
32 TILLMANN, Papst Innozenz 216-217.
33 DE VRIES, Rom und die Patriarchate 187.
34 CICO Fontes, II278 (Nr. 65, vom 13. Nov. 1204): „...is, qui dominatur in Regno hominum, <...>
Constantinopolitamim Imperium a superbis ad humiles, ab inoboedientibus ad devotos, a
254 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

ehe Art hatte sich kein Papst vor Innozenz III. ausgedrückt. Dieser Text zielt nicht auf
konkrete griechische Hierarchen, so wie früher etwa Nikolaus I. gegen Photios (862/67)
oder Leo IX. gegen Kerullarios (1053/54) Konflikte austrugen, er zielt auch nicht auf
die Sedes Constantinopolitana, deren Abtrünnigkeit etwa um die Mitte des 12. Jahrhun-
derts von Papst Hadrian IV. beklagt wurde35, vielmehr werden hier „die Griechen" in
ihrer Gesamtheit und als Kultureinheit als Schismatiker und Ungehorsame bezeichnet
und der Gesamtheit und Kultureinheit der rechtgläubigen und gehorsamen „Lateiner"
gegenübergestellt36. Es wundert deswegen nicht, wenn der Papst in einem weiteren
Schritt die Forderung stellt: „Nachdem das Imperium [von den Griechen zu den Latei-
nern] übertragen worden ist, ist es notwendig, daß [auch] der Ritus des Priesteramtes
übertragen werde"37. Er meint damit nichts anderes als die liturgische und sakramentale
Angleichung der Griechen an die römischen Normen. Die griechische Kirche soll „ge-
mäß den Anordnungen der heiligen römischen Kirche, die der Herr als Mutter und Leh-
rerin aller Kirchen bestimmt hat", „in der Reinheit des Kultus (devotio) und des Glau-
bens" unterwiesen werden38. Konkret spricht der Papst in diesem Schreiben auch über
den Brotgebrauch in der Eucharistie. Die griechische Kirche sei von der Einheit abge-
wichen, sie habe „den Sauerteig nicht aus dem Hause weggeschafft, so daß sie gegen
jenen gesündigt hat, über den sie nicht verkünden wollte, daß der Heilige Geist von ihm
hervorgeht"39. Nun aber, „nachdem Ephraim zu Juda zurückgekehrt ist", nachdem also
die Griechen wieder mit Rom versöhnt seien, soll man den alten Sauerteig wegschaffen
und „mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit feiern"40. Daß der
Papst die biblische Metapher nicht nur rhetorisch einsetzt, sondern tatsächlich eine li-
turgische Vereinheitlichung im Sinn hat, bestätigen auch andere Stellen aus seiner Kor-
respondenz. So ermuntert er am 25. Mai 1205 in seinem Aufruf an „alle Erzbischöfe,
Bischöfe und andere Prälaten der Kirchen im Frankenreich" die Ordensleute in diesem

schismaticis ad catholicos, a Graecis videlicet transtulit ad Latinos". Ähnliche Ausdrücke findet


man im Brief des Innozenz an Balduin vom 7. Nov. 1204: ebd., S. 276 (Nr. 64).
35 S.: CICO Fontes I 799 (Nr. 387, Papst Hadrian IV. an den Erzbischof Basileios von Achrida ca.
1154/1159): „...per invidiam hostis antiqui Constantinopolitana Sedes a sacrosaneta Romana et
apostolica<...> Ecclesia seipsam separavit".
36 Interessant ist dabei die Anspielung auf Dan 4,14. Diese bezeugt, daß in den Augen des Papstes
der Eroberung Konstantinopels eine religiöse Bedeutung zukomme.
37 CICO Fontes, Π 302 (Nr. 79, Brief an Balduin von Konstantinopel vom 15. Mai 1205):
„Translato ergo Imperio, necessarium est, ut ritus sacerdotii transferatur, quatenus Ephraim
reversus ad Iudam, in azymis sinceritatis et veritatis, expurgato fermento veteri, epuletur".
38 Ebd.: „Ut <...> in devotione ac fidei puritate, iuxta institutiones sacrosanetae Romanae Ecclesiae,
quam Dominus omnium ecclesiamm matrem constituit et magistram, praedieta ecclesia
informetur...".
39 Ebd., S. 301: „Fermentum quoque non eiecit a domo, ut peccaret in eum, a quo Spiritum sanetum
procedere renuit confiteri...".
40 S. oben, Anm. 37.
Die politische Dimension 255

Land, nach Konstantinopel zur Unterstützung der dortigen Kirche zu gehen, und leitet
die Bitte des lateinischen Kaisers von Konstantinopel weiter, „Meßbücher, Breviarien
und andere Bücher, die den kirchlichen Gottesdienst nach der Ordnung der römischen
Kirche enthalten, wenigstens als Muster in jene Gebiete" (d.h. in das lateinische Kaiser-
reich Konstantinopel) zu übersenden41. Das Ziel dieser Aktion soll sein, daß „die östli-
che Kirche im göttlichen Lobgesang nicht von der westlichen abweicht, und wie es nur
einen Gott und einen Glauben gibt, so soll auch der Osten und der Westen ihn mit ei-
nem Munde loben und verherrlichen"42. Ein Indiz für die Pläne zur liturgischen Verein-
heitlichung darf man in griechischen Handschriften aus jener Zeit erblicken, worin der
lateinische Text der römischen Messe mit griechischen Buchstaben transliteriert und
mit einer interlinearen griechischen Übersetzung versehen ist 3 .
Diese Pläne erwiesen sich - offensichtlich wegen des Widerstandes der griechischen
Gläubigen und Priester - letzten Endes als nicht durchsetzbar. Am 2. August 1206
schrieb der Papst dem Patriarchen Thomas Morosini bezüglich der griechischen Riten:
„Du hast vom Apostolischen Stuhl erbeten, über den Ritus der Eucharistie und anderer Sakra-
mente belehrt zu werden, ob du den Griechen erlauben sollst, daß sie diese [Sakramente] nach
ihrer Gewohnheit praktizieren dürfen, oder ob du sie eher zum Ritus der Lateiner zwingen
sollst. Darauf antworten wir deiner Brüderlichkeit kurz, daß du sie, falls sie sich von dir nicht
bekehren lassen, in ihrem Ritus solange erträgst, bis der Apostolische Stuhl etwas anderes
glaubt entscheiden zu müssen"44.

Neun Jahre später deutet die Konstitution 4 des IV. Lateranums in die gleiche Richtung:

„So sehr wir bereit sind, den Griechen, die in unseren Tagen zum Gehorsam gegen den Apo-
stolischen Stuhl zurückkehren, unsere Förderung und Ehre zu erweisen, indem wir, soweit wir
es im Herrn vermögen, ihre Bräuche und Riten gestatten, wollen und dürfen wir ihnen jedoch

41 CICO Fontes, II 304 (Nr. 81): „Postulavit missalia, breviaria, caeterosque libros, in quibus
officium eccelsiasticum seeundum instituta sanetae Romanae ecclesiae continentur, saltem pro
exemplaribus ad partes illas faceremus transmitti".
42 Ebd.: „...ut et vestra abundantia illorum inopiam suppleat, et Orientalis ecclesia in divinis
laudibus ab Occidentali non dissonet, et sicut est unus Deus et fides una, ita uno ore ipsum laudat
et glorificet oriens et occasus".
43 S. dazu: HALUSCYNSKYJ in: CICO Fontes Π 130 Anm. 83. Der Text ist ediert in: HEISENBERG,
Neue Quellen, II. 46-52, Kommentar: ebd., 12-15. Heisenberg hat Bedenken, diesen Text als zu
solchen Zwecken dienend zu interpretieren (S. 12-13). Er gibt jedoch selber zu, daß er auch zu
diesen Zwecken gebraucht werden konnte. Anders denken HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-
Nektarios 82, die der Meinung sind, daß „für ein solches Vorgehen Roms gegen den griechischen
Ritus, mindestens in damaliger Zeit, noch jeglicher Beleg fehlt".
44 CICO Fontes Π 319 (Nr. 91): „Edoceri quoque de sacrificiorum et aliorum sacramentorum ritu
per sedem apostolicam postulasti, utrum debeas graecos permittere, ut ea exerceant more suo, vel
compellere ad ritum potius Latinorum. Ad quod fraternitati tuae breviter respondemus, ut eos
tamdiu in suo ritu sustineas, si per te revocari non possunt, donec super hoc apostolica sedes
maturiori consilio aliud duxerit statuendum".
256 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

nicht in dem entgegenkommen, was die Seelen gefährdet und dem Ansehen der Kirche scha-
det"45 . . .

In beiden Fällen werden die griechischen Riten nur vorbehaltlich ihrer Unbedenklich-
keit für die römische Kirche geduldet und in beiden Fällen behält sich der Apostolische
Stuhl die Möglichkeit vor, anders zu entscheiden. Die Konstitution des IV. Lateranums
diente auch für spätere Verlautbarungen als Vorbild46. Streng genommen gesteht die
Konstitution des IV. Lateranums De superbia Graecorum contra Latinos ein totales
Scheitern der päpstlichen Politik gegenüber der griechischen Kirche im lateinischen
Orient ein. Als Gewohnheiten der Griechen, die nicht geduldet werden können, nennt
die Konstitution (1) das Abwaschen der Altäre, auf denen einmal lateinische Priester
zelebriert hatten, und (2) die Wiedertaufe der von den Lateinern Getauften47. Das Kon-
zil erläßt „die strenge Vorschrift", daß die Griechen „solches in Zukunft nicht mehr tun
sollen. Sie sollen sich wie gehorsame Söhne ihrer Mutter, der hochheiligen römischen
Kirche, anpassen, auf daß eine Herde und ein Hirte sei"48. Der Gesetzgeber bemerkt
anscheinend die Widersprüchlichkeit seiner Anordnungen nicht: Denn derjenige Grie-
che, der so etwas tut, gehört ja ipso facto nicht der vom Papst geleiteten Kirche an, er
erkennt ja die päpstliche Jurisdiktion über sich nicht an; er hält ja die lateinische Eucha-
ristie für unrein und die lateinische Kirche für eine Institution, die kein Taufsakrament
besitzt. Deswegen hat die Verurteilung derartiger Fälle nichts mit der eigentlichen Pro-
blematik der Toleranz bzw. Intoleranz gegenüber der rituellen Eigenart der griechischen
Kirche zu tun. Der Eindruck, der am Anfang der Konstitution erweckt wurde, täuscht:
Es geht hier nicht um die rituelle Eigenart der Griechen, ob deren „Bräuche und Riten"
geduldet bzw. nicht geduldet werden, sondern um Handlungen, deren Vollzug die be-
wußte Abgrenzung gegenüber der lateinischen Kirche bedeutet49. Die Strafandrohungen

45 COD/DÖKII235: „Licet Graecos in diebus nostris ad oboedientiam sedis apostolicae revertentes,


fovere et honorare velimus, mores ac ritus eorum, quantum cum Domino possumus, sustinendo,
in his tarnen illis deferre nee volumus nee debemus, quae periculum generant animarum et
ecclesiasücae derogant honestati". Übers, teilweise nach: FOREVILLE, Ijiteran I-IV, übers, von
Nikolaus Monzel, S. 406. Diese Übersetzung trifft den Text besser als die neuere in COD/DÖK.
46 Vgl.: CICO Fontes Hl 115 (Nr. 86); ebd., IV/1 172 (Nr. 105); ebd., TV/2 103 (Nr. 46a).
47 COD/DÖK Π 235-236: „Postquam enim Graecorum ecclesia cum quibusdam complieibus et
fautoribus suis ab obedientia sedis apostolicae se subtraxit, in tantum Graeci coeperunt abominari
Latinos, quod inter alia quae in derogationem eorum impie committebant, si quando sacerdotes
latini super eorum celebrassent altaria, non prius ipsi sacrificare volebant in Ulis, quam ea
tamquam per hoc inquinata lavissent; baptizatos etiam a Latinis et ipsi Graeci rebaptizare ausu
temerario praesumebant et adhuc, sicut aeeepimus, quidam agere non verentur".
48 COD/DÖK Π 236: „Volentes ergo tantum ab ecclesia Dei scandalum amovere, sacro suadente
concilio districte praeeipimus, ut talia de caetero non praesumant, conformantes se tamquam
oboedientiae filii sacrosanetae Romanae ecclesiae matri suae, ut sit unum ovile et unus pastor".
49 Deswegen sind die Ausführungen von Helene TILLMANN, Papst Innozenz 218, fehl am Platz:
„Auf dem Laterankonzil endlich zeigt Innozenz den Griechen gegenüber eine Haltung, die sich in
Die politische Dimension 257

der Konstitution zeigen, daß solche Handlungen unter den griechischen Klerikern im
lateinischen Machtbereich eben vorkamen.
Die Haltung des Papstes gegenüber einzelnen von der lateinischen Kirche abwei-
chenden Gewohnheiten der Griechen war unterschiedlich. So wurde die Ehe von Kleri-
kern durch Innozenz prinzipiell nicht in Frage gestellt. Auch die Konstitution 14 des
IV. Lateranums erhob keine Einwände gegen die Sitte der Kleriker gewisser Regionen,
„in einer rechtmäßigen Ehe zu leben"50. Dieses Zugeständnis verdankt sich allerdings
nicht so sehr päpstlicher Liberalität, als vielmehr der im westlichen Kirchenrecht da-
mals längst erfolgten Billigung der ostkirchlichen Priesterehe. Die Akzeptanz der grie-
chischen Klerikerheirat, die vermutlich von Stephan IX. (Friedrich von Lothringen) auf
dem Konzil in Rom 1058 postuliert wurde, fand Aufnahme in das Deere turn Gratiani51.
Insgesamt erfuhr die ostkirchliche Priesterehe unter allen griechischen
Eigengewohnheiten wohl das glücklichste Schicksal in der westlichen Kanonistik.
Nicht eindeutig hat sich dagegen Innozenz III. gegenüber den griechischen Bischofs-
konsekrationen verhalten. In seinem Schreiben an den bulgarischen Erzbischof Basi-
leios vom 25. Februar 1204 verurteilte er die griechische Praxis der Bischofsweihe ohne
Salbung und betonte die Notwendigkeit, die Ordination nach dem römischen Brauch
mit Salbung zu vollziehen bzw. die früher nach dem griechischen Brauch erteilten bi-
schöflichen Ordinationen durch die Salbung zu vervollständigen52. In der Instruktion an
Thomas Morosini vom 8. März 1208 verlangte der Papst, die neuen Bischöfe aus-
schließlich mit der Salbung zu weihen. Er machte jedoch das Zugeständnis, daß von den
nach östlichem Brauch konsekrierten Bischöfen keine Vervollständigung ihrer Ordina-
tion verlangt werden dürfe, falls diese Bischöfe zwar die Bereitschaft zum Gehorsam
zeigten, jedoch Hemmungen hätten, nach lateinischem Ritus gesalbt zu werden53. Die

Fragen des Ritus und Brauchtums aus jeder Enge und Unfreiheit gelöst zu haben scheint. Er ver-
bietet nur zwei Gewohnheiten der Griechen, das Abwaschen der Altäre, an denen Lateiner Messe
gelesen haben, und die Wiederholung der von Lateinern gespendeten Taufe".
50 COD/DÖK Π 242: „Qui <...> seeundum regionis suae morem non abdicarunt copulam
coniugalem, si lapsi fuerint, gravius puniantur, cum legitimo matrimonio possint uti".
51 DBCRETUMGRATIANI, D. 31 C. 14 (ed. cit. 115): „Aliter se habet Orientalium Ecclesiarum traditio,
aliter huius sanetae Romanae ecclesiae. Nam eorum sacerdotes, diaconi atque subdiaconi
matrimonio copulantur"; vgl.: CICO Fontes I 785 (Nr. 374). Dieses Kapitel Gratians bot für die
Dekretisten einen Anlaß, über die kirchenrechtliche und rituelle Eiganart der Ostkirche insgesamt
zu reflektieren; so bei ζ. Β. Huguccio; s. dazu: HERDE, Das Papstum und die griechische Kirche
30-31 Anm. 124.
52 CICO Fontes Π 258-263 (Nr. 52).
53 Ebd., Π 341 (Nr. 109): „Ex parte tua fuit propositum coram nobis, quod quidam episcopi graeci
ad tuam oboedientiam redeuntes, fidelitatis praestiterunt tibi corporaliter iuramentum, nobisque
oboedientiam promiserunt, sed inungi renuunt iuxta consuetudinem Latinorum. Unde quid super
hiis agere debeas, postulasti per sedem apostolicam edoceri. Nos igitur inquisitioni tuae taliter
respondemus, quod si hü qui iam consecrati sunt induci nequeunt, ut reeipiant unetionem, id in
258 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Obödienz, die Anerkennung der päpstlichen Superiorität hatte bei all diesen Fragen die
vorrangige Stellung. Solange die Griechen bereit waren, sich der Jurisdiktion des Pap-
stes und des lateinischen Patriarchen von Konstantinopel unterzuordnen, war man -
wenn auch unter Vorbehalt - zu Zugeständnissen in rituellen und kanonischen Fragen
bereit. Gleichwohl verhielt sich Innozenz gegenüber der rituellen Eigenart der Grie-
chen in Süditalien liberaler als in bezug auf Konstantinopel. Der Papst stellte das Recht
der kalabresischen Griechen, ihre Gewohnheiten zu praktizieren, normalerweise nicht in
Frage. Vielmehr sind Dokumente erhalten, in denen der Papst die griechische Kirche in
Kalabrien verteidigt - in Einzelfällen sogar gegen die Lateiner54. Man hat den Eindruck,
daß man in der Kurie zwischen „guten" (kalabresischen) und „schlechten" (konstan-
tinopolitanischen) Griechen unterschied. Erstere durften ihren Ritus unangefochten
behalten, Letztere, als hartnäckige Schismatiker verdächtigt, mußten dagegen ihren
Ritus und die Gewohnheiten, die als Gefahr oder Bedrohung angesehen wurden, dem
römischen Ritus angleichen. Außerdem unterschied der Papst zwischen „vernünftigen
und alten Gewohnheiten {consuetudines rationabiles et cmtiquae), die den Institutionen
des Apostolischen Stuhls nicht widersprechen" einerseits55, und Gewohnheiten, die eine
gewisse Gefahr für das Seelenheil und die kirchliche Einheit darstellen, andererseits.
Die ersten können frei ausgeübt werden, die zweiten müßten eigentlich korrigiert bzw.
abgeschafft werden. Nur um den Griechen den Übertritt zum Gehorsam gegenüber dem
Papst zu erleichtern, werden sie in Einzelfällen vorläufig geduldet, bis der Apostolische
Stuhl anders entscheidet. Während etwa die Priesterehe nach Ansicht des Papstes eher
zur ersten Kategorie gehört, scheint eine Reihe anderer Bräuche wie ζ. Β. die Bischofs-
ordination ohne Salbung und die Erteilung der Firmung durch einfache Priester56 von
Innozenz als gefährlich angesehen zu werden. Die oben angeführte Stelle über die
Azymen57 spricht dafür, daß der Gebrauch des gesäuerten Brotes eher zur zweiten Ka-
tegorie gerechnet wurde. Jedenfalls gibt es in der Korrespondenz Innozenz' III. keine
eindeutigen Aussagen darüber, daß die Zelebration mit gesäuertem Brot als „ungefähr-
lich" einzustufen sei.

hac novitate sub dissimulatione poteris pertransire. Consecrandos vero nullatenus consecres, nisi
more latino voluerint consecrari, cum nos ipsi nonnisi iuxta nostram consuetudinem
consecremus".
54 So CICO Fontes Π 169 (Nr. 1).
55 Ebd., Π 296 (Nr. 74, Brief an Thomas Morosini vom 30. März 1205): „Libertates eüam et
immuniates eiusdem ecclesiae ac consuetudines rationabiles et antiquas, quae apostolicae sedis
non obviant institutis, ratas habemus, et eas perpetuis temporibus illibatas permanere saneimus".
Vgl. ebd., S. 416 (Nr. 185).
56 Zur letzteren Gewohnheit s. Brief an die Maroniten vom 4. Januar 1215 in: CICO Fontes Π 459
(Nr. 216). In diesem Schreiben nennt der Papst eine Reihe von Gewohnheiten der Maroniten, die
korrektur- bzw. vervollständigungsbedürftig sind.
57 S. oben, S. 254 Anm. 39.
Die politische Dimension 259

„Apostel oder Aggressor?" Mir scheint, Innozenz III. war beides gleichermaßen.
Mag sein Engagement auch aus religiösen Motiven entsprungen sein, so band er doch
seinen Apostolat so eng an die militärpolitische Aggression, daß sich sogar die Frage
aufdrängt, ob er diese Aggression bisweilen nicht doch mit dem Apostolat gleichgesetzt
hat. Es ist daher kein Wunder, daß im Bewußtsein der Byzantiner die Kirchenunion
seither ein für allemal mit politischer Eroberung verbunden war und jede Annäherung
an die römische Kirche als politischer Verrat gebrandmarkt wurde. Steven Runciman
bezeichnet in seiner klassischen Monographie zum östlichen Schisma den Theodoros
Balsamon als wohl einen der aussichtsreichsten Kandidaten, um für einen villain on the
Orthodox sidefor the development ofschism - noch eher als Photios und Kerullarios -
gehalten zu werden58. Müßte man auf der römischen Seite eine Entsprechung suchen,
käme man nur schwer an Innozenz III. vorbei. Kein anderer lateinischer Kirchenfürst,
Kardinal Humbert und alle Päpste des 11. und des 12. Jahrhunderts miteingeschlossen,
begegnete den Griechen, der griechischen Kirche und sogar dem „Griechentum" mit
solchem Hochmut und solchem Unverständnis wie Innozenz III. Für die lateinisch-
griechischen Beziehungen hatte das Wirken dieses Papstes verheerende Folgen. Wenn
die Hoffnung auf Wiederherstellung der Kircheneinheit für Jahrhunderte geschwunden
war, trug dieser Papst einen Großteil der Verantwortung dafür.

c. Kontroversgespräche mit den Griechen


In der Zeit 1204-1261 wurden zwischen Griechen und Lateinern intensive kirchenpoli-
tische und theologische Kontroversgespräche geführt. In den ersten Jahren nach der
Eroberung Konstantinopels wurde von Rom aus mehrmals versucht, eine Verständi-
gung mit den Griechen im lateinischen Machtbereich, vor allem in Konstantinopel,
herbeizuführen, um von der griechischen Geistlichkeit Gehorsam gegenüber dem Papst
zu erreichen. Zunächst traten dabei als Legaten Innozenz' III. Kardinal Petrus von Ca-
pua, der bereits im Dezember 1204 in der Hagia Sophia zu Konstantinopel ein Gespräch
mit dem griechischen Klerus führte59, und Kardinal Benedikt de S. Susanna, der in den
Jahren 1205/7 im Auftrag des Innozenz eine Reise in den Osten unternahm, hervor60.
Über den Verlauf der Disputationen Benedikts, die er in Konstantinopel von August bis
Oktober 1206 geführt hat, wissen wir vor allem aus dem Bericht seines Dolmetschers,
des süditalienischen Griechen Nikolaos von Otranto, der diesen Streitgesprächen einen
bedeutenden Teil seiner drei Syntagmata gegen die Lateiner widmete61. Auch der grie-
chische Schriftsteller Nikolaos Mesarites, der Bruder des damaligen Wortführers der

58 RUNCIMAN, The Eastern Schism 138.


59 Über diese Disputation sind wir aus dem Epitaphios des Nikolaos Mesarites unterrichtet; s. dazu:
HEISENBERG, Neue Quellen. I. 7-8.
60 Zu diesen Verhandlungen s.: HEISENBERG, Neue Quellen. I. 8-13; HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-
Neklarios 30-54.
61 Zu Nikolaos-Nektarios von Otranto, Abt von Casole, s. oben, S. 100 (Nr. 34).
260 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

griechischen Mönche Joannes Mesarites, hinterließ Berichte über die Disputationen mit
dem Kardinal62. Neben anderen Streitfragen (die Anerkennung des Lateiners Morosini
als rechtmäßigen Patriarchen von Konstantinopel, das Filioque, das Sabbatfasten, die
Priesterehe, die Eucharistiefeier in der Quadragesima) wurde auch das Problem der
Azymen diskutiert. Nach Darstellung des Nikolaos von Otranto war ein Hauptargument
zugunsten des gesäuerten Brotes der Befund einer Partikel des heiligen Brotes, der den
Kreuzfahrern bei der Plünderung Konstantinopels im Skeuophylakion (Gefäßkammer)
des Großen Kaiserpalastes63 in die Hände gefallen war:
„Ihr selbst [Lateiner], sagen sie [die Griechen], wißt, welches das Brot war, das Christus sei-
nen Jüngern überreichte, ob es ungesäuertes oder gesäuertes war. Ihr habt von nun an einen si-
cheren [Beweis]. Denn derjenige, der alles weiß, noch bevor es geschieht [Dan 13,42], der al-
les leitet und zur Jugendkraft nach seinem Willen erneuert, offenbarte allen dieses große
Mysterium. Und sie [die Griechen] sagten: Nachdem sich die Franken der kaiserlichen Stadt
[Konstantinopel 1 bemächtigt hatten, suchten sie nach allen Schätzen, nicht nur in den kaiserli-
chen und öffentlichen Gebäuden, sondern auch in den Gotteshäusern, wie einst Nebukadnezzar
und Nebusaradan, der Führer seiner Leibwache, nach den Schätzen Jerusalems gesucht hatten
[2 Kön 25, 8-17]. Räuberisch drangen [die Franken] in das Skeuophylakion des Großen Pala-
stes ein, in dem sich die heiligen [Reliquien] befanden, nämlich das heilige Holz, die Dornen-
krone, die Sandalen des Heilands, ein Nagel und die Leinentücher, was auch wir mit eigenen
Augen einmal gesehen hatten. Unter den vielen Sachen fanden sie dort - ο Herr der Barmher-
zigkeit! - dasselbe Brot, das mein Christus mit seinen makellosen Händen den Jüngern im
Abendmahl gegeben hatte. Dieses [Brot] lag in einem goldenen mit Perlen und Edelsteinen ge-
schmückten Gefäß. Dies bezeugte auch eine griechische Inschrift im Inneren des Gefäßes, die
lautete: Hier liegt das heilige Brot, das Christus den Jüngern in der Stunde des Abendmahles
austeilte, mit den Worten: Nehmt, eßt. Diejenigen, die das Brot fanden, - der Bischof von Al-
vestania, der gewählte [Bischof] von Bethlehem64 und einige andere, - wollten es verheimli-
chen. Aber der wahrhaftige Gott, der auf gerechte Weise seinen Sohn, die Wahrheit, aus der
Erde hervorgebracht hatte, machte auch dieses Brot ruhmreich, so daß auch jeder Zweifel be-
reinigt wurde"65.

62 S.: HEISENBERG, Neue Quellen. I. 8-14. 52-63; DERS., Neue Quellen. II. 3-5. 15-25.
63 Zum Großen Kaiserpalast s.: ODB 869-870.
64 Nach HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 39 Anm. 50, ist damit „zweifellos Bischof Konrad
Krossigk von Halberstadt" und Bischof Petrus von Bethlehem gemeint.
65 NIKOLAOS-NEKTARIOS VON OTRANTO, Συντάγματα, ed. cit. 40-41: ύμεΐς γάρ αυτοί, φασίν,
οϊδατε οίος χ\ν ό ύπό τοΰ Χρίστου τοις μαθηταΐς διαδοθείς αρτος, καν τε αξυμος, καν τε
ένζυμος, ώς άπό τοϋ νΰν το βέβαιον έχοντες. Ό γάρ προειδώς πάντα πρίν γενέσεως αυτών
και πάντα πρυτάνεων και καινοποιών, έπί τό νεάζον, ώς βούλεται, απεκάλυψε πδσι τουτί
το μέγα μυστήριον. Και τόδ' εΐπον, δτι κρατηθείσης ύπό των Φραγγών της βασιλευούσης
των πόλεων καί πάντας τους θησαυρούς ού μόνον των ανακτόρων καί των κοινολάίτων,
άλλα καί τους των οίκων Κυρίου, καθώσπερ ποτέ Ναβουχοδονόσωρ καί Ναβουζαρδάν, ό
αύτοϋ άρχιμάγειρος, τους έν 'Ιερουσαλήμ, έξερευνησάντων, καί έν τψ σκευοφυλακίω, τοΰ
μεγάλου παλατιού ληστρικώς είσφρησάντων, έν οις τα αγία εκειντο, ήγουν τά τίμια ξύλα,
Die politische Dimension 261

Das aufgefundene Brot sei aber gesäuert gewesen, „so daß dadurch jeder Einwand [ge-
gen den Sauerteig in der Eucharistie] zurückgewiesen werde"66. Dieses Argument
dürfte angesichts der hohen Autorität, die die byzantinischen Reliquien bei den Latei-
nern genossen, von beachtlichem Gewicht gewesen sein67.
Bemerkenswert ist in diesem von Nikolaos von Otranto geschilderten Streitgespräch
die Uneinigkeit der Mitglieder der lateinischen Delegation über die Frage des euchari-
stischen Brotes. Kardinal Benedikt äußerte sich mehrmals und nachdrücklich im Sinne
der Gleichwertigkeit der beiden Bräuche:
„Ich halte die beiden für ein und dasselbe. Wie [eucharistischer] Wein, egal ob weiß, schwarz
oder rot, das Blut im heiligen Kelch darstellt, so wird auch das dargebrachte Brot, sei es ge-
säuert oder ungesäuert, als konsekriertes in den Leib Christi verwandelt"68.

Ein anderer Lateiner vertrat jedoch im Gegensatz zum Kardinal die Ansicht, daß die
Heilige Schrift grundsätzlich jede Verwendung des gesäuerten Brotes verbiete:
„Hier sagte jemand von den Lateinern, der gegen die Griechen feindselig eingestimmt war:
»Ein wenig Sauerteig nur durchsäuert und verdirbt den ganzen Teig [1 Kor 5, 6]69. Auch der

ό άκάνθινος στέφανος, τα τοϋ Σωτηρος σανδάλια, ό ήλος και σπάργανα, άτινα και ήμεϊς
αύτοψεί έθεασάμεθα, άλλα δε πλείστα εΰρον έκεΐσε, ώ της εύσπλαγχνίας σου Δέσποτα,
κάκεΤνον τον αρτον, δν ταΐς άχράντοις χερσίν ό Χριστός μου τοις μαθηταΤς έν τψ δείπνφ
διένειμε, καί τοΰτον έν σκεύει τινί χρυσίνψ και δια μαργάρων και λίθων κεκοσμημένω
τιμίων. Έ π ' ω καί επιγραφή το εντός διεσήμαινε, δια γραμμάτων ελληνικών ούτωσΐ
λέγουσα- ένθάδε κείται ό θείος άρτος, δν δ Χριστός τοις μαθητάϊς έν τη ώρα τοΰ δείπνου
διένειμεν ειπών, λάβετε, φάγετε. Οί τοΰτον δ' εΰροντες ϋπήρχον ό 'Αλβεστανίας επίσκοπος
καί ό της Βηθλεέμ υποψήφιος καί άλλοι τινές, οι καί κατακρύ-ψαι τοΰτο ήβούλοντο· άλλ' ό
άψευδής Θεός, ό δικαίως άλήθειαν τον Υίόν αύτοΰ έκ της γης άνατείλας, καί τοΰτον
άριδείκετον καθίστα, έξ οΰ καί το άμφίβολον διελύθη.
66 Ebd., 24: <...> δτι εύρηθείσης καί μερίδος εκείνου τοΰ άρτου, δν ό Χριστός παρέδωκε τοις
μαθηταΐς έν τφ δείπνφ τοΰ μεγάλου παλατιού σκευοφυλακίω πασά πρόφασις ήρθη έκ
μέσου. Der Bericht des Nikolaos von Otranto wird bestätigt durch Randnotizen eines
griechischen Kodex Patr. Kamar. 33, s. dazu: HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios, 39-40
Arm. 51.
67 HOECK / LOENERTZ, Nikolaos-Nektarios 38 Anm. 48, schreiben sogar der „Abendmahlsreliquie"
die Änderung in der Haltung des Papstes Innozenz III. in der Frage der Angleichung des griechi-
schen eucharistischen Ritus an die lateinische Bräuche zu. Ein interessantes Pendant zum Argu-
ment der Griechen bietet auf lateinischer Seite das sog. „Azymenwunder von Susa", das von ei-
nem Chronisten Alberich von Troisfontaines (MGH.SS ΧΧΠΙ 886) berichtet wird. Zu dem
Azymenwunder von Susa s.: VON DENBRINCKEN, Die Nationes christianorum orientalium 90.
68 NIKOLAOS-NEKTARIOS VON OTRANTO, Συντάγματα, ed. cit. 37: "Εν γαρ τοϋτο κάκεΐνο
λογίζομαι. "Ωσπερ γαρ οινον οΐδα, καν λευκός, εϊτε μέλας ή και ερυθρός πέφυκεν,
άδιαφόρως αίμα ποιεΤν τέλειον έν τω άγίω ποτηρίω Χρίστου ελεγχόμενος, οϋτω καί ό
προσφερόμενος άρτος κάν τ' ένζυμος, καν τε άζυμος, εις σώμα μετατρέπεται άγιαζόμενος
τοΰ Χρίστου.
262 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Heiland gebot seinen Jüngern und sagte: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und
Sadduzäer [Mt 16, 6]. Also schließen das Wort des Herrn und die Lehre des Paulus den Sau-
erteig völlig aus«"70.
Man sieht, daß das Schwanken, dem Innozenz III. bezüglich der Fragen des griechi-
schen Ritus unterlag, auf den uneinheitlichen Standpunkt bei den Lateinern selbst zu-
rückzuführen ist. Außerdem fällt das unterschiedliche Gewicht auf, mit dem beide Sei-
ten dem Azymenproblem begegneten. Im Gegensatz zu den Griechen wollte Kardinal
Benedikt die Azymen nur ungern diskutieren und stellte die Nützlichkeit dieser Erörte-
rung grundsätzlich in Frage. Seine Bedenken brachte er gleich zu Beginn zum Aus-
druck:
„Der genannte Kardinal wollte über diese Frage überhaupt nicht diskutieren, obgleich er ein
gebildeter und der Hl. Schrift kundiger Mensch war. Und obwohl er auch über äußere Bildung
verfügte, zeigte er sich den dialektischen Beweisgängen nicht aufgeschlossen. Jedoch sagte er
über diesen Gegenstand, man dürfe seine Rede nicht gegen die göttliche Mystagogie wenden,
indem man die eine Art des blutlosen Opfers mißbilligen und zugleich eine andere gutheißen
würde"71.

Auch zum Abschluß der Diskussion, nachdem alle Standpunkte dargelegt worden wa-
ren, bestätigte der Kardinal seinen Unwillen, die Azymenfrage zu diskutieren:
„Nachdem die Griechen dies alles ausgesprochen hatten, stand der Kardinal auf und sagte,
dem nichts hinzufügend, nur folgendes: »Genug darüber. Wir sollen ja keine Wortgefechte und
unziemlichen Zänkereien mehr fuhren. Denn, wie wir vorher sagten und jetzt sagen, sind beide
Brotarten Gott gefällig, sowohl gesäuertes als auch ungesäuertes, das vom Heiligen Geist
durch priesterliche Konsekration geheiligt wird«"72.
Auch in den Gesprächen, die der neue Legat, Kardinal Pelagius Galvani, in den Jahren
1214/15 führte, wurde das Azymenproblem nur kurz berührt, ohne jedoch der Proble-

69 Zu dem Wort „verdirbt" s. oben, S. 43.


70 NKOLAOS-NEKTARIOS VON OTRANTO, Συντάγματα, ed. cit. 54: Έν τούτοις δε τις των
Λατίνων, ώς εριδι διακείμενος κατά των Γραικών, μικρά ζύμη φησίν δλον το φύραμα
ξυμοΐ καί φθείρει. 'Αλλά και ό Σωτήρ εντελλόμενος τοις μαθηταΐς αύτοϋ έλεγε· προσέχετε
άπό της ζύμης των φαρισαίων καί σαδδουκαίων. "Ωστε τψ ζυμίτη ό τοϋ Κυρίου λόγος καί
ή τοϋ Παύλου διδαχή πάντως αντίκεινται.
71 Ebd., 37: 'Αλλ' ό ρηθείς καρδηνάριος ουδέ προς βραχύ τι άποκρίνασθαι περί τοιούτου
ζητήματος ήβουλήθη, καίτοι λόγοις ών καί τή θεία έντεθραμμένος Γραφή· άλλ' ουδέ της
εξω παιδείας άμοιρος ην, ει μή μόνον έλεγε γένοιτο κατά της θείας μυσταγωγίας γλωσσαν
κινήσαι, ώστε τό μεν ψέγειν της αναίμακτου Ουσίας, το δε έπαινεΐν.
72 Ebd., 58-59: Τούτων τοιγαροΰν παρά τών Γραικών έν τφ μέσω ρηθέντων, ανέστη ό
καρδηνάριος, καί μηδέν έπειπών ή μόνον τό άρκεΐ φησί περί τούτων, καί μηκέτι
λογομαχίας καί έριδας άεικεΐς ποιεΐν βουληθείημεν. Ώ ς γαρ εφθημεν ε'ιπόντες καί τα νΰν
λέγομεν, δτι ευπρόσδεκτα τφ θεφ αμφότερα πέφυκεν, δ τ' ένζυμος καί ό άζυμος, έξ οΰ δια
τοΰ 'Αγίου Πνεύματος παρά τοϋ ιερέως θυόμενος αγιάζεται.
Die politische Dimension 263

matik neue Aspekte abzugewinnen73 - vorausgesetzt, der diesbezügliche Bericht, der


unter dem Namen des Nikolaos Mesarites überliefert ist, ist keine Fälschung . Kardinal
Pelagius führte seine Gespräche mit Vertretern des griechischen Kaiserreiches von Ni-
kaia. Allmählich verschob sich der Schwerpunkt der Beziehungen zwischen Lateinern
und Griechen dorthin, weil das lateinische Kaiserreich politisch immer unbedeutender
wurde. In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten seines Bestehens beschränkte es sich
ausschließlich auf das Gebiet der Stadt Konstantinopel75, wohingegen die griechischen
Staaten, nämlich das Kaiserreich von Nikaia und das Epirotische Reich mit Zentrum in
Thessalonike, mehr und mehr an politischer Bedeutung gewannen.

d. Die Mendikanten und die Gespräche in Nikaia/Nymphaion 1234


Einen grundsätzlich neuen Impuls bekamen die Beziehungen zwischen Lateinern und
Griechen durch die missionarischen Aktivitäten der beiden Mendikantenorden im
Osten. Seit 1220 ist die Präsenz von Franziskanern in Konstantinopel bezeugt76. Die
Dominikaner scheinen zwar etwas später in den Osten gekommen zu sein, hatten aber
bereits um die Jahrhundertmitte mit den Franziskanern in ihren Bemühungen um die
Griechen gleichgezogen . Durch die beiden Mendikantenorden erreichten die Kontro-
versgespräche eine neue Intensität, aber auch ein neues theologisches Niveau. Eine
besondere Geltung erlangten die Gespräche von 1234 in Nikaia und Nymphaion, die
lateinischerseits von Mendikanten geführt wurden.
Den Anstoß für die Gespräche von 1234 gaben zwei Versöhnungsbriefe {litterae
pacificae1%), die der in Nikaia residierende Patriarch Germanos II. von Konstantinopel79
1232 an Papst Gregor IX. und an die römischen Kardinale richtete80. Nach eigener Dar-
stellung wurde der Patriarch zum Schreiben durch fünf namentlich nicht genannte Fran-
ziskaner veranlaßt, die auf dem Weg (vermutlich aus dem Heiligen Land81) zurück in

73 S.: HEISENBERG, jVe«eÖMe//e«. 7/7.27-32.


74 Für eine Fälschung spricht sich aus: SPITERIS, 7 dialoghi{ 1977).
75 S. dazu: WOLFF, The ljxtin Empire ofConstantinople, 1204 1261, S. 220.
76 Dazu s.: WOLFF, The Ijxtin Empire ofConstantinople and the Franciscans 213-214. Zu den
Franziskanern im Orient im 13. Jh. s.: GOLUBOVICH, Biblioteca Ι-Π (1906-1913); RONCAGLIA,
Les Freres Mineurs et l'Eglise grecque (1954); MATTEUCCI, La Missione francescana I (1971).
77 Zu den Dominikanern im Orient im 13. Jh. s.: ALTANER, Die Dominkanermissionen (1924);
DHGE 18 (1977) 1363-1369 (LOENERTZ); DONDAINE, Contra Graecos.
78 So nennt der Patriarch Germanos sein Schreiben an den Papst im Brief an die Kardinale, wovon
nur eine lateinische Übersetzung erhalten ist: „negotium unitatis suseepimus et ad sanetissünum
papam paeificas litteras dirigimus" (CICO Fontes JE 250, Nr. 179b).
79 Literatur zu Germanos Π. s. oben, S. 94 (Nr. 12).
80 Text der Briefe s.: CICO Fontes ΠΙ 240-252 (Nr. 179a. 179 b). Der zweite Brief ist nur in zeitge-
nössischer lateinischer Übersetzung erhalten.
81 So GOLUBOVICH, Disputatio 419. Der Brief des Patriarchen spricht nur sehr vage von dem „un-
rechten Kerker", den die Fratres erleiden mußten. Zu den fünf Franziskanern vgl. RONCAGLIA, Les
264 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

den Westen Station in Nikaia machten und mit dem Patriarchen über die Spaltimg der
Kirchen sprachen82. Mit Sympathie berichtet Germanos II. über die Begegnung mit den
Minoriten, die „eine Frohbotschaft des Friedens und der Güte zwischen Griechen und
Lateinern" brachten83. Er gibt seiner Überzeugung Ausdruck, daß die fünf Fratres
„durch die göttliche Vorsehung"84 sowie „zum guten Zeichen bei uns erschienen sind"
und daß damit die Hoffnung auf „die Christus angenehme Einheit und Eintracht der
fünf Patriarchate" wieder erwacht ist85. Zugleich versucht der Autor des Schreibens, die
scharfen Probleme, die zwischen Lateinern und Griechen bestehen, nicht zu verschwei-
gen: „Verzeih, ο heiliger Herr sowie mitleidigster und gnädigster der vorrangigen Bi-
schöfe des Alten Roms, und hab Nachsicht mit [unseren] Worten, die etwas Bitterkeit in
sich tragen"86, schreibt Germanos II. an den Papst. An mehreren Stellen kommt der
Schmerz und die Verbitterung des Patriarchen und seiner Volksgenossen wegen der
Ereignisse der letzten drei Jahrzehnte, vor allem wegen der lateinischen Eroberungen
des vierten Kreuzzuges sowie wegen der Verfolgungen der Griechen und ihrer Geistli-
chen seitens der Lateiner, zum Ausdruck87. Die die Einheit zwischen den Kirchen stö-
renden Faktoren bezeichnet der Patriarch als „den Gegensatz der Dogmen" {δογμάτων
έναντιότης), „die Zerstörung der Kanones" (κανόνων κατάλνσις) und „die Veränderung
der von den hl. Vätern überlieferten Bräuche" {πατροπαράδοτων έθών άλλοίωσις)η.

Freres Mineurs 29-31. Eine von Leo ALLATIUS, De ecclesiae ocddentalis atque orientalis 694,
zitierte anonyme griechische Schrift behauptet, die fünf Minoriten seien die vom Papst in das
Reich von Nikaia eingeschleusten geheimen Informanten (απέστειλαν τινάς ώς έγκατέθους των
λεγομένων φρεμενουρίων έπί της βασιλείας κυρίου 'Ιωάννου τοΰ Βατατζή) des Papstes ge-
wesen.
82 Der Patriarch selbst spricht ausdrücklich von „vielen Gesprächen", deren Hauptgegenstand „das
lange bestehende Schisma" zwischen den Kirchen war: λόγων πολλών μέσον ημών
κινουμένων, έπολυπραγμονεΐτο πλέον τών άλλων το πολυχρόνιον σχίσμα τοΰ άρράφου
χιτώνος της ευσέβειας της άνωθεν ύφαντοΰ (CICO Fontes ΠΙ 242, Nr. 179a).
83 CICO FontesJI1242 (Nr. 179a): ... εύαγγελιζουμένων ε'ιρήνην και αγαθά μέσον Γραικών και
Λατίνων....
84 Ebd.: Παρέβαλον δέ τψ ήμετέρω οΐκήματι κατά θείαν πρόνοιαν, ώς πεπίστευκα.
85 Ebd.: εις αγαθόν σημεΐον ήμΐν άνεφάνησαν και εις ελπίδας χρηστάς παρεβάλοντο, της τών
πέντε πατριαρχείων σύν Θεώ φάναι φιλοχρίστου ενώσεως και ομονοίας.
86 Ebd., S. 247: 'Αλλά σύγγνωθι, αγιε δέσποτα και τών προτέρων της πρεσβυτέρας 'Ρώμης
αρχιερέων συμπαθέστατε και πραότατε, και άνασχοϋ ρημάτων δριμύτητος μετεχόντων.
87 Der Autor des Briefes verweist auf den „erbarmungslosen Krieg gegeneinander, die Zerstörungen
des Krieges, die auf den Kirchentüren aufgehängten Siegel, - um zu verhindern, daß in irgend-
welchen Gottesdiensten Gott mit griechischer Sprache geehrt werde" (ebd., S. 246: Ένθεΰτεν
καί άσπονδος πόλεμος κατ'άλλήλων πολέμου αφανισμοί, σφραγίδες άπηωρημέναι κατά
τών εκκλησιαστικών θυρών, ίεροπραξίαις παντοίαις ίνα μη γραικαΐς φωναΐς δοξολογήται
Θεός). Außerdem spricht Germanos Π. das Martyrium der Mönche von Zypern kurz an (zu dem
Martyrium s. unten, S. 283-285).
88 CICOFontesm245. . . . . . .
Die politische Dimension 265

Näheres zum Inhalt der genannten drei Punkte wird in den Briefen nicht gesagt. Zum
Schluß der beiden Schreiben bringt Germanos II. seine Hoffnung auf künftige Versöh-
nung und Einigung zum Ausdruck89. Da Germanos II. für gewöhnlich durch seine harte
antilateinische Haltung bekannt ist, vermutet man zurecht, daß die Briefe des Patriar-
chen vom nikäischen Kaiser Joannes III. Batatzes initiiert wurden90. Der Kaiser wollte
durch die kirchliche Verständigung für sich selbst den Weg ebnen, um Konstantinopel
zurückzugewinnen sowie dem möglichen Widerstand seitens des neuen lateinischen
Regenten von Konstantinopel Johannes von Brienne (1231-1237) vorzubeugen. Die
rhetorisch beladenen91 und mit unzähligen biblischen Anspielungen, aber ohne konkrete
kirchenpolitische Vorschläge verfaßten Briefe machen den Eindruck, daß der Patriarch
zwar dem Auftrag des Kaisers folgen wollte, jedoch zu tatsächlichen Verständigungs-
schritten nicht geneigt war und vor allem sein Gesicht und seine gegenüber den Latei-
nern bisher kompromißlose Haltung zu wahren suchte. Die beiden erhaltenen Briefe
wurden mit einem Abgesandten, der sich den fünf Minoriten auf ihrem Rückweg ange-
schlossen zu haben scheint, nach Rom geschickt92.
In seinem Antwortschreiben vom 26. Juli 1232 versprach Gregor IX. dem „Erzbi-
schof der Griechen"93, eine Gesandtschaft bestehend aus „Ordensleuten von lobens-
wertem Leben und bewährtem Wissen" nach Nikaia zu senden, die „die Worte des Lc-

89 Ebd., S. 248: Ό Θεός συντρίψει τον Σαταναν ύπό πους πόδας ήμων έν τάχει, τον
μαχοποιόν ό ειρηνοποιός, τόν μισόκαλον ό των καλών πάντων αίτιος, τον σκανδαλοποιόν
ό της αγάπης Θεός. Και άποστείλαι προς τους ποιμένας ήμδς των λογικών προβάτων
αύτοΰ αγγελον χαράν μεγάλην εύαγγελιζόμενον, ώς πρότερον επί τη κατά σάρκα γεννήσει
αύτοΰ, τοις ποιμέσι τών άλογων προβάτων και βοσκημάτων, και άξιώσαι ς«σαι την
θαυμαστήν έκεινήν ύμνολογίαν Δόξα έν ύψίστοις Θεφ και έπΐ γης ειρήνη, έν άνθρώποις
ευδοκία, καί έν άγίω φιλήματι αλλήλους άσπάζασθαι. Vgl. im Brief an die Kardinale, ebd.,
S. 252 (Nr. 179b): „Deus autem sanetus, qui pro nobis homo factus est et qui in caput positus est
Ecclesiae de gentibus congregatae, congreget nos itemm in unitate fidei et dignetur Graecorum
Ecclesiam, una cum prima sorore sua et Veteri Roma, glorificare prineipem pacis Christum per
unitatem fidei in restitutionem orthodoxiae, in qua ab antiquitus convenerunt".
90 S.: RONCAGLIA, Les Freres Mineurs 31-33; WOLFF, The Latin Empire of Constantinople and the
Franciscans 225.
91 Beispiele dafür bieten etwa ein umfangreiches Gebet an Jesus Christus, mit dem der Patriarch
seinen Brief an den Papst anfängt (CICO Fontes III S. 240-241, Nr. 179a), sowie ein Klagelied
über das Schisma: Τ Ω τίς δώσει τη κεφαλή μου ΰδωρ και τοΤς όφθαλμοΐς μου πηγην
δακρύων, καί κλαύσομαι ημέρας καί νυκτός έπί τψ συντρίμματι της νέας Σίων, της έξ
εθνών εκκλησίας; (ebd., S. 243-244).
92 Gregor IX. spricht in seinem Antwortschreiben über den nuntius des Patriarchen, durch den die
beiden Briefe geliefert worden sind, s.: CICO Fontes III235 (Nr. 179).
93 Die päpstlichen Antwortschreiben vermeiden bewußt die von Germanos selbst beanspruchte
Titulatur: αρχιεπίσκοπος Κωνσταντινουπόλεως νέας 'Ρώμης καί οικουμενικός πατριάρχης
(CICO Fontes ΠΙ 240, Nr. 179a), und nennen ihn „archiepiscopus Graecorum" (ebd., S. 235, Nr.
179). ·
266 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

bens bringen sowie unseren und unserer Brüder Willen ausführlicher erklären wer-
den"94. Der Entschluß Gregors IX., eine Gesandtschaft nach Nikaia zu entsenden, stellt
eine wichtige Wende in den Beziehungen zwischen dem Papsttum und den nikäischen
Griechen dar95, denn weder Innozenz III. noch Honorius III. betrachteten Nikaia als
geeigneten Gesprächspartner96. Es dauerte fast ein Jahr, bis der Papst durch ein Schrei-
ben vom 18. Mai 1233 vier Mendikanten bestimmte, die Gespräche zu führen. Es han-
delte sich um die beiden Franziskaner Haymo von Faversham, den späteren Generalmi-
nister des Ordens, und Rodulfus Remensis, sowie um die beiden Dominikaner Petrus
von Sezanne und einen gewissen Frater Hugo. Die beiden Minoriten stammten aus
England97, der Dominikaner Petrus aus Frankreich, die Herkunft des zweiten Domini-
kaners ist unbekannt98. Das zweite Schreiben des Papstes scheint nicht nur durch den
Inhalt der beiden Briefe des Germanos II. veranlaßt worden zu sein, es beinhaltete auch
Ausführungen zu einigen Kontroversthemen, die entweder in heute nicht mehr erhalte-
nen Schriften der Griechen oder in den mündlichen Unterredungen des nikäischen Ab-
gesandten mit dem Papst angesprochen worden waren. Unter anderem enthält dieses
Schreiben Gregors EX. eine Stellungnahme zum Problem des eucharistischen Brotes.
Die Passage ist insofern interessant, als der Papst darin nicht nur die Gültigkeit und die
Zulässigkeit der beiden Bräuche anerkennt, sondern auch seine Ansicht vom Ursprung
der sakramentalen Differenz zwischen den beiden Kirchen schildert:
„Gleichwohl, falls euer Ritus, der sich von unserem unterscheidet, zum Zweifel über das hei-
ligste Sakrament der Eucharistie führt, merke dir, daß das Mysterium des einen Herrn Jesus
Christus, der zunächst dem Fleisch nach, das er unseretwegen angenommen hat, leidensfähig
war, später aber sowohl vom Tod als auch von jeder Leidensfahigkeit völlig frei war, - daß
dieses Mysterium unserer Rettung, das von den Griechen und ebenso von den Lateinern gefei-
ert wird, kein anderes und nicht verschieden ist. Der Grieche lief mit dem jüngeren Jünger
voraus [vgl. Joh 20,4] und setzte fest, solch großer Gnade nicht undankbar, taglich jener Wür-
digung zu gedenken, durch die Gott aus Mitleid mit dem Elend des Menschen ein leidensfähi-
ger Mensch werden wollte, und ein gesäuertes Opfer darzubringen, damit, gemäß dem Wort
des Apostels, daß durch den Sauerteig der Teig verdorben werde [1 Kor 5, 6; Gal 5, 9], im
Sauerteig die Verderbnis aufscheine, welcher der Leib des Herrn vor seiner Auferstehung un-
terhegen konnte. Der Lateiner dagegen folgte dem älteren Petrus zum Grab des Buchstabens,
aus dem der geistige Sinn hervorgeht. Er ging als erster hinein und sah die Leinentücher, in die

94 CICO Fontes III 235 (Nr. 179): „disposuimus viros religiosos vitae laudabilis et probatae
scientiae ad tuam praesentiam destinare, qui verba vitae deferent et nostram et fratrum nostrorum
plenius voluntatem exponent".
95 PAPADAKIS / MEYENDORFF, The Christian East 217, charakterisieren diese Entscheidung als
„revolutionary".
96 Über die Stellung Innozenz' ΙΠ. war bereits oben die Rede. Von Honorius III. (1216-1227) ist
kein einziges an Nikaia gerichtetes Dokument erhalten.
97 Näheres zu den beiden Franziskanern s.: RONCAGLIA, Les Freres Mineurs 44-45.
98 GOLUBOVICH, Disputatio 419, vermutet die fränkische Abstammung.
Die politische Dimension 267

der heiligste Leib, der die Kirche bezeichnet, eingewickelt war, sowie das Schweißtuch, das
auf dem Kopf gelegen hatte [Joh 20,7], und entschied sich dafür, das Sakrament des verherr-
lichten Leibes auf wunderbarerer Weise mit dem ungesäuerten Brot der Aufrichtigkeit
[1 Kor 5, 8] zu zelebrieren. So oder so ist das Brot vor dem Opfer einfaches Brot. Nachdem
aber die Verwandlung durch die Worte des Herrn vollbracht ist, ist es nicht mehr Brot und darf
daher weder gesäuertes noch ungesäuertes genannt werden. Es muß vielmehr geglaubt werden,
daß es das wahre Brot ist, das vom Himmel herabkommt und der Welt das Leben schenkt
[Joh 6, 51]. Dieses und ähnliches lehrte den Stuhl Petri die Salbung des Geistes und die Ge-
sundheit des Verstandes. Gingest doch endlich auch du, der du dem jüngeren Jünger, der sah
und glaubte [Joh 20, 8], einst folgtest, in das Grab hinein, damit, nachdem du alles begriffen
hast, mit uns in Wahrheit in jenen davidischen Gesang einstimmen könntest: Siehe, wie gut
und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen [Ps 132, 1 ] " " .

Diese Stelle ist in gewisser Hinsicht einmalig, da die Perikope Joh 20, 2-10 im Zusam-
menhang mit der Azymenproblematik meines Wissens niemals zuvor herangezogen
wurde. Kein Wunder, daß diese Stelle die besondere Aufmerksamkeit der Griechen bei
den Unionsgesprächen in Nymphaion auf sich zog und sie ihre Verwunderung über die
Argumentation des Papstes zum Ausdruck brachten100. Auch moderne Forscher fanden
diese Passage „in der Tat merkwürdig"101. Die Einführung einer bisher unüblichen bi-
blischen Metapher ist m. E. gewissermaßen durch den Charakter und generellen Ton
des päpstlichen Schreibens erklärbar. Gerade durch ihre üppige biblisch geprägte Rhe-
torik ragen die beiden Schreiben Gregors an Germanos II. im Rahmen seiner Korre-

99 CICO Fontes III 267-268 (Nr. 193): „Verumtamen, si dubietatis sensum circa augustissimum
Eucharistiae Sacramentum vester diversus a nostro ritus inducit, artende, quod non sit aliud nee
diversum unius Domini Iesu Christi prius in assumpta propter nos carne passibilis, post sicut a
morte, sie ab omni passibilitate prorsus immunis, a Graecis pariter et Latinis nostrae saluüs
mysterium frequentatum. Graecus ad fidem cum discipulorum iuniore praecurrens et tantae
gratiae non ingratus, illius dignationis, qua Deus compassus miseriae humanae homo voluit esse
passibilis, eligens quotidie reminisci, hostiam offerri constituit fermentatam, ut, Apostolo
dicente, quod ex fermento massa corrumpitur, in fermento corruptio, cui ante corpus dominicum
subiacere potuit, ostendatur. Latinus vero cum Petro seniore secutus litterae monumentum, de
qua procedit spiritualis sensus, prior introivit et linteamina posita, quae sacrosanetum Corpus,
quod Ecclesiam signat, involverant separatumque sudarium, quod fuerat super caput, aspexit,
sacramentum glorificati corporis celebrare mirificentius in azymis sinceritatis elegit. Sed utique
panis simplex ante sacrificium panis est, transubstantione vero faeta per verba dominica, panis
non est, et ideo nee fermentatus nee azymus dici potest. Sed ille potius creditur esse panis verus,
qui descendit de coelo et tribuit vitam mundo. Haec et his similia doeuit Petri Sedem unetio
Spiritus et sanitas intellectus. Utinam et tu tandem aliquando iuniorem diseipulum, qui vidit et
credidiζ secutus introeas ut, omnibus intellectis, nobiscum vere psallas illud davidicum: Ecce
quam bonum et quam iueundum habitare fratres in unum".
100 Auf der Sitzung am 26. April 1234: „non modicum mirati sumus de quodam verbo quod ponit
de fine htterarum" (GOLUBOVICH, Disputatio 450).
101 So SIEBEN, Ferrara/Florenz 522.
268 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

spondenz heraus102. Der Papst wurde zur Suche nach geeigneten biblischen Typologien
offensichtlich auch durch den Wunsch angespornt, in seinem Antwortschreiben eine
nicht geringere Schriftvertrautheit zu demonstrieren, als die beiden von biblischen Allu-
sionen überbordenden Briefe des griechischen Patriarchen103. Ob der neue biblische
Vergleich des Papstes für eine Verständigung in der Azymenfrage hilfreich war, sei
dahingestellt. Die Ausdeutung dieser Allegorie zeigt allerdings eine Verschiebung in
der Interpretation des sakramentalen Unterschieds zwischen den beiden Kirchen an: Der
Papst erklärt hier den Ursprung der Divergenz bemerkenswerterweise nicht mit der
Trotzigkeit der Griechen oder mit ihrer bösartigen Verachtung römischer Gewohnhei-
ten, wie dies oftmals in der lateinischen Literatur geschah, sondern er stellt diesen Un-
terschied als eine historisch gewachsene Bevorzugung eines konkreten Brauchs durch
die jeweilige Kirche dar. Nicht nur die römische, sondern auch die griechische Kirche
sei in der Wahl ihrer sakramentalen Gewohnheit einem apostolischen Vorbild gefolgt,
für die beiden Bräuche läßt sich eine biblische Grundlage finden. Dadurch bekommt die
„abweichende" griechische Gewohnheit eine gewisse theologische Rechtfertigung und
in der Allegorie einen positiven Sinn. Gleichzeitig aber insistiert dieser Text auf einer
höheren Würde des römischen Brauchs104. Die damals bekanntere allegorische Deutung
dieser Johannesstelle, die auch in die Glossa ordinaria Aufnahme fand, sieht in Johan-
nes die jüdische Synagoge, in Petrus dagegen die christliche Kirche symbolisiert105.
Unklar bleibt, was der Papst mit seiner Aufforderung an den Graecus, dem Beispiel des
Petrus zu folgen, sowie mit seinem letzten Psalmenzitat konkret sagen will. Es scheint,
als ob Gregor eine Angleichung des griechischen Brauchs an den römischen als Endziel

102 Die Korrespondenz Gregors Di. weist unterschiedliche Stile auf. Man vergleiche den nüchternen
Ton der Briefe an die geistlichen Untertanen (s. z. B.: CICO Fontes m 206-208, Nr. 158 und
159; S. 214, Nr. 162) mit der schwülstigen biblischen Rhetorik seiner Briefe an den jakobiti-
schen Patriarchen (CICO Fontes III 303-305, Nr. 227), und an den König von Ungarn (ebd.,
S. 308-310, Nr. 229). Aber auch im Vergleich mit diesen sind die Briefe an den nikäischen Pa-
triarchen mit zusätzlicher biblischer Symbolik befrachtet.
103 Daß solch ein „Wettbewerb" zwischen Lateinern und Griechen durchaus nicht unüblich war,
zeigen viele Stellen aus der Literatur. Ein Beispiel findet man in der Relatio Apocrisariorum:
Hier unterließen es die Abgesandten nicht, mit einer gewissen Überheblichkeit ihre Verwunde-
rung darüber auszusprechen, daß bei den Griechen kein vollständiges Exemplar der Hl. Schrift
zu finden war, s.: „...quod mirabile est dictu, cum libri quererentur inter omnes, unum Vetus
Testamentum etNovum non poterat inveniri" (GOLUBOVICH, Disputatio 459).
104 DE VRIES, Rom und die Patriarchate 185, bemerkt zu recht, daß hier Gregor „aus inneren Grün-
den zu zeigen" suchte, „daß der lateinische Brauch dem griechischen vorzuziehen sei". Er merkt
jedoch die ausgeführte positive Bedeutung dieser Passage gegenüber den griechischen Azymen
nicht, vgl.: ebd., 188.
105 GLOSSA ORDINARIA, Joh 20, ad verbum currebant (ed. cit. IV): „Johannes significat synagogam,
quae prior venit ad monumentum sed non intravit, quia prophetias de incarnatione et passione
audivit, sed et mortuum credere noluit. Petrus est ecclesia, quae cognovit carne mortuum et
viventem credidit deum, post quem et iudaea in fine intrabit".
Die politische Dimension : \ 269

im Sinne hatte. Auf jeden Fall zielte seine Auslegung gegen die verbreitete Absicht der
Griechen, die römische Eucharistie wegen der Azymenzelebration für mangelhaft oder
gar für ungültig zu erklären. \
Der Verlauf der Gespräche in Nikaia vom 15. bis zum 27. Januar und in Nymphaion
vom 12. April bis zum 6. Mai 1234 ist uns vor allem aus der sehr detaillierten Relatio
der päpstlichen Gesandten bekannt106. In Nikaia disputierten die Mendikanten allein mit
dem Patriarchen Germanos II. und Vertretern seiner Kirche sowie des kaiserlichen Ho-
fes107. In Nymphaion fand auf Betreiben der griechischen Seite bereits ein Kirchenkon-
zil statt, an dem nicht nur der Patriarch von Konstantinopel, sondern auch der griechi-
sche Patriarch von Antiocheia teilnahm108. Der erfolglose Einigungsversuch \von
Nikaia/Nymphaion 1234 verdient besondere Beachtung, er erweist sich auf dem Hinter-
grund unserer Kenntnisse über die Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel
vom 11. bis zum 13. Jahrhundert in gewisser Hinsicht als einmalig. Zum einen ist kaum
ein anderer Disputationsbericht aus dieser Zeit so detailliert und klar wie die Relatio der
vier Mendikanten, deren grundsätzliche Wahrheitstreue keinen Zweifel duldet - im
Gegensatz zu vielen anderen Dokumenten dieser Art109; Parallelen in griechischen

106 S. oben, S. 122 (Nr. 32). Für den Hauptverfasser des Berichtes hält GOLUBOVICH, Disputatio
435—436, den Rodulfus. Zum Problem der Autorschaft s. auch: RONCAGLIA, Les Freres Mineurs
47-48.
107 Neben dem Patriarchen erwähnt die Relatio konkret den Chartophylax der Großen Kirche
(GOLUBOVICH, Disputatio 430^131), sowie gewisse „Philosophen" (ebd., 435. 437), die offen-
sichtlich als Experten zu den Disputationen herangezogen wurden; zu den Namen der letzteren
s. ebd., 437 Anm. 2.
108 In der letzten Sitzung in Nikaia wies Germanos auf die Notwendigkeit hin, die drei übrigen
Patriarchen zu den Verhandlungen hinzuziehen. Die Autoren der Rehtio berichten nicht aus-
drücklich, welche Patriarchen in Nymphaion anwesend waren, jedoch geht aus der Charta
Graecorum zur Azymenfrage hervor, daß neben dem konstantinopolitanischen nur der antioche-
nische Patriarch am Konzil teilnahm (s. unten, S. 277 Anm. 138). Vor Beginn der Diskussionen
in Nymphaion sprach sich der Kaiser in dem Sinne aus, daß nur der Patriarch von Antiocheia
„soeben eingetroffen" sei, die anderen Patriarchen wollte der Kaiser wegen des weiten Wegs
entschuldigen: „Qui [Imperator] cepit <...> excusare prelatos, quod non convenerant, quia a
remotis quidam venturi erant, et Patriarcha Antiochenus vixdum venerat" (GOLUBOVICH,
Disputatio 448). Auch Kaiser Joannes ΠΙ. Batatzes nahm aktiv an den Diskussionen sowie an
den Gesprächen im Hintergrund teil (s. ζ. Β.: ebd., 435). Die Namen der damaligen Patriarchen
von Antiocheia, Jerusalem und Alexandreia sind nicht eindeutig bekannt; um diese Zeit sind
folgende Namen bezeugt: Nikolaos für Alexandreia (LEQUIEN, Oriens christianus Π 490—491),
Symeon Ibn Abu Chalba für Antiocheia (FEDALTO, Hierarchia Π 685) und wohl Athanasios für
Jerusalem (ebd., Π 1003).
109 Vgl. etwa die Diskussion über den Bericht des Ansehn von Havelberg in seinem Antikeimenon,
s. oben, S. 181-186. Für die griechische Seite hat man ähnliche Bedenken bei den Syntagmata
des Nikolaos von Otranto, der offensichtlich eine Menge eigener Ansichten in den Bericht über
270 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Quellen bestätigen die Glaubwürdigkeit der Relationo. Zum zweiten war kaum eine
andere griechisch-lateinische Begegnung, von denen glaubwürdige Berichte erhalten
sind, inhaltlich so interessant und bedeutend wie diese, auch wenn sie in einem Fiasko
endete1". Die Unionsgespräche von Nikaia/Nymphaion 1234 passen aus diesem Grund
- ungeachtet ihres Scheiterns - sachlich in eine Reihe mit den wichtigsten Unionsver-
handlungen in der Kirchengeschichte wie etwa dem Konzil von Ferrara/Florenz
1439112. Für unsere Fragestellung ist Nikaia/Nymphaion um so wertvoller, als bei die-
sen Gesprächen dem Azymenproblem ein wesentlicher Platz eingeräumt wurde.
Der ganze Verlauf der Disputationen braucht hier nicht nacherzählt zu werden"3.
Wenden wir uns ausschließlich der Azymenfrage zu. Am Anfang der Disputation in
Nikaia (am 17. Januar 1234) haben sich beide Seiten dagegen gesträubt, als erste ir-

die Disputationen eingefügt hat. Auch über die Echtheit des Berichtes des Nikolaos Mesarites
über die Verhandlungen von 1214/15 wurden jüngst Zweifel laut (s.: SPITERIS, Idialoghi).
110 Dazu s.: RONCAGLIA, Les Freres Mineurs 50-51. Es gibt zwei griechische Berichte über die
Disputationen in Nikaia/Nymphaion, und zwar eine anonyme (gedruckt in: DOSITHEOS, Τόμος
αγάπης κατά Λατίνων 367-379) und eine andere in der Autobiographie des Nikephoros
Blemmydes, lib 2, cap 25^tO (hg. J. A. MUNITIZ in: CChr.SGΧΠΙ57-63).
Man vergleiche diesen Befund nur mit zwei anderen Verständigungskonzilien des 13. Jh., dem
Nymphaion 1249/50 und dem Lyon 1274. Von ersterem gibt es nur einen spärlichen Bericht (s.:
FRANCM, La svolta 83-133); auf letzterem fanden keine eigentlichen Diskussionen statt (dazu s.
ausführlicher unten, S. 288-298).
112 Dies hat zurecht SIEBEN, Ferrara/Florenz, betont. In der Regel bleiben jedoch die Gespräche
von Niakaia/Nymphaion 1234 in Gesamtdarstellungen und Zusammenfassungen zu dieser Zeit
unberücksichtigt. Vgl. etwa nur die kurze Erwähnung bei PAPADAKIS / MEYENDORFF, The Chri-
stian East 217. Kurz berichtet darüber HUSSEY, The Orthodox Church 214-216; sehr kurz auch
BECK, Geschichte D 189. Noch weniger berücksichtigt werden sie in der populärwissenschaftli-
chen Literatur: so erwähnt z. B. SUTTNER, Das wechselvolle Verhältnis (1996), und DERS., Die
Christenheit aus Ost und West (1999), die Verhandlungen in Nikaia/Nymphaion 1234 mit kei-
nem Wort Ein weiteres Beispiel dieser Art bietet GAHBAUER, Der orthodox-katholische Dialog
(1997). Zurecht nennt hier der Autor (S. 75) das Konzil von Nymphaion 1234 „kaum bekannt".
Er selber berichtet jedoch ziemlich fehlerhaft über die Ereignisse. So hält er für Teilnehmer des
Konzils nur die Franziskaner, die Dominikaner erwähnt er nicht; seiner Meinung nach be-
herrschte „kaum eineV von den Abendländern die griechische Sprache"; indessen wird in der
Relatio (GOLUBOVICH^ Disputatio 443) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein Frater der
griechischen Sprache mächtig gewesen sei. Außerdem nennt Gahbauer (S. 76) die Gesandten
des Papstes „Legaten", obwohl die Mendikanten selber daraufhingewiesen haben, daß sie eben
keine legati, sondern simphces nuntii sind (GOLUBOVICH, Disputatio 428); dieser Punkt scheint
im Verlauf der Disputationen.eine besondere Rolle gespielt zu haben. Kurz wird die Disputation
von Nikaia/Nymphaion 1234 berührt in: ANGOLD, Greeks andLatins 78-79.
113 Eine knappe zusammenfassende Darstellung des Verlaufs der Gespräche s. in: GILL, Byzantium
and the Papacy 64-72; RONCAGLIA, Les Freres Mineurs 52-84; SIEBEN, Ferrara/Florenz 519—
524. Wichtige Beiträge zur Problematik der Verhandlungen und ihrer Literatur s.: DONDAINE,
Contra Graecos 339-343; STTERNON, Rome etEglises orientales 380-383.
Die politische Dimension 271

gendeine konkrete Streitfrage aufzuwerfen und mit dem Diskutieren zu beginnen . Die
Mendikanten berichten darüber folgendermaßen:
„Sie [die Griechen] sagten: »Also wollen wir zur Sache kommen«. Da es viele Vorschläge hin
und her gab, ob sie [die Griechen] oder wir [die Mendikanten] mit einer Frage anfangen soll-
ten, sagten wir: »Wir sind nicht dazu abgesandt, um mit euch über irgendeinen Punkt
(articulus) des Glaubens zu diskutieren, über den die römische Kirche oder wir im Zweifel wä-
ren, sondern dazu, um mit euch eine freundschaftliche Diskussion zu haben über das, worin ihr
im Zweifel seid. Deswegen wird es euch zukommen, [jene Zweifel] darzulegen, und uns zu-
kommen, mit Gottes Gnade diese zu erhellen«"115.

Damit haben die päpstlichen Gesandten ihre^ grundsätzliche Stellung formuliert: Sie
lehnten es von vornherein ab, irgendeinen Zweifel an der Richtigkeit des römischen
Standpunktes zu den zu diskutierenden Streitfragen zuzulassen. Nachdem die Griechen
immer noch zögerten, haben die Gesandten mit einer Frage begonnen:

„Obwohl es nicht unsere Aufgabe ist, eure Fragen zur Erörterung vorzulegen, [tun wir es]
dennoch, damit wir nicht die Zeit unnütz vergeuden. Über Folgendes wundert sich die römi-
sche Kirche außerordentlich: Da es wahr ist und für alle feststeht, daß die griechische Kirche
wie auch die übrigen christlichen Völker, die über die ganze Welt hin verstreut sind, einst [der

114 Spezielles Interesse verdient die Frage, ob jemand von den Gesandten des Griechischen mächtig
war. GOLUBOVICH, Disputatio 426, war der Meinung, daß einer der Gesandten Griechisch
konnte und die Stelle in der Relatio über „einen unserer Brüder, dem der Herr die Gnade der
griechischen Sprache gab" („unus de Fratribus nostris, cui Dominus dederat gratiam ώ \
litteratura Grecorum", ebd., 443) sich auf jenen Minoriten bezieht, der vermutlich auch der
Hauptverfasser der Relatio war; Golubovich meint, daß dieser aller Wahrscheinlichkeit nach
Rodulfus gewesen sei. Gegen diese Auffassung hat sich DONDAINE, Contra Graecos 340-345,
ausgesprochen. Er vertritt die Ansicht, daß es in der Erwähnung der Relatio nicht um einen der
offiziellen Abgesandten des Papstes geht, sondern um einen der Mendikantenbrüder aus Kon-
stantinopel, die die Gesandtschaft begleiteten. Diesen Bruder, in dem er den Verfasser der
Schrift gegen die Griechen Licet Graecorum ecclesiam von 1252 (s. oben, S. 122, Nr. 35) sehen
will, hält er für den Dohnetscher der Gespräche sowie auch den Gewährsmann für alle patristi-
schen Zitate im Mund der Gesandten. Es ist in der Tat merkwürdig, daß die Verfasser des Be-
richtes entgegen der gewohnten Praxis kein einziges Wort über den Dolmetscher bei den Ge-
sprächen verlieren. Zum Problem des Dohnetschers und der Autorschaft der Relatio s. auch:
STIERNON, Rome et les Eglises orientales 382; RONCAGLIA, Les Freres Mineurs 47-48.
115 GOLUBOVICH, Disputatio 429: „...cum multe proposite fuissent rationes hinc inde, utrum ipsi vel
nos inciperemus quaestionem, diximus: Non missi sumus ad disputandum vobiscum super
aliquo articulo fidei, de quo ambigat Ecclesia Romana vel nos, sed ut vobsicum amicabilem
collationem habeamus super dubitabilibus vestris. Igitur vestrum erit illa ostendere, et nostrum
erit illa per gratiam Dei elucidare".
272 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

römischen Kirche] Untertan war, was war der Grund und die Ursache, daß sie sich dem Gehor-
sam der römischen Kirche entzogen hat?"116.
Auch diese Frage wollten die Griechen zunächst nicht beantworten. Nachdem sie sich
aber beraten hatten, gaben sie folgende Antwort:
„Wir sagen, daß es zwei Ursachen gibt: die eine bezieht sich auf den Hervorgang des Heiligen
Geistes, die andere auf das Sakrament der Eucharistie"117.
Um diese beiden genannten Streitpunkte, das Filioque und die Azymen, konzentrierten
sich alle weiteren Diskussionen von Nikaia/Nymphaion. Zu ihrer Überraschung konn-
ten sich die päpstlichen Gesandten noch vor Beginn der eigentlichen Disputationen ein
Bild über die praktische Dringlichkeit der Frage nach der Eucharistie durch einen Vor-
fall machen, der sich am dritten Tag ihres Aufenthaltes in Nikaia ereignete118. Ihrer
Bitte entsprechend wurde den Gesandten vom Patriarchen eine Kirche zur Verfugung
gestellt, wo sie ihre Gottesdienste nach lateinischem Ritus feiern konnten. Am Morgen
des 18. Januars haben die Mendikanten in dieser Kirche die Hl. Messe zelebriert. Zu
ihrem Gottesdienst kamen „Lateiner, Franzosen, Engländer, und [Vertreter] verschiede-
ner Völker" zusammen, „um den Hl. Mysterien beizuwohnen". Nachdem die Hl. Messe
zu Ende war, kam ein Lateiner auf die Gesandten zu und beschwerte sich weinend dar-
über, daß ihn „sein Pope" mit dem Anathem belegt habe, weil er der von den Mendi-
kanten gefeierten Eucharistie beiwohnte119. Der Mann war offensichtlich ein helleni-
sierter Umsiedler aus dem Westen, der sich mangels lateinischer Kirchen der
griechischen Seelsorge unterstellt hatte120. Die Autoren der Relatio erzählen weiter, daß
sie sich bei dem Patriarchen Germanos wegen dieses „verwerflichen Vorfalles"

116 Ebd.:,,Licet nostrum non sit vestras questiones proponere in medium, tarnen ne tempus inutiliter
consumamus, hoc est de quo supra modum miratur Ecclesia Romana: cum verum sit et omnibus
constet Ecclesiam Grecorum, sicut cetere nationes Christianorum per universam mundum longe
lateque diffuse, aliquando fuisse subiectam, que fuit ratio vel que causa quare se subtraxit
obedientie Ecclesie Romane?"
117 Ebd.: „Dicimus quod due sunt cause: una est de processione Spiritus sancti, alia de sacramento
altaris".
118 Auf die Bedeutung dieses Vorfalls hat bisher nur DONDAINE, Contra Graecos 344-345, hinge-
wiesen, speziell im Zusammenhang mit der Frage nach der Autorschaft der Schrift Contra
Graecos von 1252.
119 GOLUBOVICH, Disputatio 430: „...cum in dicta ecclesia celebraremus divina, convenerunt Latini,
Francigenae, Anglici et diversae nationes, ut divina audirent misteria. Finita autem missa, et
divinis rite peractis, advenit ad nos quidam Latinus exul[ul]ans <bei Golubovich: exulans;
Handschrift Ε gibt eine Variante, die keiner Konjektur bedarf: eiulans> et flens et dicens
papatem suum eum supposuisse sententie, quia misse nostre interfuisset".
120 Diese Episode wirft übrigens die Frage nach den lateinischen Kirchen im Kaiserreich von Ni-
kaia auf, wie auch die Frage nach lateinischer Präsenz in Nikaia generell. DONDAINE, Contra
Graecos 344 Anm. 77, ist der Ansicht daß „ä Nicee il n'y a pas d'etablissements catholiques".
Die politische Dimension 273

{abominabile factum) am gleichen Tag beschwert haben. „Der Patriarch, nachdem er


das gehört hat, wollte [diesen Fall] eher unbeachtet lassen als berichtigen" . Die Ge-
sandten haben trotzdem darauf gedrängt. Letztendlich wurde der „Pope" zum Sünden-
bock für das ganze kirchenpolitische Klima gemacht, indem der Patriarch Germanos
verordnete, den angeklagten Priester „in Begleitung anderer Popen" zu den Gesandten
zu führen. Dabei hat man ihm seine priesterlichen Gewänder ausgezogen und auf diese
Weise durch die ganze Stadt bis zum Haus des Patriarchen, wo sich die Gesandten be-
fanden, geführt. Die Griechen behaupteten, daß der Priester dies „nicht aus Bosheit,
sondern aus Einfalt" machte, und da die Gesandten nicht „gleich am Anfang als gna-
denlos erscheinen" wollten, haben sie den Patriarchen gebeten, „ihn seiner Einfalt hal-
ber zu verschonen"122. Durch diesen Vorfall angeregt wollten die Mendikanten am
nächsten Tag die Disputationen in Nikaia mit dem Thema der Eucharistie beginnen, die
Griechen haben jedoch auf der Priorität des Filioque insistiert123. Erst am letzten Tag
der Verhandlungen in Nikaia gaben die Griechen, „wenn auch widerwillig", dem Drän-
gen der Mendikanten nach. Jedoch kam es in Nikaia zu keiner eigentlichen Diskussion
dieser Problematik, weil sich der Patriarch nicht bereit erklärte, in Abwesenheit der
übrigen Patriarchen des Ostens derart schwierige Fragen zu diskutieren. Die Gespräche
wurden abgebrochen, um nach zwei Monaten in Form eines Konzils unter Beteiligimg
anderer Patriarchen (tatsächlich war jedoch außer dem Patriarchen von Konstantinopel
nur noch der antiochenische griechische Patriarch anwesend) wiederaufgenommen zu
werden124. So wurde in Nikaia die Azymenfrage nur am letzten Sitzungstag kurz be-
rührt; die übrige Zeit widmete man sich dem Filioque . Auf dem Konzil von Nym-

121 GOLUBOVICH, Disputatio 430: „Quod audiens Patriarcha dissmilulare magis voluit quam
corigere".
122 Ebd.: „...cum ceteris papatibus illum papatem ad nos transmisit, qui distum papatem indumentis
suis sacerdotalibus spoliaverunt, et ita expoliatum per villam usque ad domum Patriarchae
iterum deduxerunt. Et quia confessi fuerunt alii ex simplicitate non ex malitia hoc illum fecisse,
ne immisericordes videremur in principio, rogavimus ipsum Patriarcham, ut hac pena contentus,
dicti papatis parceret simplicitati".
123 Ebd., 430 (am 19. Januar): „Huius rei causa, V feria, cum in palatio imperiali convenissemus ad
disputandum, voluimus primo agere de Sacramento altaris, ut sciremus quid sentirent de nostro
Sacramento. At illi nolentes, pertinaciter insisterunt ut prius ageremus de processione Spiritus".
124 Ebd., 444: „Convenientibus iterum nobis ad disputationem post prandium, respondit [Patriarcha]
dicens: »Ardue sunt iste questiones. Et habemus fratres nostros Patriarcham Ierosolimitanum,
Alexandrinum, Antiochenum, sine quorum consilio non est nobis fas ad ista respondere.
Convocabimus concilium circa medium martii. Rogamus vos ut intersitis illi concilio, et audietis
quid respondebitur vobis super hiis que nobis proposuistis«". Auf den ursprünglichen Verzicht
der Mendikanten, am Konzil teilzunehmen, sowie auf ihre endliche Zusage sei hier nicht näher
eingegangen. Zu dieser Episode sowie generell zum Nachdruck, mit dem die Griechen auf dem
Konzil bestanden haben, s. bei SIEBEN, Ferrara/Florenz 521-522; RONCAGLIA, Les Freres
Mimurs 68-69.
274 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

phaion dagegen nahm das Azymenproblem den primären Platz in den Diskussionen
ein126.
Zu Beginn der Verhandlungen in Nymphaion verlangten die Gesandten von den
Griechen Antwort auf die Frage, „ob wir [die Lateiner] den Leib Christi mit Azymen
darbringen dürfen oder nicht"127. Die Griechen wollten sich jedoch zunächst auf diese
Frage nicht einlassen und vielmehr wieder mit der Frage des Hervorgangs des Heiligen
Geistes beginnen, weil „sonst die Ordnung der Theologie vermischt werde, wenn nicht
zunächst darüber diskutiert wird, was dem höheren Gebiet angehört"128. Nach langem
Hin und Her fingen die Griechen am nächsten Tag (26. April) an, über die Eucharistie
zu disputieren. Zum Sprecher in dieser Frage wurde offensichtlich von griechischer
Seite der Erzbischof von Amastris in Paphlagonia Nikolaos 129 gewählt; von ihm stam-
men nach Auskunft der Relatio die wichtigsten griechischen Aussagen zur Azymenpro-
blematik.
Am 26. April begann der Erzbischof die Eucharistiediskussion indem er seine Ver-
wunderung über die Ausführungen des Papstes Gregor IX. zur Azymenfrage aussprach:
„Wir haben uns sehr über die Worte gewundert, die er zum Schluß seines Schreibens äußert.
Aus diesen Worten erscheint uns, daß er damit andeuten wollte, daß unser Sakrament in ge-
säuertem und euer Sakrament in ungesäuertem [Brot] zwei Sakramente seien. Er sagt nämlich,
daß unser und euer Sakrament durch die zwei Jünger bezeichnet werde, die gleichzeitig zum
Grabe liefen. <...> Aus diesen Worten scheint uns, daß der Herr Papst auf zwei Traditionen
hinweisen möchte. Wir fragen euch also, ob dies euer Glauben sei, daß nämlich mit jenen Jün-

125 Von den insgesamt 9 Gesprächstagen in Nikaia nahmen zwei Tage (16. und 17. Januar) Proze-
durfragen in Anspruch, sechs Tage lang wurde das Filioque diskutiert (19.-21. und 23.-25. Ja-
nuar), und nur am 26. Januar wurden die Azymen angesprochen.
126 In Nymphaion wurden die Diskussionen weniger intensiv geführt, so daß mehrere disputations-
freie Tage dazwischen lagen: Von der Gesamtdauer des Konzils von 11 Tagen (vom Ostermon-
tag 24. April bis zum Donnerstag 4. Mai) gab es nur 5 Disputationstage (24., 26., 28., 29. April;
4. Mai) von diesen fünf war ein Tag den Prozedurfragen vorbehalten (24. April), drei Tage wur-
den vollständig bzw. fast vollständig den Azymen gewidmet (26., 28., 29. April), am letzten Tag
(3. Mai) kam es zum Eklat und zum Abbruch der Disputationen.
127 GOLUBOVICH, Disputatio 449: „Hec fuit questio {in Nikaia], et eandem querimus [fetzt in
Nymphaion] a vobis: utrum possimus conficere corpus Christi in azimo, vel non?".
128 Ebd.: „Sie confunderetur ordo teologie, nisi prius tractetur de illo quod altioris est negotii".
129 Amastris in Paphlagonien (in Relatio, 20: „Archiepisopus de Samastria in Flagonia",
GOLUBOVICH, Disputatio 450); die Erzdiözese gehörte somit zum Patriarchat von
Konstantinopel. Der Name des Erzbischofs bleibt unsicher; um 1232 ist ein Erzbischof mit dem
Namen „Nikolaos" belegt, s.: LEQUIEN, Oriens christianus I 565-566; und nach ihm FEDALTO,
Hierarchia ecclesiastical 87; vgl.: RONCAGLIA, LesFreresMineurs 74. 564.
Die politische Dimension 275

gern zwei Traditionen im Sakrament, die der Griechen und die der Lateiner, symbolisiert wer-
den"130.
Was hat die Verwunderung der Griechen erweckt? Zum einen konnte es ein unge-
wohnter biblischer Vergleich sein. Aber primär war es offensichtlich die Tatsache, daß
der Papst beiden Bräuchen eine apostolische Herkunft zuschrieb. Die Gesandten ließen
sich auf die Interpretation des päpstlichen Schreibens nicht ein nach dem Grundsatz:
„Der allein darf auslegen, der das Recht auch gesetzt hat"131. Den Rest des Tages haben
die Disputierenden mit gegenseitigen Vorwürfen verbracht. Die Lateiner warfen den
Griechen vor, sie „wagen ihren Glauben [über die lateinische Eucharistie aus dem
Grund] nicht öffentlich zu bezeugen", weil sie „über [das lateinische] Sakrament in
ungesäuertem Brot schlecht denken"132. Dies bezeugen nach Ansicht der Gesandten die
Handlungen der Griechen gegenüber den Lateinern, indem sie die Altäre nach der Zele-
bration der Lateiner abwaschen und von den Lateinern, die zu ihren Sakramenten kom-
men, die Abschwörung lateinischer „Irrtümer" verlangen; schließlich indem sie den
Papst aus ihren Diptychen gestrichen haben und ihn daher für einen Exkommunizierten
und Häretiker halten. Die Antwort des Chartophylax ist kennzeichnend: Er leugnete
zwar, daß die Griechen den Papst exkommuniziert hätten, sagte aber zu den übrigen
Vorwürfen, daß es kein Wunder sei, daß die Griechen Derartiges tun, weil „eure Latei-
ner, nachdem sie Konstantinopel erobert hatten, in die Kirchen einbrachen, die Altäre
zerstörten, von den Reliquien das Gold und Silber wegnahmen und sie danach ins Meer
warfen, die heiligen Ikonen mit Füßen traten, und die Kirchen in Ställe verwandel-
ten" . Die Mendikanten versuchten sich zu wehren, indem sie darauf hinwiesen, daß
diese Greueltaten von „Laien, Sündern und Exkommunizierten getan wurden, die sich
in eigener Autorität solches angemaßt haben". Die römische Kirche trage also keine
Verantwortung für diese Ereignisse, vielmehr habe der Papst diejenigen, die so etwas

130 GOLUBOVICH, Disputatio 450: „...non modicum mirati sumus de quodam verbo quod ponit in
fine litterarum. Ex quo verbo videtur nobis quod velit innuere Sacramentum nostrum in
fermentato et Sacramentum vestrum in azimo duo esse Sacramenta. Dicit enim Sacramentum
nostrum et vestrum significari per duos diseipulos currentes simul ad monumentum. <...> Ex
hiis verbis videtur nobis, quod dominus Papa velit innuere duas traditiones. Querimus igitur a
vobis, si hec est fides vestra, quod in Ulis diseipulis significentur due traditiones in Sacramento
Grecorum et Latinorum".
131 Ebd., 451: „Set quia scriptum est in iure: Eius est interpretari, cuius est condere, litteras domirti
Papae non est nostrum interpretari".
132 Ebd.: „Videmus quod tempus redimitis et subterfugere questionem nostram nitimini, et fidem
vestram profiteri non audetis. Amodo aperto ore cor nostrum patebit ad vos, et notificabimus
vobis quiequid sentimus de vobis. Iam perpendimus quod male sentitis de Sacramento nostro in
azimo".
133 Ebd.: „De aliis que faeimus non miremini, quia Latini vestri cum cepissent Constantinopolim,
fregerunt ecclesias, diruerunt altaria, auro et argento sublato reliquias sanetorum proiecerunt in
mare, yconas sanetas conculeaverunt, et de ecclesiis stabula iumentorum fecerunt".
276 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

getan hatten, exkommuniziert134. Die Animositäten steigerten sich also in raschem


Tempo, und auch die Bemühungen des Kaisers, der am nächsten Tag versuchte, den
Gesandten im privaten Gespräch entgegenzukommen135, konnten die Spannung auf dem
Konzil nicht lösen.
Am 28. April kam es endlich zu programmatischen Aussagen zur Azymenfrage, und
zwar von beiden Seiten. Zunächst legten die Griechen Rechenschaft ab:
„Dann begann der Erzbischof von Amastris auf folgende Weise zu sprechen: »Dir fragt, ob der
Leib Christi mit den Azymen dargebracht werden kann. Wir antworten, daß dies unmöglich
sei«. Wir [die Gesandten] aber wollten ihre Ansicht vollständig hören, und fragten, ob »un-
möglich« heiße, daß es nur »de iure unmöglich« sei, oder »keinesfalls möglich« wäre. Und sie
antworteten: »Es ist keinesfalls möglich, weil wir wissen, daß der Herr [das Abendmahl] mit
gesäuertem Brot feierte, und es so den Aposteln überliefert hat. <...> Petrus und die übrigen
Apostel übergaben es, wie sie es vom Herrn übernommen haben, in gleicher Form den vier
Patriarchalkirchen. So übergab es Petrus der antiochenischen [Kirche], Johannes der Evange-
list den Kirchen, die in Asien waren, Andreas den Kirchen, die in Achaia waren, Jacobus den
[Kirchen] von Jerusalem. Und ebenso übergab es der heilige Petrus auch dem heiligen Cle-
mens, und genau so wurde es ursprünglich in der römischen Kirche gefeiert, wie wir glauben.
Deswegen sagen wir, daß es nicht mit anderem Brot geschehen kann, das heißt mit einem Brot
von anderer Beschaffenheit, als mit jenem, mit dem es Jesus selbst weitergab, also mit gesäu-
ertem [Brot]«. Als wir diese Häresie gehört haben, fragten wir von jedem einzeln, zunächst
vom nikäischen Patriarchen, dann vom antiochenischen, dann von den Prälaten einzeln, ob
dies ihr Glauben sei, und ob sie dies glaubten. Und sie antworteten einzeln: »Dieser ist unser
Glauben, und so glauben wir«"136.

134 Ebd., 452: „Ad alia que imponitis Ecclesie Romane, nihil imponitis, [eo] quod non fuerunt hec
facta consensu vel precepto Ecclesie Romane. Set hec si fuerunt facta, fecerunt viri laici,
peccatores, excommunicati, propria auctoritate talia presumentes: nee imputandum est toti
Ecclesie, quod a quibusdam iniquis est presumptum".
135 Ebd., 452-543.
136 Ebd., 453^154: „Deinde archiepisopus Samastrie hoc modo cepit loqui: »Vos queriü's si Corpus
Christi potest confici in azimo; et nos respondemus quod hos est inpossibile«. Volentes igitur
perfecte suam intentionem audire, quesivimus, si istud dicerent »non posse fieri« id est, quia de
iure non potest fieri, vel quia nullo modo posset fieri. Et responderunt: »Inmo quia nullo modo
potest fieri, quia seimus quod Dominus fecit in fermentato, et ita tradidit Apostolis. <...> Petrus
et ceteri Apostoli, sicut aeeeperunt a Domino, et in eadem forma quattuor ecclesiis
patriarchalibus tradiderunt Unde Petrus ita tradidit Antiochene, Ioannes Evangelista ecclesiis
que fuerunt in Asya, Andreas ecclesiis que fierunt in Achaia, Iacobus autem Ierosolymitanis, et
ita beatus Petrus tradidit beato Clementi, et ita fuit primo celebratum in Ecclesia Romana, ut
credimus. Propter hoc dieimus, quod non potest fleri in alio pane, hoc est in pane alterius
qualitatis, quam in illo in quo tradidit Iesus, hoc est in fermentato«. Nos audientes hanc heresim,
quesivimus singillatim ab unoquoque, primo a Patriarcha Nicee, seeundo ab Antiocheno, deinde
a singulis prelatis, si hec esset fides eorum, et istud crederent. Et responderunt singillatim: »Hec
est fides nostra, et hoc credimus«".
Die politische Dimension 277

Die Gesandten forderten die Griechen auf, diesen ihren Glauben schriftlich darzulegen
und ihnen mit Unterschrift versehen zu überreichen. Im Gegenzug verlangte die grie-
chische Seite von den Mendikanten, ihren Glauben über den Hervorgang des Heiligen
Geistes schriftlich für sie niederzuschreiben. Am nächsten Tag tauschten beide Seiten
ihre Schriften aus. Die Charta Graecorum wird in der Relatio in lateinischer Überset-
zung wiedergegeben:
„Die Apokrisare des heiligsten Papstes des Alten Roms haben uns gefragt, ob sie das unblutige
Opfer, das ist das Opfer des Leibes Christi, mit Azymen zelebrieren können. Wir antworten,
daß dies den Menschen, die der neuen Gnade nachfolgen wollen, nicht möglich ist, aufgrund
der ursprünglichen Überlieferung des Heilandes. Er hat ja seinen heiligen Jüngern und Apo-
steln [das Opfer] mit gesäuertem Brot übergeben, gemäß dem Wortlaut der Evangelien. Aber
auch diese [die Apostel] übergaben dieses Mysterium so, wie sie es selbst bekommen hatten,
gemäß den Worten des großen Paulus <es folgt der Text von 1 Kor. 11, 23-26>. Weil also
auch wir es von den ruhmreichen Aposteln in der Form übernommen haben, wie [die Apostel]
es selbst vom Christus übernommen hatten, und wie es die vier kirchlichen Gebiete der Welt
bis zum heutigen Tag halten, deswegen sind wir der Meinung, daß auch das Gebiet des Alten
Roms es so übernommen hat und sich daran halten soll. Aus diesem Grund sagen wir, daß es
nicht möglich ist, das [heilige] Opfer in Azymen zu empfangen, weil das ungesäuerte Brot zur
Unterordnung unter das Gesetz gehört, das aufgehört hat"137.

Das Dokument ist vom Chartophylax der Großen Kirche unterzeichnet, „im Auftrag der
heiligsten Patriarchen: des ökumenischen, [sowie] der großen Gottesstadt Antiocheia,
und der Geistlichen, die mit ihnen anwesend waren"138. Der besondere Wert der zitier-
ten Charta Graecorum für unsere Fragestellung besteht darin, daß sie das einzige heute
bekannte Konzilsdokument der Griechen zum Problem des eucharistischen Brotes aus

137 Ebd., 4 5 4 ^ 5 5 : „Quesierunt a nobis honorabilissimi apoerisarii sanetissimi Pape antiquioris


Rome, si possunt conficere anemakton, hoc est sacrificium corporis Christi, in azimis. Et
respondemus, inpossibile esse hoc hominibus volentibus sequi novam gratiam, propter eam, que
a prineipio, traditionem Salvatoris. Tradidit enim sanetis suis diseipulis et apostolis per
fermentatum panem, seeundum tenorem Evangeliorum. Tradiderunt autem et ipsi huiusmodi
misterium, quäle et ipsum aeeeperunt, seeundum sermonem magistri <die Handschrift E:
magni> Pauli scribentis ad Corinthios sie: Fratres, ego aeeepi α Domino... <....> Quia ergo sie et
nos aeeepimus a bone fame Apsotolis, sicut et ipsi aeeeperunt a Christo, et sie tenent quattuor
ecclesiastice dioceses orbis usque et nunc, estimamus autem quod et diocesis antiquioris Rome
sie et aeeepit et tenebit. Propter hoc dieimus quod non potest consumari sacrificium per azima,
ut azimo pane <bei Golubovich: parte> existente eius, que cessavit, legalis servitutis".
138 Ebd.: „Cartofilax sanetissime magne Dei ecclesie Constantinopoleos, ex preeepto
sanetissimorum patriarcharum universalis, Teupolitane magne Antiochene, et eorum qui cum eis
aderant presulum subscripsi". Daraus wird ersichtlich, daß neben dem Patriarchen von
Konstantinopel nur der Patriarch von Antiocheia anwesend war. Die Bezeichnung Antiocheias
als Θεούπολις ist in byzantinischen Texten üblich, s. dazu: PGL 641.
278 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

der Zeit vor dem Konzil von Ferrara/Florenz 1439 darstellt139. Die Gesandten reagierten
auf die Überreichung der Charta mit folgenden Worten:
„Ihr habt uns euere Schrift gegeben, die eine Häresie beinhaltet. Merkt euch, daß die römische
Kirche jeden für einen Häretiker hält, der so glaubt, wie dies in eurem Papier dargelegt ist"140.
An dieser Stelle kam es jedoch noch nicht zum Abbruch der Gespräche. Die Mendi-
kanten schlugen weitere Diskussion vor, um zu ermitteln, ob die Griechen an ihrem
irrtümlichen Glauben „aus Unkenntnis oder aus Bosheit" festhalten141. Es folgte eine
lange auf der Hl. Schrift und den Vätern basierende Diskussion zur Azymenfrage, die
auf die übliche Argumentation gegen bzw. für das ungesäuerte Brot hinauslief: Die
Bedeutung des Wortes άρτος und die Zeit und der Charakter des letzten Passamahles
Jesu 142 . Die bis in die späte Nacht dauernde und letzten Endes ergebnislose Diskussion
wurde schließlich nach dem Willen des Kaisers abgebrochen. Damit kam es zum ei-
gentlichen Abbruch der theologischen Gespräche, weil auf der nächsten, - und zugleich
letzten, - offiziellen Begegnung zwischen lateinischen und griechischen Teilnehmern,
die erst vier Tage später zustande kam, keine eigentlichen Disputationen mehr stattfan-
den.
Interesse verdient eine Episode, die einen Tag vor dem endgültigen Abbruch der
Verhandlungen, und zwar am 3. Mai, stattfand. Besorgt über die kritische Lage der
Verhandlungen, drängte Kaiser Joannes III. Batatzes die päpstlichen Gesandten, zur
Befriedung zwischen den beiden Kirchen beizutragen. Von seiner Seite war das der
letzte verzweifelte Versuch, die beiden Seiten doch noch zu einer Versöhnung zu brin-
gen. In einem privaten Gespräch mit den Gesandten in seinem Palast berief sich der
Kaiser auf die Praxis des politischen Kompromisses und machte folgenden Vorschlag:
„Es ist üblich bei Königen und Fürsten, daß, wenn eine Zwietracht zwischen ihnen über Bur-
gen oder Provinzen herrscht, jeder von ihnen etwas von dem, was ihm nach seinem Recht zu-
steht, wegläßt. So können sie durch dieses Mittel zum Frieden kommen. Genauso, scheint es
mir, muß es zwischen euerer und unserer Kirche sein. Es gibt ja zwei Streitpunkte zwischen
uns und euch: zum einen über den Hervorgang des Heiligen Geistes, zum zweiten über den

139 Das griechische Original des Textes ist nicht bekannt; nach Auskunft der Gesandten haben
ihnen die Griechen den Originaltext weggenommen; den Mendikanten ist es jedoch gelungen,
die lateinische Übersetzung für sich zu behalten; darüber berichtet die Relatio 29-30 (Go-
LUBOVICH, Disputatio 464-A65).
140 GOLUBOVICH, Disputatio 458: „Dedistis nobis scriptum vestrum, quod continet heresim, et hoc
scitote, quod quicumque credit hoc quod scriptum est in carta vestra, pro heretico habet talem
Ecclesia Romana".
141 Ebd.: „Verumtamen quia defensio heresis facit hereticum, volumus scire, quare ita dicitis. Due
enim possunt esse cause quare ista dicatis, ignorantia vel malitia. Ideo parati sumus ostendere
veritatem vobis, ostendentes vos fabricatores mendacii, ut, visa veritate, cesset heresis quam
dicitis, et revocetur; vel si non, sciamus hoc iam dictum esse ex malitia, et vos esse hereticos".
142 Ebd., 459^461.
Die politische Dimension 279

Leib Christi. Falls ihr also Frieden wollt, sollt ihr einen [Punkt] von diesen beiden weglassen.
Wir werden euer Sakrament verehren und akzeptieren; ihr aber sollt euer Glaubensbekenntnis
uns überlassen und gemeinsam mit uns sprechen, - so wie wir es sprechen und wie es von den
heiligen Vätern auf ihren Konzilien beschlossen wurde. Das, was ihr hinzufugt, sollt ihr also
nicht mehr sagen, weil es ein Ärgernis für uns ist"143.

Die Gesandten lehnten diesen Vorschlag entschieden ab, mit dem Hinweis darauf, daß
die römische Kirche nicht mal ein kleines Jota von ihrem Glauben wegzulassen bereit
ist. Nach der Frage des Kaisers, auf welche Weise man dann noch zur Versöhnung
kommen könnte, fiel die Antwort der Mendikanten eindeutig kompromißlos aus:
„Über den Leib Christi sagen wir, daß ihr fest daran glauben und anderen verkünden sollt, daß
der Leib Christi gleichermaßen sowohl in ungesäuertem als auch in gesäuertem [Brot] zele-
briert werden kann. Alle Bücher, die euere [Schriftsteller] gegen den Glauben verfaßt haben,
sollen verurteilt und verbrannt werden. Über den Heiligen Geist sagen wir, daß ihr daran glau-
ben sollt, daß der Heilige Geist sowohl vom Vater als auch vom Sohn hervorgeht. Und es ist
notwendig, daß dieser [Glaube] auch dem Volk gepredigt wird. Falls ihr aber das in eurem
Glaubensbekenntnis nicht singen wollt, zwingt euch der Herr Papst nicht, vorausgesetzt ihr
verurteilt und verbrennt alle Bücher, die diesem Glaubenspunkt widersprechen"144.

Bedrückt durch diese Antwort der päpstlichen Gesandten, informierte der Kaiser die
Patriarchen und die griechischen Teilnehmer des Konzils. Am nächsten Tag, dem
4. Mai, fand die Sitzung des Konzils „bei großer Menge des Volkes" statt. Die Griechen
lasen ihre Stellungnahme zur Schrift der Gesandten betreffs der Filioque-Frage vor, in
dem der Standpunkt der Mendikanten als falsch bezeichnet wurde. Während der Verle-
sung kam es bei der versammelten Menge zu immer heftigeren Turbulenzen. Die Men-
dikanten schrieben in der Relatio, sie hätten den Eindruck gehabt, der Patriarch wollte
direkt an das versammelte Volk appellieren. Die Gesandten hätten jedoch die Initiative
ergriffen. So spielte sich die letzte Szene des Konzils sehr dramatisch ab:

143 Ebd., 461^62: „Consuetudo regum et principum est, cum discordia faerit inter eos super castris
aut provinciis, ut quilibet, de eo quod dixit ius suum, aliquid dimittat, ut sie pervenire possint
per medium ad pacem. Sie michi videtur quod debeat fieri inter vestram Ecclesiam et nostram.
Duo enim sunt inter nos et vos: primum de processione Spiritus saneti; seeundum de corpore
Christi. Si igitur velitis pacem, vos dimittatis unum ex hiis duobus: nos venerabimur et gratum
habebimus Sacramentum vestrum: vos autem dimittatis symbolum vestrum nobis, et dicatis
nobiscum, sicut nos dieimus, sicut constitutum habemus a sanetis patribus in conciliis suis: et
hoc quod vos superadditis non dicatis ulterius, quia scandalum est nobis".
144 Ebd., 462: „De corpore Christi ita dieimus, quod oportebit vos firmiter credere, et aliis
predicare, quod corpus Christi confici potest ita in azimo sicut in fermentato; et omnes libri quos
vestri scripserunt contra fidem, dampnentur et comburantur. De Spiritu Sancto ita diemus, quod
oportebit vos credere Spiritum sanetum procedere a Filio sicut a Patre. Et istud necesse est, quod
predicetur in populo. Quod autem cantetis istud in symbolo vestro, nisi volueritis, non compellit
vos dominus Papa, condempnatis et combustis omnibus libris, qui huic capitulo sunt contrarii".
280 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

„Nach dem alle zur Ruhe gekommen waren und das ganze Volk aufmerksam zuhörte, sagten
wir: »Glaubt ihr, daß der heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht, oder nicht?« Der Patriarch
antwortete: »Wir glauben, daß er nicht vom Sohn hervorgeht«. Wir fugten hinzu: »Aber der
heilige Kyrill, der dem dritten Konzil vorgesessen ist, hat alle mit Anathem belegt, die dies
nicht glauben. Folglich seid ihr mit Anathem belegt. Außerdem glaubt ihr und behauptet, daß
der Leib Christi nicht mit ungesäuertem [Brot] zelebriert werden kann. Dies ist aber häretisch;
folglich seid ihr Häretiker. Weil wir euch für häretisch und exkommuniziert befunden haben,
lassen wir euch auch als Häretiker und Exkommunizierte zurück«. Nachdem wir dies gesagt
haben, verließen wir das Konzil, während sie uns nachschrien: »Dir seid selber Häretiker!«"145

Damit war einer der Versuche in der Zeit nach 1204, zur Versöhnung zu kommen, völ-
lig gescheitert. Die Azymenfrage war dabei neben dem Filioque der wichtigste Streit-
punkt, der von der griechischen Seite als Grund für ihren „Ungehorsam" dem Papst
gegenüber genannt wurde. Der Verlauf der Disputation verrät jedoch auch andere Moti-
ve, die vor allem mit der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer zusammen-
hingen.
Die Relatio der Mendikanten wurde in der römischen Kurie zur Kenntnis genommen.
Vier Jahre nach den Gesprächen in Nikaia/Nymphaion berief sich Papst Gregor EX. in
einem Brief an Kaiser Friedrich II. auf den Bericht der Mendikanten, aus dem hervor-
gehe, daß Kaiser Batatzes und der Patriarch von Nikaia hartnäckige Schismatiker seien.
Der Papst rief zu einem Kreuzzug gegen Nikaia auf und forderte von Friedrich II., dem
Kreuzzugsheer einen ungehinderten Durchgang durch seinen Machtbereich zu verschaf-
fen - sonst werde der Kaiser zum „Förderer der genannten Schismatiker"146.

145 Ebd., 463^64: „...facto silentio, et attendente diligenter universo populo, diximus: »Creditis
Spiritum sanetum procedere a Filio vel non?« Respondit Patriarcha: »Credimus quod non
procedat a Filio«. Et subiunximus: »sed b. Kyrillus, qui prefuit tertio concilio, anathematizat
omnes illos qui hoc non credunt; ergo vos estis anathematizati. Item vos creditis et dicitis quod
Corpus Christi non potest confici in azimo. Sed hoc est hereticum; ergo vos estis heretici. Quia
invenimus vos hereticos et exeommunicatos, pro hereticis et exeommunicatis vos relinquimus«.
Et hüs dictis recessimus a concilio, ipsis acclamantibus post nos: »hnmo vos estis heretici«".
146 CICO Fontes III 314-315 (Nr. 236, Brief an Friedrich II. vom 17. März 1238): „...ad Vatacium,
dictum patriarchum Nicaenum, praelatos et clerum sibi subditos, Fratres Praedicatores et
Minores, in lege divina plene peritos, transmisimus, paternis apud ipsos monitis et preeibus
insistentes, ut a somno mortis exsurgerent et fugientes a Ventura ira, illucescente Ulis supernae
claritatis lumine, se unioni catholicae reformarent. At ipsi, sicut ex ipsorum Fratrum veridica
relatione pereepimus, diversos contra fidem orthodoxam proponentes errores et obturantes more
aspidis aures suas, nullis potuerunt induci monitis, ut in viam redirent ecclesiasticae unitatis.
Super quo vehementi dolore turbati, ne frustra sit nobis evellendi et plantandi coelitus collata
potestas, contra dictum Vatacium schismaticum et eius fautores, qui exeommunicati a nobis
semel in annis singulis nuntiantur, quia ipsorum vulnera sanare huiusmodi non potuit medicina,
non tarn pro subsidio Constantinopolitani imperii, quam pro corroboranda et defendenda fide
catholica in partibus Orientis, multos prineipes, barones et milites signo crucis feeimus insigniri.
<...> Quare serenitatem tuam apostolicis nuntio et scripto rogavimus, ut crucesignatis praedictis
Die politische Dimension 281

e. Kulturelle Spannungen: Das „Azymenmartyrium" von Zypern und andere Fälle

Unter den Nachfolgern Gregors IX., den Päpsten Innozenz IV. (1243-1254) und Alex-
ander IV. (1254-1261), fanden mehrere offizielle Kontakte zwischen der römischen
Kurie und den Griechen, darunter auch mit dem Kaiser und dem Patriarchen in Nikaia,
statt, die hier im Detail nicht behandelt werden brauchen147. Im Jahr 1246 betraute In-
nozenz IV. seinen neu designierten Legaten im Orient, den Franziskaner Laurentius, mit
der Aufgabe, die Griechen im Vorderen Orient einschließlich jener im Jurdisdiktionsbe-
reich der lateinischen Patriarchate von Antiocheia und Jerusalem sowie auf Zypern
mit der apostolischen Autorität zu beschützen, vor allem gegen jedwede Kränkung von
Seiten der Lateiner149. Diese Verordnung weist auf eine bemerkenswerte Wende in der
päpstlichen Politik im Orient hin, insbesondere wenn man sie mit der „Ostpolitik" Inno-
zenz' III. und Honorius' III. vergleicht. Ein Jahr später jedoch erachtete es Innozenz IV.

per terram tuam transitum libemm indulgeres. <...> ...huiusmodi denegando transitum apud
Deum animae ac apud homines famae tuae, eo quod dictos schismaticos in suo videris errore
fovere, ineurreres detrimentum...". Kaiser Friedrich II. spielte tatsächlich eine bedeutende Rolle
in der Entwicklung des Schismas, indem er den Griechen dies sagte, was sie hören wollten, und
ihre bewußte Abgrenzung gegenüber dem Papst zum Ausdruck brachte. Er hat die Griechen be-
wußt gegen den Papst aufgewiegelt, s. ζ. Β. seinen Brief an Joannes EL Batatzes aus dem Jahr
1250 in: FRANCHI, La svolta 146-150, in dem der Kaiser über die „innata illa antiquitus
diaboüco afflatu Romanis pontifieibus in Graecos malevolentia" spricht, und seine Empörung
ausdrückt, daß der Papst (damals Innozenz IV.) mit Unverschämtheit wage, „orthodoxissimos
Graecos, a quibus christiana fides ad extremos orbis fines pervenit", zu exkommunizieren.
147 Einen Überblick über die Legationen und Verhandlungstätigkeiten in dieser Zeit gibt: Gnx,
Byzantium and the Papacy 78-104. Zur Rolle der Franziskaner s.: RONCAGLIA, Les Freres
Mineurs 85-118. Neben den beiden Legationen von Laurentius und von Odo de Castro Radulfi
sei noch die Mission des Johannes von Parma erwähnt. Speziell zu seiner Legation s.: FRANCHI,
La svolta. Die Legation des Johannes von Parma ist bedeutend, jedoch für unser Thema ohne
besonderen Bezug, da dabei die Ritenproblematik nicht besprochen wurde. Innozenz IV. selbst
hat Johannes von Parma ausdrücklich vorgeschrieben, daß er in seinen Verhandlungen nur das
Thema des Heiligen Geistes erörtern soll: „Nil autem aliud in ipso Concilio auetoritate
apostolica statui volumus, nee in aliis faciendis te auetoritatem vel consensum seu favorem
praestare aut tui praesentiam exhibere" (CICO Fontes FV/1 125, Nr. 71).
148 Der Kompetenzbereich des Legaten war sehr groß; Innozenz IV. umschrieb ihn in seinem
Schreiben an Laurentius vom 7. Juli 1246 auf folgende Weise: „...te ad partes transmarinas
tamquam pacis angelum, commisso tibi in Armenia, Iconio, Turchia, Graecia et regno
Babyloniae ac super omnes Graecos, tarn in Antiocheno et Jerosolymitano patriarchatibus, quam
regno Cypri morantes, neenon super Jacobitas, Maronitas et Nestorianos, plenae legationis
officio <...> duximus dirigendum" (CICO Fontes TV/l 73, Nr. 31).
149 Ebd.: „Ideoque mandamus, quatenus Graecos illarum partium, quocumque nomine censeantur,
auetoritate apostolica protegens, turbari eos violentiis vel quibuscumque molestiis non
permittas, iniurias quaslibet et offensas a Latinis illatas eisdem plenarie faciens emendari et
Latinis ipsis districte praeeipiens, ut a similibus decetero penitus conquiescant".
282 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

für notwendig, seinen Legaten in dessen offensichtlich allzu weitherziger Unterstützung


der Griechen etwas zu mäßigen, und ermahnte ihn zur unbedingten Wahrung der Rechte
der jeweiligen lateinischen Patriarchen150. Es scheint, daß Laurentius bald abberufen
wurde151, da bereits 1248 ein neuer Legat für den Orient bestimmt wurde, der Kardinal-
bischof von Tusculum Odo de Castro Radulfi (Eudes de Chäteauroux)152. In unserem
Zusammenhang spielt ein Schreiben Innozenz' IV. an Odo vom 6. März 1254 eine
wichtige Rolle, in dem der Papst seinen Legaten instruiert, wie mit den griechischen
Riten zu verfahren sei153. Der Papst wiederholt den bekannten Grundsatz des
IV. Lateranums über die Zulässigkeit der griechischen Riten. Diese seien vorläufig zu
tolerieren, falls sie keine Gefahr für die Einheit darstellten. In Übereinstimmung mit
diesem Grundsatz läßt Innozenz IV. manche Gewohnheiten gelten, bei einigen jedoch
verlangt er eine Angleichung an den römischen Ritus. Das Dokument ist insofern in-
teressant, als niemals zuvor derart ausführliche Vorschriften zu den einzelnen griechi-
schen Bräuchen erlassen worden sind. Der Papst fühlte sich veranlaßt, auf das Leben
der sich unter der lateinischen Jurisdiktion befindenden Griechen bis ins Detail einzu-
gehen. Die Dekretale diente als Vorbild und Vorlage für weitere päpstliche Dokumente
dieser Art, wie etwa die Constitutio instruens Graecos Alexanders IV.154 Kein einziges
Wort wird in der Dekretale Innozenz' IV. über die Zelebration mit gesäuertem Brot
oder über die Taufformel verloren. Offensichtlich hielt der Papst den Gebrauch des
gesäuerten Brotes und die griechische Tauformel für unproblematisch. Daß es sich in
der Tat so verhielt, bezeugt der Brief Innozenz' IV. an den Kiever Großfürsten Daniil
von Halic, worin der Papst den Gebrauch von gesäuertem Brot ausdrücklich als dem
katholischen Glauben nicht widersprechend billigt155. Gleichwohl erfordere die Aus-
übung dieser Gewohnheit, wie dieser Brief impliziert, eine besondere Erlaubnis des
Papstes. Diese Erlaubnis wird als eine Art „Belohnung" für die Konversion des Fürsten
zur römischen Kirche in Aussicht gestellt. Die Constitutio instruens Graecos Alexan-

150 Brief an Laurentius vom 4. Juni 1247, CICO Fontes IV/1 78-79 (Nr. 35).
151 Das letzte uns bekannte Schreiben an Laurentius ist auf den 7. August 1247 datiert (CICO
Fontes FV/1 84-85, Nr. 40); vgl. zur Legation des Laurentius: GILL, Byzantium and the Papacy
82-83; RONCAGLIA, Les Freres Mineurs 92-99.
152 S. Brief Innozenz' IV. an alle betroffenen Amtsträger im Orient vom 22. Juni 1248 in: CICO
FontesTV/l 113-114 (Nr. 60).
153 CICO Fontes IV/1 171-175 (Nr. 105).
154 S.: CICO Fontes, IV/2 102-121 (Nr. 46a). Dasselbe gilt auch für neuzeitliche Verlautbarungen
wie die Instruktion Clemens' VUL für die Italo-Griechen (1595) und die Konstitution Etsi
pastoralis des Benedikt XIV. (1742), s. dazu: DE VRIES, Rom und die Patriarchate 189
Anm. 30.
155 CICO FonteslV/l 87 (Nr. 43, vom 27. August 1247): „tuis supplicationibus inclinati, episcopis
et aliis presbyteris de Ruscia, ut liceat eis more suo ex fermentato conficere et alios eorum ritus,
qui fidei catholicae, quam Ecclesia Romana tenet, non obviant, observare, auctoritate
praesentium indulgemus".
Die politische Dimension 283

ders IV. betrachtet die beiden eucharistischen Bräuche als gleichermaßen zulässig. Die
griechischen Bischöfe und Kleriker werden aufgefordert, ihre Gläubigen zu belehren,
daß die Eucharistie mit beiden Brotarten zelebriert werden dürfe. Den Griechen müsse
außerdem vorgeschrieben werden, den Hl. Gaben (im ungesäuerten Brot) die schuldige
Verehrung zu erweisen, und dabei ein römisches Gebet zu sprechen, „das man ihnen
beibringen soll"156. Im gleichen Dokument wird auch die Exkommunikation über dieje-
nigen wiederholt, die die Eucharistie mit ungesäuertem Brot verdammen157.
Am Beispiel der Verhandlungen von Nikaia/Nymphaion 1234 konnten wir bereits
sehen, wie scharf und kompromißlos die Ablehnung der lateinischen Azymenzele-
bration von seiten der Griechen war. Diese Ablehnung äußerte sich nicht nur bei theo-
logischen Disputationen, sondern auch und vor allem im alltäglichen Umgang mit den
Lateinern. Besonders hartnäckig lehnten die griechischen Mönche die Azymenzelebra-
tion, aber auch andere lateinische Bräuche, ab. Patriarch Germanos II. berief sich in
seinem oben zitierten Brief an Gregor IX. aus dem Jahre 1232 auf ein Martyrium, das
eine Gruppe griechischer Mönche auf Zypern158 wegen ihres überzeugten Widerstandes
gegen die Azymen von den lateinischen Herrschern erlitten haben sollen. Die Lateiner
hätten bereits viele Kränkungen und Missetaten gegen die Griechen verübt, schreibt der
Patriarch in seinem Brief, eines fehlte noch, aber auch dieses sei geschehen: ein Marty-
rium.
„Die ruhmreiche Insel Zypern weiß, was ich meine, denn sie hat neue Märtyrer und Krieger
Christi gesehen, die zuerst durch das Wasser der Schmerzenstränen gegangen sind, und im

156 CICO Fontes IV/2 106-107 (Nr. 46a): „Admoneant etiam ipsos [Graecos] circa Eucharistiae
sacramentum, quod sive in fermentato sive in azymo pane conficiant, dummodo per sacerdotem
flat seeundum ecclesiae formam, non refert, cum Dominus papa dicat: dummodo credant, quod
utroque modo est verum corpus Christi, quod de beata Virgine tradit, sine quo non est salus et
per quod salvati et liberati sumus: et quod qui manducat digne, ut ipse Chistus ait, habet vitam
aetemam: ideoque a Christi fidelibus haberi debet in omni reverentia et honore. Quapropter
districte praeeipiant, tarn clericis, quam laicis, ut cum ad infirmos Eucharistia portatur,
praesentes fleetant genua et eidem reverenter inclinent, dicentes haec verba, quae eos doceri
volumus: Ave salus mundi, caro munda, caro saneta, caro immaculata, verus Deus, verus
homo".
157 Ebd., 115. •
158 Auf Zypern, das seit der Eroberung durch Richard das Löwenherz im Jahr 1191 unter lateini-
scher Herrschaft stand, waren die politischen und kulturellen Spannungen zwischen Lateinern
und Griechen besonders schmerzhaft. Zur kirchenpolitischen Geschichte Zypern insgesamt gibt
es reiche Literatur. Die Grundlagen wurden von MAS LATRIE, Histoire de l'ile de Chypre, 3 Bde.
(1852-1855), gelegt. S. auch zur Problematik der Beziehungen zwischen Lateinern und Grie-
chen: HACKETT, Α History ofthe Orthodox Church of Cyprus (1901); MAGOULIAS, Α Study
(1964); EFTMMIOU, Greeks and Latins on Cyprus (1987).
284 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Schweiß der körperlichen Askese über lange Zeit hin gewaschen, führte Gott, der Kampfrich-
ter, sie durch Wasser und Feuer hindurch, in den himmlischen Ruheplatz"159.

Die Zeugnisse über einen gewaltsamen Tod von dreizehn griechischen Mönchen aus
dem Kloster der Gottesmutter von Kantara (Kantariotissa), den sie 1231 wegen ihrer
hartnäckigen Ablehnung der lateinischen Azymenzelebration erlitten, haben zweifellos
einen historischen Kern, wenn auch die spätere griechische Hagiographie dieses Ereig-
nis offensichtlich polemisch zuspitzte160. Darüber gibt es neben der angeführten Nach-
richt des Patriarchen Germanos II. auch Hinweise in der zeitgenössischen Korrespon-
denz des Papstes Gregor IX. als auch in einem Brief des griechischen Erzbischofs von
Zypern Neophytos. Gregor IX. berief sich in seinem Schreiben an den (lateinischen)
Erzbischof von Nikosia vom 5. März 1231 auf Nachrichten, die er von seinem Adres-
saten bekommen hatte:
„Du hast auch über gewisse griechische Mönche berichtet, die, schlecht über den katholischen
Glauben denkend, öffentlich behaupten, daß es auf unserem Altar kein Sakrament der Euchari-
stie gebe, und daß nicht mit ungesäuertem, sondern vielmehr mit gesäuertem Brot der Leib
Christi zelebriert werden müsse. Daneben verkünden sie in der Öffentlichkeit viele andere un-
geheuerliche Sachen, die nach offenkundigem Irrtum riechen. Du hast sie aus diesem Grund,
bis wir eine Entscheidung treffen, in den Kerker gesperrt, und obwohl sie von dir eingehend
ermahnt wurden, wollen sie ohne Beratung mit ihrem Patriarchen von diesem Irrtum nicht ab-
lassen"161.

Der Papst forderte den lateinischen Erzbischof auf, „gegen die genannten Mönche wie
gegen Häretiker vorzugehen"162. Noch ein Zeugnis über das Ereignis auf Zypern findet

159 CICO Fontes HI 246 (Nr. 179a): "Εν έλείπετο μόνον και γέγονε και αυτό, ίνα μαρτυρίας
καιρός αύτη και βήμα τυραννικόν πρωτεθη καί θρόνος μαρτυρικός άνοιγχ]· και ημείς
προς τό στάδιον της μαρτυρίας άναβησώμεθα, τόν αγώνα τον καλόν άγωνισάμενοι καί
παντοκρατορικη στεφθησώμεθα δεξία. Οίδεν α λέγω ή Κύπρος ή περιώνυμος νήσος,
νέους μάρτυρας θεασαμένη καί στρατιώτας Χρίστου, οι πρότερον δι' ΰδατος διελθόντες
δακρύων της κατανύξεως καί τόΤς ίδρώσι λουσάμενοι τοις εκ των ασκητικών τοΰ
σώματος πόνων επί χρόνοις μακροΐς, τό τελευταΐον διηλθον δια πυρός καί ΰδατος, καί
έξήγαγεν αυτούς ό άγωνοθέτης Θεός εις την ούράνιον άναψυχήν.
160 Das bekannte Material ist kurz zusammengefaßt bei: HACKETT, Α Histoty 93-95; GILL, The
Tribulations 79-81; EFTKMIOU, Greeks and Latins 44-45; ANGOLD, Greeks and Latins 73-74;
DERS., Church and Society 521-522.
161 MAS LATRIE, Histoire ΓΠ 630: „Adjecisti preterea de quibusdam monachis grecis, qui, male de
fide catholica sentientes, publice protestantur non esse in altari nostro Eucharistie sacramentum,
nee de azimo, sed de fermentato potius debere confici corpus Christi, alia plura enormia que
errorem sapiunt manifestum publice proponendo; propter quod illos usque ad beneplacitum
nostrum carceri deputasti, et diligenter a te moniti nolunt ab errore hujusmodi resilire absque sui
consilio patriarche". Offensichtlich war Germanos Π. gemeint.
162 Ebd.: „Contra predictos monachos sicut contra hereticos processurus, nullis litteris veritati et
justicie prejudicantibus a sede apostolica perpetratis".
Die politische Dimension 285

man in einem bereits nach dem Tod der Mönche verfaßten Brief des griechischen Erz-
bischof Neophytos 163 an Kaiser Joannes III. Batatzes. Der Erzbischof suchte sich ge-
genüber dem Vorwurf, er habe die Mönche nicht hinreichend geschützt, zu rechtferti-
gen. Der Tod der dreizehn griechischen Mönche werde ihm, Neophytos, vorgeworfen.
Er sei aber für ihren Tod nicht verantwortlich, vielmehr hätten sich die Mönche selber
aufgrund ihrer üblen Aussagen gegen die lateinische Kirche willentlich auf den Schei-
terhaufen gebracht164. Auch im Traktat Contra errores Graecorum eines anonymen
Dominikaners von 1252 wird dieses Ereignis angesprochen; der Autor nennt die grie-
chischen Mönche „neue Märtyrer des Teufels"165. Wie verbreitet die hartnäckige Ab-

163 Zur zwiespältigen Rolle des Neophytos und seiner Stellung zwischen den lateinischen Herr-
schern in Zypern einerseits und dem Patriarchen Germanos Π. andererseits s.: GILL, The
Trihulations 78-80.
164 CHATZEPSALTES, Σχέσεις της Κύπρου 76: Περί δέ των άναιρεθέντων άοιδίμων αδελφών
ημών των μοναχών μάρτυρα προβαλλόμεθα την δέ εφόρου δίκην οΰτε δια λόγου ή έργου
ή κατά διάνοιαν ή παρά της ημών βουλής έγεγόνει ή εκείνων άναίρεσις, αλλ' αύτοι
θελοντί εαυτούς παρέδωκαν τω θανάτω, είρηκότες προς τους κρατοϋντας βαρέα, ατινα
ούδ' άκρως ήνέσχοντο άκοΰσαι περί της αυτών πίστεως και οϋτως γέγονεν ή εκείνων
κατάκρισις. Vor allem infolge der Bemühungen des Patriarchen Germanos Π. ist das Martyri-
um der Kantariotissa-Mönche in die griechische Hagiographie eingegangen. Eine spätere hagio-
graphische Erzählung aus dem 14. Jh. kennt folgende Details des Martyriums. Joannes und Ko-
non, zwei Mönche vom Athos, seien nach Zypern gekommen, um die Leiden ihrer Mitbrüder im
Glauben zu teilen. Die Mönche ließen sich im Kantariotissa-Kloster nieder. Eines Tages kam ein
Dominikaner namens Andreas zu den Mönchen des Klosters und versuchte mittels einer Dispu-
tation, die Mönche von der Zulässigkeit der Azymenzelebration zu überzeugen. Die Mönche
lehnten dies entschieden ab mit der Begründung, die Azymenzelebration sei eine Häresie. Die
Griechen schlugen endlich vor, daß der Streit durch ein Gottesurteil entschieden werde. Ein La-
teiner und ein Grieche sollten jeweils mit ihren Hl. Gaben durch das Feuer gehen. Derjenige, der
ohne Schaden herauskomme, vertrete den richtigen Glauben. Der Dominikaner Andreas ver-
zichtete auf eine solche Lösung und schlug vor, daß die Mönche zum lateinischen Bischof in
Nikosia Eustorgius gehen sollen, um diesen Streit zu lösen. Vor dem Erzbischof bestätigten die
griechischen Mönche ihren Glauben, daß ein jeder, der die Eucharistie mit Azymen zelebriert,
Häretiker sei. Der lateinische Bischof bat die weltlichen Machthaber, die Mönche in den Kerker
zu werfen. Drei Jahre verbrachten die Mönche im Kerker. Einer der Mönche, Theodoret von
Athos, starb. Die weltlichen Machthaber haben schließlich verordnet, die Mönche an Pferde-
schwänzen anzubinden und sie so durch den Marktplatz und den Fluß zu schleppen. Zum Schluß
wurden sie als hartnäckige Häretiker verbrannt. Der Text ist ediert in: SATHAS, Μεσαιωνική
βιβλιοθήκη Π 20-39. Es ist schwer zu sagen, inwieweit diese Beschreibung den historischen
Tatsachen entspricht. Eine von Leon Allatius zitierte anonyme antilateinische Schrift gibt als
Grund des Martyriums folgende Auskunft: „Weil sie [die Mönche] es nicht wollten, mit ihnen
[den Lateinern] eine [eucharistische?] Gemeinschaft zu pflegen" (...διά το μή καταδέξασθαι
συγκοινωνήσαι τούτοις [d. h. Λατίνοις]...: ALLATIUS, De Ecclesiae occidentalis atque
Orientalis 694).
286 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

lehnung der Azymenzelebration bei den Griechen war, zeigt auch ein Rundschreiben
Gregors IX. vom 9. März 1238, das an die lateinischen Patriarchen von Antiocheia und
Jerusalem sowie an den Erzbischof von Nikosia gerichtet ist. Darin verlangt Gregor IX.
von seinen Adressaten, daß sie keinen griechischen Priester in ihrem Jurisdiktionsbe-
reich zur freien Ausübung seines Amtes zulassen sollen, falls er nicht zuvor „allen Hä-
resien abschwört, vor allem aber jener [Häresie], mit der sie [die Griechen] die Lateiner
verleumden, sie seien Häretiker, weil sie mit Azymen zelebrieren"166.
Es besteht kaum ein Zweifel, daß die Griechen unter der lateinischen Herrschaft star-
ken Latinisierungstendenzen ausgesetzt waren, wie wir insbesondere am Beispiel der
Politik Innozenz' III. gesehen haben. Aber auch die entgegengesetzte Tendenz war
vorhanden: Die Lateiner, die aus welchem Grund auch immer unter griechische Herr-
schaft gelangten, wurden letzten Endes hellenisiert. Wir haben dies am Beispiel jenes
Lateiners gesehen, der sich in Nikaia gegenüber den Abgesandten des Papstes über
seinen griechischen „Popen" beschwerte. Einen weiteren Hinweis auf solche Tendenzen
beinhaltet ein Brief Innozenz' IV. vom 22. März 1253 an den lateinischen Patriarchen
von Konstantinopel, worin der Papst darauf aufmerksam macht, daß auf der Insel Milos
„zahlreiche Kinder der Lateiner die Taufe nach dem griechischen Brauch empfangen,
und auch die übrigen Lateiner von den Griechen gezwungen werden, alle Sakramente
nach der Gewohnheit der Griechen zu empfangen". Der Papst, besorgt über diese Tat-
sache, ordnete an, den Kantor der Kirche in Kreta, einen gewissen Paschalis, schnell-
stens zum Bischof dieses Ortes zu ordinieren, damit solche Vorfälle nicht mehr pas-
sierten167.
Zu dem wichtigen Zeitabschnitt 1204-1261, von dem wir eine Fülle von Quellen be-
sitzen, läßt sich zusammenfassend sagen, daß in dieser Zeit die gegenseitige Aversion
zwischen Lateinern und Griechen wohl ihren Höhepunkt erreichte. Erst in dieser Zeit
zementierte sich die Spaltung zwischen den Kirchen und war allgemein anerkannt. Ne-
ben den üblichen Schisma-Vorwürfen waren auch Häresie-Vorwürfe gang und gäbe.

165 PG 140, 518 D: „Probat hoc Cyprus, qui nostris temporibus duodeeim monachos graecos, isto
errore laborantes, novos diaboli martyres, per flammas ignis produxit. Dicebant enim praedicti
monachi sacramentum Latinorum lutum esse et non sacramentum, et quod sacrificantes vel
sumentes ex eo more gentilium daemoniis immolarent".
166 CICO Fontes ΙΠ 310-311 (Nr. 230): „...mandamus, quatenus omnibus episcopis ultramarinis
<...>, ut quilibet eorum in sua dioecesi null um sacerdotem graecum, nisi prius obedientiam
Romanae Ecclesiae in praesentia suorum iuraverit subditorum et abiuraverit omnem haeresim,
specialiter illam qua Latinos pro eo quod in azymis celebrant haereticos mentiuntur, celebrare
aliquatenus non permittat pereipere, auetoritate apostolica procuretis".
167 CICO Fontes IV/1 149-150 (Nr. 87): „Significarunt nobis dilecti filii nobiles viri domini et alii
homines insulae Milonis, quod propter vacationem ecclesiae Milonensis, quae per
quinquennium iam vaeavit, quam plures pueri, filii Latinorum, more Graecorum Sacramentum
baptismatis reeipiunt, alii quoque ab eisdem Graecis omnia ecclesiastica Sacramenta et in
detrimentum Ecclesiae fidei reeipere sunt coacti".
Die politische Dimension 2W7

Die rituellen Unterschiede zwischen lateinischer und griechischer Kirche, und insbe-
sondere die Azymenfrage, aber auch der gerade in diesem Zeitabschnitt entflammte
Streit um die Taufformel, stellten ein Arsenal zur Verfügung, aus dem beide Seiten ihre
Argumente schöpften, um die jeweilige Politik zu rechtfertigen und zu begründen.

2. Von der Wiederherstellung der griechischen Herrschaft in Konstantinopel


1261 bis zum Zerfall der Kreuzfahrerstaaten um 1300

Am 25. Juli 1261 fiel das lateinische Konstantinopel beinahe widerstandslos in die
Hände des nikäischen Heerführers Alexios Strategopoulos. Am 15. August desselben
Jahres hielt der griechische Kaiser Michael VIII. Palaiologos (1259-1282) seinen feier-
lichen Einzug in die Reichshauptstadt. Damit wurde dem lateinischen Kaiserreich ein
Ende gesetzt168. Die Wiederherstellung der griechischen Herrschaft in Konstantinopel
hat die Machtkonstellation zwischen Papsttum und dem byzantinischen Reich wieder
einmal grundlegend verändert. Den Verlust Konstantinopels an den schismatischen
„Kaiser der Griechen" hat Rom zuerst sehr schmerzvoll wahrgenommen. Den geflohe-
nen lateinischen Kaiser von Konstantinopel Balduin II. hat man mit allen Mitteln unter-
stützt; die Genuesen hingegen, die als einzige westliche Macht dem Palaiologos militä-
rische Hilfe leisteten169, wurden von Papst Urban IV. (1261-1264) exkommuniziert170.
Im Exkommunikationsbrief an die Genuesen meinte Urban IV., daß die Vorgehenswei-
se des griechischen Kaisers nicht nur „gegen das Reich von Konstantinopel und die sich
dort befindenden Lateiner", sondern „vielmehr gegen die römische Kirche und den
katholischen Glauben" gerichtet sei. Die Zugehörigkeit der Reichshauptstadt zum latei-
nischen Machtbereich war aus der Sicht des Papstes unauflöslich mit ihrer Treue zum
„katholischen Glauben" verknüpft171. Besonders gefährlich wurde die Lage für Micha-
el VIII., nachdem sich Karl von Anjou, Wilhelm II. Villehardouin von Achaia und der
vertriebene lateinische Kaiser von Konstantinopel Balduin im Jahr 1267 zu einem anti-
palaiologischen Bündnis zusammengeschlossen hatten. Jedoch hat Michael Palaiologos
bereits kurz nach der Einnahme Konstantinopels begonnen, durch diplomatische Aktio-
nen Gefahr von sich abzuwenden. Den Schlüssel dazu sah er in der Versöhnung mit
dem Papsttum. Mehrmals sandte Michael Gesandtschaften zu Urban IV. und machte

168 S.: OSTROGORSKY, Geschichte 371; ROBERG, Die Union 17-18; GEANAKOPLOS, Emperor
Michael Palaeologus 110-122.
169 Am 13. März 1261 hat Michael VEd. in Nymphaion einen Vertrag mit Genua abgeschlossen, in
dem sich die Genueser zu militärischer Hilfe verpflichteten; im Gegenzug erhielten sie Han-
delsprivilegien im byzantinischen Reich, s.: OSTROGORSKY, Geschichte 371; ROBERG, Die
Union 19.
170 Das Schreiben Urbans IV. vom 19. Januar 1263 in: CICO Fontes V/l 3-5 (Nr. 3).
171 Ebd., 3: „...contra constantinopolitanum imperium et Latinos existentes ibidem, immo verius
contra Romanam Ecclesiam et catholicam fidem..."
288 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Vorschläge für eine politische Aussöhnung172. Als Gegenleistung für die päpstliche
Anerkennung und Unterstützung wurde die Befriedung und Wiedervereinigung der
Kirchen angeboten173. Auch mit dem Nachfolger Urbans, Clemens IV. (1265-1268),
sowie in der darauffolgenden Sedisvakanz 1268-1271 setzte Palaiologos diese Politik
fort174, wenn auch nicht ohne Rückschritte und Verzögerungen. Seine Bemühungen
gipfelten im Konzil von Lyon 1274, wo die griechische Delegation175 am 29. Juni an
der Eucharistiefeier mit Papst Gregor X. (1271-1276) teilnahm und am 6. Juli das vom
Papst formulierte Glaubensbekenntnis unterzeichnete, das die Streitpunkte zwischen
den Kirchen im Sinne der römischen Lehre darlegte176. Auf diese Weise kam die soge-
nannte „Union von Lyon 1274" zustande.
Das Konzil von Lyon, das zweifelsohne das wichtigste kirchenpolitische Ereignis je-
ner Zeit in den Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel war, seine Vor- und
Nachgeschichte bis hin zum Scheitern der „Union" wurde in der Forschung ausführlich
dargestellt177. Daß die „Union von Lyon" griechischerseits vor allem das Werk des
Kaisers war und auf heftigen Widerstand des Klerus, der Mönche und des Volkes im
byzantinischen Reich stieß, ist hinlänglich bekannt. Kennzeichnend an der „Union von

172 Briefwechsel zwischen Urban IV. und Michael Palaiologos in: CICO Fontes V/l 14-26. 31-40
(Nr. 6. 10. 10a).
173 So ζ. Β. im nur lateinisch erhaltenen Brief des Michael Palaiologos vom Jahr 1264: „...ad
componendam pacem, unitatem et gratiam reuniendae in Christo Deo Ecclesiae..." (CICO
Fontes V/l 38, Nr. 10a); „...ad reuniendam <...> Ecclesiam..." (ebd., S. 40).
174 Briefe Clemens' IV. in: CICO Fontes V/l 61-72 (Nr. 23. 24. 25).
175 Die griechische Gesandtschaft zum Konzil von Lyon bestand aus dem Expatriarchen von
Konstantinopel Germanos (ΙΠ.), dem Großlogotheten Georgios Akropolitcs und dem
Metropoliten Theophanes von Nikaia. Über die Zusammensetzung der Gesandtschaft informie-
ren die Briefe des Kaisers Michael VIII.; Text der Briefe in: ROBERG, Die Union 231-234.
Femer berichtet darüber der päpstliche Gesandte Hieronymus von Ascoli OFM in seinem Brief
an Papst Gregor X. im April 1274, Text ebd., 228. Details in: ROBERG, Die Union 126-127. Die
Ordinatio concilii generalis Lugdunensis (FRANCHI, // Concilio II di Lione 67-100) nennt die
Namen nicht.
176 Georgios Akropolites beschwor im Namen des Kaisers als sein Vertreter das
Glaubenbekenntnis; Text seines Eides in: CICO Fontes V/l 134 (Nr. 48); die beiden Geistlichen
haben durch Unterschriften ihre Treue gegenüber dem Symbolum bestätigt, ebd., S. 133
(Nr. 47). Vgl. die Beschreibung dieser Vorgänge in der Ordinatio concilii generalis
Lugdunensis, in: FRANCHI, II Concilio II di Lione 82-92. S. auch: ROBERG, Die Union 144-150.
177 Die wichtigsten Darstellungen: NORDEN, Das Papsttum (1903) 387-618; GEANAKOPLOS,
Emperor Michael Palaeologus (1959); ROBERG, Die Union (1964); Gnx, Byzantium (1979)
105-181; WOLTER/HOLSTEIN, Lyon I / Lyon II (1972) 141-266; ROBERG, Das Orientalische
Problem (1977); ROBERG, Das Zweite Konzil von Lyon (1990). Wichtige lateinische
Dokumente, wie die Ordinatio des Konzils, sind ediert in: FRANCHI, II Concilio Π di Lione
(1965). Die einschlägigen griechischen Dokumente ediert in: GELL, The Church Union ofthe
Council ofLyons (1974); LAURENT/D ARROUZES, Dossier grec (1976).
Die politische Dimension 289

Lyon" war der völlige Verzicht auf Streitgespräche. Die strittigen Fragen wurden nicht
auf den Konzilssitzungen - wie etwa in Nikaia/Nymphaion 1234 - diskutiert, sondern
bereits im Zuge des vorangegangenen Briefwechsels zwischen Rom und Konstantinopel
im Sinne des Papstes festgelegt. Die päpstliche, vom Konzil sanktionierte Definition
wurde der griechischen Seite in Form eines Glaubensbekenntnisses als verbindlich auf-
erlegt. Der griechischen Delegation blieb auf dem Konzil nur übrig, ihre offizielle Zu-
stimmung zu diesem Glaubensbekenntnis zu leisten. Gleich nach ihrem Eintreffen in
Lyon am 24. Juni 1274 kündigten die griechischen Abgesandten an, sie seien „zum
völligen Gehorsam der römischen Kirche und zur Anerkennung des Glaubens, den die-
se Kirche hält, sowie ihres Primats gekommen"178. Gleichzeitig übergaben die Griechen
dem Papst das Schreiben des Kaisers, das ein fertiges Glaubensbekenntnis enthielt, und
den Brief des griechischen Klerus, in dem vorab die Zustimmung mit der Union ausge-
sprochen wurde179. Das kaiserliche Glaubensbekenntnis, das mit den Worten Credimus
Sanctam Trinitatem {Πιστεύομεν την άγίαν Τριάδα) beginnt, stimmte wortwörtlich mit
dem Text übercin, der bereits im Schreiben des Papstes Clemens IV. an Michael Pa-
laiologos vom 4. März 1267 formuliert wurde und dessen Akzeptanz der Papst bereits
damals als Vorbedingung für die Union ansah180. Fünf Tage nach dem Eintreffen der
byzantinischen Delegation, am Fest der hl. Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni 1274,
feierten die Lateiner und die Griechen als Zeichen ihrer Einigung eine gemeinsame
Eucharistie, ohne daß irgendwelche theologische Diskussionen vorausgegangen wären.
Das Nicaeno-Constantinopolitanum sang man sowohl lateinisch als auch griechisch;
dabei wurde der Artikel, der die Lehre vom Heiligen Geist enthält, von den Teilneh-
mern der byzantinischen Delegation und von den der griechischen Sprache mächtigen
Lateinern einschließlich des Filioque dreimal mit besonderer Feierlichkeit gesungen181.

178 FRANCHI, // Concilio 80-81: „...dixerunt in presentia domini pape quod veniebant ad
omnimodam obedientiam sanete Romane Ecclesie; et ad recognitionem fidei, quam ipsa
Ecclesia tenet; et primatus ipsius".
179 FRANCHI, // Concilio 80: „...representaverunt licteras imperatoris Grecorum, bullatas bulla
aurea; et alias licteras prelatorum". Den griechischen und lateinischen Text des Schreibens des
Palaiologen s. in: CICO Fontes V/l 116-123 (Nr. 41). Der Brief der griechischen Geistlichkeit
s.: ebd., 124-127 (Nr. 42).
180 Diesen Brief des Papstes Clemens IV. s. in: CICO Fontes V/l 61-69 (Nr. 23), das Glaubensbe-
kenntnis: S. 65-67.
181 FRANCHI, // Concilio 82-83: „Postea vero cantatum fuit symbolum, scilicet Credo in unum
Deum, in latino... <...> Post hos vero immediate predictos, patriarcha cum omnibus Grecis,
archiepiscopis de Calabria, et fratre W[ilhelmo] de Morbecca de ordine frafrum Predicatorum, et
fratre Iohanne de Constantinopoli de ordine fratrum Minorum, penitentiario domini pape, qui
linguam grecam noverunt, cantaverunt sollempniter et alta voce predictum symbolum; et quando
ventum est ad articulum illum: Qui α Patre Filioque procedit, sollempniter et devote ter
cantaverunt". Die Mendikanten, die mit den Griechen gesungen haben, waren Wilhelm von
Moerbecke OP und Johannes Parastron OFM.
290 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Auf der nächsten Konzilssitzung, die am Oktavtag des Peter-und-Pauls-Festes stattge-


funden hat, leistete der offizielle Vertreter des Kaisers, der Großlogothet Georgios
Akropolites, einen feierlichen Eid, in dem er im Namen des Kaisers „den Glauben der
römischen Kirche öffentlich bekannte und ihren Primat anerkannte"182. Der Verzicht
auf Diskussion erfolgte in Übereinstimmung mit den damaligen päpstlichen Vorstellun-
gen von einer Union mit den Griechen. Mehrmals betonten die Päpste in der Vorberei-
tungsphase des Konzils, daß eine Diskussion der Streitpunkte für sie inakzeptabel sei,
weil diese eine Infragestellung des Glaubens der römischen Kirche bedeuten würde.
Bereits Clemens IV. qualifizierte sein Glaubensbekenntnis von 1267 Credimus Sanctam
Trinitatem, das er dem byzantinischen Kaiser zur Annahme vorlegte, folgendermaßen:
„Diese oben aufgeschriebene reinste, sicherste und festeste Wahrheit des rechten Glaubens, die
mit der evangelischen Lehre übereinstimmt, die von den heiligen Vätern überliefert und durch
die Definition der Päpste auf ihren Konzilien bekräftigt worden ist, wollen wir, da es auch
nicht angemessen ist, nicht einer neuen Diskussion und Definition unterwerfen und sie da-
durch auf irgendwelche Weise gleichsam gegen das göttliche Gebot und unerlaubterweise in
Zweifel ziehen. Wenn also nun von der Einberufung eines Konzils die Rede ist und du in dei-
nen Briefen ersuchst, dieses Konzil in deinem Land einzuberufen, so haben wir dennoch kei-
neswegs im Sinn, ein Konzil einzuberufen, das solche Dinge diskutieren oder definieren soll -
nicht weil wir uns scheuten, irgendjemanden ins Gesicht zu bücken oder weil wir fürchteten,
daß die heilige römische Kirche von der Klugheit der Griechen besiegt würde, sondern weil es
völlig ungeziemend wäre, mehr noch, weil es nicht erlaubt ist und nichts nützt, die Reinheit
des angeführten Glaubens in Zweifel zu ziehen, die durch so viele Autoritäten der Hl. Schrift,
durch die Aussagen so vieler Heiliger, durch die feste Definition so vieler römischer Päpste
bestätigt ist und zu deren Verteidigung wir sogar, falls notwendig, bereit wären, das Martyrium
zu erleiden und auch unseren Leib dem Tod auszusetzen"183.

182 FRANCHI, // Concilio 88-90: „...unus ex predictis nuntiis, scilicet logotheta, dicens se viva voce
a predicto imperatore in mandatis habere, quod posset iurare in animam ipsius, si domino pape
placeret, professus est publice fidem Romane Ecclesie; et recognovit primatum ipsius;
imperatorem se fidem Romane Ecclesie, qui lecta fuerat in Concilio, tenere; et dictum
imperatorem et imperium et eum perpetuo servaturos; et nullo tempore recessuros ab eo, sicut in
forma iuramenti plenius continetur".
183 CICO Fontes V/l 67 (Nr. 23): „Porro praescriptam purissimam, certissimam et solidissimam
orthodoxae fidei veritatem, evangelicae doctrinae consonam, a Sanctis Patribus traditam et
Romanorum Pontificum in suis synodis defmitione firmatam, sicut nee decet sie nee volumus
novae discussioni ac defmitioni subiacere, ipsam quasi per hoc quomodolibet contra fas et
licitum in dubium revocando. Ideoque licet in praefata scriptura de convocatione concilii
ageretur, licet tu per tuas praefatas litteras concilium in terra tua convocari petieris, Nos tarnen
nullo modo proponimus concilium ad discussionem seu definitionem huiusmodi convocare, non
quod cuiusquam faciem vereamur vel eandem sanctam Romanam Ecclesiam Graecorum
superari prudentia timeamus, sed quia prorsus indecens foret, immo nee licet nee expedit in
dubium revocari praemissam verae fidei puritatem, tot sacrae paginae auetoritatibus, tot
Sanctorum roboratam sententiis, tot Romanorum Pontificum stabili definitione firmatam, pro
Die politische Dimension 291

Dieselben Prinzipien wiederholte fast wörtlich fünf Jahre später Gregor X. in seinem
Schreiben vom 24. Oktober 1272, mit dem er Kaiser Michael Palaiologos zum Konzil
einlud184. Weder ein theologischer Dialog noch eine inhaltliche Einigung fanden somit
auf dem Konzil von Lyon statt. Das Konzil vertiefte nur noch den Riß zwischen den
Kirchen, weil es nicht nur die Griechen zwang, vorbehaltlos und undifferenziert dem
römischen Standpunkt in allen Streitfragen inklusive dem Filioque zuzustimmen, son-
dern weil es auch all jene mit dem Anathem belegte, die „leugnen, daß der Heilige Geist
von Ewigkeit her aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht" . Nach Lyon II. hätte also
jeder Zweifel an der inhaltlichen Wahrheit und an der kanonischen Rechtmäßigkeit des
Filioque sofort die Exkommunikation nach sich gezogen. Zu Recht hat daher die neue-
re Forschung dem II. Lugdunense den früher geläufigen Titel eines „Unionskonzils"
entschieden abgesprochen186. Die einschlägigen lateinischen Quellen selbst gebrauchen
zwar gelegentlich den Ausdruck unio Ecclesiarum in Bezug auf die Zielsetzungen des
Konzils187, aber mit wesentlich größerem Nachdruck sprechen die Dokumente der rö-

cuius defensione, si necesse foret, parati essemus subire martyrium et morti etiam exponere
corpus nostrum".
184 CICO Fontes V/l 97 (Nr. 32): „Non ad praedietae discussionem vel novam definitionem fidei,
quam tamquam innumeris sacrae paginae auetoritatibus, numerosis Sanctorum Patrum sententiis
et Romanorum Pontificum stabili definitione firmatam, nee ipse voluit nee Nos intendimus,
sicut nee decet nee foret expediens, in dubium, novo ipsam exponendo examini, revocare".
185 Lyon EL, Konstitution 2 De summa Trinitate etfide catholica: „damnamus et reprobamus omnes
qui negare praesumpserint, aeternaliter Spiritum sanetum ex Patre et Filio procedere"
(COD/DÖK Π 314); die gleichlautende Formulierung auch in der früheren Redaktion der Kon-
stitution, s.: ROBERG, Die Union 247; eine zeitgenössische griechische Übersetzung s. in: Gnx,
The Church Union 22. Es werden zugleich all jene exkommuniziert, die behaupten, daß „der
Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn als aus zwei Prinzipien, und nicht als aus einem
Prinzip, hervorgeht" („quod Spiritus sanetus ex Patre et Filio tanquam ex duobus prineipiis et
non tanquam ex uno procedat", ebd.).
186 S. besonders die Arbeiten von Antonio FRANCHI, II Concilio, bes. 124-131. 141-143; und
DERS., // problema Orientale; sowie von Burkhard ROBERG, Das Orientalische Problem, und
DERS., Das Zweite Konzil von Lyon 59-87. 219-281.
187 So hat Papst Gregor X. nach der Darstellung der Ordinatio concilii Lugdunensis drei Themen
auf die Tagesordnung des Konzils gesetzt und zwar (1) „Hilfe dem Heiligen Land" {subsidium
terrae sanetae), (2) „Union der Griechen" (unio Grecorum), und (3) „Reform der Sitten"
(reformatio morum); s.: FRANCHI, // Concilio 72-73. Diese dreifache Gliederung läßt sich in fast
allen einschlägigen Quellen beobachten, z. B. auch bei HUMBERT VON ROMANS, Opusculum
tripartitum. Bemerkenswert ist dabei die besondere Betonung des subsidium terrae sanetae als
Hauptthema des Konzils; daher ist FRANCHI, ebd., 122-124, der Ansicht, daß Lyon Π. nicht als
„Unionskonzil", sondern als „Kreuzzugskonzil" angesehen werden muß, vgl. ROBERG, Das
Zweite Konzil von Lyon 59 Anm. 2. Die Stufung der Ziele des Konzils wird jedoch bis heute oft
in verkehrter Reihenfolge gesehen, mit einer Überbewertung der „Union" als des „Hauptziels"
des Konzils, so z. B. in: COD/DÖK Π 303.
292 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

mischen Kurie von einer reductio Graecorum (ad ecclesiasticam unitatem / ad


oboedientiam Romanae Ecclesiae u. ä.)188. Auch dort, wo von der kirchlichen unitas,
unio, reunio u. ä. die Rede ist, wird sie stets im Sinne einer solchen reductio ad
oboedientiam („Zurückfuhrung zum Gehorsam") verstanden189. Bezeichnenderweise
waren die Päpste darauf bedacht, diesen Ausdruck in den Texten, die unmittelbar an die
griechische Seite gerichtet waren, zu vermeiden, aber zum „internen Gebrauch" wurden
die Substantive reductio, reversio, und Ausdrücke wie ad oboedientiam venire, redire
u. ä. beinahe normativ. Ein solches Verständnis der Wiederherstellung des kirchlichen
Friedens lag völlig in der von Innozenz III. auf dem IV. Lateranum 1215 vorgezeich-
neten Linie -jener Linie, die das ganze 13. Jahrhundert hindurch die Beziehungen zwi-
schen Lateinern und Griechen prägte. Innozenz III. war der erste Papst, der den bedin-
gungslosen Gehorsam als erste Voraussetzung für die Teilnahme der Griechen an einem
gemeinsamen Kirchenkonzil ansah190. Bereits das IV. Lateranum qualifizierte die Un-
terwerfung der griechischen Kirche unter den lateinischen Patriarchen von Konstanti-
nopel als „Rückkehr der Griechen zum Gehorsam gegenüber dem Apostolischen
Stuhl"191. Gregor X. und die Päpste, die zur Vorbereitung des Konzils von Lyon beige-
tragen haben, mußten zwar von der veränderten kirchenpolitischen Situation, die Wie-
derherstellung der griechischen Herrschaft in Konstantinopel, ausgehen, handelten je-
doch in völliger Übereinstimmung mit den Grundsätzen Innozenz' III. und des IV.
Lateranums; in manchen Punkten gingen sie darüber sogar noch hinaus. Es wäre also
m. E. historisch korrekter, in Bezug auf Lyon 1274 nicht von einer „Union", sondern
von einer „Zurückfuhrung", „Reduktion", zu sprechen, denn was in Lyon stattfand, war

188 S. Bericht der päpstlichen Gesandten Hieronymus von Ascoli und Bonagratia (beide OFM) über
die Ergebnisse ihrer Vorgespräche in Konstantinopel über die „Angelegenheit der Griechen"
(negotium Graecorum) auf dem 2. Lugdunense: „...reducendo Graecos ad oboedientiam sanctae
Romanae ecclesiae..." (ROBERG, Die Union 228); den Brief des Gregors X. an Johannes Para-
stron vom 28. M i 1274: „...in negotio quod actum est hiis diebus de reductione Graecorum ad
ecclesiasticam unitatem" (CICO Fontes V/l 141, Nr. 54); HUMBERT VON ROMANS, Opusculum
tripartitum, lib 3, cap 17; ed. cit. 220: „negotium reductionis Graecorum ad unitatem cum
Latinis..."; vgl. den Brief Urbans IV. an Michael Palaiologos vom 18. Juli 1263: „...ad matrem
filia, pars ad totum et membrum reducatur ad caput" (CICO Fontes V/l 16, Nr. 6).
189 So auch in der Konstitution 1 des 2. Lugdunense Zelusfidei: „...reducerentur Graecorum populi
ad ecclesiae unitatem..." (COD/DÖK Π 309); Brief Gregors X. an Michael Palaiologos vom 24.
Oktober 1272: „...desiderantes ad oboedientiam eiusdem Ecclesiae Romanae redire..." (CICO
Fontes V/l 94, Nr. 32). Vgl. solch sprechende Ausdrücke wie „...Romana Ecclesia laboraverit
ad Graecorum indomita colla domanda..." (Clemens IV. an den Generalmagister der
Dominikaner vom 9. Juni 1267, CICO Fontes V/l 72, Nr. 26).
190 S. Brief Innozenz' ΙΠ. an Patriarchen Joannes X. Kamateros vom 12 November 1199 in: CICO
FoMies II193-194 (Nr. 9).
191 Lateranum IV., Konst. 4 De superbia Graecorum contra Latinos: „...Graecos in diebus nostris
ad oboedientiam sedis apostolicae revertentes..." (COD/DÖK II235).
Die politische Dimension 293

nichts anderes als eine reductio ad oboedientiam191. Die kuriale „Reduktionspolitik" in


Bezug auf die Griechen, die mit Innozenz III. begonnen hatte, gipfelte 1274 in Lyon,
konnte aber verständlicherweise keinen langzeitigen Erfolg verbuchen. Das läßt sehr
gut sich am Beispiel der Ritenproblematik, konkret der Azymenfrage, aufzeigen.
Das Glaubensbekenntnis Credimus Sanctam Trinitatem, dessen Annahme Michael
Palaiologos in seinem Schreiben an Papst Gregor X. anläßlich des Konzils bekundet
und die griechische Delegation in Lyon feierlich beschworen hatte, bestand aus zwei
Teilen193. Der erste Teil stimmt fast wörtlich mit jenem Glaubensbekenntnis überein,
das Papst Leo IX. in seinem Brief an Petras von Antiocheia um 1053 verfaßt hatte194.
Dieser Teil spricht in der ersten Person Plural {Credimus...) und gründet die dogmati-
schen Aussagen auf die Beschlüsse der vier ersten ökumenischen Konzilien, die alle
auch für die Griechen als unbestritten galten. Die einzige Ausnahme bildet der Artikel
über den Heiligen Geist: Hier wurde ohne jede Erörterung oder Begründung der Her-
vorgang des Heiligen Geistes aus dem Vater und dem Sohn postuliert. Im zweiten Teil
handelt es sich um jene Lehrpunkte, die von den Gegnern der römischen Kirche aus
welchem Grund auch immer („sei es aus Unwissenheit oder aus Bosheit"195) in Zweifel
gezogen werden. Hierunter fallen das Fegefeuer, die Sakramentenlehre und der römi-
sche Primat. Dieser Teil ist als Darlegung des Glaubens der römischen Kirche verfaßt
(...sancta Romana Ecclesia firmiter credit et praedicat...). Die Streitpunkte werden auch
hier nicht diskutiert und nicht argumentativ dargelegt. Sie werden einfach als verbindli-
cher katholischer Glaube statuiert. Hier findet man auch folgende Definition zur Azy-
menfrage:

192 Reductio trifft den Sachverhalt besser als etwa reversio, das in Bezug auf Lyon 1274 ebenfalls
ab und zu gebraucht wurde (s. z. B.: HUMBERT VON ROMANS, Opusculum tripartitum, üb 2, cap
17; op. cit 221). In 1274. Armee charniere 206, übersetzt Jean Darrouzes lat. reductio Grae-
corum mit fr. retour des Grecs, was m. E. nicht zutreffend ist. Reductio, ,,Zurückführung", ist
nicht mit reversio, „Wiederkehr", „Rückkehr", gleichbedeutend. Das letztere Wort bezeichnet
die Handlung des „Zurückkehrenden" selbst, während das erstere dem „Zurückkehrenden" nur
eine passive Rolle zuweist. Bei reductio handelt es sich also - ganz im Sinne dessen, was in den
zeitgenössischen lateinischen Quellen gemeint wurde - nicht so sehr um retour, sondern viel-
mehr um reconduite, action de ramener (vgl. BLAISE 704a). Vgl. zum Begriff reductio: ROBERG,
Das Orientalische Problem 45; DERS., Das Zweite Konzil von Lyon 60; ALBERIGO,
L 'oecumenisme au Moyen Age 336-337 Anm. 29.
193 Den lateinischen und den griechischen Text des Glaubensbekenntnisses im Schreiben des Mi-
chael Palaiologos vom Februar 1274 s. in: CICO Fontes V/l 117-121 (Nr. 41). Der Text stimmt
wortwörtlich mit dem Glaubensbekenntnis überein, das zuerst von Clemens IV. 1267 formuliert
wurde (ebd., 65-67, Nr. 23), und 1272 vom Gregor X. als Grundlage für die Kirchenunion her-
angezogen wurde (ebd., 97, Nr. 32).
194 S.: WILL 170a Z. 36 -171a Z. 6. Generell zur Herkunft des Textes Credimus Sanctam Trinitatem
s.: WOLTER/HOLSTEIN, Lyon I/Lyon II180-191.
195 CICO Fontes V/l 119 (Nr. 41): „...propterdiversos errores, a quibusdam ex ignorantia et ab aliis
ex malitia introductos...".
294 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

, J)as Sakrament der Eucharistie stellt dieselbe römische Kirche aus ungesäuertem [Brot] her.
Dabei hält sie fest und lehrt, daß in diesem Sakrament das Brot wahrhaft in den Leib und der
Wein in das Blut unseres Herrn Jesu Christi verwandelt wird (transsubstantiatur)"196.

Wie man sieht, war es den Verfassern des Textes vor allem wichtig, die Griechen dazu
zu bringen, die Gültigkeit der römischen Zelebration mit Ungesäuertem und die römi-
sche Transsubstantiationslehre verbindlich anzuerkennen. Die bloße Tatsache, daß die
römische Kirche die Eucharistie mit ungesäuertem Brot vollzieht, sei der sicherste Be-
weis dafür, daß diese Gewohnheit nicht in Frage gestellt werden dürfe. Das ist der im-
plizite Sinn dieser Passage, deren Autoren es nicht für nötig hielten, ihren Gedanken-
gang ausfuhrlicher darzulegen. Auf weitere Implikationen der Azymenproblematik läßt
sich der Text nicht ein.
Der Brief des Michael Palaiologos an Gregor X. anläßlich des Konzils enthält neben
dem Wortlaut dieses Glaubensbekenntnisses folgenden an den Papst gerichteten Zusatz,
der für unser Thema einschlägig ist:
„Indem wir aber bekennen, bestätigen, annehmen und versprechen, die oben dargelegten
Wahrheiten zu befolgen, erbitten wir doch von Eurer Erhabenheit, daß unsere Kirche das hei-
lige Glaubensbekenntnis so vortragen dürfe, wie sie es schon vor dem Schisma bis auf den
heutigen Tag gesprochen hat, und daß wir bei den Riten verbleiben dürfen, die wir schon vor
dem Schisma befolgt haben, da diese Riten weder im Widerspruch stehen zu dem hier nieder-
gelegten Glauben noch zu den göttlichen Geboten, noch zum Alten und Neuen Testament,
noch zur Lehre der heiligen ökumenischen Konzilien und der heiligen Väter, welche von den
unter der geistlichen Herrschaft der Kirche von Rom abgehaltenen heiligen Konzilien aner-
kannt worden sind. Das ist für Eure Heiligkeit nicht belastend und auch nicht ungewohnt, für
uns jedoch derzeit beschwerlich aufgrund der riesigen Masse unseres Volkes"197.

196 CICO Fontes V/l 120 (Nr. 41), vgl. 66-67 (Nr. 23): „Sacramentum Eucharistiae ex azymo
conficit eadem Romana Ecclesia, tenens et docens, quod in ipso Sacramento panis vere
transsubstantiatur in corpus et vinum in sanguinem Domini nostri Jesu Christi"; gr.: Τό
ίεροΰργημα της Ευχαριστίας έξ άζύμου εκτελεί ή τοιαύτη της 'Ρώμης 'Εκκλησία,
κρατούσα καί διδάσκουσα, δτι εν αύτη τη ιεροτελεστία ό άρτος αληθώς μετουσιοΰται ε'ις
σώμα καί ό οίνος εις αίμα τοΰ κυρίου Ίησοΰ Χρίστου.
197 CICO Fontes V/l 122 (Nr. 41): Όμολογοΰντες δέ ταϋτα καί στέργοντες καί αποδεχόμενοι
και ύπισχνούμενοι παραφυλάξαι, ώς προείρηται, άξιουμεν σου τήν μεγαλειότητα, ίνα ή
ημετέρα εκκλησία λέγη το άγιον σύμβολον ώς έλεγε τοϋτο προ τοΰ σχίσματος και μέχρι
της σήμερον· και ίνα έμμένωμεν και τοις ήμετέροις έθίμοις, οΐς έχρώμεθα καί προ τοΰ
σχίσματος, ατινα έθιμα οΰκ είσί κατά της προγεγραμμένης πίστεως, οΰτε κατά των θείων
εντολών, οΰτε κατά της Παλαιάς καί Νέας Διαθήκης, οΰτε κατά της διδαχής τών αγίων
καί οικουμενικών συνόδων και τών αγίων Πατέρων, τών άποδεχθέντων παρά τών αγίων
συνόδων τών συγκροτηθεισών τη πνευματική δεσποτεία της Εκκλησίας της 'Ρώμης-
τοΰτο γουν άβαρές έστι τή μεγάλη άγιωσύνη σου καί ούκ ασύνηθες καί ήμΐν νϋν
δύσκολον δια το τοΰ λαοΰ άπειρον πλήθος. Lat.: „Confitentes vero haec et approbantes et
aeeeptantes et promittentes observare, ut superius dictum est, rogamus Magnitudinem Vestram,
Die politische Dimension 295

Diese Bitte des byzantinischen Kaisers macht einen seltsamen Eindruck. Besonders
befremdlich wirkt die Bitte, beim Sprechen des Nicaeno-Constantinopolitanums auf das
Filioque verzichten zu dürfen, zumal die Akzeptanz der entsprechenden römischen
Lehre durch die Annahme des Glaubensbekenntnisses Credimus Sanctam Trinitatem
vorbehaltlos und bedingungslos geschah. Zu Recht haben Forscher in dieser Klausel die
Absicht des Kaisers gesehen, „die von ihm vollzogene Anerkennung des römischen
Glaubens möglichst zu verbergen" und „die theologische Kapitulation vor der Opposi-
tion in der eigenen Kirche nicht sichtbar werden zu lassen"198. Daß der Verzicht auf
jegliche Diskussion auf dem Konzil von Lyon auch im Interesse des byzantinischen
Kaisers lag, findet eine Bestätigung im Text des Chrysobulls des Palaiologos, der kurz
vor dem Konzil von Lyon, und zwar Ende 1273, als eine Art „Versprechen"199 des Kai-
sers im Zusammenhang mit der in Aussicht gestellten Union an den griechischen Epis-
kopat gerichtet wurde200. Hier verspricht Michael, daß die Voraussetzung und die Vor-
bedingung zum „Frieden der heiligen Kirchen" sein wird, daß „unsere heilige Kirche
ohne jede Veränderung in allen Dogmen und Gewohnheiten (δόγμασί τε καϊ εθεσί)
bleiben wird, die von Anfang an überliefert worden sind, so daß kein einziger Punkt
verworfen oder geändert wird, sondern daß [unsere Kirche] für alle Zeiten an dem fest-
hält, was sie bisher gepflegt und geehrt hat"201. Als einzige Punkte, die für die Union
notwendig seien, sind im Chrysobull „Primat, Appellation, und Kommemoration" ge-
nannt202, das heißt, die Anerkennung dessen, (1) daß „der heiligste Bischof von Rom als
ökumenischer Papst und Nachfolger auf dem apostolischen Stuhl der höchste und erste

ut nostra Ecclesia dicat sanetum symbolum prout dicebat hoc ante schisma et usque in
hodiemum diem et permaneamus in nostris ritibus, quibus utebamur et ante schisma, qui ritus
non sunt contra praescriptam fidem nee contra divina mandata nee contra Vetus et Novum
Testamentum nee contra doctrinam sanetorum generalium Conciliorum et Sanctorum Patrum
aeeeptorum per sacra Concilia, quae celebrata sunt spirituali dominatione Ecclesiae Romanae.
Hoc igitur non grave est Vestrae Sanctitati et nee inconsuetum et Nobis nunc difficile propter
populi immensam multitudinem". Dt. Übersetzung entnommen der Ausgabe:
WOLTER/HOLSTEIN, Lyon I/Lyon II302, jedoch mit einigen nicht unwesentlichen Korrekturen.
198 So ROBERG, Die Union 139, und ANDRESEN, Geschichte 138.
199 Das Dokument ist in der handschriftlichen Überlieferung als „Versprechen und Vereinbarung"
betitelt (ϋπόσχεσις και συμφωνία: GILL, The Church Union 12).
200 Ediert in: GILL, The Church Union 12-18; und in: LAURENT/DARROUZES, Dossier grec 315-
319; im folgenden zitiert nach GILL.
201 GILL, The Church Union 14: Έπ'ι τούτοις τοίνυν συνήλθομεν επί τούτοις και την ενωσιν
τελεσθηναι ήρετισάμεθα· ίνα δηλονότι ή μεν καθ' ήμδς αγία εκκλησία άμετακινήτως
έμμένη έν πασι τοις άνωθεν παραδεδομένοις αύτη δόγμασί τε και εθεσι, μηδέν τι
παριδοΰσα μηδέ μεταλλάξασα τούτων, άλλα κρατυνομένη εις αιώνα τά σύμπαντα ε φ '
οΐσπερ έχει μέχρι τοΰ παρόντος είωθυΐά τε και πρεσβεύουσα.
202 Diese drei Punkte (primatus, appellatio, commemoratio / πρωτεΐον, εκκλητον, μνημόσυνον)
sind spätestens seit Papst Alexander ΙΠ. (1159—1181) immer wieder als Voraussetzungen für die
kirchliche Einigung mit den Griechen genannt worden, s.: CICO Fontes I 805-806 (Nr. 391).
296 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Bischof ist"; (2) „daß er als höchster [Bischof] für die Entscheidung über jene Fälle
zuständig ist, wenn ein Verurteilter sich ungerecht verurteilt glaubt und seine Verurtei-
lung nicht akzeptieren will"; (3) „daß sein Name in den heiligen Diptychen kommemo-
riert werden muß"203. Der Chrysobull „empfiehlt" allen Bischöfen und „ermahnt" sie,
„den oben genannten Respekt und Vorrang dem heiligsten und seligsten Papst und der
apostolischen römischen Kirche geistig und kanonisch zu erweisen", und zugleich „an
allen übrigen unserer Dogmen und Gewohnheiten ohne Änderung festzuhalten, indem
man sie das ganze Leben hindurch bewahrt, - einige als Gottes Wort, einige als Erbe
der heiligen Väter"204. Die Annahme der drei genannten Punkte vorausgesetzt, hat „die
kaiserliche Majestät gutgeheißen, daß es unsere heilige Kirche nicht zuläßt, irgendwel-
che Änderung oder Wandel in den Dogmen, in den Kanones und in den kirchlichen
Bräuchen (είτε δογμάτων είτε κανόνων είτε εθίμων εκκλησιαστικών) - seien sie aufge-
schrieben oder nicht aufgeschrieben - anzunehmen, sondern all dies genauesten und
ohne jegliche Veränderung beobachtet werden muß, zugleich aber der Frieden der hei-
ligen Kirchen auf der Grundlage der genannten Punkte gewährleistet werde"205. Über
den konkreten Inhalt der Streitpunkte, die die „Dogmen, Kanones und Bräuche" betref-
fen, verliert der Chrysobull kein einziges Wort; auch das Filioque kommt nicht zur
Sprache, von der Azymenfrage ganz zu schweigen. Vergleicht man die „Versprechen"
des Kaisers mit dem Glaubensbekenntnis, das von Michael Palaiologos angenommen
und von der byzantinischen Delegation auf dem Konzil beschworen wurde, so wird
einem die Unredlichkeit der in Lyon abgeschlossenen Vereinbarungen klar. Der Kaiser
versuchte, die Streitpunkte, die bisher, nämlich bis einschließlich der Verhandlungen in

203 GEX, The Church Union 13-14: Ή βασιλεία μου διπλήν υπέρ τούτου άναλαβοΰσα την
προθυμίαν τον παρόντα χρυσοβούλλιον αύτης λόγον ποιείται και δι' αΰτοΰ ταϋτα
διατρανοΰσα βέβαιοι καί έπασφαλίξεται ώς της ειρήνης τών εκκλησιών της τε ρωμαϊκής
και της ημετέρας επί τρισί τούτοις προβέβηκε- τφ τε τον άγιώτατον πρόεδρον 'Ρώμης ώς
οίκουμενικόν πάπαν καί τοΰ αποστολικού θρόνου διάδοχον άκρον εχειν καί πρώτον
αρχιερέα· τφ τε προς αυτόν ώς υπερέχοντα τήν έκκλησιαστικήν ένάγεσθαι κρίσιν ην
άποφανθεΐσαν ένταΰθα στέργειν ό καταδεδικασμένος ού βούλεται, άδικεΐσθαι οίόμενος-
καί επί τρίτφ, τφ τοΰ ονόματος αύτοΰ έν τοις ίεροΐς διπτύχοις ποιεΐσθαι άναφοράν.
204 Ebd., 16: "Ομως δ' οΰν δι' ασφαλείας περιουσίαν έκτίθησιν ηδη καί τόν παρόντα
χρυσοβούλλιον λόγον αύτης καί παρεγγυαται δια τούτου καί βασιλικως παρακελεύεται
απασι μετά το άποδοΰναι την είρημένην τιμήν καί τα προμνημονευθέντα ταΰτα πρεσβεία
πνευματικώς τε καί έγκανικώς τφ άγιωτάτω καί μακαριωτάτω πάπα καί τη αποστολική
ρωμαϊκή εκκλησία άμεταθέτως έν τοις άλλοις απασιν εχειν τοις ήμετέροις δόγμασί τε καί
εθεσι· τα μεν ώς Θεοϋ φωνάς, τά δε ώς πατρφον κλήρον, διά βίου τηροΰντας
άπαραποίητα.
205 Ebd., 16: "Οθεν ούδενί τινι λόγω τά της ειρήνης ή βασιλεία μου ήρετίσατο, ΐν' ή καθ'
ήμας αγία εκκλησία των οικείων μεταβολήν τίνα ή μετάπτωσιν καταδέξηταί ποτέ
στέρξαι είτε δογμάτων είτε κανόνων είτε εθίμων εκκλησιαστικών, εγγράφων τε καί
άγραφων, αλλά των τοιούτων απάντων ακριβώς κατά το άπαράλλακτον φυλαττομενων
επί τοις είρημενοις κεφαλαίοις διαμενειν τήν είρήνην των αγίων εκκλησιών έπευδόκησε.
Die politische Dimension 297

Nikaia/Nymphaion 1234, im Vordergrund aller Verständigungsbemühungen standen,


einfach zu übergehen und bei dem heimischen Klerus den Eindruck zu erwecken, die
byzantinische Kirche gebe keinen einzigen Punkt - abgesehen von der Anerkennung
des Primats, des Appellationsrechts an den Papst und seiner Kommemoration in den
Diptychen - preis. Der Papst ging dagegen davon aus, daß mit der Annahme des von
ihm auferlegten Glaubensbekenntnisses alle Streitpunkte von nun an als endgültig im
Sinne der römischen Kirche entschieden gelten, dabei braucht insbesondere die Proble-
matik der rituellen Eigenart der Griechen gar nicht diskutiert zu werden. Humbert von
Romans machte in seinem Opusculum tripartitum, dem theologischen Werk, das als
Programmschrift zum Konzil von Lyon verfaßt wurde, folgende Empfehlung bezüglich
der rituellen Eigenart der Byzantiner:
„Vorausgesetzt, man kann die Griechen zur Einheit mit den Lateinern in den notwendigen
Glaubensfragen bringen, brauchte man sich über ihre Riten nicht zu kümmern, da sie in ihren
Riten geduldet werden sollten. Von einigen Dingen, die im Kompetenzbereich der Kirche lie-
gen, soll man sie dispensieren unter der Vorbedingung, daß auch sie die Riten der Lateiner
nicht angreifen"206.

„Über die Riten brauche man sich nicht zu kümmern": Die Zeilen stellen die einzige
Programmaussage zur Ritenproblematik in dieser ausführlichen und sonst vielseitigen
Schrift dar. Der Art und Weise der Konzilsarbeit entsprach also seine theologische Vor-
bereitung. Kennzeichnend ist dabei, daß in keinem der Konzilsdokumente und in kei-
nem der päpstlichen Schreiben aus der Zeit unmittelbar nach dem Konzil in irgendeiner
Form eine Zustimmung Roms zur Bitte des Kaisers um Erhalt der eigenen Riten ausge-
sprochen wurde, geschweige denn die Anerkennung der eigenen Würde und des Wertes
der ostkirchlichen liturgischen und sakramentalen Überlieferung. Die Billigung der
griechischen Riten erfolgte offensichtlich in Form einer „stillschweigenden Überein-
kunft"207, die jedoch vom Papst eben aufgrund ihrer Unausgesprochenheit als jederzeit
revidierbar und veränderbar angesehen wurde. Und in der Tat: 1276 antwortete Inno-
zenz V. auf die anläßlich des Konzils in Lyon 1274 ausgesprochene Bitte Michaels mit
seiner Sicht der Dinge:
„Über das, was der Kaiser der Griechen erbat, nämlich daß die römische Kirche den Griechen
gestatte, ihre Riten zu behalten, soll man folgendes antworten. Die Kirche will sie [die Grie-
chen], soweit sie es mit Gottes Hilfe vermag, wohlwollend begleiten und ihnen in jenen Riten

206 HUMBERT VON ROMANS, Opusculum tripartitum, lib 2, cap 19 (ed. cit. 223): „...dummodo Graeci
possent induci ad concordiam cum Latinis in his quae sunt de fidei necessitate, de ritibus eorum
non esset multum curandum, quin sustinerentur in Ulis, et in quibusdam quae sunt in potestate
Ecclesiae dispensaretur cum eis, dummodo et ipsi ritus Latinorum non reprobarent".
207 So ROBERG, Die Union 146 Anm. 61.
298 c Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

entgegenkommen, die aus Sicht des Apostolischen Stuhls die Integrität des katholischen Glau-
bens nicht verletzen und die den Beschlüssen der heiligen Kanones nicht zuwiderlaufen"208.
Gleichzeitig mit dieser nach dem Vorbild der Konstitution 4 des IV. Lateranums ver-
faßten Stellungnahme forderte Innozenz V. dringend auf, das Nicaeno-
Constantinopolitanum doch mit dem Zusatz des Filioque in der Liturgie vorzutragen,
weil „die Anerkennung des rechten Glaubens nicht verheimlicht werden dürfe"209. Die
„stillschweigende Übereinkunft" von Lyon 1274 war also von nun an ausgesetzt. Ähn-
liche Forderung findet man 1278 bei Nikolaus III210.
Auf griechischer Seite findet man neben der oben angeführten Stellungnahme des
Kaisers, der die Azymenfrage offensichtlich als Verhandlungsmasse erachtete, um zu
einem Kompromiß zu kommen, auch die einschlägige Stellungnahme des Patriarchen
von Konstantinopel Joannes XI. Bekkos (1275-1282), nämlich die sogenannte
Professio fidei, die im April 1277 an Papst Johannes XXI. gerichtet wurde. Hier über-
nimmt der Patriarch einerseits jene Formulierungen zur Azymenzelebration der römi-
schen Kirche, die noch im Glaubensbekenntnis Credimus Sanctam Trinitatem der

208 CICO Fontes V/2 15 (Nr. 8, Brief Innozenz' V. an die Minoriten vom 23. Mai 1276): „Item,
super eo quod idem imperator Graecorum petiit, videlicet ut Romana Ecclesia Graecis ritus
conservet eorum, respondendum est sie: quod ipsa Ecclesia intendit cos quantum cum Deo
poterit favorabiliter prosequi et fovere in Ulis ritibus eorum, de quibus Sedi Apostolicae
videbitur quod per eos et catholicae fidei non laedatur integritas et sacrorum statutis canonum
minime derogetur".
209 Ebd., 15-16: „Volumus praeterea ut in eorumdem Praelatorum et clericorum promissione
veniat, quod nee contra suam professionem aliquid publice praedicare aut oeculte suadere
praesumant; quinimmo illi qui ofiicium praedicationis exercent, publice praedicent et exponant
fideliter suis populis eandem fidei veritatem et cantent etiam symbolum cum adiectione illa,
videlicet: Filioque. Causa ergo quare sie cantari volumus symbolum haec est: quia de hoc
specialiter actum est et recognitio verae fidei oecultari non debet, sed revelari potius et publice
praedicari".
210 CICO Fontes V/2 72 (Nr. 35, Instruktion des Nikolaus III. an die apostolischen Gesandten nach
Byzanz vom 9. Oktober 1278): „Item, super eo, quod dictus imperator in praefatis suis litteris
petiit, ut Ecclesia Graecorum dicat sanetum symbolum sicut dicebat hoc ante schisma et ipsi
Graeci maneant in ritibus suis, respondendum est, quod unitas fidei non patitur diversitatem in
professoribus suis, sive in professione sive in decantatione vel alia ipsius fidei publicatione et
maxime in decantatione symboli, quod quanto magis in ecclesia frequentatur, tanto apparere
debet amplius uniforme. Et ideo deliberavit eadem Romana Ecclesia et vult ipsum cum
adiectione illa Filioque tarn a Latinis quam a Graecis uniformiter decantari et quia de adiectione
illa specialiter actum est et recognitio verae fidei oecultari non debet, sed revelari potius et
publice praedicari. De ceteris autem Graecorum ritibus sie respondendum est, sei. quod eadem
Ecclesia Romana intendit Graecos, quantum cum Deo poterit, favorabiliter prosequi et ipsos
fovere in Ulis eorum ritibus, de quibus Sedi Apostolicae visum fuerit quod per eos catholicae
fidei non laedatur integritas nee sacrorum statutis canonum derogetur".
Die politische Dimension 299

griechischen Seite vorgeschrieben wurden, fügt aber andererseits noch einige Worte zur
Zelebration mit gesäuertem Brot hinzu:
„Wir sagen, daß die Feier der Eucharistie bei der heiligen Kirche von Rom mit ungesäuertem
Brot gemäß dem alten Brauch vollzogen wird, der durch diese Kirche bis heute beobachtet
wird. Ähnlich sagen wir, daß auch [die Eucharistie], die bei uns vollzogen wird, heilig ist. Wir
glauben auch, daß das ungesäuerte Brot in der Feier der Eucharistie wahrhaft in den Leib unse-
res Herrn Jesu Christi verwandelt wird und der Wein in sein Blut durch die Kraft und die Wir-
kung des Allheiligen Geistes. Bei uns aber geschieht [das Gleiche] mit gesäuertem Brot und
wir wissen, daß auch dieses Brot heilig wird, gemäß unserer alten Überlieferung, und glauben,
daß dieses Brot ebenfalls in den Leib verwandelt wird, und der Wein in das Blut unseres Herrn
Jesu Christi, wie es eben gesagt wurde, durch die Kraft und Wirkung des Allheiligen Gei-
stes"211.

Erst dieser Text läßt den Versuch erkennen, sich mit der eigentlichen Problematik des
eucharistischen Brotes auseinanderzusetzen. Die Worte des Patriarchen stellen explizit
die Gleichrangigkeit der beiden sakramentalen Gewohnheiten fest. Dieser Text konnte
auch gegen jene extremen lateinischen Gegner des griechischen Brauchs gerichtet sein,
die die Zulässigkeit der Zelebration mit gesäuertem Brot bestritten. Parallelen zur Posi-
tion von Bekkos findet man auch bei einigen anderen byzantinischen Autoren, die den
Azymen sehr tolerant gegenüberstanden, wie Theorianos im letzten Viertel des 12. und
Demetrios Chomatenos im 13. Jahrhundert. Joannes Bekkos gehörte jener Partei in
Byzanz an, die das Konzil von Lyon akzeptierte; er war einer der wichtigsten Förderer
der Union mit der römischen Kirche. Die Ablehnung des Konzils jedoch ging bei den
Byzantinern normalerweise Hand in Hand mit einer scharfen Ablehnung der Azymen,
die sich der üblichen antiazymitischen Argumentation bediente und der Kontroverse
keine neuen Gedanken hinzuführte, wie sich am Beispiel mehrerer griechischer gegen
die Union gerichteter Dokumente sehen läßt. Darunter könnte man auf den dem Patriar-
chen Athanasios von AJexandreia zugeschriebenen Brief von 1276212 sowie auf zwei
Briefe der Athos-Mönche von 1275213 verweisen.

211 THEINER/MIKLOSICH, Monumenta 27-28: δεχόμεθα... την εΰχαριστίαν, καί φαμεν, δτι το
της ευχαριστίας ιερούργημα παρά τχ) αγία εκκλησία της 'Ρώμης εξ άζύμου έκτελούμενον
άρτου κατά τό άρχαΐον εθος και παρ' αύτης ανέκαθεν πρέσβευαμενον επίσης τώ παρ'
ήμΐν τελουμενω αγιον λέγομεν είναι άδιστάκτως, πιστεύοντες αληθώς μετουσιοΰσθαι εις
σώμα τοΰ κυρίου ημών Ίησοϋ Χρίστου και τόν οΐνον ε'ις αίμα αύτοΰ δια της τοΰ
παναγίου πνεύματος δυνάμεως τε καί ενεργείας παρ' ήμΐν δέ πάλιν εξ ένζυμου
έκτελούμενον άρτου, άγιον και τοΰτο γινώσκομεν, δ καί τηροΰντες ώς άρχηθεν ήμΐν
παραδεδομένον, πιστεύομεν ομοίως τον αυτόν άρτον αληθώς μετουσιοΰσθαι εις σώμα
καί τόν οΐνον ε'ις αίμα τοΰ κυρίου ημών Ίησοΰ Χρίστου δια της, ώς εϊρηται, τοΰ
παναγίου πνεύματος δυνάμεως καί ενεργείας. Zeitgenössische lat. Übersetzung s.: CICO
Fontes V/2 41 (Nr. 18).
212 Text in: LAURENT/DARROUZES, Dossier grec 339-345; einschlägige Stelle: 341.
213 Text ebd., 377-423; einschlägige Stellen: 383-387; 413^15.
300 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Nach ihrem Abschluß ist die „Union", oder besser gesagt die „Reduktion", von Lyon
1274 auf den hartnäckigen Widerstand der Mehrheit der griechischen Geistlichen,
Mönche und sogar einiger Mitglieder der kaiserlichen Familie gestoßen214. Auch mili-
tärpolitisch hat dieser Akt keinen entscheidenden Vorteil für den Kaiser gebracht, da
das antipalaiologische Bündnis im Jahr 1281 erneuert wurde215. Den Todesstoß ver-
setzte der Scheinunion schließlich einer der Nachfolger Gregors X. auf dem apostoli-
schen Stuhl: Der proangevinisch gestimmte Papst Martin IV. exkommunizierte Michael
Palaiologos am 18. November 1281 mit der Begründung, daß der byzantinische Kaiser
nicht energisch genug gegen die Unionsgegner vorging und er als „ein Förderer des
alten Schisma" zu gelten habe216. Vom einheimischen Widerstand wie von der päpstli-
chen Exkommunikation gleichermaßen in die Enge getrieben, versuchte der betagte
Kaiser im letzten Jahr seines Lebens vergeblich, die Lage zu verbessern. Eine letzte
Hoffnung schimmerte in der sog. „sizilianischen Vesper", dem antiangevinischen Auf-
stand in Sizilien am 30. März 1283, auf, die dazu führte, daß Karl von Anjou nicht mehr
in der Lage war, gegen den Palaiologen militärisch vorzugehen. Am 11. Dezember
1282 jedoch starb Michael VIII. in Thrakien. Sofort nach seinem Tod wurde der „Re-
duktion" ein Ende gesetzt; dem Kaiser wurde sogar das kirchliche Begräbnis verwei-
gert217. Patriarch Joannes Bekkos, der die Union gefördert hatte, sowie seine Mitarbeiter
und Anhänger wurden in die Verbannimg geschickt218. Man wollte sogar in der Hagia
Sophia nicht mehr zelebrieren, ehe nicht der Altar abgewaschen wurde, den man durch
die Anhänger der Union als verunreinigt ansah219. Aus römischer Perspektive betrach-
tet, folgte also dem militärischen Verlust von Konstantinopel 1261 zwanzig Jahre später
das völlige Scheitern der „Reduktionspolitik" des Konzils von Lyon. Schließlich kam
im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts auch das Ende für die Kreuzfahrerstaaten:
1291 war Akkon, der letzte Stützpunkt lateinischer Macht im Nahen Osten, an die Ma-
melucken gefallen. Noch etwa zehn Jahre konnten sich ein lateinischer Herrscher in
Dschubail und die Templer auf einigen kleinen Inseln vor der Ostküste des Mittelmee-
res halten, aber auch diese Territorien waren seit etwa 1302 alle von Muslimen er-
obert220. Damit endete um die Jahrhundertwende ein großer Abschnitt der Geschichte
der Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel.

214 Über die Schwierigkeiten berichtet ausführlich der Protonotar Michaels VUL in dem Brief an
die römische Kurie aus dem Jahr 1277, Text s.: CICO Fontes V/2 50-55 (Nr. 23).
215 OSTROGORSKY, Geschichte 383-384.
216 Text der Exkommunikation s. in: CICO Fontes V/2 101-102 (Nr. 53).
217 ROBERG, Die Union 220.
218 GILL, John Beccus 264-266.
219 Gnx, Byzantium and the Papacy 181.
220 Die genaue Datierung der Eroberung von Dschubail ist unsicher (RILEY-SMITH, Illustrierte
Geschichte 453; MAYER, Geschichte der Kreuzzüge 251); das Jahr 1302 stellt jedoch wohl das
spätest mögliche Datum dar.
Die politische Dimension 301

Im 14. Jahrhundert machten sich allmählich neue Entwicklungen und Tendenzen


bemerkbar, die bereits die Ausformung moderner Nationalstaaten in Europa ankündig-
ten und damit auch dem Papsttum eine neue Rolle zuwiesen. Im geistigen Bereich reg-
ten sich langsam humanistische Tendenzen, die auch das theologische Erbe der Hoch-
scholastik in eine veränderte Perspektive rückten. In kirchenpolitischer Hinsicht
gipfelten diese Entwicklungen im Konzil von Ferrara/Florenz und in der dort vollzoge-
nen Kirchenunion. Diesen Spuren nachzugehen wäre Gegenstand einer eigenen Unter-
suchung, die den Rahmen der vorliegenden Studie sprengen würde. Auf die Behandlung
der Streitfragen des Ritus auf dem Florentinum, die für die Geschichte der Beziehungen
zwischen der West- und der Ostkirche von entscheidender Bedeutung war, werden wir
jedoch im Nachwort zu sprechen kommen.
Ε. Die Reflexion der Lateiner

Einleitung: Problemfelder und Fragestellungen der theologischen


Auseinandersetzung mit der ostkirchlichen Eigenart

Aus der vorhergegangenen Darstellung der Argumente und Gegenargumente zu den


drei - tatsächlichen oder vermeintlichen - Streitfragen zwischen Lateinern und Grie-
chen im rituellen Bereich sowie aus der Geschichte der kirchenpolitischen Bemühun-
gen, den Kulturkonflikt zwischen Ost und West zu lösen, entsteht der Eindruck, als
hätten sich beide Seiten in kleinlichen Formalitäten des Ritus verstrickt. Die Polemik,
die sich immer wieder desselben Repertoires von Argumenten bediente, führte letzt-
endlich in eine Sackgasse, weil sie keinen eigentlichen Dialog zwischen den beiden
Parteien hervorgerufen hat. So ein Dialog ereignete sich jeweils nur in der frühesten
Phase des Streites. In Bezug etwa auf die Azymenfrage schlug er sich um 1053/54 in
den Schriften des Leon von Achrida, der päpstlichen Legaten und des Niketas Stethatos
nieder. Ein ähnlicher Streitdialog hat offensichtlich in den Jahren 1231/32 im Zusam-
menhang mit dem päpstlichen Verbot der griechischen Taufformel und besonders mit
der Gesandtschaft der süditalienischen Griechen unter der Leitung von Nikolaos-
Nektarios von Casole stattgefunden, die heutige Quellenlage jedoch ist zu schmal, um
diesen Dialog zutreffend rekonstruieren zu können. Ein unmittelbarer Austausch von
Argumenten kam zwar auch nach dem Ausbruch des jeweiligen Streites gelegentlich
zustande, vor allem durch persönliche Begegnungen zwischen den Repräsentanten bei-
der Parteien (so in Nymphaion 1234), aber auch durch einen (äußerst seltenen) schriftli-
chen Austausch (so Laycus von Amalfi und Symeon von Jerusalem). Diese späteren
Begegnungen waren jedoch fast ausschließlich auf die frühere Argumentation angewie-
sen und führten der Auseinandersetzung kaum neue Gedanken zu. Zum großen Teil
waren dafür die geringen Kenntnisse der Lateiner über die aktuelle einschlägige Lite-
ratur der Byzantiner verantwortlich. Nur vereinzelte Autoren, wie Leo Tuscus im
12. Jahrhundert und der Autor von Contra errores Graecorum von 1252, konnten Grie-
chisch und waren zu einem gewissen Teil über den aktuellen Stand der byzantinischen
Kritik an den lateinischen Bräuchen informiert. Aber auch von griechischer Seite wur-
den nach 1053/54 für die Azymenfrage und nach 1231/32 für den Taufformelstreit kei-
ne entscheidend neuen Argumente mehr ins Feld geführt. Insbesondere was die Azy-
304 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

men angeht, machten die Byzantiner immer wieder von den vier bereits in der Ent-
stehungsphase des Streites entwickelten Argumentationslinien Gebrauch und bekräf-
tigten sie nur gelegentlich mit neuen Begründungen. Dadurch waren umgekehrt auch
die Lateiner nicht herausgefordert, neue Argumentationen zu suchen und begnügten
sich hauptsächlich mit jenen Antworten, die schon in den Schriften des Papstes
Leos IX. und seiner Legaten formuliert waren. Dieser Sachverhalt zeigt sich am deut-
lichsten an den späteren Streitgesprächen wie Nymphaion 1234. Es hat sich ein festes
Repertoire von Formulierungen und Thesen herauskristallisiert, die meist den Schriften
Leos EX. und der Legaten, des Anselm von Canterbury und des Rupert von Deutz
(letzterer für das 13. Jahrhundert durch Innozenz III.) entnommen waren. Im 13. Jahr-
hundert gesellten sich die Schriften der Mendikanten dazu, die aber nur wenige neue
Motive hinzufügten, wie zum Beispiel die Heranziehung von (echten oder dubiosen)
Väter-Stellen. Es scheint also auf den ersten Blick, als ob die Azymenliteratur des 12.
und 13. Jahrhunderts im Grunde genommen eine nur leicht modifizierte Wiederholung
des Azymenstreites von 1053/54 darstelle1. In Bezug auf die Wasserbeimischung und
die Taufformel wurden ebenfalls immer wieder die gleichen Formulierungen wieder-
holt.
Ein solches Bild trifft jedoch nur auf der Ebene des bloßen „Schlagabtausches", der
unmittelbaren Konfrontation zu. Die Argumente und Gegenargumente, die Konflikte
und Polemiken, von denen oben in den vorangehenden Kapiteln gesprochen wurde,
bildeten jedoch nur einen Aspekt der einschlägigen theologischen Produktion. Eine
neue Dimension gewinnt der Stoff jedoch dann, wenn er die Ebene der theologischen
Reflexion erreicht. Die westlichen Autoren begnügten sich nicht mit einem bloßen Be-
antworten der byzantinischen Argumente, sondern sie haben darüber auch reflektiert,
und zwar grundsätzlich über das Problem des „Anders-Seins" der Griechen. Mit der
Zeit erlangte bei den Lateinern die theologische Reflexion immer mehr den Vorzug vor
der polemischen Reaktion. Diese Reflexion wurde nicht so sehr durch die Argumente
der Griechen, sondern eher durch die bloße Tatsache der griechischen (wiederum: tat-
sächlichen oder vermeintlichen) Abweichung von der römischen Praxis sowie durch
den griechischen Angriff auf römische Bräuche, vor allem auf die Azymen, hervorgeru-
fen. Auch das Scheitern kirchenpolitischer Verständigungsbemühungen wirkte als An-
stoß zur theologischen Reflexion. Man gelangte im Westen über den konkreten Konflikt
hinaus zu eigenen Fragestellungen und interessierte sich für eigene Problemfelder.
Um die theologische Reflexion der Lateiner über die rituelle Eigenart der Byzantiner
systematisch erschließen zu können, unterscheiden wir vier Problemfelder·. (1) das ek-

So konnte ζ. Β. Anton MICHEL, Amalfi und Jerusalem 7, behaupten, daß „die ganze lateinische
Polemik in der Azymenfrage an Humbert" hänge. Wie sehr diese Beobachtung in Hinsicht auf den
„Schlagabtausch" auch zutreffen mag, so wurden, wie wir unten sehen werden, hinsichtlich der Re-
flexion im 12. und 13. Jh. durchaus eigenständige Gedankengänge erarbeitet, die oftmals kaum
mehr etwas mit den Ausführungen Humberts zu tun hatten.
Die Reflexion der Lateiner 305

klesiologische; (2) das sakramententheologische; (3) das kirchengeschichtliche; (4) das


kirchenrechtlich-praktische. Bei der Anwendung dieser nach neuzeitlichen Disziplinen
getroffenen Einteilung auf das mittelalterliche Material gilt es, sich stets vor Augen zu
halten, daß es sich dabei lediglich um ein Interpretationsschema handelt, das den Zu-
gang zur Problematik erleichtern soll. Die mittelalterlichen Autoren achteten auf diese
Grenzziehung nicht, und ihre Stellungnahmen berührten nicht selten mehrere der ge-
nannten Bereiche. Es war beispielsweise durchaus üblich, daß man eine sakramenten-
theologische Fragestellung mit ekklesiologischen Argumenten zu beantworten suchte,
und auch umgekehrt wurden - wenn auch seltener - ekklesiologische Probleme aus
einem sakramententheologischen Blickwinkel angegangen. Nicht jeder Autor disku-
tierte alle vier Problemfelder; bisweilen erregte das eine, bisweilen das andere Feld das
Hauptinteresse eines Verfassers. Insgesamt aber waren in der theologischen Reflexion
der Lateiner über die rituelle Eigenart der Griechen alle vier Bereiche präsent.
Das ekklesiologische Problemfeld. Zum einen ging es um die Bewertung der Hand-
lungsweise der Griechen ebenso wie um die daraus entstehenden ekklesiologischen
Folgen für die ecclesia Graecorum. Unter „Handlungsweise der Griechen" ist hier nicht
so sehr das griechische Abweichen von der lateinischen sakramentalen Praxis gemeint,
sondern vielmehr der griechische Angriff auf die lateinischen Sakramente. Hier spielte
selbstverständlich der Azymenstreit die zentrale Rolle. Gerade dieser Angriff wurde
von den Lateinern als besonders skandalös und problematisch empfunden. Jedoch auch
andere, nichtrituelle Faktoren gewannen im Laufe der Zeit an Bedeutung: So konnten
selbstverständlich die griechische Ablehnung des Filioque und die grundlegend andere
Sicht des päpstlichen Primats nicht ohne Folgen zunächst für die ekklesiologische Be-
wertung der byzantinischen Kirche und - in einem weiteren Schritt - auch für die Hal-
tung der lateinischen Theologie gegenüber der griechischen rituellen Eigenart bleiben.
Uns interessieren jedoch hier ausschließlich die Streitfragen bezüglich des Ritus, und
hierin vor allem die Azymenfrage. In diesem Zusammenhang wurden von lateinischen
Theologen folgende Fragen gestellt:
— Wie ist sowohl der griechische Angriff auf die Azymen und andere römische Bräu-
che als auch die griechische Nichtanerkennung der römischen sakramentalen Praxis
ekklesiologisch zu beurteilen?
— Bleiben die Griechen, die die lateinische sakramentale Praxis angreifen, Glieder der
Kirche Jesu Christi oder werden sie dadurch zu Schismatikern oder sogar zu Häre-
tikern?
Das sakramententheologische Problemfeld. Zum zweiten wurden die Sakramente selbst
(die Eucharistie jeweils mit gesäuertem bzw. ungesäuertem Brot / mit bzw. ohne Was-
serbeimischung, die Taufe mit lateinischer bzw. griechischer Taufformel) vom sakra-
mententheologischen Standpunkt aus bewertet. Hier standen die folgenden Fragen zur
Diskussion:
— Ist das Sakrament, das auf griechische Weise (mit gesäuertem Brot / „ohne" Was-
serbeimischung / mit griechischer Taufformel) gespendet wird, gültig? Ist das, was
306 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

die Griechen konsekrieren, wahrer Leib Christi und wahres Blut Christi? Gelten
diejenigen für getauft, denen die Taufe mit der griechischen Taufformel gespendet
wurde?
— Besitzt der jeweilige griechische Brauch den gleichen Wert und die gleiche Würde
wie der lateinische? Ist er „wertvoller", wie dies die Griechen behaupten? Ist er,
verglichen mit der römischen Praxis, minderwertig? Worin besteht, sakramenten-
theologisch gesehen, die „Überlegenheit" des einen Brauchs und die „Minderwer-
tigkeit" des anderen?
Das kirchengeschichtliche Problemfeld. Zum dritten wurde nach dem Ursprung und den
Ursachen der bestehenden Unterschiede zwischen den beiden Kirchen hinsichtlich der
sakramentalen Gewohnheiten gefragt:
— Wie verhalten sich die beiden sakramentalen Gewohnheiten jeweils zu der Einset-
zung durch Christus und zur Eucharistie bzw. Taufe in der ecclesiaprimitivef!
Aufweiche Weise haben sich die sakramentalen Gewohnheiten der jeweiligen
Kirchen auseinanderentwickelt? Wie ist die (vom römischen Standpunkt aus be-
trachtete) abweichende griechische Praxis entstanden?
— Wodurch wurden die Griechen motiviert, die römische sakramentale Praxis anzu-
greifen? Was ist die Ursache dieses Angriffs?
Das kirchenrechtlich-praktische Problemfeld. Viertens stand die für die Lösung des
Problems anzuwendende praktische Handlungsweise zur Diskussion.
— Wie ist die griechische Zelebrationsweise moralisch zu beurteilen? Sündigt der
griechische Priester, wenn er mit gesäuertem Brot / „ohne" Wasserbeimischung /
mit eigener Taufformel zelebriert?
— Müssen die Griechen ihre Praxis der römischen Gewohnheit angleichen oder dürfen
sie ihre Gewohnheit weiter behalten? Inwieweit ist eine Koexistenz unterschiedli-
cher sakramentaler Gewohnheiten in der einen Kirche grundsätzlich möglich?
Falls die Griechen ihre jeweilige Gewohnheit beibehalten dürfen: Gilt dies vorläu-
fig oder auf Dauer? Falls ein griechischer Zelebrant trotz der grundsätzlichen Zu-
stimmung Roms seine Gewohnheit aus eigenem Antrieb aufgeben würde, wie wäre
solch eine Handlungsweise zu beurteilen?
Alle genannten Fragen könnten auch aus östlicher Perspektive gegen die sakramentalen
Gewohnheiten und die Handlungsweise der Lateiner erhoben werden. In der Tat findet
man auch bei byzantinischen Autoren Antworten auf einige der oben formulierten Fra-
gen, wovon bereits die Rede war2. Jedoch ist der Unterschied zwischen dem byzantini-
schen und dem lateinischen Material, zumindest für die Zeit vom 11. bis zum 13. Jahr-
hundert, eklatant. Die byzantinischen Autoren verließen fast nie die Grenzen reiner
Polemik. Ihre Antworten auf theoretische Fragen blieben meist implizit und waren in
der Regel nicht Produkt einer systematischen Reflexion über das „Anders-Sein" der

2 S. oben, Kap. ΑΠΙ, bes. S. 111-116.


Die Reflexion der Lateiner 307

Lateiner. Solch eine grundsätzliche Reflexion setzte bei den Byzantinern erst später, im
14. und im 15. Jahrhundert, ein. Im Gegensatz dazu waren die Streitfragen des Ritus für
die lateinischen Theologen bereits sehr früh, etwa schon in den ersten antigriechischen
Schriften von 1053/54, Anstoß zur theologischen Reflexion.
Die Reflexion der Lateiner geriet nur selten zu stereotypen Entgegnungen, wie dies
bei ihren unmittelbaren Reaktionen auf byzantinische Argumente oftmals der Fall war.
Wohl nur auf die Frage nach der Gültigkeit der griechischen Sakramente antworteten
lateinische Theologen in der Regel eindeutig positiv, jedoch auch hier gab es Ausnah-
men. Alle übrigen Fragen aus unserem Katalog wurden lateinischerseits unterschiedlich
beantwortet. Auch wenn etwa bei der Frage über die griechische Handlungsweise alle
Lateiner übereinstimmend negativ urteilten, gab es, was die konkrete Qualifizierung des
byzantinischen Verhaltens angeht, bedeutende Unterschiede unter den einzelnen Auto-
ren. Besonders stark waren die Differenzen im kirchenrechtlich-praktischen Problem-
feld, bis hin zu gegensätzlichen Äußerungen, so daß man hier bisweilen von einem
Konflikt unterschiedlicher Auffassungen sprechen kann. Dieser Konflikt wirkte sich
auch in der Folgezeit aus und führte zu Zweideutigkeiten in der Politik des Westens
gegenüber der rituellen Eigenart der Ostkirche - bis weit in die Neuzeit hinein.
308 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

I. Theoretische Zugänge zur ostkirchlichen Eigenart


1. Das ekklesiologische Problemfeld

Es ist kennzeichnend, daß die erste lateinische Reaktion auf den griechischen Angriff
gegen die Azymen von 1053/54, nämlich der Brief des Papstes Leo IX. an Kerullarios
In terrapax, der sog. Libellus, keine sakramententheologischen, sondern ausschließlich
ekklesiologische Ausführungen enthielt. Im Westen betrachtete man die Ritenproble-
matik vor allem durch die Brille der Ekklesiologie. Erst über die Ekklesiologie wird der
Zugang zum sakramententheologischen Problemfeld ermöglicht. Das allererste und
gewichtigste Argument der Lateiner bestand darin, daß die römische Kirche kraft ihres
Primates in der christlichen Welt grundsätzlich nicht irren könne, was nicht nur für den
Bereich der Lehre, sondern auch für den Bereich der Riten und der sakramentalen Pra-
xis gelte. Es sei geradezu unverschämt zu vermuten, der himmlische Vater hätte dem
Apostelfürsten Petrus die richtige Ordnung des sichtbaren Opfers vorenthalten1. Selbst-
verständlich seien dadurch auch die Nachfolger Petri, die römischen Päpste, von jedem
Irrtum im sakramentalen Bereich bewahrt. Dieser Grundsatz des Libellus wird mit Hilfe
des Constitutum Constantini unterstrichen, wonach der Primat des römischen Bischofs
sich vor allem darin ausdrückt, „über alles, was zur Stabilität des Kultus Gottes und des
christlichen Glaubens notwendig ist", anordnen zu können2. Auch in der späteren Lite-
ratur stand das ekklesiologische Selbstverständnis (und Selbstbewußtsein) der römi-
schen Kirche stets gegen die griechischen „Anmaßungen" zu Gebote. Eines der an-
schaulichsten Beispiele ist wohl das dritte Buch des Antikeimenon des Anselm von
Havelberg, der die Lösung der Azymenfrage vom Verständnis der Primatstellung Roms
abhängig macht und in die Erörterung des eucharistischen Brotes einen kleinen Traktat
über den Primat einschiebt3.
Von diesem Selbstverständnis ausgehend beurteilte man die byzantinischen Angrei-
fer. Der Grundsatz, der bereits in den ersten Schriften der Legaten sowie in der Ex-
kommunikationsbulle von 1054 formuliert wurde, lautete: Derjenige ist als Häretiker
anzusehen, der eine etablierte sakramentale römische Gewohnheit beharrlich für falsch

1 WILL 68a; „Non ergo perpenditis quanta impudentia dicatur Pater, qui est in coelis, abscondisse a
prineipe apostolorum Petro cultum, sive ritum visibilis sacrificii, per dispensatione Unigeniti sui,
cui per semetipsum plenissime revelare dignatus est illud ineffabile arcanum invisibilis divinitatis
eiusdem Filii sui".
2 WILL 72b - 73a: „eius [des Römischen Pontifex] iudicio quaeque ad cultum Dei vel fidei
Christianorum stabilitatem procuranda fuerint, disponantur". Vgl. CONSTITUTUM CONSTANTINI,
ed. cit. 83.
3 PL 188,1213-1234.
Die Reflexion der Lateiner 309

und häretisch erklärt und dadurch das von der römischen Kirche vollzogene Sakrament
in Frage stellt4. Indem die Griechen die römische Kirche für „verschmutzt durch Häre-
sie und Judaismus" erklären, überstiegen sie „die Kühnheit aller bislang bekannten
Häretiker"5, unterstellt Humbert im Dialogus. Auf ihrer Konstantinopelreise haben die
Legaten nicht nur die unmittelbaren Angreifer (Kerullarios und seine Anhänger), son-
dern auch all jene mit Anathem belegt, die „aus der Hand eines Griechen kommunizie-
ren, der das Opfer der römischen Kirche tadelt"6.
Die Griechen wurden also nicht so sehr in Hinblick auf ihre antiazymitische Argu-
mentation an sich, sondern in Hinblick auf ihr praktisches Vorgehen gegen die römische
Kirche beurteilt. Der Behauptung des Niketas Stethatos, daß ein jeder, der die Azymen
ißt, „in der Finsternis des Gesetzes wandelt", hält die Contradictio die Handlungsweise
der byzantinischen Angreifer mit 1 Joh 2,11 entgegen: „Wer seinen Bruder haßt, ist in
der Finsternis und wandelt in der Finsternis"7. Die Behinderung der lateinischen Kir-
chen in Konstantinopel und insbesondere die Schändung des lateinischen Opfers durch
den Sakellarios sprachen in den Augen der Lateiner dafür, daß die Griechen das eucha-
ristische Opfer mit ungesäuertem Brot für ungültig und das Sakrament der Lateiner
nicht für das wahre Corpus Christi halten. So fühlte sich zum Beispiel Dominicus von
Grado durch den Angriff der Griechen insofern skandalisiert, als die Position der Grie-
chen zu dem Schluß führen müsse, daß „wir alle", d.h. die Lateiner, von der Glückse-
ligkeit des ewigen Lebens, dessen ja niemand teilhaft werden kann, ohne Christi Leib
und Blut zu kommunizieren, ausgeschlossen seien8. Der Autor des Fragmentum
disputationis adversus Graecos will die Inkonsequenz der griechischen Azymenableh-
nung zeigen. Das Opfer der Lateiner ist entweder das wahre Corpus Christi, oder es ist
es nicht: tertium non datur. Falls es das gültige und wahre Sakrament ist, warum wird
dann dieses Opfer verboten und für „unvollkommen" und für „unbeseelt" erklärt,

4 S. oben, S. 67 Anm. 83.


5 WILL 94b: „Ast vos, quasi omnia munda immunda sint vobis, oculis contra vos et vestra clausis
sanctam Romanam et omnem occidentalem ecclesiam pollutam haeresi et Iudaismo proclamatis et
velut quamdam abominationem devitatis. Ex qua tarn caeca et hactenus inaudita audacia ad hoc
prorupistis, ut cunctorum haereticorum, quos adhuc deprehendere valuimus, temeritatem
transcendatis".
6 WILL 152a: „... anathemate dato cunctis, qui deinceps communicarent ex manu Graeci Romanum
sacrificium vituperantis..."
7 WILL 138a: „Unde et sie concludis: Qui ergo azyma comedit, in tenebris legis ambulat. Sed idem
Ioannes intentionem tuam enervans, luce clarius demonstrat qui dixerit subjungens: Qui odit suum
fratrem, in tenebris est et in tenebris ambulat".
8 WILL 208a: Μάτην γάρ οι μακαριώτατοι Πέτρος καί Παύλος την Ίταλίαν έκήρυξαν, ει πδσα
ή δυτική εκκλησία άπό της ευδαιμονίας της άϊδίου ζωής ϋστερεΐται, προς ην ουδείς
άφικνεΐται, εάν μή μέτοχος γένηται τοϋ σώματος και αίματος τοϋ Χρίστου. <...> ΕΙ ουν ή
τοΰ άξύμου άρτου προσφορά σώμα Χρίστου ού τυγχάνει, ήμεΐς άπαντες αλλότριοι' έσμεν τής
ζωής.
310 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

warum werden die lateinischen Priester an der Zelebration in ihren Kirchen gehindert?
Falls aber das ungesäuerte Opfer kein Corpus Christi ist: Warum haltet ihr [Griechen]
uns [Lateiner] noch für Christen? Im letzteren Fall sind ja die Lateiner nichts anderes
als Götzendiener und Ketzer.9
Die Exkommunikationsformel der Legaten beeinflußte auch spätere Autoren, die am
ekklesiologischen Grundsatz der lateinischen Position festhielten10. Selbst die berühmte
Formel Gregors VII. {Dictatus Papae 26) „Daß derjenige nicht für rechtgläubig zu hal-
ten sei, der nicht mit der römischen Kirche übereinstimme"11, geht in die gleiche Rich-
tung12. Laut Anselm von Canterbury exkommunizieren die Griechen Christus selbst,
wenn sie die Lateiner wegen der Azymen mit dem Anathem belegen13. Nach Rupert
von Deutz würde allein die Autorität der römischen Kirche - abgesehen von der sakra-

9 WILL 256b-257a = MICHEL, Accusatio 167: „De corpore Christi, quanta sententiam vestram
absurdita sequantur, videte. Si enim corpus Domini creditis, quod ex azymo pane conficitur, cur
non recipitur? Cur non ut dominicum adoratur? Cur ne fiat interdicitur? Cur iniuriis lacessitur?
Cur imperfectum et inanimatum vocatur? Cur cum sacrificatoribus suis ab ecclesiis pellitur? Cur
ei <Will und Michel haben: et> fermentum praeponitur? Cur cultores eius a communione
suspenditis? Cur azymitas vocatis? <...> Quodsi panem azymum fieri corpus Christi negatis, cur
imperfectum negatis? Non enim imperfectum Christi corpus est, quod nullo modo corpus eius est.
Cur denique nos Christianos habetis? Cur non ut idololatras condemnatis? Idolum enim est, si
panis azymus adoretur ut deus. Cur hanc impiissimam haeresim pubilce non confutatis? Cur cum
ceteris haereticis Romanos in ecclesia non anathematizatis? Nihil enim est medium: aut corpus est
Christi et omnibus adorandum; aut eius non est et ut idolum contemnendum".
10 S. z. B. die etwas geänderte Version der ursprünglichen Formel aus der Zeit des Ersten Kreuzzu-
ges, dazu: RYAN, The Legatine Excommunication.
11 „Quod catholicus non habeatur, qui non concordat Romanae ecclesiae" {Dictatus Papae 26, in:
GREGOR VII., Registrum II 55a, ed. cit. 207). Zu diesem Grundsatz s.: FUHRMANN, Quod
catholicus non habeatur.
12 Nach Fuhrmann schäle sich nach den langen Diskussionen über die Bedeutung des Dictatus
Papae (DP) als Konsens heraus, daß es sich vermutlich „um die Capitulatio einer geplanten <...>
oder um den Index einer verlorenen <...> Kirchenrechtssammlung" handelt (FUHRMANN, Quod
catholicus 263). Nach dem jüngsten Urteil von COWDREY, Pope Gregory 507: Dictatus papae
„remains an enigma". Jedoch verdient m. E. immer noch Beachtung die Hypothese von Julia
GAUSS, Ost und West 56-67, daß der Dictatus „das Konzept der päpstlichen Unionsbedingungen,
die Gregor VII. der griechischen Kirche auferlegen wollte", darstelle. Dieser Hypothese kann man
insofern nicht zustimmen, als zur Zeit Gregors VII. noch kein eigentliches „Schisma" zwischen
den Kirchen von den Zeitgenossen gesehen wurde und daher auch keine „Union" möglich und
notwendig war. Aber daß diese Grundsätze unter anderem auch in Hinblick auch die Ost-West
Problematik zusammengestellt worden sind, ist sehr wahrscheinlich und erklärt zum Teil Sätze
wie den besprochenen sehr zutreffend. Einige Sätze (wie bes. DP 2) werden in der Tat erst im
Kontext der Ostproblematik verständlich. Zu solchen Sätzen gehört m. E. auch DP 26.
13 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacrificio azymi, ed. cit. 225: „cum Graeci anathematizant
»azymitas« - sie enim nos vocant - , anathematizant Christum".
Die Reflexion der Lateiner 311

mententheologischen Argumentation - in der Frage der Azymen gegen die Griechen


genügen14. Nach Leo Tuscus sind die Griechen Häretiker, falls sie nicht daran glaubten,
daß der lateinische Priester das unblutige Opfer, das wahre Corpus Christi darbringe15.
Wie wir oben gesehen haben, gingen die an der Disputation in Nymphaion 1234 teil-
nehmenden Mendikanten von der gleichen Ansicht aus, als sie ihre griechischen Ge-
sprächspartner der Häresie bezichtigten16. Einer der Einwände im Kapitel über die
Azymenfrage bei Guido von Orchelles lautet folgendermaßen:
„Außerdem ist ohne Zögern zu glauben, daß der Kirche über Ritus und Modus des Zelebrie-
rens eine Offenbarung zuteil wurde. Daher ist den Griechen, da sie in vieler Hinsicht der römi-
schen Kirche, die nach göttlichem Ratschluß die Mutter und Lehrerin aller Kirchen ist, wider-
sprechen, in dieser Angelegenheit nicht zu glauben"17.
Aus gelegentlichen Häresievorwürfen gegen die Griechen darf man jedoch, zumindest
für die Zeit vor 1204, kein eindeutiges ekklesiologisches Urteil über die griechische
Kirche als ganze herauslesen. Die Häresievorwürfe, die ab und zu ausgesprochen wur-
den, zielten in der Regel nur auf die Angreifer; 1053/54 waren dies Kerullarios und
seine Anhänger. Auch die späteren Texte dieser Art verfolgen eher eine Ermahnung an
alle Griechen, indem man dringend vor Augen führte, wie nah an der Häresie sich die
Byzantiner befänden. Falls sie an ihrer Ablehnung des ungesäuerten Brotes hartnäckig
festhielten und falls sich die ganze ecclesia Graecorum diesem Standpunkt anschlösse,
dann würde so eine Entwicklung den Abfall in die Häresie bedeuten. Außerdem wurden
ausdrückliche Häresievorwürfe nur von einem Teil der lateinischen Autoren geäußert,
viele drückten sich wesentlich vorsichtiger aus. Kennzeichnend sind in dieser Hinsicht
die Ausführungen des Rupert von Deutz zur Azymenfrage in seinem Werk De divinis
offleiis. Rupert vermeidet, die Griechen ausdrücklich der Häresie zu beschuldigen, äu-
ßert sich jedoch so, daß sich dem Leser zumindest ein Häresieverdacht aufdrängt:
„... die Griechen bringen ihr Opfer mit dem gesäuerten Brot dar. Allzu hartnäckig verabscheu-
en sie - ich weiß nicht, aufgrund welcher Autorität, aus den authentischen Schriften stammt sie

14 RUPERT VON DEUTZ, De divinis qffieiis, lib 2, cap 22 (ed. cit. 53): „.. xui deest Scripturarum notitia
uel argumentandi facultas, sola illa de azymo contra Graecos sufficere debeat eius [sanetae
Romanae ecclesiae] auetoritas".
15 LEO Tuscus, De haeresibus et praevaricationibus, ed. cit. 549 C: „hi [Graeci] asserunt azymos
panes in carnem non posse converti per benedictionem. Qua ex re, sacramenü corporis Domini
Latinos aiunt expertes. Sed ο Pelasgiana <bei Migne: Pelagiana> incredulitas! si non credas
Latinum sacerdotem incruentam immolare hostiam, conficere corpus Christi, haereticus es".
16 GOLUBOVICH, Disputatio 463: „... vos creditis et dicitis quod Corpus Christi non potest confici in
azymo. Sed hoc est haereticum; ergo vos estis haeretici".
17 GUIDO VON ORCHELLES, Tractatus de sacramentis, cap 5, η 61 (ed. cit. 62): „Praeterea credendum
est indubitanter quod Ecclesiae est revelatum de ritu et modo conficiendi. Unde cum Graeci in
multis obvient Romanae Ecclesiae, quae disponente Deo omnium ecclesiarum mater est et
magistra, non est eis in hac parte credendum".
312 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

jedenfalls nicht - sowohl die gesetzliche als auch die evangelische Gewohnheit der römischen
Kirche. Oft wurden sie durch Argumente besiegt, aber die Arroganz des konstantinopolitani-
schen Stuhls, der Mutter vieler Häresien, wollte nicht weichen. <...> Mit so vielen Häresien
aber ist Griechenland durchsäuert, daß man sich nicht wundern darf, daß sie mit gesäuertem
Brot opfert".18
Das Motiv des „Durchsäuertseins" mit Häresien in Bezug auf die Kirche von Konstan-
tinopel begegnet in der lateinischen Literatur ziemlich oft. Von Rupert abhängig äußern
sich auf ähnliche Weise Anselm von Havelberg19, Gerhoch von Reichersberg20 und
Innozenz III.21 In dieser Sicht wird also der Angriff der Griechen gegen das römische
ungesäuerte Brot mit deren grundsätzlicher Neigung zur Häresie erklärt.
In der Hochscholastik wurden keine ekklesiologischen Urteile über die byzantinische
Kirche allein aufgrund der Azymenfrage oder der Fragen nach der Wasserbeimischung

18 RUPERT VON DEUTZ, De divinis offieiis, ed. cit. 52-53: „... de fermentato Graeci immolant, et
nescio, qua auetoritate suffragante, quae proeul dubio de authenticis numquam profeeta est
Scripturis, tarn legalem quam euangelicam Romanae ecclesiae consuetudinem nimis pertinaciter
abhorrent. Veris persaepe rationibus superati sunt, sed Constantinopolitanae sedis arrogantia,
multarum haeresium genetrix, cedere dedignata est. <...> Tantis autem haeresibus fermentata est
Graecia, ut mirum uideri non debeat hoc, quod de fermentato immolat".
19 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 6 (BALUZE 194 = PL 1215 Α-B): „At vero
Constantinopolitana Ecclesia, ut salva pace tua et omnium assidentium dixerim, - non enim
veritatem debetis negare, quam etsi interdum liceat silere, nunquam tarnen licet negare - quam
innumeris haeresibus saepe fermentata, postposita sinceritate fidei, contra Deum et apostolicam
Ecclesiam cavemosis adinventionibus inflata intumuit et quantum potuit contra fidem Petri et
sanam eius doctrinam se contumaciter erexit". Ebd., BALUZE 194-195 = PL 1215-1216: „Hie
viguit illa detestabilis Ariana haeresis, quae primo in Alexandria pullulavit et totum fere Orientem
venenoso fermento polluit <...> Eusebius, qui <...> hanc Constantinopolitanam Ecclesiam invasit
et eodem fermento infecit <...> Hie praefuit Constantinopolitanae urbis episopus, haeresiarcha
maximus, et fermentum suae haeresis ubique diffudit <...> Hie Macedonius praefuit Ariana
haeresi involutus, et eodem pestifero fermento quoseunque potuit, contaminavit <...> Hie
Eutyches presbyter et archimandrites fermentum suae haeresis effudit <...> Infinita quoque turba
diversorum haereticorum fermentum haereticae pravitatis hie semper exspuere consueverunt. <...>
Quis denique dinumerare queat omnes haereticos et omnes eorum errores qui in hac civitate
fuerunt, et sanetam et immaculatam Dei Ecclesiam falsis dogmatibus fermentaverunt <...>?".
20 GERHOCH VON REICHERSBERG, Tractatus contra Gmecorum errorem, η 14 (ed. cit. 354):
„[Graecos] non mirum est offerre fermentatum, eo quod fides eorum errore tali [d.h. durch die
Ablehnung des Filioque] fermentata in azymis sinceritatis et veritatis non sit. Sicut enim panem
non solidum sed vaeuitatis plenum οίΓβηιηζ ita et soliditati potentiae Christi quantum ad fidem
eorum non parum vigoris detrahunt, qui ex ipso Spiritum in nos vivificantem non procedere
contendunt".
21 INNOZENZ ΠΙ., De missarum mysteriis, ed. cit. 857 D - 858 A: „Ceterum id solum Latinis
sufficeret contra Graecos, quia Constantinopolitanam Ecclesiam haereseon corruptio
fermentavit".
Die Reflexion der Lateiner 313

und der Taufformel getroffen. Auch der Angriff Gregors EX. auf die Taufformel der
Byzantiner scheint ekklesiologisch nicht reflektiert gewesen zu sein, denn eine solche
Ungültigkeitserklärung in Bezug auf die griechische Taufe hätte eigentlich zu dem
Schluß führen müssen, daß die Griechen überhaupt keine Christen seien, was sicher
nicht in der Absicht des Papstes lag. Um die ecclesia Graecorum bewerten zu können,
schaute man vielmehr auf andere Streitpunkte, vor allem auf das Filioque und die Pri-
matsfrage22. Selbstverständlich konnte dabei die Ablehnung der römischen Eucharistie
nicht ohne Wirkung auf das generelle Bild der Griechen in den Augen der Lateiner
bleiben. Man hat sich jedoch gescheut, alle Griechen pauschal als Vertreter dieser
..quasi-häretischen" Ansichten zu disqualifizieren. So handelt es sich bei Thomas von
Aquin um den Irrtum nicht aller, sondern nur „einiger" Griechen, die behaupten, daß
die Eucharistie nicht mit ungesäuertem Brot zelebriert werden könne2 .
Es ist nicht die Absicht der vorliegenden Studie, die ganze Geschichte der lateini-
schen ekklesiologischen Vorstellungen über die Griechen zu verfolgen. Diese Ge-
schichte hängt engstens mit der Geschichte der politischen Beziehungen, die im voraus-
gehenden Kapitel angesprochen wurde, zusammen. Für unsere Fragestellung gilt es
jedoch festzuhalten, daß die Lateiner alle im Zusammenhang mit der sakramentalen

Wohl eines der sprechendsten Beispiele des Urteils über die Griechen bieten die Ausführungen
des BONAVENTURA, In IV. Sententiarum, dist 11, art unic, q 1 (ed. cit. 212): „facti sunt haeretici
quia denegant fidei veritatem, et schismatici, quia recesserunt ab Ecclesiae unitate"; ebd., ad 9
(S. 213): „[Graecorum] maledicta progenies addidit ad patemam dementiam et dicit quod non
procedit a Filio nisi temporaliter. Et ideo tanquam haereticos et schismaticos eos damnat Romana
Ecclesia". Diese scharfen antigriechischen Formulierungen Bonaventuras stehen jedoch innerhalb
der theologischen Literatur der Hochscholastik ziemlich isoliert. In der Regel äußerte man sich
wesentlich vorsichtiger, wie z. B. ALBERTUS MAGNUS, In I. Sententiarum, dist 11, B, art 6 (ed. cit.
XXV 348): „error est dicere Spiritum sanetum non procedere a Filio et defendere haeresis est".
Entscheidend war für die Beurteilung der Griechen als Häretiker die Konstitution des
IV. Lateranums, nach der das Filioque als Konzilsentscheidung obligatorisch wurde: s.
COD/DÖK Π 230: „Firmiter credimus et simpliciter profitemur, quod <...> Pater a nullo, Filius
autem a solo Patre ac Spiritus sanetus ab utroque pariter absque initio semper et fine", vgl.
DECRETALES GREGORII ΓΧ., X 1.1.1 (ed. cit. 5). Das Konzil von Lyon 1274 hat alle mit Anathem
belegt, die den Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Sohn leugnen, COD/DÖK Π 314:
„...damnamus et reprobamus omnes, qui negare praesumpserint, aetemaliter Spiritum sanetum ex
Patre et Filio procedere". Vgl. JOHANNES VON PARIS, In I. Sententiarum, dist 11, q 3 (ed. cit. 162-
163). Auf die Frage Utrum Graeci valeant excusari quod non posuerunt Spiritum sanetum
procedere α Filio gibt Johannes die folgende Antwort: ,,Licet autem istae excusationes valerent
ante Concilium, in quo fuit diffinitum quod Spiritus sanetus procedit a Patre et Filio, tarnen post
illud concilium non habent istae excusationes locum, quia iam non sufficit hoc corde credere, sed
etiam oportet hoc ore confiteri".
THOMAS VON AQUIN, Summa contra Gentiles, lib 4, cap 69, η 4 (ed. cit. 142): „Per hoc autem
exeluditur error quorundam Graecorum, qui dieunt in azymo sacramentum hoc celebrari non
posse". - • • · ' · ' •
314 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Praxis aufgeworfenen Fragen von dem umfassenderen Blickpunkt der ekklesiologi-


schen Einbettung des Problems her angingen. Die Notwendigkeit, den Angriff der Grie-
chen, deren Infragestellung der Autorität der römischen Kirche zu erwidern, bestimmte
alle weiteren sowohl theologischen als auch politischen Schritte der Lateiner.

2. Das sakramententheologische Problemfeld


a. Die Analyse des sakramentalen Zeichens
Die Gültigkeit der griechischen Eucharistie mit gesäuertem Brot stand für die lateini-
schen Autoren in der Regel außer Frage. Bereits die ersten antigriechischen Schriften
der Legaten von 1054 gingen davon aus, daß bei den Griechen wahre Sakramente ge-
feiert wurden24. Die Gültigkeit des griechischen Sakraments wurde in diesen Schriften
nicht ausdrücklich thematisiert, was der modernen Forschung einen Spielraum für un-
terschiedliche, bisweilen konträre Interpretationen ließ25. Auch weitere Autoren vom
Ende des 11. bis zum Anfang des 12. Jahrhunderts, wie etwa der Autor des
Fragmentum disputationis contra Graecos, Laycus von Amalfi, oder Bruno von Segni,
diskutierten diese Frage nicht, sondern setzten die Gültigkeit der Zelebration mit gesäu-
ertem Brot voraus.
Der erste Autor, der die Gültigkeit der griechischen Eucharistie auf den Prüfstein
stellte, war Anselm von Canterbury. In seiner Antwort an Walram von Naumburg
schreibt Anselm:
„Hinsichtlich des Opfers aber, über das die Griechen nicht das gleiche wie wir denken, scheint
es vielen vernünftigen Katholiken, daß das, was sie machen, nicht gegen den christlichen
Glauben ist. Sowohl der, der ungesäuertes Brot, als auch jener, der gesäuertes Brot darbringt,
bringt das Opfer dar. <...> Beides ist gleichermaßen Brot. Denn das ungesäuerte und das ge-
säuerte Brot unterscheiden sich nicht der Substanz nach"26.

Die Byzantiner waren darüber ganz anderer Ansicht. Nach ihrem Dafürhalten sind die
„Azymen" kein „Brot"; von einer substantiellen, physischen Gleichheit könne man

24 WILL 106b: „Salva ergo, ut dignum est, reverentia Domini nostri Jesu Christi et in fermentato et in
azymo..."
25 So äußerte sich GEISELMANN, Die Abendmahlslehre 53-54, in dem Sinne, daß nach Humbert die
Azymen „als das einzige und ausschließliche" Sakramentselement gelte; nach Humbert gab es al-
so „hinsichtlich des azymum und fermentum nur die Wahl zwischen göttlich bestimmtem und
menschlich erfundenem Element, zwischen Orthodoxie und Häresie". Diese irrtümliche Interpre-
tation wurde von Anton Michel in seiner Rezension des Buches von Geiselmann richtiggestellt,
s.: ByZ 36 (1936) 117-120, hier 118.
26 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacrificio azymi, ed. cit. 223-224: „De sacrificio vero in
quo idem Graeci nobiscum non sentiunt, multis rationabilibus catholicis videtur, quia quod agunt
non est contra fidem christianam. Nam et azymum et fermentatum sacrificans panem sacrificat.
<...> uterque pariter panis est. Non enim differunt azymus et fermentatus substantialiter".
Die Reflexion der Lateiner 315

nicht sprechen. Nach Anselm sind jedoch das Gesäuerte und das Ungesäuerte von glei-
cher Substanz. Wenn auch Christus beim letzten Abendmahl ungesäuertes Brot geseg-
net habe, so sei dies für die sakramentale Wirklichkeit ohne Belang gewesen, sondern
entsprach den Vorschriften des jüdischen Paschamahls. Es war bei der Einsetzung nur
wichtig, daß Brot verwendet wurde; seine Beschaffenheit spielte keine Rolle27.
Anselm stand am Anfang der Entwicklung, die die Sakramententheologie im
12. Jahrhundert durchlief. Die lateinischen Theologen begannen die Sakramente spe-
kulativ zu betrachten und versuchten, ihre Komponenten zu definieren. So gelangte man
zu einer Unterscheidung von wesentlichen, substantiellen, und unwesentlichen, akzi-
dentellen, Elementen eines Sakraments28. Zum einen wurden die Elemente bzw. Fakto-
ren bestimmt, ohne die ein Sakrament überhaupt nicht zustande kommt, die also sub-
stantiell (de substantiä) und notwendig (de necessilate)29 zum Sakrament gehören. Die
substantiellen Faktoren, die am häufigsten genannt wurden, sind (1) die Wortformel,
(2) das physische Element, (3) die Person des Spenders (seine Zugehörigkeit zum Prie-
sterordo), und (4) die Intention (des Spenders bzw. bei wenigen Autoren auch die des
Empfängers)30. Zum andern wurden Elemente genannt, die nur „zur Zierde" (ad
decorem3X, ad ornatum32) bzw. „zur Feierlichkeit" (ad sollemnitatem33) des Sakra-
ments dienen34, die also akzidentell (de circumstantia35, per aeeidens) sind und variie-
ren können, ohne daß dadurch das Sakrament seine Gültigkeit verlieren würde. Nach
dieser Unterscheidung ist für das Zustandekommen der Eucharistie wesentlich und

27 Ebd.: „Et cum legitur de domino, quando corpus suum de pane fecit, quia aeeepit panem et
benedixit, non additur azimum vel fermentatum. Certum tarnen est quia azimum benedixit;
forsitan non quia res quae fiebat hoc exigebat, sed quoniam coena in qua hoc factum est, hoc
exhibebat"
28 Generell zur Entwicklung dieser Problematik in der Scholastik s.: VAN DEN EYNDE, The Theory of
the Composition; LANDGRAF, Dogmengeschichte ΓΠ/1 158-168; H.-F. DONDAINE, Substantiä
saemmenti.
29 So z. B.: ROBERT VONMELUN, Quaestiones de epistolis Pauli, ad 1 Kor 14:2 (ed. cit. 220).
30 (1) „verba" - „forma verborum" - „forma" (2) „res" - „elementum" - „materia" (3) „persona
ministri" (4) „intentio". Aber es gab auch andere Varianten, darunter auch die Nennung von nur
drei substantiellen Faktoren (etwa „ordo", „actio", „intentio" in der Summa sententiarum) bzw.
nur zwei Faktoren (so „verbum" und „elementum" bei Petrus Lombardus). Eine Liste typischer
Aufzählungen der substantiellen Komponenten s.: VAN DEN EYNDE, The Theory ofthe Compositi-
on 11 (1951) 125. S. z. B.: ALANUS VON LILLE, Regulae caelestis iuris, cap 109 (ed. cit. 213): „Ad
hoc ut panis transsubstantietur in dominicum corpus fiunt quatuor coneursus: ut sit in persona
ordo, in agente intentio, in pane materia, in verbis forma".
31 So ζ. Β.: ROBERT VON MELUN, Quaestiones de epistolis Pauli, ad 1 Kor 14:2 (ed. cit. 220);
SUMMA SENTENTIARUM, tract 5, cap 4 (ed. cit. 129).
32 So ζ. Β. SENTENTIAE DIVINAE PAGINAE, ed. cit. 42.
33 So ζ. Β.: Magister SIMON, Tractatus de sacramentis, ed. cit. 25.
34 Belege s. in: LANDGRAF, Dogmengeschichte HI/1 159 Anm. 7. 9. 11. 12. 13.
35 So z. B. ALANUS VON LILLE, Regulae caelestis iuris, cap 109 (ed. cit. 213).
316 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

notwendig, daß man das bestimmte physische Element nimmt, also Brot. Die Beschaf-
fenheit des Brotes, ob gesäuert oder ungesäuert, gehört in den Bereich des Akzidentei-
len, wie unter anderem auch die unterschiedlichen Riten und Rituale der Eucharistiefei-
er oder der sittliche Zustand des Zelebranten. Mit derselben Methode wandte man sich
weiteren Fragen der rituellen Eigenart der Ostkirche zu. Wie wir oben bereits gesehen
haben, diskutierte man etwa die Fragen, ob die Beimischung des Wassers zum Wesen
des Sakraments der Eucharistie, oder ob die Worte Ego te baptizo zum Wesen des Sa-
kraments der Taufe gehören36. Die Grundlegung durch Anselm wurde von Alger von
Lüttich mit Hilfe der zeitgenössischen Entwicklung der Sakramententheologie aufge-
griffen und weitergeführt:
„...denn wie hinsichtlich der Anrufung Gottes, von der man glaubt, daß sie in keinem Sakra-
ment aufgehoben wird, sondern sie allein durch Gottes Gnade alles in allem bewirkt, die Ver-
dienste der Priester weder schaden noch helfen, als ob dadurch die kirchlichen Sakramente an
Wert gewännen oder verlören, so nützt oder schadet weder Farbe, noch irgendwelche Beschaf-
fenheit des Brotes und des Weines, um den Leib Christi zu vermindern oder zu vermehren,
solange es sich nur um Brot und Wein handelt, deren Substanz, wie Christus befahl, sich in die
Substanz des Leibes und Blutes Christi verwandeln soll"37.

Deutlich unterscheidet zwischen diesen beiden Komponenten des Sakraments der pseu-
doisidorische Brief an Redemptus: danach gehören die beiden Bräuche - des ungesäu-
erten und des gesäuerten Brotes -
„...nicht zum Wesen oder zur Substanz des Sakraments. Zur Substanz des Sakraments gehören
die Worte Gottes, die vom Priester im heiligen Gottesdienst vorgetragen werden, nämlich Das
ist mein Leib, sowie Brot aus Getreide und Wein, dem nach der Gewohnheit Wasser hinzuge-
fügt wird. <...> Das Übrige aber gehört zur Zierde des Sakraments, zum Vorbild des Zukünfti-
gen, zu unserer und ihrer Demütigung und zur Ausübung des Lobes Gottes"38.

Wohl am klarsten äußert sich in diesem Sinne der Autor der Summa Zwettlensis. Er
sieht die Differenz zwischen dem gesäuerten und ungesäuerten Brot auf derselben Linie
wie den Gebrauch von weißem bzw. rotem Wein:

36 Vgl. dazu oben, S. 193-195; 207-212.


37 ALGER VON LOTTICH, De sacramentis, ed. cit. 828 A: „...quia sicut ad invocationem divini
nominis, quae in nullo sacramento annullari creditur, sed sola per Dei gratiam omnia in omnibus
operatur, non obsunt vel prosunt sacerdotum merita, quo magis vel minus fiant ecclesiastica
sacramenta, sie nee color, nee species aliqua panis et vini obest vel prodest, quo minus vel magis
corpus Christi fiat, dum tantummodo sit panis et vinum, quorum substantia, ut Christus praeeipit,
in substantiam corporis Christi et sanguinis transeat".
38 PSEUDO-ISIDORUS, Epistola ad Redemptum, ed. cit. 905 D - 906 A: „...non sint de essentia, sive
substantia sacramenti. De substantia sacramenti sunt verba Dei a sacerdote in sacro prolata
ministerio, scilicet, Hoc est corpus meum, panisque frumenti et vinum, cui consuevit aqua
adhiberi <...> Caetera vero pertinent ad decorem sacramenti, futurorum exemplum, ad nostram et
eorum humiüationem atque in Dei laude exercitaüonem".
Die Reflexion der Lateiner 317

„Zum Zelebrieren des Ritus des neuen Opfers sind hauptsächlich vier Dinge anzuwenden, die
nach der Wahrheit eigener Gewißheit unterschieden werden, und zwar: bestimmte Worte, be-
stimmte Elemente, ein bestimmter Ort, und eine bestimmte Person. Diese vier und ihre Not-
wendigkeit gibt die Gewißheit zur Zelebration des neuen Opfers. <...> Zu den Elementen ge-
hört auch die Unterscheidung der Akzidentien. Ob der Wein rot oder weiß oder in irgendeiner
anderen Farbe gefärbt ist, ob er neu oder alt, geläutert ist oder nicht - all das beeinträchtigt die
Wahrheit des Sakraments nicht. Ob letztendlich das Brot frisch ist oder nicht, weiß oder nicht,
gesäuert oder nicht - dies alles sind Akzidentien, nicht die Substanz des Brotes"39.

In allen diesen Fällen macht man die Frage nach der Gültigkeit der Eucharistie von
einer immanenten Analyse des Sakramentes abhängig. Das sakramentale Zeichen wird
in seine konstitutiven Bestandteile zergliedert, und davon ausgehend wird über die Gül-
tigkeit der griechischen Eucharistie geurteilt. Daß bei der Abgrenzung der sakramenta-
len Konstituenten auch erhebliche Unsicherheiten auftraten, zeigte sich deutlich am
Beispiel der Taufformelfrage. An der päpstlichen Kurie war man sich längst nicht einig,
ob die Worte Ego te baptizo zur Substanz der Taufe zählen. Die Ungewißheit läßt sich
vielleicht dadurch erklären, daß es in der Tat keine eindeutigen „sakramentsimmanen-
ten" Kriterien zur Abgrenzung der „Substanz" von den „Akzidentien" gab. Das einzige
Kriterium, das für eine Unterscheidung dienlich sein konnte, war die neutestamentliche
Einsetzung. Die Art und Weise, wie Jesus Christus ein Sakrament konstituiert hat, ent-
scheidet nach diesem Verständnis über die Substanz des Sakraments. Aber auch dieses
Kriterium führte in manchen Fällen nicht viel weiter. Zwar haben sich die lateinischen
Theologen besonders darum bemüht, zu zeigen, daß Jesus die Eucharistie nur mit unge-
säuertem Brot einsetzen konnte, man folgerte daraus jedoch nicht, daß die ungesäuerte
Beschaffenheit des Brotes zur Substanz der Eucharistie gehöre. Andererseits hinderte
die Tatsache, daß die Worte Ego te baptizo nicht von Jesus stammen, etwa Maurice de
Sully nicht, eben diese Worte als zur Substanz der Taufe gehörig anzusehen40. Solche
Unsicherheiten der „Substanz-Akzidenz"-Argumentation veranlaßten die Theologen,
nach weiteren Kriterien zu suchen, die für die Feststellung der Gültigkeit der griechi-
schen Sakramente hilfreich sein könnten.

39 SUMMAZWETTLENSIS, lib 4, η 134 (ed. cit. 164): „Ad agendum <...> noui sacrificii ritum quattuor
sunt principaliter adhibenda que proprie certitudinis ueritate distinguuntur: certa videlicet uerba,
certa elementa, certus locus, certa persona. Hec enim quatuor et eorum necessaria est certitudo ad
ministerium sacrificii noui". Ebd., η 280 (S. 192): „Ad elementa quoque suorum pertinet
aeeidentium differencia. Vinum namque rabeum uel album uel alio aeeidente colore coloratum
sit, nouum uel uetus, effecatum sit uel non, non minus constat eadem ueritas sacrificii. Panis
denique recens sit uel non, albus sit uel non, fermentatus sit uel non. Que quidem omnia
aeeidentia sunt non substantia panis".
40 S. oben, S. 207 Anm. 33.
318 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

b. Ekklesiologische Voraussetzungen des sakramententheologischen Urteils


In der Tat war auch ein prinzipiell anderer Ansatz möglich. Bekanntlich hat man in der
Frühscholastik rege die Frage diskutiert, ob ein von der Kirche durch Schisma oder
Häresie getrennter Priester die Konsekrationsgewalt behalte. Trotz unterschiedlicher
Auffassungen zu diesem Problem äußerte eine Reihe von Theologen die Ansicht, daß
kein Schismatiker oder Häretiker das Corpus Christi, das ja als das Sakrament der Kir-
cheneinheit gilt, konsekrieren könne41. Unter diesen Stimmen sind so einflußreiche
Texte wie De sacramentis des Hugo von St. Viktor42, die Summa sententiarum43 und
die Sentenzen des Petrus Lombardus44 zu finden. Einen anderen Weg beschritt Gerhoch
von Reichersberg: Er hat ursprünglich die Konsekrationsgewalt des schismatischen
bzw. häretischen Priesters rundweg bestritten. In seinem späteren Werk, dem Libelhis
de eo, quodprineeps huius mundi iam iudicatus est, hat er seine Position jedoch etwas
abgemildert und mit Hilfe eigener terminologischer Distinktionen das Problem neu zu
lösen versucht. Aber auch im Libellus bleibt die Konsekrationsgewalt der Schismatiker
ernsthaft umstritten45.
Aus solchen sakramententheologischen Prinzipien würde folgen, daß ein griechischer
Priester, falls man ihn für einen Schismatiker oder Häretiker hält, das Corpus Christi
nicht konsekriere. Es gibt Texte, die dieser radikalen Schlußfolgerung recht nahe kom-
men. Schauen wir nochmals auf den Libellus des Gerhoch von Reichersberg: Die bei-
den sakramentalen Gewohnheiten des gesäuerten und des ungesäuerten Brotes dienen
ihm als Beispiel dafür, daß der Modus des Zelebrierens, der für das Zustandekommen

41 Zu diesem Thema sowie weitere Belege s.: LANDGRAF, Dogmengeschichte HI/2 223-231.
42 HUGO VON ST. VIKTOR, De sacramentis, üb 2, pars 11, cap 13 (ed. cit. 506): „Ita ergo verum
Christi corpus non est quod conficit schismaticus, quia, cum corpus Christi sacramentum sit
unitatis, in ipso utique schismaticus sibi unitatem non conficit qui se ab ipsa unitate dividit".
43 SUMMA SENTENTIARUM, tract 6, cap 9 (ed. cit. 146 B-C): „De iis qui sunt extra Ecclesiam ut
exeommunicati et manifesti haeretici quaeritur, utrum conficiant corpus Christi. Quibusdam
videtur quod quamvis sit eis ad damnationem, tarnen conficiant; quia ordinationem non amiserunt
in qua datur potestas illud conficiendi. Aliis videtur, quod nee exeommunicati nee manifesti
haeretici conficiunt. Nullus enim in ipsa consecratione dicit offero, sed qfferimus ex persona totius
Ecclesiae. Cum autem alia sacramenta extra Ecclesiam possint fieri, haec nunquam extra, et isüs
magis videtur assentiendum".
44 PETRUS LOMBARDUS, Sententiae, lib 4, dist 13, cap 1, η 4 und 6 (ed. cit. 312-313): „Illi vero qui
exeommunicati sunt, vel de haeresi manifeste notati, non videntur hoc sacramentum posse
conficere, licet sacerdotes sint: quia nemo dicit in ipsa consecratione offero, sed qfferimus, quasi
ex persona Ecclesiae. Et ideo, cum alia sacramenta extra Ecclesiam possint celebrari, de hoc non
videtur <..> Ex his colligitur, quod haereticus a Catholica praecisus nequeat hoc sacramentum
conficere, quia saneti angeli, qui huius mysterii celebrationi assistunt, tunc non adsunt, quando
haereticus vel simoniacus hoc mysterium temerare praesumit".
45 Zu inhaltlichen Aspekten des Libellus s.: LANDGRAF, Dogmengeschichte W2 240-243; CLASSEN.
Gerhoch 80-86; CLASSEN, Der Häresie-Begriff "34-35. .
Die Reflexion der Lateiner 319

des „passiven Effekts" des Sakraments notwendig ist, uniform ist. Aus seiner Sicht
geben die Griechen, wenn sie mit gesäuertem Brot zelebrieren, „die ursprüngliche Ein-
setzung Christi nicht auf, die sie aber aufgegeben hätten, falls sie nicht Brot, sondern
etwas anderes darbrächten, zum Beispiel Käse oder etwas derartiges, was Christus
selbst nicht dargebracht hat". Dadurch erkennt Gerhoch die griechische Zelebration als
für den effectus passivus ausreichend an46. Was ist aber mit dem effectus activusl Wenn
auch Gerhoch an dieser Stelle keine weiteren Schlüsse bezüglich des griechischen Sa-
kraments zieht, kann man dennoch aus seinen weiteren Feststellungen ablesen, daß der
effectus activus bei den Griechen nicht gewährleistet wäre, wenn man sie als von der
Kirche abgefallen betrachten würde. Nach Gerhoch treffe dies grundsätzlich bei den
Sakramenten der Häretiker und Schismatiker zu47. Aus strenger Sicht, falls man etwa
von dem gregorianischen Grundsatz „Jener ist nicht für katholisch zu halten, der mit der
römischen Kirche nicht übereinstimmt," ausgehen würde, müßte man also den Griechen
die Gültigkeit ihrer Eucharistie absprechen. Es ist jedoch bezeichnend, daß Gerhoch
diesen Schluß nicht zieht. Ein Jahrhundert später scheint Alexander von Haies diese
Konsequenz gezogen zu haben, aber auch sein Text läßt mehrere Interpretationen zu48.
Es gab aber auch andere Meinungen, die ebenfalls von der Ekklesiologie her argu-
mentierten, jedoch in entgegengesetzter Richtung: Es sei absurd anzunehmen, daß die

46 GERHOCH VON REICHERSBERG, Libellus, ed. cit. 260: „nie quidem sacramentorum effectus, quem
diximus passivum, semper est uniformis, et tarn extra quam intra ecclesiam unius institutionis vel
constitutionis quantum ad partes principaliter constitutivas, nam in seeundariis et appendieiis
partibus modus est interdum varius et multifarius, prout singularum ecclesiarum est usus. At
principali sacramentorum constitutione semper modus est unus et uniformis in omnibus ecclesiis,
Graecis et Latinis. Nam in eo, quod Graeci fermentatum panem offerunt, principalem Christi
constitutionem non omittunt, quam tunc omitterent, si aliud, quam panem offerrent: verbi gratia,
caseum vel tale aliquid, quod Christus non obtulit".
47 Ebd., 263: „qui sacramenta ecclesiae data extra ecclesiam celebrat, nihil facit, quia ibi Signum rei
sacrae adhibet, ubi res sacra esse non potest". S. auch: ebd., 262: „Cooperante namque unitate,
sacramenta nonnichil efficiunt, quia operantur in creaturis triforma opus Creatoris, id est
sanetificationem, permutationem, salutem. <...> permutationem, ut in pane ac vino, quae dum
sacrificantur, in aliud permutantur. <...> At vero ubi dissentientes seseque per haereses et
Schismata ab unitate ecclesiae dividentes a Christo praecisunt, mortuum est eorum omne verbum
et sacramentum; et quiequid agere videntur, irritum; quiequid sanetificare putantur, pollutum est".
Daraus muß man folgern, daß bei Schismatikern und Häretikern keine Wandlung („permutatio")
der eucharistischen Gestalten stattfindet.
48 ALEXANDER VON HALES, Quaestiones antequam, q 51, disp 2, mem 2, η 48 (ed. cit. 912): „Licet
ergo virtus verborum habeat potestatem et in hac materia et in illa, tarnen, cum potestas quae est
unum coneurrentium ad consecrationem sit coaretata in ministris Ecclesiae occidentalis, exigitur
materia ut hie, scilicet materia in azymis in Ecclesia occidentali, quia minirne consecraret
praecisus ab Ecclesia. Non sie ergo coneurrunt haec potestas hie et intentio ut hie, et materia hie,
scilicet in azymis, et virtus simpliciter, quae indifferenter se habet".
320 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Griechen, die ja der Kirche Christi zweifelsohne angehören, keine Eucharistie besitzen.
Lassen wir stellvertretend Petrus Cantor zu Wort kommen:
„Wir bezweifeln nicht, daß konsekriert sei, wenn man gesäuertes Brot dafür verwendet, denn
die Griechen verwenden niemals Azymen, sondern gesäuertes Brot, und wir wollen nicht die
gesamte Kirche der Griechen verurteilen"49.

Zu einem ähnlichen Schluß gelangte Petrus Comestor mit Blick auf die Wasserbeimi-
schung: Die Griechen mischen angeblich kein Wasser bei. Nun wäre es aber unsinnig
zu behaupten, daß so eine fromme und große Kirche wie die griechische deshalb kein
gültiges Eucharistiesakrament besitze50.
Auch bei Innozenz III. findet man Spuren derselben konzilianten Haltung, auch wenn
seine unmittelbaren Quellen nicht geklärt sind. Seine Stellungnahme ist aber verglichen
mit anderen Texten, die sich diesem Problem widmen, sehr zurückhaltend. Letztendlich
enthält er sich eines definitiven Urteils51:
, 3 s wird gefragt, ob derjenige, der gesäuertes Brot darbringt, das [wahre] Opfer verrichtet,
insbesondere falls er dies aus Nachlässigkeit oder aus Unwissenheit tut. Oben wurde ja hinrei-
chend gezeigt, daß Christus ungesäuertes Brot konsekrierte, als er das Sakrament einsetzte.
Aber bis heute bringen viele das eucharistische Opfer mit gesäuertem Brot dar, mit denen die
römische Kirche wie mit wahren Katholiken Gemeinschaft pflegt. Die Lösung dieser Frage
schieben wir aber besser auf, damit sie anderswo kompetenter gelöst werde"52.

Einer ausdrücklichen Argumentation von der Ekklesiologie her begegnet man jedoch
nur in wenigen Fällen. Viele Autoren trennten hinsichtlich der Gültigkeit der Sakra-
mente scharf zwischen ekklesiologischen und moraltheologischen Erwägungen. Weder
Häresie noch Schisma noch der moralische Zustand des Priesters hätten irgendwelche

49 PETRUS CANTOR, Summa de sacramentis et animae consilüs, pars 3, cap 38, § 293 (ed. cit. ni/2a
326): „Non enim dubitamus quin confectum sit si conficiatur de fermentato, quia Greci nunquam
conficiunt in azimis sed in fermentato, nee nos uolumus damnare uniuersam ecclesiam
Grecorum".
50 Den Wortlaut s. oben, S. 194 Anm. 153.
51 TILLMANN, Papst Innozenz 14 Anm. 89, ist der Ansicht, daß der Papst in der zweiten Redaktion
des Buches seine Meinung in Hinblick auf die Union mit den Griechen, die seiner Ansicht nach
infolge der Gründung des lateinischen Kaiserreiches Konstantinopel eingetreten war, geändert
habe. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß diese Passage etwas mit den Ereignissen nach 1204 zu
tun hat; jedoch zeigt gerade sie, wie zurückhaltend Innozenz ΠΙ. gegenüber der sakramentalen Ei-
genart der Griechen war.
52 INNOZENZ HL, De missarum mysteriis, lib 4, cap 33 (ed. cit. 878): „Quaeritur autem, utrum qui
fermentatum sacrificat, sacrificium conficiat, praesertim si negligenter vel ignoranter hoc faciat.
Superius enim sufficienter ostensum est, quod Christus azymum consecravit, cum sacramentum
instituit. Sed adhuc multi sacrificant de fermentato, quibus tanquam vere catholicis Ecclesia
Romana communicat. Verum haec quaestio melius solvenda differtur, ut alias competentius
solvatur". . . . . . . .
:
Die Reflexion der Lateiner 321

negativen Auswirkungen auf die Gültigkeit des in Übereinstimmung mit dem kirchli-
chen Brauch vollzogenen Sakramentes. Dieser Gedanke kommt besonders bei den
Theologen aus der Porretanerschule wie Alanus von Lille53 und dem Autor der Summa
Zwettlensis 54, aber auch bei Huguccio, Praepositinus und Guido von Orchelles zum
Tragen55. Es ist interessant zu beobachten, daß gerade diese geistige Strömung sich
auch nachdrücklich für die Anerkennung der griechischen Zelebrationsweise ausspricht,
wie wir bei dem Aspekt der „Gewohnheit" weiter unten noch sehen werden.
Ein Sonderfall begegnet beim sog. „Normannischen Anonymus". Er scheint der
Meinung zuzuneigen, daß sich die beiden sakramentalen Bräuche gegenseitig aus-
schließen. Entweder müsse eine von beiden oder alle beide Zelebrationsweisen ungültig
sein:
„Man darf nicht außer Acht lassen, daß die Bischöfe der Griechen mit anderen Worten und mit
anderem Ritus konsekriert werden und sie in Tonsur, Bekleidung und in der Sakramenten-
spendung einem anderen Brauch folgen. Sie sind ja bärtig und langhaarig, sie zelebrieren mit
Sauerteig, und verwenden unsere Gebete des Meßkanons oder der Klerikerweihen nicht. Diese
Sache ist uns ein Hinweis darauf, daß entweder wir oder sie, oder vielleicht auch beide der
göttlichen Autorität nicht folgen und daß entweder unseren oder ihren Gebeten das Vermögen
oder die Gewalt des Konsekrierens nicht innewohnt"56. fc

Obwohl daraus implizit zu folgen scheint, daß zumindest einer der beiden Bräuche
ungültig sein müßte, lag diese Schlußfolgerung gewiß nicht in der Absicht des Norman-
nischen Anonymus. Wie aus dem Kontext seines Traktats J 18 hervorgeht, knüpfte der
Autor die Gültigkeit der Konsekration an den moralischen Zustand des Zelebranten.
Das Beispiel der byzantinischen Eigenart diente in diesem Zusammenhang eher dazu,
die Konsekrationsformel und die sakramentalen Bräuche der Ortskirchen grundsätzlich
zu relativieren. Nicht durch die Konsekrationsformel, die ja in den verschiedenen Kir-
chen differieren können, sondern ausschließlich durch die Wirkung Gottes komme die
Konsekration zustande. So gesehen weisen seine Ausführungen eher in Richtung einer
Gleichwertigkeit der beiden sakramentalen Bräuche.

53 ALANUS VON LILLE, Regulae caelestis iuris, cap 109 (ed. cit. 213): „sacerdos hereticus, ordinatus
tarnen in forma ecclesie, quamvis non adhibeat fidem sacramento, si tarnen intendat seruare
formam ecclesie in missam celebrando consecrat".
54 SUMMA ZWETTLENSIS, üb 4, η 288-290 (ed. cit. 193).
55 Dazu s.: LANDGRAF, Dogmengeschichte m/2 231-239.
56 NORMANNISCHER ANONYMUS, ed. cit 106: „Sed non est praetereundum, quod Graecorum
episcopi aliis verbis et alio ritu consecrantur, et in tonsura et habitu et in officiis sacramentorum
diversum morem sequuntur. Barbati enim sunt et comati et de fermento sacrificant, et nostris non
utuntur secretis vel orationibus, canonis vel clericorum ordinationis. Quae res nobis inditio est,
aut nos aut illos aut forsitan utrosque divinam auctoritatem non sequi, nee nostris vel illorum
orationibus inesse vim vel potentiam consecrandi".
322 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

c. Welcher Brauch ist „besser"?


Geht man darin einig, daß die griechische Eucharistie und die griechische Taufe gültig
seien, so stellt sich die Frage, welche Zelebrationsweise, welcher Brauch - der römische
oder der griechische - einen größeren Wert besitzt. Die meisten lateinischen Theologen
antworten darauf, daß der römische Brauch dem griechischen überlegen sei.
Die Bewertung der Bräuche resultiert aus der typologischen Erklärung der beiden
Brotarten. Humbert kam in seiner Untersuchung des typologischen Begriffsapparates
von Gesäuertem und Ungesäuertem in der Hl. Schrift und bei den Vätern zu dem
Schluß, daß der Tod Christi in angemessenerer Weise (convenientius) durch das unge-
säuerte Brot verkündet werde. Der Gebrauch des ungesäuerten Brotes sei wegen des
Vergleiches in 1 Kor 5, 8 („die ungesäuerten Brote der Lauterkeit und Wahrheit") dem
gesäuerten vorzuziehen. Aber nicht nur der typologische Dualismus spreche dafür, auch
rein praktische Überlegungen geben dem ungesäuerten Brot den Vorzug vor dem ge-
säuerten, denn „das gesäuerte Brot wird nach kurzer Zeit schimmelig, was mit dem
ungesäuerten äußerst selten geschieht, weil es voll und fest ist, nicht gequollen und
löchrig wie das gesäuerte". Diese Eigenschaften des gesäuerten Brotes spiegelten den
üblen Charakter der Griechen57. In die gleiche Richtung weist auch Laycus von Amalfi,
der vom lateinischen Opfer als dem reineren und lauterem sprach58. Von ihm übernahm
diese Feststellung Bruno von Segni59. Ein interessantes Beispiel für ähnliche Ansichten
aus dem 13. Jahrhundert bietet eine Stelle aus den Predigten Bonaventuras über die
Eucharistie, der auch das rupertianische Motiv des Durchsäuertseins der Byzantiner mit
Häresien aufgreift:
„Durch die ungesäuerten Brote wird die Lauterkeit der Lebensführung bezeichnet <...> Daher
sagt der Apostel im 1. Brief an die Korinther: <...> »Laßt uns Festfeier halten, nicht mit dem
Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit dem Ungesäuerten der Lauterkeit und
Wahrheit«. Was hat Christus mit dem Sauerteig zu tun? Aber die griechischen Böcke, die
Liebhaber der Frauen, zelebrieren mit dem Sauerteig, weil sie durchsäuert sind. Uns Reinen
aber sind die Azymen ohne Sauerteig angemessen"60.

57 WILL 107a: „Deinde panis fermentatus parvo situ efficitur mueidus, quod rarissime ineurrit
azymus, utpote plenus et solidus, non tumidus et cavemosus, uti fermentatus, qui licet magna ex
parte impar sit vestris laudibus, tarnen per omnia par est vestris moribus".
58 MICHEL, Amalfi und Jerusalem 37: „...sacrificium nostrum, quod purius sinceriusque sit illorum
sacrifkio".
59 BRUNO VON SEGNI, De sacrificio azymo, ed. cit. 1085 C.
60 BONAVENTURA, Sermones duo de mirabilibus Eucharstiae, Sermo 2 (ed. cit. 160): „Per azimos
panes notatur sinceritas vitae <...> Unde Apostolus, 1 ad Cor, dicit: <...> epulemur non in
fermento malitiae et nequitiae, sed in azimis sinceritatis et veritatis. Quid Christo et fermento?
Graeci vero hirci amatores feminarum conficiunt in fermento, quia fermentati sunt; nobis autem
sinceris conveniunt azima sine fermento". Vgl.: DERS., Sermones de tempore, ed. cit. 248:
„Comedent panes azymos <...> Per hoc notatur sinceritas seu puritas animae <...> unde Apostolus
Die Reflexion der Lateiner 323

Die Äußerungen von 1053/54, die aus der unmittelbaren polemischen Reaktion stamm-
ten, hat Anselm von Canterbury theoretisch zu formulieren versucht. Hand in Hand mit
seiner Feststellung, daß beide Brotarten der gleichen Substanz sind, und der daraus
resultierenden Gültigkeit der beiden eucharistischen Bräuche geht bei Anselm eine
eindeutige Aussage im Sinne der Überlegenheit des lateinischen Brauchs gegenüber
dem griechischen einher. Bereits aus seiner Begründung der Substanzgleichheit der
Brotarten wird implizit die höhere Würde der lateinischen Gewohnheit ersichtlich, denn
laut Anselm unterscheiden sich Gesäuertes und Ungesäuertes voneinander nicht sub-
stanziell, „ähnlich wie der neue Mensch vor der Sünde und der durch den Sauerteig der
Sünde alte Mensch sich keineswegs voneinander substanziell unterscheiden"61. Der
Vergleich spiegelt zwar eine Gleichheit vor, wertet aber unterschwellig dennoch zugun-
sten des ungesäuerten Brotes. Anselm wird aber noch klarer:
„Es ist jedoch höchst offenkundig, daß das Opfer besser mit ungesäuertem als mit gesäuertem
Brot dargebracht wird, weil es sowohl wesentlich geeigneter, reiner und sorgfältiger geschieht,
als auch weil es der Herr so machte"62.
Nach Anselm gibt es nur zwei Alternativen: „Entweder wir allein handeln gut, und sie
nicht gut, oder falls sie gut handeln, handeln wir noch besser und sorgfältiger"63. Ein
weiteres Argument für die Überlegenheit des ungesäuerten Brotes war der bloße Hin-
weis, daß dieser Brauch der Brauch der römischen Kirche ist. Die weitere Argumentati-
on ähnelt dem Gedankengang der ekklesiologischen Erwägungen über die Notwendig-
keit, mit der römischen Kirche übereinzustimmen. Nach Gerhoch von Reichersberg
würden die Griechen „vernünftiger" (rationabilius) handeln, wenn sie mit der römi-
schen Kirche übereinstimmten und das ungesäuerte Brot darbrächten64.
Aus Humbert, Anselm und Gerhoch ergeben sich also vier Punkte, mit deren Hilfe
man die Überlegenheit des lateinischen Brauchs nachweisen konnte: (1) die Einsetzung
durch Christus (biblische Begründung); (2) die Dialektik des ungesäuerten bzw. gesäu-
erten Brotes in der Hl. Schrift (typologische Begründung); (3) die bloße Tatsache, daß

primae ad Corinthios: <...> epulemur non in fermento veieri neque in fermento malitiae et
nequitiae, sed in azymis sinceritatis et veritatis, quia nee Christus in fermento Wahrscheinlicher
genau so wie in der oben angeführten Stelle: Quid Christo et fermento? Vgl. Apparat in Opera
omnia, Anm. 9>. Ipsi Graeci conficiunt in fermentato et habent uxores, unde fermentati sunt; sed
nobis competunt azyma, id est sine fermento".
61 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacrißcio azimi, ed. cit. 221: „Non enim differunt azymus
et fermentatus substantialiter <...>, sicut homo novus ante peccatum et inveteratus fermento
peccati nequaquam substantialiter differunt".
62 Ebd., 225: „Apertissimum tarnen est quia melius sacrificatur de azimo quam de fermentato, cum
quia valde aptius et purius et diligentius fit, turn quia Dominus hoc fecit".
63 Ebd., 228: „...aut soli nos bene agimus, illi non bene, aut nos melius et diligentius, si illi bene".
64 GERHOCH VON REICHERSBERG, Libellus de eo, quodprineeps mundi, ed. cit. 260: „...rationabilus
facerent, si azimum panem offerendo sanetae Romanae ecclesiae concordarent...".
324 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

die römische Kirche diesen Brauch praktiziere (ekklesiologische Begründung);


(4) Überlegungen der besseren Haltbarkeit des ungesäuerten Brotes (praktische Be-
gründung). Die drei ersten Punkte sind uns bereits aus der vorherigen Diskussion be-
kannt; neu ist nur der letzte Punkt hinsichtlich der praktischen Handhabung des euchari-
stischen Brotes, der auch bei späteren Autoren ab und zu vorkommt, etwa bei Anselm
von Havelberg:
„Falls Du richtig erwägst, ist dein Sauerteig auf keinen Fall so geeignet mit Ehrfurcht behan-
delt zu werden wie unsere Azymen <...>, weil das gesäuerte Brot, wenn man es in die Hand
nimmt und wenn es gebrochen wird und wenn es ausgeteilt wird, sich sehr leicht in zahlreiche
Brösel auflöst, und auf keinen Fall so sorgfältig, wie es sich gehört, aufbewahrt werden
kann"65.
Es ist bezeichnend, daß gerade von den Autoren, die die Gültigkeit der Konsekration
mit gesäuertem Brot ausdrücklich anerkannten, die Überlegenheit des lateinischen
Brauchs besonders stark hervorgehoben wurde, so nicht nur bei Anselm von Canterbu-
ry, sondern etwa auch bei Wilhelm von Militona66. Auch in den früheren Arbeiten des
Thomas von Aquin trifft man auf Feststellungen, daß das ungesäuerte Brot „der Rein-
heit des mystischen Leibes, nämlich der Kirche, besser entspricht"67. Thomas kennt
auch den Vergleich der beiden Brotarten mit den beiden Weinsorten, der von der Sum-
ma Zwettlensis als Argument für eine Gleichberechtigung der beiden Bräuche angeführt
wurde. Thomas bringt im Sentenzenkommentar folgendes Argument:
„Wie weiß und rot Akzidentien des Weins sind, so sind ungesäuert und gesäuert Akzidentien
des Brotes. Es wird aber unterschiedslos mit Weißwein bzw. mit Rotwein konsekriert. Folglich
braucht man beim Brot nicht stärker darauf achtzugeben, ob es ungesäuert oder gesäuert ist, als
beim Wein, ob er weiß oder rot ist"68.

Seine Antwort lautet:

65 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 18 (BALUZE 204 = PL 1238 C-D): „Praeterea
si recte consideres, nequaquam ita habile est ad traetandum cum reverentia tuum fermentum sicut
azyma nostrum <...>, quoniam fermentatum quando traetatur, et quando frangitur, et quando
distribuitur, facillime in plures micas solvitur, et nequaquam tarn caute, nee ornnino sine
negligentia, sicut oportet, custodiri potest".
66 WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 4, pars 3, q 9, η 17b (ed. cit. 555):
„Etsi utroque pane confici possit, nihilominus panis azymus magis congruit consecrationi; et hoc
ratione multiplici. Una ratio est ex debito conformationis corporis, quod est Ecclesiae, ipsi capiti
Christo, qui de huiusmodi pane confecit".
67 THOMAS VON AQUIN, Contra errores Graecorum, pars 2, cap 39 (ed. cit. Α 104): „Hoc etiam patet
quod magis congruit puritati Corporis mystici, id est Ecclesiae, quae in hoc sacramento figuratur".
68 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2c, arg 9 (ed. cit. 479): „Sicut album et
rubeum sunt aeeidentia vini; ita azymum et fermentatum sunt aeeidentia panis. Sed indifferenter
conficitur de vino albo et rubeo. Ergo non magis debet attendi de pane an sit azymus vel
fermentatus, quam de vino, an sit album vel rubeum".
Die Reflexion der Lateiner 325

„Weiß und rot machen beim Wein nicht solch einen Unterschied in der Bezeichnung des Sa-
kraments aus wie ungesäuert oder gesäuert beim Brot; deshalb lassen sich beide diesbezüglich
nicht gut miteinander vergleichen"69.

Später hat Thomas seine Position zur Azymenfrage erheblich korrigiert70.


Trotzdem gibt es eine Gruppe von Autoren, die, wenn auch nicht immer ausdrück-
lich, von der Gleichwertigkeit der beiden Bräuche auszugehen scheinen. Dieser Ein-
druck entsteht vor allem dadurch, daß sie den Schwerpunkt ihrer Erörterung auf die
grundsätzliche Gleichwertigkeit unterschiedlicher Gewohnheiten in der einen Kirche
legten, wie Anselm von Havelberg, Petrus Venerabilis und Peter von Wien. Über diese
Autoren wird jedoch unten im Zusammenhang des kirchenrechtlich-praktischen Pro-
blemfeldes die Rede sein.

3. Das kirchengeschichtliche Problemfeld

Breiten Platz nehmen in der Reflexion der Lateiner jene Versuche ein, die nach einer
historischen Erklärung der griechischen sakramentalen Eigenart suchen. Der Ausgangs-
punkt aller historischen Überlegungen beruhte auf der Überzeugung, daß Jesus mit
ungesäuertem Brot bzw. mit der Wasserbeimischung zelebriert habe. Die Argumente
dafür haben wir im Kapitel über die Antwort der Lateiner auf die griechischen Angriffe
hinreichend erörtert. Was jedoch die Praxis der Urkirche und der Kirchenväter angeht,
so findet man in der lateinischen Literatur durchaus unterschiedliche Ansichten. Die
überwiegende Mehrheit der lateinischen Theologen war der Überzeugung, daß die Ur-
kirche und die Kirchenväter mit ungesäuertem Brot zelebriert haben und daß die Kirche
Konstantinopels von diesem ursprünglichen Brauch abgewichen sei. Die einen schrie-
ben diese Abkehr der Bösartigkeit der Byzantiner zu, andere versuchten dagegen, in der
byzantinischen Bevorzugung eines anderen Brauchs einen berechtigten Grund zu fin-
den.
Für Laycus von Amalfi stellt die Zelebration mit gesäuertem Brot an sich noch kei-
nen Affront gegen die lateinischen Kirche dar. Er bestreitet auch nicht, daß bereits die
griechischen Väter mit gesäuertem Brot zelebriert haben. Ihm kommt es einzig darauf
an, daß die römische Kirche deswegen nicht angegriffen werde:
„Wenn auch ihre frömmsten, heiligsten und weisesten Väter und Lehrer bemüht waren, dem
allmächtigen Herrn das Opfer aus gesäuertem Brot darzubringen, so sehen wir jedoch nir-
gends, daß sie unsere Darbringung für nichtig gehalten oder ausgelacht hätten, weil sie es nicht
konnten und es nicht wagten, sondern immer in der Gemeinschaft der heiligen römischen Kir-
che treu verharrten und ihr Untertan waren. Und sie konnten keine Autorität, weder einen Be-

59 Ebd., S. 480: „Album et rubeum non ita faciunt differentiam in significatione sacramenti circa
vinum, sicut azymum et fermentatum circa panem; et ideo non est similis ratio de utroque".
70 Dazu unten,S. 368-371. • • • : • • .
326 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

fehl des Herrn noch einen der Apostel aufweisen, daß das Opfer mit gesäuertem Brot zu kon-
sekrierensei"71.

Rupert von Deutz sieht als Ursache des byzantinischen Angriffs auf den römischen
Brauch „die Arroganz des konstantinopolitanischen Stuhls", der ungeachtet aller über-
zeugenden Argumente hartnäckig die Gewohnheit der römischen Kirche verabscheut 7 2 .
Innozenz III. äußerte die Vermutung, die Byzantiner hätten den Ritus der Eucharistie
erst nach dem Schisma geändert, um einen ständigen Vorwand für die Trennung von
Rom zu haben:

„[Die römische Kirche] empfing diesen Opferritus von den heiligen Aposteln Petrus und Pau-
lus selbst, die sie als Lebende beherbergte und als Tote aufbewahrte, und sie bewahrte diesen
Ritus bis heute in unversehrter Verehrung. Die Griechen aber, nachdem sie den nahtlosen
Rock des Herrn zerrissen hatten, änderten vermessen den Ritus des Opfers, damit sie einen
Anstoß zu fortwährender Trennung vorschützen könnten"73.

Ähnlich schreibt, offensichtlich von Innozenz III. abhängig, Jakob von Vitry: E r ver-
mutet jedoch als Grund für den Wechsel des eucharistischen Brauchs bei den Griechen
den Unwillen, die römischen Kirche nachzuahmen:
„Diesen Opferritus haben die Griechen, nachdem sie das nahtlose Gewand des Herrn aus Neid
gegenüber den Lateinern zerrissen hatten, mit beharrlicher Kühnheit verändert, damit man
nicht glaube, sie ahmten die römische Kirche nach, und bis heute feiern sie das Opfer mit ge-
säuertem Brot, ohne auf das Geheimnis und auf die verbindliche Kraft der Hl. Schriften zu
achten"74.

71 MICHEL, Amalß und Jerusalem 36: „Licet illorum religiosissimi, sanctissimi atque sapientissimi
patres ac doctores fuerint et studuerint ex fermentato pane omnipotenti domino sacrificium
offerre, tarnen numquam invenimus illos nostram oblationem evacuantes aut deridentes, quia nee
valuerunt nee ausi sunt, sed semper in communione sanetae catholicae Romanae ecclesiae
perstiterunt ac subiecti ei fuerunt et nullam auetoritatem nee in dominica nee apostolica iussione
ostendere potuerunt, ut sacrificium de fermentato pane deberet consecrari". (vgl. BRUNO VON
SEGNI, Tractatus de sacrißcio azymo, ed. cit. 1085 B; der in der PL abgedruckte Text ist sehr
korrupt).
72 RUPERT VON DEUTZ, De divinis offieiis, lib 2, cap 22 (ed. cit. 52): „...de fermentato Graeci
immolant, et nescio, qua auetoritate sufiragante, quae proeul dubio de authenticis numquam
profeeta est Scripturis, tarn legalem quam euangelicam Romanae ecclesiae consuetudinem nimis
pertinaciter abhorrent Veris persaepe rationibus superati sunt sed Constantinopolitanae sedis
arrogantia, multarum haeresium genetrix, cedere dedignata est".
73 INNOZENZ ΠΙ, De missarum mysteriis, ed. cit. 858 A: „Ab ipsis ergo beatis apostolis Petro et
Paulo, quos et vivos habuit, et defunetos custodit, hunc sacrificii ritum aeeepit, quem hactenus
inviolabili eultu servavit. Graeci vero postquam tunicam Domini inconsutilem diviserunt, ut
perpetuae divisionis scandalum interponerent, sacrificii ritum temere mutavere".
74 JAKOB VON VITRY, Historia occidentalis, cap 38 (ed. cit. 219): „Hunc sacrificandi ritum Greci,
postquam tunicam inconsutilem inuidia Latinorum diuiserunt, ne Romanam Ecclesiam imitari
Die Reflexion der Lateiner 327

Die meisten lateinischen Theologen waren überzeugt, daß die Kirche seit jeher mit
ungesäuertem Brot zelebriert habe. Daher sei die byzantinische Gewohnheit eine klare
Abweichung von der immer und überall geltenden Praxis. Jedoch gab es Autoren, die
der Ansicht waren, daß in der alten Kirche beide Brotarten verwendet wurden, so daß
man jenes Brot nahm, das gerade vorhanden war. Zu den Vertretern dieser Meinung
zählten Anselm von Havelberg, der seine Ansicht in den Mund des „Nechites" legte ,
und Bonizo von Sutri. Nach der Ansicht des letzteren erfolgte die Anordnung des unge-
säuerten Brotes in der römischen Kirche erst durch Papst Alexander I. (105-115):
„Er hat außerdem befohlen, daß man ausschließlich ungesäuertes Brot darbringe, denn früher
opferte man ohne Unterscheidung sowohl ungesäuertes als auch gesäuertes Brot. Er schrieb
femer vor, daß man beim Meßopfer dem Wein Wasser beigebe"76.

Mit einer ganz neuen Genese des sakramentalen Unterschieds wartete Alexander von
Haies auf:
„Die Griechen haben diese Art der Zelebration aus folgendem Grund. Nach Petrus übernahm
Euodius den antiochenischen Stuhl für 23 Jahre, der auch als erster die an Christus Glauben-
den »Christen« nannte. Die Juden aber pflegten in urkirchlicher Zeit zur Kirche zu kommen,
besonders deswegen, weil die Christen mit Azymen zelebriert haben. Später jedoch pflegten
die Juden das ungesäuerte Brot mit sich zu nehmen und es aus Verachtung den Hunden vor-
zulegen. Als dies besagtem Heiligen berichtet wurde, gab er dies dem Papst zur Kenntnis. Da-
her wurde ihm danach aufgetragen und vorgeschrieben von dem, der der römischen Kirche
vorstand, nämlich vom Papst, daß sie für eine gewisse Zeit mit gesäuertem Brot zelebrieren
sollten. Infolgedessen blieben die Juden weg. Von da an pflanzte sich dieser Brauch in der
östlichen Kirche ein. Die Nachfolger aber, die den Grund dieser Anordnung nicht kannten,
wollten Gründe dafür ausfindig machen und meinten, daß sie die oben genannten Gründe der
Heiligen Schrift entnehmen könnten"77.

uiderentur, pertinaci contumacia mutauerunt et usque hodie ex fermentato conficiunt, non


attendentes misterium neque uirtutem scripturarum".
75 ANSHLM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 13 (BALUZE 200 = PL 1229 C): „...tarn isti
[Graeci] quam illi [Latini] modo fermento, modo azymo, juxta quod opportunitas offerentium
suadebat, indifferenter in ministerio altaris utebantur".
76 BONIZO VON SUTRI, Libellus de sacramentis, ed. cit. 154: „Instituit praeterea, ut panis tantum
azimus offerreretur, nam antea indifferenter et fermentatus et azimus offerebatur. Praecepit etiam,
ut in sacrificio aqua vino misceretur". Bonizo überträgt offensichtlich die Verordnung bezüglich
der Wasserbeimischung, die als Werk des Papstes Alexander galt, auf die Brotarten: vgl.
DKCRETUM GRATIANI, D. 2 de cons. c 1 (ed. cit. 1314).
77 ALEXANDER VON IIALES, Quaestiones antequam, q 51, disp 2, mem 1 (ed. cit. 909): „Habuerunt
Graeci hunc modum celebrandi ex fermentatum ex hoc: post Petrum obtinuit sedem Antiochenam
Evodius 23 annis, qui in Christum credentes primo christianos nominavit. Solebant autem Iudaei
in primitiva Ecclesia convenire ad ecclesiam, et magis propter hoc, quia in azymis celebrabant
christiani. Sed post solebant Iudaei panem azymum deferre secum, et in despectum canibus
tradere. Quod cum denuntiatum esset praedicto saneto, signifieavit illud Papae. Unde post
328 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Der Ursprung dieses Textes ist nicht geklärt. Albertus Magnus liefert eine ähnliche
Information, allerdings über einen „Papst Leo":
„Papst Leo sagt, daß wegen des Spottes der Juden im Altertum die ganze Kirche mit gesäuer-
tem Brot zu zelebrieren beschloß, damit man nicht denke, wir judaisierten. Wenn nun dies die
Gewohnheit der Väter war, scheint es, daß auch wir sie beobachten müssen"78.

Die Antwort des Albertus Magnus auf diesen Einwand lautet:


„Dies geschah aufgrund einer befristeten Dispens, wie auch im Falle der Taufe im Namen
Christi79. Nachdem aber der Spott der Juden aufhörte und die Kirche an Tugend und Kraft zu-
nahm, wurde der Brauch der ursprünglichen Einsetzung des Sakraments wiederaufgenommen.
Die Frecheren aber behielten den Ritus, der uns für eine Zeit gestattet war. Denn wie Papst
Leo erzählt, zelebrierte man zunächst mit Ungesäuertem, später aus dem oben genannten
Grund mit Gesäuertem und schließlich erneut mit Ungesäuertem. Und damals fingen die Grie-
chen an, dagegen zu streiten"80.

Diese Nachricht bei Albert scheint Thomas von Aquin gelesen zu haben, der sie im
Sentenzenkomentar wiederholt81, und selbst noch in der Summa Theologiae kurz er-

mandatum fiiit ei et rescriptum ab illo qui praeerat Ecclesiae Romanae, scilicet a Papa, ut per
aliquantum tempus celebrarent in fermentato; et ob hoc recesserunt Iudaei, et hinc inolevit mos
iste in Ecclesia orientali. Successores autem, non intelligentes rationem huius institutionis,
volentes rationes quaerere, volebant praedictas rationes ex Scripturis trahere".
78 ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, dist 12, C, art 8, sc 7 (ed. cit. 307): „Leo Papa dicit,
quod propter insultationem Judaeorum antiquitus tota Ecclesia statuit confici in fermentato, ne
judaizare videremur: cum igitur haec fuit consuetudo Patrum, videtur quod et nobis sit
observanda".
79 Zu dieser Frage, die offensichtlich einige Parallelen mit der Problematik der byzantinischen sa-
kramentalen Eigenart aufweist, s.: GILLMANN, Taufe „im Namen Jesu" oder „im Namen
Christi"? (1913).
80 ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, dist 12, C, art 8, ad 7 (ed. cit 308): , 3 0 c factum fuit ex
dispensatione ad tempus, sicut etiam baptismus in nomine Christi. Cessante autem irrisione
Judaeorum, et cum praevaleret in virtutibus Ecclesia et viribus, resumpsit usum primae
institutionis sacramenti. Proterviores autem tales ritus temporalis dispensationis retinuerunt. Sicut
enim narrat Leo Papa, primo conficiebatur in azymo, deinde ex causa prius dicta in fermentato,
tertio iterum in azymo; et tunc in contrarium Graeci litigare inceperunt".
81 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2c, corp. art. (ed. cit. 480): „Causa
autem hujusmodi diversitatis est, quia Dominus in azymo confecit, ut ex tribus Evangelistis
habetur manifeste, et ita in primitiva ecclesia Apostoli celebrabant; quem morem Romana
Ecclesia ab Apostolis, qui ipsam fundaverunt, accepit, ut Innocentius 3 dicit. Sed postea, ut dicit
Leo Papa imminente haeresi Ebionitarum, qui dicebant simul cum Evangelio legalia observanda,
sancti patres ne eis consentire viderentur, voluerunt ad tempus instinctu Spiritus Sancti ex
fermentato confici sacramentum: postea cessante illa haeresi, Ecclesia Romana ad pristinum
morem rediit; Graeci autem servare voluerunt morem ad tempus a patribus introductum, ulterius
addentes non posse confici nisi de fermentato".
Die Reflexion der Lateiner 329

wähnt82. Ebenfalls übernehmen diesen Bericht Bonaventura83 und Petrus von Tarentai-
se84. Richard von Mediavilla kennt diese Geschichte als Argument der Griechen zugun-
sten des fermentierten Brotes85. Seine Antwort darauf stimmt mit jener des Thomas von
Aquin und des Petrus von Tarentaise überein86. Später hat auch Duns Scotus diese
Ätiologie übernommen87. Aus diesen Texten wird der Versuch ersichtlich, nicht nur die
sakramentale Abweichung zu erklären, sondern auch die Gründe aufzuspüren, warum
die Griechen die Lateiner angegriffen haben. Nach Bonaventura taten sie das aus
Hochmut {tanquam superbi), und ihre Arroganz motivierte sie, auch Gründe für ihren

82 THOMAS VON AQUIN, Summa theologiae, 3a pars, q 74, art 4 corp (ed. cit. 441): „Habet tarnen
haec consuetudo Graecorum aliquam rationem: <...> in detestationem haeresis Nazareorum, qui
legalia Evangelio miscebant".
83 BONAVENTURA, In IV. Sententiarum, dist 11, pars 2, art 2, q 1 (ed. cit. 262): „Ad illud quod
quaeritur de controversia Graecorum et Latinorum, dicendum, quod, sicut dicit Leo Papa, antiqui
Patres propter Iudaeorum institutionem [so Opera omnia; insultationem?], et quando error ille
vigebat de legali observantia, decreverunt ex consilio Spiritus sancti cessare, quousque error ille
minueretur, sicut decreverunt in Christi nomine baptizare. Unde omnis Ecclesia primo in azymis
conficiebat, postmodum ex hac causa in fermentato. Sed cessante iam illa causa, rediit iam
Romana Ecclesia ad ritum pristinum; Graeci vero, tanquam superbi, noluerunt ad ritum primum
redire. Et ideo ex hoc ita coacti sunt defendere, primo dicentes, se ita accepisse; secundo vero,
quia hoc non sufficiebat, addiderunt rationem: propter hoc, ne iudaizarent; tertio, quia hoc non
sufficiebat, si Dominus in azymis confecisset, ausi sunt hoc dicere, quod Dominus confecit de
fermentato".
84 PETRUS VON TARENTAISE, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2 corp (ed. cit TV 123): „A
principio quidem tota Ecclesia conficiebat in azymo: postmodum tempore Leonis papae, propter
haereücos Hebionitas, qui dicebant legalia debere servari cum Evangeüo, et in azymo
conficiendum propter praeceptum legis, Ecclesia instituit ad tempus conficiendum in fermentato,
cessante vero causa Ecclesia Occidentalis ad ritum antiquum rediit; Ecclesia Orientalis ritum
illum servavit".
85 RICHARD VON MEDIAVILLA, Super IV. Sententiarum, dist 11, art 2, q 3, arg 5 (ed. cit 140).
36 RICHARD VON MEDIAVILLA, Super IV. Sent, dist 11, art 2, q 3, ad 5 (ed. cit. 141): „Quamvis
tempore Leonis papae, propter haereticos Ebyonitas, qui dicebant legalia debere servari cum
evangelio, et in azimo conficiendum, propter praeceptum legis: Ecclesia de consilio Spiritus
Sancti instituerit ad tempus conficiendum in fermentato, parum facit pro Graecis, in principio
enim tota ecclesia confecit de azimo, et supradicta haeresi exterminata ecclesia Occidentalis rediit
ad ritum pristinum: Orientalis autem non".
87 JOHANNES DUNS SCOTUS, In IV. Sententiarum, dist 11, q 6 (ed. cit. XVII 484-485): „...non
negamus vere conficere Graecos. Quod etiam patet, quia tempore Leonis papae fuit constitutum,
quod conficeretur in fermento, sed fuit ad tempus, ad extinguendam haeresim Ebionitarum, qui
dixerunt quod necessarium erat Christianos judaizare, et per consequens Pascha suum in azymo
conficere, sicut fecerunt Judaei; et ad extinctionem hujus haeresis fuit ordinatum consecrare in
fermento. Sed post haeresi illa extincta rediit Ecclesia Occidentalis ad primam consuetudinem,
quae conformis est institutioni Christi et promulgationi facta per ejus vicarium Petrum".
330 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Dissens zu suchen. Albert der Große beklagt daneben den Verfall der griechischen Ge-
lehrsamkeit:
„Wenn sie sagen, daß es mit ungesäuertem Brot nicht gefeiert werden kann, wissen sie nicht,
was sie sagen, wie auch in vielen anderen Dingen, denn inzwischen stimmt nicht mehr, was
der Apostel sagt, daß die Griechen »Weisheit suchen«. Sie haben vielmehr die Weisheit und
die Gelehrsamkeit verloren und werden von dummen Behauptungen in Beschlag genom-
men"88.

Um 1290 gibt der antigriechische Traktat Sicut scribitur Proverbiorum des Bonacursius
von Bologna jene Nachricht, die Alexander von Haies in einer gekürzten Form berich-
tet, ausführlich wieder. Es lohnt sich, die Passage bei Bonacursius vollständig anzufüh-
ren, damit ihre Verwandtschaft mit dem Bericht des Alexander von Haies klar hervor-
tritt:
„Gründe, warum die heilige Kirche erlaubte, mit gesäuertem Brot zu feiern, findet man viele.
Der erste ist folgender: Man liest, daß in den Archiven des Kaisers eine Erzählung aufgefun-
den wurde, die folgendes berichtet: »Einige zweifeln für gewöhnlich, ob der östlichen Kirche
und besonders der Kirche der Griechen überliefert wurde, das Mysterium des Leibes des Hei-
landes mit gesäuertem Brot zu zelebrieren, während es doch offensichtlich ist, daß nach den
Worten des Evangeliums und vieler Zeugnisse der Heiligen unser Herr und Heiland ungesäu-
ertes Brot beim Abendmahl segnete und seinen Jungem darreichte mit den Worten: Nehmet
und esset. Das ist mein Leib. Aber weil ich glaube, daß es vielen nutzen wird, wenn die Un-
wissenheit und der Streit der Zuchtlosen zur Ruhe kommt, werde ich das, was ich selber weiß
und in der königlichen Stadt Konstantinopel gefunden habe, kurz getreu erzählen. Der zweite
antiochenische Bischof nach Petrus namens Euodius, regierte siebenundzwanzig Jahre lang die
Kirche von Antiocheia. Er nannte als erster die an Christus Glaubenden Christen. Da aber zu
jener Zeit eine große Menge zum Glauben an Herrn dazustieß, kamen die Ungläubigen gleich-
zeitig mit den Gläubigen an den Ostertagen zusammen und viele in trügerischer Absicht. Der
gläubige Bruder zog den ungläubigen Bruder, der Christ zog den Hebräer zu allen Gottesdien-
sten und Mysterien, um ihn [für den Glauben] zu gewinnen. Daher kamen jedesmal am Tag
der ungesäuerten Brote, weil damals die Kirche das ungesäuerte Brot segnete, auch die Juden
in der Kirche mit den Christen zusammen, um dieses Brot zu empfangen; sie haben jedoch
nicht wie Christen kommuniziert. Da damals unterschiedslos alle das Brot auf die Hand emp-
fingen, brachten es die Juden nach Hause und warfen es, um den christlichen Glauben zu ver-
spotten, den Hunden zum Fraß vor. Als der genannte Bischof durch die Gläubigen davon in
Kenntnis gesetzt worden war, wurde er sehr traurig. Und er erflehte in Fasten und Gebet von
Gott demütig Rat und Hilfe. Schließlich berichtete er, von Gott inspiriert, diese Ereignisse der
Reihe nach dem römischen Bischof. Kaum aber hatte der höchste Pontifex dies vernommen,

ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum dist 12, C, art 8, sol (ed. cit. 307): „...dicentes, quod non
possit confici in azymo, nesciunt quod dieunt: sicut in pluribus aliis: quia modo non est verum
quod dicit Apostolus, quod Graeci sapientiam quaerunt [1 Kor. 1, 22], sed potius sapientiam et
Studium amiserunt: et ideo stultis assertionibus detinentur". Vgl. zum Thema „Verfall des Ori-
ents" unten, S. 337 Anm. 6.
Die Reflexion der Lateiner 331

erließ er in Eile ein heilbringendes Gebot, und zwar daß an den Ostertagen, wenn die Juden
sieben Tage lang ungesäuertes Brot essen, die Christen in der Kirche gesäuertes Brot darbrin-
gen sollen. So wurde es gemacht. Als die Juden aber merkten, daß die Christen gesäuertes Brot
darbringen, wurde ihnen danach verboten, sich in der Kirche der Christen zu versammeln. Und
so hörte, nachdem die Juden von den Christgläubigen getrennt wurden, dieser Mißbrauch auf.
Seit dieser Zeit bringen die Griechen bis zum heutigen Tag gesäuertes Brot dar. Diese Ursache
war aber vielen Lateinern und Griechen unbekannt. Die Griechen machen dies aber in guter
Absicht, indem sie damit ausdrücken wollen, daß der Sohn Gottes einen beseelten Leib aus der
Jungfrau angenommen habe. Die Lateiner aber bringen ungesäuertes Brot dar, um damit zu
zeigen, daß unser Heiland ohne die Befleckung des männlichen Samens einen beseelten Leib
von der Jungfrau angenommen habe, und um sein Gebot, das er im Abendmahl gegeben hat,
zu erfüllen«"89.

89 BONACURSIUS VON BOLOGNA, Contra Graecos, ed. cit. 74 (= DONDAINE, Contra Graecos 412-
413): „Rationes autem quare Ecclesia sancta concessit in fermentatis conficere plures inveniuntur.
Quarum prima talis est: Legitur quod in archivis imperatoris fuit inventa quedam narratio ita
dicens: »Solent dubitare quidam utrum traditum sit ecclesiae Orientali et maxime Graecorum in
fermentato conficere misterium corporis Salvatoris, cum perspicuum sit secundum evangelicum
dictum et multa sanctorum testimonia, quod Dominus et Salvator noster panem azimum in cena
benedicens, tradidit discipulis suis dicens Accipite et manducate, Hoc est enim corpus meum. Sed
quoniam puto multis proficere ut quiescat ignorantia et indisciplinatorum contentio si quid michi
conscius sum et in regia Constantinopolitana civitate scriptum inveni, per pauca fideliter
absolvam. Secundus a beato Petro Antiochenus episcopus, Evodius nomine, viginti septem annis
antiochenam rexit ecclesiam, qui primus credentes in Christum fideles Christianos nominavit.
Cum ergo ipsius temporibus turba multa fidei Domini adderetur, infideles cum fidehbus simul in
diebus pascalibus conveniebant et multi dolose. Frater igitur fidelis fratrem infidelem, christianus
hebreum, ut eum lucrifaceret, ad omnia officia et misteria pertrahebat. Itaque quociens instabat
dies azimorum, quia tunc temporis ecclesia panem azimum benedicebat, et hebrei ad accipiendum
huiusmodi panem in ecclesia cum christianis conveniebant, non communicantes tarnen ut
christiani; cum omnes indifferenter acciperent tunc et in manibus iudei ad domos proprias
deferebant et illudentes fidei Christiane, ad manducandum canibus iaciebant. Cum autem per
fideles ad noticiam dicti episcopi pervenisset, vehementer contristatus est. Sicque ieiuniis et
oraüonibus vacans, supliciter Dei consilium et auxilium implorabat. Tandem divinitus inspiratus,
Romano pontifici seriem Ordinate direxit. Summus autem pontifex hoc audiens, cum festinatione
mandatum tradidit salutare, ut scilicet diebus paschalibus, quando hebrei septem diebus utuntur
azymis, christiani panem offerent in ecclesia fermentatum. Quod et fecerunt. Invenientes autem
iudei quod panem fermentatum offerrent christiani, postea prohibiti sunt in christianorum
ecclesiam convenire. Et sie iudeis a Christi fidelibus segregatis, pestis illa cessavit. Ex illo
tempore Greci usque in hodiemum diem panem offerunt fermentatum. Quae uüque causa multis
Latinorum et Grecorum exstitit incognita. Hoc autem bona intentione faciunt Greci, Filium Dei
animatum corpus significantes de sancta Virgine assumpsisse. Latini vero azimum panem
offerunt, Salvatorem nostrum absque inquinamento virilis seminis animatum corpus sumpsisse de
Virgine ostendentes, et eius mandatum, quod in cena tradidit, adimplentes«". Dondaine, der
dieses Fragment erstmals veröffentlicht hat, weist auf die Parallelen zu dem Pseudo-Gregor Zitat
332 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Im 13. Jahrhundert taucht ein weiterer Text rätselhaften Ursprungs auf, mit dem man
den rituellen Unterschied der beiden Kirchen zu erklären versuchte. Bei den Hoch-
scholastikern wird er als ein Zitat aus dem Register Gregors des Großen angeführt, wo
er sich jedoch nicht finden läßt. Dieser Text begegnet in lateinischer Sprache zum er-
sten Mal in einem Florilegium des Albinus von Mailand um die Mitte des 12. Jahrhun-
derts90, und gelangte danach in die Florilegien des Bonacursius (Thesaurus fldei)91 und
des Nikolaus von Durazzo (Libellus de fide Trinitatisf2. Von dort aus übernahm es
Thomas von Aquin in seine Schrift Contra errores Graecorum93. Der Text besteht aus
zwei Teilen. Während die Herkunft des ersten Teils unklar ist94, stammt der zweite Teil
aus dem Matthäuskommentar des Hieronymus95. Der erste Teil dieses Textes fand auch
Aufnahme in die Schrift Licet Graecorum ecclesiam von 125296. Dieser Teil des lateini-
schen Textes stellt die Übersetzung eines griechischen Textes dar, der als Zitat des
„Gregorios Dialogos", ein in Byzanz üblicher Name für Gregor den Großen, im Brief
des Theorianos an die Priester in Oreine in den 80er Jahren des 12. Jahrhunderts er-
schien97. Ich zitiere den ersten Teil, da er eine besondere Bedeutung für die Betrachtung
des Problems bei den klassischen Autoren der Hochscholastik bekam98:
„Es wird oft die Frage gestellt [Variante: Viele werden dadurch gestört], warum in der Kirche
die einen gesäuertes, die anderen ungesäuertes Brot darbringen. Wir wissen nämlich, daß die
Kirche in vier Organisationseinheiten aufgeteilt ist nämlich in die der Römer, der Alexandri-

hin (den Wortlaut s. unten, Anm. 99), die Stelle bei Alexander von Haies scheint er nicht gekannt
zu haben. STEGMÜLLER, Bonacursius, geht auf diese Problematik überhaupt nicht ein.
90 Text in: LOENERTZ, L'epitre de Theorien 68-69. Die Stelle wird folgendermaßen eingeführt:
„Dictabeati Gregorii. Ex raüone sacrificii" (ebd., 53).
91 Text in: LOENERTZ, ebd., 68-70.
92 Text in: THOMAS VON AQUIN, Opera omnia [Ed. Leonina] XL A149, mit folgenden einführenden
Worten: ,3eatus Gregorius papa dyalogus, in fine registri sui".
93 Text in: THOMAS VON AQUIN, Opera omnia [Ed. Leonina] XL A104b, mit folgender Einführung:
„Dicit enim Gregorius papa in Registro". Zu dem Pseudo-Gregor-Zitat s.: LOENERTZ, L'epitre de
Theorien 52-54; A. DONDAINE, Contra Graecos 357-362; H.-F. DONDAINE, Preface zur Edition
von Contra errores Graecorum des Thomas von Aquin in derEditio Leonina, XL A61-A62.
94 LOENERTZ, L'epitre de Theorien 53 Anm. 3, bringt die Ansicht Pseudo-Gregors mit der
versöhnlichen Ansicht des Papstes Gregor VII. bezüglich der Azymen in Verbindung (s. oben,
S. 225 Anm. 15).
95 PL 26, 91 B. Die Identifikation gelang REUSCH, Die Fälschungen 737.
96 PG 140, 524 B-C, der Text wird folgendermaßen eingeführt: „Audiant Greci super hoc beatum
Gregorium Dialogum, que et qualia sacramenta detrahentibus responderit Greco sermone cum in
Grecia translegatione fungeretur". Nach dem Text: „Ffec sunt verba Gregorii que in vita ipsius
Greco sermone reperiuntur" (ebd., die bei Migne korrupten Stellen sind korrigiert nach:
LOENERTZ, L'epitre de Theorien 54, Anm. 3).
97 S. in: LOENERTZ, L'epitre de Theorien 64-66.
98 Thomas von Aquin nahm Auszüge dieses Textes in die Summa Theologiae auf, s.: 3a pars, q 74,
art4, cor.
Die Reflexion der Lateiner 333

ner, der Jerusalemer und der Antiochener, die allgemein die »Kirchen« genannt werden und
die, obwohl sie an dem einen katholischen Glauben festhalten, dennoch unterschiedliche Li-
turgien benutzen. Von daher kommt, daß die römische Kirche ungesäuerte Brote darbringt,
weil der Herr ohne jede Beimischung Fleisch angenommen hat, wie geschrieben ist: »Das
Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns«. Deshalb wird der Leib Christi mit ungesäuertem
Brot konsekriert. Die übrigen oben genannten Kirchen aber bringen gesäuertes Brot aus dem
Grund dar, weil das Wort des Vaters sich mit Fleisch umgeben hat und wahrer Gott und wah-
rer Mensch ist. Deshalb wird dem Mehl Sauerteig beigemischt und daraus entsteht der wahre
Leib unseres Herrn Jesus Christus. Aber sowohl in der römischen als auch in den oben ge-
nannten Kirchen entsteht, wenn wir gesäuertes oder ungesäuertes Brot essen, wegen des un-
aussprechlichen {bzw. unverletzlichen; gr. Text und lat. Variante] Glaubens der eine Leib un-
seres Retters".99

99 LOENERTZ, L'epitre de Theorien 64-65 (Die Übersetzung richtet sich nach dem lateinischen
Text, da uns hier v. a. sein Einfluß auf die lateinischen Autoren interessiert): „Solet plane
moveri quaestio, quod in ecclesia alii fermentatum offerunt, alii panes azymos [bei Albinus von
Mailand: Solet plane movere nonnullos, quod in ecclesia alii offerunt panes azimos, alii
fermentatum (ebd., 68)]. Esse namque ecclesiam quatuor ordinibus distributam novimus,
Romanorum videlicet, Alexandrinorum, Hierosolymorum, Antiochenorum, quae generaliter
ecclesiae nuneupantur, et, cum unam teneant fidem catholicam, diversis utuntur officiorum
mysteriis. Unde fit ut Romana ecclesia offerat azymos panes, propter quod Dominus sine ulla
commixtione suseepit carnem sicut scriptum est: »Verbum caro factum est et habitavit in
nobis«. Sie ergo pane azymo efficitur corpus Christi. Nam caeterae supradietae ecclesiae
offerunt fermentatum pro eo, quod Verbum Patris indutum est carne et est verus Deus et verus
homo, ita quod fermentum [so in dem bei Loenertz angeführten Text des Albins; bei der
lateinischen Übersetzung des Theorianos steht: fermentatum] commisceatur farinae et efficiatur
corpus Domini nostri Iesu Christi verum. Sed tarn Romana ecclesia, quam praedietae pro
inefläbili [inviolabüi: ebd., 69] fide, tarn fermentatum quam azymum dum sumimus, unum
corpus Salvatoris nostri efficitur [bei Albinus von Mailand: Sed tarnen tarn Romana Ecclesia
quam et cetere supra nominate ecclesie pro inviolabili fide, tarn azimum quam fermentatum dum
sumimus, unum corpus Domini nostri Salvatoris efficitur (ebd., 69)]". Vgl. den griechischen
Text des Theorianos (ebd., 64-66): Ε'ίωθε φανερώς κινεΐσθαι δτι εν τη εκκλησία άλλοι
προσφέρουσιν άρτον άζυμον, άλλοι ενζυμον. είναι μεντοι την έκκλησίαν έν τέσσαρσι
τάξεσι διπρημένην γινώσκομεν, 'Ρωμαίων δηλονότι, 'Αλεξανδρινών, Ίεροσολυμιτών,
Άντιοχέων, αΐτινες γενικώς έκκλησίαι προσαγορεύονται. Αϊ, ει και μίαν κρατώσι πίστην
καθολικήν, άλλ' ουν διαφόρων χρώνται όφφικίων μυστηρίοις. Δια τοΰτο μεντοι ή των
'Ρωμαίων εκκλησία προσφέρει άζυμον άρτον διότι <ό Κύριος> χωρίς τίνος μίξεως
έδέξατο σάρκα, ώς γέγραπται· ώό Λόγος σαρξ έγένετο καί έσκήνωσεν έν ήμΐνρ, οΰτως ό
άζυμος άρτος γίνεται σώμα Χρίστου. Αί δε άλλαι έκκλησίαι αϊ άνω ρηθεΐσαι
προσφέρουσιν ενζυμον, δια τοΰτο δτι ό Λόγος τοΰ Πατρός ένεδύσατο σάρκα καί εστίν
αληθινός θεός και άνθρωπος αληθινός. Οϋτω μεντοι ή ζύμη μίγνυται άλεύρω καί γίνεται
σώμα τοϋ κυρίου ημών Ίησοΰ Χριστοί}. 'Αλλά τοσούτον ή 'Ρωμαίων εκκλησία δσον αί
ετεραι αί άνω ρηθεΐσαι έκκλησίαι διά την άφθορον πίστιν, εϊτε άζυμον έν τω μεταλαβεΐν
ήμας, εν σώμα τοΰ κυρίου καί Θεοΰ καί Σωτηρος ημών γίνεται.
334 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Die äußerst verwickelte Quellenlage und Textüberlieferung der lateinischen Florilegien


des 12. und 13. Jahrhunderts gegen die Griechen, die man am Beispiel des Contra erro-
res Graecorum des Aquinaten gut studieren kann, verdiente eine eigene Monographie
und kann hier nicht ausführlich behandelt werden100. Für unsere Zwecke genügt es zu
wissen, daß die gefälschte Gregor-Stelle wie auch andere Zeugnisse zweifelhaften Ur-
sprungs, die in der lateinischen Literatur im 13. Jahrhundert erschienen, eine ziemlich
weite Verbreitung fanden und von den Hochscholastikern mehrfach rezipiert wurden101.
Diese Zeugnisse, wie etwa die Geschichte aus dem Traktat Sicut scribitur proverbiorum
oder die oben vorgestellte Pseudo-Gregor Passage, hatten in der scholastischen Diskus-
sion der sakramentalen Eigenart der Ostkirche eine wichtige Funktion: Mit ihrer Hilfe
kritisierte und widerlegte man implizit jene Meinungen, wonach die Byzantiner ihre
Eigengewohnheiten aus reiner Bosheit gegen die römische Kirche eingeführt hätten.
Zugleich verhalfen sie der Ansicht, nach der es für die byzantinische Zelebrationsweise
gewichtige historische Gründe gab, zu ihrem Recht.

100 Ein weiterer interessanter Fall ist die Stelle aus dem Brief des Theorianos, die als Text des
heiligen Joannes Chrysostomos ausgegeben wurde. In dem Traktat gegen die Griechen von 1252
werden Zitate daraus verwendet: PG 140, 524 D-526 A. Das erste Zitat wird eingeführt mit den
Worten: „Sed et beatus Iohannes Crisostomus, cum huiusmodi litem vellet de medio removere,
in quadam epistola sua, quam Grecis de sacramento et aliis consuetudmibus Latinorum
dubitantibus de Constantinopoli transnusit, ita dicit" (s.: LOENERTZ, L'epitre de Theorien 51).
Das zweite wird eingeleitet: „Beatus Iohannes Chrysostomus, contra illos, qui Latinorum
consuetudines aspernabantur et vituperabant, in supradieta epistola sua quam Graecis de
sacramento et aliis consuetudinibus Latinorum dubitantibus de Constantinopoli transmisit, in
prineipio eiusdem epistolae sie scripsit" (ebd.). Die beiden Texte (gr. und lat.) parallel in:
LOENERTZ, L 'epitre de Theorien 61 -63.
101 So bei THOMAS VON AQUIN, Summa theologiae, 3apars, q 74, art4 c (ed. cit. 441).
Die Reflexion der Lateiner 335

II. Wie soll die rituelle Eigenart der Byzantiner


gehandhabt werden?
1. Drei Modelle: Mißbilligung, Duldung, Anerkennung

Die drei soeben dargestellten Problemfelder, das ekklesiologische, das sakramenten-


theologische und das kirchengeschichtliche, mögen als Voraussetzungen dienen, uns
einem weiteren und zugleich heikleren Problemkreis zuzuwenden: Wie soll die rituelle
Eigenart der Byzantiner in praktischer und kirchenrechtlicher Hinsicht gehandhabt wer-
den? In dieser Frage erreichte die theologische Reflexion die kirchenpolitische Praxis,
und gerade die Verquickung von Theologie und Politik verlieh der Frage ihre Brisanz.
Zum einen kann man sowohl innerhalb der Theologie als auch innerhalb der Politik
Inkonsequenzen, Widersprüchlichkeiten und ein Offenhalten von Problemen feststellen,
was einen gewissen Manövrierraum gegenüber der byzantinischen Eigenart ließ. Ein
und derselbe Theologe oder kirchlicher Entscheidungsträger konnte heute das Eine,
morgen vielleicht das Andere sagen oder tun. Das sprechendste Beispiel solcher Inkon-
sequenz ist der rasche Wechsel Gregors IX. in seiner Politik gegenüber der griechischen
Taufformel in den Jahren 1231/32.
Zum anderen standen Theologie und Politik zueinander in keinem eindeutigen Ver-
hältnis. Weder folgte die päpstliche Politik immer den zeitgenössischen theologischen
Aussagen, noch übte die Theologie lediglich eine Legitimierungsfunktion für kirchen-
politische Entscheidungen aus. Jeder Bereich wies vielmehr seine eigene Entwicklung
und Logik auf. Mehr noch: Zwischen beiden bestanden bisweilen beträchtliche Span-
nungen. Dabei hielt sich die Politik der römischen Kurie gelegentlich nicht einmal an
die theoretischen Verlautbarungen der Päpste. Als Beispiel für diesen Widerspruch
zwischen Absicht und tatsächlichem Verhalten mag die Haltung Innozenz' III. dienen,
dessen Pläne, die liturgische Praxis des Westens und des Ostens zu vereinheitlichen,
letzten Endes wegen ihrer Undurchsetzbarkeit der Realität angepaßt werden mußten
und in ihrer beabsichtigten Form nie zustande kamen.
Oben haben wir gesehen1, wie sich die Politik der römischen Kurie auf eine proviso-
rische Duldung der griechischen Riten hin entwickelte, wobei man dem Papst grund-
sätzlich das Recht vorbehielt, die griechischen Sonderformen jeder Zeit unterbinden zu
können. Auch wenn kaum ein Theologe es wagte, die päpstliche Politik ausdrücklich zu
kritisieren, lassen sich Spannungen zwischen zeitgenössischer Theologie und kirchen-
politischer Praxis nicht leugnen. Einerseits findet man Aussagen, die eine viel strengere
Haltung gegenüber den griechischen „Abweichungen" forderten, als die Politik für

1 S. oben, Kapitel D, bes. S. 256-258; 294-298.


336 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

opportun hielt. Andererseits billigten und anerkannten einige Theologen den Eigenwert
und die Eigenwürde des kulturellen Andersseins der Griechen, wo die Politik eher re-
striktiv agieren wollte und sich mit einer jederzeit widerruf baren Duldung zufriedengab.
Die politische Praxis wurde dadurch implizit in Frage gestellt und herausgefordert. Die
Anerkennung der byzantinischen Eigenart kann selbstverständlich nicht mit einem mo-
dernen Pluralismusdenken oder gar mit dem postmodernen Multikulturalismus gleich-
gesetzt werden. Dieser anerkennenden Haltung schloß sich außerdem nur ein Teil der
Denker an; sie blieb in der zeitgenössischen Theologie zudem nicht unumstritten. Die
meisten Theologen scheinen sich innerhalb des von der päpstlichen Duldungspolitik
gesetzten Rahmens bewegt zu haben.
Insgesamt lassen sich drei Modelle skizzieren, nach denen sich die Haltung gegen-
über der rituellen Eigenart der Griechen feststellen läßt, die man kurz als (1) Mißbilli-
gung, (2) Duldung2, und (3) Anerkennung bezeichnen kann. Während das Duldungs-
modeil die dominante und weithin akzeptierte und praktizierte Haltung von Theologie
und päpstlicher Politik vom 11. bis zum 13. Jahrhundert war, stellten das Mißbilli-
gungs- und das Anerkennungsmodell zwei entgegengesetzte Optionen dar, die jedoch
nicht ohne Einfluß auf die Praxis blieben, so daß auch die Politik von ihrer mittleren
Duldungsposition bisweilen in Richtung „Mißbilligung" oder auch „Anerkennung"
schwankte. Es ist sinnvoller, hier von „Modellen" im idealtypischen Sinne und nicht
etwa von „Parteiungen" oder „Strömungen" unter Theologen und Politikern zu spre-
chen, weil sich bei vielen einzelnen Autoren ein Schwanken zwischen den unterschied-
lichen Positionen feststellen läßt. Nur selten begegnet man Autoren, die einem der je-
weiligen Modelle konsequent den Vorzug gegeben hätten. In der Regel waren ihre
Ansichten im Fluß. Als Typen einer theoretischen Grundlegung der kirchenpolitischen
und kirchenrechtlichen Praxis hielten sich jedoch die drei genannten Modelle das ganze
Mittelalter hindurch und überlebten bis in die Neuzeit.

2. Die Schriften von 1053/54 zwischen Anerkennung und Mißbilligung

In den Texten von 1053/54 kann man zwei entgegengesetzte Tendenzen erkennen, die
in der Folgezeit die Haltung gegenüber der griechischen rituellen Eigenart bestimmten.
Einerseits wird in diesen Schriften zunächst die Gültigkeit beider sakramentaler
Bräuche, sowohl des lateinischen als auch des griechischen, festgestellt. Darüber hinaus
lassen sich aber auch Anklänge an eine Respektierung, an ein ausgewogenes Wahrneh-
men des anderen Brauchs erkennen. Im ersten Brief Leos IX. an Kerullarios wird dies-

2 Hier und im Folgenden spreche ich bewußt eher von der „Duldung" als von der „Toleranz", um die
mögliche moderne Konnotationen der Toleranz-Problematik vorerst außer Betracht zu lassen. Auf
den Zusammenhang zwischen „Duldung" und „Toleranz" wird kurz in der Einleitimg und im
Nachwort zu dieser Studie hingewiesen, s. S. 25-26; 380.
Die Reflexion der Lateiner 337

bezüglich die aggressive Handlungsweise der Byzantiner der nachsichtigen der römi-
schen Kirche entgegengehalten:
„Siehe wieviel abwägender, gemäßigter und gütiger die römische Kirche ist als ihr! Obwohl es
nun innerhalb und außerhalb von Rom viele griechische Klöster und Kirchen gibt, so wird
doch keine von diesen bis heute gestört oder von der Tradition der Väter oder ihrer Gewohn-
heit abgehalten. Vielmehr wird ihr angeraten und sie ermahnt, ihrer Gewohnheit zu folgen.
<...> Sie [die römische Kirche] weiß nämlich, daß die nach Ort und Zeit unterschiedlichen
Gewohnheiten dem Heil der Gläubigen nicht schaden, wenn der eine Glaube alle guten Dinge
bewirkt, die er vermag, und alles dem einen Gott anempfiehlt"3.

Damit ist bereits im Grundsatz der Anerkennungsgedanke ausgesprochen. Auch inner-


halb des Jurisdiktionsbereiches des römischen Papstes haben diesem Grundsatz zufolge
die griechischen Klöster und Kirchen das Recht, ihre Gottesdienste nach der bei ihnen
gewohnten Art und Weise zu feiern. Sie dürfen in der freien Ausübung ihrer liturgi-
schen und sakramentalen Eigenart nicht gestört werden, mehr noch: Sie werden „er-
mahnt", ihre Gewohnheit nicht zu vernachlässigen, sondern sie zu befolgen. Den einen
gemeinsamen Glauben vorausgesetzt, schadet dem Heil der Gläubigen die Koexistenz
unterschiedlicher Kulturformen nicht: Diversae consuetudines, unafldes.
Andererseits weist das gleiche Schreiben eine Tendenz auf, die in eine entgegenge-
setzte Richtung, und zwar auf eine Mißbilligung des Ritus der Byzantiner, hinweist. Es
war bereits oben die Rede davon, daß die Angriffe der Byzantiner auf die sakramentale
Gewohnheit der Lateiner als unerhörte Frechheit wahrgenommen wurden und ihre Ar-
gumente im Dialogus als „eitel", „kindisch", „lächerlich" und „dumm"4 abqualifiziert
wurden. Humbert beklagt im Dialogus ausdrücklich den Verlust der „bewundernswer-
ten Philosophie" der Griechen5 und den „Verfall des Orients"6. Entsprechend diesem

3 WILL 81a: „Ecce in hac parte Romana ecclesia quanto discretior, moderatior et clementior vobis
est! Siquidem cum intra et extra Romam plurima Graecorum reperiantur monasteria sive ecclesiae,
nullum eorum adhuc perturbatur vel prohibetur a paterna traditione sive sua consuetudine, quin
potius suadetur et admonetur eam observare. <...> Seit namque, quia nil obsunt saluti credentium
diversae pro loco et tempore consuetudines, quando una fides per dilectionem operans bona, quae
potest, uni Deo commendat omnia".
4 So z. B.: „vanum et puerile" (WILL 99a Z. 38); „ridiculae opinioni obviamus" (WILL 102a Z. 7);
„vobis stultis" (WILL 106a Z. 37).
5 WILL 118b: „O mirabilis Graecorum philosophia! ο ars Pelasga! Ο Atheniensis et Academica
perspicacia! Unde tibi tantus stupor et vertigo repentina?".
6 „perditio Orientis" (WILL 118b Z. 38). Damit steht er am Anfang eines Topos der lateinischen
Theologie des 11.-13. Jahrhunderts, wonach die zeitgenössische mittelalterliche Theologie der
Griechen der Höhe der Patristik verlustig ging und die Weisheit vom Orient auf den Okzident
überging (translatio studiorum). Als Exponenten dieser Theorie kann man OTTO VON FREISING,
Chronica, lib 5, prologus, ed. cit. 372-374, nennen. Einen ähnlichen Gedanken äußert Bonaventu-
ra. In der Betrachtung des Fi/iogue-Problems stößt er auf den Einwand der Griechen, daß die römi-
sche Kirche die Griechen um Rat bitten und sie diese Veränderung im Glaubensbekenntnis nicht
338 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Urteil endet der erste Brief Leos EX. an Kerullarios mit folgender Zusammenfassung:
Sein Schreiben an den Patriarchen habe der Papst mit Gunst und Liebe geschrieben und
er habe versucht, nach dem Spruch Salomos zu handeln: „Antworte nicht dem Toren
nach seiner Narrheit, damit nicht auch du ihm gleich wirst" (Spr 26, 4)7. Jedoch gibt der
Autor seinem Adressaten eine Warnung mit: Falls die griechischen Angreifer sich nicht
eines besseren besännen, würden sie erfahren, wie der darauffolgende Vers bei Salomo
lautet: „Antworte dem Toren nach seiner Narrheit, damit er nicht weise bleibt in seinen
Augen" (Spr 26, 5)8. Diese Warnung löst Humbert im Dialogus ein, wo er nach der
Diskussion einiger byzantinischer Argumente sich den Spruch Salomos zu eigen macht:
„Wir sind schließlich gezwungen, euch Toren euerer Narrheit entsprechend zu antwor-
ten, damit ihr nicht glaubt, ihr seid weise"9. Entsprechend ihrer „Narrheit" dreht Hum-
bert die Argumente der Griechen, vor allem ihre Typologien, gegen sie selbst um. Das
Ziel ist klar: Er will damit beweisen, daß man mit den „nach byzantinischer Art" vorge-
brachten Argumenten nicht für, sondern auch gegen das gesäuerte Brot argumentieren
könnte. Er geht, zunächst im Dialogus, dann aber noch deutlicher in der Contradictio,
einen Schritt weiter: Den Stil der byzantinischen Polemiker nachahmend, greift er die
liturgischen und sakramentalen Gewohnheiten der Byzantiner an und versucht dadurch
zu zeigen, daß sie kein Recht hätten, die römische Kirche anzugreifen, während sie
selber „solch tadelnswerte Bräuche" pflegen. Das heilige Brot werde mit einer „Lanze"
zerstückelt, die Kommunion werde mit einem Löffel ausgeteilt, die nicht konsumierten
Heiligen Gaben werden in der Erde vergraben oder sogar weggeworfen10, die Priester
hätten vor der Zelebration der Eucharistie Geschlechtsverkehr mit ihren Frauen, den
schwangeren und menstruierenden Frauen werde die Kommunion selbst bei Todesge-

ohne Beratung mit den Griechen unternehmen sollte. Die Antwort Bonaventuras lautet, daß dies
zum einen mühselig sei wegen der Distanz, zum zweiten aber sowieso fruchtlos gewesen wäre,
weil „in den Griechen nicht mehr die Weisheit war, die es früher gegeben hatte, sondern diese
Weisheit zu den Lateinern übergegangen ist", s.: BONAVENTURA, In I. Sententiarum, dist 11, art
unic. q 1 (ed. cit. S. 212): „[Graeci] dieunt nos schismaticos, quia a nobis ineepit divisio; cum enim
hoc [Filioque] vellemus asserere, noluimus eos vocare. Et ad hoc responderi potest pro Latinis,
quod eos vocare non fuit opportunum - quia Ecclesia sine eis hoc poterat - et hoc, quia erat
laboriosum propter distantiam, erat infruetuosum, quia iam non erat in Graecis sapientia tanta, sicut
fuerat, immo ad Latinos transierat". Vgl. oben, S. 330 Anm. 88.
7 WILL 84b: „Ista autem vobis patema pietate ac germana dilectione interim rescribimus, in quibus
satis declinasse nos credimus, ne in illud Salomonis ineideremus: Noli respondere stulto juxta
stultitiam suam, ne efficiaris Uli similis".
8 WILL 84b: „Verum si non resipueritis, experiemini quod idem mox secutus ait: Responde stulto
juxta stultitiam suam, ne sibi sapiens esse videatur". Denselben Grundsatz findet man, ebenfalls
gegen die Griechen gerichtet, noch bei RATRAMNUS VON CORBIE, Contra Graecorum opposita,
l i b l , c a p l ( e d . cit. 226 D).
9 WILL 106a: „Respondere cogimur deineeps vobis stultis juxta stultitiam vestram, ne vobis sapientes
esse videamini".
10 WILL 109.
Die Reflexion der Lateiner 339

fahr verweigert, den Säuglingen werde die Kommunion auch bei Todesgefahr nicht vor
ihrem achten Lebenstag gegeben11, dem konsekrierten Wein werde heißes Wasser bei-
gemischt12, usw. In der Contradictio adversus Nicetam antwortet Humbert auf die Ein-
ladung seines Opponenten, sich die Liturgie der Griechen als Vorbild zu nehmen13, mit
einem pauschal ablehnenden Urteil über die byzantinische Eucharistie: „Wir kümmern
uns nicht darum, den Ritus euerer Messe zu erlernen, weil wir wissen, daß ihm die ge-
ringste Sorgfalt und die größte Schlamperei innewohnt"14. Natürlich will Humbert mit
diesen Überspitzungen nur die Denkweise seiner Opponenten ad absurdum führen.
Aber bei einem weniger aufmerksamen Leser, dem die Ausrichtung dieser Invektiven
an Spr 26, 5 verborgen blieb, entsteht der Eindruck, es gehe hier um einen Kampf zwi-
schen zwei unversöhnlichen Positionen, die beide vom anderen Gesprächspartner die
Aufgabe seines Brauches fordern15.
Der erste Brief Leos IX. an Kerullarios beinhaltet auch einen Versuch, eine evangeli-
sche Begründung für das Verbot der fremden sakramentalen Eigenart zu finden. Falls
die Adressaten des Briefes nicht zu Sinnen kämen und ihre Verleumdungen gegen den
römischen Brauch nicht zurücknähmen, müsse man nach dem Wort des Herrn vorge-
hen: „Wenn deine Hand oder dein Fuß dir Anlaß zur Sünde gibt, so hau ihn ab und wirf
ihn weg. Und wenn dein Auge dir Anlaß zur Sünde gibt, so reiß es aus!" (Mt 18, 8. 9)16.
Der implizite Sinn dieses Evangeliumszitats ist klar: Das, was Anlaß zur Sünde gibt, -
in diesem Fall gebe die Zelebration mit gesäuertem Brot so einen Anlaß zur Sünde ge-
gen die römische Mutterkirche - , soll ausgerottet werden. Wenn der Gegenstand nicht
mehr da ist, verschwindet auch die Gefahr des Sündigens.
Sofort beeilt sich der Autor die Hoffnung auszusprechen, daß das Erbarmen Gottes
beide Seiten vor solchen Konsequenzen verschonen möge17. Dennoch bleibt der Autor

11 WILL 126.
12 WILL 139.
13 S. lat. Übersetzung, WILL 133.
14 WILL 146a: „Deinde ritum vestrae discere missae non curamus, quia minimam cautelam et
maximam negligentiam ei inesse cognoseimus".
15 Eben diese Passagen leiteten etwa GEISELMANN, Die Abendmahlslehre 53, in die Irre, als er dar-
aus schlußfolgerte, daß Humbert die Azymen „als das einzige und ausschließliche" Sakrament-
selement schlechthin begründen wollte (dazu s. oben, S. 314 Anm. 25).
16 WILL 85a: „Et cavendo interdictum veteris legis typicum, deineeps non coquemus haedum in lacte
matris suae [Ex 23, 19; 34,26; Dtn 14, 21], sed impetiginem ejus et scabiem fricabimus instanter
mordaci aceto et multo sale; quia cum dolore abscindenda sunt quae leni manu palpari et sanari
non possunt, ut Dominus admonet dicens: Si manus tua vel pes tuus scandalizat te, abscinde eum
etproiice abs te. Et si oculus tuus scandalizat te, erue eum".
17 WILL 85: „Sed miseratio Dei praecedens haec nostra dieta parcet et nobis et vobis, ut deineeps
non sit necesse circa quaestiones et pugnas verborum oecupari, sed ex divinis paginis nostram in
hoc mundo peregrinationem invicem consolari et paeifice adhortari".
340 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

des Dialogus seinen Gegnern nichts schuldig und läßt anklingen, daß bei fortgesetzter
Feindseligkeit eine Verurteilung des gesäuerten Brotes erfolgen könnte:
„Eure Falschheit, die mit ihrem gesäuerten Brot zufrieden ist, soll aufhören, der römischen und
lateinischen Aufrichtigkeit das ungesäuerte zu entwinden, damit sie, sollte sie sich als hartnäk-
kig erweisen, nicht mitsamt ihrem Sauerteig dem Anathema Maranatha verfalle und nicht den
Tadel des Propheten zu hören bekomme: »Geht nach Bethel, und übt Verbrechen, und laßt
vom Gesäuerten ein Dankopfer darbringen« (Arnos 4,4. 5)"18.

Noch deutlicher wird Humbert gegen den Aufruf des Leon von Achrida, der von den
Lateinern forderte, die Gewohnheit der Griechen zu übernehmen:
„Wie oben ausreichend gezeigt ist, sollten sie nach umgekehrter Ordnung und andersherum
richtiger handeln. <...> Was wir euch aber jetzt geschrieben haben, lehrte Christus und seine
Apostel. Das hat die heilige katholische Kirche von ihnen und von den heiligen Vätern emp-
fangen und bewahrt es mit Ehrfurcht bis heute. Das solltet auch ihr, wenn ihr euch korrigiert
habt, befolgen, wenn ihr nicht von Christus mit dem Anathem belegt werden wollt"19.

Diese Stellen sind sehr aufschlußreich für die Bedenken, die die Theologen und die
kirchlichen Entscheidungsträger im 11., 12. und 13. Jahrhundert hegten. Einerseits
wollte sich die römische Kirche in ihrem Verhalten nicht den Methoden ihrer griechi-
schen Angreifer anpassen, sondern war vielmehr bereit, den byzantinischen Ritus zu
akzeptieren. Andererseits fragte man sich, ob es nicht doch besser wäre, die fremden
Gewohnheiten zu unterbinden, damit kein „Anlaß zur Sünde" entstehe. Die Tatsache,
daß beide Erwägungen bei ein und demselben Autor oder jedenfalls in ein und demsel-
ben Autorenkreis auftauchen, demonstriert, welchen Zwiespalt die theologische Wahr-
nehmung einer fremden rituellen Eigenart bisweilen aufwarf.

3. „Unterschiedliche Gewohnheiten - ein Glaube": Patristische und


kanonistische Grundlagen
Die Problematik unterschiedlicher Gewohnheiten in der einen Kirche begegnet in der
Theologie seit der Patristik20. Besondere Bedeutung für die mittelalterliche Diskussion

18 WILL 107b: „Unde vestra duplicitas suo fermentato contenta romanae et latinae simplicitati
azymum extorquere desinat. Ne, si fuerit pertinax, anathema maranatha cum suo fermento fiat et
prophetam sibi exprobrantem audiat: Ite ad Bethel et impie [agite] et sacrißcate de fermentato
laudem".
19 WILL 123b - 124a: „Sicut sufficienter monstratur superius, converso ordine et versa vice
procederent haec rectius <...> Quae autem nunc vobis scripsimus, Christus doeuit et apostoli
ipsius; quae ab eis et a sanetis patribus saneta et catholica suseipiens ecclesia religiöse observat
hactenus; quae et vos correcti observate, si non vultis a Christo anathema esse".
20 Die grundlegende Untersuchung zur Geschichte des Begriffes „Gewohnheit" im Kirchenrecht ist:
WEHRLE, De la coutume dans le droit canonique (1928); speziell zur Patristik und zum Mittelal-
ter: S. 43-95. Zum Begriff „Gewohnheit" generell und im philosophischen Kontext s.: FUNKE,
Die Reflexion der Lateiner 341

byzantinischer Gewohnheiten gewannen die Ausfuhrungen Augustins und Gregors des


Großen.
Augustinus beschäftigte sich mit dieser Problematik in seinen im Jahre 400 verfaßten
Briefen 54 und 55 an Januarius, die er später unter dem Titel Ad inquisitiones Januarii
zusammenfaßte21. Augustinus versucht, die unterschiedliche Fastenpraxis und andere an
unterschiedlichen Orten praktizierte Gewohnheiten zu erklären. Vor aller Bewertung
gilt es, die göttliche Institution zu berücksichtigen: Das, was von Christus selbst einge-
setzt wurde, genieße unbestrittene Autorität und sei von allen und überall gleichförmig
zu beobachten. Unter den sonstigen gottesdienstlichen und disziplinären Bräuchen un-
terscheidet Augustinus zwischen den Dingen, die „auf dem ganzen Erdkreis gepflegt"
werden, also überall gleichförmig sind, und jenen Bräuchen, die „nach Orten und Ge-
bieten der Welt unterschiedlich" sind. Eine universale Gleichförmigkeit der Bräuche
spreche dafür, daß sie von den Aposteln oder von allgemeinen Konzilien stammen und
als solche beobachtet werden müssen. Die regional verschiedenen Bräuche hingegen
erlauben eine freiere Handhabung hinsichtlich ihrer Beobachtung:
„Was nämlich nachgewiesenermaßen weder gegen den Glauben noch gegen die guten Sitten
verstößt, ist gleichgültig zu erachten und je nach der Gemeinschaft, in der man lebt, einzuhal-
ten"22.

Andererseits wies Augustinus im Brief 55 daraufhin, daß jede Gewohnheit einer Orts-
kirche einen vernünftigen Grund haben soll. Läßt sich ein solcher nicht finden, sei es
besser, auf diese Gewohnheit zu verzichten:
„AH das, was weder in der Hl. Schrift enthalten, noch in den Dekreten der Konzilien festge-
setzt, noch durch die Gewohnheit der gesamten Kirche bekräftigt ist, sondern was nach den
verschiedenen Gepflogenheiten in verschiedenen Orten unüberschaubar variiert, so daß sich
kaum oder überhaupt keine Gründe mehr dafür finden lassen, was die Menschen trieb, als sie
dies einrichteten, - all das kann man meiner Ansicht nach ohne weiteres zurückschneiden, wo
sich eine Gelegenheit dazu bietet"23.

Gewohnheit (1961), wo sich jedoch nichts zur Problematik „Gewohnheit vs. Wahrheit" findet (s.
Kapitel über den christlichen Gewohnheitsbegriff: S. 131-170). Dagegen spricht Funke diese
Problematik kurz an in seinem Artikel „Gewohnheit" in: HWP ΓΠ 609-610. Auf weitere Literatur
zur Gewohnheitsproblematik wird im folgenden hingewiesen. Zur Spannung zwischen consuetu-
do und veritas s.: CRAMER, Cedat consuetudo veritati.
21 So in den Retractationes, 2, 46 [2, 20, 1]. Die Anfrage des Januarius ist nicht erhalten. Zu den
Briefen 54 und 55 des Augustinus s.: KLÖCKENER, Augustins Kriterien (1991). Generell zum Be-
griff consuetudo bei Augustinus s.: AugL 11253-1266 (ZUMKELLER).
22 AUGUSTINUS, Ad inquisitiones Januarii, ed. cit. 160: „Quod enim neque contra fidem neque
contra bonos mores esse convincitur, indifferenter habendum et pro eorum, inter quos vivitur,
societate servandum est". Übersetzung nach: KLÖCKENER, Augustins Kriterien 27.
23 AUGUSTINUS, Ad inquisitiones X K 35 (ed. cit. 210): „Omnia <...> talia, quae neque sanetarum
Scripturarum auetoritatibus continentur, nee in conciliis episcoporum statuta inveniuntur, nee
342 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Diese beiden Grundsätze des Augustinus haben Aufnahme in das Decretum Gratiani
gefunden24.
Eine besondere Bedeutung erlangte im Rahmen der Erörterungen der Ritusverschie-
denheit eine Stelle aus dem Brief des Papstes Gregor I. an Bischof Leander von Sevilla
aus dem Jahre 591. Gregor antwortete auf die Anfrage des Leander, ob die Taufe mit
einmaligem Untertauchen, wie man sie damals in Spanien praktizierte, zulässig sei, mit
dem Grundsatz:
„Über das dreifache Untertauchen bei der Taufe läßt sich nichts Besseres sagen als das, was ihr
selbst denkt, daß nämlich in einem Glauben eine unterschiedliche Gewohnheit der heiligen
Kirche nicht schadet"25.

Gregor trug danach Argumente sowohl für ein dreimaliges als auch für ein einmaliges
Untertauchen zusammen, so daß er jeder Gewohnheit eine eigene typologische Bedeu-
tung gab: dem dreimaligen Untertauchen die dreitägige Grabesruhe Christi oder die
göttliche Trinität, dem einmaligen Untertauchen aber die Einheit Gottes. Beide Ge-
wohnheiten waren also für Gregor akzeptabel26. Das Urteil Gregors hatte entscheiden-
den Einfluß auf die Akzeptanz des einmaligen Untertauchens in Spanien27 und wurde
zur Standardautoriät zu diesem Problem in der scholastischen Literatur. So verwundert
28
ufg
es nicht, wenn dieser Text in das Decretum Gratiani aufgenommen und auch im Zu-
sammenhang der griechischen Problematik zitiert wurde 29

consuetudine universae Ecclesiae roborata sunt, sed pro diversorum locorum diversis moribus
innumerabiliter variantur, ita ut vix aut omnino nunquam inveniri possint causae, quas in eis
instituendis homines secuti sunt, ubi facultas tribuitur, sine ulla dubitatione resecanda existimo".
24 DECRETUM GRATIANI, D. 12 c. 11 und d. 12 c. 12 (ed. cit 29-30).
25 GREGOR DER GROBE, Registrum Epistularum, lib 1, ep 41 (ed. cit. CXL 48): „De trina vero
mersione baptismatis nil respondi verius potest quam ipsi sensistis, quia in una fide nihil officit
sanctae Ecclesiae consuetudo diversa".
26 Ebd.: „Nos autem quod tertio mergimus triduanae sepulturae sacramenta signamus, ut dum tertio
infans ab aquis educitur, resurrectio triduani temporis exprimatur. Quod si quis forte eüam pro
summae Trinitatis aestimet veneratione fieri, neque hoc aliquid obsistit, baptizandos semel in
aquis mergere, quia, dum tribus subsistentiis una substantia est, reprehensibile esse nullatenus
potest, infantem in baptismate vel ter, vel semel immergere, quoniam et in tribus mersionibus
personarum trinitatis, et in una potest divinitatis singularitas designari".
27 So hat das IV. Konzil von Toledo im Jahr 633 mit Verweis auf die Autorität Gregors das einmali-
ge Untertauchen gebilligt (cap 5, s.: MANSI X 618-619).
28 DECRETUM GRATIANI, D. 4 de cons. c. 80 (ed. cit. 1388-1389).
29 Vgl. z. B. oben, S. 337 Anm. 3, und unten, S. 353 Anm. 76. Der große Einfluß, den die Werke
Gregors auf Humbert von Silva Candida ausübten, wurde untersucht von MICHEL, Humbert und
Kerullarios 1120-130. Zur Problematik der Einheit in der Vielfalt bei Gregor s.: MEYVAERT,
Diversity within Unity (1963); zu diesem Text: 160-161. Zum Text Humberts und seine Aufnah-
me in das Decretum Gratiani s. auch: MICHEL, Humbert von Silva Candida bei Gratian 93.
Die Reflexion der Lateiner 343

In Bezug auf die Gewohnheiten der byzantinischen Kirche ist femer der Streit zwi-
schen Photios, dem Patriarchen von Konstantinopel (858-867 und 877-886) und Papst
Nikolaus I. (858-867) von großer Bedeutung. Der Streit wurde bekanntlich durch die
Absetzung des Patriarchen von Konstantinopel Ignatios durch Cäsar Bardas und die
Erhebung des Photios zu seinem Nachfolger im Jahre 858 ausgelöst. Der rasche kirchli-
che Aufstieg des Photios, der vor seiner Erhebung zum Patriarchen weder Mönch noch
Kleriker gewesen war, verschaffte dem Papst ein zusätzliches Argument gegen die Ka-
nonizität der Wahl des Photios30. In seiner Antwort darauf versuchte Photios seine Er-
nennung unter anderem mit dem Hinweis auf unterschiedliche Gewohnheiten in ver-
schiedenen Ortskirchen zu verteidigen: Es gebe Regeln, die allen gemeinsam seien und
daher von allen und überall beobachtet werden müßten. Es gebe aber auch in verschie-
denen Kirchen Eigengewohnheiten. Im Falle ihrer Nichtbeobachtung müsse nur derje-
nige bestraft werden, den diese Regeln betreffen. Dagegen brauche sich derjenige, der
einer anderen Kirche angehört, nicht um solche Regeln zu kümmern31. Unter die allge-
mein geltenden Regeln zählte Photios die Beschlüsse der ökumenischen Konzilien,
Eigenregeln hingegen gründeten in den Beschlüssen der Ortskonzilien. Mit Blick auf
die byzantinische Kirche führte er als Eigengewohnheiten die Praxis des Barttragens,
die Nichtbeachtung des Samstagsfastens und die Klerikerehe an. Sein Ziel war es, zu
zeigen, daß seine Erhebung zum Patriarchen keinen allgemeinkirchlichen Regeln wi-
derspreche, sondern eine Eigengewohnheit der Byzantiner darstelle.
In seinem Antwortschreiben ist Nikolaus I. unter anderem auf die Gewohnheitspro-
blematik eingegangen. Er sei mit dem Prinzip unterschiedlicher Gewohnheiten inner-
halb des einen Glaubens grundsätzlich einverstanden, jedoch nur unter der Vorausset-
zung, daß diesen Gewohnheiten keine kanonische Autorität widerspreche. Dem Brauch
aber, jemanden aus dem Laienstand direkt zum Bischof zu konsekrieren, werde in den
Schriften der hl. Väter widersprochen. Daher habe der Papst Bedenken, daß sich dieser
Brauch in der byzantinischen Kirche einbürgern könnte. Der apostolische Stuhl behalte
sich daher das Recht vor, eine derartige Gewohnheit mit Zensur zu belegen, falls sie
sich als kühne Anmaßung erweise32.

30 S. besonders den Brief des Nikolaus I. an Photios vom 25. September 860 in: CICO Fontes I 605-
606 (Nr. 317).
31 PHOTIOS, Epistola 290, Nicoiao papae, ed. cit 130: Kai γαρ εστίν όντως κοινά πδσιν, α
πάντας φυλάττειν έπάναγκες, και πρό γε των άλλων τά περί πίστεως, ένθα και το
παρεγκλΐναι μικρόν άμαρτεΐν έστιν άμαρτίαν την προς θάνατον εστί και ιδιαζόντως τισί
παρεπόμενα, ων ή παράβασις οΐς μεν εδόθη κατέχεσθαι επιζήμιος, οις δ' ού παρείληπται
και τό μή συντηρεΐν άκατάκριτον.
32 CICO Fontes Ι 618 (Nr. 320, Brief an Photios vom 18. März 862): „De consuetudinibus quidem,
quas nobis opponere visi estis scribentes per diversas Ecclesias diversas esse consuetudines: si
illis canonica non obsistit auetoritas, pro qua eis obviare debeamus, nil iudicamus vel eis
resistimus; tarnen cavere volumus, ne haec vestra consuetudo, quae omnium sanetorum Patrum
promulgatione convincitur, ut ex laico non subito ordinetur episopus, vires aeeipiat ut in vestra
344 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Ausgerechnet Photios, der anläßlich seiner Wahl zum Patriarchen auf eine Unter-
scheidung zwischen allgemeingültigen und eigenrechtlichen Gewohnheiten insistiert
hatte, startete sechs Jahre später einen großen Angriff auf die römische Kirche und kri-
tisierte gerade jene Bräuche der Lateiner, die nach seiner früheren Ansicht eigentlich
zum Bereich der Eigengewohnheiten zählen müßten. In seiner berühmten Encyclica ad
sedes orientales von 867 warf er den Lateinern nicht nur die κακών κορωνίς („das
höchste Übel") - die Hinzufügung des Filioque zum nizänokonstantinopolitanischen
Glaubensbekenntnis33 - vor, sondern auch den Vorbehalt der Firmspendung für die
Bischöfe34, die römische Praxis des Sabbatfastens35, die Unterlassung des Fastens in der
ersten Woche der Quadragesima36 und den Zölibat der Geistlichen37, - also genau jene
Dinge, die seinen früheren Ausführungen zufolge zum Bereich der Eigengewohnheiten
gehören und die man daher nicht tadeln dürfe. Offenbar war für diesen herausragenden
byzantinischen Kirchenfürsten Eigennutz und politisches Kalkül das oberste Gebot. Im
Brief des Papstes Nikolaus I. an den Erzbischof Hinkmar von Reims aus dem gleichen
Jahr wird neben den bereits bei Photios erwähnten auch von anderen Vorwürfen be-
richtet, die seitens der Griechen gegen die lateinische Kirche - offensichtlich auch auf
Anregung von Photios - erhoben worden sind. Die Lateiner fertigten angeblich das
Chrisma aus Flußwasser an; zu Ostern legten sie „nach der Art der Juden" ein Lamm
auf den Altar, um es zu segnen und zusammen mit dem eucharistischen Brot darzubrin-
gen; ihre Kleriker rasierten sich die Barte; Diakone würden ohne Priesterweihe unmit-
telbar zur bischöflichen Würde erhoben38. Nach einem derartigen Angriff, der seinem

ecclesia magis pullulet, operam dare minime cessamus. Quam etiam nostra apostolica tantum
abigit censura, quantum hanc temere recognoscit praesumptam".
33 PHOTIOS, Εγκύκλιος επιστολή, ed. cit. 43: και το ιερόν και αγισν σύμβολον, δ πδσι τοις
συνοδικοΐς και οίκουμενικοΐς ψηφίσμασιν άμαχον £χει την Ίσχύν, νόθοις λογισμοΐς και
παρεγγράπτοις λόγοις καΐ θράσους υπερβολή κιβδηλεύειν επεχείρησαν <...>, τό πνεΰμα το
αγιον ουκ εκ τον πατρός μόνον, αλλά γε και εκ τοϋ υίοϋ εκπορεύεσθαι καινολογήσαντες.
34 Ebd., Λ2-Α7>: αλλά γε δή και τους ύπό πρεσβυτέρων μύρω χρισθέντας άναμυρίζειν αυτοί ού
πεφρίκασιν, επισκόπους εαυτούς άναγορεύοντες και τό των πρεσβυτέρων χρίσμα
αχρηστον είναι και εις μάτην έπιτελεΤσθαι τερατευόμενοι. <...> οϋ γαρ εξεστιν, φασίν,
ίερεΰσιν τους τελούμενους μύρω άγιάζειν, άρχιερεΰσιν γάρ μόνοις ένομίσθη.
35 Ebd., 42: και πρώτον μέν αυτούς ούχ όσίως εις την των σαββάτων νηστείαν μετέστησαν.
36 Ebd.: έπειτα δέ την των νηστειών πρώτον εβδομάδα της άλλης νηστείας περικόψαντες, εις
γαλακτοποσίας καί τυροΰ τροφήν και την των ομοίων άδηφαγίαν καθείλκυσαν.
37 Ebd.: καί δή καϊ τους ένθέσμω γάμψ πρεσβυτέρους διαπρέποντας οι πολλάς κόρας χωρίς
ανδρός γυναίκας δεικνύοντες καί γυναίκας πάϊδας έκτρεφούσας ών ούκ εστίν πατέρας
θεάσασθαι, οδτοι τους ώς αληθώς θεοϋ ιερείς μυσάττεσθαί τε και άποστρέφεσθαι
παρεσκεύασαν.
38 CICO Fontes 1682 (Nr. 329): „Conantur enim tarn nostram specialiter quam omnem generaliter,
quae lingua Latina utitur, Ecclesiam reprehendere, quia ieiunamus in sabbatis, quod Spiritum
Sanctum ex Patre Filioque procedere dicamus, cum ipsi hunc tantum ex Patre procedere fateantur.
Dicunt praeterea nos abominari nuptias, quia presbiteros sortiri coniuges prohibemus, et
Die Reflexion der Lateiner • '• 345

Charakter nach dem späteren Angriff gegen die Azymen sehr nahe kam, sahen sich die
Lateiner vor die Notwendigkeit gestellt, dagegen zu argumentieren.
Zwei zeitgenössische lateinische Autoren haben sich mit der Widerlegung der by-
zantinischen Angriffe beschäftigt, nämlich Aeneas von Paris (f ca. 871) im Über
adversus Graecos und Ratramnus von Corbie (f ca. 870) in seinem Werk Contra
Graecorum opposita Romanam ecclesiam infamantium39. Die beiden Theologen wid-
meten ihre Werke vor allem dem Filioque, berührten aber auch die Problematik der
unterschiedlichen kirchlichen Gewohnheiten, und in dieser Hinsicht sind sie Vorläufer
jener Auseinandersetzungen, die uns in dieser Studie vor allem interessieren. Besonde-
res Interesse verdient das Contra Graecorum opposita des Ratramnus, ein Meisterwerk
der ruhigen, begründeten, zugleich aber auch nachhaltigen Polemik. Am Anfang seiner
Besprechung der byzantinischen Angriffe gegen die Gewohnheiten der Lateiner trifft
Ratramnus folgendes Urteil:
„Die Einwände [der Griechen], von denen gleich die Rede sein wird, scheinen wenig Weisheit,
aber nicht wenig Unerfahrenheit zu beinhalten. Sie hätten übergangen werden können, wenn
man nicht glauben müßte, daß sie für weniger kluge Leute das Ärgernis eines Irrtums hervor-
bringen könnten. Da sie von der Art sind, daß sie sich äußerlich als Frömmigkeit ausgeben,
können sie viele unbedachte Menschen täuschen, die eine wahre Gottesverehrung nicht von
einer vorgetäuschten unterscheiden können".40

Es gebe einen Bereich, in dem alle „das gleiche denken" müssen, und nicht „unter-
schiedlich meinen" dürfen41: Das sei der Bereich des Glaubens. Dagegen seien „die
Gewohnheiten der Kirchen nicht überall gleich, und können nicht bei allen in gleicher
Form gepflegt werden"42. Bereits in apostolischer Zeit hätten sich die Christgläubigen

insimulare temptant, quoniam eosdem presbiteros chrismate linire baptizatorum frontes


inhibemus; quod tarnen chrisma nos ex aqua fluminis conficere fallaciter arbitrantur.
Reprehendere nihilominus moliuntur, eo quod octo hebdomadibus ante Pascha a carnium et
septem hebdomadibus a casei et ovorum esu more suo non cessamus. Mentiuntur quoque nos,
sicuti per aha ipsorum conscripta indicatur, agnum in Pascha more Judaeorum super altare pariter
cum dominico corpore benedicere et offerre. Quin et reprehendere satagunt, quia penes nos clerici
barbas rädere suas non abnuunt et quia diaconus non suseepto presbiteratus officio apud nos
episcopus ordinatur...".
39 Die beiden Werke entstanden vermutlich kurz nach 867. Zu Aeneas von Paris s.: PL 121, 681-
684. Zu Ratramnus von Corbie s.: BRUNHÖLZL, Geschichte I 379-383; LMA VE 4 6 2 ^ 6 3
(HÖDL).
40 RATRAMNUS VON CORBIE, Contra Graecorum opposita, üb 4, cap 1 (ed. cit. 303 C): „Objecta
quae sequuntur dum sapientiae parum, imperitiae vero non parum continere videantur, poterant
omitti, si non minus prudentibus erroris scandalum viderentur posse parturire. Dum enim talia
sint, quae formam pietatis videantur ostendere, plurimos valent incautos deeipere, non valentes
discemere quid inter veram simulatamque distet religionem".
41 Ebd., 304 C: „idem sapere, non diversa sentire".
42 Ebd.: „Caeterum consuetudines Ecclesiarum nee eadem sunt omnes, nee Omnibus possunt
uniformiter haberi".
346 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

hinsichtlich ihrer „Observanzen" unterschieden, „auch wenn sie eine Gemeinschaft in


der Einheit des Glaubens bildeten"43.
Die im vorhergehenden Abschnitt zitierte Passage des Papstes Leo IX. aus dem er-
sten Brief an Kerullarios, die eine Begründung der ungehinderten Ausübung griechi-
scher Gottesdienste im römischen Jurisdiktionsbereich enthält44, basiert auf der ange-
führten Gregor-Stelle45. Auch diese Passage aus dem Brief an Kerullarios ging in das
Kirchenrecht ein. Aufnahme fand sie in die Panormia und in das Decretum des Ivo von
Chartres (f 1115), jedoch inserierte Ivo diesem Text einen Satz aus dem ebenfalls oben
zitierten Brief des Papstes Nikolaus I. an Photios aus dem Jahre 86240 und betitelte das
Kapitel in der Panormia: Nicolaus Michaeli imperaton41, und im Decretum hieß die
Überschrift: Leo IX. Michaeli imperatori Constantinopolitano4S. In dieser Form über-
nahm Gratian diesen Kanon von Ivo, der ebenfalls den Brief Leos IX. mit dem Text
Nikolaus' I. vermengte. Dieser Kanon bei Gratian unter dem Titel Nicolaus Michaeli
imperatori besagt-
e s weiß die heilige römische Kirche, daß die nach Zeit und Ort unterschiedlichen Gewohn-
heiten dem Heil der Gläubigen nicht schaden, falls ihnen keine kanonische Autorität, deretwe-
gen wir sie ablehnen müßten, widerspricht. Daher entscheiden wir, daß man ihnen nicht wider-
stehen darf oder kann"49.

Mit diesem Kanon ist also der von Gregor dem Großen stammende Grundsatz In una
fide nihil officit ecclesiae consuetudo diversa mittels Texten von Papst Nikolaus I. und
von Papst Leo IX. in die theologische Bewertung der rituellen Eigenart der Griechen im
12. und 13. Jahrhundert eingegangen. m

4. „Potest, sed non debet": Das Mißbilligungsmodell

Die zentrale Frage, die im Zusammenhang mit den angeführten patristischen und kano-
nistischen Autoritäten beantwortet werden mußte, lautete: Wo genau liegt die Grenze
zwischen dem Bereich des „Glaubens" einerseits und des „Ritus" bzw. der „Gewohn-
heit" andererseits? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Einheit des
Glaubens in der Vielfalt der Gewohnheiten bewahrt wird? In Bezug etwa auf die Azy-

43 Ebd., 305 A: „Etenim licet observantiae fuerint dispares, fidei tarnen unitate sociabantur".
44 Den Wortlaut s. oben, S. 337 Anm. 3.
45 Den Wortlaut s. oben, S. 342 Anm. 25.
46 Den Wortlaut s. oben, S. 343 Anm. 32.
47 Ivo VON CHARTRES, Panormia, lib 2, cap 155 (ed. cit. 1119 A).
48 Ivo VON CHARTRES, Decretum, pars 4, cap 223 (ed. cit. 312 D - 313 A).
49 DECRETUM GRATIANI, d. 12 c. 3 (ed. cit. 27-28): „Nicolaus Michaeli Imperatori. Seit saneta
Romana ecclesia, quod nihil obsunt saluti credentium diversae pro loco et tempore consuetudines,
si Ulis canonica non obsistit auetoritas, pro qua eis obviare debeamus; unde nil iudicamus eis
debere vel posse resisti".
Die Reflexion der Lateiner 347

men- und die Taufformelproblematik konnte die Anwendung der augustinischen und
der gregorianischen Kriterien zu unterschiedlichen, ja sogar gegensätzlichen Schlußfol-
gerungen führen. Einerseits konnten sie - wie dies meist geschah - positiv als Anerken-
nung der byzantinischen Gewohnheiten interpretiert werden. Andererseits hätte auch
die von Augustinus geforderte Unantastbarkeit jener Dinge, die auf göttliche Einsetzung
zurückgeführt wurden, auch auf das ungesäuerte Brot angewendet werden können. An-
genommen, Jesus habe die Eucharistie mit ungesäuertem Brot eingesetzt, dann wäre die
römische Gewohnheit des Ungesäuerten unantastbar, wohingegen das byzantinische
Gesäuerte nicht zugelassen werden dürfe. Falls man zu der Ansicht gelangt wäre, daß
etwa für die Verwendung der griechischen Taufformel keine ausreichenden Gründe
mehr vorlägen, hätte sie unterbunden werden müssen, weil sie - um Augustinus zu
zitieren - „weder in der Autorität der Hl. Schrift enthalten ist, noch in den Bischofskon-
zilien beschlossen worden war, noch durch die Gewohnheit der gesamten Kirche bestä-
tigt ist". Auch die von Gregor vorausgesetzte Einheit des Glaubens, unter deren Schirm
sich eine Vielfalt von Gewohnheiten entfalten darf, hätte aus strenger Sicht auch als
Hindernis für die Akzeptanz der griechischen Sakramentalformen wahrgenommen wer-
den können. Wenn nämlich die „Andersheit" der Griechen einen Anlaß zum Schisma
oder sogar zur Häresie böte, hätte man daraus folgern können, daß die Unterschiedlich-
keit der Gewohnheiten eine Gefahr für die Einheit des Glaubens darstelle. Hier tritt
wiederum ein Spannungsverhältnis zwischen dem Anerkennungs- und dem Mißbilli-
gungsgedanken zutage: Der erste legte den Schwerpunkt auf die Gewährleistung unter-
schiedlicher Gewohnheiten, der letztere dagegen auf die Bewahrung der Einheit des
Glaubens.
Unter den Autoren, die zur Mißbilligung der sakramentalen Eigenart der Griechen
neigten, muß man als ersten Petrus Damiani nennen. Seine kurze Bemerkung zum eu-
charistischen Brot der Griechen verdient auch deswegen Beachtung, weil sie von meh-
reren späteren Autoren wörtlich übernommen wurde:
„Das gesäuerte Brot darf nicht im eucharistischen Opfer dargebracht werden, sowohl wegen
des historischen Faktums (mtione facti) als auch wegen des Mysteriums (mtione mysterii).
Das liest man im Buch Exodus. Außerdem bezeichnet der Sauerteig die Verderbtheit, wie der
Apostel bezeugt: »Ein wenig Sauerteig verdirbt den ganzen Teig«. Aber die Griechen, hart-
näckig in ihrem Irrtum, zelebrieren mit dem Sauerteig".50
Ratio facti bedeutet hier den Einsetzungsgrund: Die erste Eucharistie des Herrn habe
mit ungesäuertem Brot stattgefunden, wie dies im Buch Exodus vorgeschrieben wurde.
Ratio mysterii meint die typologischen Gründe: Der Sauerteig sei in der Hl. Schrift mit
negativem Symbolgehalt beladen. Der Text des Damiani wanderte in einzelnen Stücken

50 PETRUS DAMIANI, Expositio canonis missae, η 2 (ed. cit. 881 Α-B). „Panis fermentatus non debet
offerri in sacrificium, turn ratione facti, turn ratione mysterii. Sie legitur in Exodo. Fermentum
etiam corruptionem significat, teste Apostolo: modicum fermentum totam massam corrumpit.
Graeci tarnen in suo pertinaces errore de fermento conficiunt".
348 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

von einem Autor zu dem anderen, besonders aber hat zu seiner Verbreitung Inno-
zenz III. beigetragen, der ihn fast wörtlich in sein Werk De missarum mysteriis über-
nommen hat51.
Die um 1107 verfaßte Epistola de sacramentis ecclesiae des Anselm von Canterbury
wurde, wie auch sein Brief über die Azymen, auf Anfrage des Bischofs Walram von
Naumburg geschrieben. Der einschlägige Brief Walrams ist erhalten und stellt ein in-
teressantes Zeugnis jener Bedenken dar, die einen lateinischen Bischof bei der Kon-
frontation mit fremden Bräuchen zur Mißbilligung anderer Ritusformen führten. Wal-
ram stellte fest: „Über die Sakramente der Kirche denkt Palästina so, Armenien anders,
wiederum anders unser Rom und das dreigeteilte Gallien. Das Mysterium des Herren-
leibes behandelt die römische Kirche auf diese, die gallikanische auf andere Weise, und
ganz anders verfahrt unser Germanien"52. Seine Bilanz lautet:
„Die Vielfalt in der Kirche ist der Einheit höchst zuwider. Lange kann nicht bestehen, was
durch die Unstimmigkeit seiner Teile gegen sich selbst vorgeht. <...> Ich wundere mich doch,
aus welchem Grund die Verschiedenheit in der Zelebration ihren Anfang nahm. Ein Glaube ist
es, eine Taufe, eine Geliebte, Braut und Taube Christi. Der Einheit der Kirche schadet es sehr,
wenn man in den Sakramenten divergiert, und wenn alles zu tun erlaubt ist, was einem ge-
fällt"53.

Anselm von Canterbury entwickelte als Antwort auf Walram sein Duldungsmodell, von
dem im nächsten Abschnitt die Rede sein wird.
Die Linie non debet, die von Petrus Damiani ihren Ausgang nahm, verfolgte Inno-
zenz III. in seinem Werk De missarum mysteriis weiter54 und versuchte, sie nach 1204

51 S. unten, Anm. 54.


52 WALRAM VON NAUMBURG, Epistola ad Andelmum, ed. cit. 234: „De sacramentis ecclesiae aliud
Palaestina, aliud Armenia, aliud nostra Roma et tripertita sentit Gallia. Dominici etiam corporis
mysterium aliter Romana, aliter Gallicana ecclesia, ac diversissime nostra tractat Germania".
Walram nennt insbesondere die unterschiedliche Art des Segnens und der Verhüllung der Hl.
Gaben bei der Konsekration, über die er besonders besorgt ist. Die Armenier bezeichnet Walram
irrtümlich als solche, die mit gesäuertem Brot zelebrieren: „Armenii quidem de fermentato se
laudem sacrificare putant".
53 Ebd., 233-234 und 235: „Diversitas in ecclesia admodum est unitati contraria. Diu non potest
stare, quod partium in se grassatur dissensione. <...> Miror autem valde qua ratione sacrificandi
coeperit diversitas. Una est fides, unum baptisma, una Christi amica, sponsa et columba.
Ecclesiae unitati valde obest in sacramentis discrepare, et quidquid libitum est licitum facere".
54 S.: INNOZENZ ΠΙ, De missarum mysteriis, lib 4, cap 4 (ed. cit. 854 D - 855 A): „Panis autem non
fermentatus, sed azymus debet offerri in sacrificium, turn ratione facti, turn etiam ratione mysterii.
Sie enim legitur praeeeptum in Exodo: <...> Fermentum enim corruptionem significat, apostolo
testante, qui dicit: Modicum fermentum totam massam corrumpit. Ut ergo nihil corruptum sive
corrpumpens, sed totum sincerum atque sincerans in hoc esse sacramento monstretur, non
fermentatum, sed azymum consecramus. <...> Graeci autem in suo pertinaces errore de
fermentato conficiunt". Eine weitere Entlehung bei: ALEXANDER VON HALES, Quaestiones
Die Reflexion der Lateiner 349

auch in seiner Politik im lateinischen Reich von Konstantinopel durchzusetzen55. Wie


oben gezeigt wurde, schlugen diese Versuche fehl, was dazu führte, daß der Papst seine
Ansichten und seine Politik in Richtung einer Duldung der griechischen Bräuche modi-
fizierte. Ungeachtet dessen setzten die meisten hochscholastischen Autoren in ihren
theoretischen Aussagen die Mißbilligungstendenz Innozenz' III. fort. Schon die Frage-
stellung bei Guido von Orchelles demonstriert diese Tendenz: „Es wird gefragt, warum
eher mit ungesäuertem als mit gesäuertem Brot konsekriert werden soll, und ob die
Griechen, die mit gesäuertem Brot zelebrieren, irren?"56 Zwar findet sich bei Guido
kein ausdrückliches Verbot der Zelebration mit Gesäuertem, aber sein Argumentations-
gang weist in diese Richtung. Alexander von Haies hegt sogar, wie wir oben gesehen
haben, gewisse Zweifel an der Gültigkeit der Zelebration mit Gesäuertem. Selbstver-
ständlich ist er auch der Ansicht, daß man nur mit Ungesäuertem zelebrieren dürfe57.
Die Fragestellung bei Wilhelm von Militona basiert ebenfalls auf der Unterscheidung
debet - non debet „Ob der Leib Christi mit ungesäuertem oder mit gesäuertem Brot
konsekriert werden muß": Die Antwort fallt zugunsten der ersten Alternative58. Auch
das Verbot der griechischen Taufformel in den Jahren 1231/32 muß man im Zusam-
menhang mit der von Innozenz III. angeschlagenen Mißbilligungstendenz der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts sehen.
Auch die Unterscheidung zwischen den wesensnotwendigen {de substantiä) und den
akzidentiellen (per accidens) Bestandteilen eines Sakraments führte nicht unbedingt zu
einer Duldung oder Anerkennung der byzantinischen Eigenart. Bei mehreren Autoren,
die die Unterscheidung Gesäuertes/Ungesäuertes nicht zur Substanz des Sakraments
rechneten, ist es trotzdem nicht erlaubt, mit Gesäuertem zu zelebrieren; so ζ. Β. bei
Albertus Magnus, der zwischen zwei Arten von notwendiger Opfermaterie unterschei-
det: der Materie, die „aus ihrer Gestalt" notwendig ist (materia debita ex specie), und
jener, die wegen der „akzidentiellen Qualitäten" notwendig ist (materia debita ex
accidentali proprietate). Zar ersten Kategorie gehöre Brot aus Weizen, zur zweiten
ungesäuertes Brot. Wenn es auch nur ein accidens des Sakraments ist, so muß man
dennoch ungesäuertes Brot verwenden59.

antequam, q 51, mem 1, η 43 (ed. cit. 910): „magis convenit illa materia [das ungesäuerte Brot]
tum ratione facti Domini, turn ratione significandi".
55 S. oben, S. 251-256.
56 GUIDO VON ORCHELLES, Tractatus de sacramentis, cap 5, η 61 (ed. cit. 59): „...quaeritur quare de
azymo potius conficiatur hoc sacramentum quam de fermentato et utrum errent Graeci, qui de
fermentato conficiunt".
57 ALEXANDER VONHALES, Quaestiones antequam, ed. cit. 911-912.
58 WILHELM VON MILITONA, Quaestiones de sacramentis, tract 4, pars 3, q 9, η 1 (ed. cit 544):
„Quaeritur utrum corpus Christi debeat confici ex azymo vel fermentato".
59 ALBERTUS MAGNUS, De corpore Domini, dist 6, tract 4, cap 1 (ed. cit. 422): „Debita materia
sacramenti dicitur dupliciter, scilicet debita ex specie, et debita ex accidentali proprietate. Debita
quidem ex specie est panis de frumento, et haec debita materia sufficit confectioni sacramenti.
350 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

In direkter Verbindung damit stand die Frage, ob der griechische Priester sündigt,
wenn er mit gesäuertem Brot bzw. ohne Wasserbeimischung zelebriert, bzw. wenn er
die griechische Taufformel verwendet. Noch in der Frühscholastik wurde oftmals die
Ansicht geäußert, daß ein Priester, der akzidentelle Teile eines Sakraments aus Nachläs-
sigkeit ausläßt oder ändert, schwer sündigt - ungeachtet dessen, daß das Sakrament in
diesem Fall als gültig anerkannt wird. Diese Ansicht hat Magister Simon60 und Petrus
Cantor61 und, in Bezug auf die Wasserbeimischung, die Summa sententiarum 62 geäu-
ßert. Jedoch sprechen nur wenige frühscholastische Werke in diesem Zusammenhang
über den griechischen Priester, wie etwa bezüglich der Wasserbeimischung die Summa
Totus homo 63 und Petrus Comestor64. In der Hochscholastik wird dieses Motiv unab-
dingbarer Bestandteil der Betrachtung der griechischen Zelebrationsweise, wobei die
hochscholastischen Theologen in der Regel die Ansicht teilen, daß der Zelebrant, der
mit gesäuertem Brot bzw. ohne Wasserbeimischung zelebriert, bzw. mit der griechi-
schen Taufformel tauft, sündigt. Bei Bonaventura sind die verschiedenen Fälle von
möglichen Vernachlässigungen eines akzidentellen Elements, hier der Wasserbeimi-
schung, auf anschauliche Weise zusammengefaßt:
„Derjenige, der es ausläßt, sündigt. Derjenige, der es aus Häresie oder Verachtung beiseite lie-
ße, würde tödlich sündigen. Derjenige, der es aus Schlamperei vergißt, sündigt tödlich; derje-
nige, der es vergißt, weil er nur halbe Sorgfalt darauf verwendet, begeht eine läßliche Sünde;
aber dennoch sündigt er schwer, weil dieses Sakrament mit größter Sorgfalt vollzogen werden
muß. Je mehr dieses Werk und dieses Sakrament alle anderen Werke überragt, desto schwerer
wiegt eine Vernachlässigung in diesem Fall als bei anderen Unachtsamkeiten"65.

Debita autem ex accidentali convenienti proprietate est panis de frumento azymus: quia ille cum
hoc quod de ipso confici potest, ulterius exprimit sacramenti sinceritatem et incorruptionem".
60 Magister SIMON, De sacramentis, ed. cit 37: „Sine vestibus etiam sacerdotalibus corpus Domini
nihilominus consecratur, <...> Peccat vero sacerdos et merito presumptionis debet argui, qui sine
vestibus sacris dominica traetans misteria ecclesiasticis institutionibus contrarius querit inveniri.
Sed, ut iam prius dictum est, aliud est sacerdotem reprehendere, aliud quid de re ipsa sentiendum
sit, cognoscere".
61 PETRUS CANTOR, Summa de sacramentis, pars 1, § 67 (ed. cit. I 177: über die Akzidentien der
Eucharistie, wie Gabenbereitung, Segen, Lesungen, Tagesgebete usw.): „Cetera enim uario
tempore a diuersis sanetis patribus propter sacramenti reuerenüam adieeta sunt, propter
sacramenti illius institutionem et frequentem celebrationem. Ceterum sacerdotum qui aliquid de
istis omiserit que ecclesia ad sollempriitatem instituit, plurimum peccare fatemur, sed si omissa
fuerint, sacramentum uere et efficaciter sine Ulis fieri non diffitemur".
62 Den Wortlaut s. oben, S. 192 Anm. 146.
63 Den Wortlaut s. oben, S. 195 Anm. 156.
64 Den Wortlaut s. oben, S. 194 Anm. 154.
65 BONAVENTURA, In IV. Sententiarum, dist 11, pars 2, art 1, q 3 ad 8 (ed. cit. 259): „...peccat qui
omittit, et qui ex haeresi vel contemptu omitteret, peccaret mortaliter; qui negligit ex hoc, quod
nullam habet diligentiam, peccat mortaliter, qui negligit ex hoc, quod habet diligentiam
Die Reflexion der Lateiner 351

Bonaventura legt dies dar, ohne ausdrücklich auf den griechischen Zelebranten Bezug
zu nehmen. Konkret auf die Griechen bezieht sich dagegen Richard von Mediavilla:
„...der Leib Christi kann mit gesäuertem Brot zelebriert werden. Daher bringen die Griechen
den wahren Leib Christi dar. <...> Aber diejenigen, die mit gesäuertem Brot zelebrieren, sün-
digen schwer, weil Christus mit ungesäuertem Brot zelebriert hat. <...> Das Gegenargument
beweist nur, daß, wenn der Priester gesäuertes Brot konsekrierte, dieses wirklich in den Leib
Christi verwandelt würde, und das ist wahr. Daraus folgt aber nicht, daß es uns erlaubt ist, mit
gesäuertem Brot zu konsekrieren"66.

Auf die Frage „ O b man mit gesäuertem Brot zelebrieren darf' sagt Albertus Magnus in
De corpore Domini:
„Es muß mit ungesäuertem Brot zelebriert werden und nicht mit gesäuertem, aber man kann
mit gesäuertem konsekrieren. Und falls mit gesäuertem konsekriert wird, kommt auch der
wahre Leib Christi zustande, aber derjenige, der das tut, muß getadelt werden, denn er hält
nicht den apostolischen und den für das Sakrament notwendigen Ritus ein"67.

Im Sentenzenkommentar bezichtigt Albert ausdrücklich den griechischen Priester der


Sünde:
„Es kann mit beiden Brotarten, und zwar sowohl mit ungesäuertem als auch mit gesäuertem,
konsekriert werden von der Kraft der Worte her. Der Entsprechung und dem Recht nach hin-
gegen kann man ohne Sünde nur mit ungesäuertem Brot zelebrieren. Deswegen sündigen die
Griechen gegen das, was dem Sakrament entspricht (congruentia sacramenti) und gegen das
Sakramentenrecht"68.

Etwas vorsichtiger drückt sich Johannes Duns Scotus aus, aber auch er neigt zu der
Ansicht, daß die Griechen in ihrer Zelebrationsweise sündigen:

semiplenam, peccat verdauter, sed tarnen graviter peccat, quia hoc sacramentum cum omni
diligentia est consecrandum. Et quantum istud opus et hoc sacramentum praecellit alia opera,
tantum negligentia in hoc praeponderat aliis negligentiis".
66 RICHARD VON MEDIAVILLA, In IV. Sententiarum, dist 11, art 2, q 3 cor (ed. cit. 140): „...corpus
Christi confici potest de pane fermentato. Unde Graeci vere conficiunt corpus Christi. <...>
graviter tarnen peccant conficientes de fermentato, eo quod Christus de azimo confecit".
„Argumentum ad partem aliam, non plus concludit, nisi quod si sacerdos consecret panem
fermentatum, quod vere convertitur in corpus Christi, et hoc est verum: sed ex hoc non sequitur,
quod liceat nobis de fermentato conficere".
67 ALBERTUS MAGNUS, De corpore Domini, dist 6, tract 4, cap 1 (ed. cit. 422): „Debet quidem
confici in azymo, et non in fermentato, sed potest confici in fermentato: et si consecratur in
fermentato, confectum est et verum corpus Christi, sed arguendus est qui facit: quia non tenet
ritum apostolicum et sacramento debitum".
68 ALBERTUS MAGNUS, In IV. Sententiarum, dist 12, C, art 8 (ed. cit 307): „Dicendum, quod confici
potest in utroque, scilicet in azymo et fermentato de potestate verborum: sed de congruentia et
jure et sine peccato non potest confici, nisi in azymo: et ideo Graeci peccant erga congruentiam
sacramenti, et contra jus in consecrando".
352 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

„Was die Notwendigkeit des Ministers betrifft, muß man heute zumindest in der lateinischen
Kirche mit ungesäuertem Brot zelebrieren, wie oben in dieser Distinktion über die passende
Materie gesagt wurde. Und vielleicht sündigen auch die Griechen schwer, die sich nicht der
Kirche des Petrus angleichen, zumal man hier ein solides Fundament hat, weil Christus die
Feier dieses Sakraments so eingesetzt hat Es mag auch sein, daß man es, wenn auch nicht
notwendigerweise, anders feiern könnte; aber auf diese Weise wird es trotzdem passender ze-
lebriert"69.

Auch der frühe Thomas von Aquin 7 0 und Petrus von Tarentaise 7 1 lassen keinen Zweifel
daran, daß die Eucharistie mit gesäuertem Brot nicht erlaubt sei. Analoge Aussagen
trifft Thomas bezüglich der griechischen Taufformel im Sentenzenkommentar72. Gene-
rell entsteht der Endruck, daß bezüglich griechischer Eigenarten beinahe die ganze
Theologie des 13. Jahrhunderts von den Ansichten Innozenz' III. geprägt wurde und
daher immer wieder das Mißbilligungspostulat wiederholte, ohne jedoch dabei die zeit-
genössische Duldungspraxis des Westens ausdrücklich zu kritisieren. Auch wenn einige
Theologen selbst an der Verwirklichung der Duldungspolitik mitgewirkt haben, wie
man am Beispiel des Petrus von Tarentaise, dem Teilnehmer am Konzil von Lyon 1274
und späteren Papst Innozenz V., sehen kann, äußerten sie sich in ihren Werken wieder-
holt im Sinne der Mißbilligung. Das trifft etwa auf Humbert von Romans zu, der zwar
in seiner programmatischen Schrift zum Konzil von Lyon 1274, dem Opusculum tri-
partitum, der Duldungspolitik des Papsttums beistimmte, jedoch zugleich betonte, daß
„die Unterschiedlichkeit die Mutter und der Anfang der Zwietracht" sei, und daß unter
anderem der unterschiedliche Gebrauch des eucharistischen Brotes die Griechen „be-
reitwilliger" (promptiores) zum Schisma gemacht habe73. Die Mißbilligungstendenz
scheint also allenthalben durch, und nicht nur in der Frage des gesäuerten Brotes. So ist

69 JOHANNES DUNS Scorus, In IV. Sententiarum, dist 11, q 6 (ed. cit XVH 485): „...de necessitate
ministri ad minus in Ecclesia Latina est hodie conficere in azymo, sicut dictum est supra ista
distinetione de materia conveniente. Et forte etiam graviter peccant Graeci, qui non se conformant
Ecclesiae Petri, maxime cum hie habeatur fundamentum solidum, quod sie Christus instituit istud
. sacramentum celebrandum; ad minus, licet non necessario, quin aliter fieri posset, tarnen sie
magis congrue celebratur".
70 Dazu s. unten, S. 368.
71 PETRUS VON TARENTASIE, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2 ad 5 (ed. cit. IV 123):„In utroque
pane confici potest, sed non debet propter Ecclesiae usum contrarium".
72 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 3, q 1, art 2b ad 1 (ed. cit. 432); den Wortlaut s.
oben, S. 213 Anm. 55.
73 HUMBERT VON ROMANS, Opusculum tripartitum, lib 2, cap 11: Quae fuerit causa et sit adhuc
schismatis Graecorum (ed. cit. 215): „...inter Graecos et Latinos ab antiquo fuit multa varietas, et
quoad ritus multos diversos, et quoad continentiam in sacris ordinibus, ad quam Latini se
obligaverunt, Graeci vero noluerunt se obligare, et quoad modum conficiendi maximum
sacramentum, quia Graeci conficiunt de fermentato, Latini vero de azymo. Varietas autem mater
est et initium discordiae. Et ideo huiusmodi varietas et similes fecerunt Graecos ad discordiam
promptiores".
Die Reflexion der Lateiner 353

zum Beispiel Wilhelm von Militona in den Jahren 1245-49, also gut 15 Jahre nach der
offiziellen Beilegung des Taufformelstreits, der Ansicht, daß die griechische Tauffor-
mel, wenn auch gültig, nichtsdestoweniger „nicht zu billigen" sei74. Alle diese Beispiele
bestätigen die These, daß die im 13. Jahrhundert offiziell praktizierte Duldungspolitik in
der Tat mit großen Vorbehalten verbunden war und nur widerwillig ertragen wurde.

5. „Quantum cum Domino possumus sustinendo": Das Duldungsmodell

Oben haben wir gesehen, daß Anselm von Canterbury als erster die Unterscheidung
traf, wonach gesäuertes und ungesäuertes Brot in derselben Brotsubstanz übereinkom-
men und lediglich den Akzidentien nach unterschieden sind. Folglich stand für ihn fest,
daß das, was die Griechen tun, „nicht gegen den christlichen Glauben" sei . In seiner
Antwort auf das oben zitierte Schreiben des Walram von Naumburg über das Problem
der Vielfalt der sakramentalen Gewohnheiten schrieb Anselm:
„Ihr fragt über die Sakramente der Kirche, da sie doch nicht überall in gleicher Weise gespen-
det werden, sondern an den verschiedenen Orten auf unterschiedliche Art. Freilich wäre es gut
und lobenswert, wenn sie in der ganzen Kirche auf eine Weise und übereinstimmend gefeiert
würden. Da aber die Unterschiede zahlreich sind, die weder dem Kern des Sakraments {summa
sacramenti) noch seiner Wirksamkeit noch dem Glauben widersprechen, und die alle nicht
unter einer einzigen Gewohnheit zusammengefaßt werden können, meine ich, daß man sie
eher in Frieden einmütig toleriere, anstatt sie uneinmütig mit Entrüstung verurteile. Wir haben
nämlich von den heiligen Vätern übernommen, daß, falls die Einheit der Liebe im rechten
Glauben bewahrt wird, die Unterschiedlichkeit der Gewohnheit nicht schadet. Falls man aber
fragt, woher diese Vielfalt der Gewohnheiten kommt, so sehe ich nichts anderes als die Unter-
schiede der Sinnesarten der Menschen. Diese unterscheiden sich zwar nicht hinsichtlich der
Wirksamkeit und der Wahrheit, stimmen aber dennoch nicht hinsichtlich der Anwendung und
Angemessenheit der Spendung überein. Denn was der Eine für passender einschätzt, hält der
Andere oftmals für weniger angemessen. Und ich glaube nicht, daß man von der Wahrheit der
Sache abweicht, wenn man in diesen Unterschiedlichkeiten nicht übereinstimmt"76.

74 Den Wortlauts, oben, S. 212 Anm. 53.


75 Den Wortlauts, oben, S. 314 Anm. 26.
76 ANSELM VON CANTERBURY, Epistola de sacramentis ecclesiae, ed. cit. 240: „Queritur vestra
reverentia de sacramentis ecclesiae, quoniam non uno modo fiunt ubique, sed diversis modis in
diversis locis tractantur. Utique si per universam ecclesiam uno modo et concorditer
celebrarentur, bonum esset et laudabile. Quoniam tarnen sunt multae diversitates, quae non in
summa sacramenti neque in virtute eius aut fide discordant, neque omnes in unam consuetudinem
colligi possunt: aestimo eas potius in pace concorditer tolerandas, quam discorditer cum scandalo
damnandas. Habemus enim a sanctis patribus quia, si unitas servatur caritatis in fide catholica,
nihil officit consuetudo diversa. Si autem quaeritur unde istae natae sint consuetudinum
varietates: nihil aliud intelligo quam humanorum sensuum diversitates. Qui quamvis in rei virtute
et veritate non dissentiant, in aptitudine tarnen et decentia administrationis non concordant Quod
354 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Die Empfehlung Anselms für die praktische Handhabung der Unterschiede lautet: Sie
müssen ertragen {tolerandas) werden, obwohl es eigentlich besser wäre, daß keine sa-
kramentalen Unterschiede existierten. Der Duldungsgedanke ging aber bei Anselm
Hand in Hand mit der Überzeugung, daß der lateinische Brauch besser sei77. Somit
heben sich die Eckpunkte des Duldungsmodells ab, wie es sich auch in der Folgezeit
präsentierte: (1) Letzten Endes wäre eine gesamtkirchliche Uniformität in sakramenta-
len Bräuchen wünschenswert. (2) Die römische Feier der Sakramente als der Ritus jener
Kirche, die die Mutter aller Ortskirchen ist, sei sicherer und besser als irgendwelche
Gewohnheiten in anderen Ortskirchen. (3) Trotzdem wird die fremde sakramentale
Eigenart, damit kein Ärgernis erregt werde, nicht mißbilligt, sondern geduldet. Im Lau-
fe der Zeit gesellte sich noch ein vierter Punkt dazu, der bei Anselm noch nicht aus-
drücklich ausgesagt wurde: (4) Die Duldung sei von der römischen Kirche jederzeit
widerrufbar.
Auf eine Duldung des Status quo zielt auch Gerhoch von Reichersberg. Er stellt zwar
fest, daß die Griechen, indem sie gesäuertes Brot darbringen, nicht gegen die konstituti-
ven Teile des Sakraments verstießen, gleichwohl hält er fest:
„Obwohl die Griechen vernünftiger daran täten, ungesäuertes Brot darzubringen und dadurch
mit der heiligen römischen Kirche übereinzustimmen, tolerierte die Kirche lange Zeit ihr ge-
säuertes Opfer, nicht aus Nachlässigkeit, sondern viele verwendeten große Sorgfalt darauf,
damit die Griechen zu einer Übereinstimmung mit der römischen Kirche gelangten"78.

Bereits Papst Leo IX. habe die römische Gewohnheit gegen Michael von Konstantino-
pel mit dem Hinweis verteidigt, sie entspreche der Einsetzung Christi, „aber die Grie-
chen beharren auf ihrer Gewohnheit"79. Auch bei Gerhoch werden die Prinzipien des
Duldungsmodells wieder ersichtlich: Es wäre besser, wenn sich die Griechen der römi-
schen Kirche anglichen, und es werde alles Mögliche getan, um die Byzantiner zu über-
zeugen. Dennoch beharren die Griechen auf ihren Partikularbräuchen, und die römische
Kirche tolerierte diese, um den Frieden in der Kirche zu retten. Bemerkenswert jedoch
ist das Perfekt toleravit: Wollte Gerhoch damit andeuten, daß die Zeit der Duldung
vorbei sei? Auch wenn seine Absicht hier nicht ganz klar wird, so kann es ohne weite-

enim unus aptius esse iudicat, alius saepe minus aptum existimat. Neque in huiusmodi
varietatibus non consonare puto ab ipsius rei veritate exorbitare".
77 S. oben, Kapitel Ε12c, S. 322-325.
78 GERHOCH VON REICHERSBERG, Libellus de eo, ed. cit. 260: „Et ideo quamvis rationabilius
facerent, si azimum panem offerendo sanetae Romanae ecclesiae concordarent: eorum tarnen
fermentatum sacrificium diu toleravit ecclesia, non cum negligentia, sed adhibita per multos multa
diligentia, ut Greci concordarent cum Romana ecclesia".
79 Ebd.: „Inde Leo Vm. huius nominis papa a beato Petro CXLVm. contra Mkhaelem
Constantinopolitanum patriarcham egregiam conscripsit epistolam, defendens consuetudinem
Romanam sinceram et institutioni Christi magis consonam. Sed tarnen Greci perseverant in sua
consuetudine, non discordantes a nobis in principali sacramentorum constitutione".
Die Reflexion der Lateiner 355

res sein, daß er, der den Schismatikern eine gültige Konsekration abspricht, die Konse-
krationsgewalt der Griechen aus dem gleichen Grund in Frage stellte80.
Alger von Lüttich war der Ansicht, daß Christus, auch wenn er das Sakrament der
Eucharistie mit ungesäuertem Brot eingesetzt habe, das gesäuerte Brot damit dennoch
nicht verboten habe81. Ebenfalls zur Duldung des griechischen Brauchs ruft der Brief an
Redemptus auf. Da die Qualität des Brotes nicht die Substanz des Sakraments berühre,
könne man das gesäuerte Brot, wie dies ja auch die römische Kirche praktiziere, tolerie-
ren82. Daß die Unterscheidung zwischen Substanz und Akzidentien beim Sakrament
nicht unbedingt zu einer toleranten Haltung gegenüber dem griechischen Brauch führen
mußte, bezeugt das im vorherigen Abschnitt angeführte Beispiel des Albertus
Magnus83. Ein Kriterium zwischen Mißbilligung und Duldung gewinnt man aus der
Einschätzung dessen, ob der griechische Zelebrant, der der Gewohnheit seiner Kirche
folgt, sündigt. Während das Mißbilligungsmodell darin eine Sünde des griechischen
Zelebranten sah, bevorzugten die Texte, die sich an das Duldungsmodell hielten, keine
Aussagen zu dieser Frage zu machen.
Seine „klassische" und kirchenrechtlich autoritative Form erreichte das Duldungs-
modell in der Konstitution 4 des IV. Lateranums (1215), die oben bereits zitiert und
besprochen wurde84. Die griechischen Riten wollte man dulden, soweit man es „mit der
Hilfe des Herrn vermochte" {quantum cum Domino possumus), jedoch erstreckte sich
die Duldung nicht auf jene Riten, „die das Heil der Seelen gefährden können". Das
Duldungsmodell blieb das ganze 13. Jahrhundert hindurch das Leitbild der päpstlichen
Politik gegenüber der Eigenart des Ostens schlechthin. Über diese Politik haben wir

80 Dafür spricht indirekt auch sein Hinweis auf den Unterschied zwischen dem gregorianischen und
dem ambrosianischen Ritus in der lateinischen Kirche: Diese beiden Riten stimmen miteinander
im wesentlichen überein, „so daß auch ein Häretiker diese nicht zu ändern wagt". Sollte er es
dennoch wagen, dann wäre das, was er vollzogen hat, keineswegs ein sakramentales Zeichen:
„Similiter inter ipsos Latinos, cum aliqui discrepent in eo, quod cum pene omnis ecclesia teneat
Gregorianum ordinem, ipsi adhuc tenent Ambrosianum institutionem, in principali tarnen
sacramentorum constitutione adeo sibi concordant omnes ecclesiae, ut etiam hereticorum nullus
audeat eam mutare, atque si quis eam permutaverit, scilicet vel aliud offerens, vel in alio liquore
babtizans, vel aliud inter offerendum aut babtizandum recitans, quam habet ecclesiastica traditio,
nullatenus quod agit reputetur pro sacramento" (ed. cit. 260). Daraus läßt sich schließen, daß unter
denen, die in den wesentlichen Dingen übereinstimmen, auch Häretiker zu finden seien, die, nach
der Ansicht Gerhochs kein echtes Sakrament konsekrierten. Das kann sich aber auch auf die Grie-
chen beziehen.
81 ALGER VON LÜTICH, De sacramentis, ed. cit. 827 D: „quamvis Christus de azymo pane corpus
suum fecerit <...>, panem tarnen fermentatum non prohibuit".
82 PSEUDO-ISIDORUS, Epistola ad Redemptum, ed. cit. 905 D: „Scias itaque eorum jam dictis
consuetudinibus minime nos oppponere reprehensionis obstaculum, quandiu eas Romana Ecclesia
duxerit tolerandas, maxirae cum non sint de essentia, sive substantia sacramenti".
83 S. oben, S. 351 Anm. 68.
84 S. oben, S. 255-256.
356 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

ausführlich in einem der vorhergehenden Kapiteln gesprochen. Zu den zeitgenössischen


theologischen Aussagen sei hier nur folgendes bemerkt: Es ist im Laufe des 13. Jahr-
hunderts in der theologischen Literatur eine interessante Entwicklung zu beobachten.
Die ausdrückliche Nennung der Duldung als Verhaltensprinzip der Lateiner gegenüber
den Byzantinern wird zunehmend vermieden und mehr und mehr mit Stillschweigen
übergangen. Es habe zwar nach wie vor Geltung, brauche aber nicht mehr erörtert zu
werden. Diese Tendenz geht schließlich dahin, daß sich die meisten systematischen
Werke der Hochscholastik im Sinne der Mißbilligung aussprechen85. Solche Entwick-
lung findet ihre markante Bestätigung auch in der politischen Praxis, insbesondere um
das Konzil von Lyon 1274. Nicht nur wurde die Ritenproblematik auf dem Konzil nicht
diskutiert, sondern auch Gregor X. und die ersten nachkonziliären Päpste haben, wie
wir oben gesehen haben, es nachdrücklich vermieden, dem Antrag des byzantinischen
Kaisers auf Erhaltung der griechischen sakramentalen Eigenart schriftlich zu entspre-
chen86. Man praktizierte die Duldung, theoretisierte aber eher die Mißbilligung.
Eine der wohl differenziertesten späteren Darlegungen des Duldungsmodells, die be-
reits aufgrund der Erfahrungen sowohl des Lateranums von 1215 als auch des Lugdu-
nense von 1274 formuliert wurde, findet man in Bezug auf die Taufformel bei Johannes
Duns Scotus:
„Ober diese Formel läßt sich sagen, daß, solange sie von der römischen Kirche geduldet wur-
de, sie ihnen die Erlaubnis gab, und für die Zeit, in der sie eingesetzt wurde, war sie vernünf-
tig, solange der genannte Grund87 akut war. Aber nachdem dieser Grund aufhörte, konnte ih-
nen mit gutem Grund die gemeinsame Formel auferlegt werden. Entweder verbot ihnen also
die römische Kirche diese Formel, und dann sündigen sie, falls sie diese beobachten - dies
findet sich aber in den Kapiteln, die sich speziell mit ihnen befassen, nirgendwo ausdrücklich —
oder, falls sie es erlaubt oder zugestanden hat, dann scheint es, daß sie diese Formel erlaubter-
maßen weiter behalten dürfen. Und wenn sie, vorausgesetzt es gibt eine derartige Erlaubnis
oder Genehmigung, auf ihren Partikularkonzilien festsetzen, daß sie diese Formel unter sich
beobachten wollen, scheint es, daß ihr Zelebrant verpflichtet ist diese Formel zu beobachten,
so wie dort, wo die römische Kirche erlaubte, daß man mit dreimaligem Untertauchen tauft,
oder dort, wo man es nur einmal macht, man so zu verfahren hat, wie die entsprechende Kir-
che es festgesetzt hat. Und der Zelebrant muß notwendigerweise die Vorschrift und die Art der
eigenen Kirche beobachten"88.

85 S. oben, S. 352-353.
86 Dazu s. oben, S. 297-298.
87 Es handelt sich um die auch bei anderen Scholastikern angesprochene Fehldeutung, die Wirkung
der Taufe ihrem Spender zuzuschreiben, vgl. oben, S. 214 Anm. 57.
88 JOHANNES DUNS SCOTUS, In IV. Sententiarum, lib 4, dist 3, q 2 (ed. cit. XVI288): „De hac forma
potest dici, quod quamdiu tolerata fuit ab Ecclesia Romana, licita fuit eis, et pro tempore, pro quo
instituta fuit, rationabilis fuit durante causa praedieta; sed cessante illa causa, rationabiliter potuit
forma communis fuisse eis imposita. Vel ergo Romana Ecclesia prohibuit illam formam, quantum
ad eos, et tunc peccant servando (quod expresse non invenitur in aliquo capitulo, specialem
Die Reflexion der Lateiner 357

In dieser Passage des Scotus kann man auch einige Elemente des Anerkennungsmodells
beobachten, dem wir uns nun zuwenden.

6. „Diversa, non adversa": Das Anerkennungsmodell


a. Die „Zauberformel" des 12. Jahrhunderts
Die Anerkennung des Wertes unterschiedlicher Gewohnheiten in der einen Kirche, also
das, was im Kern schon bei Gregor dem Großem und bei Ratramnus von Corbie formu-
liert wurde und auch bei Leo IX. und bei Humbert nicht unerwähnt blieb, erreichte ihre
volle Blüte mit der Entwicklung der frühscholastischen Rationalität im 12. Jahrhundert.
Gerade in diesem Jahrhundert fallen die deutlichsten Aussagen zugunsten nicht nur
einer Duldung, sondern auch zugunsten einer Anerkennung der sakramentalen Praxis
der Ostkirche. Mehr noch: Die Problematik der „Einheit in Vielfalt" wurde zum Thema
der Epoche schlechthin, das sich nicht nur in den Fragen des Ritus, sondern auch in
vielen anderen Bereichen der kirchenrechtlichen Praxis und der theologischen Theorie
auswirkte. Einen Schlüssel zur Versöhnung von Vielfalt und Einheitlichkeit fand man
in der „Zauberformel"89 diversa, non adversa, „verschieden, aber nicht entgegenge-
setzt"90. Diese Formel wendete man im Sinne der aufblühenden scholastischen Methode
immer wieder an, um gegensätzliche biblische, patristische oder kanonistische Autori-
täten zu versöhnen. Diese Anerkennung der Multiformität im religiösen Leben und
Denken erstreckte sich auch auf die Haltung gegenüber der rituellen Eigenart der Ost-
kirche in dieser Zeit.
Das Prinzip, das Peter Abaelard im seinem berühmten Sie et non formuliert hatte,
diente ohne weiteres dazu, auch auf die Problematik der Azymen bzw. der Wasserbei-
mischung oder der griechischen Taufformel angewendet zu werden91:
„Wenn über denselben Gegenstand Unterschiedliches ausgesagt wird, muß man sorgfältig
analysieren, was als gebotene Pflicht, was als Erleichterung aus Gnade oder als Aufruf zur

mentionem faciente de eis), vel si permisit, sive concessit, licitum videtur eis illam formam
continuare. Et si tali permissione seu licentia stante, in conciliis suis particularbus, ordinaverunt
inter se talem formam esse servandam, videtur quod minister eorum tenetur eam servare, sicut
stante ista permissione Ecclesiae Romanae, quod alieubi fiat trina immersio, alieubi una, in illa
Ecclesia, quae determinavit trinam immersionem servandam, sie faciendum est, et est de
necessitate ministri, praeeeptum et modum propriae Ecclesiae servare".
S9 S.: CONSTABLE, The DiversityofReligious Life 30.
90 Zu dieser Formel s. neben dem in der vorhergehenden Anmerkung genannten Aufsatz:
DE GHELLINCK, Le Mouvement theologique 517-523; LUBAC, Α propos de laformule; SILVESTRE,
Diversi sed non adversi. Generell zum Thema „Verschiedenheit in der Einheit" in der Theologie
des 12. Jahrhunderts s.: CONGAR, Die Lehre von der Kirche 80-82.
91 Zur Bedeutung des Abaelard für die Entwicklung der Sakramententheologie s.: WEINGART, Peter
Abailard's Contribution.
358 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Vollkommenheit beabsichtigt wird, damit wir nach der Unterschiedlichkeit der Intentionen ein
Heilmittel gegen die Widersprüchlichkeit suchen. Falls es sich aber um ein Gebot handelt,
[muß man analysieren,] ob es ein allgemeines oder ein partikulares ist, das heißt, ob es sich
generell an alle oder nur speziell an bestimmte Personen richtet. Man muß außerdem die Zei-
ten sowie die Ursachen von Verfugungen unterscheiden, weil oftmals, was zu einer bestimm-
ten Zeit erlaubt wird, zu einer anderen Zeit verboten wird, und das, was oftmals mit Strenge
vorgeschrieben wird, manchmal durch Dispens gemildert wird. Diese Umstände beim Erlaß
kirchlicher Dekrete oder Kanones gilt es äußerst sorgfältig zu unterscheiden"92.

Der gleiche Grundsatz bestimmte auch die kanonistische Methodologie. Die Divergen-
zen zwischen der lateinischen und der griechischen sakramentalen Praxis erforderten
nach Ansicht damaliger Kanonisten eine „Konkordanz der Widersprüchlichkeiten"
(Concordantia discordantium canonum), um mit dem Titel des Decretum Gratiani zu
sprechen. Die Kanonisten gingen dabei denen voran, die eine Gleichberechtigimg der
lateinischen und der byzantinischen Eigenart postulierten, in diesem Sinne äußerte sich
Magister Rolandus:
„Die Griechen zelebrieren mit gesäuertem Brot wegen des alttestamentlichen Opfers, das mit
den Azymen vollzogen wurde, und sagen, daß wir sündigen, weil wir es anders machen, und
daß wir judaisieren. Einige der Unsrigen behaupten jedoch, daß sie sich darin verfehlen. Es
kann aber sein, daß weder wir noch sie in dieser Sache sündigen, weil sie dem angegebenen
Grund und der Institution der Väter folgen und wir einen guten Grund haben, indem wir in
dieser Sache Christus nachahmen"93.

Aus einer Nebenbemerkung, die Stephanus von Tournai im Prolog zu seiner Summa in
Decretum Gratiani macht, kann man schließen, daß auch er die beiden Bräuche des
gesäuerten und des ungesäuerten Brotes als gleichwertig ansah94. Auch die Summa des
Huguccio postuliert die Gleichberechtigung der beiden Zelebrationsweisen95.

92 ABAELARD, Sie et non, Prologus (ed. cit. 96): „Diligenter <...> discutiendum est, cum de eodem
diversa dieuntur, quid ad praeeepti coartationem, quid ad indulgentiae remissionem vel ad
perfectionis exhortationem intendatur, ut seeundum intentionum diversitatem adversitatis
queramus remedium. Si vero praeeeptio est, utrum generalis an particularis, id est ad omnes
communiter an ad aliquos specialiter direeta. Distinguenda quoque tempora sunt et
dispensationum causae, quia saepe quod uno tempore est concessum alio reperitur prohibitum; et
quod ad rigorem saepius praeeipitur ex dispensatione nonnunquam temperatur. Haec autem in
institutionibus ecclesiasticorum decretorum vel canonum maxime distingui necesse est".
93 ROLANDUS, Sententiae, ed. cit 232: „Greci <...> in fermento celebrant propter veteris legis
oblacionem, que fiebat in azimis, et dieunt nos peccare, quia aliter faeimus, ac iudaizare. Quidam
vero de nostris asserunt, eos in hoc offendere. Sed potest esse, quia nee nos nee ipsi in hoc
peccamus, quia et illi predietam rationem ac patrum seeuntur institutionem, et nos rationabiliter
agimus Christum in hoc imitando".
94 STEPHANUS TORNACENSIS, Summa, Prologus (ed. cit. 1): „Si duos ad coenam convivas invitaveris,
idem postulantibus contraria non appones; petente altero quod alterum fastidiat, nonne variabis
Die Reflexion der Lateiner 359

Wohl eines der eloquentesten Beispiele der Anerkennung der griechischen sakra-
mentalen Praxis in der frühscholastischen Literatur begegnet in der Summa Zwettlensis.
Hier findet man geradezu einen Hymnus auf die Vielfalt der Gewohnheiten in dem
einen Glauben. Die Toleranz gegenüber fremden Bräuchen im Sinne etwa des Anselm
von Canterbury ist für Peter von Wien nicht mehr ausreichend. Unterschiedliche Ge-
wohnheiten müssen nicht bloß geduldet werden, vielmehr müsse jede Ortskirche ihre
eigene Gewohnheit bewahren und pflegen. Dabei dürfe man die Gewohnheit der Ande-
ren nicht verachten, sondern respektieren, weil sie genauso wie die eigene Gewohnheit
zum Heil führe. Wir haben bereits gesehen, daß Peter von Wien an der Unterscheidung
zwischen Substanz und Akzidentien des Sakraments im üblichen frühscholastischen
Sinne festhielt96. Akzidentien des Sakraments wie Gesäuert- bzw. Ungesäuertsein gehö-
ren aber zum Bereich der Gewohnheiten, der einen eigenen Wert besitzt. Daher darf
man die eigene Gewohnheit nicht ohne Grund ändern:
„Mutwillig verändert die Gewohnheit des eucharistischen Opfers ein jeder, der sie nicht mit
der gleichen Autorität ändert, die als Grund für ihre Einsetzung diente. <...> In der Bewahrung
der Gewohnheit einer jeden Kirche soll man nämlich die Einheit des kirchlichen Friedens eh-
ren und die Autorität ihrer Einsetzung nicht tadeln oder verachten, solange feststeht, daß es ei-
nen Grund dafür gibt. Denn eine Gewohnheit ist nicht deswegen falsch, weil sie anders ist,
sondern wenn sie ohne Grund ist. Nicht der Unterschied der Gewohnheit macht sie verwerf-
lich, sondern das Fehlen eines Grundes. <...> Jede Kirche Christi muß also die eigene Ge-
wohnheit beobachten und sie pflegen. Wir sollen nicht glauben, daß wir alleine fasten, weil
wir alleine auf diese Art und Weise fasten. Wir sollen nicht glauben, daß wir alleine beten,
weil wir alleine auf diese Art beten. Wir sollen schließlich nicht glauben, daß wir alleine das
Opfer darbringen, weil wir alleine es auf diese Art darbringen. <...> Solange also der vom
Evangelium vorgesehene Zelebrant am vom Evangelium vorgesehenen Ort mit den vom
Evangelium vorgesehenen Elementen und mit der vom Evangelium vorgesehenen Konsekrati-
onsformel zelebriert, darf der Lateiner vom Griechen nicht getadelt werden, als ob er nicht
oder schlecht konsekriere, weil er mit weißem Wein oder mit ungesäuertem Brot konsekriert.
Und auch das Opfer des griechischen Priesters darf vom Lateiner nicht als wertlos verachtet
werden, weil er mit rotem Wein und mit gesäuertem Brot zelebriert. Wagen etwa die Spanier,
die mit rotem Wein zelebrieren, die Deutschen zu schelten, die mit weißem Wein zelebrieren,
oder umgekehrt die Deutschen die Spanier? <...> Eine jede Gewohnheit wird üblicherweise
von denen geliebt, deren Gewohnheit sie ist. Das ist doch gut! Es ist aber auch üblich, daß sie
von denen verachtet wird, deren Gewohnheit sie nicht ist. Das ist doch schlecht! Die Regeln
des positiven Rechts können, obwohl sie gut sind, in andere ebenfalls gute geändert werden,
und zwar von denen, die die Gesetzgebungsgewalt haben. Und weil sie sich unterscheiden,

fercula, ne vel confundas aceubitum vel aecumbentes offendas? Latinus azyma, fermentum
Graecus amplectitur. Si pariter accesserint ad altare, neuter alterius sacrificium contemnat".
95 HUGUCCIO, Summa decretorum, zu d. 31 c. 14, sub verbis Aliter se habet (Cod. Vat. lat. 2280, fol.
32v): „id est alia est et diversa, non tarnen adversa vel contraria, sicut <...> non sunt contraria
quod illi fermentato conficiunt, nos vero de azymis".
96 S. oben, S. 317Anm. 39. . ••> • ,. '
360 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

dürfen sie deswegen nicht als Gegensätze betrachtet werden. <...> Die Gewohnheiten der Kir-
chen, um welche immer es sich auch handelt und wie sehr sie sich auch unterscheiden, solange
sie mit dem Glauben und mit der Liebe übereinstimmen, sind alle heilbringend und stammen
alle von Gott. Von allen, auch von denen, die sie nicht verwenden, müssen sie in dem Maße
respektiert werden, in dem die Frucht der kirchlichen Gemeinschaft von allen zu erhoffen
ist"97

b. Die Multiformität des Ordenslebens und die rituelle Eigenart der Ostkirche
Die Frage der Einheit der Kirche in der Vielfalt sakramentaler Gewohnheiten wurde mit
einem anderen Thema der Zeit eng verknüpft: der Entstehung neuer Ordensgemein-
schaften und der Multiformität ihrer jeweiligen Lebensweisen und consuetudines. Giles
Constable hat bereits darauf aufmerksam gemacht, welch gewichtige Rolle diesem
Thema für die Entwicklung der gesellschaftlichen Pluriformität in der westlichen Ge-
sellschaft generell zukam98. Wenn das Problem der Einheit in der Vielfalt von der rein
theoretischen Ebene, die wir etwa bei Abaelard finden, auf den praktischen Bereich
angewendet wurde, so geschah dies in erster Linie mit Blick auf die Vielfalt der mona-
stischen Lebensweisen. Gegen diese Art von Vielfalt wurden - nicht weniger als gegen

97 SUMMA ZWETTLENSIS, lib 4, η 282-287 (ed. cit. 192-193): „Temere enim mutat consuetudinem
sacrificii quicumque non eadem auctoritate mutat eam qua constat causa institutam esse. <...> In
conseruanda etenim consuetudine uniuscuiusque ecclesie unitas honoranda est pacis ecclesiastice
non redarguenda auctoritas institutionis aut contempnenda dum constet eam habere rationem. Non
enim praua est consuetudo quoniam alia est sed quoniam sine ratione est. Diuersitas namque
consuetudinis non facit reprobam consuetudinem sed defectus rationis. <...> Tenenda igitur et
conseruanda est unicuique ecclesie Christi sua consuetudo. Nee ideo soli putandi erimus ieiunare
quia soli hoc modo ieiunamus. Nee ideo soli putandi erimus orare quia soli hoc modo oramus.
Non ergo nos putandi erimus soli sacrificare quoniam soli hoc sacrificamus modo. <...> Dum ergo
minister seeundum euangelium institutus in loco seeundum euangelium instituto in elementis
seeundum euangelium institutis benedictione seeundum euangelium instituta sacrificauerit,
Latinus non est increpandus a Greco tanquam non sacrificans aut male sacrificans eo quod uel in
albo uino uel in pane azimo sacrificat. Nee est a Latino contempnendum sacrificium ministri
Greci tanquam uaeuum quoniam in uino rubeo et fermentato pane sacrificat. Numquid enim
Yspani qui in rubeo sacrificant uino audeant increpare Germanos qui in albo quidem uino
sacrificant aut Germani Yspanos? <...> Solet siquidem consuetudo omnis amari ab hiis quorum
est consuetudo. Quod utrique <so bei Häring!> bonum est. Solet etiam contempni ab hiis quorum
non est. Quod utique <so bei Häring!> malum est. Regule etenim iusticie positive quamuis bone
sint, in alias etiam bonas mutari possunt ab hiis qui habent statuendi auetoritatem. Nee ideo
putande erunt contrarie quoniam sunt diuerse. <...> Consuetudines itaque eccelsiarum quelibet et
quantumlibet diuerse dum fidei et caritati conueniant omnes sunt sanitäres et omnes a deo: ab
omnibus hiis etiam qui eis non utuntur honorande quantum sperandus est ab omnibus ecclesiastice
fruetus communionis".
98 S.: CONSTABLE, TheDiversity o/ReligiousLife (1985). . .· ,
Die Reflexion der Lateiner 361

die sakramentalen „Abweichungen" der griechischen Kirche - Einwände erhoben: Man


sah die Unterschiedlichkeit der monastischen consuetudines oftmals als verwirrend und
kontraproduktiv an. In ihrem Versuch, diese Einwände zu entkräften, kamen die Vertei-
diger der monastischen Vielfalt nicht selten auf die Eigenart der Byzantiner zu spre-
chen. Die unterschiedlichen rituellen Gewohnheiten der jeweiligen Ortskirchen wurden
als Parallele zur Vielfalt der monastischen consuetudines empfunden. Falls sich die
Eigenart der griechischen Kirche bewährt, hätte dies auch positive Auswirkung für die
Vielfalt monastischer Lebensweisen. Und umgekehrt: Billigt man die Vielfalt der Or-
den, dann gewinnt auch die Vielfalt der Riten eine Anerkennung. Zwei Autoren haben
um die Mitte des 12. Jahrhunderts zu dieser Sichtweise entscheidend beigetragen:
Petrus Venerabilis und Anselm von Havelberg.
In seiner berühmten Epistel 111 an Bernhard von Clairvaux geht Petrus Venerabilis
auf den Streit zwischen den verschiedenen Orden ein, der aus der Verschiedenheit der
Gewohnheiten entsprang. Petrus nennt diesen Streit „sehr unvernünftig", „kindisch"
und „dumm"99 und führt als Begründung seiner Ansicht die Vielfalt der Gewohnheiten
der verschiedenen Ortskirchen ins Feld. Falls die gegenseitige Liebe unter den Christen
von denen, die unterschiedlichen Bräuchen folgen, verlassen werde, dann sei sie nir-
gendwo zu suchen100. Denn alle Kirchen zeichnen sich durch eine Unterschiedlichkeit
ihrer Bräuche aus:
„Unzählig ist die Vielzahl der Kirchen, die im einen Glauben und in der einen Liebe Gott die-
nen, und die Vielfalt ihrer Bräuche ist so groß, wie die Orte unendlich sind; mal in Gesängen,
mal in Lesungen, mal in allen kirchlichen Gottesdiensten, mal in verschiedenen Gewändern,
mal - neben den verbindlichen Fastenzeiten, die nicht geändert werden dürfen - auch in ver-
schiedenen Fastenzeiten. Mal in allen ähnlichen Dingen, die je nach Zeit, Ort, Volk oder Ge-
gend von den Vorstehern der Kirchen eingerichtet sind, denen es nach dem Apostel erlaubt ist,
diesbezüglich nach eigenem Dafürhalten reichlich Gebrauch zu machen. Geben also alle diese
Kirchen die Liebe auf, weil sie eine Gewohnheit geändert haben? Werden sie aufhören,
Christen zu sein, weil sie sich in ihren Bräuchen als unterschiedlich erweisen?"101

99 PETRUS VENERABILIS, Rescriptum ad Bernardum, ed. cit. 278: „Est fortasse inter uos litis huius
causa diuersa consuetudo, uaria monastici ordinis obseruatio. Sed si haec, carissimi, tanti mali
causa est, ualde irrationabilis, et quod salua utriusque uestrum gratia loquor, ualde puerilis et
stulta est".
100 Ebd.: „Si inquam lex Christi, id est Caritas, ab omnibus diuersos usus sequentibus relinquenda
est, nusquam plane ultra quaerenda est. Nusquam enim inueniri poterit, postquam ab omnibus
morem diuersum sequentinus exclusa fuerit".
101 Ebd., 278-279: „Cumque omnem pene numerum excedat multiplicitas aecclesiarum sub una
fide, et eadem caritate deo famulantium, tanta pene apud eas inuenitur uarietas usuum, quanta
infmitas est locorum. Hoc in cantibus, hoc in lectionibus, hoc in omnibus aecclesiasticis officiis,
hoc in uestitu uario, hoc praeter authentica quae mutari non possunt ieiunia, in ieiuniis diuersis.
Hoc in uniuersis similibus, quae pro temporum, locorum, gentium, regionum uarietatibus, a
praelatis aecclesiarum, quibus secundum apostolum quantum ad talia pertinet in suo sensu
362 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Petrus führt als Beispiel derartiger Verschiedenheit die Divergenz des Osterdatums in
der alten Kirche und Unterschiede in der Eucharistie zwischen den Griechen und Latei-
nern in neuerer Zeit an, die er - bemerkenswerterweise beide! - als die Punkte bezeich-
net, die es nicht vermochten, die gegenseitige Liebe zu zerstören und die Kirchen zu
trennen102. Die Divergenzen im Brauchtum konnten und können die gegenseitige Liebe
und die Einheit nicht auflösen:
„Zeugen sind auch wir in unserer Zeit, die wir sehen, daß die römische und die ganze latei-
nisch sprechende Welt das heilbringende Opfer mit ungesäuertem Brot darbringt, während
man sagt, daß die griechische Kirche und der größte Teil des Orients sowie die barbarischen,
aber christlichen Völker das Opfer mit gesäuertem Brot darbringen. Obwohl dies so ist, sagten
sich weder die Alten noch die Heutigen wegen derart feierlicher und berühmter Unterschiede
in den Gebräuchen von der gegenseitigen Liebe los, weil sie in all dem nichts fanden, was den
Glauben oder die Liebe verletzen würde"103.

Dieses Ideal der gegenseitigen Achtung der Ritusunterschiede zwischen den Kirchen
führt Petrus Venerabilis als Vorbild für den Umgang zwischen den unterschiedlichen
Orden an.
Eine eminente Rolle spielte der Vergleich zwischen der Vielfalt der monastischen
consuetudines und der Vielfalt der Gewohnheiten unterschiedlicher Ortskirchen bei
Anselm von Havelberg. Die Vielfalt des kirchlichen Lebens ist geradezu das Hauptthe-
ma seines Antikeimenon104'. Das Antikeimenon besteht aus drei Büchern. Im ersten Buch
antwortet Anselm auf die Bedenken derer, die sich über die Entstehung neuer Ordens-
gemeinschaften und über die sich daraus ergebende Vielfalt der monastischen consue-
tudines empören:
„Sehr viele wundem sich, sehen darin ein ernstes Problem und bringen durch ihr Fragen nicht
nur bei sich, sondern auch bei anderen ein Ärgernis in die Welt. Sie sagen nämlich und fragen
wie böswillige Ermittler: Warum geschehen in der Kirche so viele Neuerungen? Warum ent-

[Rom. 14, 5] licet abundare, instituta sunt. Relinquent ergo omnes istae aecclesiae caritatem,
quia mutauerunt consuetudinem? Cessabunt esse Christiani, quia uidentur in diuersis usibus
uarii?".
102 Ebd., 279: „Frustra rem patentem multiplieibus testimoniis uel exemplis cingerem, maxime cum
nee apud antiquos ipsius paschalis temporis dissonantia, nee apud modernos ipsius sacrificii
Christiani inter Graecos et Latinos nota uarietas, caritatem ledere, uel scisma aliquod unitatis
gignere potuerit". Diese Worte des Petrus sind ein weiteres Zeugnis dafür, daß die Einheit
zwischen der römischen und der byzantinischen Kirche - zumindest von den lateinischen
Theologen um die Mitte des 12. Jh. - als nicht beeinträchtigt angesehen wurde.
103 Ebd., 279: „Testes sumus et nos temporis nostri, qui Romanam aecclesiam et totam Latinam
linguam offerre deo salutare sacrificium azimi panis uidemus, cum Graeca aecclesia, et maxima
orientis pars ac barbarae, sed Christianae gentes sacrificare de fermentato dicantur. Cum hoc ita
sint, nee antiqui nee modemi propter tarn celebres et famosas usuum dissonantias a caritate
mutua desciuerunt, quia nichil quod fidem uel caritatem lederet, in his omnibus inuenerunt".
104 Ausführlich zum Antikeimenon und seiner Entstehungsgeschichte s. oben, S. 172-186.
Die Reflexion der Lateiner 363

stehen in ihr so viele Orden? Wer vermag noch so viele Klerikerorden zu zählen? Wer staunt
nicht über so viele Arten von Mönchen? Wer nimmt schließlich nicht Ärgernis daran und wird
angesichts so vieler und so unterschiedlicher sich gegenseitig widersprechender Formen des
monastischen Lebens nicht von Überdruß und Widerwillen gepackt?"105.

Die „Neuerungen" und die Multiformität des Ordenslebens drücke sich in der Vermeh-
rung der Gewohnheiten, vor allem der liturgischen und disziplinären aus:
„Schau, da sehen wir in der Kirche Gottes, so sagen sie, irgendwelche auftauchen, die sich
nach ihrem Gutdünken mit einem ungewohnten Habit bekleiden, sich eine neue Lebensweise
erwählen und - sei es unter dem Vorwand eines Mönchsgelübdes oder dem Versprechen als
Regularkanoniker - sich das herausnehmen, was sie wollen. Sie erfinden für sich eine neue
Psallierweise, eine neue Weise der Enthaltsamkeit..."106.

Anselm hingegen will in seinem ersten Buch zeigen, daß die Verbindung zwischen der
„Uniformität des Glaubens" und der „VieliÖrmigkeit des Lebens" einen der Wesenszü-
ge der Kirche Christi darstellt und „vom gerechten Abel bis zum letzten Auserwählten"
die ganze Kirchengeschichte durchzieht:
„Schau, wie sich offenkundig zeigt, daß der eine Leib der Kirche durch den einen Heiligen
Geist belebt wird, der zwar in sich ein einziger ist, aber vielfbrmig in der vielfachen Verteilung
seiner Gaben. Dieser wahrhafte, vom Heiligen Geist belebte Leib der Kirche, der sich durch
die verschiedenen Zeiten und Epochen hindurch in verschiedene Glieder aufteilt und unter-
scheidet, begann bei Abel, dem ersten Gerechten, und wird beim letzten Auserwählten enden,
dieser Leib wird im einen Glauben immer eins, aber in der vielfachen Verschiedenheit des Le-
bens vielfaltig unterschieden sein. <...> Soll man diese und viele andere, die durch das Zeugnis
des Glaubens geprüft worden sind, die zwar in einem Glauben, aber in unterschiedlicher Le-
bensweise und durch verschiedenen Opferritus den einen Gott verehrt haben, soll man diese
etwa nicht zur Einheit der Kirche gehörig halten?"107.

105 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 1, cap 1 (BALUZE 163 = PL 1141 C): „Solent
plerique mirari, et in quaestionem ponere, et interrogando non solum sibi, verum etiam aliis
scandalum generare: dieunt enim et tamquam calumniosi inquisitores interrogant: Quare tot
novitates in Ecclesia fiunt? Quare tot ordines in ea surgunt? Quis numerare queat tot ordines
clericorum? Quis non admiretur tot genera monachorum? Quis denique non scandalizetur, et
inter tot et tarn diversas formas religionum invicem discrepantium taedioso non afficiatur
scandalo?"
106 Ebd., BALUZE 163 = PL 1142 C-D: „Ecce videmus in Ecclesia Dei, ut aiunt, quosdam emergere,
qui pro libitu suo insolitu habito induuntur, novum vivendi ordinem sibi eligunt, et sive sub
monasticae professionis titulo, sive sub canonicae diseiplinae voto, quidquid volunt, sibi
assumunt, novum psallendi sibi adinveniunt, novum abstinentiae modum..."
107 Ebd., lib 1, cap 2-3 (BALUZE 164 = PL 1144 B-C; 1145 B-C); vgl: LEES, Anselm of Havelberg.
Deeds into Words 176 Anm. 32: „Ecce manifeste apparet unum corpus Ecclesiae uno Spiritu
Sancto vivificari, qui et unicus est in se, et multiplex in multifaria donorum suorum
distributione. Verum hoc corpus Ecclesiae Spiritu Sancto vivificatum, et per diversa membra
diversis temporibus et aetatibus discretum et et distinetum, a primo Abel justo incoepit, et in
364 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Weiterhin entfaltet Anselm im ersten Buch des Antikeimenon ausgehend von dem apo-
kalyptischen Bild der sieben Siegel (Offb 5-8) eine symbolische Periodisierung der
Heilsgeschichte, worauf wir hier nicht näher einzugehen brauchen. Eine Bemerkung ist
jedoch im Hinblick auf die Ostkirche interessant: Anselm zieht eine Parallele zwischen
der Vielfalt der Orden im Westen und der Multiformität des monastischen Lebens in der
Ostkirche:
„In der Ostkirche, bei den Griechen, Armeniern und Syrern, gibt es unterschiedliche Arten von
Ordensleuten, die im einen katholischen Glauben übereinstimmen, jedoch in den Bräuchen, in
der Ordnung, im Habit, in der Ernährung und im Stundengebet nicht wenig voneinander ab-
weichen"108.

Anselm beruft sich auf seine eigenen Erfahrungen mit dem byzantinischen Mönchtum,
die er während seiner Reise nach Konstantinopel machen konnte109. Die Vielfalt des
byzantinischen Mönchtums wird also zur Begründung des Grundsatzes una fides,
diversae consuetudines herangezogen, womit die Lage in der westlichen Kirche erklärt
werden soll.
Der eigentlichen Problematik der theologischen und rituellen Eigenart der byzantini-
schen Kirche sind die Bücher 2 und 3 des Antikeimenon gewidmet, die Anselm als
Streitgespräch zwischen sich und einem griechischen Erzbischof Niketas von Nikome-
dien konzipierte110. Beide Bücher leitet eine ähnliche Fragestellung wie Buch 1: Woher
kommen Neuheiten und Divergenzen in der Kirche und wofür sind sie gut? Der Autor
stellt im Prooemium zum Buch 2 die ostkirchliche Problematik als Fortsetzung und
Erweiterung der Fragestellung des ersten Buches dar: Die Menschen, die sich von der
Multiformität der lateinischen Orden skandalisiert fühlten, erweitern nun ihre Kritik und
übertragen sie auf die byzantinische Kirche. Sie seien mit dem im Buch 1 vorgeschla-

novissimo electo consummabitur, semper unum una fide, sed multiformiter distinctum multiplici
vivendi varietate. <...> An non putandi sunt isti et quamplures alii testimonio fidei probati fuisse
de unitate Ecclesiae, qui licet una fide, tarnen diversis modis vivendi et diverso sacrificiorum
ritu unum Deum coluerunt?".
108 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, üb 1, cap 10 (BALUZE 169 = PL 1156 C): „Item in
Orientali Ecclesia, apud Graecos et Armenos et Syros, diversa sunt genera religiosorum, qui in
una quidem fide catholica concordant, ac tarnen in moribus, in ordine, in habitu, in victu, in
officio psallendi non parum ab invicem discrepant".
109 Ebd., BALUZE 169 = PL 1156 C-D: „Ego cum essem in urbe regia Constantinopoli apocrisiarius
Lotharii Magni et christianissimi Romani imperatoris ad Kalojannem ejusdem regiae civitatis
imperatorem, et essem avidus explorator et diligens inquisitor diversarum religionum, vidi ibi
multos ordines christianae religionis. In monasterio quod dicitur Pantocratoros, id est,
Omnipotentis, vidi septingentos ferme monachos sub regula beati Antonii militantes. In
monasterio quod dicitur Philanthropou, id est, Amantis hominem, vidi non minus quingentos
monachos sub regula beati Pachomii militantes. Vidi et quamplures congregationes sub regula
beati Basilii Magni et dictissimi viri devote militantes".
110 Zur Historizität des Disputationsberichtes im Antikeimenon s. oben, S. 181-186.
Die Reflexion der Lateiner 365

genen Kirchenbild vorerst zwar einverstanden, weisen jedoch darauf hin, daß sich die
byzantinische Eigenart mit Hilfe dieses Kirchenbildes kaum bewältigen lasse:
„Aber was hat es auf sich, fragen sie, daß einige in der Kirche im Glauben an die heilige Drei-
faltigkeit und im Ritus der Sakramente voneinander abzuweichen scheinen, wie beispielsweise
die Griechen von den Lateinern? Falls sie sich in allen übrigen Dingen voneinander unter-
scheiden sollten, dabei aber die Einheit des Glaubens und den einheitlichen Ritus der Sakra-
mente bewahren, könnte man dies noch dulden und es schiene einen geringeren Anstoß oder
eine geringere Gefahr nach sich zu ziehen. Aber weil sie hinsichtlich des Glaubens, ohne den
es unmöglich ist, Gott zu gefallen, voneinander abzuweichen scheinen, und auch nicht in ei-
nem einheitlichen Ritus der Sakramente übereinstimmen, ist es notwendig, daß du uns darüber
Auskunft gibst, was wir über jene denken, oder was wir selber einhalten sollen"111.

Diese Passage formuliert die Problematik der Vielfalt der Gewohnheiten unter Wahrung
des einen Glaubens in aller Schärfe: Handelt es sich bei den Differenzen zwischen Ost
und West wirklich nur um rituelle Unterschiede, oder ist nicht vielmehr der Glaube
selbst berührt, wenn es um den Hervorgang des Heiligen Geistes geht oder wenn die
sakramentale Heilsvermittlung auf dem Spiel steht? Eine besondere Schwierigkeit
stellte selbstverständlich das Problem des Filioque dar, da es sich dabei um eine Ab-
weichung zu handeln schien, die eindeutig in den Bereich des Glaubens wies. Anselm
gibt im Prooemium zum 2. Buch sogar zu, daß er sich zu einer Lösung dieses Problems
nicht imstande sieht. Nichtsdestoweniger wird in den Dialogen zwischen „Anseimus"
und „Nechites" im 2. und 3. Buch eine Übereinkunft in allen einschlägigen Kontrovers-
fragen erzielt, die man mit gutem Grund als die von Anselm von Havelberg selbst vor-
geschlagene Lösung halten darf. Diese betrifft nicht nur die Frage des Filioque, sondern
auch die drei im Antikeimenon behandelten Streitfragen des Ritus: das eucharistische
Brot, die Wasserbeimischung und die Wiedertaufe bzw. die Wiedersalbung112 der in die
griechische Kirche aufgenommenen Lateiner. Diese Lösung heißt: Die Einberufung
eines allgemeinen Konzils (concilium generale), auf dem über die Streitfragen disku-
tiert und entschieden werden müßte. So lautet die von „Nechites" zum Ausdruck ge-
brachte Empfehlung:

111 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 2, prooemium (BALUZE 171 = PL 1161 Α-B); vgl.
LEES, Anselm von Havelberg. Deeds into Words 225 Anm. 198: „Verum quid est, inquirunt,
quod aliqui in Ecclesia in fide sanetae Trinitatis et in sacramentorum ritu videntur discrepare,
quemadmodum Graeci a Latinis? Quod si salva unitate fidei et uno sacramentorum ritu in
caeteris omnibus dissimiles essent, utcumque tolerari posset et minus scandalum seu periculum
esse videretur. Verum quoniam de fide, sine qua impossibile est placere Deo, dissentire
videntur, nee in uno sacramentorum ritu convenire dinoseuntur, necessarium est ut super hoc
nobis respondeas, quod vel de illis sit sentiendum, vel nobis tenendum".
112 In diesem Kapitel wirft „Anseimus" den Byzantinern die Wiedertaufe vor. „Nechites" scheint in
dem Sinne zu antworten, daß das, was „Anseimus" für den Taufakt hält, in Wirklichkeit eine
Firmung sei, s.: ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 21 (BALUZE 207 = PL 1245-
1246).
366 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

„Der Preis dieses Werkes wäre, daß alle, sowohl die Lateiner als auch die Griechen, sich sehr
eifrig im Herrn bemühen sollten, daß sie sich zu einem allgemeinen Konzil an einem geeigne-
ten Ort und zu geeigneter Zeit einfinden sollten, und entweder alle gemeinsam den Ritus des
ungesäuerten Brotes oder alle gemeinsam den Ritus des gesäuerten Brotes einheitlich anneh-
men sollten. Oder, falls sich dieses oder jenes in gemeinsamer Weise ohne den geringsten oder
ohne allzu großen Anstoß für die andere Seite oder für das andere Volk nicht zustande bringen
lasse, sollten sie wenigstens darin übereinkommen, daß weder die Griechen die Lateiner we-
gen des ungesäuerten Brotes, noch die Lateiner die Griechen wegen des gesäuerten Brotes, an
das sie sich gewöhnt haben, unbesonnen verurteilen, sondern sie im gegenseitigen Frieden
Nachsicht miteinander haben. Und dabei würde die heilige Liebe nicht zerstört werden, die
nicht ohne Gefahr für beide Völker bei beiden erheblich geschwächt wird""3.

Da auch „Anseimus" wiederholt sein Einverständnis zu dem Vorschlag gibt, ein allge-
meines Konzil zur Lösung der Streitfragen einzuberufen114, scheint der Havelberger
Bischof jenes Anliegen, das die Byzantiner, wie wir oben gesehen haben, im Laufe des
11., 12. und 13. Jahrhunderts so oft - und ohne Erfolg - an die römische Seite richteten,
unterstützt zu haben115. Seine Antwort auf die von den Gegnern der Vielfalt in der Kir-
che hervorgebrachten Bedenken über die byzantinische Eigenart lautet: Sicherer und
besser wäre es, den Ritus der Sakramente zu vereinheitlichen. Diese Vereinheitlichung
sollte jedoch nicht bloß auf Verordnung Roms hin geschehen, sondern das Resultat
einer offenen Diskussion auf einem allgemeinen Konzil sein116. Ein gemeinsames Kon-
zil könnte auch die sakramentale Praxis der jeweiligen Kirche sanktionieren. Dann
müßten sich beide Seiten an einen solchen Beschluß halten und müßten künftig auf
gegenseitige Vorwürfe verzichten. „Nechites" faßt seine Erwartungen an ein solches
„Unionskonzil" in folgendem optimistischen Ausblick zusammen:

113 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, üb 3, cap 19 (BALUZE 204 = PL 1239 C-D): „...hoc
operae pretium esset, ut omnes tarn Latini quam Graeci studiosissime in Domino elaborarent,
quatenus generale concilium congruo loco et tempore in unum convenientes celebrarent, et aut
omnes universaliter ritum azymi, aut omnes universaliter ritum fermenti uniformiter assumerent:
aut si hoc vel illud universaliter sine minimo, aut sine nimio scandalo alterius partis vel gentis
non posset fieri, saltem in hoc convenirent, quod nee isti illos propter azymum,nec Uli istos
propter fermentum, quod isti consueverunt, temere judicarent, sed mutua pace sibi invicem
indulgerent, et hac occasione charitas saneta non destrueretur, quae non sine utriusque gentis
periculo apud utrosque graviter infirmatur".
114 S.: PL 1210 B, und bes. die allerletzte Passage des „Anseimus", der selbstverständlich aufgrund
ihrer hervorgehobenen Stellung eine entscheidende Bedeutung zukommt: 1248 Λ-Β (= BALUZE
207): „...tu qui generale concilum desideras, videtur quod id quod catholicum est, intendas;
ideoque et ego concilium universale futurum exopto...".
115 Zur Bedeutung des Werkes des Anselm von Havelberg für die Geschichte der Konzilsidee des
Mittelalters s. besonders: SIEBEN, Die Konzilsidee 153-187.
116 Vgl. für diese Ansicht die Nachricht des Gaufredus Malaterra über die Verständigungsversuche
zwischen Urban Π. und dem byzantinischen Kaiser, s. oben, S. 226-227.
Die Reflexion der Lateiner 367

„Wie aus vielen reinsten Getreidekörnem sowohl das ungesäuerte als auch das gesäuerte Op-
ferbrot gemacht wird, und wie aus vielen zusammengetragenen Trauben gepreßter Wein ge-
wonnen wird, so soll auch aus vielen Scharen sowohl der Griechen als auch der Lateiner die
eine, einträchtige und eines Sinnes seiende Kirche erstehen, damit weder euere Azymen uns,
noch unser Sauerteig euch am Tag des Herrn zur Verurteilung gereichen, solange wir gegen-
seitig darüber streiten, was für uns beide zum Heil eingesetzt wurde. Beide sollten wir mehr
die gefährliche Streiterei fürchten, als die unterschiedliche Gewohnheit in der Feier ein und
desselben Sakraments"117.
Auch wenn sich in einem so vielschichtigen Text wie dem fingierten Dialog zwischen
„Anseimus" und „Nechites" im Antikeimenon Spuren sowohl der Mißbilligungs- als
auch der Duldungstendenz gegenüber der byzantinischen Eigenart erkennen lassen,
spricht dennoch vieles dafür, daß das Hauptanliegen des Autors auf eine Anerkennung
beider Traditionen hinausläuft. Zum einen ist die Unterstützung der griechischen Forde-
rung nach einem allgemeinen Konzil, die Anselm im Gegensatz zur Politik der Päpste
offensichtlich nicht an Vorbedingungen knüpft118, ein Zeichen der Anerkennung der
Griechen als eigener Kirche und Kultureinheit. Zum anderen geht der Anerkennungsge-
danke aus dem Gesamtkontext des Werkes hervor, wenn die im 1. Buch pathetisch
gepriesene Pluriformität in der Kirche mit den im 2. und 3. Buch diskutierten Divergen-
zen zwischen der Ost- und der Westkirche konfrontiert wird. Dadurch wird dem Leser
die Ebenbürtigkeit der byzantinischen und der lateinischen Kirche mitsamt ihren Tradi-
tionen im Heilsplan Gottes nahegelegt. Bei Anselm von Havelberg wie auch bei Petrus
Vcnerabilis, die über die Betrachtung der Vielfalt monastischer consuetudines an die
Ritusdifferenzen zwischen Ost- und Westkirche herantreten, wird darauf Wert gelegt,
daß es sich um eine Vielfalt gleichberechtigter Glieder handelt. Es könne prinzipiell
keine „besseren" oder „schlechteren" monastischen Lebensweisen geben. Billigt man
ihre Vielfalt grundsätzlich, dann sind sie alle ausnahmslos gut und führen alle zum
Seelenheil, wenn auch auf eigene Art und Weise. Auf die griechischen Gewohnheiten
übertragen ergibt sich daraus eine Gleichberechtigung der sakramentalen Bräuche. Die
byzantinische sakramentale Praxis darf nicht nur geduldet, sondern muß als Modus

117 ANSELM VON HAVELBERG, Antikeimenon, lib 3, cap 20 (BALUZE 206-7 = PL 1245 B-C); vgl.
LEES, Anselm von Havelberg. Deeds into Words 278 Anm. 341: „Et sicut ex multis purissimi
frumenti granis tarn azyma quam fermentata hostia conficitur, et sicut ex multis uvis in unum
collectis vinum expressum colligitur, ita ex multis tarn Graecorum quam Latinorum turbis una et
concors, et id ipsum sentiens constituatur Ecclesia, ne vel nobis vestrum azyma, vel vobis
nostrum fermentum in die Domini fiat damnationis judicium, dum altrinsecus inde surgimus in
contentionem quod utrisque institutum est ad salutem. Magis enim tarn nobis quam vobis
timenda est periculosa contentio, quam ejusdem oblationis <Baluze und PL: obigationis>
di versa consuetudo".
118 Vgl. die Äußerung der Päpste, vor allem Innozenz' ΠΙ. und der Päpste, die an der Vorbereitung
des Konzils von Lyon 1274 gearbeitet haben, die die Unterwerfung der griechischen Kirche als
Vorbedingung für ein gemeinsames Konzil ansahen, s. dazu oben, S. 250-251; 290-293.
368 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

anerkannt werden, der nicht weniger als jener der römischen Kirche zum Seelenheil
hinfuhrt. Wie stark sich diese wechselseitige Konsequenz im westlichen Denken festge-
setzt hat, bezeugt auf umgekehrte Weise die negative Haltung Innozenz' III. sowohl
gegenüber der Vielfalt der Orden im Westen (Man erinnere sich an das Verbot des
TV. Lateranums, neue Ordensgememschaften zu gründen!119) als auch gegenüber den
griechischen Eigentraditionen.

c. Ein Höhepunkt des scholastischen Anerkennungsgedankens: Thomas von Aquin


Die mit Innozenz III. beginnende „Eiszeit" in den Beziehungen zwischen Lateinern und
Griechen spiegelte sich auch in der theologischen Literatur des 13. Jahrhunderts wieder.
Bei den Hochscholastikern findet man kaum mehr Spuren der frühscholastischen Be-
geisterung über die Vielfalt der Gewohnheiten. Vielmehr begegnet man häufiger sol-
chen Aussagen, die nicht mehr nur in Richtung Duldung, sondern eher schon in Rich-
tung Mißbilligung weisen. Gerade bei den „Klassikern" der Hochscholastik, allen voran
Bonaventura, kommt ein markanter antigriechischer Affekt zum Tragen. Auf diesem
Hintergrund ist die Wende, die Thomas von Aquin durchgemacht hat, besonders be-
merkenswert.
In seinem Frühwerk, dem Sentenzenkommentar, kommt Thomas bei der Betrachtung
der Azymenproblematik, offensichtlich im Gefolge seines Lehrers Albert, zu einer
Schlußfolgerung, die sowohl Griechen als auch Lateiner betreffen soll:
„Der Herr konsekrierte mit ungesäuertem Brot, daher muß mit ungesäuertem Brot konsekriert
werden. Gleichwohl kann auch mit gesäuertem Brot konsekriert werden, aber dann sündigt der
Zelebrant, weil er den Brauch der Kirche nicht beobachtet"120.

Thomas konkretisiert nicht, an welchen Zelebranten sich der Vorwurf der Sünde richtet;
offensichtlich auf einen jeden Zelebranten, gehöre er der lateinischen oder der griechi-
schen Kirche an. Denn Albert der Große sprach in seinem Sentenzenkommentar aus-
drücklich von einer Sünde der Griechen, die mit gesäuertem Brot zelebrieren121. In
seinem Spätwerk, der Tertia Pars, hingegen sieht Thomas die gleiche Frage in ganz
anderem Licht:

119 S. Konstitution 13 des IV. Lateranums 1215 De novis religionibus prohibitis: „Ne nimia
religionum diversitas gravem in ecclesia Dei confusionem inducat, firmiter prohibemus, ne quis
de caetero novam religionem inveniat, sed quicumque voluerit ad religionem converti, unam de
approbatis assumat" (COD/DÖK Π 242).
120 THOMAS VON AQUIN, In IV. Sententiarum, dist 11, q 2, art 2c, cor (ed. cit. 480): „Dominus in
azymo confecit, et in azymo conficiendum est, quamvis etiam in fermentato confici potest,
quamvis peccaret conficiens, Ecclesiae morem non servans".
121 Vgl. oben, S. 351 Anm. 67 und 68.
Die Reflexion der Lateiner 369

„Wie ein Priester in der lateinischen Kirche sündigt, falls er mit gesäuertem Brot zelebriert, so
würde der griechische Priester in der Kirche der Griechen sündigen, wenn er mit ungesäuertem
Brot zelebrieren würde, weil er gleichsam den Ritus seiner Kirche verdrehen würde"122.
Zwei gegenteilige Schlußfolgerungen werden also mit der gleichen Begründung moti-
viert! Im ersten Fall wird der Gebrauch des gesäuerten Brotes für die gesamte Kirche,
auch für die Griechen verboten, und zwar mit der Begründung, daß sonst der gewohnte
ritus Ecclesiae nicht beobachtet würde. Im zweiten Fall wird der Gebrauch des gesäu-
erten Brotes nur bei den Lateinern verboten, bei den Griechen aber nicht nur geduldet,
sondern vorgeschrieben, und zwar weil sonst wiederum der gewohnte Ritus der Kirche
nicht beobachtet würde. Zwischen diesen beiden Aussagen liegen mindestens 16 Jahre
{In IV. Sententiarum entstand ca. 1256, die Tertia Pars frühestens 1272), die eine be-
deutende Wende in der Haltung des Thomas von Aquin gegenüber der sakramentalen
Eigenart der Griechen herbeiführten.
Diese Wende bereitete Thomas schon in der Secunda Secundae vor. Hier stellte sich
Thomas die Frage, ob eine wahre Gottesverehrung überhaupt etwas „Schädliches"
(perniciosum) oder „überflüssiges" {superfluum) enthalten könne123. Diese Frage könnte
auch in Bezug auf die griechische sakramentale Praxis gestellt werden: Findet sich dort
nicht auch „Schädliches" oder „Überflüssiges"? Die Antwort des Thomas darauf lautet:
„Alles, was der Mensch gemäß der Anordnung Gottes und der Kirche sowie gemäß der Ge-
wohnheit derer, mit denen man zusammenlebt, tut, das zur Verherrlichung Gottes gehört, ist in
der Verehrung Gottes nicht überflüssig. Wenn aber etwas <...> außerhalb der Anordnung
Gottes und der Kirche stattfindet, oder sogar gegen die gemeinsame Gewohnheit, die nach
Augustinus wie ein Gesetz zu halten ist, dann muß man dies alles für überflüssig und aber-
gläubisch halten"124

Eines der Kriterien für einen legitimen göttlichen Kult ist also die Beachtung der „Ge-
wohnheit derer, mit denen man zusammenlebt". Die Gemeinschaften der Menschen
sind aber verschieden, und jede besitzt ihre eigene Gewohnheiten. Daher ist es von dort
nur noch ein kleiner Schritt bis zur Anerkennung einer fremden sakramentalen Praxis.

122 THOMAS VON AQUIN, Summa theologiae, 3a pars, q 74, art 4 c (ed. cit. 441): „Sicut peccat
sacerdos in ecclesia Latinorum celebrans de pane fermentato, ita peccaret presbyter graecus in
ecclesia Graecorum celebrans de azymo pane, quasi pervertens Ecclesiae suae ritum".
123 Summa theologiae, 2a 2ae, q 93, art 1: „Utrum in cultu veri Dei possit esse aliquid
pernociosum"; ebd., art 2: „Utrum in cultu Dei possit esse aliquid superfluum".
124 Ebd., 2a 2ae, q 93, art 2c (ed. cit. 445): „Quidquid homo faciat quod pertinet ad Dei gloriam
<...> secundum Dei et Ecclesiae ordinationem et consuetudinem eorum quibus homo convivit,
non est superfluum in divino cultu. Si autem aliquid sit <...> praeter Dei et Ecclesiae
institutionem vel contra consuetudinem communem (quae secundum Augustinum pro lege
habenda est): totum hoc reputandum est superfluum et superstitiosum".
370 Die lateinischen Zugänge zur Eigenart der Ostkirche

Einen der Höhepunkte der thomasischen Sakramententheologie, die auch die Aner-
kennungsansichten des 12. Jahrhunderts übernimmt, enthält die soeben zitierte Qu-
ästio 93 der Secunda secundae:
[Einwand:] „Die Kirche Gottes <...> erträgt unterschiedliche Riten der Gottesverehrung; daher
<...> gibt es auch unterschiedliche Gewohnheiten der Kirchen in der Feier der Eucharistie.
<...> [Antwort:] Die unterschiedlichen Gewohnheiten der Kirche im göttlichen Kult wider-
sprechen der Wahrheit auf keine Weise. Sie sind deswegen zu beobachten, und es ist nicht er-
laubt, über sie hinwegzugehen"125.

Die verschiedenen Arten der sakramentalen Praxis sind nach dieser Überzeugung nicht
mehr nur toleriert und geduldet, die Universalkirche ist vielmehr definitiv verpflichtet,
diese Verschiedenheit zu bewahren. Die anerkannten und gepflegten Gewohnheiten
untergehen zu lassen, darf nicht erlaubt sein.
Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Auffassungen der byzantinischen
Sakramentsformen, wie sie einerseits im Sentenzenkommentar, andererseits in der
Summa Theologiae ausgedrückt sind, liegt aber nicht im Bereich der Sakramententheo-
logie, sondern im Bereich der Ekklesiologie. Ecclesia in der zitierten Stelle aus dem
Sentenzenkommentar ist offensichtlich mit der Ecclesia Latinorum identisch. Die latei-
nische Kirche gilt hier als die Universalkirche, als die ecclesia militans schlechthin,
und ihre Gewohnheit gilt als die consuetudo der gesamten Kirche. Die Tertia Pars
kennt dagegen verschiedene Rituskirchen, von denen eine jede ihre zu bewahrende
Eigenart besitzt. Daher sind sowohl ein lateinischer als auch ein griechischer Priester
verpflichtet, die consuetudines jeweils ihrer eigenen Kirche zu befolgen. Die ekklesiale
Realität wandelt sich auf diese Art von einem uniformen und monolithischen Gebilde
zu einer Gemeinschaft der Rituskirchen: Wir haben es hier mit einer klassischen For-
mulierung des Unionsgedankens zu tun.
Die Ausführungen des Thomas von Aquin darf man mit gutem Recht als einen Hö-
hepunkt hochscholastischen Denkens betrachten, gerade auch was die Problematik der
sakramentalen Praxis der Ostkirche betrifft - zumal diese Epoche für die Anerkennung
einer eigenwertigen byzantinischen Kultur nicht besonders förderlich war. Die mutige
Vision des Aquinaten, die zu seinen Lebzeiten keinen Einfluß auf die Politik des
Papsttums gegenüber der Ostkirche ausüben konnte, wurde eineinhalb Jahrhunderte
später eingelöst. Auf dem Konzil von Florenz 1439 wurde die vom Doctor angelicus
vorgeschlagene Lösung des Azymenproblems dank der Bemühungen seines Ordens-

125 Ebd., 2a 2ae, q 93, art 1, ob 3 et ad 3 (ed. cit. 444^45): „3. Praeterea: Nihil perniciosum in
Ecclesia sustinetur. Sustinet autem Ecclesia diversos ritus colendi Deum: unde <...> sunt
diversae ecclesiarum consuetudines in missarum celebratione. <...> Ad tertium: Dicendum quod
diversae consuetudines Ecclesiae in cultu divino in nullo veritati repugnant. Et ideo sunt
servandae; et eas praeterire illicitum est".
Die Reflexion der Lateiner 371

bruders Johannes de Turrecremata126 als Standardlösung übernommen127. Dadurch wur-


de - zwar mit Verspätung und der Unionstheologie erst folgend - auch die Unionspra-
xis entschieden vorangetrieben. Die weise Bereitschaft des Aquinaten, einen Fremden
in seiner Fremdartigkeit zu akzeptieren, blieb dadurch in der Geschichte der Theologie
und der Kirchenpolitik nicht ohne Frucht.

126 S.: JOHANNES DE TURRECREMATA, Apparates super decretum Florentinum unionis Graecorum,
ed. cit. 66-71.
127 S. dazu unten im Nachwort, S. 373-376.
Nachwort

Als im Jahre 1439 die Frage nach gesäuertem bzw. ungesäuertem Brot der Eucharistie
auf dem Konzil von Florenz verhandelt wurde, bedurfte es, ganz im Gegensatz zu ande-
ren Streitfragen wie denjenigen der Epiklese, des Filioque und des päpstlichen Primats,
weder langer Zeit noch großer Bemühungen, um zu einem Einverständnis zwischen
Lateinern und Griechen zu kommen1. Noch vor der offiziellen Eröffnung der Verhand-
lungen über die Eucharistie haben vier Vertreter der griechischen Delegation auf eine
spezielle Anfrage des Papstes hin die Ansicht geäußert, daß es „belanglos" (αδιάφορον,
indifferens) sei, ob die Konsekration mit gesäuertem oder mit ungesäuertem Brot ge-
schehe, vorausgesetzt das Brot ist aus Weizenmehl hergestellt, der Spender des Sakra-
ments ist ordiniert und der Ort, an dem die Konsekration stattfindet, ist geweiht2. Mit
wenigen Ausnahmen, unter denen der unbeugsame Markos Eugenikos die Hauptrolle
spielte3, gab es in der griechischen Delegation keinen nennenswerten Widerstand gegen
diese versöhnliche Ansicht4. Als noch weniger problematisch wurde die Frage von der

Über den Verlauf der Verhandlungen über Eucharistie auf dem Florentinum s.: GILL, The Council
ofFlorence, s. Index, bes. 272-286 (hier sieht man unter anderem, daß die Diskussion der zum
gleichen Bereich gehörenden Epiklese-Frage wesentlich mehr Anstrengungen bedurfte); HOEMANN,
De praeparatione definitionis. Zu den Ergebnissen des Florentinums im liturgischen Bereich s.
jüngst: ARRANZ, Circonstances ei consequences.
HOFMANN, De praeparatione 46: Και έξητήθη πρώτον περί της θυσίας τοϋ ένζυμου και του
άζύμου. Καί διεκρίθη, δτι να f) άπό σίτου, και ίνα ύπάρχη ό Ιερουργός κεχειροτονημενος,
καί ό τόπος καθιερωμένος, καί ίνα ώσιν αδιάφορα έκάτερα. Die griechischen Vertreter beim
Papst waren Isidor von Kiev, Bessarion von Nikaia, Dorotheos von Mitylene und Dorotheos von
Trapezunt. Die Antwort der griechischen Delegation auf die Anfragen des Papstes erfolgte am
8. Juni 1439 (HOEMANN, De praeparatione 46-47).
Über den Widerstand des Markos Eugenikos gegen die Azymen sprechen die Ada graeca, CF1 Β
V/l 32; vgl.: GILL, The Council of Florence 114. Daß die Azymenablehnung im 15. Jh. bei byzan-
tinischen Theologen nicht unüblich war, zeigt die Erörterung der Azymenfrage bei SYMEON VON
THESSALONIKE, Περί της ίερδς λειτουργίας, cap 88-91 (ed. cit. 268 Β - 273 C).
Kardinal Giuliano Cesarini berichtete in seiner Rede bei der Generalversammlung der Lateiner am
27. Juni von den Verhandlungen mit den Griechen folgendes: ,JU\a. differentia fuit de azymo, quia
etiam apud Graecos aliqui volebant, quod non conficeretur in azymo, dicentes Deum usum pane
374 Nachwort

lateinischen Seite empfunden. So begann Johannes de Turrecremata seine programmati-


sche Rede über die eucharistischen Streitfragen mit der Bemerkung, daß er um so knap-
per zu sprechen beabsichtige, als alles, was er zu sagen habe, „allen katholischen
Christen höchst klar" sei, so daß es eigentlich keinen Bedarf an ausgiebigen Reden
gebe5. Beide Parteien haben sich auf folgenden Wortlaut einigen können, der in seiner
ursprünglichen Form von den Lateinern vorgeschlagen und von den Griechen geringfü-
gig verbessert wurde6:
„Ebenso [bestimmen wir], daß der Leib Christi mit ungesäuertem wie mit gesäuertem Weizen-
brot wahrhaft zustande gebracht wird, und daß die Priester den Leib des Herrn selbst in dem
einen oder dem anderen [Brote] zustande bringen müssen, nämlich jeder nach der Gewohnheit
seiner Kirche, sei es der westlichen oder der östlichen"7.

Auch das Problem der Taufformel wurde in den Unionsdokumenten des Florentinums
kurz behandelt. Im Unionsdekret für die Armenier wird folgendes festgesetzt:

„Die Form [der Taufe] ist: »Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hei-
ligen Geistes«. Wir verneinen jedoch nicht, daß die wahre Taufe auch durch folgende Worte
zustandekommt: »Getauft werde der Knecht Christi Ν. Ν. im Namen des Vaters und des Soh-
nes und des Heiligen Geistes«. <...> Denn da die Hauptursache, aus der die Taufe ihre Kraft
hat, die heilige Dreifaltigkeit ist, die Instrumentalursache aber der Diener, der das Sakrament
äußerlich vollzieht, kommt das Sakrament zustande, wenn der Vollzug, der durch den Diener
ausgeübt wird, unter Anrufung der heiligen Dreifaltigkeit zum Ausdruck kommt"8.

fermentato. Et tandem conclusum est, ut in pane et azymo et fermentato conficeretur, et rationibus


auditis assenserunt, prout plene in disputatione de hoc constat supra relata" (HOKMANN, De
praeparatione 53).
5 HOFMANN, De praeparatione 49: „...paucissimis agam, quia omnia, quae dicturus sum, ita puto
clarissima omnibus catholicis christianis, ut non expediat abundare sermone".
6 Ebd., 54.
7 COD/DÖK II 527: „Item [difiinimus], in azymo sive fermentato pane triticeo corpus Christi
veraciter confici; sacerdotesque in altero ipsum Domini corpus conficere debere, unumquemque
scilicet iuxta suae Ecclesiae sive occidentalis sive orientalis consuetudinem"; Griech. Text ebd.:
Έτι, εν άζύμψ ή ένζύμψ αρτω σιτίνω τό τοΰ Χρίστου σώμα τελεΐσθαι αληθώς, τους τε ιερείς
έν θατέρω αυτό τό σώμα τοϋ κυρίου όφείλειν τελεΐν, εκαστον δηλονότι κατά την της Ιδίας
εκκλησίας, είτε δυτικής, εί'τε ανατολικής, συνήθειαν. Dt. Übersetzung nach DH450.
8 COD/DÖK II 542-543: „Forma autem est: ego te baptizo in nomine Patris et Filii et Spiritus
Sancti. Non tarnen negamus, quin et per üla verba: baptizetur talis servus Christi in nomine Patris
et Filii et Spiritus Sancti <...> verum perficiatur baptisma. Quoniam cum principalis causa, ex qua
baptisma virtutem habet, sit sancta Trinitas, instrumentalis autem sit minister, qui tradit exterius
sacramentum, si exprimitur actus, qui per ipsum exercetur ministrurn, cum sancte Trinitatis
invocatione, perficitur sacramentum" (Übersetzung etwas geändert: das Wort „Diener" wird in
COD/DÖK irreführend sowohl in Bezug auf den Täufling in der Taufformel als auch in Bezug auf
den minister des Sakraments verwendet).
Nachwort 375

Somit sind also zwei von jenen drei Problempunkten der sakramentalen Praxis des
Ostens, mit denen sich die lateinische Theologie im Mittelalter auseinanderzusetzen
hatte, offiziell im Sinne der Anerkennung der östlichen Eigenart für gelöst erklärt wor-
den. Die beiden Definitionen verwenden auf die Begründung nicht viel Zeit; sie sagen
nichts zur Geschichte der langjährigen Streitigkeiten und zu den darin erhobenen Ar-
gumenten. Sie stellen lediglich fest, daß beide sakramentale Gewohnheiten, sowohl die
lateinische wie auch die östliche, als zulässig und legitim gelten. Was die Beschaffen-
heit des eucharistischen Brotes angeht, so wird jede Kirche, sowohl die lateinische als
auch die griechische, verpflichtet, ihre eigene Gewohnheit zu befolgen. Alle späteren
Verlautbarungen des römischen Lehramtes, die das Problem der ostkirchlichen sakra-
mentalen Eigenart betreffen, basieren auf den Definitionen des Florentinums . Nicht nur
die Frage nach dem gesäuerten bzw. ungesäuerten Brot der Eucharistie oder nach der
Taufformel, sondern auch das grundsätzliche Problem der liturgischen Unterschiede
zwischen dem Osten und dem Westen wird seit Jahrhunderten - nicht zuletzt dank den
Unionsdekreten des Florentinums - weder in der Theorie noch in der Praxis als proble-
matisch angesehen10. Die sakramentalen Gewohnheiten der Ostkirche werden ohne jede
Frage als gültig und existenzberechtigt anerkannt. Die Lösung, die auf dem Florentinum
erzielt worden ist, wird daher heute nicht selten als eine Selbstverständlichkeit empfun-
den. In der modernen theologiegeschichtlichen Forschung begegnete oftmals die Mei-
nung, daß die lateinische Theologie in der Azymenkontroverse und in anderen Streit-
fragen des Ritus immer die gleiche Lösung vertreten habe und daß die römische Kirche
immer und überall im Geiste dieser Lösung gehandelt habe11.
Es gehörte zu den Absichten der vorliegenden Studie, die angebliche „Selbstver-
ständlichkeit" der seit dem Florentinum allgemeingültigen Lösung einer kritischen Prü-
fung zu unterziehen. Dabei wurde hinreichend klar, daß die anerkennende Haltung ge-
genüber der Ostkirche sowohl in der Theologie als auch in der Kirchenpolitik der
Lateiner im Mittelalter alles andere als selbstverständlich war. Der Anerkennungsge-

9 So ζ. Β. die für die ostkirchlichen Angelegenheiten wichtige Konstitution Benedikts XIV. Etsi
pastoralis (1742): „Item [Graeci] profiteri tenentur, tarn in azymo quam in fermentato pane
triticeo Corpus Christi veraciter confici, et sacerdotes in alterutro ipsum Domini Corpus conficere
debere, unumquemque scilicet iuxta suae Ecclesiae sive Occidentalis sive Orientalis
consuetudinem" (Acta et decreta sacrorum conciliorum recentiorum. Collectio Lacensis. Bd. 2.
Freiburg i. Br. 1876, S. 508). Vgl. auch CIC 1917, c. 816 und 851 §1-2; CCEO c. 706 und
707 §1.
10 Die orthodoxen Theologen haben sich jedoch auch später, wie das Beispiel des Eustratios Argenti
(*ca. 1687, f ca. 1757) zeigt (s. dazu: WARE, Eustratios Argenti 112-121), mit dem Problem der
Azymen beschäftigt, jedoch nicht mit dem Eifer, wie er im 11. und 12. Jahrhundert gegeben war.
11 So z. B.: JUGIE, Theologia dogmatica I 316 Anm. 2: ,JIanc prudentissimam aequissimamque
controversiae solutionem semper retinuit ac proposuit Ecclesia romana". Als Standardbeispiel
dient ihm Ansehn von Canterbury. SPÄCIL, De SS. Eucharistia I 114: "Doctrina haec, <...> inde a
longo tempore omnino communis est inter theologos catholicos" (Hervorhebung von Späcil).
376 Nachwort

danke trat erst nach schwierigen und schmerzlichen Geburtswehen hervor, und die
Anerkennungspolitik konnte sich in der hier untersuchten Epoche nicht durchsetzen. In
diesem Lichte erscheinen die einschlägigen Definitionen des Florentinums nicht als
Selbstverständlichkeit, sondern als eine Leistung, die sich einerseits auf die Vorberei-
tungen langjähriger theologischer Reflexion in der Früh- und Hochscholastik stützen
konnte und andererseits in Auseinandersetzung mit der vorherrschenden kirchenpoliti-
schen Praxis, nicht selten im diametralen Gegensatz zu letzterer, zustande kam.
Dieses Fazit wird auch durch das weitere Schicksal des dritten Streitpunktes unserer
Studie bestätigt. Das Problem der Wasserbeimischung in der Eucharistie wurde auf dem
Florentinum im Hinblick auf die armenische Kirche ganz anders entschieden, als die
Lösung der beiden ersten Streitpunkte vermuten läßt. Den mit Rom versöhnten Armeni-
ern wird in der Bullet unionis Armenorum ausdrücklich vorgeschrieben, entgegen ihrer
Gewohnheit Wasser bei der Gabenbereitung beizumischen:
,J)as dritte [von den in der Bulle aufgezählten sieben Sakramenten] ist das Sakrament der Eu-
charistie. Ihre Materie ist Weizenbrot und Rebenwein, dem vor der Konsekration ganz wenig
Wasser beigemischt werden muß. Wasser wird deswegen beigemischt, weil man nach den
Zeugnissen der heiligen Väter und Lehrer der Kirche, die in der Diskussion schon zitiert wur-
den, glaubt, der Herr selbst habe dieses Sakrament im Wein, der mit Wasser vermischt war,
eingesetzt, femer weil dies zur Vergegenwärtigung des Herrenleidens paßt. Denn der selige
Papst Alexander, der fünfte Nachfolger des seligen Petrus, sagt: »In den sakramentalen Gaben,
die dem Herrn in der Feier der Messe dargebracht werden, sollen nur Brot und mit Wasser
vermischter Wein zum Opfer dargebracht werden. Denn im Kelch des Herrn darf weder nur
Wein oder nur Wasser dargebracht werden, sondern beides gemischt, denn beides, d. h. Blut
und Wasser, ist aus der Seite Christi hervorgeflossen, wie es heißt«. Andererseits ist es auch
passend, um die Wirkung dieses Sakraments anzuzeigen, die in der Vereinigung des christli-
chen Volkes mit Christus besteht. Das Wasser nämlich bezeichnet nach dem Wort der Apoka-
lypse das Volk: viele Wasser, viele Völker. Papst Julius, der zweite Nachfolger des seligen
Silvester, sagt: »Der Kelch des Herrn muß nach der Vorschrift der Kanones mit Wein und
Wasser gemischt dargebracht werden, denn wie wir sehen, bedeutet Wasser das Volk, während
im Wein das Blut Christi gezeigt wird. Wenn man also im Kelch Wein und Wasser mischt,
wird das Volk mit Christus vereint und das gläubige Volk mit dem, an den es glaubt, vereinigt
und verbunden«. Da also die von den seligen Aposteln Petrus und Paulus belehrte heilige rö-
misch Kirche wie auch alle übrigen Kirchen der Lateiner und Griechen, in denen die Leuchten
aller Heiligkeit und Gelehrsamkeit erstrahlen, seit der Geburtsstunde der Kirche sich daran
hielten und noch halten, ist es offensichtlich recht unangemessen, daß eine andere Region von
dieser universalen und vernünftigen Beobachtung abweicht. So entscheiden wir, daß sich auch
die Armenier an den gesamten christlichen Erdkreis angleichen, und ihre Priester bei der Dar-
bringung des Kelches, wie gesagt, dem Wein ein klein wenig Wasser beimischen"12.

12 COD/DÖK Π 545-546: „Tertium est eucharistiae sacramentum, cuius materia est panis triticeus
et vinum de vite, cui ante consecrationem aqua modicissima admisceri debet. Aqua autem ideo
admiscetur, quoniam iuxta testimonia sanetorum patrum ac doctorum ecclesie pridem in
Nachwort 377

Die hier vorgebrachten Argumente für die Wasserbeimischung sind uns bereits aus der
früheren Diskussion bekannt. Es kommt hier jedoch noch ein zusätzliches Argument
hinzu, und zwar begründete man die Notwendigkeit der Wasserbeimischung mit dem
Hinweis auf die griechische sakramentale Praxis, über die man zur Zeit des Florenti-
nums entgegen den früheren irrtümlichen Vorstellungen besser unterrichtet war. Darin
sieht man deutlich, daß sich auf dem Florentinum eine gewisse Hierarchie unter den
Ostkirchen durchgesetzt hat: Die griechische Kirche wurde von der lateinischen Seite
für wichtiger gehalten als die schon seit Chalkedon getrennten und als politisch nicht so
bedeutend empfundenen Armenier. Während erstere sich in der Anerkennung durch die
Lateiner mehrere Privilegien reservieren konnten, mußten letztere eine ihrer markante-
sten sakramentalen Gewohnheiten aufgeben. Dies zeigt, daß die Bereitschaft zur Aner-
kennung auf dem Florentinum, die generell außer Zweifel steht, sich nicht auf allen
Gebieten Gehör verschaffte. Die anerkennende, tolerante Haltung - das dürfen wir als
erstes Ergebnis unserer Studie festhalten - konnte sich erst in einer lange andauernden
und mühsamen Auseinandersetzung mit anderen Haltungen durchsetzen.
Ein weiteres Ergebnis läßt sich aus einem Vergleich der lateinischen und der byzan-
tinisch-slavischen Motive der rituellen Kontroversen gewinnen. Die lateinische Theolo-
gie einerseits und die byzantinische Theologie andererseits weisen jeweils unterschied-
liche Grundtendenzen auf. Das läßt sich besonders deutlich an der Geschichte der
Azymenkontroverse beobachten. Die lateinische Theologie sah sich einem Angriff auf
die eigene, lateinische Gewohnheit ausgesetzt und begann ihr Nachdenken über den
Gegenstand als eine Reaktion auf fremde Vorwürfe. Die griechische Theologie dagegen
nahm den „anderen", fremden Brauch wahr, was sie zu einer Stellungnahme provozier-
te. Die Lateiner gelangten zur Betrachtung des sakramentalen Unterschiedes erst durch

disputatione exhibita creditur isum Dominum in vino aqua permixto hoc institisse sacramentum,
deinde, quia hoc convenit dominice passionis representationi. Inquit enim beatus Alexander papa,
V a beato Petro: »In sacramentorum oblationibus, que inte missarum solemnia Domino
offeruntur, panis tantum et vinum aqua permixtum in sacrificium offerantur. Non enim debet in
calice Domini aut vinum solum aut aqua sola offerri, sed utnmque permixtum, quia utrunque, id
est sanguis et aqua, ex latere Christi profluxisse legitur«, turn etiam quod convenit significandum
huius sacramenti effectum, qui est unio populi chritiani ad Christum. Aqua enim populum
significat seeundum illud Apocalypsis: aque multi, popub multi. Et Mius papa, H post beatum
Silvestrum, ait: »Calix dominicus iuxta canonum preeeptum vino et aqua permixtus debet offeni,
quia videmus in aqua populum intelligi, in vino vero ostendi sanguinem Christi; ergo cum in
calice vinum et aqua miscetur, Christo populus adunatur, et fidelium plebs, in quem credit,
copulatur et iungitur«. Cum ergo tarn saneta Romana ecclesia a beatissimis apostolis Petro et
Paulo edoeta quam relique omnes Latinorum Grecorumque ecclesie, in quibus omnis sanetitatis et
doctrine luimna claruerunt, ab initio nascentis ecclesie sie servaverint et modo servent,
inconveniens admodum videtur, ut alia quevis regio ab hac universali et rationabili discrepet
observantia. Deceniimus igitur, ut etiam ipsi Armeni se cum universo orbe christiano conforment
eorumque sacerdotes in calicis oblatione paululum aque, prout dictum est, vino admisceant".
378 Nachwort

ein als skandalös empfundenes Verhalten der „Anderen" gegenüber der eigenen, lateini-
schen Kirche, sie sahen darin vor allem einen Angriff auf die Autorität der Kirche. Die
Griechen dagegen sahen in dem sakramentalen Unterschied zwischen griechischer und
lateinischer Praxis ein skandalöses Verhalten, sie sahen darin einen Angriff auf den
sakramentalen Ritus als solchen. Während es den Griechen um die Unversehrtheit des
Ritus ging, stand bei den Lateinern die Autorität der Kirche im Mittelpunkt. Daher wa-
ren die Lateiner im kulturellen Bereich zu Zugeständnissen eher bereit, vorausgesetzt
die Frage nach der Autorität der Kirche werde im Sinne des päpstlichen Primats ent-
schieden. Die Byzantiner waren dagegen auf die „Reinheit" der Ritusbeobachtung fi-
xiert und daher zu erheblich weniger Kompromissen im kulturellen Bereich bereit. Man
kann sagen, daß die Intoleranz in rituellen Fragen einen wesentlichen Zug der byzanti-
nischen Haltung bildete. Der Unwille, eine kulturelle Fremdartigkeit zu akzeptieren,
durchzieht die byzantinische Theologie des hohen Mittelalters.
Dieses Ergebnis gibt freilich nur die Grundtendenz beider Seiten an. Es geht nicht
darum, die beiden Positionen als monolithische Blöcke zu präsentieren. Auch in der
byzantinischen theologischen Literatur gab es Stimmen, die für eine Toleranz gegen-
über den umstrittenen sakramentalen Gewohnheiten der Lateiner plädierten. Die tole-
ranten Ansichten eines Theorianos über die rituellen Differenzen zwischen Lateinern
und Griechen unterschieden sich nicht wesentlich von der ausgewogenen Haltung eines
Anselm von Canterbury. Auch im lateinischen Westen mangelte es nicht an Intoleranz
und Fremdenhaß gegenüber den Griechen und ihren Bräuchen, insbesondere in den
alltäglichen kulturellen „Grabenkämpfen" in den Kreuzfahrerstaaten. Auch auf der
höchsten kirchenpolitischen Ebene, an der römischen Kurie, hat man anläßlich des
Taufformelstreites einmal versucht, eine sakramentale Gewohnheit der Griechen zu
unterbinden und ein griechisches Sakrament für ungültig zu erklären. Unbeschadet der
Vielfalt der historischen Realität sieht sich der neutrale Beobachter dennoch zu der
Feststellung gezwungen, daß zumindest in der untersuchten Zeitspanne eine grundle-
gende Differenz zwischen der lateinischen und der byzantinischen Haltung bestand.
Gelegentliche Ausbrüche einer vom Papst selbst verordneten und von der Theologie
gestützten Intoleranz gegenüber der griechischen sakramentalen Eigenart, die wir am
Beispiel der Politik Innozenz' III. in den ersten Jahren nach der Eroberung Konstanti-
nopels 1204 sowie am Beispiel des Taufformelstreites 1231/32 beobachten konnten,
waren sehr kurzlebig und wurden bald wieder (der Taufformelstreit innerhalb eines
Jahres) aufgegeben. Im Gegensatz dazu wurde von Seiten der führenden griechischen
Kirchenmänner und Theologen die ablehnende Haltung gegen die Azymen mehr als
zwei Jahrhunderte hindurch unnachgiebig gepflegt und mit Argumenten versehen. Ein
sehr auffälliges Merkmal dieses lange gehegten „Feindbildes" sind die zahlreichen Ka-
taloge lateinischer Irrtümer, die geradezu eine eigene Gattung innerhalb der byzantini-
schen Theologie darstellen und denen nur ganz wenige Schriften ähnlichen Charakters
bei den Lateinern entsprechen. Nur bei den Byzantinern verfestigte sich die Ablehnung
eines fremden sakramentalen Brauchs, und die Forderung nach Angleichung wurde zu
Nachwort 379

einem der wichtigsten Motive in der theologischen Literatur überhaupt. Und umgekehrt
wurde nur bei den lateinischen und in ganz besonderem Maße bei den scholastischen
Theologen die Duldung und in selteneren Fällen die Anerkennung fremder sakramen-
taler Gewohnheiten zu einem ebenso sakramententheologischen wie kirchenrechtlichen
Programm. Diese grob skizzierten Grundtendenzen der Theologien in Ost und West
zeitigten ganz bestimmte, typische, geschichtliche Folgen: Hier die kirchenrechtlich
bindende Anerkennung der sakramentalen Eigenart der griechischen Kirche auf dem
Konzil von Florenz 1439 und die Tolerierung der Kirchen des östlichen Ritus im Rah-
men der römischen Jurisdiktion; dort die in der Geschichte des christlichen Ostens im-
mer wieder anzutreffende Wiedertaufe der in die orthodoxe Kirche aufgenommenen
Lateiner13.
In diesem Zusammenhang gilt es auf ein interessantes Phänomen hinzuweisen, auf
das in der Forschung bereits gelegentlich aufmerksam gemacht wurde14. In der Ostkir-
che gab es fast keine Versuche, im Rahmen einer orthodoxen Jurisdiktion unierte Kir-
chen des westlichen Ritus zu etablieren, während von Seiten des Papsttums bis in das
18. Jahrhundert hinein eine aktive Unionspolitik betrieben wurde. Hier liegt eine deutli-
che „Asymmetrie" zwischen dem östlichen und dem westlichen Christentum vor. Die
eine Seite hat die liturgische und kirchenrechtliche Eigenart der anderen Kirche akzep-
tiert und diese Anerkennung für die Zwecke der eigenen Politik nutzbar gemacht. Die
andere Seite ist dagegen bis in die letzten zwei Jahrhunderte fast nie auf den Gedanken
gekommen, Christen und Kirchengemeinschaften eines anderen Ritus unter Wahrung
ihrer jeweiligen liturgischen und kirchenrechtlichen Eigenart in die orthodoxe Kirche
aufzunehmen15. Im Westen standen die rituellen Unterschiede zwischen Lateinern und
Griechen selten einer vollständigen communio zwischen der beiden Kirchen im Wege.
Im Osten wurde dagegen diese Verschiedenheit als wichtiges, nicht selten gravierendes
Hindernis zur vollen Gemeinschaft empfunden. Christen, die anderen liturgischen, vor

13 Zur Wiedertaufe der Lateiner bei den Griechen und Slaven s.: WENDEBOURG, Taufe und Oikono-
mia (1986); SUTTNER, Die eine Taufe (1990).
14 Jüngst durch THOMANN, The Western Rite in Orthodoxy (1995), s. bes. 1-12.
15 Erst im 19. Jahrhundert hat die russisch-orthodoxe Kirche einen Versuch unternommen, das
Unionsmodell westlicher Art an der eigenen Problematik zu erproben. Auf diese Weise ist 1800
das Edinoverie (wörtlich ungefähr: „Unionsgläubigentum", „Einigungsgläubigentum") entstan-
den, das als Mittel zur Beseitigung des Schismas des Altgläubigentums angesehen wurde. Den
Kirchengemeinden der Altgläubigen wurde angeboten, sich unter die Jurisdiktion des orthodoxen
Synods zu stellen, dabei durften sie die alten russischen Riten beibehalten. Die unierte Kirche des
„altrussischen" Ritus konnte jedoch bei den Altgläubigen keinen entscheidenden Erfolg zeitigen
(s.: VURGAFT / USAKOV, Staroobrjadcestvo 94-101). Spätere spärliche Beispiele der orthodoxen
Unionspolitik werden in der Monographie von THOMANN, The Western Rite, beschrieben. Der
Autor berichtet über einige im 20. Jahrhundert unternommene Versuche, orthodoxe Gemeinden
des westlichen Ritus in Westeuropa und Nordamerika zu gründen. Alle diese Versuche sind letz-
ten Endes gescheitert.
380 Nachwort

allem sakramentalen, Gewohnheiten nachgehen, standen aus der Sicht byzantinischer


Theologen bereits unter einem gewissen Verdacht der Häresie.
In der mit Emotionen und Werturteilen beladenen neuzeitlichen Polemik zwischen
der orthodoxen und der katholischen Kirche wird die eben beschriebene Asymmetrie
der historischen Entwicklung diametral entgegengesetzt bewertet. Für katholische Po-
lemiker „alten Stils" ist diese Tatsache ein Zeichen der Großzügigkeit und Generosität
der römischen Kurie16. Orthodoxe Polemiker sind dagegen der Ansicht, daß die westli-
che Toleranz eine „Falle" darstelle, die insbesondere die „unerfahrenen Seelen" der
Orthodoxen locken solle. Die Toleranz des Westens im rituellen Bereich sei letzten
Endes ein Instrument des römisch-katholischen Expansionismus17. Das Fehlen von
unierten Kirchen innerhalb der Orthodoxie werten orthodoxe Polemiker als Zeichen
dafür, daß der orthodoxen Kirche jegliche Expansionsbestrebung ferne liege. Für die
Kritiker des byzantinischen „Ritualismus" - von denen viele selbst aus dem Osten
stammen - ist dagegen die intolerante Haltung des Ostens im rituellen Bereich ein Zei-
chen der Erstarrtheit, der Unbeweglichkeit und der Unfähigkeit, zwischen dem Wesent-
lichen und dem Unwesentlichen im Glauben zu unterscheiden18.
Ich habe in meiner Studie versucht, mich jeglichen Werturteiles zu enthalten. Es steht
außer Zweifel, daß sowohl in der Unionspolitik des Westens als auch im Unwillen des
Ostens, eine eigene Unionspolitik zu betreiben, verschiedenartigste Faktoren, Motive
und Interessen ineinander verschränkt waren. Trotzdem liegt die Vermutung nahe, in
der theologisch gestützten Toleranz gegenüber fremden liturgischen Riten zumindest
einen der wichtigen ideellen Faktoren zu sehen, die zu der genannten Verschiedenheit
zwischen dem Ost- und dem Westchristentum beigetragen haben. Der Unionsgedanke
war mit den Ideen von Toleranz und Anerkennung aufs engste verknüpft, so daß man
das eigentliche Phänomen der „unierten" Kirchen ohne Rückgriff auf die intellektuelle
und geistige Vorgeschichte der Toleranz nicht adäquat interpretieren kann. Aber auch
umgekehrt gilt: Die Vorgeschichte der Toleranz ist ohne Berücksichtigung der Formie-
rung des Unionsgedankens unvollständig.
Damit kommen wir zum letzten Punkt: Die Ergebnisse der Untersuchung veranlassen
uns, die kulturelle Rolle der mittelalterlichen scholastischen Theologie für die Bezie-

16 S. ζ. Β.: FORTESCUE, The Uniate Eastern Churches (1957) 10-21.


17 Unionsbestrebungen des Papsttums sind bis zum heutigen Tag ein Lieblingsthema der orthodoxen
antikatholischen Polemik. Man könnte dafür eine Menge von Beispielen in der Literatur anführen,
von denen die meisten jedoch keinen wissenschaftlichen Wert haben, s. ζ. Β. ein für das geistige
Klima in der Russischen Orthodoxen Kirche des letzten Jahrzehnts typisches Pamphlet Pagubnoe
edinomyslie. Unii: Istorija i sovremennost' [„Verderbliche Einmütigkeit. Unionen: Geschichte
und Gegenwart"]. St.-Petersburg 1997 (O duchovnom rassiudenii, 2). Ich begnüge mich daher
mit einem Hinweis auf die wohl ausführlichste sowie fundierteste orthodoxe Monographie zur
römischen Unionspolitik der letzten zwei Jahrhunderte: NIKOLAEV, Vostocnyj obrjad (1950).
18 Eines der sprechendsten Beispiele bietet der Aufsatz des berühmten russischen Philosophen Vla-
dimir SOLOV'EV, Der große Streit und die christliche Politik (russ. Originalausg. ' 1883).
Nachwort 381

hungen zwischen dem lateinischen Westen und dem byzantinischen Osten neu zu defi-
nieren. Vielmals wurde in der neueren Forschung die Ansicht geäußert, daß die Entste-
hung der Scholastik im Westen einer der wichtigsten Faktoren war, die zur kulturellen
Entfremdung zwischen dem Osten und dem Westen führten. Die Scholastik sei mit der
östlichen Mentalität und dem östlichen Denken unvereinbar. Ihre Dominanz im lateini-
schen Westen habe die geistige Annäherung zwischen dem Westen und dem Osten
unmöglich gemacht19. Insbesondere was die Sakramententheologie angeht, gab es in der
neueren Zeit Versuche, die scholastische Denkweise des Westens für eine gescheiterte
Annäherung der Kulturen auf diesem Gebiet verantwortlich zu machen20. Die vorlie-
gende Studie hingegen hat gezeigt, daß ungeachtet der unleugbaren geistigen und me-
thodologischen Verschiedenheit zwischen der byzantinischen und der lateinischen
Theologie es gerade die frühscholastischen Theologen waren, die entscheidend zur
Formierung der toleranten und anerkennenden Haltung gegenüber der griechischen
sakramentalen Eigenart beigetragen haben. Ferner haben wir gesehen, daß wir gerade
dem Mann, der als der Inbegriff der lateinischen Scholastik gilt, nämlich Thomas von
Aquin, eine der schönsten Aussagen für die Anerkennung der Würde des griechischen
Ritus verdanken. Der Anerkennungsgedanke war im Grunde genommen ein Produkt der
scholastischen Rationalität mit ihrer sie et non Methode und mit ihrem Verfahren, Wi-
dersprüche zu harmonisieren und dadurch die Pluralität der kulturellen Wirklichkeit zu
akzeptieren. Diese Erkenntnis verringert die Grunddifferenzen der lateinisch-
scholastischen und der byzantinischen Theologie nicht. Sie veranlaßt uns jedoch, die
kulturelle Rolle der scholastischen Rationalität in der Geschichte der Beziehungen zwi-
schen dem byzantinischen Osten und dem lateinischen Westen in einem neuen Lichte
zu sehen und damit auch zu einer tieferen Sicht der komplizierten Begegnung beider
Kirchen und beider Kulturen seit dem Mittelalter zu gelangen.

19 S. zusammenfassend: CONGAR, Zerrissene Einheit 51.


20 So besonders: Ηοτζ, Sakramente.
Abkürzungsverzeichnis

Sämtliche Abkürzungen richten sich nach: SCHWERTNER, Siegfried M.: Internationales


Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. 2., Überarb, u. erw. Aufl.
(Berlin /New York 1992). Zusätzlich werden die folgenden Abkürzungen verwendet:

BLAISE BLAISE, Albert: Dictionnaire latin-franqais des auteurs chretienns.


Turnhout 1954.

CICO Fontes Pontificia Commissio ad redigendum Codicem Iuris Canonici


Orientalis. Fontes. Series III. Hg. Aloysius L. TÄUTU / Ferdinand M.
DELORME /Theodosius T. HALUSCINSKYJ / Meletius M. WOJNAR. Rom
1943 ff.

COD/DÖK Conciliorum oecumenicorum decreta / Dekrete der ökumenischen


Konzilien. Hg. Giuseppe ALBERIGO / Josef WOHLMUTH. Bologna /
Paderborn usw. 1999 ff.

DHP LEVILLAIN, Philippe (Hg.): Dictionnaire historique de lapapaute.


[Paris] 1994.

LBGr TRAPP, Erich (Hg.): Lexikon zur byzantinischen Gräzität, besonders


des 9.-12. Jahrhunderts. Wien 1994 ff.

NlERMAYER NIERMAYER, Jan Frederik: Mediae Latinitatis Lexicon minus. Leiden /


New York/Köln 1997.

ODB KAZHDAN, Alexander P. (Hg.): The Oxford Dictionaty of Byzantium.


3 Bde. New York / Oxford 1991.

SKKDR LlCHACEV, Dmitrij Sergeevic (Hg.): Slovar' knünikov i kniznosti


Drevnej Rusi [Lexikon der Verfasser und der Literatur der Alten Rus'].
Leningrad / St. Petersburg 1987 ff.
384 Abkürzungsverzeichnis

SOPHOCLES SOPHOCLES, Evangelinus Apostolides: Greek Lexicon of the Roman


and Byzanüne Periods (From B. C. 146 to A.D. 1100). Cambridge
(Mass.) / Leipzig 1914 (ND Hildesheim / Zürich / New York 1992).

WILL WILL, Cornelius (Hg.): Ada et scripta quae de controversiis Ecclesiae


graecae et latinae saeculo undecimo composita extant. Leipzig u.a.
1861.
Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Quellen
a. Lateinische Quellen

AßAELARD, Peter: Sie et Non, hg. Β. Β. BOYER und R. McKEON. Chicago / London
1977.
Theologia 'Scholarium' (Introductio ad theologiam), hg. E. M. BUYTAERT / C. J.
MEWS, in: CChr.CM XIII313-549.
Theologia 'Summi boni', hg. E. M. BUYTAERT / C. J. MEWS, in: CChr.CM XIII
85-201.
ALANUS VON LILLE: Regulae caelestis iuris, hg. Ν. Μ. HÄRING, in: AHDL 48 (1982)
97-226.
ALBERTUS MAGNUS: In I. librum Sententiarum, in: DERS., Opera omnia, hg.
A. BORGNET. Bd. 25-26. Paris 1893.
In IV. librum Sententiarum, in: DERS., Opera omnia, hg. A. BORGNET. Bd. 29-30.
Paris 1894.
De corpore Domini (Liber de sacramento Eucharistiae), in: DERS., Opera omnia,
hg. A. BORGNET. Bd. 38. Paris 1899, S. 191-432.
ALEXANDER VON HALES: Quaestiones disputatae 'Antequam esset frater' nunc primum
editae studio et cura PP. Collegii S. Bonaventurae. 3 Bde. Quaracchi 1960
(BFSMA 19-21).
ALGER VON LÜTTICH: De sacramentis corporis et sanguinis dominid, in: PL 180, 7 4 3 -
854.
ALKUIN: Epistolae, in: MGH.Ep IV (Epistolae Carolini Aevi Π).
AMBROSIUS VON MAILAND: De sacramentis, hg. O. FALLER, in: CSEL LXXIII 13-85.
ANNALES MAGDEBURGENSES, hg. G. H. PERTZ, in: MGH.SS XII105-196.
ANNALISTA SAXO, hg. G. WAITZ, in: MGH.SS VI 542-777.
Normannischer ANONYMUS: Traktate, in: Die Texte des normannischen Anonymus, hg.
Karl PELLENS. Wiesbaden 1966 (VIEG 42).
386 Quellen- und Literaturverzeichnis

ANSELM VON CANTERBURY: Epistola de sacramentis ecclesiae, in: DERS., Opera


omnia, hg. F. S. SCHMITT. Bd. 2. Quaracchi / Florenz 1961, S. 239-242.
Epistola de sacriflcio azymi et fermentati, in: DERS., Opera omnia, hg. F. S.
SCHMITT. Bd. 2. Quaracchi / Florenz 1961, S. 223-232.
ANSELM VON HAVELBERG: Antikeimenon (Dialogi), in: BALUZE / MARTENE / DE LA
BARRE (Hg.): Spicilegium I 161-207.
Antikeimenon (Dialogi), in: PL 188, 1139-1248.
Epistola apologeticapro ordine canonicorum regularium, in: PL 188, 1117-1140.
ANSELM VON LUCCA: Collectio canonum, hg. Friedrich THANER. Innsbruck 1915 (ND
Aalen 1965).
AUGUSTINUS: Ad inquisitiones Januarii (Epistolae 54 et 55), hg. A. GOLDBACHER, in:
CSELXXXIV/2 158-213.

BALDUIN VON CANTERBURY: De sacramento altaris, hg. J. MORSON. 2 Bde. Paris 1963
(SC 93-94).
BEDA VENERABILIS: In Lucae Evangelium expositio, hg. D. HURST, in: CChr.SL CXX
1-425.
In Marci Evangelium expositio, hg. D. HURST, in: CChr.SL CXX 427-648.
BERNHARD VON CLAIRVAUX: De consideratione ad Eugenium Papam, in: DERS.,
Opera, hg. J. LECLERCQ / C. H. TALBOT / H. M. ROCHAIS. Bd. 3. Rom 1963, S.
393^93.
BlEL, Gabriel: Canonis missae expositio, hg. Heiko A. OBERMAN / William J.
COURTENAY. 4 Bde. Wiesbaden 1963-1967 (VIEG 31-34).
BONACURSIUS VON BOLOGNA, Contra Graecos („Sicut scribitur Proverbiorum... "), in:
STEGMÜLLER, Bonacursius contra Graecos.
BONAVENTURA: In I. librum Sententiarum, in: DERS., Opera omnia edita Studio et cura
PP. CollegiiaS. Bonaventura, Bd. 1. Quaracchi 1882.
In IV. librum Sententiarum, in: DERS., Opera omnia edita Studio et cura PP.
Collegii α S. Bonaventura, Bd. 4. Quaracchi 1889.
Sermones de tempore, in: DERS., Opera omnia edita Studio et cura PP. Collegii α
S. Bonaventura, Bd. 9. Quaracchi 1901, S. 23-461.
Sermones duo de mirabilibus Eucharistiae, in: F. DELORME, Joannis de Pecham
Quodlibet Romanum. Rom 1938, S. 137-172 (SPAA 1).
BONIZO VON SUTRI: Libellus de sacramentis, in: BERSCHIN, Bonizo von Sutri 147-160.
BRUNO VON SEGNI: Tractatus de sacriflcio azymo, in: PL 165, 1085-1090.
BURCIIARD VON WORMS: Decretorum libriXX. Ergänzter ND der Editio princeps Köm
1548. Hg. Gerard FRANSEN und Theo KÖLZER. Aalen 1992.

CONSTITUTUM CONSTANTINI, hg. H. FUHRMANN. Hannover 1968 (MGH.F 10).


CYPRIAN VON KARTHAGO: Epistulae, hg. Wilhelm HARTEL, in: CSELIII.
Quellen-und Literaturverzeichnis 387

DECRETALES GREGORII IX., in: Corpus iuris canonici, hg. Ae. FRIEDBERG. Bd. 2.
Leipzig 1879 (ND Graz 1995), Sp. 5-928.
DECRETALES PSEUDO-ISIDORIANAE ET CAPITULA ANGILRAMNI, hg. Paul HINSCHIUS.
Leipzig 1863 (ND Aalen 1963).
DECRETUM GRATIANI, in: Corpus iuris canonici, hg. Ae. FRIEDBERG. Bd. 1. Leipzig
1879 (ND Graz 1995).
DEUSDEDIT: Die Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit, hg. V. W. v. GLANVELL.
Paderborn 1905 (ND Aalen 1967).

GANDULPHUS VON BOLOGNA: Sententiarum libri quatuor, hg. J. de WALTER. Wien /


Breslau 1924.
GAUFREDUS MALATERRA: Historia Sicula, in: PL 149, 1087-1210.
GERHOCH VON REICHERSBERG: Libellus de eo, quodprinceps mundi iam iudicatus est
(Liber de simoniacis), in: MGH.LL III 239-272.
Tractatus contra Graecorum errorem, in: DERS., Opera hactenus inedita, hg.
F. SCHEIBELBERGER. Bd. 1. Linz 1875, S. 341-377.
GILBERT VON POITIERS: Sententiae de sacramentis („SententiaeMagistri Gisleberti"),
hg. N. M. HÄRING, in: AHDL 45 (1978) 83-180; 46 (1979) 45-105.
GLOSSA ORDINARIA, in: Biblia Latina cum Glossa ordinaria. Facsimile Reprint ofthe
Editio Princeps Adolph Rusch ofStrassburg 1480/81. 4 Bde. Turnhout 1992.
GOTTFRIED VON FONTAINES: Quodlibetum nonum, hg. J. HOFFMANS, in: Les
Philosophes Beiges. Textes et Etudes. Bd. 4, Fasz. 2. Louvain 1928.
GREGOR DER GROßE: Registrum epistularum, hg. Dag NORBERG, in: CChr.SL CXL.
CXLa.
GREGOR VII.: Registrum, hg. Erich CASPAR, in: MGH.ES II/1-2.
GUIDO VON ORCHELLES: Tractatus de sacramentis, hg. Damien und Odulf V A N DEN
EYNDE. St. Bonaventure, N.Y., u. a. 1953 (Franciscan Institute Publications. Text
Series, 4).

HRABANUS MAURUS: De institutione clericorum libri tres, hg. D. ZlMPEL. Frankfurt a.


M. u. a. 1996 (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte, 7).
HUGO ETHERIANUS: De haeresibus, quas Graeci in Latinos devolvunt (De sancto et
immortali Deo), in: PL 202, 227-396.
HUGO RIPELIN VON STRABBURG: Compendium theologicae veritatis, in: ALBERTUS
MAGNUS, Opera omnia, hg. S.C.A. BORGNET. Bd. 34. Paris 1895, S. 1-306.
HUGO VON ST. VICTOR: De sacramentis fidei christianae, in: PL 176, 173-618.
HUGUCCIO: Summa decretorum, in: Cod. Vat. lat. 2280.
HUMBERT VON ROMANS: Opusculum tripartitum, in: BROWN, Edward (Hg.): Appendix
ad Fasciculum rerum expetendarum et fugiendarum, ab Orthuino Gratio editum
Coloniae A.D. MDXXXV, sive Tomus secundus scriptorum veterum. London 1690,
S. 185-229.
388 Quellen- und Literaturverzeichnis

HUMBERT VON SILVA CANDIDA: Dialogus (Adversus Graecorum calumnias), in: WILL
93-126.
Libri tres adversus simoniacos, hg. F. THANER, in: MGH.LL 195-953.
Responsio sive contradictio adversus Nicetae Pectorati Libellum, in: WILL 136—
150.

JAKOB VON VITRY: Historia occidentalis, in: J. F. HlNNEBUSCH, The Historia


Occidentalis of Jacques de Vitry. Α Criücal Edition. Fribourg 1972 (SpicFri 17).
INNOZENZ III. (LOTHAR VON SEGNI): De missarum mysteriis (De sacro altaris
mysterio), in: PL 217, 773-916.
JOHANNES DUNS SCOTUS: Quaestiones in TV. librum Sententiarum (Ordinatio bzw.
Opus Oxoniense), in: DERS., Opera omnia. Editio novajuxta editionem Waddingi
... α PP. Franciscanis ... accurate recognita [Edition Wadding-Vives]. Bd. 16-
18. Paris 1894-1896.
Reportata Parisiensia, in: DERS., Opera omnia. Editio minor, hg. Giovanni
LAURIOLA. Bd. 11/2. Alberobello 1999 (Quaderai scotistici, 14). [Der Text ist der
Edition Wadding entnommen].
JOHANNES VON PARIS (QUIDORT): Commentarium in 1. Sententiarum, hg. J.-P.
MULLER. Rom 1961 (StAns 47).
JOHANNES DE TURRECREMATA: Apparatus super decretum Florentinum unionis
Graecorum, in: CF1 Ser. B, vol. II, fasc. 1.
ISIDOR VON SEVILLA: Etymologiae, hg. J. OROZ RETA / Μ. Α. MARCOS CASQUERO. 2
Bde. Madrid 1993-1994 (BAC 4 3 3 ^ 3 4 ) .
Pseudo-ISIDORUS: Epistola adRedemptum, in: PL 83, 905-907.
IVO VON CHARTRES: Decretum, in: PL 161, 59-1036.
Panormia, in: PL 161, 1042-1343.

LAYCUS VON AMALFI: Epsitola missa Sergio abbati ad defendendum se de azymis


contra Graecos, in: MICHEL, Amalfl und Jerusalem 35-47.
LEO TUSCUS: De haeresibus et praevaricationibus Graecorum, in: PG 140, 544 Α -
550 Β.
Institutio divini ministerii edita α sancto patre nostro lohanne Chrysostomo, hg.
Andre JACOB, in: OCP 32 (1966) 135-162.
LlUDPRAND VON CREMONA: Relatio de legatione Constantinopolitana, hg. P. CHIESA,
in: CChr.CM CLVI 187-218.

MICHAEL SCOTUS: Aristotelis De animalibus, in: VAN OPPENRAAIJ, Aafke M. I. (Hg.):


Aristotle. De animalibus. Michael Scot's Arabic-Latin Translation. Part 3: Books
XV-XIX. Generation afanimals. Leiden 1992 (Aristoteles semitico-latinus, 5).

ORDERICUS VlTALIS: Historia ecclesiastica, in: PL 188, 17-984.


Quellen- und Literaturverzeichnis 389

OTTO VON FREISING: Chronica sive Historia de duabus civitatibus. Hg. Adolf
HOFMEISTER / Walter LAMMERS. Darmstadt 1974.

PETRUS CANTOR: Summa de sacramentis et animae consiliis, hg. J.-A. DuGAUQUIER.


3 Bde. Louvain; Lille 1954-1967 (AMNam 4. 7. 11. 16. 21).
PETRUS COMESTOR: Tractatus de sacramentis, hg. R. M. MARTIN, in: H. WEIS WEILER,
Maitre Simon et son groupe. De sacramentis. Textes inedits. Louvain 1937, S. 1*-
57* (SSL 17).
PETRUS DAMIANI: Expositio canonis missae, in: PL 145, 879-892.
Opusculum XXXI contra philargyriam et munerum cupiditatem, in: PL 145, 529-
542.
PETRUS DlACONUS: Altercatio pro Romana Ecclesia contra Graecum quendam, hg. A.
AMELLI in: MCass (1897) 10-32.
PETRUS LOMBARDUS: Sententiae in IV libris distinctae, 2 Bde. Hg. Ignatius C. BRADY.
Grottaferrata 1971-1981 (SpicBon 4-5).
PETRUS VON TARENTAISE (INNOZENZ V.): In TV. librum Sententiarum, in: DERS., In IV
libros Sententiarum commentaria. Bd. 4. Toulouse 1651 (ND Ridgewood, N. J.
1964).
PETRUS VENERABILIS: Rescriptum ad Bemardum (Epistola 111), in: G. CONSTABLE
(Hg.), 'The Letters of Peter the Venerable. Bd. 1. Cambridge, Mass. 1967, S. 274-
299.
PRAEPOSITINUS: De sacramentis et de novissimis (Summae theologicae Pars quarta),
hg. D. E. PILARCZYK. Rom 1964 (CUrb.TD 7).

QUINQUE COMPILATIONES ANTIQUAE, hg. Ae. FRIEDBERG. Leipzig 1882.

RATRAMNUS VON CORBIE: Contra Graecorum opposita Romanam ecclesiam


infamantium, in: PL 121, 223-346.
RICHARD VON MEDIA VILLA: In TV. librum Sententiarum, in: DERS., Super quattuor
libros Sententiarum quaestiones subtilissimae. Bd. 4. Brescia 1591 (ND Frankfurt
a. M. 1963).
RlCOLDO VON MONTECROCE: Libellus ad nationes orientales, in: A. DONDAINE,
Ricoldiana. Notes sur les oeuvres de Ricoldo da Montecroce, in: AFP 37 (1967)
162-170.
ROBERT VON MELUN: Quaestiones de epistolis Pauli, in: R. M. MARTIN, Oeuvres de
Robert deMelun. Bd. 2. Louvain 1938 (SSL 18).
Magister ROLANDUS: Sententiae, in: Α. Μ. GlETL, Die Sentenzen Rolands nachmals
Papstes Alexander III. Freiburg im Breisgau 1891.
RUPERT VON DEUTZ: Liber de divinis offieiis, hg. H. HAACKE, in: CChr.CM VII.
3 90 Quellen- und Literaturverzeichnis

SENTENTIAE DIVINAE PAGINAE, in: F. BLIEMETZRIEDER, Anselms von Laon


Systematische Sentenzen. Münster i. W. 1919, S. 3-46 (BGPhMA 18 Heft 2-3).
SENTENTIAE PARISIENSES, in: A. LANDGRAF, Echtes theologiques de l'ecole d'Abelard.
Louvain 1934, S. 1-60 (SSL 14).
SlCARD VON CREMONA: Mitrale, sive Summa de officiis ecclesiasticis, in: PL 213, 9 -
436.
Magister SIMON: Tractatus de sacramentis, in: H. WEISWEILER, Maitre Simon et son
groupe. De sacramentis. Textes inedits. Louvain 1937, S. 1-81 (SSL 17).
STEPHANUS TORNACENSIS: Epistola ad Pontium Claremontensem episcopum, in:
DESILVE (Hg.): Lettres d'Etienne de Tournai 21-25.
Die Summa über das Decretum Gratiani, hg. J. F. VON SCHULTE. Gießen 1891
(ND Aalen 1965).
SULLY, Maurice de: Epistola ad Pontium Claremontensem episcopum, in: DESILVE
(Hg.): Lettres d'Etienne de Tournai 21.
SUMMA DE SACRAMENTIS 'TOTUS HOMO', hg. H. BETTI. Rom 1955 (SPAA 7).
SUMMA SENTENTIARUM, in: PL 176,41-174.
SUMMA ZWETTLENSIS, in: Nikolaus M. HÄRING, Die Zwettler Summe. Einleitung und
Text. Münster 1977 (BGPhMA NF 15).

THOMAS VON AQUIN: Contra errores Graecorum, in: DERS., Opera omnia iussu Leonis
XIII. P. M. edita [Editio Leonina]. Bd. 40. Rom 1969, S. Α 109 - Α 151.
In IV. librum Sententiarum, in: DERS., Opera omnia ut sunt in Indice thomistico,
hg. Robert BUSA. Bd. 1. Stuttgart / Bad Cannstadt 1980, S. 416-708.
Summa contra Gentiles [Marietti-Ausgabe]. 3 Bde. Turin / Rom 1961-1967.
Summa theologiae [Marietti-Ausgabe]. 3 Bde. Turin /Rom 1952-1956.

WALRAM VON NAUMBURG: Epistola ad Anselmum, in: ANSELM VON CANTERBURY,


Opera omnia, hg. F. S. SCHMITT, Bd. 2, S. 233-238.
WILHELM VON AUXERRE: Summa aurea, hg. Jean RlBAILLlER. 5 Bde. Paris /
Grottaferrata 1980-1987 (SpicBon 16-20)
WILHELM VON MILITONA: Quaestiones de sacramentis, hg. Caelestinus PIANA / Gedeon
GÄL. 2 Bde. Quaracchi / Florenz 1961 (BFSMA 22-23).
WILHELM VON TYRUS: Chronicon, hg. R. B. C. HUYGENS, in: CChr.CM LXIII. LXIIlA.

b. Griechische Quellen

ANONYMUS: Περί τοΰ θείου βαπτίσματος, in: GlANELLl, Un documento sconosciuto


166-167.
ARISTOTELES: De generatione animalium, hg. H. J. DROSSAART LULOFS. Oxford 1965.
Pseudo-ATHANASIOS: Περί των άζύμων, in: PG26, 1328-1332.
Quellen- und Literaturverzeichnis 391

BALSAMON, Theodoros: Κανόνες των αγίων αποστόλων, in: PG 137,36-217.


Ερωτήσεις κανονικαί τοϋ άγιωτάτου Πατριάρχου 'Αλεξανδρείας κυρίου
Μάρκου, και αποκρίσεις έπ'αΰτάς τοϋ Θεοδώρου του Βάλσαμων, in: PG
138,952-1012.

CHOMATENOS, Demetrios: 'Αποκρίσεις προς Κωνσταντίνον άρχιεπίσκοπον της


μητροπόλεως Δυρραχίου τόν Καβασίλαν, in: PITRA, Analecta sacra et classica
VI618-684.
CHRONICON PASCHALE, hg. L. DINDORF. 2 Bde. Bonn 1832.
CONSTITUTIONES APOSTOLORUM, hg. Marcel METZGER. 3 Bde. Paris 1985-1987 (SC
320. 329. 336).

DlDACHE, in: LAKE, Kirsopp (Hg.): The Apostolic Fathers. Bd. 1. Cambridge, Mass.
1970 (LCL 24), S. 308-332.

EPIPHANIOS VON ZYPERN: Panarion haer. 1-33, hg. Karl HöLL. Leipzig 1915 (GCS).
EPISTOLA AD DIOGNETUM, in: LAKE, Kirsopp (Hg.): The Apostolic Fathers. Bd. 2.
Cambridge, Mass. 1970 (LCL 25), S. 350-378.
EUSEBIOS VON KAISAREA: 'Ιστορία εκκλησιαστική, hg. Gustave BARDY. 3 Bde. Paris
1952-1958 (SC 31. 41. 55). .
EUSTRATIOS VON ΝΊΚΑΙΑ: Προς Λατίνους περί άζύμων, in: Α. Κ. DEMETRAKOPULOS,
'Εκκλησιαστική βιβλιοθήκη. Bd. 1. Leipzig 1866, S. 100-127.
EUTHYMIOSZIGABENOS: Πανοπλία δογματική, in: PG 130, 20-1360.

GERMANOS Ι.: 'Ιστορία εκκλησιαστική και μυστική θεωρία, in: PG 98,384-453.


GERMANOS VON KONSTANTINOPEL: Fragment gegen die Azymen, in: DONDAINE,
Contra Graecos 429-430.
GREGOR VON NYSSA: In diem luminum, vulgo: In baptismum Christi oratio, hg. E.
GEBHARDT, in: GREGOR VON NYSSA, Opera, hg. W. JAEGER / H. LANGERBECK.
Bd. 9. Leiden 1967, S. 221-242.

IGNATIOS VON ANTIOCHEIA: Epistola ad Magnesios, in: LAKE, Kirsopp (Hg.): The
Apostolic Fathers. Bd. 1. Cambridge, Mass. 1970 (LCL 24), S. 196-210.
JOANNES II. VON KIEV: 'Επιστολή προς Κλήμεντα πάπαν 'Ρώμης, in: OIKONOMOS
(Hg.), Τοΰ οσίου πατρός ημών 'Ιωάννου, 1-13.
Pseudo-JOANNES DAMASKENOS: Περί των άζύμων, in: PG 95,388-396.
JOANNES OXEITES VON ANTIOCHEIA: Λόγος περί των άζύμων προς τόν
Άνδρινουπολίτην, in: LEIB, Deux inedits lA^-l^Z [112-131].
JOANNES PHILOPONOS: De paschate, hg. von C. WALTER, in: Commentattones
philologae Jenenses, 6/2, Heft 4, S. 195-229.
IUSTINOS: Dialogus, in: GOODSPEED, Edgar J. (Hg.): Die ältesten Apologeten.
Göttingen 1914 (ND Göttingen 1984), S. 90-265.
392 Quellen- und Literaturverzeichnis

KABASILAS,Nikolaos: ΕΙς την θείαν λειτουργίαν, hg. Severien SALAVILLE. Paris


1967(SC4bis).
KONSTANTINOS STILBES: Τα α'ιτιάματα της λατινικής εκκλησίας, hg. von J.
DARROUZES, in: REByz 21 (1963) 61-91.

LEON VON ACIIRIDA: Επιστολή πεμφθείσα προς τίνα έπίσκοπον 'Ρώμης περί των
άζύμων και των σαββάτων, in: WILL 56-60.
Επιστολή δεύτερα περί των άζύμων, in: PlTRA, Analecta VI751-760.
Επιστολή τρίτη περί των άζύμων, in: EkklAl 2/4 (1887) 150-162.
LEON VON PEREJASLAVL: Προς 'Ρωμαίους ήτοι Λατίνους περί των άζύμων, hg. V.
Ν. BENESEVIC, in: Pamjatniki drevnerusskogo kanoniceskogo prava [Quellen des
altrussischen Kirchenrechts]. Teil 2, Fasz. 1. Petrograd 1920 (Russkaja
istoriceskaja biblioteka, izdavaemaja Archeograficeskoju komissieju, 36), S. 73-
101.

MICHAEL KERULLARIOS: Epistola I. ad Fetrum patriarcham Antiochenum, in: WILL


172-184.

NIKETAS STETHATOS: Διάλεξις προς Φράγγους ήγουν Λατίνους {'Dialexis' und


'Antidialogos ), in: Α. MICHEL, Humbert und Kerullarios II 320-342.
Κατά 'Αρμενίων και Λατίνων περί ενζύμων και άζύμων, in: HERGENRÖTHER,
Monumenta graeca 139-154.
NIKOLAOS VON ANDIDA: Προθεωρία κεφαλαιώδης περί των έν θεία λειτουργία
γινομένων συμβόλων και μυστηρίων, in: PG 140, 417-468 (unter dem Namen
„Theodorus Andidensis")·
NIKOLAOS-NEKTARIOS VON OTRANTO: Συντάγματα, in: ARSENIJ [IVASCENKO]:
Nikolaja Gidruntskago (Otrantskago), igumena greceskago monastyrja ν
Kasulach, tri zapisi ο sobesedovanijah grekov s latinjanami po povodu raznostej ν
vere i obycajach cerkovnych. Novgorod 1896, S. 7-76.

OPUSCULUM CONTRA FRANCOS, in: CICUROV, Ein antilateinischer Traktat 347-350.

PANARETOS, Matthaios Angelos: Κατά τών λατινικών άζύμων άνασκευαστικός


λόγος, in: RlSSO, Matteo Angelo Panareto 10 (1915) 149-164. 238-251; 11/12
(1916)28-35.76-80. 154-160.
Περί τοϋ ζέου ύδατος κατά τίνα τρόπον έν τοΤς θείοις μυστηρίοις
είσβάλλεται, in: RlSSO, Matteo Angelo Panareto 10 (1915) 146-148.
PANOPLIA („Ώς πολύ το πλήθος..."), in: Α. MICHEL, Humbert und Kerullarios II 208-
281.
PETROS VON ANTIOCHEIA: Epistola adDominicum Gradensem, in: WILL 208-228.
Epistola adMichaelem Cerularium, in: WILL 189-204.
Quellen- und Literaturverzeichnis 393

PHOTIOS: Εγκύκλιος επιστολή προς τους της ανατολής αρχιερατικούς θρόνους


(Epistola 2, ad sedes orientales), in: DERS., Epistulae et Amphilochia, hg. B.
LAOURDAS / L. G. WESTERINK. Bd. 1. Leipzig 1983, S. 39-53.
Epistola 290, Nicoiao papae, in: DERS., Epistulae et Amphilochia, hg. B.
LAOURDAS /L. G. WESTERINK. Bd. 3. Leipzig 1985, S. 114-120.

SYMEON VON JERUSALEM: Περί των άζύμων, in: LEIB, Deux inedits 217-239.
SYMEON VON THESSALONIKE: Περί τής Ιεράς λειτουργίας, in: PG 155, 253-304.
Περί των Ιερών τελετών, in: PG 155,176-237.

THEOPHYLAKTOS VON ACHRIDA: Προσλαλία τινι των αύτοΰ ομιλητών περί ών


εγκαλούνται Λατίνοι, in: GAUTIER, Theophylacte d'Achrida 247-285.
Pseudo-THEOPHYLAKTOS VON ACHRIDA: Λόγος περί άζύμων, in: GAUTIER, Un
second' traite 556-569.
THEORIANOS PHILOSOPHOS: Διάλεξις δεύτερα μετά Νοσερσοϋ καθολικού τών
'Αρμενίων, in: PG 133, 212-298.
Επιστολή προς τους έν τη 'Ορεινή ιερείς περί τής έν σαββάτω νηστείας τής
τε θείας κοινωνίας, in: LOENERTZ, L 'epitre de Theorien 55-66.

c. Altslavische Quellen ,

Pseudo-GEORGIJ VON KlEV: Stjazanie s latinoju, in: PAVLOV, Kriticeskie opyty 191—
198.
FEODOSIJ GREK: Poslanie ο vere latinskoj, in: PONYRKO, Epistoljarnoe nasledie 16-18.
JOANNES II. VON KIEV: Κ archiepiskopu rimskomu ο opresnocech, in: PONYRKO,
Epistoljarnoe nasledie 30-35.
NlKIFOR VON KlEV: Napisanie na latinu ko knjazju, in: PONYRKO, Epistoljarnoe
nasledie 73-79.
Poslanie Vladimiru Monomachu ο vere latinskoj, in: PONYRKO, Epistoljarnoe
nasledie 71-73.

2. Literatur
D'ACHERY, LUC (Hg.): Spicilegium sive collectio veterum aliquot scriptorum. Bd. 13.
Paris 1677.
ALBERIGO, Giuseppe: Christian Unity. The Council of Ferrara-Florence 1438/39.
Leuwenl991(BEThL97).
L'oecumenisme auMoyenAge, in: 1274. Annee charniere 319-339.
394 Quellen- und Literaturverzeichnis

ALLATIUS, Leo: De Ecclesiae Occidentalis atque Orientalis perpetua consensione libri


tres. Köln 1648.
ALTANER, Berthold: Die Dominkanermissionen des 13. Jahrhunderts. Habelschwerdt
1924.
ANASTOS, Milton V.: The Transfer oflllyricum, Calabria, andSicily to the Jurisdiction
ofthe Patriarchate of Constantinople in 732-733, in: SBNE 9 (1957) 14-31.
ANDRESEN, Carl: Geschichte der abendländischen Konzile des Mittelalters, in:
MARGULL, H. J. (Hg.), Die ökumenischen Konzile der Christenheit. Stuttgart
1961, S. 75-200.
(Hg): Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte. Bd. 1: Die
Lehrentwicklung im Rahmen der Katholizität. Göttingen 1982.
ÄNGOLD, Michael: Church and Society in Byzantium under the Comneni, 1081-1261.
Cambridge 1995. -
Greeks and Latins after 1204: The Perspective ofExile, in: ARBEL / HAMILTON /
JACOBY (Hg.): Latins and Greeks 63-86.
ARBAGI, Martin George: Byzantium in Latin Eyes: 800-1204. Diss. New Brunswick
N.J. 1969.
ARBEL, Benjamin / HAMILTON, Bernard / JACOBY, David (Hg.): Latins and Greeks in
the Eastern Mediterranean after 1204. London 1989.
ARCUDIUS, Petrus: Libri VII de concordia ecclesiae occidentalis et Orientalis in septem
sacramentorum administratione. Paris 2 1672.
ARDUINI, Maria Lodovica: Rupert von Deutz (1076-1129) und der „Status
Christianitatis" seiner Zeit. Symbolisch-prophetische Deutung der Geschichte.
Köln / Wien 1987 (BAKG 25).
ARENS, Edmund (Hg.): Anerkennung der Anderen. Eine theologische Grunddimension
interkultureller Kommunikation. Freiburg / Basel / Wien 1995 (QD 156).
ARGYRIOU, Asterios: Remarques sur quelques listes grecques enumerant les heresies
latines, in: ByF 4 (1972) 9-30.
ARRANZ, Miguel: drconstances et consequences liturgiques du Concile de Ferrare-
Florence, in: ALBERIGO (Hg.), Christian Unity 40Ί-4Π.
1274. Annee charniere. Mutations et continuites. [Actes du Colloque International]
Lyon-Paris 30 septembre - 5 octobre 1974. Paris 1977 (Colloques international«
du Centre National de la Recherche Scientifique, 558).

BAER,Wolfram: Studien zum sogenannten Anonymus von York. Inaug.-Diss. München


1966.
BAKER, Derek (Hg.): Relations between East and West in the Middle Ages. Edinburgh
1973.
BALDWIN, John W.: Maters, Princes and Merchants. The Social Views of Peter the
Chanter andHis Circle. 2 Bde. Princeton N. J. 1970.
Quellen- und Literaturverzeichnis 395

BALIC, Karl: De Ordinatione I. Duns Scott disquisitio historico-critica, in: JOHANNES


DUNS SCOTUS, Opera omnia [Editio Vaticana]. Bd. 1 .Vatikanstadt 1950, S. 1*-
329*.
BALUZE, Etienne / MARTENE, Edmond / DE LA BARRE, Louis Francois Joseph (Hg.):
Spicilegium sive collectio veterum aliquot scriptorum qui in Galliae bibliothecis
delituerant. Bd. 1. Paris 1723. .
BARMIN, Aleksej V.: Stolknovenie 1053-1054 gg. [Der Konflikt von 1053-1954], in:
LlTAVRlN (Hg.), Vizantija mezdu Zapadom i Vostokom 140-159.
BATTAGLIA, Emanuela: 'Artos'. II lessico della paniflcazione nei papiri greci. Milano
1989.
BECK, Hans-Georg: Geschichte der orthodoxen Kirche im Byzantinischen Reich.
Göttingen 1980 (KIG Bd. 1, Lfg. D 1).
Kirche und theologische Literatur im Byzantinischen Reich. München 1959
(Byzantinisches Handbuch im Rahmen des Handbuchs der Altertumswissenschaft,
T. 2, Bd. 1).
BECKER, Alfons: Papst Urban II. (1088-1099). Teil 2: Der Papst, die griechische
Christenheit und der Kreuzzug. Stuttgart 1988 (SMGH XIX/2).
BERGES, Wilhelm: Anselm von Havelberg in der Geistesgeschichte des 12.
Jahrhunderts, in: JGMOD 5 (1956) 39-57.
BERLENDI, Francesco: De oblationibus ad altare communibus et peculiaribus. Venedig
1743.
BERSCHIN, Walter: Anselm von Havelberg und die Anfänge einer Geschichtstheologie
des hohen Mittelalters', in: LWJ 29 (1988) 225-232.
Bonizo von Sutri. Leben und Werk. Berlin / New York 1972 (BGQMA 2).
BEUMER, Johannes: Ein Religionsgespräch aus dem Zwölften Jahrhundert, in: ZKTh 73
(1951)465-482.
Der theoretische Beitrag der Frühscholastik zu dem Problem des
Dogmenfortschrittes, in: ZKTh 74 (1952) 205-226.
BLIEMETZRIEDER, F.: Anselms von Laon Systematische Sentenzen. Münster i. W. 1919
(BGPhMA18Heft2-3).
BÖHMER, Karl: Das Schisma von 1054 im Lichte der byzantinischen und fränkisch-
deutschen Reichspolitik, in: HOFFMANN / SCHEFFCZYK / FEIEREIS, Sapienter
ordinäre 317-336.
BONA, Giovanni: Dissertatio de fermento et azymo, excerpta ex libro I. Rerum
liturgicarum [l 1671], in: Bibliotheca selecta de ritu azymi ac fermentatt. Venedig
1729 [Konvolut, getrennte Paginierung].
Epistola [adMabillonium], in: PL 143, 1221-1226.
BORNERT, Rene: Les commentaires byzantins de la divine liturgie du Vif auXV* siede.
Paris 1966 (AOC 9).
BOUHOT, Jean-Paul: Ratramne de Corbie. Histoire litteraire et controverses
doctrinales. Paris 1976.
396 Quellen- und Literaturverzeichnis

BRAND, Charles M.: Byzcmtium Confronts the West, 1180-1204. Cambrirdge, Mass.
1968.
BRAUN, Johann Wilhelm: Studien zur Überlieferung der Werke Anselms von Havelberg
I. Die Überlieferung des Anticimenon, in: DA 28 (1972) 133-209.
BREHIER, Louis: Le schisme oriental duXF siede. Paris 1899.
BRETT, Edward Tracy: Humbert of Romans. His Life and Views of Thirteenth-Century
Society. Toronto 1984 (Pontifical Institute of Mediaeval Studies. Studies and
Texts, 67).
BRINCKEN, Anna-Dorothee von den: Die „Nationes christianorum orientalium" im
Verständnis der lateinischen Historiographie von der Mitte des 12. bis in die
zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Köln / Wien 1973 (KHAb 22).
BRINKTRINE, Johannes: Ein auffallender Brauch der byzantinischen Meßliturgie, in:
ThGl 29 (1937) 637-643.
BROER, Ingo / SCHLÜTER, Richard (Hg.): Christentum und Toleranz. Darmstadt 1996.
BRUNDAGE, James k.:Medieval Canon Law. London / New York 1995.
BRUNHÖLZL, Franz: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. 2 Bde.
München 1975-1992.
BRYER, Anthony: Cultural Relations between East and West in the Twelfth Century, in:
BAKER (Hg.), Relations between East and West 77-94.
BÜNEMANN, Richard: Robert Guiskard 1015-1085. Ein Normanne erobert Süditalien.
Köln / Weimar / Wien 1997.
BURGMANN, Ludwig (Hg.): Fontes minores X. Frankfurt a. M. 1998 (FBRG22).
BURKE, John / SCOTT, Roger (Hg.): Byzantine Macedonia. Identity, Image andHistory.
Papers from the Melbourne Conference July 1995. Melbourne 2000 (Byzantina
Australiensia, 13). β

CEL'COV, Michail: Polemika mezdu grekami i latinjanamipo voprosu ob opresnokach ν


XL-XIl vekach. [Die Polemik zwischen Griechen und Lateinern um die Azymen
im 11. und 12. Jahrhundert]. St. Petersburg 1879.
CHALANDON, Ferdinand: Les Comnene. Etudes sur l 'Empire byzantin au Xf et au XIT
siecles. 2 Bde. Paris 1900-1912.
Histoire de la domination normande en Italie et en Sicile. 2 Bde. Paris 1907.
CHARANIS, Peter: The Armeniens in the Byzantine Empire. Lisabon [1963].
CHATZEPSAI/TES [Χατξηψάλτης], Κ.: Σχέσεις της Κύπρου προς το έν Νικαίρ;
βυζαντινόν κράτος, in: Kypriakai spoudai 15 (1951/52) 65-82.
CHENU, Marie-Dominique: Das Werk des hl. Thomas von Aquin. Vom Verfasser
durchges. u. verb. dt. Ausg., Übers., Verz. u. Erg. der Arbeitshinweise von Otto
M. PESCH. Graz / Wien / Köm 21982 (DthA, 2. Ergänzungsband).
CHOMJAKOV, Aleksej Stepanovic: Socinenija bogoslovskie [Die theologischen Werke].
St. Petersburg 1995.
Quellen- und Literaturverzeichnis 397

ClAMPINI, Johannes: Conjecturae de perpetuo azymorum usu in ecclesia Latina vel


saltem Romana ['Rom 1688], in: Bibliotheca selecta de ritu azymi ac fermentati.
Venedig 1729 [Konvolut, getrennte Paginierung].
ClCUROV, Igor: Ein antilateinischer Traktat des Kiever Metropoliten Ephraim, in:
BURGMANN (Hg.), Fontes minores X 319-356.
CLASSEN, Peter: Burgundio von Pisa. Richter - Gesandter - Übersetzer. Heidelberg
1974 (SHAW.PH Jg. 1974, Abh. 4).
Gerhoch von Reichersberg. Eine Biographie mit einem Anhang über die Quellen,
ihre handschriflliche Überlieferung und ihre Chronologie. Wiesbaden 1960.
Der Häresie-Begriff bei Gerhoch von Reichersberg und in seinem Umkreis, in:
LOURDAUX/VERHELST, The Concept ofHeresy 27-41.
Das Konzil von Konstantinopel 1166 und die Lateiner, in: ByZ 48 (1955) 3 3 9 -
368.
CONGAR, Yves-M. J.: L 'ecclesiologie du haut Moyen-Age. De saint Gregoire le Grand
α Ια desunion entre Byzance etRome. Paris 1968.
Die Lehre von der Kirche. Von Augustinus bis zum Abendländischen Schisma.
Freiburg / Basel / Wien 1971 (HDG ffl/3 c).
Neuf Cents ans apres. Notes sur le »Schisme oriental«, in: 1054-1954. L Eglise et
les Eglises. Neuf siecles de douloureuse Separation entre VOrient et VOccident.
Bd. 1. Chevetogne 1954, S. 3-98.
Zerrissene Einheit. Wo trennten sich Ost und West? [Übers, aus dem Franz.].
Wien/München 1959.
CONSTABLE, Giles: Culture and Spirituality in Medieval Europe. Aldershot 1996
(Variorum Collected Studies Series, CS 541).
The Diversity of Religious Life and Acceptance of Social Pluralism in the 12th
Century, in: BEALES, Derek / BEST, Geoffrey (Hg.): History, Society and the
Churches. Essays in Honour of Owen Chadwick. Cambridge 1985, 29-47 =
CONSTABLE, Culture and Spirituality, Nr. VIII.
COWDREY, Herbert Edward John: The Crusades and Latin Monasticism, llth-12th
Centuries. Aldershot usw. 1999 (Variorum Collected Studies, 662).
Pope Gregory VII (1073-1085). Oxford 1998.
Pope Victor and the Empress Α., in: ByZ 84/85 (1991/2) 43^t8 = DERS., The
Crusades and Latin Monasticism Nr. IV.
CRAMER, Winfried: Cedat consuetudo veritati. Zu einer Maxime kirchlicher
Entwicklung aus der Väterzeit, in: HAGEMANN, Ludwig / PULSFORT, Ernst (Hg.),
Ihr alle aber seid Brüder 323-347.

DALLEG1O D'ALESSIO, E.: Recherches sur la latinite de Constantinople. Nomenclature


des eglises latines de Constantinople (Stamboul) sous les empereurs byzantines,
in: EOr Bd. 23 / Jg. 27 (1924) 4 4 8 ^ 6 0 .
398 Quellen- und Literaturverzeichnis

DARROUZES, Jean: Les documents byzantins du XIF siede sur la primaute romaine, in:
REByz 23 (1965) 42-88.
Unfaux Περί των άζύμων de Michel Cerulaire, in: REByz 25 (1967) 288-291.
Le memoire de Constantin Stilbes contre les Latins, in: REByz 21 (1963) 50-100.
(Hg.): Nicetas Stethatos. Opuscules et lettres. Paris 1961 (SC 81).
Nicolas d 'Andida et les azymes, in: REByz 32(1974) 199-210. ·
Recherches sur les όφφίκια de l'aglise byzantine. Paris 1970.
Trois documents de la controverse greco-armenienne, in: REByz 48 (1990) 89-
153.
DEMETRAKOPULOS [Δημητρακόπουλος], Andronikos Κ.: Εκκλησιαστική
βιβλιοθήκη, εμπεριέχουσα Ελλήνων θεολόγων συγγράμματα. Bd. 1. Leipzig
1866.
'Ορθόδοξος Ελλάς, ήτοι Περί των Ελλήνων των γραψάντων κατά Λατίνων
και περί των συγγραμμάτων αυτών. Leipzig 1872.
DENZLER, Georg: Das Morgenländische Kirchenschisma im Verständnis von Päpsten
und Ökumenischen Konzilien des Mittelalters, in: MThZ 20 (1969) 104-117.
Das sog. Morgenländische Schisma im Jahre 1054, in: MThZ 17 (1966) 24-46.
DER NERSESSIAN, Sirarpie: Armenia and the Byzantine Empire. Α Brief Study of
Armenian Art and dvilization. Cambridge (Mass.) 1947.
Etudes byzantines et armeniennes. Byzantine and Armenian Studies. 2 Bde.
Louvain 1973.
DESILVE, Jules (Hg.): Lettres d'Etienne de Tournai. Nouvelle edition. Valenciennes /
Paris 1893.
DiscHNER, Margit: Humbert von Silva Candida. Werk und Wirkung des lothringischen
Reformmönches. Neuried 1996 (Politik im Mittelalter, 2).
DOMBROWSKI, Eugen: Anselm von Havelberg. Inaug.-Diss. Königsberg 1880.
DoNDAlNE, Antoine: Contra Graecos. Premiers ecrits polemiques des dominicains
d'Orient, in: AFP 21 (1951) 320^46.
Hugues Etherien et Leon Toscan, in: AHDL 27 (1952) 67-134.
Ricoldiana. Notes sur les oeuvres de Ricoldo da Montecroce, in: AFP 37 (1967)
119-179.
DoNDAlNE, Hyacinthe-Francois: Substantia sacramenti, in: RSPhTh 29 (1949) 328-
330.
DOSITHEOS, Patriarch von Jerusalem (Hg): Τόμος αγάπης κατά Λατίνων. [Jassy]
1698.
DRÄSEKE, Johannes: Bischof Anselm von Havelberg und seine Gesandtschaflsreisen
nach Byzanz, in: ZKG 21 (1901) 160-185.

EBELS-HOVTNG, B.: Byzantium in westerse ogen 1096-1204. Assen 1971.


Quellen- und Literaturverzeichnis 399

EBERHARD, Winfried: Ansätze zur Bewältigung ideologischer Pluralität im 12.


Jahrhundert: Pierre Abelard und Anselm von Havelberg, in: HJ 105 (1985) 3 5 3 -
387.
EDYVEAN, Walter: Anselm of Havelberg andthe Theology ofHistory. Rom 1972.
EFTHIMIOU, Miltiades B.: Greeks and Latins on Cyprus in the Ihirteenth Century.
Brookline, Mass. 1987.
El.LIOT, Charles Mark: The Schism and Its Elimination in Humbert of Roman 's
Opusculum Tripartitum, in: GOTR 34 (1989) 71-83.
ERDMANN, Carl: Ausgewählte Briefe aus der Salierzeit. Rom 1936.
ERICKSON, John H.: Leavened and Unleavened: Some Theological Implications ofthe
Schism ofl054, in: SVTQ 14 (1970) 155-176.
EVANS, Gillian R.: Anselm ofCanterbury and Anselm of Havelberg: The Controversy
with the Greeks, in: APraem 53 (1977) 158-175.
Unity and Diversity: Anselm of Havelberg as Ecumenist, in: APraem 67 (1991)
42-52.
EVERY, George: The Byzantine Patriarchate 451-1204. London 2 1962.

FALKENHAUSEN, Vera von: Untersuchungen über die byzantinische Herrschaft in


Süditalien vom 9. bis ins 11. Jahrhundert. Wiesbaden 1967.
FAUSER, Winfried: Die Werke des Albertus Magnus in ihrer handschriftlichen
Oberlieferung. Teil 1: Die echten Werke. Aschendorff 1982 (Alberti Magni Opera
omnia, Tomus subsidiarius 1).
FAVREAU-LlLIE, Marie-Luise: Die italienischen Kirchen im Heiligen Land (1098-
1291), in: Studi Veneziani NS 13 (1987) 15-101.
FEDALTO, Giorgio: La Chiesa latina in Oriente. Bd. 1. Verona 1981 (Studi
religiosi, 3).
(Hg.): Hierarchia ecclesiastica orientalis. Series episcoporum ecclesiarum
christianarum orientalium. 2 Bde. Padua 1988.
FEINER, Johannes / LÖHRER, Magnus (Hg.): Mysterium salutis. Grundriß
heilsgeschichtlicher Dogmatik. 5 Bde. Einsiedeln / Zürich / Köln 1965-1976.
FELDMAN, Louis H.: Jew and Gentile in the Ancient World. Attitudes and Interactions
from Alexander to Justinian. Princeton NJ 1993.
FlNA, Kurt: Anselm von Havelberg. Untersuchungen zur Kirchen- und
Geistesgeschichte des 12. Jahrhunderts, in: APraem 32 (1956) 69-101. 193-227;
33 (1957) 5-39. 268-301; 34 (1958) 13-41.
FlNKENZELLER, Josef: Die Lehre von den Sakramenten im allgemeinen. Von der Schrift
bis zur Scholastik. Freiburg, Basel, Wien 1980 (HDGIV/la).
FlTZTHUM, Martin: 'Anselm von Havelberg als Verteidiger der Einheit mit der
Ostkirche', in: APraem 36 (1961) 137-141.
FLASCH, Kurt: Einführung in die Philosophie des Mittelalters. Darmstadt 1994 [ ! 1984].
400 Quellen- und Literaturverzeichnis

FLORENSKIJ, Pavel Aleksandrovic: Filosofija kul'ta [Philosophie des Kults], in: Simvol
26(1991)215-226.
Ikonostas, in: BoTr 9 (1972) 83-148.
Iz bogoslovskogo nasledija, in: BoTr 17 (1977) 85-248.
FOREVILLE, Raymonde: Lateran I-IV. [Übers, aus dem Franz. von Nikolaus Monzel].
Mainz 1970 (Geschichte der ökumenischen Konzilien, hrsg. von G. DUMEIGE / H.
BACHT; Bd. VI).
FORTESCUE, Adrian: The Uniate Eastern Churches. The Byzantine Rite in Italy, Sicily,
Syria andEgypt, hg. G. D. SMITH. New York 1957.
FRANCHI, Antonio: // Concilio II di Lione (1274) secondo la Ordinatio concilii
generalis Lugdunensis. Edizione del testo e note. Rom 1965 (STF 33).
La svolta politico-ecclesiastica tra Roma e Bisanzio (1249-1254). La legazione di
Giovanni da Parma. II ruolo di Frederico II. Studio critico sulle fonti. Rom 1981
(SPAA 21).
FRANZEN, August: Kleine Kirchengeschichte, hg. von R. BÄUMER. Freiburg / Basel /
Wien 1988 (HerTb 1577).
FRAZEE, Charles Α.: The Catholic Church in Constantinople, 1204-1453, in: Balkan
Studies 19 (1978) 33^9.
FRIES, Albert: Der Doppeltraktat über die Eucharistie unter dem Namen des Albertus
Magnus. Aschendorff 1984 (BGPhMA NF 25).
Meßerklärung und Kommuniontraktat - keine Werke Alberts des Großen?, in:
FZPhTh 2 (1955) 28-67.
FUHRMANN, Horst: Einfluß und Verbreitung der pseudoisidorischen Fälschungen von
ihrem Auftauchen bis in die neuere Zeit. 3 Bde. Stuttgart 1972-1974 (SMGH
XXIV/1-3).
—- Quod catholicus non habeatur, qui non concordat Romanae ecclesiae.
Randnotizen zum Dictatus Papae, in: JÄSCHKE / WENSKUS, Festschrift für Helmut
Beumann 263-287.
FUNK, Franz Xaver: Didascalia et constitutiones apostolorum. 2. Bde. Paderborn 1905.
FUNKE, Gerhard: Gewohnheit. Bonn 21961 (Archiv für Begriffsgeschichte. Bausteine zu
einem historischen Wörterbuch der Philosophie, 3).

GAHBAUER, Ferdinand R.: Gegen den Primat des Papstes. Studien zu Niketas Seides.
München 1975.
Der orthodox-katholische Dialog. Spannende Bewegung der Ökumene und
ökumenische Spannungen zwischen den Schwesterkirchen von den Anfängen bis
heute. Paderborn 1997 (KKSMI 21).
GALANUS, Clemens: Conciliationis Ecclesiae Armenae cum Romana ex ipsis
Armenorum patrum et doctorum testimoniis, in duas partes, historialem et
controversialem divisae, pars altera. 2 Bde. Rom 1658-1661.
Quellen- und Literaturverzeichnis 401

GAMILLSCHEG, Maria-Helene: Die Kontroverse um das Filioque. Möglichkeiten einer


Problemlösung auf Grund der Forschungen und Gespräche der letzten hundert
Jahre. Würzburg 1996 (Das östliche Christentum NF 45).
GAUSS, Julia: Ost und West in der Kirchen- und Papstgeschichte des 11. Jahrhunderts.
Zürich 1967.
GAUTIER, Paul: Jean V Oxite, patriarche d'Antioche. Notice bibliographique, in:
REByz 22 (1964) 128-157.
(Hg).: Theophylacte d'Achrida. Discours, traites, poesies. Thessalonike 1980
(CFHB XVI/1).
Un second traue contre les Latins attribue α Theophylacte de Bulgarie, in:
Θεολογία 48 (1977) 546-569.
GAY, Jules: L'Italie meridionale et l'empire byzantin de Basil Γ jusqu'a la prise de
Baripar les Normands (867-1071). Paris 1904.
GEANAKOPLOS, Deno John: Emperor Michael Ρalaeologus and the West 1258-1282. Α
Study in Byzantine-Latin Relations. Cambridge Mass. 1959.
GEISELMANN, Josef Rupert: Die Abendmahlslehre an der Wende der christlichen
Spätantike zum Frühmittelalter. Isidor von Sevilla und das Sakrament der
Eucharistie. München 1933.
GHELLINCK, Joseph de: LeMouvement theologique duXIIe siede. 21948 (ML.H 10).
GlANNELLl, Ciro: Un documento sconosciuto della polemica tra Greci e Latini intorno
allaformula battesimale, in: OCP 10 (1944) 150-167.
GIBBON, Edward: The Decline and Fall ofthe Roman Empire, hg. J. B. BURY. 3 Bde.
New York 1995 ['1776-1788].
GlESE, Joseph: Erörterung der Streitfrage über den Gebrauch der Azyma als Element
derhh. Eucharistie. Eine historisch-liturgische Abhandlung. Münster 1852,
GlETL, Α. Μ.: Die Sentenzen Rolands nachmals Papstes Alexander III. Freiburg im
Breisgau 1891.
GlLCHRIST, John: Cardinal Humbert of Silva Candida (d. 1061), in: DERS., Canon Law
in the Age of Reform, ll^-lt1 Centuries. Aldershot 1993 (Variorum Collected
Studies Series, CS 406), Nr. I.
GlLL, Joseph: Byzantium and the Papacy 1198-1400. New Brunswick N.J. 1979.
The Church Union ofthe Council of Lyons (1274) Portrayed in Greek Documents,
in: OCP 40 (1974) 5-45 = GlLL, Church Union, Nr. V.
Church Union: Rome and Byzantium (1204-1453). London: Variorum reprints,
1979.
The Council of Florence. Cambridge 1959.
Innocent III and the Greeks: Aggressor or Apostle?, in: BAKER (Hg.), Relations
between East and West 95-108 = GlLL, Church Union, Nr. II.
John Beccus, Patriarch of Constantinople 1275-1282, in: Byzantina 7 (1975)
253-266 = GlLL, Church Union, Nr. VI.
Personalities ofthe Council of Florence and other Essays. Oxford 1964.
402 Quellen- und Literaturverzeichnis

The Tribulations ofthe Greek Church in Cyprus, 1196-C.1280, in: ByF 5 (1977)
73-93 = GlLL, Church Union, Nr. IV.
An Unpublished Letter of Germanus, Patriarch of Constantinople (1222-1240),
in: Byzantion44 (1974) 138-151 = GlLL, Church Union, Nr. III.
GlLLMANN, Franz: Taufe „ im Namen Jesu " oder „ im Namen Christi"? Mainz 1913.
GlRGENSOHN, Dieter: Dall'episcopato greco all'episcopato latino nell'Italia
meridionale, in: La Chiesa greca in Italia dall'VlU al XVI secolo. Atti del
Convegno storico interecclesiale (Bari, 30 Apr.-4 Magg. 1969). Bd. 1. Padova
1973 (IS 20), S. 25-43.
GOAR, Jacobus: Εύχολόγιον, sive Rituale Graecorum complectens ritus et ordines
Divinae Liturgiae, officiorum, sacramentorum, consecrationum, benedictionum,
funerum, orationum, etc. cuilibet personae, statu vel tempori congruos juxta usum
Orientalis Ecclesiae. 2Venedig 1730.
GODFREY, John: 1204. The Unholy Crusade. Oxford 1980.
GOLUBOVICH, Hieronymus [Girolamo]: Biblioteca bio-bibliograflca della Terra Santa
e deU'Orienle francescano. [Annali]. 5 Bde. Quaracchi 1906-1927.
Disputatio Latinorum et Graecorum seu Relatio Apocrisariorum Gregorii IX de
gestis Nicaeae in Bythinia et Nymphaeae in Lydia 1234, in: AFH 12 (1919) 418—
470.
GORDILLO, Mauritius: Compendium theologiae orientalis in commodum auditorum
facultatis theologicae concinnatum.3Rom 1950.
Theologia Orientalium cum Latinorum comparata. Commentatio historica. Bd. 1:
Ab ortu Nestorianismi usque ad expugnationem Constantinopoleos 431-1453.
Rom 1960 (OCA 158).
GRABMANN, Martin: Geschichte der scholastischen Methode. 2 Bde. Freiburg i. Br.
1909-1911.
GRABMANN, Martin / OTT, Ludwig: Aristoteles im 12. Jahrhundert, in: GRABMANN,
Martin: Mittelalterliches Geistesleben. Abhandlungen zur Geschichte der
Scholastik undMystik. Bd. 3, hg. von Ludwig OTT. München 1956, S. 64-127.
GREGOIRE, Reginald: Bruno de Segni. Exegete medieval et theologien monastique.
Spoleto 1965 (Centro italiano di studi sull'alto Medioevo, 3).
GRONDIJS, L. H.: Autour de l'iconographie byzantine du crucifle mort sur la croix.
Leiden [I960].
GRUMEL, Venance: L 'annexion de l'Illyricum oriental, de la Sicile et de la Calabre au
patriarcat de Constantinople. Le temoignage de Theophane le chronographe, in:
RCR40 (1951/52) 191-200.
Autour du voyage de Pierre Grossolanus, archeveque de Milan, ä Constantinople,
en 1112. Notes d'histoire et de litterature, in: EOr 32 (1933) 22-33.
Les invectives contre les Armeniens du Catholicos Isaac, in: REByz 14 (1956)
174-194.
Quellen- und Literaturverzeichnis 403

Les preliminaires du schisme de Michel Cerulaire ou la question romaine avant


1054, in: REByz 10 (1953) 5-23.
Le premier contact de Rome avec l'Orient apres le schisme de Michel Cerulaire,
in: BLE 43 (1942) 21-29.
GRUNDMANN, Herbert: Studien über Joachim von Floris. Leipzig / Berlin 1927
(Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance, 32).
GY, Pierre-Marie: L'uniflcation liturgique de VOccident et la liturgie de la Curie
Romaine, in: Liturgie de Veglise particuliere et liturgie de Veglise universelle.
Conferences Saint-Serge XXlf semaine d 'etudes liturgique, Paris, 30 juin - 3
juillet 1975. Rom 1976 (BEL.S 7), S. 155-167.

HACKETT, J.: Α History ofthe Orthodox Church ofCyprus from the Coming ofthe
Apostles Paul and Barnabas to the Commencement of the British Occupation
(A.D. 45 - A.D. 1878) together with Some Account of the Latin and Other
Churches Existing in the Land. London 1901 (ND New York 1972).
HAGEMANN, Ludwig / PULSFORT, Ernst (Hg.): Ihr alle aber seid Brüder. FS A. Jh.
Khoury. Altenberge 1990 (WFMR).
HAGENMEYER, Heinrich: Epistulae et chartae ad historiam primi belli sacri spectantes.
Die Kreuzzugsbriefe aus den Jahren 1088-1100. Innsbruck 1901 (ND Hildesheim
/New York 1973).
HALFTER, Peter: Das Papsttum und die Armenier im frühen und hohen Mittelalter. Von
den ersten Kontakten bis zur Fixierung der Kirchenunion im Jahre 1198. Köln /
Weimar/Wien 1996.
HAMILTON, Bernard: ΊΊιβ Latin Church in the Crusader States. The Secular Church.
London 1980.
HANSSENS, Joannes Michael: Institutiones liturgicae de ritibus orientalibus. Bd. II: De
Missa rituum orientalium. Teil 1. Rom 1930.
HÄRING, Nikolaus M.: The Interaction between Canon Law and Sacramental Theology
in the Twelflh Century, in: KUTTNER, Stephan (Hg.): Proceedings ofthe Fourih
International Congress of Medieval Canon Law. Toronto, 21-25 August 1972.
Vatikanstadt 1976 (MIC.S 5), S. 483-493.
HARTMANN, Wilfried: Beziehungen des Normannischen Anonymus zu frühscholasti-
schen Bildungszentren, in: DA 31 (1975) 108-143.
HASKINS, Charles H.: Leo Tuscus, in: ByZ 24 (1923 / 24) 43-47.
HAUGH, Richard: Photius and the Carolingians. The Trinitarian Controversy.
Belmont Mass. 1975.
HEISENBERG, August: Neue Quellen und Studien zur Geschichte des lateinischen
Kaisertums und der Kirchenunion. I. Der Epitaphios des Nikolaos Mesarites auf
seinen Bruder Johannes, in: SBAW.PPH 1922, Abh. 5, S. 3-75.
Neue Quellen und Studien zur Geschichte des lateinischen Kaisertums und der
Kirchenunion. II. Die Unionsverhandlungen vom 30. August 1206.
404 Quellen- und Literaturverzeichnis

. Patriarchenwahl und Kaiserkrönung in Nikaia 1208, in: SBAW.PPH 1923, Abh.


2, S. 3-56.
Neue Quellen und Studien zur Geschichte des lateinischen Kaisertums und der
Kirchenunion. III. Der Bericht des Nikolaos Mesarites über die politischen und
kirchlichen Ereignisse des Jahres 1214, in: SBAW.PPH 1923, Abh. 3, S. 3-96.
HEISER, Lothar: Die Responsa ad consulta Bulgarorum des Papstes Nikolaus I. (858-
867) - Ein Zeugnis päpstlicher Hirtensorge und ein Dokument unterschiedlicher
Entwicklungen in den Kirchen von Rom und Konstantinopel. Inaug.-Diss. Münster
i. W. 1978.
HERDE, Peter: Das Papsttum und die griechische Kirche in Süditalien vom 11. bis zum
13. Jahrhundert, in: DA 26 (1970) 1-46.
HERGENRÖTHER, Joseph (Hg.): Monumenta graeca ad Photium ejusque historiam
pertinentia. Regensburg 1869.
Photius, Patriarch von Constantinopel. Sein Leben, seine Schriflen und das
griechische Schisma. 3 Bde. Regensburg 1867-1869.
HERMANN, Johann Gottfried: Historia concertationum de pane azymo et fermentato in
coena Domini variis commentationibus explanata. Leipzig 1737.
HlNNEBUSCH, J. F.: The Historia Occidentalis of Jacques de Vitry. Α Critical Edition.
Fribourg 1972 (SpicFri 17).
HOECK, Johannes M. / LoENERTZ, Raimund J.: Nikolaos-Nektarios von Otranto, Abt
von Casole. Beiträge zur Geschichte der ost-westlichen Beziehungen unter
Innozenz IU. undFriedrich II. Ettal 1965 (SPB 11).
HOESCH, Henning: Die kanonischen Quellen im Werk Humberts von Moyenmoutier.
Ein Beitrag zur Geschichte der vorgregorianischen Reform. Köln / Wien 1970
(FKRG 10).
HOFFMANN, Fritz / SCHEFFCZYK, Leo / FEIEREIS, Konrad (Hg.): Sapienter ordinäre. FS
E. Kleineidam. Leipzig 1969 (EThSt 24).
HOFMANN, Georg: De praeparatione deflnitionis Concilii Florentini de SS. Eucharistia,
in: AAV 14 (1938) 45-54.
HOLTZMANN, Walther: Die Unionsverhandlungen zwischen Kaiser Alexios I. und Papst
Urban II. im Jahre 1089, in: ByZ 28 (1928) 38-67.
HONNEFELDER, Ludger / WOOD, Reha / DREYER, Mechthild (Hg.): John Duns Scotus.
Metaphysics andEthics. Leiden /New York / Köln 1996 (STGMA 53).
HORST, Ulrich: Die Trinitäts- und Gotteslehre des Robert von Melun. Mainz 1964
(WSAMA.T 1).
HÖSCH, Edgar: Küsten-Dalmatien und Byzanz, in: Münchner Zeitschrift für
Balkankunde 1 (1978) 111-125.
Ηοτζ, Robert: Sakramente - im Wechselspiel zwischen Ost und West. Köln / Gütersloh
1979 (ÖTh 2).
HUSSEY, Joan Mervyn: The Orthodox Church in the Byzantine Empire. Oxford 1986.
Quellen- und Literaturverzeichnis 405

JACOB, Andre: La traduction de la Liturgie de saint Jean Chrysostome par Leon


Toscan. Edition criüque, in: OCP 32 (1966) 111-162.
JAFFE, Philipp (Hg.): Monumenta Bambergensia. Berlin 1869 (Bibliotheca rerum
Germanicarum, 5) (ND Aalen 1964).
JAHN, Wolfgang: Untersuchungen zur normannischen Herrschaft in Süditalien (1040-
1100). Frankfurt a. M. / Bern / New York / Paris 1989 (EHS.G 401).
JANIN, Raymond: Constantinople byzantine. Developpement urbain et repertoire
topographique. 2Paris 1964 (AOC 4a).
Le Siege de Constantinople et le Patriarchat oecumenique. Les eglises et les
monasteres. Paris 1953 (La geographie ecclesiastique de l'Empire Byzantin, 3).
JÄSCHKE, Kurt-Ulrich/WENSKUS, Reinhard (Hg.): Festschrift für Helmut Beumann zum
65, Geburtstag. Sigmaringen 1977.
JEDIN, Hubert (Hg.): Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. 3: Die mittelalterliche
Kirche. 2 Hlbbde. Freiburg / Basel / Wien 1966.
JEDIN, Hubert / LATOURETTE, Kenneth Scott / MARTIN, Jochen (Hg.): Atlas zur
Kirchengeschichte. Die christlichen Kirchen in Geschichte und Gegenwart.
Aktualisierte Neuausg. Freiburg / Basel / Rom / Wien 1987.
JENNINGS, Theodore W., Jr: Ritual Studies and Liturgical Theology: An Imitation to
Dialogue, in: Journal of Ritual Studies 1 (1987) 35-56.
JEREMIAS, Joachim: Die Abendmahlsworte Jesu. 3., völlig neu bearb. Aufl. Göttingen
1960 ['1935].
JORISSEN, H.: Meßerklärung und Kommuniontraktat - Werke Alberts des Großen, in:
ZKTh 78 (1956) 41-97.
JUGIE, Martin: Le Schisme byzantin. Aperqu historique et doctrinal. Paris 1941.
Theologia dogmatica christianorum orientalium ab Ecclesia Catholica
dissidentium. 5 Bde. Paris 1926-1935.
Le traue sur les azymes attribue α Symeon II de Jerusalem, in: EOr 26 (1927)
421^25.
JUNGMANN, Josef Andreas: Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der
Römischen Messe. 2 Bde. 5Wien usw. 1962.

KALLIS, Anastasios (Hg.): Liturgie. Die Göttliche Liturgie der Orthodoxen Kirche.
Deutsch - Griechisch - Kirchenslawisch. Mainz 1989.
KANDLER, Karl-Hermann: Die Abendmahlslehre des Kardinals Humbert und ihre
Bedeutung für das gegenwärtige Abendmahlsgespräch. Berlin / Hamburg 1971
(AGTL 24).
KAPLAN, Michel: Le „schisme" de 1054. Quelques elements de Chronologie, in: BySl
56 (1995) 147-157.
KARMIRIS, John N.: The Schism ofthe Roman Church, in: Theol(A) 21 (1950) 37-67.
KAWERAU, Peter: Ostkirchengeschichte. Bd. 3: Das Christentum in Europa und Asien
im Zeitalter der Kreuzzüge. Leuwen 1982 (CSCO 442 / Subsidia, Tomus 65).
406 Quellen- und Literaturverzeichnis

KLEWITZ, Hans-Walter: Zur Geschichte der Bistumsorganisation Campaniens und


Äpuliens im 10. und 11. Jahrhundert, in: QFIAB 24 (1932/33) 1-61.
Studien über die Wiederherstellung der römischen Kirche in Süditalien durch das
Reformpapsttum, in: QFIAB 25 (1933/34) 105-157.
KLÖCKENER, Martin: Augustins Kriterien zu Einheit und Vielfalt in der Liturgie nach
seinen Briefen 54 und 55, in: LJ 41 (1991) 24-39.
KOLBABA, Tia M.: Heresy and Culture. Lists ofthe Errors ofthe Latins in Byzantium.
Α PhD Thesis. Toronto 1992.
KOLLMANN, Bernd: Ursprung und Gestalten der frühchristlichen Mahlfeier. Göttingen
1990 (GTA 43).
KOROLEVSKIJ, Cirillo [CHARON, Francois]: Uniatisme. Definition - Causes - Effets -
Etendue - Dangers Remedes. Gembloux 1927 (Irenikon-Collection, 5-6).
KRAUSE, Hans-Georg: Das Constitutum Constantini im Schisma von 1054, in:
MORDEK, Aus Kirche und Reich 131-158.
Das Papstwahldekret von 1059 und seine Rolle im Investiturstreit. Rom 1960
(SGSG 7).

LAMMA, Paolo: Comneni e Stetufer. Ricerche sui rapporti fraBisanzio e l'Occidente nel
secolo XII. Bd. 1. Rom 1955 (Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Studi
Storici, 14-18).
LANDGRAF, Artur Michael: Dogmengeschichte der Frühscholastik. 3. Teil: Die Lehre
von den Sakramenten. 2 Bde. Regensburg 1954-1955.
Einführung in die Geschichte der theologischen Literatur der Frühscholastik unter
dem Gesichtspunkte der Schulenbildung. Regensburg 1948.
LAUERER, Hans: Die theologischen Anschauungen des Bischofs Anselm von Havelberg
(fll58) auf Grund der kritischgesichteten Schriften dargestellt. Inaug.-Diss.
Erlangen 1911.
LAURENT, Vitalien: L 'Eglise de l Italie meridionale entre Rome et Byzance ä la veille
de la conquete normande, in: La Chiesa greca in Italia dall 'VIII al XVI secolo.
Atti del Convegno storico interecclesiale (Bari, 30 Apr.-4 Magg. 1969). Bd. 1.
Padova 1973 (IS 20) S. 5-24.
Le rituel de laproscomidie et le metropolite de Crete Ehe, in: REByz 16 (1958)
116-142.
LAURENT, Vitalien / DARROUZES, Jean: Dossier grec de l'Union de Lyon (1273-1277).
Paris 1976 (AOC 16).
LEBEDEV, Aleksej P.: Istorija razdelenija cerkvej ν IX, X i XI vekach [Die Geschichte
2
der Spaltung der Kirchen im 9., 10. und 11. Jh.]. Sankt-Petersburg 1905.
LEES, Jay Terry: Anselm of Havelberg. Deeds into Words in the Twelfih Century.
Leiden / New York / Köln 1998 (SHCT 79).
Anselm of Havelberg: 'Ecclesia' and Historia' in the Twelfih Century. Diss.
Tulane Univ. 1983.
Quellen- und Literaturverzeichnis 407

Confronting the Othemess ofthe Greeks: Anselm of Havelberg and the Division
between Greeks andLatins, in: APraem 68 (1992) 224-240.
LEIB, Bernard: Deux inedits byzantins sur les azymes au debut du Xlf siede.
Contribution ά l'histoire des discussions theologiques entre grecs et latins. Rom
1924(OrChrII-3,Nr. 9).
LEINSLE, Ulrich G.: Einführung in die scholastische Theologie. Paderborn / München /
Wien /Zürich 1995 (UTB 1865).
LEON-DUFOUR, Xavier: Abendmahl und Abschiedsrede im Neuen Testament. [Übers.
aus dem Franz.] Stuttgart 1983 [Originalausg.: 1982].
LE QuiEN, Michel: De azymis, in qua etiam de postremo Domini nostri Jesu Christi
Paschate (Sexta Dissertatio Damascenica) f' 1712], in: PG 94, 367-416.
Oriens christianus. 3 Bde. Paris 1740.
LESSIG, Hans: Die Abendmahlsprobleme im Lichte der neutestamentlichen Forschung
seit 1900. Inaug.-Diss. Bonn 1953.
LlETZMANN, Hans: Messe und Herrenmahl. Eine Studie zur Geschichte der Liturgie.
Bonn 1926 (AKG 8).
LILIE, Ralph-Johannes: Handel und Politik zwischen dem byzantinischen Reich und den
italienischen Kommunen Venedig, Pisa und Genua in der Epoche der Komnenen
und der Angeloi (1081-1204). Amsterdam 1984.
Die lateinische Kirche in der Romania vor dem Vierten Kreuzzug. Versuch einer
Bestandaufnahme, in: ByZ 82 (1989) 202-220.
LITAVRIN, G. G. (Hg.): Vizantija mezdu Zapadom i Vostokom. Opyt istoriceskoj
charakteristiki [Byzanz zwischen West und Ost. Versuch einer historischen
Charakteristik]. St. Petersburg 1999.
LOENERTZ, Raymond-Joseph: L'epitre de Theorien le Philosophe auxpretres d'Oria,
in: DERS.: Byzantina et franco-graeca. Articles parus de 1935 ά 1966 reedites
avec la collaboration de Peter SCHREINER. Bd. 1. Rom 1970, S. 45-70.
LOHSE, Bernhard: Das Passafest der Quartadecimaner. Gütersloh 1953 (BFChTh.M
54).
LOTTIN, Odo: Psychologie et morale aux Xlle et Xllle siecles. 6 Bde. Louvain /
Gembloux 1942-1960.
LOURDAUX, W. / VERHELST, D. (Hg.): The Concept ofHeresy in the Middle Ages (llth
13' C). Proceedings ofthe International Conference, Louvain May 13-16, 1973.
Leuven 1983 (ML.St 4).
LUBAC, Henri de: Α propos de laformule: Diversi, sednon adversi, in: RSR 40 (1952)
27-40.

MABILLON, Jean: Dissertatio de pane eucharistico, azymo ac fermentato, ad


eminentissimum cardinalem Bona [Ί673], in: PL 143, 1225-1278.
408 Quellen- und Literaturverzeichnis

MACEDO, Francisco A. S. Augustino: Disquisitio theologica de ritu azymi et fermentati.


[Verona 1673], in: Bibliotheca selecta de ritu azymi ac fermentati. Venedig 1729
[Konvolut, getrennte Paginierung].
MACY, Gary: The Theologies ofthe Eucharist in the Early Scholastic Period. Α Study of
the Salvific Function ofthe Sacrament according to the Theologians c. 1080 - c.
1220. Oxford 1984.
MAGOULIAS, Harry J.: Α Study in Roman Catholic and Greek Orthodox Church
Relations on the Island of Cyprus between the Years A.D. 1196 and 1360, in:
GOTR 10 (1964) 75-106.
MANDALÄ, Marco: La Protesi della Liturgia nel rito bizantino-greco. Grottaferrata
1935.
MARX, Hans-Jürgen: Filioque und Verbot eines anderen Glaubens auf dem
Florentinum. Zum Pluralismus in dogmatischen Formeln. St. Augustin 1977.
MAS LATRIE, L. de: Histoire de l'tle de Chypre sous le regne des princes de la maison
de Lusignan. 3 Bde. Paris 1852-1855.
MATTEUCCI, Gualberto: La missione francescana di Costantinopoli. Bd. 1: La sua
antica origine eprimi secoli di storia (1217-1585). Florenz 1971.
MAYER, Hans-Eberhard: Geschichte der Kreuzzüge. Stuttgart / Berlin / Köln 1989 (ÜB
86).
MAYER, Hans-Eberhard / MÜLLER-LUCKNER, Elisabeth (Hg.): Die Kreuzfahrerstaaten
als multikulturelle Gesellschaft. Einwanderer und Migranten im 12. und 13.
Jahrhundert. München 1997 (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloqien, 37).
McGoWAN, Andrew: Ascetic Eucharists. Food and Drink in Early Christian Ritual
Meals. Oxford 1999.
MENAGER, L. R.: La »byzantinisation« religieuse de l'Italie meridionale (DC-Xlf
siicles) et lapolitique monastique des Normands d'Italie, in: RHE 53 (1958) 747-
774; 54 (1959) 5-40.
MEYER, Hans Bernhard: Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Mit einem Beitr.
v. I. Pahl. Regensburg 1989 (GDK 4).
MEYVAERT, Paul: Diversity within Unity, α Gregorian Theme, in: The Heythrop Journal
4(1963)141-162.
MICHEL, Anton: Die »Accusatio« des Kanzlers Friedrich von Lothringen (Papst
StephansIX.) gegen die Griechen, in: RQ 38 (1930) 153-208.
Amalft und Jerusalem im griechischen Kirchenstreit (1054-1090). Kardinal
Humbert, Laycus von Amalfi, Niketas Stethatos, Symeon II. von Jerusalem und
Bruno von Segni über die Azymen. Rom 1939 (OCA 121).
Die Anticipation des Paschamahles im Schisma des XI. Jahrhunderts, in: OCP 2
(1936) 155-163.
Die folgenschweren Ideen des Kardinals Humbert und ihr Einfluß auf Gregor VII.,
in: SGSGI 65-92.
Quellen- und Literaturverzeichnis 409

Humbert und Kerullarios. 2. Bde. [1. Bd. mit dem Untertitel: Studien. Erster
Teil. 2. Bd. mit dem Untertitel: Quellen und Studien zum Schisma des XI.
Jahrhunderts.] Paderborn 1924-1930 (QFG 21. 23).
Humbert von Silva Candida (flO61) bei Gratian, eine Zusammenfassung, in:
StGra 1(1953) 85-117.
Die Rechtsgültigkeit des römischen Bannes gegen Michael Kerullarios, in: ByZ 42
(1943) 193-205.
Die römischen Angriffe auf Michael Kerullarios wegen Antiocheia, in: ByZ 44
(1951)419^27.
Schisma und Kaiserhof im Jahre 1054. Michael Psellos, in: 1054-1954. L'Eglise
et les Eglises. Neuf siecles de douloureuse Separation entre l'Orient et l'Occident.
Bd. 1. Chevetogne 1954, S. 351-440.
Verstreute Kerullarios- und Humbert-Texte, in: RQ 39 (1931) 355-376.
Die vier Schriften des Niketas Stethatos über die Azymen, in: ByZ 35 (1935) 308-
336.
MlNIO-PALUELLO, L.: Jacobus Veneticus Grecus. Canonist and Translator ofAristotle,
in: Traditio 8 (1952) 265-304.
MORDEK, Hubert (Hg.): Aus Kirche und Reich. Studien zu Theologie, Politik und Recht
im Mittelalter. FS Friedrich Kempf. Sigmaringen 1983.
MORRISON, Karl F.: Anselm of Havelberg: Play and the Dilemma of Historical
Progress, in: NOBLE / CONTRENI (Hg.): Religion, Culture and Society 219-256.
MÜLLER, Wolfgang P.: Huguccio. The Life, Works, and Thought of α Twelfth-Century
Jurist. Washington D.C. 1994 (Studies in Medieval and Early Modern Canon
Law, 3).

NEDERMAN, Cary J. / LAURSEN, John Christian (Hg.): Difference andDissent. Theories


ofToleration in Medieval and Early Modern Europe. Lanham usw. 1996.
NEDUNGATT, George / FEATHERSTONE, Michael (Hg.): The Council in Trullo Revisited
Rom 1995 (Kanonika, 6).
NICOL, D. M.: Byzantium and the Papacy in the Eleventh Century, in: JEH 13 (1962) 1-
20.
NlKOLAEV, Κ. Ν.: Vostocnyj obrjad[Oer östliche Ritus]. Paris 1950.
NlNEHAM, Ruth: The So-CalledAnonymous ofYork, in: JEH 14 (1963) 31^15.
NOBLE, Thomas F. X. / CONTRENI, John J. (Hg.): Religion, Culture and Society in the
Early Middle Ages. Studies in Honor of Richard E. Sullivan. Kalamazoo, Mich.
1987.
NOONAN, John T.: Who Was Rolandus?, in: PENNINGTON, Kenneth / SOMERVILLE,
Robert (Hg.): Law, Church, and Society. Essays in Honor of Stephan Kuttner.
Philadelphia 1977, S. 21-48.
410 Quellen-und Literaturverzeichnis

NORDEN, Walter: Das Papsttum und Byzanz. Die Trennung der beiden Mächte und das
Problem ihrer Wiedervereinigung bis zum Untergange des byzantinischen Reiches
(1453). Berlin 1903.
NYSSEN, Wilhelm / SCHULZ, Hans-Joachim / WlERTZ, Paul (Hg.): Handbuch der
Ostkirchenkunde. 3 Bde. Neu erarb. Ausg. Düsseldorf 1984-1997.

OBERDORFER, Bernd: Filioque. Geschichte und Theologie eines ökumenischen


Problems. Göttingen 2001 (FSÖTh96).
OHME, Heinz: Die sogenannten »antirömischen Kanones« des Concilium Quinisextum
(692) - Vereinheitlichung als Gefahr für die Einheit der Kirche, in: NEDUNGATT /
FEATHERSTONE: The Council in Trullo Revisited 307-321.
OlKONOMOS, S. Κ.: Τοΰ όσιου πατρός ημών 'Ιωάννου, μητροπολίτου 'Ρωσσίας,
επιστολή προς Κλήμεντα, πάπαν Τώμης. Athen 1868.
ONASCH, Konrad: Lexikon Liturgie und Kunst der Ostkirche unter Berücksichtigung
der Alten Kirche. Berlin / München 1993.
ORMANIAN, Malachia: The Church ofArmenia. Her History, Doctrine, Rule, Discipline,
Liturgy, Literature, and Existing Condition. London 1955.
OSTROGORSKY, Georg: Geschichte des Byzantinischen Staates. 3Münchcn 1963
(Byzantinisches Handbuch im Rahmen des Handbuchs der Altertumswissenschaft,
T. l,Bd. 2).
OTT, Ludwig: Untersuchungen zur theologischen Briefliteratur der Frühscholastik
unter besonderer Berücksichtigung des Viktorinenkreises. Münster i. W. 1937
(BGPhMA 34).

PALMIERI, Aurelio: Theologia dogmatica orthodoxa (Ecclesiae Graeco-Russicae) ad


lumen catholicae doctrinae examinata et discussa. Bd. 1: Prolegomena. Florenz
1911.
PAPADAKIS, Aristeides: Crisis in Byzantium. The Filioque Controversy in the
Patriarchate of Gregory IL ofCyprus (1283-1289). CrestwoodNY 1997.
Revision in History: The Schism ofl054, in: AEcR 157 (1967) 29-35.
PAPADAKIS, Aristeides / MEYENDORFF, John: The Christian East and the Rise of the
Papacy. The Church 1071-1453 A. D. Crestwood NY, 1994 (The Church in
History, 4).
PAPADAKIS, Aristeides / TALBOT, Alice Mary: John X Camaterus Confronts Innocent
III: An UnpublishedCorrespondence, in: BySl 33 (1972) 26-41.
PATSCHOVSKY, Alexander: Toleranz im Mittelater. Idee und Wirklichkeit, in:
PATSCHOVSKY / ZIMMERMANN (Hg.): Toleranz im Mittelalter 391-402.
PATSCHOVSKY, Alexander / ZIMMERMANN, Harald (Hg.): Toleranz im Mittelalter.
Sigmaringen 1998 (VKAMAG 45).
Quellen- und Literaturverzeichnis 411

PAVLOV, Aleksej Stepanovic: Kriticeskie opyty po istorii drevnejSej greko-russkoj


polemiki protiv latinjan [Kritische Versuche zur Geschichte der ältesten
griechisch-russischen Polemik gegen die Lateiner]. St.-Petersburg 1878.
PELLENS, Karl (Hg.): Die Texte des normannischen Anonymus. Wiesbaden 1966
(VIEG42).
PETRUCCI, Enzo: Ecclesiologia epolitica di Leone IX. Rom 1977.
Rapporti di Leone IX con Costantinopoli, in: StMed, Serie 3, anno 14, fasc. 2
(1973) 733-831 [als Einzelausg. mit Quellenanhang: Roma 1975].
PlCHLER, Aloys: Geschichte der kirchlichen Trennung zwischen dem Orient und
Occident von den ersten Anfängen bis zur jüngsten Gegenwart. Bd. 1. München
1864.
PlNELL, Jordi: Unite et diversite dans la Liturgie Hispanique, in: Liturgie de l'eglise
particuliere et liturgie de l'eglise universelle. Conferences Saint-Serge XXIF
semaine d'etudes liturgique, Paris, 30 juin - 3 juillet 1975. Rom 1976 (BEL.S 7),
S. 245-260.
PlTRA, Joannes Baptista (Hg.): Analecta sacra et classica Spicilegio solesmensi parata.
Juris ecclesiastici Graecorum selecta paralipomena. Bd. VI. Paris / Rom 1891.
PLANK, Peter: Symeon II. von Jerusalem und der erste Kreuzzug. Eine qullenkritische
Untersuchung, in: OS 43 (1994) 275-327.
PODSKALSKY, Gerhard: Christentum und theologische Literatur in der Kiever Rus'
(988-1237). München 1982.
Christianstvo i bogoslovskaja literatura ν Kievskoj Rusi (988-1237 gg.). [Rev. u.
erw. russ. Ausgabe von Christentum und theologische Literatur in der Kiever
Rus']. St. Petersburg 1996 (Subsidiabyzantinorossica, 1).
Griechische Theologie in der Zeit der Türkenherrschafi (1453-1821). Die
Orthodoxie im Spannungsfeld der nachreformatorischen Konfessionen des
Westens. München 1988.
Theologie und Philosophie in Byzanz. Der Streit um die theologische Methodik in
der spätbyzantinischen Geistesgeschichte (14./15. Jh.), seine systematischen
Grundlagen und seine historische Entwicklung. München 1977.
Theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und Serbien 865-1459.
München 2000.
Two Archbishops of Achrida (Ochrid) and their Significance for Macedonia's
Secular and Church History: Theophylaktos and Demetrios Chomatenos, in:
BURKE / SCOTT (Hg.), ByzantineMacedonia 139-148.
PONYRKO, Natalija Vladimirovna: Epistoljarnoe nasledie Drevnej Rusi XI-XIII.
Issledovanija, teksty, perevody [Epistolarerbe der Alten Rus' im 11.-13. Jh.
Untersuchungen, Texte, Übersetzungen]. St.-Petersburg 1992.
POPOV, Andrej: Istoriko-literaturnyj obzor drevne-russkich polemiceskich socinenij
protiv latinjan (XI-XV v.) [Historisch-literarische Übersicht über die altrussischen
polemischen Abhandlungen gegen die Lateiner (11.-15. Jh.)]. Moskau 1875.
412 Quellen- und Literaturverzeichnis

POPPE,Andrzej: Le trotte des azymes Λέοντος μητροπολίτου της έν Τωσίςι


Πρεσθλάβας: Quand, ού etpar qui a-t-ilete ecrit?, in: Byzantion 35 (1965) 504-
527.
POSNOV, Michail Emmanuilovic: Istorija Christianskoj Cerkvi (do razdelenija Cerkvej
- 1054 g.) [Geschichte der Christlichen Kirche (bis zur Spaltung der Kirchen
1054)]. Brüssel 1964.

QUELLER, D. E.: The Fourth Crusade. The Conquest of Constantinople 1201-1204.


Philadelphia 1977.

REUSCH, F. H.: Die Fälschungen in dem Traktat des Thomas von Aquin gegen die
Griechen. München 1889 (ABAW, Cl. III, Bd. 18, Abt. 3), S. 675-742.
REYNOLDS, Roger E.: The Unidentifled Sources of the Norman Anonymous:
C.C.C.C.MS. 415, in: Transactions of the Cambridge Bibliographical Society, 5
(1969)122-131.
RICHARD, Jean: The Crusades, c. 1071-c. 1291. Cambridge 1999 [fr. Originalausg.:
1996].
The Establishment of the Latin Church in the Empire of Constantinople (1204-
1227), in: ARBEL / HAMILTON / JACOBY (Hg.), Latins and Greeks 45-62.
Lapapaute et les missions d'Orient auMoyen Ages (XHF-XV s.). 1977.
RICHTER, Vladimir: Studien zum literarischen Werk von Johannes Duns Scotus.
München 1988.
RlJK, Lambert Marie de: Laphilosophie auMoyen Äge. Leiden 1985.
RlLEY-SMITH, Jonathan: The Crusades. Α Short History. New Haven / London 1987.
(Hg.): Illustrierte Geschichte der Kreuzzüge. Frankfurt / New York 1999 [engl.
Orignalausg.: 1995].
RlSSO, Pietro: Matteo Angelo Panareto e cinque suoi opuscoli, in: ReO 8 (1914) 9 1 -
105, 162-179, 231-237, 274-290; 9 (1915), 112-120, 202-206; 10 (1915) 63-77,
146-164, 238-251; 11/12 (1916) 28-35, 76-80, 154-160.
ROBERG, Burkhard: Das »Orientalische Problem« auf dem Lugdunense II., in: AHC 9
(1977) 43-66.
Die Union zwischen der griechischen und der lateinischen Kirche auf dem II.
Konzil von Lyon (1274). Bonn 1964 (BHF 24).
Das Zweite Konzil von Lyon [1274]. Paderborn / München / Wien / Zürich 1990
(KonGe.D).
RODOTÄ, P.P.: Dell'origine, progresso, e statopresente del rito greco in Italia. 3 Bde.
Rom 1758-1763.
RONCAGLIA, Martiniano: Les Freres Mineurs et l'Eglise grecque orthodoxe au XIII
siede (1231-1274). Kairo 1954 (BBBTS, Ser. 4: Studi, 2).
RÖSCHER, H.: Papst Innozenz III. und die Kreuzzüge. Göttingen 1969.
Quellen- und Literaturverzeichnis 413

RUNCIMANN, Steven: The Eastern Schism. Α Study of the Papacy and the Eastern
Churches during theXIth andXIIth Centuries. Oxford 1955.
Geschichte der Kreuzzüge. [Übers, aus dem Engl.]. 3 Bde. München 1957-1960.
RÜSSEL, Theodore Norman: Anselm of Havelberg and the Union ofthe Churches, in:
Kleronomia 10 (1978) 85-120.
RYAN, J. Joseph: The Legatine Excommunication of Patriarch Michael Cerularius
(1054) and α New Document front the First Crisade Epoch, in: StGra 14 (1967)
15-49.

SATHAS, K. N. (Hg.): Μεσαιωνική βιβλιοθήκη. Bibliotheca graeca Medii Aevi. 1


Bde. Vendedig / Paris 1872-1894.
SAYERS, Jane: Innocent III. Leader ofEurope 1198-1216. London / New York 1994.
SCHMIDT, Josef: Des Basilius aus Achrida, Erzbischof von Thessalonich, bisher
unedierte Dialoge. Ein Beitrag zur Geschichte des griechischen Schismas.
München 1901 (VKHSM 7).
SCHMITT, Franciscus Salesius: Eine dreifache Gestalt der Epistola de sacrificii azimi et
fermentati des hl. Anselm von Canterbury, in: RBen 47/51 (1935) 216-225.
SCHÖNBERGER, Rolf: Was ist Scholastik? Hildesheim 1991 (Philosophie und Religion,
2).
SCHREIBER, Georg: Anselm von Havelberg und die Ostkirche. Begegnung mit der
byzantinischen Welt. Morgenländisches und abendländisches Zönobium, in: ZKG
60 (1941)354-411.
SCHULTHESS, Peter / IMBACH, Ruedi: Die Philosophie im lateinischen Mittelalter. Ein
Handbuch mit einem bio-bibliographischen Repertorium. Zürich 1996.
SCHULZ, Hans-Joachim: Die byzantinische Liturgie. Glaubenszeugnis und
Symbolgestalt, ^rier 1980 (Sophia. Quellen östlicher Theologie, 5).
SCHÜTZ, Alfred: Collected Papers. Bd. 1: The Problem of Social Reality. Hg. Maurice
NATANSON. The Hague 1962 (Phaenomenologica, 11).
Das Problem der Relevanz, hg. R. M. ZANER. Frankfurt a.M. 1971.
SCHWEINBURG, Kurt: Die Textgeschichte des Gesprächs mit den Franken von Niketas
Stethatos, in: ByZ 34 (1934) 313-347.
Zum Ursprung der Lehre vom Sauerbrote, in: Byzantion 9 (1934) 595-612.
SETTON, Kenneth M.: (Hg.) Α History ofthe Crusades. 6 Bde. Madison (Wisconsin)
2
1969-1989.
The Papacy and the Levant (1204-1571). Bd. 1: The Thirteenth and the
Fourteenth Centuries. Philadelphia 1976.
SIEBEN, Hermann Josef: Die eine Kirche, der Papst und die Konzilien in den Dialogen
des Anselm von Havelberg (fll58), in: ThPh 54 (1979) 219-251.
Ferrara/Florenz (1438/9) und vier weitere konziliare Reunionsversuche, in: ThPh
64(1989)518-556.
414 Quellen- und Literaturverzeichnis

Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters (847-1378). Paderborn / München /


Wien / Zürich 1984 (KonGe.U).
SlLVESTRE, Hubert: »Diversi sednon adversi«, in: RThAM31 (1964) 124-132.
SIMON, Dieter (Hg.): Religiöse Devianz. Untersuchungen zu sozialen, rechtlichen und
theologischen Reaktionen auf religiöse Abweichung im -westlichen und östlichen
Mittelalter. Frankfurt a. M. 1990 (Ius commune. Sonderhefte - Studien zur
europäischen Rechtsgeschichte, 48).
SIMOPOULOS, Theophilos: Μελέτιος ό Γαλησιότης (1230-1307). Ό άγνωστος
θεολόγος, δσιος, όμολογητής, λόγιος, συγγραφεύς. Βιογραφία, ανέκδοτα
αύτοϋ συγγράμματα, άσματική ακολουθία. Συμβολή ε'ις την ιεράν
έπιστήμηντης θεολογίας (Κλάδον Πατρολογίας). Athen 1978.
SlRMOND, Jacques: Disquisitio de azymo, semperne in altaris usu fuerit apud Latinos
['1651], in: DERS., Opera varia, Bd. 4. Venedig 1728, Sp. 347-362.
SMEMAN, Aleksandr: Vvedenie ν liturgiceskoe bogoslovie [Einführung in die liturgische
Theologie]. Paris 1961.
SMITH, Barry D.: Jesus' Last Passover Meal. Lewiston / Queenston / Lampeter 1993.
SMITH III, Mahlon H.: And Taking Bread...: Cerularius and the Azyme Controversy of
1054. Paris 1978 (Theologie historique; 47).
SOLOV'EV, Vladimir Sergeevic: Der große Streit und die christliche Politik, in: DERS.,
Deutsche Gesamtausgabe der Werke, hg. W. SZYLKARSKI U. a. Bd. II/l. Freiburg
i. Breisgau 1957, S. 209-324 [russ. Originalausg.: !1883].
SPÄCIL, Theophilus: Doctrina theologiae Orientis separati de sacramentis in genere.
Rom 1937 (OCA 113).
Doctrina theologiae Orientis separati de sacra inflrmorum unctione. Rom 1931
(OrChrR 74 [Bd. XXIV-2]).
Doctrina theologiae Orientis separati de sacramento Baptismi. Rom 1926
(OrChrR 25 [Bd. VI-4J).
Doctrina theologiae Orientis separati de SS. Eucharistia. 2 Bde. Rom 1928-1929
(OrChrR 48 [Bd. XIII-3], 50 [Bd. XIV-1]).
SPITERIS, Jannis: La critica bizantina del primato romano nel secolo XII. Rom 1979
(OCA 208).
/ dialoghi di Nicolas Mesarites coi Latini: Opera storica ofinzione letteraria?, in:
OCA 204 (1977) 181-186.
S'I'EER, Georg: Hugo Ripelin von Straßburg. Zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte
des "Compendium theologicae veritatis" im deutschen Spätmittelalter. Tübingen
1981 (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen, 2).
STEGMÜLLER, Friedrich: Bonacursius contra Graecos. Ein Beitrag zur Kontrovers-
theologie des XIII. Jahrhunderts, in: Vitae et Veritati. Festgabe für Karl Adam.
Düsseldorf 1956, S. 57-82.
STIERNON, Daniel: Rome et les Eglises orientales, in: ED 15 (1962) 319-385.
Quellen- und Literaturverzeichnis 415

STIRNEMANN, Alfred / WlLFLINGER, Gerhard (Hg.): Vom Heiligen Geist. Der


gemeinsame trinitarische Glaube und das Problem des Filioque. Innsbruck / Wien
1998 (Pro Oriente, 21).
STRITTMATTER, Anselm: Liturgical Latinisms in α Twelfih-Century Greek Euchology
(Ottob. gr. 344), in: Miscellanea Giovanni Mercati. Bd. 3. Vatikanstadt 1946
(Studi e Testi, 123), S. 41-64.
SUTTNER, Ernst Christoph: Die Christenheit aus Ost und West auf der Suche nach dem
sichtbaren Ausdruck für ihre Einheit. Würzburg 1999 (Das östliche Christentum
NF 48).
Die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Zur Anerkennung der Taufe westlicher
Christen durch die orthodoxe Kirche im Laufe der Geschichte, in: AÖAW.PH 127
(1990)1-46.
Das wechselvolle Verhältnis zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens im
Lauf der Kirchengeschichte. Würzburg 1996.

TAFT, Robert: The Diptychs. Rom 1991 (DERS., Α History ofthe Liturgy of St. John
Chrysostom, Bd. 4) (OCA 238).
The Great Entrance. Α History ofthe Transfer of Gifts and Other Pre-anaphoral
Rites ofthe Liturgy ofSt. John Chrysostom. Rom 1975 (OCA 200).
The Precommunion Rites. Rom 2000 (DERS., Α History ofthe Liturgy ofSt. John
Chrysostom, Bd. 5) (OCA 261).
Water into Wine. The Twice-Mixed Chalice in the Byzantine Eucharist, in: Le
Museon 100 (1987) 323-342.
TAYLOR, Charles: Multiculturalism. Examining the Politics of Recognition. Hg. von
Amy GUTMAN. Princeton N.J. 1994.
TELLENBACH, Gerd: Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert.
Göttingen 1988 (KIG, Bd. 2, Lfg. F 1).
TER-MlKELIAN, Arsak: Die armenische Kirche in ihren Beziehungen zur byzantinischen
(vom IV. bis zum XIII. Jahrhundert). Leipzig 1892.
THEINER, Augustinus / MIKLOSICH, Franciscus (Hg.): Monumenta spectantia ad
unionem Ecclesiarum Graecae et Romanae. Wien 1872.
THOMANN, G. H.: The Western Rite in Orthodoxy: Union and Reunion Scheines of
Western and Eastern Churches with Eastern Orthodoxy. Α Brief Historical
Outline. Claremont CA 1995.
TILLMANN, Helene: Papst Innozenz III. Bonn 1954 (BHF 3).
TlNNEFELD, Franz: Michaeli. Kerullarios, Patriarch von Konstantinopel (1043-1058).
Kritische Überlegungen zu einer Biographie, in: JOB 39 (1989) 95-127.
Toleranz und Intoleranz im Mittelalter. Tolarance et intolerance au Moyen Age. VIII.
Jahrestagung der Reineke-Gesellschaft, Toledo 14.05.-20.05.1997. Greifswald
1997 (Greifswalder Beiträge zum Mittelalter, hg. D. BuscHlNGER / W. SPIEWOK,
74).
416 Quellen- und Literaturverzeichnis

TORRELL, Jean-Pierre: Magister Thomas. Leben und Werk des Thomas von Aquin.
[Übers, aus dem Franz.]. Freiburg / Basel / Wien 1995.
TORRELL, Jean-Pierre / BOUTHILLIER, Denise: Pierre le Venerable et sa Vision du
monde. Sa vie - son oeuvre. L'homme et le demon. Leuven 1986 (SSL 42).
TRAPP, Erich: Die Quellen von Zigabenos' Panoplia, tit. 23 (Gegen die Armenier), in:
JOB 29 (1980) 159-164.

VACALOPOULOS, Apostolos E.: The Origins ofthe Greek Nation. The Byzantine Period,
1204-1461. New Brunswick NJ 1970.
VAN DEN EYNDE, Damien: Les deflnitions des sacrements pendant la premiere periode
de la theologie scolastique (1050-1235), in: Anton. 24 (1949) 183-228; 25 (1950)
3-78.
L Oeuvre litteraire de Geroch de Reichersberg. Rom 1957 (SPAA 11).
The Theory ofthe Composition ofthe Sacrements in Early Scholasticism (1125-
1240), in: FrS 11 (1951) 1-20, 117-144; 12 (1952) 1-26.
VlSCHER, Lukas (Hg.): Geist Gottes - Geist Christi. Ökumenische Überlegungen zur
Filioque-Kontroverse. Bericht und Vorträge zweier Tagungen auf Schloß
Klingenthal (Frankreich). Frankfurt a. M. 1981 (Beiheft zur Ökumenischen
Rundschau, 39).
VOGELS, Heinz-Jürgen: Zur Echtheit der eucharistischen Schriften Alberts des Großen,
in: ThPh 53 (1978) 102-119.
VRIES, Wilhelm de: Innozenz III. und der chrisliche Osten, in: ΑΗΡ 3 (1965) 87-126.
Rom und Patriarchate des Ostens. Unter Mitarb, von Octavian BÄRLEA / Josef
GlLL / Michael LACKO. Freiburg/München 1963.
[VURGAFT, S. G. / USAKOV, I. A.]: Staroobrjadcestvo. Lica, predmety, sobytija i
simvoly. Opyt enciklopediceskogo slovarja [Das Altgläubigentum. Personen,
Sachen, Ereignisse und Symbole. Versuch eines enzyklopädischen Lexikons].
Moskau 1996.

WALSH, Katherine: Zwischen Mission und Dialog. Zu den Bemühungen um Aussöhnung


mit den Ostkirchen im Vorfeld des Konzils von Ferrara-Florenz, in:
PATSCHOVSKY / ZIMMERMANN, Toleranz im Mittelalter 297-333.
WALTER, Karl (Hg.): Ioannis Philoponi Libellus de paschate, in: Commentationes
philologae Jenenses, 6/2, Heft 4, S. 195-229..
WARE, Timothy: Eustratios Argenti. Α Study ofthe Greek Church under the Turkish
Rule. Oxford 1964.
WEGMAN, Herman A. J.: Liturgie in der Geschichte des Christentums. Regensburg
1994.
WEHRLE, Rene: De la coutume dans le droit canonique. Essai historique s 'etendant des
origines de l'Eglise aupontificat de PieXI. Paris 1928.
Quellen- und Literaturverzeichnis 417

WEIGAND, Rudolf: Magister Rolandus und Papst Alexander III., in: AKathKR 149
(1980)3-44.
WEINGART, Richard E.: Peter Abailard's Contribution to Medeieval Sacramentology,
in: RThAM 34 (1967) 159-178.
WEISHEIPL, James Α.: Friar Thomas d'Aquino. His Life, Thought, and Works. Wa-
shington D. C. 1983.
WELLHAUSEN, J.: "Αρτονεκλασεν. Mc. 14,22, in: ZNW 7 (1906) 182.
WENDEBOURG, Dorothea: Taufe und Oikonomia. Zur Frage der Wiedertaufe in der Or-
thodoxen Kirche, in: HAUSCHILD, W.-D. / NlCOLAISEN, C. / WENDENBOURG, D.
(Hg.): Kirchengemeinschafi - Anspruch und Wirklichkeit. FS Georg Kretschmar.
Stuttgart 1986, S. 93-116.
WlLKEN, Robert L: John Chrysostom and the Jews. Rhetoric and Reality in the Laie
4th Century. Berkeley / Los Angeles / London 1983 (The Transformation of
Classical Heritage, 4).
WINKLER, Gabriele: Armenia and the Gradual Decline oflts Own Liturgical Practices
through the Expanding Influence ofHoly See from theXI-th toXIV-th Century, in:
Liturgie de l'eglise particuliere et liturgie de l'eglise universelle. Conferences
Saint-Serge XXIT semaine d'etudes liturgique, Paris, 30juin - Sjuillet 1975. Rom
1976 (BEL.S 7), S. 329-368.
WOLFF, Robert Lee: The Latin Empire of Constantinople, 1204-1261, in: SETTON
(Hg.), Α History of the Crusades, II (21969) 187-233 = WOLFF, Studies in the
Latin Empire, Nr. I.
The Latin Empire of Constantinople and the Franciscans, in: Traditio 2 (1944)
213-237 = WOLFF, Studies in the Latin Empire, Nr. VII.
The Organisation ofthe Latin Patriarchate of Constantinople, 1204-1261: Social
and Administrative Consequences ofthe Latin Conquest, in: Traditio 6 (1948) 33-
60 = WOLFF, Studies in the Latin Empire, Nr. VIII.
Studies in the Latin Empire of Constantinople. London: Variorum reprints, 1976.
WOLTER, Allan B.: Reflections about Scotus's Early Works, in: HONNEFELDER / WOOD
/ DREYER (Hg.), John Duns Scotus 37-57.
WOLTER, Hans / HOLSTEIN, Henri: Lyon I / Lyon Π. [Übers, aus dem Franz.]. Mainz
1972 (GÖK 7).
WOOLLEY, Reginald Maxwell: The Bread ofthe Eucharist. London / Milwaukee 1913
(Alcuin Club Tracts, 11).

ZUZEK, Ivan: Kormcaja kniga. Studies on the Chief Code ofRussian Canon Law. Rom
1964 (OCA 168).
Namensverzeichnis

Abaelard, Peter 23, 183,185A, 191, Alexios III. Angelos, byzantinischer


193, 357, 360 Kaiser 251
d'Achery, Luc 172A Alexios IV. Angelos, byzantinischer
Ackermann, Silke 153 Α Kaiser 247
Aeneas von Paris 345 Alexios Strategopoulos 287
Alanus von Lille 194,315A,321 Alger von Lüttich 120, 126A, 129A,
Alberich von Troisfontaines 261Α 135,139,140,315,355
Alberigo, Giuseppe 293A Alkuin 35A, 49A
Albert von Aachen 236, 23 8Α Allatius, Leo 19, 99Α, 264Α, 285Α
Albertus Magnus 110, 123, 132A, 137, Altaner, Berthold 263A
144, 148, 152,153A, 197, 216,217, Ambrosius von Mailand 46A, 189A
313A, 328, 330, 349,351, 355,368 Amelli, Α. 120Α
Albinus von Mailand 332, 333A Amann Ε. 50Α
Alexander L, Papst 189, 327, 376 Anastos, Milton V. 55Α
Alexander II., Papst 225 Andreas, Dominikaner 285A
Alexander III., Papst 120A, 209, 210, Andresen, Carl 68A, 69A, 295A
213,215,295A Angold, Michael 241A-244A, 245,
Alexander IV., Papst 281,282 270A, 284A
Alexander von Haies 22,122, 125,129, Anselm von Canterbury 105A, 119,
131, 144, 147, 148, 155, 156A, 197, 125, 127, 128,132, 139, 140, 145,
209, 210A, 319, 327,330, 332A, 147, 187, 304,310, 314-316, 323,
348A, 349 324, 348, 353,354, 359, 375A, 378
Alexios I. Komnenos, byzantinischer Anselm von Havelberg 11,23 A, 120,
Kaiser 174A, 226, 230, 232,234, 135, 139, 147,154, 172-184, 185A,
243

Die mit dem Buchstaben Α gekennzeichneten Seitenzahlen beziehen sich auf den Text der Anmer-
kungen.
420 Namensverzeichnis

186-188, 189A, 191, 193A, 269A, Baldwin, John W. 121A "


308, 312, 324,325, 327,361-367 Balic,Karl 124A
Anselm von Laon 189 Α Balsamon, Theodoros 164, 242,245,
Anselm von Lucca 189A, 190A 246,259
Antonios 3 64Α Baluze, Etienne 120A, 135 Α, 154Α,
Apollinarios 110 172A, 174A-183A, 185A, 189A,
Arbagi, Martin 20, 68A 193Α, 312A, 327A, 363A-367A
Arcudius, Petrus 19, 21, 162A, 199A Bardanes, Georgios 200-205
Arduini, Maria Lodovica 119A Bardas, Cäsar 343
Arens, Edmund 25A Bärlea, Octavian 20
Argyriou, Asterios 89A Barmin, Aleksej V. 50A, 82A
Argyros 54, 58, 59, 66, 79-82 Barre, Louis Francois Joseph de la
Ans, Marc-Aeilko 121Α 120A, 172 Α
Aristoteles 110, 152, 153A Bartolomeo, italienischer Franziskaner
Arnaldi, Girolamo 119A 200A
Arnold, Johannes 122A Basileios II., byzantinischer Kaiser 54
Arnulf von Chocques 238, 239 Basileios von Achrida 187A, 246,254A
Arranz, Miguel 3 73 Α Basileios von Bulgarien 257
Arsenij (Ivascenko) 100A Basileios der Große 364A
Arsenios Autoreianos, Patriarch von Basileios von Reggio 232
Konstantinopel 248 Battaglia, Emanuela 37A
Athanasios III., Patriarch von Bayer, A.51A
Antiocheia 239A,240A Beda Venerabilis 43,44A, 190A, 191
Athanasios, Patriarch von Alexandreia Beck, Hans-Georg 50A, 52A, 60A, 68,
299 74, 80A, 87, 91A, 92A, 94A-103A,
Athanasios, Patriarch von Jerusalem 112A, 167A, 171A, 173A, 183A,
269A 184,200A,270A
Athanasios von Alexandreia Becker, Alfons 225A-227A, 228,
s. Pseudo-Athanasios 229A-231A,233A,238A
Athenagoras, Patriarch von Beinert, Wolfgang 119A
Konstantinopel 85 Bell, Catherine 17A
Augustinus 183,341,342,347,369 Belliger, Andrea 17A
Benedikt XIV., Papst 282A, 375A
Benedikt von Nursia 43 Α
Baer, Wolfram 1I9A Benedikt von S. Susanna 100, 259,261,
Balduin I., lateinischer Kaiser von 262
Konstantinopel 254A Benesevic, V. Ν. 97Α
Balduin II., lateinischer Kaiser von Berengar von Tours 158
Konstantinopel 287 Berges, Wilhelm 173A, 182
Balduin von Canterbury 121 Berlendi, Francesco 162A
Baldwin, Barry 96A Bernard von Valencia 237-239
Namensverzeichnis 421

Bernhard von Clairvaux 120, 196, 246, Bruno von Segni 102, 119, 134, 314,
361 322, 326
Berschin, Walter 119A, 173A Bryer, Anthony 243
Bessarion von Nikaia 373A Bulanina, T. V. 93A
Berti, Η. 22Α Bulst, Neithard 120A
Beumer, Johannes 173A, 181A, 182A Bünemann, Richard 53A, 57A
Bibikov, Michail 52A Burchard von Worms 189A, 190A
Biedermann, Hermenegild M. 171Α Burgundio von Pisa 175, 185 A, 192
Biel, Gabriel 197 Burke, Peter 17A
Blaise, Albert 35A, 70A, 73Α, 293Α Busa, Robert 124A,
Blemmydes, Nikephoros 270A Buytaert, Ε. Μ. 23Α
Blumenthal, Uta-Renate 52A, 63A,
118A
Böhmer, Karl 53A, 57A Cabrol, Ferdinand 31A, 46A
Bohemund von Tarent 236,237 Casel, Odo 17A
Bona, Giovanni 31 Α, 35Α, 45A, 48 Celcov, Michail 87,91A, 95A-97A,
Bonacursius von Bologna 123, 330, 100A
331A,332 Celsus 36A .
Bonagratia 292A Cesarini, Giuliano 3 73Α
Bonaventura 44,119,123,137,145, Chalandon, Ferdinand 53Α, 172Α
148, 197, 313A, 322,329, 337A, Charanis, Peter 165 Α
338A,350,351,368 Charon, Francois
Bonizo von Sutri 119,327 s. Korolevskij, Cirillo
Borgnet, Α. 123Α, 153A Chatzepsaltes, Κ. 285Α
Bornert, Rene 163A, 167A, 171A Chenu, Marie-Dominique 18A, 123 Α
Bourgain, Pascale 122A Chomatenos, Demetrios 91,98,
Bouthillier, Denise 120A 114-116,299
Brady, Ignatius C. 23A, 192A Chomjakov, Aleksej Stepanovic 51A
Brand, Charles Μ. 58Α, 121A, 239A, Ciampini, Johannes 31A
243A, 244A, 247A Cicurov,Igor 92A, 101A
Braun, Johann Wilhelm 172A, 173 Α Classen, Peter 119A-121A, 175 A,
Brehier, Louis 50A, 65A 185A,318A
Brett, Edward Tracy 123A Clemens III. (Wibert), Gegenpapst 90,
Brincken, Anna-Dorothee von den 94, 226,232,234A
14A, 20, 261A Clemens IV., Papst 288-290,292A,
Brinktrine, Johannes 162 Α 293A
Broer, Ingo 25A Clemens VIIL, Papst 282A
Brown, Edward 123A Cölestin III., Papst 253A
Brundage, James A. 121A,209A Congar, Yves 22, 51A, 182A, 357A,
Brunhölzl, Franz 345A 381A
Constable, Giles 120A, 357A, 360
422 Namensverzeichnis

Cotelier, Jean Baptiste 96A Dositheos, Patriarch von Jerusalem


Courth, Franz 120A 92A, 94A, 270A
Cowdrey, Herbert Edward John 223 A, Dräseke, Johannes 173A, 174A, 181,
225A,310A 182
Cramer, Winfried 341Α Dugauquier, J.-A. 22A, 121A
Cutler, Anthony 92A, 226A Durling, Richard J. 175 Α
Cyprian von Karthago 189, 190, 235A Dvornik, Francis 51A

Daimbert von Pisa 239 Ebels-Hoving, B. 20


Dallegio d'Alessio, E. 174A,243A Eberhard, Winfried 173 Α
Daniil von Halic 282 Eberharter, A. 35Α
Danischmend, Emir von Sebastia 237 Edyvean, Walter 173 Α
Darrouzes, Jean 60A, 73Α, 84Α, 89A, Efthimiou, Miltiades Β. 283Α, 284A
90, 91, 93A, 96, 99A, 100, 101, Elias Π., Metropolit von Kreta 165
102A, 163A, 166, 173A, 175A, 183, Ephraim, Metropolit von Kiev 92
230A, 241A, 245A, 288A, 293A, Epiphanios von Zypern 44, 45, 91
295A, 299A s. auch: Pseudo-Epiphanios
Delling, G. 34A Erdmann, Carl 66A
DelPOmo, Mariano-Antimo 120Α Erickson, John Η. 87Α, 110A, 113A,
Demetrakopulos, Andronikos Κ. 92Α, 158A
98A, 100 Etzkorn, G. Ι. 23Α
Denzler, Georg 50A, 51A, 68A Eudes de Chäteauroux
Der Nersessian, Sirarpie 84A s. Odo de Castro Radulfi
Deroche, Vincent 38A Eugen III., Papst 172, 185A, 187, 192,
Desiderius von Montecassino 193A
s. Viktor III. Euodius 327,330
Desilve, Jules 207A,208A Eusebios von Kaisarea 38A, 39A
Dettloff, Werner 122A Eustorgius, lateinischer Bischof von
Deusdedit 55A, 57A Nikosia 285A
Dioskoros 110 Eustratios Argenti 3 75 Α
Dischner, Margit 52A, 53A, 63Α, 118Α Eustratios von Nikaia 92, 94
Dombrowski, Eugen 172Α Euthymios Peribleptenos 90, 92
Dominicus von Grado 101, 104A, 115, Euthymios Zigabenos 90,92,93,164,
118,225,309 166
Dondaine, Antoine 14A, 94A, 101A, Eutychios, Häretiker 110
121A, 122A, 123Α, 263Α, 270A, Eutychios, Patriarch von Konstantinopel
271A,272A,331A,332A 162,163A
Dondaine, Hyacinthe-Francois 122A, Evans, Gillian R. 173A
123A,315A,332A Every, George 50A
Dorotheos von Mitylene 3 73 Α
Dorotheos von Trapezunt 3 73Α Failler,A. 112A
Namensverzeichnis 423

Falkenhausen, Vera von 53 Α, 55Α, Gauss, Julia 310A


57A, 58, 59A, 66A, 83A Gautier, Paul 95A, 102A, 103, 235A,
Fauser, Winfried 123A 237A
Favreau-Lilie, Marie-Luise 239A, 240A Gay, Jules 53A
Featherstone, Michael 40A,41A, 105A, Geanakoplos, Deno John 287A, 288A
163A, 165A, 229A Geiselmann, Josef Rupert 22A, 44A,
Fedalto, Giorgio 69A, 230A, 237A, 46,48, 121, 158A, 314A, 339A
239A, 248A, 249A, 269A, 274A Georgiades 69
Feiner, Johannes 235A Georgij, Metropolit von Kiev 93
Feldman, Louis Η. 38Α, 41A s. auch: Pseudo-Georgij von Kiev
Feodosij Grek 93, 94, 113, 114, 206A Georgios Akropolites 288A, 290
Feodosij Pecerskij 93 Georgios Maniakes 59
Fina,Kurt 172A, 184 Gerhoch von Reichersberg 118, 120,
Finke,H. 182 121, 151A, 312, 318,319, 323,354,
Fitzthum, Martin 173 Α 355
Flasch, Kurt 18A Germanos I., Patriarch von
Florenskij, Pavel Aleksandrovic 17A Konstantinopel 163, 165
Foreville, Raymonde 25 6Α Germanos II., Patriarch von
Fornasari, G. 53A Konstantinopel 94, 105 A, 112,
Fortescue, Adrian 53A, 84A, 380A 263-269, 272,273, 280, 283, 284,
Franchi, Antonio 270A, 281A, 285A
288A-291A Germanos III., Patriarch von
Franklin, Simon 93 A, 94Α Konstantinopel 288A
Franzen, August 85A Ghellinck, Joseph de 357A
Friedrich II., Kaiser 280,281A Giannelli, Ciro 199A, 202A, 205, 217A
Friedrich Barbarossa 172, 187/188A Gibbon, Edward 16A
Friedrich von Lothringen (Papst Giese, Joseph 31A, 33A, 35Α
Stephan IX.) 50, 53A, 66, 74A, Gietl,A. Μ. 120Α
118A,224,257 Gilbert von Poitiers 192Α
Fries, Albert 123A Gill, Josef 20, 248A, 249, 270A, 281A,
Fuhrmann, Horst 24, 64Α, 310Α 282A, 284A, 285A, 288A, 291A,
Funk, Franz Xaver 41Α 295A, 296A, 300A, 373A
Funke, Gerhard 340A, 341Α Gillmann, Franz 328A
Girgensohn, Dieter 57A
Gahbauer, Ferdinand R. 186A, 245A, Goar, Jacobus 162A
270A Godfrey,John 247A
Gäl, Gedeon 23Α, 122Α Goez, Werner 119A
Galanus, Clemens 164A Golubovich, Hieronymus 112A, 122A,
Gandulphus von Bologna 189A 147A, 263A, 266A, 267A-275A,
Gaufredus Malaterra 226,227,230, 278A,311A
232, 366A Gordillo, Mauricio 22A
424 Namensverzeichnis

Gössmann, Elisabeth 122Α Hahn, Johannes 217A


Grabmann, Martin 18A, 172A, 175 Α Halfter, Peter 165Α, 168Α, 187A
Grasso, Johannes 200,201,204 Haluscynskyj, Theodosius 249,255A
Gratianus 38A, 78A, 120, 127, 189, Hamilton, Beraard 94A, 238A-240A
190A, 229A, 235A, 257, 327A, 342, Hannick, Christian 93Α, 102Α
346, 358 Hanssens, Joannes Michael 29A-31A,
Gregoire, Reginald 119A 33A, 36A, 41A, 45A, 49, 87A, 89A,
Gregor I. (der Große), Papst 332,341, 96A, 162A, 164A, 180, 181A, 186
342,346, 347,357 Häring, Nikolaus M. 23A, 120,360A
s. auch: Pseudo-Gregor Hartmann, Wilfried 119A
Gregor VII., Papst 167,168A, 225, Haugh, Richard 19A
310,332A Haushild, W.-D. 44A
Gregor EX., Papst 122, 199,201A, Haymo von Faversham 266
202A, 203, 204, 206,207,209,212, Heinrich III, deutscher Kaiser 54
216, 263, 265-268, 274, 280, 283, Heisenberg, August 25 ΙΑ, 255Α,
284,286,313,335 259A, 260A, 263A
Gregor X., Papst 121A, 188A, 288, Heiser, Lothar 78A
291-294,300,356 Herakleios, Kaiser 106
Gregor von Nyssa 46A Herde, Peter 53A, 55A, 257A
Gregorios Dialogos Hergenröther, Joseph 50A, 90, 91A,
s. Gregor I. 100A, 101A
Gregory, Timothy Ε. 235Α Hermann, Johann Gottfried 16A, 87A
Grigor II., armenischer Katholikos 167, Hieronymus, Kirchenlehrer 332
225 Hieronymus von Ascoli 121A, 188A,
Grimes, Ronald 17A 288A, 292A
Grondijs, L. Η. 162Α ' Hilarion, Mönch 98
Grossolanus, Petrus 102, 245 Hinkmar von Reims 344
Grumel, Venance 55A, 92A, 93A, 99A, Hinnebusch, J. F. 122A
225A, 245A Hödl, Ludwig 122A,345A
Griinbeck,E. 39A, 46A Hoeck, Johannes Μ. 100Α, 170A,
Grundmann, Herbert 173Α 199A-201A, 203A-205A, 248A,
Guido von Orchelles 22,122,136, 255A, 259A, 260A, 261A
137A, 144,147,197,311,321,349 Hoesch, Henning 52A, 62A, 63Α, 118Α
Guyotjeannin, Olivier 121A Hoffmann, Lars M. 103 Α
Gy, Pierre-Marie 83A Hofmann, Georg 373A, 374A
Hollingsworth, Paul Α. 93Α
Haacke, Hrabanus 119A Holstein, Henri 28 8A, 293A, 295Α
Hackett,J. 283A,284A Holtzmann, Walther 226A, 23 0A, 232,
Hadrian L, Papst 55, 56A 233A
HadrianrV., Papst 254 Honorius III., Papst 266,281
Hagenmeyer, Heinrich 23 8Α Hormisdas, Papst 40A
Namensverzeichnis 425

Horst, Ulrich 120A Isaak I. Komnenos, byzantinischer


Hösch,Edgar217A Kaiser 223,224
Hotz, Robert 22A,381A Isaak II. Angelos, byzantinischer Kaiser
Hrabanus Maurus 35A, 47,48A, 49, 247
190 Α Isidor von Kiev 3 73Α
Hugo, Minorit, Teilnehmer an Isidor von Sevilla 35A, 38A, 121A,
Gesprächen in Nikaia/Nymphaion 190 Α
266 s. auch: Pseudo-Isidorus
Hugo Etherianus 101,121A, 183 Iustinos 43
Hugo Ripelin von Straßburg 123 Ivo von Chartres 189A, 190A, 346
Hugo von St. Viktor 318 Izjaslav, Kiever Fürst 93,113
Huguccio 24, 121, 209, 210, 257A,
321,358, 359A Jaffe, Philipp 238
Humbert von Romans 123, Jahn, Wolfgang 53A
291A-293A, 297, 352 Jakob von Venedig 175, 185A
Humbert von Silva Candida 22A, 50, Jakob von Vitry 118, 122, 326
52, 53, 56, 62,63, 66, 76, 97, 118, Janin, Raymond 69Α, 174Α, 243A
125, 127, 130,132, 133, 137-139, Januarius 341
142, 143, 150-152, 157, 158, 169A, Jaroslav Svjatopolcic 100
259, 309, 314A, 322,323, 337-340, Jedin, Hubert 50A, 57A
342, 357 Jennings, Theodore W. 17A
Humphrey, Caroline 17A Jeremias, Joachim 33,34A
Husserl, Edmund 16, 17A Joachim von Fiore 173 Α
Hussey, Joan Mervyn 50A, 270A Joannes (Ioann) II., Metropolit von Kiev
90,94,95, 110, 234A
Ignatios, Patriarch von Konstantinopel Joannes II. Komnenos, byzantinischer
343 Kaiser 172, 176A, 364A
Ignatios von Antiocheia 37, 38A, 39, Joannes III. Batatzes, byzantinischer
40A, 42, 43A Kaiser 265, 269A, 278, 280, 281A,
Imbach, Ruedi 175A 285
Innozenz III., Papst 86, 121,124A, 125, Joannes IV. (V.) Oxeites, Patriarch von
131, 132, 136, 142-145, 147, 151, Antiocheia 95, 113, 230, 231, 235,
152, 156,188A, 196,247-254, 236,237,239,241A
257-259, 261A, 262,266, 281, 286, Joannes X. Kamateros, Patriarch von
292, 293, 304,312, 320, 326, 328A, Konstantinopel 247,248,250,251,
335, 348, 349,352, 367A, 368,378 292A
Innozenz IV., Papst 281, 282, 286 Joannes XI. Bekkos, Patriarch von
Innozenz V., Papst Konstantinopel 298-300
s. Petrus von Tarentaise Joannes, Kantariotissa-Mönch 285A
Irenäus von Lyon 45A Joannes Chrysostomos 38-41, 103,
Irene. Kaiserin 56A 146, 185A,334A
426 Namensverzeichnis

Joannes Damaskenos 95, 96, 192 Klewitz, Hans-Walter 53A, 57A, 58A
s. auch: Pseudo-Joannes Damaskenos Klöckener, Martin 341Α
Joannes von Jerusalem 92, 94, 241Α Kolbaba, Tia Μ. 89Α
Joannes von Klaudiupolis 95 Kollmann, Bernd 32A, 33A
Joannes Mesarites 260 Konon, Mönch 285A
Joannes Philoponos 47, 95, 96, 99, 108 Konrad Krossigk, Bischof von
Johannes XXI., Papst 298 Halberstadt 260A
Johannes, armenischer Abgesandter 167 Konstantin der Große 174A
Johannes, spanischer Mönch im Konstantinos III. Leichudes, Patriarch
byzantinischen Dienst 77 von Konstantinopel 224
Johannes von Brienne 265 Konstantinos IX. Monomachos, Kaiser
Johannes Duns Scotus 23,124, 188A, 54, 56, 59, 66,70, 76,224A
197, 215, 329,351, 352A, 356,357 Konstantinos, Bischof von Nikomedien
Johannes Parastron 289A, 292A 183
Johannes von Paris (Quidort) 313 Α Konstantinos (Nikephoros), Sakellarios
Johannes von Parma 281Α des Patriarchen von Konstantinopel
Johannes von Trani 58, 60, 61, 62A, 66, 73, 79, 82
68,71-73,77,84,89,97,105 Konstantinos Kabasilas 91,116
Johannes de Turrecremata 370, 374 Konstantinos (Kyrillos) Stilbes 90, 91,
Jorissen, H. 123 Α 96, 106A,206A
Jugie, Martin 19, 21, 22, 33A, 50A, Konstantinou, Evangelos 92A, 94A,
51A, 87A, 94A, 111A, 112A, 162A, 97A, 200A
164A, 199Α, 206Α, 238, 375A Korolevskij, Cirillo (Charon, Francois)
Julianus von Toledo 173A 13A
Julius I , Papst 190, 193, 376 Krause, Hans-Georg 50A, 52A, 63A,
Jungmann, Josef Andreas 31A, 33 A, 64, 65A
35A, 37A, 49A Krieger, David J. 17A

Kabasilas, Nikolaos Chamaetos 171 Lackner, W. 96A


Kallis, Anastasios 30A, 162Α Lacko, Michael 20
Kandier, Karl-Hermann 52A Laidlaw, James 17A
Kaplan, Michel 50A Lamma, Paolo 172A
Karl von Anjou 287,300 Landgraf, Artur Michael 182A,
Karl der Große 56A 207A-209A, 210, 315A, 318A, 321A
Karmins, John N. 51Α Latourette, Kenneth Scott 57A
Kawerau, Peter 57A, 234A Lauerer, Hans 173A, 183A, 184
Kazhdan, Alexander 29A, 52A, 55A, Laurent, Vitalien 53A, 55A, 101, 166A,
73 Α, 92Α, 95Α, 96Α, 98A-100A, 186A,288A,295A,299A
102A, 103A, 120A, 226A, 233A, Laurentius, päpstlicher Legat im Orient
23 5 A, 242Α 281,282
Kianka, Frances 172A Laursen, John Christian 25A
Namensverzeichnis 427

Laycus von Amalfi 102, 119, 134, 303, Lohse, Bernhard 38A, 39A, 43A, 45Α
314,322,325 Lothar III., deutscher Kaiser 172, 364A
Leander von Sevilla 342 Lottin, Odo 189A
Lebedev, Aleksej Ρ. 51Α Lubac, Henri de 357A
Lees, Jay Terry 172A, 173A, 180A, Luckmann, Thomas 17A
181-184, 185A, 363Α, 365Α, 367A
Leib, Bernard 95A-97A, 102, 23 8A, Mabillon, Jean 31, 33A, 35A, 48
241Α Macarius Aegyptius 43A
Leinsle, Ulrich 18A Macedo, Francisco 31A
Leo IX., Papst 14, 52, 54, 56, 58, 59, Macrides, R. J. 60A, 76A, 91A, 175A,
61-63, 65, 66, 69, 70-72, 80, 81, 200A
137A, 225, 254, 293,304, 308,336, Macy, Gary 158A
338,339,346,354,357 Magdalino, Paul 73A
Leo, Papst 328 Magoulias, Harry J. 283A
Leo Tornikios 59 Maleczek, Werner 249A
LeoTuscus 121, 149, 158, 164, 170, Mandalä, Marco 177A
303,311 Mani 110
Leon III., byzantinischer Kaiser 55 Mansi, Johannes Dominicus 49A,
Leon-Dufour, Xavier 33A, 34A 122A, 190A,342
Leon von Achrida 29A, 30A, 60-63, Manuel I. Komnenos, byzantinischer
65, 66, 67A, 68, 70-74, 84, 88, 89, Kaiser 164,243,244
97, 101, 103A, 104A, 105-107, 133, Manuel Angelos 200A
153, 158A, 229, 303,340 Manuel Kalekas 116A
Leon von PerejaslavF 97, 104A, 105, Manuel von Korinth 206
106,110,112 Marinus Filangieri, Erzbischof von Bari
Leon von Preslav 97 199, 201A, 203
Leon Stypes, Patriarch von Markos, Patriarch von Alexandreia 242
Konstantinopel 176A Markos Eugenikos 373
Leontij von Kiev 97 Martene, Edmond 120A, 172A
LeQuien, Michel 31A, 33A, 95, 239A, Martin IV., Papst 300
269Α, 274Α Martin, Jochen 57A
Lietzmann, Hans 33, 37A Martin, R. M. 22A, 120Α
Lilie, Ralph-Johannes 69A, 172A, Marx, Hans-Jürgen 19A
174A, 230A, 231A, 238A, 239A, Mas Latrie, L. de 283Α, 284Α
241A, 243A, 244A, 245A Matteucci, Gualberto 263A
Liudprand von Cremona 83 Maurikios, byzantinischer Kaiser 165
Loenertz, Raimund J. 100A, 103A, Maximos Homologetes 106
170A, 199A, 200A, 201A, Maximos Smeniotes 98
203A-205A, 248A, 255A, Mayer, Hans-Eberhard 234A, 238A,
259A-261A, 263A, 332A-334A 240A, 300A
Löhrer, Magnus 235A McCormick, Michael 119A, 175 Α
428 Namensverzeichnis

McGowan, Andrew 32A, 45A Monzel, Nikolaus 25 6Α


Meles 58 Morrison, Karl F. 173A
Meletios 30A,95,98 Morson, J. 121Α
Meletios Galesiotes 98 Moses von Bergamo 175, 185A
Menager, L. R. 55A Movses II., armenischer Katholikos
Methodios von Konstantinopel 95 163, 165
Mews,C. J. 23A Müller, Wolfgang Ρ. 121Α
Meyendorff, John 97A, 266A, 270A Müller-Luckner, Elisabeth 240A
Meyer, Hans Bernhard 31A Munitiz,J. Α. 270Α
Meyvaert, Paul 342A
Michael I. Kerullarios 14,30A, 50, 52,
59, 62, 63, 65-75, 77-82, 84, 88-90, Nederman, Cary J. 25A
93,98,101,111A, 113,114,206A, Nedungatt, George 40A, 41A, 105A,
223, 224, 234A, 243,244, 254,259, 163A, 165A, 229A
308, 309, 311,336, 338, 339, 346, Neophytos, Erzbischof von Zypern 284,
354 285
Michael III., byzantinischer Kaiser 56A Nerses IV., armenischer Katholikos 166
Michael IV. Autoreianos, Patriarch von Nicol, D. Μ. 50Α
Konstantinopel 248 Niermayer, Jan Frederik 70A
Michael VI., byzantinischer Kaiser Nikephoros II. Phokas, byzantinischer
224A Kaiser 83
Michael VII. Dukas, byzantinischer Niketas Choniates 92, 95, 98, 99
Kaiser 225 Niketas David von Paphlagonien 96, 99
Michael VIII. Palaiologos, Niketas von Nikaia 99,102
byzantinischer Kaiser 287-289,291, Niketas von Nikomedien 173,176,
292A, 293-297,300 179-181, 183,184, 185A, 186,191,
Michael Glykas 98 364-366, 367
Michael Scotus 153 Niketas Seides 99,245
Michel, Anton 19, 22A,29A-31A, Niketas Stethatos 65, 67, 88, 90, 91, 95,
33A-36A, 42A, 44A, 46A, 47, 48, 98,99, 103A, 104A, 108, 109A,
49A, 50A, 51,52, 61A-63A, 110A, 111, 112, 115, 118, 128, 134,
65A-70A, 73A-75A, 76, 77, 78A, 150, 164, 168, 229, 303,309
82A, 88, 90, 91A, 93,95A, 96, 97A, Nikifor von Kiev 93,100,112A, 114,
98,99, 101, 102, 118A, 119, 137A, 161A, 188A
138A, 228A, 229A, 233A, 304A, Nikolaev, Κ. Ν. 380
310A, 314A, 322A, 326A, 342A Nikolaos III. Grammatikos, Patriarch
Michel, O. 31A,67A von Konstantinopel 226, 230-232
Migne, Jacques-Paul 91, 124, 172, Nikolaos, Patriarch von Alexandreia
173A, 183, 192A,251A,311A,332A 269A
Miklosich, Franciscus 299A Nikolaos, Erzbischof von Amastris 274,
Minio-Paluello, L. 175 Α 276
Namensverzeichnis 429

Nikolaos von Andida 100,102,163, Panaretos, Matthaios Angelos 112,170


241 Pantaleo Diaconus 122A
Nikolaos Mesarites 259, 263,270A Papadakis, Aristeides 19A, 85A, 101A,
Nikolaos von Methone 100 102A, 238A, 247A, 248A, 266A,
Nikolaos-Nektarios von Otranto, Abt 270A
von Casole 100, 170,200, 203, ParisotJ. 31A,46A
259-261,269,303 Parisse, Μ. 52Α
Nikolaus L, Papst 55, 56A, 78, 81A, Paschalis II., Papst 239
254,343, 344,346 Paschalis, Kantor 286
Nikolaus II., Papst 55, 57 Patschovsky, Alexander 25A
Nikolaus III., Papst 298 Paul VI., Papst 85
Nikolaus, Abt von Grottaferrata 226 Paulos von Samosata 110
Nikolaus von Durazzo 122,332 Pavlov, Aleksej Stepanovic 93, 94A,
Nineham, Ruth 119A 95A, 97A, 98A, 99A
Noonan, John Τ. 120Α Pelagius Galvani 100, 262, 263
Norbert von Xanten 172 Pellens,Karl 23Α, 119Α
Norden, Walter 50A, 173A, 249, 253A, Peppermüller, Rolf 121A
288A Persius 154A
Normannischer Anonymus 23,118, Peter von Wien 23,120, 325,359
119,321 Petit, L. 94A,98A, 121A
Nyssen, Wilhelm 50A Petros L, armenischer Katholikos 84
Petras von Antiocheia 30A, 77, 78, 80,
Oberdorfer, Bernd 19A 88,89/90,91,95,97,98,101,
Odo de Castro Radulfi (Eudes de 103/104A, 108A, 113-115, 118,
Chäteauroux) 281A, 282 206A, 228A, 229 Α, 234Α, 293
Ohme, Heinz 40Α, 127Α Petrucci, Enzo 50A, 62A, 63A, 69, 84A
Oikonomos, S. K. 94 Petrus, lateinischer Bischof von
Onasch, Konrad 30A, 47A, 162A Bethlehem 260A
Ordericus Vitalis 236, 237,241 Petrus von Amalfi 50, 53A, 66
Origenes 45 Petrus von Anagni 225
Ormanian, Malachia 84A Petrus Cantor 22, 121, 188A, 195,196,
Ostrogorsky, Georg 84A, 224A, 243A, 320,350
248A, 287A, 300A Petrus von Capua 259
Ott, Ludwig 120A, 175A, 207A Petrus Comestor 22, 188A, 189A, 194,
Otten-Froux, Catherine 174Α 196,320,350
Otto von Freising 187,337A Petrus Damiani 77,119, 124, 125, 143,
224, 347
Petrus Diaconus 120
Pabst, Bernhard 175A Petrus Lombardus 18A, 23, 161, 164,
Pachomios 3 64Α 172, 185A, 188A, 189A, 192-197,
Palmieri, Aurelio 21A, 22 315A,318
430 Namensverzeichnis

Petrus von Sezanne 266 Pseudo-Theophylaktos von Achrida


Petrus von Tarentaise (Papst 102,103,104A, 105A
Innozenz V.) 44, 124, 188A, 196, Pyrrhos 110
215,216,297,298,329,352
Petrus Venerabilis 120,325,361,362, Queller,D.E. 247A
367
Petzolt, Martin 31A, 34A, 46A, 67A Rapanic, Zeljko 217A
Photios 48, 81A, 90A, 101, 102, 254, Ratramnus von Corbie 338,345,357
259, 343, 344,346 Redemptus 136,316,355
s. auch: Pseudo-Photios Reusch,F. Η. 332Α
Piana, Caelestinus 23A, 122Α Reynolds, Roger Ε. 119Α
Pichler, Aloys 50A Ribaillier, Jean 23A, 122A
Pinell,Jordi 83A Richard, Jean 234A, 249A, 252A
Pitra, Joannes Baptista 29A, 91A, 92A, Richard das Löwenherz 283A
97A,98, 116A Richard von Mediavilla 124, 188A,
Plank, Bernhard 100A 196,214,215,329,351
Plank, Peter 99Α, 100Α, 102, 167A, Richter, Vladimir 124A
226A, 238, 239A, 240A Ricoldo von Montecroce 14A
Platvoet, Jan 17A Rijk, Lambert Marie de 18 Α
Podskalsky, Gerhard 23A, 87A, 88A, Riley-Smith, Jonathan 234A, 238A,
91A, 92A, 93, 94A, 95A, 97A, 100A, 300A
102A, 112A, 171A, 175A Risso, Pietro 112A
Polyeuktos, Patriarch von Roberg, Burkhard 121A, 188A, 287A,
Konstantinopel 83A 288A, 291A-293A, 295A, 297A,
Pontius, Bischof von Clermont 207 300A
Ponyrko, Natalija Vladimirovna 93A, Robert Guiskard 55, 57
94 Α, 100Α Robert von Melun 120, 156, 315A
Popov, Andrej 90A, 94A, 97A, 98A, Rodotä,P. Ρ. 53Α, 84A
101A Rodulfus Remensis 266,269A, 271A
Poppe, Andrzej 97 Roger I. von Sizilien 227
Posnov, Michail Emmanuilovic 51A Roger II. von Sizilien 172Α
Praepositinus 189A, 209, 321 Roger, Kardinaldiakon 226
Prinzing, Günter 60A, 91A, 97A, 112A Roger Marston 23
Pseudo-Athanasios 91, 92,110A Rolandus, Magister 120,358
Pseudo-Epiphanios 92 Romanos von Rossano 232
Pseudo-Georgij von Kicv 93, 206Α Roncaglia, Martiniano 263A, 265A,
Pseudo-Gregor 331A, 334 266A, 269A-271A, 273Α, 274Α,
Pseudo-Isidorus 121, 136, 316, 355A 281A,282A
Pseudo-Joannes Damaskenos 91,94, Röscher, Η. 249Α
95, 98, 99, 104A, 106 Rottfred von Benevent 167
Pseudo-Photios 102 Rousseau, Α. 45Α
Namensverzeichnis 431

Rufinus 43A Severus, Ε. ν. 34Α


Runciman, Steven 50A, 51A, 84A, Sicard von Cremona 121, 125, 126A,
234A, 235, 238A, 240A, 247, 259 130,143,151,152
Rupert von Deutz 119,125,129,130, Sieben, Hermann Josef 172A, 182, 184,
135,136,143,149, 150-152, 158, 185, 267A, 270A, 273A, 366A
304,310,311,326 Silvester I., Papst 376
Rüssel, Theodore Norman 173A, 174A, Silvester IV. (Maginulfus), Gegenpapst
181A 102A,238A,239A
Ryan, J. Joseph 310A Silvestre, Hubert 357A
Simon, Dieter 25A
Simon, Magister 315A, 350
Sabas, Patriarch von Jerusalem 239A Simon, Paul 123A
Sackur,E. 120A Simopoulos, Theophilos 98A
Salet,G. 173 Α Sirmond, Jacques 31A, 35A, 48
Sathas,K.N. 285A Smeman, Alexander 17A
Sayers, Jane 249A Smith, Barry D. 33A
Scheibelberger, F. 121Α Smith III, Mahlon Η. 20Α, 23Α, 61Α,
Schieffer, Rudolf 52A, 53A, 77A 63A,69, 81A, 8 8A, 95Α
Schlüter, Richard 25A Solov'ev, Vladimir Sergeevic 51A, 380
Schmale, Franz-Josef 23 6Α Sophocles, Evangelinus Apostolides
Schmidt, Josef 188Α 35A, 73 Α, 109Α
Schmitt, Franciscus Salesius 119A Sorabji, Richard R. Κ. 96Α
Schnith,Karl 121Α Späcil, Theophilus 21A, 22,31 Α, 33Α,
Schölten, Clemens 96A 34A, 36A, 44A, 45Α, 89Α, 199A,
Schönberger, Rolf 18A 375A
Schreiber, Georg 173A, 174A, 176A, Spiteris, Jannis 182, 245A, 263A, 270Α
182 Staal,Frits 17A
Schreiner, Peter 98A, 248A Stefan, serbischer Herrscher 92, 116
Schulte, Johann Friedrich von 120Α Stegmüller, Friedrich 123A, 332A
Schulthess, Peter 175A Stein, Dietrich 242
Schulz, Hans-Joachim 31A, 50Α, 162Α Stemberger, Günter 38A
Schütz, Alfred 16 Stephan EX., Papst
Schwaiger, Georg 120A, 121A, 239A, s. Friedrich von Lothringen
249A Stephanus von Tournai 120,207,208,
Schweinburg, Kurt 31A, 33Α, 34Α, 358
39A, 96A, 99A Stiernon, Daniel 270A, 271A
Scribonius Largus 36A Stirnemann, Alfred 19A
Seibert, Η. 120Α Strecker, Georg 37A,38A,44A
Sergios 110 Strittmatter, Anselm 202A
Sergius IV., Papst 234A Struve, Tilman 226A
Setton, Kenneth Μ. 234Α, 247A Sully, Maurice de 207, 208, 317
432 Namensverzeichnis

Suttner, Ernst Christoph 51A, 270A, Thomas von Aquin 25, 44, 119, 122A,
379 123, 124,129A, 132, 137, 144, 146A,
Symeon Π., Patriarch von Antiocheia 148, 157,188A, 196, 212-215, 313,
251 324, 325, 328,329, 332, 334, 352,
Symeon II., Patriarch von Jerusalem 99, 368,369-371,381
100,102,104A, 235,238,239,241A, Thomas Morosini 247, 250, 252, 255,
303 257, 25 8A, 260
Symeon Ibn Abu Chaüba, Patriarch von Tillmann, Helene 122A, 249A, 253,
Antiocheia 269A 256A, 320A
Symeon von Thessalonike 167,206, Tinnefeid, Franz 50A, 52A, 63A-66A,
373A 70A, 80A, 81A, 84A, 97A, 99A,
224A
Todt, Klaus-Peter 52A, 101A
Tacitus, P. Cornelius 36A Toorn, Karel Van der 17A
Taft, Robert 23Α, 162Α, 166A, 177A, Torreil, Jean-Pierre 120A, 123A
180,182, 186,233A Trapp, Erich 93A
Talbot, Alice-Mary 94A, 96A, 167A, Tvorogov, O. V. 93A
171A, 248A
Taylor, Charles 25A Unnik, W. C. van 67A
Tellenbach, Gerd 52A Urban II., Papst 226, 231, 232, 235,
Ter-Mikelian, Arsak 165Α 251,366A
Thaner, Friedrich 62A Urban IV., Papst 287, 288, 292A
Theiner, Augustinus 299A Usakov, I. A. 379
Theodora, byzantinische Kaiserin 223,
224A Vacalopoulos, Apostolos Ε. 247Α
Theodoret von Athos 285A Valentinos 110
Theodoros I. Laskaris, byzantinischer Van den Eynde, Damien 22A, 122A,
Kaiser 248,250 315A
Theodoros von Andida Van den Eynde, Odulf 22A, 122A
s. Nikolaos von Andida Vicaire, Marie-Humbert 123 Α
Theodoros von Negropont 252A Viktor I., Papst 38A
Theodoros Smyrnaios 102 Viktor II., Papst 223
Theophanes von Nikaia 288A Viktor III. (Desiderius von
Theophylaktos von Achrida 102,103, Montecassino), Papst 223 A, 224
108,114-116,140,146 Vischer, Lukas 19A
s. auch: Pseudo-Theophylaktos von Vladimir Monomach 93,100
Achrida Vogels, Heinz-Jürgen 123A
Theorianos Philosophos 11,103,109, Volk, O. 121Α
114-116, 166,245, 299, 332, 333A, Vries, Wilhelm de 20, 21A, 249A, 253,
334A, 378 268A, 282A
Thomann, G. H. 379 Vurgaft, S. G. 379
Namensverzeichnis 433

Walram von Naumburg 119,129,187, Woolley, Reginald Maxwell 30A, 31A,


314,348,353 41A, 46Α
Walsh, Katherine 25A
Walter, Karl 96 Zapp, Hartmut 120A
Ware, Timothy 113A,375A Zimmermann, Harald 25A
Wegmann, Herman A. J. 83A Zimpel, D. 47A
Wehrle,Rene 340A Zumkeller 341A
Weigand, Rudolf 120 Α Zuzek, Ivan 101A
Weingart, Richard Ε. 357Α
Weisheipl, James A. 123 Α
Wellhausen, J. 37A
Wendebourg, Dorothea 379
Werlen, Iwar 17A
Wessel, Klaus 69A
Wiertz, Paul 50A
Wilfmger, Gerhard 19A
Wilhelm II. Villehardouin, Fürst von
Achaia 287
Wilhelm von Auxerre 23, 122, 131A,
144,145,147,155, 209
Wilhelm von Militona 22, 122, 129A,
132A, 145, 148, 152, 156, 157, 197,
211-213,324,349,353
Wilhelm von Moerbecke 289A
Wilhelm von Tyrus 236,237,238A,
243, 244
Wilken, Robert L. 38A,39A
Will, Cornelius 30A, 36A, 53A, 54A,
56A, 59A-67A, 70A-73A, 75A,
77A, 78A-82A, 97A, 98A, 101A,
102A, 104A, 118A, 126A, 127A,
133A, 134A, 138A, 141A, 142A,
146A, 147A, 149A, 154A, 157A,
169A, 206A, 223A, 229A, 293A,
308A-310A,314A,322A,
337A-240A,
Windisch, Hans 42A
Wolff, Robert Lee 249A, 263Α, 265Α
Wolter, Allan Β. 124Α
Wolter, Hans 288A, 293A, 295A

Das könnte Ihnen auch gefallen