Séparée

Séparée No. 40
selbstbewusst & sinnlich

10 E
JA HR
a r ée
Sép
Orgie
Feiern wie
im Alten Rom

TANTRA
Sinnliche
Beziehungspflege

Jason
Steel
Der Pornostar
im Interview

MANNES-
Deutschland Y 8,90

Schweiz CHF 9,50

Österreich € 9,50

KRAFT
Wie man sie
trainieren kann
 In Feierlaune
Haben Sie auch das allgegenwärtige Gejammer satt? Über-
all nur noch Krise und Weltuntergang! Nein, man kann und
mag es nicht mehr hören. Da hilft, wenn man sich nicht zu
größeren Gesten berufen fühlt, wohl nur der Rückzug ins
Private. Und was gäbe es da Schöneres als die gepflegte Ero-
tik. Seit nunmehr zehn Jahren laden wir Sie alle drei Monate
ein in unser Séparée. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

Für uns lag die Idee eines stilvollen Magazins, das sich in
erster Linie an Frauen wendet, 2014 auf der Hand. Potenziel-
le Geldgeber belächelten unser Anliegen und verteilten lie-
ber Fördergelder an zukunftsweisende Angel-Apps nach dem
Modell der Gemüsekiste und Oldtimer-Mietplattformen für
den Mann ab 50. Ein Erotikmagazin für Frauen? Wozu,
wenn es doch schon diverse einschlägige Publikationen mit
nackten Brüsten gibt. Dass man im Barber-Shop in der Regel
keine Dauerwelle bekommt und eine Herren-Jeans bei Da-
men an den falschen Stellen beult, leuchtete zumindest dem
einen oder anderen als Metapher ein.

All das schreckte uns nicht ab. Im Gegenteil. Die Zeit war
reif für selbstbewusste weibliche Sinnlichkeit, auch wenn wir
zwischenzeitlich so etwas wie die neue Retroprüderie diag-
nostizierten, die zumindest in den sozialen Medien weiter-
lebt, wo gern alles zensiert wird, was nach unbedecktem
Nippel und knackigem Männerpo aussieht. Von mehr ganz Besonders freuen wir uns, dass sich in diesem Heft mit ei-
zu schweigen. Aber genau dieses Mehr wollten und wollen nem neuerlichen Interview mit Jason Steel (soviel vorweg:
wir, gewürzt mit allerlei pikanten, nachdenklichen, humor- in 10 Jahren ist auch in der Pornowelt einiges passiert) und
vollen und informativen Texten. einer Fotostrecke von Julija Goyd ein Kreis zu unserer ers-
ten Ausgabe schließt. Für angemessene Partystimmung
Genau die finden Sie natürlich auch in diesem Heft. Wie sorgt die fotografische Orgie von Yvonne Sophie Thöne.
wäre es zum Beispiel mit einer Outdoor-Swingerparty am Hoch die Gläser wie die alten Römer!
Elbstrand? Oder darf es doch lieber die Tiger-Übung sein,
Foto Cover: Yvonne Sophie Thöne; Foto Editorial: Franziska Hauser

die die Sexologin Jill Tammling empfiehlt, wenn das beste
Stück des Mannes nicht mehr so will, wie er gern möchte.
Dass Machtspielchen in der Beziehung kontraproduktiv sind
und wie man ihnen entkommt, erklärt Bettina Benesch. Viel-
leicht wäre da eine berührende Tantrasession genau das Rich-
tige, von der Ruth Batella berichtet.
Dieses Vorwort für unsere 40. Ausgabe möchten wir gern
auch als Danksagung an alle Menschen nutzen, die die
Séparée mit ihren Texten und Fotografien, künstlerischen
Arbeiten und Worten und ihrer hervorragenden Arbeit
bereichern. An dieser Stelle auch ein ganz besonderes Hur-
ra auf die Libidofrau und Stefan Schwarz, die quasi von
Anfang an mit von der Partie sind. Nicht zuletzt gilt unser
Dank natürlich unseren Leserinnen und Lesern, ohne die
ein Verlag zumachen kann. Bleiben Sie uns treu. Wir ha-
ben noch viel vor.

Ihre Herausgeberinnen

Séparée No. 40 03
Inhalt

82

22 44
Sehen Lesen
22 Osterspaziergang 12 Die Kunst des Chillens
Männerakt von Janine Patejdl Selbstliebe von Theresa Steigleder

44 Venus und ihre Gespielen 14 Erotische Intelligenz

Paarakt von Yvonne Sophie Thöne Sexualforschung von Danijela Bartenschläger

72 Freiräume 18 Machtspielchen
Kunststück von Julija Goyd Beziehungspflege von Bettina Benesch

Fotos: Janine Patejdl, Yvonne Sophie Thöne, Erika Lust Films, Julija Goyd, Wayhome Studio/stock.adobe.com
36 Ken, wo ist denn dein Sixpack?
Erotic Slam von Idamena

38 Intimer, vertrauter, tiefer

8
Erfahrungsbericht von Ruth Batella

41 Die Tigerübung
Peniskraft von Jill Tammling

58 Geiler Scheiß
Muttermilch von Franziska Stawitz

62 Zuviel des Guten

Beziehungsweise von Vivien Schadewaldt

64 Das Pornogeschäft ist und bleibt kein Ponyhof

Interview mit Jason Steel von Cäcilia Fischer

68 Himmel
Bettgeschichte von Xóchil A. Schütz

82 Was ist BDSM? – Teil 3

06 Contributors
Kontrollabgabe von Nicola Kriegl
97 Herstellernachweise
88 Die verstoßene Visionärin
Historie von Larissa Gegg
97 Impressum
96 Quengeln for Love
98 Ausblick
Kolumne von Jannek Blume
99 Abo

04 Séparée No. 40
 36

72
Vergnügen
08 Alice im Tinderland
Das Rollenspiel zum Nacheifern

10 Achtsam baggern
Der Gentlemen’s Club

21 Der Bildungsträger
Single-Blog von Una G.

35 Frau Libido neu belebt

Fortsetzungsgeschichte von Mia Schwinge

61 Goldfuchs
Poesie von Marie Madeleine

71 Film- und Buchtipps

85 Paarungszeit
Tierisches von Lea Hofmann

92 Anekdot
Dessous-Darling von Nicola Kriegl

10

Séparée No. 40
Contributors
Mitwirkende in
Séparée No. 40
JANINE PATEJDL
Schon als Kind wollte Janine
Patejdl Fotografin werden und
bedauert, dass sie den Schritt in
die kreative Selbstständigkeit erst
2022 wagte. Der im nördlichen
Rheinland-Pfalz ansässigen
Fotografin ist es ein wichtiges
Anliegen, die Menschen vor ihrer
Kamera authentisch und natürlich
abzulichten. Damit der Mensch
sich in ihrer Gegenwart wohl
fühlt, nimmt sie sich Zeit und
fotografiert ohne Druck. Am
liebsten fotografiert sie Menschen,
die noch nie zuvor vor einer
professionellen Kamera gestanden
haben. Das Wort „unfotogen“
existiert in ihrem Vokabular nicht.
Sie findet die Schokoladenseite,
die jede und jeder hat. Das größte
Kompliment für sie ist, wenn
Menschen eine Träne im Auge
haben oder einfach sprachlos
sind, weil sie sich so gut auf
den Bildern gefallen und eine
Seite an sich entdecken, die sie
selbst noch nie gesehen haben. In
dieser Ausgabe haben wir Janine
Patejdl den schönen Männerakt
zu verdanken.
Auf Seite 22
06
XÓCHIL A. SCHÜTZ
Die gebürtige Mannheimerin
lebt heute mit ihrer Familie in
Sachsen. Nachdem sie in Berlin
zunächst Politikwissenschaft
studierte, gründete sie dort einen
Literatursalon und fand zum
Poetry Slam. Mehrere Jahre lang
reiste sie mit ihren erotischen,
poetischen und lustigen Slam-
Texten durch Deutschland
und Europa, nach Brasilien,
Venezuela und in die USA.
Vor gut zehn Jahren begann die
vielseitige Autorin Kinderbücher
zu schreiben, um daraufhin
prompt Kinder zu bekommen.
Sie schreibt außerdem Romane
und Kurzgeschichten, Lyrik und
Schulbuchtexte. 2024 erscheint
ein von ihr eingesprochenes
erotisches Hörbuch.
Die Bettgeschichte in der
vorliegenden Ausgabe ist ihre erste
Veröffentlichung in der Séparée.
Auf Seite 68
MARIE MADELEINE
VON PUTTKAMER
Unter dem Pseudonym Marie
Madeleine schrieb die selbst-
bewusste junge Kaufmanns-
tochter schon in sehr jungen
Jahren Lyrik, Erzählungen und
Dramen. Im Jahr 1900, in dem
sie 19-jährig den viel älteren
General Baron von Puttkamer
ehelichte, erschien ihre erste
erotische Lyrik-Sammlung
Auf Kypros. Die Sammlung
erfreute sich besonders großer
Beliebtheit in den Salons der
höheren Gesellschaft und
wurde innerhalb von zehn
Jahren 37 Mal aufgelegt. Bis
1920 veröffentlichte sie mehr
als zwei Dutzend Werke. Die
Familie ihres Mannes reagierte
empört auf ihre erotischen
Veröffentlichungen, doch ihr
Ehemann stellte sich hinter sie.
Marie Madeleine starb 1944
unter niemals aufgeklärten
Umständen in einer Privatklinik
und geriet in Vergessenheit. Ihre Fotos: privat; Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag
erotischen Gedichte allerdings
haben über die Jahre nichts von
ihrem Feuer eingebüßt und wir
sind froh, dazu beizutragen, die
Lyrikerin wiederzuentdecken.
Auf Seite 61
Séparée No. 40
 Séparée
selbstbewusst & sinnlich

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Séparée erscheint vierteljährlich im Verlag UNA GlitzaStein GmbH. Geschäftsführung: Dr. Janina Gatzky, Ute Gliwa
Die Bestellung kann innerhalb von zwei Wochen schriftlich bei UNA GlitzaStein GmbH, Fredersdorferstr. 10, 10243 Berlin widerrufen werden.
* Innerhalb von Deutschland. Ein Abo mit Versand ins Ausland kostet 49,90 Euro.
Rollen. spiel

Alice im
Tinderland
ICH STAND ONLINE-DATING SEHR LANGE ambiva-
lent gegenüber. Vieles was mir an einem Mann wichtig
ist – seine Stimme, sein Geruch, sein Gang – lässt sich
auf Fotos leider nicht erkennen. Ich habe da schon die
bizarrsten Überraschungen erlebt: Humpty Dumpty
und der verrückte Hutmacher waren nur zwei davon.
Aber seit ich Anfang des Jahres den Mann für den Rest
meines Lebens getroffen habe, kann ich gegen Online-
Dating kaum mehr etwas einwenden.
Wir waren in meiner Kiezkneipe verabredet. Nie zuvor
habe ich mir einen Fremden dorthin eingeladen, denn
ich wollte mir den Ort nicht von möglicherweise selt-
samen Typen versauen lassen, aber diesmal hatte ich
keinerlei solche Bedenken. Ebenfalls entgegen meiner
Gewohnheit hatten wir uns vor dem ersten Treffen lan-
ge geschrieben, denn er war zwei Wochen nicht in der
Stadt gewesen. Mir gefiel, wie er das Leben sah und
was zwischen den Zeilen über sein Dasein durch-
klang. Er schien die Beine fest auf dem Boden
und den Kopf trotzdem in den Wolken zu haben.
Genau wie ich.
Er saß schon da, als ich kam, und gefiel mir auf
Anhieb. Wir setzten uns dicht nebeneinander auf
ein Sofa, unsere Jeans auf Tuchfühlung, und unterhiel-
ten uns gleich sehr vertraut. Wir hatten den gleichen
Humor, mochten die gleiche Musik und ich genoss
unseren feinsinnigen Flirt. Selbst seine altmodische
Taschenuhr gefiel mir. Er wollte noch in einen Club,
Der weiße Hase, ganz in der Nähe, in dem ein Freund
auflegte. Auf der Straße umarmten wir uns fest, denn
ich hatte es eigentlich erstmal bei diesen sorgfältig do-
sierten Stunden bewenden lassen wollen, obschon klar
war, dass wir uns wiedersehen wollten. Wir standen
einen langen Moment eng umschlungen in der Kälte,
unsere Körper, so dicht die Winterjacken es erlaubten,
aneinandergepresst. Trotz des dicken Polsters zwischen
uns stoben die Funken. Ich konnte die Energie zwi-
schen uns im ganzen Körper spüren. Von außen ge-
sehen muss unsere gemeinsame Silhouette von einer
flimmernden Aura umhüllt gewesen sein. Und so folgte
ich ihm doch in den Weißen Hasen. Seitdem ist die
Welt voller Wunder. ♥

Häschen-Kostüm von baed stories, bestehend aus Body,

Kragen, Manschetten, Ohren und Nippelpasties;
ca. 176 Euro; baedstories.com

08 Séparée No. 40
 Rollen. spiel

Kronjuwel
Das vergoldete Schmuckstück
mit der beweglich gelagerten
Harzkugel schmückt nicht nur,
sondern stimuliert die
Klitoris auch auf sanfte
Weise. Die elastischen
Bänder ermöglichen eine
angenehme und präzise
Positionierung des Kleinods.

Klitorisschmuck, 99,95 Euro,

sylvie-monthule.com

Magische
Momente
Die mit Roségold überzogene Taschenuhr be-
sitzt ein mechanisches Uhrwerk, das durch das
Gehäuse zu sehen ist. Die Uhrzeit lässt sich
auch bei geschlossenem Deckel ablesen.
Taschenuhren lassen sich übrigens
Teeparty
nicht nur klassisch am Gürtel (die Mit wem auch immer Sie Ihre
passende Kette mit Gürtelschnalle verrückte Teegesellschaft abhalten,
wird mitgeliefert) sondern auch das hinreißende Teetassen-Set
an einer Halskette tragen. Grandpa von Pols Potten aus
farbenfroh glasiertem Porzellan
Taschenuhr, ca. 60 Euro,
taschenuhrshop.de
ist ein Augenschmaus. Bei Bedarf
bietet die Serie übrigens auch
Dessertteller und Teekanne.
4er-Set Teetassen, 150 Euro,
gutraum8.de

Spiegelbild
Auf Wunsch des Vulvamodels erhielt die Hand- und
Körperseife Maya einen Rosenduft. Sie wird in Berlin
von Hand gegossen und enthält weder Palmöl, Parabene
noch Mikroplastik. Für die eigene Vulva empfiehlt sich Kulinarische
Wunder
übrigens nur klares Wasser zum Waschen.

DressingQueen ist eine kleine

Feinkost-Manufaktur in Berlin,
die nicht nur erlesene Dressings,
sondern auch Salze, Pasten und
Honig mit hochwertigen bio-
veganen Zutaten in Handarbeit
herstellt. Ihre kreativen
Kombinationen aus Blüten,
Seife, 24,90 Euro, Nüssen, Kernen und Gewürzen
10 % Nachlass veredeln unter anderem Salate,
mit Rabattcode
Sandwiches und Grillgut.
SEPAREE,
Fotos: PR

lejlac.com
Dressing und anderes, ab 12 Euro,
dressingqueen.de

Séparée No. 40 09
Gents. Club

ACHTSAM BAGGERN

„WENN DU FRAUEN KENNEN LERNEN WILLST, musst du da- Lounge mit stilvollen Schwarz-weiß-Bildern schlanker Frauenkör-
hingehen, wo Frauen sind.“ Das hatte ihm sein Kumpel T. geraten, per in aberwitzigen Verdrehungen. Hier konnte er nicht falsch sein.
nachdem er das Online-Dating als teures und zeitraubendes Unter- Mutig trat er ein und wurde enthusiastisch von einer jungen Frau
fangen aufgegeben hatte. Noch am selben Abend setzte er sich hin begrüßt. Vermutlich verirrten sich nur wenige Männer hierher. Bin-
und machte eine Stichwortliste: Spielplatz, Kindergeburtstag, El- go. Er erklärte kurz, dass er einen sanften sportlichen Ausgleich zu
ternrat, Tupperware, Dildofee, Schuhladen. Seine stereotypen As- seinem stressigen Bürojob suche. Auf den Fotos hatte er Wörter wie
soziationen erschreckten ihn. Spielplatz, Kindergeburtstag und „Achtsamkeit“ und „Fokus“ aufgeschnappt, die er in seine Rede ein-
Elternrat konnte er sich knicken, weil er keine Kinder hatte und fließen ließ. Die junge Frau nickte zustimmend und reichte ihm
sich auch keine für den Zweck borgen konnte. Ein alleinstehender einen Flyer mit dem Kursprogramm, auf dem sie gleich mehrere
Mann auf einem Spielplatz ist ein gesellschaftliches No-go. Wenn Kurse ankreuzte. Er buchte alle und malte sich aus, wie er im Lo-
Fotos: chaosart/stock.adobe.com; PR

er als Kerl auf einer Tupperware-Party erschiene, würden ihn die tussitz sitzend von anmutigen Kobras, Tauben und Göttinnen um-
anwesenden Damen vermutlich für schwul halten. Und ganz ehr- geben wäre, mit denen er sich durch das Kamasutra üben würde.
lich, Frauen, die ihn total nett finden, kannte er bereits zur Genüge. Eine Woche später bereute er seine Entscheidung zutiefst. Ihm tat
Bei einem Dildofee-Abend würde er vermutlich zum Versuchska- alles weh, sogar Muskeln, von denen er gar nicht wusste, dass sie in
ninchen mutieren, was an sich ganz nett wäre, aber er wollte es seinem Körper existierten. Er kam sich vor wie ein alter Mann. Die
gern etwas geheimnisvoller angehen lassen. mitleidigen und ermutigenden Blicke seiner Kurskolleginnen trafen
Die Lösung kam ihm an nächsten Tag auf dem Weg zur Arbeit, der sein verspanntes Ego wie blanke Messer. Doch als er sich nach der
ihn an einem Yoga-Studio vorbeiführte, das er bislang nicht wahr- Stunde mühsam erheben wollte, stieß ihn seine Mattennachbarin
genommen hatte. Durchs Schaufenster blickte er in eine pastellige zärtlich an und meinte zwinkernd: „Privatstunde gefällig?“ ♥

10 Séparée No. 40
 Gents. Club

Matratzensport
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dem Kamasutra neu und zeigt Muskel-
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Tag mit einer ausgleichen-
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des Herzens und können ein Gefühl der spannend auf Körper und
Liebe und Verbundenheit schaffen. Geist. Die ausgewogene
Der Cockring aus patinierter Bronze Komposition aus feinem
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sich nach hinten gebeugt um den Penis weich und geschmeidig.
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Séparée No. 40 11
Selbst. liebe

12 Séparée
Séparée No.
No. 38
40

Die Kunst
des Chillens
Text: Theresa Steigleder
MEIN TERMINPLANER IST VOLL. Jeden Morgen prasseln dutzen-
de Nachrichten auf mich ein: Kriege, Leid und große Schlagzeilen.
Außerdem: Text- und Sprachnachrichten von unterschiedlichen
Menschen auf mindestens fünf Kanälen, Social Media noch nicht
mitgezählt. Dazwischen mal aus Versehen eine Rechnung nicht
bezahlt, Mahnung im Briefkasten oder die große Familienfeier, die
ich fast vergessen hätte. Die Deadlines sterben nie aus, es gibt immer
etwas zu tun. Manchmal rauschen die Wochen so schnell an mir
vorbei, dass sie ein Knirschen in meinen Ohren hinterlassen.
In solchen Momenten merke ich, dass ich mich nach Ruhe sehne.
Und damit meine ich nicht die Netflix-&-Chill-Ruhe, mit der ich
mich meistens eher betäube. Nein, ich möchte einfach mal kurz ste-
henbleiben und fließen wie der Windhauch durch die Kronen der
Bäume. Ein bisschen rauschen wie die tanzenden Blätter im Licht
der Frühlingssonne. Und ich wäre gerne ein einzelner kleiner Regen-
tropfen, der nichts weiter tut, außer sich einen ... seinen ... Weg
durch diese Welt zu bahnen. Leise möchte ich tröpfeln, mich von
Blatt zu Blatt ein wenig mehr verlieren, um mich am Ende wieder
mit der Erde zu vereinen, mit beiden Beinen auf festem Grund.
Ich möchte das viel öfter tun, einfach mal stehenbleiben. Chillen.
Achtsam sein. Ich kann dann abschalten, die Perspektive wechseln
und meine Gedanken sortieren. In diesen Augenblicken der Ent-
spannung tanke ich Energie, um der Hektik meines Lebens mit
erfrischtem Elan zu begegnen.
Leider funktioniert dieses Stehenbleiben in unseren schnelllebigen
Zeiten nicht immer so gut wie ich es mir wünsche. Wie sich wohl das
Leben von Müttern, Großstadtmenschen oder Geflüchteten erst
anfühlen muss, kann ich mir gar nicht ausmalen. „Zeit hat man
nicht, man nimmt sie sich“, höre ich oft von denen, denen der soge-
Foto: cristian prisecariu_pixabay
nannte Geldbeutel lockerer sitzt.
Doch Chillen ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Ein Akt
der Selbstfürsorge, der dabei hilft, dem Chaos standzuhalten und
einen Ausgleich zu finden. Die Hummeln in unseren Hintern brau-
chen Nektar, um weiterzufliegen!
Je mehr ich mir gerade das Chillen zu einer Aufgabe mache und sie
wie ein fleißiges Bienchen mit bunten Farben in meinen Terminpla-
ner eintrage, desto mehr entdecke ich die Kunst darin.
Séparée No. 40
Selbst. liebe
Ich verweile manchmal vor Momenten wie vor guten Gemälden.
Ob Meisterwerk oder Graffiti, es geht plötzlich nicht mehr darum,
dem Strom der Ereignisse zu entkommen, sondern vor allem
darum, die Details meines eigenen Lebens mit der gleichen Auf-
merksamkeit zu betrachten, die ein wahres Kunstwerk verdient.
Das geht beim Masturbieren genau so gut wie beim Abwaschen,
wenn meine Hände das feuchte, warme Nass genießen. Ich kann
spazieren oder mal ganz langsam und mit viel Genuss was Süßes
naschen. Ich chille Minuten, Sekunden oder Stunden, beim Gie-
ßen, beim Tanzen oder beim stummen Beobachten von Pflanzen.
Mal denk ich gar nichts, mal finde ich dabei den größten Sinn.
Und bei mir klappt das alles besonders gut, wenn ich ganz alleine
bin. Dann werde ich zu geflüsterter Poesie, zu sanften Melodien
auf der Haut.
Doch natürlich lässt sich die Kunst des Chillens auch genauso gut
mit anderen Menschen zelebrieren. Kollektive Rituale wie ein chil-
liger Spieleabend an einem Mittwochabend oder eine lockere
Yogastunde mit Fremden können die gleiche entspannende
Wirkung auf mich haben. Wie das harmonische Zusammenspiel
einer Band beherrsche ich mit manchen Lieblingsmenschen
die Kunst des Chillens sogar so gut, dass wir versuchen, uns so
viele freie Zeilen wie möglich auf unseren Kalendern gemeinsam
bunt auszumalen.
Und auch wenn ich mich oft unwillkürlich frage: Dürfen wir das
alles gerade so sehr genießen, hier und jetzt, wo ein paar Grenzen
weiter Kriege über viele Leben herrschen? Ich komme immer wie-
der auf die gleiche Antwort: Ja!
In den letzten 3500 Jahren Menschheitsgeschichte gab es zusam-
mengerechnet etwa 250 Jahre Frieden. Das ist also ca. ein Jahr
Frieden auf 13 Jahre Krieg und klingt so ähnlich wie dreißig Tage
Urlaub auf zwölf Monate voller Arbeit. Es kann sein, dass da gera-
de zu sehr die Harmonie aus mir spricht, aber vielleicht gibt es da
einen Zusammenhang. Bei einem bin ich mir aber sicher: Solange
wir nicht den großen Traum vom Weltfrieden erleben, sollten wir
uns so gut es geht unseren ganz eigenen, inneren Frieden schen-
ken. Und dankbar für jede Möglichkeit sein, die uns erlaubt, kurz
mal stehen zu bleiben und das eigene Dasein zu spüren. ♥
13
Sexual.forschung

14 Séparée No. 40
 Sexual.forschung

Erotische
INTELLIGENZ
Der amerikanische Sexualtherapeut Dr. Jack Morin stellte in den 1990er Jahren
Theorien dazu auf, welche Faktoren großartigen Sex ausmachen. Er postulierte vier
Ecksteine der Erotik, erforschte, warum Hindernisse die Erregung steigern und welche
emotionalen Aphrodisiaka dabei eine Rolle spielen. Daraus entwickelte er das
Konzept des zentralen erotischen Kernthemas, das einem jeden Menschen zu eigen ist.

Text: Danijela Bartenschlager @magie_der_ sinnlichkeit

Fotos: Forster & Martin Fotografie

ICH BIN WIRKLICH EIN GROSSER FAN
der Evolution und verschiedener menschli-
cher Überlebensmechanismen, die sich in
nützlichen, aber auch durchaus fragwürdi-
gen Verhaltens- und Denkmustern manifes-
tieren. Genial sind sie in jedem Fall. Dies
gilt zum Beispiel auch für unsere Bezie-
hungsmuster, und ja, für unsere Sexualität.
In meinem Fall dauert es Bruchteile einer
Sekunde, in denen ich entscheide, ob ich
eine Person (sexuell) interessant finde. Ein
Sex ausmachen. Dabei tauchte er tief in die
menschliche Psyche des Begehrens und der
Erregung ein.
Zunächst erklärte Morin die Erregung als
die treibende Kraft der Erotik und die wie-
derrum beschreibt er als komplex, dyna-
misch und paradox. Sie hängt mit allen
Aspekten unseres Lebens zusammen und
ist ein Wechselspiel zwischen unseren Sehn-
süchten und Blockaden. Der explizite Sex
ist dabei der rein physiologische Teil.
aus unserer gesamten Lebensgeschichte er-
geben – all die Bruchstücke und Teile unse-
rer einzigartigen Intelligenz“.
Zum Glück beschäftigen sich mutige Pio-
niere seit mehr als einem Jahrhundert mit
dem Thema Sexualität. So gab es zunächst
den von Freud postulierten pathologischen
Ansatz, in dem er den vielen unterschiedli-
chen Formen der Sexualität keinen „gesun-
den“ Platz einräumt. Humanistische Psy-
chologen des Behaviorismus waren später

„Die größten Erregungszustände

Blick und mein Körper und Geist sind in In ihrem Werk „Sexualität ist Macht“ liefert überzeugt, dass es durchaus verschiedene
einem Zustand neugieriger, angeregter Zu-
gewandtheit – oder eben nicht.
In Anlehnung an meine gelebten Muster
waren solche Begegnungen und die Ge-
schichten, die daraus entstanden, meist un-
glaublich intensiv und oft sehr schmerzvoll.
ergeben sich aus der Spannung
Aus meinem wiederholten Schmerz heraus
habe ich mich mit der Fragestellung „War-
um ticke ich so, was hat sich die Natur nur
zwischen hartnäckigen Problemen
dabei gedacht?“ auf die Suche begeben und
für mich schlüssige und faszinierende Ant-
worten gefunden.

Im Folgenden geht es daher um die interes-

sante Theorie der „Erotischen Intelligenz“
(engl. „Erotic Mind“). Der inzwischen ver-
storbene amerikanische Sexualtherapeut
Dr. Jack Morin stellte in den 90er Jahren in
seinem sehr lesenswerten Werk Theorien
darüber auf, welche Faktoren großartigen
und erfolgreichen Lösungen.
Angela Carter hierzu ein schönes Zitat:
„Wir gehen nicht einfach nur zu zweit ins
Bett; auch wenn wir nicht darüber reden, so
schleppen wir doch immer auch die kultu-
rellen Hemmnisse mit, die sich aus unserer
sozialen Stellung, aus dem Leben unserer
Eltern, unserem Bankguthaben, unseren
sexuellen und emotionalen Erwartungen,
“
Formen der Sexualität gibt, gingen jedoch
von einem sehr vereinfachten, aber immer-
hin menschlicheren Ansatz aus, nur Hin-
dernisse müssten bei sexuellen Problemen
beseitigt werden. Masters und Johnson
stützten sich in den 70er Jahren auf dieses
Konzept und konzentrierten sich auf phy-
siologische Funktionen und Störungen.

Séparée No. 40 15
Sexual.forschung

Jack Morin ging in seinem paradoxen An-

satz von der Annahme aus, dass die Schön-
heit der Sexualität nur angenommen wer-
den kann, wenn auch zugehörige
Schwierigkeiten und Risiken nicht abge-
stritten werden. Diese müssten sogar ak-
zeptiert und willkommen geheißen wer-
den, da sie die Erregung verstärken können.
Morin ging davon aus, dass „Erotik weder
als pathologisch betrachtet werden sollte,
noch gebändigt werden kann, da sie genau-
so facettenreich ist wie die menschliche
Natur selbst“.

Und jetzt kommt der Clou: Im erotischen

Bewusstsein eines jeden Menschen werden
nach Morin die Schwierigkeiten des Le-
bens und emotionale Wunden in Erregung
verwandelt. In diesem Zusammenhang
stellt er die faszinierende erotische Glei-
chung auf: Erregung = Anziehung + Hin-
dernis. Dabei kann die Anziehung lustbe-
tont (objektiviert) sein, wobei der Fokus
und das Ziel auf dem Erreichen des Orgas-
mus liegen. Sie kann aber auch romantisch
geartet sein, z.B. im Verlangen nach lei-
denschaftlicher Bindung, Verschmelzung.
Sie kann aber auch beides – lustbetont
und romantisch – sein.
Gemäß der erotischen Gleichung reagieren
wir viel stärker auf das Subjekt unserer Be-
gierde, wenn dieses durch bestimmte Hin-
dernisse unerreichbar scheint. Lustfördern-
de Hindernisse können zum Beispiel von Hindernissen zu tun haben mussten, gutmachung von Missbilligungen in der
geographische Distanzen, Altersunterschie- lassen sich zu vier Ecksteinen der Erotik Kindheit gebrochen, erhöht sich im Er-
de oder vergebene Partner sein, wobei es zusammenzufassen: wachsenenalter die Chance, dass wir real
immer darum geht, das Verhältnis von Sehnsucht und Erwartung werden erzeugt oder fiktiv durch regelwidriges Verhalten
Nähe und Distanz auszugleichen, damit die durch frühkindliche Prägungen. Gemeint erregt werden. Dieses Aphrodisiakum nennt
Spannung erhalten bleibt. ist hier die Sehnsucht nach Menschen, die Morin den „Unanständigkeitsfaktor“.
Bei jedem Menschen sind dabei die Ge- uns fehlten oder die wir intensiver in unse- Die Suche nach Macht als weiterer Eck-
fühle, Verhaltens- und Denkweisen ganz rem Leben gebraucht hätten. Diese Sehn- stein entsteht aufgrund in der Kindheit
einzigartig. süchte übertragen wir auf Menschen, die erlebter demütigender Machtlosigkeit.
Im Rahmen seiner Arbeit forderte Morin wir begehren. Um diese Ohnmacht zu kompensieren,
viele Personen in einer anonymen Umfrage Die Verletzung von Verboten ist ein weite- bedienen wir uns verschiedener Strategien
auf, ihre besonders erregenden und unver- rer Eckstein, da jede Gesellschaft versucht, der Dominanz und Unterwerfung. Beide
gesslichsten Begegnungen und Phantasien sexuelles Verhalten durch Moralvorstellun- Komponenten verleihen uns das Gefühl
im Detail aufzuschreiben und gleichzeitig gen, religiöse Ansichten und Tabus einzu- von Macht und Kontrolle. In sexuellen
zu formulieren, warum diese Ereignisse so schränken. Wenn Menschen restriktiv auf- Fantasien spielt Macht oft eine große Rol-
berauschend waren. Auf der Basis einer In- gewachsen sind, ist ihre Erregbarkeit durch le. Die Suche danach in Kombination mit
haltsanalyse suchte er dann nach wieder- eine Verletzung von Verboten quasi vorpro- dem Verletzen von Verboten kann Erotik
kehrenden Elementen und Mustern. grammiert. Jugendliche zum Beispiel verlet- noch erregender machen.
Woher also kommen die Hindernisse, die zen Verbote auf der Suche nach Autonomie Wir alle kennen ambivalente Gefühle des
unsere Erregung verstärken können? Mo- und Privatsphäre. Haben wir also in einer Wollens/Nichtwollens, des Mögens/
rin kam zu einem aus meiner Sicht genia- frühen Lebensphase die Verknüpfung von Nichtmögens, des gleichzeitigen Abgesto-
len Schluss: fundamentale Lebenserfah- Erregung und Regelverletzung erlebt, ßen- und Angezogenseins. Wir sagen
rungen, die etwas mit dem Überwinden sprich, haben wir z.B. Regeln als Wieder- Nein und meinen Ja. Wir hadern mit dem

16 Séparée No. 40

Widerspruch zwischen unserem Bedürfnis
nach Nähe und der Notwendigkeit von
Distanz, um unser Selbst zu schützen.
Solche sehr natürlichen menschlichen Ge-
fühle kompensieren wir im Überwinden
von Ambivalenz – dem vierten Eckpfeiler
der Erotik. Die Energie widersprüchlicher
Gefühle verwandelt sich dabei in Lust, ne-
gative Lebenserfahrungen werden in auf-
regende Phantasien überführt.
Während die Ecksteine so etwas wie Bau-
steine der Sexualität sind, sind Gefühle ihr
Motor und geben dem Sex eine Bedeu-
tung. Nicht immer sind es „positive“ Ge-
fühle, die unsere Erregung und Sexualität
steuern. Schwierige oder negative Gefühle
können wir nur oft nicht als erregend aus-
machen oder der Erregung zuschreiben.
Vielmehr lehnen wir vermeintlich schwieri-
ge Gefühle in uns sogar ab, weil sie
schmerzhaft oder gesellschaftlich nicht ak-
zeptiert sind und verstärken sie auf diese
Weise womöglich. Die Gefühle, die unsere
Erregung stark beeinflussen, fasste Morin
als „emotionale Aphrodisiaka“ zusammen.
Eindeutig in diesen Bereich fallen alle
Emotionen, die mit Nähe, Angst, Schuld
und Wut einhergehen – von Liebe und
Zärtlichkeit, bis hin zu Eifersucht und
Hass. Sie können unvermutet den Genuss
steigern, aber eben auch stören. Sie treten
paradox auf, je nach individuellen Umstän-
den und unseren einzigartigen Prägungen.
Emotionale Aphrodisiaka sind veränder-
lich. Sofern man seine Gefühle nicht bewer-
tet, sondern zulässt und akzeptiert, sind sie
kurzlebig und unbeständig. Schafft man es,
sie ernst zu nehmen, entwickeln sie sich
weiter. Am leichtesten können emotionale
Aphrodisiaka in Phantasien wahrgenom-
men werden und gewandelt werden, z.B.
Angst in Sicherheit, Schwäche in Stärke,
Schuld in Freiheit, Wut in Anerkennung. In
Fantasien können wir Extreme ausleben.
Zusammenfassend lassen sich wiederkeh-
rende Gefühlswelten und Muster sehr vie-
ler Menschen in einem individuellen ero-
tischen Kernthema zusammenfassen,
wobei ein Mensch auch mehrere in sich
vereinen kann. Die Inhalte von Erfahrun-
gen, Fantasien oder auch konsumierter
Pornographie können sich unterscheiden,
die Grundstruktur unseres zentralen eroti-
schen Themas bleibt jedoch gleich. Unser
erotisches Kernthema ist DAS Muster, das
Séparée No. 40
aufgrund unserer Erfahrungen in der Ver-
gangenheit der rote Faden unserer (sexuel-
len) Beziehungen ist.
Unser erotisches Kernthema läuft unterbe-
wusst ab und hat seinen Beginn in der
Kindheit, wobei aktuelle Reize mit
Konflikten und Schwierigkeiten aus der
Kindheit verbunden und diese in Erregung
verwandelt werden. Die größten Erre-
gungszustände ergeben sich aus der Span-
nung zwischen hartnäckigen Problemen
und erfolgreichen Lösungen.
Nach Morin braucht jedes erotische
Kernthema mindestens einen erotischen
Eckstein, wobei aber auch alle vier gleich-
zeitig nebeneinander auftreten können. Mit
dem erotischen Kernthema suchen wir nach
Vollständigkeit, Ganzheit, weshalb wir häu-
fig Partner wählen, die unsere Stärken schät-
zen und Schwächen kompensieren können.
Menschen, die wir begehren, sind häufig
„ Menschen, die wir begehren,
ein Spiegel fehlender oder schwach ausge-
sind häufig ein Spiegel fehlender
oder schwach ausgeprägter
Aspekte unserer Persönlichkeit.
prägter Aspekte unserer Persönlichkeit. So
kann es zum Beispiel passieren, dass sich
ein Mensch, bedingt durch das eigene ero-
tische Kernthema, immer wieder mit verge-
benen und emotional nicht verfügbaren
Menschen einlässt.
Um das eigene erotische Kernthema zu er-
forschen, eignen sich als Forschungsfeld
neben bereits gelebten Beziehungen und
stark erregenden sexuellen Begegnungen
die eigenen sexuellen Fantasien, Tagträume
oder auch als erregend empfundenes por-
nographisches Material.
Morin hatte so etwas wie ein Rezept, um
aus destruktiven Mustern auszusteigen.
Professionelle Begleitung auf kognitiver,
aber unbedingt auch auf körperlicher Ebe-
ne ist dabei sinnvoll. Grundlegend wichtig
ist es zunächst jedoch, seine Anziehungs-
codes und Erregungsmuster zu kennen
Sexual.forschung
und nach und nach zu lernen, diese zu
regulieren. Wesentlich ist auch, sich neue
Ziele zu setzen, aber auch große Verluste,
z.B. durch das Nachlassen der sexuellen
Intensität durch Veränderung der Muster,
zu akzeptieren und zu betrauern. In der
Regel bringen problematische erotische
Szenarien ein gestörtes Verhältnis zum ei-
genen Körper mit sich. Hier gilt es, seinen
Körper und seine sinnlichen Fähigkeiten
neu zu entdecken, den Körper zu bewoh-
nen und seine Weisheit zu nutzen. Morin
arbeitete seinerzeit mit sexologisch ge-
schulten Bodyworkern zusammen, um die
körperliche Komponente bei Klientinnen
und Klienten abzudecken.
Mein erotisches Kernthema soll hier ein
Geheimnis bleiben, doch meine Suche
brachte mich dazu, die Ausbildung zur Se-
xological Bodyworkerin ISSB zu machen.
Eine wichtige Komponente des Studiums
“
ist die somatische Selbsterfahrung, die mich
zur stetigen Annahme meiner Person und
damit immer größeren Freiheit führt. Ich
fühle mich mit meinem Körper in Verbin-
dung, kann meine Emotionen besser akzep-
tieren und regulieren, mag mich inzwi-
schen. Ich fühle mich lebendig und erlaube
mir meine naturgegebene Wildheit. Und
ganz wichtig: Durch den achtsamen Um-
gang mit mir erkenne ich immer schneller,
wo meine Grenzen sind und kann diese
offen kommunizieren. Auf diese Weise hat
sich verändert, welche Menschen ich in
mein Leben ziehe. Am spannendsten ist für
mich jedoch die Tatsache, dass sich mein
ganzes Leben veränderte, als ich begann,
bestimmte Aspekte meiner Sexualität anzu-
nehmen. Unser Leben ist in vielfältiger
Weise durch Muster geprägt. Verändert man
sie in der Sexualität, passiert der Transfer
ins Alltagsleben ganz automatisch. ♥
17
Macht.spiele

18 Séparée No. 40

MACHT-
SPIELCHEN
und wie man sie vermeidet
Manche lässt schon das Wort vor Zorn explo-
dieren, weil Macht als eng und toxisch emp-
funden wird, für andere ist Macht gleichbe-
deutend mit Chancen, Gestaltungsfreiraum
und Verbindung. Ich meine: Macht ist das,
was wir draus machen. Ob sie toxisch ist oder
heilsam, entscheiden wir selbst.
Unzählige Hirne haben sich seit langem
mit dem Konstrukt Macht befasst. Aus den
dazugehörigen Mündern kamen Sätze wie:
„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb
einer sozialen Beziehung den eigenen Wil-
len auch gegen Widerstreben durchzuset-
zen“ (Max Weber) oder „Macht entspringt
der menschlichen Fähigkeit nicht nur zu
handeln, sondern sich mit anderen zusam-
menzuschließen und im Einvernehmen
mit ihnen zu handeln“ (Hannah Arendt).
Es gibt also offenbar mindestens zwei Sei-
ten der Medaille: Auf der einen die toxi-
sche Macht = missbrauchte Verantwortung.
Auf der anderen Seite Macht als förderliche
Kraft und Chance auf echte Verbindung.
Bei mir bleibt hängen: Macht kann also ein
Instrument sein, um Beziehung gemein-
sam zu gestalten. Aha! Wem außer mir ge-
fällt das noch?
Foto: Tijana @stock.adobe.com
Lasst uns mal die Scheuklappen ablegen
und sehen, wohin wir kommen, wenn wir
uns eingestehen, dass wir alle mächtig
sind, Gestaltungsfreiraum und Handlungs-
möglichkeiten haben. Und lasst uns einge-
stehen, wo wir selbst überall toxische
Macht ausüben, so wie Max Weber es be-
schrieben hat.
Séparée No. 40
Text: Bettina Benesch
TOXISCHE MACHT
Das ist wohl das, was viele von uns im
Kopf haben, wenn sie an Macht denken.
Machtmissbrauch, Machtgier, Machthaber
und Unterdrückte. Manipulation. Wie nut-
DREI MERKMALE VON
MACHTSPIELEN
Machtspiele laufen oft sehr subtil ab. Häu-
fig erkennen die involvierten Menschen gar
nicht, was gerade passiert – nicht einmal
der, der mit dem Machtspiel startet. Wer
aber genau hinschaut, hat gute Chancen,
den Beginn eines Machtspiels zu erkennen
und gar nicht erst darauf einzusteigen. Drei
Merkmale sind häufig:
KONTROLLE: Jemand versucht systema-
tisch, Menschen und Situationen zu kont-
rollieren; entscheidet also ständig über alles
und lässt anderen wenig Raum für eigene
Meinung oder Bedürfnisse. Als Kontrolle
gilt hier auch, Informationen versteckt zu
halten oder zu verdrehen.
AUSNUTZEN VON SCHWÄCHEN
UND HÄUFIGES HINWEISEN AUF
DIE SCHWÄCHEN ANDERER: Der
Partner wird häufig (vor anderen) auf
Schwächen hingewiesen und gedemütigt.
KEINE KOMMUNIKATION, KEIN
KOMPROMISS: Nur die eigene Mei-
nung zählt und nur die eigenen Interessen
sind wichtig, die Bedürfnisse anderer gelten
nicht. Auch Schweigen und Liebesentzug
stehen häufig am Anfang von Machtspielen.
Macht.spiele
zen wir also unsere Macht? Und was ist
unser Ziel?
Toxische Macht vernichtet das Gegenüber
– auch wenn sie unbewusst eingesetzt wird.
Der spirituelle Lehrer Eckhart Tolle nennt
Verhalten wie dieses die „normale Unbe-
wusstheit“. Normale Unbewusstheit ist un-
ter anderem das, was wir tagtäglich in Be-
ziehungen tun, um zu bekommen, was wir
möchten und was als komplett normal und
akzeptiert gilt. Zum Beispiel der Abbruch
jeglicher Herzverbindung als Druckmittel,
gerne gepaart mit eisigem Schweigen. Oder
den Partner bewusst eifersüchtig zu ma-
chen, um Aufmerksamkeit zu erhalten.
Oder Bedürfnisse des anderen zu missach-
ten und Kränkung zu erschaffen, um echte
Nähe nicht zulassen zu müssen. Ganz nor-
males Verhalten. Spiele mit Macht.
Dabei ist Macht keine Domäne eines Ge-
schlechts. Menschen jeglicher geschlecht-
licher Identität haben es drauf. Wer die
Mechanismen von Intimität ab und zu
beobachtet, weiß, wie stark sexuelle
Macht und Manipulationskraft sein kön-
nen. Ein Blick hier, eine Geste dort, der
richtige Knopf gedrückt, voila, Ziel er-
reicht. Ich meine: Nichts ist dabei ver-
kehrt, solange über den Prozess gespro-
chen wird, solange die eigenen Ziele
kommuniziert werden, solange ein gewis-
ses Bewusstsein dahintersteckt und jeder
weiß, welches Spiel gespielt wird. So kön-
nen beide lernen und wissen, worauf sie
sich einlassen. Der Schlüssel ist das Be-
wusstsein: Was mache ich hier? Schadet es
19
Macht.spiele
MACHTSPIELE VERMEIDEN UND
DARAUS AUSSTEIGEN
Das wichtigste Werkzeug, um Machtspielen
aus dem Weg zu gehen, ist BEWUSST-
SEIN: Einen Schritt zurücktreten und
genau hinschauen, was gerade abgeht.
Dann erst ist es möglich, frei zu entschei-
den: Spiele ich mit oder nicht?
Hilfreich ist es, AUSZUSPRECHEN,
was gerade wahrgenommen wird.
„Wir haben ein Machtspiel am Laufen“,
federt meist schon viel ab, wenn das
Gegenüber in der Lage ist, das eigene
Verhalten zu reflektieren.
Oft hilft auch ein CODEWORT, vielleicht
eines, das gleich Humor in die Situation
bringt. So lassen sich verfahrene Situa-
tionen öffnen. Das Wort kommt immer
dann ins Spiel, wenn einer der Partner ein
Machtspiel erkennt.
Manchmal ist RÜCKZUG sinnvoll. Aus
der Situation gehen, durchatmen, dann
entscheiden, was als nächstes sinnvoll ist.
SELBSTFÜRSORGE in ruhigen Zeiten
stärkt das Bewusstsein für den eigenen
Wert und hilft im Fall eines Machtspiels,
die richtige Entscheidung zu treffen.
mir? Schadet es meinem Gegenüber? Was
sind meine Ziele? Welche Mittel wende
ich an, um sie zu erreichen? Kommuni-
ziere ich all das oder nicht?
Machtspiele, die unbewusst und unkom-
muniziert ablaufen, beschädigen alle, die
mitspielen – auch wenn augenscheinlich
einer gewinnt. Der Preis für den Siegerplatz
ist Trennung, auch wenn eigentlich Verbin-
dung der intimste, tiefste Wunsch ist. Doch
für Verbindung braucht es eine andere Art
der Macht, nämlich eine, bei der wir die
Verantwortung für das Wohl aller Beteilig-
ten mit einbeziehen.
NORMAL VERSUS NATÜRLICH
Es gibt also das Normale. Normales Verhal-
ten, normale Beziehungen mit Machtspielen
und Hickhack. Dem Normalen gegenüber
steht das Natürliche, das, was uns auf Seelen-
ebene ausmacht. Natürlicherweise suchen
wir Verbindung. Natürlicherweise suchen wir
Intimität, Sexualität, Nähe, Liebe, Wertschät-
zung, Respekt, Kommunikation.
20
Wenn wir uns aber alle nach Verbindung
sehnen, warum sind toxische Macht und
Machtspiele so beliebt? Warum manipu-
lieren wir zu unseren Gunsten – teilweise
ohne dies bewusst wahrzunehmen? Ich
mutmaße: Im Laufe unserer Kindheit ha-
ben sich die allermeisten von uns von
ihrem göttlichen Kern getrennt, weil sie
dachten, es stünde nicht so hoch im Kurs,
sie selbst zu sein und ihre Essenz zu le-
ben. Viele haben gelernt, dass es gut ist,
sich anzupassen, unter dem Radar zu blei-
ben, sonst wären sie unangenehm aufge-
fallen. Vielleicht wären sie zu laut gewe-
sen, zu fröhlich, zu ehrlich, zu sensitiv,
zu groß. „Bescheidenheit ist eine Zier“
und „Sei nicht egoistisch“ sind klassische
Aus- bzw. Ansagen aus der Kindheit vie-
ler. Also kommt es zur Trennung von uns
selbst. Trotzdem sitzt die Sehnsucht nach
Verbindung tief und verschwindet nicht.
Doch wir haben nicht gelernt, diese Ver-
bindung (zu uns) aufzubauen. Wir haben
erfahren: Trennung ist Sicherheit und
Verbindung gefährlich. So weichen wir
echter Verbindung zu uns und auch zu
anderen aus.
Eine Möglichkeit, das zu tun, ist toxische
Macht. Sie trennt dich und mich: Du bist
oben, ich bin unten. Will ich rauf, muss
ich kämpfen und bin so wieder in Opposi-
tion zu dir. Bin ich dann mal oben, geht
das Spiel von vorne los. Wir sind niemals
auf einer Augenhöhe, sonst wäre die Tren-
nung aufgehoben. Eigentlich ist so ein
Machtspiel eine fade Geschichte ohne Ent-
wicklung; ein Einheitsbrei, tagein, tagaus.
Irgendwann wird es einem der Menschen
in einer Partnerschaft womöglich zu blöd,
er oder sie erkennt die Chance und hört
auf zu kämpfen – und erzählt zum ersten
Mal, wie es im Innersten wirklich aussieht.
Was der Kampf mit ihm oder ihr macht.
Wie verletzt er oder sie ist. Welche Bedürf-
nisse nie befriedigt wurden. Eine große
Chance, denn so kommt Schwung in die
verfahrene Situation und alte Strukturen
können sich auflösen.
MACHT ALS CHANCE AUF ECHTE
VERBINDUNG
Jetzt wird es spannend: Eine ganz neue
Welt eröffnet sich. Echte Kommunikati-
on! Was brauche ich, was brauchst du?
Wie kommen wir dorthin? Ein Mega-Pro-
zess startet. Das Potenzial für Heilung für
beide ist enorm. Hier dreht sich das Blatt:
Zwei Menschen, gleich mächtig. Die
Schlüssel in diesem Prozess sind: bei sich
bleiben, sich selbst spüren, über jegliche
Gefühlsregung und jeglichen Wunsch re-
den. Die eigene Größe und die des ande-
ren wahrnehmen.
Machtspiele verlieren dann ihren Reiz, weil
beide erkennen, dass sie nur eine Plastik-
welt aufrechterhalten. Eine Welt der Duali-
tät. Sind wir jedoch verbunden, braucht es
all das nicht mehr. Kein Kämpfen mehr. So
kommen alte Verletzungen ans Licht und
können mit Mitgefühl betrachtet werden.
Genau hier beginnt der Weg der Heilung
für beide. ♥
RAUS AUS DEM MACHTSPIEL:
DAS TUT DIE ENERGETIKERIN
Wenn ich erkenne, dass ich gerade ein
Machtspiel starte oder in eines verwickelt
werde, hole ich schleunigst sämtliche Energi-
en zu mir zurück und steige
auf keine Diskussionen ein. Denn gewin-
nen kann bei diesem Spiel
niemand, außer das Ego, das sich
freut, wenn wieder einmal die
Trennung gesiegt hat.
Konkret bedeutet das: Ich verlasse die
Situation und atme in ruhiger Umgebung
einige Male langsam und tief ein und
aus. Ich spüre in meinen Bauchraum
und checke: Habe ich alle Energien
bei mir? Selbst Menschen, die dies noch
nie praktiziert haben, spüren, ob sie all
ihre Kraft bei sich haben oder ob sie
irgendwo ausgestreut oder zu jemand
anderem gewandert ist. Fehlt ein Teil
der eigenen Kraft, stelle ich mir vor, wie
ein Magnet alle meine ausgelagerten
Energien in meine Mitte zurückzieht. Ich
spreche folgenden Satz: „Alle meine ausge-
lagerten Energien kommen jetzt
zu mir zurück und alles, was nicht zu
mir gehört, geht“. Erst wenn alles, was
zu mir gehört, wieder daheim ist,
gehe ich neuerlich in Kontakt mit
meinem Gegenüber.
Séparée No. 40

DER BILDUNGSTRÄGER
Das Liebesleben kann schillernd oder skurril, amüsant oder zum
Verzweifeln sein. Una G. erzählt hier von ihren Abenteuern.
MEINE FREUNDIN N. EMPFIEHLT für die Suche nach dem
Mann für den Rest des Lebens Männer auf dem zweiten oder
dritten Bildungsweg. Damit meint sie nicht einen akademischen
Abschluss – obwohl der nicht schaden kann. Und auch keine aus-
gewiesenen beruflichen Weiterbildungen oder Umschulungen,
sondern Männer, die beziehungstechnisch schon mal richtig ge-
strandet oder auf Grund gelaufen sind und – jetzt trennt sich die
Spreu vom Weizen! – etwas daraus gelernt haben. Ob durch
Selbstreflektion oder Therapie. Sie hat mit dieser Strategie den
Volltreffer gelandet.
Aber wie findet man so einen Mann? Ich kenne genug Männer, die
verlassen worden sind und sich bis heute fragen, warum ausgerech-
net ihnen dieses schlimme Schicksal widerfahren ist, wo sie sich
doch stets bemüht haben. Und die sich keinen Reim darauf ma-
Foto: Pexels_pixabay.com
chen können, außer Opfer einer fremdgesteuerten Feministin oder
ausgewiesenen Narzisstin geworden zu sein.
Vielleicht findet man den beziehungsreifen Mann ja auf einer der
besseren Dating-Plattformen, die Geld kosten. Was nichts kostet,
ist ja bekanntlich nichts wert. Hier kann man immerhin schon mal
nach akademischem Abschluss und Beziehungsstatus filtern. Dem-
Séparée No. 40
Single. Blog
nach wären wohl die geschiedenen Kandidaten die eigentlichen
Hoffnungsträger. Immerhin sind die schon mindestens einmal
durch den Schlamassel gegangen und haben einen Schlussstrich
gezogen oder gezogen bekommen. Das weiß man ja nicht. Ge-
trennt kann man vergessen. Die hängen doch noch mit einer Lippe
an der der Ex und unterliegen damit einem gewissen Rückfallrisiko.
Meine Freundin T., ganz die Pragmatikerin, verlässt sich lieber auf
die eigene Intuition statt auf Algorithmen und empfiehlt Tantrase-
minare. Männer, die sich dahin trauen, sind zumindest bereit, sich
mit den Untiefen der eigenen emotionalen Wünsche und Bedürf-
nisse auseinanderzusetzen, die jetzt mal über die Triade von „Mein
Haus, mein Boot, mein Auto“ hinausgehen. Möglich, dass sich da
auch der eine oder andere ganz schlaue Typ anmeldet, um Frauen
abzuschleppen, die ihm quasi nackt serviert werden. Aber für den
Preis kann man ein mehrjähriges Prämium-Abo für einschlägige
Apps abschließen, wo man f...freudige Damen findet, die nicht
noch ausgiebig über das Erlebnis reflektieren möchten. T. hat mit
Tantraseminaren gute Erfahrungen gemacht, auch wenn der Mann
für den Rest des Lebens noch nicht dabei gewesen ist. Die meisten
Teilnehmer waren frisch getrennt ... ♥
21
22 Séparée No. 40
 Akt. Er

OSTER-
SPAZIER-
GANG
Fotos: Janine Patejdl
Model: @vampirhaut

Séparée No. 40 23
Akt. Er

24 Séparée No. 40
Séparée No. 40
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26 Séparée No. 40
 Akt. Er

Séparée No. 40 27
28 Séparée No. 40
Séparée No. 40
36 29
30 Séparée No. 40
 Akt. Er

Séparée No. 40 31
Akt. Er

32 Séparée No. 40
Séparée No. 40
36 33
34 Séparée No. 40
 In. Serie

Frau Libido
neu belebt
Text: Mia Schwinge

ÜBER EIN HALBES JAHR HABEN Frau zischte ich ihr entgegen. „Bin wieder da!“, Fragen streckte er mir plötzlich seine Hand
Libido und ich jetzt schon Abstand vonei- erwiderte sie entschieden. „Ich will leben!“ entgegen. „Ich glaube, ich sollte mich mal
nander. Sie ist im Libido-Limbus im Ur- Ich spürte, dass es keinen Sinn hatte, jetzt vorstellen.“ Ich fasste seine Hand. „Ich bin
laub und ich arbeite an mir selbst und habe mit ihr eine Diskussion anzufangen, außer- der Eigentümer.“ Ich spürte, wie mir das
ebenfalls so eine Art Urlaub – von ihr. Au- dem kam der heiße, hilfsbereite Handwer- Blut in die Wangen schoss. „Was?“, fragten
ßer beim Halloween-Zwischenfall hat sie ker ja gleich wieder. Also mixte ich meiner Frau Libido und ich gleichzeitig. „Ja, ich
sich an den Vertrag gehalten und mich in Frau Libido schnell einen Katzenminze- stelle mich normalerweise nicht vor, aber
Ruhe gelassen. Bis heute. Bis die Handwer- Smoothie und hoffte auf eine rasche Wir- ich glaube, ich kann dir da vertrauen.“ In
ker kamen. Ich habe sonst keine Phantasien kung. Ich kochte auch einen Tee für die einem inneren Monolog überschlugen sich
mit Handwerkern à la „Rohr verlegen“ und Arbeiter, sicher ist sicher, und man muss meine Gedanken. Libido keifte, dass wir
war keineswegs darauf vorbereitet, dass ei- nett sein, dachte ich. Als der hinreißende einen reichen Immobilienbesitzer auch
ner der zwei Männer, die tatsächlich nach Mann mit dem Ersatzteil eintraf, wurde es noch nie gehabt hätten und ich dachte ir-
einem Rohr unter dem Waschbecken schau- auch nett, sehr nett. Wir tranken Tee, wäh- gendwas wie, wenn ich das gewusst hätte,
en wollten, sehr, sehr attraktiv war. Als sich rend der andere das Teil einbaute. Frau Li- wäre meine Wohnung sauberer. Richtig Ab-
unsere Blicke trafen, wusste ich sofort: Das bido saß neben ihm auf dem Sofa und at- sturz. Hilfe. Mayday. Er berührte mich
fühlt Frau Libido auch, auf welcher Ebene mete ihn quasi weg. Sie klebte einfach mit etwa viermal am Arm, lächelte durchgängig
auch immer sie gerade schwebt. Ich spürte ihrem Gesicht an ihm und hyperventilierte und gab mir seine Nummer, falls doch
ein leichtes Kribbeln unter meinen Füßen, fast. Ich konnte mich kaum konzentrieren. noch etwas sein sollte – mit dem Rohr.
dann ein Beben – waren das die Rohre? – „Bist du von hier?“, fragte er mich. „Ich „Schreib ihm und sag, du hast eine Frage
und schon stand sie neben mir. Sie trug ei- wohne schon 18 Jahre hier im Haus“, ant- zu SEINEM Rohr!“, schlug Libido mir fei-
nen Hut mit einer riesigen Krempe, einen wortete ich strahlend, als hätte ich gerade xend vor, als beide durch die Tür waren.
durchsichtigen Strand-Poncho und hatte den ersten Platz im Buchstabierwettbewerb „Oder dass du die Miete nächsten Monat
die Ausmaße eines Elefanten in der Puber- gewonnen. Also ungefähr wie eine Drei- mit Blowjobs bezahlen möchtest!“, über-
tät – und schätzungsweise eine ähnliche zehnjährige mit Zahnspange, so fühlte ich schlugen sich ihre Vorschläge und ihre
Energie. Ihre Koffer hatte sie auch dabei. mich jedenfalls dabei. Nach einigen weite- Stimme. „Oder dass es in deinem Schlaf-
„Nein!“, rief ich schockiert. ren Gemeinsamkeiten zimmer ein großes Leck gibt und ...“ So
„Wenn du das heute noch repariert haben und etwas persön- habe ich also den Eigentümer meines Hau-
willst, muss ich leider noch mal los und ei- lich werdenden ses mal kennengelernt. Das wird eine auf-
nen passenden Aufsatz kaufen. Oder musst regende Nacht heute. Willkommen zurück,
du weg?“ Frau Libido! ♥
„Nein, nein, ich muss ja waschen“, stammel-
te ich, bevor ich mich wieder fasste.
Kaum war der schöne Mann aus
der Tür, da hätte Frau Libido
den anderen Handwerker
fast umgerempelt. Zum
Illustration: Jennifer van de Sandt

Glück bückte er sich ge-

rade nach der Rohrzan-
ge. Ich schnappte die Rie-
sin und zerrte sie in mein Schlafzimmer.
„Hast du ihn gerochen?“, schrie sie mir ins
Ohr. „Er ist so lecker! Und ein Handwer-
ker! Hatten wir noch nie!“, jauchzte sie
überglücklich. „Du bist gar nicht da!“,

Séparée No. 40 35
Erotic.Slam

36 Séparée No. 40

Ken, wo ist denn
dein Sixpack hin?
Text: Idamena
ÜBERRASCHTE GESICHTSFALTEN. „JA, DIE BLUMEN SIND
FÜR DICH. Du solltest deine ersten nicht erst zur Beerdigung be-
kommen.“ Der kunterbunte Strauß landet in einer Vase. In seinem
Herzen ein warmes Gefühl. Es gibt vielleicht keinen Anlass, trotz-
dem bezahle ich heute Abend, zücke das Portemonnaie als erste, sei
es nur, um ihm ein Eis auszugeben. Überschütte ihn mit Kompli-
menten, weil viele es nie tun würden. Vielleicht sieht die Strand-
matte, die er sich jeden Tag in die Haare schmiert, heute besonders
nach Surfer Boy aus, obwohl er noch nie auf einem Brett stand.
Vielleicht sitzt die Hose heute so gut, dass sie den Po genau richtig
betont und farblich zu seinem Tattoo passt. Er ist einfach zum
Anbeißen. Umwerfend. Bezaubernd. Seine überraschten Gesichts-
falten glätten, denn ja: „Ich finde dich sehr hübsch.“
Er sollte häufiger gespiegelt bekommen, dass die Mühe, die er sich
gibt, bevor er das Haus verlässt, gelohnt hat. Was ich in ihm sehe,
sollte ich ihm häufiger erzählen. Wie schön ich sein Inneres wahr-
nehme. Vor allem, wenn er sein T-Shirt wieder nicht ausziehen
möchte, wenn wir im Strudel der Leidenschaft sind. Ich an man-
chen Tagen nicht seinen gesamten Körper berühren darf, weil er
sich unwohl fühlt. Er ist weit entfernt davon, wie ein Model auf all
den Werbeplakaten auszusehen, von denen keiner mit Fett an der
Hüfte abgelichtet wird. Gäbe es Barbie in der Wirklichkeit, dann
wäre er nicht zu ihrem Ken auserwählt worden, um zusammen mit
ihr in der Packung zu stehen. Den dort unter den weit sitzenden
Klamotten sind keine Muskeln. Er erreicht auch die Einsachzig
nicht und erfüllt auch darin nicht die Ansprüche, die ihm von allen
Seiten gestellt werden, wie er zu sein und auszusehen hat, als rich-
tiger ... Ken.
Foto: Wayhome Studio
Séparée No. 40
Erotic.Slam
Doch genau so wie er ist, mag ich ihn, denn so bekomme ich kei-
nen steifen Nacken, wenn ich ihm einen Kuss auf die Wange geben
möchte. Und wenn er dort vor mir liegt, betrachte ich sie gerne, die
Dehnungsstreifen. Seine Haut, die eine Geschichte trägt und das
direkt auf seinem Bauch. Doch auch die, die seine Schultern zieren.
Jede einzelne fahre ich mit meinem Finger nach und verliebe mich
noch mehr, in seine Figur. Seine Gürtelschnalle ist zwar nicht ein-
fach zu erreichen, da sein Bauch etwas darüber ragt, doch das soll
mich nicht davon abhalten, ihn vollkommen zu entkleiden. Seinen
Blick muss er nicht senken, er braucht sich nicht zu verstecken.
Wenn er so vor mir steht, könnte ich ihn Ewigkeiten so betrachten.
Wenn wir kuscheln, ich meinen Kopf ablege, sinke ich ein in mein
Lieblingskissen. Es ist nur etwas haariger als die vom Möbelhaus.
Auch das: nicht störend. Sinke ein, in dieses Bäuchlein, das es sei-
nem Selbstwert so schwer macht, erhaben zu sein, zufrieden mit
sich selbst. Sich als liebenswert zu sehen. Dass es ihm so schwer
macht, sich zu trauen, Barbie anzusprechen. Oder Gefühle zu zei-
gen, wenn er zurückgewiesen wird. Was es mit ihm macht, wenn
eine sich dazu entscheidet, mit einem angewiderten Blick auf seine
nette Frage zu reagieren. Ihn ohne Antwort wegzuscheuchen und
das nur, weil sie sich für besser hält als ihn. Weil sie nur seine Hül-
le sieht und nicht herausfinden möchte, was sich hinter XXL ver-
birgt. Doch ich, Barbie, sage: Ich würde mit ihm ausgehen und
hoffen, dass er sich trotz allem mit der Zeit irgendwann als wertvoll
sehen kann. Ich bringe ihm nicht nur Blumen mit, sondern auch
Taschentücher, um jede Träne, die er vergießen möchte, zu trock-
nen, weil die Welt auch zu ihm unfair ist. ♥
37
Erfahrungs.bericht

Intimer,
vertrauter, tiefer

38 Séparée No. 40

Erste Schritte im Tantra
Tantra ist mittlerweile für viele ein Begriff, doch was sich genau dahinter verbirgt,
lässt sich nicht so leicht in Worte fassen. Erklärungsversuche und Vorstellungen
bleiben oft schwammig. Meinem Mann und mir ging es nicht anders und so
haben wir uns mit Haut, Herz und Seele auf eine Tantra-Session eingelassen.
ICH LERNTE JANIE SWAHN in der Urania Berlin nach einer Ge-
sprächsrunde zum Thema „Tantra für Dummies“ kennen. Auf der
Bühne wurde sie als „TantraMama“ vorgestellt. Sie sprach begeistert
und strahlte so viel Glück aus, dass ich sie hinterher ansprach. Die
gebürtige Sachsen-Anhaltinerin lebt inzwischen mit ihrem Mann
und Tantra-Partner in Schweden, aber ist regelmäßig in Deutschland
bei ihrer Familie in und um Berlin, sodass ein Termin für eine Tan-
„Wer keine
tra-Session kein unüberwindliches Hindernis darstellt.
Mein Mann und ich luden Janie zu uns
nach Hause zum Essen ein. Da wir uns
schon einmal getroffen hatten, ohne dass es
zu der geplanten Session gekommen war,
kannten wir uns schon etwas. Im Gespräch
fragte Janie uns nochmal konkret, was wir
uns denn für die Session wünschen würden.
Wünsche äußert,
So genau konnten wir das gar nicht artiku-
lieren. Zu wenig konnten wir uns darunter
bürdet dem
vorstellen. Ich sagte, ich würde einfach gern
mal wieder etwas Neues lernen und erle- Partner die
ben, gemeinsam mit Julian: Wir sind jetzt
seit sechs Jahren zusammen und lieben und
leben im Allgemeinen sehr harmonisch
Verantwortung
miteinander, es gibt keine großen Baustel-
len zu bearbeiten, aber mir ist es wichtig,
uns unsere Lust und Neugier zu erhalten
auf.
und zu pflegen, damit es nicht doch irgendwann langweilig wird.
Nach dem Essen sorgten wir für gemütliches indirektes Licht, auf
Janies Geheiß hell genug, dass wir uns noch in die Augen schauen
konnten. Sie bespielte unsere Musikanlage mit einer Playlist mit
indischen Klängen. Dann ließ sie uns auf unserem Bett Platz neh-
men. Julian saß im Schneidersitz mir gegenüber, Janie auf einem
Stuhl neben dem Bett.
Foto: SVP Productions@ stock.adobe.com
Wir sollten die Augen schließen, tief ein- und hörbar ausatmen und
zunächst nur unseren eigenen Körper spüren und zur Ruhe kom-
men. Dann bat Janie uns, uns unseren Partner vorzustellen, so wie
zu dem Zeitpunkt, als wir uns kennenlernten, bevor wir anfingen,
unsere gemeinsame Geschichte zu schreiben, bevor wir uns unsere
Liebe gestanden oder stritten oder sich sonst irgendetwas zwischen
uns stellte.
Schließlich lud Janie uns ein, einen virtuellen Kokon, eine Love
Bubble, um uns zu ziehen. Ich beschrieb die Ausmaße des Kokons
mit meinen ausgestreckten Armen. Alles, was wir in unserer Liebes-
Séparée No. 40
Erfahrungs.bericht
Text: Ruth Batella
blase nicht gebrauchen konnten, sollten wir nun rauszuschmeißen:
Gedanken an die Arbeit oder andere Verpflichtungen, an vergange-
ne Konflikte oder Streitigkeiten oder was auch immer. Dann sollten
wir, ebenfalls laut artikuliert, alles in unseren Kokon holen, was wir
in unserem Liebesnest bei uns haben wollten. Janie bat uns, dem
anderen die Momente zu nennen, in denen wir uns am stärksten
verbunden fühlen. „Wenn wir miteinander tanzen und ein geiler
Track kommt, bei dem ich sofort weiß, dass wir ihn beide toll fin-
den“, fiel mir gleich als erstes ein. „Wenn
wir uns eine Woche nicht gesehen haben
und uns zum ersten Mal wieder auszie-
hen und unsere Haut spüren“, sagte Juli-
an. Wir konnten noch mehr aufzählen,
und anschließend legten wir uns gegen-
seitig die Hand aufs Herz, synchronisier-
ten unsere Atmung und spürten einfach
nur unsere Liebe von einem zum anderen
strömen. Dann erst sollten wir die Augen
öffnen und uns ansehen. Ich strahlte mei-
nen Mann vor lauter überströmender
Glückseligkeit bis über beide Ohren lä-
chelnd an und sah noch, wie er Tränen
“ der Rührung wegblinzelte.
Nachdem wir uns nun in der richtigen
seelischen und emotionalen Verfassung
befanden, unsere Aufmerksamkeit nur auf unsere Zweisamkeit ge-
richtet, wurde es körperlicher. Bei dieser zweigeteilten Übung sollte
jeweils nur einer von uns gebender und der andere empfangender
Part sein.
Zuerst wollte Julian der gebende Part sein und mich mit seiner Auf-
merksamkeit beschenken, das kann er nämlich ausgezeichnet. Ich
entschied mich dafür, mich auszuziehen, weil ich gern nackt bin,
aber genauso gut hätte ich auch all meine Sachen anbehalten kön-
nen. Ich legte mich auf den Rücken, eine kuschelige Decke über den
Beinen, Julian an meiner Seite. Zunächst sollte er mich nur mit den
Augen bewundern, dann erst seine Hand auf mein Herz legen. Ich
sollte ihm sagen, was mein Herz gern hören würde. „Ich liebe dich“,
zögerte ich keinen Augenblick, denn obwohl ich weiß, dass Julian
mich liebt, sagt er es doch selten und mit einer gewissen Scheu. Er
sagte es erst ganz leise, dann immer lauter und bestimmter. Schließ-
lich sollte ich mir eine Berührung wünschen. Meinen Hals sollte er
dabei küssen, denn auch das kam mir sonst oft zu kurz. Ich rekelte
39
Erfahrungs.bericht

mich wohlig und göttinnengleich unter seinen Worten und Berüh- und einfach auseinandersetzte. Oft schon hatte ich Julian danach
rungen. Dann sollte seine zweite Hand auf meiner Yoni liegen. Ich gefragt, ob es noch irgendwelche heimlichen unerfüllten Fantasien
konnte die Verbindung zwischen Herz und Yoni und das daraus re- gäbe, die wir zusammen umsetzen könnten. Oder ob ich ihn denn
sultierende Kribbeln spüren. Meine Yoni wünschte sich kichernd zu nicht mal mit verbundenen Augen ans Bett fesseln und liebkosen
hören: „Ich mache alles, was du willst“. Also positionierte ich Julians sollte. Oder ich fragte ihn, wie ihm dieser oder jener Handgriff
Hand exakt so, wie ich es mir vorstellte, meine gesamte Vulva mit gefiele, aber er sagte im Prinzip immer nur: „Alles was du tust, ist
gleichmäßigem Druck und ohne Bewegung bedeckend, und genoss toll, egal wie du mich anfasst.“ Das ist zwar einerseits ein großes
seine ungeteilte Zuwendung und die fortwährend wiederholten Wor- Kompliment, aber über eine konkrete Handlungsanweisung ab
te. Als Abschluss dieser Session wünschte ich mir, nackt und eng und zu würde ich mich auch sehr freuen. Schließlich hatte sich
umschlungen mit Julian zu knutschen. Julian oft über verflossene Partnerinnen beschwert, die nicht sagen
Anschließend tauschten wir unsere Plätze. Ich schlüpfte in Julians konnten, was ihnen gefiel, bei denen er im Dunkeln tappen muss-
Pullover, während er sich nackt auf den Rücken legte. Ich kniete te, anstatt klaren Anweisungen folgen zu können. Ich habe oft sehr
mich neben ihn, um ihn gut ansehen und berühren zu können. Im konkrete Wünsche: Heute kraul mir bitte den ganzen Körper, heu-
Gegensatz zu mir fiel es ihm enorm schwer, sich etwas Konkretes zu te nimm das Seil, öl mich ein, mach heute ganz langsam, leck
wünschen. „Es ist alles gut, so wie es ist, mehr brauche ich nicht“, mich, ich will mich hinknien und nach hinten an dich lehnen ...
lenkte er ab, doch Janie ließ nicht locker, bis er seine Wünsche äu- Ich liebe es, wenn Julian nach meinen Vorstellungen mit mir spielt,
ßerte. Sein Herzenswunsch rührte mich sehr, denn er wollte von mir was er hervorragend kann, und würde ihm das gern zurückgeben.
hören: „Mein Herz fühlt sich sicher bei dir“, was ich ihm aus tiefs- Wenn er mir sagte: „Heute wünsche ich mir, dass du dieses oder
tem Herzen versichern konnte. Berührt werden wollte er „überall“, jenes mit mir tust“, ich würde mich begeistert in Aktion stürzen.
also streichelte ich seinen ganzen Körper, während ich ihm den Satz Weil er das nicht tut, bleiben wir unter unseren Möglichkeiten,
mit jeder nur denkbaren Betonung vortrug. Auch Julians Lingam denn so muss ich die ganze Denkarbeit leisten, meine Fantasie
war offenbar wunschlos glücklich und konnte sich nur mit großer auch für ihn ankurbeln, überlegen, wonach ihm der Sinn stehen,
Überwindung etwas wünschen. was ihm heute gefallen könnte. Das ist auf Dauer anstrengend,
Foto: SVP Productions@ stock.adobe.com

Janie bestand darauf, dass er sich konkrete Wünsche überlegte und sich immer was einfallen zu lassen.
artikulierte. „Wenn du keine eigenen Wün-
sche äußerst, bürdest du deiner Partnerin
die ganze Verantwortung auf. Dann muss
sie rätseln, was dir wohl gefällt und weiß
nicht, was dir vielleicht noch besser gefiele.
Wie wollt ihr euch so weiterentwickeln?
Indem du deine Wünsche äußerst, über-
nimmst du selbst Verantwortung.“ Ich jubi-
lierte innerlich, als Janie ihm das so klar
Janie Swahn und ihr Partner bieten un-
ter anderem auch Online-Tantra-Anlei-
tungen und 2:2 Beziehungscoachings an.
Jede Session ist individuell auf das Paar
abgestimmt. Der hier wiedergegebene
Ablauf beschreibt nur eine von vielen
Möglichkeiten im Tantra. Mehr Infos auf
comealittlecloser.se
Durch unsere Session hat Julian nun selbst
gemerkt, dass er seine Stimme finden und
kultivieren muss, damit wir unsere Beziehung
noch intensivieren und vertiefen können. Da
wir bereits eine sehr sinnliche und erfüllte Se-
xualität miteinander genießen, hatte ich gar
nicht geglaubt, dass uns Tantra so viel weiter-
bringen würde, aber wie Janie uns versicherte:
Es geht immer noch besser und tiefer! ♥

40 Séparée No. 40
 Männer.talk

DIE TIGERÜBUNG
Wenn der Penis unter Druck steht
Text: Jill Tammling

Für viele Männer ist der Penis von zentraler Bedeutung für ihre Männlichkeit, doch
die eigene Sexualität ausschließlich mit seiner Erektionsfähigkeit gleichzusetzen,
birgt die Gefahr, sich selbst unter enormen Druck zu setzen. Was also tun, wenn
zwischen dem erotischen Ideal und der Wirklichkeit eine Lücke klafft?

IM BESTEN FALLE LÄUFT ES SO: Sobald der Penis anschwillt,

das Blut hineinströmt, sich die innere Muskulatur stärker aufbaut
und die Erregung in einer immer härter werdenden Erektion gip-
felt, kann der dazugehörige Mann die Sehnsucht nach Sex nicht
mehr ignorieren. Der Wunsch nach Umschließung des harten Penis
manifestiert sich in den Gedanken. Ob es eine Vagina, ein Mund,
ein Anus oder die Vorstellung von Brüsten oder Händen sind, die
den Penis stimulieren können – die Phantasien sind nicht mehr zu
bremsen. Die eigene Männlichkeit zu spüren und zu wissen,
dass der Schwanz sofort bereit wäre, eingesogen zu
werden, löst eine Kettenreaktion der Begierde aus.
Die Gedankenspiele überschlagen sich. Manch-
mal sind es lediglich Sex-Fragmente, die vor
dem inneren Auge ablaufen, aber schon
die bloße Vorstellung einer feuchten und
warmen Umgebung, nach der sich der
erregte Mann sehnt, kann sich bereits zu
einer intensiven Erfahrung auftürmen.
Das Wissen, sich unmittelbar mit einem
anderen Menschen vereinigen zu können,
stellt den ersten Lustpunkt dar. Durch die-
se Sicherheit durchströmt den Mann ein
Schwall kraftvoller sexueller Energie und po-
tenziert die eigene wahrgenommene Vorfreude
auf eine orgasmische Entladung. Der Penis pulsiert,
richtet sich immer weiter auf, glüht förmlich vor Lustemp-
finden und ist dem Explodieren nahe. Kommt es dann zum Sex, in
welcher Form auch immer, ist der Moment des Eindringens für den
erregten Mann oftmals ein Augenblick mit tausend Sinnesempfin-
Foto: Julie Bouchard_Pixabay
bei zunehmender Befriedigung ein Wechselspiel aus Spannung und
Entspannung – Stoß um Stoß gelangt der Penis näher zum Höhe-
punkt. Die Erregung ist ein erster Reflex, der je nach Möglichkeiten
weitergetrieben wird, sodass nach genussvoller Reise ein zweiter
Reflex ausgelöst wird: der Orgasmus als krönender Abschluss.
Der Mann strotzt nur so vor Leidenschaft und ergibt
sich dem sättigenden Gefühl der vollkommenen
Befriedigung. So oder so ähnlich kann die ge-
nussvolle sexuelle Erregungssteigerung eines
Mannes beschrieben werden.
Doch mitunter knirscht es an einigen
Stellen in diesem Getriebe schon vor
dem ersten Aufflammen der Lust, wenn
auf dem Penis ein zunehmender Leis-
tungs- und Erfolgsdruck lastet. So kann
die wortwörtliche Latte durch unrealisti-
sche Phantasien zu hoch gelegt werden, aber
auch eine ungesunde Partnerschaft kann dafür
sorgen, dass sich der subjektiv empfundene Druck
auf die Potenz auswirkt. Dabei wiegt das riesige Herz,
das der Mann vor sich herträgt, tonnenschwer auf dem Penis.
Gefallen-Wollen, Verführen-Wollen, Männlich-Wirken-Wollen sind
genau diese Denkblockaden, die zur Folge haben können, dass im
Bett nichts mehr geht. Außerdem wird in unserer Gesellschaft nahe-

dungen, die alle gleichzeitig auf ihn einströmen. Je nach emotiona-
ler Intensität und dem eigenen Kontakt zum Penis kann sich schon
dieses erste Eintauchen wie ein Feuerwerk anfühlen. Dann beginnt
zu automatisch angenommen, dass der Mann schon wissen wird,
wie er mit seinem Penis umzugehen hat.
Doch das eigene Genital zu erotisieren, ist ein Prozess, mit dem
immer mehr Männer überfordert sind. Je nachdem, ob und wie ein
Mann lernt, sich sexuell zu entdecken, ebnet dies den Weg, nicht
nur Penisträger, sondern sexuelles Wesen zu sein. Schon die ersten

Séparée No. 40 41
Männer.talk

Foto: ArTo@stock.adobe.com

42 Séparée No. 40

Erfahrungen nach der Autoerotik bergen Gefahren, in seiner Männ-
lichkeit in Frage gestellt zu werden. Im Laufe der Jahre entwickelt
der Mann (Frauen natürlich auch) ein sexuelles Muster, in dem er
überwiegend gut funktioniert. Es kann jedoch sein, dass dieses Mus-
ter mit der Zeit entweder zu langweilig wird oder es nicht mehr so
verlässlich funktioniert, wie man es gewohnt ist. Die Sinnesreize
beginnen sozusagen abzustumpfen, und es entsteht der Eindruck,
nicht mehr genug zu spüren, um sich vollständig zu erregen. Dieses
meist unbewusst angelegte Muster zu durchbrechen, erfordert Lern-
schritte. Doch realistische Vergleichsmöglichkeiten und ein Aus-
tausch darüber, wie nun genau die männliche sexuelle Energie am
besten eingesetzt werden kann, gibt es in den seltensten Fällen im
Freundeskreis oder anderen sozialen Gefügen. Vielmehr orientiert
man sich an Pornos, an unechten Darstellungen, die nur noch mehr
Druck erzeugen und bleibt alleine mit der Unsicherheit zurück.
Dazu kommt auch, dass Männer oftmals darauf konditioniert sind,
eine gewisse Enge beim Geschlechtsverkehr zu brauchen, weil viele
sich in einem mechanisch-archaischen Modus erregen. Wenn sie
diese nach einiger Zeit weniger empfinden, weil auch hier ein Ge-
wöhnungseffekt einsetzt, suchen sie diese teilweise beim Analsex,
da der Schließmuskel deutlich mehr Druck auf den Penis ausüben
kann. Analsex kann eine Alternative zum vaginalen Geschlechtsver-
kehr sein, sofern beide diese Praktik genießen können und das
Lustempfinden der Frau langfristig nicht auf der Strecke bleibt.
Sollte der Penis eines Tages nicht mehr wie gewohnt funktionieren
oder sogar gänzlich den lustvollen Dienst einstellen, führt dies für
den betroffenen Mann durchaus zu einem bedrohlichen Zustand.
Die einen können damit zwar verhältnismäßig gut umgehen und
nutzen Kompensationsstrategien, andere fühlen sich jedoch kalt
erwischt und verlieren nach und nach die Neugierde und das Inter-
esse am Sex.
Wie auch immer die Hürden in der männlichen Sexualität aussehen,
es gibt eine Menge Möglichkeiten, um diesen entgegen zu wirken
und sich Unterstützung zu suchen, bevor die Beziehung in die Brü-
che geht oder gar das ganze Selbstwertgefühl zerfressen wird.
Ob und wie sich ein Mann Hilfe holt und
die eigenen sexuellen Entwicklungspoten-
ziale betrachtet, ist individuell sehr unter-
schiedlich. Je nach Geschmack kann man
erst einmal für sich mit Hilfe von Litera-
Foto: Christoph Wacker
tur, Podcasts, Videos oder anderen Medi-
en versuchen, einen Weg zu besserem Sex
zu finden. Auch der persönliche Kontakt
Séparée No. 40
Männer.talk
zu einer Sexologin oder einem Sexologen kann sinnvoll sein. Wer
gleich heute anfangen möchte, für den haben wir hier einige
Übungsschritte, mit denen sich der interessierte Mann ganz für sich
allein vertraut machen kann, um den Kontakt zum eigenen Penis
zu stärken.
SCHRITT 1: DAS GENITALE SELBSTBILD ENTDECKEN
Den eigenen Penis betrachten, anfassen, streicheln, sich selbst dar-
über bewusst werden, was man an ihm schön und ästhetisch findet,
welche Merkmale man vielleicht weniger attraktiv findet, die Größe
wahrnehmen, ausprobieren, wie er sich verändert, bei kälterer und
wärmerer Umgebung, spüren, wie er sich aufrichtet oder auch
schlaff bleibt, mit den Fingern sanft den Schaft entlang klopfen, die
Hoden in die Hand nehmen, einfach eine Weile mit beiden Hän-
den Penis und Hoden halten, pausieren, nachspüren, wie der Penis
mit dem Körper verbunden ist und schließlich in der sexuellen
Erregung und nach dem Ejakulieren schauen, wie er sich verändert,
welche Strahlkraft von ihm ausgeht.
SCHRITT 2: TIGER-ÜBUNG
Auf Händen und Knien nackt auf dem Boden knien, den Kopf nach
unten hängen lassen, zwischen den Schultern kreisen, Bewegung in
die Hüften bringen, die Füße kreisen, dann einen Mittelpunkt fin-
den, bei dem man nicht zu sehr im Hohlkreuz durchhängt, aber
auch nicht zu angespannt den Körper verkrampft, eine angenehme
Position finden, den Penis baumeln lassen, dann Stoßbewegungen
mit der Vorstellung ausprobieren, dass der Penis eine Verlängerung
hat und man einen Gegenstand vor dem Kopf erreichen möchte,
Wiederholung der Bewegungen langsam und schneller, Unterschie-
de erkennen, zwischendurch immer wieder nachspüren.
SCHRITT 3: SICH ANDERS SELBST BEFRIEDIGEN
Die Atmung bewusst tief und langsam werden lassen, spüren, wo
im Körper Spannungen liegen, die Phantasien kommen lassen, das
Becken ähnlich wie bei der Tiger-Übung vor- und zurückbewegen,
je langsamer dies geschieht, desto mehr kann man an Sinneswahr-
nehmungen genießen, die Emotionen fließen lassen, die genitale
Erregung vom Penis ausgehend in den ganzen Körper hinein len-
ken, auf Pornokonsum während der Selbstbefriedigung mindestens
jedes vierte Mal verzichten, sich vorstellen, dass man mit den Stö-
ßen die eigene sexuelle Energie steigert, herausfinden, welche Be-
wegungen sich gut anfühlen und sowohl
Atmung als auch Bewegung in der Intensi-
Jill Tammling bietet
tät variieren. ♥
Einzel- und Paarbe-
ratung zu verschie-
denen sexuellen und
beziehungsrelevanten
Fragen in ihrer Praxis
in Eckernförde an. Auf
YouTube ist ihr Video
„Penis und Erektionsfä-
higkeit“ zu sehen.
43
Paar. Strecke

44 Séparée No. 40
 Paar. Strecke

Venus
und ihre
Gespielen
Fotos: Yvonne Sophie Thöne
Models: Alexandra Linnemann, Andreas Koch,
Sebastian Lionrising, Tobias Wulff, Werner
Visagistin: Aylin Bilik

Séparée No. 40
38 45
Paar. Strecke

46 Séparée No. 40
Séparée No. 40 47
Paar. Strecke

48 Séparée No. 40
 Paar. Strecke

Séparée No. 40 49
Paar. Strecke

50 Séparée No. 40
Séparée No. 40 51
Paar. Strecke

52 Séparée No. 40
Séparée No. 40 53
Paar. Strecke

54 Séparée No. 40
Séparée No. 40 55
Paar. Strecke

56 Séparée No. 40
Séparée No. 40 57
Mutter.milch

Geiler
Scheiß
‚Das gibt’s noch nicht. Das
braucht die Welt’, dachte
sich Eve Geißler aus
der Gemeinde Muldestausee
in Sachsen-Anhalt.
Zusammen mit Expertinnen
und Experten aus
Dermatologie, Kosmetik und
Produktentwicklung hat sie
LaLeMa erfunden –
eine DIY-Pflegelotion
mit einem besonders hohen
Anteil an Muttermilch.
Damit will die junge Mama
das bisherige Angebot an
Babypflege revolutionieren.
Franziska Stawitz hat mit
ihr über den Weg von der
Idee bis hin zum fertigen
Produkt gesprochen.

Interview: Franziska Stawitz

58 Séparée No. 40

Séparée: Eve, du bist Gründerin von
LaLeMa, natürliche Pflege aus Muttermilch.
Wie bist du auf die Idee gekommen?
Eve Geissler: Da muss ich die Uhr ein
Stück zurückdrehen. Ich habe 11 Jahre mei-
nes Lebens in der Beauty-Branche bei Dou-
glas im Management verbracht und dort
Hautpflege-Produkte eingekauft. Was ist
drin an Inhaltsstoffen? Was braucht unsere
Haut? Wie ist sie aufgebaut? Mit all diesen
Fragen habe ich mich sowieso schon inten-
siv auseinandergesetzt. Der Grundstock
war also schon da. Und dann wurde ich
2020 Mama, hab mir die verschiedenen
Pflegeprodukte angeschaut und mit mei-
nem Wissen im Hintergrund fand ich das
schwierig, was es so am Markt gab. Der ent-
scheidende Punkt war aber, dass ich mit
den bisherigen Produkten bei den Weh-
wehchen meiner Tochter nicht weiter kam.
Und meine Hebamme hat mir dann ihren
Geheimtipp verraten, nämlich Mutter-
milch. Und dann habe ich das probiert,
nicht nur bei meiner Tochter, die gerade
drei Monate alt war, sondern auch bei mir.
Meine Kaiserschnittnarbe wollte nicht rich-
tig verheilen. Mit Hilfe der Muttermilch
war dann bei uns beiden bald alles gut.
Also es hat funktioniert und ich war völlig
fasziniert, dass ich etwas in mir habe, was
so gut wirkt. Ich hing dann regelmäßig mit
meiner Brust über meiner Tochter auf der
Wickelkommode und habe versucht, etwas
sehr Flüssiges auf einen sehr kleinen Kör-
per zu geben. Das war nicht ganz so ein-
fach und ich dachte mir, das muss doch
auch anders gehen.
Also die Idee zur Muttermilchpflege wurde
mitten in deiner Elternzeit geboren. Nun ist
die Umsetzung noch einmal eine ganz andere
Hausnummer. Wie bist du vorgegangen?
Das ist wirklich ein Prozess, der sich über
mehr als zwei Jahre hingezogen hat. Als
klassische Einkäuferin habe ich als erstes
eine Umfrage gemacht. Denn nur weil ich
was cool finde, heißt das ja nicht, dass das
Foto: PR; ANNE SCHWERIN
andere auch so sehen. Ich habe mir also
ein paar Fragen überlegt, die ich dann über
meine Hebamme potentiellen Kunden zu-
geschickt habe. Ich wollte wissen, was ih-
nen wichtig ist. Und so habe ich viele
spannende Antworten bekommen. Der
nächste Schritt war dann, nach Lösungen
Séparée No. 40
zu suchen. Nur weil ich noch keine Lösung
aus dem Ärmel schütteln konnte, war es ja
möglich, dass es jemanden auf dieser Welt
gab, der sie schon hatte. Da bin ich auf
verschiedene Lösungsansätze gestoßen, ich
habe sie auch alle probiert, aber all das,
war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte.
Also habe ich weitergemacht.
Heißt, du hast dir überlegt, was genau dein
Produkt leisten soll? Was dir wichtig ist, wie
es aussehen soll und welche Inhaltsstoffe
enthalten sein sollen?
Ja, ich hatte für mich einen Anforderungs-
katalog aufgestellt. Und der war sehr ambi-
tioniert. Vegan und bio sollte die Pflege
sein, möglichst wenige Inhaltsstoffe haben,
keine Duftstoffe, ätherischen Öle oder Par-
fums sollten drin sein. Die Haltbarkeit bei
Zimmertemperatur war mir immens wich-
tig und ich wusste natürlich nicht, ob sich
all das, was ich mir da so ausgedacht hatte,
überhaupt umsetzen ließ. Ich habe mich
dann mit Kollegen aus meinem alten Netz-
werk zusammengetan. Einer von ihnen ist
Dr. Lars Rüther, promovierter Biochemi-
ker. Er war sofort Feuer und Flamme und
hat sich an die Umsetzung gemacht.
Wenn ein Produkt entwickelt wird, dann
muss das verschiedene Instanzen durchlaufen.
Wie lange hat es gedauert, bis dann wirklich
von allen das Go kam?
Das war dann auch noch einmal ein ziem-
Mutter.milch
lich langer Weg. Wir haben mit ganz vielen
Muttermilch-Spenden gearbeitet, uns dar-
angetastet. Am Ende stand schließlich der
Konservierungsbelastungstest. Und ich
weiß noch, es war der 20.12.2021, da klin-
gelte mein Telefon. Ich war mitten im Dro-
geriemarkt und habe noch die letzten
Weihnachtsbesorgungen gemacht. Mitten
in diesem Markt habe ich spontan angefan-
gen zu heulen, denn wir hatten den Test
bestanden. Das war mein schönstes Weih-
nachtsgeschenk. Denn das war wirklich der
Moment, in dem wir wussten, dass aus der
Idee ein marktreifes Produkt geworden war.
Dann ging es weiter zum Sicherheitsbewer-
ter. Das heißt, der bewertet Inhaltsstoffe
und spricht seine Unbedenklichkeit aus wie
in unserem Fall. Da konnten wir dann auch
irgendwann einen Haken hinter machen.
Die andere Baustelle bestand noch darin,
einen passenden Spender für die LaLeMa-
Basis zu finden. Diese Basis besteht aus ei-
ner Pulver- und einer Gelkomponente. Das
Pulver ist in einer integrierten Kammer und
die Gelbasis im sichtbaren Teil des Spen-
ders. Die Mamas geben dann ihre Mutter-
milch dazu. Durch Drehen kommen alle
Bestandteile in Verbindung und werden
optimal miteinander vermischt.
Wann konntest du denn dann das fertige Pro-
dukt auch wirklich in den Händen halten?
Ja, verrückt, wenn man sich das jetzt wirk-
lich mal auf der Zunge zergehen lässt. Also
im Dezember 2021 kamen die guten Nach-
richten. Im Frühjahr 2022 war das Produkt
fertig, aber wir sind erst im Oktober 2022
mit dem Verkauf so richtig gestartet. Wir
haben uns übrigens noch zwei Siegel abge-
holt: hebammen.testen (86 Prozent) und
Dermatest („sehr gut“).
LaLeMa enthält 70 Prozent Muttermilch
im Endprodukt. Muttermilch wird auch
„weißes Gold“ genannt. Was ist das
Besondere an Muttermilch?
Sie ist immer individuell, maßgeschneidert
und verändert sich. Das kann kein anderes
Lebensmittel. Und was wir uns für die
Hautpflege zunutze machen, sind die ent-
zündungshemmenden und antibakteriellen
Inhaltsstoffe. Die können innerlich gegen
Krankheiten helfen. Heißt, wenn das Baby
zum Beispiel erkältet ist, dann spürt der
59
Mutter.milch
Organismus der Mama das, die Milch ver-
ändert sich, sodass die Krankheit abgewen-
det werden kann. Es ist einfach ein geiler
Scheiß, das kann man nicht anders sagen.
Kommen wir mal zur Anwendung von
LaLeMa. Wie funktioniert das genau?
Also, die LaLeMa-Basis wird in einem
Pumpspender geliefert, die Mamas geben
dann ihre Muttermilch dazu, schütteln das
Ganze für 30 Sekunden, damit sich die
Milch mit den beiden anderen Kompo-
nenten mischt und fertig ist die Lotion.
Also, das geht wirklich im Handumdre-
hen. Die individuelle Muttermilchpflege
ist übrigens für drei Monate bei Zimmer-
temperatur haltbar.
Und hilft bei welchen Problemen?
Naja, der Klassiker ist der wunde Po. Aber
auch bei Milchschorf, Baby-Akne, Wind-
pocken, bei der Nabelpflege oder trocke-
nen Hautstellen haben Eltern gute Erfah-
rungen gemacht. Manche Mamas und
Papas schmieren ihre Babys auch von oben
bis unten mit LaLeMa ein. Und nicht nur
das. Auch viele Mamas nutzen unsere Pfle-
ge. Zum Beispiel bei Geburtsverletzungen,
Kaiserschnittnarben, bei Sonnenbrand
oder bei Mückenstichen, um den Juckreiz
zu lindern.
Nun gibt es Mamas, die nicht stillen wollen,
die nicht stillen können. Was ist mit denen?
Natürlich ist die Muttermilch der essenti-
elle Bestandteil von LaLeMa. Für alle Ma- Ich habe eine Hand voll Menschen, die
mas, bei denen es schwierig ist mit dem mich von Anfang an unterstützt haben und
Stillen, haben wir mittlerweile ein kleines mit mir zusammen diese Reise angetreten
Expertenteam um uns aufgebaut. Wir ste- sind. Gerade was rechtliche Aspekte an-
hen im engen Austausch mit Hebammen, geht, auch rund um das Gründen, habe ich
Stillberaterinnen, Mütterpflegerinnen und mir Hilfe gesucht. Natürlich auch im Be-
auch Doulas und können da entsprechen- reich Produktentwicklung. Das hätte ich
de Kontakte vermitteln. Und für alle an- allein niemals stemmen können. Und auch
deren gibt es bisher noch keine Lösung. rund um Social Media kann ich auf die
Aber ich kann so viel verraten: Wir sind Hilfe einer jungen Mama zählen. Und
da dran. nicht zu vergessen: meine Familie. Die hält
mir den Rücken frei, steht voll und ganz
Du hast mit LaLeMa im vergangenen hinter mir und unterstützt mich, wo sie nur
Oktober den ersten Geburtstag gefeiert: Wie kann. Ohne meine Familie wäre all das
fällt dein persönliches Fazit aus? nicht möglich gewesen. ♥
Das war wirklich eine aufregende Reise von
der Idee bis zum fertigen Produkt. Mit vie-
len Hindernissen und auch Stolpersteinen,
aber ich bin diesen Weg immer weiter ge-
gangen, weil ich eine Lösung haben wollte.
Wir sind mittlerweile bei über 80 Ver-
triebspartnern in ganz Deutschland gelistet
und haben auch schon einige Gründer-
und Innovationspreise für LaLeMa gewon-
nen. Und das, was mich jeden Tag antreibt,
mich jeden Morgen aufstehen lässt, ist das
wirklich fast durchweg positive Feedback
von Mamas und Papas. Und dafür bin ich
unendlich dankbar.
Foto: ANNE SCHWERIN
Du hast den sicheren Job damals verlassen,
hast gegründet, ein neues Produkt auf den
Markt gebracht, dabei ist deine Tochter ja
Gründerin
noch im Kleinkindalter. Wie schaffst du das, Eve Geißler
alles unter einen Hut zu bringen?
https://www.instagram.com/ostwestfrau2024
 Po. esie

GOLDFUCHS

Deine Haare leuchten im Düstern,

Du schöne Frau, die ich hasse! –
Dir beben die rosigen Nüstern
Wie einem Pferde von Rasse.

Goldfuchs, schüttel’ die Mähne

Frei von Fessel und Band!
Eine leuchtende Strähne
Schling’ ich mir um die Hand.

An Deinen eigenen Haaren

Zwing’ ich Dich niederwärts;
Jetzt sollst Du zitternd erfahren:
Ich liebe nicht Spiel noch Scherz.

Du Schöne und Stolze und Blasse, –

Du, die ich nie geliebt, –
Ich küsse gut, wenn ich hasse, –
Ich nehme, wenn man nicht giebt!

Jetzt hilft kein Sträuben und Schämen,

Weil ich Dich haben will. –
Goldfuchs, ich werde Dich zähmen!
Foto: MAKOVSKY ART/stock.adobe.com

Halt’ still!

Aus: Marie Madeleine, In Seligkeit und Sünden, Continent Vlg. Berlin 1905

Séparée No. 40 61
Bett. geschichte
Beziehungs. weise
ZU VIEL
DES GUTEN
Wenn Mütter zu viel Körperkontakt erleben
Stillen, Tragen, Kuscheln: Das bedeutet
beinahe 24/7 Körperkontakt mit dem
Baby. Klingt eigentlich ganz schön, oder?
Körperkontakt ist wichtig für die Bin-
dung zwischen Mutter und Kind und die
Entwicklung des Nachwuchses. Aller-
dings kann er auch zur Belastung werden
und ins Gegenteil umschlagen. Mütter
leiden dann am sogenannten „Overtou-
ched-Syndrom“.
62
Text: Vivien Schadewaldt
WAS IST DAS
„OVERTOUCHED-SYNDROM“?
Beim Overtouched-Syndrom sind junge
Eltern – besonders Mütter – „überberührt“.
Sie erleben zu viel Körperkontakt, der sich
nicht mehr schön anfühlt, sondern der zur
physischen und psychischen Belastung
werden kann. Verstärkt wird das Ganze,
wenn es Geschwisterkinder gibt. Klar, denn
auch das Kleinkind möchte kuscheln, das
Schulkind getröstet und der Teenager in
den Arm genommen werden. Was eine
nährende Herzenssache ist, wird bei einem
Übermaß zur Last.
Kein Wunder, dass Partner mit ihren Annä-
herungsversuchen gegen eine Wand pral-
len. Mütter reagieren gereizt, abwehrend
oder abweisend und schlichtweg überfor-
dert. Ihren Partnern fällt es oft schwer, das
Abblocken nicht persönlich zu nehmen
Séparée No. 40

und den Grund hinter der Zurückweisung
und Unlust zu erkennen. Im Gegensatz zur
Mama fehlt dem anderen Elternteil jedoch
oftmals Körperkontakt. Er sehnt sich nach
Berührungen und Kuscheleinheiten. Zwei
Welten prallen aufeinander.
OXYTOCIN-ÜBERSCHUSS UND DAS
BEDÜRFNIS NACH RUHE
Hinter der Überberührung steckt ein Zu-
viel an Oxytocin, dem Bindungshormon,
das beim Kuscheln ausgeschüttet wird. Lie-
bevoller Körperkontakt fühlt sich gut an
und löst positive Gefühle aus, die glücklich
machen. Werden Mütter allerdings ständig
gekuschelt oder berührt, kommt es zu ei-
nem Oxytocin-Überschuss und sie fühlen
sich schlichtweg überflutet.
Statt mehr will die betroffene Person –
meist Mama – weniger davon. Ihr Bedürf-
nis nach Ruhe wird immer größer. Mütter
wollen ihren Körper (wieder) für sich ha-
ben, während der andere Elternteil ein
Oxytocin-Tief erlebt. Schon stecken Eltern-
paare im Schlamassel: „Fass mich nicht an“
vs. „Ich brauche Berührungen“. Das führt
zu Missverständnissen, unerfüllten Bedürf-
nissen und einer Diskrepanz im Nähe-Dis-
tanz-Verhältnis. Die Folge: Paare meiden
immer mehr den Körperkontakt miteinan-
der und beschränken sich auf das Nötigste.
Der Kuschelpart wird uneingeschränkt vom
Kind (oder den Kindern) eingenommen
und alles, was Mütter an Liebe und Nähe
geben und empfangen können, teilen sie
mit ihrem Nachwuchs. Das erfüllende Ge-
fühl gebraucht zu werden – emotional wie
körperlich – ist wohl eine der schönsten
Erfahrungen, die man als Elternteil machen
kann. Genauso wichtig wie die Bindung
zum Kind ist aber auch die Verbindung
Foto: Marco/stock.adobe.com/stock.adobe.com/ AnneHornemann
zum Partner bzw. der Partnerin.
DAS UNGLEICHGEWICHT: MÜTTER
ERLEBEN ZU VIEL KÖRPERKONTAKT
UND SIND SEXUELL FRUSTRIERT
Wer zu viel Körperkontakt erfährt, der ist
auf allen Ebenen überberührt. Das gilt auch
für sexuell motivierte Berührungen des
Partners oder der Partnerin. Zeitgleich feh-
len den meisten Eltern Sex, sinnliche Küs-
se, heiße Orgasmen und knisternde Leiden-
schaft. Es ist ein frustrierendes Gefühl,
insbesondere für Mütter, sexuell unbefrie-
digt und gleichzeitig randvoll mit Kuschel-
einheiten zu sein: Ein Zustand, der Kraft,
inneren Frieden, die Verbindung zum eige-
Séparée No. 40
nen Körper und besonders zum Partner
oder der Partnerin raubt.
Doch die sexuelle Frustration beginnt genau
genommen schon beim Solosex. Müttern
fehlen schlichtweg Zeit und Muße für lust-
volle Masturbation – von einer erfüllten
Paarsexualität ganz zu schweigen. Was nach
einer Abwärtsspirale klingt, ist zum Glück
ein Zustand, der sich ändern lässt. Dazu ist
es wichtig, dass sich beide Elternteile ihrer
Situation bewusst sind und die Bedürfnisse
des anderen anerkennen und wahrnehmen.
Sexuelle Frustration ist kein Schicksal, dem
sich Elternpaare ergeben müssen – ebenso
wenig wie völlig überberührt zu sein.
ABSICHTSLOSE BERÜHRUNGEN
ALS GAMECHANGER
Paradox, aber mit Berührungen kann man
dem Gefühl, zu viel von Selbigen zu haben,
entgegenwirken. Die Zauberformel: absichts-
lose Berührungen. Beim Kuscheln mit dem
Nachwuchs sind Mütter mehr gebender als
nehmender Part, denn das Stillen, körperli-
che Nähe schenken oder Trösten sind aktive
Berührungen, die das Kind nähren. Die Kin-
der stillen mit den Berührungen der Mutter
ihre eigenen Bedürfnisse. Ähnlich ist das
auch mit dem Partner oder der Partnerin.
Berührungen finden aus einem bestimmten
Grund statt und oft steckt dahinter das ei-
gene Verlangen nach Nähe und Verbin-
dung, was ganz normal ist. Damit Mütter
sich weniger überberührt fühlen, sollten
Partner auf absichtslose Berührungen set-
zen. Bei dieser Art von Berührung geht es
einzig darum, dem empfangenden Part – in
dem Fall der Mama – etwas Gutes zu tun.
Der berührende Part verfolgt keine Absich-
ten wie Sex, Befriedigung, Verlangen und
stillt mit seinen Berührungen kein eigenes
Bedürfnis. Seine Berührungen sind ein Ge-
schenk und die Partnerin entscheidet, wie
und wo sie angefasst werden will.
Absichtslose Berührungen sollten im Alltag
selbstverständlich sein, weil sie unglaublich
nährend sind. Ein sanfter Kuss auf die
Vivien Schadewaldt ist
ganzheitliche Sexual- und
Paarberaterin für Eltern
sowie freie Redakteurin
und Autorin bei
sinneslust.com
eltern-sexcoach.de
Instagram:
@vivien_schadewaldt
Podcast: Bedtime Talk
Beziehungs.weise
Stirn, Händchen halten, einander den Rü-
cken kraulen oder eine kleine Massage.
Wichtig: Ein Part schenkt Berührungen
und der andere genießt sie. Wenn man
nichts vom Anderen erwartet, nimmt das
den Druck, etwas geben zu müssen. Das
allein kann schon viel lösen und hilft bei-
den wieder, auf ein Level zu kommen.
ME-TIME, SELBSTLIEBE UND REDEN:
WAS HILFT GEGEN DAS
OVERTOUCHED-SYNDROM?
Abwarten und Tee trinken ist in diesem Fall
tatsächlich eine gute Idee. Besonders Müt-
ter benötigen Pausen, um ihr Nervensystem
zu regulieren und Kraft zu schöpfen. Kurz-
um: Mütter, die zu viel Körperkontakt er-
fahren, sollten sich ausreichend Me-Time
gönnen. Zeit für sich bedeutet nicht Auf-
räumen, Putzen, Wäsche machen, sondern
Sport machen, allein spazieren gehen, Well-
ness oder Masturbieren. Letzteres garantiert
Berührungen, die nur für die eigene Lust
bestimmt sind und positive Auswirkungen
auf das Liebesleben haben.
Selbstliebe statt Selbstgeißelung ist das A
und O, denn es ist okay, wenn Mütter gera-
de nicht berührt werden wollen! Deshalb
lieben sie den Partner oder die Partnerin
und ihre Kinder nicht weniger. Wer sich
selbst liebt, nimmt die eigenen Bedürfnisse
und Grenzen wahr und steht für diese ein.
Dazu gehört es auch, offen zu kommuni-
zieren, was man benötigt und wie es einem
selbst geht. Die eigenen Bedürfnisse dürfen
von den Bedürfnissen des anderen Eltern-
teils und der Familie abweichen – und sie
sind genauso relevant.
Wie bei allen Beziehungsthemen ist Kom-
munikation ein wichtiger Schlüssel. Ist das
Kuschel-Kontingent eines Elternteils voll,
darf der andere involviert werden. Das funk-
tioniert, wenn man als Elternpaar eine
gleichwertige und gleichberechtigte Bezie-
hung führt. Paare, die einander im Blick ha-
ben und als Team agieren, beugen Proble-
men wie dem Overtouched-Syndrom vor.
Eine gleichberechtigte Aufgabenverteilung
führt zu mehr Zufriedenheit und stärkt die
Bindung. Familien, in denen sich beide El-
ternteile für die Bedürfnisse der Kinder ver-
antwortlich fühlen, sehen sich als Team.
Damit ein Elternteam auch ein Paar bleibt,
ist es ratsam, sich gegebenenfalls professio-
nelle Unterstützung zu holen und sich
Räume für Zweisamkeit und Kontakt
zu eröffnen. ♥
63
Im.Interview

DAS
PORNO
BUSINESS
IST UND
BLEIBT
KEIN
PONYHOF
Vor zehn Jahren haben wir in unserer
Erstausgabe mit dem Pornodarsteller
Jason Steel über das Pornogeschäft
gesprochen. Er ist immer noch
erfolgreich, inzwischen auch inter-
national und als Produzent. Anlässlich
unseres Jubiläums haben wir ihn
erneut getroffen.

Jason Steel ist der Künstlername des 42-jährigen Ostberli-

ners. Bereits seit 24 Jahren ist der bekennende Marihuana-
Konsument aktiv im Pornogeschäft tätig. 2016/17 erhielt er
den Venus Award als bester Darsteller. Von 2017 bis 2021 war
er Produzent bei „German Scout“. 2022 spielte er u.a. in Erika
Lusts Langspielfilm „The Wedding“ mit. (Filmtipp Seite 71)

64 Séparée No. 40

Interview: Cäcilia Fischer
Séparée: Jason, wie gut kannst du dich an den Jason von
damals erinnern?
Jason Steel: Sehr gut! Die freundliche Schenkelbürste hatte ich
damals eher selten im Gesicht. Dafür gehört sie heute zu meinem
ständigen Erscheinungsbild. Und ich habe mir 2021 mein erstes
Tattoo stechen lassen. Schnell folgten weitere wie mein Lieb-
lingstattoo mit der Kinky Nonne und dem schönen Satz „Every
woman is a mystery to be solved“.
Wie steht es heute um deine Karriere im Vergleich zu damals?
2014 begannen auch internationale Produktionen nach mir zu fra-
gen. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits 14 Jahre im Geschäft und
hatte den gesamten deutschen Markt kennengelernt. Ich war froh
über die neuen Möglichkeiten, an größeren Filmprojekten mitzu-
wirken wie bei der Produktionsfirma „Private“ in Barcelona. Ich
hatte zwar gerade einen Bachelor in Wirtschaft gemacht und hätte
durchaus einen anderen beruflichen Weg wählen können, habe
mich aber bewusst für meine große Leidenschaft, die Pornografie,
entschieden. Ich hatte Spaß und wurde dafür bezahlt, ohne mich
dafür selbst bei meinen Fans oder so vermarkten zu müssen. Der
Druck war damals nicht so groß wie heute. Der Wettbewerb ist
jetzt enorm! Du solltest auf Zack sein und dir wirklich den Hintern
aufreißen, um online Taler verdienen zu können.
Wie stehen die Männer heute in der Branche da?
Es gibt wenig männliche Darsteller, da es nicht so viele Einnahme-
möglichkeiten gibt wie bei den Damen. Für Männer ist es eher nur
noch ein Hobby und Experience. Meistens unterstützen sie ihre
Frauen im Home-Office und bei der Vermarktung des Contents.
Das Amateurgeschäft hat alles überrollt und es gibt in diesem Busi-
ness viele Fallstellen: Content von dir wird ungefragt auf kosten-
losen Internetseiten hochgeladen, Absprachen werden nicht einge-
halten und manchmal Dokumente spät bis gar nicht übersendet.
Wie beurteilst du die Branche allgemein?
Man muss unterscheiden zwischen der Vor- und Nach-Corona-
Zeit, denn die Pandemie hat alles verändert. Vor Corona habe ich
viel für viele internationale Produktionsfirmen im In- und Ausland
gedreht, so dass ich gut zu tun hatte. Ab 2017 habe ich „German
Scout“ als Produzent produziert. Ich habe in drei bis vier Jahren
über 240 Folgen mit internationalen Mädels gedreht und wir wa-
ren weltweit bei „Pornhub“ mit Platz 33 unter den 50 Besten welt-
Fotos: privat, XConfessions, Erika Lust Films
weit gelistet! Während der Pandemie veränderte sich dann alles.
Der Jugendschutz verschärfte weltweit seine Verfolgung von Sexar-
beitern und Darstellern wie uns. Die sozialen Medien verstärkten
das Shadow-Banning und löschten viele Accounts. Der Kuchen ist
tausend Mal mehr geteilt worden, weil sich durch die Corona-
Umstände plötzlich viele ermutigt sahen, in das Pornogeschäft
einzusteigen, um Geld zu verdienen. Der alte Markt ist durch die-
sen riesigen Zulauf förmlich gesprengt worden.
Also hast du bis heute kein großes Geld gemacht?
Money comes, money goes! Ich habe nie übertrieben viel Geld
Séparée No. 40
Im.Interview
verdient und bin vielleicht deshalb immer auf dem Boden geblie-
ben. Das Pornobusiness ist und bleibt kein Ponyhof. Reine Hetero-
Männer verdienen in der Branche weniger als Frauen. Als Gay-
Darsteller verdienst du besser. Lange Zeit habe ich als klassischer
Darsteller und mit Liveshows und kleineren Fernsehauftritten mein
Geld verdient. Im November 2018 kam dann leider der erste Ein-
schnitt: Diagnose Syphilis. Ich war fünf Monate ohne Arbeit, für
einen Selbständigen ein Fiasko. Ich hatte mich Ende 2017 ohnehin
schon finanziell verausgabt, weil jemand aus der Familie meiner
damaligen Lebensgefährtin verstarb und wir einen Teil der Beerdi-
gungskosten übernahmen. Ich erholte mich nach den fünf Mona-
ten nur langsam und war im März 2020 dann eigentlich auch wie-
der guter Dinge – und dann kam Corona. Das stellte alles auf den
Kopf und dann kam auch noch der Skandal um Pornhub. Die in-
ternationalen Zahlungsabwickler stiegen aus der Erwachsenenun-
terhaltung aus. Dadurch gab es keine Einnahmen mehr von dort
und für uns, den „German Scout“.
Was genau hat das für dich bedeutet?
„German Scout“ brach zusammen und wurde letztlich im April
2022 auf unbestimmte Zeit eingestellt. Es war der komplette Ab-
sturz. Ich habe in der Zeit tatsächlich überlegt, ob ich aufhöre.
Dann kam auch noch der Ukraine-Krieg und der internationale
Markt wurde gebeutelt wie nie zuvor, weil eben sehr viele Models
aus der Ukraine und Russland wegbrachen. Das waren 60 bis
70 Prozent! Innerhalb von zwei bis drei Jahren hatte ich einen fi-
nanziellen Totalschaden und versuchte, mich sogar „normal“ zu
bewerben. Über 100 Bewerbungen gingen raus, es gab nette Ge-
spräche, am Ende war der Personalabteilung immer mein Lebens-
lauf zu heikel. Obwohl ich einen Bachelor-Abschluss vorweisen
kann und eine Ausbildung zum Bank- und Versicherungskauf-
mann! Die Deutschen haben nach wie vor Angst vor Veränderun-
gen, vor Dingen, die sie nicht kennen oder einschätzen können.
Siehst du in der Entwicklung auch etwas Positives?
Der Qualitätsanspruch ist wieder gestiegen. Die Porno-User wollen
inzwischen wieder guten Content, keine billigen Amateurclips
65
Im.Interview
ohne Inhalt und Leidenschaft. Erika Lust ist ein tolles Beispiel da-
für, wie es funktionieren kann. Sie interessiert es nicht in erster Li-
nie, ob sie damit Geld verdienen kann. Sie möchte der Welt zeigen,
dass es schöne Pornos gibt. So geht es mir ebenfalls und deshalb
beschäftige ich mich auch mit vielen Projekten außerhalb der nor-
malen Mainstream-Pornos. Außerdem arbeite ich gerne mit kreati-
ven Leuten wie Paulita Pappel und Simon Thaur zusammen. Da
kommen sehr schöne Sachen bei raus. Dabei mitwirken zu dürfen,
ist immer wieder eine Ehre für mich.
Wie hast du es geschafft, in deinem Job so lange durchzuhalten?
Es gibt nichts Schöneres, als am Ende eines Tages zu wissen, dass
man schönen Content gemacht hat. Ich liebe meine Arbeit und
ich verstehe das als eine Art Handwerk mit filmischen und krea-
tiven Ansprüchen. Mitte 30 hatte ich schon Tage, an denen mir
die Motivation fehlte, ich keine 100 Prozent lieferte und dachte,
dass ich zu alt werde für den Job. Dann kamen wieder anspre-
chendere, kreativere Produktionen und ich merkte, dass es nicht
an der Anstrengung liegt, sondern an der Motivation. Wenn es
das richtige Projekt ist, dann funktioniert es ohne Probleme. Bei
„German Scout“ hatte ich alle filmischen Freiheiten, die ich
dann mit den Models vor der Kamera teilte. Wir haben sehr
vieles Spontanes abgedreht. Wenn du ein Auge hast für die
Schönheit einer Szene und die Kamera halbwegs gut beherrschst,
dann bekommst du schon tolle Ergebnisse. Was meine Perfor-
mance angeht, bin ich heute nochmal sicherer als vielleicht noch
vor zehn Jahren. Meine jahrelangen Erfahrungen münden nun
ganz gerne in Ratschläge und Empfehlungen am Set für einen
besseren Ablauf der Dreharbeiten. Sie werden gerne von den Ka-
meraleuten angenommen.
Wie sieht es mit Drogen am Set aus?
Drogen am Set gehen gar nicht, das will auch kein Produzent. Was
du privat machst, ist eine andere Sache. Der Amateurmarkt ist sehr
66
unabhängig und es fehlen vielleicht auch die richtigen Produktions-
firmen, die da mal genauer hinschauen würden.
Das klingt nach Kritik.
In den Jahren 2005 bis 2010 hatten wir schon noch schöne Filme mit
Anspruch, Drehbuch und allem Drum und Dran. Es gab früher mehr
Skript und mehr zu erzählen, aber die Leute mochten immer weniger
eine Vorgeschichte und wollten lieber, dass es direkt losgeht mit dem
Sex. Ein unschöner Fehler, der von den Fans selbst hervorgerufen
wurde und dann von einem riesigen Amateurmarkt bedient, wenn
nicht sogar übersättigt wurde! Er hat uns langsam überrannt und ver-
mittelt heute den Eindruck, dass es keine niveauvollen Filme mehr
gibt. „Videorama“ und „Magma-Film“ wollten damals noch gegenwir-
ken, aber so richtig hat das nicht funktioniert. Ich träume davon, dass
wir in Zukunft wieder zurückfinden zu unserer alten Größe. Die deut-
sche Pornobranche war weltweit mal auf Platz 2 nach den USA!
Wie siehst du Pornodarstellerinnen von heute im Vergleich zu vor
zehn Jahren?
Sie sind viel selbstbewusster und zielstrebiger als die Models aus
den 2000er. Sie konnten sich aus einer breiten Angebotspalette des
Pornos der letzten zwei Jahrzehnte genau die Kategorie aussuchen,
die am besten zu ihnen als Person passt. Es gibt aber auch eine
kleine Renaissance aus den Millennium-Jahren: Die Models wollen
wieder mehr tun, was ihnen gefällt und Spaß macht. Früher haben
sie sich die entsprechende Produktionsfirma ausgesucht, um dort
ihre sexuelle Freiheit auszuleben, heute suchen sie sich das entspre-
chende Pornoportal online aus. Gerade in den letzten zwei, drei
Jahren beobachte ich das. Die Frauen sind außerdem geschäftstüch-
tiger geworden. Jetzt ist der Wettbewerb unter Frauen aber auch
krasser als früher in den Anfangsjahren des Amateurbusiness, und
Sexszenen wie ein Dreier und Doppelpenetration gehören schon
fast zum normalen Produktportfolio eines Content Creators der
Adultbranche im Jahr 2024.
Hast du eine Lieblingsdarstellerin?
Aktuell sehe ich am meisten Potential, Talent und Zeitgeist bei Lisa
Rocketcock und Dolly Dyson. Die haben wirklich Klasse und das
gewisse Starappeal. Sie lieben Sex und zeigen es gerne. Vor der
Kamera sind sie natürlich und ganz sie selbst. Jenny Stella favori-
siere ich unter den Amateurdarstellerinnen. Sie ist erfolgreich und
hat im letzten Jahr ihre eigene Produktionsfirma gegründet – ein
Beispiel für eine positive Entwicklung in der Branche. Pornodarstel-
lerinnen, die ihren Job lieben und daraus mehr machen als nur
5-Minutenclips für das breite Onlinegeschäft.
Hast du dich öfter mal in eine Kollegin verliebt? Zumindest warst
du mal mit einer zusammen.
Tatsächlich habe ich mich nie am Set in meine Frauen verliebt. Viel-
leicht mal geliebäugelt und das auch eher in meinen Anfangsjahren.
Die Frauen, mit denen ich in einer längeren und festen Beziehung
war, habe ich meistens außerhalb des Drehs im realen Leben kennen
und lieben gelernt.
Wie kann eine Beziehung funktionieren, wenn du beruflich mit so
vielen Frauen „verkehrst“?
Séparée No. 40
 Im.Interview

Das ist nach wie vor eine brisanteste Frage. Ich habe in dem Busi-
ness dreimal mein Herz aufs Spiel gesetzt und verloren. Der Job
war für mich eher ein echter Beziehungskiller. Zum Beispiel wenn
ich beim Drehen eine Frau aus Leidenschaft küsse, die Freundin
das aber privat für sich allein beansprucht. Aber für den Job
brauchst du einen freien Kopf und die Unterstützung in der Part-
nerschaft für die Arbeit vor der Kamera.
Wie steht es um Geschlechtskrankheiten und die Vorsorge?
Das ist natürlich Thema Nummer Eins. Ohne Test geht gar nichts.
Die Standards sind sehr hoch und es wird regelmäßig getestet. Bei
den Profis ist eine ständige Dokumentation die Voraussetzung für
internationale Auftragsproduktionen.
könnte, sondern nur noch am Set, dann würde ich tatsächlich ans
Aufhören denken. Der Job inspiriert mich nach wie vor, und vieles,
was man in meinen Filmen sieht, zeugt davon, was mir gefällt. Ich
mag es mit einem Vorspiel, mit Humor, mit einer Dramaturgie etc.
Mit meiner jetzigen Freundin läuft es auf alle Fälle super.
Wie soll es beruflich weitergehen?
Ich möchte mich dieses Jahr wieder voll und ganz auf neue Projek-
te konzentrieren. Mit dem Sexpuppenbordell Cybrothel von Phil-
ipp Fussenegger will ich zum Beispiel etwas Neues ausprobieren
und schönen Content produzieren.

Was ist in der Branche aktuell angesagt, was nicht (mehr)?

Es gibt mittlerweile wahnsinnig viele interessante Genres. Beliebt ist
Cosplay, und klassische Girl-Girl-Szenen erleben ein Revival. Das
Content Sharing hat eine neue Bedeutung unter den Creators erlangt
und ist die Basis vieler neuer Amateurclips von heute. Frauen haben
Analsex bei Männern für sich neu entdeckt, und Strap-On’s finden
ihren Platz unter den Sexspielzeugen für Frau und Mann. Auch Rim-
ming erlebt neue Höhepunkte. Realistische Sexpuppen für Frauen
und Männer sind auf dem Vormarsch und werden zukünftig wahr-
scheinlich auch ihren festen Platz in der Sexwelt einnehmen.

Welche Drehs bevorzugst du, welche lehnst du ab?

Ich bin kein Fan von holprigen Videoclips, deshalb wird es bei mir
immer einen Anspruch an das sinnliche Bild und die Message,
die man damit senden möchte, geben. Vor Corona habe ich etwa
100 bis 130 Szenen im Jahr abgedreht, das ist auf Dauer sehr an-
strengend. Für mich persönlich habe ich beschlossen, nur noch an
ausgewählten Projekten mitzuwirken und sonst einfach meine eige-
nen Filme zu machen. Dabei sind beispielsweise Sexfilme wie Und wie stellst du dir deine Rente vor?
Hanflove 1 + 2 entstanden. Den Traum vom friedlichen Dasein im Alter habe ich schon lange
nicht mehr, denn die staatliche Rente wird nicht reichen. Ich höre
Kannst du Sex privat noch genießen? erst auf, wenn meine Mission erfüllt ist: Every woman is a mystery
Natürlich, das ist das Wichtigste! Wenn ich das privat nicht mehr to be solved! ♥
Bett. geschichte

HIMMEL Text: Xóchil A. Schütz

68 Séparée No. 40

ES WAR SOMMER. Ich saß im Elbsand am
hellen Elbstrand und schaute unzufrieden
in den Sonnenuntergang. Ich war mit Hei-
ner hier, auf einer, wie er gesagt hatte, jähr-
lich stattfindenden Outdoor-Swingerparty.
Heiner war bekennender Swinger, Mitte
vierzig, Manager, wir kannten uns bereits
seit einer Weile.
Ich hatte an dem Tag endgültig gemerkt,
dass ich nicht verliebt in ihn war. Erst hatte
er sich beschwert, dass ich das Besteck bei
ihm zu Hause nur abgewaschen und nicht
poliert hatte, dann war er zu geizig für den
Hotelparkplatz gewesen, sodass ich gefühlt
zwei Ewigkeiten, also eine Dreiviertelstun-
de, vor der Tür des Hotels auf ihn hatte
warten müssen, und schlussendlich hatte er
sich an der Rezeption des Vier-Sterne-Ho-
tels so unmöglich benommen, dass selbst
die gut geschulte Frau dort irgendwann die
Fassung verloren und ich mich in Grund
und Boden geschämt hatte.
Nun schäkerte Heiner mit mehreren Swin-
gerpaaren Mitte Fünfzig im Sand. Ich hat-
te mich abgeseilt, denn ich konnte mir
nicht vorstellen, Sex mit ihnen zu haben,
und Heiners Blick auf die dicken, birnigen
Brüste einer der Frauen wollte ich auch
nicht mehr sehen.
Ich saß am Elbstrand und schaute in den
Sonnenuntergang.
Ich fragte mich, ob ich hier richtig war.
Ob dieses Swingen nicht doch eine ganz
doofe Idee gewesen war, auf die ich ohne
Heiner ohnehin nie gekommen wäre. Ich
dachte an meine erste Erotik-Party vor
zwei Monaten zurück. Als ich mit dem ers-
ten Morgenzug nach Hause gefahren war,
hatte ich mich leer gefühlt.
Nun saß ich im Elbsand und fühlte mich leer.
Es war sinnlos, was ich tat. Ich sah es. Und
dabei sah ich in den Sonnenuntergang. Der
Sonnenuntergang war schön. Kein Gemäl-
de Caspar David Friedrichs war schöner.
Ich schaute in den Himmel und war dank-
bar, dass ich in den Himmel schauen konn-
te. Ich war plötzlich rundherum zufrieden,
auf Heiners Handtuch, ganz alleine.
Und dann sah ich zwei schlaksige Beine. Ein
jungenhaftes Gesicht und eine Bierflasche.
Foto: Jasmin Chew_Pixabay
Und plötzlich saß ein junger Kerl neben mir.
„Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte er viel
zu spät, nestelte an seinem Jutebeutel, frag-
te, ob ich ein Bier wolle. Eigentlich trinke
ich keinen Alkohol. Aber der Sonnenunter-
gang war schön, und ich war gelöst.
Luan, so hieß er, kippte fast um, als er merk-
Séparée No. 40
te, dass er versehentlich auf einer Swinger-
party gelandet war. Ich kippte fast um, als
ich merkte, dass er nur zufällig hier war.
Aber da lag Luans Hand schon leicht in
meiner Taille, er begriff mich, und das so
fix, dass ich ihn stoppte.
„Nicht so schnell“, sagte ich. „Mach’ nicht
so schnell.“
Ich trank Bier. Luan trank Bier. Er roch
nach Bier.
Er küsste mich, sagte: „Du saßt hier so al-
leine rum.“
„Ja“, sagte ich und erwähnte Heiner und
die Fünfzigjährigen.
Heiner kam plötzlich und schaute über-
rascht und besorgt. Dann fragte er, ob ich
mitkäme zu den anderen.
„Nein“, sagte ich leise. „Mir geht’s gut hier.“
Heiner blieb unentschlossen vor uns ste-
„ Luans Schwanz war in mir,
hen, trat von einem Bein auf das andere,
so groß, dass er mich fast
verletzte, aber der zu einem
Mann gehörte, der mich
gar nicht verletzte.
sagte: „Ihr könnt ja noch kommen“ und
stapfte davon in seinen kurzen, grünen
Sportshorts, die er der Praktikabilität wegen
angezogen hatte.
Hinter uns begannen drei Menschen zu
vögeln. Eine hübsche, zarte Frau ließ sich
von einem Mann von hinten rhythmisch-
zart nehmen, während sie einen anderen
Mann, der vor ihr kniete, aufopferungsvoll
in den Mund nahm.
Luan staunte. Um das Paar sammelten sich
Voyeure, schweigend; Männer, Männer.
Wir lagen bald im Weg.
Einer von uns sagte: „Lass uns einen ruhi-
geren Ort finden.“
Ich ging zu Heiner, sagte: „Ich gehe erstmal
woanders hin“, und Heiner sagte: „Ich ma-
che mir Sorgen um dich“ und schaute mich
bedeutungsvoll an.
Ich machte mir gar keine Sorgen. Luan und
ich fanden einen dämmrigen Platz im Sand
unter Bäumen. Die Party fand woanders
statt, wir waren hier, Luan küsste mich,
Bett. geschichte
streichelte mich, zog mir das Shirt hoch,
umfasste mit beiden Händen meinen
Bauch, der sich ein wenig nach vorne wölb-
te, als ich mich ihm entgegenstreckte.
„Du bist so schön“, sagte er.
Dann sagte er: „Du Schöne“.
Er sagte es immer wieder.
„Stehst du auf Bäuche?“, fragte ich.
„Ja“, sagte er. „Total“.
Ich fühlte mich pudelwohl. Ich fühlte mich
wohl in meiner Haut. Ich dachte nicht an
Heiner, dem meine Brüste zu klein waren, ich
dachte nicht an meine letzten Beziehungen,
in denen den Männern schnell irgendwas an
mir nicht mehr gut genug gewesen war, die
Beine nicht rasiert genug, der Po nicht trai-
niert genug, sowas. Ich dachte an nichts mehr.
Ich fühlte.
Luans Hände an meinem Bauch.
Luans Schwanz in meiner Hand.
“
Luans riesigen Schwanz in meiner Hand.
Luans Stimme.
Er drang in mich ein.
„Du Schöne!“, sagte Luan.
Ich seufzte leise, sog Luft ein, plötzlich, war
glücklich.
Zehn Meter entfernt von uns, unter Bäu-
men, sammelten sich Männer. Sie sammel-
ten sich im Halbkreis um uns. In der
Abenddämmerung sahen sie aus wie Bäu-
me. Sie standen ganz still, ein paar Meter
voneinander entfernt. Sie rührten sich
nicht. Sie standen da und schauten.
Und ich wusste, dass es immer so gewesen
war, dass es völlig natürlich war, dass über
Jahrmillionen Affen und Menschen genau-
so gestanden und geschaut hatten, bewe-
gungslos, weil sie genauso bewegungslos so
wenig störten, dass sie schauen konnten.
Aber Luan störte sich trotzdem an ihnen.
Ich rief ein paar Mal: „Wir wollen das
nicht“, dann verzogen sich die Männer,
manche kamen zurück.
69
Bett. geschichte

Es wurde dunkler. „Ich geh’ jetzt ins Hotel“, sagte er. „Du hast mir den ganzen Abend verdor-
Entweder waren zwischendurch keine Män- „Warte, warte“, sagte ich. „Ich bin gleich da. ben!“, bellte er. „Ich hab’ dich die ganze Zeit
ner mehr in der Nähe oder ich vergaß sie, Es ist doch noch ganz früh!“ gesucht, du hast mich total beschämt, mit so
weil sie still waren und weil Luan da war, Heiner hatte die Nacht durchfeiern wollen. einem Kind haust du einfach ab, das war
weil Luans Schwanz da war, in mir, der groß Es war gerade einmal elf Uhr. Ich war perplex. eine der schlimmsten Nächte meines Le-
war, so groß, dass er mich fast verletzte, aber „Heiner ist total sauer“, sagte ich zu Luan. bens!“ Dann kreischte er fast: „Und ich muss
der zu einem Mann gehörte, der mich gar Wir knutschten. Kuschelten. Berührten uns. jetzt auch noch das Handtuch waschen, auf
nicht verletzte, und der mit diesem Schwanz Es war schön. dem du mit dem Typen gevögelt hast!“
umging, dass ich immer gelöster wurde, ent- Aber dann standen wir auf, packten unsere „Ich dachte, du hast selber deinen Spaß“, sag-
spannter, fröhlicher, froh. Sachen, liefen zurück zur Party. te ich leise und versuchte, mich zu erklären.
„Ficke ich dich gut?“, fragte Luan ein paar Ich rief Heiner wieder an. Er war böse. „Ich Bald lagen wir stumm und bewegungslos
Mal neugierig, fast aufgeregt, stolz. bin schon gegangen!“, bellte er. weit voneinander entfernt im Hotelbett.
Ich lachte innerlich, weil er jung wirkte. Süß. „Heiner will die ganze Zeit polygam leben, Nach langer Zeit drehte ich mich auf die
Und ich stöhnte immer wieder: „Ja“, denn
es war schön, ich genoss, ich genoss.
Dann war es dunkel.
Die Party schien in vollem Gange, von ei-
nem Boot auf der Elbe wummerten Beats
zu uns hinüber, wir waren hier, ich setzte
mich auf Luan, spürte ihn in mir, tief, be-
wegte mich langsam, rhythmisch, schaute in
sein Gesicht, sah ihn an, er sah mich an, wir
sahen einander in die Augen, ich war glück-
lich, so wahnsinnig glücklich, ich verdrehte
die Augen, leicht, immer wieder, während
ich ihn ansah, es war so schön, so schön, es
war das Schönste, was ich je erlebt hatte, da
war ein Mann, gerade 24, und machte es
besser als alle zuvor, ich war entspannter als
jemals zuvor, wir schauten einander an, er
war in mir, ich seufzte, schwebte, schwebte,

„ Da war ein Mann, gerade 24,

Himmel, Glück, Paradies; endlos, mächtig,
herzergreifend, Himmel.
Ein Mann lief nah an uns vorbei.
„Kann ich mitmachen?“, fragte er laut.
„Hau ab!“, rief Luan.
Ich hatte Angst, weil Luans Ton ungehalten
war. Der Mann war stärker als er. Doch er und machte es besser
“
ging. Einen Moment später kam er zurück.
Ich war fast in Trance.
„Ich muss schauen“, sagte er. „Die Frau ist
als alle zuvor.
schön!“ aber wenn ich selber so bin, dreht er Seite und schlief ein.
Der Mann war auch schön. Stark und ge- durch“, sagte ich staunend zu Luan, der Irgendwann hörte ich es rumoren. Heiner
drungen. Ich hätte ihn dazugenommen. diese ganze Swingersache noch immer ko- stand auf, sagte, er fahre nach Hause; es
Doch Luan rief unwirsch: „Hau endlich ab!“ misch zu finden schien. war sechs Uhr früh.
Später, als ich an Luan lag, griff ich nach Luan zwang mich, ihm meine Nummer zu „Ich hab’ die ganze Nacht kein Auge zuge-
meiner Tasche und sagte: „Ich schau’ mal geben. Ich hätte sie ihm auch so gegeben, tan!“, bellte er.
nach der Zeit.“ aber er zwang mich. Kurz nach unserem Ab- Ich fragte, ob ich mitkommen solle. Aber
Ich sah, dass ich eine Nachricht bekom- schied kam die erste Nachricht von ihm. Heiner war so böse: Ich wollte ihn gar nicht
men hatte, und zwei Anrufe. Ich hatte Ich war mit Heiner befasst. Er lief den Weg mehr ertragen und blieb im Hotel und
Foto:innamykytas 2_pixabay

nichts gehört.
Die Nachricht war von Heiner: „Wo bist
du???“
Die Anrufe waren auch von ihm.
„Ich muss mal kurz Heiner anrufen“, sagte
ich.
Heiner war stinksauer. Heiner war beleidigt.
vor mir her, ich sah ihn noch, weit entfernt,
ich rief ihn an, er ging nicht ran, er wartete
nicht auf mich, er ging zügig weiter, ich
holte ihn nicht ein.
Als ich das Hotelzimmer betrat, war es
stockdunkel, und er lag schon im Bett. Ich
versuchte, zu reden.
schlief, nachdem er weg war, irgendwann
noch einmal ein.
Als ich aufwachte, hatte ich eine Nachricht
von Luan.
Der Tag war schön, mir ging es gut.
Leichtfüßig, fast träumend verließ ich das
Hotel. ♥

70 Séparée No. 40

Filmtipp
HEIRATEN FÜR
FORTGESCHRITTENE
Eine Hochzeit kann wunderbar sein
– sexy ist sie jedoch selten. Ganz anders
in „The Wedding“ von Porno-Ikone
Erika Lust. In dem 90 Minuten langen
Kinofilm lernen wir die wunderschöne
Braut Diana und den nicht weniger
heißen Bräutigam Lucas gleich zu
Beginn bei einem Quickie auf dem Weg
zur Hochzeitsgesellschaft kennen. Das
sexy Paar führt eine lustvolle Beziehung
und will sie auch an seinem besonde-
ren Tag mit Spaß und Heiterkeit feiern.
Natürlich ist das nicht so einfach, denn
Lucas Mutter Jenna erscheint unerwartet
auf der illustren Party und mokiert sich
über die queeren Gäste. Da ist Streit
vorprogrammiert. Und Diana amüsiert
sich erst einmal mit ihrer Busenfreundin,
was der Event-Fotografin allerdings nicht
verborgen bleibt. Die hat jedoch damit
zu tun, es der perfektionis-
tischen Hochzeitsplanerin
recht zu machen. Die
wiederum bemerkt nicht ein-
mal, dass Luca es sich von
seinem Freund oral unter
einem Tisch besorgen lässt,
nachdem er seine Mutter
eindringlich bat, den Tod
des Vaters doch nun end-
lich zu vergessen und Spaß
zu haben. Woraufhin die
reife Dame den Gitarristen
der Partyband vernascht,
was dem Charmeur sehr
gelegen kommt, da er
endlich mal ein Groupie
befriedigen kann. Das tut
er dann sehr ausführlich
und man könnte meinen,
damit ist die Hochzeits-
Orgie auch beendet. Aber
nein, beim Begutach-
ten der verlockenden
Fotos: PR (4)
Hochzeitstorte treffen
sich Braut, Fotografin
und Hochzeitsplanerin
Séparée No. 40
in der Küche und treiben es da mit den
verschiedensten Küchenutensilien und
sich selbst.
Was vielleicht etwas albern klingen mag,
ist es zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr ist
dieser Porno in Spielfilmlänge ein unter-
haltsames, freches Regiekunstwerk von
einer, die es kann. Alles wirkt verspielt
und nie anstößig. Ein jazziger Sound-
track, die Perspektiven einer überwiegend
weiblichen Crew, die üppige Ausstattung
des Sets, die Diversität der Darsteller und
die amüsanten Dialoge machen Spaß
und zeigen, dass eine Hochzeit fernab
von Konventionen und Traditionen für
alle Beteiligten unterhaltsam sein kann.
The Wedding (Spanien, 2023)
Regie Erika Lust
lustcinema.com/Lust Cinema
Kultur. Zeit
Leselust
Frau namenlos
Hinter jedem erfolgreichen
Mann steht ein System, das
ihm den Erfolg ermöglicht
und Frauen aufhält, so die His-
torikerin Leonie Schöler, die
Wissenschaftlerinnen, Künst-
lerinnen und Pionierinnen
vorstellt, die die Geschichte
bestenfalls als Frau, Tochter oder Muse eines
berühmten Mannes in Erinnerung behalten
hat, dabei dürfte ihr eigener Beitrag zum je-
weiligen Werk weit über das Rückenstärken
hinausgegangen sein. Die ihnen gebührenden
Lorbeeren wurden ihnen jedoch versagt. Ne-
ben spannenden Einblicken in die Sozialge-
schichte liefert die Autorin auch einige Exkurse
in die woke Gegenwart..
Leonie Schöler, Beklaute Frauen, Penguin Verlag,
22 Euro
Lustvoller Rausch
Das Wort „Gouvernante“ lässt
an strenge, lustfeindliche
Frauen denken. Die drei jun-
gen Mädchen im Roman von
Anne Serre sind das komplet-
te Gegenteil. Ihr Leben be-
steht aus Sinnlichkeit, Rausch
und Überschwang. Sie geben
sich ausschweifend ihrer Lust hin und verfüh-
ren gern fremde Männer. Wo die Wirklichkeit
aufhört, beginnt die Fantasie. Oder liegt doch
alles nur im Auge des Betrachters von gegen-
über? Die Grenzen sind schwimmend. Ein
Buch wie ein impressionistisches Gemälde,
vor dem man ins Träumen gerät.
Anne Serre, Die Gouvernanten, Berenberg, 22 Euro
Von wegen schüchtern
Was Frau will, das bekommt
sie. Zumindest bei unseren
Verwandten im Tierreich
trifft das zu, wo Männchen
sich bekanntlich mächtig ins
Zeug legen, um die weibliche
Gunst zu erringen. Aber auch
Weibchen konkurrieren un-
tereinander – ob durch Promiskuität wie bei
Löwinnen, Machtgerangel unter Nacktmull-
Weibchen oder Klonen in Ermangelung eines
Männchens bei manchen Arten. Die patriar-
chale Blaupause in der Zoologie hat ausge-
dient. Cooke lädt die Leserschaft ein, sich an
diesen vergnüglichen Einblicken zu erfreuen.
Lucy Cooke, Bitch, Malik-Verlag, 22 Euro
71
Kunst. stück

Freiräume
Fotos: Julija Goyd

72 Séparée No. 40
 Kunst. stück

Séparée No. 40 73
Kunst. stück

74 Séparée No. 40
 Kunst. stück

Séparée No. 40 75
Kunst. stück

76 Séparée No. 40
 Kunst. stück

Séparée No. 40 77
Kunst. stück

78 Séparée No. 40
 Kunst. stück

Séparée No. 40 79
Kunst. stück

80 Séparée No. 40
 Kunst. stück

Séparée No. 40 81
BDSM. Teil 3

Was ist
BDSM?

Teil 3
Das facettenreiche Spiel mit der Kontrollabgabe
Text: Nicola Kriegl

82 Séparée No. 40

NACHDEM ES IN DEN ERSTEN zwei Tei-
len um die Trichotomie des BDSM ging, die
Verhaltenskodexe und Grundsäulen wie
Konsens, Kommunikation, Safewords und
Aftercare, wird es jetzt verspielt: Wir erläu-
tern ein paar konkrete BDSM-Praktiken:
tierische, tabuisierte und möglicherweise
gefährliche Praktiken. Sie alle eint eines: Es
geht immer um vollkommene Kontrollab-
gabe, in den unterschiedlichsten Formen
über verschiedene Zeiträume hinweg. Hier
bespielt jeweils immer die oben spielende
Person (Top) eine unten spielende Person
(Bottom). Wir tauchen an dieser Stelle kurz
in den jeweiligen Kink ein. Wer diesen prak-
tizieren möchte, sollte sich jedoch tiefgehen-
der darüber informieren. Na dann, lasset die
Spiele beginnen!
DDLG (DADDY DOM LITTLE GIRL)
Oder auch CGL (Caregiver Little) als ge-
schlechtsneutrale Bezeichnung. Hierbei geht
es um die Beziehung zwischen einem kind-
lichen Little (Bottom) und einem fürsorgli-
chen, verantwortungsübernehmenden Care-
giver (Top), auch Mommy oder Daddy
genannt. Diese Form des Spiels kommt aus
dem D/S-Bereich und ist oft mit einem star-
ken Machtgefälle verbunden, das teilweise
bis in den Alltag reicht. Das bedeutet, dass
es sich manchmal nicht um ein Rollenspiel
für eine Session handelt, sondern die Person
in der Little-Rolle meist generell einen sehr
kindlichen Charakter hat und eine starke
Beziehungsperson braucht, die führt und
sich kümmert. Was hier erstmal wichtig ist:
CGL hat nichts mit Pädophilie zu tun, was
die Anziehung zu Kindern mit vorpubertä-
rem Körperschema meint. Dieser Kink be-
zieht sich auf das Machtgefälle zweier Er-
wachsener, das Abgeben von Verantwortung
und aufs Umsorgt-werden, das gefühlte Al-
ter und die Charaktereigenschaften der Spie-
lenden. Jede Dynamik kann anders sein und
Fotos: Erika Lust Films
anderen Regeln folgen. Manche Littles
möchten in ihrem Little-Space keine sexuel-
len Handlungen praktizieren, manche kom-
binieren verschiedene Kinks im BDSM mit-
einander, spielen mit Strafen und
Belohnungen. Manchmal wird das Little-
Sein unterstützt durch kindliche Sprache,
Klamotten, Hobbys oder Vorgaben des
Daddys: Zubettgehzeiten, Regeln, Erzie-
hung. (Ob CGL zum Bereich des Ageplay
zählt, ist umstritten, denn ist Ageplay ein
Spiel innerhalb einer Session, während
CGL eben darüber hinausgehen kann.) Litt-
Séparée No. 40
les sehnen sich aus verschiedenen Gründen
nach einer Dynamik dieser Art. Hier geht es
nicht um einen Elternersatz oder Mutter-
bzw. Vaterkomplexe, sondern um eine Be-
ziehung voller Fürsorge, Sicherheit und Ge-
borgenheit zwischen Top und Bottom.
Vielleicht sollten wir hier nochmals das Er-
gebnis diverser Studien erwähnen, die besa-
gen: Es konnte kein Zusammenhang zwi-
schen dem Ausleben von BDSM und
„ Dieser Kink bezieht sich
psychischen Pathologien hergestellt werden.
auf das Machtgefälle zweier
Erwachsener, das Abgeben
von Verantwortung und
aufs Umsorgt-werden.
PETPLAY (ENGL. PET = HAUSTIER)
Was reizvoll daran ist, beispielsweise in die
Rolle eines Hundes zu schlüpfen? Haupt-
gründe sind das Ausleben von spielerischem
Verhalten und Leichtigkeit, die komplette
Kontroll- und Verantwortungsabgabe an die
oben spielende Person, hier englisch Hand-
ler genannt, oder Flucht aus dem Alltag.
Manche fliegen auf die Malediven, um den
Kopf mal auf lautlos zu stellen, andere schaf-
fen sich diese Auszeiten eben innerhalb ihrer
BDSM-Sessions. Die Person, die das Tier im
BDSM. Teil 3
Spiel besitzt, zieht ihre Lust meist aus der
Kontrolle, Macht und Dominanz durch die
Unterwürfigkeit des Pets.
Eine Session besteht meistens darin, dass die
unten spielende Person in eine Tierrolle
schlüpft – oft eines, mit dessen Eigenschaf-
ten sie sich identifizieren kann. Top wird
Handler und spielt oder interagiert mit dem
jeweiligen Tier. Die beliebtesten Rollen sind
hierfür Hunde, Katzen und Pferde. Die Bot-
tom-Person gibt ausschließlich Tierlaute von
“
sich, wobei zusätzlich Hilfsmittel verwendet
werden, um die Rolle nach außen zu zeigen:
Ponymasken und Analplugs mit Schweif,
Hundehalsbänder und Näpfe, Katzenohren
und Körbchen – alles, was das Tierherz so
begehrt. Viele Sessions haben keinerlei sexu-
ellen Kontext, es geht lediglich um das Spiel
an sich, gegebenenfalls mit speziellem Tier-
Hintergrund: die Dressur des Pferdes mit
Reitgerten und Peitschen, die Haltung eines
Hundes mit Gassigehen und Trainieren oder
die Zähmung und Bestrafung der eigensinni-
gen Katze.
Manche berichten, dass das Spielen dieser
Rolle oft einen intensiven Sub-Drop nach
sich zieht. Ein Ort für das tierische Zurück-
ziehen sollte immer gegeben sein, genauso
wie das Aftercare – wie nach jeder BDSM-
Session – ein Auffangen und langsames Zu-
rückbringen in die Realität verkörpern sollte.
BREATHPLAY (ENGL. BREATH = ATEM)
Der Reiz an diesem Spiel ist für die oben
spielende Person ein ultimatives Vertrauens-
und Kontrollgefühl, da Atmen lebensnot-
wendig ist und damit das Leben in ihrer
Hand liegt. Für die Bottom-Person sind
sowohl psychische als auch physische Aus-
wirkungen reizvoll: Einerseits kann das Ge-
fühl von komplettem Beherrschtwerden
und Ausgeliefertsein einen speziellen Kick
geben, andererseits kann es zu einem kör-
83
BDSM. Teil 3

pereigenen euphorischen Rauschzustand

kommen: Denn Atementzug führt zu Sau-
erstoffmangel im Gehirn und dadurch zu
einer Steigerung des Kohlendioxidgehaltes
im Blut. Letzteres sorgt für das bekannte
Schwindelgefühl und die Ausschüttung von
Adrenalin und Endorphinen. Für viele ist
das Gefühl ähnlich einem Orgasmus – oder
sie intensivieren das Empfinden eines Or-
gasmus parallel durch Atemkontrolle.
Bevor wir ein wenig tiefer einsteigen, müs-
sen wir nochmals an Teil 2 dieser Serie in
der letzten Ausgabe erinnern. Dort haben
wir erklärt, dass es bei manchen Spielen –
wie dem Breathplay – zwingend ein non-
verbales Safeword braucht. Eben beispiels-
weise Abklopfen, wie man es aus dem Sport
kennt oder das Drücken oder Fallenlassen
eines Gegenstandes, der dabei Geräusche
macht. Die unten spielende Person ist wäh-
rend der Atemkontrolle stets genau zu be-
obachten. Bei der kleinsten Unsicherheit
oder Panik ist das Spiel abzubrechen!
Die erste Assoziation mit Breathplay ist ver-
mutlich das Würgen. Das gehört selbstver-
ständlich dazu; es gibt jedoch auch andere
Wege, Atemkontrolle auszuüben. Es geht
hierbei nicht nur um Verhinderung des At-
mens, sondern auch um Erschweren oder
Vorgeben, wie geatmet werden soll. Letzte-
res meint beispielsweise nur synchron mit
der oben spielenden Person, nur lange oder
kurze Atemzüge. Erschwert werden kann
das Atmen beispielsweise durch Facesitting
oder Facefuck, also Oralsex durch Sitzen auf lich. Die Praktik sollte immer nüchtern mit nisch gesehen sicherer sind.
dem Gesicht der unten spielenden Person erfahrenen Menschen praktiziert werden, Dass Aftercare hier unerlässlich ist, sollte
oder komplette Kontrollübernahme beim mit viel Vorwissen und Absicherungen. Es klar sein. Für beide Parteien sind liebevolles
Oralsex, „Benutzen“ des Mundes des Bot- kann bei schlechter Ausführung zu Schäden Auffangen und psychisches Reflektieren von
toms. Enge Kleidung, Halsbänder oder Ein- und Verletzungen bis hin zum Herzstill- großer Bedeutung.
schnürungen des Körpers mit Bondage-Sei- stand kommen. Spielen bis zur Bewusstlo- Also: Passt aufeinander auf! Dieser Satz
len können ebenfalls eine Form des sigkeit sollten die Praktizierenden auf jeden scheint innerhalb von BDSM, wo Würgen,
Breathplay darstellen. Verhinderung des Fall vermeiden, das dies eine dauerhafte Schlagen oder Demütigung oft dazugehö-
Atmens kann ganz einfach mit Zuhalten Schädigung des Gehirns zur Folge haben ren, erstmal ein kleines Paradoxon zu sein,
von Mund und Nase geschehen, aber auch kann. Man kennt die schrecklichen Berichte ist aber, wie inzwischen vielfältig erläutert,
durch verschiedene Knebel, Klebeband oder über autoerotische Unfälle und damit ein- oberste Priorität und auch teilweise genau
Ballgags. Zum Würgen lässt sich sagen: Auf hergehende Strangulierung – soll heißen: der ausschlaggebende Punkt der Kinks. ♥
keinen Fall auf den vorderen Bereich des NIEMALS alleine praktizieren! Zusätzlich
Halses, dort, wo die Luftröhre liegt, starken müssen wir betonen, dass diese Praktik als In der nächsten Ausgabe widmen wir uns
Druck ausüben! Wichtig ist, sich stets über sittenwidrig innerhalb der deutschen Ge- psychologischen und feministischen Aspekten
die Anatomie und den Verlauf von wichti- setzgebung gilt. Selbst wenn Konsens gege- des BDSM.
gen Nerven zu informieren. Wer neu in die- ben ist, bei Schäden oder Tod kann die akti-
Foto: Erika Lust Films

sem Bereich ist, sollte am Anfang auf jeden
Fall Gürtel, Seile oder Hilfsmittel weglassen!
Dass Breathplay zum Edgeplay, also das
Spiel mit psychischen und physischen Si-
cherheitsrisiken, gezählt wird, ist offensicht-
ve Person stets belangt werden. Vor dem
Praktizieren empfehlen wir den Besuch von
BDSM-Kursen und -Workshops zum The-
ma, die über alle Risiken informieren, aber
auch Punkte und Griffe zeigen, die medizi-
Vernetzen können sich Interessierte auf
verschiedenen Plattformen und Wegen: FetLife,
JoyClub, Sklavenzentrale, auf Stammtischen;
alle Jüngeren können über die SMJG (auch
BDSM-Jugend) Kontakte knüpfen.

84 Séparée No. 40

Paarungszeit
Von A wie animalisch bis Z wie zärtlich
S
Fotos: JAKLZDENEK/stock.adobe.com;
VOR ZWANZIG JAHREN EROBERTE ein
Anemonenfisch mit seiner Geschichte Hol-
lywood: Der Clownfisch Nemo wächst im
Pazifischen Ozean nahe Australien auf.
Durch den frühen Tod seiner Mutter und
Geschwister ängstlich geworden, versucht
sein Vater Merlin ihn vor den Gefahren des
Meeres zu schützen. Doch eines Tages wird
Séparée No. 40
Text: Lea Hofmann
Nemo von Menschen gefangen genommen
und Merlin bricht in die Weiten des Oze-
ans auf, um seinen Sohn wiederzufinden.
Eine Story, die beim Publikum sehr gut
ankam, bei der Naturwissenschaft jedoch
sicherlich für jede Menge Kopfschütteln
sorgte. Schließlich sind Anemonenfische
echte Hermaphroditen, also doppelge-
Tier.welt
schlechtliche Individuen. Korrekt ist, dass
es sich bei dem Protagonisten Nemo um
einen Jungen handeln muss, da alle
Clownfische männlich zur Welt kommen.
Bei seiner Mutter kann es sich nur um den
ältesten, ranghöchsten Fisch der Gemein-
schaft handeln, da ausschließlich dieser
weiblich ist. Merlin wäre dann der nächste
85
Tier.welt

in der Rangordnung, da ansonsten keiner
im ausschließlich männlichen Schwarm
die Geschlechtsreife hat. Und spätesten
jetzt wird klar, dass es sich bei „Findet
Nemo“ um eine Fantasiegeschichte han-
deln muss, selbst wenn es sich um einen
Stummfilm handeln würde. Denn nach
dem Tod eines Weibchens hat das begat-
tende Männchen anderes zu tun, als sich
um seinen Sohn zu kümmern. In der Rea-
lität wird er dann nämlich weiblich und
hin zum Werfen verschiedener Materialien.
Je eleganter die Choreografie desto mehr
potentielle Partner. Steht einer dann für den
Rest des Lebens fest, beginnt die Bezie-
hungsarbeit. Um die Verbindung aufrecht-
zuerhalten und zu stärken, wird immer wie-
der aufs Neue das Tanzbein geschwungen.
Wenn es um Kreativität beim Balzverhal-
ten geht, gewinnt eindeutig die Gattung
der Vögel das Rennen. Noch ein Beispiel
gefällig? Der männliche Laubenvogel
gleicht die Schlichtheit seines schwarzen
Federkleids aus, indem er hochkomplexe
Nester konstruiert. Dabei verfolgt er ein
einziges Ziel: weibliche Vögel zur Paarung
anzulocken. Dafür lässt er sich so einiges
einfallen. Seien es Blumen, Früchte oder
Federn in knalligen Farben oder bunte Ob-
jekte künstlichen Ursprungs wie Flaschen-
gabteste Architekt kann sich über viele
Sexualpartnerinnen freuen. Wer kein zu-
friedenstellendes Ergebnis erzielt, geht
beim Reproduktionsprozess leer aus. Survi-
val of the fittest, eben.
Doch nun Schluss mit Vögeln! Beziehungs-
weise mit dieser Tierart. Schließlich gibt es
auch jede Menge Säugetiere und Insekten
deren Sexualleben zum Schmunzeln anregt.
Bei bestimmten Fledermäusen geht es bei-
spielsweise sehr sportlich zur Sache. Damit
der Paarungsakt möglichst lange dauert,
leckt hier das Weibchen während des Ge-
schlechtsverkehrs den Penis ihres Partners.
Konkret erhöht sich mit jeder Sekunde Fel-
latio die Paarungsdauer um zehn Sekun-
den. Dabei gilt das Motto: „Sharing is ca-
ring“. Um die Penetration zu erleichtern,
leckt das Männchen ebenfalls die Genitali-
en seiner Partnerin.

F
übernimmt die Führung der Gruppe und
der nächste Junggeselle wird zum ge-
schlechtsreifen Männchen. Das weibliche
Leittier übt wiederum durch sein Verhalten
R
Stress auf die anderen Fische im Schwarm
aus. Das dabei ausgeschüttete Hormon
Cortisol verhindert die Geschlechtsreife
und den Umwandlungsprozess. Folglich
hat Nemo ab dem Todeszeitpunkt seiner
Mutter auch keinen Vater mehr, da sich
dieser zu einem Weibchen transformiert.

Fotos: ; chamnan phanthong/stock.adobe.com; Francesco_Vignati_Pixabay

Vom Lesen schwindelig geworden? Na,
dann ab in ruhigere Gefilde: Die Monoga-
mie des weißen Schwans beispielsweise hat
sogar mythische Ausmaße angenommen.
Bis auf ein paar Ausnahmen sind sich Hö-
ckerschwäne ein Leben lang treu. Wie ro-
mantisch diese Beziehung jedoch letzten
Endes ist, sei dahingestellt. Schließlich han-
delt es sich bei ihrer Form von Monogamie
um eine bewährte Methode, die es den Vö- kapseln, Strohhalme oder Ziegelsteine. Um Auf einen möglichst lange andauernden
geln ermöglicht, sich gegenseitig vor Raub- ihr regelrechtes Oeuvre fertigzustellen, be- Sexualakt scheint auch die Gottesanbeterin
tieren zu schützen und die Überlebenschan- nötigen die Vögel mehrere Tage. Dann be- aus zu sein. Dies erreicht sie, indem sie
cen ihrer zukünftigen Nachkommen zu ginnt eine Art Wettbewerb zwischen den während der Kopulation den Kopf des
erhöhen. Eine Taktik, die auch ihre asiati- Männchen. Sie greifen die Nester ihrer po- Männchens abreißt. Einige Forscher be-
schen Artgenossen anwenden: Beim japani- tentiellen Rivalen an und plündern sie. haupten auch, dass dieses Verhalten zudem
schen Kranich kommt der Paartanz nie aus Schließlich kommt der Inspektionsmo- die Qualität des Spermas erhöht und zu
der Mode. Von Sprüngen über Flügelschlä- ment, bei dem das Weibchen das Nest er- einer besseren Befruchtung beiträgt. Eben-
ge, Rückwärtsgehen und Verbeugungen bis kundet, um ihre Wahl zu treffen. Der be- falls hoch im Trend ist es, das Männchen

86 Séparée No. 40
 Tier.welt

nach dem Akt komplett zu verspeisen. So

L
erhält das wesentlich größere und robustere
Weibchen zusätzliche Nährstoffe, die für
die Ei-Produktion von Nutzen sind.

Dem Delfin geht es wiederum bei Intimitä-

ten darum, soziale Bindungen zu schaffen
und aufrechtzuerhalten. Insbesondere das
Weibchen praktiziert hier das ganze Jahr
über sexuelle Handlungen, selbst wenn es
nicht empfängnisbereit sind. Es hat auch
erkannt, dass es nicht immer eines Gegen-
übers bedarf, um sich zu verlustieren. Ger-
ne reibt es auch einmal allein seinen Kitzler

G
kenntnis, dass es sich bei Homosexualität Eine Studie über zwei Brutzeiten ergab,
Fotos: kuritafsheen/stock.adobe.com; Murad Swaleh_Pixabay

um keine Anomalie handelt. dass 91 Prozent aller männlichen Tordalks

gegen den Sand. Dieser besteht, wie bei
Menschenfrauen, aus Blutgefäßen und sen-
sorischen Strukturen, deren Funktion es ist,
über die reproduktive Funktion hinaus Ver-
gnügen zu bereiten.
Wer sich die Mühe macht, einen profun-
den Blick in das Sexualverhalten von Tie-
ren zu werfen, kommt auch zu der Er-
Sowohl männliche als auch weibliche Lö-
wen wurden bereits dabei beobachtet, ho-
mosexuell aktiv zu sein. Männliche Löwen
gehen sogar für einige Tage richtige Paar-
bindungen ein. Konkret finden circa acht
Prozent aller Paarungen zwischen Männ-
chen statt.
Noch markanter ist die Statistik beim Tord-
alk. Bei diesen Vögeln sind homosexuelle
Paarungen eher die Regel als die Ausnah-
me. Ob Männchen oder Weibchen, Single
oder Paar: Gegen ein kurzes Stelldichein an
speziellen Orten in der Nähe von Brutko-
lonien hat niemand etwas einzuwenden.
bereit sind, sich von anderen Männchen
penetrieren zu lassen. 66 Prozent sind gern
der aktive Teil.
Das Museum der französischen Stadt Tou-
louse findet das Sexualleben von Tieren
und Pflanzen so faszinierend, dass es die-
sem Thema eine komplette Ausstellung
gewidmet hat. „Sex-Appeal“ gewährt tiefe
Einblicke in die Intimwelt der Tiere und
zeigt im wahrsten Sinne des Wortes jede
Menge Beispiele für tierisches Vergnügen.
Zu sehen ist die Schau noch bis zum
7. 7. 2024. ♥

„Nach dem Gewandhaus,

zieh Dein Gewand aus!“
STEFAN SCHWARZ, aka JANNEK BLUME,
liest seine besten Kolumnen aus der Séparée.
Foto: Stefanie Fiebrig

DO 21.3.2024, 19:30 UHR KABARETT ACADEMIXER LEIPZIG

academixer.com/programm/spielplan-kalender

87
Séparée No. 40 87
Her. story

Die verstoßene
VISIONÄRIN
Von Ignoranz,
Illusion
und Invidia
Text: Larissa Gegg

Abbildungen: Caroline Mathilde, Königin von Dänemark und Norwegen. Porträt von Francis Cotes (1766)

Caroline Mathilde,
Königin von Dänemark
und Norwegen.

88 Séparée No. 40

Jeder kennt Geschichten von Prinzessinnen, die sich gegen böse Stief- oder
Schwiegermütter behaupten müssen. Dass es dabei im echten Leben manchmal kein
Happy End gibt, musste auch Caroline Mathilde, Königin von Dänemark, erfahren.
Es war die Eifersucht einer anderen Frau, die sie entmachtete und ihr die Liebe stahl.
IN DER ROKOKO-EPOCHE WURDE EUROPA von schillernden
Häuptern regiert. Exzesse, Skandale und Ausschweifungen aller Art
prägten die Höfe, die von der Lebenswirklichkeit des gemeinen Vol-
kes abgespaltene Blasen bildeten. Doch allmählich begann es in jener
Zeit zu brodeln: Die Ideen der Aufklärung schwappten durch die
Lande und veränderten das Denken.
In diesem Geist wurde die 1751 geborene englische Prinzessin Caro-
line Mathilde, Schwester von Georg III., erzogen. Ihre Mutter hielt
sie fernab vom Hof auf dem Land, wo die kleine Prinzessin sich auf
die für adelige Frauen angemessene Ausbildung konzentrierte, aber
„
auch lernte, ihr Gemüse selbst zu ziehen. Caroline Mathilde wuchs
mehrsprachig auf und las gern und viel. Ihre
Wissbegierde teilte sie mit ihrem Bruder Ge-
org. Zunächst galt sie nicht als die begehrtes-
te Prinzessin, da ihr Status nur der einer
Die Ménage-
Tochter eines verstorbenen Thronfolgers ent-
sprach. Doch da war Dänemark, ein Land,
à-trois, gebildet
das schon längst die Hand nach der jungen
Caroline Mathilde ausgestreckt hatte. König durch König,
Georg war in der Bredouille: Hätte er den
Heiratsantrag abgelehnt, hätte er einen Krieg Königin und
riskiert. Würde er zustimmen, hieße dies, sei-
ne Schwester möglicherweise nie wieder zu Leibarzt, sollte
sehen. Georg war außerdem sehr besorgt, da
er Gerüchte über den königlichen Bräutigam
vernommen hatte. Besorgniserregende Ge-
sich zu der
rüchte. Die dänischen Gesandten stritten
hingegen alles ab und priesen ihren König
wichtigsten
Christian VII. als einen strahlenden Prinzen,
freundlich und bodenständig.
Instanz
Georg stellte sich zunächst stur und verhan-
delte den Hochzeitsvertrag sehr hart – viel-
formieren.
leicht hoffte er, seiner Schwester so mehr Zeit zu verschaffen. Schließ-
lich wurde sie im Alter von 12 Jahren per Stellvertreter vermählt. Die
königliche Braut sollte noch einige Zeit in Großbritannien verbrin-
gen, bis sie das Alter erreichte, in welchem es als angemessen galt, sich
den ehelichen Pflichten voll und ganz zu widmen. Im Jahr 1766
musste Caroline schließlich von Großbritannien Abschied nehmen.
Die Reise nach Dänemark war beschwerlich, doch erfolgreich. In Al-
tona wurde sie von ihrem Gefolge ihrem Ehemann übergeben.
Schnell bestätigten sich Georgs Befürchtungen bezüglich Christian.
Wurde er als strahlend und gütig beschrieben, so konnte dies nicht
weiter von der Wahrheit entfernt sein. Der König von Dänemark war
nicht zum Herrschen erzogen worden, sondern zum Gehorchen. Sei-
ne Stiefmutter hatte sich perfiderweise den strengen und sadistischen
Grafen von Reventlow als Erzieher für Christian ausgesucht. Aus
dem schüchternen und sensiblen Jungen formte dieser durch harte
Séparée No. 40
Her. story
Strafen wie Auspeitschen einen schizophrenen, sexuell sadomasochis-
tisch aufgeladenen Mann. Sein häufiges Masturbieren wurde von
seinen Ärzten als besorgniserregend empfunden, weil sie dachten, es
könne seine Herrschaft negativ beeinflussen. Seine sexuelle Promis-
kuität führte schon bald dazu, dass er sich mit der in Kopenhagen
stadtbekannten Stiefeletten-Kathrin einließ. Sie soll nicht nur in der
Lage gewesen sein, seine Fetische zu befriedigen, sondern ihn auch
zum Vandalismus in einigen Bordellen angestiftet haben. Dies war
der Mann, der Caroline Mathilde als Ehemann vorgesetzt wurde. Der
Hof hoffte, dass die unschuldige junge Frau ihn bändigen könne,
aber man kann sich vorstellen, wie überfordert Caroline Mathilde
mit der ganzen Situation gewesen sein muss.
Schließlich fehlten ihr als junger Ehefrau und
Königin zwei essentielle Dinge: die Unter-
stützung durch ihren Ehemann, der sie schüt-
zen sollte, sowie Verbündete am Hof, denen
sie vertrauen konnte. Nur mit großem Auf-
wand gelang es ihr, ihre königliche Pflicht zu
erfüllen. 1768 schenkte sie dem Volk und Kö-
nig einen gesunden Prinzen. Doch glücklich
war Caroline Mathilde nicht. Ihre Ehe war
eine Katastrophe, sie selbst ohne Macht und
Einfluss. Noch schlimmer wurde es, als Chris-
tian die Oberhofmeisterin Louise von Plessen
aus ihrem Amt enthob, die gleichzeitig auch
eine echte Freundin der Königin war. Alle
Bemühungen von Caroline Mathilde, dies
rückwirkend zu ändern, scheiterten.
Sie stürzte in eine postnatale Depression und
“ verkroch sich in ihrem Zimmer. In dieser Zeit
verließ ihr Gemahl die Hauptstadt, um auf
Reisen durch ganz Europa zu gehen. Offizi-
ell, um seine Präsenz als neuer König zu zeigen, tatsächlich aber um
Chaos zu stiften, wo es nur ging. Die Monate zogen ins Land und die
Stimmung der Königin besserte sich nicht wirklich. Sie tat jedoch ihr
Bestes, sich mit zwei verwitweten Königinnen am Hof anzufreunden:
mit Christians Großmutter Sophie Magdalena und seiner Stiefmutter
Juliane Marie. Das Verhältnis der drei Frauen war von Eifersüchtelei-
en gezeichnet, da Sophie Magdalena davon ausging, Caroline Mat-
hilde würde Juliane Marie bevorzugen, was nicht stimmte. Juliane
Marie war selbst Mutter eines Prinzen. Und diesen wollte sie viel
lieber auf dem Thron sehen als ein Kind ihres Stiefsohnes Christian.
Eine eventuelle Versöhnung zwischen Caroline Mathilde und Chris-
tian lag deshalb definitiv nicht in ihrem Interesse. Die Atmosphäre
am Hof war toxisch und machte es Caroline Mathilde fast unmög-
lich, wahre Freundschaften zu schließen.
Doch dann kam ihr Mann zurück mit dem unwahrscheinlichsten
Mitbringsel, das ein König seiner Königin je gemacht hatte. Doktor
89
Her. story
Johann Friedrich Struensee war dem König auf dessen Reisen durch
das Königreich begegnet und hatte sich seiner angenommen. Nicht
ganz aus Uneigennützigkeit behandelte er die nervösen Phasen des
Königs und versuchte ihn mental zu stabilisieren, um ihn in die Lage
zu versetzen, die Regierungsgeschäfte wirklich zu führen. Dies schien
ihm zunächst zu gelingen, jedenfalls so gut, dass Christian den Arzt
bat, sich auch der Königin anzunehmen. Schnell war klar, dass sie
unter schwersten Depressionen litt und daher ihre Pflichten als Kö-
nigin erheblich vernachlässigt hatte.
Caroline Mathilde wusste zunächst nicht so recht, was sie eigentlich
mit diesem Mann anfangen sollte, der sie bat, sie untersuchen zu
dürfen. Darüber hinaus war sie grundsätzlich misstrauisch gegenüber
den Günstlingen ihres Gemahls, denn diese unterstützten üblicher-
weise sein Verhalten, wenn er Wutausbrüche hatte. Doch Struensee
war kein Quacksalber wie viele seines Berufs-
standes. Schon früh engagierte er sich für die Schloss
Pockenimpfung, sachgerechte Krankenpflege Celle
und Reformen in der Geburtshilfe. Er er-
kannte schnell, dass er das Selbstbewusstsein
der Königin aufbauen musste und verschrieb
ihr Sporttherapie. So entdeckte sie das Spa-
zieren für sich und wurde zu einer exzellen-
ten Reiterin. Aus praktischen Gründen tat sie
dies sehr gerne in Hosen und im Herrensat-
„
tel, was der Erregung eines öffentlichen Är-
gernisses gleichkam und auch in Schmäh-
pamphleten die Runde machte.
Zur selben Zeit stieg Struensee zum Minister
Caroline
auf und überredete den König, die Pressefrei-
heit einzuführen. Durch die zunehmenden
betätigte sich
gemeinsamen Aktivitäten sollte sich Caroline
Mathilde schnell in Struensee verlieben. Sie
bei der
teilten dieselben Werte, waren belesen und
für die Ideen der Aufklärung offen. Und es
Krankenpflege,
war wohl wirklich wahre Liebe. Im Jahr 1769,
nach einem Maskenball, welcher zu Ehren wohl wissend,
von Caroline Mathilde ausgerichtet worden
war, ließ sie sich das erste Mal auf Struensee welchem Risiko
ein, welcher sie heimlich des Nachts in ihrem
Gemach aufsuchte. In Schloss Christiansborg sie sich damit
gab es einen geheimen Gang, der die Gemä-
cher der Königin mit der von Struensee ver-
band. Außerdem schenkten sie sich gegensei-
aussetzte.
tig kostbare Andenken. Caroline Mathilde vertraute Struensee auch
die Erziehung ihres Sohnes an, der sich später im Erwachsenenalter
als äußerst widerstandsfähig erweisen sollte, selten krank war und auf
körperliche Hygiene achtete, sich also in das komplette Gegenteil
seines geistig kränklichen Vaters verwandeln sollte.
Das neu gewonnene Selbstvertrauen, geboren aus der Liebe zu Stru-
ensee, aber auch durch das Gönnen ihres Ehemannes, machten aus
der schüchternen englischen Prinzessin endlich die dänische Königin,
die das Land brauchte. Die Ménage-à-trois, gebildet durch König,
Königin und Leibarzt, sollte sich zu einer der politisch wichtigsten
Instanzen formieren. Für die adeligen Höflinge war es ein Schlag ins
Gesicht, dass es jemand ohne entsprechende Herkunft am Hof so
90
weit gebracht hatte. Struensees Aufstieg brachte die absolutistischen
Herrschaftsstrukturen durcheinander, die ihm, ganz der Aufklärer
und Reformer, verhasst waren. So ließ er in seiner Funktion als Kon-
ferenzrat des Königs den Staatsrat absetzen und senkte die Salzsteuer.
Er ließ die Häuser Kopenhagens mit Nummern versehen und die
Straßen reinigen. Polizisten wurde es untersagt, ohne Durchsu-
chungsbefehl ein Haus zu stürmen. Straßenlaternen wurden aufge-
stellt, Kinderkrankenhäuser eingerichtet. Die Anzahl kirchlicher Fei-
ertage wurde verringert, sodass Struensee sich Feinde beim Klerus
machte. Doch auch durch seine Gleichstellung unehelicher Kinder
mit ehelichen vor dem Gesetz machte er sich beim Establishment
unbeliebt. Für den Adel war Struensees Bemühen, adelige Verbrecher
den Verbrechern aus dem Volk gleichzusetzen, außerdem ein rotes
Tuch. Kein Straftäter sollte seiner gerechten Strafe entkommen.
Während all dieser Reformen, von Struensee
erarbeitet und vom König unterzeichnet, er-
wartete Caroline Mathilde ein weiteres Kind.
Am 1. Juli 1771 brachte sie ein Mädchen zur
Welt. Struensee nahm die Entbindung per-
sönlich vor. Obgleich es ein offenes Geheim-
nis war, dass der König nicht der Vater sein
konnte, erkannte Christian die kleine Louise
Augusta als seine Tochter an. Der Sommer
1771 war der für Caroline Mathilde der
schönste ihres Lebens.
Am 18. Juli legte Christian ein Gesetz vor,
das die Unterschrift Struensees der des Kö-
nigs gleichsetzte. Vier Tage später sollte
Struensee zum Grafen erhoben werden, was
jedoch der Verfassung widersprach, denn
nach der Lex Regia durften die Könige
Dänemarks ihre eigene Macht nie abgeben.
Damit wurde die Geduld der Dänen über-
strapaziert, vor allem die der Anhänger des
Klerus und des Adels. Und so kam es, dass
sich die Verschwörer um eine Frau sammel-
ten, die von Anfang an nie auf der Seite
Christians oder Caroline Mathildes gestan-
den hatte: Christians Stiefmutter Juliane
“
Marie. Sie wusste genau, sie sich der Lieben-
den entledigen konnte. Fleißig suchte sie
nach Beweisen, die den Ehebruch der bei-
den bestätigten. Sie bestach Bedienstete, die ihr Bericht erstatteten
und die in den Gemächern der Königin und Struensees nach Indi-
zien suchten – so wurde auch ein Taschentuch mit Samenspuren in
der Rocktasche von Struensee gefunden.
Juliane Marie vernetzte sich außerdem mit all den Adeligen, deren
Privilegien durch die Reformen Struensees Schaden genommen hat-
ten. Der Umsturz wurde für den 17. Januar 1772 geplant. Ein Mas-
Foto: falco_Pixabay
kenball bei Hofe sollte das Schlusskapitel für das „verräterische“
Liebespaar einläuten. Die Königin und Struensee ahnten nichts, als
sie den Ball mit einem Tanz eröffneten, während der König in der
königlichen Loge eine Partie Whist spielte. Der Wein floss in Strö-
men, die Musik spielte, Diamanten glitzerten im Kerzenlicht. Ein
Séparée No. 40
 Her. story

kurzer Moment des höfischen Paradieses. Der Ball zog sich bis in die um Caroline Mathilde formieren könnte und sie endgültig ent-
frühen Morgenstunden, danach zogen sich die zwei in die Gemächer machtet werden würde. Also musste sie ihre Rivalin schleunigst
der Königin zurück. Da die beiden abgelenkt waren, stieß Juliane außer Landes schaffen.
Marie in die Gemächer des Königs vor und zwang diesen unter ihre
Kontrolle. Christian wehrte sich vehement, doch musste er den Haft- Als Caroline Mathilde schließlich die Nachricht vom Tode ihres
befehl gegen seine Frau und Struensee unterschreiben, glaubend, Liebhabers überbracht wurde, fiel sie in Ohnmacht und verlor alle
dass Caroline Mathilde und Struensee ihn ermorden wollten. Dann Hoffnung, denn nachdem sie ihre Tochter abgestillt hatte, nahm
stürmten die Verschwörer in Struensees Gemächer und verschlepp- ihr der machtgierige Hof diese ebenso weg. Louise Auguste wurde
ten ihn in eine Gefängniszelle für Schwerstverbrecher. Als die Ver- im Scheidungsprozess legitimiert und galt somit als Besitz der dä-
schwörer in die Gemächer der Königin eindrangen, wurde ihr gestat- nischen Krone. Sie würde privilegiert aufwachsen, aber möglicher-
tet, ihre Tochter, die sie noch stillte, mitzunehmen. Ihr Sohn jedoch weise dazu erzogen werden, ihre Mutter zu hassen. Caroline Mat-
war als Kronprinz dänisches Staatseigentum und wurde ihr im selben hilde blieb letztlich nichts anderes übrig, als ein Schiff zu besteigen
Moment weggenommen. Zunächst verlegte man sie ins Schloss und Dänemark für immer zu verlassen. Ihr Bruder Georg III. wur-
Kronborg bei Helsingör, eine Festung, bekannt aus dem Stück de von seinen Untertanen kritisiert, weil er sich nach dem Prozess
„Hamlet“ von Shakespeare. kaum um seine Schwester
Dort wurde sie in einem Caroline Mathilde und Struensee kümmerte. Schließlich wur-
achteckigen Turmzimmer spielen Schach, während König de sie nach Celle gebracht,
mit zwei Schemeln und ei- Christian VII. den Papagei mit wo sie ihre alte Freundin
seinem Degen neckt
ner Pritsche als Bett unterge- Louise von Plessen wieder-
bracht. Ihre Sorge um Stru- traf. Im Exil wurde sie von
ensee nutzte man aus, um ihrem Bruder mit vielen
ihr eine Falle zu stellen. So Büchern versorgt und be-
wurde ihr zugetragen, dass kam von ihm ein Piano for-
Struensee den Ehebruch be- te geschenkt. Auch ihre In-
reits gestanden habe. In der teraktion mit der lokalen
Hoffnung, sein Leben ret- Bevölkerung sollte ihr Ab-
ten zu können, gab sie lenkung verschaffen. Doch
nach. Es war der gleiche Caroline Mathilde war
Trick, den man zuvor bei nach all den Strapazen ge-
Struensee angewandt hatte. brochen. Wie hätte sie auch
Die Verschwörer hatten sich ahnen können, dass ihr
auf diese Weise nicht nur Sohn tatsächlich als König
die Unterschriften der bei- die Bemühungen Struen-
den erschlichen, sondern sie sees fortführen würde? Dass
auch im Glauben gelassen, dieser und seine Schwester
vom jeweils anderen verra- ein unzertrennliches Band
ten worden zu sein. entwickeln würden?

So wurde Caroline Mathil- Zur Zeit ihrer Verbannung

de in einem von Juliane grassierten Thyphus oder
Marie inszenierten Schei- Scharlach in Celle. Caroline
Gemälde: Kristian Zahrtmann: Szene vom Hof Christians VII. (1873)

dungsprozess geschieden und gleichzeitig ihrer Krone und großen
Liebe beraubt. Für Struensee hatte Juliane Marie einen noch viel
bösartigeren Plan. In Kopenhagen ließ sie auf einem Feld ein fünf
Meter hohes Schafott errichten, sodass sie der Hinrichtung von
Schloss Christiansborg aus zuschauen konnte. Struensee und sein
Freund Graf Enevold Brandt sollten dort ihr Ende finden. Zunächst
wurden ihnen die Hände abgehackt, danach köpfte man sie mit ei-
nem Beil. Schließlich weidete man die Opfer aus und flocht ihre
Überreste auf Räder.
Zum Verdruss von Juliane Marie stimmte das Volk jedoch keine
Jubelrufe an, denn eines hatte sie nicht bedacht: dass sie mit Stru-
ensee einen Märtyrer geschaffen hatte. Für Dänemark sollten
schlimme Jahre folgen, in denen alle Reformen von Struensee zu-
rückgenommen wurden. Das Volk rebellierte und forderte die Wie-
dereinsetzung einiger Reformen, die Juliane Marie zähneknirschend
zugestehen musste. Vor allem, da sie befürchtete, dass sich das Volk
Mathilde betätigte sich bei der Krankenpflege, wohl wissend, wel-
chem Risiko sie sich damit aussetzte. Durch absichtliche Anste-
ckung sollte sie später selbst erkranken. Ihrer Vertrauten Louise
von Plessen übergab sie die letzten Briefe und machte ihr Testa-
ment. Caroline Mathilde starb mit gerade einmal 23 Jahren. Beer-
digt wurde sie in einem Prunksarg neben ihrer Vorfahrin Sophia
Dorothea. In Dänemark war man sichtlich erleichtert, dass man
dieses skandalöse Kapitel ad acta legen konnte. Doch Caroline
Mathilde erfuhr posthum eine solche Verehrung, dass bis heute
Blumen an ihrem Grab niedergelegt werden. Ihr kurzes Leben soll-
te auf lange Sicht generationenübergreifende Folgen haben. Durch
ihre Tochter mit Struensee wurde sie die Ururgroßmutter der letz-
ten deutschen Kaiserin Auguste Victoria. Und noch heute existie-
ren mit Königin Sofia in Spanien, Prinz Paul von Griechenland
(Sohn des verstorbenen Ex-Königs Konstantin II.) und Prinz Ernst
August von Hannover Nachfahren der verstoßenen Visionärin. ♥

Séparée No. 40 91
Dessous-Darling. Anekdot

92 40
Séparée No. 35
 Dessous-Darling. Anekdot

ANEKDOT
Upcycling is the new sexy
Text: Nicola Kriegl

Sofie Andersson zieht für ihre Modedesign-Ausbildung von Schweden

nach Italien, von dort nach Großbritannien und landet schließlich
in Berlin, wo sie ihren schon immer bestehenden Vintage-Lingerie-
Traum in die Realität umgesetzt hat. Ihre Gedanken und Ideen dahinter
verkörpern hoffentlich bald den neuen Standard der Modeindustrie.

EINE FUSION AUS EXQUISITER NOSTALGIE und elegantem
Komfort – so beschreibt Gründerin Sofie Andersson ihr 2015
gegründetes Label Anekdot. Warum Nostalgie? Anekdot ist eine
Upcycle-Marke: „Das bedeutet nicht, dass du die Unterwäsche
von jemand anderem trägst, sondern dass wir unsere hochwerti-
gen Materialien aus Produktionsresten, End-of-Lines, Verschnit-
ten, Dead Stock und Vintage-Trimmings beziehen, um sie in et-
was Schönes und Sinnvolles für den Alltag zu verwandeln.” Das
können Überschüsse aus der Herstellung oder Restbestän-
de einer schließenden Fabrik sein, Materialien mit
kleinen Produktionsfehlern oder aus Fehlkalku-
lationen resultierendes Restinventar. Und
damit kommen wir auch schon zur Na-
mensgebung: Denn die Stoffe und Trim-
mings von Anekdot erzählen ihre eige-
ne Geschichte: wie sie hergestellt
wurden, ihr ursprünglicher Zweck und
das Abenteuer hinter der Beschaffung.
„Anekdot bezieht sich auf diese Ge-
schichten und die Geschichten, die dar-
aus neu entstehen. Wir sind stolz darauf,
dass unsere Kundinnen und Kunden, die
unsere Produkte lieben, tragen und schät-
zen, ein Teil davon sind.” Die Materialien, die
verwendet werden, wurden zuvor noch nicht ge-
tragen. Ihnen wird eine neue Chance gegeben – als
Fotos: Elvira Nisman/PR
Modetrends. Letzteres ist ein Industriestandard, den Andersson
ändern möchten, da er Überproduktion und Überkonsum zur
Folge hat. Geliebte Kleidung sollte schließlich saisonübergreifend
getragen werden können.
Anekdot hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, dem Anspruch
„zero waste“, d.h. keinen Abfall zu produzieren, gerecht zu wer-
den. Muster werden so hergestellt, dass möglichst wenig Restver-
schnitt abfällt. Die größeren Materialienmengen, d.h. Stoffe, die
gekauft wurden, aber doch nicht verwendet werden, wer-
den an Kunst- und Bildungsprojekte für Flüchtlinge
am Flughafen Tempelhof und im S27, einem
Verein zur Förderung interkultureller Jugend-
arbeit, gespendet. „Lasst uns eine neue
Norm einführen, nach der wir geben, statt
zu nehmen.” Kleinere Textilreste werden
in Scrunchies oder Umschläge für Note-
books verwandelt, die ebenfalls im On-
line-Shop erhältlich sind. Die Produkte
sind meist made-to-order, d.h., Artikel
werden auf Bestellung gefertigt. Die La-
gerbestände werden niedrig gehalten, um
unverkaufte Ware zu vermeiden. Viele Ar-
tikel sind limitierte Editionen und können
selten reproduziert werden.
„Wir glauben, dass man keinen Kompromiss zwi-
schen High Fashion und Nachhaltigkeit machen

elegante Dessous, schöne Bademode, bequeme Loungewear und
süße Accessoires.
Bei Anekdot läuft einiges anders als man es in der Modeindustrie
so gewohnt ist: Das Unternehmen verzichtet auf Sale-Aktionen
wie den Black Friday und bezeichnet sich als saisonlos, denn die
Produktpalette orientiert sich nicht an Jahreszeiten oder flüchtigen
muss“, sagt Andersson. Das glauben wir auch nicht und Anek-
dot beweist es: süße Bras und Bralettes mit einem Hauch von
Romantik und Extravaganz. Strings und Panties mit verspielter
Spitze und Vintage-Akzenten in elegant gedeckten Farben oder
auch mal wilden Mustern. Multifunktionale Bademode, wie Bi-
kini-Tops, die man auch ganz einfach umstylen und dann als

Séparée No. 40 93
Dessous-Darling. Anekdot

Fotos: Elvira Nisman/PR

94 Séparée No. 40

Bandeau, Triangel oder im Wrap-Style tragen kann. Elegante
Roben in floralem Retro-Look als leichte Jacke, Morgenmantel
oder Sauna-Kimono mit Hingabe zum Detail. All diese Pieces
vereinen Sofie Anderssons Vision von gut passender, langlebiger,
nachhaltiger und eleganter Wäsche im Vintage-Look. Auf der
Website wird übrigens bei jedem Produkt beschrieben, woher das
Material ursprünglich stammt, ob es made-to-order ist und ob
das Piece direkt in Berlin oder bei Partnerunternehmen in Polen
produziert wurde.
Sofies Gedanken? „Wir streben nach kontinuierlichen Verbesse-
Séparée No. 40
Dessous-Darling. Anekdot
rungen, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern und
unserer Erde etwas zurückzugeben. Wir glauben, dass eine Reihe
kleiner Veränderungen zu großem Wandel führen kann. Die
Kundinnen und Kunden von Anekdot sind ein Teil davon – da-
für sind wir dankbar.” Diese hübschen Dessous und die Vision
dahinter sind es auf jeden Fall wert, noch viele Geschichten zu
inspirieren – vielleicht auch Ihre. ♥
anekdotboutique.com
Insta @anekdotboutique
95
Kolumne. Gnadensex
QUENGELN FOR LOVE
QUENGELN IST NICHT NUR eine profitable Strategie für Kinder
im Supermarkt, die mit der Mutti oder dem Vati an der Kasse vor
dem hinterhältig platzierten Kleinigkeitenregal warten müssen.
Quengeln ist, wenn man den Erforschern der weiblichen Sexualität
glauben darf, auch eine höchst erfolgreiche Strategie für Männer,
um an Sex zu kommen. Das mag die eine oder andere selbstbewuss-
te Frau irritieren, die sich ausschließlich der eigenen Lust verpflich-
tet fühlt, aber schon die reizende Lady Alice Hillingdon seufzte:
„Wenn ich draußen seine Schritte höre, lege ich mich aufs Bett,
schließe die Augen und denke an England!“ Ihr Gatte Charles hatte
im Verlauf der Ehe sein Verlangen zwar schon auf zwei Termine die
Woche reduziert, aber auf diesen bestand er. Lady Alice schickte
sich also drein. Derlei Gnadensex ist ein bewährtes Muster selbst in
weniger ermüdeten Langzeitbeziehungen. Männer beschweren sich
gern ausführlich über das Nachlassen des weiblichen Begehrens (na-
türlich ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, dass sie
selber das früher stundenlange Umwerben der Frau auf drei Hand-
griffe reduziert haben) und Frauen hören sich diese Leier nur un-
gern an. Da ist der gleichsam „mütterliche“ Gnadensex ein probates
Gegenmittel. In einem schnellen Überschlag rechnet die Frau die
Kürze des gewährten Aktes gegen das nicht enden wollende Nin-
geln und Nörgeln des Mannes und gewährt ihm eine Kleinigkeit
Sex, damit er Ruhe gibt. Wem das heuchlerisch vorkommt, sollte
bedenken, dass erquengelter Sex für den Mann ganz und gar nicht
der schlechteste ist, denn die moderne Frau hat ein klares Ziel – den
Mann so schnell als möglich zur orgiastischen Weißglut und damit
zum Abschluss zu bringen! Wo sie sonst im eigenen Interesse das
96
Text: Jannek Blume
langsame Schüren der Flammen der Lust betreibt, wird nun mit
dem Bunsenbrenner gearbeitet. Oder wie Ballermann-Barde Mickie
Krause singt: „Finger im Po, Mexiko! Paris, Athen, Auf Wieder-
sehen!“ Diese Art von Gnaden-Quickie erzieht den Mann nur lei-
der dazu, es immer wieder mal mit Quengeln zu probieren. Sex ist
für selbstbewusste Frauen vor allem auch immer eine Art und Wei-
se, die Situation zu kontrollieren. Sex ist schließlich für Männer
das, was ein geworfenes Stöckchen für Hunde ist. Damit kriegt man
sie immer. Nicht umsonst unterhalten sich Jennifer Lawrence als
Maddie und ihre Freundin in „No Hard Feelings“ darüber, welche
vordergründig unerotischen Gründe sie hatten, mit Männern ins
Bett zu gehen. Als einer der lustigsten Gründe wird Langeweile ge-
nannt, da sonst der Abend völlig belanglos gewesen wäre, und als
ein anderer, wesentlich kurioserer Grund, einen mutmaßlichen Psy-
chopathen zu beschwichtigen. (Bevor der im Gespräch anwesende
Freund der Freundin sich über diesen abscheulichen Grund erregen
kann, erfährt er, dass er der mutmaßliche Psychopath war.) Und
dann ist da noch bei unsicheren Frauen die Sorge, der Mann könne
sich bei verweigertem Entgegenkommen anderswo umsehen. Wäh-
rend Quengeln oft in einem späteren Stadium einer reifen Bezie-
Foto:Irene/stock.adobe.com
hung auftritt und recht eigentlich unschädlich ist, gehört diese Art
des gewährten Sexes in Früh- und Krisenphasen und führt zu – nix.
Der ängstlich um Bindung bemühte Sex kann nur schlecht sein und
das spürt der Mann. Eine darob noch weiter verstörte Freundin
begab sich daraufhin ins Fitness-Studio, um sich noch appetitlicher
und beckenbodenständiger zu trainieren. Mit dem ersehnten Mann
wurde es trotzdem nichts. Aber mit dem Fitnesstrainer. ♥
Séparée No. 40
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Séparée No. 40 97
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Einblicke in
Séparée No. 41

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02
01 WIE LIEBT MAN KOSCHER?
Im Judentum wird das Leben mit Leib und Seele geliebt
und gefeiert. Wie in vielen Religionen soll der Sex
zwar auch hier hauptsächlich der Fortpflanzung dienen,
und es gibt kuriose Regeln, wem wann und wie oft Sex
nahegelegt wird, doch erotischer Genuss ist dabei nicht
verpönt. Insbesondere der weiblichen Lust, die sogar
ausdrücklich erwünscht ist, werden überraschend
wenig Grenzen gesetzt.

ERIKA LUST
Seit 20 Jahren produziert und dreht die in
Barcelona ansässige Schwedin Pornos, bei
denen die weibliche Lust im Mittelpunkt
steht. Ihre Filme sind ästhetisch, stilvoll und
in ihrer Darstellungsweise auf vielfältige
Weise authentisch. Vor zehn Jahren, in der
Séparée No. 2, haben wir ausführlich über
Erikas Buch „Let’s make a porno“, eine
Anleitung zum Eigendreh, berichtet. Was es
03
seitdem Neues bei ihr gibt, erzählt sie uns in
der kommenden Ausgabe im Interview. STRANDAUSFLUG
Fotograf Thomas Freyer, dessen Bilder schon vom
renommierten NORMAL-Magazine und im französischen
Playboy gezeigt wurden, war mit seiner Muse Magdalena
zum Shooting am Strand von L.A. Ganz ohne ein
öffentliches Ärgernis zu provozieren, sind ihm wieder
ganz besondere Bilder gelungen, die nicht nur Vorfreude
auf Sand, Sonne und Meer wecken.

Ab Juni 2024
im Handel!
98 Séparée No. 40
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