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9 Epidemiologisches
2024 Bulletin
29. Februar 2024
FSME-Risikogebiete in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2024 29. Februar 2024 2
Inhalt
Impressum
Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck
Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull
Telefon: 030 18754 – 0
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die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
Redaktion
Dr. med. Jamela Seedat Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
(Ltd. Redakteurin) Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Dr. med. Maren Winkler
(Stellv. Redakteurin)
Redaktionsassistenz
Nadja Harendt ISSN 2569-5266
Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
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FSME-Risikogebiete in Deutschland
(Stand: Januar 2024)
In dieser Ausgabe des Epidemiologischen Bulletins Anteil der auftretenden FSME-Erkrankungen könn-
(Epid Bull) wird – in Übereinstimmung mit den te wahrscheinlich durch eine Steigerung der Impf-
diesbezüglichen Ausführungen in den Empfehlun- quoten insbesondere in Risikogebieten mit hoher
gen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim FSME-Inzidenz verhindert werden.
Robert Koch-Institut (RKI) – eine aktualisierte
Darstellung der Risikogebiete der Frühsommer-
Meningoenzephalitis (FSME) in Deutschland in Hintergrund
einer Einteilung nach Kreisgebieten als Grundlage Die FSME und verwandte Virusenzephalitiden
für gezielte präventive Maßnahmen publiziert. Sie werden durch das Tick-borne Encephalitis-(TBE-)
beruht auf den gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) Virus verursacht. Weltweit gibt es drei relevante
dem RKI übermittelten FSME-Erkrankungsdaten Virussubtypen: den europäischen, den sibirischen
aus den Jahren 2002 – 2023. Diese Karte ersetzt die und den fernöstlichen Subtyp. TBE ist der englische
Karte der Risikogebiete vom März 2023.1 Überbegriff für alle Subtypen; der deutsche Begriff
„FSME“ bezeichnet die Erkrankung mit dem euro-
päischen Subtyp. Schätzungen zufolge verlaufen
Zusammenfassung 70 – 95 % der Infektionen asymptomatisch.2 Eine
In Deutschland besteht ein Risiko für eine FSME- symptomatische FSME-Erkrankung kann mono-
Infektion vor allem in Bayern und Baden-Württem- oder biphasisch verlaufen. Ein biphasischer Verlauf
berg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen, in beginnt mit unspezifischen Krankheitszeichen wie
Sachsen und seit 2022 auch im südöstlichen Bran- Kopfschmerzen und Fieber (Inkubationszeit meist
denburg. Einzelne Risikogebiete befinden sich zu- 7 – 14 Tage). Nach einem kurzen symptomfreien
dem in Mittelhessen (Landkreis [LK] Marburg- Intervall von ca. einer Woche können die spezifi-
Biedenkopf), im Saarland (LK Saarpfalz-Kreis), in schen neurologischen Manifestationen der FSME
Rheinland-Pfalz (LK Birkenfeld), in Niedersachsen folgen (Meningitis, Enzephalitis, Myelitis).3 Den
(LK Emsland) und in Nordrhein-Westfalen (Stadt- Ergebnissen einer Studie zufolge stehen vor allem
kreis [SK] Solingen). Nun kommen zwei neue Risiko Alter und Bluthochdruck in Verbindung mit einer
gebiete hinzu, die beide an bekannte Risikogebiete höheren Wahrscheinlichkeit für eine schwere
grenzen. In Brandenburg kommt ein viertes Risiko- FSME-Erkrankung. Auch Verläufe mit nur einer
gebiet, SK Frankfurt (Oder), hinzu. In Thüringen Krankheitsphase können mit schweren Erkrankun-
kommt das Risikogebiet LK Altenburger Land hin- gen assoziiert sein.4
zu. Somit sind aktuell 180 Kreise als FSME-Risiko-
gebiete ausgewiesen. Es wurden auch in Bundeslän- Das TBE-Virus wird meist durch Zecken auf den
dern ohne FSME-Risikogebiete vereinzelt FSME- Menschen übertragen, in Deutschland überwiegend
Erkrankungen beobachtet, sodass besonders wäh- durch die Spezies Ixodes ricinus. Übertragungen
rend der Zeckensaison bei entsprechender Sympto- durch den Verzehr von Rohmilch(-produkten) sind
matik überall in Deutschland differenzialdiagnos- möglich, aber selten. Als FSME-Risikogebiete wer-
tisch an FSME gedacht werden sollte. den Endemiegebiete deklariert, in denen für Perso-
nen mit Zeckenexposition ein FSME-Erkrankungs-
Die STIKO empfiehlt eine FSME-Impfung für Per- risiko besteht, welches nach Übereinkunft von Fach-
sonen, die in FSME-Risikogebieten zeckenexponiert leuten präventive Maßnahmen begründet. Im Vor-
sind. Die Mehrzahl (99 %) der 2023 übermittelten dergrund steht die effektive FSME-Impfung für die
FSME-Erkrankten war gar nicht oder unzureichend Bevölkerung, Besucherinnen und Besucher und be-
geimpft, d. h. die Grundimmunisierung war unvoll- ruflich Tätige in Risikogebieten, die durch den Auf-
ständig oder Auffrischimpfungen fehlten. Ein hoher enthalt in der Natur zeckenexponiert sind.
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Das FSME-Erkrankungsrisiko wird anhand der land der Anteil der Erkrankungen mit Symptomen
kreisbezogenen Inzidenz der gemäß IfSG gemelde- des zentralen Nervensystems (ZNS) unterschätzt
ten und dem RKI übermittelten FSME-Erkrankun- wird (≈ 50 % vs. 84 % im Rahmen einer aktiven
gen eingeschätzt.5 Aufgrund der kreisbezogenen Nacherfassung).4 Drei Personen verstarben an ihrer
Meldepflicht ist es dabei nicht möglich, das Risiko FSME-Erkrankung, eine Person im Alter von über
kleinräumiger als auf Kreisebene abzubilden. Krei- 80 Jahren, eine Person im Alter von über 60 Jahren
se variieren jedoch in ihrer Größe und sind Kreisge- und eine Person im Alter von über 50 Jahren.
bietsreformen unterworfen. FSME-Herde sind oft-
mals kleinräumig,6 sodass das FSME-Risiko auch Die durchschnittliche FSME-Inzidenz steigt ab dem
innerhalb von Kreisen mit insgesamt niedriger In- Alter von 40 Jahren deutlich an (s. Abb. 1) und ist
zidenz stark schwanken kann. Diesbezüglich liegen höher bei männlichen als bei weiblichen Personen
den Gesundheitsämtern – auch in Kreisen, die nicht (2023: 1,8 vs. 1,1 Erkrankungen/100.000 Einwoh-
als FSME-Risikogebiete definiert sind, unter Um- ner). Im Jahr 2023 war die Inzidenzverteilung nach
ständen detailliertere Daten vor, die für Beratungen Alter und Geschlecht ähnlich wie in den Vorjahren,
von Personen mit erhöhtem Expositionsrisiko, z. B. wenn auch mit insgesamt niedrigerer Fallzahl (s.
Forstbedienstete, herangezogen werden können. Abb. 1).
Derzeit bleibt die Surveillance menschlicher FSME- Die Mehrzahl der FSME-Erkrankungen findet in
Erkrankungen die bestmögliche Grundlage zur Ein- den Monaten Mai bis Oktober statt, so auch im Jahr
schätzung des humanen Erkrankungsrisikos. Sollte 2023 (s. Abb. 2). Üblicherweise tritt die höchste Fall-
die Inzidenz jedoch aufgrund steigender Impfquo- zahl im Juni auf, im Jahr 2023 wurden jedoch im
ten in einzelnen Gebieten abnehmen, wären ergän- Juli die meisten Erkrankungen gemäß IfSG über-
zende Indikatoren hilfreich, um ein fortbestehen- mittelt. Im Oktober gab es keinen für den Herbst
des Infektionsrisiko für Nichtgeimpfte abzuschät- typischen ausgeprägten zweiten Peak.7
zen. Daher hat die Erfassung von Impfquoten einen
hohen Stellenwert, ebenso die Evaluation weiterer Von den im Jahr 2023 übermittelten Fällen wurde
Indikatoren für das FSME-Erkrankungsrisiko, wie bei 357 Fällen nur Deutschland als mögliches Infek-
z. B. Erkenntnisse aus Studien zu FSME-Tierreser tionsland genannt. Bei neun Fällen wurden zusätz-
voiren. lich zweimal Italien und jeweils einmal China,
Polen, Ruanda, Kroatien, Schweden, Österreich und
Eine detaillierte Beschreibung der Methodik befin- Vietnam als weitere mögliche Infektionsländer an-
det sich auf Seite 17. gegeben. Bei 17 Fällen wurden ausschließlich mög-
liche Infektionsländer außerhalb Deutschlands an-
gegeben: sechsmal Österreich, jeweils zweimal
Zur FSME-Situation in Deutschland Schweden und die Schweiz und je einmal Kroatien,
im Jahr 2023 Litauen, die Niederlande, Polen, Tansania, die Tür-
Im Jahr 2023 wurden insgesamt 475 FSME-Erkran- kei und Ungarn (Mehrfachangaben waren mög-
kungen übermittelt, die die Referenzdefinition des lich). Für 92 Fälle (19 %) wurde keine Angabe zum
RKI erfüllten (Stand: 29.1.2024). Dies entspricht Infektionsland gemacht.
einer Abnahme von 16 % gegenüber dem Vorjahres-
wert (565 FSME-Erkrankungen). Die jährliche Fall- Für 357 Fälle wurde wenigstens je ein vermutlicher
zahl seit 2001 schwankte stark zwischen 195 (2012) Infektionsort (Kreis) in Deutschland angegeben. Es
und 718 (2020), im Median 333 Erkrankungen. Bei wurden insgesamt 131 (Vorjahr: 144) verschiedene
53 % der 2023 übermittelten Fälle wurde ein klini- Kreise als Infektionsorte genannt (372 Nennungen;
sches Bild mit neurologischen Manifestationen ei- in 15 Fällen wurden zwei mögliche Infektionsorte
ner Meningitis, Enzephalitis oder Myelitis angege- genannt). Die Nennungen verteilen sich auf die
ben. Dies entspricht dem Anteil des Vorjahres 2022 Bundesländer wie folgt: 190 (51,1 %) auf Bayern,
(55 %). Eine im Jahr 2023 erschienene Studie zeigte 105 (28,2 %) auf Baden-Württemberg, 33 (8,9 %) auf
jedoch, dass in den Routinemeldedaten in Deutsch- Sachsen, 12 (3,2 %) auf Hessen, sieben (1,9 %) auf
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5,0
5,0
Durchschnitt 2019 – 2022 2023
4,5
-Erkrankungen/100.000 Einw.
4,5
4,0
4,0
3,5
3,5
3,0
3,0
2,5
2,5
2,0
2,0
1,5
1,5
1,0
1,0
0,5
0,5
0,0
0,0
♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀
0–4 5–9 10 – 14 15 – 19 20 – 24 25 – 29 30 – 39 40 – 49 50 – 59 60 – 69 70 + Gesamt
Abb. 1 | An das RKI übermittelte FSME-Erkrankungen (gemäß IfSG) aus Baden-Württemberg und Bayern pro 100.000 Einwohner
nach Altersgruppe und Geschlecht, 2019 – 2023
Gemeldete FSME-Fälle
200
Median
Median Mittlere 50% Min-Max Nur 2020
Median Mittlere50
Mittlere 50%
% Min-Max Nur 2020
Median Mittlere 50% Min-Max
Min-Max Nur 2020
Mittlere 50% Min-Max
150
Nur
Nur2020
2023
100
50
Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sep Okt Nov Dez
Abb. 2 | Verteilung der von 2001 – 2023 übermittelten FSME-Fälle (n = 8.690) nach Monat der Erkrankung, mit Hervorhebung des
Jahres 2023. Die dunkelblaue Fläche stellt die mittleren 50 % der Datenpunkte dar
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Thüringen, sechs (1,6 %) auf Niedersachsen, fünf Aktuelle Änderungen im Jahr 2024
(1,3 %) auf Sachsen-Anhalt, jeweils vier (1,1 %) auf Insgesamt sind aktuell 180 Kreise als FSME-Risiko-
Rheinland-Pfalz und das Saarland und jeweils drei gebiete ausgewiesen (s. Abb. 3 und Tab. 1):
(0,8 %) auf Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. ▶ 94 Kreise in Bayern (unverändert)
Bei 333 (93 %) der 357 Fälle mit Angabe eines Infek- ▶ 43 Kreise in Baden-Württemberg (unverändert)
tionsortes in Deutschland ist dieser auch der Kreis ▶ 13 Kreise in Thüringen (1 zusätzlicher Kreis:
des Wohnortes. Dieser Anteil ist mit 93 % minimal LK Altenburger Land)
höher als im Vorjahr 2022 (90 %) bzw. genauso ▶ 10 Kreise in Hessen (unverändert)
hoch wie im Jahr 2021. Nach der Coronavirus ▶ 10 Kreise in Sachsen (unverändert)
Disease 2019-(COVID-19-)Pandemie gab es keine ▶ 4 Kreise in Brandenburg (1 zusätzlicher Kreis:
wesentliche Veränderung im Anteil der FSME- SK Frankfurt (Oder))
Infektionen, die außerhalb des Wohnkreises erwor- ▶ 2 Kreise in Sachsen-Anhalt (unverändert)
ben wurden. ▶ 1 Kreis in Niedersachsen (unverändert)
▶ 1 Kreis in Nordrhein-Westfalen (unverändert)
Im Jahr 2023 lagen bei 361 Erkrankten (76 %) Anga- ▶ 1 Kreis in Rheinland-Pfalz (unverändert)
ben zur möglichen Infektionsquelle vor. Davon ga- ▶ 1 Kreis im Saarland (unverändert)
ben 229 Fälle (63,4 %) einen Zeckenstich an, sechs
Fälle (1,7 %) Rohmilchverzehr und fünf Fälle (1,4 %) In Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen sind
sowohl einen Zeckenstich als auch Rohmilchver- nur folgende Kreise somit keine FSME-Risikoge-
zehr. Bei 121 Fällen (33,5 %) wurden weder Zecken- biete:
stiche noch der Verzehr von Rohmilch während des ▶ Bayern: SK Augsburg, SK Schweinfurt
Expositionszeitraums angegeben. Der überwiegen- ▶ Baden-Württemberg: SK Heilbronn
de Teil der FSME-Erkrankungen wird demnach ▶ Sachsen: SK Leipzig, LK Leipzig, LK Nord
durch Zeckenstiche übertragen, wobei etwa ein sachsen
Drittel der Erkrankten den Stich vermutlich nicht
bemerkte. Ein kleiner Anteil der Erkrankungen Die aktuellen Ergebnisse der für den Zeitraum
könnte möglicherweise mit dem Verzehr infizierter 2002 – 2023 ausgewerteten Daten bestätigen somit
Milch in Zusammenhang stehen. Seit Beginn der weiterhin die Existenz größerer, weitgehend zusam-
FSME-Erfassung gemäß IfSG im Jahr 2001 wurde menhängender FSME-Naturherde im Süden und in
erstmals im Jahr 2016 eine FSME-Erkrankung durch der Mitte Deutschlands, vor allem in Baden-Würt-
den Verzehr infizierter Ziegenmilch (verzehrt als temberg, Bayern, Südhessen, im südlichen Thürin-
Milch und Frischkäse) in Baden-Württemberg er- gen und in Sachsen. Bemerkenswert ist, dass nach
worben. Im Jahr 2017 wurde eine weitere Häufung dem ersten sächsischen Risikogebiet im Jahr 2014
mit insgesamt acht FSME-Erkrankungen bei Perso- aktuell bereits zehn aller 13 sächsischen Kreise
nen, die Ziegenrohmilch getrunken hatten, an das Risikogebiete sind. Die zwei im Jahr 2023 neu hin-
RKI übermittelt. Die Rohmilchproben waren nega- zugekommenen Risikogebiete in Brandenburg und
tiv für das Virus, aber es wurden FSME-Antikörper Thüringen grenzen an bestehende Risikogebiete.
bei einer der Ziegen nachgewiesen. Bei keiner Per-
son wurden ZNS-Symptome angegeben, jedoch Auch außerhalb dieser Risikogebiete treten Einzel-
wurde eine Person hospitalisiert. Im Jahr 2022 gab fälle in nördlichen und westlichen Regionen
es erneut eine Häufung im Zusammenhang mit Deutschlands auf. In den 1960er Jahren war es zu-
dem Verzehr von Ziegenrohmilch mit fünf Fällen, dem auch z. B. in Mecklenburg-Vorpommern und
von denen vier symptomatisch erkrankten. Darun- in Brandenburg vermehrt zu FSME-Infektionen ge-
ter wurden bei zwei Personen ZNS-Symptome kommen. Während Mecklenburg-Vorpommern in
angegeben. Beide wurden hospitalisiert und eine den letzten Jahren nur noch Einzelfälle aufweist,
der Personen wurde intensivstationär behandelt. gibt es in Brandenburg seit 2023 vier Risikogebiete.8
Bei drei Ziegen konnten FSME-Antikörper nachge-
wiesen werden. In 132 Kreisen wurde in mindestens einem Fünf
jahreszeitraum zwischen 2002 – 2023 eine Inzidenz
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Ein Kreis wird als FSME-Risikogebiet definiert, wenn die Anzahl der übermittelten FSME-Erkrankungen in mindestens
einem der 18 Fünfjahreszeiträume im Zeitraum 2002 – 2023 im Kreis ODER in der Kreisregion (bestehend aus dem
betreffenden Kreis plus allen angrenzenden Kreisen) signifikant (p < 0,05) höher liegt als die bei einer Inzidenz von
1 Erkrankung/100.000 Einwohner erwartete Fallzahl.
Kreise, die im Jahr 2024 zum Risikogebiet ausgewiesen werden: LK Altenburger Land, SK Frankfurt (Oder)
Kein Risikogebiet
Kreise, die in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen keine Risikogebiete sind: Baden-Württemberg: SK Heilbronn;
Bayern: SK Augsburg, SK Schweinfurt; Sachsen: SK Leipzig, LK Leipzig, LK Nordsachsen
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Tab. 1 | Land- und Stadtkreise (n = 180), die im Jahr 2024 als FSME-Risikogebiete ausgewiesen werden, nach Bundesland; neue
Risikogebiete sind grau hinterlegt (Stand 29.1.2024)
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Zirkulation überlappen.9 Dies betrifft alle aktuellen FSME-Diagnostik erfolgen. Neben dem Konsiliar
FSME-Risikogebiete in Sachsen-Anhalt und Bran- labor für FSME am Institut für Mikrobiologie der
denburg außer dem SK Frankfurt (Oder), vier Kreise Bundeswehr (IMB) bieten auch die Landesgesund-
im Nordosten von Sachsen, zwei Kreise im Südwes- heitsämter in Bayern und Baden-Württemberg dies-
ten von Sachsen sowie der SK Gera in Thüringen. bezüglich fachliche Beratung und weiterführende
Auch in vielen weiteren Kreisen in diesen Bundes- Diagnostik an (s. Kontakte im Anhang). Bei Ver-
ländern und in Berlin können sich Menschen mit dacht auf Kreuzreaktionen sollte ein Neutrali
WNV infizieren, vor allem im Spätsommer und sationstest (NT) und gegebenenfalls ein NS1-Anti-
Herbst. Das neuroinvasive Krankheitsbild einer körper-Test (Nicht strukturelles Protein 1) durchge-
WNV-Infektion, welches vor allem ältere Personen führt werden, die Tests sind am Konsiliarlabor für
und Personen mit Vorerkrankungen betrifft, ist un- FSME etabliert.
ter Umständen dem einer FSME sehr ähnlich. Eine
differentialdiagnostische Abklärung bei Auftreten
einer Meningitis, Enzephalitis oder Myelitis ist des- Das FSME-Infektionsrisiko in Kreisen, die
halb von Bedeutung. Denguefieber ist endemisch in nicht als Risikogebiete eingestuft wurden
Asien, Süd- und Mittelamerika sowie in Afrika. Das Von 2002 – 2023 traten insgesamt 187 Fälle außer-
Zikavirus ist in vielen Ländern Asiens, Afrikas, Süd- halb der im Jahr 2023 ausgewiesenen Risikogebiete
und Zentralamerikas endemisch; eine begrenzte auf, davon 27 im Jahr 2023. Das waren 2,5 % der
lokale Zirkulation wurde auch aus den USA (Texas, 7.263 Fälle mit einem Infektionsort in Deutschland
Florida) berichtet. Das Europäische Zentrum für die seit 2002. Davon traten 17,1 % in Niedersachsen,
Prävention und die Kontrolle von Krankheiten jeweils 15 % in Hessen, Nordrhein-Westfalen und
(ECDC) stellt auf seinen Internetseiten eine Karte Rheinland-Pfalz, 8 % in Brandenburg, 7,5 % in Sach-
zu Ländern mit Zikavirus-Transmission zur Verfü- sen-Anhalt, 3,7 % in Sachsen, 3,2 % in Bayern,
gung: www.ecdc.europa.eu/en/zika-virus-infection/ jeweils 2,7 % im Saarland und in Thüringen, 1,1 % in
threats-and-outbreaks/zika-transmission Baden-Württemberg und 9,1 % in Bundesländern
ohne ausgewiesene Risikogebiete auf (s. Tab. 2 und
Bei positiv auf FSME getesteten Personen, die sich Tab. 3). Ein Teil dieser Fälle ist mit einer gewissen
in der Expositionszeit nicht in FSME-Risikogebie- diagnostischen Unsicherheit behaftet, insbesondere
ten aufgehalten haben, sollte unbedingt eine wenn sie in Kreisen auftraten, in denen FSME bis-
(Rückstell-)Probe an das Konsiliarlabor für FSME her noch nie oder kaum nachgewiesen worden war
geschickt werden, um die Diagnostik mit den dort (s. Abschnitt Zum Vorgehen beim Auftreten von
verfügbaren Verfahren 10 zu überprüfen. Dafür FSME-Einzelfällen in Nichtrisikogebieten). Im Jahr
steht seit 2020 ein Einsendeschein zur Verfügung 2023 wurden Proben von vierzehn dieser 27 Fälle
(www.rki.de/fsme-einsendeschein). Die Überprü- zusätzlich am Konsiliarlabor für FSME untersucht
fung am Konsiliarlabor ist auch unbedingt bei Fäl- und anhand FSME-spezifischer Antikörperkonzen-
len mit vorliegender FSME-Impfung empfohlen, trationen oberhalb der Nachweisgrenze bestätigt.
da auch bei diesen das Risiko einer falsch-positiven Einige Fälle hatten eine positive Impfanamnese (s.
Diagnostik besteht. Alternativ können sequenzielle Tab. 2 und Tab. 3); dies kann zu falsch-positiven
Serumproben (d. h. mind. zwei Proben in einem Ab- serologischen Befunden führen.11,12
stand von ca. 2 – 4 Wochen) entnommen werden,
um einen Anstieg der spezifischen Antikörper zu
dokumentieren. Ein signifikanter Anstieg FSME- Bedeutung präventiver Schutz-
spezifischer Antikörper (IgG) weist auf eine akute maßnahmen, insbesondere der
Infektion hin. Gegebenenfalls kann eine Aviditäts- FSME-Schutzimpfung
testung darüber Aufschluss geben, ob es sich um Grundlage der Prävention ist die Aufklärung über
neugebildete (frische Infektion) oder schon länger das erhöhte Risiko der FSME-Übertragung in den
bestehende Antikörper handelt. Die Untersuchung ausgewiesenen Risikogebieten und über vorbeugen-
der Serum- und Liquorproben sollte in einem viro- de Maßnahmen. Typische Lebensräume für Zecken,
logischen Labor mit spezieller Erfahrung in der die ausreichend Feuchtigkeit benötigen, sind unter
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Bundesland (Anzahl Fälle) Kreis des Infektionsortes (Anzahl Fälle) Meldejahr (Anzahl wenn > 1) Weiterer möglicher Infektionsort
SK Berlin Lichtenberg (1) 2017
Tab. 2 | Von 2002 – 2023 gemäß IfSG übermittelte FSME-Erkrankungen mit Infektionsorten ausschließlich in Nichtrisikogebieten
in Bundesländern, in denen bis 2023 keine Risikogebiete ausgewiesen waren (n = 17). LK = Landkreis, SK = Stadtkreis
ǂ
Labornachweis bestätigt (z. B. am Konsiliarlabor für FSME oder mittels FSME-Antikörperanstieg)
* Positive Impfanamnese (Diagnostik weniger valide)
Es gab keine Kreise, aus denen 2023 erstmalig autochthone FSME-Fälle übermittelt wurden oder Kreise, die im Jahr 2023 Risiko-
gebiet werden.
anderem lichte Wälder oder Waldränder sowie Flä- Den zuverlässigsten Schutz gegen die FSME bietet
chen mit hohem Gras oder Büschen. Gute Bedin- die FSME-Impfung. Diese ist von der STIKO emp-
gungen bieten auch Gärten und städtische Parks. fohlen für
Zeckenstiche können zum Teil durch Schutzmaß- ▶ Personen, die in Risikogebieten wohnen oder
nahmen wie das Tragen geschlossener Kleidung, arbeiten und dabei ein Risiko für Zeckenstiche
das Vermeiden von Unterholz und hohen Gräsern haben, und
und das Verbleiben auf festen Wegen verhindert ▶ Personen, die sich aus anderen Gründen in
werden. Repellents schützen begrenzt über einige Risikogebieten aufhalten und dabei ein Risiko
Stunden. Bei Zeckenbefall sollte die Zecke immer für Zeckenstiche haben.
umgehend entfernt und die Wunde möglichst des-
infiziert werden. Im Gegensatz zur Übertragung Ein zeitlich begrenzter Impfschutz (etwa für Ferien-
von Borrelien durch Zecken auf den Menschen, die gäste aus Nichtrisikogebieten) erfordert mindestens
meist erst Stunden nach Beginn des Saugakts er- zwei Impfstoffdosen; ein länger bestehender Impf-
folgt, gelangen FSME-Viren bereits bei Beginn des schutz jedoch drei Impfstoffdosen. Die erste Auf
Saugakts von der Zecke in den Menschen. Daher frischungsimpfung erfolgt nach drei Jahren; weitere
kann das Absuchen des Körpers nach Zecken und Auffrischungsimpfungen werden je nach Alters-
deren schnelle Entfernung zwar häufig eine Borre- gruppe und verwendetem Impfstoff in Abständen
liose verhindern, bietet jedoch keinen sicheren von 3 – 5 Jahren empfohlen. Bei Einhaltung dieser
Schutz vor FSME. Antworten auf häufig gestellte Zeitabstände betrug die Impfeffektivität bei ≥ 3 Impf-
Fragen zu Zecken, Zeckenstich und Infektion fin- stoffdosen laut einer im Jahr 2023 erschienenen
den sich auf der RKI-Internetseite. Auch die Bun- Studie 96,6 %. Bei Überschreitung der Zeitabstän-
deszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) de betrug die Impfeffektivität (≥ 3 Impfstoffdosen)
stellt nützliche Hinweise zu Präventionsmaßnah- immer noch 91,2 %, wenn die letzte Impfung weni-
men auf ihren Internetseiten zur Verfügung: Schutz ger als 10 Jahre zurücklag.13 Die Wirksamkeit der
vor Zecken und richtiges Entfernen (kindergesund- FSME-Impfung konnte zudem in zwei kürzlich er-
heit-info.de). schienenen systematischen Reviews dargestellt wer-
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Bundesland (Anzahl Fälle) Kreis des Infektionsortes (Anzahl Fälle) Meldejahr (Anzahl wenn >1) Weiterer möglicher Infektionsort
Baden-Württemberg
SK Heilbronn (2) 2008, 2012
(n = 2)
Bayern
SK Augsburg (6) 2013 (3); 2014, 2022, 2023*ǂ
(n = 6)
LK Barnim (1) 2021
SK Cottbus (4) 2007, 2016, 2019, 2022ǂ
LK Dahme-Spreewald (2) 2006, 2017
LK Elbe-Elster (1) 2021ǂ
Brandenburg
SK Frankfurt (Oder) (1) 2020ǂ
(n = 15)
LK Märkisch-Oderland (2) 2020ǂ, 2023
LK Ostprignitz-Ruppin (1) 2023ǂ
LK Teltow-Fläming (1) 2023ǂ
LK Uckermark (2) 2004, 2014
SK Frankfurt am Main (1) 2013*
LK Hochtaunuskreis (3) 2014, 2019, 2023
LK Kassel (1) 2017 LK Paderborn
LK Lahn-Dill-Kreis (3) 2004, 2016, 2023*ǂ
LK Limburg-Weilburg (1) 2008*
Hessen LK Rheingau-Taunus-Kreis (3) 2013 (2), 2017
(n = 28)
2004, 2006, 2009, 2011 (2, bei 1*),
LK Schwalm-Eder-Kreis (6) Fall 2006: SK Frankfurt am Main
2013
LK Waldeck-Frankenberg (1) 2010
LK Werra-Meißner-Kreis (3) 2006, 2017, 2022ǂ
LK Wetteraukreis (3) 2012, 2017, 2023ǂ
SK Wiesbaden (3) 2005, 2013, 2022
LK Celle (6) 2016, 2017, 2021 (2ǂ), 2022,ǂ 2023
Fall 2007: LK Oldenburg, Fall
LK Cuxhaven (4) 2004, 2007, 2019,ǂ 2021
2021: LK Stade
LK Goslar (1) 2011
LK Grafschaft Bentheim (1) 2023*
LK Göttingen (1) 2019ǂ
Region Hannover (5) 2008, 2010, 2011, 2015, 2019ǂ
Niedersachsen
(n = 32) LK Harburg (1) 2021
LK Helmstedt (5) 2005,* 2018, 2023 (3,ǂ bei 1*)
LK Hildesheim (2) 2008,* 2017
LK Nienburg (Weser) (3) 2011, 2016, 2017
LK Rotenburg (Wümme) (1) 2002
LK Schaumburg (1) 2022ǂ LK Nordfriesland
SK Wolfsburg (1) 2016
LK Aachen (1) 2007
Tab. 3 | Von 2002 – 2023 gemäß IfSG übermittelte FSME-Erkrankungen mit Infektionsorten ausschließlich in Nichtrisikogebieten
in Bundesländern, in denen bis 2023 mindestens ein Kreis als Risikogebiet ausgewiesen war (n = 170).
LK = Landkreis, SK = Stadtkreis
ǂ
Labornachweis bestätigt (z. B. am Konsiliarlabor für FSME oder mittels FSME-Antikörperanstieg)
* Positive Impfanamnese (Diagnostik weniger valide)
Blaue Einfärbung: Kreise, aus denen 2023 erstmalig autochthone FSME-Fälle übermittelt wurden; Graue Einfärbung: Kreise, die
im Jahr 2024 Risikogebiet werden.
(Fortsetzung Tabelle 3)
Bundesland (Anzahl Fälle) Kreis des Infektionsortes (Anzahl Fälle) Meldejahr (Anzahl wenn >1) Weiterer möglicher Infektionsort
LK Euskirchen (1) 2020ǂ
SK Hagen (1) 2022ǂ
LK Lippe (2) 2018, 2022ǂ
LK Oberbergischer Kreis (1) 2020
SK Münster (1) 2018
Tab. 3 | Von 2002 – 2023 gemäß IfSG übermittelte FSME-Erkrankungen mit Infektionsorten ausschließlich in Nichtrisikogebieten
in Bundesländern, in denen bis 2023 mindestens ein Kreis als Risikogebiet ausgewiesen war (n = 170).
LK = Landkreis, SK = Stadtkreis
ǂ
Labornachweis bestätigt (z. B. am Konsiliarlabor für FSME oder mittels FSME-Antikörperanstieg)
* Positive Impfanamnese (Diagnostik weniger valide)
Blaue Einfärbung: Kreise, aus denen 2023 erstmalig autochthone FSME-Fälle übermittelt wurden; Graue Einfärbung: Kreise, die
im Jahr 2024 Risikogebiet werden.
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den.14,15 In der Beratungspraxis sollten immer Art, agnostiziert und zwar meist in der Region Sallandse
Ausmaß und Dauer der Gefährdung sowie die Mo- Heuvelrug, unweit der Grenze zum niedersächsi-
bilität der Personen, die ein Risikogebiet bewohnen schen LK Emsland.20,21 Eine jährlich aktualisierte
oder besuchen, berücksichtigt werden. Eine Pflicht Übersicht über das Risiko in der europäischen
zur Kostenerstattung der Impfung seitens der Kran- Region und global findet sich in den aktuellen Emp-
kenkassen besteht nach der Schutzimpfungsricht fehlungen der STIKO zu Reiseimpfungen. Weitere
linie des Gemeinsamen Bundesausschusses (www.g- Informationen finden sich an anderer Stelle.22,23
ba.de/richtlinien/60/) nur für den empfohlenen Per-
sonenkreis. In Baden-Württemberg wird durch die Bei Reisen außerhalb Deutschlands sollte bedacht
zuständige Landesbehörde die FSME-Impfung ohne werden, dass Infektionen mit den in anderen Regi-
geografische Einschränkung empfohlen. Hier ist onen vorkommenden fernöstlichen und sibirischen
als einziger Kreis nur der SK Heilbronn nicht als Subtypen des TBE-Virus häufiger schwerwiegen
Risikogebiet eingestuft. dere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kön-
nen als eine Infektion mit dem europäischen Sub-
Zusätzlich ist die Impfung von der STIKO und nach typ, welcher in Deutschland vorkommt. Im Jahr
der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge 2023 wurde bei einem Fall mit zusätzlich genann-
(ArbMedVV) für Personen empfohlen, die beruflich tem Infektionsland China der fernöstliche TBE-
gefährdet sind (in Risikogebieten Tätige, z. B. expo- Virussubtyp nachgewiesen. Bei dieser Person wur-
nierte Personen, die in der Forst- oder Landwirt- den ZNS-Symptome angegeben und es erfolgte eine
schaft arbeiten, sowie exponiertes Laborpersonal). Hospitalisierung. In manchen Ländern zirkulieren
beide Virussubtypen, z. B. in Finnland, Estland,
Eine Impfung kann auch in Nichtrisikogebieten, in Litauen und Lettland.24 –27 Neben diesen drei Haupt-
denen sporadische FSME-Einzelerkrankungen auf- subtypen des TBE-Virus existieren weitere Sub
treten (s. Abschnitt Zum Vorgehen beim Auftreten typen: Baikal, Himalaya und 886-84.28
von FSME-Einzelfällen in Nichtrisikogebieten),
nach individueller Risiko-Nutzen-Bewertung für Antworten auf häufig gestellte Fragen zur FSME-
bestimmte Personen sinnvoll sein (s. aktuelle Emp- Impfung finden sich auf der Internetseite des RKI.
fehlungen der STIKO, Epid Bull 4/2024, S. 8), z. B.
für Personen, die aufgrund von beruflichen oder
Freizeittätigkeiten einer besonders intensiven Ze- FSME-Impfquoten
ckenexposition ausgesetzt sind. So wird z. B. die FS- Aufgrund einer notwendigen Umstellung des Da-
ME-Impfung seit 2014 in Niedersachsen seitens des tenübermittlungssystems der KV-Impfsurveillance
Arbeitgebers für alle Forstbedienstete angeboten.16,17 (KV = Kassenärztliche Vereinigung) wurden 2022
Da FSME-Naturherde jedoch örtlich sehr begrenzt keine Berichte des RKI zu Impfquoten bei Kindern,
sind, können Mitarbeitende der zuständigen Ge- Jugendlichen und Erwachsenen veröffentlicht. Die
sundheitsämter unter Umständen differenziertere vollständige Auswertung – dann für die Jahre 2022
Risikoeinschätzungen vornehmen.18 und 2023 – ist wieder routinemäßig für Ende 2024
geplant.29
Außerhalb Deutschlands ist die FSME-Impfung für
Reisende empfohlen, die in Endemiegebieten Informationen zu den FSME-Impfquoten aus der
zeckenexponiert sind. In den Nachbarländern be- KV-Impfsurveillance 2013 – 2020 sind in der Epid
steht ein Infektionsrisiko vor allem in Tschechien Bull-Ausgabe 9/23 zu finden.
und Österreich sowie in großen Teilen Polens und
der Schweiz (www.zecken.ch/Karten/karten.html). Wie in der zitierten Veröffentlichung (Epid Bull
In Frankreich wurden in den letzten Jahren verein- 9/2023) beschrieben, schwankte 2020 die kreis
zelt FSME-Fälle aus dem Elsass beschrieben, mit ei- bezogene FSME-Impfquote innerhalb der Risiko
nem Höchstwert von 29 bestätigten Fällen im Jahr gebiete zwischen 7,5 – 39,1 % bei Erwachsenen und
2016.19 Zudem werden seit 2016 vereinzelte autoch- bei Kindern zwischen 14,1 – 52,4 % (Grundimmu
thone FSME-Erkrankungen in den Niederlanden di- nisierung plus ggf. Auffrischimpfung).1
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FSME-Inzidenz
Erkrankungen/
100.000 Einwohner/5 Jahre
0,00 bis < 2,17 (62 Kreise)
≥ 2,17 bis < 6,74 (61 Kreise)
≥ 6,74 bis ≤ 59,79 (62 Kreise)
Abb. 4 | FSME-Risikogebiete (n = 180) eingefärbt nach Höhe der Inzidenz im Zeitraum 2019 – 2023
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Aufgrund einer Anpassung im System der KV- Wie bereits detailliert beschrieben,5 wird ein Kreis
Impfsurveillance liegen aktuelle FSME-Impfquoten als FSME-Risikogebiet definiert, wenn die Anzahl
nicht vor. Aufgrund der Daten in den Jahren zuvor der übermittelten FSME-Erkrankungen in mindes-
tens einem der Fünfjahreszeiträume 2002 – 2006,
kann aber davon ausgegangen werden, dass weiter-
2003 – 2007 usw. bis 2019 – 2023 im Kreis ODER in
hin auch in Risikogebieten nicht ausreichend gegen
der Kreisregion (bestehend aus dem betreffenden
FSME geimpft wird. Hohe Impfquoten in Risiko
Kreis plus allen angrenzenden Kreisen) signifikant
gebieten können jedoch eine starke Zunahme der (p < 0,05) höher liegt als die bei einer Inzidenz von
FSME-Fallzahlen wie im Rekordjahr 2020 verhin- 1 Erkrankung/100.000 Einwohner erwartete Fall-
dern bzw. die Inzidenz generell senken. In Jahren zahl. Da es in den letzten 20 – 30 Jahren keine An-
mit hoher Krankheitslast war das Zusammenspiel zeichen für ein Erlöschen von FSME-Naturherden
von ökologisch-klimatischen Faktoren wahrschein- in den bestehenden Risikogebieten gegeben hat
lich besonders günstig für die Ausbreitung von und weil die Impfquoten zwischen 2006 und
Zecken und des Virus innerhalb seiner Naturherde 2009/2010 deutlich angestiegen waren, wurde auf
und/oder die humane Exposition. Es sollte insbe- einem FSME-Expertentreffen im November 2011
sondere in Kreisen mit hoher FSME-Krankheitslast am RKI entschieden, dass ein Kreis mindestens
(s. Abb. 4) verstärkt über den Nutzen einer FSME- 20 Jahre lang seinen Status als Risikogebiet behal-
ten sollte.40
Impfung aufgeklärt werden, um höhere Impfquo-
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genden Kreisen berücksichtigt, zum einen, um der Die in Abbildung 1 dargestellten Inzidenzen schlie-
Mobilität der Bevölkerung Rechnung zu tragen und ßen FSME-Fälle mit angegebenem Infektionsort in
zum anderen, weil Naturherde kreisübergreifend Bayern und Baden-Württemberg ein. Da der Kreis
sein können. Dadurch wird zudem eine Glättung des Wohnortes in der großen Mehrzahl der Fälle mit
zufälliger Inzidenzunterschiede erreicht. dem Kreis des Infektionsorts übereinstimmt, wur-
den weiterhin Fälle mit fehlendem Infektionsort be-
Für Berechnungen, die nicht den Infektionsland- rücksichtigt, bei denen der Kreis des Wohnortes in
kreis betreffen, werden alle dem RKI übermittelten Bayern oder Baden-Württemberg lag und somit als
FSME-Erkrankungen verwendet (n = 8.690, Stand: wahrscheinlicher Infektionsort gezählt wurde.
29.1.2024).
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3 Lindquist L, Vapalahti O. Tick-borne encephalitis. 13 Nygren TM, Pilic A, Böhmer MM, et al. Tick-borne
In der wöchentlich veröffentlichten aktuellen Statistik werden die gemäß IfSG an das RKI übermittelten Daten zu meldepflichtigen Infektions-
krankheiten veröffentlicht. Es werden nur Fälle dargestellt, die in der ausgewiesenen Meldewoche im Gesundheitsamt eingegangen sind, dem
RKI bis zum angegebenen Datenstand übermittelt wurden und die Referenzdefinition erfüllen (s. www.rki.de/falldefinitionen).