19 Epidemiologisches
2021 Bulletin
12. Mai 2021
COVID-19-Impfung: Impfrangfolge |
Schutzwirkung | Effektivität | 5. Aktua-
lisierung der STIKO-Impfempfehlung
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 2
Inhalt
Alle derzeit in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffe haben eine hohe Schutzwirkung gegen eine
schwere COVID-19-Erkrankung. Der systematische Review untersucht, in welchem Maße sich geimpfte Per-
sonen bei Kontakt mit SARS-CoV-2 noch infizieren und ggf. andere Personen anstecken können.
(Dieser Beitrag erschien online vorab am 6. Mai 2021.)
Beschluss der STIKO zur 5. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige
wissenschaftliche Begründung 24
Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen COVID-19 mit einem der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe
oder einem der beiden zugelassenen Vektor-basierten Impfstoffe, so auch den Vektor-basierten COVID-19-
Impfstoff von Janssen, derzeit jedoch nur für Personen im Alter ≥ 60 Jahren.
Effekte der COVID-19-Impfung auf Inzidenz und Todesfälle in der älteren Bevölkerung in Deutschland 37
Untersucht wird der Effekt der COVID-19-Impfung auf Inzidenz und Mortalität in der älteren Bevölkerung
Deutschlands anhand von Daten aus dem Digitalen Impfquotenmonitoring (DIM) am RKI.
Impressum
Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck
Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull
Telefon 030 18754 – 0
Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise
Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
Dr. med. Jamela Seedat
Dr. med. Maren Winkler (Vertretung) Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
Telefon: 030 18754 – 23 24 Namensnennung 4.0 International Lizenz.
E-Mail: SeedatJ@rki.de
Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 3
den im Behandlungsfall verwendet. Eine intensiv- Schwere psychische Erkrankungen (inkl. Schizophrenie)
medizinische Behandlung oder Beatmung wurde Solide Krebserkrankung mit und ohne Therapie
(ICD-10 GM: U07.1!) dokumentiert wurde. Ein To- Zirrhotische und schwere Leberkrankheiten (inkl. Leberzirrhose,
chronisches Leberversagen)
desfall wurde als COVID-19-assoziiert klassifiziert,
Zustand nach Organtransplantation
sofern a) der Entlassungsgrund „Tod“ bei vollstati-
onärem Aufenthalt mit U07.1!-Diagnose dokumen- Erkrankungen mit einem möglicherweise erhöhten Risiko
tiert wurde, b) der Tod innerhalb von 14 Tagen nach für einen schweren COVID-19-Verlauf
Innerhalb der Gruppe von Personen mit onkologi- Der Algorithmus zur Erstellung der hierarchischen
schen Erkrankungen (hämatoonkologisch, metas- Rangfolge umfasste die nachfolgenden Schritte:
tasierte oder solide Tumore) wurde zwischen Perso- 1. Schätzung der mit den einzelnen Risikofakto-
nen mit und ohne Therapie unterschieden. Sofern ren assoziierten absoluten Risiken für schwere
im Jahr vor der COVID-19-Diagnose mindestens COVID-19-Erkrankungsverläufe auf Grundlage
eine strahlentherapeutische, zytostatische oder nu der jeweiligen GKV-Datensätze
klearmedizinische Behandlung im ambulanten 2. Meta-analytische Synthese der in 1. geschätzten
oder stationären Bereich in einem Quartal mit ent- absoluten Risiken
sprechender onkologischer Diagnose erfolgt war, 3. Auswahl des in 2. bestimmten Risikofaktors
wurden Personen der behandelten Gruppe („mit mit dem höchsten absoluten Risiko
Therapie“) zugeordnet. 4. Ausschluss der Personen mit dem in 3. ausge-
wählten Risikofaktor aus der Stichprobe (be-
Daten der ambulanten und stationären Versorgung reits geimpft)
sowie ambulante Arzneimitteldaten wurden zur Bil- 5. WENN bereits alle Risikofaktoren ausgewählt
dung der entsprechenden Patientengruppen ge- wurden oder eine Fortführung der Schätzungen
nutzt. Sofern mittels Routinedaten abbildbar, wur- mangels beobachteter Outcomes nicht möglich
den zusätzlich zu ambulant oder stationär dokumen- ist: Beendigung des Verfahrens. SONST: Fort-
tierten Diagnosen auch Arzneimittelverordnungen setzung bei 1.
oder Operationen und Prozeduren sowie ambulante
Leistungsziffern zur Risikofaktordefinition genutzt. Das durchgeführte hierarchische Verfahren simu-
In Anhang 2 findet sich eine vollständige Liste der liert folglich eine hypothetische, sukzessive Imp-
Erkrankungen und deren Definitionen. fung von Personen, die durch jeweils einen be-
stimmten Risikofaktor charakterisiert sind. Korrela-
Statistische Methodik tionen zwischen Risikofaktoren werden hierbei in-
Zur Ableitung einer einfachen und zugleich mög- sofern implizit berücksichtigt, als die in der
lichst effektiven Identifikation von Personen mit jeweiligen Iteration aufgrund eines speziellen Risi-
dem höchsten Risiko für einen schweren Verlauf kofaktors zur hypothetischen Impfung ausgewähl-
und dadurch dem dringlichsten Impfbedarf wurde ten Personen aus der Stichprobe entfernt werden.
ein mehrschrittiges, hierarchisches Verfahren ange- Hierdurch können diese Personen die weitere Rang-
wendet. Dabei wurde eine Rangfolge gebildet, in- folge nicht durch zusätzlich vorliegende Risikofak-
dem iterativ Personen mit demjenigen Risikofaktor, toren beeinflussen.
der mit dem höchsten absoluten Risiko für schwere
COVID-19-Erkrankungsverläufe assoziiert war, zur
hypothetischen Impfung vorgesehen wurden. Das Ergebnisse
absolute Risiko für einen schweren Verlauf wurde Deskriptive Statistik
hierbei über den Anteil an Personen mit dem ent- Insgesamt wurden 93.857 Personen mit dokumen-
sprechenden Risikofaktor, die eine COVID-19-asso- tierter COVID-19-Erkrankung in die Analyse einge-
ziierte Intensivbehandlung erhielten oder verstar- schlossen (s. Tab. 1). 4.728 (5 %) dieser Personen
ben, geschätzt. Die auf den Datensätzen der einzel- wurden im zeitlichen Zusammenhang mit der
nen Krankenkassen erzielten Schätzergebnisse COVID-19-Erkrankung intensivmedizinisch behan-
wurden in jedem Analyseschritt mittels meta-analy- delt, beatmet und/oder verstarben. Fast ein Viertel
tischer Verfahren durch das ZEGV gepoolt. Hierbei der eingeschlossenen Personen (24,1 %; n = 22.573)
wurden Random-Effects-MetaAnalysen zur statisti- war zwischen 25 und 39 Jahre alt. Die Häufigkeiten
schen Berücksichtigung von Populationsunter- der Vorerkrankungen variierten zwischen 133 (0,1 %)
schieden eingesetzt.14 Die Präzision der meta-analy- Personen mit Down-Syndrom und 20.428 (21,8 %)
tischen Schätzungen wurde über 95 %-Konfidenzin- Personen mit Bluthochdruck.
tervalle (KI) quantifiziert.
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 6
Abb. 1 | Ergebnisse des hierarchischen Verfahrens zur Bildung einer Rangfolge nach erwartetem präventivem Nutzen, Ränge 1– 24
der Risikofaktoren. Dargestellt sind die hierarchisch geschätzten absoluten Risiken für schwere COVID-19-Erkrankungsverläufe
mit 95 %-Konfidenzintervallen.
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 8
Abb. 2 | Forest-Plot zur Random-Effects-Meta-Analyse der geschätzten absoluten Risiken für in Behandlung befindliche Personen
mit hämatoonkologischer Erkrankung. KI = Konfidenzintervall, Gewicht = Gewicht der Schätzung bei der Bestimmung des
aggregierten Punktschätzwertes im Rahmen der Meta-Analyse.
von 65 – 69 Jahren (Rang 16) ein absolutes Risiko plexität gewährleistet werden, die die Umsetzbar-
von 9,8 % (95 %-KI: 6,3 % – 15,8 %) und für Perso- keit in der ambulanten Praxis sicherstellt, und an-
nen im Alter von 60 – 64 Jahren (Rang 24) ein dererseits eine dennoch hohe Effektivität der Impf-
Schätzwert von 3,9 % (95 %-KI: 2,3 % – 6,5 %). strategie erzielt werden. Analog zu dem von der
STIKO vor Beginn der COVID-19-Impfkampagne
im Dezember 2020 entwickelten Stufenplan kön-
Diskussion nen so die Zahl an COVID-19-assoziierten Todes
Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Verfüg- fällen und die Zahl der Personen, die intensivmedi-
barkeit von Impfdosen ist eine möglichst effektive zinisch behandelt werden müssen, potenziell redu-
Nutzung der COVID-19-Schutzimpfungen weiter- ziert werden.
hin von großer Bedeutung. Durch die Nutzung von
GKV-Routinedaten von insgesamt ca. 30 Millionen Die Ergebnisse der Analysen belegen, dass eine rein
Versicherten kann das hier vorgestellte Projekt zu am Alter orientierte Rangfolge nicht optimal ist. So
einer evidenzgeleiteten Optimierung der Impfkam- zeigte sich, dass insbesondere Patienten mit hämato
pagne in Deutschland beitragen. Insgesamt wurden onkologischen Erkrankungen, metastasierendem
93.857 Personen mit COVID-19-Infektion in die Krebs, Demenz und Herzinsuffizienz, aber auch
Studienpopulation eingeschlossen. Erstmals liegen Personen mit weiteren oben aufgeführten Erkran-
damit umfangreiche Daten aus dem deutschen Ge- kungen ein hohes Risiko für schwere COVID-19-
sundheitssystem zur Prävalenz und zum Effekt von Verläufe aufwiesen. Dieses Risiko überstieg in vie-
Grundkrankheiten und Alter in Bezug auf schwere len Fällen das allgemeine Risiko von Angehörigen
COVID-19-Krankheitsverläufe vor. Aus methodi- bestimmter Altersgruppen. Bei aufeinanderfolgen-
scher Sicht wurde ein hierarchisches Schätzverfah- der Impfung der oben dargestellten Personengrup-
ren eingesetzt, das die Ableitung einer Impfrang pen in der empirisch bestimmten Rangfolge ist eine
folge von Personengruppen mit einzelnen Risiko- Steigerung der Effektivität der Schutzimpfungen
faktoren ermöglicht, wobei durch dieses Verfahren hinsichtlich der Verhinderung schwerer Erkran-
zumindest indirekt das Vorliegen mehrerer Grund- kungsverläufe im Vergleich zu einer zufälligen Ver-
krankheiten bzw. das Alter berücksichtigt wird. impfung zu erwarten.
Hierdurch kann einerseits eine Reduktion der Kom-
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 9
abzuleiten, welche eine unter dieser Nebenbedin- mit insgesamt ca. 30 Millionen Versicherten konnte
gung erreichbare hohe Effektivität sicherstellt. In eine im Vergleich zu Einzelauswertungen der Da-
weiterführenden Analysen ist geplant, ein verfeiner- tensätze deutliche Erhöhung der Präzision der Risi-
tes Verfahren zur Bestimmung einer Impfrangfolge koschätzer erzielt werden. Der Analyseprozess war
zu entwickeln, das den Fokus verstärkt auf Multi- durch eine enge methodische Abstimmung der Be-
morbidität und Altersinteraktionen legt. Unter Ein- teiligten bei gleichzeitiger Wahrung der Daten-
bezug statistischer, klinischer und epidemiologi- schutzkonformität durch den Einsatz meta-analyti-
scher Expertise wird hierbei ein Score-Verfahren scher Verfahren geprägt und ermöglichte eine zeit-
entwickelt, das die transparente Bestimmung einer nahe Generierung von Analyseergebnissen.
effektiven Rangfolge einzelner Patienten auf Basis
der Gesamtheit ihrer Risikofaktoren ermöglicht und Konklusion und Ausblick
zudem mögliche Unterschiede in der Relevanz von Im zweiten Quartal 2021 ist mit einer Beschleuni-
Erkrankungen zwischen Altersgruppen berücksich- gung der COVID-19-Impfkampagne in Deutschland
tigt. Durch den geplanten Einbezug von Daten der durch den Einbezug der niedergelassenen Ärzte
Techniker Krankenkasse (TK) ist hierbei eine weite- und steigende Liefermengen der zugelassenen
re Steigerung der Belastbarkeit der statistischen Impfstoffe zu rechnen. Im Wettlauf mit der dritten
Analyseergebnisse zu erwarten. Neben einem po- Welle sollten die steigenden aber dennoch weiterhin
tenziellen Einsatz in ambulanten Arztpraxen könn- begrenzten Impfstoffmengen effizient eingesetzt
te dieses Score-Verfahren durch weitere Akteure mit werden, um eine Überlastung der Intensivstationen
Zugriff auf relevante Patientendaten (z. B. Kranken- zu vermeiden. Die hier dargestellte Rangfolge von
kassen, Kassenärztliche Vereinigungen) effizient Risikofaktoren für einen schweren Verlauf (inkl.
implementiert werden. Intensivstation-Aufenthalt) bietet eine evidenzba-
sierte und praxistaugliche Orientierungsmöglich-
Eine wesentliche Stärke der hier dargestellten Ana- keit für eine mögliche Aktualisierung der bestehen-
lysen ist die umfassende Abbildung des Versor- den Impfrangfolge, die auch im niedergelassenen
gungsgeschehens unter Einbezug sowohl stationä- Bereich einfach eingesetzt werden kann. Die Um-
rer als auch ambulanter Daten. Hierdurch konnte setzung dieser Rangfolge bietet potenziell die Mög-
auf Informationen von Versicherten und Leistungs- lichkeit, schwere COVID-19-Erkrankungsverläufe
erbringern Bezug genommen werden, die in der und Überlastungen des Gesundheitswesens im All-
sonstigen Primärforschung unterrepräsentiert sind. gemeinen sowie der Intensivstationen im Besonde-
Durch die Kombination mehrerer GKV-Datensätze ren zu verhindern.
Literatur
1 Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C, Harder T, 2 Bundesminsterium für Gesundheit: Verordnung
Heininger U, Kling K, Littmann M, Meerpohl J, zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das
Meyer H, Mertens T, Schmid-Küpke N, Scholz S, Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverord-
Terhardt M, Treskova-Schwarzbach M, Überla K, nung – CoronaImpfV). https://www.bundesgesund-
van der San-de M, Wichmann O, Wicker S, heitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Down-
Wiedermann U, Wild V, von Kries R: Beschluss der loads/C/Coronavirus/Verordnungen/Coro-
STIKO zur 3. Aktualisierung der COVID-19-Impf na-ImpfV_BAnz_AT_11.03.2021_V1.pdf (accessed
empfehlung und die dazugehörige wissenschaft March 25, 2021)
liche Begründung Epid Bull 2021;12:13 -25. DOI:
10.25646/8129
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 11
9 Treskova-Schwarzbach M, Haas L, Reda S et al.: *,#) Diese Personen haben in ihren Rollen als Erst- bzw.
Pre-Existing Health Conditions and Severe Letztautoren äquivalente Beiträge gleistet
COVID-19 Outcomes: Umbrella Review and a)
Zentrum für evidenzbasierte Gesundheitsversor-
Meta-Analysis of Global Evidence. 2021; published
gung, Universitätsklinikum und Medizinische
online Feb 23. DOI: Pre-Print
Fakultät Carl Gustav Carus an der Technischen
10 Ohlmeier C, Frick J, Prütz F et al.: Nutzungsmög- Universität Dresden
b)
lichkeiten von Routinedaten der Gesetzlichen Kran- InGef – Institut für angewandte Gesundheits
kenversicherung in der Gesundheitsberichterstat- forschung Berlin GmbH
c)
tung des Bundes. Bun-desgesundheitsbl 2014; 57: BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung
464 – 72 (bifg)
d)
AOK Bayern – Die Gesundheitskasse
11 Andersohn F, Walker J: Characteristics and external e)
Universität Bielefeld, Fakultät für Wirtschaftswissen-
validity of the German Health Risk Institute (HRI)
schaften
Database. Pharmacoepidemiol Drug Saf 2016; 25: f )
AOK PLUS
106 – 9 g)
DAK-Gesundheit
h)
12 Deutsches Institut für Medizinische Dokumentati- Robert Koch-Institut, Fachgebiet Impfprävention
on und Informatik (DIMDI), editor. OPS Version Korrespondenz: ScholzS@rki.de
2020 Systematisches Verzeichnis – Operationen-
und Prozedurenschlüssel Internationale Klassifika-
tion der Prozeduren in der Medizin (OPS) Band 1:
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 12
Tod
Hospitalisierung
Symptomatisch
Milder/moderater
Verlauf
Alle Infektionen
Asymptomatisch
Zusätzlich:
Reduzierte Viruslast und
kürzere Ausscheidungsdauer
stoffe adressiert werden, die sich in folgenden Hierauf aufbauend wurden zur Beantwortung von
Fragestellungen abbilden: Frage 3 zusätzlich Laborstudien und Studien zur
SARS-CoV-2-Transmission analysiert. Zur Untersu-
Fragestellungen chung von Frage 4 wurden Ergebnisse des Living
Um die Frage nach dem Beitrag von geimpften Per- Systematic Review sowie zusätzlich Laborstudien
sonen zum Infektionsgeschehen beantworten zu herangezogen.
können, wurden in der vorliegenden Untersuchung
folgende Teilfragen adressiert: Living Systematic Review: Zur Untersuchung der
1) Wie gut sind vollständig geimpfte Personen vor Effektivität und Sicherheit der Impfung gegen
einer SARS-CoV-2-Infektion (mit und ohne kli- COVID-19 wurde durch die Geschäftsstelle der
nische Symptomatik) geschützt? Ständigen Impfkommission (STIKO) ein Living
2) Wie gut sind vollständig geimpfte Personen vor Systematic Review initiiert. Hierbei wird prospektiv
einer asymptomatischen Infektion mit SARS- über einen definierten Zeitraum (geplant ist die
CoV-2 geschützt? Fortführung bis 30.06.2022) die Evidenz kontinu-
3) Wie hoch ist das Risiko, dass asymptomatisch ierlich systematisch recherchiert, aufgearbeitet und
infizierte (PCR-positive) geimpfte Personen aktualisiert, um zeitnah mögliche Veränderungen
SARS-CoV-2 auf andere Personen übertragen? der Evidenzlage erfassen und bewerten zu können
4) In welchem Ausmaß gelten die Antworten zu und dadurch ggf. notwendige Anpassungen der
Frage 1 – 3 auch für sog. besorgniserregende STIKO-Empfehlung zu ermöglichen. Das Protokoll
Varianten (Variants of Concern, VOC) von SARS- des Reviews wurde mit der verantwortlichen
CoV-2? STIKO-Arbeitsgruppe (STIKO-AG) sowie mit einer
international besetzten Arbeitsgruppe, die durch
das European Centre for Disease Prevention and
2. Methoden Control (ECDC) koordiniert wird, abgestimmt und
Methodischer Ansatz: Die o. g. Fragen 1 und 2 wur- im International Prospective Register of Systematic
den im Rahmen eines sog. Living Systematic Review Reviews (PROSPERO) veröffentlicht (Reg.-Nr.
adressiert (s. nachfolgend Details zur Methodik). CRD42020208935).
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 15
Durch die STIKO-AG und die STIKO-Geschäfts Im ersten Schritt wurden zunächst die Titel und Ab-
stelle wurden im Vorfeld PICO-Fragen (Fragen zu stracts der identifizierten Publikationen von zwei
Population, Intervention, Comparison, Outcome) für unabhängigen UntersucherInnen auf das Erfüllen
den systematischen Review entwickelt und mit der der o. g. Einschlusskriterien überprüft und dieses
STIKO abgestimmt (Details s. wissenschaftliche Vorgehen anschließend für die verbliebenen Voll-
Begründung der STIKO zur 4. Aktualisierung der texte wiederholt. Aus den so identifizierten Studien
COVID-19-Impfempfehlung; Kapitel 8). Im Rahmen wurden Rahmendaten und Studienschätzer von
der systematischen Literaturrecherche erfolgt konti- zwei unabhängigen UntersucherInnen extrahiert.
nuierlich eine Suche in der COVID-19-Literatur Aus Studien, die Effektivitätsdaten für mehrere
datenbank der Bibliothek des Robert Koch-Instituts Zeiträume nach einer Impfdosis beschrieben, wur-
(RKI). Diese erfasst sämtliche COVID-19-relevanten den für die vorliegende Auswertung die Daten für
Einträge in den Datenbanken Pubmed und Embase den jeweils längsten Abstand zur Impfung verwen-
(inkl. Medline) sowie auf den Pre-Print Servern ArRvix, det. Bei altersaggregierten bzw. -adjustierten Daten
BioRvix, ChemRvix, MedRvix, Preprints.org, Research wurden diese anstelle von Rohdaten bzw. stratifi-
Square und SSRN. Diese Recherche wird wöchent- zierten Schätzern aufgenommen. Für die vorliegen-
lich aktualisiert (s. Anhang für die komplette Such- de Auswertung wurden die extrahierten Studien
strategie). Zusätzlich werden die Referenzlisten der daten in Tabellen zusammengefasst.
eingeschlossenen Studien nach weiteren Studien
durchsucht. Um weitere unpublizierte bzw. als
Preprint vorhandene Studien zu erfassen, wurde für 3. Ergebnisse
die vorliegende Auswertung das Suchergebnis zu- Mit Stand 15.04.2021 wurden mit der o. g. Suchstra-
sätzlich mit den Websites bzw. Empfehlungen an- tegie 2.979 Einträge in der Datenbank des RKI
derer Public Health Institute (Kanada, USA, Verei- identifiziert und nachfolgend auf das Zutreffen der
nigtes Königreich) sowie des ECDC abgeglichen. Einschlusskriterien untersucht. Nach Abschluss des
Die vorliegende Publikation gibt den Datenstand Volltext-Screenings wurden 20 Studien7–26 als rele-
vom 15.04.2021 wieder. vant identifiziert und eingeschlossen (s. Anhang für
den PRISMA-Flowchart). Zusätzlich wurden 6 Stu-
Eingeschlossen in die vorliegende Auswertung wur- dien zur Beantwortung der o. g. Fragen 3 und 4 hin-
den alle Studien, die folgende Kriterien erfüllten: zugezogen.27–32
1) Studienpopulation: Erwachsene jeglichen Alters
(bei Comirnaty: ab 16 Jahren) 3.1. Schutzwirkung der Impfung vor Infektion
2) Impfung mit einem in der EU zugelassenen (mit und ohne klinische Symptomatik)
Impfstoff (Comirnaty von BioNTech/Pfizer, Von den o. g. 20 Studien untersuchten 16 Studien
COVID-19-Vaccine Moderna von Moderna, Vax- die Effektivität von COVID-19-Impfstoffen bei der
zevria von AstraZeneca, COVID-19 Vaccine Verhinderung von SARS-CoV-2-Infektionen, wobei
Janssen von Janssen) symptomatische und asymptomatische Infektionen
3) Vergleichsgruppe: Placebo, keine Impfung oder zusammengefasst und in der Regel als Anteil der
Impfung mit einem Nicht-COVID-19-Impfstoff PCR-positiv getesteten Personen in den Studien-
4) Endpunkte: a) SARS-CoV-2-Infektion (PCR- gruppen berichtet wurden (s. Tab. 1). Die Studien
Positivität; d. h. symptomatisch + asymptoma- wurden in 5 Ländern durchgeführt (Israel, USA,
tisch); b) asymptomatische SARS-CoV-2-Infek- Vereinigtes Königreich, Spanien, Dänemark) und
tion schlossen zwischen 4639 und 1,2 Mio.11 Teilneh-
merInnen in der Altersspanne zwischen 15 Jahren11
Ausgeschlossen wurden Studien, die ausschließlich und 86 Jahren18 ein. Eine Studie wurde als randomi-
symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen (bzw. sierte kontrollierte Studie (RCT) durchgeführt,12
COVID-19) bzw. schwere COVID-19-Verläufe (z. B. 12 Studien hatten ein Kohortenstudien-Design,
Hospitalisierung, Tod) untersuchten. während 3 Studien Fall-Kontroll-Studien (inkl. test-
negative design) waren. In 9 Studien wurde die Effek-
tivität von Comirnaty (BionTech/Pfizer) untersucht,
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 16
Studie Land Studiendesign Studien- Alter Zirkulie- Impfstoff Zeitpunkt der Adjustierte Impfeffektivität
(Quelle) u. population (n) rende Analyse nach (95 % KI)
Publikati- Virus Dosis
onsdatum variante Nach Nach
Dosis 1 Dosis 2
4 Chodick;10 Israel Retrospektive Versicherte ≥16 Jahre k. A. Comirnaty >13 Tage nach 51,4 % k. A.
29.01.2021 Kohortenstudie (n = 503.875) 1. Dosis (–7,2 – 78 %)
6 Emary;12 UK RCT Randomisierte ≥18 Jahre B.1.1.7; Vaxzevria >7 Tage nach Nicht-B.1.1.7: k. A.
30.03.2021 Studienpopulation Nicht- 1. Dosis 69,7 %
(Impfstoffgruppe B1.1.7 (33,0 – 86,3 %);
n = 4.244; Kontroll- B.1.1.7: 28,9 %
gruppe n = 4.290) (–77,1 – 71,4 %)
7 Glampson;13 UK Retrospektive Allgemein- ≥16 Jahre B.1.1.7 Comirnaty; 28 Tage nach k. A. Vaxzevria: 74 %
10.04.2021 Kohortenstudie bevölkerung Vaxzevria 2. Dosis (HR: 0,26
(n = 2.183.939; (0,19 – 0,35)
(davon n = 389.587 Comirnaty: 78 %
Geimpfte) (HR: 0,22
(0,18 – 0,27)
9 Haas;15 Israel Kohortenstudie Surveillance- ≥15 Jahre B.1.1.7 Comirnaty >7 Tage nach der k.A. 94,1 %
24.03.2021 Daten (national); (93,9 %) 2. Dosis (93,4 – 94,7 %)
n = 202.684
SARS-CoV-2-Infek-
tionen; n = 102.012
Ungeimpfte
12 Monge;18 Spani- Retrospektive Pflegeheim- Mittel- k. A. 99,8 % ≥ 7 Tage nach k.A. 81,8 %
15.04.2021 en Kohortenstudie bewohnerInnen wert: Comirnaty 2. Dosis (81,0 – 82,7)
(n = 299.209) 85,9
Jahre
13 Moustsen- Däne- Retrospektive Pflegeheimbewoh- 84 Jahre k. A. Comirnaty >14 Tage nach Gesundheits- Gesundheits-
Helms;19 mark Kohortenstudie nerInnen (IQR: 1. Dosis; personal: personal: 90 %
09.03.2021 (n = 39.040) 77 – 90); > 7 Tage nach 17 % (4 – 28), (82 – 95);
Gesundheits- 47 Jahre 2. Dosis Pflegeheimbew.: Pflegeheimbew.:
personal (IQR: kein protektiver 64 % (14 – 84)
(n = 331.039) 36-57) Effekt
14 Pawlowski;20 USA Gematchte 62.138 Personen, ≥18 Jahre k. A. Comirnaty, 36 Tage nach 88,7 % k.A.
27.02.2021 Fall-Kontroll- die an Mayo- Moderna 1. Dosis (68,4 – 97,1)
Studie Kliniken auf
COVID-19
getestet wurden
Tab. 1 | Studien zur Schutzwirkung der COVID-19-Impfung vor Infektion (symptomatisch und asymptomatisch)
HR = hazard ratio; k.A. = keine Angabe; IQR = interquartile range; RCT = randomisierte kontrollierte Studie
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 17
Studie Land Studiendesign Studien- Alter Zirkulie- Impfstoff Zeitpunkt der Adjustierte Impfeffektivität
(Quelle) u. population (n) rende Analyse nach (95 % KI)
Publikati- Virus Dosis
onsdatum variante Nach Nach
Dosis 1 Dosis 2
15 Shrotri;21 UK Kohortenstudie Pflegeheimbewoh- Mittel- Haupt- Comirnaty 35 – 48 Tage nach 62 % (HR: 0,38 k.A.
07.04.2021 nerInnen wert: sächlich (33 %), 1. Dosis (0,19 – 0,77)
(n = 10.412) 86 Jahre B.1.1.7 Vaxzevria
(67 %)
16 Thomp- USA Prospektive Gesundheitsper- ≥18 Jahre k. A. Comirnaty ≥14 Tage nach 80 % 90 % (68 – 97)
son;22 Kohortenstudie sonal, Ersthelfer (62,7 %), der 1. Dosis; (95 % KI =
02.04.2021 und Personen aus Moderna ≥14 Tage nach 59 % – 90 %)
anderen system- (29,6 %), der 2. Dosis
relevanten Berufs- unbekannt
gruppen: n = 3.950 welcher
mRNA-Impf-
stoff (7,7 %)
Tab. 1 (Fortsetzung) | Studien zur Schutzwirkung der COVID-19-Impfung vor Infektion (symptomatisch und asymptomatisch)
HR = hazard ratio; k.A. = keine Angabe; IQR = interquartile range; RCT = randomisierte kontrollierte Studie
eine Studie untersuchte den Impfstoff Vaxzevria jüngeren StudienteilnehmerInnen so ähnlich, dass
(AstraZeneca) und 6 Studien analysierten mehr als ein systematischer Altersunterschied in der Effek-
einen Impfstoff. tivität kaum erkennbar war. Auch hier hatten der
verwendete Impfstoff und das Studiendesign kei-
In 11 Studien wurde die Effektivität der COVID-19- nen wesentlichen Einfluss auf die errechnete Impf
Impfung zur Verhinderung von Infektionen nach effektivität.
der 1. Impfstoffdosis untersucht. Hier lagen die
Effektschätzer zwischen 17 %19 und 88,7 %,20 wobei 3.2. Schutzwirkung der Impfung vor
zu berücksichtigen ist, dass der erstgenannte Wert asymptomatischer Infektion
die mit Abstand niedrigste Schätzung im Sinne ei- Von den o. g. 20 Studien untersuchten 6 Studien die
nes Ausreißers darstellt, während die Mehrzahl der Effektivität bei der Verhinderung von asymptoma
Studien im Bereich zwischen ca. 60 und 70 % lag. tischen SARS-CoV-2-Infektionen (s. Tab. 2). Die Stu-
Tendenziell waren die Effektschätzer bei älteren dien wurden in Israel, den USA bzw. dem Vereinig-
Personen (z. B. PflegeheimbewohnerInnen) eher ten Königreich durchführt, eine weitere Studie
niedriger als bei jüngeren StudienteilnehmerInnen (COVID-19 Vaccine Janssen) hatte ein multizentri-
(z. B. Gesundheitsdienstpersonal). In vielen Studien sches Studiendesign mit Standorten in den USA,
war eine solche Unterscheidung allerdings nicht Südamerika und Südafrika. Die Studien schlossen
möglich, da eine vergleichsweise breite Altersspan- zwischen 6.286 und mehr als 300.000 Teilneh-
ne untersucht wurde (s. Tab. 1). Soweit beurteilbar, merInnen ein. Eine Studie war ein RCT und unter-
hatten der verwendete Impfstoff und das Studien suchte den Impfstoff von Janssen, die übrigen wa-
design keinen Einfluss auf die Impfeffektivität. ren Kohortenstudien und untersuchten den Impf-
stoff Comirnaty (BionTech/Pfizer) bzw. Comirnaty
Zur Effektivität nach der 2. Impfstoffdosis lagen Da- und COVID-19-Vaccine Moderna oder Vaxzevria.
ten aus 10 Studien vor. Die Schätzer der Impfeffek
tivität lagen im Bereich zwischen 64%19 und 94,1%;15 In 4 Studien wurde die Effektivität nach der 1. Impf-
eine weitere Studie berichtete eine Inzidenzreduk stoffdosis im Sinne einer unvollständigen Impfserie
tion von 99%.14 Auch hier stellt der Wert aus der mit dem Impfstoff Comirnaty bzw. Comirnaty und
Studie von Moustsen-Helms et al. aus Dänemark COVID-19-Vaccine Moderna oder Vaxzevria unter-
die mit Abstand niedrigste Schätzung dar, während sucht.17,23 – 25 Hier lagen die Schätzer für die Verhin-
die Mehrzahl der Studien im Bereich zwischen ca. derung von asymptomatischen Infektionen zwi-
80% und 90% lag. Soweit beurteilbar, waren die schen 61 % und 79 %. Für den Impfstoff von Jans-
Effektschätzer bei älteren Personen denjenigen von sen, der mit einem 1-Dosis-Schema zugelassen ist,
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 18
Adjustierte Impfeffektivität
Studie Land Studiendesign Studien- Alter Zirkulierende Impfstoff Zeitpunkt der
(95 % KI)
(Quelle) population Virusvariante Analyse nach
Dosis Nach Nach
Dosis 1 Dosis 2
1 Haas;15 Israel Kohortenstudie Surveillance ≥15 Jahre B.1.1.7 Comirnaty > 7 Tage nach k. A. 90,4 %
24.03.2021 Daten (national); (93,9 %) 2. Dosis (89,1–91,5)
n = 202.684
SARS-CoV-2-
Infektionen;
n = 102.012
Ungeimpfte
2 Lumley;17 UK Kohortenstudie Gesundheits- Median: B.1.1.7 Comirnaty; >14 Tage nach 64 % 85 %
12.03.2021 personal: 13.109 39 Jahre Vaxzevria 1. Dosis (aIRR = 0,36 (aIRR = 0,15
(Spanne: >14 Tage nach (0,26 – 0,52)) (0,08 – 0,26))
30 – 50) 2. Dosis
3 Tande;23 USA Retrospektive Allgemein- ≥18 Jahre k. A. Comirnaty; >10 Tage nach 79 % 80 %
10.03.2021 Kohortenstudie bevölkerung; Moderna 1. Dosis; (RR = 0,21; (RR = 0,20;
PatientInnen der > 0 Tage nach 95 % KI: 95 % KI:
Mayo-Kliniken 2. Dosis 0,12 – 0,37 %) 0,09 – 0,44)
(n = 39.156)
4 Jones;25 UK Retrospektive Gesundheits- Erwachsene Hauptsäch- Comirnaty ≥12 Tage nach 75 %* k. A.
08.04.2021 Kohortenstudie personal (n = 8.776) im Erwerbs- lich B.1.1.7 1. Dosis
alter
5 Heyman;24 Israel Retrospektive Versicherte ≥16 Jahre Hauptsäch- Comirnaty ≥14 Tage nach 61 % 89 %
03.03.2021 Kohortenstudie (n = 6.286) lich B.1.1.7, 1. Dosis; (49 – 71 % ) (82 – 94 )
zusätzlich ≥ 7 Tage nach
B.1.351 2. Dosis
6 EMA- Multi RCT (Phase Impfstoffgruppe ≥18 Jahre B.1.351; P.2; COVID-19 14 Tage nach 74 % k. A.
Assessment zentrisch 3-Zulassungs- (n = 19.306); D614G- Vaccine Janssen Dosis (27,9 – 92,4 %)
report (u. a. USA, studie) Placebogruppe carrying
COVID-19 Brasilien, (n = 19.178) “WT/ref”
Vaccine Südafrika)
Janssen;26
11.03.2021
wurde in der Zulassungsstudie eine Effektivität von Ganz ähnlich berichteten Shrotri et al.21 aus einer
74 % ermittelt.26 In vier Kohortenstudien, die auf Kohortenstudie an PflegeheimbewohnerInnen im
Surveillance-,15 Versicherten-24 bzw. Krankenhausda- Vereinigten Königreich, dass es nach Impfung mit
ten17,23 beruhten und daher breite Altersspannen un- Comirnaty von BioNTech/Pfizer oder Vaxzevria von
tersuchten, lag die Effektivität gegen asymptomati- AstraZeneca zu einer geringeren Viruslast bei In-
sche Infektionen nach der 2. Impfstoffdosis zwi- fektionen kam, die ab dem 28. Tag nach Impfung
schen 80 % und 90 %. auftraten. Auch in einer Studie aus Israel wurde
eine deutliche Reduktion der Viruslast bei geimpf-
3.3. Virusübertragung durch Menschen, ten Personen nachgewiesen (4-fold reduced).27 Eine
die trotz Impfung PCR-positiv sind solche Reduktion wird als Indikator einer vermin-
Es liegen Studien vor, die die Viruslast bzw. -aus- derten Übertragbarkeit durch Geimpfte gewertet,
scheidung bei Personen untersucht haben, die trotz da, wie in einer Studie aus Spanien nachgewiesen,
Impfung einen positiven PCR-Nachweis hatten. So die Viruslast einen Haupttreiber der Transmission
wurden in der Zulassungsstudie zu Vaxzevria von darstellt.28
AstraZeneca eingeschlossene TeilnehmerInnen
auch auf Viruslast und Dauer der Ausscheidung 3.4. Studien zu indirekten Effekten
untersucht. Dabei zeigte sich, dass Personen, die einer COVID-19-Impfung
trotz Impfung infiziert wurden, eine signifikant ge- (Haushalte bzw. Bevölkerung)
ringere Viruslast (d. h. Ct-Shift) und auch eine im Shah et al.29 untersuchten im Rahmen einer Kohor-
Durchschnitt um 1 Woche verkürzte Dauer eines tenstudie an 144.525 MitarbeiterInnen im Gesund-
Virusnachweises (d. h. kürzeres Shedding) hatten.12 heitsdienst (Health Care Workers, HCW) in England
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 19
und deren 194.362 Haushaltsangehörigen, ob be- den. In 10 von 20 Studien waren Angaben zur Virus
reits 14 Tage nach der ersten Impfstoffdosis (Comir- variante in den Publikationen verfügbar und wur-
naty von BioNTech/Pfizer oder Vaxzevria von den extrahiert. Sieben der 10 Studien bezogen sich
AstraZeneca) ein Effekt auf die Übertragung von (vorwiegend) auf die VOC B.1.1.7, nur 3 Studien
SARS-CoV-2 innerhalb des Haushaltes (d. h. auf die enthielten Daten zu anderen Varianten. Wie aus den
ungeimpften Haushaltsmitglieder) nachweisbar Tabellen ersichtlich, deuten die bisher vorliegenden
war. Sie ermittelten, dass Haushaltsangehörige von Studien darauf hin, dass die Wirksamkeit gegen In-
geimpften HCW ein um mindestens 30% (Hazard fektionen bzw. asymptomatische Infektionen bei
Ratio: 0,70; 95% KI: 0,63 – 0,78%) vermindertes Vorliegen von B.1.1.7 gegenüber dem Wildtyp nicht
Risiko hatten, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren. abgeschwächt ist. Nachfolgend werden die Aussa-
Dies wird von den AutorInnen als Beleg dafür inter- gen einzelner Studien beispielhaft illustriert und zu
pretiert, dass die Impfung die Transmission des weiteren Datenquellen (z. B. Ausbruchsuntersu-
Virus reduziert. Sie wiesen jedoch auch darauf hin, chungen) in Beziehung gesetzt.
dass eine Ansteckung auch außerhalb des Haushalts
erfolgt sein könnte, so dass dieses einen eher kon- B.1.1.7: Unter den Studien, die in Settings mit domi-
servativen Schätzer darstellt. Monge et al.18 unter- nanter B.1.1.7-Zirkulation durchgeführt wurden, war
suchten bei PflegeheimbewohnerInnen in Spanien, bspw. die in England durchgeführte prospektive
ob es in Heimen, in denen die Mehrzahl der Bewoh- Kohortenstudie von Hall et al.16 Hier wurde eine
nerInnen und Pflegekräfte geimpft war (Comirnaty Impfeffektivität von 86 % (95 % KI: 76 – 97 %) ge-
von BioNTech/Pfizer oder COVID-19-Vaccine Mo- gen jegliche Infektion (mit und ohne klinische
derna), eine indirekte Protektion ungeimpfter Be- Symptomatik) bei mit zwei Dosen Comirnaty von
wohnerInnen gab. Sie ermittelten eine indirekte BioNTech/Pfizer geimpftem seronegativem Ge-
Impfeffektivität von 57,3% (95% KI: 48,0 – 66,3%) sundheitspersonal beobachtet. In derselben Studie
zur Verhinderung von Infektionen. wurde ermittelt, dass der Schutz vor Re-Infektion
bei Personen nach durchgemachter Infektion in
Erste Hinweise auf eine Reduktion der Transmis derselben Größenordnung lag (90 %, 95 % KI:
sion im Sinne der Ausbildung einer Herdenimmu- 88 – 92 %). Auch in der in Israel durchgeführten
nität wurden in einer Studie aus Israel berichtet. Fall-Kontroll-Studie von Dagan et al.11 wurde die
Milman et al.30 verglichen die Impfquoten (Comir- Impfeffektivität im Kontext einer dominanten Zir-
naty von BioNTech/Pfizer) in 223 Kommunen mit kulation von B.1.1.7 untersucht, deren Anteil zum
der Rate an positiven Tests in denselben Kommu- Ende der Untersuchungsperiode auf 80 % ange
nen bei Kindern/Jugendlichen im Alter unter stiegen war. Auch hier wurde eine sehr hohe Impf
16 Jahren, d. h. in einer Gruppe, die lt. Zulassung effektivität ermittelt (92 %, 95 % KI: 88–95 %). Die
des Impfstoffs nicht geimpft werden kann. Sie er- einzigen Daten, die eine verminderte Effektivität ge-
mittelten eine stark negative Korrelation zwischen genüber dieser VOC berichten, kommen aus der
beiden Variablen, d. h. je höher die Impfquote in der Fortführung der Zulassungsstudie von Vaxzevria
Altersgruppe ≥16 Jahre war, desto geringer war die von AstraZeneca.12 Hier muss allerdings hervorge-
Rate an positiven Tests in der Altersgruppe < 16 Jah- hoben werden, dass der Effektschätzer aufgrund ge-
re, was als erstes Anzeichen der Entstehung einer ringer Fallzahlen ein sehr weites, nicht signifikantes
Herdenimmunität interpretiert werden kann. Konfidenzintervall aufweist und damit nur einge-
schränkt aussagefähig ist.
3.5. Schutz vor Infektion bzw. asymptoma
tischer Infektion bei Vorliegen von B.1.351: Zur Abschätzung der Effektivität der
besorgniserregenden Varianten (VOC) COVID-19-Impfung gegen Infektionen mit der
Zur Frage, inwieweit die oben getroffenen Aussagen VOC B.1.351 gibt es bisher nur limitierte, z. T. indi-
auch bei Infektionen mit VOC gelten, kann zu- rekte Evidenz. Eine Studie in Südafrika zeigt eine
nächst auf die in den Tabellen 1 und 2 dargestellten deutlich reduzierte Wirksamkeit im Vergleich zum
Daten zu den im Studienzeitraum bzw. am Studien- Wildtyp in Bezug auf die Verhinderung von symp-
ort zirkulierenden Varianten zurückgegriffen wer- tomatischen Erkrankungen bei PatientInnen, die
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 20
mit Vaxzevria von AstraZeneca geimpft wurden.31 In vor, die auf eine zumindest reduzierte Effektivität ge-
welchem Umfang dies auch auf alle bzw. asympto- genüber der VOC B.1.351 schließen lassen.
matische Infektionen zutrifft, ist unklar. Vorläufige
Daten aus der Zulassungsstudie des Janssen-Impf- 4.1. Limitationen
stoffs könnten auf eine reduzierte Wirksamkeit ge- Methodische Limitationen der vorliegenden Analyse
gen B.1.351 hindeuten, da die Effektivität an den Stu- ergeben sich v. a. aus der hochgradigen Dynamik des
dienstandorten in Südafrika (wo diese VOC domi- Publikationsgeschehens zur COVID-19-Impfung.
nant war) auf 52,0 % (95 % KI: 30,3 – 67,4 %) verrin- Insbesondere nicht-randomisierte Studien (Beob-
gert war, während sie an Standorten in den USA achtungsstudien) zur Real-World-Effectiveness der
74,4 % (95 % KI: 65,0 – 81,6 %) betrug.26 Allerdings Impfung erscheinen gegenwärtig in schneller Folge
muss auch hier einschränkend hinzugefügt wer- und in der Regel zunächst auf Preprint-Servern. Ob-
den, dass sich diese Daten auf symptomatische In- wohl für die vorliegende Untersuchung systema-
fektionen beziehen. Darüber hinaus gibt es indirek- tisch die Einträge in 7 dieser Server ausgewertet
te Evidenz aus einer Studie, die in Israel Impf- wurden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass
durchbrüche untersuchte.32 In dieser Fall-Kontroll- weitere Studien auf anderen Servern oder Plattfor-
Studie wurde bei etwa 1% (n = 9) der untersuchten men veröffentlicht wurden, die bisher keinen Ein-
Sequenzen B.1.351 nachgewiesen. Davon waren gang in einschlägige Datenbanken gefunden haben.
8 Impfdurchbrüche bei vollständig Geimpften Zu berücksichtigen ist außerdem, dass diese Publi-
(PCR-positiv ≥ 7 Tage nach der 2. Impfung) aufge- kationen (noch) keinen klassischen Peer-Review-Pro-
treten; ein weiterer Nachweis erfolgte bei einer un- zess durchlaufen haben, so dass fehlerhafte Ergeb-
geimpften Kontrollperson. Im Vergleich dazu wa- nisse nicht ausgeschlossen werden können. Dies
ren in diesem Studienkollektiv 7 Impfdurchbrüche kann auch dazu führen, dass zu einem späteren
und 10 Infektionen bei ungeimpften Kontrollperso- Zeitpunkt abweichende Fassungen derselben
nen mit dem Wildtyp aufgetreten. Die Zirkulation Studien veröffentlicht werden, wenn diese nachfol-
dieser VOC war zum Studienzeitpunkt in dem Land gend zur Publikation in einem Journal eingereicht
nur wenig ausgeprägt. werden und damit einen Peer-Review- und Korrek-
turprozess durchlaufen haben.33 Weitere Limitatio-
nen resultieren daraus, dass die derzeit vorliegen-
4. Diskussion und Schlussfolgerung den Studien nur aus einer vergleichsweise kleinen
Aus den oben zusammengefassten Studien kann ge- Anzahl von Ländern stammen, darunter v. a. solche,
schlussfolgert werden, dass nach derzeitiger Daten- in denen bereits seit längerer Zeit ein COVID-19-
lage die Impfung gegen COVID-19 unabhängig vom Impfprogramm implementiert ist. In diesem Zu-
verwendeten Impfstofftyp zu einer deutlichen Re- sammenhang ist insbesondere bei der Bewertung
duktion der SARS-CoV-2-Infektionen führt. Diese der Studien aus Israel zu beachten, dass nicht aus-
liegt nach vollständiger Impfserie in den bisher vor- zuschließen ist, dass in diesen Studien teilweise
liegenden Studien im Bereich zwischen 80 und überlappende Kohorten analysiert wurden, so dass
90% und ist damit ähnlich hoch wie die Effektivität die Effektschätzer ggf. keine komplett voneinander
der Impfstoffe bei der Verhinderung von schwerem unabhängigen Stichproben darstellen. Aus diesem
COVID-19.1 Weitere Daten belegen, dass selbst bei Grund erfolgte für die vorliegende Auswertung
Personen, die trotz Impfung PCR-positiv werden auch zunächst keine statistische Zusammenfassung
bzw. asymptomatisch infiziert sind, die Viruslast der Ergebnisse im Sinne einer Meta-Analyse. Limi-
signifikant reduziert und die Virusausscheidung ver- tierend wirkt auch, dass die vorliegenden Studien
kürzt ist. In der Gesamtschau legen die Daten damit überwiegend mit Comirnaty von BioNTech/Pfizer
nahe, dass die Impfung die Transmissionswahr- geimpfte Personen einschließen. Zu den anderen
scheinlichkeit in erheblichem Maß reduziert. Die Impfstoffen lassen sich daher nur in begrenztem
Daten zeigen, dass die o. g. Reduktion der Infek Umfang Aussagen treffen. Schließlich muss be-
tionswahrscheinlichkeit auch auf Infektionen mit rücksichtigt werden, dass die bisher vorliegenden
der VOC B.1.1.7 zutrifft. Für die übrigen VOC liegen Studien nur vergleichsweise kurze Nachbeobach-
bisher nur wenige Daten oder nur indirekte Evidenz tungszeiträume nach der Impfung hatten, so dass
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 21
über die Dauer des Effekts der COVID-19-Impfstof- können. Das Restrisiko einer Übertragung kann je-
fe auf die Verhinderung von SARS-CoV-2-Infektio- doch durch zusätzliche Maßnahmen (Einhalten der
nen und Virusübertragung noch keine Aussagen ge- AHA+L-Regeln, Selbstisolierung bei Symptomen)
neriert werden können. zusätzlich reduziert werden.
Literatur
1 Vygen-Bonnet S; Koch J BC, Harder T, Heininger U, 3 Mercado NB, Zahn R, Wegmann F, Loos C,
Kling K, Littmann M, Meerpohl J, Meyer H, Chandrashekar A, Yu J, et al.: Single-shot Ad26
Mertens T, Michaelis K, Schmid-Küpke N, Scholz S, vaccine protects against SARS-CoV-2 in rhesus
Terhardt M, Treskova-Schwarzbach M, Überla K, macaques. Nature. 2020;586(7830):583-8.
van der Sande M, Waize M, Wichmann O, Wicker
4 Corbett KS, Flynn B, Foulds KE, Francica JR, Boyog-
S, Wiedermann U, Wild V, von Kries R: Ständige
lu-Barnum S, Werner AP, et al.: Evaluation of the
Impfkommission (STIKO): Beschluss der STIKO
mRNA-1273 Vaccine against SARS-CoV-2 in Nonhu-
zur 4. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfeh-
man Primates. N Engl J Med. 2020;383(16):1544-55.
lung und die dazugehörige wissenschaftliche
Begründung. Epid Bull. 2021;16:3 -78. 5 van Doremalen N, Lambe T, Spencer A, Belij-
Rammerstorfer S, Purushotham JN, Port JR, et al.:
2 Vogel A, Kanevsky I, Che Y, Swanson K, Muik A,
ChAdOx1 nCoV-19 vaccination prevents SARS-
Vormehr M, et al.: A prefusion SARS-CoV-2 spike
CoV-2 pneumonia in rhesus macaques. Nature.
RNA vaccine is highly immunogenic and prevents
2020;Oct; 586 (7830):578-82.
lung infection in non-human primates. Preprint on-
line vorab am 8. September 2020 (zuletzt besucht 6 Voysey M, Clemens SAC, Madhi SA, Weckx LY, Fole-
am 21.12.2020). bioRxiv. 2020. gatti PM, Aley PK, et al.: Single dose administration,
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 22
and the influence of the timing of the booster dose Vaccine Effectiveness and Marked Declines in Inci-
on immunogenicity and efficacy of ChAdOx1 nCoV- dence of SARS-CoV-2 Infections and COVID-19
19 (AZD1222) vaccine. The Lancet. 2020;Preprint. Cases, Hospitalizations, and Deaths. 2021.
7 Amit S, Regev-Yochay G, Afek A, Kreiss Y, 16 Hall VJ, Foulkes S, Saei A, Andrews N, Oguti B,
Leshem E: Early rate reductions of SARS-CoV-2 Charlett A, et al.: Effectiveness of BNT162b2 mRNA
infection and COVID-19 in BNT162b2 vaccine reci- Vaccine Against Infection and COVID-19 Vaccine
pients. The Lancet. 2021. Coverage in Healthcare Workers in England, Multi
centre Prospective Cohort Study (the SIREN Study).
8 Andrejko K, Pry J, Myers JF, Jewell NP, Openshaw J,
Watt J, et al.: Early evidence of COVID-19 vaccine 17 Lumley SF, Rodger G, Constantinides B, Sanderson
effectiveness within the general population of Cali- N, Chau KK, Street TL, et al.: An observational
fornia. medRxiv. 2021:2021.04.08.21255135. cohort study on the incidence of SARS-CoV-2 infec-
tion and B.1.1.7 variant infection in healthcare wor-
9 Britton A, Slifka KMJ, Edens C, Nanduri SA, Bart
kers by antibody and vaccination status. medRxiv.
SM, Shang N, et al.: Effectiveness of the Pfi- 2021:2021.03.09.21253218.
zer-BioNTech COVID-19 vaccine among residents
of two skilled nursing facilities experiencing 18 Monge S, Olmedo C, Alejos B, Lapeña MF, Sierra
COVID-19 outbreaks – Connecticut, December MJ, Limia A: Direct and indirect effectiveness of
2020 – February 2021. Morbidity and Mortality mRNA vaccination against SARS-CoV-2 infection in
Weekly Report. 2021;70(11):396. long-term care facilities in Spain. medRxiv.
2021:2021.04.08.21255055.
10 Chodick G, Tene L, Patalon T, Gazit S, Tov AB,
Cohen D, et al.: The effectiveness of the first dose 19 Moustsen-Helms IR, Emborg H-D, Nielsen J, Niel-
of BNT162b2 vaccine in reducing SARS-CoV-2 infec- sen KF, Krause TG, Molbak K, et al.: Vaccine effecti-
tion 13-24 days after immunization: real-world veness after 1st and 2nd dose of the BNT162b2
evidence. medRxiv. 2021:2021.01.27.21250612. mRNA Covid-19 Vaccine in long-term care facility
residents and healthcare workers – a Danish cohort
11 Dagan N, Barda N, Kepten E, Miron O, Perchik S, study. MedRxiv. 2021.
Katz MA, et al.: BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine
in a Nationwide Mass Vaccination Setting. N Engl J 20 Pawlowski C, Lenehan P, Puranik A, Agarwal V,
33 https://doi.org/10.1101/2021.04.12.21255329
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 24
Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen COVID-19. Risikoakzeptanz durch die impfwillige Person
Für die Impfung soll einer der beiden zugelassenen möglich. Hinsichtlich der 2. Impfstoffdosis für jün-
mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von BioNTech/Pfizer, gere Personen < 60 Jahren, die bereits eine 1. Dosis
COVID-19-Vaccine von Moderna) oder einer der Vaxzevria erhalten haben, gibt es noch keine wissen-
beiden zugelassenen Vektor-basierten Impfstoffe schaftliche Evidenz zur Sicherheit und Wirksam-
(Vaxzevria von AstraZeneca, COVID-19 Vaccine keit einer heterologen Impfserie. Die STIKO emp-
Janssen von Janssen-Cilag International) verwendet fiehlt derzeit, bei Personen im Alter < 60 Jahren
werden. Bei keinem dieser Impfstoffe handelt es anstelle der 2. Vaxzevria-Impfstoffdosis eine Dosis
sich um einen Lebendimpfstoff. Die Impfstoffe wer- eines mRNA-Impfstoffs 9 – 12 Wochen nach der
den hinsichtlich des Individualschutzes und der Be- Erstimpfung zu verabreichen (siehe unten: Hinwei-
kämpfung der Pandemie nach derzeitigem Wissen se zur praktischen Umsetzung).
als gleichermaßen geeignet beurteilt. Direkte
Vergleichsstudien zwischen den verschiedenen Aufgrund der immer noch begrenzten Impfstoff-
Impfstoffen sind nur sehr begrenzt verfügbar. Die verfügbarkeit soll die Impfung zunächst denjeni-
beiden mRNA-Impfstoffe können in allen Alters- gen Personengruppen angeboten werden, die ent-
und Indikationsgruppen eingesetzt werden, für die weder ein hohes Risiko für schwere oder tödliche
sie zugelassen sind. Eine begonnene Impfserie Verläufe einer COVID-19-Erkrankung haben oder
muss gegenwärtig mit demselben Produkt abge- die arbeitsbedingt entweder besonders exponiert
schlossen werden; eine Ausnahme gilt bei der Imp- sind oder engen Kontakt zu vulnerablen Personen-
fung von Personen < 60 Jahren, die bereits eine gruppen haben.
1. Dosis Vaxzevria e rhalten haben.
Da in Bezug auf die Höhe des Risikos Unterschiede
Auf Basis der derzeit verfügbaren, allerdings noch bestehen, empfiehlt die STIKO ein stufenweises
begrenzten Evidenz und unter Berücksichtigung der Vorgehen (Priorisierungsempfehlung). In der fol-
gegenwärtigen pandemischen Lage empfiehlt die genden Tabelle ist unter Berücksichtigung der Impf-
STIKO, die beiden Vektor-basierten Impfstoffe ziele, des individuellen Risikos für einen schweren
(Vaxzevria und COVID-19 Vaccine Janssen) für Per- COVID-19-Verlauf und des arbeitsbedingten Infek-
sonen im Alter ≥ 60 Jahren zu verwenden. Der Ein- tionsrisikos ein Stufenplan abgebildet, der die Per-
satz von Vaxzevria für eine 1. oder 2. Impfstoffdosis sonengruppen in 6 Stufen einordnet. Nach Zulas-
und der COVID-19 Vaccine Janssen als einmalige sung des ersten COVID-19-Impfstoffs Ende 2020
Impfung unterhalb dieser Altersgrenze bleibt indes wurde das bundesweite Impfprogramm mit der
nach ärztlicher Aufklärung und bei individueller
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 25
Impfung der Personengruppen der 1. Stufe mit dem eine schwere Erkrankung werden fortlaufend weiter
höchsten Risiko begonnen. bewertet und die Risikogruppen ggf. entsprechend
angepasst.
Bei zunehmender, aber weiterhin limitierter Impf-
stoffverfügbarkeit sollen Personengruppen der Diese STIKO-Empfehlung setzt sich aus der allge-
2. Stufe geimpft werden, gefolgt von den Menschen meinen Impfempfehlung und einer Empfehlung
in der jeweils nachfolgenden Stufe. Zu welchem zur Priorisierung zusammen. Es handelt sich wäh-
Zeitpunkt von einer Stufe zur nächsten gewechselt rend der Pandemie um eine Indikationsimpfemp-
werden kann, soll lokal entschieden werden. Dies fehlung im Rahmen der epidemischen Lage von na-
richtet sich nach der Verfügbarkeit der Impfstoffe tionaler Tragweite. Ob es in Zukunft eine Standard
und danach, ob alle Impfwilligen der jeweiligen impfempfehlung oder eine anderslautende Indika-
Priorisierungsstufe das Angebot einer Impfung er- tionsimpfempfehlung geben wird, kann zum
halten haben. Neue Erkenntnisse zu den Risiken für jetzigen Zeitpunkt der Pandemie noch nicht beur-
Stufe Personengruppen
1 ▶▶ Personen im Alter von ≥ 80 Jahren
▶▶ BewohnerInnen von SeniorInnen- und Altenpflegeheimen
▶▶ Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen*
▶▶ Personen mit einer Demenz oder geistigen Behinderung, die in Institutionen wohnen oder betreut werden
▶▶ Tätige in der ambulanten oder stationären Versorgung von Personen mit Demenz oder geistiger Behinderung
▶▶ Personal mit moderatem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen* und in Positionen, die für die Aufrechterhaltung der
▶▶ LehrerInnen
▶▶ ErzieherInnen
▶▶ sonstige Personen, bei denen aufgrund ihrer Arbeits- oder Lebensumstände ein signifikant erhöhtes Risiko einer Infektion mit
SARS-CoV-2 besteht
5 ▶▶ Personen im Alter von ≥ 60–64 Jahren
▶▶ Personal in Schlüsselpositionen der Landes- und Bundesregierungen
▶▶ Beschäftigte im Einzelhandel
teilt werden. Die Priorisierungsempfehlung hat nur deutlich erhöhtes Risiko angenommen werden
solange Gültigkeit, bis genügend Impfstoff verfüg- muss. Dies trifft auch für Personen zu, die zu
bar ist, um allen eine Impfung anbieten zu können. einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder
Mittelfristig ist es das Ziel, allen Menschen einen nicht mehr gleich wirksam geimpft werden
gleichberechtigten Zugang zu einer Impfung gegen können (z. B. bei unmittelbar bevorstehender
COVID-19 anbieten zu können. Für die Impfung ge- Chemotherapie). Darüber hinaus sind Einzel-
gen COVID-19 sind aktuell in der Europäischen fallentscheidungen möglich, wenn berufliche
Union (EU) vier Impfstoffe zugelassen. Es handelt Tätigkeiten bzw. Lebensumstände mit einem
sich dabei um zwei mRNA-Impfstoffe (Comirnaty nachvollziehbaren, unvermeidbar sehr hohen
der Firma BioNTech/Pfizer und COVID-19 Vaccine Infektionsrisiko einhergehen. Diese Öffnungs-
Moderna der Firma Moderna) und zwei Vektor- klausel darf nicht missbraucht werden, um un-
basierte Impfstoffe (Vaxzevria der Firma Astra- gerechtfertigt eine Impfung durchzuführen
Zeneca und COVID-19 Vaccine Janssen der Firma und somit stärker gefährdeten Personen die
Janssen-Cilag International). Für eine vollständige Impfung vorzuenthalten.
Impfserie der beiden mRNA-Impfstoffe und von ▶▶ Eine COVID-19-Impfung setzt eine sorgfältige
Vaxzevria sind zwei intramuskulär (i. m.) zu appli- Aufklärung der zu impfenden Person bzw. des
zierende Impfstoffdosen notwendig. Die COVID-19 verantwortlichen Vorsorgebevollmächtigten
Vaccine Janssen ist derzeit als Einzeldosis i. m. voraus. Die STIKO verweist hierzu auf Kapi-
anzuwenden. Unter Berücksichtigung der Zulas- tel 4.1 der STIKO-Impfempfehlungen 2020/
sungen und der vorliegenden Wirksamkeitsdaten 2021 (Epid Bull 34/2020).
empfiehlt die STIKO für die mRNA-Impfstoffe ▶▶ Bei der Impfung sind die Anwendungshinweise
einen Abstand zwischen den beiden Impfungen von in den Fachinformationen zum jeweiligen
6 Wochen und für V axzevria einen Abstand von Impfstoff zu beachten.
12 Wochen. Sobald weitere Impfstoffe zugelassen ▶▶ Auch bei sehr alten Menschen oder Menschen
und verfügbar sind oder neue Erkenntnisse mit Ein- mit progredienten Krankheiten, die sich in ei-
fluss auf diese Empfehlung bekannt werden, wird nem schlechten Allgemeinzustand befinden,
die STIKO ihre C OVID-19-Impfempfehlung aktuali- muss die Impffähigkeit gegeben sein. Bei die-
sieren und ggf. Indikationsgruppen anpassen. Die sen Gruppen sollte ärztlich geprüft werden, ob
Publikation jeder Aktualisierung erfolgt im Epide- ihnen die Impfung empfohlen werden kann.
miologischen Bulletin und wird auf der Webseite des ▶▶ Zur Anwendung der COVID-19-Impfstoffe in
Robert Koch-Instituts (RKI) bekannt gegeben. der Schwangerschaft liegen aktuell sehr limitier-
te Daten vor. Die STIKO empfiehlt die generelle
Hinweise zur praktischen Umsetzung Impfung in der Schwangerschaft derzeit nicht.
▶▶ Für die Umsetzung der Empfehlung sind die Eine akzidentelle Impfung in der Schwanger-
Bundesländer bzw. die von ihnen beauftragten schaft ist jedoch keine Indikation für einen
Stellen verantwortlich. Schwangerschaftsabbruch. Schwangeren mit
▶▶ Bei der Priorisierung innerhalb der COVID-19- Vorerkrankungen und einem daraus resultie-
Impfempfehlung der STIKO können nicht alle renden hohen Risiko für eine schwere
Krankheitsbilder oder Impfindikationen expli- COVID-19-Erkrankung oder mit einem erhöh-
zit genannt werden. Es obliegt daher den für die ten Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensum-
Priorisierung in den Bundesländern Verant- stände kann nach Nutzen-Risiko-Abwägung
wortlichen, in Einzelfällen Personen, die nicht und nach ausführlicher Aufklärung eine Imp-
ausdrücklich im Stufenplan genannt sind, an- fung mit einem mRNA-Impfstoff ab dem 2. Tri-
gemessen zu priorisieren. Dies betrifft z. B. Per- menon angeboten werden. Zur Anwendung der
sonen mit seltenen, schweren Vorerkrankun- COVID-19-Impfstoffe in der Stillzeit liegen ak-
gen oder auch schweren Behinderungen, für tuell nur wenige Daten vor. Die STIKO hält es
die bisher zwar keine ausreichende wissen- jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass eine
schaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer Impfung der Mutter während der Stillzeit ein
COVID-19-Erkrankung vorliegt, für die aber ein Risiko für den Säugling darstellt. Hierzu wird
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 27
auch auf die gemeinsame Empfehlung der gen muss bei Personen mit eingeschränkter
Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin Immunfunktion im Einzelfall entschieden
(DGPM), der Deutschen Gesellschaft für Gynä- werden, ob eine 1-malige Impfung ausreicht
kologie und Geburtshilfe (DGGG) und der oder eine vollständige Impfserie verabreicht
Nationalen Stillkommission (NSK) verwiesen: werden sollte. Dies hängt maßgeblich von Art
https://www.dgpm-online.org/gesellschaft/pub- und Ausprägung der Immundefizienz ab.
likationen/neuigkeiten/news/impfung-von-stil- ▶▶ Die Gabe der 2. Impfstoffdosis soll für die
lenden-frauen-gegen-sars-cov-2/?tx_news_ mRNA-Impfstoffe nach 6 Wochen und für
pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%- Vaxzevria nach 12 Wochen erfolgen, da dadurch
5Baction%5D=detail&cHash=e492068eb- sowohl eine sehr gute individuelle Schutzwir-
6261d4345e6bdf48d1f1608 kung als auch ein größerer Effekt der Impfung
▶▶ Zu anderen planbaren Impfungen soll ein Min- auf Bevölkerungsebene zu erzielen ist. Sollte
destabstand von 14 Tagen vor und nach jeder der empfohlene maximale Abstand zwischen
COVID-19-Impfstoffdosis eingehalten werden der 1. und 2. Impfstoffdosis überschritten wor-
(Notfallimpfungen sind davon ausgenommen). den sein, kann die Impfserie dennoch fortge-
▶▶ Es besteht keine Notwendigkeit, vor Verabrei- setzt werden und muss nicht neu begonnen
chung einer COVID-19-Impfung das Vorliegen werden. Eine begonnene Grundimmunisie-
einer akuten asymptomatischen oder (uner- rung muss nach derzeitigem Erkenntnisstand
kannt) durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion mit dem gleichen Produkt abgeschlossen wer-
labordiagnostisch auszuschließen. Bei Perso- den. Eine Ausnahme gilt für Personen im Alter
nen mit durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion < 60 Jahren, die bereits eine 1. Impfung mit
kann es nach Impfung zu vorübergehenden ver- Vaxzevria erhalten haben. Für diese Personen
stärkten systemischen Reaktionen kommen. wird empfohlen, anstelle der 2. Vaxzevria-Dosis
Nach den bisher vorliegenden Daten gibt es aber eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs 9 – 12 Wo-
keinen Hinweis darauf, dass die Impfung in die- chen nach der Erstimpfung zu verabreichen.
sen Fällen eine relevante Gefährdung darstellt. Hintergrund für diese heterologe Impfserie
Aufgrund der Immunität nach durchgemachter und den gewählten Zeitabstand ist das Auftre-
SARS-CoV-2-Infektion und in Anbetracht des ten von seltenen thromboembolischen Ereig-
weiterhin bestehenden Impfstoffmangels soll- nissen nach Vaxzevria (siehe unten) und die be-
ten immungesunde Personen, die eine durch ginnende Abnahme des von einer einmaligen
direkten Erregernachweis (PCR) gesicherte Vaxzevria-Impfung ausgelösten Schutzes nach
SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, 12 Wochen. Der Impfzeitraum 9 – 12 Wochen
nach Ansicht der STIKO zunächst nicht geimpft nach der Erstimpfung wurde gewählt, um hier
werden. Die derzeit verfügbaren klinischen und eine organisatorische Flexibilität bei der Impf-
immunologischen Daten belegen eine Schutz durchführung zu ermöglichen.
wirkung für mindestens 6 bis 8 Monate nach ▶▶ Unabhängig davon, ob eine Person ungeimpft
überstandener SARS-CoV-2-Infektion. Entspre- oder einmalig gegen COVID-19 geimpft ist, emp-
chend sollte in der Regel 6 Monate nach Gene- fiehlt die STIKO nach einer durch direkten Er-
sung bzw. Diagnosestellung eine COVID-19- regernachweis (PCR) gesicherten SARS-CoV-2-
Impfung unter Berücksichtigung der Priorisie- Infektion die Verabreichung einer Impfstoff
rung durchgeführt werden. Auch wenn mehr dosis in der Regel 6 Monate nach Genesung
als 6 Monate seit der Diagnosestellung vergan- bzw. Diagnosestellung.
gen sind, reicht eine Impfstoffdosis zur vollstän- ▶▶ Es ist aktuell nicht bekannt, ob man nach
digen Grundimmunisierung aus, da sich da- SARS-CoV-2-Exposition durch eine postexposi-
durch bereits hohe Antikörperkonzentrationen tionelle Impfung den Verlauf der Infektion
erzielen lassen, die durch eine 2. Impfstoffdosis günstig beeinflussen oder die Erkrankung noch
nicht weiter gesteigert werden. Ob und wann verhindern kann.
später eine 2. COVID-19-Impfung notwendig ▶▶ Auf Basis der bisher vorliegenden Daten ist an-
ist, lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Hinge- zunehmen, dass die Virusausscheidung bei Per-
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 28
Die vorliegende 5. Aktualisierung der STIKO- det. Die meisten der in der Spontanerfassung nach
Empfehlung zur COVID-19-Impfung enthält eine Vaxzevria-Impfung beobachteten Thrombosen un-
Änderung zur Empfehlung der COVID-19 Vaccine terscheiden sich von klassischen Thrombosen
Janssen der Firma Janssen-Cilag International durch die Kombination mit einer Thrombozytope-
hinsichtlich der Altersgrenze und die dazugehörige nie (sog. Thrombose mit Thrombozytopenie Syn-
wissenschaftliche Begründung sowie eine Anpas- drom [TTS], auch bekannt als Vakzine-induzierte
sung der Hinweise zur Impfung von Schwangeren. immunthrombotische Thrombozytopenie [VITT]).
Untersuchungen zum Pathomechanismus haben
ergeben, dass die Impfung mit Vaxzevria in seltenen
Für die wissenschaftliche Begründung zu allen
Fällen eine Immunreaktion mit Thrombosen und
anderen Inhalten und Aspekten der COVID-19-
begleitender Thrombozytopenie auslösen kann, die
Impfempfehlung der STIKO, insbesondere zu
durch Thrombozyten-aktivierende Antikörper ge-
den anderen COVID-19-Impfstoffen sowie zur
gen Plättchenfaktor 4 induziert wird. Klinisch äh-
Priorisierung von bevorzugt zu impfenden Per-
nelt dieses Krankheitsbild einer autoimmunen, He-
sonengruppen, wird auf die Publikation der
parin-induzierten Thrombozytopenie.3 Thrombo-
4. Aktualisierung und die dazugehörigen Anhän-
sen mit Thrombozytopenien sind außerhalb dieses
ge verwiesen.1
Krankheitsbildes extrem selten.4 Dies stützt die Ver-
mutung, dass es sich wie bei Vaxzevria auch bei den
nach Anwendung der COVID-19 Vaccine Janssen
1. Hintergrund beobachteten Fällen um ein TTS handeln könnte.
Seit dem 11. März 2021 ist die COVID-19 Vaccine
Janssen der Firma Janssen-Cilag International in der
Europäischen Union für eine Verwendung ab dem 2. Datengrundlage zu thromboembo
Alter von 18 Jahren als Einzeldosis zugelassen. Es lischen Ereignissen als unerwünschte
handelt sich um einen Adenovirus 26 basierenden Wirkungen der COVID-19 Vaccine Janssen
Vektor-Impfstoff. Am 1. April 2021 hat die STIKO
ihre Empfehlung für diesen Impfstoff ab dem Alter 2.1 Beobachtungen aus der Zulassungsstudie
von 18 Jahren publiziert. Seit Ende April 2021 ist er zur COVID-19 Vaccine Janssen
in Deutschland verfügbar. In den USA kommt die In der multizentrischen Zulassungsstudie für die
COVID-19 Vaccine Janssen bereits seit Ende F ebruar COVID-19 Vaccine Janssen (NCT04505722) wurden
zur breiten Anwendung in der Bevölkerung. 21.895 ProbandInnen geimpft; 21.888 Personen er-
hielten ein Placebo.5 Unter den unerwünschten Er-
Mitte April 2021 berichteten die US-amerikanischen eignissen wurde eine ungleiche Verteilung zwi-
Behörden von sechs Fällen schwerer zerebraler schen der Impfstoff- und der Placebogruppe hin-
Thrombosen bei Frauen im Alter von 18 – 48 Jahren. sichtlich thromboembolischer Ereignisse beobach-
Das Krankheitsbild ähnelt den unerwünschten Wir- tet: Es traten 15 solcher Ereignisse in der Impfstoff-
kung, die in sehr seltenen Fällen nach der Impfung gruppe und 10 in der Placebogruppe auf. Von den
mit Vaxzevria in Deutschland und anderen europä- 15 geimpften ProbandInnen waren sechs unter
ischen Ländern beschrieben wurde.2 Hier waren zu- 60 Jahre alt, zwei davon Frauen und vier Männer.
nächst Thrombosen des Sinus venosus (SVT) aufge- Bei einem 25-jährigen Mann trat 21 Tage nach der
fallen. Es wurden aber auch schwere thromboembo- Impfung mit der COVID-19 Vaccine Janssen eine
lische Ereignisse an anderen Lokalisationen gemel- SVT auf. Die übrigen, jüngeren ProbandInnen er-
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 31
krankten in zwei Fällen an tiefen Beinvenenthrom- splanchnicus, Pulmonalarterie, Venen und Arterien
bosen, in zwei Fällen an Lungenembolien und in der unteren und oberen Extremitäten, Jugularvene,
einem Fall an einem thromboembolischen Ereignis Arteria carotis). Initialsymptome traten im Median
mit Hemiparese ohne nähere Angaben zur Lokali- 8 Tage (Spanne 6 – 15 Tage) nach der Impfung auf
sation der Thrombose. Zum Zeitpunkt der Studie und umfassten: Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Fie-
wurde lediglich die Beinvenenthrombose eines ber, Übelkeit, Erbrechen, Abgeschlagenheit und
52-jährigen Mannes als im Zusammenhang mit der Bauchschmerzen. Im weiteren Verlauf wurden
Impfung stehend bewertet. Zum Berichtszeitpunkt schwere Kopfschmerzen, teilweise mit Nacken-
hielten bei 5 der 15 ThrombosepatientInnen die Be- schmerzen und Meningismus, einseitige Paresen,
schwerden an. Todesfälle wurden unter den geimpf- Sprachstörungen, Bewusstseinsverlust und Krampf
ten Personen mit thromboembolischen Ereignissen anfälle berichtet. Alle Frauen hatten eine Thrombo-
nicht berichtet. zytopenie, davon zehn mit Thrombozytenzahlen
< 50.000/µl Blut. Bei elf Frauen konnten Plättchen-
2.2 Postmarketing-Beobachtung zur faktor 4-Antikörper nachgewiesen werden. Zum
COVID-19 Vaccine Janssen in den USA Zeitpunkt der Analyse (21. April 2021) waren drei
Bis Mitte April 2021 wurden in der US-amerikani- Frauen verstorben, sieben weitere hospitalisiert, da-
schen Pharmakovigilanz sechs Fälle schwerer zere- von vier auf Intensivstation, und fünf Frauen konn-
braler Thrombosen mit gleichzeitig auftretender ten aus dem Krankenhaus entlassen werden.
Thrombozytopenie bei Frauen im Alter von 18 – 48
Jahren berichtet. Im Rahmen der eingeleiteten Die CDC werten diese thromboembolischen Ereig-
Untersuchungen der Centers for Disease Control and nisse als zwar sehr seltene, jedoch klinisch schwer-
Prevention (CDC) mit einer aktiven Fallsuche und wiegende und potentiell lebensbedrohliche Neben-
einer entsprechenden Kommunikation in der wirkungen, die in Assoziation mit der COVID-19
Fachöffentlichkeit wurden bis zum 21. April 2021 Vaccine Janssen aufgetreten waren.6 Die klinischen
neun zusätzliche Fälle von TTS identifiziert, die alle Manifestationen seien denen, die nach der Verabrei-
bei Frauen aufgetreten waren.6 Weitere Fälle befin- chung von Vaxzevria in Europa beobachtet wurden,
den sich noch in Abklärung, darunter auch männli- sehr ähnlich und fallen in die Kategorie eines TTS.
che Patienten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in den Die CDC betonen, dass es wichtig sei, diese Neben-
USA 7,98 Millionen Impfstoffdosen der C OVID-19 wirkung frühzeitig zu erkennen und eine adäquate
Vaccine Janssen verimpft worden, davon 3,99 Millio Behandlung einzuleiten. Ein TTS in Folge einer
nen Dosen an Frauen. Bei den bisher bestätigten Impfung sollte nicht mit Heparin behandelt wer-
15 Fällen handelt es sich sämtlich um Frauen, 13 wa- den, bis eine zusätzliche Heparin-induzierte Im-
ren in der Altersgruppe 18 – 49 und zwei in der Al- munthrombozytopenie ausgeschlossen ist.
tersgruppe 50 – 59 Jahre. Das mediane Alter lag bei
37 Jahren (Spanne 18 – 59 Jahre) und die mediane 2.3 Postmarketing-Beobachtung von
Zeitspanne zwischen der Impfung und dem Auftre- anderen COVID-19-Impfstoffen in den USA
ten erster Symptome bei 8 Tagen (Spanne 6 – 15 Nach der Verabreichung von 5,2 Mio. mRNA-Impf-
Tage). Das Vorliegen folgender Komorbiditäten stoffdosen (Moderna und Comirnaty), die im Vaccine
wurde berichtet: Übergewicht (n = 7), Hypothyreose Safety Datalink erfasst wurden, wurden lediglich Ein-
(n = 2), Hypertonus (n = 2). Zwei Frauen nahmen zelfälle von Thrombosen berichtet, die jedoch nicht
orale Kontrazeptiva ein. Gerinnungsstörungen wa- mit Thrombozytopenien vergesellschaftet waren.
ren bei keiner der Frauen bekannt.
lischen Nebenwirkungen mit niedrigen Thrombo- den genannten Altersgruppen (30 – 39 Jahre und
zytenzahlen eingefügt wird und dass diese Ereignis- 18 – 64 Jahre) gegenübergestellt. Die Inzidenz für
se als sehr seltene Nebenwirkungen bei diesem COVID-19-assoziierte Hospitalisierungen liegt aktu-
Impfstoff gelistet werden sollen. Das PRAC stellte ell im Jahr 2021 in Deutschland für 30 – 39-Jährige
fest, dass die untersuchten Fälle denen, die nach der bei 65 bzw. für 18 – 64-Jährige bei 75/100.000 Ein-
Impfung mit Vaxzevria beobachtet wurden, sehr wohnerinnen und für COVID-19-assoziierten Tod
ähnlich sind, und dass alle bis zu diesem Zeitpunkt bei 0,7 bzw. 2,3/100.000 Einwohnerinnen (Quelle:
aufgetretenen Fälle bei Frauen unter 60 Jahren be- RKI-Meldedaten, Stand: 29.04.2021).
obachtet wurden und bislang keine spezifischen Ri-
sikofaktoren identifiziert werden konnten. Die EMA Der zugrundliegende Pathomechanismus ist weiter-
publizierte am 20. April 2021 eine Stellungnahme,7 hin unklar,3 aber vermutlich identisch mit dem Me-
in der sie bewertet, dass die Gesamt-Nutzen-Risiko- chanismus für die Thrombosen nach einer V axzevria-
Abwägung weiterhin positiv für den Impfstoff aus- Impfung.7 Auf Grundlage der Daten aus der deut-
fällt. Sie weist darauf hin, dass impfendes medizini- schen Pharmakovigilanz wurde für den Vaxzevria-
sches Personal sowie die Personen, die die Impfung Impfstoff das absolute Risiko lediglich für SVT nach
erhalten, über die Möglichkeit dieser sehr seltenen Impfung berechnet. Es lag etwas höher als das TTS-
Nebenwirkungen und deren Auftrittszeitraum in- Risiko nach Impfung mit der COVID-19 Vaccine
formiert sein müssen. Janssen (zwei bis drei SVT pro 100.000 Vaxzevria
geimpfter Frauen im Alter von 20 – 59 Jahren im
3.1 Änderung der Fachinformation und Zeitraum von 16 Tagen nach der Impfung).1 Auch die
Rote-Hand-Brief Ergebnisse dieser Berechnung sind mit einer erheb-
Die Fachinformation der COVID-19 Vaccine Jans- lichen Unsicherheit verbunden, da das Ausmaß der
sen wurde am 22. April 2021 aktualisiert und ein Untererfassung nicht abgeschätzt werden kann. Zu-
Warnhinweis zum Auftreten von Thrombosen, dem lassen sich die US-amerikanischen Daten zur
Thrombozytopenien und Gerinnungsstörungen er- COVID-19 Vaccine Janssen und die deutschen Daten
gänzt. Zusätzlich wurde am 26. April 2021 von der zu Vaxzevria nur bedingt vergleichen, da sie in un-
Firma Janssen-Cilag International ein Rote-Hand- terschiedlichen Pharmakovigilanzsystemen erfasst
Brief zur Information der Fachöffentlichkeit publi- wurden, die nicht die gleiche Sensitivität haben.
ziert. (https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/
DE/newsroom/veroeffentlichungen-arzneimittel/ Die STIKO hat eine altersabhängige Risiko-Nutzen
rhb/21-04-26-covid-19-vaccine-janssen.pdf ?__ Bewertung durchgeführt. Sie hat nach dem gegen-
blob=publicationFile&v=3) wärtigen Datenstand aufgrund des erhöhten Risi-
kos für TTS nach der Impfung mit der COVID-19
Vaccine Janssen überwiegend bei Personen im Alter
4. Risiko-Nutzen-Bewertung der STIKO < 60 Jahren, der Schwere des TTS und des alters
Wenn man die beobachteten Fälle von TTS aus den abhängigen Risikos für einen schweren COVID-19-
USA zugrunde legt, muss mit dem Auftreten von ein Verlauf sowie der Verfügbarkeit alternativer Impf-
bis zwei solcher Fälle pro 100.000 geimpfter Frauen stoffe beschlossen, im Regelfall die COVID-19 Vac-
im Alter von 30 – 39 Jahren (1,2/100.000 Impfun- cine Janssen analog zu Vaxzevria nur für Personen
gen) und einem Fall pro 200.000 Impfungen bei im Alter von ≥ 60 Jahren zu empfehlen. Die Alters-
Frauen im Alter von 18 – 64 Jahren (0,5/100.000 grenze berücksichtigt, dass die gemeldeten TTS
Impfungen) im Zeitraum von 6 – 15 Tagen nach der ganz überwiegend bei < 60-Jährigen auftraten. Auf-
COVID-19 Vaccine Janssen gerechnet werden. Bei grund des vermuteten Pathomechanismus ist nicht
einer wahrscheinlichen Untererfassung von unbe- von einem ausgeprägten geschlechterspezifischen
kanntem Ausmaß liegt das tatsächliche Risiko ver- Risiko auszugehen, daher schließt die STIKO auch
mutlich höher. Dem absoluten Risiko für TTS nach Männer in ihre Empfehlung ein. Es gibt bisher kei-
der Impfung mit der COVID-19 Vaccine Janssen ne Hinweise für eine Assoziation des TTS mit klas-
wurden die Inzidenzen für COVID-19-assoziierte sischen prädisponierende prothrombotischen Fak-
Hospitalisierungen und -Todesfälle bei Frauen in toren (wie z. B. die Einnahme von Kontrazeptiva).
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 33
Es sind andere Impfstoffe verfügbar, für die dieses fehlung auf die Impfkampagne und den Verlauf der
Risiko nicht beobachtet wurde. Eine Umverteilung Pandemie im schlimmsten Fall auswirken könnte
der Impfstoffe ist möglich, ohne dass es dabei zu ei- (z. B. durch eine sinkende Impfbereitschaft und
ner relevanten Verzögerung in der Impfkampagne Verzögerungen durch die Umstellung).
oder einem Anstieg von schweren COVID-19-Fällen
kommt (s. Kap. 5). Der Einsatz der COVID-19 Vacci- In den dargestellten Szenarien wurde eine Domi-
ne Janssen unterhalb der Altersgrenze von 60 Jah- nanz der britischen Virusvariante B.1.1.7, eine redu-
ren bleibt weiterhin nach ärztlicher Aufklärung und zierte Transmissionswahrscheinlichkeit in den
bei individueller Risikoakzeptanz durch die zu imp- Sommermonaten und ein geringer Anstieg im Kon-
fende Person möglich. taktverhalten durch Lockerungen der von der Regie-
rung beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung
der Pandemie berücksichtigt. Die Modellierung ba-
5. Modellierungsergebnisse siert auf der Annahme, dass angekündigte Liefer-
Mit Hilfe einer mathematischen Modellierung wur- mengen der Impfstoffe eingehalten und die Impf-
den die zu erwartenden Auswirkungen einer stoffe gemäß der vorgeschlagenen Priorisierung der
Altersbegrenzung für die COVID-19 Vaccine Janssen STIKO verimpft werden. Eine detaillierte Beschrei-
in Bezug auf die Fallzahlen, die Auslastung der In- bung des zugrundeliegenden Modells befindet sich
tensivstation (ITS)-Betten und Todesfälle analysiert. im Anhang 3 der 4. Aktualisierung der STIKO-Emp-
Dafür wurden drei Szenarien modelliert: (1) Die fehlung zur COVID-19-Impfung.1
COVID-19 Vaccine Janssen wird für alle Altersgrup-
pen empfohlen. (2) Die COVID-19 Vaccine Janssen Die Abbildung 1 zeigt für den Zeitraum Mai bis
wird analog zu Vaxzevria nur für Personen ≥ 60 Jah- Dezember 2021, dass die Einführung einer Alters-
ren empfohlen. (3) In Deutschland wird auf die grenze bei ≥ 60 Jahren für die COVID-19 Vaccine
COVID-19 Vaccine Janssen in allen Altersgruppen Janssen zu einer Reduktion der Infektionen bzw.
verzichtet. Dieses letzte Szenario wurde modelliert, ITS-Fällen um ca. 12.000 bzw. 344 führt. Die zu er-
um abzuschätzen, wie sich die aktualisierte Emp- wartende Anzahl an Todesfällen wird um 27 redu-
1.200.000
34.030 33.686 35.395 1.255.567 10.783 10.756 10.915
30.000 1.184.280 1.172.282
9.000
800.000
20.000 6.000
400.000
10.000 3.000
0 0 0
(1) Ohne Einschränkung (2) Altersgrenze ≥ 60 Jahre (3) Verzicht auf COVID-19 Vaccine Janssen
Abb. 1 | Vergleich der zu erwartenden kumulativen Anzahl an gemeldeten ITS-, Melde- und Todesfällen im Zeitraum 1. Mai 2021
bis Ende 2021 in den drei Szenarien: (1) Ohne Einschränkung für die COVID-19 Vaccine Janssen, (2) mit einer Altersgrenze bei
≥ 60 Jahren und (3) einen kompletten Verzicht auf die COVID-19 Vaccine Janssen
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 34
ziert. Der Verlauf der Pandemie wird durch die ak- ist bei neuen Erkenntnissen geplant. Die EMA hat
tualisierte Empfehlung der STIKO nicht beein- für Vaxzevria und die COVID-19 Vaccine Janssen
flusst. Mit Hilfe der prognostizierten wöchentlichen eine nahezu identische Bewertung des Risikos für
Liefermengen der unterschiedlichen Impfstoffe thromboembolische Ereignisse als sehr seltene
können Personen mit einem hohen Risiko für einen Nebenwirkung nach Impfung publiziert. Auch die
schweren Verlauf weiterhin zeitnah geimpft wer- Fachinformationen beider Impfstoffe sind um den
den, auch wenn die COVID-19 Vaccine Janssen vor- nahezu identischen Warnhinweis ergänzt worden.
nehmlich in der Altersgruppe der ≥ 60-Jährigen Die STIKO möchte Konsistenz innerhalb der Impf
oder gar nicht mehr zum Einsatz kommt. empfehlungen zwischen den beiden Vektor-basier-
ten Impfstoffen herstellen, auch wenn im Moment
Durch die aktualisierte Empfehlung der STIKO ste- noch nicht abschließend bewertet werden kann, ob
hen die gelieferten Impfstoffdosen der COVID-19 das Nebenwirkungsrisiko hinsichtlich TTS für bei-
Vaccine Janssen ganz überwiegend Personen ≥ 60 de Impfstoffe tatsächlich gleich hoch ist.
Jahren zur Verfügung. Die mRNA-Impfstoffe
Cormirnaty und Moderna werden dadurch vermehrt Andere COVID-19-Impfstoffe stehen in Deutsch-
an Personen < 60 Jahren verabreicht. Die Verteilung land in ausreichendem Maße zur Verfügung, so
von Vaxzevria wird durch die Aktualisierung nicht dass eine Umverteilung und risikominimierte An-
beeinflusst. wendung in verschiedenen Altersgruppen möglich
ist. Mathematische Modellierungen haben gezeigt,
Würde die COVID-19 Vaccine Janssen in Deutsch- dass der Einsatz der COVID-19 Vaccine Janssen aus-
land überhaupt nicht zur Anwendung kommen, schließlich in höheren Altersgruppen keinen nen-
würde dies zu ca. 71.000 zusätzlichen Infektionen, nenswerten Einfluss auf den Verlauf der Pandemie
1.365 zusätzlichen ITS-Fällen und 132 zusätzlichen hat. Darüber hinaus erlaubt die Einführung dessel-
Todesfällen führen. ben Alterslimits für beide Vektor-basierten Impf-
stoffe eine konsistente Terminorganisation für diese
Impfstoffe in den Praxen und Impfzentren.
6. Fazit und Impfempfehlung
Die STIKO empfiehlt, die Vektor-basierte COVID-19 Es ist bisher kein anderer Ein-Dosis-Impfstoff in Eu-
Vaccine Janssen von Janssen-Cilag International für ropa verfügbar. Der Umstand, dass zur Impfung mit
Personen im Alter ≥ 60 Jahren zu verwenden. Der der COVID-19 Vaccine Janssen derzeit nur eine
Einsatz der COVID-19 Vaccine Janssen unterhalb Impfstoffdosis zu verabreichen ist, kann für schwer
dieser Altersgrenze bleibt weiterhin nach ärztlicher erreichbare Gruppen (z. B. Menschen ohne festen
Aufklärung und bei individueller Risikoakzeptanz Wohnsitz) ein erheblicher Vorteil sein. Auch Perso-
durch die zu impfende Person möglich. nen, bei denen beispielsweise ein medizinischer
Eingriff oder eine Chemotherapie ansteht, können
Die Einschränkung der Empfehlung auf die Alters- von der einmaligen Impfung in besonderem Maße
gruppe der ≥ 60-Jährigen wird mit dem Ziel ausge- profitieren. Die STIKO ist sich bewusst, dass eine
sprochen, sehr seltene, aber schwere Nebenwirkun- Einschränkung der Indikation mit dem Risiko einer
gen und Todesfälle zu verhindern. Diese Entschei- negativen Konnotation des Impfstoffs in der öffent-
dung der STIKO wurde dabei auf Grundlage von lichen Wahrnehmung verbunden sein kann. Sie
US-amerikanischen Daten getroffen, da für Deutsch- weist deshalb noch einmal darauf hin, dass die beob-
land bzw. Europa bisher keine Daten vorliegen, weil achteten Nebenwirkungen sehr selten sind, dass die
der Impfstoff hier erst seit Kurzem und nur in klei- COVID-19 Vaccine Janssen in allen Altersgruppen
nen Mengen zur Anwendung gekommen ist. wirksam vor schweren Krankheitsverläufen von
COVID-19 schützt und dass ihr Einsatz nach ärztli-
Die STIKO will vorsorglich handeln und nicht ab- cher Aufklärung und bei individueller Risikoakzep-
warten, bis die genannten Nebenwirkungen auch in tanz in allen Altersgruppen, für die der Impfstoff zu-
Deutschland zu einem Sicherheitssignal führen. gelassen ist, möglich ist.
Eine erneute Evaluation dieser Altersbeschränkung
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 35
Literatur
1 Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C, Harder T, sinus thrombosis in adults in Germany – a retro
Heininger U, Kling K, Littmann M, Meerpohl J, spective study using health claims data. 2021.
Meyer H, Mertens T, Michaelis K, Schmid-Küpke N,
5 Food and Drug Administration (FDA). FDA Briefing
Scholz S, Terhardt M, Treskova-Schwarzbach M,
Document – Janssen Ad26.COV2.S.Vaccine for the
Überla K, van der Sande M, Waize M, Wichmann
Prevention of COVID-19. 2021. Online verfügbar
O, Wicker S, Wiedermann U, Wild V, von Kries R,.
seit dem 26.02.2021 unter: https://www.fda.gov/
Beschluss der STIKO zur 4. Aktualisierung der
media/146217/download (zuletzt aufgesucht am
COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige
09.03.2021)
wissenschaftliche Begründung.
Epid Bull 2021;16:3 -78 6 Shimabukuro T. Thrombosis with thrombocytope-
nia syndrome (TTS) following Janssen COVID-19
2 Paul-Ehrlich-Institut. Sicherheitsbericht. Verdachts-
vaccineAdvisory Committee on Immunization
fälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen
Practices (ACIP) April 23, 2021. Online verfügbar
nach Impfung zum Schutz vor COVID-19. Online
unter https://www.cdc.gov/vaccines/acip/mee-
verfügbar unter https://www.pei.de/SharedDocs/
tings/downloads/slides-2021-04-23/03-COVID-Shi-
Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsbe-
mabukuro-508.pdf (zuletzt aufgesucht am
richte/sicherheitsbericht-27-12-bis-12-03-21.pdf?__
05.05.2021)
blob=publicationFile&v=7 (zuletzt aufgesucht am
26.03.2021) 7 European Medical Agency (EMA) PRACP. COVID-19
Vaccine Janssen: EMA finds possible link to very
3 Greinacher A, Thiele T, Warkentin T, Weisser K,
rare cases of unusual blood clots with low blood
Kyrle PA, Eichinger S. Thrombotic Thrombo
platelets. Online verfügbar seit 20.04.2021 unter:
cytopenia after ChAdOx1 nCov-19 Vaccination.
https://www.ema.europa.eu/en/news/covid-19-vac-
N Engl J Med. 2021
cine-janssen-ema-finds-possible-link-very-rare-ca-
4 Jacob J, Klamroth R, Ploner T, Harder T, Koch J, ses-unusual-blood-clots-low-blood (zuletzt aufge-
Wichmann O, et al. Incidence of cerebral venous sucht am 05.05.2021)
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 36
Korrespondenz: STIKO-Geschaeftsstelle@rki.de
Vorgeschlagene Zitierweise
Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C, Harder T,
Heininger U, Kling K, Littmann M, Meerpohl J,
Meyer H, Mertens T, Michaelis K, Schmid-Küpke N,
Scholz S, Terhardt M, Treskova-Schwarzbach M,
Überla K, van der Sande M, Waize M, Wichmann O,
Wicker S, Wiedermann U, Wild V, von Kries R:
Beschluss der STIKO zur 5. Aktualisierung der COVID-
19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissen-
schaftliche Begründung
Interessenkonflikt
Alle Autorinnen und Autoren geben an, dass kein
Interessenkonflikt besteht.
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 37
ständig an DIM, diese Daten konnten aber in der impfenden Gruppen gehörte. Die Ergebnisse für die
vorliegenden Analyse noch nicht berücksichtigt Altersgruppe der 80+-Jährigen wurden dabei im
werden. Die restlichen fünf Bundesländer (Bayern, Kontext der Ergebnisse der jüngeren Altersgruppen
Berlin, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt) mel- betrachtet, um die Auswirkungen von Faktoren wie
den bis zum vollständigen Übergang auf die digita- Sperrungen (Lockdowns) und der Feiertage zu Weih-
le Meldung täglich aggregierte Daten an das RKI. nachten und zum Jahreswechsel, die möglicherwei-
Auch die niedergelassenen ÄrztInnen melden täg- se gleichzeitig die COVID-19-Inzidenz und -Morta-
lich aggregierte Impfdaten. Das genaue Alter der lität in Deutschland beeinflusst haben, von dem Ef-
geimpften Personen ist daher nur für die Bundes- fekt der Impfung zu trennen.
länder verfügbar, die Daten auf Individualebene
über das DIM-System melden, und nur für Impfun-
gen, die in Impfzentren, Krankenhäusern sowie Methoden
durch mobile Teams verabreicht wurden. In einer retrospektiven Analyse wurden COVID-19-
Impfquoten, -Inzidenzen und -Todesfälle gegen-
Bis einschließlich dem 05.05.2021 (Datenstand übergestellt. Datengrundlage für die Impfquoten
06.05.2021) hatten 30,6 % (N = 25.451.513) der Ge- bildeten die Daten aus den Impfzentren, mobilen
samtbevölkerung in Deutschland mindestens mit Teams und Krankenhäusern der 10 DIM-Bundes-
einer Impfserie begonnen (für Impfstoffe, die zwei länder, die bis zum 20.04.2021 ihre Daten vollstän-
Dosen brauchen) und 8,6 % (N = 7.145.486) der Be- dig über das DIM-System an das RKI übermittelten.
völkerung waren vollständig geimpft.2 Die Impfquo- Mit dem gleichen Datenstand (20.04.2021) wurden
te in der Gruppe der ab 80-Jährigen liegt dabei am die Impfdaten aus der DIM-Datenbank des RKI für
höchsten – in den DIM-Bundesländern haben im den Zeitraum vom 27.12.2020 (Kalenderwoche [KW]
Durchschnitt 80 % dieser Altersgruppe bis ein- 52/2020; Beginn der COVID-19-Impfkampagne in
schließlich dem 05.05.2021 mindestens eine Impf- Deutschland) bis zum 28.02.2021 (KW 08/2021)
dosis in Impfzentren oder durch mobile Teams er- mit folgenden Variablen extrahiert: Impfdatum,
halten. Dosis (erste oder zweite), Alter der geimpften Perso-
nen und Bundesland des Wohnsitzes der geimpften
Erste Daten zum Effekt der COVID-19-Impfung lie- Personen.
gen sowohl aus ökologischen Studien aus Israel8,9
und den USA10 vor als auch aus Studien basierend Für die Berechnung der COVID-19-Inzidenz sowie
auf Individualdaten aus Israel,11–14 England,15,16 der COVID-19-Mortalität wurden die COVID-19-
Schottland17 und den USA.18,19 Alle Studien beobach- Fälle aus den Meldedaten des RKI (SurvNet 3.0) mit
teten einen klaren Zusammenhang zwischen dem Datenstand 20.04.2021 extrahiert. Eingeschlossen
Fortschritt der jeweiligen nationalen Impfkampagne wurden alle laborbestätigten Fälle von COVID-19, die
und der Inzidenz sowie Mortalität von COVID-19. der Referenzfalldefinition des RKI entsprachen,21
Für Deutschland als dem bevölkerungsreichsten zwischen dem 30.11.2020 (KW 49/2020) und dem
Land der Europäischen Union (EU) und in der Spit- 28.03.2021 (KW 12/2021) übermittelt wurden, ihren
zengruppe innerhalb der EU bei der Impfkampagne Wohnsitz in einem der 10 DIM-Bundesländer sowie
gegen COVID-1920 liegen bislang jedoch keine Da- eine gültige Altersangabe hatten. Daten aus den vier
ten zum Effekt der Impfkampagne vor. Wochen vor Beginn der Impfkampagne (30.11. –
27.12.2021) wurden einbezogen, um Trends in der
Die vorliegende Studie untersucht auf ökologischer COVID-19-Inzidenz und -Mortalität in der Zeit vor
Ebene den Effekt der COVID-19-Impfung auf die In- dem Impfbeginn zu identifizieren. Ebenso wurden
zidenz und Mortalität in Deutschland anhand von die Fälle und Todesfälle für weitere vier Wochen
Meldedaten aus den 10 DIM-Bundesländern. Ziel- nach dem Ende des Beobachtungszeitraums für die
gruppe der Analyse waren Personen ab einem Alter Impfquote in die Analyse einbezogen, um die Zeit-
von 80 Jahren, die aufgrund des besonders hohen spanne zwischen der Impfung und ihrer Wirkung
Risikos für einen schweren Verlauf oder den Tod an in der Bevölkerung zu berücksichtigen. Die Daten
einer COVID-19-Erkrankung zu den prioritär zu abfrage erfolgte drei Wochen später (20.04.2021),
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 39
um der Verzögerung bei der Meldung von Fällen drei separaten grafischen Darstellungsreihen über
und Todesfällen Rechnung zu tragen. die Zeit aufgetragen. Die Darstellungen der Impf-
quoten wurden ergänzt um das Datum der Verfüg-
Die Impfdaten wurden in die folgenden Altersgrup- barkeit der einzelnen Impfstoffe. In den Darstel-
pen und nach Impfserie eingeteilt: 80+ Jahre (erste lungsreihen der COVID-19-Inzidenz und -Mortali-
Impfung), 80+ Jahre (zweite Impfung), 60 – 79 Jah- tätsrate wurden bundesweite Ereignisse wie Lock-
re (erste Impfung), 18 – 59 Jahre (erste Impfung), downs und der Beginn der Impfkampagne visuell
alle Altersgruppen zusammen (erste Impfung). Die dargestellt, da diese Faktoren die COVID-19-
Anzahl der COVID-19-Fälle und die Todesfälle wur- Inzidenz und -Mortalitätsrate in Deutschland wäh-
den in dieselben Altersgruppen eingeteilt. Die Kate- rend des Studienzeitraums beeinflussten. Weiter-
gorie „alle Altersgruppen zusammen (Gesamt)“ hin wurde der Anteil der einzelnen Altersgruppen
wurde in die Analyse einbezogen, um die Trends an der durchschnittlichen wöchentlichen Inzidenz
der COVID-19-Inzidenz und -Mortalität in der Ge- berechnetet (80+-, 60 – 79-, 18 – 59-, < 18-Jährigen).
samtbevölkerung im Verhältnis zur primär interes-
sierenden Altersgruppe (80+ Jahre) darzustellen. Alle Analysen und grafischen Darstellungen wur-
den in Microsoft Excel Professional Plus 2019
Für jede Altersgruppe, für jedes DIM-Bundesland durchgeführt.
sowie für alle 10 DIM-Bundesländer zusammen
wurde zunächst die durchschnittliche Anzahl der
Impfungen/Fälle/Todesfälle in jeder KW (7-Tage- Ergebnisse
Zeitraum, Montag bis Sonntag) berechnet. An- Die Analyse umfasst 10 der 16 Bundesländer in
schließend berechneten wir für jedes DIM-Bundes- Deutschland und damit 62 % der gesamten deut-
land und für alle DIM-Bundesländer zusammen die schen Bevölkerung (51.295.757/83.166.711). Tabelle 1
durchschnittliche Impfquote (in Prozent der Bevöl- zeigt die Bevölkerungszahlen für jedes DIM-Bun-
kerung), die Inzidenz (pro 100.000 Einwohner) und desland, aufgeschlüsselt nach den in der Analyse
die Sterberate (pro 100.000 Einwohner) jeweils pro verwendeten Altersgruppen.
KW in den jeweiligen Altersgruppen und für die Ge-
samtbevölkerung. Für die Berechnungen wurden al- Impfquoten
ters- und ländergeschichtete Bevölkerungsdaten für Die durchschnittliche wöchentliche Impfquote war
Deutschland des Statistischen Bundesamtes vom in der Altersgruppe 80+ Jahre von Beginn der Impf-
31.12.2019 verwendet.22 Die wöchentlichen Durch- kampagne an sowohl für die erste als auch für die
schnittswerte wurden dann für jedes DIM-Bundes- zweite Dosis mit Abstand am höchsten und zeigte
land und für alle DIM-Bundesländer zusammen in im Laufe der Zeit einen deutlich steigenden Trend
Tab. 1 | Bevölkerungsdaten in den 10 Bundesländern, die direkt an DIM melden, nach Altersgruppen
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 40
(s. Abb. 1a). In Baden-Württemberg, Bremen, Ham- Alle DIM Bundesländer (Gesamt)
burg, Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland
und Thüringen war der Anstieg der Impfquoten für Impfquote (%) nach Altersgruppen a
die erste Dosis über den gesamten Studienzeitraum 45
COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b
400 400
◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶ ◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶
Impfkampagne Lockerung Lockdown Impfkampagne Lockerung Lockdown
350 350
◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 20.1.2021 Ausweitung ◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 20.1.2021 Ausweitung
weiter Lockdown Lockdown weiter Lockdown Lockdown
300 300
250 250
200 200
150 150
100 100
50 50
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c
70 70
◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶ ◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶
Impfkampagne Lockerung Lockdown Impfkampagne Lockerung Lockdown
60 60
◀ 20.1.2021 Ausweitung ◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 20.1.2021 Ausweitung
Lockdown weiter Lockdown Lockdown
50 50
40 40
◀ 16.12.2020 Bundes-
weiter Lockdown
30 30
20 20
10 10
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
Abb. 1 | (a) Verlauf der COVID-19-Impfquote, (b) der COVID-19-Inzidenz und (c) der COVID-19-Mortalität, nach Altersgruppen,
in den 10 DIM-Bundesländern in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 42
COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b
400 400
◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶ ◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶
Impfkampagne Lockerung Lockdown Impfkampagne Lockerung Lockdown
350 350
◀ 20.1.2021 Ausweitung ◀ 20.1.2021 Ausweitung
Lockdown Lockdown
300 300
250 250
200 200
150 150
100 100
50 50
◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 16.12.2020 Bundes-
weiter Lockdown weiter Lockdown
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c
70 70
◀ 20.1.2021 Ausweitung ◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶
Lockdown Impfkampagne Lockerung Lockdown
60 60
◀ 16.12.2020 Bundes-
weiter Lockdown
50 50
1.3.2021 Schrittweise ▶
Lockerung Lockdown
40 40
◀ 16.12.2020 Bundes-
weiter Lockdown
30 30
◀ 27.12.2020 Start
Impfkampagne
20 20
◀ 20.1.2021 Ausweitung
Lockdown
10 10
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
Abb. 1 | (a) Verlauf der COVID-19-Impfquote, (b) der COVID-19-Inzidenz und (c) der COVID-19-Mortalität, nach Altersgruppen,
in den 10 DIM-Bundesländern in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 43
COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b
400 400
◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶ ◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶
Impfkampagne Lockerung Lockdown Impfkampagne Lockerung Lockdown
350 350
◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 20.1.2021 Ausweitung ◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 20.1.2021 Ausweitung
weiter Lockdown Lockdown weiter Lockdown Lockdown
300 300
250 250
200 200
150 150
100 100
50 50
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c
70 70
◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶ ◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶
Impfkampagne Lockerung Lockdown Impfkampagne Lockerung Lockdown
60 60
◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 20.1.2021 Ausweitung ◀ 20.1.2021 Ausweitung
weiter Lockdown Lockdown Lockdown
50 50
◀ 16.12.2020 Bundes-
weiter Lockdown
40 40
30 30
20 20
10 10
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
Abb. 1 | (a) Verlauf der COVID-19-Impfquote, (b) der COVID-19-Inzidenz und (c) der COVID-19-Mortalität, nach Altersgruppen,
in den 10 DIM-Bundesländern in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 44
COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b
400 400 409
◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶ 27.12.2020 ▶ 1.3.2021 Schrittweise ▶
Impfkampagne Lockerung Lockdown Start Impf- Lockerung Lockdown
350 350 kampagne
◀ 20.1.2021 Ausweitung ◀ 20.1.2021 Ausweitung
Lockdown Lockdown
300 300
250 250
200 200
150 150
100 100
50 50
◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 16.12.2020
weiter Lockdown Bundesweiter Lockdown
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c
70 70
1.3.2021 Schrittweise ▶ 1.3.2021 Schrittweise ▶
Lockerung Lockdown Lockerung Lockdown
60 60
◀ 20.1.2021 Ausweitung
Lockdown
50 50
◀ 27.12.2020 Start
Impfkampagne
40 40
◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 27.12.2020 Start
weiter Lockdown Impfkampagne
30 30
◀ 16.12.2020 Bundes-
weiter Lockdown
20 ◀ 20.1.2021 20
Ausweitung
Lockdown
10 10
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
Abb. 1 | (a) Verlauf der COVID-19-Impfquote, (b) der COVID-19-Inzidenz und (c) der COVID-19-Mortalität, nach Altersgruppen,
in den 10 DIM-Bundesländern in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 45
COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b COVID-19-Inzidenz nach Altersgruppen (pro 100.000) b
400 600 607
◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶ 1.3.2021 Schrittweise ▶
Impfkampagne Lockerung Lockdown Lockerung Lockdown
350
◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 20.1.2021 Ausweitung 500
weiter Lockdown Lockdown
300 ◀ 20.1.2021 Ausweitung
Lockdown
400
250
200 300
150
200
100 ◀ 27.12.2020 Start
Impfkampagne
100
50 ◀ 16.12.2020 Bundes-
weiter Lockdown
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppen (pro 100.000) c
70 140
◀ 27.12.2020 Start 1.3.2021 Schrittweise ▶ 1.3.2021 Schrittweise ▶
Impfkampagne Lockerung Lockdown Lockerung Lockdown
60 120
◀ 16.12.2020 Bundes- ◀ 20.1.2021 Ausweitung ◀ 20.1.2021 Ausweitung
weiter Lockdown Lockdown Lockdown
50 100
40 80
◀ 27.12.2020 Start
Impfkampagne
30 60
◀ 16.12.2020 Bundes-
weiter Lockdown
20 40
10 20
0 0
49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 49 50 51 52 53 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Kalenderwoche Kalenderwoche
80+ 60–79 18–59 Gesamt 80+ 60–79 18–59 Gesamt
* Abbildungen (b) und (c) für Thüringen haben andere
Maximum-Werte für die y-Achsen.
Abb. 1 | (a) Verlauf der COVID-19-Impfquote, (b) der COVID-19-Inzidenz und (c) der COVID-19-Mortalität, nach Altersgruppen,
in den 10 DIM-Bundesländern in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 46
100.000. Die Inzidenz in der Altersgruppe 80+ Jah- KW 07 – KW 08 wieder zu steigen begann. Als der
re erreichte im Zeitraum zwischen Mitte Dezember bundesweite Lockdown um den 01.03.2021 in einigen
2020 (KW 50) und Mitte Januar 2021 (KW 02) in Bundesländern gelockert wurde (KW 09), endete der
den meisten DIM-Bundesländern einen Höhepunkt stetige Rückgang der COVID-19-Inzidenz in der Al-
(die Inzidenz für alle DIM-Bundesländer zusam- tersgruppe 80+ Jahre bis KW 12 in 9 von 10 DIM-
men lag bei 296/100.000) und ging danach stetig Bundesländern (Ausnahme: Thüringen). Die Inzi-
zurück, bis am Ende des Studienzeitraums in denz stieg nachfolgend in mehreren Bundesländern
KW 12/2021 die COVID-19-Inzidenz in der Alters- sogar leicht an. Für alle 10 DIM-Bundesländer zu-
gruppe 80+ Jahre mit 62/100.000 die niedrigste al- sammen stieg die Inzidenz in der Gesamtbevölke-
ler Altersgruppen und niedriger als die Inzidenz in rung von 81/100.000 in KW 10 auf 130/100.000 in
der Gesamtbevölkerung war. KW 12. Im gleichen Zeitraum stieg die Inzidenz in
der Altersgruppe der über 80-Jährigen von
Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und Thü- 51/100.000 auf 62/100.000.
ringen erlebten Anfang Januar 2021 eine zweite
Spitze der Inzidenz in der Altersgruppe 80+ Jahre, COVID-19-Sterblichkeit
die um ein Vielfaches höher war als die Inzidenz in In allen DIM-Bundesländern hatte die Altersgruppe
der Altersgruppe 60 – 79 Jahre und 18 – 59 Jahre. 80+ Jahre die mit Abstand höchste durchschnitt
Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rhein- liche wöchentliche COVID-19-Sterblichkeit im Ver-
land-Pfalz zeigten Anfang J anuar 2021 ein ähnliches gleich zu den Altersgruppen 60 – 79 Jahre und
Muster, allerdings waren die zweiten Spitzen deut- 18 – 59 Jahre (s. Abb. 1c). In KW 49 lag die Mortali-
lich geringer. DIM-Bundesländer mit den höchsten tätsrate in der Gruppe der ab 80-Jährigen bei 33/
Bevölkerungszahlen, wie Baden-Württemberg, 100.000 für alle DIM-Bundesländer zusammen, im
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, zeigten Vergleich zu 4/100.000 bei den 60 – 79-Jährigen
im Laufe der Zeit gleichmäßigere Muster der Zu- und 0,2/100.000 bei den 18 – 59-Jährigen. Parallel
nahme und Abnahme der COVID-19-Inzidenz, zu dem in vielen DIM-Bundesländern beobachteten
während DIM-Bundesländer mit kleineren Bevölke- Anstieg der COVID-19-Inzidenz bei den ab 80-Jäh-
rungszahlen, wie die Stadtstaaten Bremen und rigen zwischen KW 51/2020 und KW 02/2021, er-
Hamburg, im Laufe der Zeit mehr Schwankungen reichte auch die Sterberate in dieser Altersgruppe in
aufwiesen. einigen DIM-Bundesländern wie Baden-Württem-
berg (63/100.000 in KW 51 – KW 52) und Nordrhein-
Die Gesamtinzidenz für alle Altersgruppen folgte Westfalen (61/100.000 in KW 52 – KW 53) in diesem
eng dem Muster der Inzidenz in der Altersgruppe Zeitraum einen Höchststand. Andere DIM-Bundes-
der 18 – 59-Jährigen, da diese Gruppe in jedem Bun- länder wie Mecklenburg-Vorpommern, Niedersach-
desland die größte Bevölkerungsgruppe darstellt. sen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein erleb-
Bis etwa KW 10 war die Inzidenz in der Altersgrup- ten einige Wochen später (KW 03 und KW 04) Spit-
pe der 60 – 79-Jährigen in allen DIM-Bundeslän- zenwerte bei den Mortalitätsraten in der Alters-
dern durchgängig am niedrigsten. Ab KW 10 war die gruppe 80+ Jahre. Nach diesem Zeitraum gingen
niedrigste Inzidenz zumeist in der Altersgruppe der die Mortalitätsraten bei den über 80-Jährigen in al-
ab 80-Jährigen zu finden. len DIM-Bundesländern stark zurück (Ausnahme:
Bremen) und erreichten in der KW 12 für alle Bun-
Am 16.12.2020 ging Deutschland in einen bundes- desländer zusammen 9 Todesfälle/100.000. Dieser
weiten Lockdown (KW 51), gefolgt vom Start der Rückgang setzte sich in einigen DIM-Bundes
Impfkampagne am 27.12.2020 (KW 52). In den ländern trotz der schrittweisen Lockerung des Lock-
darauffolgenden Wochen konnte ein Rückgang der downs ab KW 09 fort, während er in anderen zum
COVID-19-Inzidenz für alle Altersgruppen beobach- Stillstand kam.
tet werden. Der Rückgang war in der Altersgruppe
80+ Jahre am stärksten ausgeprägt und setzte sich Während des gesamten Studienzeitraums blieben
in den meisten DIM-Bundesländern fort, auch wenn in allen DIM-Bundesländern in den anderen Alters-
die Inzidenz in den anderen Altersgruppen um gruppen und in der Gesamtbevölkerung die Sterbe-
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 47
66.584 82.471 91.727 72.695 62.912 76.381 62.904 53.031 44.608 37.577 30.638 31.817 33.519 34.148 41.628 53.720 66.931
Abb. 2 | Anteil der Altersgruppen an der Gesamtinzidenz von COVID-19, KW49/2020 bis KW12/2021.
Gesamtzahl der Fälle pro KW sind über jedem Balken eingefügt
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 48
Altersgruppe 80+ Jahre war viel größer als in den delt sich wahrscheinlich nicht um einen echten An-
anderen Altersgruppen. Da diese anderen Alters- stieg der COVID-19-Inzidenz in diesen Bundeslän-
gruppen nicht vorrangig geimpft wurden, konnten dern, die ansonsten ab Ende Dezember 2020 einen
die in diesen Gruppen beobachteten Veränderun- überwiegend stetigen Rückgang der Inzidenz bei
gen zu einem großen Teil auf den bundesweiten den ab 80-Jährigen verzeichneten.
Lockdown zurückgeführt werden. In ähnlicher Wei-
se wurde im März 2021 in allen Altersgruppen, mit Ein zentrales Ergebnis unserer Studie ist der starke
Ausnahme der ab 80-Jährigen, ein schneller An- Rückgang der COVID-19-bedingten Todesfälle in
stieg der COVID-19-Inzidenz nach der Aufhebung der Gruppe der ab 80-Jährigen, der bereits wenige
des strengen Lockdowns beobachtet. Bei den ab Wochen nach Start der Impfkampagne zu sehen
80-Jährigen war das Ausmaß des Anstiegs gering ist. Während der ersten COVID-19-Welle in
und ein Anstieg trat nicht in allen DIM-Bundeslän- Deutschland betrug das durchschnittliche Zeit
dern auf. Diese Unterschiede in den Mustern der intervall zwischen dem Auftreten von COVID-19-
Inzidenz und der Sterberate zwischen der Alters- Symptomen und dem Tod 11 Tage.24 Unter Annah-
gruppe 80+ Jahre und den anderen Altersgruppen me einer ähnlichen Zeitspanne zwischen dem Mel-
weisen darauf hin, dass die Impfkampagne wahr- dedatum der in unserer Studie eingeschlossenen
scheinlich eine entscheidende Rolle bei der Sen- Fälle und dem Todeszeitpunkt, wäre erst etwa vier
kung und Kontrolle der COVID-19-Inzidenz in der Wochen nach Beginn der Impfkampagne ein Effekt
am stärksten gefährdeten Altersgruppe in Deutsch- zu beobachten. Dies steht in Einklang mit unseren
land gespielt hat. Ergebnissen, bei denen ein deutlicher Rückgang
der Sterberate ab KW 03/2021 für alle DIM-Bundes-
In Anbetracht des Zeitintervalls von 14 – 21 Tagen länder erkennbar ist.
zwischen der Verabreichung der ersten Impfstoff-
dosis und dem Beginn eines partiellen Schutzes ge- Unsere Studienergebnisse stehen in Einklang mit
gen SARS-CoV-2, der auf 60 – 80 Prozent geschätzt denen einer ökologischen Studie aus Israel.9 In die-
wird,11,15,19 wäre ein Effekt der Impfkampagne auf ser Studie wurden für jene Altersgruppen, die für
Bevölkerungsebene in Deutschland ab KW 02 – eine frühere COVID-19-Impfung priorisiert wurden
KW 03/2021 zu erwarten gewesen. Diese Hypothese (60+ Jahre, 16 – 21 Jahre), deutliche Rückgänge der
wird durch unsere Ergebnisse gestützt, die eine Be- COVID-19-Inzidenz und -Mortalität beobachtet. Pa-
schleunigung des Rückgangs der COVID-19-Inzi- rallel zur Impfkampagne wurde in Israel aufgrund
denz von KW 02 – KW 03/2021 zeigen. Ein starker der schnellen Verbreitung der SARS-CoV-2-Virus
Rückgang war insbesondere in den DIM-Bundes- variante B.1.1.7. (UK-Variante) der dritte nationale
ländern Baden-Württemberg, Hamburg und Rhein- Lockdown verhängt. Auch in Deutschland entwickel-
land-Pfalz zu beobachten. Diese Länder wiesen von te sich die B.1.1.7.-Variante nach ihrem erstmaligen
Beginn der Impfkampagne an einen schnelleren Nachweis im Dezember 2020 bis Ende Februar
Anstieg der Impfquoten in der Altersgruppe der ab 2021 zur dominierenden Variante und breitete sich
80-Jährigen auf als die anderen DIM-Bundesländer somit während der laufenden Impfkampagne aus.25
in der Auswertung. Obwohl die B.1.1.7.-Variante im Vergleich zu den zu-
vor zirkulierenden SARS-CoV-2-Stämmen eine hö-
Unsere Analyse zeigt, dass eine Reihe von DIM- here Transmissionsrate26 und Sterblichkeit27 auf-
Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, das weist, ist der insgesamt starke Rückgang der
Saarland, Thüringen, Niedersachsen, Nordrhein- COVID-19-Inzidenz und der Sterberate bei den ab
Westfalen und Rheinland-Pfalz Anfang Januar 2021 80-Jährigen ein weiterer starker Hinweis sowohl auf
eine Spitze oder eine zweite Spitze der COVID-19- die Wirksamkeit der Impfstoffe gegenüber der jetzt
Inzidenz erlebten. Der Zeitpunkt dieser Ereignisse vorherrschenden Virusvariante als auch darauf,
deutet darauf hin, dass es sich möglicherweise um dass die Impfkampagne zur Verringerung der
Artefakte der Datenmeldung handelt, wie z. B. COVID-19-Inzidenz und -Mortalität in Deutschland
Nachmeldungen von Fällen, die erst nach den Weih- beigetragen hat.
nachts- bzw. Winterferien gemeldet wurden. Es han-
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 49
Limitationen Fazit
Unsere Studie hat einige Einschränkungen. Erstens Unsere Untersuchung präsentiert die ersten Ergeb-
basiert unsere Analyse auf Daten aus den 10 DIM- nisse zum Effekt der COVID-19-Impfkampagne in
Bundesländern, die derzeit einzelfallbezogene Da- Deutschland unter Verwendung von realen Daten
ten einschließlich Alter an die DIM-Datenbank mel- aus der nationalen COVID-19-Impfdatenbank
den. Daten aus den anderen sechs Bundesländern (DIM) und den RKI-Meldedaten. Obwohl es eine
(Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Sachsen ökologische Untersuchung ist, konnten mit Beginn
und Sachsen-Anhalt), die zum Zeitpunkt dieser der Impfkampagne ein deutlicher Rückgang der
Analyse Impfdaten nur in aggregierter Form und COVID-19-Inzidenz und -Mortalität bei den ab
ohne Angabe des Alters melden, konnten nicht ein- 80-Jährigen in Deutschland beobachtet werden. Der
bezogen werden. Die 10 DIM-Bundesländer, die in besonders auffällige Rückgang der Todesfälle im
die Analyse einbezogen wurden, umfassen jedoch Zusammenhang mit COVID-19 in dieser gefährde-
mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung, be- ten Altersgruppe liefert die ersten vielversprechen-
inhalten zwei der bevölkerungsreichsten Bundes- den Anzeichen für den Erfolg der Impfkampagne in
länder und repräsentieren alle geografischen Regio- Deutschland. Zukünftige Studien, die die Wirksam-
nen in Deutschland. Wir gehen daher davon aus, keit der Impfkampagne anhand detaillierterer und
dass unsere Daten für die gesamte deutsche Bevöl- aktualisierter Daten in Deutschland bewerten, sind
kerung repräsentativ sind. erforderlich, um die Ergebnisse dieser Studie zu be-
stätigen und darauf aufzubauen.
Zweitens handelt es sich bei der vorliegenden Ana-
lyse um eine ökologische Studie, die keine kausalen
Schlussfolgerungen erlaubt. Die vergleichende
Methodik war jedoch in der Lage, wichtige externe
Faktoren, wie z. B. den bundesweiten Lockdown ab
Dezember 2020, zu berücksichtigen, der die
COVID-19-Morbidität und -Mortalität während des
Studienzeitraums beeinflusst haben könnten, so
dass wir den Effekt der Impfkampagne davon ab-
trennen konnten.
Korrespondenz: PerumalN@rki.de
Epidemiologisches Bulletin 19 | 2021 12. Mai 2021 52
In der wöchentlich veröffentlichten aktuellen Statistik werden die gemäß IfSG an das RKI übermittelten Daten zu meldepflichtigen Infektions-
krankheiten veröffentlicht. Es werden nur Fälle dargestellt, die in der ausgewiesenen Meldewoche im Gesundheitsamt eingegangen sind, dem
RKI bis zum angegebenen Datenstand übermittelt wurden und die Referenzdefinition erfüllen (s. www.rki.de/falldefinitionen).