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Die Eigenart der Archäologie besteht wohl darin, dass sie Martin Fitzenreiter

antike Gesellschaften untersucht, also das Zusammenleben


von Menschen vor unserer Zeit, sich dabei aber einzig und
allein auf Funde und Befunde, also auf Objekte oder Dinge Technologie und / als / eine
stützen kann. Die Menschen vor unserer Zeit und damit –
wenn man so will: – ihr eigentlicher Forschungsgegenstand, Kulturwissenschaft
sind der Archäologie nicht zugänglich. Alles, was wir über
die Menschen der Antike zu wissen meinen, haben uns die
Gedanken zu einer Archäologie von Dingen und Menschen

Technologie und / als / eine


Dinge erzählt.
Wie aber kommen die Dinge dazu, so viel über die Menschen
erläutert und mit Beispielen versehen
anhand der Funde des Bronzegusskonvolutes
zu wissen?

Kulturwissenschaft
von der Qubbet el-Hawa (Ägypten)
Anhand eines außergewöhnlichen Fundes – einem in
einer Grabanlage bei Assuan gefundenen Gusskonvolut aus
der Mitte des 1. Jahrtausends v. u. Z. – wird in diesem Buch
den vielfältigen Verknüpfungen nachgespürt, die Menschen
und Dinge eingehen: Verknüpfungen, die beide Seiten erst 10
zu dem machen, was sie sind.

Martin Fitzenreiter
Martin Fitzenreiter studierte Ägyptologie, Sudanarchäologie und
Islamkunde an der Humboldt-Universität zu Berlin; nahm an Aus-

Bonner Ägyptologische Beiträge


grabungen in Deutschland, Ägypten und dem Sudan teil; arbeitete
als Kunstgießer; war wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator des
Ägyptischen Museums der Universität Bonn und ist momentan Pro-
jektmitarbeiter in einer Kaffeerösterei.

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BERLIN

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Technologie
und / als / eine
Kulturwissenschaft

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Bonner Ägyptologische Beiträge

Band 10
Die Bonner Ägyptologischen Beiträge
(BÄB) werden herausgegeben von den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Abteilung für Ägyptologie an der
Universität Bonn.

Editorial Board

Angelika Lohwasser Münster

Stephen Quirke London

Dietrich Raue Leipzig

Hassan Selim Kairo

Pascal Vernus Paris

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Martin Fitzenreiter

Technologie
und / als / eine
Kulturwissenschaft

Gedanken zu einer Archäologie von Dingen und Menschen


erläutert und mit Beispielen versehen anhand der Funde
des Bronzegusskonvolutes von der
Qubbet el-Hawa (Ägypten)

BERLIN

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet
diese Publikation in der Deutschen
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bibliografische Daten sind im Internet über
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Umschlagmotiv: nach: Duell 1938, pl. 30

Umschlag | Layout: Rainer Kuhl

Copyright: © EB-Verlag Dr. Brandt


Berlin 2020

ISBN: 978-3-86893-340-6

Internet: www.ebverlag.de
E-Mail: post@ebverlag.de

Printed in Germany

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Inhaltsverzeichnis 5

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis .................................................................. 7

1. Einleitung ............................................................................... 11

Befund und Begriff


2. Befund .................................................................................... 17
Grabung – Schätze – Rätsel – Archäologie
3. Begriff ..................................................................................... 46
Vorgang – Praxis – Technik – Kulturtechnik – Technologie –
Kontrollverlust

Tun und Wissen


4. Tun ......................................................................................... 76
Materialien – Techniken – Technologien
5. Wissen .................................................................................... 101
Transfer – Praktiken – Ästhetik

Eigenschaft und Magie


6. Eigenschaft ............................................................................. 127
Stoff – Zeichen – Wert
7. Magie ...................................................................................... 145
Zauber – Arbeit – Hybrid – Glaube

Ketten und Netze


8. Ketten ..................................................................................... 164
Bewegung – Versammeln – Kreise und Ströme
9. Netze ...................................................................................... 186
Produktion – Nutzung – Botschaft

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6 Inhaltsverzeichnis

Signale und Stimmen


10. Signale .................................................................................... 214
Medien – Bilder – Gräber – Bücher
11. Stimmen ................................................................................. 239
Signaturen – Stele – Kontext – Modus

Wesen und Mythos


12. Wesen ..................................................................................... 267
Namen – Zuhören – Laboratorien – Alchemie – Stoff – Farbe – Wesen
13. Mythos .................................................................................... 296
Hermetik – Transmutation – Transposition – Transformation

Erfahrung und Ritual


14. Erfahrung................................................................................ 316
Zeremonien – Erleben – Inszenieren – Reflektieren
15. Ritual ...................................................................................... 331
Kornosiris – Choiak – Gestaltgebung – Deutung

Musen und Götter


16. Musen ..................................................................................... 353
Fetisch – Personifikation – Abstraktion
17. Götter ..................................................................................... 367
Ordnung – Goldhaus – Handwerker – Nichtwissen

18. Menschen................................................................................ 399


Archäologie – Gegenüber – Würde – Kultur – Kulturtechnik

19. Literaturverzeichnis ................................................................ 423

20. Abbildungsverzeichnis ............................................................ 471

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Inhaltsverzeichnis 7

Abkürzungsverzeichnis

bzw. = beziehungsweise
ca. = circa
d. h. = das heißt
etc. = et cetera
ggf. = gegebenenfalls
N. B. = nota bene
u. a. = unter anderem
usw. = und so weiter
vgl. = vergleiche
vs. = versus
v. u. Z. = vor unserer Zeitrechnung
z. B. = zum Beispiel

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8 Inhaltsverzeichnis

Zeittafel (Ägypten)

Zeit Reiche / Dynastien Metallurgie


5./4. Jahr- neolithische und früh- Belege für Kupferwerkzeuge und
tausend bronzezeitliche Kulturen Schmuck im Delta
v. u. Z. im Delta und in
Oberägypten
3. Jahr- Prozess der „Reichseini- Herausbildung vergleichbarer kultureller
tausend gung“ (Prädynastische Ausdrucksformen im Delta und im un-
v. u. Z. Zeit; 1. und 2. Dynastie) teren Niltal bis zum 1. Katarakt; Metall-
geräte sind im Befund vorhanden, aber
nicht prominent
um 2600 – Altes Reich (3. bis 8. Schmuck, Kultgefäße und -geräte sowie
ca. 2100 Dynastie) Rundbilder aus Kupfer, in der Regel Guss
v. u. Z von Blechen und Ausformung in Treibar-
beit; Darstellung von Metallarbeiten in
der Grabdekoration; Pyramidentexte
ca. 2100 Regionalisierung („1. Belege für Metallarbeiten in Gold, Silber
– ca. 1650 Zwischenzeit“) und Mitt- und Bronze (Zinnbronze) im Wachsaus-
v. u. Z. leres Reich (9./10. bis schmelzverfahren; Stele des Irtisen
14. Dynastie)
ca. 1650 Hyksoszeit („2. Zwi- metallverarbeitende Werkstätten in
– ca. 1100 schenzeit“) und Neues Qantir zur Waffenproduktion; erste Be-
v. u. Z. Reich (15./16. bis 20. lege für Eisenobjekte; Darstellung des
Dynastie) Gusses in geschlossenen Formen in der
Grabdekoration; „Berufssatiren“;
ca. 1100 – Regionalisierung („3. Metallobjekte, auch aus verschiedenen
ca. 700 Zwischenzeit“; 21. bis Legierungen, Tauschierung, Kombination
v. u. Z 24. Dynastie) von Metall, Holz und weiteren Materiali-
en; Bleibronze häufig verwendet
ca. 700 „Spätzeit“ (25. bis 30. Tierfriedhöfe, Depots mit Kleinbronzen;
v. u. Z. – Dynastie); Ägypten zeit- Depot von der Qubbet el-Hawa,
332 v. u. Z. weise Teil der kuschiti- Kornosiris-Figurinen
schen, assyrischen und
persischen Großreiche
332 v. u. Z. Herrschaft der Ptolemäer Kleinbronzen weit verbreitet; Satzungen
– 30 v. u. Z. von Kultgenossenschaften; Inschriften
zu den Choiak-Riten im Tempel von
Dendera

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Inhaltsverzeichnis 9

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10 Inhaltsverzeichnis

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Einleitung 11

1. Einleitung

Bertolt Brecht lässt den lesenden Arbeiter fragen: „Cäsar schlug die Gal-
lier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“ Sollte man nicht auch
danach fragen, was die Menschen bei ihrem Gang durch die Geschichte
denn sonst noch so „bei sich“ hatten? Alleine waren sie wohl nicht unter-
wegs, denn auch der Koch braucht einen Topf. Und sollte nicht überhaupt
genau das befragt werden, was man „bei sich“ hatte, um vom Gang der
Menschen durch die Geschichte zu erfahren? Denn nur dieses ist geblieben,
vom Koch nur der Topf und von Cäsar nur der Name.

1.1.

Die Eigenart der Archäologie besteht wohl darin, dass sie antike Gesell-
schaften untersucht, also das Zusammenleben von Menschen vor unserer
Zeit, sich dabei aber einzig und allein auf Funde und Befunde, also auf
Objekte oder Dinge stützen kann. Die Menschen vor unserer Zeit und
damit – wenn man so will: – ihr eigentlicher Forschungsgegenstand, sind
der Archäologie nicht zugänglich. Alles, was wir über die Menschen der
Antike zu wissen meinen, haben uns die Dinge erzählt.

Wie aber kommen die Dinge dazu, so viel über die Menschen zu wissen?

Die Frage ist nicht nur aus erkenntnistheoretischer Sicht interessant. Sie
sollte es auch für die Beschäftigung mit konkreten Befunden sein, also für
die tägliche Arbeit der Archäologin und des Archäologen. Denn dass die
Objekte uns viel zu erzählen haben, bezeugt die Geschichte der Archäo-
logie als Wissenschaft. Zu erfahren, wie sich dieses Wissen konstituiert,
bringt uns näher an jeden dieser konkreten Befunde heran. Die Publi-
kation eines archäologischen Befundes ist aus dieser Perspektive – und

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12 Einleitung

um im Bild zu bleiben – nichts anderes, als möglichst detailliert das wie-


derzugeben, was diesem konkreten Befund an konkreten Informationen
abgelauscht werden konnte. Genau diesem Ziel folgt die Publikation des
Bonner Bronzegusskonvolutes von der Qubbet el-Hawa, die von Frank
Willer, Johannes Auenmüller und mir in Zusammenarbeit mit weiteren
Kolleginnen und Kollegen vorgelegt wurde.1 Während dort die Ergebnisse
der Auseinandersetzung von uns – den Forscherinnen und Forschern –
mit ihnen – den Dingen – im Mittelpunkt standen, soll es in diesem Buch
um die Umstände dieses Gespräches gehen. Dabei soll sowohl die eher
theoretische Frage nach dem Wie? im Blick behalten werden; also, woher
eigentlich das Wissen der Dinge über die Vergangenheit rührt. Aber auch
das Was? soll nicht zu kurz kommen, also die konkreten Hinweise, die
uns Dinge auf ihr Dasein in der Antike geben. Diese Hinweise werden sich
in dieser Studie, der materiellen Basis dieser Untersuchung verpflichtet,
auf die antike Metallverarbeitung im allgemeinen und auf das Konvolut
von der Qubbet el-Hawa im besonderen beziehen. Einige dieser Fragen
wurden in der erwähnten Befundpublikation natürlich bereits angespro-
chen. Doch wes das Herz voll ist, des gehet der Mund über und so sind
hier Gedanken und Abschweifungen versammelt, die gewissermaßen als
Beifang während der Arbeit an den Funden aus der Anlage QH 207 auf-
tauchten.

1.2.

Die Auseinandersetzung mit der Frage des Zusammenhanges von Ding


und Mensch hat zur Zeit durchaus Konjunktur in den Kultur- und Sozi-

1
Fitzenreiter / Willer / Auenmüller 2016.a. Die Beiträge in diesem Band stammen
von Johannes Auenmüller, Ursula Baumer, Patrick Dietemann, Martin Fitzenreiter,
Thorsten Geisler-Wierwille, Dietmar Meinel, Gerwulf Schneider, Roland Schwab,
Ursula Tegtmeier und Frank Willer. Zu weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
auf deren Arbeit zurückgegriffen und deren Unterstützung in Anspruch genommen
wurde, siehe op. cit. 7-9.

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Einleitung 13

alwissenschaften und damit auch in der Archäologie.2 Hatte man bis vor
einiger Zeit die Dinge eher als passive Gegenstände gesehen, als Objekte,
derer sich die Menschen bedienen, so sind neuerdings die Dinge als hand-
lungsleitende Aktanten und somit als Subjekte in den Fokus der Forschung
geraten. Was mitunter so weit getrieben werden kann, dass die Dinge
als die besseren Menschen erscheinen; weniger ambivalent, weniger täu-
schend – zielführender bei der Lösung. Wie etwa bei Sherlok Holmes
zu lernen, den die Menschen anlügen mögen, die Spur der Dinge aber
zur Wahrheit leitet. Eine solche Autonomisierung des Dinglichen ist hier
jedoch nicht angestrebt (und führte auch bei Mr. Holmes ja stets zurück
zu den Menschen). Daher und um der in der Diskussion angelegten und
mitunter scholastisch herauspräparierten Dichotomie Mensch vs. Ding zu
entgehen, soll es hier speziell darum gehen, den Nexus beider Sphären zu
erkunden: das, wo sich Mensch und Ding begegnen. Es werden also Men-
schen und ihr nichtmenschliches Gegenüber gemeinsam betrachtet bzw.
eigentlich und dem Ergebnis dieser Studie vorausgreifend: Wie Menschen
und Dinge in dieser Auseinandersetzung überhaupt erst zu dem werden,
was sie sind.
Um nicht sofort in den Verstrickungen terminologischer Diskussionen
hängen zu bleiben, sollen an dieser Stelle nur zwei Begriffe bestimmt
werden, die noch ausführlicher zu besprechen sind. Wenn im Folgen-
den von Technik die Rede ist, dann wird darunter genau die eben ange-
sprochene Auseinandersetzung von Menschen und Gegenständen ver-
standen, das, was Gegenstände erst zu handlungsinduzierenden Dingen
(Aktanten) und Menschen erst zu Handelnden (Akteuren) macht. Einfach
gesagt: Technik ist der Umgang von Menschen und / mit Dingen – und
umgekehrt. Das, was uns über diesen Umgang von Menschen und Dingen
belehrt, ist Techno-Logie: die Lehre von der Technik. Vermeiden werde
ich es die gesamte Studie über, die in dieser Auseinandersetzung ver-

2 Die Zahl der Publikationen zu diesem Thema ist für mich nicht übersehbar; siehe
etwa: Hahn 2005; Caple 2006; Beck / Niewöhner / Sørensen 2012; Samida / Eggert
2013.a; Hahn 2015.a; Boschung / Kreuz / Kienlin 2015; Kalthoff / Cress / Röhl 2016.

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14 Einleitung

bundenen Akteure, Aktanten, Handelnden und ebenso Behandelten, Erle-


benden, Erleidenden (schrift-)sprachlich einzugrenzen; also Begriffe wie
Mensch, Phänomen, Wesen, Gegenstand, Ding und was noch als Subjekt und
Objekt in den Sätzen erscheinen wird. Denn das ist das Eigentümliche der
Betrachtung aus praxistheoretischer Perspektive: Dass der Prozess zwar
relativ klar konturiert werden kann, die im Prozess verstrickten Parteien
aber ständig ihre Position wechseln. Hambos oder Ammer sein!?
Nur das noch. Auch wenn im Folgenden tatsächlich gegenständli-
che Objekte im Zentrum stehen werden: Dinge, deren Materialität (oder:
Materialisierung) die Menschen zum Handeln bringt und die so als mit
agency begabt wirken, müssen nicht zwingend aus Marmor, Stein und
Eisen oder Bronze sein und auch nicht Pflanzen, Tiere oder das Wet-
ter. Sie können ebenso als Namen, Konzepte, Formeln, Werte, Systeme,
Gesetze, Glaubensartikel, Gerüchte, Preise, Götter usw. auftreten. Einmal
in der Welt, haben solche immateriellen Dinge oft mehr handlungslei-
tende Kraft als ein Erdbeben oder eine Gewehrkugel.

1.3.

Der vorliegende Text wurde im Frühjahr 2015 leichtfüßig begonnen


und in Teilen mit dem Titel „Das Wachsausschmelzverfahren als Kul-
turtechnik“ auf einer Tagung vorgetragen, die den Abschluss des Pro-
jektes „Materialien einer Gusswerkstatt von der Qubbet el-Hawa“ mar-
kierte. Geplant war, dass er (fast) parallel zur Publikation des Konvolutes
erscheinen sollte – was sich dann doch hinzog. Über die Zeit begann er
zu wuchern, auch wenn ich mich bemüht habe, ihn immer wieder einmal
zurückzuschneiden und Detailstudien an andere Stellen auszulagern.3
Ob jeder Seitentrieb wirklich zum Thema gehört, zu dem ich mich von
der agency (oder dem Lockruf) des Materials verleiten ließ, ist mir am

3
Fitzenreiter 2018.c; 2018.e; 2019; im Druck 3; in Vorb.

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Einleitung 15

Ende nicht ganz sicher. So, wie er hier erscheint, versucht der Text, sich
zwischen einer archäologietheoretischen Abhandlung, einer allgemei-
nen Technikgeschichte und einer kulturwissenschaftlichen Reflektion zu
bewegen. Meine beschränkte Kompetenz hat dazu geführt, dass insbeson-
dere die zweite Hälfte etwas ägyptologielastig geraten ist. Was den Ägyp-
tologinnen und Ägyptologen als ein Einstieg in die Diskussion dienen
kann, soll allen anderen zumindest eine Vorstellung davon vermitteln,
wie sich bestimmte Zusammenhänge im konkreten Befund darstellen.
Bei der dabei unvermeidlichen Bezugnahme auf altägyptische Texte und
Begriffe werden ägyptische Worte und Eigennamen in der Regel in einer
„eingedeutschten“, möglichst üblichen Fassung geschrieben; ansonsten
erscheint die eigenartige Umschrift, wie sie in Fachkreisen üblich ist. Sie
soll auch daran erinnern, dass wir die tatsächliche Lautung nur annähe-
rungsweise bestimmen können.

Viele haben zu dieser Arbeit beigetragen. Danken möchte ich daher:


• den Kolleginnen und Kollegen im Bronzegussprojekt: Frank Willer,
Johannes Auenmüller, Ursula Baumer, Patrick Dietemann, Thors-
ten Geisler-Wierwille, Dietmar Meinel, Gerwulf Schneider, Roland
Schwab, Ursula Tegtmeier, Michael Schmauder.
• den Kolleginnen und Kollegen am Ägyptischen Museum der Universi-
tät Bonn: Ludwig D. Morenz, Rita Lucarelli, Amr El Hawary, Brigitte
von Laszewski, Frank Förster, Uta Siffert, Andreas Dorn, Annkatrin
Benz, David Sabel, Beryl Büma, Mohammed Sherif Ali, Horst Creutz,
Olga Fast, Barbara Klecha, Lucas Bohnenkämper, Tobias Gutmann.
• den Kolleginnen und Kollegen in den Gießereien Schabow und Flierl:
Günther Schabow, Horst Heinrichs, Herrn Felsch, Klaus Cenkier,
Marco Flierl, Falk Mundry, Peter Kolbe, Christiane Witt, Martin Pech,
Marco Wendisch, Anke Schirlitz, Rico Rensmeyer, Florian Flierl.
• den Kolleginnen, Kollegen und Freunden, die sich mit mir über derar-
tiges gern austauschen: Angelika Lohwasser, Stefan Burmeister, Hein-
rich Balz, Hans-Georg Bartel, Dietrich Raue.

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16 Einleitung

• schließlich Karin Fitzenreiter für das sorgfältige Lektorat, Ludwig D.


Morenz für die Aufnahme in die „Bonner Ägyptologischen Beiträge“
und Rainer Kuhl vom EB-Verlag Dr. Brandt für die verlegerische und
drucktechnische Betreuung.

Es versteht sich von selbst, dass am Ende aber die Verantwortung für die
hier ausgebreiteten Ideen ganz allein bei mir liegt.

Münster, im Dezember 2019

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Befund 17

BEFUND UND BEGRIFF

2. Befund

2.1. Grabung1

Am Mittag des 6. März 1969 beendete das Team der Universität Bonn die
Arbeiten im Bereich der Felsgrabanlage QH 90 (QH steht für Qubbet el-
Hawa, die Zahl steht für je eine der durchnummerierten Grabanlagen),2
um noch am selben Tag die Arbeit in der Anlage QH 206/207 aufzuneh-
men. Mehr als zehn Jahre zuvor hatte der damals frisch auf den Bon-
ner Lehrstuhl für Ägyptologie berufene Elmar Edel epigraphische und
archäologische Arbeiten auf dem Gräberberg begonnen. Einem Gräber-
berg, der lokal die „Kuppel der Winde“ (Qubbet el-Hawa) genannt wird
– ein Name, der auch die muslimische Kultstelle (Qubbet) des toponymen
Heiligen el-Hawa bezeichnet, die als Landmarke an der höchsten Stelle
des Berges errichtet wurde (Abb. 2.1). Wie an vielen Stellen des oberä-
gyptischen Niltals, wo die Felsmassive der Ost- oder die Plateaukante
der Westwüste nahe am Fluss liegen, hatte man seit dem Alten Reich
Kammern und Schächte in diesen Berg getrieben, in denen die Toten der
Region bestattet wurden.

Das Gebiet um den ersten Nilkatarakt war mit der Etablierung des pha-
raonischen Reiches an der Wende vom 4. zum 3. Jahrtausend v. u. Z. zur

1
Diese Grabungsgeschichte folgt einer Abschrift des an der Universität Bonn
aufbewahrten Grabungstagebuches, die Johannes Auenmüller angefertigt hat. Das
Grabungstagebuch selbst wurde seinerzeit vor Ort von Angelika Edel geführt.
2 Das Zählsystem wurde von General Francis Horatio Genfell eingeführt und wird
seitdem von allen Grabungsmissionen fortgeführt. Zur Grabungsgeschichte auf der
Qubbet el-Hawa siehe Edel / Seyfried / Vieler 2008, XVII; Vieler 2011, 97f.

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18 Befund und Begriff

Abb. 2.1: Der Gräberberg der Qubbet el-Hawa von Südosten. Auf der Bergspitze befindet
sich das Heiligtum (Qubbet) des Scheichs el-Hawa. Die Terrassen mit den Felsgräbern aus
dem Alten Reich sind in halber Höhe des Abhangs zu erkennen. Links liegt die monumen-
tale Doppelanlage des Mehu und Sabni aus der 6. Dynastie, rechts davon zieht sich eine
Kette kleinerer Felsgräber um den Hügel herum. Etwa an der am weitesten vorspringen-
den Kante befindet sich die Doppelanlage QH 206/207. Dahinter sind die Mauerreste
eines mittelalterlichen Kloster zu erkennen.

Südgrenze des Landes geworden. Eine Festung auf der Nilinsel Elephan-
tine sicherte die Kontrolle über die Region und der Platz wuchs im Laufe
des Alten Reiches (ca. 2650–2150 v. u. Z.) zu einem administrativen Zen-
trum. Es waren die Honoratioren dieses „Zentrums am Rande“ (Ludwig
D. Morenz), die sich seit der 6. Dynastie auf der Qubbet el-Hawa ihre
Grab- und Kultstätten anlegen ließen, und es war deren Klientel, welche
rund um diese Großanlagen in Kammern und Schächten beigesetzt wur-
de.3 Auch im Mittleren Reich hat man für die Gouverneure der Region

3
Vischak 2015.

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Befund 19

hier große Gräber errichtet4 und die Felsgräbernekropole des Neuen Rei-
ches wurde erst kürzlich entdeckt.5 Im 1. Jahrtausend v. u. Z. jedoch sind
keine neuen Felskammern mehr angelegt worden. Man bestattete die
Toten – wie in dieser Zeit in ganz Ägypten häufig – in den bestehenden
Anlagen aus dem Alten und Mittleren Reich. So blieb die Qubbet el-Hawa
bis in die koptische Zeit ein Begräbnisplatz. Nun nutzten auch Mönche
die Gräber als Eremitagen und bauten ein Kloster, bis schließlich die
Qubbet des imaginären Scheichs el-Hawa diesen uralten Sakralplatz in die
islamische Glaubenswelt integrierte.

Elmar Edel war, wie die meisten Ägyptologen seiner Generation, vor
allem Philologe. Sein besonderes Interesse galt der Schriftsprache des
Alten Reiches, der er eine grundlegende Untersuchung gewidmet hat.6
Entsprechend interessierte er sich, als er die Arbeiten auf der Qubbet el-
Hawa begann, vor allem für die Grabanlagen des Alten Reiches, und dort
wiederum für das mit Inschriften versehene Material. Der Platz erwies
sich als ein Glücksgriff. Neben den zum Teil schon bekannten Inschriften
an den Fassaden und Wänden der Grabanlagen fanden sich in den Grab-
schächten große Mengen an Tontöpfen, die mit einer frühen Kursivschrift
beschriftet waren. Als 1969 die Arbeiten an QH 206/207 begannen, war
Edel bereits intensiv mit der Publikation dieser Töpfe bzw. vor allem ihrer
Aufschriften befasst.7 Allerdings beschränkt sich das Befundmaterial aus
den Grabanlagen nicht auf beschriftete Töpfe und andere Grabbeigaben
aus dem Alten Reich. Neben den älteren Begräbnissen bargen die Kultka-
pellen häufig eine größere Zahl von Bestattungen der sogenannten Spät-
zeit. Ein eklatanter Fall war, wie sich herausstellte, die Doppelanlage QH
206/207. Dass dieses Grab reiche Funde erwarten ließ, war bereits seit
1963 bekannt, als man von Anlage QH 107 auf der darüber liegenden

4
Müller 1940.
5 Seyfried / Seyfried / Kuhn 2017.
6 Edel 1955/67.
7
Edel 1967–1970; Edel 1971; Edel 1975.a; Edel 1980.

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20 Befund und Begriff

Gräberreihe durch einen Durchbruch in die Kultkammer von QH 207


hatte schauen können (Abb. 2.2). Da es aber genug Arbeit in QH 107 gab,
war die Grabungen an der unteren Gräberreihe bis zu jenem 6. März 1969
aufgeschoben worden. Nun konzentrierte man die vorhandenen Kräfte an
diesem Platz. Schon einen Tag später – bei 41 Grad im Schatten, wie das
Grabungstagebuch vermerkt – hatte man die Sandeinwehungen im Hof
soweit abgegraben, dass der Architrav des Zuganges sichtbar wurde. Je
näher man dem Boden des Vorhofes kam, desto mehr Funde förderten die
Grabungsarbeiter aus Quft (‫ ;قفط‬auch Qift transliteriert) zutage.

Abb. 2.2: Übersichtsplan der Grabanlagen im Mittelteil der Felsgräbernekropole. Die


Doppelanlage QH 206/207 befindet sich auf der unteren Terrasse in der am weitesten
vorgeschobenen Position.

Diese Arbeiter sind die Nachfahren jener Grabungsspezialisten, die der


Pionier der ägyptischen Archäologie, William Matthew Flinders Petrie
seit 1893 für seine Ausgrabungen im Tempel von Quft (dem antiken Kop-
tos) und im nahe der Ortschaft gelegenen Friedhof von Naqada trainiert
hatte. Seitdem in der Grabungstechnik geschult und mit den Besonder-

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Befund 21

heiten der Ausgrabung in ägyptischer Erde vertraut, arbeiten die Männer


der Ausgräberfamilien aus Quft schon seit Generationen an vielen Plätzen
des Landes. In der Regel ist es ihr waches Auge, das interessante Funde
und Befunde erfasst und dann die Ägyptologen auf den Plan ruft. Ist es
ein Fund, dann wird er geborgen, dokumentiert und katalogisiert. Was
wiederum den Vertreter der ägyptischen Altertumsbehörde auf den Plan
ruft, der diese Registrierung vornimmt bzw. überwacht. In diesem Fall
war das der Inspektor Hismet Adib. Von den Quftis – so nennt man die
Grabungsarbeiter aus Quft – überliefert das Grabungstagebuch, dem Usus
der Zeit folgend, keinen Namen.8

Im Bereich des Hofes fand man unter anderem eine Menge flacher Scha-
len, von denen einige in einer ganz besonderen Weise bemalt waren und
als eine spezielle Gattung bemalter Kultkeramik noch berühmt werden
sollten (Abb. 2.3).9 Außerdem tauchten bereits mehrere Bestattungen
und verstreut liegende Knochen auf. Im Zuge jahrhundertelanger Berau-
bungen und Nachnutzungen der Gräber und ihrer Ausstattung – so genau
kann man das eine oft nicht vom anderen trennen10 – waren diese aus
den Schächten gewühlt und in den Kammern und im Hof verteilt worden.
Den menschlichen Überresten galt das besondere Interesse von Fried-
rich W. Rösing, dem Anthropologen der Grabung. Leider teilte Elmar
Edel dessen Agenda nicht unbedingt, so dass es durchaus zu Spannun-
gen kam, wie rasch die Arbeiten vorangehen sollten. Rösing lag an einer
präzisen Aufnahme der Skelette; Edel drängte auf den zügigen Fortgang
der Freilegung.11 Zwischen beiden stand Angelika Edel, die in einer für
die Mitte des 20. Jahrhunderts paradigmatischen Weise Eigenschaften
der schlichtenden Hausfrau und Organisatorin des Grabungsalltages mit
denen einer Fotografin, Zeichnerin und Restauratorin bei der Befund-
8 Zum Umgang der westlichen Ägyptologie mit ägyptischen Grabungsarbeitern:
Quirke 2010; Doyon 2015; Beck 2016; Georg 2018.
9 Edel / Seyfried / Vieler 2008, 1962–1974; Morenz 2012.
10 Zu Wiederbenutzung und Beraubung von Gräbern: Näser 2001; Näser 2008.
11
Rösing 2011 beschreibt seine Probleme mit Elmar Edel recht plastisch.

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22 Befund und Begriff

Abb. 2.3: Sogenannte


„Bonner Jagdschale“;
gefunden im Hof von QH
206/207, ca. 2100 v. u.Z.

bergung und -dokumentation vereinen musste. Ihr stand Birgit Kohl zur
Seite, ebenfalls in der jener Zeit gemäßen Rolle als Zeichnerin, mit eini-
ger Sicherheit besonders für Keramik, denn damit gaben sich dazumal
Männer in der Ägyptologie ungern ab (Ausnahmen, sehr rühmliche Aus-
nahmen, bestätigen die Regel). Das Team komplett machte der Zimmer-
mann, Weltenbummler und Grabungstechniker Jürgen Wentscher, ein
Allrounder, der als Vorarbeiter, Vermesser, Zeichner, Ingenieur, Bastler,
Restaurator an allen Stellen des Grabungstagebuches auftaucht und dem
wir heute die lebendigsten Schilderungen und Bilder des Grabungsge-
schehens verdanken (Abb. 2.4).12

Am 12. März öffnet man den Zugang zur Anlage QH 207 und gelangt
in einen kleinen Raum, der entstanden war, als man die Kapelle durch
Zwischenmauern in mehrere Bereiche geteilt hatte (Abb. 2.5). Hier gab es
eine Bestattung – „Begräbnis 1“ – und einen merkwürdigen „Schatztopf“

12
Wentscher 2011.

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Befund 23

Abb. 2.4: Das Bonner Grabungsteam auf der Qubbet el-Hawa 1969. Im Zentrum Elmar
Edel, links Friedrich W. Rösing, rechts Angelika Edel, im Vordergrund zwei nicht identi-
fizierte Mitarbeiter oder Gäste.

(so wurde er in der Dokumentation später einmal bezeichnet). Viel Zeit


blieb nicht die Situation zu dokumentieren; bereits der 13. März sieht
die Arbeiter durch die Mauer und tiefer in die Kapelle vorstoßen; „Rie-
senarbeit“ für die Fundbearbeitung, wie das Tagebuch vermerkt. Auch
am 14. März geht es laut Tagebuch so weiter. Die gesamte, nur 4,5 m x
4,7 m große Kultkammer ist mit Särgen aus der Spätzeit gefüllt; zwölf
Begräbnisse sind es am Ende, die zügig ausgeräumt werden – möglichst
erst, nachdem sie dokumentiert sind, denn das von Termiten zerfressene
Holz zerbröselt, sobald es berührt wird. So geht es bis zum 19. März,
dann sind die Bestattungen geborgen und die Grabungsarbeiter schaffen
eine ca. 1,5 m starke Schicht aus Flugsand und Aushub aus der Kammer.
Sehr zum Missfallen von Friedrich W. Rösing. Denn in dieser Schicht
befinden sich die Knochen von etwa 74 Individuen. Es sind die Reste von
Bestattungen, die bei Beraubungen / Wiederbenutzung der Schächte in

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24 Befund und Begriff

Abb. 2.5: Grundriss von QH 207 mit dem in Raum 1 am Fußende des Sarges eingezeich-
neten „Schatztopf“.

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Befund 25

die Kammer geworfen wurden, oder auch von Menschen, die man lange
vor den zwölf spätzeitlichen Bestattungen in der Kammer beigesetzt
hatte. Diese Skelette, mühsam aus dem Schutt wieder zusammengesucht,
bilden die Grundlage von Rösings grundlegender Arbeit zur Bevölkerung
von Elephantine in pharaonischer Zeit.13 Nachdem die Kammer freige-
räumt ist, werden die Grabungsarbeiter in der Nachbarkammer QH 206
eingesetzt; in QH 207 beginnt die epigraphische Arbeit an Wandbildern
und Scheintüren aus dem Alten Reich. Ab dem 24. März verzeichnet das
Tagebuch Arbeiten in den vier Grabschächten von QH 207, in denen sich
Reste von Bestattungen aus dem Alten Reich finden. Um den 28. März
scheinen auch diese Arbeiten abgeschlossen zu sein; ab nun steht die
benachbarte Grabanlage QH 206 im Mittelpunkt der täglichen Einträge.
Am 9. April wird laut Tagebuch die Wohnung in Assuan verschlossen und
das Team reist ab nach Luxor.

2.2. Schätze

Allerdings hatte man auch in den letzten Tagen noch mit Material aus
QH 207 zu tun, das vermessen, fotografiert und gezeichnet wurde. Ins-
besondere eine Befundgruppe war da besonders interessant, auch wenn
sie nicht aus dem Alten Reich stammte und auch keine Inschriften trug.
Bei der Öffnung der Grabanlage war den Ausgräbern schon am 12.
März laut Tagebuch „1 Topf mit vielen Beigaben“ in die Hände gefallen.
Wie sich herausstellte, waren das aber keine normalen Beigaben. Und es
tauchten noch eine ganze Anzahl solcher ungewöhnlicher Objekte auf.
Leider bedingte das rüstige Voranschreiten der Grabung, dass bei der
Bestimmung der Funde heute einiges unübersichtlich bleibt. Immerhin
konnte Johannes Auenmüller bei der Analyse der Fundumstände wahr-
scheinlich machen, dass wenigstens ein Teil der im Folgenden interessie-

13
Rösing 1990.

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26 Befund und Begriff

renden Objekte genau aus jenem ominösen „Schatztopf“ stammt, der auf
dem Grundriss der Kammer auch eingezeichnet ist (Abb. 2.5).14 Außer-
dem wurden etliche weitere Objekte in der Sandfläche rund um diesen
Platz gefunden.

Was sind nun diese Objekte? Im Grabungstagebuch wird zuerst nur von
„Beigaben“, „Funden“ und „Kleinfunden“ gesprochen; am 31. März, also
im Zuge der Aufarbeitung der Funde, wird dann geschrieben: „Gußform“.
Damit war es heraus: Neben den üblichen Objekten spätzeitlicher und
verstreuter älterer Bestattungen hatte man im genannten Bereich Formen
gefunden, die für den Guss im Wachsausschmelzverfahren entweder vor-
bereitet bzw. bereits ausgegossen waren. Auch wenn diese Bezeichnung
erst recht spät im Tagebuch aktenkundig gemacht ist, hatte man den
Charakter der unansehnlichen, an grauschwarze Tonwürste erinnernden
Stücke wohl bereits früh erkannt. So berichtet Jürgen Wentscher, dass
Elmar Edel unmittelbar nach deren Auffindung von Gussformen gespro-
chen habe. Für einen Philologen wie Edel mag das eine unerwartete
Expertise sein. Allerdings hatte er als junger Student am Ägyptischen
Museum in Berlin für Günther Roeder gearbeitet. Roeder wiederum ist
der Pate der ägyptologischen Bronzegussforschung und hat mit der Pub-
likation der figürlichen Bronzeobjekte aus den Sammlungen Hildesheim
und Berlin Standards gesetzt.15 Auf der Qubbet el-Hawa stieß Elmar Edel
also auf ein Material, mit dem er sich einst bereits beschäftigt hatte (oder
mit einem etwas anderen, aber die Überlegungen der folgenden Kapitel
vorwegnehmendem Zungenschlag: das ihn bereits beschäftigt hatte), und
so schloss sich ein Kreis.
Und offenbar interessierte Edel dieser Befund. Dafür spricht, dass fast
das gesamte Material bei der Fundteilung um 1970 mit nach Bonn in die
dortige Sammlung und damit das heutige Ägyptische Museum der Univer-
sität überführt wurde. In Bonn wurden die Gussformen auf Veranlassung
14 Auenmüller 2016.a.
15
Roeder 1937; Roeder 1956, 5 erwähnt Elmar Edel als studentischen Mitarbeiter.

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Befund 27

Edels geröntgt, es wurden Metallproben bestimmt, weitere Zeichnungen


angefertigt und eine separate Dokumentation angelegt. Allerdings kam
es nicht zur geplanten Publikation. Zusammen mit den anderen archäo-
logischen Befunden der Grabungen wurde auch das Gusskonvolut erst
nach Edels Tod von Karl-Joachim Seyfried und Gerd Vieler 2008 publi-
ziert.16 Dies geschah allerdings etwas versteckt auf neun der über zwei-
tausend Seiten starken, dreibändigen Publikation. So war ich einigerma-
ßen erstaunt, die mir bis dato völlig unbekannten Stücke vorzufinden, als
ich 2011 als Kurator des Museums nach Bonn kam. Hatte ich doch neben
meiner ägyptologischen Beschäftigung viele Jahre als Bronzegießer gear-
beitet. Das Zusammentreffen mit einem früheren Leben war wohl ähnlich
unerwartet, wie damals, als Edel in einem Grab auf Objekte einer Guss-
werkstatt traf. Damit auch dieser Kreis sich schließen möge, wurde eine
neue, erweiterte Erforschung angedacht. 2014/15 konnte dann durch ein
Kooperationsprojekt des Ägyptischen Museums der Universität Bonn mit
dem LVR-LandesMuseum in Bonn der Bestand untersucht werden. Resul-
tat dieses, von der Thyssen-Stiftung geförderten interdisziplinären Pro-
jektes ist die ausführliche Publikation und Interpretation der Objekte.17

Im Einzelnen besteht das Konvolut aus zwei Gruppen von Objekten.18 Die
erste Gruppe, den eigentlichen Kern des Befunds zum antiken Wachsaus-
schmelzverfahren, bilden zwei Negativformen, sieben Objekte aus Wachs
(Abb. 2.6.a–d) und insgesamt neunzehn Gussformen (Abb. 2.7.a–m). Die
beiden Negativformen dienten der Ausformung von einseitig gestalteten
Osirisfiguren in Wachs. Während die Form für eine größere Figur aus
Keramik gefertigt ist, waren bei dem zweiten Objekt drei Patzen eines
Harzgemisches an die Seiten eines Stockes geklebt. Ausformungen die-
ser Negative in Wachs sind drei kleine Wachsplättchen, die das Bild des

16
Edel / Seyfried / Vieler 2008, 1869–1878
17 Fitzenreiter / Willer / Auenmüller 2016.a.
18 Alle verfügbaren Daten zu den Objekten sind in Auenmüller 2016.b zusammengetra-
gen.

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28 Befund und Begriff

Abb. 2.6: Objekte der ersten Gruppe aus dem Fundkonvolut in Raum 1 der Anlage QH
207: Negativformen und Wachsmodelle.
a) Negativform für eine Osiris-Figur (gebrannter Ton; QH 207/35)
b) Modelklotz für drei Miniaturfiguren des Osiris (Holz, Harzmischung; QH 207/37)
c) drei Wachsmodelle für Miniaturfiguren des Osiris (Bienenwachs, Pigment; QH
2017/59)
d) Wachsstange (Bienenwachs, Pigment; QH 207/58)

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Befund 29

Abb. 2.7: Objekte der ersten Gruppe aus dem Fundkonvolut in Raum 1 der Anlage QH
207: Gussformen.
a) Gussform für zwei Osiris-Figuren (ungebrannter Ton, Bronze, Wachs; QH 207/45)
b) Gussform für zwei Miniaturfiguren des Osiris / Reparaturform (gebrannter Ton,
Bronze; QH 207/50)
c) Gussform für fünf Miniaturfiguren des Osiris / Fehlguss (gebrannter Ton, Bronze; QH
207/44)
d) Gussform für drei Miniaturfiguren des Osiris / Fehlguss (gebrannter Ton, Bronze; QH
2017/41)

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30 Befund und Begriff

e) Gussform für vier Osiris-Figuren / Reparaturform (ungebrannter Ton, Bronze, Wachs;


QH 207/39)
f) Gussform für vier Osiris-Figuren / Reparaturform (ungebrannter Ton, Bronze, Wachs;
QH 207/40)
g) Gussform für 34 Miniaturfiguren des Osiris / Fehlguss (gebrannter Ton, Bronze; QH
207/132)
h) Gussform für eine Figur des Harpokrates (gebrannter Ton; QH 207/42)

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Befund 31

i) Gussform für eine Figur der Isis mit dem Horuskind / Fehlguss (gebrannter Ton,
Bronze; QH 207/43)
j) Gussform für eine Figur des Anubis (gebrannter Ton; QH 207/46)
k) Gussform für eine Figur der Anukis / Fehlguss (gebrannter Ton, Bronzetropfen in der
Form; QH 207/48)
l) Gussform für ein Herzamulett (gebrannter Ton; QH 207/47)
m) drei Gussformen für Plättchen (gebrannter Ton; QH 207/56)

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32 Befund und Begriff

Osiris auf ihrer Vorderseite tragen. Neben diesen drei Wachsmodellen für
flache Miniaturfiguren umfasste das Konvolut noch eine etwas größere
Osirisfigur aus Wachs, eine kleine, offenbar mit der Hand geformte wäch-
serne Katzenstatuette, die Wachsstatuette einer sitzenden Gottheit und
schließlich ein Stückchen roh geformtes Wachs.
Die neunzehn Gussformen selbst bestehen aus einem sandigen Tonge-
misch. Einige Formen sind noch nicht gebrannt und enthalten das Wachs-
modell; andere wurden gebrannt und sind nun hohl; weitere wurden
bereits (teilweise) mit Metall gefüllt. Der größte Teil der in den Formen
zum Guss vorgesehenen Figuren stellt den Gott Osiris dar, wobei immer
mehrere Figuren in einer Form angelegt wurden; von zwei recht großen
Stücken in einer Form, über drei, fünf bis hin zu sogar vierunddreißig
Figürchen der flachen Sorte in einer einzigen Gussform. Neben diesen
Formen für Osirisfiguren gibt es Gussformen für jeweils eine Statuette des
Harpokrates, der Isis mit dem Kind, des Anubis und der Anuket. Die übri-
gen Formen dienten dem Guss eines Herzamulettes und von drei kleinen
Plättchen, wohl Teilen von Schmuck.

Die zweite Objektgruppe des Konvolutes (Abb. 2.8.a–p) bilden fünf Frag-
mente von Bronzefiguren, vier Objekten aus Ton, sieben hölzerne Ele-
mente von figürlichen Objekten sowie acht Fragmente von Fayencefi-
gürchen. Bei den Bronzefiguren handelt es sich zum einen um Fehlgüsse
von Osirisfigürchen, die mit den Gussformen in Beziehung stehen und
eventuell auch aus ursprünglich vorhandenen, heute zerstörten Formen
stammen. Dazu kommen Figuren des Nefertem, der Hathor und einer
Katze, die alle drei Gebrauchsspuren und Beschädigungen aufweisen.
Die Tonfiguren stellen zweimal einen Vogel dar, dann einen Osiris
und schließlich eine gnomartige Zwergenfigur. Unter den hölzernen
Stücken finden sich zwei Statuensockel, von denen einer zu der schon
erwähnten bronzenen Hathorfigur gehört. Weiterhin gibt es Kronenteile
und zwei Götterbärte aus Holz, die wohl alle Teile von ehemals zusam-
mengesetzten Götterfiguren aus Holz oder Metall waren. Die Fayencen

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Befund 33

Abb. 2.8: Objekte der zweiten Gruppe aus dem Fundkonvolut in Raum 1 der Anlage QH
207: Beschädigte Sakralgegenstände aus unterschiedlichem Material.
a) Fehlguss einer Miniaturfigur des Osiris (Bronze; QH 207/o.Nr.)
b) Fehlguss einer Miniaturfigur des Osiris (Bronze; QH 207/60)
c) beschädigte Figur des Nefertem (Bronze; QH 207/18)
d) beschädigte Figur der Hathor mit dazugehörigem Sockel (Bronze, Holz; QH 207/19
+ 34)

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34 Befund und Begriff

e) Figur eines Vogels (Ibis oder Reiher) (ungebrannter Ton; QH 207/30)


f) Figur eines Vogels (Ibis oder Reiher) (ungebrannter Ton; QH 207/49)
g) Osiris-Figur (ungebrannter Ton; QH 207/31)
h) Figur eines Zwerges (?) (ungebrannter Ton; QH 207/24)

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Befund 35

i) Reste eines Statuettensockels (Holz ; QH 207/62)


j) Teil einer Kompositkrone: Uräenkranz (Holz; QH 207/36)
k) Teil einer Kompositkrone: Kuhgehörn mit Sonnenscheibe (Holz; QH 207/33)
l) Bart von einer Götterfigur (Holz; QH 207/57)

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36 Befund und Begriff

m) beschädigte Götterfiguren: Isis mit dem Horuskind und Zwerg (Fayence; QH 207/17
+ 16 + 23)
n) Fragment einer weiblichen Figur (Fayence; QH 207/27)
o) Fragment einer Figur (Schwanzfedern?) (Fayence; QH 207/61)
p) Figur der Isis mit dem Horuskind (Steatit, Wachs; QH 207/14)

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Befund 37

stellen drei Mal eine Isis mit Kind dar, einmal dieses Kind – den Harpo-
krates – allein. Außerdem gab es wieder eine Zwergenfigur, eine weibli-
che Figur, eine Miniaturstele und ein kaum definierbares Fragment. Wie
die Stücke aus Metall und Holz auch, sind alle Fayenceobjekte mehr oder
weniger beschädigt. Eine Besonderheit stellt schließlich die kleine Stea-
titfigur einer sitzenden Isis mit Kind dar, deren abgebrochener Oberkör-
per mit Wachs ergänzt worden war.

2.3. Rätsel

Dieser Fund war so unerwartet, wie er unerwartbar war. Zum einen


handelt es sich um Objekte, die man üblicherweise nicht in einem Grab
findet. Zwar können den Verstorbenen Götterbilder aus verschiedenen
Materialien beigegeben werden, doch handelt es sich dabei gewöhnlich
um ein anderes Spektrum an Darstellungen, um andere Formate und
Sujets, und schließlich sind Beigaben – wenn sie, wie hier, aus einem
ungestörten Kontext stammen – nicht unfertig und selten derart abge-
nutzt oder beschädigt. Vor allem aber ist die Gruppe der Negativformen,
Wachsmodelle und Gussformen absolut einzigartig in einem Grabzusam-
menhang. Viel eher würde man sie in einem urbanen Kontext vermuten,
im Bereich einer Werkstatt oder den gewerblich genutzten Bereichen
eines Wohngebäudes.
Noch viel ungewöhnlicher ist aber, dass zwei Objektgattungen –
Wachsmodelle und Gussformen – überhaupt erhalten sind. Als Teil der
chaîne opératoire, der Produktionskette im Wachsausschmelzverfahren,
sind genau sie jene Zwischenstufen, deren Schicksal es ist, zerstört zu
werden. Cire perdu, lost wax und Guss in der verlorenen Form; alle diese
Bezeichnungen für die bemerkenswerte Technik des Gussverfahrens
machen eines klar: den Verlust dieser Zwischenstufen. Wachs vergeht,
wird verflüssigt und verbrannt, um einen Hohlraum für die Bronze zu
schaffen. Die Form wird zerschlagen, um diese Bronze nach dem Erkalten

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38 Befund und Begriff

freizulegen. Wird ein Bronzeguss im Wachsausschmelzverfahren durch-


geführt, dann bleiben diese zwei Zwischenstufen nicht erhalten. Und so
dokumentiert es üblicher Weise auch der archäologische Befund: Von
Gussformen findet man an Werkplätzen im günstigen Fall noch Scherben;
vom Wachs gar nichts mehr.
Womit die Frage im Raum steht, warum und wie diese Stücke auf die
Qubbet el-Hawa und dort in eine Grabanlage geraten sind. Diese Frage
hatte sich der Erstbearbeiter auch gestellt, doch musste Karl-Joachim
Seyfried resignierend festhalten:

„Da sich kein Wort zu deren (der Gussformen, M.F.) Fundumständen in


den Unterlagen fand und der Befund nie Gegenstand von Gesprächen
(Elmar Edels, M.F.) mit den Herausgebern war, ist der Spekulation
vom ,berufsbekleidendenʻ Inventar eines/einer Tempelbediensteten
bis zum Depot oder Hort eines auf der Qubbet arbeitenden(?) Indivi-
duums leider Tür und Tor geöffnet.“19

Auch wenn Seyfried pessimistisch bleibt, so hat er drei Deutungsan-


sätze doch prägnant zusammengefasst. Deren erster ist natürlich die
Interpretation als Beigabe, die einem Toten im Rahmen der Bestattung
mitgegeben wurde. Allerdings sind derartige Objekte im Kontext von
Ausstattungsgegenstände aus Gräbern pharaonischer Zeit bisher kein
zweites Mal belegt. Man kannte zwar den Brauch, Personen Gegen-
stände für ein Leben im Jenseits mitzugeben: Lebensmittel, Kleidung,
Schmuck, auch Gerät und Waffen. Wenigstens einige solcher Gegen-
stände standen mit dem irdischen Status des Toten in Beziehung und
kennzeichnete ihn z. B. als Mann oder Frau, als Priester oder gar Pharao
und ganz selten auch als mit praktischen Aufgaben betraute Person,
etwa, wenn dem Aufseher der Handwerker an den Königsgräbern Cha
eine „Prunk-Elle“ als Abzeichen seiner Plan- und Kontrollfunktion in

19
Edel / Seyfried / Vieler 2008, 1869.

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Befund 39

das Grab gegeben wurde.20 Sogar der etwas abgenutzte Eindruck, den
die Objekte des Konvolutes hinterlassen, ließe sich mit Belegen verglei-
chen, in denen gebrauchtes Inventar als Grabbeigabe diente. Doch eine
Sammlung der besten Fehlgüsse einem Handwerker mitzugeben – das
wäre allerdings einmalig. Wobei sich gar kein Handwerker in QH 207
identifizieren lässt. Begräbnis 1, in dessen unmittelbarer Umgebung die
Objekte lagen, galt einer „Sistrumspielerin der Satet“. Und auch sonst
tragen alle identifizierbaren Toten der zwölf Bestattungen in der Fels-
kammer Kulttitel der Tempel auf Elephantine. Nun sagen Kulttitel nicht
zwingend viel über die „bürgerlichen Berufe“ der Betroffenen aus, denn
eine Funktion am örtlichen Tempel wahrzunehmen, gehörte zum sozia-
len Selbstbild der pharaonischen Gesellschaft. Doch nichts in Titulatur
oder Filiation der Toten deutet darauf hin, dass sie mit dem Kunsthand-
werk in irgendeiner Beziehung gestanden hätten, ob als Ausführende
oder in „verwaltender“ Position. Noch viel unwahrscheinlicher macht
die Interpretation als Grabbeigabe aber, dass im 1. Jahrtausend v. u. Z.
Grabbeigaben, die einen individuellen Status als Handwerker, Schreiber
oder Priester beschreiben, völlig aus dem Gebrauch gekommen sind.
Üblich sind – und wie bei allen anderen Bestattungen in QH 207 auch
reichlich vorhanden – Objekte, die den Toten im überindividuellen Sta-
tus eines „Osiris“ definieren: Mumienkartonage, Sarg, Uschebtis, Ptah-
Sokar-Osiris-Figuren (Abb. 2.9).21
Vielversprechender ist somit der Ansatz, in dem Konvolut den Hort
einer kleinen Gusswerkstatt zu sehen, die den seinerzeit noch offenen
Zugang zu QH 207 als Abstellkammer genutzt hat. Der Hof der Anlage
oder auch die nähere Umgebung könnten sich als Platz einer solchen
Werkstatt angeboten haben. Bei der Neubelegung der Kapelle hätte man
diesen Hort zurückgelassen und mit der letzten Bestattung vermauert.

20
Russo 2012; Nishimoto 2017.
21 Zu den üblichen Inventaren von Bestattungen im 1. Jahrtausend v. u. Z. in Ägypten:
Aston 2003; Aston 2009; Budka 2010. Zur Frage, in welcher Form die Assoziation
von Verstorbenem und Osiris zu verstehen ist ausführlich: Smith 2017.

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40 Befund und Begriff

Abb. 2.9: Typisches Grabinventar einer gehobenen Bestattung im 1. Jahrtausend v. u. Z.

Dieser Ansatz wurde auch vom Bonner Projekt zunächst favorisiert. Doch
konnten im Befundmaterial der Grabung keinerlei Hinweise auf eine sol-
che Werkstatt gefunden werden. Üblicherweise hinterlassen auch die recht
kleinformatigen altägyptischen Schmelzanlagen einige charakteristische
Spuren, wie sie z. B. an Fundplätzen in Qantir und in Qurna dokumentiert
wurden.22 Neben Feuerstellen und Ziegelsetzungen für die Herdöfen zäh-

22
Scheel 1988; Pusch 1990; Pusch 1994.

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Befund 41

len dazu vor allem Fragmente von Tiegeln und den tönernen Köpfen von
Blasrohren, mit denen man das Schmelzfeuer auf Temperatur brachte.
Auch wären Bruchstücke von zerschlagenen Gussformen zu erwarten, im
günstigen Fall noch Schlacken und Metallperlen. Doch nichts dergleichen
hat sich angefunden. Gegen die Interpretation als Abstellkammer spricht
auch, dass das Konvolut zwar Gussformen enthält, aber keinerlei Werk-
zeuge, Rohstoffe und sonstige Gerätschaften. Hingegen fand man weitere
Figürchen aus Ton, Holz und Fayence, die nur schwer mit dem engeren
Gießereibetrieb in Bezug zu setzen sind.
So bleibt als dritte Möglichkeit die, in dem Konvolut eine Depot zu
sehen, also die gezielte Ablage bzw. Verwahrung dieser Stücke an einem
speziellen Ort. Die Deponierung von Gegenständen an „heiligen“ Orten,
in sogenannten cachettes, ist aus pharaonischer Zeit durchaus belegt. Aus-
gedientes Tempelmaterial – Statuen, Schreine, Zeremonialgegenstände –
hat man häufig innerhalb von Tempelmauern vergraben.23 So wurde die
innewohnende Macht der Gegenstände gebändigt und blieb doch weiter
an den Platz gebunden. Götterstatuetten wurden zudem zusammen mit
Tiermumien in unterirdischen Katakomben abgelegt; ein Brauch, der vor
allem in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausend v. u. Z. üblich wird.24 Nur
sehr selten sind solche Depots aber bisher im Bereich von Friedhöfen
von Menschen gefunden worden. Und während Depots in Tempeln oder
an anderen Sakralplätzen durchaus beschädigte Objekte oder auch grob-
oder ungeformte Ton- und Steinobjekte enthalten können – also das, was
die zweite Gruppe des Konvoluts ausmacht –, so enthalten sie doch keine
Halbzeuge oder Zwischenstadien. Doch sind gerade diese Objekte die
eigentliche Besonderheit des Konvolutes.
Zu bedenken wäre, dass es sich nicht um ein „heiliges“ Depot han-
delt, sondern um ein Versteck – eine cachette – im eigentlichen Sinne: die
23 Beispiele solcher Depots von ausgemustertem Tempelinventar aus Saqqara: Insley
Green 1987; Davies 2007 und zur berühmten cachette von Karnak und ähnlichen
Befunden für ausgesonderte Statuen: Coulon 2016; Lohwasser 2018; Charloux / Thiers
2019.
24
Kessler 2008.

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42 Befund und Begriff

Ablage von Diebesgut oder von Materialien, die man schützen wollte,
um sie beizeiten wieder in Umlauf zu bringen.25 Doch auch dafür ist der
Inhalt höchst ungewöhnlich: Bröselige Keramik, Wachs und Holzsplit-
ter waren auch seinerzeit kaum besonders nachgefragte Materialien; die
Metallmenge im Konvolut bleibt zumindest überschaubar. Dass jemand
hier etwas beiseite gebracht hat, dessen Wert auch in einem gewissen
Äquivalent real werden konnte, bleibt daher ebenfalls unwahrscheinlich.
Denkbar wäre noch, hier die Ablage genau jener Materialien zu vermu-
ten, die mögliche Diebe nicht mehr gebrauchen konnten, also genau alles,
was wertlos war. In diesem Fall würde man aber einen weniger sorgsa-
men Umgang erwarten. Insbesondere die noch nicht gebrannten „Repa-
raturformen“ (dazu noch unten) hätten eine echte Wegwerfaktion kaum
in so gutem Zustand überstanden.26

2.4. Archäologie

Es bleiben also etliche Fragezeichen rund um das bemerkenswerte Konvo-


lut. Immerhin können aber einige Fragen mit den Techniken der Archäo-
logie beantwortet werden. So sind der Zeitraum und die Umstände der
Deponierung gut einzugrenzen. Die Grabanlage QH 207 gehört zusam-
men mit der Nachbaranlage QH 206 zu einem kleineren Grabkomplex,
der bereits am Ende des Alten Reiches auf der Qubbet el-Hawa angelegt
wurde.27 Wie die Ausgrabungsbefunde zeigen, besteht dieser Komplex
aus dem späten 3. Jahrtausend v. u. Z. aus einem auf einer Felsterrasse
angelegten Hof, zu dem ein (bisher noch nicht freigelegter) Zugang vom

25
Zu solchen möglicherweise als verstecktes Diebesgut oder der sicheren Verwahrung
dienenden Depots aus dem pharaonischen Ägypten: Gestoso Singer 2015, 91–102.
26 Vergleiche die als eine solche Resterampe gedeuteten Gurob Burnt Groups: Gasperini
2018. Während in den Burnt Groups die Objekte intentional beschädigt sind, sind
die sehr fragilen Gussformen im Konvolut von der Qubbet el-Hawa bemerkenswert
sorgsam behandelt worden.
27
Siehe die Befundbeschreibung in Edel / Seyfried / Vieler 2008, 1817–2007.

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Befund 43

Fuß des Berges führte. An der Rückwand des Hofes hatte man zwei Fels-
kapellen errichtet. Im Hof und in den Kapellen befinden sich Schächte,
die der Bestattung einer gehobenen sozialen Schicht dienten. In der Kult-
kammer von QH 207 sind Kultstellen für ein „Großes Oberhaupt des
Königs“ Sobek-hotep und einen „Höfling“ Iï-schema vorhanden; weitere
hier bestattete Personen werden zu deren Umfeld gehört haben.
Diese erste Nutzungsphase der Anlage fällt in den Übergang vom
Alten zum Mittleren Reich und eine spezifische Beigabe dieser Zeit sind
die schon erwähnten beschrifteten Töpfe, denen Edel seine Forschung
widmete und die ihm ein Denkmal gesetzt haben (auch zu dieser Art der
Verbindung von Menschen und Dingen noch später). Verschiedene Aus-
stattungsstücke belegen, dass noch im 2. Jahrtausend hier Bestattungen
vorgenommen und funeräre Riten abgehalten wurden. Dabei spielten die
ebenfalls schon erwähnten Schalen eine Rolle, von denen einige bemalt
sind, andere als sogenannte „Adonisgärtchen“ genutzt wurden. Man hatte
Nilschlamm mit Getreidesamen vermischt und in diesen Schalen keimen
lassen – wohl eine um das Wiedererstehen des Lebens kreisende Zeremo-
nie, die mit Objekten weitergeführt wird, die man heute als „Kornosiris“
bezeichnet (auch dazu noch später).
In der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausend endete diese erste Nutzungs-
phase. Für mehrere Jahrhunderte wurden hier keine Menschen mehr
bestattet, irgendwann wurden die Schächte beraubt, Skelette in der Kult-
kammer verstreut, Flugsand bedeckte den Hof und drang in die Kapelle.
Schließlich gab es in der Mitte des 1. Jahrtausends v. u. Z. eine Bele-
gungsphase, in der die erwähnten zwölf Bestattungen in der Felskammer
in einem relativ begrenzten Zeitraum angelegt wurden; etwa zeitgleich
mit ebensolchen Grablegungen in der benachbarten Kammer QH 206.
Charakteristisch für diese Belegungsphase ist, dass man die Begräbnisse
nicht in den alten Grabschächten, sondern auf der Sandeinwehung in
der ehemaligen Kultkammer vornahm. Im Zuge der Bestattung wurden
zwischen den Pfeilern der Kammer, aber auf der Sandschicht aufsitzend,
Mauern hochgezogen, um die einzelne Bestattungsgruppen voneinander

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44 Befund und Begriff

zu trennen. Die letzten dieser Mauern schufen ganz am Eingang einen


kleinen Raum für das „Begräbnis 1“, das auch das jüngste in der Anlage
war. Nach dieser Bestattung wurde der Zugang geschlossen und erst am
12. März 1969 von den Grabungsarbeitern wieder geöffnet. Johannes
Auenmüller konnte anhand von Charakteristika der Grabausstattung
diese zweite Bestattungsphase in den Zeitraum 550 bis 400 v. u. Z. datie-
ren, also den Übergang von der 26. Dynastie zur ersten Perserzeit.28 Die
gefundene Keramik ist gut in diese Phase zu setzen und einige C14-Daten
von organischen Materialien aus dem Konvolut selbst untermauern die
Datierung. Auch der „Schatztopf“ datiert keramologisch in dieses Zeit-
fenster. Man darf also annehmen, dass Bestattung und Ablage des Depots
in zeitlicher Nähe stattfanden, ohne das zwingend eine Beziehung der
Deponierung zum Vorgang der Bestattung besteht.

Was immer zur Deponierung des Konvolutes in QH 207 führte; die


Objekte des Konvolutes selbst sind auch ganz unabhängig davon von
allerhöchstem archäologischen Interesse. Sind es doch ohne Übertrei-
bung einmalige Belege für die Technik des Wachsausschmelzverfahrens
in der Antike. Waren bisher vor allem Endprodukte des Metallgusses in
erheblicher Zahl erhalten, so sind hier die erwähnten vergänglichen Zwi-
schenschritte zum ersten Mal in dieser Fülle und Detailliertheit doku-
mentiert. Mittels Analyse mit dem μCT, die von Dietmar Meinel von der
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und Frank
Willer vom LVR-LandesMuseum Bonn durchgeführt wurden, konnten
völlig neue Erkenntnisse über den Formenaufbau gewonnen werden.29
Die Metallbeprobung durch Roland Schwab am Curt-Engelhorn-Zentrum
Archäometrie gGmbH Mannheim klärte die Metallzusammensetzung und
konnte die Herkunft des der Legierung zugesetzten Bleis aus der Ägäis
wahrscheinlich machen.30 Die Untersuchung der organischen Materia-

28 Auenmüller 2016.a, 52.


29 Meinel / Willer 2016.
30
Schwab / Willer 2016.

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Befund 45

lien am Doerner-Institut (München) unter der Leitung von Ursula Bau-


mer klärte die Zusammensetzung des Wachses und die der eigenartigen
Masse, die zur Herstellung von Negativen für Miniaturfiguren genutzt
wurde.31 Ursula Tegtmeier vom Labor für Archäobotanik der Universität
Köln bestimmte die Holzart (Sykomore)32 und die Keramikanalyse durch
Gerwulf Schneider (FU Berlin) klärte die Zusammensetzung des Formen-
materials.33 Gerade in diesen bemerkenswerten Informationen liegt das
Neue, das die Objekte des Konvolutes aus QH 207 uns über die Antike
berichten.
Bemerkenswert ist aber auch, dass keine dieser neuen Facetten
eigentlich viel mit dem Befund zu tun hat, also dem eigenartigen Fund-
kontext. Es ist, als ob dieses Konvolut in zwei ganz verschiedenen Welten
spielt, als ob die Aufschlüsse, die es über die Technologie des Wachsaus-
schmelzverfahrens gibt, so gar nichts mit den Bedingungen zu tun haben,
die zu seinem Erhalt führten. Insbesondere die zwei erwähnten Besonder-
heiten bleiben: Warum hier? Und: warum überhaupt? Warum hat man die
Objekte in einer Grabanlage abgelegt – wo sie nicht hingehören? Warum
wurden Zwischenstufen verwahrt – die nicht erhalten bleiben sollten?
Und da wir bei den Fragen nach dem Warum sind: Warum werden sol-
che Reste heute musealisiert, auf Sockel gestellt, von Forschern bestaunt,
ohne sie in materieller – als Gussobjekte – oder ideeller Hinsicht – als
Götterbilder – zum eigentlichen Zweck zu gebrauchen? Fragen, die das
Paradoxon der Archäologie beleuchten.

31 Baumer / Dietemann 2016.


32 Tegtmeier 2016.
33
Schneider 2016.

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46 Befund und Begriff

3. Begriff

Der Zustand der auf der Qubbet el-Hawa gefundenen Objekte irritiert,
weil wir uns schwer erklären können, warum Gussformen nicht zerschla-
gen und Werkstattüberreste in einer Grabanlage verwahrt wurden. Der
Zustand der Objekte fasziniert, weil er so viel über Techniken und Ver-
fahren der Metallverarbeitung erzählen kann. Womöglich hängt beides
an den Menschen, die involviert waren und sind. Um in diesem Dreieck
zu navigieren, mag etwas Begriffsklärung hilfreich sein.

3.1. Vorgang

Das Objekt und sein konkreter Zustand stehen traditionell im Zentrum


archäologischer Forschung. Werden die Begriffe Technik und Technologie
aufgerufen, dann geht es meist darum, Techniken der Materialbe- und -ver-
arbeitung zu erfassen und auf diese Weise zu beschreiben, wie bestimmte
Materialien in ihren spezifischen Zustand als Objekt geraten sind, z. B.,
ob als mit der Hand aufgebaute oder auf der Töpferscheibe „gedrehte“
Keramik, ob diese nur getrocknet oder gebrannt ist, vor oder nach dem
Brand bemalt, glasiert usw. Forschungen zu Techniken untersuchen also
in erster Linie das Material der Objekte; wie diese sich konstituiert und
damit den Objekten ihre spezifische Erscheinung gibt. Ist das Objekt in
dieser Weise bestimmt, kann es über die Merkmale seiner Erscheinung
mit anderen verglichen werden. Es bildet einen Typ und über dessen
Beziehung zu anderen Objekten eine Typologie: von Material, von Form
und auch von Herstellungstechniken sowie schließlich eine Typologie der
zeitlichen Bezüge, was wir als (relative) Chronologie bezeichnen.1 Dieser
Methodik folgte der im vorangegangenen Kapitel beschriebene archäolo-

1
Adams 1986/87; Adams / Adams 1991.

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Begriff 47

gische Zugriff auf den Befund des Qubbet el-Hawa-Konvoluts: Es wurden


die Objekte in ihrer Typenhaftigkeit in Form und Material bestimmt und
als solche in die Chrono-Typologie der pharaonischen kulturellen Matrix
eingepasst. Heraus kamen eine Ordnung der Objekte (Gussformen, Kera-
miken etc.) und eine relativ genaue Datierung (um 470 v. u. Z.).

Solche im Zuge der Materialbewältigung erfassten Charakteristika lie-


gen auch dem archäologischen Kulturbegriff zugrunde. Dieser Kulturbe-
griff2 sieht sich seit den bahnbrechenden Arbeiten von Christian Jürgen-
sen Thomsen ganz besonders der materiellen Erscheinung des Objektes
verpflichtet, die er typo-chronologisch zu ordnen bestrebt ist: in Stein,
Bronze und Eisen und die dazugehörigen (relativen) Epochen oder „-zei-
ten“. Diese Kultur-Typologie ist die Basis einer Archäologie, wie sie sich
seit dem 18. Jahrhundert als exakte, auf objektive und endgültige Ergeb-
nisse zielende Wissenschaft von den verschiedenen Spielarten des meist
schwärmerischen und bewusst subjektiven Antiquarentums emanzipiert
hat (oder emanzipiert zu haben meint).3 Mit den harten Fakten der Typo-
logie – wozu insbesondere auch die Stilforschung zählt – konnte seit
Johann Joachim Winkelmann das antiquarische Sammelsurium in eine
veri- und falsifizierbare Ordnung gebracht werden.4
Wenn Form und Stil dem Objekt eine Erscheinung geben, so verleiht
ihm das Material ein besonderes Wesen. In der Antike standen golden,
silbern und ehern metaphorisch als Charakteristika ihrer Zeitalter; Gebilde

2
Trigger 1989, 148–206; Eggert 2013.
3 Wie vielgestaltig und widersprüchlich diese Emanzipation verlief ist ein weites Feld
und soll hier nicht weiter behandelt werden. Die immer noch wirksame Meisterer-
zählung von der „Verwissenschaftlichung“ der Archäologie geht wie natürlich von
einer zunehmenden Objektivierung der Forschung aus (z. B. Trigger 1989). Ob dies
so ist, wäre zu diskutieren. Da es stets die Praxis ist, die den Unterschied macht, sind
es wohl eher die Paradigmen und innerhalb dieser die Fragestellungen, die eine Linie
zwischen Antiquar und Archäologin ziehen lassen. Um die Unterschiede in der Art
der Fragestellung etwas plakativ zu formulieren: Der Archäologe ist vor allem an der
Vergangenheit antiker Gegenstände interessiert, die Antiquarin an ihrer Gegenwart.
Vgl. hierzu: Assmann 1999, 15–18.
4
Lang 2002, 168–214.

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48 Befund und Begriff

wie die Stein-, Bronze- und Eisenzeiten der Archäologie sind ihnen darin
aber nicht unähnlich (wobei die Ägyptologie eine besondere Affinität
zum Steine pflegt).5 Denn im Material eines Objektes ruht das von der
Aura des Materials bestimmte Wesen einer Sache (in anderer Nomenkla-
tur: der Wert; dazu noch später). Das Material fixiert – wie auch die Form
– zudem das Objekt in Raum und Zeit. Seit die naturwissenschaftliche
Materialforschung an Fahrt gewonnen hat, tut es das sogar noch besser als
die Form: Ein Fälscher mag Form und Stil typologisch imitieren können,
aber seine Materialien verraten ihn gewöhnlich. Herkunftsbestimmungen
und Alterungsanalysen auf chemisch-physikalischem Wege, 14C-Daten
und was immer Einblick in Aufbau und Zusammensetzung eines Objektes
gibt – hier erfindet sich die Archäologie endgültig als Naturwissenschaft.
Typentafel und Verbreitungskarte einerseits, die Tabellen der Material-
zusammensetzung andererseits: das sind die Monumente dieses methodi-
schen Herangehens und auch des ihm zugrundeliegenden theoretischen
Unterbaus, so indifferent dieser auch immer sei.6
Nehmen seitdem Arbeiten zum Zustand von Objekten eine zentrale
Position im archäologischen Schrifttum und damit dem Feld der archäo-
logischen Kommunikation ein, so finden, mitunter zögernd, seit einiger
Zeit auch die im Objekt geborgenen Vorgänge ein größeres Interesse.
Angeregt von den Wellen „theoretischer Archäologie“ werden Objekte
und ihr Zustand unter einem neuen Blickwinkel gesehen: als Produkte
und Spiegel von Prozessen, in die sie involviert waren (und sind).7 Dieses

5
Siehe Buchtitel wie „Staat aus dem Stein“ (Evers 1929) und „Stein und Zeit“ (Ass-
mann 1991).
6
Zur Problematik, dass diese scheinbar objektivierte Methodik des archäologischen
Arbeitens implizit aber oft unreflektiert von (theoretischen) Annahmen gesteu-
ert wird u. a.: Eggert / Veit 1998; Heinz / Eggert / Veit 2003; Fitzenreiter 2006;
Eggert / Veit 2013.
7
Informativ für die Geschichte dieses Paradigmenwechsels ist der anglophone Metho-
denstreit der 80/90er Jahre des 20. Jahrhunderts von processual und postprocessual
archaeology (Eggert / Veit 1998). Wenn hier von Vorgängen und Archäologie die Rede
ist, ist keineswegs eine der beiden Schulen und ihr Begriff von Prozess gemeint, son-
dern genau das, worum es beiden geht – von der Typologie zu einer Analyse der den
Typ konstituierenden Vorgänge zu kommen.

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Begriff 49

Interesse ist auch als eine Reaktion auf jenes Paradigma zu verstehen,
das die typologisierende Archäologie prägt; also auf die Prämisse, dass
das Objekt ein in Raum und Zeit konkreter und beschränkter Gegenstand
sei. Jenes für die Archäologie des Typs grundlegende Paradigma stellte
die „ursprüngliche“ Datierung und Nutzung ins Zentrum der Forschung;
alles andere sind quasi nur sekundäre Deponierungsvorgänge, die den
reinen Ursprungszustand verunklären.8 Diese Sichtweise hat sich grund-
legend verändert, seit man Archäologie nicht mehr (nur) als taxonomi-
sche, klassifikatorische Wissenschaft auffasst, nicht allein auf (Zu-)Ord-
nung / Datierung fokussiert, sondern als eine Archäologie der Vorgänge
betreibt. Archäologische Objekte werden nicht mehr (nur) als in Raum
und Zeit fixierte Spuren menschlicher Aktivitäten definiert, sondern als
Entitäten, die selbst viele verschiedene Stadien durchgemacht haben,
verändert wurden und sich verändert haben.9 Funde und Befunde wer-
den durchaus als Organismen mit eigener Geschichte angesehen, was
sich im Begriff der biography of objects niederschlägt. Allerdings ist auch
dies eine Geschichte des Fundes als Objekt: als passiv erleidende Enti-
tät. Jede Etappe der sogenannten Objektbiographie wird weiterhin als
ein Deponierungsvorgang interpretiert, der dem Objekt gewissermaßen
„zustößt“.10 Dabei von Biographie zu sprechen, kann auch als eine unzu-
lässige „Vermenschlichung“ der Objekte kritisiert werden: βíος bedeutet
„(menschliches) Leben“ und dieses ist durch zumindest aktives Reagieren
und im weiteren Sinne einen (mehr oder weniger) autonomen Willen

8
Dieses Paradigma hat sich lange Jahre in der Rekonstruktion und Restaurierung
angenommener Ur- oder Originalzustände niedergeschlagen, die sich am Ende doch
immer nur als die Erstellung eines dem Zeitgeschmack adäquaten Neuzustandes ent-
puppen. Die momentan schicke Konservierung von Verfallszuständen ist davon nur
eine Spielart. Vgl.: von Stülpnagel 2014.
9
Seitdem widmet sich eine recht umfangreiche Literatur speziell der Erforschung der
vielen Dimensionen von Gegenständen, von der Beschaffenheit über Herstellung,
Nutzung bis zur Symbolfunktion, z. B.: Caple 2006.
10
Siehe etwa: Lohwasser 2004.

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50 Befund und Begriff

gekennzeichnet; Eigenschaften, die Objekten nicht zukommen, so dass


besser von einer Nutzungsgeschichte statt Biographie zu sprechen sei.11
Wie auch immer: Im Zuge der Fokussierung auf Objekte und ihre
wechselhafte Geschichte bekommen die stofflichen Eigenschaften der
Funde und Befunde eine neue Bedeutung. Diese besondere Aufmerksam-
keit für das Materielle speist sich aus der Erkenntnis, dass Nutzungsge-
schichten nicht unwillkürlich sind. Die Beschaffenheit der Objekte hat
einen nicht unwesentlichen Einfluss darauf, wie sich ein Lebens- oder
Nutzungslauf gestaltet; z. B., indem ein bestimmtes Material nicht ver-
gehen „will“ und so Nachnutzungen, Neunutzungen, Umnutzung etc.
„provoziert“. Andere Materialien oder Zustände hingehen vergehen so
rasch, dass sich die Objekte jeder Beobachtung entziehen; bestimmte
Materialien „täuschen“ besondere Bedeutung vor, andere reduzieren die
Aufmerksamkeit, die ihnen zukommen müsste. All dies sind Eigenschaf-
ten und Wirkungen, die gern mit der griffigen Wendung vom „Eigensinn
der Dinge“ bezeichnet werden,12 wahlweise auch mit der „Tücke des
Objekts“. Dieses provokante „Da-Sein“ von Objekten hängt unmittelbar
mit ihrer stofflichen Zusammensetzung – also dem Material – zusammen,
und ist doch ein Phänomen, das „mehr“ ist, als die Summe der chemi-
schen Grundbaustoffe, aus denen ein Objekt sich konstituiert und auch
mehr als die schlichte Form. Denn auch der Ort, an dem das Objekt sich
befindet, der Zeitpunkt, zu dem es sichtbar ist, und weitere, oft genug
unerwartete Parameter – z. B. Forscher- oder Finderglück – haben Ein-
fluss auf Eigensinn und Tücke. Zuletzt gibt es Eigenschaften eines Objek-
tes, die ihm gar nicht eigen sind, wie das „Gegenüber“ eines Befundes,
seine Position in der Landschaft und die Umgebung aus anderen Dingen
ganz allgemein. Das so konstituierte Konglomerat an spezifischen, aber
nicht zwingend nur dem Objekt selbst eingeschriebenen Eigenschaften,
die die konkrete Erscheinungsform des Dinges konstituieren, wird neuer-

11 So etwa die Kritik in: Hahn 2005; Samida / Eggert 2013.a; Boschung / Kreuz / Kienlin
2015.
12
Hahn 2015.a.

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Begriff 51

dings als Materialität erfasst und beschrieben.13 Etwas salopp formuliert


kann man unter Materialität all jene mit dem Objekt verbundenen Fakto-
ren verstehen, die erklären, warum einem genau dieses bestimmte Objekt
im Wege liegt.
Diese oft komplexe und gegebenenfalls störrische Materialität hat
wesentlichen Einfluss auf die Lebensgeschichte von Objekten – was kann
überhaupt bleiben? – als auch auf die Nutzungsgeschichte – was kann wie
und zudem mehr als einmal benutzt werden? Ganz allgemein gespro-
chen: Materialität definiert die Potenzen einer Biographie oder Nutzungs-
geschichte. Wohlgemerkt: die Potenzen; nicht die Nutzung selbst. Jedoch
kann über die Erfassung der Materialität auch jene ganz besondere Eigen-
schaft von Dingen / Objekten präzisiert werden, die als das Phänomen
der Präsenz bezeichnet sei; eine Präsenz, die sich unmittelbar aus den in
der Materialität angelegten Potenzen ergibt und diese in jene Wirkungen
kanalisiert, aus denen die tatsächliche Nutzungs- oder Lebensgeschichte
sich konstituiert.14 Ein Topf z. B. ist mehr als ein gebranntes Tongemisch
in einer bestimmten Form und gewinnt einen nicht unwesentlichen Teil
seiner Materialität erst aus individuellen Charakteristika; etwa, was in ihn
gefüllt ist, wo er aufbewahrt war oder wohin er verhandelt wurde. Seine
konkrete Wirkung gewinnt der Topf dann aber letztlich in einer bestimm-
ten Nutzung: als ein Vorratsgefäß, als eine Graburne oder als ein Schöpf-

13 Kalthoff / Cress / Röhl 2016. Wie in der neueren Begriffs- und Methodendiskussion
oft, sind Unsicherheiten in der Begriffsnutzung die Regel; siehe die differierende
Diskussion des Begriffs Materialität in der Ägyptologie: Rummel 2016; Verhoeven
2016 sowie mehrere Beiträge in: Nyord / Kjølby 2009 und Maynart / Velloza / Lemos
2018; jeweils mit Verweisen auf die Literatur (Christoffer Tilley, Ian Hodder, Alfred
Gell, Karin Barad etc.). Wesentliche Aspekte des Spannungsfeldes von Objektbiogra-
phie, Materialität und agency werden in der Ägyptologie bereits von Meskell 2004
behandelt. Hilfreich ist der Begriff der Materialität besonders auch dann, wenn es um
das eigensinnige Da-Sein von Phänomenen geht, die gar nicht materiell sind: Klänge
(Schulze 2016), Stimmen (Schützeichel 2016), Erinnerungen (Buchenhorst 2016),
Licht (Brown 2016); von Göttern wird unten noch zu lesen sein.
14
Der Begriff greift auf Überlegungen zur Präsenz von (immateriellen) Texten in (mate-
riellen) Schriften zurück, wie sie der SFB 933 an der Universität Heidelberg entwi-
ckelt hat; siehe insbesondere die Diskussion zentraler Begriffe in: Meier / Ott / Sauer
2015; Hilgert 2016.

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52 Befund und Begriff

gefäß. Die Ansprache als Vorratsgefäß, Urne oder Schöpfer impliziert


einen Moment, in dem jeweils Material, Form, Ort (= Materialität) eine
konkrete Präsenz in einer Nutzung gewinnen. Das besondere Phänomen
der Präsenz wird spätestens bei einer Schrift bzw. einem Schrift-Stück
recht deutlich. Das Material mag z. B. ein Papyrusblatt sein auf dem Ruß
mit gummi arabicum klebt. Seine Materialität resultiert aus der besonderen
Kombination dieser Materialien, die ein Konglomerat aus Zeichenträger
und Zeichen bilden sowie der Positionierung z. B. in einer Bibliothek. In
besonderen Momenten kann daraus die Realisierung der Präsenz eines
Textes resultieren: wenn die so materialisierten Zeichen gelesen werden.
Wieder salopp gesagt: Präsenz beschreibt, dass einem dieses bestimmte
Objekt tatsächlich genau im Wege liegt.
Diese über eine besondere Materialität vermittelte Präsenz hat,15 wie
gesagt, Einfluss auf die biography of objects, die wir dann nicht nur als
eine Nutzungsgeschichte beschreiben können, sondern auch als Wirk(ungs)
geschichte. In die Wirk(ungs)geschichte fließt ein, nicht nur, wie ein
bestimmtes Objekt (passiv) genutzt wird, sondern wie das Ding (aktiv)
auf den Prozess seiner Nutzung einwirkt, indem z. B. ein Topf möglichst
nicht verkehrt herum gehalten wird, wenn man den Inhalt behalten will.
Was wir als Normalfall erleben und deshalb kaum reflektieren. Sehr auf-
merksam registrieren zumindest Ägyptologinnen aber, wenn z. B. ein
Text, dessen Präsenz aus einer Schrift erfasst wird, seine Rezeption in
einem ganz anderen Nutzungszusammenhang „inspiriert“, wenn z. B.
ein funerärer Spruch in einem medizinischen Zusammenhang auftaucht
oder ein Brief in einem funerären Zusammenhang. Es ist also nicht nur
das schiere Material, das Einfluss auf die Nutzung hat, sondern die in der
Materialität potentiell angelegte Präsenz, die Einfluss auf die Wirkung hat.
Potentiell – denn wenn man die Schrift nicht lesen kann, dann kann der

15 Eine durch Parameter der Materialität (hier: auch der Ort der Anbringung, Aufbe-
wahrung usw.) vermittelte Präsenz kann übrigens auch „Verborgenheit“ sein, siehe:
Fitzenreiter 2015.

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Begriff 53

Text keine Präsenz entfalten und der Papyrus landet nicht als Lesestoff in
der Bibliothek, sondern als Brennstoff im Ofen.
Was eines deutlich macht: Präsenz eines Objektes setzt eine andere
Seite – in der Regel (aber nicht zwingend) einen Menschen16 – voraus und
einen Moment der Auseinandersetzung. Dieser Vorgang der Stimulierung
der Wirkpotenzen einer Sache ist endlich der Moment, in dem das eher
desinteressierte Objekt aus seiner Materialität heraus zum mitwirken-
den Ding wird: wenn also mit dem Topf Wasser geschöpft wird oder die
Schrift als Text erfasst17 und irgendwie als eine Aussage (und oft genug
„falsch“) verstanden wird.18
Stellen wir so den Vorgang der Auseinandersetzung in den Mittel-
punkt und versteifen uns auch gar nicht unbedingt darauf, den daran
beteiligten Akteuren einen bestimmten Status zuzuweisen (Subjekt,
Objekt, Ding, Mensch, Akteur etc.), wird der Blick frei für den Vorgang
und dessen Ergebnis. Der Schritt vom Begriff der Nutzungsgeschichte zu
dem der Wirkgeschichte19 impliziert nämlich einen hermeneutischen
Sprung: Wirkgeschichte ist gewissermaßen die dialektische Negierung der
Nutzungsgeschichte. Mit der Emphase auf Wirkung bzw. Wirken gegen-
über Nutzung wird das explikatorische Schema tendenziell und im güns-
tigen Fall umgedreht: Die Frage ist nicht mehr, wie nutzt der Mensch ein

16
In der sogenannten Naturgeschichte müssen keine Menschen auftreten, um Momente
der Präsenz und deren Wirkungen zu stimulieren. Auch der größte Teil der Vorgänge
innerhalb der Materialität von Objekten findet ohne menschliche Anwesenheit statt,
z. B. der Brennvorgang bei Keramik oder der Schmelzvorgang beim Metall. Hier wird
die Präsenz dann aber gern simuliert, indem man allerlei mythologische Erklärungen
erfindet bzw. durch neue Messgeräte doch menschliche Gegenwart erzeugt. Dazu
noch im Folgenden.
17
„Erfassen“ muss nicht „lesen“ sein – es reicht manchmal, zu ahnen, dass dort irgend-
etwas „steht“.
18
Ein schönes Beispiel für eine unerwartete Wirkungsgeschichte ist das Verlesen einer
von ihm offenbar nicht ganz verstandenen Notiz durch Günther Schabowski auf
einer Pressekonferenz am 09.11.1989, die zur Öffnung der innerdeutschen Grenze
führte (< https://youtu.be/kZiAxgYY75Y > 28.09.2019).
19 Gegenüber dem anfangs noch eingeschlossenen Begriff der Wirkungsgeschichte, der
also die Wirkung aus homozentristischer Perspektive beschreibt, hebt Wirkgeschichte
auf die Potenzen des Objekts als Ding ab.

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54 Befund und Begriff

Objekt (zu einem bestimmten Zeitpunkt), sondern, wie wirkt das Ding auf
den Menschen (zu einem bestimmten Zeitpunkt). Die Eigenschaften, die
den Objekten die Fähigkeit verleihen, in spezifischer Weise seine Materia-
lität gegenüber einem Anderen in Präsenz und deren Wirkung zu wandeln,
kann als Wirkmacht beschrieben werden, die sich aufgrund der spezifi-
schen Materialität entfaltet. Ein etwas schickeres Wort dafür ist agency.20

3.2. Praxis

Der Schritt vom Typ zum Prozess ist auf der Ebene der Dinge auch der
vom Objekt – als anonymer Vertreter einer Gattung oder eines Typs –
zum Subjekt – dem konkreten, sozusagen individuellen Agens. Dieser
Schritt der archäologischen Theoriebildung vom Zustand – den das Mate-
rial bestimmt – zum Vorgang – der in der Materialität potentiell ange-
legt ist, steht mit einem Paradigmenwechsel auch in der archäologischen
Arbeitsweise in Zusammenhang. War die Archäologie des Typs noch ganz
auf das Objekt – den Fund – konzentriert und dessen Ordnung in einer
Sammlung, einem Korpus oder die Zuordnung zu einer Kulturtheorie,21
so hat sich der Schwerpunkt der archäologischen Arbeit zunehmend auf
20 In der Interpretation davon, was agency eigentlich sei, sind in der Literatur wieder
gewisse Unsicherheiten nicht zu verkennen. In Latour 2010, 9, Anm. 1 und 79, Anm.
1 wird die Unübersetzbarkeit vom Übersetzer angemerkt und fallweise als „Existenz-
form“, „Handlungsträger“ bzw. „Handlungsträgerschaft“ übersetzt. Oft wird agency
auch als Synonym für „(tatsächliche) Handlung / (tatsächliches) Handeln“ verstan-
den, etwas allgemeiner als die aktive Reaktionsfähigkeit biotischer Entitäten, der die
Struktur (structure) als die abiotischen Bedingungen gegenübersteht, unter denen
sich diese agency entfalten kann (< https://en.wikipedia.org/wiki/Agency_(socio-
logy) > 13.07.2019). Im Folgenden soll damit die „(potentielle) Wirkmacht / Wirk-
fähigkeit“ von beliebigen Entitäten umschrieben sein, also all das, was „andere zum
Handeln bringt“ (Latour 2010, 81). Siehe hierzu noch in Kap. 16.
21
Typologische Merkmale der archäologischen Art mit kulturtheoretischen Überlegun-
gen der antiquarischen Art aufzuladen ist u. a. in der deutschsprachigen Kunstwis-
senschaft verbreitet; so in den Arbeiten von Heinrich Wölfflin („kunstgeschichtli-
che Grundbegriffe“; Wölfflin 1915) und Guido Kaschnitz von Weinberg („Struktur“;
Kaschnitz von Weinberg 1965). Neuere, von der Semiotik inspirierte Deutungsan-
sätze in der Archäologie besitzen diese Tendenz ebenfalls (Eggert 2013, 37–51).

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Begriff 55

den Fundkontext bzw. den Befund verlagert. Der Fund wird weniger als
Teil einer in Zeit und Raum gestreckten Serie vergleichbarer Objekte bzw.
zusammenhängender Objekttypen betrachtet, als vielmehr als Teil einer
konkret in Raum und Zeit konzentrierten Gruppe von heterogenen Objek-
ten und zufälligen Spuren. Tritt neben den Fund aber der Befund, dann
ist es nicht mehr weit bis zu den konkreten Bedingungen, die eine solche
Befundassamblage überhaupt erst konstituieren. Wird dieser Schritt vom
Befund zur Befundkonstitution in der archäologischen Befundansprache
denn getan, dann ist ein Paradigmenwechsel in der methodischen Durch-
dringung und deren theoretischer Reflektion unvermeidlich. Ein Paradig-
menwechsel, der so neu nicht mehr ist, wurde er doch (lässt man noch
frühere Ansätze des historischen und dialektischen Materialismus vorerst
außer Acht) als zentrale Forderung der Praxistheorie von Pierre Bourdieu
1972 formuliert und heißt dort: Man muss vom opus operatum – das man
typologisch zu beherrschen sucht – zum modus operandi übergehen, also
von den Objekten zu dem, was die Objekte überhaupt erst hervorbringt:

„Um dem Strukturrealismus zu entgehen, der die Systeme objektiver


Relationen derart hypostasiert, daß er sie in jenseits der Geschichte
des Individuums oder der Geschichte der Gruppe angesiedelte prä-
konstruierte Totalitäten verwandelt, gilt es und genügt es auch, vom
opus operatum zum modus operandi, von der statischen Regelmäßigkeit
oder algebraischen Struktur zum Erzeugungsprinzip dieser observier-
ten Ordnung überzugehen und die Theorie der Praxis, genauer gesagt,
die Theorie des Erzeugungsmodus der Praxisformen zu entwerfen, die
die Bedingung der Konstruktion einer experimentellen Wissenschaft
von der Dialektik zwischen Interiorität und Exteriorität, d.h. zwischen
der Interiorisierung der Exteriorität und der Exteriorisierung der Interiorität
bildet.“22

22
Bourdieu 1979, 164.

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56 Befund und Begriff

Da diese deutsche Übersetzung kaum verständlich ist, sei die englische


Variante auch angeboten:

„In order to escape the realism of the structure, which hypothesizes


systems of objective relations by converting them into totalities already
constituted outside of the individual history and group history, it is
necessary to pass from the opus operatum to modus operandi, from sta-
tistical regularity, or algebraic structure to the principle of the produc-
tion of this observed order, and to construct the theory of practice,
or, more precisely, the theory of the mode of generation of practices,
which is the precondition of establishing an experimental science of
the dialectic of the internalization of externality and the externalization
of internality, or more simply, of incorporation and objectification.“23

Und der Vollständigkeit halber das französische Original:

„Pour échapper au réalisme de la structure qui hypostasie les systèmes


de relations objectives en les convertissant en totalités déjà constituées
en dehors de l’histoire de l’individu et de l’histoire du groupe, il faut
et il suffit d’aller de l’opus operatum au modus operandi, de la régularité
statistique ou de la structure algébrique au principe de production de
cet ordre observé et de construire la théorie de la pratique ou, plus
exactement, du mode de génération des pratiques, qui est la condition
de la construction d’une science expérimentale de la dialectique de l’in-
tériorité et de l’extériorité, c’est-à-dire de l’intériorisation de l’extériorité et
de l’extériorisation de l’intériorité : les structures qui sont constitutives
d’un type particulier d’environnement (e. g. les conditions matérielles
d’existence caractéristique d’une condition de classe) et qui peuvent
être saisies empiriquement sous la forme des régularités associées à
un environnement socialement structuré, produisent des habitus, sys-

23
Bourdieu 1977, 72.

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Begriff 57

tèmes de dispositions durables, structures structurées prédisposée à


fonctionner comme structures structurantes, c’est-à-dire en tant que
principe de génération et de structuration de pratiques et de repré-
sentations qui peuvent être objectivement « réglées » et « régulières »
sans être en rien le produit de l’obéissance à des règles, objectivement
adaptées à leur but sans supposer la visée consciente des fins et la maî-
trise expresse des opérations nécessaires pour les atteindre et, étant
tout cela, collectivement orchestrées sans être le produit de l’action
organisatrice d’un chef d’orchestre.“24

Die drei Varianten bilden bereits ein schönes Beispiel für die Praxis des
Lesens, Übersetzens, Verstehens und tragen damit in sich, was der Sub-
text selbst wohl sagen will: dass eine Information nicht in der Schrift (=
Material = Objekt = opus operatum) existiert, sondern sich im Lesen (=
dem Vorgang der praktischen Aktivierung der in der Materialität ange-
legten Präsenz = modus operandi) konstituiert.25 Oder, dass die Bedeu-
tung eines Befundes (für die sich als Wissenschaft gerierende Archäo-
logie) nicht in den Funden liegt, aus denen er besteht, sondern in den
Bedingungen, die zu dieser Befundsituation geführt haben26 (und dass
die neuzeitliche Bedeutung des Befundes in den Umständen liegt, unter
denen er re-konstruiert wird27). Ergo: indem wir in der archäologischen
Arbeit vom Zustand zum Vorgang schreiten, werden wir nolens volens

24
Bourdieu 1972, 174f. Da im Urtext dieser phänomenale Satz bruchlos in einen gan-
zen Absatz übergeht, sei dieser hier in Gänze wiedergegeben.
25 So verlockend es wäre, an dieser Stelle in die Tiefen der Diskussion über Textinter-
pretation einzutauchen, muss an dieser Stelle der Hinweis auf die weite, breite und
gelegentlich tiefe Literatur zum Thema genügen, etwa Eco 1992 oder auch Fitzenrei-
ter 2017.a.
26
Vergleiche die Grundsentenz, mit der Ludwig Wittgenstein von der formalen Logik –
die noch seinen tractatus prägt – zur praktischen Sprachtheorie vorstieß: „Die Bedeu-
tung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“ (Wittgenstein 1989, 262).
27
Etwa, indem ein Einzelfund wie „die Nofretete“ (eine bemalte Kalksteinbüste mit der
Fundnummer 12/13.748 aus Tell el-Amarna) als Ikone inszeniert und so ein völlig
neuer Kontext und damit Bedeutung geschaffen wird (Fitzenreiter 2018.a). Das ist
natürlich Antiquarentum reinsten Wassers.

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58 Befund und Begriff

auch das Phänomen der Praxis auf die Agenda setzen müssen oder gesetzt
bekommen. Und mit der Praxis unvermeidlich verbunden sind die Bedin-
gungen des Praktizierens, seien sie sozial oder kulturell verstanden, wie
etwa das Lesen in drei Sprachen, das zu drei ähnlichen und doch diffe-
renten Ergebnissen führt.

Der vielleicht etwas abrupte Schwenk in die Praxistheorie bringt auch


ein Phänomen in die Archäologie (des Materials) zurück, das unter Anti-
quaren der deus ex machina par excellence ist: den Menschen. In streng
typologisierender Archäologie stört der Mensch; man muss nur an die
vielen Publikationen von pots without people denken, um den Vorwurf
an die Typologie zu verstehen, eine archaeology without people zu sein.28
Typologische Archäologie der Zustände wurde so zu einer Naturwissen-
schaft, zu science – ein Status, den so mancher unter den Archäologin-
nen durchaus verlockend findet.29 Die dem Vorgang zugrundeliegende
Praxis ist demgegenüber in der Archäologie nur als ein kulturelles Phä-
nomen denkbar, dass heißt als eines, das Menschen involviert, betrifft,
von ihnen gestaltet und erlitten wird (bzw. nur so sinnvoll von anderen,
sogenannten natürlichen Prozessen abzugrenzen ist, die deshalb vorerst
noch von den Naturwissenschaften betreut werden). Da Archäologie nun
einmal die kulturellen Hinterlassenschaften dieser Welt untersucht, den
humanities also nicht entkommt und eine Kulturwissenschaft bleibt, ist der
Mensch als Faktor letztlich unabdingbar. Doch leidet die Archäologie
unter dem Paradoxon, dass im archäologischen Kontext – etwa ganz im
Gegensatz zu den Forschungsszenarien der Soziologie, für deren Zwecke
die Praxistheorie ursprünglich formuliert wurde – der Mensch ein stum-

28
Der Begriff der archaeology without people scheint keinen singulären Urheber zu
haben; zum zugrundeliegenden Vorwurf siehe: Hodder 1996; mit Verweis hierauf
benutzt bei Bernbeck 2003, 230. Ich danke Stefan Burmeister für Hinweise zu diesem
Thema. Ein seltener und umso bemerkenswerterer Ansatz in der Ägyptologie, Kera-
miktypologie als einen praktischen Vorgang zu deuten und nicht als selbstbewegt
und demutsvoll hinzunehmen, ist Seidlmayer 2011. Siehe auch Warden 2014.
29
Vgl.: Samida / Eggert 2013.b.

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Begriff 59

mer, unsichtbarer, unzugänglicher, im allerwahrsten Sinne des Wortes:


mausetoter Akteur ist.30
Demgegenüber sind die Objekte sichtbar, zugänglich und haptisch
erfahrbar. Sie sind – wenn man agency zu erleben in der Lage ist – leben-
dig. Archäologinnen und Archäologen haben keine Menschen, die sie
befragen und analysieren können, sie haben nur Funde und Befunde.
Während diese Phänomene zu uns „sprechen“, bleibt der Mensch hinter
ihnen ein Schemen. Mit dem Ockhamschen Rasiermesser der Typologie
wird der Mensch sogar säuberlich von der Archäologie abgetrennt (um als
antiquarischer Wiedergänger dann mit seinem „Stil-“ und „Kunstwollen“
doch überall zu spuken). Nimmt man ihn aber als Teil des praktischen
Vorganges wahr, als Element des modus operandi, dann sind Funde und
Befunde nicht ohne ihn denkbar – ja, sie können sogar von ihm berichten.
Es gilt somit, die paradoxe Situation zu erkunden, in der die Archäo-
logie nun einmal steckt: Dass nämlich die eine – die bessere? – Hälfte
ihres Gegenstandes, der „Mensch-wie-stolz-das-klingt“ (Maxim Gorki),
sich nicht materiell und damit: mess-, zähl- und wägbar im Objekt, son-
dern immateriell im Vorgang verborgen hält. Um die Erkundung dieses
Umstandes voranzubringen, sollen hier drei Begriffe vorgestellt werden,
die in der weiteren Betrachtung genau des praktischen Nexus von Ding
und Mensch sinnvoll sind: Technik, Kulturtechnik und Technologie.

3.3. Technik

Technik erweist sich als ein nicht ganz einfacher Begriff, scheint er doch
im allgemeinen Sprachgebrauch (nicht nur im Deutschen) einerseits
bestimmte Verfahrensweisen zu bezeichnen, zum Beispiel eine Schreib-
technik. Andererseits kann damit auch das Gerät – die Schreibmaschine –

30 Weshalb Versuche, Praxistheorien der Soziologie, die rein auf menschliches Handeln
fokussieren, archäologisch aufzubereiten oft unbefriedigend bleiben; vgl. Bernbeck
2003.

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60 Befund und Begriff

gemeint sein (Abb. 3.1).31 Diese Verwirrung soll hier vermieden werden,
weshalb unter Technik die (Art und Weise der) Auseinandersetzung von
Mensch und Ding verstanden wird, also dass und wie der Mensch mit
bestimmten Objekten oder Geräten umgeht, im Prinzip aber mit allem,
was ihn zu einem Handelnden macht.32 So kann man Techniken der
Bewegung als eine Auseinandersetzung von Mensch und dem eigenen
oder einem fremden Bewegungsapparat verstehen (Laufen, Marschieren,
Reiten auf einem Pferd, ein Auto fahren), Techniken der Lebensmittelzu-
bereitung als solche der Auseinandersetzung von Menschen und Lebens-
mitteln (Kochen, Backen, Braten) und solche der Metallverarbeitung wie
Gießen, Schmieden, Tempern etc. als Auseinandersetzung von Menschen
und Metallen. Dabei ist festzustellen, dass in vielen Fällen diese Tech-
niken die Verwendung von besonderen Gerätschaften verlangen. Lau-
fen und Schwimmen sind auch ohne Hilfsmittel möglich,33 für Fahren,
Kochen, Schmieden usw. werden in der Regel Geräte gebraucht. Kein
Wunder also, dass diese Geräte mitunter als Synonym oder gar „Verkör-
perung“ – Dingwerdung – der Technik erscheinen.

31 Zu den verschiedenen Bedeutungen, die mit dem Begriff Technik verbunden werden
siehe den entsprechenden Eintrag in der Wikipedia:< http://de.wikipedia.org/wiki/
Technik > (26.01.2015). In den dort zitierten Richtlinien des Vereins Deutscher
Ingenieure (VDI) werden die materiale (= Gerät) wie auch die praktische (= Ver-
fahren) Dimension von Technik nicht unterschieden. Hessler 2012, 16–18 weist auf
die offene Begriffsfrage hin, enthält sich aber einer Definition; ähnlich auch Sørensen
2012, 123, Anm. 1 mit – kritischem – Verweis auf die Unterscheidung von Technik
als „Apparate, Dinge oder Methoden“ und Technologie „wenn die Rede von einer
Technik in ihrer soziokulturellen Einbettung ist“. Siehe aber Wendrich 2006, 267,
wo im Sinne der auch hier verwendeten Terminologie der Begriff „techniques“ als
„methods through which raw materials were made into objects“ und „technology“
als „knowledge needed to execute a technique“ bestimmt wird.
32 Unter diesen Objekten befinden sich oft genug mit Leben begabte Dinge, also Tiere,
Pflanzen und andere biotische Entitäten (Bakterien usw.). Siehe zur besonderen Posi-
tion dieser nicht-menschlichen Aktanten: Ferrari 2015.
33 Man benötigt aber den körpereigenen Bewegungsapparat und dessen Verwendung
verlangt wieder bestimmte Techniken, was besonders im Spitzensport eine Rolle
spielt, und spätestens bei der Frage, welche Stimulanzien und schließlich auch Pro-
thesen erlaubt sind, interessante kulturelle Beobachtungen erlaubt. Zur kulturellen
Seite der Bewegungs- bzw. Körpertechniken siehe den Klassiker: Mauss 1989.

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Begriff 61

Abb. 3.1: Werbung der Media-Markt-


Gruppe von 2014.
Hier sind mit Technik wohl eher
Geräte gemeint. Oder sollte der
Tech-Nick eine bestimmte Technik
drauf haben?

Technik ist als Auseinandersetzung von Mensch und Gerät bzw. Ding
in etwa das, was bei der Auseinandersetzung von Mensch und Mensch
als Kommunikation aufgefasst wird: Ein Vorgang, der Sender und Emp-
fänger verbindet oder „verknüpft“ (aus ANT-Sicht) bzw. ein „Ereignis“
oder die „Interpenetration“ zweier Systeme (in systemtheoretischer
Sicht).34 Dabei wirkt der Moment der Kommunikation immer sowohl auf
den Sender und den Empfänger (nicht zwingend gleichzeitig und ganz
sicher nicht gleichartig) und auch das, was die Kommunikation verge-
genständlicht bzw. beobachtbar macht – sagen wir: die Botschaft – ver-
ändert sich.35 Letzten Endes ist die Botschaft nichts anderes, als das Pro-
dukt der speziellen Technik der Kommunikation, das sich gegebenenfalls
eines speziellen Gerätes – hier sprechen wir gern von Medien, also Mitteln
der Kommunikation – bedient. Bei der Bedienung solcher Geräte wird
jeder Nutzer etwas anders verfahren und so wird sowohl die Produktion
der Botschaft immer etwas anders aussehen – niemand schreibt zweimal
denselben Text – und auch deren Präsenzgewinnung wird immer etwas
anders aussehen – niemand liest zweimal denselben Text. Zwei Menschen

34
Der Begriff der Verknüpfung ist der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) nach Bruno
Latour entlehnt (Latour 2010), der der Interpenetration der Systemtheorie nach Niklas
Luhmann (Luhmann 1987).
35
Man muss Marshall McLuhans berühmten Spruch „the medium is the message / mas-
sage“ so verstehen, dass sich die Botschaft je nach Art der bei der Kommunika-
tion eingesetzten Mittel verändert bzw. durch diese überhaupt erst konstituiert
wird (McLuhan 1967). Siehe zur Verarbeitung – dem „Prozessieren“ – als der drit-
ten wesentlichen Funktion von Medien neben dem „Übertragen“ und „Speichern“:
Winkler 2015. Dazu, wie Medien die Botschaften überhaupt erst konstituieren (oder:
verfälschen), noch im Folgenden.

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62 Befund und Begriff

kommunizieren über das Medium Telefon und produzieren eine (gemein-


same) Botschaft, die jeder von den beiden jedoch anders versteht. Men-
schen reproduzieren denselben Text von Bourdieu zum modus operandi
in drei verschiedenen Sprachen und Schriften und werden ihn mehr oder
weniger (miss)verstehen.
Technik, um wieder darauf zurückzukommen, ist ein vergleichba-
rer Prozess und letzten Endes ist Kommunikation nichts anderes als eine
Sonderform der Technik, nämlich die Technik der Auseinandersetzung
von Mensch und Mensch. Mittels der Technik setzt sich der Mensch mit
Dingen auseinander, sei es durch einfache Techniken des Anschauens
und Anfassens (wir könnten auch sagen: Prospektieren, und haben dann
den metallurgisch-technischen Aspekt herausgestellt), des Einsammelns,
Zerkleinerns, (= Schürfen, Fördern), des Umformens (= Schmieden,
Gießen) etc. Der Kommunikation zwischen Menschen vergleichbar geht
der Mensch in diesem Moment eine kurzfristige, mitunter durch Geräte
unterstützte Verbindung mit dem Ding ein und heraus kommt in jedem
Fall ein neues Produkt; zuerst eine Mine, dann Erze, schließlich Gussstü-
cke. Dass diese Art der technischen Kommunikation das Ding verändert,
ist daher meist offensichtlich. Wie weit es den Menschen verändert, ist
Gegenstand der noch folgenden Betrachtung.
Eine Technik ist einerseits meist etwas Wiederholbares, andererseits
nichts, was man in einer materialisierten Form abspeichern, ablegen
oder ähnlich kann. Man muss es immer wieder tun. Was natürlich auch
zur Folge hat, dass eine Technik nie dieselbe bleibt, sondern ein offenes
System darstellt: Jeder Autofahrer fährt ein bisschen anders, jeder Koch
kocht ein bisschen anders und jeder Gießer gießt ein bisschen anders
(und ist stolz drauf – auch dazu noch später). Solche Verknüpfungen im
Tun sind immer kurzzeitig und werden mit dem Ende der Handlung auch
wieder gelöst. Doch kann man sie wiederholen und zu einem Standard
entwickeln – zu einem Verfahren. Wie z. B. die in ihren Eckpunkten als
Standard funktionierende Technik des Wachsausschmelzverfahrens.

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Begriff 63

3.4. Kulturtechnik

Warum ist es nun sinnvoll, neben diesen eigentlichen Technikbegriff den


der Kulturtechnik zu stellen? Dieser Begriff ist – wie vieles, das sich um
das ominöse Ding Kultur dreht – ein sehr deutscher Begriff; etwa auch
dem der Kulturwissenschaft vergleichbar, von der er auch okkupiert wur-
de.36 Okkupiert, weil er selbst im Deutschen aus einem anderen Bereich,
nämlich der Land- und Forstwirtschaft stammt und die Techniken der
Bodenkultivierung meint. Die sich im späten 20. Jahrhundert erfindende
Kulturwissenschaft übernahm dieses zusammengesetzte Wort, um mit
einem sehr speziellen Bild von (Hoch-)Kultur37 verbundene Techniken
zu beschreiben, etwa Schreiben und Lesen und Rechnen. Und wie das bei
Kultur so ist, bleibt neuerdings eine gewisse Inflation nicht zu übersehen:

36 Siehe zur Begriffsgeschichte und einem Versuch, den Begriff „Kulturtechnik“ anglo-
phon zu interpretieren: Geoghegan 2013.
37
Kultur bleibt heutzutage ein Begriff, dessen postmoderne Unbestimmtheit kaum
noch zu überbieten ist. Während die ältere Bedeutung als „Bodenkultur“ noch eng
beim lateinischen Grundwort colere liegt, ist der Kulturbegriff der Geisteswissen-
schaften stets von der Vorstellung verfeinerter Lebensart oder Hoch-Kultur geprägt.
Doch bleiben bei aller Vielzahl der im 19. / 20. Jahrhundert angehäuften Defini-
tionen eigentlich nur zwei relevant: a) die schon von Giambattista Vico gezogene
Unterscheidung der Kultur – als dem Mensch-gemachten – von der Natur – als dem
nicht-Mensch-gemachten sowie b) die Definition von Kulturen (Plural) als Merkmals-
gruppen, durch die sich Menschen(gruppen) unterscheiden bzw. unterschieden wer-
den. Alle weiteren Differenzierungen sind nur die unterschiedlich gewichtete und in
aller Regel normativ aufgeladene Wertung von Nuancen dieser beiden Perspektiven.
Diese Wertungen werden oft zu schnell als Teil der Klassifikation gesehen, so etwa
der alberne Streit um „Zivilisation“ vs. „Kultur“ zwischen Deutschen und Franzo-
sen um 1900. Oder sie hängt mit Sprachpraxis zusammen; siehe die Übersetzung
von „Clash of Civilizations“ mit „Kampf der Kulturen“ (Huntington 1998), wohl um
des Anlauts willen. Jedes normative Vorgehen bei der Definition endet meist in der
Falle des klassischen Strukturalismus: Begriffe mit Entitäten zu verwechseln und sie
dann / damit zu solchen zu machen. Am Ende ist b) sogar auch nur eine als Typo-
logie zu verstehende Teilmenge von a), da es um solche Mensch-gemachten Merk-
male geht, die Mensch-machend sind. Zur Diskussion der Dichotomie von Kultur und
Natur siehe: Schiemann 2011.

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64 Befund und Begriff

auch Rauchen, Trampen oder sich Schämen sind gelegentlich Kulturtech-


niken.38
Wollen wir etwas konkreter werden und schauen uns Definitionen
an, so können diese recht schlicht ausfallen, wie in der Wikipedia:

„Als Kulturtechnik werden alle Lösungskonzepte bezeichnet, die kom-


plexe Probleme in der menschlichen Gesellschaft durch die Verbin-
dung von Kultur, Technologie und Technik lösen.“39

Anspruchsvoller liest sich die Selbstdarstellung einer Institution der Bau-


haus-Universität Weimar:

„Gegenstand des Forschungs- und Lehrgebietes der Professur “The-


orie und Geschichte der Kulturtechniken” sind die für verschiedene
Kulturen jeweils konstitutiven Disziplinen und Techniken des Medien-
gebrauchs in ihrer historischen Entwicklung und in ihren kultur- und
erkenntnistheoretischen Grundlagen.
Seit der Antike schließt das europäische Verständnis von Kultur die
Vorstellung ein, dass Kultur technisch konstituiert ist. Schon im Wort
‚Kultur’, das auf das lateinische colere, cultura zurückgeht, steckt ein
eminent technischer Sinn, insofern cultura die Entwicklung und prak-
tische Anwendung von Techniken zur Urbarmachung des Bodens und
zur Besiedelung der Erde mit Wohnsitzen und Städten meint.
Kulturtechniken sind zum einen die Praktiken der Schrift-, Bild- und
Zahlbeherrschung, zum anderen auch speziellere Techniken wie Ord-
nungs- und Repräsentationssysteme (Diagramme, Raster, Kataloge,
Karten usw.), operative Techniken, topographische, architektonische
und mediale Dispositive des Politischen, habitualisierte Skills sowie
Körpertechniken.

38 Schämen: < https://www.deutschlandfunkkultur.de/zeitdiagnose-schaemen-als-


kulturtechnik.950.de.html?dram:article_id=280939 > (21.09.2018)
39
< http://de.wikipedia.org/wiki/Kulturtechnik > (18.10.2014).

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Begriff 65

Der methodische Ansatz auf dem Gebiet der Kulturtechniken kann


durch die Betonung des Praxis-Aspekts in der medienhistorischen
Analyse charakterisiert werden: Medien sind dann als Kulturtechni-
ken beschreibbar, wenn die Praktiken rekonstruiert werden, in die
sie eingebunden sind, die sie konfigurieren oder die sie konstitutiv
hervorbringen.“40

Letzten Endes geht aber auch aus diesem Text nicht recht hervor, was
Kulturtechniken nun als solche definiert, warum also genau diese Tech-
niken als Kulturtechniken zu verstehen sind.41 Immerhin: irgendwas mit
Medien.
Mir recht sympathisch, weil mit einem klaren Praxisbezug, heißt es
dann in der Berliner kulturwissenschaftlichen Schule:

„Kulturtechniken ... können als Techniken beschrieben werden, mit


deren Hilfe gleichsam symbolische Arbeit verrichtet wird.“42

Im Bemühen, solche Kulturtechniken von anderen Techniken abzugren-


zen, werden im zitierten Text von Christian Kassung und Thomas Macho
drei Kriterien aufgerufen. Demnach sind Kulturtechniken 1. „selbstrefe-
renziell“ (man kann vom Sprechen sprechen); 2. „kontextneutral“ (dass

40 < http://www.uni-weimar.de/de/medien/professuren/geschichte-und-theorie-der-
kulturtechniken/home > (20.01.15)
41
Es bleibt auch die Suche in weiteren Texten dieser Schule eigentümlich offen, worum
es denn bei Kulturtechnik nun geht; etwa: „Heute ist der Begriff der Kulturtechnik
deswegen so produktiv, weil er den problematischen Dualismus von Medien und
Kultur unterläuft, indem er die Begriffe Medien, Kultur und Technik gemeinsam zur
Disposition stellt.“ (Egell / Siegert 2010, 7); siehe auch: Siegel 2011, und ähnlich:
Maye 2010; erfreulich konkret dagegen und auf die agency der Medien bezogen (und
damit auf die Medientheorie beschränkt) die Formulierung: „Kulturtechniken: Sie
bezeichnen das, was Medien machen, was sie bewirken, zu welchen Handlungen sie
verleiten. Kulturtechniken präzisieren die Handlungsmacht von Medien und Dingen.
Wäre oder hätte die Medientheorie eine Grammatik, so käme diese Handlungsmacht
darin zum Ausdruck, dass Objekte die grammatikalische Stellung des Subjekts ein-
nehmen und Kulturtechniken Verben vertreten.“ (Vismann 2010, 171).
42
Kassung / Macho 2013, 16.

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66 Befund und Begriff

heißt wohl, sie können für alles mögliche verwendet werden) und 3.
brauchen Medien und generieren diese. Womit wir wieder bei Medien
sind und so bleiben die drei mir ziemlich schleierhaften Kriterien typisch
für eine Kulturwissenschaft, die aus der Literaturwissenschaft und Philo-
sophie kommt, von Bodenkultur aber keine Ahnung hat. Dies wird spätes-
tens dann deutlich, wenn man die Definition in ihrer Gänze liest:

„Kulturtechniken wie Sprechen, Schreiben, Lesen, Abbilden und Rech-


nen unterscheiden sich von Techniken wie Jagen, Sammeln, Feuer-
machen, Kochen, Pflügen oder Hausbauen durch eine epistemische
Dimension. Sie können als Techniken beschrieben werden, mit deren
Hilfe gleichsam symbolische Arbeit verrichtet wird.“

Da schmerzt es schon, wenn ausgerechnet Kulturwissenschaftler überse-


hen, welche immense symbolische Arbeit beim Kochen verrichtet wird.43
Es bleibt also nichts anderes, als selbst eine Definition zu basteln (dafür
sind wir ja Techniker) bzw. die berliner vom Kopf auf die Füße zu stellen,
vom Medium auf die Technik, vom opus operatum auf den modus operandi
– also sie zusammenzustreichen – und was da bleibt ist:

Kulturtechniken sind Techniken, mit deren Hilfe (auch) symbolische Arbeit


verrichtet wird.

In dieser Minimaldefinition, was denn eine Kulturtechnik sei, sehe ich


einige Potenzen. Sie nimmt nämlich in den Blick, was im Zuge der Kom-
munikation von Mensch und Ding alles sonst noch passiert – Präsenz
gewinnt – und empfiehlt, Techniken nicht nur als einen schlichten Vor-
gang der Produktion eines bestimmten Gutes dinglicher oder auch geisti-
ger Art zu sehen, sondern einen Vorgang, der mehrere Dimensionen hat

43 Ich verweise hier nur auf den Klassiker schlechthin: Brillat-Savarin 1825; dazu noch,
weil das ganze Problem der kulturgenerierenden Speisevorschriften behandelnd:
Douglas 1985.

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Begriff 67

oder wenigstens haben kann. So ist die Art und Weise, wie eine Mahl-
zeit zubereitet wird, nicht nur ein Indikator dafür, dass hier soundsoviel
Kohlehydrate, Proteine und Vitamine nutzbar gemacht werden, sondern
diese Art und Weise der Zubereitung produziert und / oder reproduziert
eine kulturelle Identität (koscher, halal oder Schweinebraten), struktu-
riert Zeiten und Räume (Feste vs. Alltag etc.) und ein bestimmtes Rol-
lenbild (z. B. das einer modernen Hausfrau mit dem Thermomix). Kurz
gefasst hat das Feuerbach in seinem gern aus dem Zusammenhang geris-
senen dictum: „Der Mensch ist, was er isst.“44 Und man kann ergänzen:
der Mensch ist, wie er isst; auch die Esstechnik ist eine ganz elementare
Art, sich kulturell zu situieren; mit der Hand, mit Stäbchen oder sogar mit
Messer und Gabel!45 Das Ganze will sagen: bestimmte Techniken dienen
nicht nur der Produktion distinkter Güter, sondern produzieren nebenher
auch (die Präsenz der) Kultur. Diese Potenz nur auf bestimmte Techniken
zu reduzieren, etwa Schreiben und Lesen, halte ich für einen Missgriff.
Natürlich können Schreiben und Lesen sehr wohl kulturellen Mehrwert
produzieren; zum Beispiel definieren und reproduzieren sich Kultur- und
Medienwissenschaftler auf diese Weise. Man kann aber auch Lesen und
dabei passiert erst mal nicht viel mehr, als die Zeit totzuschlagen. Gefähr-
lich wird es erst, wenn der Arbeiter wie in Brechts Lehrgedicht zu lesen
und zu denken beginnt. Erst jetzt wird Lesen zur Kulturtechnik – und
gefaehrlich.

3.5. Technologie

Ehe wir uns diesem Aspekt etwas intensiver zuwenden, noch ein dritter
Begriff, der der Technologie. Im Sprachgebrauch scheint der Unterschied

44
Feuerbach 1975, 263; siehe zum Hintergrund: Ingensiep 2007. Wobei der eben
erwähnte Jean Anthelem Brillat-Savarin bereits 1825 notierte: „Dis-moi ca que tu
manges, je te dirai ce que tu es.“
45
Bourdieu 1982.

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68 Befund und Begriff

zwischen Technik und Technologie wieder unscharf zu sein. Sieht man


unter Technik nämlich die Geräte, dann ist Technologie der Umgang mit
der Technik; Technik hier also im materialen Sinne verstanden und Tech-
nologie dann genau das, was gerade eben als Technik – im praktischem
Sinne – beschrieben wurde. Bleibt man bei einer Unterscheidung von
materialem Gerät und praktischer Technik, dann meint Technologie in der
Regel eine übergeordnete Verfahrensweise, ohne dass der Unterschied
zur Technik so recht deutlich wird.46 Diese Ambiguität im Sprachge-
brauch hat sicher ihren Sinn, aber hier soll eine etwas engere Definition
sowohl von Technik wie von Technologie zugrunde gelegt werden, schon
der Unterscheidung halber: Technologie ist – ganz wunderbar aus dem
Griechischen zu übersetzen (obwohl der Begriff ein Neologismus ist) –
die Lehre von der Technik. Wobei diese Bestimmung bereits etwas sehr
Schulmeisterisches hat, weshalb man Technologie dann doch besser als
das Wissen von der Technik beschreiben sollte. Diese Setzung verschiebt
auch die epistemologische Schwelle nach unten, auf die Ebene der Prakti-
ker, die dieses Wissen tatsächlich haben, es aber nicht zwingend in einer
Lehre zu verbreiten suchen (meist ganz im Gegenteil: Wissen behält man
bei sich, Wissen ist Macht). Dabei bezieht sich das Wissen um die Technik
nicht nur auf die Kenntnis der richtigen Arbeitsschritte, sondern bezieht
Fragen der Organisation von Abläufen, die Reflektion der Handlungen
und ihrer Resultate mit ein, eben alles, was wir irgendwie mit Wissen,
Erfahrung, mit Denken ganz allgemein verbinden.
Damit ist Technologie aber auch nicht bloß eine Metawissenschaft,
die sich sozusagen von außen, von oben hoch oder gar von der Lite-
raturwissenschaft oder Philosophie her, und nur gefällig beobachtend,
den Techniken nähert, sondern sie ist Teil des technischen Prozesses.
Technologie ist die kognitive Verarbeitung von Technik(en). Mittels der
Technologie – genauer gesagt: mittels der Reflektion in einer Techno-

46 Siehe die Beiträge der Wikipedia:< http://de.wikipedia.org/wiki/Technologie > ;


< http://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Technologie > (26.01.2015) und Hes-
sler 2012, 15f.

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Begriff 69

logie – erkennen die Akteure den technischen Prozess der praktischen


Auseinandersetzung mit Dingen auch auf einer kulturellen Ebene. Und
zwar in diesem Fall zuallererst den Prozess selbst; mitunter auch, aber
nicht zwingend, die vielfältigen kulturellen Nebeneffekte, die dieser Pro-
zess sonst noch impliziert (wie eben kurz am Kochen beleuchtet).47 Wenn
oben gesagt wurde, dass man Technik nur tun kann, so kann man Techno-
logie gewissermaßen nur denken. Doch ist dieses Denken eben keines, das
von außen in die Technik getragen wird, sondern eines, das sich aus der
Technik – in ihrem Tun – ergibt. Da sich zuletzt Tun und Denken nicht
trennen lassen, denn Denken ist Tun, mag man in hegelscher Manier rau-
nen: Technologie ist sich bewusst gewordenes Tun.

Um diesem Aspekt der Verbindung von Menschen und Dingen im Tun


(wahlweise: Denken) auf einer etwas weniger abgehobenen Ebene näher
zu kommen, lohnt es sich, Ansätze der ANT zu verfolgen. Diese sieht
nämlich in der Verknüpfung von Mensch und Ding – hier also: der Technik
– das, was Menschen und Dinge „versammelt“ und so Assoziationen der
verschiedensten Art erzeugt. Um das zu erläutern seien zwei Sätze von
Bruno Latour herausgegriffen. Im ersten Zitat geht es um den Charakter
der Verknüpfungen, die eben auch als Techniken beschrieben wurden:

„(Man kann) den ursprünglichen Intuitionen der Sozialwissenschaften


treu bleiben, wenn man Soziologie nicht als „Wissenschaft vom Sozia-
len“ begreift, was ich als Soziales Nr. 1 bezeichnen will, sondern neu
definiert als das Nachzeichnen von Assoziationen, oder Soziales Nr. 2.
In dieser Bedeutung des Adjektivs bedeutet „sozial“ kein Ding unter
anderen Dingen, … , sondern einen Verknüpfungstyp zwischen Dingen,
… .“48

47
Man könnte daher sagen, dass Kulturwissenschaft nichts anderes als die Technologie
der Kulturtechniken ist, also das Wissen von und über Arbeit am „Kulturellen“ (=
was sonst noch passiert oder: Gedöns).
48
Latour 2010, 17.

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70 Befund und Begriff

Im zweiten Zitat geht es um den Charakter der Dinge, zu denen Menschen


über Technik Beziehungen aufbauen (und umgekehrt):

„ANT ist nicht die leere Behauptung, dass Objekte etwas „anstelle“ der
menschlichen Akteure tun: Sie sagt einfach, dass eine Wissenschaft des
Sozialen nicht einmal beginnen kann, wenn die Frage, wer und was
am Handeln beteiligt ist, nicht zunächst einmal gründlich erforscht
ist, selbst wenn das bedeuten sollte, Elemente zuzulassen, die wir, in
Ermangelung eines besseren Ausdrucks, nicht-menschliche Wesen (non
humans) nennen können.“49

Man kann die ANT somit auch als eine Theorie der Technik(en) verste-
hen, also eine Technologie, und zwar unter dem Aspekt ihrer sozialen
Wirkung. Mit ihren begrifflichen Werkzeugen versucht die ANT auch,
die Dinge in ihrer aktiven Einwirkung zu erfassen, in ihrer agency. Tech-
nologie ist damit auch keine Sache nur der Menschen, sondern umfasst,
ebenso wie die Technik, sowohl Menschen als auch Dinge. Will man den
Dingen aber agency, dass heißt Beteiligung am Handeln zugestehen, dann
ist es durchaus sinnvoll zu sagen:

Technologie ist das Wissen (der Menschen und Dinge) von der Technik.

Damit ist auch ausgedrückt, warum Technologie nicht nur aus der freien
Reflektion über eine Technik resultieren kann, sondern nur aus dem tat-
sächlichen technischen Tun. Denn nur im Moment dieser Assoziation
können Mensch und Ding ihr „Wissen“ austauschen.
Welche kulturellen Auswirkungen solche Technologien haben kön-
nen, wird in einem Cartoon von Nina Paley exemplifiziert (Abb. 3.2):
Mimi und die gedruckte Bibel tauschen durch Lesetechnik ihr Wissen
aus; Eunice empfindet die so gebildete Verknüpfung des „Typs Nr. 2“

49
Latour 2010, 124.

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Begriff 71

Abb. 3.2: Mimi & Eunice: YeOldeTechnologie.

zwischen den beiden – Mimi und Bibel – als Konkurrenz zum „Verknüp-
fungstyp Nr. 1“, der aus der Technik des Wissensaustausches mittels einer
Predigt in einer Kirche entsteht, und damit für die sich so konstituierende
Gemeinde gefaehrlich. Recht hat es.

3.6. Kontrollverlust

Der Satz mit dem „Wissen der Dinge“ ist für alle, die sich nicht mit der
ANT angefreundet haben, gewiss schwer verdaulich. Sind wir seit Beginn
der Moderne als Cartesianer doch gewohnt, nur und ausschließlich vom
Menschen aus zu denken: „ego cogito, ergo sum / Ich denke, also bin ich“
– und der Mensch allein ist Subjekt; alles andere ist Objekt, passiv und das
menschliche Tun erleidend. Dieser Ansatz liegt auch dem der Moderne
eigenen Verständnis von Technik zugrunde. So gehen wir ganz natürlich
davon aus, dass eine bestimmte Technik entwickelt wird, um ein bestimm-
tes Problem zu lösen, wie es auch bei Wikipedia so schön geschrieben
steht. Technologie – als das Wissen um die Technik und damit also auch
das Wissen um deren Möglichkeiten – liegt sozusagen im Zusammenspiel
von Problem und Lösung, gegebenenfalls mit (un)erwarteten kulturellen
Effekten. Es wird davon ausgegangen, dass wegen bestimmter Probleme
Techniken erfunden werden, und man dann mit diesen Erfindungen diese
drängenden Probleme löst, so wie … ja was eigentlich?

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72 Befund und Begriff

Das Problem mit diesem heuristischen Paradigma ist nämlich: Nichts


wurde erfunden und schon gar nicht, um damit genau die Probleme zu
lösen, die irgendwann einmal mit einer solchen Technik gelöst wer-
den. Die Erfindung ist eine Erfindung des Patentamtes, eine Technik, um
Macht über Technik und damit verbundene Geräte zu gewinnen, eine
Technik der Macht.50 Die Erfindung ist ein Phänomen des Kapitalismus
und hat sich mit ihm in die Technikgeschichtsschreibung eingeschrieben.
Denn deren – der Technikgeschichte – Sinn war (und ist?) es, für einen
bestimmten Menschen, eine bestimmte Firma, ein bestimmtes Volk, eine
bestimmte Kultur, ein bestimmtes Zeitalter etc. pp. das Patent auf eine
bestimmte Erfindung zu erheben; diese damit zu deren Eigentum und
jene zum Inhaber der Verwertungsrechte zu machen.51 Und deshalb ist
es wohl umgekehrt. Das Backen von Getreidebrei wurde nicht erfun-
den, weil jemand Brot essen wollte, sondern es hat „sich erfunden“, als
Menschen und Getreide und Wärme ihr Wissen austauschten. Die Schrift
wurde nicht erfunden, um zu schreiben. Man hat Schrift(zeich)en entwi-
ckelt, auf vielerlei Wegen und warum auch immer, und dann fing man an
zu schreiben – als nämlich das Wissen der Schrift auf den Menschen über-

50 „Eine kritische Geschichte der Technologie würde überhaupt nachweisen, wie wenig
irgendeine Erfindung des 18. Jahrhunderts einem einzelnen Individuum gehört. Bis-
her existiert kein solches Werk. Darwin hat das Interesse auf die Geschichte der
natürlichen Technologie gelenkt, d.h. auf die Bildung der Pflanzen- und Tierorgane
als Produktionsinstrumente für das Leben der Pflanzen und Tiere. Verdient die Bil-
dungsgeschichte der produktiven Organe des Gesellschaftsmenschen, der materi-
ellen Basis jeder besonderen Gesellschaftsorganisation, nicht gleiche Aufmerksam-
keit?“ (Marx 1962, 392, Anm. 89). Siehe die vom angeführten Marxzitat inspirierte
Problematisierung der „Erfindung“ bei Blumenberg 2009, 65.
51
Endlos sind die Bemerkungen in älteren Büchern zur Technikgeschichte, dass die-
ses hier und jenes dort zum ersten Mal nachgewiesen und damit dort erfunden sei,
worauf sich diverse Reflektionen über kulturelle Überlegenheiten usw. anschließen,
was alles nichts anderes ist, als Hoheitsansprüche und Macht zu definieren. Einen
Überblick zur Geschichte der Technikgeschichtsschreibung unter Einbeziehung neu-
erer Ansätze wie der ANT bietet Hessler 2012, Zusatzkapitel im Internet: < https://
www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/geschichte/show/produkt/
BookProduct/downloadPdf/4250.html?tx_saltbookproduct_detail%5Bpdf%5D=28&
cHash=e11a363c926266b725601c9e48539df1 > (21.09.2018).

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Begriff 73

sprang.52 Und so hat man wohl Techniken der Metallverarbeitung durch


die Auseinandersetzung mit Metallen erst erfahren, dann begonnen,
Metall zu verarbeiten und wieder mit so verarbeiteten Metallen zu arbei-
ten usw., und so nach und nach er- oder eigentlich gefunden, was man
gemeinsam – Mensch und Metall – alles bewerkstelligen kann: nachdem
nämlich das Wissen der Metalle immer mehr auf die Menschen überging
und die Technologien der Metallbearbeitung in die Welt traten. Tech-
nologien, mittels derer die Metalle per Auseinandersetzung / Verarbei-
tung die Menschen auf ihre Art versammeln. Oft genug also, und gerade
bei den grundlegenden Kulturtechniken (und da nehmen wir dann gern
Lesen, Schreiben, Rechnen dazu), ist anzusetzen, dass die Technik am
Anfang steht, aus der sich eine besondere Technologie entwickelt, mit
der gar nicht vorhergesehene Dinge zu bewältigen sind. Also nicht Prob-
leme, die man hat, sondern Probleme, die man erst haben wird.53

52
In diesem Zusammenhang muss wenigstens noch ein anderer verhängnisvoller Irr-
tum erwähnt werden, nämlich der, dass Schrifterfindung etwas mit Sprache zu tun
hätte. Die Idee, mit Schrift auch Sprache in ein dauerndes Medium zu transformie-
ren, ist ein relativ später Effekt des Wissensaustausches von Menschen und Zeichen
(vgl. die Beiträge und Kontroverse in: Ernst / Kittler 2006).
53 Einzuräumen bleibt: Techniken können prinzipiell tatsächlich entdeckt und somit
in gewisser Weise erfunden werden; das 19. Jahrhundert ist in schwindelerregen-
der Weise das Zeitalter der Erfindungen und Erfinder (und Erfinderinnen). Es ist
aber auch das Zeitalter der Experimente – also des tastenden, kontingenten und
ergebnisoffenen Wissensaustausches von Menschen und Dingen. Und meist zeitigen
die „Erfindungen“ von den „Erfindern“ gar nicht vorhergesehene Effekte (Nowotny
2015). Das zeigt auch die gesamte Entwicklung der Medientechnik (Buchdruck,
Computer, Internet etc.), mit denen eigentlich nur konventionelle Kommunikati-
onsformen verbessert werden sollten, die dann aber völlig neue Formen der Kom-
munikation entstehen ließen. Da der serendipäre und kulturell so produktive Weg
der technischen Auseinandersetzung von Menschen und Dingen bei den medialen
Techniken und ihren unerwarteten Resultaten besonders deutlich ist, werden diese
Techniken von den Kulturwissenschaftlern als Kulturtechniken auch präferiert. Hier
zeigt sich die ganze Kontingenz der kulturellen Arbeit geradezu plakativ.

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74 Befund und Begriff

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Tun 75

TUN UND WISSEN

Durch Tun, durch aktive Auseinandersetzung kommen Menschen an das


Wissen der Dinge heran. Das ist in der Sphäre des Handwerks so – und
genauso auch in der Archäologie. Das ganze Bonner Projekt zum Bron-
zegusskonvolut hatte keinen anderen Zweck, als den Dingen das Wissen
zu entlocken, das sie über Dieses und Jenes in der Antike gespeichert
hatten; über Materialien und Techniken, über Zeitpunkt und Motive der
Deponierung. Wobei es der archäologischen Forschung an den Funden
und Befunden natürlich nicht darum geht, ein irgendwie abstraktes, über-
dingliches Wissen freizulegen, sondern genau das, was in den Objekten
auch verwahrt sein kann. Ein Wissen also, das den konkreten Umständen,
dem Vorgang der Befundkonstitution, dem modus operandi, entspringt.
Dieses vom Objekt bereitgehaltene Spezialwissen kann aber höchst kom-
plex sein und damit wird wieder die menschliche Seite der konkreten
Auseinandersetzung relevant: Es wird sich jede Forscherin und jeder For-
scher nur dem Wissen widmen, das ihn interessiert, für das sie kompe-
tent ist, das er „versteht“. Schon aus diesem Grunde können Befunde
heutzutage kaum noch von einer Person in ihrer Komplexität als Wis-
sensvermittler analysiert werden, sondern es müssen Spezialistinnen mit
ganz unterschiedlichen Ansätzen, Fragen und auch Techniken nebst ent-
sprechendem Gerät die Auseinandersetzung suchen. In der Publikation
des Bonner Bronzegusskonvolutes spielt, bei Lichte besehen, die klassi-
sche archäologische Typologisierung vor allem die eher dröge Rolle, den
Befund irgendwie in ein kulturelles Schema einzupassen und zu datieren.
Den eigentlich aufregenden Teil bilden Untersuchungen, die tief in das
Innere der Objekte leuchten und dort Fragen nachgingen, die mit Mate-
rialmischungen, dem Aufbau, Herstellungs- und Gebrauchsweisen etc. zu
tun haben.Während der Befund typologisch nur noch in eine bereits defi-

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76 Tun und Wissen

nierte Matrix eingepasst wurde, liefert er unter dem Aspekt der an ihm zu
studierenden materiellen bzw. im Materiellen ablesbaren Prozesse ganz
neue Erkenntnisse. Das an dieser wie auch an vergleichbaren Forschun-
gen1 zu beobachtende neue Interesse am Prozess liegt natürlich darin
begründet, dass mit neuen Verfahren neue Erkenntnisse gewonnen wer-
den können. Erkenntnisse, die ohne hochauflösende Mikroskopie, Tomo-
graphie und Spektroskopie, Radartechniken, Gaschromatographie etc.
nicht möglich waren.2 Gerade die an den Funden des Bonner Konvolutes
durchgeführten Untersuchungen sind ein Beispiel dafür, dass erst jetzt
die Geräte und Verfahren zur Verfügung stehen, um bestimmte Fragen
überhaupt zu stellen. Fragen nach den Techniken des antiken Tuns und
nach der Art des im Tun reflektierten antiken Wissens zum Beispiel. Also
Fragen, die unmittelbar mit dem Nexus von Menschen und Dingen zu tun
haben und deren Antworten diesen Nexus charakterisieren.

4. Tun

4.1. Materialien

Wie auch immer sich den verschiedenen Facetten des Objektwissens oder
– wenn das Gerede vom Wissen an dieser Stelle auf die Nerven geht –
der im Objekt geborgenen Daten genähert wird, eine Prämisse ist dabei
unbedingt zu beachten: Das Objekt ist nicht die Daten. Das Objekt bzw.
genauer: die komplexe Materialität des Objektes, sein Zustand, also das,
was ihm Substanz gibt, ist ein Medium, dem Informationen in beliebig
großer Zahl eingeschrieben sind, so, dass sie durch bestimmte Techni-
ken der Untersuchung, der Messung, der Analyse usw. medial trans-

1
Siehe z. B. die Untersuchungen zur antiken „Hochtemperaturtechnologie“ von Qan-
tir: Pusch / Rehren 2007.
2 Einen beeindruckenden Überblick zu den Möglichkeiten zeitgenössischer Analyse-
verfahren bietet der zweite Band von Otten / Kunow / Rind / Trier 2015.

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Tun 77

formiert als Daten erhoben werden können. Diese Einschreibung von


Informationen in das Objekt erfolgt permanent: auf natürliche Weise in
seine Stofflichkeit über Jahrtausende (z. B. durch die Halbwertszeit des
14C-Isotops); auf kulturelle Weise durch Formung oder auch nur durch
Tradierung im Klang.3 Durch jede Interaktion – sei dies eine Mensch-
Ding-Interaktion oder auch nur die von nicht-menschlichen Akteuren
(z. B. beim Zerfall eines Objektes, bei dessen Zerfressen durch Termiten)
– wird den Gegenstand in seiner materiellen Zusammensetzung trans-
formiert. Die so immer wieder aktualisierte, spezifische Materialität, der
ganz konkrete Zustand, birgt Spuren aller Vorgänge und aus ihr können
diese Informationen schließlich wieder abgerufen werden. Wozu jedoch
besondere Kenntnisse – gewissermaßen mediale Kompetenzen – nötig
sind. Wie man einen Text nur lesen kann, wenn man der Sprache und der
Schrift mächtig ist, kann man die in bestimmten Materialien geborgenen
Informationen nur erfassen, wenn einem die medialen Eigenheiten des
Materials vertraut sind: wie das Material Informationen speichert, ver-
arbeitet und weitergibt. In aller Regel wird man auch Hilfsmittel benöti-
gen, die das Lesen unterstützen und auf die Besonderheiten des Materials
zugeschnitten sind; mal mag eine Brille ausreichen, mal muss es auch der
Computertomograph sein.
Die Bedeutung der medialen Kompetenz bei der Erhebung von Daten
zeigt sich bereits darin, dass gewöhnlich jeder in einem Objekt ein wenig
etwas anderes „sieht“, und setzt sich bis in die Interpretation von erfass-
ten Werten zum Beispiel über die Zusammensetzung von Legierungen
fort.4 Selbst und gerade die so realistisch wirkenden 3D-Rekonstruktionen
der Gussformen von der Qubbet el-Hawa sind ein Beispiel für die Gebro-
chenheit der Lesung von Informationen: Sie sind nichts anderes als nach

3
Der Bezug zum Klang ist hilfreich, um deutlich zu machen, dass „Materialität“
nicht zwingend das Vorliegen als Sache bedeutet, sondern jede wahrnehmbare
Manifestation meint. Zur Materialität des Klanges siehe: Schulze 2016.
4 Siehe die Diskussion der Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit von mit pRFA / pXRF
(Röntgenfluoreszenzanalyse) erfassten Daten zur Zusammensetzung von Metallen:
Orfanou / Rehren 2014.

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78 Tun und Wissen

unseren Sehgewohnheiten aufgeschlüsselte Messwerte, dazu noch von


eigentlich negativen, also hohlen Räumen (Abb. 4.1). Nie ist das Ergebnis
der Auseinandersetzung eine lineare Funktion des untersuchten, ange-
sprochenen Gegenstandes, sondern bereits durch den technischen Vor-
gang der Lesung – des Tuns – gebrochen. Was wir als Botschaft am Ende
einer solchen Auseinandersetzung extrahieren, ist in aller Regel wieder
ein materialisiertes Konstrukt (als 3D-Bild, Buch oder Bericht – also auch
wieder: Klang), das einem interessierten Publikum möglichst verständli-
che Informationen bietet. Wobei einige dieser Botschaften selbst wieder
bestimmter Kompetenzen bedürfen, um sie zu entschlüsseln. Dann z. B.,
wenn diese in Formeln, Diagrammen oder ähnlich visualisiert werden,
die man / frau / divers erst einmal verstehen muss. Andere hingegen
wirken so suggestiv, dass sie uns ihren Charakter als reine Datenwolke
geschickt verbergen, wie die erwähnten 3D-Rekonstruktionen. Letzteres
zeigt, dass auch die aus dem materiellen Medium extrahierten Daten und
ihre Botschaft wieder in Medien verschlüsselt vorliegen; in diesem Fall
in einer an ein Foto erinnernden, hoch suggestiven Abbildung. Auch um
diese kritisch zu lesen, bedarf es entsprechender medialer Kompetenzen.
Um Fehlinterpretationen vorzubeugen noch dies: Die Betonung der
Eigengesetzlichkeit der Medien, in denen wir jede Botschaft bergen, dient
nicht der Relativierung des Inhalts der Botschaft. Es dient vielmehr der
Präzisierung. Das Medium als Teil der message zu verstehen, hilft unge-
mein bei der Interpretation.

Materialien von der Qubbet el-Hawa


Das Konvolut von der Qubbet el-Hawa umfasst eine spezifische Gruppe
von Objekten, die wieder aus spezifischen Materialien bestehen. Der
Bestimmung dieser Materialien und damit der Erfassung der darin gespei-
cherten Daten hat das Bonner Projekt einige Aufmerksamkeit gewidmet.
Kurz zusammengefasst, stellen uns die Gegenstände folgende Informati-
onen zur Verfügung:

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Tun 79

Abb. 4.1.: Visualisierung der Gussform


QH 207/45 mittels Röntgen-Mikro-Com-
putertomographie (μCT). Die Rekonstruk-
tion beruht auf den Daten der tomo-
graphischen Aufnahme. Es wurde ein
virtueller Schnitt durch die Form gelegt,
deren Aufbau im Hintergrund sichtbar ist.
Die Hohlräume der Gussform sind virtuell
„geflutet“ und geben einen Eindruck der
für den Guss vorgesehenen Osirisfiguren
von etwa 13 cm Höhe. Da auch feine
Risse und Hohlräume in der Formmasse
ausgefüllt sind, entsteht der Eindruck
eines Rohgusses mit den charakteristi-
schen Graten, wie sie im Guss nach dem
Wachsausschmelzverfahren häufig auftre-
ten. Allerdings handelt es sich ausschließ-
lich um virtuell erzeugte Volumina, deren
Plastizität durch den virtuellen Schatten-
wurf noch unterstrichen wird. Das so dar-
gestellte Objekt selbst gibt es gar nicht; es
ist nur ein leerer Raum.

• Die verwendete Wachsmischung besteht fast ausschließlich aus Bie-


nenwachs. Die durch Fouriertransform-Infrarotspektroskopie (FTIR),
Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC/MS) und mittels
eines Raman-Spektrometers erhobenen Charakteristika zeigen alters-
bedingt veränderte Werte, stimmen im Muster aber mit rezenten Bie-
nenwachsproben überein (Abb. 4.2).5 Dem Wachs wurde ein rotes
Pigment noch unbekannter Herkunft beigemengt.
• Das Holz des Modelklotzes zur Herstellung von je drei Osirisfigür-
chen stammt von einem Stammstück der in Ägypten heimischen
Sykomore.6 Das zeigt die im Mikroskop sichtbare Zellstruktur (Abb.
4.3). In seiner Funktion als Modelklotz scheint der im Querschnitt
quadratische Stab bereits eine Zweitverwendung erlebt zu haben.

5 Baumer / Dietemann 2016; Geisler-Wierwille / Auenmüller 2016.


6
Tegtmeier 2016.

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80 Tun und Wissen

Abb. 4.2: Repräsentatives


Raman-Spektrum der
Osirisfigur QH 207/59_3
(unten) im Vergleich mit
einem Referenzspektrum
von modernem Bienen-
wachs (oben).

Abb. 4.3: Qubbet el-


Hawa. Modelstock (QH
207/37). Aufnahmen
(HDR-Keyence Mikros-
kop) vom Sykomoren-
holz (Ficus sycomorus),
Radialfläche.

Ursprünglich mag er als Teil eines Möbels, eines Gerätes oder auch in
einem architektonischen Zusammenhang verwendet worden sein.
• Das Material der drei Negativpatzen an diesem Modelklotz wurde
ebenfalls durch FTIR und GC/MS analysiert.7 Es besteht aus einer
Mischung von Pistazienharz (Mastix) und Wachs (Abb. 4.4).

7
Baumer / Dietemann 2016.

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Tun 81

Abb. 4.4: Gaschromatogramm der organischen Masse auf dem Modelklotz (QH 207/37)
(Ausschnitt). Hauptbestandteil der Formmasse sind oxidierte Triterpene aus Pistazien-
harz (Mastix), daneben zeigen sich typische Fettsäuren aus Bienenwachs. FC16 = Pal-
mitinsäure, FC18-1 = Ölsäure, FC18 = Stearinsäure, i-FC18 = Isostearinsäure, FC22 =
Behensäure, FC24 = Lignocerinsäure.

• Die Keramikmasse der Gussformen wurde mit dem Polarisationsmik-


roskop untersucht.8 Wie die Dünnschliffe zeigen, handelt es sich um
eine Mischung aus lokalen Sanden (Quarz und weitere Gesteine) mit
nur wenig tonigen Bestandteilen (Abb. 4.5). Eine derart „magere“
Masse ist in der zeitgenössischen Keramikproduktion unüblich, sie
ähnelt aber der Kernmasse von ägyptischer Fayence (Quarzkeramik).
Die Magerung, die von Schicht zu Schicht differiert, zeigen auch die
Röntgen-Mikro-Computertomographie (μCT) (Abb. 4.6).9 In diesen
lassen sich zudem die von organischen Magerungsbestandteilen wie
Häcksel hinterlassenen Hohlräume sowie Einsprengsel von feinen

8 Schneider 2016.
9
Meinel / Willer 2016.

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82 Tun und Wissen

Abb. 4.5: Polarisations-


mikroskopische Untersu-
chung von Fragment QH
207/55: a und b zeigen den
Übergang von der feineren
Schicht (rechts) zur gröbe-
ren Schicht (links).

Abb. 4.6: Visualisierung der Gussform QH 207/43 mittels Röntgen-Mikro-Computerto-


mographie (μCT): Links: Freigestellte Figur mit Schnittfläche. Rechts: Das Schnittbild der
Gussform zeigt einen vierschichtigen Aufbau des Gussformmantels mit unterschiedlich
fein bzw. grob gemagerten Zuschlägen (helle Pfeile). Im hohlen inneren Bereich der
Gussform sind vereinzelt anhaftende Bronzeperlen des misslungenen Gusses erkennbar
(dunkle Pfeile).

Metallspänen erkennen. Letzteres macht deutlich, dass die Bearbei-


tung fertiger Güsse – wobei solche Späne anfallen – und die Einfor-
mung von Wachsmodellen in räumlicher Nähe stattfanden.

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Tun 83

• Mittels Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) von Bohrproben10 konn-


ten als Hauptbestandteile der vergossenen Schmelze Kupfer und Blei
identifiziert werden (Abb. 4.7).11 Inwieweit weitere Elemente, die in
den Proben nachgewiesen wurden, auf intentionale Zugabe zurückzu-
führen sind, ist unklar. Überhaupt fällt die Heterogenität der Metalle
auf, insbesondere die stark schwankenden Bleianteile. Dennoch sind
alle verwendeten Legierungen als Bleibronzen anzusprechen.
• Die Herkunft des Kupfers kann man zur Zeit auf naturwissenschaft-
lichem Wege nur schwer eingrenzen. Über den Abgleich mit der
archäologischen Forschung lässt sich der Abbau der Erze in Zypern
wahrscheinlich machen, da die dortigen Minen in der Mitte des 1.
Jahrtausends v. u. Z. in Betrieb waren, während andere Vorkom-
men rund um Ägypten (Sinai, Feinan, Gebirge am Roten Meer) nicht
mehr ausgebeutet wurden. Demgegenüber lässt sich das verwendete
Blei durch Bestimmung der Variation der Isotopen (bedingt durch
die Vergesellschaftung mit Uran und Thorium) recht gut bestimmten
Lagerstätten zuweisen. Demnach stimmen die Signaturen der Pro-
ben besonders mit solchen aus Bleivorkommen in der Ägäis (Laurion,
Thasos) überein. Insgesamt deutet die Varianz der Bestandteile aber
auch darauf hin, dass neben einer bestimmten Menge relativ frischen
Metalls in größerem Umfang Altmetall verwendet wurde, in dem sich
daher auch Charakteristika sehr viel älterer Förderplätze finden kön-
nen.12
• Die visuelle Auswertung, die einerseits aus dem direkten Betrachten
der Objekte, dann auch Mittels Fotografien und schließlich den auf
der Grundlage von μCT-Daten erstellten 3D-Bilder erfolgte, ergänzte
die durch die Keramikanalyse gewonnenen Informationen über den

10
Die Entnahme von Proben aus dem Inneren der Objekte ist notwendig, um bei der
Messung tatsächlich Informationen über die Transformation der Materialität aus
dem Herstellungszusammenhang zu erhalten, und nicht aus dem Kontext von Korro-
sionsvorgängen an dessen Oberfläche.
11 Schwab / Willer 2016.
12
Schwab / Willer 2016.

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84
Tun und Wissen
Abb. 4.7: Chemische Zusammensetzung der analysierten Gusslegierungen (alle Angaben in Masseprozent). Die Konzentrationen von
Mn (<0,01), Se (<0,01), Zn (<0,2), Cd (<0,01), Te (<0,005) liegen unter der jeweils in Klammern angegebenen Nachweisgrenze
und sind daher nicht in der Tabelle aufgeführt.
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Tun 85

Aufbau der Gussformen.13 Darüber hinaus erlauben die gewonnenen


Ansichten innenliegender Strukturen die Untersuchung der in den
Formen vorhandenen Hohlräume und Materialreste (Wachs, Metall).
Sie zeigen in kaum zu übertreffender Klarheit, wie die Wachsmodelle
aufgebaut und schrittweise mit Formmasse ummantelt wurden, wie
es zum Guss und dabei auftretenden Gussfehlern kam. Nur durch die
Untersuchung der innenliegenden Strukturen wurde schließlich die
Beobachtung der Reparaturtechnik im Überfangguss möglich (dazu
noch unten) (Abb. 4.8). Wobei hier eine rein visuelle Beobachtung
den Anstoß gab, vorhandene Theorien zu überdenken: Frank Willer
hatte bei der Probenentnahme entdeckt, dass eines der in Formmasse
eingebetteten Fragmente von Osirisfiguren eine Vergoldung besaß,
was die Untersuchung mittels pRFA bestätigen konnte. Da Vergol-
dungen erst nach dem Guss aufgebracht werden, konnten die Frag-

Abb. 4.8: Gussform QH 207/39: Das Formmaterial wurde virtuell entfernt. Sichtbar sind
die Fragmente der Fußteile von drei Osirisfiguren aus Bronze sowie deren in Wachs
aufmodellierten Oberkörper. Die vierte, auf dem Kopf stehende Osirisfigur ist ein zer-
brochener Hohlguss.

13
Meinel / Willer 2016.

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86 Tun und Wissen

mente nicht von Fehlgüssen (in dieser Gussform) stammen, sondern


es musste sich um Fragmente von älteren Güssen handeln, die erneut
eingeformt worden waren.

Soweit zu dem, was in Form von Daten aus den Dingen extrahiert werden
konnte. Es stellt sich nun die Frage, wie kamen diese Daten in die Objekte
hinein bzw. präzisiert formuliert: Durch welche Vorgänge wurden die
Objekte in ihrer Materialität Medien, aus denen wir diese Informationen
extrahieren und zu Daten kondensieren können? Dem im vorangegange-
nen Kapitel Geschriebenen folgend, ist dies durch Techniken geschehen.

4.2. Techniken

Das Wachsausschmelzverfahren ist eine Abfolge von eng miteinander in


Beziehung stehenden technischen Teilschritten (Abb. 4.9):14
a) Techniken der Wachsmodellherstellung;
b) Techniken der Einformung;
c) Techniken des Ausbrennes / Formbrennens;
d) Techniken des Gusses (einschließlich Schmelztechniken);
e) Techniken des Freilegens;
f) Techniken der Kaltarbeit (Ziselieren, Patinieren usw.).

Mit Bedacht ist bei jedem Teilschritt Technik im Plural verwendet, denn
es stehen immer mehrere Varianten des jeweiligen Prozesses zur Verfü-
gung. Das beginnt bereits bei der Modellherstellung. Wachsmodelle kön-
nen durch freies Modellieren gestaltet werden, was bei diesem Verfahren

14
Dabei werden alle vor dem eigentlichen Gussprozess liegenden Elemente der châine
operatoire (Prospektion, Schürfung, Verhüttung, Transport etc.) hier ausgeblendet,
da zu diesen keine Daten aus den in Bonn untersuchten Objekten erhoben werden
können. Dasselbe betrifft den Gussprozess im engeren Sinne, da die hierfür benötig-
ten Geräte und Installationen – Tiegel, Zangen, Schmelzöfen etc. – nicht im Konvolut
vertreten sind.

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Tun 87

Abb. 4.9: Das Prinzip des Wachsauschmelzverfahrens:


a) Ein Wachsmodell wird hergestellt, z. B. aus einer Model gewonnen.
b) Das Wachsmodell wird mit einem ebenfalls aus Wachs bestehenden Eingusssystem
versehen, in diesem Fall nur mit einem Eingusstrichter.
c) Wachsmodell und Eingusssystem werden eingeformt, indem sie mit einer Formmasse
umgeben werden. Diese kann in mehreren Schichten aufgetragen sein.
d) Brennen der Form und Ausschmelzen bzw. Verbrennen des Wachses.
e) Guss in die nun hohle Form.
f) Abschlagen der Form und Freilegung des Gussstückes.
g) Das Eingusssystem wird entfernt und das Gussstück überarbeitete (ziseliert) sowie
gefärbt (patiniert).

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auch bedeutet, dass jenes Wachsmodell genau nur einmal eingeformt und
damit nur einmal gegossen werden kann – mit der Gefahr, dass das Stück
bei einem Fehlguss gänzlich verloren ist. Will man mehrere Güsse von
einem Urmodell anfertigen und zugleich dieses Urmodell erhalten, muss
es mittels einer Negativform abgeformt werden. Sehen wir uns die Mög-
lichkeiten am Beispiel des Befundes von der Qubbet el-Hawa an:15

Techniken der Wachsmodellherstellung


Eine eher einfache Negativform stellt die einseitige Model QH 207/35 dar,
die zur Ausformung von Osirisformen genutzt wurde (Abb. 2.6.a). Wachs-
modelle flacher Objekte, bei denen es keine „Hinterschneidungen“16 gibt,
können aus einem solchen einteiligen Negativ gewonnen werden. Die-
ses Verfahren ist in der Keramikproduktion gut belegt, um z. B. Appli-
kationen in Ton auszuformen. Auch können so Amulette, plastischer
Bauschmuck und schließlich Plastiken aus Ton hergestellt werden.17 Das
Bonner Exemplar ist einseitig, besitzt also nur eine Vorderseite. Streng
genommen handelt es sich bei solchen einseitig modellierten Objekten
um Hochreliefs, die sich durch Überarbeitung der Rückseite aber auch
in eine Rundplastik modifizieren ließen. Man konnte zu einem solchen
Negativ einer Vorderseite natürlich auch das der Rückseite anfertigen
15 Zu den im Folgenden herangezogenen Gussstücken aus dem Bonner Konvolut siehe
auch die Beobachtungen Willer / Meinel 2016 und Fitzenreiter / Willer / Auenmüller
2016.b. Eine der ausführlichsten und am besten illustrierten Darstellungen der
Techniken und Geschichte des Bronzegusses ist Lüer 1902. Siehe komplettierend
die Beobachtungen zum Herstellungsprozess ägyptischer Metallfiguren, die in Heinz
2014 anhand von Bronze- und Bleigüssen aus Thonis-Herakleion vorgestellt werden
(mit Diskussion der bis dato vorliegenden Literatur).
16
Von „Hinterschneidung“ spricht man, wenn ein plastisches Detail über eine als
Hauptnaht gesehene Linie hinausragt und damit in den dahinter liegenden Raum
„schneidet“. In diesem Fall bildet sich bei der Abformung ein Volumen, dessen Aus-
formung nicht einfach aus der Form gehoben werden kann. Leichte Hinterschnei-
dungen lassen sich abformen, indem man elastische Formmassen (Leim, Gelatine,
Gummi, Silikon) verwendet, aus denen sich diese Details mit leichtem Druck heraus-
ziehen lassen; bei starken Hinterschneidungen oder der Verwendung starrer Form-
massen (Stein, Gips, Keramik) müssen diese Details so abgeformt werden, dass man
die Form stückweise auseinander nehmen kann (sogenannte Stückformen).
17
Beispiele bei: Loeben 2014.

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Tun 89

und so eine rundplastische Figur erhalten. Für plastisch kompliziertere


Objekte wurden in der Antike daher mehrteilige Teilform hergestellt, die
solche Stücke von allen Seiten abformen.18 Im Bonner Konvolut ist zudem
mit dem Modelklotz QH 207/37 ein unkonventionelles Verfahren belegt,
bei dem man einen im frischen Zustand plastischen Materialmix aus Pis-
tazienharz (Mastix) und Wachs benutzte, um einfache Modelle für kleine
Osirisfiguren in Serie zu gewinnen (Abb. 2.6.b).
Techniken der Wachsherstellung unterscheiden sich auch dahinge-
hend, ob das spätere Objekt als Vollguss oder als Hohlguss ausgeführt
werden soll. Während Wachsmodelle für Vollgüsse auch selbst massiv
aus Wachs bestehen und damit relativ einfach herzustellen sind, ist die
Fertigung von Wachsmodellen für Hohlgüsse deutlich komplizierter.
In diesem Fall muss das Wachsmodell genau die Wandstärke besitzen,
die der spätere Metallguss auch haben soll,19 ist also ebenfalls hohl
anzufertigen. Dies erreicht man entweder, indem man einen sogenann-
ten Kern aus Ton modelliert, in dem die Volumina der Figur bereits
summarisch angelegt sind. Dieser wird dann mit einer dünnen Wachs-
schicht überzogen, die genau die Stärke der zukünftigen Metallwand
hat. In und auf diese Wachsschicht werden alle Details der Darstellung
modelliert.
Bei der Arbeit mit Negativformen kann auch umgekehrt verfah-
ren werden. Durch das Auspinseln einer offenen Negativform mit
Wachs wird eine entsprechend starke Schicht von der Oberfläche des
zukünftigen Gussstückes her aufgebaut. Einen solchen Hohlkörper
kann man auch herstellen, indem die geschlossene Negativform mit
flüssigem Wachs gefüllt wird. Nach einer kurzen Pause wird das noch
nicht erstarrte Wachs ausgegossen und es setzt sich eine Schicht in
der gewünschten Stärke an den Wänden ab. Alle Details der Darstel-

18
Siehe die aus Gips gefertigten Teilformen für Wachsmodelle aus einer memphitischen
Gusswerkstatt: Rabe 2011.
19 Genau genommen ist mit einer Schwindung des Volumens von 1-3 % zu rechnen,
was aber bei den kleinformatigen Objekten kaum eine Rolle spielt.

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90 Tun und Wissen

lung, die ja bereits in der Negativform angelegt sind, erscheinen auf der
Oberfläche der Wachsschicht.
Auch der so entstandene Hohlkörper wird mit einem Kern gefüllt,
da sonst beim Guss der Hohlraum komplett vom Metall geflutet
würde. Um diesen Kern nach dem Ausschmelzen des Wachses in seiner
ursprünglichen Position sozusagen schwebend zu fixieren, muss er in
beiden Varianten vor dem Einformen mit einigen Stiften oder Nägeln
versehen werden, die etwa zur Hälfte durch die Wachsschicht bis in
den Kern gedrückt werden. Der außen, über der Wachsoberfläche lie-
gende Teil dieser Nägel wird beim Einformen dann vom Formmantel
umbettet. Ist der obere Teil der Stifte in der Form verankert und der
untere Teil im Kern, halten die Stifte den Kern in der Form schwebend
an seinem Platz, wenn die Wachsschicht zwischen Formmantel und
Kern ausgeschmolzen ist. Kommt es zum Verrutschen der Nägel oder
bricht der Kern, kann dieser dennoch an die Innenwand der Gussform
klappen, so dass an diese Stelle kein Metall fließen kann. Die Folge sind
größere Gussfehler.
Im Bonner Konvolut gibt es nur einen Hohlguss, der sich aber nicht
in einer originalen Gussform befindet, sondern zusammen mit drei wei-
teren Figuren – diese sind alle Vollgüsse – in einer der sogenannten
Reparaturformen (Abb. 4.10). Ein großes Loch im Bereich des Rückens
deutet darauf hin, dass hier der Kern gebrochen war. Die Statuette zeigt
auch, wie extrem dünnwandig Hohlgüsse ausgefertigt werden konnten:
die Wandstärke beträgt kaum mehr als 1–2 mm.
Sind so die Wachsmodelle gewonnen, werden sie mit Zuläufen ver-
sehen, die das Einfließen des Metalls ermöglichen sollen. Auch diese
Zuläufe werden aus Wachs gefertigt und bilden, wenn das Wachs aus-
gebrannt ist, Hohlräume, die als Kanäle für das einfließende Metall die-
nen. Prinzipiell sind zwei Varianten denkbar, nach denen Metall in eine
Form strömt. Beim fallenden Guss fällt das Metall von der Schwerkraft
getrieben von oben her in die Form ein und drückt die eingeschlossene
Luft entweder durch die semiporöse Formwand oder über ein Entlüf-

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Tun 91

Abb. 4.10: Ansichten der hohl gegossenen Osirisstatuette in Form QH 207/39 auf ver-
schiedenen Schnittebenen. Erkennbar ist ein großes Loch im Schulterbereich, dass durch
einen Bruch des Kerns vor dem Guss verursacht wurde. Die Figur wurde zur Reparatur
im Überfangguss vorbereitet, indem man den abgebrochenen Kopf mit einem Metall-
stift fixierte, einen (ursprünglich nicht zugehörigen) Fußteil anfügte und den Körper
mit einer dünnen Wachsschicht umgab. In den nach dem Ausbrennen der (hier nicht
sichtbaren) Wachsschicht entstandenen Hohlraum sollte Bronze fließen, die wie eine
Manschette die Figur umgeben und ergänzen sollte.

tungssystem aus dem Hohlraum heraus (Abb. 4.11.a). Beim steigenden


Guss wird das flüssige Metall durch einen Kanal erst am Gussstück vor-
bei geführt und steigt dann vom tiefsten Punkt aus in die Form auf.
Dabei wird die Luft nach oben über eine Entlüftung bzw. zu den Seiten
durch die semiporöse Formwand aus dem Hohlraum gedrängt (Abb.

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4.11.b). Beide Verfahren haben ihre Vorteile und Eigenheiten.20 In der


mit dem Konvolut von Qubbet el-Hawa verbundenen Werkstatt wurde,
soweit bisher bekannt, nur im fallenden Guss gearbeitet. Auch hat man
ganz auf ein eigenes Abluftsystem verzichtet. Offensichtlich war die
Formmasse porös genug, um die Luft des Negativraumes abzuleiten,
jedenfalls in den meisten Fällen. Bei einigen der Fehlgüsse spielte aber
wohl auch die schlechte Luftableitung eine Rolle, entweder, weil es
keine Entlüftungen gab, oder, weil die Formmasse noch mit Resten
von nicht verbranntem Wachs verunreinigt war und so nicht die nötige
Luftdurchlässigkeit besaß.

Abb. 4.11: Varianten von


Eingusssystem und Gussverfahren:
a) Fallender Guss; b) Steigender
Guss. Rot: Eingusssystem;
Blau: Abluftsystem.

20 Der fallende Guss erlaubt eine relativ geringe Gusstemperatur, dafür droht die
Gefahr, dass sich im unteren Bereich der Form Luftblasen bilden. Außerdem ist die
einschießende Schmelze oft sehr unruhig und kühlt ungleichmäßig ab, was zu Lun-
kern führt (schwammige oder löchrige Partien). Auch werden Verunreinigungen
direkt in den Gusskörper gespült. Im steigenden Guss füllt sich die Form gleichmäßi-
ger, die Schmelze ist ruhiger und Verunreinigungen können besser verhindert wer-
den. Dafür muss die Gusstemperatur höher liegen bzw. genauer bestimmt werden
und das Eingusssystem ist kompliziert und störungsanfällig.

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Tun 93

Techniken der Einformung


Ist das Wachsmodell in dieser Weise vorbereitet, wird es eingeformt, d.h.
gänzlich mit einer speziellen Formmasse umgeben. Diese Masse muss
mehrere, in gewissem Sinne sich widersprechende Eigenschaften besit-
zen. Einerseits muss sie hart genug sein, um mechanischen Beanspru-
chungen während des Ausbrennens und des Gießens zu widerstehen, soll
sich aber anschließend auch leicht vom Gussstück entfernen lassen, ohne
dass dieses dabei beschädigt wird. Sie muss dicht sein, damit kein Metall
beim Gussvorgang aus der Form fließt, aber auch porös, damit die im
Moment des Gusses vom Metall verdrängte Luft und beim Guss entste-
hende Gase durch die Wandung entweichen können. Sie muss stabil sein,
um dem Gussdruck standzuhalten, und doch elastisch genug, um Deh-
nungen zuerst des Wachsmodells während des Ausbrennens und dann
des Metallstückes beim Guss auszugleichen. Zuletzt muss die Masse die
Oberfläche des Gussstückes so detailliert und fein im Negativ abbilden,
wie nur irgend möglich.
Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, experimentieren
Gießereien mit vielfältigen Formmassen und auch Methoden des Ein-
formens. So kann man die Formmasse in halbflüssigem oder pastosem
Zustand aufpinseln und -modellieren, man kann sie über mehrmaliges
Eintauchen des Wachsmodelles in flüssige Formmasse und anschlie-
ßendes Trockenen der Schichten schrittweise aufbauen oder durch
einmaliges Umgießen des in einen Kasten gestellten Wachsmodells
herstellen. Die Gießer der Qubbet el-Hawa nutzten ein sehr entwickel-
tes Verfahren, indem sie zuerst eine fein geschlämmte dünne Schicht
Formmasse aus Nilton auf das Wachsmodell auftrugen. Diese Schicht
kann noch die feinsten Details kantenscharf abbilden, ist in getrockne-
tem Zustand allerdings relativ hart und spröde, neigt also bei Erhitzung
und Abkühlung zur Rissbildung. Deshalb wurde diese Schicht so dünn
wie nötig gehalten und mit einer weiteren Schicht umgeben, die aus
stärker gemagertem, das heißt mit nicht Wasser bindenden Substan-
zen versehenem, Nilschlamm besteht. Durch ihren Anteil an Sand und

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Gesteinspartikeln war diese Schicht weniger dicht und hart, dafür aber
elastisch und in gewissem Maße gasdurchlässig. Je nach Gussstück
konnte nun noch eine dritte, wieder stärker gemagerte Schicht auf-
getragen werden und in einem Fall – bei der Isis-Harpokrates-Gruppe
QH 207/43 – sogar eine vierte (Abb. 4.6). Organische Bestandteile wie
Pflanzen- oder Textilfasern, Haare etc., die beim Erhitzen der Form ver-
brennen, hinterließen ein System feiner Hohlräume, das die Elastizität
und Gasdurchlässigkeit der Form förderte. Das System der verschiede-
nen Schichten konnte die jeweils für die Gusstechnik positiven Eigen-
schaften der verschiedenen Formmassen kombinieren und zugleich
ihre negativen Eigenschaften minimieren – wenn man es verstand, die-
ses System sachgerecht aufzubauen.

Techniken des Ausbrennes / Formbrennens


Das eingeformte Gussstück wird nun erhitzt, wobei sich das Wachs ver-
flüssigt und aus dem Eingusstrichter der (kopfstehenden) Form fließt
bzw. verbrennt. Dass diese Verbrennung vollständig gelingt, ist für den
Guss extrem wichtig. Sollten nämlich Wachsreste in der Form verbleiben,
so verdampfen diese schlagartig in dem Moment, in dem sie mit dem
flüssigen Metall mit einer Gusstemperatur über 1000 °C in Berührung
kommen. Die Folge sind Turbulenzen im Metallfluss, die zum explosi-
onsartigen Bersten der Form, zum Herausschleudern flüssigen Metalls
oder wenigstens einer porösen, „schaumigen“ Gussoberfläche führen.
Beim Brennen wird außerdem das Wasser aus dem Gefüge der Form-
massen entfernt und diese so keramisch hart. Damit die Form nicht beim
Ausbrennen durch den Druck des sich verflüssigenden Wachses – des-
sen Volumen sich beim Erhitzen vergrößert – reißt, muss sie langsam
aufgeheizt werden. Durch das Ableiten des austretenden Wachses kann
wenigstens ein Teil des Modellwachses zurückgewonnen werden. Durch
anschließendes Erhöhen der Temperatur werden die Form hart gebrannt
und die letzten Wachsreste ausgebrannt. Erst, wenn keine Flammen mehr
aus der Form schlagen und die Keramik im Inneren der Formen „sauber“

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Tun 95

erscheint, kann davon ausgegangen werden, dass sich kein Wachs mehr
in der Form befindet. Je nach Zusammensetzung der Formmasse muss die
Form noch länger und bei höherer Temperatur gebrannt werden, um die
Keramik auszuhärten.

Techniken des Gusses


Die ausgebrannten Gussformen sind nun dort hohl, wo später Metall
einfließen soll. Zum Guss werden sie üblicher Weise in Gruben oder
Behältern so platziert, dass die Eingussöffnung nach oben zeigt. Nun
wird Metall in feuerfesten Tiegeln geschmolzen und zügig in die Guss-
formen gefüllt, die mitunter selbst noch einmal erhitzt werden, um das
einströmende Metall länger fließbar zu halten. Leider sind wir nicht über
das eigentliche Gussverfahren der auf der Qubbet el-Hawa gefundenen
Objekte unterrichtet, da sich in der Umgebung der Anlage keine Reste
von Schmelzöfen und den entsprechenden Gerätschaften wie Tiegeln und
Tondüsen von Belüftungsanlagen fanden.

Techniken der Kaltarbeit


In einem letzten Schritt wird die Gussform vom erkalteten Metall abge-
schlagen, weshalb im Deutschen auch vom Guss in verlorener Form gespro-
chen wird. Das Gussstück muss nun noch gesäubert und seine Oberflä-
che ziseliert – also überarbeitet – und gelegentlich auch patiniert – also
gefärbt – werden. Weitere Bearbeitungsschritte der Endfertigung können
das Einlegen mit anderen Metallen wie Gold, Silber oder reinem Kup-
fer – das Tauschieren – sein, oder es werden Elemente aus Keramik, Glas
und Stein eingelegt. Gusselemente können untereinander und mit Teilen
aus Holz oder anderen Materialien zu Kompositfiguren verbunden wer-
den. Zuletzt werden die Objekte gesockelt oder in anderer Weise auf ihre
Funktion vorbereitet.

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96 Tun und Wissen

4.3. Technologien

Da dieses Verfahren also aus einer großen Anzahl technischer Teilschritte


besteht, für die es zudem immer mehrere Möglichkeiten der Realisierung
gibt, kann die Betrachtung das Wachsausschmelzverfahren nicht auf Fra-
gen der Technik reduzieren. Man muss vielmehr auch die technologische
Durchdringung des Vorganges in den Blick zu nehmen. Das Verfahren
verlangt in seiner an der Qubbet el-Hawa praktizierten Form einen Wis-
sensaustausch, der mit der Meisterung von insbesondere drei technolo-
gisch hoch anspruchsvollen Phänomenen in Zusammenhang steht. Dies
sind
a) die Herstellung synthetischer Materialien;
b) die thermischen Stoffumwandlung und
c) das Positiv-Negativ-Verfahren.

Synthetische Materialien
Der biologisch gesehen moderne Mensch – der homo sapiens – erfährt eine
grundlegende Transformation seines Selbst mit dem Übergang von der
aneignenden zur produzierenden Lebensweise, ein Prozess, der von der
Forschung mit der Epoche des Neolithikums / der Jungsteinzeit korreliert
wird.21 Beruhte die menschliche Lebensform bis dahin auf Jagen sowie
Sammeln von gegebenen Ressourcen und war weitgehend allgemeinen
Prinzipien des Stoffwechsels in der Natur gemäß, ging der Menschen nun
dazu über, einige der benötigten Ressourcen planvoll selbst zu erzeu-
gen. Der im vorangegangenen Kapitel erwähnte alte, auf die Bodenkul-
tur bezogene Begriff der Kulturwissenschaft erfährt in diesem Zusam-
menhang eine besondere Bedeutung, sind es doch gerade Techniken der
Lebensmittelproduktion, die nun kulturgestaltende Potenzen entwickeln.
Die auf einer planbaren Ressourcenerzeugung beruhenden kulturellen
Beiprodukte der Lebensmittelerzeugung reichen von der Etablierung

21
Otten / Kunow / Rind / Trier 2015.

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Tun 97

neuer, dauerhafter und größerer Siedlungsformen bis zu einer immensen


Steigerung der Population. Das wiederum bewirkt eine ganz neue Art
der Nutzung der Umwelt, einen verstärkten Druck auf die vorhandenen
Ressourcen, auch Veränderungen der menschlichen Physis, Krankheiten
– Zivilisationskrankheiten – eingeschlossen. Spätestens jetzt verlässt der
Mensch den Rahmen des natürlichen Ressourcenkreislaufes und etabliert
eigene Regeln, deren Folgen neuerdings mit dem Begriff des Anthropo-
zäns erfasst werden.22
Dieser Weg in die Kultur war lang und hat lange vor dem Neolithi-
kum mit dem Aufkommen von typischen, immer mehr auf die Spezies
der Menschen beschränkten Techniken und deren Produkten begon-
nen. Zeugnisse solcher Techniken auch mit symbolischem Mehrwert,
wie etwa Malerei und Rundbild, gibt es bereits vor dem Epochenum-
bruch der sogenannten neolithischen Revolution, so dass dieser nur
als ein Hilfsbegriff dienen kann, um die elementaren Transformatio-
nen zu beschreiben, denen sich Mensch und Natur ausgesetzt sahen.23
Ein wesentlicher Aspekt dieses Transformationsprozesses ist, dass
Menschen nicht mehr nur die vorgefundenen, natürlichen Ressourcen
nutzen, sondern in der Auseinandersetzung mit dem Gegebenen ganz
Neues schaffen. Das betrifft die Domestikation und schließlich Zucht
von neuen Pflanzen und Tieren wie auch – und hier von besonderem
Interesse – die Herstellung neuartiger Materialien. Brotteig und Kera-
mikmassen kommen in der Natur genauso wenig vor, wie Gusslegie-

22
Zur steilen Karriere des Begriffs Anthropozän siehe: < https://de.wikipedia.org/
wiki/Anthropoz%C3%A4n > (26.09.2018).
23
Es ist inzwischen viel Tinte darüber geflossen, ob man diesen Umbruch mit Gordon
Childe als „Revolution“ bezeichnen darf. Haben sich die angesprochenen Prozesse
doch über einen mehrtausendjährigen Zeitraum und ohne ein erkennbar kontinu-
ierliches Muster in weit entfernt liegenden Regionen oft unabhängig voneinander
zugetragen. Betrachtet man allerdings die Dauer des Zeitraums der aneignenden
Wirtschaftsweise der Hominiden davor, der mehrere hunderttausend Jahre umfasst,
erweist sich das Argument der Zeit als relativ. Die kulturellen Veränderungen sind
in jedem Fall revolutionär; dialektisch-marxistisch formuliert: sie bedeuten den
Umschlag in eine völlig neue Qualität, eine neue Wirtschaftsweise, neue soziale Ord-
nungen und damit neue kulturelle Erscheinungen.

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98 Tun und Wissen

rungen. Es sind neuartige Stoffe, die nur von Menschen geschaffen wer-
den. Sie entstehen im Zuge der Auseinandersetzung des Menschen mit
vorgefundenen Materialien, die umgewandelt, gereinigt und vermischt
werden, um bestimmte Eigenschaften gezielt zu entwickeln.24 Wenn
man den etwas modischen Begriff der Hochtechnologie in Anschlag brin-
gen möchte, dann trifft dieser genau auf solche Vorgänge zu. Die Erzeu-
gung von Gär- und Backmischungen war eine der ersten tatsächlich
schöpferischen Akte des Menschen. Dem stehen ähnliche Prozesse zur
Seite, in denen Töpfermassen entwickelt wurden und davon ausgehend
so hochspezialisierte keramische Materialien wie die zur Quarzkera-
mik- und Glasproduktion sowie zur Gussformenherstellung. Schließ-
lich sind auch die aus den Erzen gewonnenen Metalle Erzeugnisse
menschlicher Syntheseverfahren, diesmal der Stoffbereinigung (wenn
man den deus-ex-machina Meteoreisen einmal unberücksichtigt lässt);
die Anmischung von Treib-, Schmiede- und Gusslegierungen sowieso.

Thermische Stoffumwandlung
Diese Materialien entstehen, weil sich neue Techniken der Auseinander-
setzung von Menschen und Dingen etablieren und nur durch Praktizierung
dieser Techniken sind die neuen Materialien auch für Menschen nutzbar.
Eine ganz besondere Technik ist die der thermischen Stoffumwandlung
bzw. das ganze Spektrum von mit der Manipulation von Temperaturen
verbundenen Techniken. Dass durch Erhitzen Veränderungen im Gefüge
von Stoffen bewirkt werden, bis hin zum Wechsel des Aggregatzustandes,
kann in der Natur beobachtet werden (Eis, Wasser, Dampf; Gesteinsver-
änderungen durch Vulkanismus etc.); diesen Vorgang durch Technik zu
kontrollieren, ist eine kulturelle Errungenschaft und das Ergebnis eines

24
Fitzenreiter 2014.a. Wobei einzuschränken ist, dass z. B. Insekten durchaus syntheti-
sche Materialien herstellen können (Wespen stellen Papier her, Termiten Beton etc.),
die hier aber als Stoffwechselprodukte des eigenen Körpers klassifiziert werden. Sol-
che und andere und auch die eigenen Stoffwechselprodukte werden von Menschen
auch genutzt, z. B. als Dünger oder in der zeitgenössischen Kunstproduktion: <
https://de.wikipedia.org/wiki/Merda_d%E2%80%99artista > (28.09.2018).

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Tun 99

langen Austauschprozesses von Menschen und Dingen. Die Beherrschung


des Feuers, in dem sich die thermischen Kräfte in einer für Menschen
erfassbaren Weise manifestieren, hat außerordentliche Auswirkungen
auf die menschliche Lebensform und wird entsprechend auch kulturell
reflektiert. Zusammen mit anderen Entitäten und Phänomenen – häufig
Erde, Wasser und Luft (= Wind) – wird das Feuer als eine Materie, eine
Substanz konzeptualisiert. Die technische Auseinandersetzung mit dieser
so geheimnisvollen Substanz, deren besondere Eigenschaft es ist, Dinge
völlig zu verändern, wird zu einem wesentlichen Generator kultureller
Bewegung. Fast alle erwähnten synthetischen Stoffe – vom Brotteig bis
zum Stahl – sind nur über thermische Behandlungen zu manipulieren.
Die Beherrschung der thermischen Vorgänge ermöglicht Technologien,
die reproduzierbare Verfahren dieser Verarbeitungen erbringen.

Positiv-Negativ-Verfahren
Sind diese beiden Kriterien – Material und Thermik – noch mit einer Viel-
zahl von Techniken verbunden, die im Zuge der neolithischen Revolu-
tion von den Menschen angeeignet werden, vom Nahrungkochen bis zum
Keramikbrennen, so ist das dritte Kriterium bereits eng mit den formge-
benden Techniken verbunden, die im Umfeld des Wachsausschmelzver-
fahrens Verwendung finden.
In der Spur – dem wie auch immer entstandenen Abdruck – das
zu erkennen, was den Abdruck hervorgerufen hat, ist eine immense
kognitive Leistung. Es ist ein längerer Prozess der Auseinandersetzung
zwischen dem Menschen und dem gegebenen Abdruck vorauszusetzen,
in dem ein reflexives Repertoire aufgebaut wird, aus dem sich eine
spezielle Technik des Lesens – und damit ein Wissensaustausch, eine
Technologie des Verstehens – solcher Spuren konstituiert. Im Negativ-
Positiv-Verfahren wird nun noch ein weit bedeutenderer Schritt getan:
das, was immer den Abdruck hervorgerufen hat, durch einen erneuten
Abdruck wieder aus der Spur herauszuholen. Prinzipiell ist dieser Vor-
gang natürlich wieder eine natürliche Gegebenheit, aber erst im Zuge

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100 Tun und Wissen

des kognitiv-verarbeitenden Wissensaustausches kann er sich als repro-


duzierbare Technik in menschlicher Handlung verfestigen. Und bei
kaum einer anderen Technik lässt sich wohl besser deutlich machen,
dass diese gewiss nicht erfunden wurde, um die Lösung für irgendein
Problem zu sein. Es bedurfte wohl ausgesprochen serendipärer, ziellos
suchender Verknüpfungen von Vorfällen, bis sich im Abdruck ein Mittel
zur Reproduktion eines Urmodells fand – und mit diesen Reprodukti-
onen irgendetwas anzufangen. Ein noch längerer Weg wird es zuletzt
gewesen sein, bis man die doppelte Verneinung des Volumens in den
Hohlräumen von Wachsmodellmodel und Gussform als Lösungsansatz
zur Reproduktion von plastischen Objekten heranzog.

Das bis hier Gesagte rekapitulierend, kann das Wachsausschmelzverfah-


ren – pathetisch, doch ohne Übertreibung – als absolute Steigerung der
drei aufgeführten Kriterien angesehen werden. Werden sie doch mehr-
fach und in Abstimmung miteinander bewältigt:
• Es sind synthetische Materialien für das Modell, die Wachsnegativ-
form, das Wachsmodell, die Formmasse und schließlich die Gussle-
gierung nötig, zuletzt auch noch spezielle Lösungen zur Patinierung
(diese Elixiere werden später noch von Interesse sein).
• Es gibt mindestens zwei thermische Stoffwandlungen; die des Aus-
brennens, bei der ein Wachsmodell verbrannt wird, und natürlich das
Metallschmelzen zum Guss. Fallweise wird bereits das Wachsmodell
durch Gießen mit flüssigem Wachs in eine Negativform erzeugt.
• Extrem kompliziert ist schließlich der Positiv-Negativ-Prozess, der
eben nicht in einem einfachen Abdrücken / Stempeln, nicht ein-
mal nur im Abgießen besteht. Er impliziert eine als leerer Raum,
als Nichts konstituierte Zwischenstufe, in der das zukünftige Objekt
vorher„gesehen“ ist.

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Wissen 101

5. Wissen

Wie anspruchsvoll die im vorangegangenen Kapitel beschriebene Kom-


bination von Techniken ist, zeigt sich daran, dass es nicht involvier-
ten Menschen äußerst schwer fällt, das Verfahren zu verstehen (und
wahrscheinlich manche Leserinnen und Leser den im vorangegangenen
Kapitel stehenden Abschnitt zu den Techniken partiell mehrmals lesen
müssen oder schlicht überspringen). Gerade der Positiv-Negativ-Prozess
bildet eine kognitive Schwelle, die nicht so leicht überwunden werden
kann. Doch ist diese Schwelle interessanter Weise genau durch prakti-
sche Involvierung zu senken: Hat man die Techniken, z. B. bei einem
experimentellen Guss, selbst auch nur einmal praktiziert, dann ist auch
das Prinzip in aller Regel verstanden. Dieser Aspekt – den wir ja jederzeit
an unschuldigen Menschen im Experiment nachvollziehen können – wirft
ein interessantes Licht auf die Kausalitäten beim Umgang mit Technik:
Nicht in der Erklärung liegt der Königsweg (und schon gar nicht darin,
sich etwas auszudenken, zu erfinden), sondern über das Praktizieren voll-
zieht sich die praktische wie auch die kognitive Aneignung. Oben war dies
mit der Notwendigkeit bereits angesprochen, dass man Techniken tun
muss. Hier sei dies noch mit den Überlegungen zur Technologie verbun-
den, mit der Behauptung vom Wissen der Dinge.

5.1. Transfer

Im Zuge des Tuns, also der Auseinandersetzung, der Kommunikation


bzw. der Assoziation mit den Dingen, übertragen diese ihr Wissen auch
auf uns. Wobei Wissen eigentlich das Resultat dieser Übertragung meint,
aber eben ganz vom Ding ausgeht – weshalb die Formulierung Wissen
über die Dinge zu flach erscheint. Denn wir dürfen uns diesen Vorgang
nicht als den einer nur theoretischen Reflektion vorstellen, sondern als

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102 Tun und Wissen

eine Erfahrung, die wir mit dem Ding teilen. Und zwar nicht mit irgend-
einem Ding-an-sich, sondern mit einem ganz konkreten, singulären Ding.
Das konkrete Wissen eines Dinges ist nämlich nicht etwas Abstraktes,
Strukturelles, was immer auch ein so-sollte-es-sein impliziert und wes-
halb die Auseinandersetzung mit Dingen aus einer theoretischen, vorge-
dachten, von oben hoch kommenden Perspektive so oft danebengeht. Das
konkrete Wissen bezieht sich auf ein Ding bzw. wird von einem konkreten
Ding vermittelt, das einem vertraut wird, weil man es kennenlernen will,
weil man sich mit ihm – allein – auseinandersetzt. Es ist kein Zufall, dass
die ANT, die bisher am heftigsten dafür streitet, die Perspektive der Dinge
einzubeziehen, ihren Ausgangspunkt in der Technikforschung genommen
hat. Gerade hier erweist sich das Versagen aller theoretischen Konzepte
über die Dinge in der Praxis sehr schnell und immer dann, wenn etwas
schiefgeht: im Unfall, also dem Fall, der nicht antizipierbar war, weil das
Wissen der Dinge nicht zum Menschen transferiert wurde.1
Es wäre aber ein gefährlicher Trugschluss nun anzunehmen, techni-
sches Wissen wäre etwas ganz anderes als theoretisches Wissen und es
gäbe gewissermaßen eine wohldefinierte Grenze zwischen theoretischer
Reflektion und technischem Tun. Muss man doch leider auch heute noch
lesen, technisches Wissen würde sich ganz anders konstituieren, als – ähm
– Wissen eben; worunter natürlich immer jene nebulösen, an elitäre Kul-
turtechniken gebundenen Tätigkeiten verstanden werden, an Schreiben,
Rechnen und so.2 Während diese sich ihr Wissen über all das Geistige

1
Siehe die Beispiele und Reflektionen in Kassung 2009.a. Dazu, dass sich im Unfall die
Dinge als Aktanten offenbaren: Latour 2010, 139.
2
So die Vorstellung, dass Kulturtechniken unmittelbar an den Prozess der Trennung
von „Wissen und Können“ gebunden seien, wie sie in der Definition von Sybille
Krämer und Horst Bredekamp erscheint: „Kulturtechniken sind (1) operative Ver-
fahren zum Umgang mit Dingen und Symbolen, welche (2) auf einer Dissoziierung
des impliziten > Wissen wie < vom expliziten > Wissen dass < beruhen, somit (3)
als ein körperlich habitualisiertes und routiniertes Können aufzufassen sind, das in
alltäglichen, fluiden Praktiken wirksam wird, zugleich (4) aber auch die aisthetische,
material-technische Basis wissenschaftlicher Innovationen und neuartiger theoreti-
scher Gegenstände abgeben kann. Die (5) mit dem Wandel von Kulturtechniken ver-
bundenen Medieninnovationen sind situiert in einem Wechselverhältnis von Schrift,

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Wissen 103

in den Geisteswissenschaften allein durch scharfsinniges Überlegen und


sorgfältiges Kausalisieren erarbeiteten, würde der grobmotorische Tech-
niker jenes dadurch gewinnen, dass er sich nur oft genug auf den Daumen
hämmert.3 Diese Position ist ebenso unverfroren wie falsch.4 Technisches
Wissen konstituiert sich in einem absolut gleichartigen Prozess der Aneig-
nung, wie jedes andere Wissen auch, aus Praxis und Reflektion der Praxis.

Bild, Ton und Zahl, das (6) neue Spielräume für Wahrnehmung, Kommunikation
und Kognition eröffnet. Spielräume, (7) die in Erscheinung treten, wo die Ränder
von Disziplinen durchlässig werden und den Blick freigeben auf Phänomene und
Sachverhalte, deren Profil mit den Grenzen von Fachwissenschaften gerade nicht
zusammenfällt.“ (Krämer / Bredekamp 2003, 18). Die Expertenanmaßung, man
könne „Wissen“ und „Können“ trennen, hat sich schon oft genug als verhängnisvoll
erwiesen. Diese Lebenslüge aller Wissen-Schaftler ist aber auch uralt: Schon Aristo-
teles unterscheidet in der Nikomachischen Ethik zwischen ἐπιστήμη (Wissen) und
τέχνη (Können) und stellt das Wissen natürlich über das Können. Wie alle Kritiker der
Elche wird er seine Gründe gehabt haben: konnte er doch der einen schönen Phyllis
nicht widerstehen, obwohl er um die Gefährlichkeit aller Frauen wusste.
3 „Technical developement followed practical ‘rules of the thumb’, without theoretical
reflections.“ (Burmeister / Müller-Scheeßel 2013, 6, nach: Blumenberg 2009, 57f.)
Bei Blumenberg stellt sich die Frage allerdings vor allem vor dem Hintergrund der
Hinwendung der Gelehrtenwelt der frühen Neuzeit zu den profanen Seiten der Welt-
erkenntnis und steht selbst wieder ganz in der Tradition der arroganten Pose, die die
Forscher der Neuzeit gegenüber dem vermeintlich finsteren Mittelalter einzunehmen
pflegten. Danach sei Technikgeschichte nicht das Resultat der „Anwendung“ theore-
tischer Einsichten“, sondern man hätte nach „Faustformeln“ gearbeitet (Blumenberg
2009, 57f.). Es ist schon ein starkes Stück anzunehmen, die Kathedralen der Gotik
seien nach Faustregeln konzipiert und gebaut worden. Wie dem auch sei: Blumen-
bergs Überlegungen beziehen sich insgesamt nur auf die „geistige“ Durchdringung
technischer Vorgänge im Kopf der Philosophen und dort vor allem auf die Mechanik.
Allerdings beschreibt Blumenberg den Umstand durchaus differenziert: „Die Technik
hatte die Stagnation und Sterilität der wissenschaftlichen Theorie, die man dem Mit-
telalter jetzt [in der frühen Neuzeit, M. F.] zur Last legte, nicht mitgemacht – das war
die entscheidende Entdeckung, die schließlich zur Rehabilitierung der ,mechanischen
Künsteʻ in der französischen Encyklopädie führen sollte.“ (Blumenberg 2009, 60f.)
4
Dass diese fixe Idee den Umständen der forcierten gesellschaftlichen Arbeitsteilung
unter den Bedingungen der frühkapitalistischen Produktionsweise geschuldet und
nur deren Apologetik ist, macht Marx 1962, 382 klar, und auch, wie die damit ver-
bundene Verwandlung des Menschen in ein Maschinenteil – dazu noch in Kap. 18
– sich auf jenen auswirkt: „Er [= der „Scheidungsprozess“ von „Arbeit“ und „geistigen
Potenzen“, M. F.] entwickelt sich in der Manufaktur, die den Arbeiter zum Teilarbei-
ter verstümmelt.“ Die Trennung von „Arbeit“ und „Wissen“ ist nur unter den Bedin-
gungen der kapitalistischen Produktionsweise eine gewollte, denn bei zu viel Wissen
droht der verstümmelte Teilarbeiter aufmüpfig zu werden (vgl.: op. cit, 390).

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104 Tun und Wissen

Dabei wird genauso mal deduktiv und mal induktiv vorgegangen, wie
in den sogenannten Wissenschaften auch, sich in Paradigmen bewegt,
wie in den sogenannten Wissenschaften auch, also Grundannahmen und
Glaubenssätze zugrunde gelegt, wie in den sogenannten Wissenschaften
auch, und dabei kommt es genauso zu mitunter revolutionären Paradig-
menwechseln, wie in den sogenannten Wissenschaften auch.5 Anders
jedoch sind jeweils die Produkte dieser Auseinandersetzung: In der Wis-
senschaft werden Bücher produziert, im Handwerk – nehmen wir wieder
die Gießerei – gegossene Gegenstände (Abb. 5.1). Wenn wir den Prozess
der Auseinandersetzung jenseits elitärer ready mades á la kluges Buch
hier und dicker Daumen dort verstehen wollen, müssen wir die jeweili-
gen Produkte als Medien dieser Auseinandersetzung verstehen. Ebenso
wenig, wie wir von einem Wissenschaftler erwarten würden, dass er seine
Reflektionen in ein Gussobjekt einschreibt, sollten wir also erwarten, dass
ein Gießer seine Reflektionen in ein Buch schreibt. Das kommt gelegent-
lich vor, hilft aber selten wirklich weiter. Medium des Gießers ist der
Guss. Und jedes medium birgt seine message auf seine Weise.
Allerdings ist es schwierig, denen das Lesen von Gießerwissen bei-
zubringen, die nur Bücher lesen können. Dieses Problem wird spätestens
dann offenbar, wenn versucht wird, anhand von Handbüchern, Beschrei-
bungen oder ähnlichem den Gussvorgang oder einen Teilschritt dieser
Technik nachzuvollziehen (wie auch hier in Kapitel 4 versucht). Dass in
einem Hohlraum ein Kern schwebend gehalten werden muss, um damit
selbst das Hohlsein des Gussstücks zu bewirken, ist nicht weniger kom-
pliziert, als die Negation der Negation bei Hegel gedanklich nachzuvoll-
ziehen – und im Gegensatz zur Technik muss man sich bei Hegel nicht
einmal motorisch darauf einlassen und einen Fehlguss riskieren. Oder
nehmen wir etwa das Patinieren, eine besonders geheimnisvolle Etüde im
Konzert des Kunstgusses. Es gibt unendlich Handbücher, es gibt Rezepte
schon bei Plinius, man kann sich sogar in Gießereien Anregungen geben
5 Zu den entsprechenden Belegen in den sogenannten Wissenschaften = sciences:
Kuhn 1973.

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Wissen 105

Abb. 5.1: Produkte der Reflektionen von Wissen über Metalle und Gussverfahren:
a) seitens einer Gruppe von Geisteswissenschaftlern und einem Verlag: Martin Fitzenrei-
ter, Frank Willer, Johannes Auenmüller und EB-Verlag, Materialien einer Gusswerkstatt
von der Qubbet el-Hawa.
b) seitens einer Künstlerin und einer Gießerei: Katarina Kiricheva und unbekannte Gie-
ßerei, The book of Enoch.

lassen. Versucht man es selbst – geht es daneben. Man kann technisches


Wissen nicht mit den Medien des Buchwissens vermitteln, man kann sie
nicht einmal nur verstehen; man kann Technik nur tun.6
Ein probater Weg im wissenschaftlichen Kontext, es denn zu Tun,
ist das Experiment; in der Archäologie: die experimentelle Archäologie.
Experimentelle Archäologie ist, wenn versucht wird, aus den Befunden
extrahierte Ergebnisse gewissermaßen nachzukochen. Ziel ist es dabei,
die flüchtigen Zwischenstufen nachzuerfinden, die zu einem durch den
archäologischen Befund definierten Ergebnis führen. Experimentelle

6
„Learning a craft by reading a book is not possible.“ (Wendrich 2006, 273). Siehe
die Auseinandersetzung mit der Frage technischen Wissens in der Antike in einer
archaeology of skills: Sørensen / Rebay-Salisbury 2012; zur Metalltechnologie speziell:
Kuijpers 2012; Kuijpers 2919.

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Archäologie infiltriert die black box zwischen einem archäologisch gege-


benen Ausgangspunkt und einem archäologisch gegebenen Endpunkt
und versucht, Licht in diese zu bringen.7 Durch die technische Kommuni-
kation mit dem von den Befunden mitgeteilten Wissen über den Zustand
wird praktisches Wissen über den Vorgang erworben, das wieder in the-
oretische Reflektion der Bedingungen einfließen kann.
Das Problem der experimentellen Archäologie bleibt aber genau die-
ses: Es ist Nachkochen. Nachkochen ist immer, dass man versucht, ein
bestimmtes Ergebnis zu wiederholen. Es ist a priori nicht, dass man sich
den Vorgang selbst zu eigen macht. Anders gesagt: das opus operatum
bleibt im Mittelpunkt des Interesses und nicht wirklich der modus ope-
randi.8 Der Nachkocher reflektiert nicht das Wesen von Nahrungsmitteln,
Zubereitungstechniken und Geschmack, setzt sich nicht dem Wissen der
Dinge aus; er reproduziert Vorgaben. Damit kann er richtig oder falsch
liegen, Glück haben oder nicht – dies ist das Prinzip try-and-error, das
häufig als charakteristisch für Technikentwicklung gesehen wurde. Ist
es aber nicht, denn so wird ja immer von einem bestimmten, klar umris-
senen Ziel ausgegangen. Technikentwicklung aber setzt genau in dem
Moment ein, wo das Nachkochen aufhört und man (oder es, das Ding)
beginnt, wild und – wieder einmal – gefaehrlich zu werden.9

7
Als Beispiel sei auf die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Römische Großbronzen
am UNESCO-Welterbe Limes“ zu den antiken Schweißtechniken oder zur Diffusi-
onsvergoldung verwiesen – ohne das experimentelle Nachvollziehen, wären solche
Erkenntnisse nicht möglich (Willer / Meijers 2014; Bott / Willer 2014). Ähnlich die
Experimente zum Guss antiker Großbronzen, die Zimmer 2012 beschreibt.
8 Anders aber, wenn explizit auch das Erfahren der Praktiken und das Erleben des
Wissenstransfers als Ziele des Experiments begriffen werden, wie es Gailhard 2018
beschreibt.
9 Dieses Prinzip hat sich in dem vielfach variierten Anekdotenmotiv als narrativer,
sinnstiftender Topos etabliert, nach dem sich diverse „Erfindungen“ einem ungeplan-
ten, eigentlich fehlerhaften Zufall verdanken; vom Apfel, der Newton nie auf den
Kopf fiel bis zu den vielen Geschichten von zufällig zu lange gebrannten Proben, die
zur Entdeckung von Farbstoffen und anderen Chemikalien führten (Nowotny 2015).

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Wissen 107

5.2. Praktiken

Sehr deutlich wird dieser offene Umgang mit der Technik, wenn man sich
das Wachsausschmelzverfahren ansieht, wie es in Kunstgießereien heut-
zutage praktiziert wird.10 Ich kenne keine Kunstgießerei in Deutschland,
die exakt nach demselben Verfahren arbeitet, wie es in einer anderen
gepflegt wird (Abb 5.2). Selbst wenn es eine Ausgründung ist, ein Geselle
oder Meister sich selbstständig gemacht hat: Die Verfahren differieren
immer. Auch werden in derselben Gießerei die Verfahren beständig ange-

Abb 5.2: Einformungs-


verfahren im zeitgenössi-
schen Kunstguss:
a) Keramikschalenformen
in der Kunstgiesserei
Flierl / Berlin.
b) Einformung in einen
Gips-Schamotteblock im
Bildgießer & Bildhauer
Studio Klaus Cenkier /
Ziesar.

10 An dieser Stelle gilt mein Dank Marco Flierl, Klaus Cenkier, Wilfried Hann und Gün-
ther Schabow, in deren Kunstgießereien ich technische Prozesse studieren, diskutie-
ren und z.T. praktizieren konnte.

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108 Tun und Wissen

passt. Es gibt – mittelfristig – also nicht einmal das Wachsausschmelz-


verfahren, das typisch auch nur für eine bestimmte Gießerei ist. Was es
aber gibt, das ist der Prozess der praktischen Reflektion des Vorganges,
eine beständige Auseinandersetzung, die zu neuen Praktiken führt. Prak-
tische Reflektion, die wir von einer eher theoretischen Reflektion á la
oben unterscheiden müssen, eine Art von Reflektion, die zu verbalisie-
ren es den KollegInnen oft schwerfällt – und wozu auch? Die Ergebnisse
dieser praktischen Reflektionen liegen ja auf der Hand; in Form von ver-
besserten Güssen, günstigeren wirtschaftlichen Abläufen, Marktchancen,
Ruhm und Gehalt. Da ist es schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen
sinnvoll, sprachlos zu bleiben.
Diese Plastizität des modus operandi vor Augen ist für die Archäolo-
gie oder Technikgeschichte eines wichtig: Wir müssen diese Variable der
Technik in unseren Forschungen berücksichtigen. Es nicht zu tun hieße,
sie zu einem Rauschen im Befund zu machen, zufällige, nicht beabsich-
tigte Abweichungen und Fehler, die wir eliminieren müssen; zum Bei-
spiel durch Statistik, wenn aus einhundert Analysen von Legierungen die
typische Legierung des 5. Jahrhunderts v. u. Z. ermittelt wird, von der
kein antiker Gießer je gehört hatte. Statistik war ein Verfahren des tota-
litären 20. Jahrhunderts, das wir uns im 21. Jahrhundert abgewöhnen
sollten.11 Vielmehr sollten wir genau solche Variablen des Befundes lesen
lernen und in ihnen das Besondere und Wesentliche erkennen. In ihnen
ist die eigentliche Technologie versteckt, also das, was es an konkretem
Wissen und konkreter Reflektion über die Technik in jedem individuellen
Befund zu erfassen gibt. Wieder der Vergleich mit geisteswissenschaftli-
chem Reflektieren: Literaturwerke, einst und jetzt, sind spannend, weil

11
Wiewohl mit dem Algorithmus schon das Monster des 21. Jahrunderts lauert, mit dem
diverse Startups zwar das Individuum als solches in den Focus nehmen und zugleich
wieder zu standardisieren trachten (< http://www.tarletongillespie.org/essays/
Gillespie%20-%20The%20Relevance%20of%20Algorithms.pdf >; 26.12.2015).
Immerhin: auch hier tritt an die Stelle des statistisch erfassten opus operatum der
algorithmisch modellierte modus operandi. Wer mag, kann das Fortschritt nennen.
(N.B.: diese Fußnote wurde vor Cambridge Analytica geschrieben.)

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Wissen 109

sie variierende Sichten auf die Phänomene entwerfen, selbst variieren


und jede Lesung den Text neu konstituiert – und doch ganz nah am Werk
bleibt (meist jedenfalls). Voraussetzung ist in diesem Fall aber, dass die
Rezipienten grundlegende Eigenheiten der Technik kennen, möglichst
durch eigenes Tun erlernt haben. Eine Fuge von Johann Sebastian Bach
kann der als besonders erleben, der in ihr die Struktur der Fuge und
das Individuelle auch erkennt. Wir müssen lernen, Techniken als solche
variierenden, spannenden Aneignungsprozesse und die Befunde als deren
Medien zu lesen.

Eine Geschichte von Schweiß und Feuer


Das QH-Konvolut bietet ideale Bedingungen, eine solche dichte Lesart
der Technik zu üben und wird wohl in der Zukunft noch so manche
andere Lesart provozieren. Wie bei jeder guten Geschichte, sind auch bei
denen vom Wachsausschmelzverfahren die Eckpunkte des plots prinzipi-
ell dieselben. Es gibt den Anfang – das Modell –, den Mittelteil – diverse
Arbeiten, die auszuführen sind –, einige retardierende Elemente – Gefah-
ren und Probleme, Pausen und Ablenkungen während dieser Arbeiten
–, schließlich einen Höhepunkt – den brausenden Guss –, und schließ-
lich ein gutes oder böses Ende. Das Spannende liegt gewöhnlich darin,
wie diese Bestandteile im konkreten Fall kombiniert werden, wo sie vom
Üblichen abweichen, auch dort, wo sie das Übliche besonders elegant
und gekonnt erledigen. Nicht zuletzt ist es dann das Resultat, das Ende
der Geschichte, das über deren Gelingen und darüber richtet, wie gut die
story ist, damals und heute.
Bei der Herstellung der Wachsmodelle nutzten die Gießer des Kon-
volutes das klassische Negativ-Positiv-Verfahren. Dabei setzten sie zum
einen Negativformen aus einem keramischen Material ein, wie es die
Model QH 207/35 repräsentiert (Abb. 2.6.a). Aus solchen Modeln lie-
ßen sich mit weichem Wachs viele gleichartige Modelle gewinnen. Durch
die unvermeidliche individuelle Überarbeitung zumindest der Kanten
und der Rückseite gewinnen diese Modelle aber auch an Eigenständig-

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110 Tun und Wissen

keit, fordern also – aus der Sicht der Dinge gesehen – das Eingreifen der
Menschen heraus. Je nach Talent wird dem Bearbeiter diese Retusche
gelingen und die retuschierten Wachsmodelle – diese sind es nämlich!
– werden Lob oder Tadel herausfordern, die wieder an den Bearbeiter
weitergeleitet werden, der das Lob gern einstreicht, den Tadel dann wohl
aber der schlecht gemachten Form zuschreibt, was wieder auf den For-
menbauer zurückverweist, oder auf den, der das Wachs gemischt und
eingestrichen hat, was wieder auf Imker und Bienen weist, die Umwelt-
verschmutzung usw...
Besonders spannend aber ist der Modelklotz QH 207/37, dem drei
Harznegative angeklebt wurden (Abb. 2.6.b). Für die Massenproduktion
von klitzekleinen Osirisfigürchen hatte man hier eine ganz spezielle, ein-
fache und in ihrer Einfachheit wieder geniale Lösung erdacht. Statt auf-
wendig Negative in Keramik oder gar Stein zu erschaffen, hat man sich
das „plastische Gedächtnis“ der Harzmasse zu nutze gemacht, die den
Abdruck eines Urmodells bewahrt. Diese Eigenschaft der Mischung, näm-
lich ein „plastisches Gedächtnis“ zu besitzen, musste erst einmal erfahren
werden. Zumal diese Mischung kein schlichtes Naturprodukt ist, sondern
eine jener bereits erwähnten synthetischen Substanzen, auf die der For-
menbauer gestoßen ist, die er gemischt, geprobt und „erzogen“ hat, so,
dass diese Masse dann in der Hand des Wachsformers ihr Wissen, ihre
Erinnerung an eine Urform weitergeben konnte.
In diese Harzmischung hatte man also, als sie noch weich und formbar
war, ein Urmodell aus einem harten Material (Holz, Keramik, Metall, aus-
gehärtetes Wachs?) gedrückt und wieder herausgenommen, so dass ein
Abdruck zurückblieb. Nach dem Aushärten der Mischung – dem gewis-
sermaßen thermisch vollzogenen Austrocknen – diente dieser Negativab-
druck als Matrize für weitere Ausformungen desselben Motivs in Wachs.
Eine solche Harzform war vielleicht weniger haltbar und kantenscharf
als eine aus Keramik oder Stein. Dafür war ein Negativ in ihr schneller
hergestellt und zügiger ausgeformt. Für das kleine Format der Figuren
eine angemessene Lösung – und als ein in der Antike praktiziertes Ver-

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Wissen 111

fahren bisher ganz unbekannt! Duktile Abformmassen sind erst mit der
neuen Blüte des Wachsausschmelzverfahrens seit dem 19. Jahrhundert
wieder gebräuchlich, als man für Objekte mit starken plastischen Unter-
schneidungen Formen aus einer Knochenleimmischung (Gelatine) her-
zustellen begann.12 Diese Mischungen haben das Problem, dass sie unter
Wärmezufuhr die Form verlieren (was auch ein Vorteil ist, denn so kann
man die aufgekochte Masse immer wieder für neue Negativformen ver-
wenden). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden Formen
für den Wachsguss immer häufiger aus Silikonkautschuk hergestellt, was
allerdings recht hohe Materialkosten mit sich bringt. Als ein Vorläufer
dieser Techniken kann das Verfahren des Abdrucks in Harz gelten, das im
Konvolut von der Qubbet el-Hawa nun wenigstens für der 5. Jahrhundert
v. u. Z. bereits dokumentiert ist.
Die verwendete Wachsmasse ist Bienenwachs, was bei der gut beleg-
ten Verwendung von Wachsen in pharaonischer Zeit auch zu erwarten
war. Interessant ist aber die Einfärbung des Wachses, dem man rote
Pigmente beigegeben hat (Abb. 2.6). Diese Einfärbung dient vielleicht
dazu, das Wachs farblich homogen zu machen, so dass sich die Plastizi-
tät der Objekte besser beurteilen lässt. Aus diesem Grund werden auch
heute Modellwachse eingefärbt. Möglich ist darüber hinaus auch, dass
die Beigabe dem Wachs bestimmte Eigenschaften verlieh, es zum Bei-
spiel geschmeidiger gemacht hat (wozu man heutzutage mitunter etwas
Terpentin in das Modellierwachs mischt) oder auch die Eigenschaft der
Oberfläche verbesserte, indem es diese etwas aufraute, so dass diese die
erste Schicht der Formmasse leichter anhaften ließ. Auf fettigen Oberflä-
chen haften dünn geschlämmte, wässrige Formmassen nämlich schlecht
und es kann zur Bildung von Luftblasen auf der Oberfläche des Wachsmo-
dells kommen, die – fein säuberlich abgeformt – im Bronzeguss als soge-
nannte „Perlen“ mitgegossen werden und die Oberfläche verunklären.
Zuletzt kann diese Rotfärbung aber auch eine symbolische Rolle gespielt

12
Lüer 1902, 118f.; < https://de.wikipedia.org/wiki/Glutinleim > (02.10.2018).

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112 Tun und Wissen

haben und bereits den Modellen einen bestimmten Charakter verliehen


haben – doch dazu später. In jedem Fall waren auch die aus den Formen
ausgebrannten Wachsmodelle gefärbt gewesen, wie sich an Resten der
roten Pigmente erkennen lässt, die den Formen dort anhaften, wo das
Wachs ausgeflossen ist (Abb. 5.3).
Zum Guss werden die Wachsmodelle mit einem Angusssystem
versehen, das in aller Regel ebenfalls aus Wachs besteht. Soll es doch
Hohlräume vorbereiten, durch die Metall ein- und gegebenenfalls Gase
austreten können. Was letzteres angeht, verließen sich die Gießer des
Konvolutes auf ihre semiporöse Formmasse und verzichteten vollständig
auf Luftkanäle. Als ebenso mutig ist ihr Umgang mit den Zuleitungen zu
bezeichnen: Extrem dünne Kanäle versorgen die Objekte vom Gusstrich-
ter aus mit Schmelze, viel dünner, als im modernen Kunstguss üblich. Vir-
tuos auch die Kombination mehrerer Wachsmodelle in einer Form durch
sogenannte Gussbäume. Entlang des Eingussstammes können zwei, drei,
vier, fünf große und schließlich – hier lässt einen der Eindruck nicht los,
als wollte es der alte Meister einmal auf die Spitze treiben – vierunddrei-
ßig kleine Osirisfiguren angeordnet werden (Abb. 5.4). Immer sind dabei
die Gesetze der Schwerkraft und das Fließverhalten des Metalls zu ima-
ginieren: kleine Stege, d. h. dünne Kanäle, versorgen hinterschnittene,
also oberhalb des Gussspiegels der Umgebung liegende Partien, wie im
Sockelbereich, an den Ellenbogen und den Füßen des Horuskindes bei
der Isisfigur (Abb. 5.5). Auch die Stabilität solcher filigranen Konstrukti-
onen muss gewährleistet sein, sind sie beim Einformen doch erheblicher
Belastung ausgesetzt. Auf die Ästhetik solcher Gebilde werde ich noch
zurückkommen.
Die Formmasse besteht aus einem Nilsediment, wie es in der Kera-
mikproduktion Ägyptens reichlich gebraucht wird. Durch ihren hohen
Sandanteil besitzt die Masse aber andere Eigenschaften als normale
Gebrauchskeramik, was bei den oben beschriebenen Anforderungen an
Formmassen auch logisch ist. Man kann, man muss davon ausgehen, dass
der Aufbereitung der Formmasse langjährige Erfahrungen zugrundelie-

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Wissen 113

Abb. 5.3: Gussform


QH 207/45, Ansicht
des Trichters mit rot
gefärbter Auslaufspur
des Modellwachses.

Abb. 5.4: Gussform QH


207/132, Visualisierung
der Daten des μCT.
Zu erkennen ist der
Umriss der Gussform,
in der Form vorhan-
dener Hohlräume und
teilweise mit Bronze
ausgefüllter Bereiche.

gen. Die Kantenschärfe bei der Wiedergabe feinster Details ist großartig;
durch den Schichtaufbau – variierend je nach Objektart – ist die Gussform
allen im vorangegangenen Kapitel aufgezählten, sich mitunter paradox
widersprechenden Anforderungen angepasst: hart und doch zerbrechlich,

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114 Tun und Wissen

Abb. 5.5: Gussform QH 207/43 für eine Statuette der Isis mit dem Horuskind, Visualisie-
rung der Daten des μCT.
a) Rot hervorgehoben sind mit Metall gefüllte Bereiche in der Form. Diese wohl bei
einem abgebrochenen Guss oder versehentlich in die Form gelangten Metallspritzer
haben die Gusskanäle verstopft und verhinderten, dass die Form vollständig ausgegossen
werden konnte.
b) Kombination der virtuell gefluteten Hohlräume (gelb) und der bereits mit Metall
gefüllten Bereiche: die für den Guss vorgesehene Statuette.
c) Position der Gussform beim Guss; Pfeile geben die Fließrichtung des Metalls an. Man
beachte die Stege am Fuß des Kindes und dem Ellenbogen der Frau, die dem gleichmä-
ßigen Ausgießen des Objektes dienen.

dicht und doch porös, fest und doch elastisch. Zugleich sind die Formen
gut handhabbar und erstaunlich stabil. Für lange Erfahrung spricht auch
die Homogenität der Formmassen, die an allen Objekten zu beobachten
ist, von der sehr fein geschlämmten innersten Masse bis zu den groben
äußeren Schichten. Stets sind die inneren Schichten von derselben Fein-
heit, die äußeren sukzessive stärker gemagert. Wer immer diese Objekte
eingeformt hatte, er hatte es im Gefühl und „im Griff“, wann die Masse

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Wissen 115

die richtige Konsistenz hatte, wann die jeweilige Schicht stark genug war,
wann die Form die nötige Festigkeit besaß.13
Ist der Aufbau der Formen von perfekter Homogenität, so ist das im
Konvolut dokumentierte Metall von geradezu frappierender Heterogeni-
tät. Zwar handelt es sich durchweg um Kupferlegierungen und durch
den hohen Anteil von Blei um sogenannte Bleibronzen; von einer Stan-
dardlegierung kann aber nicht die Rede sein (Abb. 4.7). Der Werkstatt
stand offenbar kaum reines, frisches Barrenmetall zur Verfügung. Viel-
mehr arbeitete man vor allem mit „Kreislauf“, mit Altmetallen. Da die
Gießer ohne heutige Analyseverfahren auskommen mussten, konnten sie
den tatsächlichen Prozentsatz der Zuschläge in ihrem Rohmetall höchs-
tens erahnen. Sie hatten sich auch hier wieder auf ihre Erfahrungen zu
verlassen, ihre Kompetenz, sich mit dem gegebenen, konkreten Metall
auseinanderzusetzen und ihm die nötigen Informationen zu entlocken.
Zum Beispiel, indem sie bereits vor dem Schmelzen das Metall auf seine
Farbe, sein Biege- und Bruchverhalten sowie die dabei auftretenden
Geräusche prüften; indem sie beim Schmelzen die Flussfähigkeit und
Zähigkeit beobachteten, die Farbe der Brenngase und die Bewegung der
Oberfläche der Schmelze; bei einem Probeguss vielleicht dann das Fließ-
verhalten und die Neigung zu Schwinden. Je nach gewünschter Eigen-
schaft – also um eine eher harte, spröde, klingende oder eine eher weiche,
gut zu treibende und zu ziselierende Bronze zu erhalten – wird man Blei
und eventuell weitere Substanzen der Schmelze zugefügt haben. Auch die
Farbe des Metalls ließ sich durch Zuschläge verändern. Fast reines Kup-

13
Im Film „Andrej Rubljow“ (1966) von Andrej Tarkowskij gibt es das großartige letzte
Filmkapitel, in dem der zu einem Glockenguss befohlene, letzte überlebende Junge
aus einem von der Pest und den Tataren heimgesuchten Dorf von Glockengießern
bei Regen einen Abhang herunterrutscht und durch das Greifen in die nasse Erde
den richtigen Ton für die Formmasse erspürt. Später, nach dem erfolgreichen Guss
der Glocke, bricht er weinend zusammen und bekennt, dass er gar nicht in das
„Geheimnis“ (d. h. die Technologie) des Glockengusses eingeweiht war. Sein Körper
aber hatte als Kind die Technik schon erlernt und so das Wissen inkorporiert. Zu
diesem Aspekt der „tactic knowledge“ auch: Wendrich 2006 und zum „Geheimnis“
als Technologie noch in Kap. 15.

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116 Tun und Wissen

fer ist rötlich, Bronzen variieren je nach Blei- oder Zinnanteil verschie-
dene Brauntöne, Silberzugabe ergab schließlich das berühmte „schwarze
Metall“ der Ägypter.14
Ein Moment schließlich entscheidet über das Gelingen des Gusses:
der, in dem die Schmelze die richtige Temperatur und den richtigen
Durchmischungsgrad erreicht hat. Ohne heutige Temperaturmessgeräte
konnte dieser Moment nur durch Prüfung von (relativer) Hitze, Farbe der
Schmelze und Bewegung von deren Oberfläche ermittelt werden. Etwas
zu kalt – und das Metall erstarrte in der Gussform, ehe noch der gesamte
Hohlraum der Form ausgefüllt war. Etwas zu heiß – und Zuschläge wie
Zinn oder Bronze waren bereits verbrannt, das Resultat zu spröde, oder
die Schmelze so flüssig, dass sie in den feinen Rissen der Form nicht
erstarrte sondern herauslief. Eine unruhige Hand beim Guss – Metallsprit-
zer gehen daneben, erkalten sofort, verstopfen die Form, machen ein wei-
teres Ausgießen unmöglich. Zuletzt: war trotz sorgfältigen Ausbrennens
noch Wachs in der Form verblieben, auch wenn es nur minimale Reste
sind – sie verdampfen explosionsartig, schleudern das flüssige Metall
wieder aus der Form und bringen diese zum Bersten. All diese kleinen
Dramen sind im Qubbet el-Hawa-Konvolut belegt: Metalltröpfchen haben
QH 207/43, die aufwendig gestaltete Form einer Isis mit dem Horuskind,
unbrauchbar gemacht (Abb. 5.5); ebenso QH 207/48, die Form einer zar-
ten Anuket-Statuette (Abb. 5.6); Wachsreste haben Schmauchspuren in
Form QH 207/132 hinterlassen, so dass fast alle vierunddreißig Osirisfi-
gürchen misslungen sind (Abb. 5.7). Hier hatte man viel Arbeit investiert,
umsonst.

Eine ganz andere Geschichte – unsere Geschichte – erzählen aber jene


Formen, die als „Sonderbefund“ in der Publikation behandelt werden und
uns bei der ersten „Lesung“ / Interpretation auf eine ganz falsche Fährte
führten. Wenigstens drei recht große Formen gehören dazu, wahrschein-
14 Zu den Bezeichnungen für Kupferlegierungen mit verschiedenen Eigenschaften im
Ägyptischen: Giumlía Mair / Quirke 1997.

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Wissen 117

Abb. 5.6: Gussform QH 207/ 48 für eine Statuette der


Göttin Anuket, Visualisierung der Daten des μCT. Eine
Bronzeperle im Kopfbereich deutet auf einen abgebro-
chenen Gussversuch bzw. einen versehentlichen in die
Form gefallenen Metallspritzer.

lich noch Bruchstücke einiger weiterer. In den


drei Formen – QH 207/38–40 – sind jeweils
vier Osirisfiguren zusammen eingeformt. Ein
erste Untersuchung ergab, dass diese Figuren
zu etwa einem Drittel bis zur Hälfte mit Bronze
gefüllt waren (Abb. 4.8). Es lag also nahe, hier
Belege für Fehlgüsse zu sehen, bei denen die
Schmelze nur einen Teil der Form gefüllt hatte,
dann aber zum Stehen gekommen war. Ein
Grund war schnell gefunden: In den nicht mit
Bronze gefüllten Bereichen fanden sich Wachs-
reste, nicht nur wenige, sondern erheblich viel.
Der mit dem Ausbrennen der Formen betraute Gehilfe schien recht wenig
Wissen über das Verhalten von Wachs und Feuer und schließlich Metall
inkorporiert zu haben und hatte seine Arbeit sehr nachlässig erledigt –
beim Guss traf die Bronze auf Wachs, stockte, der Guss ging daneben.15
Jedoch: warum sind die Formen bei einer solchen Menge an Wachsres-
ten überhaupt heil geblieben? Hätten sie nicht zerbersten müssen? Und
warum konnte Frank Willer an einem aus der Form ragenden Fuß einer
Osirisfigur einen Blattgoldüberzug feststellen?16 Bei einem frisch gegos-
senen Fehlguss kann so etwas nicht sein...
Erst ein dritter Blick auf die Daten der μCT-Messungen brachte
schließlich die Lösung: Hier wurde keine heiße Bronze auf Wachsreste

15 Die auf mich zurückgehende Fehldiagnose wird u. a. in Auenmüller 2014, 123


wiedergegeben.
16
Willer in: Fitzenreiter / Willer / Auenmüller 2016.b, 141f.

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118 Tun und Wissen

Abb. 5.7: Gussform QH 207/132. Die schwarzen Verfärbungen in der Form-


masse sind Schmauchspuren von während des Gussprozesses entzündeten
Wachsresten im Formmantel. Weil hierdurch die Luftdurchlässigkeit der Form-
masse nicht mehr gegeben war, sind die meisten der Figuren nicht ausgeflos-
sen, da das Metall die Luft nicht ausreichend aus der Form drängen konnte.
Dazu trug wohl auch der aufgrund des komplizierten Angusssystems zu geringe
Falldruck des Metalls bei.

gegossen. Hier waren die Fußpartien von zerbrochenen Osirisfiguren mit


Wachs zu vollständigen Figuren ergänzt worden. Wenigstens in einem
Fall war die zerbrochene Figur vergoldet gewesen (bei anderen ließ sich
die Existenz von Vergoldung nicht nachweisen, da diese noch vollständig
in den Formen stecken, sie ist aber nicht ausgeschlossen). Nach dem Aus-
brennen der Wachspartien hätte man diese Segmente durch einen neuen
Guss vervollständigt. Die Verbindung zwischen beiden Teilen sollte wohl
durch einen sogenannten Überfangguss erfolgen: indem von den neu zu
gießenden Teilen aus eine Art Manschette aus Bronze auch die älteren

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Wissen 119

Partien umfasst. Eine der Osirisfiguren war sogar ein zerbrochener Hohl-
guss, bei dem man drei Segmente – Fußteil, Körper und Kopf – in die-
ser Weise mit einer neuen Bronzehaut überfangen und verbinden wollte
(Abb. 4.10). Das Verfahren ist hochkompliziert und äußerst aufwendig.17
Genug an dieser Stelle von Technologie, von Wissen und Reflektion,
und wie sie sich in den Strophen oder Kapiteln dieses konkreten Befundes
lesen lässt, einschließlich eines Irrtums und völlig unerwarteten Endes,
zumindest bei einem Erzählstrang. Denn kann man über solche dramati-
schen Dinge nicht schwärmen, wie über ein Gedicht, einen Roman? Man
kann! (Sicher auch besser, als hier versucht...)

5.3. Ästhetik

Die Schwärmerei am Schluss des vorangegangenen Abschnitts hat ihren


Grund. Sie macht – was man bei Schwärmereien eher nicht vermutet
– einen reflektierten Zugang dazu möglich, wie sich der Vorgang der
technologischen Durchdringung, der Wissenaustausch zwischen Ding
und Mensch, der Moment der Verknüpfung realiter manifestiert. Anders
gesagt: dazu, wie die Praktiker einst und auch wir, als Rezipienten ihrer
Werke jetzt, diesen Vorgang als solchen erlebten und erleben. Soweit
ich es nachvollziehen kann – und da ich einige Zeit als Praktiker in dem
Geschäft unterwegs war, maße ich mir das an – spielen bei der technolo-
gischen Reflektion, dass heißt beim bewussten und unbewussten Erleben
des Tuns, ästhetische Erfahrungen eine ganz besondere Rolle. Der Prakti-
ker erlebt als schön, wenn etwas seiner Auffassung nach richtig und gut
ist. Im übrigen erlebt es auch jener, der „von der Sache etwas versteht“
die gelungene Technik so. Aber eben auch nur der oder die, die oder
der etwas davon versteht, weshalb man ja auch das Erleben von Kunst

17 Es sind einige wenige Belege bekannt, bei denen Osirisfiguren genau in dieser Weise
repariert wurden: von Droste zu Hülshoff / Hofmann / Schlick-Nolte / Seidlmayer
1991, 253–255.

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120 Tun und Wissen

erst lernen muss (und Lesen, Schreiben, Rechnen sowieso – und längst
nicht alle werden soweit kommen, dies als schön zu erleben, insbeson-
dere das Rechnen). Ist doch auch das Erleben von Kunst eben nicht viel
anders, als das, was einer, der etwas davon versteht, an einem besonders
guten Werkzeug als schön empfindet, es liebt und herzt: zum Beispiel den
Hilti-Schleifer viel mehr als einen von Einhell. Das ästhetische Erlebnis
ist total, reicht vom Geräusch, dem Design, Gewicht und Handhabung
natürlich bis zur Arbeitsweise, Effektivität und ganz allgemein dem Preis
und dem Wert des Gerätes. Die ästhetische Prämisse ist, dass etwas schön
genau dann ist, wenn es auch dem entspricht, was die Techniker als rich-
tig reflektieren und so den Wissensaustausch als erfolgreich erleben. Ein
gutes Angusssystem im Wachsausschmelzverfahren sieht elegant und
effizient aus und wird als schön empfunden (Abb. 5.8). Auch wird man in
diesen Fällen immer wieder sehen, dass Anhänger anderer Technologie-
schulen eine andere Vorstellung von schön haben (ich erinnere an Apple
und PC-user); bekanntlich lässt sich über Geschmack (nicht) streiten.

Abb. 5.8: Die ästhetische Über-


höhung der Technik durch das
grafische Medium: Das Wachs-
modell der Reiterstatue Ludwig
des XIV. von François Girardon
(Bildhauer) und Jean Baltazar
Keller (Gießer) in der Gießgrube,
umspielt von den Wachstäben
für das Einguss- und Abluft-
system. Im Original wird dies
wohl anders ausgesehen haben,
doch bietet uns das Abbild einen
Eindruck von der Rezeption der
technischen Ästhetik.

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Wissen 121

Schön ist demnach überhaupt ein Begriff, der vor allem eines
beschreiben soll: Das, was schön ist, wird im Moment der Assoziation als
vollkommen und wirksam erlebt, als die höchste Erfüllung dessen, was
man als Zweck einer Sache konzeptualisiert. Das reicht von Geräten über
Theorien und Technologien bis zu Menschen – und wieder zurück zu den
Gießern: Im Alten Reich war die Bezeichnung für gussfertige Schmelze
„schönes Gesicht“ (Hr-nfr), womit wohl die in der richtigen Weise hell
strahlende und glatt, fast unbewegt daliegende Tiegeloberfläche gemeint
war – ein unglaublich beeindruckender Anblick für jeden, der dies schon
einmal erlebt hat (Abb. 5.9).18 Ich wage zu vermuten, dass das Schöne
in uns als das gefallende Erlebnis des Funktionstüchtigen angelegt ist,
als ein Instinkt, der
jeweils jenes als vollkom-
men erleben lässt, was
eine Zeit, eine Kultur,
ein Stand als effektiv,
als gut und richtig, als
καλὸς κἀγαθός empfindet.
So ist beim Menschen
das „schöne Weib“ und
der „schöne Mann“ das
Erleben dessen, was eine
Abb. 5.9: Schmelzer an einem Tiegel, Darstellung in
Epoche und Klasse als einer funerären Anlage in Meir (um 2200 v. u. Z.).
Funktion und Sinn von Über der Gruppe steht der „anfeuernde“ Ruf: „Gib dop-
pelt effektiv (= Blase besonders konzentriert)! Siehe:
Frau und Mann versteht, Es (= die Schmelze) ist dabei ein „schönes Gesicht“
noch der „schöne Greis“ zu werden!“. „Schönes Gesicht“ (Hr-nfr) ist hier als ein
bei den Alten und die Begriff der Fachsprache der Metallhandwerker zu ver-
stehen. Durch die Beurteilung der Tiegeloberfläche (Hr
„schöne Greisin“ in der = „Gesicht“) als „schön“ (nfr) wird beschrieben, dass
Kosmetikwerbung auch die Schmelze bereit zum Abguss ist.

18 Scheel 1985, 158. Kein Bildband zum Metallguss kommt ohne ein Foto mit einer
Ansicht in den mit gussfertiger Schmelze gefüllten Tiegel aus; meist schon auf dem
Titel.

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122 Tun und Wissen

heute, das „schöne Kind“ als das besonders kindliche Kind erst seit dem
18. Jahrhundert usw. Das schöne Schaudern vor der Natur, das im 19.
Jahrhundert den Romantiker ergreift, ist das Erleben der wunderbar rich-
tigen Eingerichtetheit unserer Welt, die parallel von den Naturwissen-
schaften in genau dieser Eingerichtetheit (und heute: Fragilität) erforscht
wird. Und so ist es in der Technik.19 Dass das Wort Technik von griechisch
τέχυη kommt und „Handwerk“ ebenso meint wie „Kunst“, ist da nur noch
konsequent – und auch im Deutschen ist die Handwerkskunst (jenseits
der Volkskunstzirkel zwecks Gruppentherapie) vor allem die Fähigkeit,
gut und richtig zu handwerken. Das Ereignis von Schönheit ist, wenn
der Wissensaustausch von Mensch und Ding (oder von kommunizieren-
den Menschen) harmonisiert. Und dies ist auch der eigentliche Moment
des Wissensaustausches. Es gibt eine direkte Verbindung von Ästhetik
und Erkenntnistheorie: Wissen ist eine Erfahrung. Wissen ist nicht nur die
kalte Reflektion eines Ergebnisses, sondern das Erleben dieses Ergebnisses
– als richtig oder falsch, als gut oder böse, als schön oder hässlich.
Wie schön (und wie geheimnisvoll) die antiken Gießer ihr Werk
erfahren haben, wird uns noch beschäftigen. Hier ein Blick ins Jetzt: Die
Gussformen und sonstige Funde des Konvolutes von der Qubbet el-Hawa
waren zuerst alles andere als schön und wurden von den meisten Rezi-
pienten in der Museumsvitrine wohl kaum beachtet, da ihnen schlicht
das technische Verständnis und damit der Sinn für deren Schönheit fehlt.
Wenn aber das Wissen ausgetauscht ist, wir uns ihnen durch Röntgen-
strahlen und Computer bis ins Innere genähert haben – dann sind auch
diese bröseligen Tonwürste von einer ganz besonderen Ästhetik. Man
beginnt die technische Versiertheit des Formenaufbaus zu bewundern,
die Eleganz des minimalen Eingusssystems. Man sieht die Symmetrie der
Wachsmodelle im Gussbaum ganz anders und bewundert die Feinheiten
19 Und natürlich auch in der Kunst. Atonales und Anverwandtes wird in dem Moment
schön, in dem man sich überzeugt, dass es funktioniert. So kam die „klassische
Moderne“ über einen funktionierenden Kunstmarkt voran. Und heute wird alles ganz
ohne Skrupel als Kunst anerkannt, was auf dem Kunstmarkt funktioniert – also hohe
Preise bringt.

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Wissen 123

der Modellierung, die doch nur im Negativ erfahrbar sind. Schließlich


erfreuen wir uns an der Perfektion der technischen Rekonstruktionen die
– hier können wir endlich Namen nennen, wo uns die der alten Meister
oder Meisterinnen doch verborgen bleiben! – Dietmar Meinel, Frank Wil-
ler und Johannes Auenmüller geschaffen haben (Abb. 4.1). Und im sel-
ben Moment bewundern wir die Perfektion und Schönheit der Geräte, die
genauso am Schaffen beteiligt waren: die 3D-Mikro-Computertomogra-
phieanlage mit 225kV Mikrofokusröntgenröhre und einem 2048 x 2048
Pixle Flachdetektor, die Programme VG Studi Max AVIZO und FEI, die
3-D-Druckmaschine MakerBot Replicator2 ...20

20
Meinel / Willer 2016, 86–96; Auenmüller 2016.c.

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124 Tun und Wissen

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Eigenschaft 125

EIGENSCHAFT UND MAGIE

Credo des Vorangegangenen war: Das Spezifische von Technik ist, dass
man diese tun muss. Tut man dies, dann ist man in der Lage, sie auch als
Technologie zu reflektieren. Es gibt ein Ereignis, einen Moment, in dem
Tun, Reflektion und Erleben zusammenfallen und in Erkenntnis münden,
in dem Informationen von Mensch und Ding ausgetauscht werden und
sich als Wissen konstituieren. In der Sprache der ANT ist dieser Nexus von
Mensch und Ding der Moment der Verknüpfung, einer Assoziation, die
Mensch und Ding eingehen. Es ist ein Moment, der auch ästhetisch vom
Menschen erlebt wird: als erfüllend und schön oder auch – denn Emotio-
nen sind breit aufgestellt – als schauderhaft, erniedrigend, als knechtend
und hässlich: wenn die Maschine Macht über uns gewinnt.1
Zwei deutsche Wörter können herangezogen werden, um diesen
Aspekt des Zusammenhangs von Tun und Wissen herauszustellen: Wir
begreifen beim Tun (technisch) etwas, um es schließlich durch unser Wis-
sen zu beherrschen (technologisch). Erst der (meist: haptische) Kontakt
und die Erfahrung der Handhabung – das Begreifen – machen es möglich,
dass der Vorgang selbst reflektiert und schließlich gewusst und bewusst
kontrolliert – beherrscht – wird. Es ist dies der Moment, in dem Mensch
und Ding ihre jeweils ganz spezifischen Potenzen entfalten und sich so
als Mensch und Ding – im technologischen, aber auch allgemein kulturel-
len Sinne – überhaupt konstituieren. Denn ausgesprochen anspruchsvolle
Vorgänge wie das Wachsausschmelzverfahren sind Techniken, die nur
Menschen beherrschen. Doch birgt der letzte Satz vom Beherrschen eine

1
Es sei nur der Gewohnheit wegen wieder einmal erwähnt, dass die Rolle des Gegenüber
nicht zwingend ein materiell manifestes Ding sein kann, sondern auch eine Idee,
ein starker visueller Eindruck, ein Geräusch und – tatsächlich – auch ein anderer
Mensch. Die Mensch-Mensch-Verknüpfung ist natürlich eine der kompliziertesten.

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126 Eigenschaft und Magie

bemerkenswerte Zweideutigkeit. Der Mensch beherrscht diese Verfahren


und formt sich so kulturell als (moderner) Mensch, dass heißt er emanzi-
piert sich von der ihn und sie umgebenden und nach wie vor prägenden
Natur (oder unterscheidet sich wenigstens). Aber diese Verfahren beherr-
schen genauso den Menschen.2 Der Moment der Verknüpfung ist kein
einseitiger; in ihm erleben Menschen die agency des Dinges ganz unmit-
telbar, auch in emotionaler Hinsicht. Anders formuliert: Im Zuge der
Auseinandersetzung werden Eigenschaften der Dinge präsent und aktiv,
mittels derer sie Einfluss auf den Menschen gewinnen, handlungsleitend
werden, diesen verändern: die große Bedeutung für den Menschen haben.
Der Befund von der Qubbet el-Hawa, so wurde einleitend festgehal-
ten, scheint in zwei Welten zu spielen. Die Welt der technischen Vor-
gänge wurde im letzten Teil behandelt. Nicht behandelt wurde dabei,
welche Eigenschaften eigentlich den Dingen im Zuge dieser Handlungen
zuwuchsen, was aus ihnen also wurde, als sie sich auf so fundamentale
Weise wandelten. Kann es sein, dass in diesen Prozessen aber ein Schlüs-
sel zu der zweiten Welt ihrer Existenz liegt, zu ihrer Funktion als Sakral-
gegenstände und schließlich auch zum Fundort? Um diesen Aspekt soll es
nun gehen: darum, welche Eigenschaften Dinge haben und wie die Dinge
Einfluss auf Menschen gewinnen.

2 Das Wesen und die Doppelgesichtigkeit der menschlichen Herrschaft über die Natur
durch Arbeit wird schon von Engels 1962, 452 reflektiert. Das Thema wird in Kap.
18 noch einmal beschäftigen.

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Eigenschaft 127

6. Eigenschaft

6.1. Stoff

Metalle sind als Stoffe durch Eigenschaften charakterisiert, die sich aus
ihrer Stellung unter den chemischen Elementen ergeben (Abb. 6.1):

„Der Begriff (Metall, M. F.) ... gilt für alle Materialien, die in fester
oder flüssiger Form die folgenden vier charakteristischen metallischen
Stoffeigenschaften aufweisen:
1. hohe elektrische Leitfähigkeit, die mit steigender Temperatur
abnimmt,
2. hohe Wärmeleitfähigkeit,
3. Duktilität (Verformbarkeit)
4. metallischer Glanz (Spiegelglanz).
Alle diese Eigenschaften beruhen darauf, dass der Zusammenhalt der
betreffenden Atome mit der metallischen Bindung erfolgt, deren wich-
tigstes Merkmal die im Gitter frei beweglichen Elektronen sind.“3

Von diesen vier Eigenschaften sollten in der Antike vor allem die Dukti-
lität und der metallische Glanz von Bedeutung gewesen sein, in einigen
Zusammenhängen auch die Wärmeleitfähigkeit (spätestens dann, wenn
man Menschen in glühenden Bronzestieren wie dem des Perilaos hinrich-
tete), während die elektrische Leitfähigkeit wohl eher keine Rolle spielte
(es sei denn, man hängt den Thesen mysteriöser Glühlampen in den Kryp-
ten von Dendera und dergleichen an4).
Duktilität und Glanz können auch sinnbildlich für die zwei Dimension
stehen, unter denen wir das praktische Erfahren und Erleben der Eigen-
schaften von Metallen betrachten können (und was im Prinzip auch für

3 Wikipedia s. v. „Metalle“ (< https://de.wikipedia.org/wiki/Metalle >; 18.02.2017).


4
Ercivan 2006.

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128 Eigenschaft und Magie

Abb. 6.1: Periodensystem der Elemente.

alle anderen Materialien gilt): unter dem Aspekt ihres Gebrauchs und dem
ihrer Ästhetik.
Die metallische Duktilität verleiht aus diesem Material gefertigten
Objekten besondere Gebrauchseigenschaften, insbesondere eine Elasti-
zität, die über die von Stein, Holz und Keramik hinausgeht, verbunden
mit einer Härte, die den genannten Materialien zumindest nicht nach-
steht.5 Duktilität erlaubt auch das Schärfen von Metallgegenständen, so
dass Techniken des Scheidens (Schneiden, Spalten, Sägen etc.) und des
scheidenden Abtragens (Feilen, Raspeln etc.) eine besondere Symbiose
mit metallenen Werkzeugen eingegangen sind, ebenso solche des Ste-
chens (Nähen, Nageln, Nieten) (Abb. 6.2). Die thermische Wandelbar-

5
Das Kriterium der Härte trifft natürlich nur für Metalle zu, die bei normalen Tem-
peraturen in einem festen Aggregatzustand und nicht als Pulver o. ä., vorliegen.
Quecksilber hat gerade wegen seines Aggregatzustandes besondere Eigenschaften,
auf die noch einzugehen sein wird.

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Eigenschaft 129

Abb. 6.2: Modellwerkzeuge (Axt, Dechsel, Säge, Messer, Stichel, Winkelmaß) zur Holz-
bearbeitung; Grabbeigaben aus Ägypten, um 1900 v. u. Z.

keit potenziert diese Eigenschaften, da die thermische Umformung bei


der Gestaltgebung technisch genutzt werden kann (Schmieden, Gießen).
Zudem lassen sich so metallene Gegenstände jederzeit mit nur geringem
Mengenverlust recyceln.6
Dem steht der Glanz gegenüber, der natürlich auch eine Gebrauchs-
eigenschaft indiziert, insbesondere durch den Effekt des Spiegelns (Abb.
6.3). Vor allem aber verleiht der Glanz jedem Metallobjekt eine beson-
ders kostbare Anmutung, die sich bei den als „edel“ klassifizierten Metal-
len noch steigert. Glanz ist somit eine Eigenschaft, deren Nützlichkeit
sich vor allem darin niederschlägt, das Erleben des Gegenstandes und
seiner Handhabung zu potenzieren. Der metallische Glanz verweist in
einer ästhetischen Überhöhung praktisch auf alle positiv konnotierten
Eigenschaften, die Metalle haben können, also auf deren Schärfe, Härte,

6
Hansen 2013, 139.

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130 Eigenschaft und Magie

Abb. 6.3: Rasiermesser


und Spiegel, Grabbeigabe
aus Ägypten / Theben,
Sheikh Abd el-Qurna,
ca. 1450 v. u. Z.

haptische und visuelle Besonderheiten. Je stärker der Glanz, desto treffli-


cher sind scheinbar diese Eigenschaften; selbst, wenn es nicht alles Gold
ist, was glänzt. Fehlender Glanz hingegen steht für Stumpfheit, Rost für
den Zerfall, beides verweist auf den Verlust der Gebrauchseigenschaften.
Diese Doppelgesichtigkeit der Metalle prägt ihren Gebrauch in beson-
derer Weise, selbst in der wissenschaftlichen Reflektion. Einerseits mag
man eine Technikgeschichte schreiben, die sich ganz dem Nutzen der
Duktilität widmet; eine Geschichtsschreibung, die in ihrem Kern als
Geschichtsschreibung der Geräte daherkommt.7 Durch die Nutzbarma-
chung dieser Eigenschaft – indem man sich Wissen über sie und von ihnen
aneignete, sie gewissermaßen technisch domestizierte und in „handhab-
bare“ Formen brachte – wurden neue Geräte geschaffen, die wiederum
bei neuen Techniken der Auseinandersetzung von Mensch und Natur hilf-
reich waren und so als treue Begleiter den Menschen beim Gang durch
die Geschichte begleiten wie der Hund, das erste domestizierte Tier (wie
man sagt). Andererseits berauscht sich die Kunstgeschichte an der Ästhe-

7
So etwa Döbler 1967.

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Eigenschaft 131

tik der frühen Meisterwerke der Metallkunst – und hier ist der Begriff
„Kunst“ noch in seiner guten alten Bedeutung als „Wissen, Kenntnis“8
gemeint; ergo: Können. Letzten Endes wird man beides nicht trennen
können.

6.2. Zeichen

Typentafeln der Bronzezeit werden, was die metallenen Gegenstände


betrifft – die dieser Epoche ja ihren Namen geben –, von Messern und
Schwertern, Beilen, Perlen und anderen Schmuckstücken dominiert
(Abb. 6.4). Dazu kommen metallene Prunk-Gefäße und Götterbilder.9 Es
sind solche Dinge, die als typologische Zeichen für ihre Zeit stehen und
auf diese verweisen.
Und doch werden gerade diese Zeichen der Zeit in der Praxis oft nur
eine marginale Rolle beim Stoffwechsel von Mensch und Natur oder der
Produktion materieller Güter gespielt haben. Dass metallene Gebrauchs-
gegenstände im engeren Sinne, Werkzeuge etwa, die bei Ackerbau, Vieh-
zucht, Fischfang, Jagd und Hausbau brauchbar waren, in Typologien
der Bronzezeit weniger präsent sind, mag daran liegen, dass sich ihre
Typenhaftigkeit weniger differenziert darstellt und so zur typologischen
Sortierung weniger taugt. Dass metallene Gebrauchsgegenstände im
archäologischen Befund früher Perioden zudem eher selten sind, dafür
sind Spezifika der Befundentstehung verantwortlich, z. B. Bestattungs-
bräuche, die zum Erhalt eines nur begrenzten Objektinventars bzw.
dessen Überrepräsentation im Befund führen. Nicht zur Repräsentation
taugende Gebrauchsgegenstände wird man auch regelmäßig in den Mate-
rialkreislauf zurückgeführt haben, so dass diese selten erhalten blieben.
Der Überlieferungszufall (den wir dann besser als ein Überlieferungs-

8 Pfeifer 2011, 745.


9 Siehe Hansen 2016 mit einer Übersicht über frühe Metallobjekte (Waffen und figür-
liche Objekte).

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132 Eigenschaft und Magie

Abb. 6.4: Typentafeln:


a) Metallzeit I, aus: Meyers Konversationslexikon,
Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und
Wien, Vierte Auflage, 1885-1892, S. 525.a ;
b) Metallobjekte der mitteleuropäischen Bronze-
und Hallstattzeit (aus: Eggers 1959, Abb. 8).

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Eigenschaft 133

gesetz bezeichnen sollten10) wird also die Beleglage und damit unseren
Blick verzerren. Dennoch bleibt es auffällig, dass gerade aus den frühen
Perioden der Metallverarbeitung besonders viele Objekte erhalten sind,
denen wir nach unserem Wertesystem vor allem symbolische Bedeutung
zumessen: Schmuck, Rangabzeichen und schließlich – Götterbilder. Die
in der Bronzezeit zur Verfügung stehenden Metalle waren in der Regel
auch nicht hart genug, um neben dem Schneiden und Stechen etwa Tech-
niken des Hebelns zu stimulieren, wie es das erst später genutzte Eisen
tut. Eine komplette Umwälzung der Techniken des Stoffwechsels mit der
Natur war so kaum zu verwirklichen. Auch die früher angenommene
revolutionäre Veränderung der sozialen Struktur solcher Gesellschaf-
ten, in denen Techniken der Metallgewinnung und Metallbearbeitung
bekannt waren, wird mittlerweile kritisch bzw. differenziert gesehen.11
Zu gering ist das nachgewiesene Volumen der Produktion, zu marginal
das tatsächlich bezeugte Nutzungsspektrum von Metallen und zu wenig
auffällig die Rolle von Spezialisten der Metallverarbeitung in der sozialen
Repräsentation, als dass von einer Bronzezeit im weiteren Sinne – einem
durch und durch „ehernen“ Zeitalter – tatsächlich zu sprechen wäre, von
dem ein flüchtiger Blick auf die Typentafel erzählt.

Und doch bleibt das Paradoxon, von dem die Typentafel berichtet: Metalle
haben durchaus jener Epoche ihr – als Metaller besprochen: – Gepräge
gegeben. Jedoch weit weniger als bisher angenommen im Bereich des
Stoffwechsels von Menschen mit der Natur. Die die Typentafeln zieren-
den Messer, Schwerter und Streitäxte und ebenso die zierlichen Fibeln,
Schnallen und Ketten sind Gebrauchsgegenstände in einem besonderen
Sinne. Man gebraucht sie, wenn es um die Auseinandersetzung von Men-

10
Demnach ist anzusetzen, dass Gegenstände mit geringer symbolischer Aufladung
einen geringeren Wert haben und daher schneller in den Materialkreislauf zurück-
geführt werden als Gegenstände mit hoher symbolischer Aufladung. Dazu noch im
Folgenden.
11 Siehe die Beiträge in: Kienlin / Robertson 2009; Burmeister / Hansen / Kunst / Müller-
Scheeßel 2013.

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134 Eigenschaft und Magie

schen mit Menschen geht; d. h. ans Kämpfen und Töten, ans Posieren und
Prunken. Die besonderen Eigenschaften der Metalle kommen dann zum
Tragen, wenn Menschen sich als Gesellschaft konstituierten. Metallene
Geräte sind in der Bronzezeit weniger Geräte der physischen Reproduk-
tion als vielmehr Geräte des social engineering.
Allerdings bleibt es unsicher, ob die teuren metallenen Metallwaffen
der frühen Zeit häufig in Kämpfen Verwendung fanden. Man darf sogar
fragen, ob die Verwendung im Kampf der eigentliche Zweck der frühen
Metallwaffen war, die uns als schmucke Dolche, prunkvolle Schwerter
und elegante Klingen überliefert sind. So manche Abarten – Zeremo-
nialwaffen – dienten ganz anderen Zwecken. Ihre Funktion ist es, eine
Potenz anzuzeigen; nämlich die: zu töten. Damit besitzt eine Waffe eine
Eigenschaft, die nicht darin liegt, sie zu gebrauchen, sondern die, ihre
besondere Funktion zu signalisieren. Das Schwert, sichtbar ausgestellt
als Richtschwert, vermittelt das Wissen um dessen Tötungspotenz; der
„Glanz der Waffe“ wird zu einem Symbol von dessen Funktion. Man kann
die Liste solcher auffällig zur Schau gestellter Gegenstände des Tötens
noch kulturspezifisch erweitern, etwa um die Streitaxt,12 den Zeremoni-
alspeer, schließlich das Maschinengewehr und den Panzer. Diese Gerät-
schaften haben ein relativ beschränktes Nutzungsspektrum, um so exzes-
siver präsentiert man sie als Schmuck (Abb. 6.5).13
Schmuck ist hier das Stichwort: Perlen zählen zu den frühesten
Metallobjekten und signalisieren die Stellung des Trägers oder der Träge-
rin; und zwar dem Gegenüber wie der Trägerin oder dem Träger selbst.
12 Siehe Klimscha 2017, 113–120, der darauf hinweist, dass unter den frühen Metall-
objekten im eurasischen Raum Beilklingen deutlich hervorstechen. Dabei ist davon
auszugehen, dass diese Beile eben keine Werkzeuge waren – zur Holzbearbeitung
wurden eher Dechsel verwendet – sondern Waffen: Hackmesser, damit dem Dolch
und dem Schwert vergleichbar.
13
Auch wenn wir in einer Welt permanenter Kriege leben, darf nicht übersehen wer-
den, dass zumindest ein Großteil aller Waffen der Abschreckung dient und durch die
permanente Präsentation – auch in Emblemen, auf Paraden, an „martialisch“ her-
ausgeputzten Wachposten u. ä. – diesen Zweck erfüllen soll. Dass der Besitz solcher
Waffen allerdings die eigentümliche agency besitzt, sie auch tatsächlich zu benutzen
(use it or lose it) ist ein Effekt, der noch zu behandeln ist.

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Eigenschaft 135

Abb. 6.5: Hacke und Kalaschnikow, das


archetypische Werkzeug und die arche-
typische Waffe als Zeichen: Wappen der
Republik Mosambik.

Ähnlich steht es um Instrumente der Macht, etwa das Zepter, das viel-
leicht überhaupt der erste Metallgegenstand war, den der Mensch nutzte:
Ein klumpig gehämmertes Stück Kupfer, das in Can Hassan in Anatolien
gefunden wurde und um 6000 v. u. Z. datiert wird, eine etwas krude Imi-
tation der Keule, könnte so ein Zepter gewesen sein.14 Die heterogene
Gruppe von Schmuck- und Symbolgeräten kann noch viele andere Gerät-
schaften in sich aufnehmen. Dazu zählen neben Dingen, die eine visuelle
Attraktion bewirken und so den Blick auf die Person der Trägerin / des
Trägers lenken, auch Geräte des Erlegens wie die Keule, der Hegung wie
der Hirtenstab, oder solche, die der Unterstützung von Gesten dienen,
wie der Zauberstab. Diese Geräte gibt es aus den verschiedensten Mate-
rialien; werden sie in Metall ausgeführt, verlieren sie auffällig oft ihre
praktische Funktion und werden doch funktional potenziert. Aufgabe all
dieser Dinge ist es dann nämlich, zu verweisen. Schmuck ebenso wie eine
Waffe, ein Werkzeug oder ein Zauberstab definieren als Teil einer Tracht
den Träger oder die Trägerin als soziale Entität; als Ornat bestimmen sie

14
Yalçin 1999.

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136 Eigenschaft und Magie

den Status; als Gabe – ob als Brautschmuck, im Ringtausch oder Potlach


– verweisen sie auf das ganze Bedeutungsgeflecht einer Kultur.
Während die eigentlichen Werkzeuge aus Metall, deren Gebrauchspotenz
auf der Eigenschaft der Duktilität beruht, eher unscheinbar bleiben, ist
es so, dass die auffälligsten Objekte, die in früher Zeit aus Metall gefer-
tigt wurden und die Bronzezeit als solche charakterisieren, in besonderer
Weise mit der Zweiten der oben besprochenen stofflichen Eigenschaften
in Zusammenhang stehen: mit der besonderen ästhetischen Anmutung. In
metallischen Glanz getaucht, wird das Ding zum Zeichen seiner selbst; zu
einem Symbol, dessen Wirkungspotenz nicht im Gebrauch liegt, sondern
in der Signalisierung der Potenzen seines Gebrauchs.15

6.3. Wert

Man sollte die Betrachtung von Metallobjekten aus der Perspektive der
Zeichen natürlich nicht übertreiben. Es gibt in der Bronzezeit, und nicht zu
knapp, viele Metallobjekte, die durchaus für eine ganz pragmatische Nut-
zung taugen, Nadeln, Angelhaken, Dechsel, Beile und Sicheln, schließlich
diverse Gefäße, Waffen für den täglichen Bedarf usw. Es wird die Auf-
gabe der Befundanalyse bleiben, zu klären, ob im konkreten Zusammen-
hang diese Objekte für den tatsächlichen Gebrauch bestimmt waren, oder

15
An dieser Stelle soll keine Diskussion des Zeichenbegriffes geführt werden, die sich
mitunter etwas verselbstständigt hat (zur Diskussion in der Archäologie: Burmeister
2003). Im hier interessierenden Zusammenhang steht der Begriff Zeichen für eine
Eigenschaft beliebiger Phänomene, auf etwas zu verweisen ( = „steht für / bedeu-
tet / meint“ etc.), also die Eigenschaft, Signifikant zu sein / sein zu können. Das, wor-
auf verwiesen wird (= das Signifikat) kann ein beliebiges Phänomen sein, also z. B.
eine andere Entität (dann kann das Zeichen als Symbol dieser Entität aufgefasst wer-
den), es kann aber auch auf Eigenschaften des Signifikanten selbst sein, der so also
auf sich verweist (hier greift die Definition des Zeichens als Fetisch nach Kohl 2003,
28; dazu noch in Kap.16). Entscheidend bleibt, dass die Eigenschaft Zeichen / Signi-
fikant zu sein (und damit: Symbol oder Fetisch zu werden), kein a priori ist, sondern
immer von der praktischen Aktivierung dieser Eigenschaft bestimmt wird. Hierzu:
Fitzenreiter 2015.

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Eigenschaft 137

eben doch eher auf etwas anders verweisen sollten – zum Beispiel auf
ihre Gebrauchseigenschaften als besonders effektive Werkzeuge. Die aus
Ägypten in größerer Zahl erhaltenen Modellwerkzeuge dienen allein dem
Verweis, aber auch allein dem auf die Funktion als Werkzeug. Doch als
Werkzeug in einer symbolischen Funktion (Abb. 6.2).16 Am Ende bleibt
es immer schwer, zwischen Zweckrationalität und Symbolik zu unter-
scheiden. Jedes metallene Ding hat Eigenschaften, die einen sinnvollen
Gebrauch ermöglichen, was immer man darunter versteht. Es hat aber
auch einen Glanz, der auf eigentümliche Weise auf diese oder andere
Eigenschaften verweist. Mitunter ist überhaupt nur noch dieses Verwei-
sen die Eigenschaft, die wir an einem Ding schätzen. Es ist dieses Ver-
weisen eines auf den inhärenten Wert, den man einem Ding zuschreibt,
den ein Ding hat. Wobei Wert und Gebrauch in einem erstaunlich schi-
zophrenen Zusammenhang stehen können. Mitunter sind Dinge beson-
ders wertvoll, die man gar nicht als solche benutzen will, etwa die eben
erwähnten Modellwerkzeuge. Und selten wird eine Archäologin oder ein
Archäologe nach einer Ausgrabung selbst die einfachsten und nur für den
Gebrauch gedachten antiken Werkzeuge noch praktisch verwenden; man
wird sie aber nach ihrer „Bedeutung für die Wissenschaft“ befragen und
aus diesem Umstand heraus sind sie besonders wertvoll – zumindest für
die Forscher.17
Die Eigenschaft, auf einen Wert zu verweisen beziehungsweise einen
Wert zu verkörpern, führt zu einer sehr praktischen und rationalen Ver-
wendung von Metallen, die geradezu paradigmatisch aber immer wieder
ins Symbolische eintaucht, nämlich die als Wertmesser oder -äquivalent.
Solche Wertäquivalente sind weltweit sehr vielgestaltig und existierten
unabhängig von der Verbreitung der Metalltechnologie. Zumindest im

16
Dieser Umstand wird mittels des „semiotischen Dreiecks“ für Darstellungen und
Funde von Dechseln aus Ägypten im Alten Reich verdeutlicht in: Odler 2015, 85-87.
17
Wobei man auch hier nicht dogmatisch sein sollte. Aneignung der Antike bedeutet
immer auch, die Dinge praktisch zu nutzen, und sei es, dass man Goldmünzen in die-
ser – als eingeschmolzenes Gold – oder jener – als Verkaufsartikel des Kunstmarktes
– Weise wieder in den Umlauf bringt. Dazu noch gleich.

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138 Eigenschaft und Magie

antiken Mittelmeerraum und davon ausgehend bis in die Neuzeit aber


stehen Metalle – besonders jene mit „edler“ Anmutung – als Verkörperung
von Wert schlechthin: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“
(Goethe, Faust). In metallene Form gebracht werden andere Wertäquiva-
lente qua Verweisung imitiert und in ihrem Wert noch potenziert. So gibt
es metallenes Muschelgeld in China und die bronzezeitlichen Metallob-
jekte in Beil- oder Sichelform können zu Wertäquivalenten bzw. Handels-
form werden; ihr praktischer Nutzen als Beil oder Sichel tritt dabei in den
Hintergrund.18 In diesen Fällen geht es kaum um die Gebrauchseigen-
schaften der Objekte, sondern darum, dass sie auf eine bestimmte Weise
als kostbar gelten.19 Die wesentliche Eigenschaft dieser Objekte ist allein
ihr Wert, bzw. genauer formuliert: wieder die Eigenschaft, im Moment
der Präsenzwerdung ihrer spezifischen Materialität auf einen Wert zu
verweisen. An dieser Stelle ist ein Exkurs zur Wertbildung sinnvoll bzw.
dazu, wie sich Wert als die Eigenschaft einer Sache bildet.20

18 Zur Rolle der Buntmetallbeile der frühen Bronzezeit in Europa als Wert-Symbole:
Sommerfeld 1994; siehe die Gegenposition von Kienlin 2008, 301–306, wo sich
allerdings mit monetaristischen Fragestellungen nicht auseinandergesetzt wird.
19 In der Imitation von Gegenständen aus Metall in einem anderen Material wird dieses
Phänomen besonders deutlich, wobei das Imitat nicht weniger Kunstfertigkeit bei
der Herstellung verlangt, der eigentliche Wert aber darin besteht, das andere Mate-
rial und seine besonderen, „verweisenden“ oder symbolischen Merkmale abzubilden.
Das zeigen neolithische Klingen und Beile aus Stein, denen sorgfältig eine „Guss-
naht“ aufretuschiert wurde (Gleser 2015, 256f.) oder die mittelalterliche Lüsterke-
ramik im Mittleren Osten, die Metallgefäße ersetzen bzw. deren Anmutung noch
übertreffen sollte (Mason 2004). In solchen Fällen wird der Verweis auf ein anderes
Material bzw. ein Objekt aus einem anderen Material durch das tatsächliche Mate-
rial einerseits gebrochen, andererseits mittels dieser „doppelten“ Materialität noch
potenziert. Für die Steinbeile kann dies nur vermutet werden; für Lüsterkeramik und
auch Imitationen von chinesischem Porzellan z. B. durch die Porzellanmanufaktur in
Meißen ist dies gesichert.
20
Wenn es um die Diskussion der Wertbildung geht, ist es vorbereitend sinnvoll klar-
zustellen, dass es zwei grundsätzlich verschiedene Betrachtungsweisen gibt, die der
Interpretation von Wert zugrunde liegen. Diese Betrachtungsweisen beruhen beide
aber ausschließlich darauf, dass Wert als ein ökonomisches Phänomen betrachtet
wird: also eine Sache (Objekt, Ding) als Ware gilt, der dieser Wert zukommt. Obwohl
die Eigenschaft einer Sache, eine Ware zu sein, in vorkapitalistischen Gesellschaften
eine Ausnahme ist und im hier interessierenden Zusammenhang keine besondere

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Eigenschaft 139

Nutzen
Der Wert, den der Mensch einer Sache zumisst und auf den diese Sache
also verweist, konstituiert sich idealiter aus dem Nutzen, den er aus ihrem
Gebrauch zieht. Verdinglicht liegt dieser Gebrauchswert in einem Gegen-
stand vor, dem er als eine Eigenschaft zugeschrieben wird. Diese Eigen-
schaft verringert sich durch den Gebrauch (Abnutzung – bemessen heut-

Rolle spielen wird, seien die Unterschiede der Betrachtungsweise der Verdeutlichung
halber skizziert:
In der klassischen (bürgerliche) Wirtschaftswissenschaft spielt der Begriff Wert inso-
fern nur eine untergeordnete Rolle, da bei der Beschäftigung mit irgendeinem öko-
nomischen Phänomen (Güter, Leistungen etc. unter dem Aspekt, eine Ware zu sein)
grundsätzlich der Begriff der Kosten oder sein Widerpart, der (Verkaufs-)Preis, im
Zentrum stehen. Über das Begriffspaar Kosten / Preis werden ökonomische Zusam-
menhänge klassifiziert und bewertet (weshalb alle Phänomene, denen – noch – kein
Preis zugeordnet werden kann, nicht ökonomisch, d. h. als Ware, erfassbar sind, z. B.
die häusliche Arbeit, die Luft usw.). Wert bzw. eigentlich der Mehrwert gegenüber
dem wieder über die Kosten definierten Wert des Vorproduktes wird über die Diffe-
renz aus dem erzielten Verkaufspreis, also den Kosten dessen, der das Gut erwirbt,
und den Kosten der Herstellung definiert. Die so numerisch berechenbare soge-
nannte Wertschöpfung wird mit Umsatz- oder Mehrwertsteuer besteuert. Der mögli-
che Verkaufspreis selbst etabliert sich über das Zusammentreffen von durch Kosten
definierten Phänomenen auf einem Markt (d. h. einem Handlungssraum oder -feld),
auf dem diese Phänomene ausgetauscht werden, ceteris paribus und den allseitig gut
informierten homo oeconomicus als „zeitkonsistenten Erwartungsnutzenmaximierer“
voraussetzend. Kosten sind aus dieser Perspektive objektive und kalkulierbare Grö-
ßen, während der (Mehr-)Wert ein Epiphänomen ist, dass sich aus der Anpassung
von Kosten und Gewinn(erwartung) an den über den Markt regulierten Preis ergibt.
Die marxistische politische Ökonomie stellt demgegenüber nicht die Kosten, sondern
die Arbeit in das Zentrum der Betrachtung und geht von einem Begriff des Wertes
aus, in dem sich die gesamtgesellschaftliche Arbeit anteilmäßig in einem Produkt
manifestiert: Der Wert einer Sache ergibt sich aus der Summe der in sie geflossenen
gesamtgesellschaftlichen Arbeit (n. b.: nicht aus der individuellen Arbeit für die Her-
stellung dieser konkreten Sache!). Der Marktpreis einer Ware ist von diesem Wert
völlig unabhängig und wird über einen sozialen Prozess (Aushandlungsprozesse,
d. h. über Machtbeziehungen: Schwartz / Trump 1987) realisiert (der ideale Markt
der klassischen bürgerlichen Ökonomie existiert in dieser Theorie nicht). Während
aus marxistischer Warte der Wert ein Phänomen des unmittelbaren Produktionspro-
zesses ist, also eine empirische Konstante, sind Kosten und (Markt-)Preise Epiphä-
nomene des sozialen Überbaues und in gewissem Sinne irrational (und der resultie-
rende Kaufpreis eine dessen Charakter als Vergegenständlichung gesellschaftlicher
Arbeit wegzaubernde Eigenschaft des Waren-Fetisch). Siehe hierzu Marx 1962,
49–85 und die Kritik aus der Perspektive der nicht-marxistischen Wirtschaftswissen-
schaft Burchardt 1997. Der metaphysische Marx’sche Wertbegriff wird in Kap. 18
noch eine Rolle spielen.

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140 Eigenschaft und Magie

zutage in der Buchhaltung als Abschreibung des Wertes), kann durch


entsprechende Pflege21 aber auch erhalten oder sogar gemehrt werden.
In komplexen sozialen Beziehungen, in denen Güter und Leistun-
gen22 arbeitsteilig erbracht und ausgetauscht werden, steht diesem rohen
Gebrauchswert ein Äquivalenzwert zur Seite, über den ganz unterschied-
liche Dinge im Wert vergleichbar gehalten werden (= relativer Wert).
Dieser Äquivalenzwert berechnet sich aus der notwendigen Arbeit, die
in die Erlangung eines solchen Dinges gesteckt werden muss, sei es als
menschliche Arbeit bei der Herstellung, sei es in Form von Transport und
Handel (= Investition).23 Auch dieser Wert ist in dem Objekt verding-
licht; er bildet aber – im Gegensatz zum einfachen Gebrauchswert – ein
vom möglichen praktischen Gebrauch des Objektes ganz unabhängiges
Kapital (der Metallhandwerker will die von ihm hergestellten Bronze-
objekte in der Regel ja nicht alle benutzen und der Bäcker nicht alle
seine Brötchen essen), dessen nützliche Eigenschaft es allein ist, dass aus
ihm heraus mindestens derselbe Wert an Arbeit wieder realisiert wer-
den kann, der investiert wurde. Was schlicht bedeutet, dass man das im

21
Dazu kann auch die sinnvolle Verwendung des Gegenstandes gehören. So erhöht sich
beim Gabentausch der Wert des Objektes durch häufige Weitergabe und angespartes
Geld soll nicht im Kopfkissen gehortet werden, sondern muss arbeiten.
22 Der Aspekt der vom Käufer / Verbraucher direkt konsumierten Leistung wird oft ver-
nachlässigt und soll im Weiteren auch ausgespart bleiben. Es sei nur angemerkt, dass
man die folgende Beobachtungskette ebenso anhand solcher Leistungen formulieren
kann. Als Beispiele bieten sich Heilung, Weissagung, Unterhaltung, Sex, Unterrich-
tung etc. an.
23
In betriebswirtschaftlichen Kalkulationen des Tauschwertes in Form von (Ziel-)Prei-
sen werden die Kosten der Fertigung neben die Materialkosten gestellt. Allerdings
ist in der supply chain (archäologisch: chaîne operatoire) am Ende das Material immer
kostenlos und allein durch den Fertigungsaufwand bepreist, den seine Extrahierung
(terrestrische Rohstoffe) oder Erzeugung (z. B. pflanzliche und tierische Rohstoffe)
verursachen. Der angebliche Preis für den „Produktionsfaktor Boden“ ist nur der
Preis für die juristische Absicherung des Zugriffs, also der Preis der Macht, Eigen-
tumsansprüche durchzusetzen. Erst eine globalwirtschaftliche Betrachtung würde
berechnen, was der Natur zur Heilung der entsprechenden Entnahmen zu leisten
wäre. Zu beachten ist auch, dass der kalkulatorische (Ziel-)Preis, der die Kosten der
Investition zusammenfasst, niemals der Marktpreis ist, da dieser sich auf dem Markt
bildet (oder durchgesetzt wird). Der Krieg zwischen kalkulatorischem Preis und rea-
lisierbarem Marktpreis ist der Vater der Wirtschaftswissenschaften.

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Eigenschaft 141

Objekt gebündelte – investierte – Kapital gegen etwas anderes eintau-


schen möchte, in dem idealiter dieselbe Menge an kapitalisiertem Wert
und damit an verdinglichter Arbeit steckt (oder möglichst sogar mehr).
So idealiter ist es aber in der Regel nicht, denn beim Tausch ist zu
beachten, dass im Moment der Weitergabe eines Gegenstandes nicht nur
die bereits investierte, verdinglichte Arbeit als Äquivalent veranschlagt
wird, sondern auch ein Prozentsatz der erst noch mittels des Gegenstan-
des zu leistenden Arbeit – also des präsumtiven Gebrauchswerts – in die
Berechnung des Tauschwertes einfließen wird. Aus diesem Grunde haben
besser zu gebrauchende Objekte immer einen höheren Wert im Tausch
(der hier als Preis erscheint), egal, ob bei deren Herstellung mehr oder
weniger Zeit und Arbeitskraft verbraucht wurde. Während die histori-
sche Seite der investierten Arbeit über den Äquivalenzwert das Angebot
umreißt, bildet die prospektive Seite des Nutzens den Rahmen der Nach-
frage. Die Schätzung des Tauschwertes hat damit eine hochspekulative
Seite, denn während die verdinglichte Arbeit recht gut bewertet werden
kann, bildet die Nutzen- und damit Nachfrageseite ein offenes System,
in dem Alternativen bestehen, die etwa durch die Breite des Angebotes
oder von verschiedenen Aspekten einer möglichen prospektiven (= spe-
kulativen) Wertsteigerung bestimmt sind, zum Beispiel beim Verlagern
des Pfeffers von dort, wo er wächst, dorthin, wo er nicht wächst. Womit
am Ende der Tauschwert der Gebrauchswert im Moment der Nutzung des
Dinges im Tausch ist.24

Symbol
Dieses scheinbar berechenbare System der Wertbildung – die bis hier
nichts als eine Preisbildung im Sinne mechanistischer Ökonomie ist – wird
durch einen ziemlich unberechenbaren Faktor überformt. Oft nimmt die
Nachfrage nach bestimmten Dingen nämlich Dimensionen an, die nicht
einfach über deren aufwändige Herstellung und besonderen praktischen
24 So bleibt es auch offen, ob sich der den Tauschwert fixierende Preis über eine
Marktkonkurrenz oder auf der Grundlage eines Machtgefüges gebildet hat.

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142 Eigenschaft und Magie

Nutzen zu erklären sind. Die eingangs erwähnte besondere Eigenschaft


von Metallobjekten, die sie zu Zeremonialgegenständen und Wertäquiva-
lenten par excellence macht, steht nur bedingt in einem Verhältnis zu Her-
stellungsaufwand und praktischem Nutzen und ist auch nur mittelbar mit
damit verbundenen spekulativen Tauschprozessen korreliert. Vielmehr
ist sie ein Produkt von Auseinandersetzung über das Objekt. Sie stellt sich
ein, wenn dem Gegenstand ein ganz besonderer Wert zugeschrieben wird
und dieser ihn zu einem, wie oben schon erwähnt, Symbol (oder Fetisch)
macht. Ein solches Symbol ist der Bewertung über die Herstellungskosten
weitgehend entzogen und ein möglicher Tauschwert ergibt sich kaum
noch aus Erwägungen der praktischen Handhabbar- oder Erreichbarkeit,
sondern aus Erwägungen, die ganz dem Feld der Kommunikation über
den symbolischen Wert entstammen. Archetypisch stehen hierfür alle
Objekte, die als Wertäquvalente dienen, also überhaupt nicht auf den
eigenen Wert (aus Arbeit der Herstellung, praktischer Nutzung etc.) ver-
weisen, sondern auf einen abstrakten „Wert-an-sich“, der in ihnen ver-
gegenständlicht ist (oder sein soll). Ist die Eigenschaft solcher Objekte
darauf reduziert, nur noch auf diesen abstrakten Wert zu verweisen, und
alle anderen Eigenschaften (Form, Farbe, Gewicht, Material etc.) werden
ausgeblendet, dann spricht man gemeinhin von Geld.25
Die Bildung eines solchen symbolischen Wertes setzt die Teilhabe
an einer Kommunikation und den Austausch von ganz spezifischem
Wissen voraus.26 Das wichtigste Element dieses Wissens lautet: Dieses
Ding ist knapp. Es ist der Topos vom Eldorado, dass dort, wo man um
25 Vgl. Römer 1998, 136–142. Realiter tritt dieser Zustand (= Geld und nur Geld zu
sein) kaum je ein, da die entsprechenden Objekte in aller Regel noch weitere Eigen-
schaften besitzen, die in bestimmten Situationen aktiv werden können; z. B. in einer
Münzsammlung. Der cartesische Wille zu einer eindeutigen Definition bricht daher
gerade am Geld, das eben als Wertmesser und als Ding immer auf mehreren Ebenen
aktiv ist und so ambig und unberechenbar bleibt. Was nur eine andere Beschreibung
von dessen agency ist. Zu den Problemen, vor denen eine rein „monetaristische“
Bestimmung von Wesen und Funktion von Objekten / Dingen als „Geld“ steht, am
Beispiel des nordamerikanischem Wampum (Perlengehänge): Schmidt 2014.
26 Man könnte dies, an Anm. 18 anknüpfend, als die Ebene der Preisbildung bezeichnen
und die dazu nötige Kommunikationssituation und ihre Medien als den Markt.

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Eigenschaft 143

die Seltenheit des Goldes nicht weiß, dieses nichts wert ist (was heißt:
dass es nur den ortsüblichen Gebrauchswert – wozu auch immer: essen
kann man es nicht – und eventuell Tauschwert gemäß der akkumulierten
Investitionskosten besitzt). Erst der Blick auf das Börsenbarometer ent-
hüllt den symbolischen Wert von Gold, Silber und Kupfer. An der Börse
wird, anders lautenden Verlautbarungen zum Trotz, der Gegenstand ja
nicht nach Angebot und Nachfrage bewertet, sondern es wird allein auf
die Knappheit des Gutes spekuliert, das man dieser Knappheit halber zu
schätzen gelernt hat (und es abstößt, wenn man meint, dass es nicht mehr
knapp ist).27
Diese besondere Eigenschaft der Knappheit nun ist das Magische, das
jenen Dingen einwohnt, die zu (Handels-)Waren werden. Produziert und
benutzt ist ein Ding nur ein Gegenstand; erst wenn es zum Tausch kommt,
wird die investierte Arbeit zu einem Kapital und der Gegenstand zu einer
Ware. Spätestens in der Neuzeit kann alles knapp werden, neben Diver-
sem, ohne das die Menschheit mehrere tausend Jahre recht gut existiert
hat (Smartphone, Pauschalreise, DatingApp etc.), auch Erde, Wasser, Luft
und schließlich Zeit und Raum; und wird so zur Ware. Die Eigenschaft
der Knappheit ist a priori jedoch keine des jeweiligen Gegenstandes –
denn der so bewertete Gegenstand liegt ja in seiner ganzen Größe und
Schönheit vor – , sondern eine, die ihm zu- oder, um bei den bereits
benutzten Bildern zu bleiben, eingeschrieben wird. Tatsächliche oder
(in den meisten Fällen) spekulative Knappheit ist eine Potenz, die mit
dem Gegenstand assoziiert wird, ohne im Gegenstand eigentlich zu sein.
Während die bei der Herstellung aufgewendete Arbeit im Gegenstand
tatsächlich vergegenständlicht ist und der praktische Nutzen tatsäch-
lich nur von dem konkreten, vorliegenden Gegenstand erlangt werden
kann, ist der Wert der Knappheit, der ein Ding oder dessen Material edel
27 Genau hier liegt der oft übersehene Unterschied zwischen dem Markt als die ominöse
unsichtbare Hand der kapitalistischen Wirtschaftsweise, und dem Marktplatz, den
es in jeder Form des Wirtschaftens gibt (Polanyi 1978). Der Marktplatz ist Ort
des Austausches zu – annähernd – Äquivalenzwerten, der Markt die Sphäre der
Bewertung über die Symbolik der Knappheit.

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144 Eigenschaft und Magie

macht, begehrt und vergöttert, das Ergebnis einer Verzauberung. Dinge


sind tatsächlich knapp – zwar nicht am Ort, wo es sie gibt, aber am Ort,
wo man um sie weiß.28 Ohne um die Knappheit zu wissen, kann keine
Nachfrage bestehen; ohne Knappheit zu erzeugen, gibt es kein Wachstum
der Nachfrage; ohne dieses Wissen ist der idealtypische Wilde gegen alle
Versuchungen gefeit, die der Mammon zu bieten hat. Sobald er den sym-
bolischen Wert aber auch nur ahnt, ist er ihm verfallen.
Der symbolische Wert stellt sich somit als der Gebrauchswert im Rah-
men von symbolischer Arbeit dar. Er ist das Produkt einer permanenten
Verweisung.29 Im Zuge dieser Arbeit am Verweis wird das Ding ganz zum
Symbol (s)eines Wertes. Dieser symbolische Wert beschreibt die Eigen-
schaften der Dinge, die im Zentrum einer Kulturwissenschaft im engeren
Sinne stehen. Er ist die eigentliche Eigenschaft aller Produkte der Kultur-
techniken. Was nichts anderes heißt: er ist das, was bei der Ausübung von
Technik, bei der Auseinandersetzung von Menschen und Dingen „sonst
noch entsteht“: nicht weniger, als das Phänomen der Kultur.

28
Was auch immer in großen Haufen im Kaufhaus liegt – im Kinderzimmer ist es
immer knapp und begehrt. Solange, bis es im Kinderzimmer in großen Haufen liegt.
Dann ist es nichts mehr wert.
29 Siehe zur Arbeit an Objekten im ägyptischen Alten und Mittleren Reich, die als
Luxusgüter von besonderem Wert bei der Verhandlung sozialer Positionen werden:
Mazé 2018.

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Magie 145

7. Magie

Die fixe Idee der Knappheit verzaubert im Kapitalismus die Dinge und
macht sie so nicht zur Ware und damit zugleich zu jenem berühmten
marxschen Fetisch, dessen Wert als zauberhafte Eigenschaft völlig los-
gelöst vom Prozess seiner Herstellung und seinem Nutzen (jenseits vom
Markt) steht.1 Auch wenn die spezifischen kulturellen Eigenschaften der
1 Auch hier sei der Begriff der Vollständigkeit noch einmal exkursorisch diskutiert:
Marx bezieht seine ironisch gemeinte Bezeichnung als „Fetisch“ – bei der Nennung
dieses besonders in seinen frühen Schriften in verschiedenen Zusammenhängen und
immer polemisch verwendeten Begriffes hatte er wohl halbnackte Wilde vor den
Augen, die einen Götzen umtanzen, den sie nicht verstehen oder hinterfragen – auf
die Verzauberung des Arbeitsprodukts zur Ware. Der über den Preis definierte Wert
dieser Ware hat scheinbar so gar nichts mehr mit der zentralen und ursprünglichen
Eigenschaft eines jeden Produkts zu tun, verdinglichte gesellschaftliche Arbeit zu
sein, und wird damit ein „vertracktes Ding, voll metaphysischer Spitzfindigkeiten
und theologischer Mucken“ (Marx 1962, 85). So schätzt Marx jedenfalls die Analysen
der von ihm attackierten bürgerlichen Ökonomen ein, die seines Erachtens Analogie
nur in der „Nebelregion der religiösen Welt“ finden (op. cit., 86). Diesen Fetisch
zu entzaubern fährt er hegelisch raunend fort: „Das Geheimnisvolle der Warenform
besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere
ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als
gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das
gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen
existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen. ... Dies nenne ich den
Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert
werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist.“ (op. cit., 86f.).
Etwas schlichter ist dies in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844
formuliert: „Der Gegenstand, den die Arbeit produziert, ihr Produkt, tritt ihr als ein
fremdes Wesen, als eine von dem Produzenten unabhängige Macht gegenüber.“ (Marx
1968, 511). Zu beachten ist, dass nach Marx in vorkapitalistischen Gesellschaften
die Verzauberung von Arbeit in die Warenform nicht systematisch und als zentrales
Merkmal auftritt. In jenen sozialen Systemen geschaffene Güter und erbrachte Leis-
tungen bleiben als Resultat eines gesellschaftlichen Gefüges erkennbar, welches auf
Arbeitsteilung, sozialer Abhängigkeit (z. B. Sklaverei), Dienstpflicht (z. B. feudale
Abhängigkeit, wo die „notwendige Arbeit“, die der Bauer für sich betreibt, und die
„Mehrarbeit“, die für den Feudalherren zu leisten ist noch deutlich getrennt sind)
etc. beruht. Die diese klaren Verhältnisse der Produktion verdrehende Verzauberung
ist die der Arbeit hin zur Ware, was in der bürgerlichen Ökonomie dazu führte (und
führt), die Ware und ihren geheimnisvollen Preis zum Zentrum der Betrachtung jeder
Sache (und jedes zur Sache / Ware führenden Prozesses = des Marktes) zu machen,
zum Fetisch der bürgerlichen Ökonomie. Letzteres ist besonders verwerflich, da – so

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146 Eigenschaft und Magie

Ware und ihres (Markt-)Preises hier nur am Rande interessieren, so ist


diese Eigenschaft der Verzauberung doch von großem Interesse. Liegt
in ihr doch das Wesen der Macht, mit der Dinge die Menschen locken,
antreiben, beherrschen.

7.1. Zauber

Das vorangegangene Kapitel könnte suggerieren, dass, zumindest idealty-


pisch, konkrete Manifestation und symbolisches Kapital weit auseinander
liegen, das eine nur dem Verweis auf das andere dient. Wie für den auf-
rechten Monotheisten Götterbild und Gott nicht viel miteinander gemein
haben, da das Bild nur auf etwas viel Höheres, Mächtigeres verweist, so
ist für den Kapitalisten das Geld nur ein Hinweis auf sein Kapital, ein
Symbol der Macht des Möglichen. Münzen und Goldbarren werden ihres
Börsenwerts wegen in die Schatulle geschoben, nicht der Schönheit ihrer
Prägung, ihrer Duktilität oder ihres Glanzes halber. Sie sind nur Vehikel;
der eigentliche, den Wert erzeugende Nutzen ist die Idee des Möglichen,
das darin versprochen wird. Ebenso ist es mit Aktien und allen anderen
Spielarten der in Papieren verdinglichten Werte, bis hin zu den nackten
Signalen digitaler Daten.
Und doch: Wenn der Blick auf den Kontostand fällt, wird sich die
Ästhetik der eher schäbigen Manifestationen im beglückenden Gefühl
eines ganz besonders schönen Moments äußern. Wie auch immer ver-
dinglicht das Kapital ist: In dem Moment, in dem es sich in irgendeiner
Weise realisiert und so das Wissen um seine Existenz emaniert, wird es

Marx – der eigentliche Gegenstand der Ökonomie doch die gesamtgesellschaftliche


Arbeit ist. Dieser Vorwurf liegt in einer Linie mit dem Gesamtansatz des „Kapital“,
das ja als „Kritik der politischen Ökonomie“ sowohl die bürgerliche ökonomische
Wissenschaft kritisiert, wie auch die so beschriebene kapitalistische Produktions-
weise; eine Produktionsweise, die jegliche Sache und auch die Arbeit selbst zu einer
Ware zu verzaubern und damit dem Menschen zu entfremden verdammt ist (op. cit.
510–522). Dazu, dass damit auch der Mensch „von sich selbst“ entfremdet wird,
noch in Kap. 18.

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Magie 147

als solches und in all seiner Schönheit erlebt (und natürlich umgekehrt:
wenn es nicht da ist, stürzt man in Verzweiflung). Auch wenn die kon-
kreten Münzen und Papiere vielleicht austauschbar erscheinen; die Mani-
festationen sind es grundsätzlich nicht. Nur durch sie wird das Kapital
in seiner Magie des Möglichen erfahrbar, auch wenn sich diese am Ende
vielleicht nur in einer Zahlenkolonne materialisiert. Diese Zahl aber muss
dem Menschen im Moment der Kommunikation – des Gebrauchs also –
sichtbar sein, muss Ding geworden sein, um sie zu erleben und um sie zu
realisieren, zum Beispiel im Tausch. Selbst das idealtypische Geld bleibt
dinglich gebunden und – zum aberen Male – gefaehrlich.2

Gehen wir die im vorangegangenen Kapitel beschriebene Treppe der


Wertbildung vom rohen Gebrauch hinauf zur luftigen Symbolik des Gel-
des wieder ein paar Stufen hinab, werden die Eigenschaften der Dinge
hinter dem Geld-Wert und die Rolle der Arbeit hinter der Ware zuneh-
mend erfahrbar. Spätestens dann, wenn die Dinge um ihrer selbst willen
Gegenstand der Begierde sind, ist die Austauschbarkeit der Verdingli-
chungen durchbrochen. Was nichts anderes heißt, als dass über die sym-
bolische Eigenschaft hinaus, bloß Kapital zu sein, andere – allerdings
nicht weniger symbolische – Eigenschaften des Dinges Bedeutung gewin-
nen. Der Wert, die eigentliche Magie einer antiken Münze liegt für den
Münzsammler nicht (nur) in deren Material, sondern in dem Versprechen
der Authentizität, d. h. hier etwas zu halten, das es so nur einmal gibt;
etwas, dessen Knappheit extrem ist. Ein Versprechen, das sich in der spe-
ziellen Schönheit genau dieses Objektes als Erlebnis realisiert. Entspre-
chend unterschiedlich können Finder von Münzen diese bewerten. Ist
für den einen nur der (aktuelle, quasi börsennotierte) Metallwert einer
Goldmünze von Interesse, das konkrete Objekt also austauschbar, ist für

2
Deshalb ist Geld auch der Hauptfeind bürgerlicher Ökonomie, die seine Mittlerrolle
möglichst ganz ausschalten möchte. Denn die agency des Geldes als ein Ding mit
Eigensinn und Tücke ist nicht zuletzt, was alle Rechengebäude der Nobelpreisträger
in den Wirtschaftswissenschaften so leicht zum Einsturz bringt.

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148 Eigenschaft und Magie

die andere die Münze selbst die eigentliche Kapitalie, das heißt der Ver-
weis auf die nur hier erlebbare Einzigartigkeit dieses Objektes. Womit
die Eigenschaft der Verzauberung wieder ganz nah an das Objekt heran-
geführt ist und auch an die konkrete praktische Auseinandersetzung mit
diesem.
Dieser Schwenk ins Individuelle, in den Prozess einer gewisserma-
ßen privaten Wertbildung bei einer Münzsammlung oder eben auch bei
Objekten, die in einem „Schatztopf“ auf der Qubbet el-Hawa gefunden
wurden, wirft auch ein neues Licht auf die scheinbar abstrakten Wert-
bildungsprozesse, wie sie im vorangegangenen Kapitel beschrieben wur-
den. Man kann durchaus die hehren ökonomischen Theorien bürgerlicher
oder marxistischer Provenienz aus der flachen Ameisenperspektive der
ANT als ein Gewebe solcher kleinen privaten Prozesse der Wertbildung
beschreiben.3 Für die ANT gibt es keine Strukturen und alles bewegende
Regeln, es gibt nur punktuelle, konkrete, aber unendlich viele Momente
der Verknüpfung.4 Es sind individuell erfahrene Eigenschaften des Din-
ges, die kommuniziert werden: individuelle Vorlieben, Erlebnisse, Eindrü-
cke; kurz: der ganz private Wissensaustausch mit den Dingen. Dieses als
Eigenschaften erfahrene Wissen fließt in die Auseinandersetzung Ande-
rer mit dem Ding ein; modifiziert wieder die Wahrnehmung von dessen
Eigenschaften durch Dritte usw. Zusammen bilden dieser Austausch von
Erfahrungen und von Informationen über Erfahrungen in der Sprache der
ANT ein sich ständig bewegendes Netzwerk mehr oder weniger struktu-
rierter Verbindungen, in dem Wertbildung via Wissensaustausch als sym-
bolische Arbeit mit der Wertbildung durch Produktion und Nutzung als
handfeste Arbeit interferiert. So ist es jedem freigestellt, an einem Gegen-
stand (den Verweis auf) die perfekte handwerkliche Arbeit zu schätzen,
(den Verweis auf) den großen Nutzen, den sie aus diesem Gegenstand

3
Wiewohl die klassische bürgerliche Ökonomie (Ricardo) und mit ihr Marx die Wert-
bzw. Preisbildung sogenannter „seltener Güter“ (Kunstwerke, alte Weine, Diaman-
ten) gerade aus der Betrachtung ausschließen möchte (hierzu: Burchardt 1997, 59).
4
Latour 2010, 50–75.

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Magie 149

ziehen wird oder die ganz einzigartige Erscheinung (also den Verweis
des Objektes auf sich selbst) – am Ende wird sich eine Wertschätzung
bilden, die ebenso individuell ist, wie sie sich den Rahmenbedingungen
des Netzwerkes unterwirft. Denn so sehr die Eine nur ein kalkulierender
homo oeconomicus sein möchte und der Andere ein schwärmerischer con-
naisseur: den Rahmen setzt die Auseinandersetzung mit den gegebenen
Konzepten, das heißt, das dem konkreten Individuum eigene Wissen über
die Dinge ganz allgemein und das bestimmte Ding im besonderen. Die
im Netz der Verknüpfungen ausgetauschten Erfahrungen von den Eigen-
schaften eines Gegenstandes machen diesen zum Träger genau dieser
Eigenschaften – und keiner anderen. Die so betrieben Individualisierung
des Gegenstandes ist die Formulierung des Versprechens der Knappheit
in den Worten der ANT. Durch sie wird aber klar (im Gegensatz zu den
schweren Geschützen der Börsenstatistik, die uns die objektive Knappheit
von diversen weltweiten Gütern suggerieren, die genauso objektiv in bör-
senrelevanten Größen zur Verfügung stehen), dass der besondere Wert
von Dingen in erster Linie in der Art und Weise besteht, wie wir uns mit
ihnen beschäftigen. Börsenwerte sind nicht Ergebnisse nervöser Märkte
sondern der Nervositäten einzelner, sich gegenseitig ansteckender Börsi-
aner. Deren Ausgeliefertsein an das Netz der wechselseitig individueller
Bewertungen schlägt in Angst und Schrecken vor der agency der Dinge
um, die ihnen unberechenbar erscheinen, obwohl gerade die Börse doch
die ganze Magie der Mathematik aufbietet, um diese zu beherrschen.
Die individuelle Einschätzung von Eigenschaften eines Aktienpaketes,
die post festum als Fehleinschätzung erkannt wird, zieht mitunter Legi-
onen von (Fehl-)Einschätzungen nach sich. Obwohl diese Individualität
der Wertbestimmung lange bekannt ist, wird sie doch immer wieder als
unsichtbare Hand verzaubert und im ominösen „Markt“ verdinglicht.
Dieser ist es dann, der das ebenso als ein Begriff verdinglichte „Kapital“
als scheues Reh vor sich her jagt.

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150 Eigenschaft und Magie

Doch auch den Dingen geht es nicht anders. So, wie man an den Wert
der Dinge nur glauben kann, wenn man in den Kontext der Wertbildung
involviert ist, ist es mit aller agency, die Objekte ausüben, also ob sie
uns mit ihrem besonderen Wert locken oder ob ihrer Wertlosigkeit kaum
interessieren. Das Ding braucht den Menschen, um wertvoll zu sein – ja:
um überhaupt irgendeine Eigenschaft zu haben.

7.2. Arbeit

Jedes Symbolsystem setzt voraus, dass die Akteure um die Symbolik wis-
sen bzw. gemeinsam am web of meaning (Clifford Geertz) des Symbolsys-
tems weben. Den Zauber, den symbolische Arbeit über das konkrete Ding
legt, kann nur der erwecken (oder ihm ist nur der ausgeliefert), der an der
Verzauberung tatkräftig mitwirkt. Gold ist da nichts wert, wo man seine
(symbolische) Knappheit nicht kennt. Hexerei kann den nicht treffen,
der nicht daran glaubt – aber wehe dem, der auch nur ein bisschen von
der Hexerei und ihren Folgen erfahren hat!5 Einmal von diesem Wissen
der Dinge eingeholt, ist man ihm ausgeliefert – denn die Eigenschaft des
symbolischen Wertes des Dinges ist es, dass sie seiner Bedeutung Präsenz
verleihen. Die Bedeutung, der sowohl anzeigende / hinführende, als auch
erklärende / ausdeutende Verweis, erfasst so das Magische, das jedem
Ding einzuwohnen scheint – und das Magische ist vielleicht sogar ein
besserer Name für dessen Wissen, weil in ihm das für uns Unbekannte
anklingt, das eben nur das Ding weiß. Etwas Magisches, das sich nur dem
eröffnet, der sich dieses Wissen im Zuge der Auseinandersetzung mit dem
Ding erarbeitet. Es ist dies genau die Arbeit, die über Kulturtechniken mit
und an dem Ding verrichtet wird.

5
Europäische Missionare widerstanden auch den fürchterlichsten Bedrohungen des
Ahon-Bundes der Bakossi in Kamerun, weil sie einfach nicht wussten, dass die vor
ihrer Hütte abgelegten Steine die „Exkremente“ des Ahon waren, die unweigerlich
den Tod bringen (pers. Mitteilung von Heinrich Balz, vgl. Balz 1984, 222–252).

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Magie 151

Kulturtechniken, das wurde bereits ausgeführt, sind Teil der tech-


nischen Auseinandersetzung von Mensch und Ding überhaupt. Kultur-
techniken sind Teil jeder Arbeit am Ding, von der Herstellung über seine
Nutzung bis zu dessen Entsorgung. Sie sind es, die die Bedeutung des
Dinges erschaffen. Schwerter, um bei diesem Beispiel zu bleiben, haben
gelegentlich eigene Geschichten. Im Idealfall wird ihre Herstellung durch
den Bezug auf Übernatürliches, etwa Hephaistos, potenziert. Aber bereits
die Herkunft aus einer berühmten Schmiede, aus Solingen oder schlicht
Made in Germany produziert einen Mehrwert, der einerseits der Wert- oder
Preisbildung förderlich sein mag, sich aber andererseits auch in tatsächli-
cher oder nur gefühlter Effektivität niederschlägt. Die schöne Geschichte
kann so ganz praktische Eigenschaften zeitigen. Wo mit dem Gefühl einer
besonderen Wertigkeit gearbeitet wird, ist die Arbeit tatsächlich werthal-
tiger. Das Selbstgemachte hat gegenüber dem Anonymen, dem Geschich-
ten-losen einen hohen Stellenwert und ist in bestimmten Situationen
sogar unerlässlich.6 Es steckt viel symbolische Arbeit darin, wie, wann,
wo und von wem ein Objekt hergestellt wird – und das ganz unabhängig
davon, was und wie gut das Produkt im Gebrauch dann eigentlich ist.
Die symbolische Knappheit und damit Bedeutungssteigerung ergibt sich
hier ganz natürlich daraus, dass die Gegenstände einmalig, in besonde-
rem Sinne individuell werden. Produkte dieser Kategorie tragen Namen;
Schwerter haben diese, Notung oder Orcrist; Schiffe (Titanic), Flugzeuge
(Enola Gay), Bomben (Little Boy), Schienenfahrzeuge (TEE), Autos (fällt
mir nichts ein)7 und in manchem Haushalt die Geschirrspülmaschine.
Unübertrefflich wird diese Wertbildung – das heißt Verzauberung – in
der Kunst der westlichen Moderne ausgespielt. Hier spielen Material und
Produkt gar keine Rolle mehr und nur der Name des Schöpfers entschei-
det, ob eine Dose eine Dose ist. Aber: Diesen muss man kennen, mehr

6
Ein spirituelles Beispiel dafür wird von Thornton 2003 beschrieben, wo die Bedeu-
tung des selbstgebrannten Schnapses in der Kommunikation österreichischer Haus-
halte beobachtet ist.
7
Oder doch: < https://www.youtube.com/watch?v=Qev-i9-VKlY > (12.10.2018).

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152 Eigenschaft und Magie

noch: man muss den gesamten Kunstbetrieb als modus operandi der Kunst-
produktion kennen und eigentlich sogar ein Teil dieses Netzwerkes aus
knapp gehaltenem Insiderwissen über einen Massengeschmack sein.8
Während man sich das Wissen um den Wert einer selbstgekochten
Marmelade schnell erarbeitet, dieses aber meist nicht von Vielen geteilt
wird, ist es mit scheinbar universell wertvollen Dingen weitaus aufwen-
diger. Bestimmte Objekte bekommen einen besonderen Wert durch die
Übertragung eines Wissens, dass nur einzelne Individuen haben, zum Bei-
spiel, wenn es Andenken sehr persönlicher Natur sind. Weil nur der oder
die, die einen schönen Stein an einem schönen Strand zu einer schönen
Zeit gefunden haben, in diesem Stein das gespeicherte Wissen um diese
Schönheit erleben können (und deshalb ist die Auseinandersetzung mit
Urlaubsfotos für alle, die nicht dabei gewesen sind, auch so quälend). Es
kommt aber ebenso, und sogar in gesteigerter Weise, zu Wertbildungs-
prozessen, wenn kollektiv geteiltes Wissen auf die Dinge übertragen wird,
zum Beispiel es klar ist, dass diese Federkrone von Moctezuma getra-
gen wurde oder dass diese äthiopische Ikone vom Heiligen Lukas gemalt
wurde. Was in solchen Fällen für die, die außerhalb der Wissens- (oder:
Glaubens-)gemeinschaft stehen, unwahrscheinlich bleibt.9
Was hier angerissen wird, ist der Prozess der Wandlung des Dinges
in einen Semiophor, ein Prozess, in dem ganz unschuldige Objekte für
gewisse Zeiträume mit besonderer Bedeutung ge- oder beladen werden,
soweit, dass der Verweis auf Bedeutung ihre einzige Eigenschaft von
Relevanz zu sein scheint.10 Das Börsenbarometer ist heutzutage das beste
Bild für eine solche Beladung von allem Möglichen – Orangensaft, Corn-
flakes und Schweinebauch – mit kurzzeitiger magischer Bedeutung als
8 Studiert hat dies Bourdieu 1982.
9
Dies ist der Moment, an dem verschiedene Wissensgemeinschaften regelmäßig in
Konflikt geraten, wenn deren Protagonisten jeweils ganz andere Werte in Dinge
hineinarbeiten und dann wieder aus ihnen heraus erleben. Das betrifft sämtliche
Nationalheiligtümer, aber z. B. auch menschlich Überreste. Zu diesem Konfliktfeld
sich überlappender und konkurrierender Wissensgemeinschaften in der Archäologie:
Merryman 2006.
10
Pomian 1988.

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Magie 153

ein Kapital.11 In der Gabe wird dieser Vorgang auf die Spitze getrieben,
wenn mitunter eher sinnlose Gegenstände – Nippes im weitesten Sinne
– zu extrem sinnvollen Dingen werden, von Halsketten im Kula-Ring bis
zu Orden beim Militär.12 Aber auch scheinbar sinnfreie Handlungen wie
die conspicious consumtion von Kaviar und rotem Sekt oder die feierliche
Gütervernichtung im potlach, sogar die spekulative Blasenbildung der
Börsen und Finanzmärkte sind dann auf einmal extrem bedeutungsvolle
Vorgänge.13
Dieser Prozess der exzessiven Wissensübertragung vom Menschen
auf Must-haves der conspicious consumtion besonders im Spätkapitalis-
mus (wobei über den Gehalt dieses Wissens eine Menge kritische oder
dekonstruktivistische Reflektion angebracht ist)14 muss hier aber nicht
besonders beschäftigen. Wichtiger ist ein anderer Aspekt. Bis hier mag es
so scheinen, als sei es nur der Mensch, der den Objekten ihre naturhafte
Unschuld nimmt und sie zu Dingen erst macht, indem er Bedeutung in
sie pumpt, injiziert, projiziert, sie auflädt oder, um ein in der neueren
Ökonomie gern genutztes Bild zu nutzen: aufbläst, bis die spekulativen
Blasen platzen. Dinge – so gesehen eigentlich nur: Objekte – erscheinen
als nichts anderes denn als Datenspeicher, denen ein bestimmtes Wissen
eingeschrieben wurde, das durch Nutzung wieder abgerufen wird; dem
glatten Stein ein schönes Urlaubserlebnis, dem Schwert eine gruselige
Geschichte, der Federkrone der Nationalstolz, der Aktie ihr Kapitalwert.
Spätestens der, dem bei einem Börsencrash sein Gut genommen wurde
oder dem einfach der Stein auf den Fuß fällt, wird das mit der Unschuld
aber anders sehen, und erst recht werden es jene, denen Güter tatsäch-
lich knapp werden, die sie zum Leben brauchen. Denn der Austausch des
Wissens über das Ding, über inhärente oder auch nur imaginierte Eigen-

11
Unübertrefflich ist dies im Film Trading Places (1983) von John Landis in Szene
gesetzt, als Billy Ray Valentine (Eddie Murphy) anhand dieser Güter (Saft, Flakes,
Speck) in die Welt der Lebensmittelbörse eingeführt wird.
12 Mauss 1968.
13 Veblen 1997.
14
Edlinger 2015.

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154 Eigenschaft und Magie

schaften, ist nur eine Seite der Kommunikation. Es ist die lichte Seite der
kulturwissenschaftlichen Reflektion, die uns sagt, wie eitel das alles sei.
Die andere Seite – und in der Regel die zentrale – ist doch wieder die Nut-
zung, die dunkle Seite der Praxis, wenn nämlich das Ding selbst aktiv wird.
Keine gelehrte Reflektion kann vorhersagen, was beim Tun einer Tech-
nik tatsächlich passiert, also wenn der Mensch sein Schwert oder Zepter
ergreift, der Stein geworfen, der Nationalismus entfesselt, das Kapital
investiert, wenn der Kochlöffel geschwungen, der Sekt geschlürft oder
– horribile dictu – die Feder ergriffen wird. Auch ein noch so aufgeblase-
nes Semiophor ist ein Ding mit Eigensinn. Doch da Dinge keine Stimme
haben, sind wir auf den Menschen angewiesen, der diesen Eigensinn arti-
kuliert. Dies ist aber nicht der Mensch, wie wir ihn gemeinhin denken.

7.3. Hybrid

Es war die ANT, die nachdrücklich auf den seltsamen Moment der Hyb-
ridisierung verwies, der eintritt, wenn Mensch und Ding zusammentre-
ten.15 Es ist dies der Moment der Handhabung, in dem sich Mensch und
Ding kurzzeitig zu einem neuen Wesen verbinden, wenn das Wissen des
Menschen über Handhabungen mit dem Wissen des Dinges zu Agieren
mehr oder minder harmonisiert. Harmonisieren meint in diesem Fall,
dass je nach gegenseitigem Verständnis, je nach Vertrautheit, diese Kom-
munikation gelingen kann und auch entsprechend erfolgreich ist, oder
eben nicht. In dem einen Fall mag sie in der gewohnt guten Verrichtung
enden, als deren Verursacher sich natürlich der Mensch sieht; im andern
Fall mag sie in die Kontingenzen der statistischen (Un-)Möglichkeit eines
GAU abstürzen, wofür natürlich das Ding verantwortlich ist. Oder sie

15
„Das Wort „Akteur“ zu verwenden bedeutet, daß nie klar ist, wer und was handelt,
wenn wir handeln, denn kein Akteur auf der Bühne handelt allein.“ (Latour 2010,
81). Donna Haraway hat in einer popkulturellen Variante den Hybriden als „Cyborg“
beschrieben (Haraway 1991).

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Magie 155

mag – einmal nicht so pessimistisch formuliert – in die Serendipität uner-


warteter Möglichkeiten entfliegen (z. B. wenn ein Mittel zur Blutdruck-
senkung sich als unerhörte Potenzpille erweist).16 Das Ergebnis – sei es
Erfolg, Unfall oder Glück – ist jedoch immer und eigentlich die Perfor-
manz des resultierenden Hybriden, also: wie gut der aus Mensch und
Schwert entstandene Krieger kämpft oder der aus Zepter und Mensch
entstandene Herrscher herrscht (sprich: ernst genommen wird), der Spe-
kulant spekuliert, der Koch und der Trinker Kultur zelebrieren, der Nichts
Suchende findet. Wertvoll, bedeutend oder einfach nur schrecklich wird
auch das Ding erst in der Verschmelzung mit dem Nutzer und im Resultat
dieser Verschmelzung. Das Semiophor ist so lange nur latent bedeutungs-
tragend, nur ein Ding unter anderen, bis es als / unter dem Aspekt der
Bedeutung genutzt wird. Die Qualität der Bedeutung wird real nur in die-
sem Moment – und verwandelt das Ding total. Es wird zum Segensbringer
oder Monster: wird zu dem, was einen Namen trägt: little boy, Viagra und
die Anderen.
Genauso wirkt aber auch die Nutzung am Nutzer selbst und ihr Erfolg
liegt in diesem Fall darin, wie sehr der Hybrid seine Verwandlung selbst
wahrnimmt, sich als Krieger oder Herrscher oder Entrepreneur oder Kul-
tivierter erlebt, also ebenso einen Namen bekommt und sich in dieser
Rolle ganz im Hegelschen Sinne selbst erkennt.17 Die Reproduktion von
sozialen Rollen, denen sich Individuen unterwerfen und so zu Akteuren
werden, ist unmittelbar mit dieser Praxis der Hybridisierung verbunden:
Krieger, Herrscher, Entrepreneur (oder Spekulant), Gourmet und Lite-
raturnobelpreisträger ist nur, wer richtig kämpft, herrscht, spekuliert,
speist, schreibt, sich also dem Gegenüber im Moment der technischen
Verrichtung, dem Ding, dem Partner der hybriden Verknüpfung, ganz
unterwirft. Eine Hybridisierung, die paradoxer Weise aber tatsächlich
auch in der Verweigerung der Interaktion mit (bestimmten) Dingen, dem
Ablegen von allem Tand und dem Rückzug von der Kommunikation beste-
16 < https://de.wikipedia.org/wiki/Sildenafil > (19.04.2017).
17
Hegel 1988.

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156 Eigenschaft und Magie

hen kann. Nur durch aktives Negieren wird man Asket. Indem man sich
durch Verweigerung den Dinge assoziiert, stellt man mit ihnen eine noch
stärkere, das Selbst definierende Verknüpfung her, als wenn man sie rou-
tinemäßig benutzen würde.18
Mag hier der Akteur noch in der Illusion verfangen sein, er wäre es,
der diesen hybriden Moment kontrolliert, so wird die ungemeine Kraft der
Dinge umso deutlicher, wenn sich ihre destruktive Seite offenbart. Diese
kommt zum Vorschein, wenn Dinge nicht wie gewünscht funktionieren
und so den Hybriden mit in den Abgrund reißen, zum Opfer der eigenen
Hybridisierung (und Hybris) werden lassen. Krieger und Herrscher schei-
tern gerade an den Werkzeugen, die sie als Krieger oder Herrscher erst
auszeichnen: wenn die Kleider die Leute eben nicht mehr machen und ein
Pferd auf einmal wichtiger als ein Königreich wird, wenn der Entrepre-
neur sich verspekuliert, der Trinker zu viel trinkt. Ikaros stürzt ab, weil
sich die angeklebten Federn lösen, und ist uns nur durch diesen Absturz
ein Name. Und auch hier, im Moment, indem der Mensch ganz der Gewalt
des Dinges ausgeliefert ist, gibt es die totale Negierung, diesmal nicht in
der noblen Geste des asketischen Verzichts sondern der Fratze nackter
Not. Dann nämlich, wenn sich die Dinge der Hybridisierung verweigern,
das Alltägliche sich nicht mehr routinemäßig zur Verfügung stellt. Wer-
den Menschen daran gehindert, zu Arbeiten und zu Wohnen, so verwan-
deln sie sich, werden anders und Andere. Werden ihnen Dinge entzogen,
die sie zur Konstitution ihres Selbst benötigen, Speis und Trank, Kleidung
und Behausung, Umgang und Kommunikation, dann wird aus der Abwe-
senheit von Dingen ein ganz und gar nicht mehr nur magischer Fluch.
Die oben erwähnte sogenannte symbolische Bedeutung der Dinge, sei sie
ökonomisch über Knappheit oder kulturalistisch über Individualisierung
definiert, wird eigentlich erst wirklich erkennbar in solchen existentiel-

18
„Woran erkennt man einen Veganer? Er sagt’s einem.“ (Atze Schröder).

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Magie 157

len Momenten. Es gibt tatsächlich eine Handlungsmacht der Dinge, weil


Menschen schlicht nicht ohne sie existieren können.19
Auch beim Phänomen der Hybridisierung gilt (und macht es theo-
retisch schwer zu folgen): verstehen kann man es nicht, man muss es
tun (oder erleiden). Nur, wer schon einmal einen Hammer geschwungen
oder eine Waffe gezogen, wenigstens Lotto gespielt und so den Lockruf
des Geldes gehört, den Porsche durchgetreten oder nackt in einer Höhle
meditiert hat, weiß, was ein Hybrid aus Ding und Mensch ist, was das
Ding „aus einem macht“ (Abb. 7.1). Ersparen wir uns den Blick auf das,
was der Entzug der Dinge aus Menschen macht.

Abb. 7.1: In Verbindung mit


dem Revolver wird Clint
Eastwood zum Dirty Harry:
die perfekte Hybridisierung.

Hybridisierung ist so der besondere kulturelle Moment in der Auseinan-


dersetzung von Mensch und Ding, weil er schließlich und endlich das
eigentliche Ergebnis jener Arbeit ist, die wir auch als symbolisch oder
kulturell bezeichnen können. Sie ist das, was einen Unterschied macht,
der einfach der ist, dass der Hybrid nicht nur Mensch und nicht nur Ding
ist. Er / Sie / Es sind in diesem Moment Schreiber oder Krieger oder Asket
und sie produzieren sich selbst als kulturelle Entität, wie auch das von
ihnen Produzierte als ein Kulturelles, die Menschen Betreffendes wirkt
(im günstigen Fall). Genau gesehen gibt es zu keinem Moment nur den
Menschen und nur das Ding, denn es ist kein Moment denkbar, in dem
der Mensch gänzlich losgelöst von der Dingewelt besteht, und umgekehrt.
19 Es sind dies die Ansätze, aus denen Latour 2001 seine Forderungen nach einem „Par-
lament der Dinge“ ableitet, in dem man auf die Stimme der Dinge zu hören beginnt.

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158 Eigenschaft und Magie

Das hier skizzierte Bild ist eines beständiger, auch epistemologischer


Unbestimmtheit – es ist nichts anderes, als auch in der Soziologie vom
opus operatum zum modus operandi überzugehen. Und es stellt auch wie-
der den Strukturalismus vom Kopf auf die Füße: die Strukturen, die sozi-
alen Rollen, die Systeme – sie alle sind Produkte. Es sind Hybride, die
nie allein existieren, sondern immer aus den aktuell handelnden Akteu-
ren gebildet werden, seien diese rein menschlicher Art, dann ist dies in
etwa das, was Gesellschaft in der klassischen Soziologie bedeutet, oder
das „Soziale Nr. 1“ bei Latour; oder seien diese eine wilde Mischung aus
Menschen und Dingen, also technologische Gebilde: das „Soziale Nr. 2“.20

7.4. Glaube

Die auf der Qubbet el-Hawa gefundenen Dinge gehören zu einer Gruppe
von Objekten, die so unbestimmt in ihrer Bestimmtheit sind, wie das
Geld. Geld ist – idealiter – etwas, dessen einzige Eigenschaft es ist, auf
einen Wert zu verweisen. In QH 207 sind die verschiedenen Zwischenstu-
fen von Dingen gefunden worden, die wir Götterfiguren oder vorerst bes-
ser – weil neutraler – Sakralgegenstände nennen. Sakralgegenstände sind
Dinge, die auf etwas anderes verweisen; auf ein Transzendentes, dessen
Präsenz gewahr ist, aber nicht materiell erfassbar. So sagen zumindest
alle Theologien, die sich der Transzendierung des Göttlichen in der Welt
verschrieben haben.21

20
Genau genommen stellt Latour 2010 dem strukturalistischen „Sozialen Nr. 1“ – der
menschlichen Gesellschaft – eine Palette aus drei weiteren Formen des Sozialen
gegenüber (Soziales Nr. 2 = semi-stabile Assoziationen von menschlichen und nicht-
menschlichen Akteuren; Soziales Nr. 3 = face-to-face Interaktionen; Soziales Nr.
4 = „Plasma“ / die nicht-kategorisierte „fehlende Masse“ bzw. das „Dazwischen“
aller Assoziationen). Die für die hier ausgebreiteten Gedanken in den meisten Fällen
ausreichende zweigliedrige Charakterisierung des „Sozialen“ wird auch von Latour
2016, 93 selbst genutzt.
21
Fitzenreiter 2018.b und die dort diskutierte Literatur.

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Magie 159

In der Realität ist dies oft anders: Da ist das Götzenbild nicht nur
der Verweis auf etwas Größeres, sondern das Größere selbst.22 Es ist ein
Fetisch, ein Ding mit unheimlicher, in es gebundener agency, dem Schwert
oder Hammer nicht unähnlich.23 Wenn man es nur technisch richtig zu
bedienen weiß, kann diese Potenz entfesselt werden. Mag der Vergleich
von Gott und Geld auch blasphemisch sein, so ist er unter dem Aspekt der
Beurteilung der notwendigen Arbeit an der Verzauberung doch äußerst
hilfreich. Gott wie Geld sollen – so wollen es die großen Verzauberer –
vom Götzenbild und der Münze möglichst getrennt sein. Sie bedürfen
aber doch der Manifestation, um zu sein. Und wenn es nur die Manifesta-
tion im Buch ist, sei es eine heilige Schrift oder ein Sparbuch.24

Sakralgegenstände wie die von der Qubbet el-Hawa dürften zu den frü-
hesten Erzeugnissen der Menschen gehören. Mit den Werkzeugen, die
eine Manipulation des Gegebenen dinglicher Art erlaubten, gerieten
dem Menschen auch Werkzeuge in die Hand, mit denen er das Gegebe-
nen nicht-dinglicher Art manipulieren konnte. So, wie ein Schwert eine
Potenz des social engineering markiert, so können Zeichen an und in einem
Ding seine Bedeutung und Eigenschaft als Manifestation von etwas Über-
dinglichem anzeigen. Und so, wie nur in der praktischen Verknüpfung,
also dem technischen Tun, der Hybrid aus Mensch und Schwert die Rolle
des Hybriden als Krieger oder Henker auch tatsächlich existent macht,
so erschafft nur die praktische Handhabung einer solchen Manifestation
des Sakralen durch einen Menschen die in ihm liegende Bedeutung. Die

22
Fitzenreiter 2013.a und die dort diskutierte Literatur. Das Thema wird in Kap. 16
noch behandelt.
23 Und es ist etwas, das seinen Charakter als Ding und Produkt sozialer Konstellationen
verschleiert, ganz wie es der Warenfetisch nach Marx auch tut. Siehe oben Anm. 1.
24
Die Möglichkeiten, in denen „sich“ das Göttliche manifest machen kann, das heißt,
worin es im Zuge der Verzauberung als bedeutungsvolle Eigenschaft erkannt
wird, sind praktisch unendlich, vom beliebigen Objekt über Tiere bis zur Natur an
sich, vom Lächeln des Kindes bis zur Struktur des Periodensystems der Elemente.
Einen Eindruck liefern die Einträge „Kultbild“ und „Kultobjekte“ in Cancik / Gladi-
gow / Kohl 1998.

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160 Eigenschaft und Magie

Handhabung verleiht dem Präsenz, was man gelegentlich Gott nennt.


Und so gibt es Gott tatsächlich, denn es gibt den Gottesdienst.25
Sakralgegenstände sind die universellsten Werkzeuge des Menschen.
Selbst ein Faustkeil ist dagegen ein beschränktes Gerät. Ein Sakralgerät
kann praktisch alles. Wird der Gott erst richtig aktiviert, dann blühen
Wüsten, treten Meere auseinander und kommen Berge zum Propheten.
Allerdings nur unter einer Voraussetzung: Es müssen alle daran glau-
ben. Damit also ein Gegenstand zu einem Sakralgegenstand wird, der
die Eigenschaft hat, dass an seine Verweiskraft so fest geglaubt wird
(auch hier wieder dem Geld vergleichbar), muss eine gehörige Portion
Arbeit geleistet werden. Jeder Moment der Produktion und Nutzung
eines Sakralgegenstandes ist ein Moment der Arbeit an der Verzaube-
rung. Das beginnt mit dem wunderbaren Finden des Gegenstandes, mit
Visionen und Zeichen. Jeder Funktionsbeweis bei der Nutzung fügt neue
Bedeutungen hinzu. Das Ende schließlich muss bis hin zur Entzauberung
führen, damit der Gegenstand in irgendeiner Weise seiner bedeutenden
Eigenschaften entledigt werden kann.
Genau von diesem Prozess der Erarbeitung von Verweiskraft kann
das Bonner Konvolut erzählen. Obwohl es nur aus Zwischenstufen der
Produktion besteht, ist es doch kein Abfalldepot. Die Objekte wurden
wohl deshalb deponiert, weil sie so, wie sie sind, besondere, bedeutungs-
volle Eigenschaften haben. Das unterschied sie auch von anderen Objek-
ten, die man in einer Gusswerkstatt erwarten würde, also von Werkzeu-
gen und Gießereigerät wie Tiegeln und Blasrohren. Während man diese
entweder andernorts entsorgt oder weiterverwendet hatte, trug man das
Konvolut in eine Grabanlage und beließ es dort. Der Wert des in einigen
Gussformen verbliebenen Metalls wurde offenbar geringer eingeschätzt,
als die Bedeutung dieser Gussformen, die dazu anregte, die Stücke hier zu
deponieren. Auch das Kapital der bereits investierten Arbeit wurde nicht
verwertet, das heißt, die hohlen Gussformen wurden nicht ausgegossen,
25 Zu dieser an die ANT angelehnten Deutung religiösen Praktizierens siehe Fitzenreiter
im Druck 1.

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Magie 161

die Reparaturen wurden nicht durchgeführt und die eventuell noch ver-
wendungsfähigen Negative wurden nicht weiterbenutzt. Der Wert als
Sakralgegenstand lag wohl höher.
Das mag jetzt, in Anbetracht des Fundortes, der ja ein sakraler Platz
ist, nicht besonders bemerkenswert sein. Bemerkenswert ist aber, dass
diese Bewertung als Sakralgegenstand hier vor dem Hintergrund eines
technischen Verfahrens zu studieren ist. Die Objekte sind allesamt Zwi-
schenstufen und dokumentieren technisches Können und technologisches
Wissen des Wachsausschmelzverfahrens. Ihre Deponierung an einem sak-
ralen Ort dokumentiert darüber hinaus, dass die technologische Reflek-
tion dieses Verfahrens nicht auf der Ebene des Wissens um technische
Eigenschaften stehen blieb (wie es im vorangegangenen Teil beschrieben
wurde). Vielmehr wurde sehr wohl der Wertzuwachs bzw. überhaupt der
Wertwandel des Dinges ebenso reflektiert. Denn offenbar bereits als Nega-
tivform, als Wachsmodell, ja als Hohlraum in einer Gussform (!) waren
diese Dinge nicht nur ein Konglomerat aus verschiedenen Materialien.
Im Zuge der Verarbeitung führte das technologische Erfahren bereits
zur Materialisierung des angedachten Produktes und damit zur Präsenz
von dessen besonderer Eigenschaft. Eine Eigenschaft – wir können sie
auch Wert oder magische Potenz nennen – die eben darin besteht, ein
Ding zu sein, dem besondere Knappheit, Individualität und Wirksamkeit
zugeschrieben wird und das so diese Wirksamkeit dem Menschen auch
realisiert, der mit diesem Ding (über das Wissen davon) harmonisiert.
Bemerkenswert ist, dass diese Präsenz schon im Prozess der eigentlichen
Herstellung erlebt wird, dass also nicht erst das Resultat – die gegossene
Götterfigur – als Träger dieser Eigenschaft und dieses Wertes erscheint,
sondern bereits dessen Anlegung im Zuge der Arbeit am Gegenstand.
Einen schönere Bestätigung dafür, dass das Wesen einer Sache, sein
Wert und seine Bedeutung, im modus operandi und nicht im opus opera-
tum liegt, kann man sich kaum wünschen. Gerade die paradoxe Situation
rund um die Objekte des Konvolutes macht damit deutlich: Die prakti-
sche Auseinandersetzung ist der eigentliche Ort, an dem Bedeutung und

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162 Eigenschaft und Magie

Wert realisiert werden. Das Resultat der Kommunikation kann im Falle


von im Werden befindlichen Gegenständen religiösen Praktizierens nur
der Glaube sein. Der Glaube daran, dass dort etwas ist bzw. in unserem
Fall: wird, das mehr ist, als nur das Material, mehr als ein Objekt – ein
Ding mit Bedeutung.

Es werden solche, bis hier nur skizzenhaft zu fassende Eigenschaften


gewesen sein, die Menschen veranlasst haben, die zu sakralen Dingen
gewordenen Objekte in QH 207 zu deponieren. In der Auseinanderset-
zung mit ihnen erlebten diese einen Moment der Hybridisierung, des
Zusammentreffens mit deren besonderer Bedeutung, in der der Glaube
nicht mehr nur Vermutung, sondern Erfahrung wurde; und zwar die
Erfahrung, selbst ein Anderer zu sein – ein Hybrid, in dem sich das Sak-
rale manifestiert: ein Glaubender, ein Gläubiger. Womit wir zu dem wich-
tigsten Hybriden von symbolischer Arbeit überhaupt gekommen sind.
Nur, wer in symbolische Arbeit ganz praktisch, direkt am Ding involviert
ist, kann deren Resultate verstehen, lesen und, am wichtigsten: glauben,
dass heißt: als sicher verbürgt erfahren. Das gilt für die engen Kultur-
techniken wie Lesen, Schreiben, Rechnen, die man praktizieren muss,
um deren kulturelle Wirkung glaubhaft erfahren, rezipieren und verwirk-
lichen zu können. Das gilt in besonderer Weise von der Erfahrung von
Wert, an den nur durch die intensive Einbindung in ein Wertesystem
geglaubt werden kann (und muss).26 Und es gilt zuletzt und unabdingbar
für das Universum religiöser Konzepte. Wer den Prozess der reziproken
Übertragung von Wissen in das Objekt und zugleich aus dem so geschaf-
fenen religiösen Ding wieder heraus nicht durchmacht, ihn nicht erlebt
– also nicht tut – bleibt religiös unmusikalisch. Jene, die die Objekte des
Konvolutes in einem bestimmten Moment aus dem Produktionsprozess
herausnahmen und an der Schwelle zu einer Grabanlage deponierten,
waren dies wohl nicht.

26
Siehe zum „Rechtsglauben“ als die „Voraussetzung des Rechts“: Engelmann 2020.

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Ketten 163

KETTEN UND NETZE

Die Eigenschaften der an der Qubbet el-Hawa gefundenen Objekte haben


die Diskussion tief in ein Gemenge aus Wert und Magie getrieben. Lägen
uns Schwerter oder Gerätschaften zur Herstellung metallener Schilde und
Streitwagenteile vor, wie sie etwa in den industrial areas der Ramsesstadt
gefunden wurden,1 hätten diese die Gedanken wohl in andere Richtun-
gen gelenkt. Einiges von dem, was zu Eigenschaften, Nutzen, Wert und
Bedeutung gesagt wurde, wäre aber wohl auch dabei herausgekommen.
Zum Beispiel, dass man sehr gut auch ohne Metalltechniken kämpfen
kann, dass aber die Metalle, erst einmal auf der Welt, einen gehörigen
Druck auf die Akteure ausüben. Der schöne Begriff von der châine opera-
toire, der die lange Kette technisch notwendiger oder möglicher Schritte
bei der Herstellung und Nutzung von Objekten beschreibt, bildet sprach-
lich auch die Kette ab, an die Menschen gelegt werden, wenn sie erst in
den Strudel der technischen Entwicklung geraten. In Qantir lässt sich am
Befund ablesen, wie mit den Metallen ein militärischer Sturm im Vorde-
ren Orient heraufzieht2 – da sind die Götter von der Qubbet el-Hawa eher
friedliche Aktanten.
Nachdem es im vorangegangenen Teil vor allem um die merkwürdige
Macht der Dinge ging – nennen wir sie agency, Wert oder Magie – soll
sich dieser Teil mit dem Menschen beschäftigen, dem anderen Partner
der Kommunikation. Es soll betrachtet werden, wie die agency der Dinge
die Menschen stimuliert, ihre Rolle in der Mensch-Ding-Verknüpfung zu

1 Pusch 1990; Herold, 1999; Herold 2006; Prell 2011.


2
Zum Thema der Waffentechnologie und ihrer Verbreitung in der Bronzezeit: Shaw
2001 (= Shaw 2012, 92–109); Wilde 2003, 109–130; Morkot 2007; Pollastrini
2017. Noch deutlicher tritt der Krieg als Vater aller Dinge im Zusammenhang mit
der Einführung des Eisens in Erscheinung: Shaw 2012, 110–126.

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164 Ketten und Netze

spielen und welche Auswirkungen dieses auf das Zusammenleben von


Menschen mit Menschen hat.

8. Ketten

8.1. Bewegung

Komplexe Techniken wie die des Wachsausschmelzverfahrens können


nicht zielgerichtet entwickelt oder gar auf spezielle Probleme zugeschnit-
ten erfunden werden. Sie bewegen sich; werden immer wieder gefunden,
vergessen und wiederentdeckt.3 Metallurgie wurde in der Antike welt-
weit an verschiedenen Orten technisch in unterschiedlicher Weise reali-
siert; und das im Zusammenspiel mit verschiedenen Metallen, mit Kupfer,
Gold, Blei, Silber, Zinn, Zink und schließlich Eisen (Kasten 8.1).4 Das
Spektrum der hergestellten Objekte ist breit und lokal auffallend variabel
und ebenso variabel sind die Techniken der Metallbearbeitung.5 Wäh-
rend in der „Bronzezeit“ Mitteleuropas Gerätschaften wie Schwerter oder
Beilklingen und Körperschmuck aus festen Schalenformen (Kokillen) den
Befund zumindest zahlenmäßig dominieren, treten im vorderen Orient

3
Hellwing 2013; Klimscha 2015. Siehe das frappierende Phänomen einer hochent-
wickelten Gold- und Kupfermetallurgie von Varna (um 4500 v. u. Z.) und deren
plötzliches „Verschwinden“ (Leusch et al. 2015). Demgegenüber nehmen etwa
Strahm / Hauptmann 2009 eine monozentrische Erfindung der Metalltechniken
in Vorderasien und Roberts 2009 eine gerichtete Diffusion dieser Techniken nach
Europa an. Die Existenz von Metalltechniken in Altamerika macht diese Ansätze
problematisch.
4
Siehe die reich illustrierte Übersicht zum weltweiten Montanwesen: Wilsdorf 1987.
5 Sheratt / Sheratt 2001 verweisen im Zusammenhang mit der Betrachtung der diffu-
sen wechselseitigen Beeinflussungen und den oft getrennten technologischen Wegen
der bronzezeitlichen Metalltechniken auf die Beobachtung des griechischen Admi-
rals Nearchos, dem auffiel, dass man im Mittelmeerraum Trinkgefäße aus getrie-
benem Metall verwendete (die beim Herunterfallen verbiegen), während in Indien
gegossene Metallgefäße üblich waren (die zerbrechen). Eine funktional identische
Objektgruppe wurde, sogar unter Verwendung desselben Materials, technisch ganz
verschieden realisiert.

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Ketten 165

Zermonialgegenstände im Wachsausschmelzverfahren in den Vorder-


grund, bis zu den Meisterleistungen der Metallbildnerei der Mittelmeer-
länder, die uns aus der griechisch-römischen Antike erhalten sind. Dane-
ben werden in Treib- und Schmiedearbeit gefertigte Werkzeuge, Waffen
und sonstige Gerätschaften genutzt und entwickelt. Das europäische Mit-
telalter pflegt eine eigene technologische wie auch typologische Linie und
seit der Renaissance imitiert man in Westeuropa das antike Kunstschaffen
ganz bewusst im Wachsausschmelzverfahren.6 Parallel wird in der frühen
Neuzeit der Sandguss als ein für die Herstellung von Werkzeugen effek-
tives Verfahren weiter entwickelt. In Ostasien werden Zeremonialspie-
gel und -gefäße aus wiederverwendbaren Teilformen aus Ton und Stein
gefertigt, in Südasien und Westafrika Figuren von Göttern, Menschen und
Tieren im Wachsausschmelzverfahren, in Japan riesige Buddahfiguren im
segmentweisen Überfangguss. Aus Altamerika sind Schmuck und Götter-
bilder in Gold-, Silber- und Kupferlegierungen bekannt, auch dort, wie
und woher auch immer, war man mit dem Wachsausschmelzverfahren
vertraut. Darin eine lineare Logik zu suchen ist unnötig. Jede Zeit schuf
sich adäquate Verfahren und adäquate Gegenstände. Man konnte ohne
Wachsausschmelzverfahren gut leben, man konnte ihm verfallen – wo
und wann die Technik den Menschen auflauert, ist nicht vorauszusehen.

Motor der Auseinandersetzung ist der Wissensaustausch zwischen Men-


schen und Metallen, die Technik, das Tun. Erst in zweiter Linie ist es der
Wissensaustausch zwischen Menschen, also die Weitergabe von technolo-
6 Als ein letztes, die archäologische Forschung noch ganz auf die Wiedergewinnung
antiker Techniken und deren Fruchtbarmachung in der zeitgenössischen Kunst rich-
tendes Werk kann Kluge / Lehmann-Hartleben 1927 gelten, das damit in bester anti-
quarischer Tradition steht. Kurt Kluge, der selbst Bildhauer und Gießer war, rich-
tet über das gute griechische und das schlechte römische Verfahren und erhebt so
den Anspruch, Leitlinien für die zeitgenössische Praxis darzulegen. In der Praxis der
Kunstgießereien ist das Interesse an den Techniken der Antike, des Mittelalters und
der frühen Neuzeit nie abgerissen. Erkenntnisse zum antiken Kunstguss werden dort
gern einmal getestet bzw. regen zu Experimenten mit den eigenen Mitteln an. Ganz
zu schweigen von der Sparte „Fälschungen“, in der solche Anregungen ganz begierig
aufgenommen werden (siehe z.B. Eissenhauer 2003).

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Afrika Europa, Westasien (Eurasien) Süd- und Ostasien Amerika

166
9. Jht. v. u. Z: Anhänger aus Kupfer in Shanidar-
Höhle im Nordostirak

8./7. Jht. v. u. Z.: bearbeitetes Kupfer in


Anatolien, Iran, Syrien

6. Jht. v. u. Z.: Kupferverarbeitung im Iran, 6. Jht. v.u. Z.: erster


Kaukasus, Südosteuropa belegter Bronzeguss im
Wachsausschmelzverfahren in
ab 5. Jht. v. u. Z.: Kupferverhüttung in Tiegeln; Mergharh (Indus-Kultur)
neben kalter Bearbeitung von Kupfer auch
gegossenes Kupfer, Guss in Steinformen

5.–3. Jht. v. u. Z. Kupfer mit hohem Arsenanteil

Ketten und Netze


verarbeitet, insbesondere im Kaukasus
Arsenbronzen mit weiteren Metallen legiert:
Antimon, Blei, Nickel, Zinn, Zink

5./4. Jht. v. u. Z.: Entwicklung der


Gusstechniken (Herdguss, Schalenguss,
Wachsausschmelzverfahren, Überfangguss) für
Kupferlegierungen, Gold, Silber, Blei; Verbreitung
der Metallurgie im gesamten eurasischen Raum:
Südbalkan (Varna), Anatolien, Levante (Nahal
Mishmar), Kaukasus (= Bronzezeit)

4./3. Jht. v. u. Z.: Kupferob- 4./3. Jht. v. u. Z: in Habuba Kabira (Syrien) erste 4./3. Jht. v. u. Z.: erste
jekte in Ägypten (Maadi) Zinnbronzen Metallnutzung in China (Kupfer,
Gold, Bronze)
ab 3000 v. u. Z.: Meteoreisen und Eisen-Nickel-
Legierungen werden verarbeitet (geschmiedet)

3100/2700 v. u. Z.: Wind-Schmelzöfen zur


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Kupferverhüttung auf dem Sinai


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3./2. Jht. v. u. Z.: Kupfer- 3. Jht. v. u. Z.: Zinnbronzen in Eurasien bis


verarbeitung durch Treiben, Indien verbreitet
Schmieden und Gießen; Zinn-
und Bleibronzen, Guss im ab 2000 v. u. Z.: Eisenerze werden abgebaut, ab 2000 v. u. Z.: Bronze mit ab 2000 v. u. Z: Südperu:
Wachsausschmelzverfahren Luppenstahl durch Schmieden gewonnen, später hohem Zinngehalt in China; Guss erste Goldarbeiten belegt
und Hartschalenformen in Verhüttung im Rennverfahren; Verbreitung in von Ritualgefäßen in mehrteilige,
Ägypten Anatolien und Ägäis, dann ganz Eurasien (ab geschnittenen Schalenformen
1100 v. u. Z.: Eisenzeit) (Kokillen) aus Stein oder Ton
2. Jht. v. u. Z.: Kupferverar-
beitung in Nordafrika (Magh- ab 1600 v. u. Z.: Bleibronzen in
reb / Gall-Tegidda-n-Tesemt) China (Gefäße der Shang-Zeit)

um 1800 – 1200 v. u. Z.:


7./6. Jh. v. u. Z.: Hohlguss im Eisenmetallurgie in Indien 1200 – 200 v. u. Z. Blü-
Wachsausschmelzverfahren mit hohlem Kern im entwickelt te der Goldbearbeitung
Yemen; Schweißtechniken (Bleche) in Chavín (Peru),
ab Ende 2. Jht. / frühes 1. Jht.: Verarbeitung von Platin;

Ketten
Kupfer und Kupferlegierungen Gusstechniken in Silber
werden im südlichen Baikalgebiet (Wachsausschmelzver-
verarbeitet („Skythen“) fahren); auch Arbeiten in
Bronze (Zinnbronzen)
1. Jht. v. u. Z.: Eisen mit hohem
Kohlenstoffgehalt ( ca. 4 %) in
1. Jh. v. u. Z. – 1. Jh.: Eisen- China
metallurgie in Meroe; ab 1.
Jh.u. Z. (?) Schmiedeeisen in um 500 v. u. Z. (oder erst um 200 um 0: Kolumbien-Panama:
Ost- und Westafrika u. Z.?): Wachsausschmelzverfahren Gold, Gold-Silber und
in China Gold-Kupfer-Legierungen
ab 3. Jh. Metallurgie im um 0: Messinguss im römischen Reich verbreitet; (Tumbaga) im Wach-
gesamten subsaharanischen Blei im technischen Bereich (Bauwesen, ab 3. Jh. v. u. Z: Münzguss sauschmelzverfahren
Afrika (Gold, Kupfer, Zinn, Wasserversorgung) (Kauri-, Spaten-, Messerformen) in verarbeitet (Voll- und
Eisen) Schalenformen in China Hohlgüsse)

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300 v. u. Z. – 200 u. Z. Gussstahl
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9./10. Jh.: Igbo-Ukwu (Nige- (wootz) durch spezielles

168
ria): Gussobjekte aus Bleib- Reinigungsverfahren (Zusatz von
ronzen im Wachsausschmelz- Glas in der Schmelze) in Indien;
verfahren durch Schmieden geformte
um 1000: Theophilus beschreibt den Glockenguss Werkstücke (Qutb-Säule) ab 900/1000 u. Z.: Gold-
12.-15. Jh.: Ife (Nigeria) Bild- im Wachsausschmelzverfahren, zinkreiche schmiedearbeiten in
werke aus Bronze / Messing Kupferlegierungen (Messing) werden im Bildguss um 1000 u. Z.: Shen Kuo beschreibt Mexiko, Guss- und Treib-
mit hohem Kupfergehalt verwendet Stahlgussverfahren in China arbeiten in Gold, Silber
und Gold/Silber/Kupfer-
ab 13. Jh. bis Kolonialzeit: 12. Jh.: Glockenguss mit „falscher Glocke“ ab. 1. Jht. Blüte des Messinggusses Legierungen, Blüte unter
Kupferbergbau und -verhüt- (statt Wachsmodell werden Kern und „falsche“ in Südasien den Inka (bis 1519)
tung im Kongobecken, Kup- Tonglocke mit Schablone gezogen)
fer- und Eisenmetallurgie im
südlichen Afrika (Zimbabwe, seit 12. Jh. Zinnguß (Weißgießer, Kannengießer)

Ketten und Netze


Shankare/RSA) in feste Formen für Gebrauchsgegenstände;
Gusszinn mit bis zu 40 % Blei; Sturzguss für
14. Jh.: Handel der subsa- Hohlkörper (Ein- und schnelles Ausgießen)
haranischen Reiche in Mali vor dem 16. Jh. Silberberg-
mit der Mittelmeerregion mit ab 14. Jh.: Kunst- und Kanonenguss in Bronze im bau und -metallurgie in
Metallen aus West- und Zent- Wachsausschmelzverfahren; Kanonenguss bald im Bolivien (Inkas), in koloni-
ralafrika (Gold, Kupfer) Verfahren mit „falscher Kanone“ gegossen aler Zeit fortgesetzt

um 1500: Reich von Mono- 14. Jh.: Eisengießerei, Entwicklung der


motapa (Zimbabwe) mit Ei- Ofentechnik vom Rennfeuer zum Hohen Ofen;
sen- und Buntmetallurgie Gusseisen im Bildguss, Geschütze und Glocken,
Kanonenkugeln, Herdplatten, Tafeln 15. Jh.: Eisenindustrie in
1300 / 1400 bis Ende 19. Jh.; - Hammerwerke für die Schmiedetechnik Kambodscha ab dem 16. Jh.: kolonialer
dann neue Blüte im 20. Jh.: - Guss in metallene Dauerform / Kokille und in Bergbau in Mittelamerika
Benin (Nigeria), Bronzewerke Herdform (Sand); Modelle als Modeln, die in Sand (Silber, Quecksilber)
im Wachsausschmelzverfah- gedrückt werden
ren; zuerst Zinnbrozen, ab 17. Jh.: Verbreitung von
Ende 15. Jh. meist Messing 1444: Guss von Metalllettern für den Buchdruck Eisen und Schmiedetechnik
aus Blei, Zinn und Wismut: seitdem beständige im nichtkolonialisierten
Erweiterung des nutzbaren Metallspektrums Nordamerika
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17. Jh.: Eisenguss von Wasserrohren; Entwicklung von


Drahtziehmaschinen, Walzstahl und Walzwerken (Mechanisierung der
Schmiedetechniken)
1708: Kastenformen mit nassem Sand (Grünsand) in England zum
direkten Guss
1709: Kokshochofen für Gusseisen mit hohem Kohlenstoffgehalt (nicht
zu Schmieden), Guss „erster Schmelzung“ zu Eisenrohlingen (Masseln), Kasten 8.1.: Zeiten, Orte, Objekte, Metalle / Legierungen
in „zweiter Schmelzung“ zum Gussstück und Techniken der frühen Metallproduktion weltweit. Die
Übersicht bezieht sich auf die bisher frühesten bekannten
um 1700: Temperguss für schmiedbares Gusseisen: durch Belege für bestimmte Techniken der Metallbearbeitung
Wärmebehandlung den Kohlenstoffgehalt von Gusseisen verringern
in geographischen Großräumen, wobei die Datierungen
18./19. Jh.: Pott-/Poterieguss (Töpfe, Badewannen etc.) in Eisen in der Forschung oft umstritten sind. Die auffällige
Dichte der Befunde im eurasischen Raum ist auf die
seit Mitte 18. Jh.: industrielle Verfahren der Stahlherstellung
Forschungslage zurückzuführen und verzerrt daher das
(Puddelofen, Tiegelschmelzofen)
Bild.

Ketten
frühes 19. Jh.: Eisenschmuckguss mit phosphorhaltigem Eisen („Berliner Verwendete Literatur: Beckert 1980; Bloch 1983; Born
Eisen“) 1984; Burmeister / Hansen / Kunst / Müller-Scheeßel
1819: Bronzebildguss in Sandformen 2013; Craddock 2014; Cruz et al. 2017; Dwenger
1980; Guerra et al. 2017; Hansen 2016; Hendrickson
19. Jh.: Schleuderguss für Rohre ohne Kerne et al. 2018; Holl 1997; Jin et al. 2017; Junge 2007;
19. Jh. Maschinenformerei in Sand Klimscha 2017; Mille 2012; Miniaev 2016; Panganayi
Thondhlana / Martinón-Torres / Chirikure 2016;
ab Mitte 19. Jh.: Stahlguss (Bessemer-Birne, Siemens-Martin- Phillips 1995; Rademakers et al. 2018.a; Rahmstorf
Ofen, Lichtbogenofen), Feinguss von Stahllegierungen im
2017; Schätze aus Alt-Nigeria 1985; Schmidt 1976;
Wachsausschmelzverfahren
von Schuler-Schörnig 1972; Stölzel 1982; Thoury et al.
ab Mitte 19. Jh.: Aluminiumguss mittels Schmelzflusselektrolyse 2016; Wang / Mei 2009; Wilsdorf 1987; Verčík 2017; <
20. Jh. Gusseisen mit Kugelgraphit, legierte Stähle, Plasmaofen https://en.wikipedia.org/wiki/History_of_metallurgy_
in_the_Indian_subcontinent |> (24.10.2018); < https://
en.wikipedia.org/wiki/History_of_metallurgy_in_China
>(24.101.2018); < https://en.wikipedia.org/wiki/

169
Copper_metallurgy_in_Africa > (24.10.2018).
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170 Ketten und Netze

gischer Kenntnis. Wie wenig hilfreich die reine Information in der Praxis
ist, wurde im Kapitel 4 behandelt. Nach einem Ort, einem Zeitpunkt und
sogar einem Menschen zu suchen, die die Metallverarbeitung, das Wach-
sausschmelzverfahren oder den Eisenguss erfunden hätten, ist unnötig.
Wissen wird nicht in der Art eines Urknalls erfunden und dann „verbrei-
tet“. Wesentlich ist, dass Menschen in die Auseinandersetzung mit dem
Metallen geraten und praktisch in den Wissensaustausch mit Metallen
involviert werden;7 durch den Zufall der Beimengung von Metallen in
begehrten grünen Gesteinen oder durch den Kontakt mit Objekten von
anderer Hand, beim Besuch einer bereits bestehenden Werkstatt, durch
die Bekanntschaft mit umherziehenden oder verschleppten Handwerkern
oder wie Menschen sonst zum ersten Mal mit diesem Stoff und seinen
Eigenschaften in – wörtlich gemeint: – Berührung kommen. Jeweils indi-
viduell, nach Region und sozialem Gefüge ganz verschieden, werden
in diesem sich immer wieder neu und immer individuell vollziehenden
Zusammentreffen die Eigenschaften der Metalle erfahren, erkannt, als
Werte konzeptualisiert und über Techniken der Bearbeitung gewisserma-
ßen „herausgezüchtet“.8
Dass sich die Verfahren der Herstellung und die entstehenden Dinge
oft erstaunlich ähneln, liegt nicht an den Menschen. Es liegt am Wissen
der Dinge, welches sich in der sinnvollsten Technik, dem produktivsten
Verfahren und der effektivsten Form wiederfindet.9 Menschen sind nur
an den Unterschieden schuld, am mehr oder weniger gut.
Die bereits besprochenen Eigenschaften Duktilität und Glanz bezie-
hungsweise Nutzen und Verweis als die archetypischen Pole von wert-
vollen, werthaltigen Gebrauchseigenschaften spielen bei dieser Aneig-
nung des Wissens der Dinge eine wichtige Rolle. Eine Aneignung, die

7
Siehe: Kuijpers 2019.
8 Siehe hierzu und zu den Prozessen der Wissensbildung allgemein: Hansen 2016.
9
Vergleiche das Vorkommen der freilaufenden Spule für die Fangschnur an der Harpune,
deren früheste Belege aus pharaonischer Zeit stammen, für die es unabhängig davon
aber Belege aus dem mittelalterlichen China, Byzanz und dem England der frühen Neu-
zeit gibt: Sjaastad 2018, 237–239. Sjaastad nennt dieses Phänomen „disconnect“.

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Ketten 171

über viele Zwischenergebnisse verläuft, wie etwa dann, wenn aufgrund


der zunehmend als sinnvoll erfahrenen Duktilität und damit verbunde-
nen Stabilität Geräte erst mit metallenen Komponenten ausgestattet und
schließlich ganz durch metallene Versionen ersetzten werden. Wenn man
z. B. Jagdwaffen und Geräte des Ackerbaus mit metallenen Klingen aus-
stattet und schließlich auch Gefäße, weitere Haushaltsgegenstände, Bau-
materialien (Stifte, Nägel etc.) in Metall ausführt. Dass über den Glanz
und insgesamt die „edle“ Anmutung der Gebrauchswert ästhetisch poten-
ziert werden kann, wird deutlich, wenn sakrale Gegenstände mit metal-
lenen Elementen zuerst verziert und schließlich ebenfalls ganz in Metall
umgesetzt werden. Dieser Vorgang der Verbesserung von praktischen
Gebrauchseigenschaften überkommener Geräte und die Steigerung von
deren ästhetisch-symbolischen Eigenschaften durch Verzierung verändert
die so manipulierten Dinge. Sie bekommen neue Eigenschaften und brin-
gen so wieder neues, im Zuge der Nutzung zu erfahrendes Wissen in die
Kommunikation mit Menschen ein. Mit neuartigen Eigenschaften aus-
gestattete Geräte regen neue Techniken des Gebrauchs an und schaffen
sich neue Aufgabenfelder. Diese wiederum inspirieren die Veränderung
des nur verbesserten Gerätes hin zu ganz neue Gerätschaften, in denen
die Eigenschaften des neuartigen Materials in besonderer Weise wirksam
gemacht werden. Eine metallene Axt unterscheidet sich elementar von
einem Steinbeil und auch die Technik des Fällens ist mit beiden Gerä-
ten eine ganz andere; ein Eisenhammer ist etwas anderes als ein Stein-
hammer und wird auch anders eingesetzt und, so ist noch hinzuzufügen:
in der Regel auch zur Herstellung oder Bearbeitung von ganz anderen
Dingen. Experimentelle Archäologie und ethnographische Vergleiche
machen deutlich, wie sehr sich Techniken der Handhabung von schein-
bar ähnlichen Werkzeugen unterscheiden (Abb. 8.1).10 Auch wird deut-
lich, dass bestimmte Resultate nur mit bestimmten Techniken und der
Verwendung adäquater Werkzeuge erreicht werden können. Dies gilt um
10 Mit einem Steinbeil / Dechsel fällt man von oben her schlagend, mit einer Metallaxt
durch seitliche Schläge (Elburg / Hein 2011; Heinen / Stapel 2015, 224).

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172 Ketten und Netze

Abb. 8.1: Baumfällen mit


einer Steinaxt / Dechsel in
Papua-Neuguinea.

so mehr, wenn sich die gewünschten Resultate auf die Symbolik des Ver-
weises konzentrieren oder gar beschränken, wie beim Selbstgemachten,
oder wie es spätestens die Craft-Beer-Bewegung beweist, die die Technik
(= das Herstellungsverfahren) für oder sogar vor den Geschmack stellt
(Abb. 8.2). Hier schafft die Magie des Wissens um die Herstellung einen
symbolischen Wert, der weit jenseits vom rohen Gebrauchswert steht.

Was für den Gebrauch in praktischer Arbeit gilt, darf also auch auf den
Bereich der symbolischen Arbeit übertragen werden: Neue Dinge indu-
zieren neue Kulturtechniken und damit gänzlich Neues in der Kultur. Ess-
werkzeuge statt der Finger zu benutzen, zwingt dazu, andere, „feinere“
Speisen zu essen. Bestecke aus Metall produzieren symbolische Differen-
zen: In einem kurzen Augenblick der Geschichte war Aluminiumbesteck
etwas, das nur höchsten Kreisen zukam – um dann auf Kantinenniveau
abzustürzen.11 Ein goldgeschmücktes oder gar gänzlich goldenes Götter-
bild ist natürlich wirksamer. Aber: Gerade ein einfaches Holzkreuz, das

11
Da die Herstellung von Aluminium im 19. Jahrhundert ausgesprochen teuer war,
galt das Aluminiumbesteck der Kaiserin Eugénie als ein Luxusgegenstand. Mit dem
Verfahren der Schmelzflusselektrolyse wurde Aluminium billig – und damit stürzte
auch sein symbolischer Wert ab (Stölzel 1982, 107). Solch eine tragische Geschichte
setzt natürlich die kapitalistische Produktionsweise, Warenproduktion und Wertbe-
stimmung über die Kosten / Preis-Relation voraus.

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Ketten 173

Abb. 8.2: Craft Beere, die keine sind.


Auch wenn manche Dinge so heißen
wie die, die sie sein sollen – ohne die
passende Technik bleiben Biere aus
industrieller Produktion eben Indus-
triebiere .

bewusst den goldenen Tand verschmäht, kann – wie im vorangegange-


nen Kapitel beschrieben – aus dieser Negation hohe symbolische Bedeu-
tung ziehen. Aber eben auch nur aufgrund dieser Negation, dass heißt in
bewusster Absetzung zu dem existierenden Geschmeide.
Dass jedem Wissensaustausch zwischen Mensch und Ding auch die
Negation innewohnt, ist ein wichtiger Aspekt. Einerseits hat hier der
freie Wille des Menschen seine Nische, der eben auch die Entscheidung
darüber trifft, ob die gewonnenen magischen Eigenschaften überhaupt
attraktiv sind, also ob das Industriebier schmeckt oder nicht. So sehr
das Individuum in seinen Netzwerken den Anregungen vieler Verknüp-
fungsmomente ausgesetzt und unterworfen ist, so kann es doch durch-
aus aus der Sphäre anderer Erfahrungen (oder weil es womöglich einen
wichtigen Akteur – hier einen: influencer – nicht vernetzt – geliked – hat)
heraus entscheiden, ob es mit oder gegen den Strom der Erfahrungen
schwimmt. Andererseits können auch die Dinge ihre Mitarbeit negieren,
indem sie auf einmal nicht mehr vorhanden sind, sich ihre Eigenschaften
verändern, z. B. im Zuge der Abnutzung eines Werkzeugs, dem Erschei-
nen eines Folge-Must-haves oder auch der „Erschöpfung“ von Ressourcen
usw.
Damit ist eine oft widersprüchliche Akteurssituation umrissen, die
man auch dann im Kopfe behalten sollte, wenn es um die Frage geht,
wohin die Reise – hier: von Menschen und Metallen – denn geht. Agency
und Eigensinn von Menschen und von Dingen geben der scheinbaren

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Geradlinigkeit einer Entwicklung zumindest ein Korrelativ.12 Man sollte


daher bei der Kommunikation von Menschen und Dingen sinnvoller von
einer Bewegung sprechen, die beide Seiten in Unruhe hält. Die These,
dass neuartige Techniken und damit verbundene Geräte schrittweise
und in logischer Abfolge immer mehr verbessert werden, also die These
einer linearen, in gewissem Sinne daher auch teleologischen Technikge-
schichte, ist nicht falsch. Manches Wissen kann nur erworben werden,
kann nur erfahren und verstanden werden, wenn es ein Vorwissen gibt,
das möglicherweise auch durch ganz andere Dinge, ganz andere Materia-
lien vermittelt wurde. Und manches Wissen wird zwischen Menschen und
Dingen nur ausgetauscht, wenn Menschen schon ein Ziel oder wenigstens
eine Idee davon haben, was sie wissen wollen. Ein solcher Ansatz, Ent-
wicklungen zu beschreiben, übersieht jedoch, dass Verbesserung keines-
wegs der eigentliche Kern der Technikentwicklung ist. Von Verzierungen
wird dies ohnehin nicht angenommen, wiewohl die ästhetische Wertstei-
gerung in etlichen Fällen ein wesentlicher Impetus der Veränderung ist.
Auffällig ist vielmehr der Sprung von einer Technologie zur nächsten,
der sich darin manifestiert, dass – im Verhältnis zu den sonst üblichen
Spannen der Nutzung immer gleicher Verfahren gesehen: plötzlich – neue
Techniken ganz neue Dinge hervorbringen.13 Verbesserung ist immer rela-
tiv; erst der dialektische Sprung schafft eine wirklich neue Qualität: die
Innovation.14

12
Hierzu: Burmeister 2017.a.
13
Shortland 2004. Das Konzept vom Sprung, der sich im Moment des Umschlags von
Quantität in Qualität vollzieht, betont in der marxistischen Dialektik – im Gegensatz
zum strikten Evolutionismus – das Moment der Diskontinuität und Kontingenz jeder
Bewegung. Hierzu: Engels 1962.
14 Innovationsforschung hat Konjunktur in den Archäologien, um nur einige Titel zu
nennen: Shortland 2001; Wilde 2003; Bourriau / Phillips 2004; Burmeister / Han-
sen / Kunst / Müller-Scheeßel 2013; Maran / Stockhammer 2017; Burmeister / Bern-
beck 2017. Zum Begriff „Innovation“: Wilde 2003, 1, wo er allerdings weitgehend
synonym zu „Verbesserung“ gebraucht wird.

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Innovation zielt nicht auf Verbesserung.15 Innovation ist das Andere


und zielt erst einmal auf gar nichts. Innovation ist der Moment, in dem
neues Wissen auf den Menschen überspringt. Es ist gerade nicht so,
dass die frühen Metallwerkzeuge, schon gar nicht die gegossenen, bes-
ser waren, als ihre Pendants aus Holz, Bein oder Stein.16 Oft waren sie
schlechter; zu weich, zu schwer, zu teuer. Etwas Besseres zu erzeugen,
war auch nicht das Ziel. Es ging um etwas anderes, dessen Eigenschaften
man kennenlernte, Stück für Stück, und das so zu einem Besseren erst
wurde.17 Allerdings zu etwas Besserem für einen ganz anderen Gebrauch,
als dem vielleicht einmal erhofften; kein Dechsel mehr zum schabenden
Abtragen von Spänen, sondern eine Axt zum schlagenden Kerben zum
Beispiel. Man wird einige Zeit mit den Metallen herumexperimentiert –
ja: herumgespielt – haben, bis sich ein Wissen um die besonderen Eigen-
schaften der Metalle etabliert hatte, dieses konzeptuell auch akzeptiert
werden konnte und schließlich die Herstellung neuer Dinge anregte;
Dinge, die wieder neue Techniken ihrer Nutzung inspiriert haben.18 Fol-
gerichtig sind es nicht verbesserte alte Produkte, die einer neuen Epoche
– etwa der Bronzezeit – sprunghaft ein neues Gepräge geben, sondern
prinzipiell ganz andere, neue Produkte, die durch die neuen Metalltech-
niken entstehen, Dinge, die es so zuvor nicht gab; Dinge, die sich ihre
Aufgabenfelder erst schaffen.
Ein Beispiel dafür ist das wohl erste Gerät, das nicht für die Ausein-
andersetzung von Mensch und Natur geschaffen wurde, sondern durch die
Auseinandersetzung von Menschen mit Menschen: das Schwert.19 Vorläu-

15
Siehe die Kritik des im modernen Marketing üblichen Konzeptes von „Innovation“
aus ethnologischer Sicht: Hahn 2017.
16 Burmeister / Müller-Scheeßel 2013, 9; Hansen 2013, 137; Klimscha 2017, 107.
17
Man denke an diverse Flugmaschinen, mit denen um 1900 experimentiert wurde
und von denen sich schließlich nur ein Typ durchsetzte (< https://www.youtube.
com/watch?v=gN-ZktmjIfE >; 26.10.2018).
18
Phasenmodelle des Vertrautwerdens mit Metallen und deren Nutzung entwickeln
Strahm / Hauptmann 2009; Wilde 2003, 67–108; Shortland 2004.
19 Kupferdolche sind seit dem 5. Jht. v. u. Z. bekannt, erste Schwerter datieren vom
Ende des 4. Jht. (Hansen 2016, 92).

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fer dieses Gerätes sind allerlei scharfkantige, Techniken des Schneidens,


Hauens und Stechens stimulierende Geräte, die in den verschiedensten
Bereichen einzusetzen sind. Einer dieser Bereiche ist die Jagd und die sti-
mulierte Technik das Töten. Doch dürfen wir das Schwert nicht mit einer
Jagdwaffe verwechseln. Das Schwert inspiriert eine Technik des Tötens,
die ganz auf den Menschen als Ziel und Opfer zugeschnitten ist.20 Hier
scheinen die besonderen Eigenschaften von Metallen – Glanz, Schärfe,
Gewicht, Elastizität und die Möglichkeit der thermischen Bearbeitung –
ihre Apotheose in einer angemessenen Funktion gefunden zu haben. Das
nur in Metall tatsächlich existente Schwert verfolgt eine zivilisatorische,
auf die Ordnung der menschlichen Gesellschaft gerichtete Mission.

8.2. Versammeln

Das Schwert zu ziehen ist eine Kulturtechnik. Das Schwert versammelt


die Menschen als Menschen. Mit Jagdgeräten jagt der Mensch mitun-
ter auch Menschen, aber er sieht sie als Wild, als Beute an. Symbolisch
arbeitet der Mensch hier an der Differenz von Kultur und Natur. Mit dem
Schwert in der Hand sieht der Mensch in seinem Gegenüber einen Gegner
– und einen Menschen.21 Symbolisch und ganz praktisch arbeitet er an
der Gestaltung der menschlichen Gesellschaft. So auch im Fall der ande-
ren Zeremonialgegenstände: Was immer die Keule sonst für Funktionen
hat; als Zepter versammelt sie die Menschen als Mitglieder einer Gesell-
schaft. Mit dem klobigen Zepter in der Hand kann der Mensch zwar kaum
eine sinnvolle Verrichtung ausüben. Und doch: erhebt eine das Zepter,

20
Hansen 2016, 92; Deutscher / Kaiser / Wetzler 2014; Landesmuseum Württemberg
2019.
21 Der „Gegner“ wird meist nicht als Mensch mit demselben Wert angesehen, den
man sich selbst zuschreibt, aber auch nicht als (verwertbares) Wild. Nur bei stark
ritualisierten (Zwei-)Kämpfen gelten Normen, die prinzipiell von der Gleichwertigkeit
der Gegner ausgehen und entsprechend auch bestimmte Überwältigungstechniken
als „unehrenhaft“ verbieten.

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so erlebt sie ihr Gegenüber als einen Untertanen, dieser sie (möglicher-
weise) als eine Herrscherin. Das Zepter teilt die Menschen in Klassen.
Oben wurde dies mit Latour als das „Soziale Nr. 2“ bezeichnet: das,
was Menschen und Dinge versammelt (und entzweit22). Die viel zu oft als
magisches oder symbolisches Beiwerk missverstandenen, ganz realen kul-
turellen Effekte von technischem Handeln sind nicht nur individuell, nicht
nur auf die Verzauberung und Hybridisierung von Einzelnen beschränkt,
die zum Krieger, Herrscher oder Gläubigen werden, wie im vorangegan-
genen Kapitel beschrieben. Es sind durchaus größere Gruppen, die im
Zuge bestimmter Techniken versammelt (oder verzaubert) werden und
sich so auch über diesen Zusammenhang als kollektive Hybride klassi-
fizieren bzw. klassifizieren lassen. Techniken und ihre kognitive Aneig-
nung als Technologie prägen in ihrer Dimension als Kulturtechniken die
Vergesellschaftung. Die Altsteinzeit wird geprägt vom Wissen um Techni-
ken der Steinbearbeitung, die Jungsteinzeit durch Wissen um Techniken
des Ackerbaus, der Domestizierung von Tieren, der Keramikherstellung,
die Bronzezeit dann vom Wissen um Techniken der Metallbearbeitung
usw. – kurz: das Zeitalter des Menschen ist geprägt von Technologie, von
der bewusst gewordenen Auseinandersetzung von Mensch und Umwelt.
In jeder dieser Epochen beeinflusst diese Auseinandersetzung auch die
Art und Weise des Zusammenlebens der Menschen. Es bilden sich Serien
von Verknüpfungen, in denen jeder Einzelne einerseits singulär, bewusst
und eigenverantwortlich handelt, doch zugleich auch durch die unver-
meidliche Verknüpfung mit dem Handeln Anderer einen Hybrid diverser
Rollenbilder konstituiert.
In diesem praktischen Feld oder „Plasma“ aus aktuellen und mög-
lichen Handlungsverknüpfungen konstituieren sich Muster, die mit
hinreichend großer Wahrscheinlichkeit reproduziert werden können;23
22 Auch wenn es vielleicht allmählich anstrengt: die Negation ist immer Bestandteil
eines kulturellen Phänomens. In der Natur(wissenschaft) mögen Gegensätze sich
ausschließen; in der Kultur bedingen sie sich.
23 Latour 2010, 352–368 bezeichnet solche Muster als „plug-ins“, die bei Bedarf als
Assoziationen abgerufen werden.

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bestimmte soziale Rollen, so unterschiedlich wie nur möglich, aber auch


immer so ähnlich, wie nötig. So bildet sich das, was als Gesellschaft ver-
standen wird, auch wenn ANT es ungern und Margaret Thatcher schon
gar nicht so nennen mögen.24 Etliche dieser Muster von großer Wahr-
scheinlichkeit werden durch Assoziationen aufgrund bestimmter, gene-
tischer Eigenschaften der Menschen geschaffen, etwa die Rollen Mann
und Frau und daraus Familie (was manche auch nicht gern so benennt).25
Andere Muster von großer Wahrscheinlichkeit werden durch technische
Assoziationen gebildet, zum Beispiel dann, wenn mehrere Akteure sich
im Tun von Handlungen zusammenfinden, um Güter aller Art zu pro-
duzieren, zu distribuieren und auch zu konsumieren – was wiederum
das bildet, was als Ökonomie bezeichnet wird und wogegen zumindest
Leute wie Margaret Thatcher gar nichts haben. Man könnte aber auch
Assoziationen von Menschen und sakralen Entitäten nehmen, die sich der
Produktion von Heilsgütern verschreiben und dabei das bilden, was als
Religion bezeichnet werden kann, um Max Weber und Émile Durkheim
zu Worte kommen zu lassen.26 Oder die Assoziation von Menschen mit
verschiedenen Regeln und Normen dieser Assoziation, die sich um das
gedeihliche Zusammenleben möglichst großer Gruppen sorgen, um die
Zivilisation von Norbert Elias dabei zu haben.27 Oder Assoziationen, die
sich aus der Stellung von Menschen zu den Produktionsmitteln ergeben,
um die sozialökonomischen Klassen des Marxismus wiederzufinden, und

24
Prime minister Margaret Thatcher, talking to Women’s Own magazine, October 31
1987: “I think we’ve been through a period where too many people have been given
to understand that if they have a problem, it’s the government’s job to cope with it.
‘I have a problem, I’ll get a grant.’ ‘I’m homeless, the government must house me.’
They’re casting their problem on society. And, you know, there is no such thing
as society. There are individual men and women, and there are families. And no
government can do anything except through people, and people must look to them-
selves first.” (< http://briandeer.com/social/thatcher-society.htm >; 22.11.2013).
Das family eine ebenso nebulöse Entität ist, wie society, ist ihr offenbar entgangen.
25
Zum komplizierten Verhältnis von sex, gender und vor allem deren kulturwissen-
schaftlichen Interpretationen siehe: Völger 1997; Lohwasser 2000.
26 Weber 1956; Durkheim 1994.
27
Elias 1997.

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schließlich jene Individuen, die in bestimmten Akteurskonstellationen


als Katalysatoren von Gruppeninteressen auftreten. Wobei die verfolg-
ten postulierten Gruppeninteressen den Interessen derer, die die Gruppe
bilden, bald zuwiderlaufen – womit das Paradoxon der Avantgarde und
des Leninismus auch seinen Platz findet (und das Drama des Individuums
überhaupt).28
Es ist also ein weites praktisches Feld, das sich auftut, wenn man
untersucht, was, wer und wie die Menschen eigentlich versammelt. Ein
weites Feld voller Assoziationen und Dissoziationen, die sich beständig
überschneiden, ausschließen, neu bilden. Die Soziologie mag es als ihre
Aufgabe sehen, diese beständige Bewegung in Blöcke einzufrieren und
so schnappschussartig Beschreibungen für Assoziationen möglichst gro-
ßer Gruppen von Menschen zu finden (Gesellschaft, „Soziales Nr. 1“).29
Rechtswissenschaft und Staatslehre definieren die Differenzen und Gren-
zen solcher Blöcke als das, was dem jeweiligen Stand erlaubt ist und
was nicht (decorum, Recht und Ordnung).30 Die Kunst beschreibt den
Menschen als Archetyp oder als spezifische Kreatur im Netz(werk) die-
ser Assoziationen, mal als dessen Virtuose, mal als dessen Opfer (das
Drama des Individuums).31 Die Theologie beschreibt die Kommunion der
Menschheit im Sakralen (die Gemeinde, die Umma, den Orden usw.). Die
Archäologie übersieht den Menschen mitunter (Trichterbecherkultur).

28 Brie 2017. Dieses Drama, dass eine Avantgarde stets ihren eigenen Anspruch konter-
kariert, ist natürlich auch dem bürgerlichen Parlamentarismus eigen; dort aber meist
weniger dramatisch, sondern Karikatur (siehe die graphischen Werke von Honoré
Daumier).
29
Kneer / Nassehi / Schroer 2001.
30 „Eine Gemeinschaft bildet sich durch eine Ordnung menschlichen Verhaltens, das
durch Handlungsvorschriften geregelt werden kann.“ (Zippelius 2011, 5).
31
de Balzac 1829–1856 (88 Bände).

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8.3. Kreise und Ströme

Assoziationen der beschriebenen Art bilden sich zwischen Menschen


allein, etwa zwischen Frau und Mann, Eltern und Kind, Geschwistern etc.
In vielen Fällen aber schieben sich irgendwelche Dinge dazwischen, über
die die Assoziation der Menschen verhandelt wird; ein Pferd macht den
Ritter, die Höhe des Einkommens bestimmt die Steuerklasse, der Alkohol
macht Männer und Frauen schön. Je nachdem, worauf sich das Augen-
merk richtet, wird die relativ stabile Assoziation der Menschen – Latours
„Soziales Nr. 1“ – von größerem Interesse sein, oder eben die labile Asso-
ziation mit den Dingen, das „Soziale Nr. 2“. Nimmt man Nr. 1, nur die
Menschen, und behandelt die Dinge als opus operatum und typologisches
Beiwerk, dann bilden sich Kreise aus wohldefinierten Merkmalen und
Zuständen; man nenne sie Typen, Kulturen, Systeme oder Klassen. Nimmt
man Nr. 2, die Assoziation mit den Dingen als einen sich bewegenden
modus operandi, dann bilden sich Ströme, die von einem Vorgang zum
nächsten gleiten. Nr. 2 nähert sich den Bruchstellen der Kreise, der Inter-
penetration der Systeme, der Verwässerung kultureller Reinheit, den Brü-
chen im Klassenbewusstsein oder den Güterströmen der Ökonomie, die,
wie von Geisterhand getrieben, die Welt nach dem Bild der neoliberalen
Utopie zu gestalten scheinen und die schillernden kulturellen, sozialen
oder systemischen Blasen immer wieder so rüde zerplatzen lassen.32
Beide Herangehensweisen haben sich Modelle geschaffen. Die in
Kapitel 3 eingangs erwähnte typologisierende Archäologie bildet ihren
Kultur- und damit immer verbunden auch einen Gesellschaftsbegriff
auf der Grundlage von Merkmalen, die sich einem, wenigstens für eine
bestimmte Zeit statischen, Kulturkreis zuordnen lassen. Das beliebteste
Medium, solche Merkmale in Zeit und Raum zu definieren, ist die Karte.
Merkmalsgruppen jeglicher Art mit definierter, hinreichender Ähnlich-
keit (Töpfe, Fibeln, Trachten, Sprachen, Religionen), lassen auf diesen
32 Zum Streit um Selbstorganisation und bewusstes Handeln in der Kulturwissenschaft:
Breyer 2016.

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Karten räumliche Gebilde entstehend, in denen Rezipienten Assoziati-


onen erkennen.33 Auseinandersetzungen, Kriege, Prozesse, Techniken
– solche Phänomene zeichnen Pfeile nach, die durch die Schaubilder
schlängeln (Abb. 8.3). Wobei die ältere Archäologie es sich schwer vor-
stellen konnte, dass Techniken alleine wandern und deshalb stets einen
kleinen Tross mit Pferd und Wagen, Mutter, Vater, Kind hinter jedem

Abb. 8.3: Karte „Spätbronzezeitliche Wanderungsperiode (etwa 1250–750 v. Chr.)“ (aus:


Putzger 1981, 4).

Pfeil sah, der sich durch die Weiten der Steppe bewegt, um auf diese
Weise Töpfe und Techniken, Weisheit und Zivilisation, Tod und Verder-
ben im Kartenraum zu verbreiten.34 So konnten sich wieder neue Kreise

33
Zur Karte als Medium kultureller Zuschreibung: Schröder 2007, 267–202; Fitzenreiter
2011.a; zur archäologischen Praxis der Bildung von Kreisen und Grenzen: Hofmann
2016.
34
Zu Migration und Archäologie zusammenfassend: Prien 2005.

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und Grenzen bilden. Je nach Interessenlage wird sich der Rezipient für
die leitkulturellen Flächen interessieren oder eben den Pfeilen folgen, um
darüber zu meditieren, was dieses Strömen von Merkmalen neben der
Wanderlust des Kulturheros noch bewirkt haben mag.

Die Auseinandersetzung von Menschen und Dingen – Techniken also


wie das Wachsausschmelzverfahren – werden in den seltensten Fällen
als ein in Zeit und Raum geschlossenes System, als ein flächiger Kreis,
zu betrachten sein. Theoretisch könnten natürlich alle Prozessschritte
der Metallbearbeitung in einem Raumzeitpunkt konzentriert abgearbei-
tet werden, von der Extraktion der Metalle in einem Bergwerk über die
Verhüttung, die Verarbeitung und die Nutzung des gegossenen Objek-
tes bis möglicherweise hin zu seiner Aussonderung und dem Recycling,
was einen neuen Verwendungskreislauf induziert.35 Zumindest für Werk-
zeuge, die im Bergbau eingesetzt werden, also etwa Meißel aus Kupfer
oder Bronze, wird sich ein solcher Nukleus der Produktionskette auch
praktisch nachweisen lassen. Doch käme das einem nur sich selbst bewe-
genden perpetuum mobile gleich. Vielmehr besteht die agency einer Mine
ja darin, mehr Metall zu produzieren, als für den Eigenbetrieb nötig ist,36
die einer Gießerei darin, mehr Metallobjekte zu produzieren, als selbst
benötigt und schließlich die von Metallobjekten, einen größeren Nut-
zen zu haben und damit Mehrwert zu produzieren, als nur zum Ersatz
ihrer selbst nötig ist. Was auch heißt, dass die Produktionsschritte nicht
sinnvoll in Raum und Zeit konzentriert (= eingekreist) sondern gedehnt
werden: Ströme sind.

35
Hansen 2013, 140, Fig. 2.
36
Traditionell würde man natürlich sagen, dass Menschen aus einer Mine mehr Metall
produzieren können, als sie selbst brauchen – was aber Unsinn ist: sie können nur so
viel rausholen, wie die Mine hergibt. Menschen können nur den Wirkungs- / Ertrags-
grad manipulieren. Es ist eine Eigenschaft der Mine, dass sie – eben bei hinreichen-
der Ertragspotenz – die Menschen dazu bringt, mehr zu extrahieren, als diese selbst
benötigen.

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Dieses Prinzip, das im Lebenszyklus aller Güter von hinreichender


Knappheit zu beobachten ist, also von Gütern, um die man anderswo
weiß, wird mit dem schon erwähnten Begriff der châine opératoire sehr
gut beschrieben: einer Folge von zwar (meist) zwingend ineinandergrei-
fenden Prozessschritten, die aber in Raum und Zeit weit gedehnt sein
kann (Abb. 8.4).37 Solche gedehnten Produktionsketten und Nutzungs-

Abb. 8.4: Stoffkreislauf und die sich vielfach überschneidende châine opératoire der
Metallverarbeitung (schematisch).

kreisläufe lassen sich bereits für die Antike für fast alle Produkte bestim-
men, von Mineralien und Steinwerkzeugen über Keramiken, Farbstoffe,
Häute und Textilien bis eben zu Metallen und Metallwaren. Aber selbst
Lebensmittel wie Getreide und Öl wurden ab einem bestimmten Grad

37 Pichot / Fluzin / Valloggia / Wuttmann 2006; Burmeister / Müller-Scheeßel 2013, 6f.


Das Konzept der châine opératoire geht zurück auf André Leroi-Gourhan (< https://
en.wikipedia.org/wiki/Cha%C3%AEne_op%C3%A9ratoire >; 12.05.2017).

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der Ausdifferenzierung lokaler Produktionsstandorte – etwa mit der Bil-


dung größerer Siedlungen mit Schwerpunkten in Handwerk, Handel oder
der Produktion von Heilsgütern (Tempel) und Herrschaft (Residenz) – an
einer Stelle knapp und daher verhandelt, Luxusgüter wie Wein sowieso.
Es wird sich seit dem 3. Jahrtausend v. u. Z. (und womöglich bereits
lange davor) kaum ein archäologischer Platz finden, der nicht auch
Fundort von sogenannten Importen ist, ganz ohne die Migrationsströme
von ruhelosen Völkermassen.38 Dabei ist offensichtlich, dass sich kaum
je gerade Verbindungslinien zwischen dem Herkunftsgebiet einer Ware –
denn nun wird das knappe Gut zu einem kapitalspeichernden Produkt und
damit zu einer solchen – und ihrem finalen Deposit herstellen lässt. Die
châine opératoire wird schnell unübersichtlich und bedingt mehrere Zwi-
schenglieder, deren Existenz oft nur postuliert werden kann. Glückliche
Funde wie die des Handelsschiffes von Uluburun aus dem 14. Jahrhun-
dert v. u. Z. erweitern die Kenntnisse über Zwischenschritte und -wege
dann immens, und sind doch kaum mehr als die Spitze des Eisbergs.39
An dieser Stelle beginnt selbst ein animiertes Daumenkino aus vie-
len Kulturkreiskarten unübersichtlich zu werden. Denn wenn man die
verschiedenen Bewegungen innerhalb einer solchen komplexen châine
opératoire nachvollziehen will, erhält man nicht mehr die gerichtete Pfeil-
bewegung, sondern es wird erstaunlich oft hin und her oder im Kreis
gehen. Erst recht ist die flächige Kartierung von Merkmalsgruppen pro-
38 Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Migrationsströme, die in jüngster Zeit Europa
erreichen, hat die Soziologie den homo migrans wiederentdeckt, der in seiner Ruhelo-
sigkeit das kulturelle Weichbild der Erde beständig umformt (Hahn 2015.b). Neu ist
das Konzept nicht. Noch vor einhundert Jahren war Migration die Meistererzählung
jeder kulturellen Veränderung (siehe für die Ägyptologie: Pringlinger 2018). Nur der
kurze Traum von den geordneten Verhältnissen einer postkolonialen Idylle hatte
den Kulturkontakt an die Stelle des Menschenaustausches gesetzt, der im Ende einer
Keramikleitform auch die Dämmerung eines Volkes flackern sieht. Auch wenn aktu-
ell die Beweglichkeit des Menschen wieder neu bewertet wird (Burmeister 2017.b),
bleibt anzunehmen, dass die Dingeströme den Menschenströmen in der Regel vor-
ausgehen.
39 Das Schiff transportierte diverse Zwischenprodukte der Metall- und Glasproduktion,
die im Mittelmeerraum als Halbzeuge verhandelt wurden (Yalçin / Pulak / Slotta
2005).

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Ketten 185

blematisch, da das Auftauchen hier und dort von Ungleichzeitigkeit und


Zufall geprägt sein kann. Man erhält vielmehr eine Menge dreidimen-
sional in Raum und Zeit verstreuter spots, die untereinander in irgend-
einer Beziehung stehen, ohne dass die Qualität dieser Beziehung genau
bestimmt werden kann; also etwa, ob man es mit einem Merkmal zu
tun hat, das eine eingewanderte Gruppe hinterlassen hat, ein Händler,
eine Naturkatastrophe usw.40 Was sich aber bildet, auch aus den noch so
lückenhaften Befunden, ist eine Punktwolke von definierten Merkmalen
in zeiträumlicher Dimension. In dieser Wolke finden alle spots über Ver-
bindungen verschiedenster Art zueinander und etablieren so ein Netz-
werk, in dem mit den interessierenden Merkmalen assoziierte Prozesse
stattgefunden haben. An dieser Stelle kann die ANT einen Vorteil ausspie-
len: Als Theorie des Nicht-Hierarchischen, die Phänomene von unten, aus
der Ameisenperspektive des konkreten Befundes sieht, bietet der Sternen-
himmel aufblitzender spots ganz unabhängig von kausalen Maximen wie
Krieg, Handel, Wanderschaft immer ein beeindruckendes Panorama, das
wenigstens eine Vorstellung davon vermittelt, wie Vorfälle in Raum und
Zeit miteinander assoziiert sind.41

40 Hansen 2016, 119f. spricht entsprechend von „Diffusion“ beim Wissens- und
Innovationstransfer.
41 Latour 2010: 163 spricht davon, dass die ANT jeweils nur einen „Blitz“ sieht und
mahnt, „.... bei der neuen Definition des Sozialen als etwas Fluides zu bleiben, das
nur dann sichtbar ist, wenn neue Assoziationen geschaffen werden.“

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186 Ketten und Netze

9. Netze

Ohne den Menschen bilden sich die eben beschriebenen Assoziationen


nicht. Nach dem, was in den vorangegangenen Kapiteln bereits erörtert
wurde, ist es sicher kein komplizierter Schritt mehr, in den technischen
Schritten der châine opératoire – die also neben solchen der Produktion
eben auch Techniken der Distribution und Konsumption, also des Trans-
ports, des Verkaufens, Feilschens, Kaufens und schließlich natürlich des
Verbrauchens, Umformens, Zerstörens und Wiederfindens umfasst –
auch immer eine soziale Komponente zu erkennen. Eine Komponente,
die Menschen zum Handeln bringt und wieder miteinander verknüpft.
Verknüpfungen, die Akteure aneinanderketten und zu vielerlei Handlun-
gen nötigen, von der Gastfreundschaft bis zum Krieg. Verknüpfungen,
die weder kausal zwingend noch frei wählbar sind, weder von einer omi-
nösen unsichtbaren Hand gebunden, die all das in immer gleicher Weise
zum Guten ordnet; noch durch erwartungsnutzenmaximierende Akteure
autonom geknotet, um eiskalt bestimmte Profite zu erreichen. Vielmehr
Verknüpfungen, die mal stabile Netze bilden, sehr viel häufiger aber sol-
che, die kurzzeitig bestehen, andere bedingen, zerfallen und auf neuem
Wege wieder erstehen. Auch hier soll das Konvolut von der Qubbet el-
Hawa als Beispiel dienen und seine Geschichte ein drittes Mal erzählt
werden: nach der aus der Perspektive des Materials und der der Technik
diesmal aus der Perspektive der Menschen (Abb 9.1).

9.1. Produktion

Unter dem Aspekt der châine opératoire ist im Befundspektrum von der
Qubbet el-Hawa das Metall der wichtigste Zeuge für weiträumige und
dabei auf frappierende Weise sowohl stabile wie instabile Verknüpfun-
gen. Die Zusammensetzung der Legierungen ist, wie bereits erwähnt,

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Netze 187

Abb. 9.1: Das Konvolut im Kontext; weite und nahe Assoziationen in Raum und Zeit:
Karte des Ostmittelmeerraumes mit in der Antike ausgebeuteten Lagerstätten von Kupfer
und Blei; links: Die Nillandschaft am 1. Katarakt; rechts oben: Arbeiter in einer Tongrube
in der Ägäis, um 600 v. u. Z. (Pinakes aus Penteskouphia); rechts Mitte: Händler aus Vor-
derasien mit ihren Gütern, darunter ganz rechts ein Mann mit einem Kupferbarren, um
1350 v. u. Z. (Darstellung im Grab des Hui in Theben); rechts unten: Schmelzer an einem
Herdofen, um 2400 v. u. Z. (Darstellung im Grab des Kaemrehu in Saqqara).

heterogen. Sie liegt aber prinzipiell im Rahmen dessen, was im 1. Jahr-


tausend v. u. Z. an Gusslegierungen üblich war (Abb. 4.7).1 Wir bewe-
gen uns gewissermaßen im Zentrum der Wolke möglicher Legierungen
und haben keine exzentrische Mischung aufgrund fehlender Verknüpfun-
gen in die eine und besonders ergiebiger Verbindungen in die andere
Richtung zu beobachten, weil etwa der eine Rohstoff in Massen und der
andere überhaupt nicht zur Verfügung stand.

1
Schwab / Willer 2016.

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188 Ketten und Netze

• Die Herkunft des verwendeten Kupfers lässt sich bisher nicht eindeu-
tig bestimmen, so dass man als Quelle nur die heute archäologisch gut
untersuchten Kupferminen im heutigen Jordanien (Feinan, Timna),
auf dem Sinai und Zypern vermuten kann.2 Aber auch unweit von
Elephantine, in den Bergen der Ostwüste und in Unternubien, wurde
zeitweise Kupfer abgebaut.3 Der Zeitstellung des Konvolutes in der
Mitte des 1. Jahrtausend v. u. Z. zufolge kämen am ehesten die seiner-
zeit produzierenden Minen von Zypern als Ursprung in Frage, da die
jordanischen Minen, die auf dem Sinai und in der Ostwüste / Nubien
wohl nicht mehr in Betrieb waren. Allerdings ist völlig unklar, zu
welchem Zeitpunkt die verwendeten Metalle tatsächlich geschürft
und verhüttet wurden, da ja von einem hohen Maß an Altmetall in
der Legierung ausgegangen werden kann. Möglicherweise wurden
Gegenstände recycelt, deren Material bereits mehrere hundert Jahre
im Umlauf war.4
• Günstiger ist die Situation beim Blei, dessen Herkunft aufgrund der
Isotope, die von Fundort zu Fundort variieren, genauer bestimmt
werden kann. Den Untersuchungen zufolge sprechen die Signaturen
für eine Herkunft etlicher der in den Legierungen vorhandenen Blei-
spuren aus der Ägäis, nämlich aus Laurion und Thasos.5 Dass diese

2
Zur Metallversorgung Ägyptens: Rehren / Pusch 2012; Rademakers / Rehren / Per-
nicka 2017; Kmošek et al. 2018; Rademakers et al. 2018.b; Ben-Yosef 2018. Zur
Kupfermetallurgie des Sinai: Pfeiffer 2012, 2013. Es kann allerdings nicht oft genug
davor gewarnt werden, aus der Herkunftsanalyse von Metallen auf direkte (Han-
dels-)Kontakte zwischen dem Ort der Metallgewinnung und dem Fundort von Metall-
objekten zu schließen, da Metalle wie kaum ein zweites Material aufgrund der ihnen
eigenen, praktisch unendlichen Möglichkeit, im Materialkreislauf zu verbleiben, die
Eigenschaft haben, ihre Distribution diffus zu lenken.
3 Ogden 2000; Hartung 2013; Pfeiffer 2013.
4
Siehe die faszinierende Vorstellung, dass 80% alles je geschürften Kupfers sich noch
heute im Materialkreislauf befindet (Hansen 2013, 139, Anm. 24), dass sich also
eventuell in dem Computer, auf dem dieser Text geschrieben wird, Kupfer befindet,
das vor fünftausend Jahren zum ersten Mal geschmolzen wurde... Mit einem Mal ist
das Gerät mit einem besonderen Wissen aufgeladen und wird individuell, kostbar,
beginnt zu sprechen. Oder zu lügen.
5
Schwab / Willer 2016.

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Minen nach bisheriger Kenntnis erst ab dem 1. Jahrtausend v. u. Z. in


Nutzung waren, könnte ein Indiz dafür sein, dass auch an die Qubbet
el-Hawa durchaus recht frisches Metall aus der Ägäis und dem östli-
chen Mittelmeerraum gelangte.
• Mastix (Pistazienharz) wurde im Mittelmeerraum u. a. als Räucher-
werk sowie für medizinische und kosmetische Zwecke in großen
Mengen gehandelt.6 Ob sich durch die am Modelklotz von der Qub-
bet el-Hawa erstmals nachgewiesene Verwendung von Mastix als
Bestandteil einer duktilen Formmasse ein Fenster zu weiteren Ver-
wendungen eher technischer Art – neben der Abformung zum Bei-
spiel auch als Zusätze zu Wachsmischungen, als Klebstoff, Dichtung
etc. – öffnet, wird sich zeigen. Der Befund, dass das Schiff von Ulu-
burun neben zehn Tonnen Kupfer, einer Tonne Zinn und mindes-
tens 350 kg Glasbarren noch etwa 150 Amphoren geladen hatte, die
größtenteils mit Pistazienharz mit einer Gesamtmasse von etwa einer
Tonne gefüllt waren, lässt aufhorchen.7 Dies kann andeuten, dass sol-
che Materialien im Zusammenhang mit Hochtemperaturtechniken
häufig und in großen Mengen gebraucht wurden.
• Andere Rohstoffe wie Wachs, Holz und die keramischen Massen
waren lokal vorhanden. Der Holzklotz der Model QH 207/37 wurde
im übrigen wohl nicht für dieses Objekt hergestellt, sondern ist die
Weiterverwendung eines Reststückes unklarer Primärfunktion, eines
Möbels oder Werkzeugs.8 Nimmt man an, dass diese Zweitverwer-
tung charakteristisch für die Arbeitsweise der Werkstatt ist, dann
sollte insgesamt angenommen werden, dass soweit wie möglich auf
vorhandene lokale oder recycelte Ressourcen und in der unmittelba-
ren Umgebung kreisende Materialien zurückgegriffen wurde.

6
Zur Gewinnung, Verarbeitung und Distribution von Naturprodukten siehe Serpico
2004.
7 Yalçin / Pulak / Slotta 2005, 582.
8
Tegtmeier 2016.

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190 Ketten und Netze

Es können so zwei ineinandergreifende Netzwerkcluster rekonstruiert


werden, die bei der Materialbeschaffung aktiv wurden. Das eine ist ein
auf lokaler Zusammenarbeit basierendes System, das möglicherweise
sogar in ein und demselben Werkstattbetrieb konzentriert war, in dem
neben der Holz- und Keramikproduktion auch in Metall gearbeitet wurde.
Keramische Grundstoffe, Hölzer und Pigmente (Rot) stammten wohl aus
einem solchen lokalen Pool. Auch der zum Brand und Schmelzen nötige
Brennstoff (Holz, Holzkohle, Dung) wird aus lokalen Quellen stammen.
Hier mögen die Assoziationen dauerhaft, stabil und belastbar gewesen
sein. Der Bezug der Metalle hingegen ist nur über die Einbindung in über-
regionale Handelsbeziehungen zu denken. Ob es aber eine direkte und
durch einen regelmäßigen Austausch geprägte Anbindung der Region an
einen internationalen Markt für Metalle gab und wie sie in die Gießerei
gelangten, ist aus dem Befund nicht zu klären.9 Für die insgesamt doch
relativ kleinen Objekte des Konvolutes mag recyceltes Material ausrei-
chend gewesen sein, das man über lokale Netzwerke besorgen konnte.
Dass zentrale Speicherinstitutionen eine Rolle spielten, wie sie in Ägypten
besonders im Umfeld von Sakralinstitutionen gut belegt sind,10 kann ver-
mutet werden. Zumindest Harze wurden im sakralen Bereich in großen
Mengen als Räucherwerk genutzt und standen dementsprechend in den
bei diesen Institutionen üblichen Lagern („Schatzhäuser“) zur Verfügung.

Haben wir bis hier Etappen, Ströme und Kreise der châine opératoire auf
der Grundlage der Befragung der Rohstoffe beschrieben, so sollten wir
nicht vergessen, diese auch in Praxis, d.h. ein tatsächliches Geschehen
des Gebrauchs zu übersetzen. Es sind eben immer auch die vielen kleinen
Wege, die Menschen gehen, durch die solche Netze der Produktion, Dis-
tribution und Konsumption geknüpft werden.11 Hier muss Metall besorgt

9
Zu Warenzirkulation und Marktökonomie der Bronzezeit: Warburton 2016; Rahm-
storf 2016.
10 Müller-Wollermann 2007.
11
Bang 2016.

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Netze 191

werden, dort Wachs, woanders Ton, Sand und Brennmaterial; hier ver-
sammelt man sich zum Guss, dort werden die Objekte begutachtet; hier
nutzt man die Götter(figuren) bei der Heilsgenerierung und dort depo-
niert man sie. In jedem Moment assoziieren sich Menschen, mitunter nur
für den Moment eines Kaufabschlusses (und doch ist diese kurzfristige
Gruppierung heute ein ganzes Handelsgesetzbuch wert), mitunter langdau-
ernd als Kollegenschaft einer Werkstatt (deren Gesellschaftsformen als
„Soziales Nr. 2“ man wieder im Handelsgesetzbuch nachlesen kann, wo
sie sich – ganz ANT – über das eingesetzte Kapital und die finanzielle Haf-
tung als GbR, GmbH usw. definieren) und vielleicht noch länger in einer
Kultgemeinde (wo wir endlich mit deren „Satzungen“ auch pharaonische
juristische Quellen besitzen, siehe noch unten).
Nur sehr fern am Horizont erscheint von der Qubbet el-Hawa aus die
Gruppe der Bergleute. Zu lang waren die Wege, auch in der Zeit zu weit
verzweigt, als dass viel von ihnen über die hier gefundenen Objekte zu
erfahren wäre.12 Erst die Einbindung der Metallanalysen in andere Unter-
suchungshorizonte wird da Genaueres enthüllen. Kaum besser konturiert
sind die Wege derer, mit denen das Metall in die Region von Elephantine
reiste. Waren es Händler, die frische Metalle, namentlich das Blei brach-
ten? Mit wem waren die Objekte in die Region gekommen, die recycelt
wurden? Wer hat solche Materialien entgegengenommen, aufbewahrt
und schließlich zur Weiterverarbeitung bestimmt?
Erst ab dem Moment, in dem die Stücke eine Gruppe von Metallhand-
werkern um sich versammeln, können wir die Akteure als Hybride hin-
ter und mit den Stücken besser erkennen: am Werk ihrer Hände. Es gab
Wachsformer, die aus Negativformen Wachshalbzeuge gewinnen, diese
aber auch frei ergänzen, gegebenenfalls wohl auch gänzlich modellieren
konnten. Es gab jemanden (oder mehrere), die Negativformen aus kera-
mischem Material und eben einer pastosen Masse aus Harz und Wachs
herstellen konnten, um auf diese Weise viele gleichartige Objekte in

12
Zu Technik und Logistik der ägyptischen Bergbauexpeditionen: Nutz 2017.

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192 Ketten und Netze

Wachs auszuformen. Dieselben – oder andere? – verbanden die Wachs-


modelle durch Eingusskanäle in Wachs zu Gussbäumen und bereiteten sie
zum Einformen vor. An einer anderen Stelle, zu einem anderen Zeitpunkt
vielleicht, wurden Fragmente von Osirisfiguren ergänzt, indem man frei
die fehlenden Oberkörper in Wachs auf die Stümpfe aufmodellierte. For-
mer rührten ihre Masse aus Sand, Ton und Wasser an, mischten Häcksel
unter. Das geschah nicht weit ab von der Bearbeitung von Metallgegen-
ständen, denn Feilstaub, kleine Metallpartikel, gerieten mit in die Mas-
sen (Abb. 4.6).13 Schichtweise trugen sie dann die Formmasse auf, nach
einer lange geübten Rezeptur und Technik. Die fertigen Gussformen wur-
den gebrannt, das Wachs lief aus ihnen heraus, verbrannte. Schließlich
wurde Metall geschmolzen, vielleicht durch Zugabe von frischem Blei
und Kupfer in seinen Eigenschaften angepasst, und in die hohlen For-
men gegossen. Die meisten Formen wurden zerschlagen und die Güsse
bearbeitet, einige wurden nicht gegossen und einige Fehlgüsse wurden
beiseitegelegt.
Soweit wir die Objekte des Konvolutes verstehen können, „versam-
melten“ diese Gießer um sich, die ihr Handwerk perfekt verstanden.
Gerade, weil hier auch Dinge vorliegen, bei denen der Guss missglückt
ist, sehen wir, auf welch hohem technologischen Niveau diese Werkstatt
arbeitete. Auch heute noch sind im Unikatguss im Wachsausschmelzver-
fahren Ausschussraten von 20 % nicht ungewöhnlich (auch wenn man
das über die Werkstattgrenzen hinaus natürlich ungern kommuniziert).
Schaut man sich an, wie gewagt die Gussbäume teilweise gebaut waren,
so wird man anerkennen müssen, dass diese Gießer es mitunter offenbar
wissen wollten, wie weit sie gehen können: in der Zahl der Objekte an ein
und demselben Gussbaum; in der Dünne der Zuflüsse und im Vertrauen
auf die Gasdurchlässigkeit ihrer Formen. Es waren keine Amateure, die
ein paar Gussversuche unternommen hatten, sondern professionelle
Handwerker, die auf einen reichen Schatz an Erfahrungen zurückblickten

13
Meinel / Willer 2016, Abb. 7.22.

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Netze 193

und ebenso viel Freude am Experimentieren besaßen. Prinzipiell kann es


genau ein erfahrener Gießer gewesen sein, der allerdings wenigstens ein
oder zwei Gehilfen gehabt haben wird. Aber auch mehrere sind denkbar;
vielleicht versammelt das Konvolut auch Stücke mehrerer Generationen.
Noch sind die technischen Handschriften pharaonischer Metallhandwer-
ker zu wenig bekannt, als dass wir die feinen Unterschiede im Aufbau,
der Materialzusammensetzung und die Hinweise zur technischen Reali-
sierung (Brenntemperatur, Gießgeschwindigkeit etc.) differenziert lesen
können. Nur die Keramikmasse der Formen erscheint bisher als charakte-
ristisch und ausgesprochen homogen, was auf eine Hand schließen ließe
– doch fehlt es genau hier an Vergleichsmaterialien.

9.2. Nutzung

Soweit zum Herstellungsprozess. Versuchen wir, den Abnehmer- oder


Nutzerkreis zu erfassen, so können wir auch hier nur „durch“ die Objekte
auf Menschen schauen, die mit diesen eine Verbindung eingegangen sind.
Im Gegensatz zum teilweise weit in Raum und Zeit gedehnten Netzwerk
der Produktion wird die Gruppe derer, die die Objekte im Moment ihrer
eigentlichen Nutzung um sich versammelten, lokal und zeitlich enger
zusammenrücken.

Mit der Gussform für eine Anuket-Statuette (Abb. 9.2) liegt ein Bezug zum
örtlichen Sakralinventar vor. Anuket ist Lokalnumen der Kataraktregion
sowie der zyklischen Überschwemmung und theologisch mit dem Haupt-
gott von Elephantine, Chnum, und der ebenfalls der Kataraktlandschaft
zugeordneten Satet verbunden. Die meisten Objekte – allen voran Osiris
(Abb. 4.1; 4.8; 4.10), dann Isis(-Hathor) (Abb. 5.5), Harpokrates (Abb.
9.3) und einmal Anubis (Abb. 9.4) – präsentieren jedoch gesamtägyp-
tisch relevante Gottheiten des Osiriskreises. Wüssten wir nicht um den
Fundort, so hätten wir den erstaunlichen Befund, dass diese Götterbilder

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194 Ketten und Netze

Abb. 9.2: Zum Guss vorgesehene Abb. 9.3: Zum Guss vorgesehene Statuette
Statuette der Anuket aus Form des Harpokrates aus Form QH 207/42.
QH 207/48. Visualisierung des Visualisierung des Hohlraumes in der
Hohlraumes in der Gussform mit- Gussform mittels Röntgen-Mikro-Compu-
tels Röntgen-Mikro-Computerto- tertomographie (μCT).
mographie (μCT).

sowohl eine lokale Gemeinde ansprechen können, aber eben auch eine
nationale und – wenn man sich die Wege von ägyptischen Götterfigürchen
durch die Mittelmeerwelt schon im 1. Jahrtausend v. u. Z. anschaut14 –
sogar internationale Rezipienten. Während die enge Verbundenheit von
Menschen mit ihren Lokalnumen logisch erscheint, ist die Bedeutung,
die der Osiriskreis auf gesamtägyptischer Ebene dem Befund der Klein-
bronzen der Spätzeit nach zu haben scheint, bemerkenswert.15 Je länger

14 Hölbl 2005; Schweizer 2006, 127–237.


15 Siehe die Materialzusammenstellungen von Kleinbronzen aus Ägypten bei: Roeder
1937; Roeder 1956; Weiss 2012.

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Netze 195

und verzweigter die Ketten der Assozia-


tionen von Menschen und Dingen wer-
den, desto anfälliger sind sie eigentlich.
Wenn sich derart stabile Merkmalsclus-
ter durch eine ganze Region verfolgen
lassen, dann kann man getrost auch als
ANTler von einer Struktur – in diesem
Fall: einer Religion – sprechen.
Dieses Bild bestätigen die übrigen
Funde. Unter den Objekten, die nicht
in den Gussformen erst entstehen soll-
ten, finden sich dann noch ein abge-
nutzter Nefertem aus Bronze, eine
bronzene und eine wächserne Katze,
zwei tönerne Vogelfiguren (Ibis? Kra-
nich / Phönix?), Zwergendarstellungen
aus Ton und Fayence, bei den Fayen-
Abb. 9.4: Zum Guss vorgesehene cen dann auch wieder Isis und Harpo-
Statuette des Anubis aus Form QH
207/46. Visualisierung des Hohlrau- krates, eine Specksteinfigur der Isis mit
mes in der Gussform mittels Rönt- dem Horuskind, die mit Wachs ergänzt
gen-Mikro-Computertomographie
wurde, und schließlich ein Statuette
(μCT).
aus Wachs, die einen auf einem Thron
sitzenden Mann darstellt und deren Rückenpfeiler eine sogenannte enig-
matische Inschrift trägt („Amun“?) (Abb. 2.8.a–p). Der Ibis steht mit Thot
von Hermopolis in Beziehung; stellen die Tonfiguren den Kranich / Phö-
nix dar, dann ist dieser mit Re von Heliopolis assoziiert.16 Der Zwerg ist
mit dem Schöpfergott Ptah von Memphis verbunden, Nefertem ebenfalls
mit Memphis, die Katze mit Bastet von Bubastis, aber auch mit der Löwin
Sachmet in Memphis, und Amun wäre der Gott von Karnak. Auch hier
sind die assoziativen spots weit gespannt. Vor uns versammelt liegt ein
16 Varga 1964, hat vergleichbare Vogelfigürchen aus Wachs publiziert, die als Phönix-
Darstellungen zu deuten sind.

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196 Ketten und Netze

System aus Zeichen, Konzepten und Orten, das in Verbindung mit Men-
schen die pharaonische Religion ausmacht.
Wer braucht solche Stücke eigentlich, gibt sie in Auftrag und – vor
allem – wer benutzt sie? Und wie? Nur wenig wissen wir bisher über reli-
giöse Praktiken, in denen Kleinbronzen eine Rolle spielten. So häufig es
nämlich diese Objekte heute in Museen in der ganzen Welt gibt, so selten
sind die Fundorte bekannt und damit ist auch die Möglichkeit begrenzt,
den modus operandi der Befundkonstitution zu rekonstruieren. Zumindest
gibt es aber ein relativ bekanntes Phänomen religiöser Praxis, das mit
dem Gebrauch der Kleinbronze in Zusammenhang steht. In der Mitte des
1. Jahrtausends v. u. Z. beginnt die Blüte der spätzeitlichen Tierkulte. In
deren Rahmen werden Hunderttausende von mumifizierten Tierresten an
sakralen Ablageplätzen deponiert.17 Dies geschieht zum Teil zusammen
mit eingehüllten Kleinbronzen, die in der Regel genau das an der Qub-
bet el-Hawa belegte osirianische Repertoire darstellen, gelegentlich um
lokale Gottheiten ergänzt (Abb. 9.5).18 Entgegen älterer Annahmen, man
habe es bei den Tiermumien (und den Bronzestatuetten) mit „Votiven“ zu
tun, die von frommen Pilgern käuflich erworben und mit einem Segens-
wunsch versehen deponiert wurden, hat Dieter Kessler deutlich gemacht,
dass nur privilegierte Kultgemeinden diese Tiermumien produzierten und
auch ablegten.19 Die Angehörigen dieser Kultgemeinden züchteten Tiere,
töteten diese bei Bedarf oder sammelten Kadaver, stellten daraus Bün-
del mit sakraler Potenz („Tiermumien“) her, die im Sprachgebrauch der
Gemeinden „Götter“ (nTr.w) heißen.20 Diese Götter oder Fetische legte
man in geregelten Zeremonien an Bestattungsplätzen ab, die so zu Spei-
chern mächtiger sakraler Macht wurden. Deren Potenzen kamen den Mit-
gliedern der Kultgemeinde zugute. Ähnliche Potenzen entwickelten wohl
auch die zusammen mit den Tiergöttern abgelegten bronzenen Bilder.

17
Kessler 1989; Ikram 2005; Fitzenreiter 2013.b.
18 Kessler 2008.
19 Kessler 2003.
20
Zum Begriff nTr /„Gott“: Fitzenreiter 2013.a.

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Netze 197

Abb. 9.5: In der Tiernekropole von Tuna el-Gebel gefundene Statuetten, die in Tücher
gehüllt und deponiert wurden. Neben dem Lokalgott Thot in Gestalt des Ibis sind noch
Osiris, Min und Mut (Isis?) vertreten.

Kultgemeinden
Warum tut man das? Weil Kult eine Kulturtechnik ist, die Gesellschaft
generiert. Die Religionssoziologie in der Folge von Émile Durkheim
sieht in solchen Handlungen und den sie strukturierenden Ideen sogar
eine Grundlage menschlicher Vergesellschaftung par excellence.21 Einige
Belege zu solchen Kultgemeinschaften aus pharaonischer Zeit beschrei-
ben die Art und Weise dieser Vergesellschaftung etwas genauer. Dabei
handelt es sich um sogenannte „Satzungen“, die sich die jährlich erneu-
erten Gemeinden gaben (Kasten 9.1). Die erhaltenen Quellen stammen
aus ptolemäischer Zeit, es gibt aber Hinweise, dass dieses System der

21
„Eine Religion ist ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die
sich auf heilige, d. h. abgesonderte und verbotene Dinge, Überzeugungen und Prakti-
ken beziehen, die in einer und derselben moralischen Gemeinschaft, die man Kirche
nennt, alle vereinen, die ihr angehören.“ (Durkheim 1994, 75).

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198 Ketten und Netze

(§1 Präambel)
Jahr 34, Khoiak, Tag 7, der Könige Ptolemäus und Kleopatra (…): Regeln,
die sich die Mitglieder der Gemeinschaft und der Hauptmann (der Gemein-
schaft) des Krokodils gegeben haben, die sich vor Sobek und den „Göttern“
(= Krokodilmumien) des Sobek auf dem Friedhofskultplatz des Krokodils der
Ortschaft Tebtynis … versammeln. Wir legen für die Zeit von Jahr 34, Monat
Thot bis zu den Epagomenen des Monats Mesore, d.h. für ein Jahr … fest:
(§2 Zweck)
Wir versammeln uns vor Sobek und den „Göttern“ des Sobek an den Festen
und Prozessionen des Sobek und der „Götter“ des Sobek sowie an den Tagen,
die von den (Verantwortlichen) des Kultplatzes als Versammlungstage fest-
gelegt werden.
(§3 Mitgliedsbeiträge)
(1.) Wir werden unsere Beiträge monatlich an den Verantwortlichen des
Kultplatzes entrichten. Der von uns, der dieser Verpflichtung nicht nach-
kommt, wird vom Verantwortlichen ermahnt. Kommt er dem nicht nach, so
beträgt seine Strafe 25 Deben.
(2.) Der Beitrag, den jeder zahlen soll, beträgt zwei Rationen im Wert von 5
Deben. Man gebe Harz, Natron, Salbe, Objekte des Ornats, Binden, Rizinus,
und Holz (die Gegenstände werden zur Herrichtung der Tiermumien gebraucht).
Stellt einer von uns seine Lieferungen ein, so beträgt seine Strafe /// Deben,
und wir werden darauf dringen, dass er seine Verpflichtungen erfüllt, außer
er ist krank, im Gefängnis oder hat Steuerschulden.
(§4 Mittelverwendung)
Wir werden Opfer für die königliche Familie (...), für Serapis und für Sobek
und die „Götter“ des Sobek an den genannten Festen und Prozessionstagen
durchführen. Wir „ziehen“ (= in Prozession zum Bestattungsplatz bringen) die
„Götter“ des Sobek und bestatten sie. Der von uns, der sich nicht am „Zie-
hen“ und Bestatten der „Götter“ des Sobek beteiligt, dessen Strafe beträgt
25 (?) Deben und ihn trifft der Fluch der „Götter“ des Sobek, außer im oben
genannten Fall.
(§5 Regulierung des Gemeinschaftslebens)
(1.) Stirbt einer von uns in der Siedlung, so werden wir alle zusammen um
ihn trauern und ihn bestatten und die dafür von der Gemeinschaft vorgese-
henen Mittel ausgeben. Der von uns, der nicht trauert und bestattet, dessen
Strafe beträgt 5 Deben, außer im oben genannten Fall. Stirbt einer von uns
fern der Siedlung, so senden wir zehn Männer des Kultplatzes aus, um ihn
zu holen und entsprechend dem oben Gesagten zu behandeln. Der von uns,
der am Kultplatz (Dienst hatte und) bestimmt wurde und nicht geht, dessen
Strafe beträgt 20 Deben, außer im oben genannten Fall.

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Netze 199

(2.) Wird einer von uns unrechtmäßig angeklagt, so werden wir zu seinen
Gunsten aussagen, die vorgesehenen Mittel für ihn einsetzen und für ihn
10 Rationen aufbringen. Wenn einer von uns einen Gott (aus Not) anruft
oder ins Gefängnis kommt oder in den Tempel flüchtet, so wird ihm der
Verantwortliche des Kultplatzes helfen und wir werden für ihn 5 Rationen
aufbringen.
(3.) Stirbt einem von uns der Vater, die Mutter, der Bruder, die Schwester,
der Sohn oder die Tochter, der Schwiegervater oder die Schwiegermutter
oder die Gattin, so werden wir für ihn trauern und alles wie oben beschrie-
ben machen. Stirbt einem von uns der Sohn sehr jung, so werden wir mit
ihm Bier trinken um sein Herz zu beruhigen.
(4.) Wenn einer von uns einen anderen von uns vor einer militärischen oder
zivilen Macht anklagt, ohne zuvor vor den (Verantwortlichen) des Kultplat-
zes geklagt zu haben, so beträgt seine Strafe 50 Deben. Sollte er gegen ihren
Richterspruch opponieren, so beträgt seine Strafe 100 Deben. Wenn einer
von uns gegen einen anderen von uns vor einer militärischen oder zivilen
Macht aussagt, so beträgt seine Strafe 50 Deben.
(5.) Wenn einer von uns einen anderen von uns beschuldigt, Lepra zu haben,
obwohl das nicht stimmt, so beträgt seine Strafe 100 Deben.
(6.) Wenn einer von uns die Gattin eines anderen von uns verführt, so beträgt
seine Strafe 100 Deben und er wird vom Kultplatz ausgeschlossen.
(7.) Wenn einer von uns einen anderen von uns an der Anlegestelle oder
einem ähnlichen Ort oder auf der Fähre findet und dieser ihn um Geld bittet,
da er es gerade dringend braucht, und jener ihm nichts gibt, so beträgt seine
Strafe 25 Deben, außer er schwört vor Gott, dass er nichts zu geben hat.
(8.) Es folgen weitere Strafen für die Beleidigung von Mitgliedern der Gemein-
schaft (50 Deben), des Hauptmanns (75/120 Deben), des Stellvertreters (60/80
Deben), eines Priesters (90/120 Deben) und für das Schlagen eines Mitglieds
(100 Deben), des Hauptmanns (120/150 Deben), des Stellvertreters (89/90
Deben), eines Priesters (100/150 Deben).
(§6 Schlussbestimmungen)
(1.) Wenn einer von uns den Verantwortlichen der Kultstelle beleidigt und
sich wegen einer (der oben festgelegten) Strafe(n) beklagt, so beträgt seine
Strafe 50 Deben und man wird ihn belangen, bis er seine Schuld beglichen
hat.
(2.) Der Verantwortliche der Kultstelle wird eingesetzt als Bevollmächtig-
ter aller hier festgelegten Bestimmungen. Wir werden seinen Anweisungen
unverzüglich folge leisten.

Kasten 9.1: Satzung einer Kultgemeinschaft des Krokodilgottes Sobek (pCairo 31178),
datiert auf das Jahr 147 v. u. Z. (Text nach de Cenival 1972, 63–68. Die Übersetzung
schließt sich frei der von de Cenival an, wobei erheblich gekürzt und streckenweise nur
sinngemäß zusammengefasst wurde).

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200 Ketten und Netze

Kultgemeinden älter ist.22 Die Mitglieder solcher Gemeinden waren die


ländliche Mittelschicht, lokale Honoratioren vielleicht, in jedem Fall aber
ganz normale Menschen, die ihre Felder bestellten und sonstigen Tätig-
keiten nachgingen. Die Organisation der Kultgemeinde war hierarchisch
aufgebaut und hatte einen „Hauptmann“ sowie dessen Stellvertreter. Sie
unterstanden der Leitung eines Priesters aus einem lokalen Tempel, der
selbst nicht Mitglied der Kultgemeinde war. Die Mitglieder wiederum
waren keine Priester und hatten damit auch keinen direkten Zugang zu
den Heilsgütern (und den Einkünften ökonomischer Art) des Tempels.
Dafür erzeugte man durch die Balsamierung von Tieren eigene Heilsgü-
ter (= „Götter“) und über die Vereinskasse besaß man Mittel, die der
gegenseitigen Unterstützung dienten. So stand man sich bei Hochzeiten
und Todesfällen bei, bei Reisen und anderem Unglück. Es sind genau
diese Regeln der Vergemeinschaftung, die in den Satzungen recht aus-
führlich beschrieben werden und so den Umgang mit den Kapitalien und
die gegenseitige Haftung regeln – ganz wie heute das Vereinsrecht.23
Man darf die soziale Bedeutung solcher Kultgemeinden nicht unter-
schätzen. Das wichtigste Heilsgut nämlich, das die Gemeinschaften beim
„Ziehen“ (= Bestatten) der „Götter“ (= Tiermumien) und dem gemein-
samen Trinken erzeugen, ist die Gemeinschaft selbst. Genauer gesagt ist
es die Identität jedes Einzelnen, Teil eines bestimmten, verlässlichen
Netzwerkes zu sein. Einerseits waren diese Netzwerke der Kultgenos-
senschaften inklusiv: Man musste nicht aus einer Priesterfamilie oder
anders definierten elitären Kreisen stammen, um Mitglied zu werden.
Sogar „Ausländern“ standen die Gemeinden offen, wie die Teilhabe von
(schon seit mehreren Generationen in Ägypten lebenden) Griechen in
den Kulten belegt. Andererseits diente die Mitgliedschaft aber auch der
Betonung von Exklusivität. Anhänger unterschiedlicher Tierkultgemein-
den konnten sich bis aufs Blut bekämpfen, wie römische Schriftsteller mit

22 Zu den Kultgemeinden und ihren Satzungen: de Cenival 1972; de Cenival 1986,


13–29; Muszynski 1977; Bresciani 1994/2002; Brashear 1993; Arlt / Monson 2010.
23
Fitzenreiter 2011.b.

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Netze 201

Entsetzen erzählen. Die ganze Bandbreite liebevoller Inklusion und bru-


talstmöglicher Exklusion, die bis heute die „elementaren Formen sozialer
Organisation“ charakterisieren, ist bei den Kultgemeinden der pharaoni-
schen Spätzeit belegt.
Nexus und Motor der Assoziation und Netzwerkbildung ist auch in
den Kultgemeinden die Verrichtung von Arbeit, das heißt in diesem Fall:
die Herstellung der Kultobjekte (Tiermumien, Kultgebäude, Katakom-
ben etc.), die Durchführung von feierlichen Ablagen der Mumien und
Objekte, schließlich die Tätigkeiten des gegenseitigen Beistandes, des
Gerichtswesens usw. (und nicht zu vergessen: das gemeinsame Feiern
und Trinken). Man hatte sich um die benötigten Materialien zu küm-
mern, die Tätigkeiten in ordnungsgemäßer Weise auszuführen24 sowie
die notwendigen Kenntnisse zu erwerben und weiterzugeben. Inwieweit
die Kultgenossenschaften bei der Ausstattung von Tiermumien auf die
Hilfe professioneller Handwerker zurückgriffen, ist unklar. Die zum Teil
sehr hochwertigen Schmuckelemente (Mumienkartonagen etc.) lassen
aber vermuten, dass bestimmte Teile der Ausrüstung aus spezialisierten
Werkstätten stammen. Auch der Guss der in den Tierkatakomben abge-
legten Götterfiguren ist wohl nicht das Werk von Teilzeitmumifizierern,
sondern verlangt ausgeprägte Erfahrungen. Die in den Katakomben der
großen Tierfriedhöfe gefundenen Bronzen sind zwar zahlreich, stehen
aber deutlich hinter der Menge an Tiermumien zurück, stellen also eine
besondere, wohl auch aufwendiger zu beschaffende Form der Deponie-
rung sakraler Macht dar.
Geht man von einer so geregelten Nachfrage nach bronzenen Sak-
ralobjekten auch in Elephantine aus, so wurden die Götterbronzen der
Qubbet el-Hawa nicht für einen öffentlichen Markt(platz) produziert,
sondern von oder für eine oder mehrere Kultgemeinschaften, die sich
24 Der Priester Hor, der im 2. Jahrhundert v. u. Z. mit der Aufsicht über eine Kultge-
meinde von Ibisbestattern in Saqqara betraut war, beschwert sich bitterlich über
deren seiner Ansicht nach nicht ordnungsgemäße Praktiken, wenn z. B. die Regel
„ein Gott (= eine Vogelmumie) in einen Topf“ nicht eingehalten, sondern mehrere
Kadaver in die Gefäße gestopft wurden (Ray 1976, 143).

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202 Ketten und Netze

der Inganghaltung bestimmter sakraler Plätze widmeten und deren sak-


ralen Mehrwert – die Heilsgüter – zur Lebensgestaltung und -sinngebung
konsumierten. Auch die Art der Deponierung bekommt aus dieser prak-
tischen Perspektive ihren Sinn. Eine der Aufgaben einer Kultgemeinden
war es, Sakralgegenstände, möglicherweise nach einer längeren Nutzung,
an Orten abzulegen, die deren Potenzen bewahren oder sogar mehren
konnten. Solche Orte sind bei den Tierkulten die Tierfriedhöfe. Diese tre-
ten in großer Zahl und straff organisiert aber erst in der zweiten Hälfte
des 1. Jahrtausends v. u. Z. auf, also erst etwas nach dem Deponierungs-
moment auf der Qubbet el-Hawa. In früherer Zeit hatte man Tierkada-
ver und andere magische Gegenstände durchaus auch an anderen, sakral
konnotierten Plätze abgelegt.25 Der unkonventionelle Fundort des Konvo-
luts bekommt so einen Sinn: eine Grabanlage ist ein sakraler Platz.
Ganz so harmonisch ist es denn aber doch nicht. In Kapitel 2 war
bereits erwähnt worden, dass Depots an Bronzefiguren eventuell beschä-
digte Objekte umfassen, aber eben bisher keine in statu nascendi. Zudem
fanden sich mit den Gussformen und den zerbrochenen Figuren noch
Teile von Götterbildern (zwei Bärte, Kronenteile) aus Holz. Bei dieser
zweiten Gruppe des Konvolutes hat man den Eindruck es mit Objekten zu
tun zu haben, die, im Gegensatz zu dem noch-nicht der Götterbilder in den
Gussformen, den Zustand eines nicht-mehr erreicht haben: sie sind abge-
nutzt, defekt oder hatten ihre Funktion irgendwie erfüllt. Auch ist der
Ort – Zugangsbereich einer menschlichen Grabanlage – bisher singulär.
Zudem ist die Nekropole auf der Qubbet el-Hawa nicht der Ablageplatz
einer Kultgemeinde von Tierverehrern. Die Gruppe, die hier tätig wird,
ist üblicherweise die der Bestatter.
Doch trifft für diese Gruppe manches zu, was wir von den Verehrern
der heiligen Tiere kennen. Auch die Bestatter der Menschen – der ägyp-
25 Beispiele: Depot von Tierteilen aus dem Alten Reich im Bereich der Nekropole
von Saqqara (Ikram 2001); „magisches“ Depot des Mittleren Reich von Schriften
und Ritualgegenständen in einer unbenutzten (?) Grablege im Gebiet des späteren
Ramesseum (Quibell 1898, pl. III); Tierknochendepot am Sethkultort aus dem Neuen
Reich (Welvert 2002).

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Netze 203

tische Ausdruck im 1. Jahrtausend v. u. Z. ist „Wasserspender“ (w#H-mw);


die Griechen bezeichnen sie als Choachyten (χοαχὑτης) – sind eine spezi-
elle Gruppe, die sich zu einer Genossenschaft zusammenschließt.26 Auch
sie besitzt Satzungen und die Mitglieder sollen sich gegenseitig unter-
stützen.27 Auch bei ihnen gehen handwerkliche Arbeiten zusammen mit
der Mumifizierung, der Ausstattung der Mumie und der Herstellung des
Beigabenbestandes, mit sakralen Handlungen – Bestattung und Pflege
des Kultortes – und dem Erwerb von symbolischem und ganz handfes-
tem Kapital, einschließlich des im pharaonischen Kult offenbar beliebten
sich-Betrinkens. So ist anzunehmen, dass die Bestatter Produzenten ähn-
licher Objekte, wie der im Konvolut abgelegten, entweder zum Teil selbst
sind, oder aber mit solchen Produzenten assoziiert waren.
War es so, treten zu den Modelleuren, Formern, Gießern und Zise-
leuren der Gießerei auch noch Fayencehersteller, Schnitzer und wieder
Modelleure in Ton, zuletzt wohl noch Balsamierer. Wir hätten es dann im
Netzwerk der Dinge mit einer ganzen Werkstatt zu tun, die sich allerdings
einem sehr speziellen Segment der Dingewelt widmet: Es sind ausschließ-
lich Sakralgegenstände, die hier hergestellt wurden, von der Mumie bis
zum Gott.28 Neben der Ausrüstung, die üblicherweise für Bestattungen
gebraucht wird, hätte es gewissermaßen eine zweite Sparte gegeben, die
eher für den Bedarf an anders gearteten Kultplätzen und bei anderen
Kulthandlungen arbeitete. Die technische Expertise war in beiden Fällen
dieselbe: Holzarbeiten und deren farbliche Fassung, Arbeiten mit Harzen
und Spezereien, Metallguss.
Warum aber dieses eine Mal nicht nur das Material an diesem sak-
ralen Platz auf der Qubbet el-Hawa abgelegt wurde, das dafür regelhaft
vorgesehen ist – also Mumien mit Ausstattung –, bleibt auch in diesem
Fall enigmatisch. Denkbar ist, dass man sich zu diesem Schritt entschloss,

26
de Cenival 1972, 157–159.
27 de Cenival 1972, 103–135.
28 Wobei in ägyptischer Terminologie sowohl Mumien als auch Götterbilder den Status
nTr / „Gott“ bzw. „Fetisch“ besitzen (Fitzenreiter 2013.a).

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204 Ketten und Netze

als die Werkstatt aus irgendwelchen Gründen den Betrieb einstellte oder
anderweitig Veränderungen unterworfen war. Das Depot wurde ganz
am Eingang der Felskapelle und im Zusammenhang mit der letzten dort
abgelegten Bestattung abgelegt. War damit auch der Belegungsplatz der
hier tätigen Gilde geschlossen worden? In diesem Moment wäre man
dann mit allem, was sakral aufgeladen war, so verfahren, wie man es
mit sakralem Material gewöhnt war. Man hat es an einem liminalen Ort
bestattet.29 Alles profane Gerät wurde anderweitig entsorgt oder einfach
weiterbenutzt.

Wie auch immer und die weitere Diskussion in noch folgende Kapitel
aufschiebend: Es gab einen Moment des Bruches, den wir nur über die
Individualisierung des Befundes erfassen können. Als Glied einer châine
opératoire – eines Netzwerkes von technischer Verrichtung und Nutzung
– lässt uns das Konvolut auf verschiedene Segmente der Versammlung,
der Vergesellschaftung blicken, die doch nicht voneinander zu trennen
sind. Auch der bis hier als Paradoxon aus Kapitel 2 mitgeführte rätsel-
hafte Nexus zwischen der technologischen Bedeutung des Befundes und
dem singulären Fundort kann über diese Betrachtungsweise zumindest
erhellt werden. Mit der Deponierung direkt aus dem Herstellungsprozess
heraus hatte man die Stücke – gegen alle Regeln – bereits vor der Fer-
tigstellung aus der châine opératoire der Fertigung im Wachsausschmelz-
verfahren gelöst. Diese ungeregelte Überführung als Halbzeuge aus dem
Prozess der Herstellung in den der Nutzung als Sakralgegenstände muss
notwendig gewesen sein, weil, wie in Kapitel 7 beschrieben, im Zuge
der symbolischen Arbeit – die eben ebenso Teil der châine opératoire ist,
wie jeder andere Arbeitsschritt – besondere Eigenschaften und damit
Bedeutung erzeugt wurden. Diese Bedeutung verband die Objekte bereits
mit solchen Aktanten, deren agency eine ganz andere Kette von Hand-

29 Dass nach Beendigung einer Balsamierung-Saison die Werkstatt geschlossen und alle
Reste an einem sakralen Platz entsorgt wurden, belegen für eine Gruppe von Tiermu-
mifizierern die sogen. „Prinz-Joachim-Ostraka“ (Preisigke / Spiegelberg 1914).

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Netze 205

lungsvorgängen induziert, nämlich solche der sakralen Praxis: mit den


Götterfiguren. Obwohl formal noch in der chaîne des Herstellungspro-
zesses gefangen, die eine Weiterverarbeitung und dabei die Zerstörung
der Zwischenstufen erzwingen sollte, waren die Gussobjekte bereits Teile
einer nicht weniger zwingenden Prozesskette geworden, die eine andere
Form der Weiter- und Wiederverwendung erforderte. Das Wachs, das
ausgeschmolzen werden sollte, und die Formen, die verloren sein sollten,
waren Träger unerwarteter agency geworden (unerwartet zumindest aus
metallurgischer Sicht). Als der Wandlungsprozess aus uns nicht bekann-
ten Gründen gestoppt wurde (Werkstattaufgabe?), standen die Materia-
lien bereits jenseits der Stufe des Rohstoffes. Sie konnten nicht mehr den
Materialkreislauf der Gießerei durchlaufen, sondern gerieten in den der
Sakralobjekte. Als solche wurden sie zusammen mit anderen, defekten
Stücken „bestattet“, was nichts anderes heißt, als dass man sie in einen
zeitlich unbegrenzten Kreislauf sakraler Potenz überführte: über die
feierliche(?) Ablage an einem Sakralplatz mit daraus folgender ewiger
Wirksamkeit auf der Schwelle von Diesseits und Jenseits. Bis dieser Kreis-
lauf in der Moderne aufgerissen wurde und eine neue Nutzung begann,
die wieder andere Menschen versammelte.

9.3. Botschaft

Als die Objekte des Konvolutes im März 1969 erneut Menschen um


sich versammelten, wurden sie zu Botschaftern des antiken Wachsaus-
schmelzverfahrens. Durch und zusammen mit dem Ort der Auffindung
– beziehungsweise: Deponierung30 – wurden sie auch Botschafter ihrer

30
Die verschiedenartige Ansprache des Ortes beschreibt den Nexus und zugleich die
Differenz der Netzwerke, die sich hier zwischen Dingen und Menschen konstituieren.
Der Status des Ortes – seine Benennung im Zuge der Auseinandersetzung – als Depot
charakterisiert ihn als Aktant in einem religiös inspirierten Netzwerk von Menschen
und Dingen, wie es hier für die Antike postuliert wird. Der Status als Fundort charak-
terisiert den Ort als solchen im Netzwerk der archäologischen Forschung.

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kulturellen / religiösen Bedeutung in der Antike. In keinem dieser bei-


den neuzeitlichen Nutzungszusammenhänge geht es jedoch noch um die
Nutzung innerhalb der châine opératoire der Produktion oder jener der
Generierung und Konsumption sakraler Heilsgüter. Es geht aber um das
Wissen über diese Vorgänge in der Vergangenheit. Was den Blick auf eine
dritte Dimension der châine opératoire eröffnet. Neben den beschriebenen
Assoziationen, die sich einmal aus der praktischen Involvierung in die
Herstellung der Dinge erschließen, zum anderen aus deren Gebrauch und
in beiden Fällen also dem eigentlichen (technischen) Tun, gibt es noch
solche, die sich über die Technologie bilden. Dass heißt, aus der Reflek-
tion, beim Wissensaustausch; anders gesagt: daraus, dass man die Schritte
der châine opératoire unter dem Aspekt der Kulturtechniken betrachtet.
Das Thema des Wissens und seiner Verbreitung wurde in Kapitel Fünf
bereits behandelt. Doch ging es bisher einzig und allein um den direkten
Wissensaustausch zwischen Mensch und Ding, letztendlich also darum,
wie der Mensch Informationen von dem Ding erfährt und als Wissen über
das Ding konzeptualisiert. Die Vorstellung, man könne Wissen über die
Dinge jenseits der Dinge erwerben, aus der reinen Kontemplation und
theoretischer Reflektion heraus, aus der Trennung von Wissen und Tun,
der Theorie von der Praxis, wurde als absurd qualifiziert. Keineswegs
absurd ist allerdings, dass theoretische Reflektionen jenseits von Tun und
Praxis stattfinden. Solche Reflektionen dienen einerseits dem technolo-
gischen Verständnis, also der Konzeptualisierung dessen, was man vom
Ding als Wissen erfahren hat. Dieses Thema wird noch eine Rolle spielen.
Zum anderen dienen diese Reflektionen der Weitergabe des so konzeptu-
ell (= technologisch) erfassten Wissens, also dem Austausch.
In der Phase der Stabilisierung von technischen Handhabungen hin zu
Verfahren und der Habitualisierung der damit verbundenen, oft arbeits-
teilig zu erledigenden Arbeiten in einem „Sozialen Nr. 2“, wird die Wis-
sensweitergabe durch praxisfreies Erklären immer eine Rolle spielen. Am
Ende ist es zwar immer die gelungene Handhabung der Technik, also die
direkte Auseinandersetzung von Mensch und Ding, die über den Erfolg

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oder Misserfolg dieses Versuches einer Theoretisierung entscheidet. Doch


ganz unabhängig und zum Teil tatsächlich unbeeindruckt davon, gibt es
die Wissensweitergabe unter Menschen auf rein kommunikativer Grund-
lage. Solche Prozesse spielen eine wesentliche Rolle bei der Bildung sta-
biler Gefüge des „Sozialen Nr. 2“, also wenn in einer Werkstatt entspre-
chende Hybride – Handwerker – ausgebildet oder an Hochschulen ganze
Generationen von Technologen herangezogen werden. Wobei sich diesen
Assoziationen von Menschen und Dingen dann regelmäßig das „Soziale
Nr. 1“ – die Assoziation von Menschengruppen – unmittelbar zugesellt.
Keine Werkstatt besteht nur aus Handwerkern und ihrem Können im
Umgang mit den Dingen (= dem „Sozialen Nr. 2“), sondern genauso aus
der Handwerkerschaft und ihrer Hierarchie (= dem „Sozialen Nr. 1“).
Innerhalb der so gebildeten sozialen Konglomerate erfolgen technischer
Wissensaustausch zwischen Menschen und Dingen und technologischer
Wissensaustausch zwischen Menschen und Menschen parallel. Eine Ten-
denz ist wohl – doch sollte das in jedem Fall untersucht sein – dass mit
zunehmender Größe des Konglomerates eine Ausdifferenzierung eintritt.
Was dazu führen kann, den Wissensaustausch im Rahmen des „Sozialen
Nr. 1“ – also auf der Basis sozialer Hierarchien – zu privilegieren.31 So
bildet sich parallel zur technisch inspirierten Wissensgemeinschaft von
Mensch und Ding eine kommunikativ gepflegte Wissensgemeinschaft
zwischen Menschen heraus, in der es gar nicht mehr um die Auseinan-
dersetzung mit den Dingen geht, sondern um die Auseinandersetzung mit
dem Wissen (über die Dinge).

31
Gerade unter Theoretikern der Technik scheint es common sense zu sein anzunehmen,
dass die theoretische Reflektion normativ höher zu bewerten ist, als die praktische
Handhabung (siehe oben Kap. 5.1.). Dies mag in Gelehrtenmilieus so sein; in Prakti-
kermilieus gelten die verkopften Theoretiker gewöhnlich als lächerliche Figuren und
eine Meisterin ist, wer es kann. Das gilt übrigens auch für die von der Berliner Schule
als Kulturtechniken privilegierten Techniken wie Lesen, Schreiben, Rechnen. Für
Schriftstellerinnen sind Literaturwissenschaftler doch nur nützliche Idioten (bzw.
jede zweite Literaturwissenschaftlerin wäre gern ein Schriftsteller) und so gilt es
weiter für Kunstwissenschaftler, Musikwissenschaftlerinnen, Ägyptologen...

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208 Ketten und Netze

Ein System des Wissens (eine -logie) beschreibt gewöhnlich, wie Wis-
sen verteilt, geschützt usw. wird. Es kann selten beschreiben, woher das
Wissen kommt. Denn so sehr Systeme des Wissens den Austausch und die
Interaktion von Menschen kartieren, so kommt doch das Wissen nicht
von den Menschen, sondern von den Dingen. Dort, im Moment der Ver-
knüpfung, geht das Wissen vom Ding auf den Menschen über. Das Wis-
sen über die Metallbearbeitung wird in Assoziationen der Metallbearbei-
ter weitergegeben, vom Meister auf die Lehrlinge usw. Aber das Wissen
über das Metall kommt nicht vom Meister, sondern vom Metall und kann
jederzeit auf jeder Ebene der Hierarchie auch quer zum Status erworben
werden – indem der Lehrling sich mit dem Metall auseinandersetzt. Ob
man solches, oft illegal erworbenes Wissen, in soziales Kapital umwan-
deln kann oder darf, steht auf einem anderen Blatt. An dieser Stelle wer-
den die eng gestrickten Systeme des „Sozialen Nr. 1“ verwundbar: Immer
dann, wenn ein Akteur sich in der direkten Auseinandersetzung mit dem
Ding neues Wissen aneignet, welches ihr oder ihm auf seiner sozialen
Ebene möglicherweise gar nicht zusteht, gefährdet sie oder er die soziale
Kohäsion. Aufruhr und Unruhe sind die Folge.32
Bei der Betrachtung von Wissensgemeinschaften sollte daher zwi-
schen Wissen und Gelehrsamkeit unterschieden werden. Wissen konstituiert
sich immer aktuell im Wissensaustausch beziehungsweise der Auseinan-
dersetzung mit dem Gegenstand (seien es Dinge oder ein beliebiges ande-
res Phänomen, zum Beispiel „Licht“ oder „Kunst“ oder „Gesellschaft“).
Gelehrsamkeit ist eine Sonderform von Wissen, die sich allein im Wissens-
austausch über einen Gegenstand konstituiert. Dieser Austausch mag zwi-

32
Ein schönes Beispiel hierfür ist der immer wieder auftretende Streit um die
„Vergleichbarkeit“ von beruflichen Abschlüssen oder akademischen Qualifikationen,
wenn die Gefahr droht, dass Kompetenzhierarchien des „Sozialen Nr. 1“ durch
Kompetenzniveaus des „Sozialen Nr. 2“ unterlaufen werden. Mir fallen sofort die
Namen von zwei exzellenten Kennern antiker Metalltechniken ein (Frank Willer
und Gerd Jendritzky), die, da „nur“ Restauratoren und somit nicht akademisch
hinreichend geläutert, in der Hierarchie des „Sozialen Nr. 1“ mit Herabstufungen
gegenüber den Wissenschaftlern zu kämpfen hatten. Was sich natürlich im Gehalt
niederschlägt.

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Netze 209

schen Lehrern und Schülern, Gelehrten selbst oder beim Zusammenspiel


von Menschen mit Medien der Wissensvermittlung (Bücher usw.) statt-
finden. Durch die mögliche Bindung der gelehrten Inhalte an Medien der
Gelehrsamkeit, besitzt die Vermittlung von Gelehrsamkeit einen gewissen
Vorteil, da sie scheinbar Raum und Zeit ungebrochen überwinden kann.
Während die individuelle Erfahrung des Wissensaustausches zwischen
dem Techniker und seinem dinglichen Gegenüber an dieses individuelle
Erlebnis gebunden ist und mit der Technikerin (als Hybrid) auch wie-
der vergeht, scheint die technologische Reflektion, wenn sie denn einem
Medium der Gelehrsamkeit eingeschrieben wurde, ewig zu währen.
Dabei wird aber gern übersehen, dass jede Auseinandersetzung mit
dem Wissen des Mediums – zum Beispiel eines Buches – wieder genauso
ein konkreter Moment des Wissensaustausches von Mensch und Ding ist,
wie die Begegnung eines Handwerkers mit einem Metallstück. Enthält
das Buch neue Erkenntnisse, die vom Leser verstanden werden (wie auch
immer), ist dies dasselbe, wie wenn ein Gießer ein Objekt in der Hand
hält, welches ihm bisher unbekannte Informationen inkorporiert, die er
in diesem Moment versteht (oder zu verstehen meint). Setzen wir an die
Stelle des Buches den Befund von der Qubbet el-Hawa und verstehen ihn
als ein Medium der Gelehrsamkeit, dann verstehen wir auch seine Rolle
im Gefüge des Netzwerkes des Wissensaustausches, das wir – als Archäo-
loginnen und Archäologen – um ihn bilden. Und tatsächlich haben wir
unsere Lesart des Befundes, unser Erleben des Wissensaustausches und
die Ergebnisse unserer Reflektionen in ein Buch eingeschrieben (Abb.
5.1.a). Die Quelle dieses Wissens aber war unsere „Lesung“ des Befundes.

Es sind also wieder die Dinge, die ihre Netze nicht nur aus eng geknüpf-
ten châines opératoires flechten und so Produzenten und Nutzer mehr oder
minder synchron zusammenbringen, sondern sie werfen diese Netze auch
weit in Zeit und Raum aus. Indem auch die Dinge selbst als Medien der
Gelehrsamkeit wirken, etablieren sie Wissensgemeinschaften. Als Metall-
handwerker standen die Gießer, auf die das Konvolut zurückgeht, allein

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210 Ketten und Netze

durch die Konfrontation mit ihren Geräten, Materialien und Handhabun-


gen im Wissensaustausch mit den Metalltechnikern der Antike überhaupt.
Ägypten, also das eigentliche Niltal, kann keine Wiege der Metalltechnik
sein, weil es im Niltal keine Metalle gibt. In Ägypten muss es den Austausch
über Ketten, Ströme und Assoziationen gegeben haben, solche mit Dingen
und solche mit Menschen. Metall ist aus ägyptischer Perspektive etwas, das
Internationalität generiert und erzwingt. Wie sehr Assoziationsketten nicht
nur räumlich, sondern auch zeitlich gedehnt sein können, wird hierbei
besonders deutlich. Das Wissen um das Wachsausschmelzverfahren ist zum
Zeitpunkt der Deponierung auf der Qubbet el-Hawa bereits mehrere tau-
send Jahre alt. Es bleibt aber unmittelbar lebendig in den Techniken, die
man seinerzeit anwendete. Aber es war eben nicht das reine, ungetrübte
Wissen vorhergehender Generationen, sondern die intelligente Adaption
an gegebene Bedingungen, die sich in der Auswahl der Materialien ebenso
niederschlägt wie natürlich auch in den erstrebten Produkten; beides indu-
ziert eine beständige Erneuerung des Wissens beim Tun.
Bemerkenswert an diesem intellektuellen Netzwerk der Wissenswei-
tergabe und Wissensverarbeitung ist nicht nur die zeitliche Tiefe und
räumliche Weite. Es ist auch dessen Überpersonalität, die es anderen
Assoziationen des „Sozialen Nr. 1“ wie Familie oder Gesellschaft beigesellt.
Wissensgemeinschaften bilden eigenwertige Assoziationen, die mit ihren
Hierarchien, den Meister-Schüler-Beziehungen, ihrer Abgeschlossenheit
in der Werkstatt, der Reglementierung des Zugang zu Medien der Gelehr-
samkeit und dem streng kontrollierten Öffnen zu anderen Gruppensys-
temen besondere Elemente des „Sozialen Nr. 1“ darstellen. Doch ist das
Wissensnetzwerk der Metallbearbeitung, so immateriell es erscheint und
vermeintlich am Lehrenden und der Lehre klebt, genau nichts Immateri-
elles. Es steht in seiner Dehnung nicht zufällig parallel zur Herkunftsver-
zweigung der Metalle, deren Genese ebenso tief in der Zeit wie weit im
Raum definiert ist. Dingeströme sind mit Wissensströmen verbunden. Sie
bilden mit ihren spots Netze, in denen nicht nur Metallgegenstände, son-
dern auch Metallhandwerker gemacht werden. Diese Netzwerke können

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Zeit und Raum, wenn nicht überwinden, so doch relativieren. In gewis-


ser Weise steht auch der Kunstgießer von heute in Kommunikation mit
denen von der Qubbet el-Hawa, indem sie gemeinsames Wissen teilen.33

Verfolgen wir diese von der Technologie gebildeten Ketten, erfahren wir
viel über die Assoziation von Menschen in Raum und Zeit. Die Mensch-
heitsgeschichte wird so zu einer sinnvollen und doch serendipären
Verkettung von Handlungen, in denen die Individuen sich und andere
zum Handeln bringen; Verkettungen, in denen aber ebenso die Dinge
zum Handeln bringen, wenn zum Beispiel die zur Verfügung stehenden
Metalle das Gussverfahren anpassen lassen oder ein fremdes Gussstück
den Gießer anregt, es nachzuahmen. Nicht zuletzt wird so auch deutlich,
warum die Vergangenheit nicht vergangen, sondern im Heute wirksam
ist. Im Guten wie im Bösen liegen wir in den Ketten, die der Wissens-
austausch aufbaut, ohne den wir gar nicht sein können. Die Archäologie
des Materiellen induziert solche Verkettungen, wenn zum Beispiel Aus-
grabungsfunde in Rom, Pompeji und anderswo die Metallarbeiter seit
der Renaissance anfeuern, ebenso großartige Objekte zu fertigen, wie
sie die Antike hervorgebracht hat. Oder das Grab des Tutanchamun eine
Wissenswelle zum pharaonischen Ägypten hervorbringt. Sogar so ein
unscheinbarer Befund wie der des Konvolutes von der Qubbet el-Hawa
kann, einmal wachgeküsst, zumindest einen kleinen Kreis von Fachleuten
in freudige Erregung versetzen.
So – und nur so – bilden sich auch „Gedächtnisspuren“: Wenn nämlich
in Dingen gespeichertes Wissen Menschen eine, zwei oder viele Genera-
tionen später erneut zum Handeln anregt, dazu, dieses Wissen zu ber-
gen, zu nutzen, zu interpretieren. Um die in der Gedächtnisforschung34
beliebte Trias Spur – Botschaft – Gedächtnis im technologischen Sinne zu
formulieren: Die Spur stellt der willkürliche Befund, letzten Endes das

33 Es waren daher auch meine Kollegen aus den Kunstgiesser- und Bildhauerkreisen,
die mit besonderem Interesse an der Forschung zum Konvolut partizipierten.
34
Assmann 1992.a; Veit / Kienlin / Kümmel / Schmidt 2003.

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212 Ketten und Netze

Ding, das konkrete Gegenüber dar, mit dem wir uns nolens volens ausei-
nandersetzen; die Botschaft ist, was man an Wissen aus dem Gegenüber
im Prozess der Auseinandersetzung extrahiert; und das Gedächtnis kons-
tituiert sich, wenn dieses Wissen in ein Konzept eingebunden wird. Was
nichts anderes heißt als: in eine konzise Erzählung.35 Im günstigsten Fall,
und jenseits Berliner Kulturtechnik, wird diese nicht nur erzählt, sondern
regt an zum Tun.
Diese Funktion des Befundes als Spur kann natürlich jeder beliebige
Gegenstand ausüben, der die Auseinandersetzung herausfordert; Arte-
fakte und Bücher ebenso wie Worte (oral history) und Verrichtungen.
Diverse „Wiederentdeckungen“ von verschütteten Diskursen der Vergan-
genheit verdanken sich dem glücklichen Umstand, dass man auf diesen
oder jenen Befund stieß, die europäische Renaissance als bestes Beispiel.
Doch auch die kontinuierliche Präsenz der Vergangenheit in der Gegen-
wart überhaupt ist der Materialität ihrer Hinterlassenschaften geschuldet.
Was als Botschaft darin erfasst wird, hängt letztlich von den Techniken
der Befundansprache ab, von der Art der Fragestellung dessen, der sich
den Spuren widmet – von seinem Forschungsparadigma.36 Es gibt keine
überdingliche Botschaft und selbst die Botschaft, die ein konkretes Ding
formuliert, ist deren Formulierung im Munde des Hybriden. Ein Künstler,
ein Techniker, ein Gießer und ein Ägyptologe haben immer andere Fra-
gen an das Ding, weil sie – als Hybride ihrer Paradigmen – andere Wesen
sind. Die sinnhafte, sozusagen (techno-)logische Reflektion und Formu-
lierung solcher oft differierenden, immer konkret erfassten Botschaften
dann in der kollektiven Kommunikation, konstituiert das Gedächtnis.
Menschengruppen, Kollektive jeder Art, haben ein Gedächtnis überhaupt
nur als das der Dinge (und seien es Fund-Orte).37

35
Zur Literalität jeder historischen Erzählung, der diese dann die Eigenschaft verdankt,
konzise zu sein: White 1991.
36
Paradigmen sind „allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine
gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösun-
gen liefern“ (Kuhn 1973, 10).
37
Nora 1998.

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Signale 213

SIGNALE UND STIMMEN

Dinge und Techniken bilden Netzwerke, gemeinsam mit Menschen das


„Soziale Nr. 2“ und die so geformten menschlichen Hybride als das „Sozi-
ale Nr. 1“ die Gesellschaft. Wie aber sieht dieser Prozess für die Indivi-
duen konkret aus; wie erfahren sie die Assoziation mit Techniken und
Dingen? Das Problem einer Geschichte auch der châine opératoire, der
Praxis und der Hybride bleibt, dass sie mit großen Panoramen arbeitet,
in denen die Menschen nur am Rande erscheinen, zu Ameisen der ANT
verkommen. Scheinbar anonym bewegen sich Dinge und Wissen von
einer Assoziation zur anderen, obwohl doch alle von den (menschlichen)
Akteuren reden. Doch während wir die Dinge und ihr Wissen tatsächlich
haben, sie befragen und ihnen zuhören können, sind die Menschen längst
vergangen. Es ist geradezu das Dilemma jeder Archäologie, sei es die
thomsensche der materiellen Hinterlassenschaft (oder: Spuren), sei es die
foucaultsche der Diskurse (oder: Botschaften), dass ihr nur Befunde zur
Verfügung stehen und sie den Menschen „dahinter“ nur erahnen kann.
Selbst der Leichnam, der Überrest des Menschen selbst, ist letzten Endes
so ein zum Ding gestaltetes Artefakt, der mehr über sich erzählt als über
das „wirkliche Leben“ dessen, dem er als Hülle diente. Und wiewohl sich
in ihm viel Wissen über das Leben einspeichert, über Alter, Ernährung,
Gewohnheiten und Leiden,1 kann der Körper – wie jedes Ding – nur zei-
gen, was er erlebt hat, aber nicht, wie der an diesen Körper gebundene
Mensch es erlebte und reflektierte: ob als Alltag oder Entbehrung, Glück
oder Strafe, Segen oder Fluch. Wenn es oben bereits darum ging, den
Dingen eine Stimme – nämlich die des menschlichen Hybriden – zu ver-
leihen, soll es nun darum gehen zu schauen, welche Signale denn die
1 Insbesondere die Mumienforschung kann sehr weitgehende Befunde zur individuellen
Lebensweise erbringen, siehe z. B. Schulz / Bayer / Gauert / Nicklisch 2016.

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214 Signale und Stimmen

Menschen der Vergangenheit darüber senden, wie sie das Leben mit den
mit ihnen assoziierten Dingen erlebt haben.

10. Signale

10.1. Medien

Da die Archäologie – anders als die antiquarische Poesie, die sich ihre
Zeugen herbeizuträumen vermag2 – die Individuen nicht selbst nach
Befindlichkeit und Selbstverständnis befragen kann, ist die Kommuni-
kation mit diesen nur über Artefakte möglich. Die Archäologie muss aus
dem Rauschen all der Informationen, die die Artefakte mit sich tragen,
jene Signale filtern, die uns von den Menschen hinter und in den Din-
gen berichten. Eine besondere Rolle spielen hierbei jene Gegenstände,
die dem Individuum seinerzeit bei seiner Selbstkonstitution dienten; also
Dinge, mit denen er Befindlichkeiten und Bewertung seiner selbst und
anderer vornahm, diese kommunizierte und eben auch selbst erlebte.
Wir wollen auch diese hier, an das in Kapitel 3 Gesagte anknüpfend, als
Medien bezeichnen, als Mittler, die in der Kommunikation von der einen
Seite mit Informationen befüllt und von der anderen Seite als Informati-
onsquelle genutzt werden. Wobei jeder Akt der Auseinandersetzung mit
einem solchen Medium den Moment der Hybridisierung kennt, wenn also
Medium und Sender quasi verschmelzen und die hybride Situation den
Sender als solchen überhaupt erst konstituiert: Ein Schreiber ist nicht
ohne Geschriebenes. Wie umgekehrt erst die Hybridisierung von Medium
und Rezipienten den Empfänger konstituiert: Eine Leserin kann nicht

2
Edgar Allan Poes’ „Gespräch mit einer Mumie“ von 1845 ist nur die Spitze eines
gewaltigen Eisberges imaginierter Zwiegespräche mit den Vergangenen, der sich
weit in die antiquarische, d.h. subjektivierte Spielart der Beschäftigung mit der Ver-
gangenheit gebohrt hat, die Fachwissenschaft immer wieder eingeschlossen. Siehe
dazu: Parkinson 2019. Bemerkenswert dabei bleibt: in diesen Zwiegesprächen geht
es nie um die Vergangenheit. Es geht immer um die Gegenwart (Davis 1998, 120).

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Signale 215

ohne zu Lesendes sein. Schon und gerade der eben erwähnte Körper,
der den Menschen gestaltet, ob blond – ob braun, und den der Mensch
gestaltet, indem er ihn ziert und exerziert, ist ein solches Medium, mit
dem und an das gebunden der Mensch über sich kommuniziert, in dem
er sich erkennt und sich formt, das Medium seiner Selbstkonstitution par
excellence. Marshall McLuhan hat die Medien nicht ohne Grund als exten-
sions of man bezeichnet.3
Extensions of man sind alle Dinge, die Signale der daran und darin
gebundenen Menschen senden. Dank solcher Medien sind wir heute tat-
sächlich in der Lage, nicht nur an den Netzen des Wissens längst ver-
gangener Zeiten weiterzuflechten, wie im vorangegangenen Kapitel
besprochen. Dank der Medien können wir sogar mit Menschen der Ver-
gangenheit selbst kommunizieren. Wenn wir ihre Namen, ihre Bilder, die
Spuren ihrer Tätigkeit als extensions ihres Selbst erfassen, dann lassen
sich daraus Botschaften aus dem wirklichen Leben rekonstruieren.
Um den Menschen als Akteur und Glied der châine opératoire nun
in den Blick zu bekommen, sind also solche Dinge und Phänomene von
Interesse, mit denen Menschen ihre Position innerhalb von hybriden
Situationen der technischen Verrichtungen akzentuieren, gestalten und
vermitteln. Als Medien verstanden, sollen diese Signale hier als Bilder
bezeichnet werden.4

10.2. Bilder

Das hybride Selbst aus dem Ich und dem Assoziierten, wie es im Kapitel 7
beschrieben wurde, kann sich in einer absolut einmaligen, zufälligen,
unwiederholbaren Form manifestieren. In aller Regel aber wird es sich in
3 McLuhan 1964.
4
Mit Bild ist also nicht nur das zwei- oder dreidimensionale Abbild gemeint, sondern
ebenso das Sprach-, Schrift-, Klang-Bild oder jenes, das in Gesten und eben allen
anderen denkbaren Medien entworfen und vermittelt wird. Zum Bildbegriff in der
Ägyptologie: Moers 2005.

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216 Signale und Stimmen

bestimmten, regelmäßig auftretenden Fassungen konstituieren, sei es als


König, Krieger, Schreiber, Asket oder eben auch als Metallarbeiter. Damit
der individuelle Hybrid als Teil der Menge der regelmäßig auftretenden
Fassungen erkennbar ist, muss er oder sie eine bestimmte Anzahl von
Merkmalen aufweisen, die diesen Bezug für Andere, aber auch sie oder
ihn selbst herstellen. Probat dafür sind Abzeichen mit eindeutigem Sig-
nalcharakter, was bedeutet: Medien, mittels derer Ego sich konstituiert
(im Sinne einer extension seiner selbst) und auch von Anderen als solches
erkannt wird. Mit den nötigen Abzeichen versehen, entspricht der Hybrid
dem Bild des Archetypen: wie er aussieht, sich bewegt, wie und womit sie
handelt, redet usw. Es sind visuell oder auch schriftlich gefasste Bilder, in
denen sich die Akteure vergangener Epochen noch heute als Archetypen
einer Rolle und daneben auch als Individuen erfassen lassen. Denn es sind
genau diese Bilder, in denen sich die Akteure auch ihrerzeit erkannten
bzw. sich und anderen Akteuren erkennbar gestalteten. Einerseits wird
in diesen Bildern eine menschliche Seinsweise exemplarisch abgebildet;
andererseits macht jede Aktivierung eines Mediums dieses zu einem Aus-
drucksmittel individueller Gestaltung. Und drittens projiziert dieses indi-
viduell akzentuierte Bild sich wieder in das Handeln der Anderen und
stimuliert die konkrete Fassung des Archetypen.5 Jeder König ahmt das
Bild des archetypischen Königs nach; dieses Bild erfährt durch jeden kon-
kreten König eine neue Facette. Jeder Gießer ist wie alle anderen Gießer
– und ein bisschen anders.
Bilder von einem Hybriden – oder in der Sprache des „Sozialen Nr.
1“ von einer sozialen Rolle –, beschreiben sehr genau das hybride Sein aus
Mensch und Handlung und, wenn diese Handlung derer bedarf, den nöti-
gen Gerätschaften – also den Dingen, durch deren Handhabung der Hyb-
rid erst wird: das Schwert, die Schreibfeder, der Tiegel. Eine Besonderheit
solcher Bilder ist, dass sie zugleich eine Reflektion über diesen Hybrid ins-
pirieren. In der Erfahrung des Bildes, seiner Rezeption, schwingen Wer-
5 Die Praxistheorie nach Bourdieu spricht hier vom Habitus; die ANT nach Latour von
einem „plug-in“.

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Signale 217

tungen und emotionales Erleben mit. Wieder in der Sprache des „Sozialen
Nr. 1“: das Bild beschreibt einen historisch und individuell konkreten
Status. Wobei auch hier die Gesetze vom Eigensinn der Dinge – diesmal:
Medien – gelten. Was an solchen Aussagen im Medium gespeichert und
was in Rezeptionsprozessen extrahiert wird, ist Ergebnis eines Auseinan-
dersetzungsprozesses, ist an konkrete Praxis gebunden und damit offen,
weniger kausal als von der Senderin erwartet, oft überraschend für den
Empfänger. Zumal jedes Medium immer auch ein Ding mit spezifischer
agency ist. Das Medium formt die eigentliche essence der Botschaft, was
immer der konkrete content auch sein mag.6 Wieder mit McLuhan gesagt:
The medium is the message. Denn als Medien dienen die Bilder zwar in pri-
vilegierter Weise dem Austausch von Mensch zu Mensch und bringen uns
so nah heran an die Reflektion auch individueller Positionen. Wir dürfen
aber nicht übersehen, dass wir nicht den Austausch der Menschen selbst
vor uns haben, sondern das, was diesen Austausch gestaltet. Wenn wir
also einen Begriff, ein Abbild, eine Beschreibung in einem Text und der-
gleichen – also Bilder ganz allgemein – heranziehen, um auf das wirkliche
Leben und „wie es einst gewesen“7 zu kommen, sind wir durchaus mitten
drin im „wirklichen Leben“. Doch – und hier steckt wieder das Dilemma
– es ist das Leben der Dinge: als Medien und Aktanten, die nicht etwa
nur abbilden, sondern ebenso mitgestalten. Auch wir können Rezipienten
der Botschaft nur sein, indem wir einen Hybrid mit dem diese bergen-
den Medium bilden – und uns also zum Teil der Botschaft machen. So
lebendig und befruchtend diese Botschaft dann für unser wirkliches Leben
6 McLuhan 1964; siehe zum Verhältnis von essence und content auch: Fitzenreiter im
Druck 2. Zu Medien als „Prozessoren“: Winkler 2015.
7
So das Credo der rankeschen Geschichtsbetrachtung, deren Positivismus die westli-
che Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts implizit dominiert (besonders immer
dann, wenn jeder Theorie- oder Methodenbezug bewusst verneint wird). In der Post-
moderne reicht es nur noch zur Negation der Negation: jede Quelle (die immer ein
Ding ist) ist genauso ein Element der Wahrheit ihrer Epoche, wie sie es nicht ist, da
der Moment der Lesung im Jetzt sie einerseits überhaupt erst als Quelle und zugleich
als Element der Wahrheit unserer Epoche konstituiert. Wenn nach Reinhart Kosel-
leck die Quellen ein Vetorecht besitzen (Jordan 2010), so müssen wir diesen unser
Veto insofern entgegensetzen, dass wir sie als Medium dekonstruieren.

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218 Signale und Stimmen

auch ist (genau deshalb und nur deshalb brauchen wir die Geschichte,
brauchen wir die Toten); es ist nur bedingt die Botschaft, die der Sender
seinerzeit intendierte und die jene rezipierten, an die sie vielleicht adres-
siert war. Botschaften, die möglichst nah am Sender bleiben, können nur
im Zusammenhang ihrer konkreten Aktivierung erfasst und – vielleicht
– auch verstanden werden. So ist gerade bei den Medien par excellence,
also den Quellen schrift- und abbildtechnischer Art, zu beachten, dass
diese nicht irgendwelche überpraktischen, allzeit und allerorts geltenden
Fakten vermitteln, sondern immer einem bestimmten Kontext einer kon-
kreten Auseinandersetzung entstammen. Es ist dieser Kontext, konkret:
die dingliche Gebundenheit an bestimmte Medien, was den Rahmen der
übermittelten Signale setzt, was als medium die message determiniert und
eigentlich erst macht. Deshalb im Folgenden einige Beispiele.

10.3. Gräber

Charakteristischer Weise widmen sich die bekanntesten Bilder zum


Metallhandwerk aus pharaonischer Zeit kaum dem Austausch mit den
Metallhandwerkern, sondern dem Austausch über diese Menschen. Ein
Beispiel für die Bildwerdung von Metallarbeit und Metallarbeitern sind
Darstellungen in Grabanlagen, die zu den frühesten und ausführlichs-
ten Quellen zur Metallurgie zählen.8 In der Residenzkunst des Alten Rei-
ches wird um 2450 v. u. Z. eine, einer Prozessbeschreibung oder einem
Fließdiagramm nicht unähnliche Bildfolge entwickelt, die wesentliche
Abschnitte der thermischen Metallverarbeitung zeigt (Abb. 10.1). Diese
Bildfolge ist mehrfach und in leicht variierender Form belegt, lässt sich
aber zu einer Standard-Bildfolge zusammenfassen.
• Am Beginn steht jeweils das Abwiegen der Metalle in Balkenwaagen,
womit sowohl die genaue Abrechnung der wertvollen Rohstoffe sig-

8
Hierzu ausführlich und mit Belegliste: Scheel 1985.

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Signale 219

Abb. 10.1: Metallverarbeitung, Darstellung im Grab des Vezirs Mereruka (6. Dynastie,
Saqqara, um 2250 v. u. Z.). Ganz links: Abwiegen des Metalls, dann Schmelzen mehre-
rer Tiegel im Herdfeuer mit Hilfe von Blasrohren, ganz rechts: Abgießen des Metalls in
eine Herdform, wobei ein Arbeiter die auf der Metalloberfläche schwimmende Schlacke
zurückhält. Über den Arbeitern sind Metallgefäße dargestellt, die aus den gegossenen
Blechen getrieben werden. Bei der Gruppe an der Waage ist ganz links über der ersten
Person geschrieben: „Abwiegen“, die Person ist mit einer Namens- und Titelbeischrift
versehen: „Der Hausvorsteher / Verwalter Ichi“. Es handelt sich um die einzige mit Titel
und Namen individualisierte Person der Gruppe. Über der Waage steht, auf den Schrei-
ber bezogen, „Aufschreiben des Gewichtes (des Metalls)“. Zwischen den Schmelzern an
den Blasebälgen steht eine Wechselrede der Arbeiter: „Es ist ein neuer Tiegel, (deshalb)
erhitze (besonders) seine Wange / die Tiegelseite, Kollege!“ Der in die Flamme gesetzte
Tiegel ist noch kalt und soll gleichmäßig erhitzt werden, um nicht zu springen. Bei dem
die Schmelze abgießenden Arbeiter steht dessen Rede: „Das Gesicht (= die Oberfläche
des geschmolzenen Metalls) ist sehr schön!“ - d.h., die Gusstemperatur ist nach visueller
Prüfung erreicht.

nalisiert wird, aber auch das bewusste Legieren von Metallen ange-
deutet sein kann.
• Es folgt der Schmelzvorgang in kleinen Tiegeln. Die Tiegel wurden
in einer Art Herdofen gruppiert, in dem man die Tiegel erwärmte,
während die Schmelze selbst durch auf der Tiegeloberfläche liegende
Holzkohle erhitzt wurde. Durch Blasrohre hat man die Glut gezielt
mit Frischluft versorgt.
• Schließlich wird der Abguss des geschmolzenen Metalls gezeigt. Dazu
wurden die Tiegel mit der durch Griffklötze geschützten Hand erfasst
und durch eine sich unterhalb der Tiegellippe öffnende Tülle abge-
gossen (damit unter der aufschwimmenden Schlacke hindurchgegos-
sen werden konnte). Ein Gehilfe hielt dabei Verunreinigungen mit
einem Stab zurück. Der Guss erfolgt in den Darstellungen nicht in

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220 Signale und Stimmen

geschlossene Formen, sondern in offene Herdformen.9 Dass man in


dieser Zeit in Ägypten noch keine oder kaum Güsse von rundplas-
tischen Objekten in geschlossene Formen durchführte, bezeugt das
Fehlen entsprechender Belege im Befund. Größere rundplastische
Objekte aus Metall, die bisher aus dem Alten Reich bekannt sind,
wurden aus getriebenen Kupferplatten gefertigt.10
• Entsprechend zeigt auch eine der gelegentlich der Bilderfolge ange-
schlossene Darstellung das Austreiben der gegossenen Metallplatten.
Wobei die am häufigsten in dieser Technik hergestellten Gegenstände
Metallgefäße gewesen sein dürften, die in den Bildern oft in unmittel-
barem Zusammenhang erscheinen.
• Außerdem werden im Zusammenhang mit den Schmelzer- und Guss-
bildern auch gern Szenen gezeigt, die dem Bereich der Goldschmie-
dearbeiten zuzuordnen sind, so dass die Szenenfolge wohl sowohl das
Vergießen von Kupferlegierungen beschreibt, auch als von Gold- und
Silberlegierungen.

Soweit in aller Kürze die Beschreibung dieser bemerkenswerten Bilder-


und Denkmälergruppe, die in einigen Beispielen abzubilden wohl keine
Publikation zur antiken oder wenigstens altägyptischen Metalltechnik
versäumt.11 Die in solchen Publikationen interessierenden technischen
Details zu vermitteln, ist aber nicht eigentlich der Sinn dieser Bilder.
Auch wenn wir sie heute dankbar dazu nutzen, aus ihnen die verwende-
ten Materialien, Geräte und Handhabungen herauszulesen, so sind das
alles nur Informationen, die uns die Freude der Schöpfer an Bilddetails
beschert. Eigentlich haben diese Bilder ganz andere Funktionen, sehr
weit ab davon, später einmal Werke zur Technikgeschichte zu illustrie-

9
Erst die Weiterentwicklung der Bildfolge im Neuen Reich zeigt auch geschlossene
Gussformen; Scheel 1987.
10
Eckmann / Shafik 2002. Eventuell lässt sich aber eine Passage in den Pyramidentexten
als Guss in eine geschlossene Form interpretieren, siehe Kasten 17.1.
11 Wäre dieses Buch eine „normale“ Technikgeschichte, so hätte ich diese Bilder spätes-
tens im Kapitel 4 gezeigt.

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Signale 221

ren. Sie zieren die Wände von funerären Anlagen, also Kultgebäuden, die
dem Toten- und Ahnenkult dienen, und stehen unmittelbar in Beziehung
zum Sinn dieser Kulthandlungen. Damit sind sie im Grunde genommen
so paradox, wie der Befund von der Qubbet el-Hawa es auch ist. Warum
bildet man Metallarbeiten und Metallarbeiter in einem Grab ab?

Objekte, Schriften und Bilder, die in einer funerären Anlage verwahrt


sind, dienen in aller Regel dazu, Elemente des Totenkultes auf magische
Weise fest zu halten, ihre Existenz auf medial vermittelte Weise zu affir-
mieren. Eine Speisebeigabe soll dauerhaft den Toten versorgen, ein an
die Wand geschriebener Opferspruch soll dauerhaft das Totenopfer inau-
gurieren, ein Abbild soll die Existenz eines Menschen oder einer Sache
dauerhaft vermitteln. Die Funktion der Bilder der Metallverarbeitung ist
demnach die Affirmation der Herstellung und damit der Existenz von
bestimmten Metallgegenständen. Unschwer sind diese als Teil der fune-
rären Ausrüstung zu identifizieren. Zur Reinigung und beim Opfervor-
gang genutzte Gefäße aus Metall gehören zum üblichen Gerätebestand
der funerären Praxis. Indem die Genese solcher Objekte geschildert wird,
erfüllen die Bilder in gewisser Weise tatsächlich die Anforderungen einer
Technikgeschichte, auch wenn sie einiges an Kenntnis der Abläufe vor-
aussetzen (oder aus Unkenntnis der Gestalter weglassen beziehungsweise
falsch darstellen).12 Darüber hinaus erfreuen sie uns durch viele gut beob-
achtete Details, was bis hin zu den Beischriften reicht, in denen Fach-
ausdrücke für die Geräte (Metall, Tiegel, Schmelzen, Gießen, Treiben)
und auch Arbeitskommandos und sogar Scherze der Arbeiter festgehalten
sind. Das Ganze ist so „dicht“, dass die Technikforschung sich kaum an
den Bildern sattsehen kann. Und doch: Wenn wir sie so benutzen, dann
schneiden wir sie aus ihrem Kontext heraus (wie jede Abbildung, auch in
diesem Buch, zeigt).

12 Siehe z. B. die Forschungen zu den Tiegeln und den Konventionen von deren
Darstellungen im Flachbild (Davey 2012).

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222 Signale und Stimmen

Die Szenenfolge tritt nämlich nie isoliert auf, sondern wenn über-
haupt (denn sie ist relativ selten), dann stets im Zusammenhang mit wei-
teren Bildern, die alle dem Bereich handwerklicher Arbeiten zugeordnet
werden können, darunter die Herstellung von Rundbildern aus Stein und
Holz, Tischlerarbeiten, Textilherstellung usw.13 Diese ganze Gruppe der
Handwerkerdarstellungen ist wieder nur eine Untergruppe solcher Sze-
nen, die auch die Zubereitung von Lebensmitteln und schließlich auch
Bilder der Beschaffung von Lebensmitteln durch Ackerbau, Viehzucht,
Fischfang und Jagd zeigen.14 Das Repertoire scheint ein buntes und
vielgestaltiges tägliches Leben zu zeichnen und aus der Perspektive des
schaffenden Künstlers wird diese Lust am Abbilden auch ein elementarer
Impetus beim Erfinden von darstellerischen Lösungen gewesen sein (Abb.
10.2).15 Und doch steht jede abgebildete Handlung sehr wohl im Zusam-
menhang mit dem Erhalt der Existenzform des oder der in der Grabanlage
Bestatteten.16 So handelt es sich bei den abgebildeten Tätigkeiten um
solche, die der Erzeugung und Beschaffung der für den funerären Kult
notwendigen Güter dienen, also a) Speiseopfer (Ackerbau, Viehzucht,
Fischfang und Jagd) und b) Kultausrüstung (Handwerkerdarstellungen).
Andere Bereiche des täglichen Lebens werden nicht abgebildet; wir sehen
nichts vom Leben in den Siedlungen, nichts von der Erzeugung von Spei-
sen, die in rituellem Rahmen nicht üblich waren (zum Beispiel keine
Schweinezucht, die archäologisch belegt ist)17 und eigentlich auch keine
Herstellung von Gegenständen des täglichen Bedarfs. Nicht tägliches
Leben wird hier abgebildet, sondern es werden die Voraussetzungen für
funerären Kult bildmagisch auf Dauer gestellt. Was die Metallarbeiter auf

13
Drenkhahn 1976.
14
Vandier 1978.
15 So werden die Bilder gern unter der Bezeichnung „tägliches Leben / vie quotidienne“
(Vandier 1964 / 1969) oder „vie privée“ besprochen (Montet 1925).
16 Zur Interpretation von Bildprogrammen funerärer Anlagen siehe: van Walsem 2005
und die Beiträge in Fitzenreiter / Herb 2006.
17
Fitzenreiter 2009.a.

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Signale
Abb. 10.2: Dekoration der Südwand der Kultkapelle des Tji (5. Dynastie,
Saqqara, um 2400 v. u. Z.). Die Schmelzerszene befindet sich im linken Drittel,
im Kontext weiterer handwerklicher Arbeiten an Objekten der Kultausrüstung
(u. a. Statuen). Es folgen Bilder der Requirierung von Tieren für das noch
weiter rechts durchgeführte Speiseopfer. Man beachte die zur Abrechnung
geprügelten Dorfvorsteher im Mittelfeld.

223
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224 Signale und Stimmen

den Grabbildern des Alten und Mittleren Reiches herstellen, sind immer
Gerätschaften für den Totenkult.
Um diesen Kult durchzuführen, bedarf es der Kulthandelnden. Womit
eine weitere Funktion funerärer Bilder in den Fokus rückt. Funerärer
Kult und seine mediale Affirmation dient nicht nur der Sicherstellung
der Totenversorgung. Funerärer Kult hat eine elementare soziale Bedeu-
tung. Über die Beziehung zu einem Ahn (dem Familienvorstand oder wie
auch immer) definieren Menschen grundsätzliche soziale Eigenschaften,
wie die, Vater-Mutter-Kind zu sein, Brüder und Schwestern, Erben und
Schuldner – kurz: ob sie dazugehören oder nicht. Die dekorierten Wände
der Grabanlagen affirmieren daher nicht nur die Existenz der abgebilde-
ten Kultgegenstände und Versorgungsgüter, sondern ebenso – und das ist
für eine architektonisch fest etablierte Anlage sogar die primäre Funktion
– bilden sie Räume für die Versammlung der Kultgemeinde aus Lebenden
und Toten, wenn auch zum Teil in symbolischer Form.18 Genau dieses in-
Kontakt-Treten und Versammeln wird in den großen Dekorationskapiteln
oder „Ikonen“ gezeigt, die die Grabdekoration dominieren und in denen
Bilder der Nahrungs- und Geräteherstellung in der Regel Unterszenen
bilden. All jene, die am Kult teilnehmen, also die Toten und eine im Kult
handelnde Gruppe von Lebenden (Nachkommen, Klienten), werden über
die Kulthandlung als Kultgemeinde definiert. Sie tun das so, wie im vor-
angegangenen Kapitel beschrieben: Aus der Assoziation mittels der Hand-
lungen im Kult des Grabherrn heraus wird Sozialität bestimmt.19 Die Teil-
habe in dieser Assoziation – in der Kultgemeinde – wird sogar sehr scharf
umrissen. Denn die erwähnten Handwerker, darunter die Metallarbei-
ter, sind genau nicht am Kult beteiligt. Sie tragen keine Namen, ganz im
Gegensatz zu den Teilhabern am Kult.20 Wie Thomas Vonk gezeigt hat,

18
Deutlich wird diese Funktion von Grabbauten als Affirmate von Handlungsräumen
in der Tendenz, solche Räume zu miniaturisieren und durch sogenannte „Modelle“
zu ersetzen. Siehe Jánosi 2006, 134–136.
19 Fitzenreiter 2011.c.
20 Dass man gelegentlich Bilder von Menschen durch das Hinzufügen von Namensbei-
schriften wie auch nachträglich durch die Zerstörung der Namen zu extensions der

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Signale 225

sind die Szenen des täglichen Lebens in den Gräbern, insbesondere die,
die scheinbar besonders witzig sind und die Protagonisten in diversen
ulkigen Posen und Situationen zeigen, nämlich genau dazu da, zu zeigen,
wer nicht zur Kultgemeinde gehört.21 Ikonisch-humorige Details wie ihre
Kahlheit, Fettheit, Magerkeit und andere Abweichungen von der Bild-
norm kennzeichnen diese Anderen, deren Beischriften sich ebenfalls sig-
nifikant von den Beischriften abheben, die jene kennzeichnen, die dazu-
gehören. Freche Sprüche und eine gewisse Derbheit sind charakteristisch
für das, was man den Anderen in den Mund legt. Die Metallhandwerker
werden als die lustigen Gesellen gezeigt, aber auch als die Schmutzigen,
Buckligen, Hässlichen. Damit sagen diese Bild nichts anderes, als was
auch die Bilder geprügelter Dorfvorsteher sagen, die so unvermittelt in
den Bildern des täglichen Lebens aufscheinen und die Idylle zerstören: Die
sind nicht wie Wir (Abb. 10.2).
Diese Distinktion in Wir und die Anderen wird durch den Modus der
Darstellung umgesetzt, indem die Anderen anders aussehen und anders
sprechen, aber auch auf der Ebene der dargestellten Handlungen. Wir
betreiben Kult, die Anderen arbeiten. Die Technik, mit der sie sich
beschäftigen, schafft auf symbolischer Ebene eine soziale Assoziation,
und genau durch diese sind sie von Uns – der Gruppe der Kultteilnehmer
in dieser Anlage – verschieden. Wir konstituieren uns über den Kult als
soziale Gemeinschaft; sie sitzen an ihren Arbeiten und beliefern uns mit
den dafür nötigen Produkten. Die Bilder in den Gräbern sind gewisser-
maßen Schemata der Kulturtechnologie: Sie bilden ab, wie symbolische
Arbeit verrichtet wird, wie sich Assoziationen im Zusammenhang der
Auseinandersetzung von Menschen und Dingen bilden, kartieren also das
„Soziale Nr. 2“. Über den so vermittelten Rollenbildern liegt dann die
wertende Bestimmung des Status, der die Positionen der Protagonisten
im „Sozialen Nr. 1“ definiert. Es sind die Tätigkeiten, über die die Bilder

Kultteilnehmer macht oder dieser Eigenschaft beraubt, zeigt die Dynamiken inner-
halb solcher Assoziationen. Zur Hinzufügung von Beischriften: Pieke 2018.
21
Vonk 2015.

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226 Signale und Stimmen

nicht nur die Genese von Kultausrüstung affirmieren, sondern auch die
kulturelle Unterscheidung in Wir und Andere vermitteln.

Die in den Darstellungen bezweckte Distanzsetzung zwischen der Gruppe


der Kultteilnehmer und der Gruppe bzw. den Gruppen der Anderen wird
durch die Beischriften sehr prägnant festgeschrieben. Nicht nur über die
Assoziation mit Tätigkeiten sind die Anderen geprägt; auch die Verwen-
dung einer eigenen Sprechweise macht sie anders. Diese Sprechweise ist
natürlich aus der Fremdperspektive entworfen und charakterisiert die
Anderen mit Vorliebe durch scherzhafte Reden, die ein eigenes Metier
der ägyptologischen Sprach- und Kulturforschung (als die „Reden, Rufe
und Lieder“)22 geworden sind. So lässt man in der Anlage des Kaemrehu
zwei Schmelzer in einer Art Scherzrede sagen (Abb. 10.3):23

Die Luft ist heiß wegen ihres Bruders (= Feuer)! – Ein Sokar-Bier,
mein Fürst!

Was in etwas saloppes Deutsch übersetzt etwa sagen soll:

Hier brennt die Luft! - Darauf ein Frischgezapftes, Meesta!

Die Anderen da, das sind etwas abgerissene, schwitzende Gestalten, die
gern mal ein Bierchen – auch: zuviel – trinken. Anders gesagt: Der Mensch
ist, was er isst – und trinkt.

10.4. Bücher

Der Topos des derangierten Metallhandwerkers als ein Bild davon, wie
Andere ihn und seine Tätigkeit als anders erleben, bleibt in Ägypten über
22 Erman 1919; Montet 1925; Junker 1943; Guglielmi 1973.
23
Ausführlicher zu dieser Szene: Fitzenreiter 2017.b.

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Signale 227

Abb. 10.3: Schmelzerszene aus der Grabanlage des Kaemrehu (5. Dynastie, Saqqara, um
2400 v. u. Z.) mit Wechselrede der Schmelzer.

Jahrhunderte erhalten und wird auch in anderen Zusammenhängen auf-


gerufen, um doch genau denselben Sachverhalt zu kommunizieren. In der
Lehre des Cheti heißt es:

Ich sehe aber den Metallarbeiter bei seinem Arbeiten • (das ihn bis)
hinein in den Schlund seines Schmelzfeuers (führt): • Seine Finger sind
wie die vom Krokodil • (und) er stinkt schlimmer als Fischei. •

Auch hier wird durch ein paar technische Details – die Tätigkeitsbezeich-
nung „Metallarbeiter“ (Hm.tj),24 das Schmelzfeuer – und eine Charakte-
ristik des individuellen Habitus – Finger narbig wie Krokodilleder und
schweißstinkend wie Fisch – mit leichter Feder ein umfassendes Bild des
Anderen gezeichnet.

24
Zum Titel: Steinmann 1980, 147.

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228 Signale und Stimmen

Es lohnt sich aber, auch in diesem Fall das Medium und die ihm inhärente
message etwas genauer zu betrachten. Die Ägyptologie zählt die Lehre des
Cheti zu einer Gruppe von Texten, die als Berufssatiren bezeichnet werden
(satire des métiers, satire on the trades).25 Charakteristikum dieser Texte
ist, dass in ihnen verschiedene Berufe in kurzen und prägnanten Sprach-
bildern – Peter Seibert nannte sie die „Sprechsitte“ der Charakteristik26
– beschrieben werden, die im allgemeinen nicht sehr vorteilhaft für die
Beschäftigung und die damit Beschäftigten ausfallen. Diesem traurigen
Bild wird dann mitunter der Schreiberberuf gegenübergestellt, der durch
eine Reihe von vermeintlichen Vorzügen charakterisiert ist.
Die zitierte Beschreibung des Metallarbeiters ist nur in der erwähn-
ten Lehre des Cheti erhalten, so dass sich im Weiteren vor allem auf diese
gestützt wird. Wobei einzuschränken ist, dass auch die Lehre des Cheti
eher eine ägyptologische Fiktion ist; jedenfalls wenn man der Legende
des einheitlichen Textes nachhängt. Wie in jedem altägyptischen Lite-
raturwerk unterscheiden sich die verschiedenen „Textzeugnisse“ in
Schreibung, Wortwahl und damit wohl auch interner Textinterpretation.
Neuerdings dämmert auch hier die Vorstellung nicht nur von verschiede-
nen Lesarten, sondern eben auch von verschiedenen Schreibarten dessel-
ben „Textes“; was immer der Text dann noch ist (nachdem bereits dem
„Autor“ so übel mitgespielt wurde).27 So gibt es für diesen Text mehrere
Belege, das heißt, wir dürfen eine Textfassung so wenig verallgemeinern,
wie wir eine der eben besprochenen Bildfassungen der Metallarbeiter-
szene in den Gräbern verallgemeinern dürfen. Genauso gilt aber, dass wir
jeden Textbeleg als Teil der Auseinandersetzung mit einem Motivkreis
ernst nehmen dürfen (und müssen). Dies ist deshalb sinnvoll, weil es

25
Zur Textgruppe zuletzt Jäger 2004; Dils TLA und Widmaier 2013 mit ausführlichen
Verweisen und Diskussion der vorliegenden Literatur. Jäger schlägt die neutral
gehaltene Bezeichnung „Berufstypologie“ vor.
26
Seibert 1967.
27 Zum Problem des Autors und seines „Todes“ bzw. Verschwindens aus der Literatur-
geschichte und ebenso seiner Wiederauferstehung aus ägyptologischer Sicht: Quirke
2004, 29-36; Moers 2009; Moers 2013; Simon 2013, 227–281; Sikora 2015.

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Signale 229

neben dem Bild dann auch wieder um das inzwischen schon geläufige
Paradoxon gehen soll: Warum beschreibt man Metallarbeiter überhaupt
in einem literarischen Werk?
Dass der Text der Lehre des Cheti (Kasten 10.1) ein literarisches Werk
ist, ergibt sich daraus, dass ihr primär keine Funktion unabhängig vom
„entspannten Feld“ der an Schrift gebundenen otiösen Kommunikation
über Alles (= Literatur) zukommt. Auch verweist die Machart eindeutig
in den Bereich der schriftsprachlich gestalteten Kunst. Die Gesamtkompo-
sition folgt dem literarischen Gestus der Lehre, es werden Spruchweisheiten
zitiert, Passagen imitieren das Genre der Klage und sogar Hymnen. Die
einzelnen Abschnitte sind durch rubra (Rotschreibung der Anfangsworte)
und Verspunkte markiert und bestehen aus strophenartigen Sentenzen.
Das Vokabular liebt Vergleiche, Metaphern und Metonyme, eine ausge-
prägte Doppeldeutigkeit und Ambiguität im Wortsinn und spielt mit Alli-
terationen, Homophonien usw. Damit ist das textliche Gewebe auch dem
der eben besprochenen Bilder der Grabdekoration vergleichbar, in denen
ebenfalls mit den Stilmitteln der Ambivalenz, der Varianz in der Regel,
des Parallelismus und der Parodie gearbeitet wird. Wie die literarischen
Netzwerke auch immer geknüpft gewesen sein mögen, die Lehre des Cheti
wurde in ihrer Zeit als ein Meisterwerk angesehen, was allein die große
Zahl der Textzeugen deutlich macht.28
Grob gegliedert setzt sich der Text aus drei Teilen zusammen. Im
ersten Teil, der die Gattung der Lehre (sb#.jt) aufnimmt und parodiert,
wird dem Werk ein konkreter Ort und eine konkrete Zeit zugeschrie-
ben: Auf der Fahrt vom literarisch hintersten – sprich: nördlichsten – der
in Ägypten möglichen Orte, Sile, nach Süden – vorwärts! – in die Resi-
denz29 belehrt ein gewisser Cheti seinen Sohn Pepi über die Vorzüge des
Schreiberberufs. In pädagogisch bemerkenswerter Weise wird der Aufruf,
28 Man kennt bisher ca. 300 Belege, die mehr oder weniger lange Passagen des Textes
enthalten (Widmaier 2013, 506–509).
29 Zu den hier thematisierten Richtungsbezügen Norden = hinten; Süden = vorn:
Fitzenreiter 2003. Gleichzeitig ist im Wort „Sile“ (äg.: Tjaru) eine Anspielung an
das Wort „Hütte“ (äg.: Tjaret) versteckt, was den niederen Status des vermeintlichen

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230 Signale und Stimmen

Die Lehre des Cheti (Ausschnitte)

(1) Anfang der Belehrung • die gegeben hat ein Mann aus Sile (= im
äußersten Norden von Ägypten; Wortspiel mit: „Mann der Hütte“, d. h. nicht
zur Oberschicht gehörig) • des Duaef Sohn, Che(r)ti (Wortspiel von Cheti
= eine Weiser der Vorzeit, und Cherti = „der Untere“) sein Name • seinem
Sohn, genannt Pepi. <•> Da war er beim südwärts Fahren (= „nach vorne
kommen“) , doch vorbei an der Residenz • damit er gesteckt wird in die
Schreiberschule. • (Was aber) nicht seine Platzierung bei den Kindern der
Adligen (bedeutet) • diesen unter-sich-Bleibern der Residenz (Wortspiel mit
„die an der Spitze der Residenz stehen“). •
(2) Da nämlich sagte er zu ihm: • Ich sehe ja die Schinderei, • die (üble)
Schinderei • (wenn) du deinen Sinn auf das Schreiben richtest. • Ich beob-
achte durchaus den (seelischen) Verschleiß bei seiner (= des Schreibens)
Arbeit. • Und doch: Es gibt nichts, was über das Schreiben hinausgeht, • es
ist so, wie (immer) genau das Richtige tun! • Lies doch am Ende der Kemit
(= einem Lehrtext für Schreiber) • (und) du findest diesen Spruch darin: •
“Was den Schreiber angeht: Alle seine Posten führen zur Residenz • (und)
dort wird er (dann) nie mehr elend sein.” •

(4) Niemals sehe ich einen Bildhauer mit einem Auftrag (an andere) •
oder einen Goldschmied, der (andere) aussendet. • Ich sehe aber den Metall-
arbeiter bei seinem Arbeiten • (das ihn bis) hinein in den Schlund seines
Schmelzfeuers (führt). • Seine Finger sind wie die vom Krokodil • (und) er
stinkt schlimmer als Fischei. •
(5) Jeder Handwerker, der den Dechsel ergreift • er ist erschöpfter noch
als der „Pfähler“ (= Bauer mit dem Grabstock) • denn sein (= des Hand-
werkers) Acker ist aus Holz und seine Hacke ist aus Kupfer • und selbst in
der Nacht noch ist er am Schnitzen. • Er tut immer mehr, als seine Arme
können • (doch) selbst in der Nacht ist sein Haus beleuchtet (d.h. er arbeitet
immer noch). •
(6) Der „Steingebärer“ (= Hersteller von Objekten aus Stein) ist beim
Suchen (= Bohren) mit dem Meißel • in jedem harten Stein. • Wenn er eine
Elle von der Sache vollendet • sind seine Arme lahm und er ist erschöpft.
• (Denn wenn) man beim „Eintreten der Sonne“ (= dem Moment, in dem
das Licht in das Bohrloch fällt) sitzt • dann sind seine Knie und sein Rücken
gekrümmt. •
(7) Der Barbier ist beim barbieren noch am Ende des Abends. • Er saust
an seinen Hals, er saust an seine Schulter • er saust von Gasse zu Gasse • um
einen zu suchen, den er Barbieren wird. • Er flattert mit seinen Armen, um

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Signale 231

seinen Bauch zu füllen • wie eine fressende (= Nektar saugende) Biene bei
ihrer Arbeit. •

(20) Der Vogelfänger, er quält sich sehr • denn das, was er findet, ist
untergetaucht (= was er auch findet, es bleibt ihm doch verborgen; Wort-
spiel mit „Untergetauchtes“ als Bezeichnung für das Krokodil und damit die
Gefahr schlechthin). • Selbst wenn Chnum (= ein Gott, zugleich Wortspiel
mit ähnlich klingendem „Vogelschwarm“) vorbeizieht an deinem Angesicht
• dann sagt er: „Oh gäbe es doch ein Netz!“ (d.h. er kann es nicht fangen =
begreifen). • Gott schert sich nicht um seinen Werdegang • (und) Vernach-
lässigung ist seinen Plänen. •
(21) Ich erzähle dir, wie es dem Fischfänger ergeht • er quält sich mehr
als jeder Beruf. • Ist nicht das Arbeiten im Fluss • die Vermischung mit Kro-
kodilen (= ständig in Gefahr zu sein)? • Wenn eingesammelt wird all das,
was diese Abrechnung ist (= der Fang, in übertragenem Sinn: die Mühen des
Lebens) • dann wird es als ein Klagen sein. • Sagt man denn nicht: „Wenn das
Krokodil aufsteigt • dann blendet ihn die Angst (= ist es schon zu spät).“? •
Wenn der Vater heraustritt auf das Wasser (= glaubt, das Richtige zu tun),
dieses Fett(näpfchen) • dann wird es (= das Wasser oder das Krokodil?) wie
die (strafende) Macht Gottes sein. •
(21.b) Siehe also: Es gibt keinen Beruf, der ohne Chef ist • außer dem Schrei-
ber, denn er ist der Chef! (mit wortspielerischer Lesevariante: „auch er soll
nicht Chef sein!“) •

(30) Siehe: das Glück ist auf dem Weg Gottes • (aber) das Glück des Schrei-
bers ist auf seiner Schulter (Wortspiel mit „Papyrusblatt“). • Schon am Tag
der Geburt • ist er in das „Arbeitshaus“ gelangt • dieses Gericht (= Schicksal),
gemacht für die Menschen. • Siehe: Nicht sind die Schreiber frei davon zu
Essen • die Speisen des Palastes (= sie sind auf die Versorgung durch eine
Anstellung angewiesen). • Nur der richtige Geburtsort ist, was den Schrei-
ber gedeihen lässt • der (= der Schreiber) (auch nur) einer ist, der vor das
Gericht (= Schicksal) gegeben wurde. • Es preisen Gott sein Vater und seine
Mutter • wenn er (überhaupt) einer ist, der auf den Weg der Lebenden gege-
ben wurde. • Siehe: Dieses (= die Quintessenz der ganzen Lehre) habe ich
vor dein Angesicht (gebracht) • (und das) der Kindeskinder. •

Kasten 10.1: Die Lehre des Cheti (Ausschnitte) (Text nach der Fassung des Papyrus Sal-
lier II = pBM EA 10182 in Dils, TLA; zur Übersetzung: Fitzenreiter 2018.c).

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232 Signale und Stimmen

Schreiber zu werden und die harte Ausbildung durchzustehen, mit dem


Hinweis auf die (viel größeren) Leiden aller Anderen motiviert, und zwar
mit genau dem Bild der geprügelten Dorfvorsteher, das aus den Grabbil-
dern bekannt ist.
Mit dem vierten rubrum beginnt Teil zwei, der sich in achtzehn Fall-
beispielen dem Drama der Berufstätigkeit der Anderen widmet, wobei
der amtsmäßige „Auftrag“ (wpw.t) des Schreibers der körperlichen Arbeit
(b#k.w) der Anderen gegenübergestellt wird. Hier kultiviert die Lehre des
Cheti die erwähnte, auch in anderen Texten gepflegte Kunst der Charakte-
ristik. Gleich die ersten drei Beschreibungen widmen sich den bildnerisch
arbeitenden Handwerkern: In einem großartigen Rundumschlag werden
im ersten Vers der Bildschnitzer (Qs.tj) und der Goldschmied (nbw.j) aus
dem Blickfeld gestrichen und dafür der Metallarbeiter (Hm.tj) fest in den
Blick genommen; der nämlich sitzt an seinem Glutherd; in wenig vorteil-
hafter Verfassung, siehe oben das Bild aus dem Alten Reich. Es folgen
alle Handwerker in Holz, die den Dechsel führen müssen (Hmw.w T#j on),
und wohl ein Hersteller besonderer Gefäße oder Perlen aus hartem Stein
(ms-o#.t). Nach diesen Kunsthandwerkern werden weitere Tätigkeiten und
ihre Protagonisten abgearbeitet, vom Barbier bis hinunter zum Fischer.
Der Abschnitt endet mit der Feststellung, dass kein Amt (j#.t) ohne einen
Leiter sei, außer das des Schreibers – denn dieser ist der Leiter (oder auch
nicht).
Im dritten Teil wird der literarische Gestus der Lehre wieder aufge-
nommen. Der Vater begründet die Fahrt nun damit, dem Sohn solche
harte Arbeit ersparen zu wollen. In den folgenden sieben Versen wird der
Sohn, wie in einer Lehre üblich, direkt angesprochen und auf das richtige
Betragen eines unterwürfigen Beamten eingeschworen, der die Klappe
hält und im Hintergrund bleibt. In einer bemerkenswerten Schlussstro-
phe deutet der literarische Erzähler jedoch an, dass all dies nicht zwin-
gend segensreich ist.

Weisen herausstellt. Der Text arbeitet häufig mit solchen Anspielungen. Zu Sile als
spezifisch periphere Siedlung: Lincke 2015.

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Signale 233

Die so treffende Bemerkung über den Metallarbeiter ist also nur der Teil
eines größeren Panoramas, das durchaus als eine Art Berufs- oder Nar-
renspiegel pharaonischer Zeit gelten kann.30 Inhaltlich erfolgt die Cha-
rakteristik stets über die Nennung der Berufsbezeichnung, eine kurze
(gelegentlich auch etwas längere) Beschreibung von damit verbundenen
Tätigkeiten und zuletzt einer Bemerkung dazu, wie sich diese Umstände
auf die körperliche Verfassung auswirken. Der Metallarbeiter wird in der
knappest möglichen Variante skizziert: Berufsbezeichnung (Metallarbei-
ter) • am Schmelzherd • hat narbige Finger und starken Geruch. Schaut
man sich heutzutage Bilder von – um beim Thema zu bleiben – Kunst-
gießern zum Beispiel auf den Homepages von Gießereien an, dann erhält
man ganz vergleichbare Visionen des Berufes: Metallarbeiter • an den glü-
henden Öfen • Schutzbekleidung (als Verweis auf die sonst narbenbilden-
den Auswirkungen großer Hitze) und Schweiß. Die charakteristischen
Elemente, aus denen sich die Bilder dieser Berufsgruppe zusammenset-
zen, sind kaum verändert; die schon in Kapitel 5 erzählte Geschichte von
Schweiß und Feuer lebt fort!
Interessant ist zu sehen, wie sehr die Konstitution dieses Rollenbildes
über die Assoziation des Menschen mit den Dingen – vermittelt durch
einen technischen Vorgang – geschieht. Das bildet auch die Sprache ab,
die eben auch heute und im Deutschen Berufsbezeichnungen in der Regel
über die Assoziation mit einer Technik (Gießer) oder einem Gegenstand
(Metall-Arbeiter) herstellt. Cheti arbeitet genau mit diesem Muster und
liefert so eine Liste von altägyptischen Berufsbezeichnungen. Die Bezeich-
nungen der gleich am Anfang stehenden kunsthandwerklichen Berufe
sind alle über die Gegenstände gebildet, mit denen sich die Menschen
auseinandersetzen. Der Bildschnitzer (Qs.tj) ist dem Material Qs zugeord-
net, was wohl Knochen / Bein bedeutet und auf die archaische Gestaltung
von dreidimensionalen Bildern aus Knochenmaterial deutet.31 Der Gold-

30 Hierzu ausführlich: Fitzenreiter 2018.c.


31 Die Lesung ist umstritten; als Variante wird gnw.tj angeboten (siehe Barta 1970, 64).
M.E. ist die Herleitung aus der Knochenschnitzerei plausibel. Da der Begriff sehr

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234 Signale und Stimmen

schmied (nbw.j) ist schlicht dem Gold (nbw) beigesellt, der Metallarbeiter
(Hm.tj) dem Kupfer bzw. Erz ganz allgemein (Hm.t). Alle drei Bezeichnun-
gen sind im Übrigen auch als Berufsbezeichnungen auf den Bildern der
Grabdekoration so belegt und stellen tatsächlich als Sprachbilder (gram-
matisch über die in etlichen afroasiatischen Sprachen produktive nisba-
Form des in-Beziehung-Setzens gebildet) genau das dar, was jene Bilder
in zwei Dimensionen zeigen: die Assoziation von Menschen und Dingen,
vermittelt durch eine Technik.
Soweit zu den Modi der sprachlichen Abbildung. Es fragt sich nun
wieder, welche Funktion ein Medium wie dieser Text haben kann und
dieser Frage hat sich die Forschung bereits einschlägig gewidmet. Lange
Zeit stand die Interpretation der Berufssatiren als sogenannte Schultexte
im Mittelpunkt, also als Texte, die in den Schreiberschulen einerseits
dazu genutzt wurden, Schreib- und Formulierungsfertigkeiten über das
Kopieren von Vorlagen zu erwerben (was auch die große Zahl der Belege
erklären kann); andererseits natürlich auch, um der Charakterbildung
zu dienen, denn das Bild des Schreibers als Krone des Erstrebenswerten
wird ja entsprechend hervorgehoben. Gerade der zweite Aspekt bedient
sich einiger Mittel, die auch in den Bildern der Grabdekoration erschei-
nen, indem die deformierenden, Differenzen zum Schreiber machenden
Umstände hervorgehoben werden: die geschundene körperliche Konsti-
tution und auch der klägliche soziale Zustand. Auch hier wird qua Cha-
rakteristik klargemacht, wer Wir sind, und das jene die Anderen sind.
Was die Texte aber ebenso mit den Grabbildern verbindet, ist der
hohe ästhetische Gehalt. In beiden Fällen wird die Charakteristik einge-
bunden und aufgehoben in eine kunstvolle Gesamtkomposition sui gene-
ris, die durchaus mehr Rezeptionsebenen erlaubt, als ein platte Lesart aus
der Wir-gegen-die-Anderen-Perspektive. Schon die Bilder der Grabdeko-
ration changieren ganz eigenartig zwischen dem „Entblößen“ (Thomas

alt ist, wird die Etymologie im Neuen Reich aber keine Rolle mehr gespielt haben;
ähnlich wie die auch heute im Deutschen übliche, bei genauem Hinhören aber eher
antiquiert klingende Benennung „Bildhauer“. Zum Titel: Steinmann 1980, 147f.

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Signale 235

Vonk) und dem offenkundigen Interesse am Detail, an den Besonderhei-


ten der Tätigkeit und dem ungewöhnlichen Habitus der Protagonisten.
Sogar die faktische Umkehr der Assoziation mit einer handwerklichen
Tätigkeit von Sozial-Minus zu Sozial-Plus kann in den Grabbilder manch-
mal vorkommen, die den eigentlichen „Sinn“ der Charakteristik quasi iro-
nisiert.32 Diese Ambiguitäten lassen sich auch an den Berufssatiren beob-
achten. Einerseits wirken sie böse und ungerecht, andererseits gewinnen
sie aus der Härte der Beschreibung eine ungemeine poetische Kraft. Auch
die offensichtlich parodistische Übernahme von Motiven mehrerer litera-
rischer Formen – von der Lehre bis zur Spruchweisheit – und die Anspie-
lung auf den Rezipienten bekannte Texte (das Lehrbuch „Kemit“ wird
am Ende der zweiten Strophe zitiert) und narrative Motive (die Reise
zur Residenz als ein coming-of-age / Transformation-des-Selbst-Thema der
pharaonischen Literatur)33 sprechen für ein ebenso dichtes wie ambiges
Gewebe. In diesem Zusammenhang ist eine Bobachtung von Kai Wid-
maier hochinteressant.34 Galten die recht zahlreichen Textzeugnisse der
Lehre des Cheti bisher als Belege dafür, dass dieser Text in Schulen gelehrt
und abgeschrieben wurde, so konnte Widmaier zeigen, dass dem wohl
nicht so ist. Gerade die vielen und in der Regel nicht von Schülerhand
gefertigten Ostraka-Belege sind vielmehr als vollwertige Schriften zu
interpretieren, die zusammen mit weiteren Schriftstücken private Bib-
liotheken bildeten. Der überwiegende Teil dieser Textbelege stammt nun
aus Deir el-Medineh, der Arbeitersiedlung (oder in Anbetracht der offen-
bar recht restriktiven Bedingungen: Arbeiterkaserne) des Neuen Reiches
in der thebanischen Westwüste. Hier lebten jene Bildhauer, Steinmetze,
Maler, auch Metallarbeiter und Schmuckproduzenten, die den Pharaonen
die Gräber in die Täler schlugen, zusammen mit Barbieren, Fischern und

32 Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Darstellung an der Nordwand in der Grabanlage
des Tji, in der der Grabherr inmitten der Vogelfänger in Kleidung und Bildtyp eines
Leiters der Vogelfänger gezeigt wird (Fitzenreiter 2018.d).
33 Blumenthal 1984; Moers 1999; Loprieno 2003.
34
Widmaier 2013.

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236 Signale und Stimmen

einer ganzen Reihe weiterer Menschen, die in der Tätigkeitenliste der


Berufssatire erscheinen.35
Offenbar gab es in dieser Kommunität also Rezipienten, die sich an
solchen Texten erfreuen konnten, ganz jenseits von der schwarzer Päd-
agogik der Eliteschule der Residenz. Was zu der auf den ersten Blick
paradoxen Situation führt, dass Handwerker offenbar solche Texte und
Topoi rezipierten und goutierten, in denen Handwerker als abstoßend,
stinkend und armselig beschrieben werden. Wobei der didaktische Wert
der Schriften auch in diesem Umfeld nicht unterschätzt werden sollte.
Immerhin war es nicht Jeder (der ägyptischen Gesellschaft), der in Deir
el-Medineh leben durfte / konnte / musste, und nicht Jeder in Deir el-
Medineh las solche Texte. Abseits vom erwähnten, dichotomischen Wir-
gegen-die-Anderen tut sich ein Rezeptionshorizont auf, der mit den „feinen
Unterschieden“ spielt. Denn natürlich sind auch „die Handwerker“ keine
homogene Gesellschaft, weder im privaten „Sozialen Nr. 1“, noch auf der
Ebene der Tätigkeiten des „Sozialen Nr. 2“. Sehr feine Hierarchien stra-
tifizieren den Umgang mit Dingen; wer was tun muss oder darf. Welten
liegen auch heute in den Gießereien zwischen dem Ziseleur und dem
Former, ganz zu schweigen vom Gussputzer oder Schmelzer. Gerade der
sarkastische Ton der Satiren – wie der der Grabbilder mit Handwerker-
darstellungen auch – lässt viel Spielraum bei der Interpretation, wo auch
nur der ein-wenig-Andere sich sehr fein von dem wieder-Anderen absetzt,
halb im Scherz und halb im Ernst (man denke nur an die Spottnamen, mit
denen sich verschiedene Gewerke auf dem Bau oder die Angehörigen ver-
schiedener Einheiten beim Militär bedenken). Auch Selbstironie sei nicht
vergessen: Was wie ein Stigma aussieht, kann auch ein Markenzeichen
sein oder werden. Je härter die Beschreibung ausfällt, desto eher wird sie

35
Zur Gemeinschaft von Deir el-Medineh und den dort belegten Berufsbezeichnun-
gen: Endesfelder 2018; Gabler 2018; Davies 2018. Dass in dieser Kommunität auch
die Technik des Metallgusses bekannt war und betrieben wurde, zeigen u. a. Belege
für Gussformen, die an Rastplätzen und in der Siedlung gefunden wurden und auf
eine „Nebenbeschäftigung“ der Arbeiter an den Königsgräbern deuten (Dorn 2011,
164–166).

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Signale 237

auch bei der Selbstbeschreibung genutzt. Der Nerd war noch vor kurzem
das Letzte, was man sein wollte; Anfang des 21. Jahrhunderts inszeniert
man sich als solcher. Auch Metallarbeiter tun das – und sind bewusst so
prollig und versoffen, wie das Bild vom Sokar-Bier sie macht. Ob schließ-
lich auch die Charakteristik des Schreibers als Bückling zum Schluss der
Lehre ähnlich satirisch zu lesen ist, wie das stinkend-wie-Fischdreck beim
Metallarbeiter, mag vom Rezeptionskontext abhängen.
Eine derartige begrenzte Offenheit des Textes, seine Ambiguität,36 die
sich in den unterschiedlichen Redaktionen der Belege möglicherweise zu
der einen oder anderen interpretativen Richtung neigt, bringt Form und
Funktion auch wieder zusammen. Literarische Werke – ästhetisch über-
formte Kompositionen überhaupt – dienen dem otiösen Spiel und finden
gerade in diesem, Kennertum voraussetzenden und befördernden, Spiel
auch ihren Sinn. Sie unterhalten, vertreiben die Leere der Zeit, sie beleh-
ren über Umgangsformen. Und ganz nebenbei dienen sie der Einübung
der „feinen Unterschiede“37 und des kalkulierten Spieles damit. In ihnen
schafft und erkennt sich eine bestimmte Gruppe oder soziale Schicht
selbst, formt ihr Selbstbild und erlebt die medial vermittelte Affirmation
genau dieses Bildes. Klassisches Beispiel dafür sind die (echten) Lehren. In
ihnen baut eine sich als Amtselite fühlenden Schicht38 ein Selbstverständ-
nis auf und erbaut sich zugleich an der poetischen Form der Ab-Bildung.
Dort werden Schweigen, Bücken etc. zu Tugenden verklärt. So gesehen
muss es dann auch nicht mehr wundern, dass auch die Vorarbeiter der
Handwerkerschaft an den Königsgräbern Gefallen daran fanden, den

36
Zu den Regeln in der Ambiguität allgemein: Bauer 2011; am pharaonischen Material:
Fitzenreiter 2017.a.
37 Bourdieu 1982.
38
Ein häufig verwendeter Begriff dafür ist der der Funktionselite; sinnvoller ist es mei-
nes Erachtens, den von Trigger 1993, 57–59 verwendeten Begriff der dependent
specialists auf diese Gruppe zu beziehen, da diese Bezeichnung den Charakter der
Abhängigkeit von der Residenz und ähnlichen Institutionen des frühen Staates her-
ausstreicht. Dieser prekäre Status formt und deformiert das Selbstbild pharaonischer
Beamter nachdrücklich, was durchaus von etwas handfesteren Handwerkern paro-
dierend thematisiert werden konnte. Siehe auch Endesfelder 1982.

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Arbeitsalltag ihrer Kollegen – der Handwerker – und Vorgesetzten – der


Schreiber – bissig abzubilden und zur Erbauung zu rezipieren.

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Stimmen 239

11. Stimmen

Die Textgruppe der Berufssatire dient, wie auch die Bilder schwitzender
Schmelzer in der Grabdekoration des Alten Reiches, der Kommunika-
tion über die Handwerker. Doch spätestens in Deir el-Medineh treffen
wir auf Fachleute, die im Cheti offenbar über sich bzw. die etwas-Anderen
lesen. Muss man dann nicht auch mit dem Schlimmsten rechnen, also mit
Handwerkern, die ihr Tun nicht nur in diesen Medien rezipieren, sondern
inmitten der Präsentation der Anderen sogar ein Selbstbild entwerfen?

11.1. Signaturen

Zum Selbstbild des Handwerkers gehört die gute Erledigung der Tätigkeit
und Zeugnisse dieses Selbstbildes haben wir zuhauf. Von der Scherbe bis
zur Pyramide ist jedes Relikt der pharaonischen Kultur auch ein Denkmal
derer, die es geschaffen haben. Den Zeugniswert solcher Quellen auch als
individuelle Schöpfung lesen zu lernen, wurde in den vorangegangenen
Kapiteln bereits versucht. Neben Töpfen, Möbeln, Bauten und Metallar-
beiten zählen zu solchen, auf ihre Schöpfer verweisenden Denkmälern,
auch Skulpturen, Flachbilder und Texte. Also genau jene Medien, in
denen die in im vorangegangenen Kapitel behandelten Bilder Gestalt fin-
den. Bilder aber – das wurde einleitend bereits erwähnt – sind Medien der
Konstitution und der Reflektion. Und so finden sich tatsächlich Zeugnisse,
in denen die Produzenten das ihnen zur Verfügung stehende Können nut-
zen, um über die eigene Position zu reflektieren und dieser Reflektion in
Bild- und Textmedien Ausdruck und Dauer zu verleihen. Immer dann,
wenn z. B. in einer Grabdekoration Personen aus der Gruppe, die eigent-
lich die Anderen repräsentiert, mit Titel und Namen aufscheinen, stellen
diese sich in einen ganz neuen Bezug zu den Themen der Dekoration bzw.
werden durch das Medium Bildschrift in einen neuen Bezug gestellt, denn
– wie erwähnt – kommuniziert das Medium diese Positionierung und

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240 Signale und Stimmen

„bricht“ sie auch. Zum einen lösen sie sich aus der Gruppe der Anderen
und nähern sich der Wir-Gruppe des Denkmals (wobei jeder dieser Belege
eine eigene Analyse dieser Annäherung herausfordert); zum anderen set-
zen sie sich in ganz neuer Weise in Beziehung zu ihrem Produkt.
Beispiele für diese Form der Selbstpräsentation, die oft als „Künst-
lersignaturen“ bezeichnet werden, gibt es, nicht häufig zwar, doch seit
dem Alten Reich immer wieder.1 Tatsächlich erfüllen Abbildung und
Namensbeischrift inmitten einer von dem oder der Benannten2 gestal-
teten Bildkomposition ein wesentliches Kriterium einer modernen Sig-
natur: Das Werk wird durch die Thematisierung des Schöpfers als indi-
viduelle Schöpfung definiert und zugleich wird auf das Besondere, den
ästhetischen Mehrwert dieses Werkes affirmativ verwiesen. Ein signiertes
Werk erfüllt nicht nur die Funktion, die so ein Werk praktischer Weise
haben soll, sondern sublimiert das ästhetische Erleben seiner Besonder-
heit als Werk einer bestimmten „Hand“ hin zu einem – mitunter vorder-
gründigen – Aspekt der Funktion.3 Ein Altarbild von Raffael ist (heute)
primär ein Raffael und erst sekundär ein Altarbild, was die Extremposi-
tion markiert (und schlicht Blasphemie ist, indem es die Verehrung des
Künstlers an die Stelle der Verehrung des Abgebildeten setzt).4 Ein mit
einem Künstler durch Signatur verbundenes Dekorationsprogramm bleibt
im Alten Reich sicher das Dekorationsprogramm einer funerären Anlage,
erhält aber doch eine deutlich andere Facette, heute in jedem Fall, und
ich wage zu behaupten, auch seinerzeit.5 So werden also Denkmäler, die
einer bestimmten Person oder Gruppe dienen sollen, zu Monumenten
1 Junker 1959; Kanawati / Woods 2009, 9–27; Laboury 2016; Quirke 2018; Stauder
2018.
2
Auch benannte Frauen werden bei der Herstellung von Objekten gezeigt, z. B. bei der
Weberei (Quirke 2018, 186).
3
Hierzu mit Beispielen von der klassischen Antike bis zur Moderne: Hege-
ner / Horsthemke 2013.
4 Anders ausgedrückt: die agency der Signatur wirkt auf moderne Rezipienten stärker,
als die agency des (ab)gebildeten Konzeptes.
5 Allein, dass gerade solche signierten Werke das besondere Interesse der ägyptolo-
gischen Forschung auf sich ziehen, zeigt die Wirksamkeit dieser Funktionsverschie-
bung.

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Stimmen 241

derer, die sie schaffen. Die Namensnennung hebt das Anderssein auf,
die Beischriften von Berufsbezeichnungen (und gegebenenfalls weitere
Phrasen) betonen zugleich den besonderen, eben doch etwas anderen
Charakter des so Präsentierten. Das Medium wird zu einer extension des
Signierenden und schreibt dessen Individualität fest – und fort.

Seni in El-Hawawish
Eine dieser Signaturen findet sich in El-Hawawish in der Grabkapelle des
Kai-hep, genannt Teti-iker aus der 6. Dynastie (um 2.150 v.u.Z.) (Abb.
11.1). Unmittelbar verbunden mit der Präsentation des Grabherrn – und
nicht im Rahmen einer Handwerkerszene
der Herstellung von Kultausrüstung, wie
sonst bei Signaturen eher üblich – ist hier
eine schreitende Männergestalt in „höfi-
scher Tracht“ gezeigt, der ein bemerkens-
wert langer Text beigeschrieben ist. Formal
ist dieser Text nicht von anderen Szenen-
beischriften (auch der Handwerkerszenen)
Abb. 11.1: „Signatur“ des Vor- verschieden, nennt Berufsbezeichnung und
zeichners Seni aus der Graban-
lage des Kai-hep (6. Dynastie, El- – das ist allerdings ungewöhnlich – den
Hawawish, um 2.150 v. u. Z.). Namen, worauf ein Stück wörtliche Rede
folgt, etwa den „Reden und Rufen“ der Bil-
der des „täglichen Lebens“ verwandt, in denen die auch hier angespro-
chene, zufriedenstellende Durchführung der Arbeit oft ein Thema ist:6

Der Vorzeichner Seni, er sagt: Ich bin der, der die Grabanlage des
Fürsten Cheni entworfen hat und ich habe auch diese Grabanlage ent-
worfen, und zwar ganz allein.7

6 Eine sehr häufige Floskel der Wechselreden ist z.B. die Antwort auf ein Arbeitskom-
mando: „Ich tue (es) zu deiner Zufriedenheit“ (jrj=(j) r Hz=t(w); (Erman 1919).
7
Kanawati 1980, fig. 8. zS-Qd.wt snj Dd=f jnk zS jz n H#.tj-o xnj jnk gr zS jz pn wo=k(w).

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242 Signale und Stimmen

Ein sehr selbstbewusster Text, ohne Frage, den zu verstehen einige


Anmerkungen nützlich sind. Die zuerst erwähnte Grabanlage des Fürsten
Cheni liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft und gehört dem Vater
des Kai-hep. Kai-hep folgte seinem Vater im Amt des „Gaufürsten“ nach
und ließ dessen Grabanlage errichten beziehungsweise ausschmücken.
Damit hatte er den Seni beauftragt, der eben auch seine, des Kai-hep,
Grabanlage dann schuf. Interessant ist die Betonung, die darauf gelegt
wird, dass Seni das allein tat, was schon sehr das individualistische Bild
vom Künstler unserer Tage streift. Allerdings reklamiert Seni nicht für
sich, die Bilder tatsächlich ausgeführt zu haben; er betont vielmehr die
Rolle dessen, der für den Entwurf zuständig ist. Dieser Gesamtentwurf
der Kapellendekoration ist im übrigen äußerst kunstvoll und erlaubt
eine vielschichtige Rezeption der teils dem Standard entnommenen, teils
innovativen Bilder und Texte in der Grabanlage.8 Die Berufsbezeichnung
oder der Titel, den er in diesem Zusammenhang anführt, ist interessanter
Weise nicht einer der bereits aus dem Cheti bekannten Titel der Hand-
werker, die eine Assoziation mit dem Material bzw. Werkzeug herstellen,
also Qesti (Qs.tj), Nebui (nbw.j) etc. Seni nennt sich Sesch-Qedu (zS-Qd.wt),
was traditionell als „Vorzeichner“ übersetzt wird.9 Die Tätigkeit, auf der
sein Stolz beruht, ist als sesch / zS bezeichnet, hier mit „entwerfen“ wie-
dergegeben. Im Kern aber hat sesch / zS die Bedeutung „schreiben / (auf)
zeichnen“, also genau die Beschäftigung, die in den Lehren so gepriesen
wird und als „Schreiber“ auch die gebenedeite Berufsbezeichnung bil-
det. Dass diese Tätigkeitsbeschreibung auch für „Zeichnen“ und „Malen“
steht, verweist auf den gemeinsamen Ursprung der pharaonischen
Schrift- und Bildlichkeit. Die Wurzel qed / Qd(j) umreißt ein Spektrum,
dem die Bedeutung „bauen / bilden“ zugrunde liegt, aber auch die Vor-

8
In Fitzenreiter / Herb 2006 sind die Interpretationen dieses Dekorationsprogramms
(und von zwei weiteren) durch acht Wissenschaftler (Hartwig Altenmüller, Andrey
O. Bolshakov, Martin Fitzenreiter, Michael Herb, Juan Carlos Moreno Garcia, Ann
Macy Roth, Deborah Vischak, René van Walsem) zusammengestellt, die jeweils
andere interpretatorische Zugänge nutzen und andere Ergebnisse zeitigen.
9
Zu diesem Titel: Steinmann 1980, 154f.; Stefanović 2012; Laboury 2016.

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Stimmen 243

stellung „herumgehen / umrunden“. Ein Sesch-Qedu (zS-Qd.wt) kann so als


der „Zeichner des Umrisses“ verstanden werden, aber auch ganz allge-
mein als der, der die Gestaltung entwirft und im Bild fixiert. Seni als der
künstlerische Leiter bei der Gestaltung der Grabanlage beschreibt sich
also mittels eines Vokabulars, das vor allem die konzeptuelle Seite seines
Tuns herausstellt, den durchdachten und individuellen Entwurf, der in
Schrift, Skizze und Vorzeichnung an der Wand Gestalt findet. Als „Ent-
werfer“ unterscheidet er sich – auch ganz bewusst – von den namenlosen
Handwerkern der übrigen Bilder, die es in dem (von ihm entworfenen)
Dekorationsprogramm natürlich auch gibt, einschließlich einer fleißig
blasenden Schmelzergruppe. Seni ist gewissermaßen der die Berufssatire
rezipierende Handwerksmeister, der seinen Kommentar gibt.

Itui in Amarna
Wie schon erwähnt können derartig Selbstthematisierungen aber auch
innerhalb von Handwerkerszenen auftreten. Jahrhunderte nach Seni, in
der 18. Dynastie (um 1.350 v. u. Z.) nutzt ein Handwerker dieses Mus-
ter, um sich oder einen Kollegen – hier ist die Identität von Entwerfer
und Abgebildetem nicht eindeutig – in einer Grabanlage abzubilden oder
abbilden zu lassen. Die Anlage befindet sich in Amarna und wurde für
Huja angelegt, einen hohen Beamten der Haushaltsverwaltung der Köni-
ginmutter Teje.
Zu dieser Zeit, im Neuen Reich, sind Handwerkerdarstellungen zwar
weiterhin üblich, ihre Funktion im Dekorationsprogramm hat sich aber
gegenüber der im Alten Reich verschoben. Sie dienen weniger der Affir-
mation der Herstellung der Kultausrüstung, sondern sind Teil der Selbst-
präsentation der die Kultanlage begründenden Personen. So beschreiben
sie bei Huja das Aufgabenspektrum des Grabherrn, der seine soziale
Position als Leiter einer Institution und Aufseher über diverse Gewerke
präsentiert. In den Aufgabenbereich des Huja fiel auch die Beaufsichti-
gung einer Bildhauerwerkstatt innerhalb des Besitzverbandes der Teje.
Die Ernennung zum Vorsteher des Verbandes wird, wie dies in den Grä-

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244 Signale und Stimmen

bern von Amarna üblich ist, in einem großen Ereignisbild abgebildet;


unterhalb dieser Szene ist die Werkstatt deutlich kleiner gezeigt (Abb.
11.2).10 Hier sehen wir mehrere Handwerker, die auf Schemeln sitzen
und an Elementen von Kompositfiguren arbeiten, also Skulpturen, die aus
mehreren Teilen und gegebenenfalls auch mehreren Materialien – Holz,
Ton / Fayence, Stein, Metall – zusammengesetzt wurden. Allen ist die
Berufs- / Tätigkeitsbezeichnung Se-anch (s.onX) beigeschrieben, die kon-
ventionell als „Bildhauer“ übersetzt wird.11 Ganz prominent erscheint die
viel größer dargestellte Figur eines Mannes, der an einer schon beinahe
fertiggestellten Skulptur der Prinzessin Baket-Aton (der Name steht vor
der Statuette geschrieben) eine letzte Korrektur o. ä. vornimmt. Die Sta-
tuette wird ihm von einem gebückten „Bildhauer“ (s.onX) präsentiert. Der
Meister selbst ist bezeichnet als:

Vorsteher der Bildhauer der großen Königsgemahlin Teje, Iuti.

Bemerkenswert ist wieder die Berufsbezeichnung; wie die von Seni ist
es eine, die in den Berufssatiren nicht vorkommt bzw. wohl auch ver-
mieden wird: Se-anch (s.onX). Das Wort ist aus der Wurzel anch (onX) mit
dem Kausativpräfix s- gebildet, bezeichnet also eine Tätigkeit, die etwas
„bewirkt“. In diesem Fall ist es das durch anch (onX) ausgedrückte Phä-
nomen nicht mehr und nicht weniger als – „Leben“. Möglichst wörtlich
übersetzt ist der Se-anch (s.onX) also ein „Beleber“, einer, der eine „Bele-
bung“ verursacht. In der Bedeutung „Bildhauer“ ist das Wort seit dem
10 Davies 1905, Taf. 17, 18. Davies erwähnt, dass genau diese Partie der Wand einen im
Vergleich zur übrigen Wandfläche recht gut zu bearbeitenden Reliefgrund bietet, die
Handwerker also wohl ganz bewusst hier die „Signatur“ anbrachten. Zum speziellen
Sinn der Ereignisbilder im Grab des Huja: Fitzenreiter 2009.b.
11
In der Umzeichnung bei Davies 1905, Taf. 18 scheint das Werkstück, das einer der
Handwerker in der Hand hält, ein Möbelstück in Gestalt eins Tierbeines zu sein.
Da der Reliefgrund an dieser Stelle sehr porös ist, ist diese Interpretation unsicher;
eine von der Lespius-Expedition angefertigte Zeichnung (Freier / Grunert 1984, S.
104, Abb. 80) zeigt nur einen länglichen Gegenstand. M.E. wird es sich hier um die
Herstellung eines Menschenarmes für eine Kompositfigur handeln, da Möbeltischler
nicht als s.onX bezeichnet werden.

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Stimmen 245

Abb. 11.2: Bild der Werkstatt des Vorstehers der Bildhauer Itui, aus der Grabanlage des
Huja in Amarna (18. Dynastie, um 1.350 v. u. Z.).

Mittleren Reich belegt,12 wiewohl die Übersetzung als „Bildhauer“ nur


bedingt das ausdrückt, was das Wort beschreibt. Denn im Unterschied
zum bereits erwähnten Qesti (Qs.tj), dem „Beinschnitzer“, wird durch Se-
anch (s.onX) keine Beziehung zu einem Material und auch nicht zu einer
wirklich handwerkelnden Tätigkeit hergestellt, wie es noch der Begriff
Qedu (Qd.wt) beim Sesch-Qedu (zS-Qd.wt) /„Vorzeichner / Entwerfer“ tut.
Vielmehr greift der Begriff auf eine sehr viel fundamentalere Ebene zu
und beschreibt – die Bildnerei als Kulturtechnik.

Das Besondere am Bilden von Abbildern ist, dass diese einen lebendi-
gen kulturellen Mehrwert in sich tragen. Solche Ab-Bilder stehen nicht
wie „Scheuchen im Gurkenfeld“, wie der alttestamentliche Prophet Jere-

12
Ward 1982, 149 (Nr. 1278). Als Begriff der „Belebung“, der „in-Lebensfähigkeit-
Versetzung“ schlechthin, z. B. durch rituelle Handlungen, aber auch durch die
Versorgung mit Lebensmitteln, ist der Terminus bereits im Alten Reich gebräuchlich.
Zum Titel: Steinmann 1980, 152.

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246 Signale und Stimmen

mia (10, 3–5. 9. 14) über die Götzenbilder spottet , sondern bergen in
sich das Mirakel der Präsenz in der Absenz, das jedes Abbild ausmacht,
zumindest für alle, die in einer etischen Gemeinschaft in der Lage sind,
dieses Phänomen in der Auseinandersetzung mit einem Bild-Medium zu
realisieren.13 Wie im Kapitel 5 beschrieben, ist die Verstrickung in ein
Netzwerk gemeinsamer Erfahrungen unabdingbar, um den besonderen
Wert solcher Objekte zu erkennen und erleben zu können. Wenn dies
aber so ist, so sind die Bilder nicht nur leblose Reprodukte, sondern mit
eigener agency begabte, be-lebte Medien. Das altägyptische Vokabular
kennt einige Bezeichnungen für solche Abbilder, am häufigsten ist wohl
die Bezeichnung Tut (twt ) / „Abbild“; andere Worte beschreiben konkrete
Bildfassungen, wie etwa Reput (rpw.t / „Frauenfigur“ oder das Objekt über
seine Funktion, wie Seschemu (s.Sm.w) / „Prozessionsbild“.14 In unserem
Fall ist die Statuette der Baket-Aton ein solches Abbild, das durch den
Bildzusammenhang als Statuette, durch die Beischrift aber zugleich auch
als Repräsentation der Person selbst ausgewiesen ist. Genau so, wie das
Abbild des Iutj diesen abbildet und zugleich repräsentiert. Und jedes
andere, durch Namensnennung individualisierte Abbild in der Graban-
lage – von Huja über Teje bis zu Echnaton und Nofretete – diese auch.
Auch die Abbildung des Objektes (der Statuette) wird durch die Beischrift
zu einer Abbildung der Dargestellten und der Vorgang dieses Wandels
vom Abbild zum Bild wird durch die „belebende“ Hand des „Vorstehers
der Bildhauer“ verdeutlicht, der selbst als Ab-Bild erscheint.
Grabbilder wie diese stellen die vor langer Zeit Verstorbenen nicht
einfach dar; sie machen sie präsent, so präsent, dass wir über sie und mit
ihnen kommunizieren und sie – als extensions of man – (fast) als die Men-
schen selbst wahrnehmen. Man kann für den, der diesen Prozess durch
die Schaffung des Mediums auslöst, kaum einen glücklicheren Begriff fin-
den, als – Se-anch (s.onX).

13 Zu diesem Problemkreis aus ägyptologischer Perspektive: Büma / Morenz 2017;


grundlegend: Belting 2001.
14
Eaton-Krauss 1984, 77–88; Ockinga 1984; Eaton 2007.

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Stimmen 247

11.2. Stele

Eben wurde versucht, eine Beschreibung des Phänomens der Präsentwer-


dung des Abgebildeten im Abbild über die beständige Verschiebung des
ontologischen Status – der differánce nach Jacques Derrida – im Jargon
der Kulturwissenschaft zu geben. Das Erleben der Differenz zwischen
dem konkreten Abbild und dem daraus realisierten Bild vom Abgebilde-
ten ist auch das Geheimnis von dessen agency, oder, in altägyptischer Dik-
tion: das geheimnisvolle Resultat des se-anch (s.onX). Wie gleich zu sehen,
pflegte man in pharaonischer Zeit einen anderen Jargon, der jedoch nicht
weniger schwer verständlich ist als der der heutigen Kulturwissenschaf-
ten. Ein berühmtes Denkmal dieses Diskurses ist eine Stele, die für den
Bildhauer Irtisen angefertigt wurde (Abb. 11.3).15 Im Gegensatz zu den
beiden vorangegangenen Zeugnissen, in denen Künstler ihre Position als
schöpferisch tätige Handwerker über die Signatur im Medium einer ande-
ren Person präsentieren, ist hier das Denkmal selbst ganz der Präsenta-
tion dessen gewidmet, der uns eigentlich interessiert.

Die Stele befindet sich heute im Louvre und stammt mit großer Wahr-
scheinlichkeit aus Abydos.16 Sie wurde in der späten 11. Dynastie geschaf-
fen (ca. 2.000 v. u. Z.). Der Typ des Denkmals ist für diese Zeit charak-
teristisch, in der etliche Personen auch der mittleren sozialen Schicht
Stelen dieser Art an Sakralplätzen errichteten, mit Vorliebe am großen

15
Zur Stele existiert eine reiche Literatur; ich stütze mich besonders auf die
monographische Behandlung durch Barta 1970 und die neueren Auseinandersetzungen
mit dem ambigen Text durch Fischer-Elfert 2002; Barbotin 2005, 56f.; Bryan 2017;
Stauder 2018. Ich danke Ludwig D. Morenz für wichtige Hinweise und die Einsicht
in das noch unveröffentlichte Manuskript von Morenz 2020; eine eigene Bearbeitung
ist Fitzenreiter 2019. Ob die Stele von Irtisen selbst entworfen und womöglich auch
angefertigt wurde, oder ob es z. B. sein im Text genannter Sohn war, ist umstritten.
Auch für die Lesung des Namens wurden Varianten vorgeschlagen (Barta: Irj-jrw-sn),
ich bleibe hier der Einfachheit halber bei der gängigen Lesung.
16 Zur Herkunft der Stele aus der Sammlung Thédat-Duvent und ihrem Ankauf im Jahre
1822 (oder 1838?): Guichard 2007 und Barta 1970, 11. Zur Herkunft aus Abydos:
Fischer-Elfert 2002, 29f.

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248 Signale und Stimmen

Osiriskultplatz in Abydos.
Meist standen die Denk-
steine in kleinen Kultkapel-
len, in denen es weitere Ste-
len, Opfertafeln und andere
Objekte geben konnte. Um
die Kapellen befanden sich
Gräber; ob aber in jedem
Fall ein Zusammenhang zwi-
schen Stele und Bestattung
besteht, ist nicht sicher.
Ähnliche Stelen sind auch
an Kultstellen im Tempel-
bereich und in Wohnhäu-
sern bekannt.17 In jedem
Fall dienten die Stelen als
Fokus von Kulthandlungen,
die den dargestellten Perso-
nen gewidmet waren. Auch
hier konstituierte sich eine
Gemeinschaft über die Teil-
nahme an einem Kult, wie es
ähnlich in den besprochenen
Abb. 11.3: Stele des Irtisen, Paris, Louvre C 14 Grabanlagen im Alten Reich
(wohl aus Abydos, 11. Dynastie, um 2.000 v. u. Z.).
geschah.18
Die Komposition der
Stele des Irtisen entspricht einem bei diesen Denkmälern durchaus übli-
chen Schema. Ganz unten sieht man Irtisen mit seiner Gemahlin Hepu
sitzend in einer schreinartigen Konstruktion bei einem Totenmahl. Das
Bild affirmiert die andauernde Versorgtheit des Paares in ihrer Grablege
17 Zu den Abydosstelen: Simpson 1974, zu den Kultanlagen in Abydos: O’Connor 1985.
18
Fitzenreiter 2005.

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Stimmen 249

und Kultanlage / Schrein. Im darüber liegenden Bildstreifen sind ganz


links Irtisen und Hepu in aufrechter Haltung zu sehen, während von
rechts vier Männer und eine Frau hinzutreten. Der erste der Männer ist
als „sein ältester Sohn“ Sesostris bezeichnet, es folgen zwei weitere als
„sein Sohn“ bezeichnete Männer – Mentuhotep und Samonth –, eine als
„seine Tochter“ bezeichnete Frau Munetkem und schließlich ein als „ihr
(d. h. der Frau) Sohn“ bezeichneter Mann Nentja; die letzten drei sich an
den Händen haltend. Da das ägyptische Vokabular nicht zwischen Toch-
ter und Schwiegertochter bzw. Sohn und Schwiegersohn unterscheidet,
könnten diese drei die Familie eines Sohnes oder der Tochter des Irtisen
und der Hepu sein.19 Die ganze Szenerie beschreibt das Zusammentreffen
des Familienverbandes im Opferzusammenhang (die beiden ersten Män-
ner bringen Speiseopfer), wobei dieser Verband durch den Kult um den
Ahnherrn (= Irtisen) sich als Gemeinschaft mit Pflichten und Rechten
konstituiert und die hervorgehobene Stellung des „ältesten Sohnes“ die-
sen als Vorstand der Institution legitimiert.
Der darüber in fünfzehn Zeilen geschriebene Text folgt ebenfalls dem
üblichen Schema der Steleninschriften dieser Periode (Kasten 11.1). In
der ersten Zeilen wird der Pharao mit ausführlicher Titulatur benannt.
Die zweite Zeile führt Irtisen als Steleninhaber ein. Die folgenden drei
Zeilen enthalten eine ausführliche Fassung der klassischen Opferformel,
wie sie auf funerären Denkmälern üblich ist. Mit der erneuten Nennung
des Irtisen – nun mit einer Titelfolge als „Vorsteher der Handwerker“,
„Schreiber“ und „Bildhauer“ vorgestellt20 – endet die Opferformel und
leitet zu einer direkten Rede des Steleninhabers über. Die Titulatur ist
hier wichtig, da man sie mit den bereits besprochenen Beispielen ver-
gleichen kann. Irtisen ist als „Vorsteher der Handwerker“ benannt, wobei
die Handwerker (Hmw.wt) in der üblichen Graphie mit dem Steinboh-

19
Allgemein zu den Termini des „Sozialen Nr. 1“ im Mittleren Reich: Franke 1983; zur
Familie des Irtisen: Barta 1970, 15–17.
20 Barta 1970, 62; 139, Anm. 1 liest „Vorsteher der Künstlerschaft der Zeichner und
Bildhauer“, siehe auch: Fischer-Elfert 2002, 27.

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250 Signale und Stimmen

Inschrift der Stele des Irtisen (Louvre C14)

(1) Es lebe der Horus-König „Vereiniger der beiden Länder“, (mit dem)
Herrinnen(-Namen) „Vereiniger der beiden Länder“, der König von Ober-
und Unterägypten (Sohn des Re Mentuhotep)|, der ewig lebt.(2) (und) sein
(= des Königs) wahrhafter Diener seines (= des Königs) Vertrauens, der
alles das tut, was er (= der König) lobt bei den täglichen Angelegenheiten,
der Versorgte durch den großen Gott (= den verstorbenen König), Irtisen.

(3) Ein Königsopfer (sei) gegeben dem Osiris, (also) dem Herr von Busiris,
dem Chenti-Imentet, (also) dem Herr von Abydos, an allen seinen schönen
und reinen Stätten (4) (und) ein Totenopfer (sei gegeben von) Tausend an
Brot, Bier, Rind- und Geflügel(fleisch), Alabastergefäßen, Kleiderstoffen
(sowie) allen schönen und reinen Dingen; (ferner) Brot der (Opfer-)Vertei-
lung (und) Bier der (Opfer-)Ausschenkung (von) den Speisen des (5) Herrn
von Abydos (= Osiris), (auch) den weißen „Schlaftrunk“ (Milch?) der (hei-
ligen) Hesat-Kuh (und / also) das, wovon die Totengeister zu essen lieben,
für den Versorgten bei Osiris (6) (und) bei Anubis, dem Herrn des Friedhofs,
(nämlich) dem Vorsteher der Handwerker, den Schreiber / Zeichner (und /
der) Bildhauer Irtisen.

(Er) sagt:
• Ich habe (7) kennengelernt (= weiß) das Verfahren der Transformation
der „Gottesworte“ (= Hieroglyphen) (und) die Durchführung der Fest-
zeremonien. Jede Zauberkraft (= Begabung), (ich bin) mit ihr versehen,
ohne dass mir (etwas) davon entgangen ist. (8) Wahrlich (bin) ich ein
Handwerker, der trefflich in seinem Handwerk (ist) (und einer,) der her-
vorragt durch das, was er kennengelernt hat (= weiß).
• Ich habe kennengelernt (= weiß) die Teile (= die Legierungsbestandteile)
des Versinkenden („des Müden“ = der Schmelze) (9) (und) die „Hebung
/ das Wippen des Kopfes“; die Berechnung des „Herausgenommenen“ (=
das Volumen der Form und daraus die benötigte Metallmenge) (und) das
Eintretenlassen beim / als Herausgehen (= Eingießen in die ausgeschmol-
zene Form) (wenn) er (= die Schmelze / der „Müde“; masc.) eintritt um
herauszukommen, (indem er) eingedämmt (ist) (= durch die Gusskanäle
und den Formmantel), hin zu seinem Platz.
• Ich habe kennengelernt (= weiß) das Gehen des (männlichen Götter-)
Bildes (10) (und) das Kommen eines Frauenbildes; das Schwingen der
Arme des „Vogels des Zehner(pack)s“ (und) das Zappeln (je)des einzelnen
Geschlagenen; das Schauen des Auges zur anderen seiner zwei Pupillen

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Stimmen 251

(= Schielen) (und) das in-Furcht-versetzt-sein des Gesichts des Wachsa-


men (= Feindes), (11) das Heben / Wippen des Armes des „Abgekackten“
(Lesevariante des Kraftausdrucks: des Harpuniers) (und) das („nilpfer-
dige“) Taumeln des (Weg-)Laufenden.
• Ich habe kennengelernt (= weiß) zu machen ein Verzeichnis der Sachen
(12) die uns herabgekommen (= überliefert) sind (und so) zu verhindern,
dass sie (= die Sachen) ein Feuer verbrennt und dass auch kein Wasser
(sie) uns abwäscht.

(13) Nicht ist Hinausgehen deswegen (= wegen der Sachen) in jedem Fall,
außer vor mich (= niemand kann es besser)(denn) ich (war immer) alleine,
(aber zusammen) mit meinem ältesten leiblichen Sohn. (Deshalb) befahl der
Gott (= der König): „Er (= der Sohn) soll machen (dass) er hinausgeht
(14) deswegen (= soll das Amt übernehmen)! (Denn) ich (= der König)
habe gesehen das „Herausgegangene seiner (= des Sohnes) Arme“ (= die
Erzeugnisse) beim Machen des Vorstehers der Arbeiten (= als er dieses Amt
innehatte) in jedem kostbaren Material, von Silber und Gold (15) bis Elfen-
bein und Ebenholz.“

Ein Totenopfer (von) Tausend an Brot, Bier, Rind- und Geflügel(fleisch), Ala-
bastergefäßen, Kleiderstoffen (sowie) allen schönen und reinen Dingen für
den Versorgten Irtisen, der vortrefflich und gerechtfertigt (ist), der geboren
worden ist von Idet, die gerechtfertigt (ist).

Kasten 11.1: Inschrift der Stele des Irtisen (Louvre C14); Text nach Barta 1970; zur Über-
setzung: Fitzenreiter 2019.

rer als einem wohl archetypischen Werkzeug des (Kunst-)Handwerkes


geschrieben sind.21 Außerdem wird Irtisen durch die Schreibung mit dem
Schreibzeug als der schon bekannte „Schreiber / Zeichner / Entwerfer“
(zS) und anschließend auch als der ebenso bekannte „Bildhauer / Bild-
schnitzer“ bezeichnet, in diesem Fall wieder mit der auf das Material
„Knochen“ deutenden Graphie (Qs.tj).22 Alle Titel verorten ihn zweifellos

21
Zum Titel: Steinmann 1980, 138–143.
22 Da die ägyptische Schriftsprache an dieser Stelle offen lässt, ob die Graphie nun
„Schreiber der Bildhauer“ – d. h. einer, der den Bildhauern vorgesetzt ist – oder
„Schreiber / Zeichner und Bildhauer“ meint, sind beide Lesarten möglich. Da dem

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252 Signale und Stimmen

in der handwerklichen, stofflichen Tätigkeit, wobei im „Schreiber / Zeich-


ner“ wie bei seinem Vorläufer Seni der Umstand der konzeptuellen Arbeit
inkludiert ist.
Auch der folgende lange, sieben Zeilen ausfüllende Abschnitt in
direkter Rede ist charakteristisch für die Stelen jener Zeit; ebenso, dass
diese Rede auf einmalige Vorkommnisse und individuelle Eigenschaften
rund um den Sprecher Bezug nimmt. Damit bezeugen die Stelen des Mitt-
leren Reiches oft außergewöhnliche Aspekte der Persönlichkeit, und so
ist es auch bei Irtisen. Die Einmaligkeit der Aussagen hat allerdings zur
Folge, dass in diesen Texten – und bei Irtisen im besonderen – Worte
und Wortverbindungen auftreten, die nur selten belegt sind und deren
Sinn entsprechend schwer zu erfassen ist. Grundsätzlich stimmt man
aber darin überein, dass in dem durch das viermal wiederholte „ich habe
kennengelernt (und bin nun wissend / in der Lage zu)“ herausgehobe-
nen, litaneiartigen Abschnitt jeweils bestimmte Fertigkeiten beschrieben
werden, deren Beherrschung Irtisen sich rühmt.23 Gleich im ersten Be-
Kenntnis wird auf fundamentale Fähigkeiten rekurriert, nämlich darauf,
dass Irtisen mit den magischen Aufgaben seiner Berufsgruppe vertraut
ist. Hier ist in zunftmäßigem Jargon beschrieben, was auch die jüngere
Bezeichnung des Bildners als Se-anch (s.onX) ahnen lässt: Dass es die erste
und wichtigste Aufgabe eines Bildners ist, sich in der Welt der Präsenz des
Absenten zu bewegen. Dazu muss er die Verfahren zur Transformation
(= s.St#)24 der mit agency begabten (= auf „göttliche“ / nTr.j Weise wirksa-
men) „Redezeichen“ kennen, das heißt der Hieroglyphen und überhaupt
der belebten Bilder. Außerdem muss er wissen, wie man bestimmte „Fest-
zeremonien“ richtig inszeniert. Doch genügt das nicht; er muss auch eine

„Schreiber“ kein Personendeterminativ folgt, besteht eine leichte Tendenz, die erste
Lesung (als Genitivverbindung) zu favorisieren.
23 Fischer-Elfert 2002 schlägt vor, hierin einen Ausschnitt aus einer Art Berufsinitiation
(Meisterprüfung) zu sehen, bei der der Kandidat seine Kenntnisse affirmativ bestä-
tigt. Zu den spezifischen Kenntnissen und der möglichen Initiation auch: von Lieven
2007.
24
Zu s.St# als einem „Verfahren“ um agency zu aktivieren siehe noch Kap. 15.

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Stimmen 253

besondere, zauberhafte Gabe (Hk#) – heute würden wir sagen: ein beson-
deres Talent25 – besitzen, das ihn überhaupt erst in die Lage versetzt, in
der notwendigen Weise zu wirken; nämlich als ein wirklich vortrefflicher
Handwerker (Hmw.w jQr).
Nach diesem großartigen Abriss, was einen begnadeten Künstler
wirklich ausmacht, einst und jetzt, nämlich sein individuelles Talent und
die das Publikum faszinierende Kunst der Inszenierung, gehen die fol-
genden zwei Bekenntnisse ins Detail, beschreiben zum einen die Tech-
nik, zum anderen die Gestaltung. Allerdings wird es dort vertrackt. Das
zweite Bekenntnis wird entsprechend auch entweder mit der Technik der
Reliefherstellung, der Kenntnis des Proportionskanons, der Herstellung
von Glasuren oder dem Metallguss in Verbindung gebracht. Es wird den
Leser nicht verwundern, dass hier die Lesart zur Gusstechnik präferiert
ist.26 Etwas einfacher macht es uns das dritte Bekenntnis, in dem einige
Darstellungstypen beschrieben werden, beginnend mit einfachen Posen
männlicher und weiblicher Abbilder hin zu sehr komplexen Kompositio-
nen wie dem Bild des Königs, der zehn Feinde auf einmal ergreift, so dass
sie wie ein aufgeregter Vogel in seiner Hand flattern oder davonstürzen
wie tobende Nilpferde.27 Im vierten Bekenntnis, das die Serie abschließt,
geht es vielleicht darum, dass Irtisen eine Art Verzeichnis, Beschreibung

25
Das verwendete Wort „Heka“ / Hk# wird üblicherweise als „Zauber“ oder „Zauber-
kraft“ übersetzt, siehe Morenz 2016. M.E. beschreibt Hk# eine Eigenschaft, die Men-
schen ohne ihr Zutun besitzen, was sich mit dem ethnologischen Begriff der Zauber-
kraft deckt, wie ihn Evans-Pritchard 1937 als eine Fähigkeit beschreibt, die sich auch
substanzartig im Körper der begabten Person manifestiert und bei der Obduktion
seiner Leiche zum Vorschein kommt (oder wie sie der genialische Haarschopf von
Paganini bis zu den Beatles anzeigt). Da im Fall der Übersetzung von Hk# als „Zau-
berkraft“ meist eher negative Konnotationen mitschwingen, sollte man zumindest
bei Bildhauern von „Segnung“, „Begabung“, „Genie“ oder ähnlich sprechen, also
Eigenschaften, die andere schlicht nicht besitzen – und oft genug auch ein Fluch sind
(Fitzenreiter 2018.e).
26 Siehe die Zusammenstellung älterer Übersetzungsvorschläge bei Barta 1970, 91–94
sowie die Diskussion in Fitzenreiter 2019. Den Bezug zum Metallguss schlug zuerst
Brugsch 1880, 457f. vor; Baud 1938 nimmt das Zellschmelzverfahren an und Barbo-
tin 2005, 56 referiert ebenfalls auf den Metallguss.
27
Zum hier beschriebenen Ikon des „Erschlagens der Feinde“: Schoske 1982.

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254 Signale und Stimmen

oder Dokumentation wichtiger „Dinge“ angelegt hat, die in besonderer


Weise „herabgekommen“ sind. Leider bleibt etwas unklar, ob damit Ritu-
ale (das Wort X.t / „Ding“ ist ausdrücklich abstrakt determiniert, so dass
nicht nur Materielles in Frage kommt) gemeint sind, oder Kultobjekte,
die von Alters her überliefert waren, vielleicht sogar „vom Himmel gefal-
lene“ Mirabilia und Geofakte,28 oder ob es sich um eine Beschreibung
genau der in den davorstehenden Bekenntnissen erwähnten Techniken
und Darstellungskonventionen in einem Musterbuch handelt. Klar ist
wieder, dass weder dieses Verzeichnis noch die Dinge selbst durch Feuer
noch durch Wasser vernichtet werden sollen.29
In diesen vier Aussagen gibt Irtisen einen tiefen Einblick in das Selbst-
verständnis eines (Kunst-)Handwerkers, wie es sich speziell aus seinem
Wissen um die Dinge und die Techniken konstituiert. Andere Aspekte des
Selbstbildes, wie die enge Bindung an den König und die Einbindung in
eine soziale Kerngruppe / Familie, werden an anderen Stellen der Stele
thematisiert. Denn nach dieser bemerkenswerten Selbstdarstellung setzt
in Zeile Nr. 13 Irtisen seinen fiktiven Monolog fort, indem er wieder
auf die eigentliche Funktion des Denkmals zurückkommt. Wie der (ver-
mutete) Aufstellungsort des Denkmals und das Stelenbild auch zeigen,
handelt es sich ja um ein Objekt, welches in erster Linie der Affirmation
eines Sozialkultes dient. Seine Stellung unter allen Anderen bestimmend,
stellt Irtisen also heraus, dass nur er so hervorragend sei und betont –
wie schon Seni vor ihm (und mit derselben grammatikalischen Konst-
ruktion) – damit ganz allein zu sein, aber – und nun anders als Seni
– zusammen mit seinem ältesten Sohn. Eine überraschende Volte, die
auch gleich begründet wird: Der König wünschte, dass Irtisen den Sohn
zum Nachfolger bei der Bearbeitung aller Materialien machte, die in der
Bildnerei eine Rolle spielen.30 Das hat dieser – der Sohn – augenschein-
28 Siehe zu solchen Objekten: von Lieven 2013; von Lieven 2016.
29
Möglicherweise spielt Irtisen hier auf den „Brand von Abydos“ an, bei dem der
Kultplatz im Bürgerkrieg zerstört wurde. Hierzu: Morenz 2020.
30 Zur Rolle des Königs, dem dem decorum nach immer die Rolle der eigentlichen
Quelle jeder Veränderung zukommt: Müller 2006, bes. 41f.

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lich (m##.n=j / „ich sah / sehe (ja ) immer“) gut durchgeführt, womit er
auch in die Pflichten des Vaters eintreten kann. Was impliziert: Er kann
auch und vor allem die Rechte (und Einkünfte) des Vaters übernehmen.
Womit wir beim eigentlichen Sinn der ganzen Installation sind. Um die
primär nur an die Person des Steleninhabers gebundenen Ansprüche an
königlicher Versorgung (ägyptisch beschrieben durch das attaché- / jm#X-
Verhältnis)31 an die Gruppe zu binden, richtet die sich um Irtisen defi-
nierende Gruppe nämlich den Kultverband ein. Über die Position als Ahn
steht Irtisen dem Verband auch nach seinem Tod vor und so können alle
im Verband weiterhin an seinen Einkünften partizipieren, da ihm diese
über die Fiktion des „Toteneigentums“ an Versorgungsansprüchen auch
nach seinem Ableben weiter zustehen.32 Der als Nachfolger eingesetzte
Sohn tritt im Gegenzug in die Rolle des Vaters „im wirklichen Leben“
ein, dem er in Kunstfertigkeit nicht nachsteht (oder nachstehen sollte),
womit den Verpflichtungen gegenüber dem König (oder welcher Institu-
tion auch immer) genüge getan wird. Auch wenn der verstorbene Vater
fiktiv Halter der Ansprüche ist, erbringt der Sohn doch die nötige manu-
elle Gegenleistung.
Zuletzt folgt, etwas gedrängt, in der letzten Zeile eine Wiederholung
der Bitte um ein Totenopfer. Auch dieses ist wieder ein bei solchen Denk-
mälern übliches Element, durch das der Leser der Inschrift animiert wird,
das Opfer aufzusagen und so auf der Lautebene zu verwirklichen.33

Stelen wie diese sind Medien sozialer Kulte. Die dienen einerseits der
Festschreibung sozialer Beziehungen in einer Gruppe, genauso aber auch
der Fest- und Fortschreibung der Individualität der sogenannten Stelen-
inhaber als eine extension seiner selbst. Irtisen ist ein Handwerker, dessen
sozialer Status unmittelbar mit seiner Position zum Pharao oder, etwas

31
Jansen-Winkeln 1996.
32 Zu dieser juristischen Konstruktion: Mrsich 1968; Fitzenreiter 2004.b.
33 Ob und wie solche Inschriften gelesen oder anderweitig rezipiert wurden siehe:
Morenz 1996; Parkinson 2002.

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256 Signale und Stimmen

allgemeiner ausgedrückt, den Institutionen des Hofes in Beziehung steht.


Zumindest geht es in der Stele nur um diesen Aspekt seines Selbst und
darum, wie dieser Status an seine direkte soziale Kerngruppe („Fami-
lie“) gebunden wird. Ob er zum Beispiel auch Einkünfte aus bestimm-
ten Besitztümern einbringt, wie es andere Denkmäler beschreiben, wird
nicht thematisiert. Auch Irtisen gehört zur Funktionselite der dependent
specialists, die nur durch Zuwendungen existieren kann.34 Sein Selbst-
bewusstsein ist durchaus ähnlich dem der oben zu Wort gekommenen
Schreiber und speist sich wie bei diesen aus der perfekten Kenntnis der
Techniken und des decorums seines Berufsstands. Tief war der Graben
zwischen Schreibern auf der eine und Leuten wie Seni, Iutj und Irtisen
auf der anderen Seite nicht. In der Lehre des Cheti kam der Qesti (Qs.tj)
immerhin als erster in der Liste und Beschimpfungen wurden wie beim
Goldschmied höflich umschifft. Differenzen lagen weniger in der sozialen
Position, als in der Tätigkeiten. Ein Bildhauer oder Goldschmied wird
eben nicht mit „amtlichen Aufträgen“ (wp.wt) ausgeschickt; dafür ist er
mit einer besonderen Gabe (Hk#) ausgestattet und kennt das Durchführen
der „Festzeremonien“.
Womit wir bei der Frage nach den besonderen, metaphysischen
Eigenschaften und Fähigkeiten sind, die im Titel der Bildhauer als „Bele-
ber (s.onX)“ zusammengefasst sind. Der Begriff der „Festzeremonie“, den
Irtisen in seinem ersten Bekenntnis erwähnt, war oben nicht weiter dis-
kutiert worden.35 Gemeint ist in der betreffenden Passage das „Durchfüh-
ren“ (s.Sm.t – auch dies ein s-Kausativum, das etwa „zum Laufen bringen“
bedeutet) von Handlungen (o.w), die an ein sakrales Raum- / Zeit-Gefüge
gebunden sind (was das Schriftbild Hb / „Fest“ in Zeile Nr. 7 aussagt, das
zur Bezeichnung des Zeitpunktes dient und zugleich den Fest-Ort als ein

34
Was bedeutet, dass diese Schicht als distinkte soziale Gruppe nur über ihre Anbin-
dung an solche Institutionen existieren kann. Als Menschen sind sie individuell oft
auch über andere Einkünfte, z. B. aus eigenem Landbesitz, in der Lage, sich zu repro-
duzieren. Siehe zu den Reproduktionsbedingungen Fitzenreiter 2004.b; Fitzenreiter
2011.c.
35
Hierzu: Barta 1970, 86–90.

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Zelt, einen temporären Raum, und das Fest-Gerät – eine nicht im pro-
fanen Bereich übliche Alabasterschale als gereinigten, liminalen Grund
markiert). Dem Kontext nach sollte es sich um Zeremonien handeln, die
mit der Bildproduktion zu tun haben. Über eine der hier wohl gemein-
ten zeremoniellen Handlungsfolgen (= Rituale) sind wir einigermaßen
informiert, nämlich über das sogenannte „Mundöffnungsritual“.36 Dieses
Ritual wird traditionell am zentralen Abbild des Toten durchgeführt: an
seinem zur Mumie gestalteten Körper. Doch wird es bzw. werden Zere-
monien, die im Mundöffnungsritual produktiv sind, auch an anderen
Abbildern und Objekten zur Inaugurierung ihrer Wirksamkeit vollzogen,
zum Beispiel an Götterbildern, Tiermumien und auch an Reliefbildern in
Tempeln.37 Prinzipiell dient das Ritual der Präsentmachung aller Kon-
zepte, die mit der Bildmedienproduktion verbunden sind. Das Ritual
verbindet die symbolische Arbeit – als sakramentaler Vorgang der Deu-
tung und „Verzauberung“38 – mit den Etappen einer Bildproduktion. Im
abschließenden Akt der „Mundöffnung“ vollzieht sich am / im Bild der
Umschlag von Absenz in Präsenz, von Latenz in agency, vom Abbild zum
Aktant. Dabei sind das Wissen um die richtige Technik und das Wissen
um die zeremonielle – und das heißt nichts anderes als: technologische
– Deutung unmittelbar verbunden. Es sind auch diese besonderen Kennt-
nisse und Fähigkeiten, die die agency des Objektes erkennen lassen, wenn
dieses noch in den Herstellungsprozess der châine opératoire gebunden
ist, wie im Kapitel 9 beschrieben. In gewisser Weise beginnt diese kon-
zeptuelle Durchdringung bereits, noch ehe das eigentliche Werk begon-
nen werden kann. Im Textbestand des Mundöffnungsrituals hat Hans-W.
Fischer-Elfert eine Reihe von zeremoniellen Vorgängen herausarbeiten

36
Otto 1960; Smith 1993; Quack 2005.
37 Cruz-Uribe 1999.
38
Diese Verzauberung bedient sich der Technik der beständigen Verschiebung bei der
Konzeptualisierung des Zusammenspiels von Ursache und Wirkung, so dass schließ-
lich diese Wechselwirkung immer genauso konkret ist, wie sie offen und damit inter-
pretabel bleibt; siehe Fitzenreiter 2018.b.

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258 Signale und Stimmen

können, die die eigentliche Bildnerei vorbereiten.39 Dazu gehört eine Art
visionäre Schau des zukünftigen Bildes bereits im unbearbeiteten Mate-
rial, welches der Handwerker „einfangen“ muss; eine Anspielung auf
das zauberhafte Genie des Schöpfers und eventuell eine Paraphrase auf
das Arbeiten mit dem Quadratnetz, in das der Vorzeichner seine Bilder
einschreibt, ehe sie aus dem Block „herausgeholt“ werden. Im Zusam-
menhang mit dem hier behandelten Befund mag es daran erinnern, dass
jene, welche das Depot der Qubbet el-Hawa angelegt haben, im Halbzeug
bereits die Sakralentität – den Gott – erkannten.
Irtisens Bemerkungen über den schöpferischen Prozess erlauben uns
auch einen Einblick in die Konzeptualisierung der Tätigkeiten. Was soviel
heißt wie: Wie die Produzenten ihre Tätigkeiten selbst erlebt haben. Dass
der Wissensaustausch zwischen Menschen und Dingen in Erfahrungen,
auch ästhetisch überhöhter Art, stattfindet, war in Kapitel 5 besprochen
worden. Die von Irtisen beschriebenen Erfahrungen von Wissen40 werden
vom diesem als Aspekte seiner Persönlichkeit präsentiert, sind also Be-
Kenntnisse einer individuellen Haltung, auch im Sinne unseres Sprach-
gebrauchs. Der in der Stele zusammengefasste „Katalog vom Fachwis-
sen eines bildenden Künstlers“ (Winfried Barta) stellt so nicht nur einen
Katalog für Nachgeborene dar, sondern als Medium und extension des
Irtisen selbst auch dessen Persönlichkeit vor und eigentlich erst her. Er
umschreibt aber auch das, was aus der Fremdperspektive wahrgenom-
men werden sollte, so man die Stele als ein Medium mit einer message
ansieht.

Dass wie hier tatsächlich handwerkliches Wissen thematisiert wird, ist


selten. Die Berufssatire etwa meidet Referenzen auf solche besonderen
Kenntnisse und mag körperliche Arbeit nur als Strafe thematisieren.
39 Fischer-Elfert 1998. Vgl. die kritische Sicht bei Altenmüller 2010.
40
Ägyptisch durch die 1. Pers. Sing. Pseudopartizip- / Stativ-/ Resultativform des
Wortstammes rX / „kennenlernen“ ausgedrückt – rX=kw(j) : „ich habe kennenge-
lernt / erfahren“ = ich weiß – mit der er jedes Bekenntnis beginnt. Zu dieser gram-
matikalisch durchaus besonderen Form der Wortstammes rX: Werning 2018, § 72.

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Stimmen 259

Andere Quellen aber sprechen die bei Irtisen demonstrierte Kenntnis des
Fachkataloges durchaus positiv an. Nicht zuletzt Platons Bild von ägyp-
tischer Bildnerei ist durch die Imagination eines fachspezifischen Kanons
geprägt, den die Künstler kennen und befolgen (müssen).41 Doch schon
in der Ramessidenzeit (um 1.250 v. u. Z.) gibt es in der Grabanlage des
Wesir Paser (TT 106) eine Szene, in der, ähnlich dem Werkstattbild in der
Anlage des Huja, in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Auszeich-
nungsszene des Grabherrn, das „Goldhaus“ – die Produktionsstätte von
Bildern – vom Wesir besucht wird.42 Dem Wesir wird dort eine Statue des
(lange verstorbenen) Königs Sethos I. präsentiert und der inspizierende
Beamte lobt die Bildproduktion mit den Worten:

… der Wesir Paser, gerechtfertigt, er sagt: Möge Ptah dich loben,


Bildhauer (s.onX)! Sehr, sehr schön ist diese Statue des Herrn die du
gemacht hast! „Lass sie so werden wie die alte / eines des Altertums!“
So sagte man (= der König) im Palast – und siehe: man (= der König)
ist zufrieden.“43

Offenbar bezieht sich die Rede auf ein erneuertes oder – im Sinne einer
Ikonenproduktion, wie sie in den orthodoxen Kirchen gepflegt wird –
nach einem bestimmten Vorbild geschaffenes Bildwerk. Die richtigen
Regeln zu kennen und zu können, macht aus der Fremdperspektive die
besondere Fähigkeit, das heißt auch: Eigenschaft des (Kunst-)Handwer-
kers aus. Wobei diese brave Orientierung am Althergebrachten, aus der
Sicht eines Verwaltungsbeamten geäußert, wieder an die demütigen
Schreiber der Berufssatiren gemahnt, die ja nichts falsch machen wollen.

41
Davis 1979; Assmann 1992.b, 55–58. Siehe zur soziokulturellen Dimension dieser
Vision von einer Kunst, die Menschen in einer bestimmten Weise formen soll – also
dem eigentlichen Ziel von Platons Beschäftigung mit der pharaonischen Kultur –
Dawydow 1974.
42 Zu dieser Szene ausführlich: Assmann 1992.b. Zum „Goldhaus“ als der Produktions-
stätte von Bildern und der dort tätigen Handwerkerschaft siehe noch unten Kap. 17.
43
Übersetzung nach Assmann 1992.b, 44.

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260 Signale und Stimmen

So kann nur das Urteil eines connaisseurs ausfallen, der sich für beson-
ders kundig in Kunstdingen hält. Hier spricht nicht der mit Hk#-Talent
ausgestattete Gestalter, sondern der biedere Rezipient. „Selbstzeugnisse“
ägyptischer (Kunst-)Handwerker stellen demgegenüber immer wieder
das Neue und bisher nicht Dagewesene ihrer Schöpfungen heraus. Bei
Irtisen und Seni ist diese Haltung implizit; schon in der 4. Dynastie (um
2.550 v. u. Z.) wird in einer Inschrift zur neuen Technik des „Pastenreli-
efs“ in der Grabanlage des Nefermaat das Außergewöhnliche dieser Erfin-
dung hervorgehoben;44 Zeugnisse der Bildhauerfamilie des Bak aus der
Amarnazeit thematisieren dies auch, wobei dort dem decorum folgend der
Pharao als Quelle der Inspiration erscheint.45 Das Vergangene zu errei-
chen und zu übertreffen ist zumindest bis in das Neue Reich ein Topos der
pharaonischen Kulturproduktion46 – Platons Imagination einer skleroti-
schen Kultur zum Trotz, die für die Rezeption altägyptischer Kunst bis
heute so verhängnisvoll ist.

11.3. Kontext

Die Frage am Anfang dieses Teils lautete, wie an die Menschen heranzu-
kommen sei. Der Weg dahin war, über die Bilder zu gehen; Bilder, die uns
zeigen, wie Menschen Tätigkeiten ausüben, aber auch zeigen, wie diese
Tätigkeiten selbst die Menschen machen und was sie aus ihnen machen.
Doch sind diese Botschaften an Medien gebunden, deren diffuse Signale
44 Petrie 1891, pl. XXIV; siehe zu der viel diskutierten Inschrift u. a. und mit Hinweis
auf die darin ausgedrückte individuelle Leistung: van Walsem 2013, 135.
45
Krauss 1986. Zur Rolle des Königs im Rahmen der Bildproduktion im Mittleren Reich:
Müller 2006. Auch der dem Wesir Paser antwortende Bildhauer äußert sich dement-
sprechend, setzen allerdings den Wesir (= Grabherrn) ein: „Du (= der Wesir) öff-
nest allen Berufen / Ämtern das Gesicht (= die Augen), denn deine Lehre (derselbe
Begriff wie der für die „Lehre des Cheti“) geht um (in) der Werkstatt!“ Dass die recht
dick auftragenden Beischriften in TT 106 durchaus mit ironischem Unterton gelesen
werden können, merkt Assmann 1992.b, 53 an.
46 Siehe das Konzept der „Erweiterung des Bestehenden“, mit dem Hornung 1985
dieses Phänomen formuliert.

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Stimmen 261

man erst entschlüsseln muss und die man nur entschlüsseln kann, wenn
man ihren Kontext und die Funktion kennt.47 Nur aus dem Kontext des
funerären Kultes erhalten Grabbilder einen Sinn; die Berufssatiren werden
erst aus dem Kontext ihrer Rezeption als literarische Werke sinnvoll; eine
funeräre Stele wie die des Irtisen muss als ein Denkmal des Sozialkultes
und extension des Steleninhabers verstanden werden.
Zugleich sind die Medien auch Dinge mit eigener agency und wirken
so an der Gestaltung der Botschaft schon im Moment der Formulierung
mit, wenn also das Medium aus sich heraus in der Gestaltung aktiv wird.
Grabbilder folgen eigenen Gesetzen, literarische Werke wieder anderen.
Die Berufssatire als eine (Berufs-)Typologie zu verstehen ist gefährlich, da
die schiere Lust an der Gestaltung und Variation in einigen Berufsbe-
schreibungen weit darüber hinausgeht, einen Beruf zu charakterisieren,
wenn zum Beispiel im Bild vom Vogelfänger die (erfolglose) Gottessu-
che angesprochen wird und der Fischfänger für die Mühsal des Daseins
schlechthin steht. Hier geht es nicht um die Beschreibung verwirrter Fal-
lensteller, sondern um die des seinem Schicksal ausgelieferten Menschen;
der Beruf ist nur Metapher.
Noch stärker ist aber die agency des erst einmal Geschaffenen. Dessen
vielschichtige, sozusagen spektrale Signale induzieren das, was wir als
Rezeption bezeichnen. Und diese Rezeption besteht bei weitem nicht nur
in der Dechiffrierung der (vielleicht) intendierten Botschaft des Schöp-
fers. Rezeption selbst ist ein schöpferischer Vorgang, der die Botschaft
oft falsch versteht oder anders auslegt, sie aber auch dekonstruieren,
hinter die Maske des inhärenten Vorurteils blicken kann. Dies bedingt
die Offenheit solcher Prozesse und ermöglicht scheinbar widersprüchli-
che Phänomene wie die Rezeption der Satire über die Handwerker durch
die Handwerker – womöglich in der Art einer Satire auf die Lehren der
Schreiber. Beobachtungen über das „wirkliche Leben“ der Dinge, das sich
in den Facetten der Rezeption verwirklicht, lassen uns nachzeichnen, wie

47
Hierzu: Quirke 2018, 175–177.

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262 Signale und Stimmen

unterschiedlich Phänomene wahrgenommen werden können: dass etwas,


das man den Anderen in pejorativer, Distanz markierender Weise zuord-
net, von diesen in eigenwilliger Weise zur Bestimmung des Selbst akti-
viert wird, etwa als trinkfester Handwerker und exzentrischer Künstler.
Die Überreste der Wohnhäuser von Handwerkern in Deir el-Medineh und
in Amarna, ihrer Ausstattung und auch die Relikte der Lebensführung
bezeugen nicht nur die Schreib- und Lesefähigkeit der Bewohner, son-
dern überhaupt ein besonderes Maß an „Kultiviertheit“, d. h. am aktiven
Umgang mit den Zeichen der pharaonischen Hochkultur.48 Und zuletzt
zeigen das in Amarna gefundene Gehöft des mutmaßlichen Schöpfers
der Nofretete-Büste, Thutmosis, wie hoch ein geschätzter Bildner wohl
nicht nur materiell, sondern auch sozial steigen konnte.49 Dies mahnt
uns, die pharaonische „Hochkultur“ nicht als Ereignis einer kleinen Per-
sonengruppe zu sehen, sondern als eine breite kulturelle Matrix, deren
Verästlung wir bis in den Beigabenbestand auch der Gräber sehr armer
und sehr geschundener Menschen sehen können. Präsentieren uns deren
Körper auch alle Leiden und Verletzungen, in deren Beschreibung die
Berufssatiren schwelgen und die die Bilder der Grabdekoration mit oft
makaberer Humorigkeit präsentieren, so liegen auf ihren Herzen doch
Amulette, umfasst ihren gebrochenen Körper doch (gelegentlich) ein
dekorierter Sarg.50 Auch solche Signale malen ein Bild.
Betrachten wir all diese Bilder, so sollten wir deren Zeitlichkeit und
Konkretheit nicht vergessen. Wir durchmessen in diesem Abschnitt (und
im ganzen Buch) leichtfüßig einen Zeitraum, gegen den die abendlän-

48
Meskell 2002; Parkinson 2009, 187–207.
49
Krauß 1983; Fitzenreiter 2008; Seyfried 2012; Widmaier 2013, 512–527.
50 Mit dem sogenannten northern cemetery wurde in Amarna der Bestattungsplatz einer
Bevölkerungsgruppe erfasst, auf den diese traurige Beschreibung zutrifft (Kemp
2018, 374–376). Zu den Traumata an in Elephantine gefundenen geschundenen Kör-
pern, die zum großen Teil durch das Abwehren von Schlägen zurückzuführen sind:
Gresky et al. 2013. Demgegenüber zeigen die Bestattungen der oberen Schichten
der Handwerkerschaft in Deir el-Medineh, soweit erhalten, einen gehobenen Beiga-
benbestand und wohl auch eine erquicklichere Lebenssituation (Smith 1992; Näser
2008).

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Stimmen 263

dische Kunstgeschichte ein Wimpernschlag ist (zumindest, wenn man


diese erst mit der Renaissance beginnen lässt). Jedes Bild ist neben seiner
medialen und diskursive Bedingtheit auch historische gebunden. Grab-
dekorationen im Alten und im Neuen Reich präsentieren Handwerker-
szenen; doch hat sich der funktionale Kontext geändert; und das erst
recht, wenn im Grab eines Ibi aus der 26. Dynastie (um 600 v. u. Z.)
freie Kopien von Handwerkerdarstellungen aus der Grabanlage eines
gleichnamigen Fürsten aus dem Alten Reich (um 2.200 v. u. Z.) abgebil-
det werden (Abb. 11.4).51 Das Bild aus der 26. Dynastie fällt historisch
genau in den Horizont des Konvolutes von der Qubbet el-Hawa und ist
doch in keiner Weise ein zeitgenössischer Blick auf das Metallhandwerk.
In quasi platonischer Manier wird hier ein Bildkanon aufgerufen, der
beinahe zweitausend Jahre alt ist, als man noch nicht mit dem Blasebalg
arbeitete und Treibarbeiten aus gegossenen Blechen herstellte. Technisch
und technologisch war man da an der Qubbet el-Hawa auf einem ganz
anderen Niveau.
Wenn Bilder immer wieder dazu anregen, sich ihnen und mit ihnen
aus(einander)zusetzen, dann darf auch stets eine neue Facette der Sinn-
produktion erwartet werden. Beispielhaft ist die jüngst in die Diskussion
geratene Datierung der Berufssatiren, als deren Abfassungszeit traditionell
das Mittlere Reich gilt und deren Beschreibungen entsprechend auch auf
die Situation im Mittleren Reich bezogen wurden, während doch alle zur
Verfügung stehenden Belege in das Neue Reich datieren.52 Es bleibt fest-
zuhalten, dass die hier diskutierten Bilder auch immer Schnappschüsse
sind, konkret und individuell. Aber gerade darin liegt auch ihr besonde-
rer Wert.

51
Davies 1902, pl. XIII–XVI und im Vergleich dazu die thebanische Variante: pl. XXIV;
zum Phänomen der Kopie: Fitzenreiter 2014.b, 52–62.
52 Widmaier 2013 verweist darauf, dass alle Textbelege der Berufssatiren zumindest
deren Rezeption nur in der 18. und 19. Dynastie bezeugen.

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Abb. 11.4.a+b: „Traditionelles Handwerk“ – Darstellung der Inspektion von Handwer-


kern im Grab des Ibi in Deir el-Gebrâwi, 6. Dyn. (um 2.200 v. u. Z.) sowie freie Kopie
dieser Szene im Grab des Ibi in Theben-West, 26. Dyn. (um 600 v. u. Z.). Während in der
6. Dynastie die Szenerie der Affirmation von Kultausrüstung und dem Zugriff des Grab-
herrn auf die Arbeit Anderer dient, ist die Kopie der Spätzeit vor allem eines: das Spiel
mit der Tradition, die Selbstvergewisserung einer Kultur.

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Stimmen 265

11.4. Modus

Wie aber werden solche Bilder konstruiert und welche Ansichten signali-
sieren diese Bilder von und auf Menschen, Dinge und Technik? Es lassen
sich am vorgestellten Material drei Modi beschreiben:
Der erste Beschreibungsmodus ist der, wie ihn die Motive der Grab-
dekoration zeigen. Es sind Bilder über sie; Beschreibungen von Anderen
aus großer Distanz, bei denen Wir einem völlig anderen Sinn- und Seins-
bereich zugeordnet sind (dem Kult und der Kultgemeinde) als die Ande-
ren, die allein ihren Sinn in der Dingeproduktion haben. Wobei gerade
deshalb diese Bilder die meisten technischen Einzelheiten konservieren.
Hier werden die Menschen eindeutig den Dingen und der Auseinan-
dersetzung mit den Dingen zugeordnet; man kann auch sagen: auf ihre
Technik reduziert. Das ist ein Ansatz, in dem die Technik den Menschen
tatsächlich dominiert. Es sind dies auch die Bilder, die die diskutierten
Begriffe der (Schrift-)Sprache zeichnen, in denen Menschenbezeichnun-
gen aus den Worten für Gegenstände oder Techniken abgeleitet werden:
„Bein(schnitz)er“ (Qs.tj), „Metaller“ (Hmw.w) usw.
Einen zweiten Modus schlagen die mit dem Stilmittel der Charakte-
ristik arbeitenden Texte an, wie in den Berufssatiren. Hier wird ein Tätig-
keitsbereich – nämlich der an Schreibtechnik, Schreibwerkzeug und
Schreibmaterial gebundene des Schreibers – anderen Tätigkeitsbereichen
gegenübergestellt und so zur Binnendifferenzierung innerhalb der Welt
der Tätigkeiten und der an diese gebundenen Tätigen genutzt. Im Zent-
rum dieser Auseinandersetzung steht der Begriff Jawut (j#w.t) / „Amt“:53
die über eine bestimmte berufliche Funktion vermittelte Position in der
Gesellschaft unter dem Aspekt des „Sozialen Nr. 2“; nicht als Teil einer

53
Der Begriff wird auch als „Beruf“ übersetzt, was im Kontext auch treffend ist, aber
die enge Beziehung des Wortes zu einer sozialen Position etwas verwischt. In j#w.t
fallen Rolle und Status sehr viel enger zusammen, als im deutschen „Beruf“ – bzw. es
muss einem die statusbildende Funktion einer Berufsbezeichnung im Deutschen erst
wieder bewusst gemacht werden. Im Begriff der / des „Frau / Herr Doktor“ kommt
zumindest im medizinischen Bereich diese Ambivalenz noch sehr schön zum Tragen.

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266 Signale und Stimmen

Familie, Sippe, eines Ortes oder einer Tempelgemeinde, sondern als Funk-
tionsträger. Das Ganze hat auch den ironischen Effekt, dass jene, von
denen der Schreiber sich differenziert, ähnliche Differenzierungsmodi
übernehmen und sie auch ambivalent zur Selbstreflektion und nuancier-
ten Distanzsetzung nutzten. Es wird also sowohl über sie (Andere) und
sich (Selbst) reflektiert. Dabei geht es nicht mehr (nur) darum, Menschen
ihren Dingen zuzuordnen, sondern besonders darum, Menschen einan-
der zuzuordnen, und die Technik wird zum Attribut. Insbesondere zu
einem Attribut, das auf die Körperlichkeit des Individuums einwirkt und
diese gestaltet, durch Hitze, Schmutz, harte Arbeit und sonstige sich dem
Körper einschreibende Vorgänge bis hin zur Art der Rede. Gerade die
Berufssatiren heben gezielt darauf ab zu zeigen, wie die Technik auf ganz
handfeste Weise Unterschiede bereits in der äußeren Konstitution von
Menschen schafft, wie sie sich in den Körper „einschreibt“ und den Hyb-
riden formt – morphologisch, olfaktorisch, dialektal.
Ein dritter Modus ist durch die Signaturen und Selbstzeugnisse ver-
treten. Er benötigt die Anderen kaum noch zur Distanzgewinnung, son-
dern beschränkt sich darauf, das Selbst zu beschreiben. Wie in den beiden
anderen Modi werden Dinge und Techniken herangezogen und mitunter
mögen es auch dieselben Topoi sein. Doch wird die Beschreibung hier
weitaus mehr in die Tiefe geführt. Es wird thematisiert, nicht, wie die
Technik den Körper (de)formiert, sondern wie das Wissen um die Tech-
nik das Individuum als Selbst (mit)gestaltet. Entsprechend wird das Wis-
sen – die Technologie – auch zur Metapher des Selbst und zur Wurzel
der Selbstbeschreibung: „Schreiber / Zeichner“ (zS),„Bildhauer / Beleber“
(s.onX). Wenn Irtisen sein Selbstbild als einer entwirft, der Anspruch auf
königliche Gunst (und die Weitergabe dieser an seinen Sohn) hat, dann
hebt er seine besonderen Kenntnisse und Begabungen hervor, die aus
einer ganz speziellen Vertrautheit mit seinem Metier erwachsen. Wie ela-
boriert die Stimme der Fachleute tatsächlich sein kann, lohnt sich noch
ein wenig weiter zu verfolgen.

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Wesen 267

WESEN UND MYTHOS

In den letzten Kapiteln stand der Mensch im Fokus, wie er den Umgang
mit Technik erlebt und sich durch das Erleben dieses Umgangs verändert
und formt. Nun sollen wieder die Dinge betrachtet werden und eben-
falls das, was mit ihnen im Zuge technischer Vorgänge geschieht. Bemer-
kenswerter Weise sind dies Vorgänge, die dem nicht unähnlich sind,
was Menschen widerfährt, wenn sie am rußigen Ofen oder in der elitis-
tischen Schreiberschule aktiv werden. So, wie der Umgang mit Dingen
den Menschen verändert und ihn erst macht, äußerlich in Erscheinung
und innerlich im Wesen, so ist es auch mit den Dingen, sobald sie in den
Umgang mit Menschen geraten. Ihre Erscheinung ändert sich, doch auch
ihr Wesen oder – im Sprachgebrauch eines eher naturwissenschaftlichen
Diskurses – ihre Substanz.

12. Wesen

Um zu erfahren, was in der Antike die Auseinandersetzung mit Dingen


mit dem Wesen der Menschen machten, mussten – in Ermangelung der
Menschen – Medien herangezogen werden, die als die extensions of man
diese Vorgänge abbilden. Wiewohl wir – im Gegensatz zu den Menschen
– die antiken Dinge heute noch haben, wäre es ein Fehler, sie als das
zu nehmen, was sie (scheinbar) sind. Denn das, was sie sind, sind sie im
Heute. Im Fall der Objekte von der Qubbet el-Hawa sind diese heute
zum Beispiel ein „Grabfund“, ein „Zeugnis für das antike Wachsaus-
schmelzverfahren“, eine „Osirisfigur“, ein „Museumsstück“, aber auch:
eine „Wachs-Mastix-Mischung“, eine „Bleibronze“. So benennen wir sie.
So versuchen wir, das Wesentliche zu erfassen. Um zu erfahren, was ihr

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268 Wesen und Mythos

Wesen damals war, können wir aber nicht einfach nach Begriffen greifen,
mit denen wir heute die Kommunikation mit den Dingen gestalten. Wir
müssen die Sprache der Dinge in ihren antiken Kontexten erlernen und
Bilder finden, die uns das Wesen der Dinge in jener Zeit vor Augen füh-
ren. Wir müssen also auch in diesem Fall nach Medien Ausschau halten,
über die seinerzeit mit den Dingen kommuniziert wurde und die sich
damals als extensions der Dinge etabliert hatten.1

12.1. Namen

Heute beschreiben wir Dinge dann, wenn wir deren Substanz und so auch
das Wesen ihrer (oft genug geheimnisvollen) agency präzise festhalten
wollen, über Formeln und Namen. So besteht in der Schriftsprache der
Metallurgen die Legierung „CuZn37“ aus einer Kupferbasis, der 37 %
Zink zugefügt wurden.2 Formeln wie diese machen durch die sinnfäl-
lige Zusammenstellung von Zeichen stoffliche Eigenschaften deutlich und
können über die Syntax von Gleichungen die Stoffe als etwas Handelndes
beschreiben, charakterisieren also deren agency. So mancher Stoff bedarf
aber nicht einmal der komplizierten Formel, sondern es genügt ein –
aus naturwissenschaftlicher Sicht – Trivialname. Bronze ist für uns heute
ganz natürlich eine Verbindung der Elemente Kupfer und Zinn (oder Blei
usw.). Edelmetalle zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Reaktion mit

1
Siehe in diesem Zusammenhang die natürlich provokant gefasste These von Latour
2000, dass Ramses II. nicht – wie durch naturwissenschaftliche Befundansprache
messerscharf erwiesen – an Tuberkulose gestorben sei, weil es Tuberkulose seinerzeit
noch gar nicht gab. Tuberkulose, wie wir sie heute erfassen, ist ein Phänomen – ein
Ding –, das erst mit der Entdeckung des Mycobacterium tuberculosis im Jahr 1882
durch Robert Koch entstanden ist. Was auf den ersten Blick als wichtigtuerische
Sophistik erscheint, ist von allerhöchster Bedeutung, wenn es z. B. um den Umgang
mit einem solchen Phänomen geht. Wie immer die Ärzte Ramses’ II. Krankheit und
Tod konzeptualisiert hatten, sie werden entsprechende Mittel und Methoden ent-
wickelt haben, damit umzugehen. Also ganz anders, aber im Prinzip genau so, wie
heute mit dem als Tuberkulose beschriebenen Phänomen umgegangen wird.
2
< https://de.wikipedia.org/wiki/Legierung > (24.05.2017).

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Wesen 269

Luft verweigern. Quecksilber ist das einzige Metall, das bei Normaltempe-
ratur flüssig ist. Derartige Benennungen, seien es Trivialnamen oder auch
komplizierte Formeln, sind scheinbar so objektiv, dass man sie oft genug
für das Ding oder den Stoff überhaupt hält. Spätestens dann aber, wenn
an die Stelle einer älteren Bezeichnung eine neue tritt, wird deutlich,
dass auch ein Name oder eine Formel nichts anderes als ein Bild dessen
ist, was an Wissen zwischen Mensch und Ding über dessen Stofflichkeit
ausgetauscht wurde. Die erwähnte Legierung „CuZn37“ wurde noch vor
Kurzem als „Messing 63“ bezeichnet und hatte davor und daneben wohl
noch viele andere Namen und Bilder – denn „CuZn37“ ist doch wohl viel
eher ein Bild als ein Wort.
Auch der Name und die Formel sind also Medien, mit denen auf ähn-
liche Weise über und mit den Dingen kommuniziert wird, wie in den
Berufssatiren und deren Charakteristik mit und über die Handwerker. Sie
beschreiben das, was zu einer bestimmten Zeit als das Wesentliche – und
damit auch das Wesen – des Dinges in einem bestimmten Kontext und aus
einer bestimmten Perspektive angesehen wird. Und da Kontexte und Per-
spektiven variieren, variieren auch die Benennungen. Auf einem Waren-
begleitschein ist „CuZn37“ angemessen, in der Dichtung „schimmerndes
Erz“. Solange, bis es einen besseren Namen, eine bessere Formel gibt,
oder wenigstens eine andere.
Verfolgt man diese Wege der konzeptuellen Reflektion der stoffli-
chen Eigenschaften der Dinge, wie man sie benannte, erklärte, abbildete
und diese Darstellungen und Erklärungen wieder verwarf – betreibt also
Geschichte der Naturwissenschaften3 – dann stößt man schnell auf Phäno-
mene, die denen ähneln, wie sie im vorangegangenen Kapitel behandelt
wurden. Dinge werden auf andere Weise benannt als heute, ihr Wesen
wird anders erfasst, ihr Wirken anders erklärt. Bei dieser Beobachtung
dessen, was Dinge erleben und wie sie es erleben, können, ähnlich wie
bei der Beobachtung der Menschen, wieder zeitgenössische Schriften und

3
Kuhn 1973; Strube 1999.

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270 Wesen und Mythos

Bilder herangezogen werden, in denen über und gegebenenfalls sogar


mit den Dingen kommuniziert wird. Genauso aber, wie uns historische
Quellen nicht einfach das „wirkliche Leben“ der Menschen zeigen, so zei-
gen die historischen Quellen uns nicht einfach das „wirkliche Leben“ der
Dinge. Genau wie bei der Beschreibung von Menschen sind Beschreibun-
gen, Bezeichnungen, Formeln und Gleichungen als Medien zu verstehen,
die den Bedingungen ihres Kontextes unterworfen sind.4 Werden sie ent-
sprechend analysiert, helfen sie uns zu erfahren, was die Dinge seinerzeit
waren, worin ihre Substanz damals bestand. Möglicherweise ist das eine
andere, als sie es heute ist. Auch das Wesen der Dinge ist historisch.

12.2. Zuhören

Indem Menschen Dingen Namen geben, schreiben sie deren Wesen fest. Es
ist das Ziel jeder Wissenschaft, so „auf den Grund der Dinge“ zu gehen.5
Die Kommunikation, das aufeinander Hören zwischen Dingen und Men-
schen bricht in dem Moment ab, in dem die Benennung erfolgreich war.
Daher sind die Dinge stumm, wenn sie gewohnt sind, wenn sie Namen
haben, die uns ihr Wesen erfassen lassen, und sie sich dieser Erfassung
gemäß verhalten. In diesem Moment halten wir Menschen die Dinge für
Objekte: gefügige Diener, die von Menschen gelenkt sind. Nach Bruno
Latour werden Dinge aber beredt, wenn sie ungewohnt sind. Ungewohnt
sind sie, weil sie entweder sehr neu sind (das nächste iPhone® lockt hör-

4
Auf diesen bemerkenswerten Umstand verweist Kuhn 1973, 181–190 wenn er dar-
legt, dass die Begrifflichkeit der Naturwissenschaften keineswegs eine geradlinige
Entwicklung zeigt, sondern Begriffe, die scheinbar dem zeitgenössischen Paradigma
so adäquat sind wie „Atom“ oder „Element“ zur Zeit ihrer „Erfindung“ und unter
den Bedingungen anderer Paradigmata ganz andere Bedeutungen hatten, als die, mit
denen sie heute Verwendung finden.
5
So heißt es im „Gesang vom Lernen“: „Wir wollen lernen, wir wollen begreifen, / die
Welt erkennen und uns verstehn, / wir wollen die Fernen des Weltraums durchstrei-
fen / und auf den Grund der Dinge sehn.“ (Text: Johannes R. Becher; Musik: Hanns
Eisler (< https://www.youtube.com/watch?v=3Yzvmshtkkk >; 05.06.2017).

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Wesen 271

bar), oder sehr alt (deshalb sprechen den Sammler antike Objekte eher an
als rezente), oder wenn sie in einem Unfall plötzlich dem Gerede von der
Herrschaft des Menschen schmerzhaft widersprechen.6 Auf der Qubbet
el-Hawa wurden Objekte aus einer Gießerei in einer Grabanlage abge-
legt. Das ist ungewohnt und widerspricht dem, was erwartet wird. Es soll
daher die bereits mehrfach angeschnittene Frage noch einmal gestellt
werden, warum diese Objekte an einem so ungewöhnlichen Ort verwahrt
wurden.
In einer ersten Ansprache vermutete nicht nur ich, dass hier ein glück-
loser Gießer nach einigen vergeblichen Gießversuchen (vielleicht im Hof-
bereich der Anlage?) seine Materialien deponiert hatte, eventuell, um sie
bei Gelegenheit doch noch zu verwenden. Es fand sich aber keine Gie-
ßerei und so musste das Ergebnis als ein Missverständnis beiseite getan
werden. Wir hatten zu sehr auf uns gehört, der Befund aber widersprach.
Doch blieben wir im Katalog zur Ausstellung „Gegossene Götter“ noch
bei der Ansicht, dass es sich bei den Objekten wohl zum größten Teil um
quasi an einem abgelegenen Ort verscharrte Gießereireste handelt.7 Wir
nannten die Objekte „Fehlgüsse“ und hielten sie immer noch für gewöhn-
lich und damit stumm. Erst allmählich mussten wir genauer hinhören,
als nämlich die CT-Modelle zeigten, dass in den angesprochenen For-
men keineswegs naiv heiße Bronze auf Wachs gegossen wurde. Vielmehr
handelte es sich bei den vermeintlichen Belegen für Unprofessionalität
um Formen, in denen Bronzefragmente von Osirisfiguren sorgfältig mit
Wachs ergänzt worden waren. Die Übersetzung dieser Informationen der
Dinge an uns lautet, dass wir es mit einer diffizilen Reparaturtechnik zu
tun haben: Ein Bronzefragment wird in Wachs ergänzt, das Ganze wird
eingeformt, ausgebrannt und in den vom Wachsmodell hinterlassenen
Hohlraum fließt Bronze, die so das fehlende Segment wieder herstellt.
Indem auch eine dünne Wachsschicht über das Bronzefragment gelegt
wurde, konnte Metall den fehlenden Teil wie durch eine dünne Haut an
6 Latour 2010, 136–139.
7
Fitzenreiter / Loeben / Raue / Wallenstein 2014, 105f.

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272 Wesen und Mythos

das Ursprungsfragment binden. An dieser Stelle der Interpretation, die so


in der Befundpublikation dokumentiert ist,8 war dem wissenschaftlichen
Ehrgeiz genüge getan. Nicht nur, dass das Konvolut von der Qubbet el-
Hawa wichtige neue Daten zum Formenaufbau und zur Wachsmodell-
herstellung erbrachte, auch die Feinheiten antiker Reparaturtechniken
ließen sich belegen! Wir nannten die Objekte „Reparaturformen“.
Und doch... Warum hat man dann die Reparatur nicht ausgeführt?
Warum hat man diese mit großem Aufwand hergestellten Reparaturfor-
men zusammen mit ganz leeren Hohlformen, einigen eindeutig durch
Fehlgüsse verunreinigten Formen und etlichem anderen Material hier
abgelegt? War den Gießern die Zeit davongelaufen, mussten sie also ihre
Werkstatt schließen und haben, wie bereits dargelegt, die bereits sakral
kontaminierten Stücke hier abgelegt? Ging es bei der Deponierung der
Objekte also nur um die gesicherte Entsorgung?

In einer solchen vorerst rätselhaften Situation ist es sinnvoll, eine zweite


Prämisse der ANT ins Gedächtnis zu rufen, nämlich die, Phänomene nicht
als Teil irgendwelcher übergeordneter Strukturen zu sehen, sondern ganz
„flach“ als das, was auf seine Weise einen Sinn hat.9 Was bedeutet, sich
hier nun endlich von der Mär zu verabschieden, dass diese Stücke Abfall
seien. Für das, was hier geschah, waren sie offenbar genau im passenden
Zustand, auch wenn dieser auf keine unserer Vorannahmen passt. Denn:
streng technik-technologisch gesehen sind die Gussformen natürlich für
den Guss vorgesehen und die Reparaturformen eindeutig Formen für
den Überfangguss. Die Frage bleibt, ob man deshalb zwingend schließen
muss, dass sie auch ausgegossen beziehungsweise die Stücke auf diese
Weise repariert werden sollten. Spätestens das Isis-Horus-Figürchen QH
207/14 aus Speckstein, dessen Oberkörper in Wachs nachmodelliert
wurde, war für einen Überfangguss völlig ungeeignet (Abb. 2.8.p). Das
heiße Metall hätte beim Auftreffen auf den Stein diesen durch den plötz-
8 Fitzenreiter / Willer / Auenmüller 2016.b, 136–140.
9
Latour, 2010, 299–326.

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Wesen 273

lichen Hitzeschock wenigstens teilweise zerstört. Man hat dieses Stück


auch gar nicht in der für den Überfangguss üblichen Weise eingeformt.
Dieses Stück – sicher ein zerbrochenes Altobjekt – sollte zumindest an
diesem Ort genau so sein. Ergänzt, wiederhergestellt, aber mit einem
Material, dem keine Dauer beschieden ist. Übertragen wir diese Feststel-
lung auch auf die anderen Stücke, dann kann ebenso und vielleicht etwas
unbekümmert behauptet werden: Zumindest hier, in der Grabanlage QH
207, sollten alle Objekte genau so sein. Wie benennen wir aber solche
Objekte?

12.3. Laboratorien

An dieser Stelle betrifft nun der Gesprächsbedarf nicht mehr die Objekte
allein. Es muss vielmehr ein Partner in das Gespräch einbezogen werden,
der zumindest ebenso für den seltsamen Umstand der Erhaltung verant-
wortlich ist, wie die Objekte selbst: der Ort. Der Ort also als Teil der
Materialität des Befundes, als Ding und Aktant, seine agency; was dieser
Ort also an Handlungen initiierte. Man kann auch sagen: der Ort als Labo-
ratorium, denn Laboratorien sind der klassische Ort der Auseinanderset-
zung mit Dingen (mögen sie nun Werkstatt, Fabrik oder Museum heißen).

Der Fundort des Konvolutes ist eine seinerzeit bereits weit über tau-
send Jahre genutzte funeräre Anlage. Traditionen, Bestattungssitten und
-gebräuche hatten sich in dieser langen Zeit mehrmals geändert, aber
etwas blieb dem Platz doch immer eigen: Es ist ein liminaler Ort, ein
Ort, der konzeptuell die Schwelle zwischen einem profanen Diesseits
und einem sakralen Jenseits darstellt. Schwellen laden ein, sie zu über-
schreiten, sie (ver)locken mit der Möglichkeit, ganz woanders zu sein.
Die ägyptische Formulierung dafür ist „Eintreten (und zugleich) Heraus-
gehen“ (oQ-pr).

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274 Wesen und Mythos

Aus dieser Schwellensituation heraus ist die Kammer auch ein Ort,
dessen agency es ist, eine Transgression zu stimulieren, eine Veränderung,
die mit dem Wechsel in eine andere raumzeitliche Sphäre und damit eine
Welt mit anderen Bedingungen verbunden ist. Was immer hier, jenseits
vom sonnigen Diesseits des Hofes in einer dunklen Kammer deponiert
wurde, wird von den Kräften der Grenzüberschreitung befallen. Seien es
die Körper von Verstorbenen, seien es Dinge, die diesen Körpern zugesellt
werden.
Doch bleiben die Dinge im Zuge der Transgression nicht das, was sie
sind. Sie wandeln sich und werden durch die Schwellensituation in dau-
erndem Wandel gehalten. Eine Schwellensituation, die sich auf die ganze
Kammer erstreckt, die zwischen Hell und Dunkel, Drinnen und Drau-
ßen, Oben und Unten, Vorn und Hinten, Luftraum und Felsen verharrt.
In dieser liminalen Situation, die durch ihre Unbestimmtheit verzaubert,
werden Leichen zu immerwährenden Mumien, denen durch ihr „Eintre-
ten“ in den liminalen Raum einerseits Schutz und Unversehrtheit garan-
tiert wird (oder werden soll), andererseits die Fähigkeit gegeben ist, als
Geist „herauszugehen am Tage“.10 In der liminalen Sphäre werden kleine
Mumienfigürchen zu Uschebtis, zu fleißigen Helferlein im Jenseits. Der
Sarg selbst, diese „ritual machine“ (Harco Willems), ist hier betriebsfähig
und kann den Toten schützen, ernähren, transportieren und sogar erset-
zen.11 Nur Labore halten solche Wunderlichkeiten der Transformation
bereit.
Soweit die Grundvoraussetzungen, sozusagen die Laborsituation, in
die das Konvolut eingebracht wurde. Aber warum eigentlich – und wozu?
Denn die Stücke sind ja keine Teile einer Grabausstattung. Um zu verste-
hen, dass Dinge von ungewöhnlicher Art in ungewöhnlichen Kontexten
unter bestimmten Bedingungen durchaus sinnvoll sein können, mag eine

10
So der klassische Totenwunsch, der in der als „Totenbuch“ bekannten Spruchsammlung
immer wieder affirmativ bestätigt wird und ihr im Ägyptischen auch den Namen
gegeben hat: „die Sprüche vom Herausgehen am Tage“ (Hornung 1979).
11
Willems 1988; Meyer-Dietrich 2006.

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Wesen 275

Parallele hilfreich sein. Heute befindet sich das Konvolut in der Samm-
lung des Ägyptischen Museums der Universität Bonn. Es gibt keine logi-
sche Verbindung zwischen dem Deponierungsort – der funerären Kapelle
– und dem heutigen Aufbewahrungsort – dem Museum. Zumindest ist
die Verbringung vom Grab ins Museum nicht im Deponierungsprozess in
einer Grabanlage angelegt oder gewollt. Die Verbringung in das Museum
verdankt sich der agency der Dinge, die in einer eher ungewöhnlichen,
zumindest von Menschen im Moment der Deponierung nicht intendierten
Konstellation – einer Ausgrabung – ganz andere Menschen veranlasst,
diese Dinge an sich zu nehmen und eventuell (auch das ist nicht zwin-
gend logisch, auch wenn es Weltkulturerbeethiker mitunter so darstellen)
in ein Museum zu schaffen. Ebenso ungewöhnlich ist in beiden Fällen
der Umgang mit den Objekten. Logisch wäre es in der Antike gewesen,
die Gussformen auszugießen und dann zu zerschlagen. Der plötzliche
Ausflug ins Museum zeigt, dass diese Dinge in einen ganz anderen Kon-
text geraten können, also nicht ausgegossen werden und schon gar nicht
zerschlagen. Und doch erfüllen sie in dem nur scheinbar merkwürdigen
Kontext des Museums eine vernünftige Funktion und zwar genau so, wie
sie sind: auf unfertige Weise vollkommen. Charakteristika dieser Situa-
tion sind zum einen der konservatorische Anspruch, dass Dinge in dem
Zustand erhalten bleiben sollen, in dem wir sie auffinden. Zum ande-
ren haben sie ihre Funktion im Sinne der archäologischen Wissenschaft,
indem sie bei der Beantwortung der Frage helfen, wie die Technik des
Wachsausschmelzverfahrens in der Antike funktionierte. Aus den Halb-
zeugen wurden Zeitzeugen und werden es hoffentlich auch bleiben (nie-
mand sollte sie zerschlagen wollen).
Übertragen wir diesen eigenartigen Vorgang vom Museum in Bonn
und dem Heute an die Qubbet el-Hawa und in die Antike, dann sind hier
Dinge, die wir im Lehrbuch als Zwischenschritte wiederfinden, in ein
Depot geraten, in dem sie offenbar keine Halbzeuge mehr sein sollten.
Der Verschluss der Kammer spricht auch für die Intention der dauerhaf-
ten Verwahrung, der Musealisierung gar nicht so unähnlich.

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276 Wesen und Mythos

Man könnte jetzt sagen, die Stücke wurden hier bestattet, wie es ein
wenig auch für das Museum zutrifft. Dies wäre der Prozess der sakralen
Deponierung, wie er unter anderem in Kapitel 7 skizziert wurde. Aber ein
Museum ist im günstigen Fall doch mehr als nur eine Grablege (jedenfalls
solange Restauratorinnen und Restauratoren die Macht noch nicht über-
nommen haben). Das Museum ist auch ein Laboratorium, in dem mit den
hier versammelten Dingen etwas passiert. Es wird an ihnen geforscht, sei
es, dass man ihre agency im Heute, ihren Einfluss auf Besucher und Rezi-
pienten untersucht (was bisher eher implizit geschieht),12 sei es – und vor
allem – dass man sie als Medien der Vergangenheit versteht und mittels
ihrer zu ergründen sucht, „wie es eigentlich gewesen“. So haben wir in
Bonn denn auch begonnen, daran zu forschen und Licht in einen Prozess
der Umwandlung von Wachsmodellen zu Bronzeobjekten gebracht; einen
Prozess, der sonst nie belegt ist, weil er nicht belegt sein kann, jedenfalls
dann, wenn das Lehrbuch Regie führt. Womit der Charakter des Depots
genau so, wie er ist, einen besonderen Sinn bekommt: Hier ist der Prozess
der Umwandlung von Wachs zu Bronze belegt. Es scheint fast, als hätte
man extra für uns wenigstens einmal diese flüchtigen Zwischenschritte
aufgehoben – und eben auch nichts anderes. So ausgeklügelt die Oririsfi-
guren repariert werden sollten und so sehr diese Technik auch auf Repa-
ratur deutet: sie wurde nicht durchgeführt; wahrscheinlich hatte man es
nicht einmal vor, sie durchzuführen – es fehlt den sogenannten Repara-
turformen das Angusssystem.13

Worum könnte es aber dann gegangen sein? Wir wissen es nicht. Ich
vermute aber, es ging um Technologie: um das Erfahren und Begreifen
einer Technik. Es ging darum zu verstehen, zu benennen, was das Wach-
sausschmelzverfahren ausmacht. Es ging um Stoffumwandlung, um das

12
Zu diesem Konzept vom Museum als „Laboratorium der Aneignung“: Fitzenreiter
2018.f.
13 Zumindest trifft dies für die großen Formen QH 207/38–40 zu. Anders ist es bei den
Formen QH 207/50+51, die einen Gusstrichter besitzen.

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Wesen 277

Beherrschen von Stoffumwandlung und um das Verstehen der Substanz-


veränderung bei der Stoffumwandlung. Nun ist Stoffumwandlung ein sehr
moderner Begriff und er ist naturwissenschaftlich okkupiert, er ist Sache
der Chemie. Entsprechend sind Forscher, die sich mit Stoffumwandlun-
gen beschäftigen, in der Regel Chemiker. Sie sind keine Forscher, die
sich mit den Osirisfigürchen befassen. Wenn sie dies täten, was wären
sie dann? Dann wäre ihre Chemie Alchemie und sie wären Alchemisten.

12.4. Alchemie

Diese großartige Wissenschaft der Transformation von Materie (und


Geist) beruft sich wohl nicht ohne Grund auf ägyptische Vorgänger.14
Und diese liegen eben nicht nur im esoterischen, sondern ganz besonders
im technologischen Bereich. Ich fürchte, an dieser Stelle muss etwas aus-
geholt werden.

Alchemie, in verschiedenen Spielarten seit der Spätantike im Mittelmeer-


raum, im arabischen Kulturkreis, in Indien und China und schließlich
vom Mittelalter bis in die Gegenwart in Europa betrieben, beschäftigt
sich in ihrem praktischen Kern mit der Umwandlung von Metallen, in
der Regel vom „Niederen“ zum „Höheren“ – zu Gold. Dieses Bestreben
ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle Interpretationen
von Alchemie bringen lassen; sowohl jene, die in ihr die Frühform und
gegebenenfalls auch Entgleisung der Wissenschaft von den Stoffen – der
Chemie – sehen; als auch jene, welche die Arbeit im Laboratorium nur
als den praktischen Teil eines ideellen Weges zur höheren Erkenntnis und
Veredlung des Menschen selbst betrachten.15

14
Daumas 1983; Ebeling 2014.
15 „Lassen wir also unser irgendwie vorgebildetes Gefühl sprechen und bezeichnen die
Alchemie als «die Kunst, gewisse Materialien zu höherem Sein zu veredeln, und
zwar derart, dass mit der Manipulation auch der um ihr Geheimnis ringende Mensch

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278 Wesen und Mythos

Die Metallwandlung wird in der Alchemie als ein Prozess der Reifung
oder auch Heilung beschrieben, durch den die unreineren Substanzen
hin zur natürlichen Reinheit gebracht werden. Nach alchemistischer Vor-
stellung ist diese Wandlung oder Transmutation der Stoffe ein Prozess,
den sie im Schoße der Erde ganz natürlich und über lange Zeiträume
hin durchmachen. Diese Idee des Wachstums der Metalle im Berg ist in
der Bergwerksmythologie verbreitet, in der man die Metalle in der Erde
„wachsen“ sieht.16 Wie alle Dinge sind auch die Stoffe belebt und aktiv,
sind Hervorbringungen der „Mutter Natur“.17 Sie wachsen, gedeihen und
sterben schließlich, so wie Menschen, Tiere und Pflanze auch. Alche-
misten gehen nun davon aus, dass im Reich der Metalle von Natur aus
immer die Reifung hin zum Gold angestrebt wird und nur durch Unreife
oder weil es Unterbrechung gab, andere Metalle bestehen. Diesen natür-
lichen Reifeprozess der Metalle, der mit Hilfe der Elemententheorie des
Empedokles, Aristoteles und anderer Naturphilosophen auch gut begrün-
det werden kann, möchte der Alchemist durch Manipulation der Stoffe
beschleunigen. Eine große Rolle spielt dabei ein Elixier, Pulver oder Stein
(der Weisen / Alchemisten / Philosophen), das bzw. der als eine Art Kata-
lysator den Umwandlungsprozess initiieren soll. Tatsächlich verwendet
der Alchemist den größten Teil seiner Arbeit darauf, diese Substanz her-
zustellen, die dann dem (geschmolzenen) Ausgangsmetall hinzugefügt
wird – man nennt das: tingieren – und dieses in kürzester Frist und ohne
oder kaum Gewichtsminderung (gegebenenfalls sogar -mehrung!) wan-
delt. In Gold natürlich.
Zur Herstellung dieser geheimnisvollen Substanz setzt der Alchemist
das gesamte Instrumentarium ein, das seit der Antike zur thermischen

in einen höheren Seinszustand versetzt wird».“ (Schütt 2000,12). Siehe auch:


Freschnofski 2005, 9–11.
16 Siehe das spätmittelalterliche „Bergbüchlein“ des Ulrich Rülein von Calnn (Pieper
1955), in dem Traditionswissen der Bergleute alchemistisch gedeutet wird (Eliade
1980, 52f).
17 Zur „Mutter Natur“ und ihrer Klage gegen die Menschen, die ihr den Leib aufreißen
schon im Mittelalter: Bredekamp 2003.

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Wesen 279

Stoffumwandlung zur Verfügung steht: vom Schmelztiegel über diverse


Kolben und Öfen bis zu Destillierapparaten (Abb. 12.1).18 Um nämlich
jenen geheimnisvollen Katalysator herzustellen, ist es nötig (und mög-
lich), wie beim Schnapsbrennen aus Wein, Korn, Zucker usw. die eigentli-

Abb. 12.1: Auf der Suche nach dem „Stein der Weisen“: Alchemistisches Laboratorium
zur Destillation der Essenz der Naturstoffe. (Destillatio; Kupferstich von Phillip Gallen (?)
nach Jan van der Straet, um 1600).

che Essenz des jeweiligen Stoffes zu gewinnen. Damit nun aus der Materie
deren Essenz sublimiert werden kann, wird diese einem totalen Transfor-
mationsprozess unterworfen. Durch diese Transformation, bei der Mate-
rie in phantasievoller Weise getötet, gekocht, zerstückelt wird, verwest
und sich auflöst, wird sie zuerst gereinigt, um dann, Schritt für Schritt

18 Eine eindrucksvolle Kollektion solcher Geräte brachten Ausgrabungen eines frühneu-


zeitlichen Laboratoriums in Wittenberge zu Tage: Meller / Reichenberger / Wunder-
lich 2016.

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280 Wesen und Mythos

destilliert über die Stufen Rot, Silber und Gold, schließlich zu einer Tink-
tur zu gelangen, die selbst die Kraft der Transformation, der „Reifung“
in sich trägt.
Der ganze Prozess der Laborarbeit kann aber nur gelingen, wenn
die an sich ja jahrhuntertelangwierigen irdischen, mikrokosmischen
Vorgänge der Metallreife über die Anbindung an eine makrokosmische
Zyklizität beschleunigt werden. Der Alchemist benötigt neben gehörigen
laboratorischen Fähigkeiten daher auch die Kenntnis astraler Vorgänge,
ohne die das „große Werk“ – so der Name – nicht gelingen kann. Hier erst
wird aus dem Laboranten der eigentliche Magier, der sich der Hilfe der
Kräfte des Makrokosmos bedienen kann, um Raum und Zeit zu relativie-
ren. Mit dem dann schließlich gewonnenen, hochgradig konzentrierten
Stoff könnte der Adept schließlich mühelos ganze Meere von Quecksilber
in Gold verwandeln (wenn es sie denn gäbe).19

Bis hier sind zwei Aspekte der Alchemie interessant: Zum einen, dass
sie sich dezidiert mit den Metallen beschäftigt. Andere Produkte wie das
Porzellan oder auch die heilende Wirkung des Elixiers („Panazee“) sind
eher nebensächlich.20 Zum zweiten, dass es um die Transformation der
Metalle geht, und zwar auf thermischem Wege: das Elixier wird stets
dem geschmolzenen Metall zugegeben und diese Tingierung verändert
dessen Wesen. Als ein dritter interessanter Aspekt kommt nun noch
hinzu, dass sich die Alchemie gern auf eine ägyptische Herkunft beruft.

19
„Mare tingerem si Mercurius esset. / Das Meer wollte ich in Gold verwandeln, wenn
es Quecksilber wäre.“ schreibt Raimundus Lullius in seinem Testamentum (Duobus
libris universam artem chymicam completens, seu Theoria Lapidis, 1566; siehe:
Schmieder 2005, 172).
20 Wie nebensächlich z. B. der von der Alchemie überzeugte Karl Christoph Schmie-
der die Herstellung des Porzellans durch den als Alchemisten angetretenen Johann
Friedrich Bötticher beurteilt, zeigt seine Bemerkung: „Zwar sah er sich ungern auf
den Berliner Laboranten reduziert (nachdem er das Goldmachen aufgegeben hatte,
M.F.), doch fügte er sich dem Unabwendbaren, ließ mancherlei Materialien herbei-
holen, und verfuhr nach der Memphitischen Tafel, d. h. er briet alles durcheinander.
Auf diese Weise erfand er zufällig 1704 das braune Jaspisporzellan und 1709 das
weiße Porzellan.“ (Schmieder 2005, 410)

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Wesen 281

Sogar eine der vielen Etymologien ihres Namens – Al-Kemija, „das Ägyp-
tische“ oder „die ägyptische (Kunst)“ – scheint darauf zu verweisen.21
Der berühmteste der frühen Alchemisten, Zosimos von Panopolis, war
Ägypter; die frühen Textzeugnisse (in griechischer Sprache) stammen aus
Ägypten und für die berühmtesten alchemistischen Urkunden – tabula
smaragdia und tabula memphitica – wird eine Findegeschichte tradiert, die
sie unmittelbar in den Kontext altägyptischer Tempel und Gräber setzt.
Auch ist der Urvater der Alchemie – Hermes Trismegistos – unverkenn-
bar mit Thot amalgamiert (um ein alchemistisches Bild zu verwenden).22
Jedoch datieren die frühesten Zeugnisse dessen, was im engeren Sinne
als Alchemie beschrieben werden kann, erst ab dem späten 3. / frühen 4.
Jahrhundert und diese Zeugnisse sind im Griechisch der Mittelmeerkoine
geschrieben.23 Unbestritten ist auch, dass das alchemistische Gedanken-
gut – zumindest in seiner im Mittelmeerraum verbreiteten Variante – von
der griechischen Naturphilosophie geprägt ist. Karl Christoph Schmieder
schreibt daher sehr zu recht in seiner 1832 erschienenen Geschichte der
Alchemie: „Die berühmte Hochschule zu Alexandria ist es, von welcher
die wissenschaftliche Idee der Alchemie, der Glaube an ihre Wahrheit,

21
Die Namensfrage ist hoch umstritten, und das bereits seit dem Mittelalter. Schon
die spätantiken Texte verwenden den Begriff χημεία offenbar als Fachterminus, der
sich von einer konkreten Ableitung gelöst hat. Als eine solche kommen einmal die
ägyptische Bezeichnung für „Schwarz“ (km) bzw. für „Ägypten“ (km.t, das „schwarze
(Land)“) in Frage; vgl. yhmi = Ägypten im späten (?) Koptisch (van der Vliet 2017,
173). Eine andere Variante ist, das griechische Wort χῡμός / „Saft“ von χέω / „gie-
ßen“ als Ursprung zu sehen, womit auf den Prozess des Metallgusses Bezug genom-
men würde. Durch den arabischen Artikel al- wurde daraus der in Europa geläufige
Begriff Al-Chemie. Weitere Ableitungen, u. a. aus dem Chinesischen, sind ebenso
möglich und diese Ambiguität in der Begrifflichkeit zeichnet die Alchemie auch aus
(Strube 1999, 6; Schütt 2000, 175–178; Schmieder 2005, 52; Richter 2010, 600,
Anm. 104; Cazenave 2014). Wie immer in der Begriffsgeschichte gilt: nicht die lin-
guistisch exakte Etymologie entscheidet über die Bedeutung eines Begriffes, sondern
der „Gebrauch in der Sprache“ (Wittgenstein).
22 Amalgamieren beschreibt die Fähigkeit des Quecksilbers (Mercurius – Hermes – Thot)
eine Legierung (Amalgam) mit anderen Metallen zu bilden, die bei Normaltemperatur
flüssig ist. Zum Zusammenhang von Hermes und Thot: Kákosy 1992; Bull 2018.
23 Siehe die Edition der Zeugnisse bei Berthelot / Ruelle 1887–88 sowie die noch nicht
abgeschlossene Reihe Les alchimistes grecs: u.a. Halleux 1981 u. Mertens 1995.

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282 Wesen und Mythos

und das Bestreben, die Metallveredlung zu erfinden, ausging, und in die-


sem Sinne ist freilich Ägypten das Mutterland der Alchemie, der Vater
aber ein griechischer Philosoph.“24 Wir sollten also nicht darauf verfal-
len, mit den Zeugnissen von der Qubbet el-Hawa die Alchemie unnötig in
die Vergangenheit zu verlängern.25
Auf ganz andere Weise aber verdient die Alchemie unser Interesse.
Alchemie verbindet eine Theorie mit einer Praxis. Genauer gesagt liegt
der Alchemie eine Theorie der thermischen Stoffumwandlung zugrunde
und die Theorie wird durch die Praxis der alchemistischen Versuche
getrieben, inspiriert und ausgebaut. Die Theorie hebt oft genug in moral-
philosophische und theologische Spekulation ab und kehrt doch immer
wieder an den alchemistischen Ofen zurück.26 So bleibt die Alchemie

24
Schmieder 2005, 83. Dass aber die ägyptische Mutter dabei keine unmaßgebliche
Rolle spielt, betont bereits Marcellin Berthelot: „L’Egypte en particulier, si riche en
objects de ce genre et qu’une tradition constante rattache aux premières origines de
l’Alchimie, c’est-à-dire de la vieille Chimie théorique et philosophique; l’Egypte, dis-
je, ne nous a livré jusqu’ici aucun document hiéroglyphique, relatif à l’art mysterieux
des transformations de la matière. Nous ne conaissons l’antique science d’Hermès,
la Science sacrée par excellence, que par les textes des alchimistes gréco-égyptiens;
source suspecte, troublée dès les débuts et altérée par les imaginations mystiques
de plusieurs générations de rêveurs et de scoliastes. C’est en Egypte cependant, je
le répète, que l’Alchimie a pris naissance; c’est là que le rêve de la transmutation
des Métaux apparaît d’abord et il a obsédé les esprits jusqu’au temps de Lavoisier.“
(Berthelot / Ruelle, 1887–88, 3f). Zur Tradition der Vorstellung von den ägyptischen
Wurzeln der Alchemie (und der damit eng verbundenen Hermetik), wie sie dann vor
allem in der frühen Neuzeit gepflegt wurde: Ebeling 2005; Ebeling 2014.
25 Alchemistische Schriften in engerem Sinne in koptischer Sprache sind erst im 9.
bis 10. Jahrhundert belegt und dann Übersetzungen aus griechischen und arabi-
schen Quellen, also keine Fortschreibungen einer pharaonischen Texttradition. Die
Sprache der klassischen Alchemie war auch in Ägypten das Griechische, bis es als
Wissenschaftssprache durch das Arabische abgelöst wurde. Wie Sebastian Richter
zeigen kann, führte erst die späte Blüte der koptischen Literatur dazu, dass auch das
Koptische als Wissenschaftssprache genutzt wurde und in diesem Zusammenhang
auch für alchemistische Schriften (Richter 2010, 593–595). Allerdings deuten Texte
aus dem koptisch geschriebenen Nag-Hammadi-Korpus auf alchemistisches Gedan-
kengut und alchemistische Praktiken in einem koptisch schreibenden Umfeld bereits
im 5. Jahrhundert (Burns 2015).
26 Dies unterscheidet die Alchemie grundsätzlich von allen (anderen) esoterischen
Spielarten, die sich gern ebenso auf Ägypten beziehen und zum Teil dieselben
Quellen und Monumente heranziehen (Klossowski de Rola 1974, 7). Zu anderen

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Wesen 283

immer auch eine Technologie, eine Lehre von der Technik der forcier-
ten Reifung der Metalle. So speziell der eigentliche Weg dann ist, den
die Alchemie seit dem 4. Jahrhundert als konzeptuelles Paradigma und
Denkgebäude in der spätantiken und mittelalterlichen Welt nimmt; der
alchemistische Zugang liefert uns ein Fenster, durch das wir mit einem
neuen Blickwinkel auf die pharaonische Technologie sehen können.27
Elemente dieser Perspektive sind: a) die Rolle der Stoffe und der thermi-
schen Techniken als Komponenten eines transformativen Prozesses; b)
die Rolle von Farbe als Substanzindikator, und schließlich, was uns im
folgenden Kapitel beschäftigen wird, c) die kognitive Verarbeitung von
technischen Prozessen mittels Mythemen.

12.5. Stoff

Der alchemistische Prozesse ist immer ein „heißer“ Prozess, sowohl bei
der Herstellung des Elixiers, als auch bei der finalen Transmutation des
Metalls durch die Tingierung mit diesem Substrat. Die Erhitzung und
damit Auflösung des Gefüges der das Elixier bildenden Stoffe dient der
Beschleunigung und damit Entzeitlichung ihrer natürlichen, langdauern-
den Transformation.28 Diese wiederum führt zu einer beständigen Ver-
feinerung des Elixiers, indem die Grundstoffe durch Verbrennung erst
zu einer Art Urmaterie reduziert werden und dann über mehrere Stu-
fen der Destillation zur Essenz der Stofflichkeit reifen. Schließlich dem
geschmolzenen und damit zur fundamentalen Wandlung vorbereiteten
Metall hinzugefügt, wird dieses selbst vollkommen. Damit wird der zent-
rale technische Aspekt der thermischen Stoffwandlung – die Transforma-

Varianten des esoterischen Ägyptenbezuges: Ebeling 2005; Bull 2018 (Hermetik);


Ebeling / Loeben 2017 (Freimauerer).
27
Dass die Alchemie einen Zugang zur altägyptischen Wissenschaft von den Stoffen
und deren Kontextualisierung innerhalb der Natur bietet, hat bereits Aufrère 1991,
801–804 u. passim herausgestellt.
28
Eliade 1980, 181–196

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284 Wesen und Mythos

tion des stofflichen Gefüges – auch in das Zentrum der technologischen


Überlegung gerückt.
Der praktische Vorgang der mehrfachen thermischen Wandlung bei
der Zubereitung des Elixiers wird in der Alchemie seit dem Mittelalter
in ein relativ standardisiertes Verfahren gefasst.29 Dieses Verfahren, des-
sen technische Beherrschung schrittweise die moderne Wissenschaft des
Stofflichen, die Chemie, hervorbrachte, hat mit den alten metallurgischen
Prozessen schließlich nur noch prinzipiell zu tun. Alchemisten destillie-
ren die Substanz und gewinnen eine neue Substanz; die Transformation
ist also immer auf das rein Stoffliche bezogen.
Das Wesen und die Magie des Wachsausschmelzverfahrens und der
Objekte von der Qubbet el-Hawa liegt an einem anderen Punkt, näm-
lich dem, dass es eine Transformation der Form gibt, die sich aber in
einer Transformation der Substanzen manifestiert, denen diese Form in
mehreren Schritten aufgeprägt wird. Es wird ein Modell aus Wachs, aus
einem pastosen und formbaren, unbeständigen und halbfesten Werkstoff
geschaffen. Die dem Modell aufgeprägte Form verraucht zu einem Luft-
raum (im Negativ), der aber die Form bewahrt, um schließlich nach dem
Guss zu einem festen Körper gereift zu erscheinen. Dieses Phänomen wird
von der Alchemie nicht oder nur am Rande behandelt, spielt aber in der
aristotelischen Philosophie des Mittelalters eine gewisse Rolle, wenn die
Frage nach dem Wesen einer Sache genau über die Dialektik von Form
und Substanz diskutiert wird. Hier wird – allerdings auf einer rein aka-
demischen Ebene – der Gussvorgang als Metapher auch herangezogen.30
Wenn also die Form in der Alchemie keine oder kaum eine Rolle
spielt, so ist zumindest ihre Sensibilität für den Charakter der Stoffe auch

29
Zum „Standardverfahren“: Schütt 2000, 43–48.
30
Die Begriffe „Form“ und „Erz“ (als ein formgebendes Material) tauchen im siebenten
Buch der „Metaphysik“ des Aristoteles in Zusammenhang der Diskussion von Materie
(ὕλη) und Form (μορφή ; εἶδος) einer Substanz / Wesenheit bzw. des „Seienden“ ganz
allgemein (οὐσία) auf (Buch 7.1035 und 1036) und gelangen von dort aus in den Dis-
kurs der Scholastik. Das umfangreiche Thema soll hier aber nicht weiter angerissen
werden.

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Wesen 285

für das Wachsausschmelzverfahren von Interesse. Wachs besitzt durch


seine Unbeständigkeit die Eigenschaft, etwas anderes zu sein oder zu
werden. Wohl nicht zufällig wird es als ein tendenziell liminaler Stoff –
nicht wirklich fest und doch nicht flüssig, dazu brennbar und in der Lage,
diverse Zuschläge (auch menschlichen Ursprungs, wie Haare, Fingernä-
gel usw.) in sich aufzunehmen – im Rahmen magischer Techniken gern
verwendet.31 Allerdings sollte auch nicht übersehen sein, dass Wachs in
allererster Linie auch einfach nur ein gut zu formendes Medium ist. Darin
ähnelt es dem Ton, aus dem zum Beispiel die Tonfigürchen des Konvolu-
tes bestehen. Und entsprechend finden Ton und Tonfiguren in der Magie
ebenfalls ihren Platz.32 Während aber der geschmeidige, in Wasser sogar
auflösbare Ton beim Brennen „nur“ verfestigt wird, verbrennt das Wachs.
In gewissem Sinne spielen aber Tone und Wachs in der Magie etwa die
Rolle des Quecksilbers, das später in der Alchemie die zentrale Position
des flüchtigen Prinzips einnimmt. Quecksilber, englisch: mercury – dem
sich ständig verändernden Mond zugeordnet und über Merkur und Her-
mes wieder dem pharaonischen Mondgott Thot verwandt – ist ein Metall
mit all seinem Glanz, aber bei Raumtemperatur flüssig. Über die Verwen-
dung von Quecksilber in pharaonischer Zeit kann bisher kaum mehr als
spekuliert werden,33 weshalb wir uns bei der Ausschau nach ähnlichen,
ambigen Substanzen vorerst mit Ton und Wachs begnügen sollten. Diese
sind magische Transmitter par excellence, da sie Substanzen sind, die die
Formveränderung schon bei „Zimmertemperatur“ in sich tragen und ihre
stoffliche Auflösung durch Primärelemente wie Wasser und Feuer indu-
ziert wird.

31 Zur Bedeutung des Wachses in magischen Zusammenhängen in pharaonischer Zeit


siehe Varga 1964; Raven 1983; Morenz 2016, 117 jeweils mit weiterführender Lite-
ratur.
32 Zur Verwandtschaft der formbaren Stoffe Wachs, Ton und auch Blei in der pharaoni-
schen Magie: Raven 1988; Aufrère 1991, 683.
33 Nach Ogden 2000, 169 sind reines Quecksilber in pharaonischer Zeit gar nicht und
Quecksilberamalgame mit Gold oder Silber zur Vergoldung nicht vor der hellenisti-
schen Zeit genutzt worden.

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286 Wesen und Mythos

Das Flüchtige selbst wird in der Alchemie stets als ein Niederschlag
zurückgewonnen (destilliert / sublimiert). Im Positiv-Negativ-Verfahren
ist das Flüchtige als ein Hohlraum, als Negation seiner Körperlichkeit
präsent. Zu welchen Interpretationen der Hohlraum die antiken Gießer
anregte, der beim Wachsausschmelzverfahren die Form erhält, bleibt uns
vorerst verschlossen. Erst mit dem Guss in Metall betreten wir wieder den
Bereich, in dem auch alchemistische Anregungen aufgenommen werden
können. Neben den Indikatoren der Substanzveränderungen wie Farbe,
Aggregatzustand, Bewegung, die im Folgenden noch besprochen werden,
ist hier das Phänomen der Zuschläge und Legierungsbestandteile von
Interesse. Versucht man sich am alchemistischen Vokabular, so beschleu-
nigen Zuschläge die Reife der Substanz bzw. bringen die Transformation
in eine bestimmte Richtung. Hier liegt durchaus ein Echo alten Gießer-
wissens vor. Legiertes Kupfer kann bei niedrigeren Temperaturen und
damit schneller geschmolzen werden34 und besitzt nach dem Erkalten
besondere Eigenschaften, zum Beispiel je nach Zinn- oder Bleigehalt grö-
ßere Härte oder Elastizität, auch unterschiedliche Färbungen und Klang
(Glocken). Es werden also, wie im Falle der Tingierung, Substanzverände-
rungen durch Zugabe von Stoffen bewusst herbeigeführt.
Die Beurteilung der metallurgischen Kenntnisse der Antike in diesem
Bereich der Manipulation von stofflichen Eigenschaften steht noch am
Anfang. Gerade der Befund von der Qubbet el-Hawa ist in diesem Zusam-
menhang aufschlussreich, bezeugt er doch innerhalb eines Werkstattkon-
volutes (so es ein solches ist) die Existenz ganz heterogener Legierun-
gen. Was davon auf Manipulation der Schmelze durch den intentionalen
Zusatz von Zuschlägen zurückzuführen ist, und was schlicht die Folge
des Gebrauchs von „Kreislaufmaterial“ bleibt, ist noch längst nicht end-
gültig erforscht. Zumindest bestätigt der Befund die Präferenz für Blei als
34 Wobei der Schmelzpunkt von Legierungen nicht etwa der Mittelwert der jeweiligen
Schmelzpunkte ist, sondern sich entlang einer Zustands- bzw. Phasenverschiebung
bildet, mit dem sogenannten Eutektikum als niedrigstem Wert in einer Matrix auf-
einander bezogener Bestandteile (< https://de.wikipedia.org/wiki/Eutektikum >
11.01.2019).

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Wesen 287

Zuschlag zum Kupfer, die überhaupt die Bronzenproduktion Ägyptens im


1. Jahrtausend v. u. Z. prägt. Ob weitere metallene Substanzen bewusst
zugesetzt wurden oder nur als Verunreinigungen anzusehen sind, ist
unklar.
Dass aber ein ausgeprägtes Bewusstsein für Stoffmischungen in pha-
raonischer Zeit vorhanden war, belegt die Bemerkung in der im voran-
gegangenen Kapitel schon herangezogenen Stele des Irtisen, in der er im
zweiten Bekenntnis seine Kenntnis der Bestandteile (r.w) des „Versinken-
den“, d. h. der Schmelze, betont. Dieser Begriff der Bestandteile spielt in
Rezepten für medizinische oder auch sakral verwendete Substanzen eine
große Rolle, die üblicher Weise mit diesem Wort eingeleitet werden.35
Ein Rezept für eine Metalllegierung ist bisher nicht sicher identifiziert,
aber durchaus solche für diverse Salben, für Medizin, für Weihrauchmi-
schungen (Kyphi)36 und vor allem für Materialmischungen zur Herstel-
lung von geheimnisvollen Götterbildern, die uns in Kapitel 15 noch inte-
ressieren werden. Genauso unerforscht ist, ob nicht auch noch diverse
andere, „zauberhafte“ Substanzen für die Bereitung einer Schmelze benö-
tigt wurden, von denen wir bisher keine Ahnung haben ...37

12.6. Farbe

Eben war herausgestellt worden, dass im Wachsausschmelzverfahren die


Transformation der Form zugleich eine Substanzveränderung bedeutet
bzw. der Prozess der „Reifung“ sowohl die Form wie auch die Substanz

35
Zum Begriff der r.w / „Bestandteile“ siehe Belege und Diskussion im Kontext der
Rezepte zur Herstellung von Kultobjekten für die Khoiak-Riten in Chassinat 1966–
68, 74, 360f., 725 u. passim, der allerdings annimmt, es handelt sich um eine Schrei-
bung von jr.w „ce qui a rapport à, ce qui concerne“. Zu den Choiak-Riten siehe noch
Kapitel 15.
36
Derchain 1976.
37 Dazu mag z. B. auch die sexuelle Enthaltsamkeit gehören, die man von afrikanischen
Schmieden fordert (Eliade 1980). In meiner Zeit als Gießer war stets das fehlende
Jungfrauenopfer der Grund für Fehlgüsse. Jungfrauen sind rar heutzutage.

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288 Wesen und Mythos

erfasst. Dazu kommt noch eine weitere Eigenschaft, die sowohl den tech-
nischen Vorgang betrifft als auch in der kognitiven Reflektion eine Rolle
spielt, nämlich die Farbe. Auch wenn in der neueren Stoffkunde die Farbe
eine eher untergeordnete Rolle spielt, so hat sie in der frühen Metallurgie
ausweislich des Zeugnisses der Alchemie einen zentralen Platz eingenom-
men. Denn in Abwesenheit vieler heute zur Verfügung stehender Mess-
und Bewertungsverfahren war es einst vor allem die Färbung, die über
die Eigenschaften einer Substanz Auskunft geben konnte.38
Farbe, (unwillkürliche) Farbveränderung und (willkürliche) Fär-
bung spielen in antiken Quellen zu technischen Vorgängen eine beson-
dere Rolle, auch in solchen, die aus Ägypten stammen.39 Selbst in der
Alchemie ging es zumindest in ihrer frühen Phase nicht zwingend darum,
Gold zu machen, sondern darum, etwas wie Gold zu machen und noch
in den jüngsten Schriften ist von etwas „besser als Gold“ die Rede, das
als Resultat der Tingierung erscheint.40 Und heißt doch Tingierung selbst
nichts anders als „Färbung“. Entsprechend sind gerade die frühen Rezept-
sammlungen des alchemistischen Korpus vor allem darauf gerichtet, eine
dauerhafte und befriedigende Färbung des Materials zu erreichen.41 Der
Zusatz von Elixieren und Lösungen hatte also nicht viel anderes zum

38
Während des Schmelzvorganges liefern die Beweglichkeit der Schmelze, die Farbe
der Flammen in der Gichtgase, der Geruch und auch die Geräusche des Metalls Infor-
mationen über den Zustand der Substanz.
39
In den zwei wichtigsten frühen alchemistischen Papyri (Leiden und Stockholm) geht
es vor allem um die Färbung von Materialien (Halleux 1981).
40 In der esoterischen Alchemie ist dies dann die Vervollkommnung und Reife des
Adepten selbst: „Die heilige, uralte und tiefgründige Geheimwissenschaft der Alche-
mie, die königliche oder priesterliche Kunst, die man oft auch hermetische Philoso-
phie nennt, verbirgt in esoterischen Texten und enigmatischen Zeichen die Mittel,
die notwendig sind, um die tiefsten Geheimnisse der Natur, des Lebens und Sterbens,
der Ewigkeit und Unendlichkeit zu ergründen.“ (Klossowski de Rola 1974, 7). Strube
1999, 51 weist auf den wichtigen Umstand hin, dass die Goldmacherei erst dann zur
Spezialität der Alchemie wurde, als in der frühen Neuzeit Gold zu einem allgemeinen
Wertäquivalent wurde und alle Produkte zu käuflichen Waren. Bis dahin war Gold
nicht viel mehr als eine Metapher.
41
Schütt 2000, 30–40.

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Wesen 289

Zweck, als das, was in der Gießereisprache heute als Patinieren bezeich-
net wird.42
Diese nun ist eine alte Technik der Oberflächengestaltung, die auch
für das pharaonische Ägypten gut belegt ist. Dabei beschränkte man sich
nicht nur auf die Herausarbeitung der charakteristischen goldbraunen
Bronzefarbe durch Abreiben, Polieren und gegebenenfalls der Isolierung
gegen Reaktion mit in der Luft gebundenem Stoffen durch Bestreichen
mit Öl oder Wachs. Man hatte ein ganzes Instrumentarium der farblichen
Oberflächengestaltung zur Hand, von der Tauschierung, d. h. dem Ein-
legen andersfarbiger Metalle (Silber, Gold) bis zur Materialkombination
mit edlen Gesteinen oder überhaupt der Gestaltung von Kompositfigu-
ren. Herausragende Objekte wurden aus mehreren Teilen zusammenge-
setzt, die aus verschiedenen Bronzen gegossen waren, deren differierende
Legierung auch in unterschiedliche Oberflächenfärbungen resultierten.43
Eine spezielle Kupferlegierung mit Gold- und Silberanteilen hatte im
Ägyptischen eine eigene Bezeichnung als Hemti-kem (Hm.tj km) / „schwar-
zes Kupfer“.44 Dasselbe trifft übrigens auch für die Legierung von Silber
und Gold zu, die als Djam (Dom) bezeichnet wurde – und auch heute noch
als „Elektron“ einen eigenen Trivialnamen besitzt.
Womit der Kern des Phänomens auch getroffen ist: Solche Legierun-
gen wurden anhand ihrer Farbe als andersartige Stoffe erkannt und so
auch sprachlich als etwas anderes klassifiziert. Was durchaus seinen Sinn
hat, denn durch die Legierung ändert sich nicht nur die Oberfläche des

42
Patina (lat. „dünne Schicht / Firnis“) bezeichnet im engeren Sinne die unwillkürliche
Farbveränderung durch einen Reife- oder Alterungsprozess, was im Falle von Metal-
len durch Korrosionserscheinungen – also der Reaktion von Stoffen der Metallober-
fläche mit solchen der Umgebung (aus Luft, Wasser, Boden etc.) – an der Oberfläche
deutlich wird. Davon abgeleitet wird auch die bewusste Färbung der Metallober-
fläche als Patinierung bezeichnet, die einerseits einen gewissen Alterungsprozess
vortäuschen und zugleich, durch Erzeugung einer „Edelpatina“ als witterungsbe-
ständigen Überzug, eine weitere, „wilde“ Korrosion verhindern soll. Zur Patina von
Metallobjekten aus pharaonischer Zeit: Shearman 2010.
43 Zu Farbnuancen von Legierungen und der Wirkung unterschiedlich farbiger
Oberflächen an ägyptischen Metallobjekten: Schulze / Lehmann 2014.
44
Aufrère 1991, 451; Craddock / La Niece 1996; Giumlia-Mair /Quirke 1997.

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290 Wesen und Mythos

Materials, sondern es ändern sich auch seine Eigenschaften (Biegsamkeit,


Bruch, Klang etc.). Der Farbwechsel bzw. die farbigen Nuancen sind es
aber, die dem Metallarbeiter die veränderten Eigenschaften anzeigt. Eine
sehr spezielle Art der Oberflächengestaltung liegt schließlich bei der Ver-
goldung vor. Der Überzug mit Gold, der im Befund von der Qubbet el-
Hawa von Frank Willer am Fußteil einer der zur „Reparatur“ vorbereite-
ten Osirisfiguren erkannt werden konnte, hatte die Veredlung und damit
die Veränderung der Eigenschaften dieser Figur noch einmal potenziert.

Wenn uns heute solche Veränderungen als „oberflächlich“ erscheinen, so


darf diese Einstellung keineswegs ungeprüft in die Antike verlängert wer-
den. Dass Phänomen der sogenannten Imitate von Materialien und über-
haupt der magischen Substituierung von Allem und Jedem durch entspre-
chende Ersatzstoffe und -gegenstände soll hier gar nicht erst angerissen
werden.45 Wesentlich bleibt es, dass Färbung immer auch als Indikator
von Substanz erfasst wird und damit die Farbe selbst ein Teil der Subs-
tanz, des Wesens ist.46 Entsprechend deutet Transformation der Färbung
auch auf Transformation der Substanz. Die Farben des alchemistischen
Standardprozesses führen, wie erwähnt, von Schwarz über Weiß und Rot
zu Gold. Jede dieser Farben bedeutet eine Substanzklasse; der Farbwech-
sel bedeutet den Wechsel der Substanzklasse. Wenn aus der schwarzen
Erde des Erzes am Ende des Prozesses ein metallisch (= „gold“) glän-
zender Gegenstand geworden ist, dann ist dies auch „substantiell“ etwas
anderes, als nur die Umarbeitung des Ausgangsstoffes. Doch auch die
Zwischenstufen zeigen sich durch veränderte Färbungen an. An dieser

45
Gander 2009, 83–99; Gander 2012, 265–271. Siehe auch die Materialienliste im
„Goldhaus“ (= Werkstatt zur Herstellung und Instandsetzung von Götterbildern)
des Tempels von Dendara, in der Materialangaben für Götterbilder (wohl aus den
überkommenen Bestandslisten) in die tatsächlich verwendeten bzw. bei einer Neu-
anfertigung zu verwendenden Materialien „übersetzt“ werden (Derchain 1990, 235).
Siehe hierzu noch Kap. 17.
46 Siehe die strukturalistisch angelegte Untersuchung zu den pharaonischen Konzepten
von Materialien bzw. Materien (Mineralien, Pflanzen) in Aufrère 2007, bes. 120–
122, 210–213, die deren Materialität, Farbe und Konnotation klassifiziert.

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Wesen 291

Stelle ist daran zu erinnern, dass die Wachsmodelle von der Qubbet el-
Hawa rot pigmentiert sind. Nimmt man hinzu, dass das Rohwachs farblos
(= „weiß“) ist, so wurde dieser Ausgangsstoff durch die Pigmentierung
bereits um eine Substanzstufe veredelt; zusammen mit seiner Formände-
rung hin zu einem „Bild“.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die Behandlung
von Gegenständen mit bestimmten Substanzen, die dann eine Verände-
rung der Wesenshaftigkeit erbringen sollte, in Ägypten gut bekannt ist.
Die einfachste Form einer solchen Behandlung ist das Schminken. Die
materielle Kultur der frühesten Zeit wird in Ägypten von einer ganz
eigenartigen Objektgruppe dominiert: von den Schminkpaletten. Auf die-
sen Tafeln wurden Farbpulver und Fette angemischt, um sie aufzutragen
– auf Menschen, auf Götter. Auch das Schminken ist eine Tingierung, die
das Wesen des so Eingefärbten verändert.
Unter den Substanzen, die in pharaonischer Zeit zur Veränderung
von Farbe und Wesen der Dinge genutzt wurden, fällt eine auf, deren
Name bereits wie ein ferner Klang vom „Stein der Weisen“ erscheint,
also jenes Elixiers, mit dem der Alchemist so ziemlich Alles verwandeln
kann: der „göttliche Stein“ bzw. das „Gottesmineral / -material“ (o#.t-nTr).
Wie bei seinem alchemistischen Pendant ist diese Substanz so gar kein
Stein, sondern eine schwarze Paste, deren wesentlicher Bestandteil Erd-
pech / Asphalt oder diesem verwandte Substanzen sind.47 Diese Lösung
wurde im Zuge von Riten der Transformation z. B. auf Särge aufgetragen
(Abb. 12.2) und es wurden Darstellungen jenseitiger Wesen damit über-
zogen. Die Folge war eine glänzende Schwärzung. Schwarz, als die Farbe
des Bodens, hatte in Ägypten bereits eine Beziehung zu Vorstellungen
einer ursprünglichen, zu neuer Form findenden Materie.
Der Metallguss benötigt prinzipiell keinen Katalysator in der Art
eines „Steins der Weisen“ denn sein Katalysator ist die Hitze. Es ist aber
zumindest denkbar, dass man sich im Prozess der Stoffwandlung derarti-

47
Chassinat 1966–68, 351–357; Aufrère 1991, 329–339.

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292 Wesen und Mythos

Abb. 12.2: Zur Transformation tingiert: Mit dem „Gottesmaterial“ übergossener inne-
rer Sarg des Hapianchtifi. Der lackartige Überzug wurde im Kopfbereich (bei der
modernen Restaurierung?) entfernt. Meir, 12. Dyn., ca. 1850 v. u. Z., New York MMA
12.183.11c.1–.2.

ger Substanzen bediente. Wie das Beispiel des „Gottesmaterials“ (o#.t-nTr)


– dessen Name ja eigentlich nichts anderes bedeutet, als dass es ein Stoff
ist, der auf ähnliche Weise aus sich selbst heraus Dinge bewirken kann,
wie die „Gottesworte“ (mdw-nTr), d. h. die Hieroglyphen – zeigt, standen
sie zur Verfügung. Auch wenn an dieser Stelle vorerst nur spekuliert wer-
den kann, bleibt zumindest eines festzuhalten: Schritte der Formgebung
sind auch mit Schritten der Farbgebung korreliert. Beides lässt die ganz
anderen Eigenschaften, Werte, das veränderte Wesen des Dinges erfahren
und macht das Ding so zu dem, was es ist.

Zuletzt noch ein Wort zu dem Medium, das überhaupt bewirkt, dass es
Farbe gibt (für den menschlichen Wahrnehmungsapparat): Das Licht.
Leuchten kündet von Belebung. Das „Heraustreten am Tage“, d. h. in
das „Tageslicht“, so der schon erwähnte Titel des sogenannten „Toten-
buches“, machte in Ägypten aus dem farb- und substanzlosen Schatten
einen farbigen, lebendigen Körper.48 Alles, was ohne Licht in der Dun-
48 Zur Bedeutung von Farbe und Licht in Ägypten: Goebs 2007; zum „Bescheinen“ von
Statuen und Mumien zum Zwecke ihrer Belebung: Kockelmann 2017 (jeweils mit
weiterführender Literatur). Siehe auch die besondere Bedeutung von Gelb ausge-
malten Darstellungen in der Grabdekoration der Ramessidenzeit: Hofmann 2003. In
der Magie sind es nur Eingeweihte, die das eigentümliche „Leuchten“ von Dingen

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Wesen 293

kelheit verharrt, bleibt farblos und seine Wirksamkeit nur eine Potenz.
Seit dem Neuen Reich ist die Mumienform das, was einen solchen poten-
ten, aber noch nicht agierenden actor in waiting kennzeichnet. Der bele-
bende Zauberspruch auf den in Mumienform gestalteten Uschebtis lautet:
„sehedj!“ (sHD) – sei beleuchtet (= erwache)!49

12.7. Wesen

Das Erleben der Transformation der stofflichen Konsistenz und der Farbe
lassen die grundlegenden Prozesse erfahren, die sich im Zuge der ther-
mischen Techniken vollziehen.50 An ihnen wird sinnlich fassbar, wie sich
das Wesen eines Dinges im Zuge solcher Techniken wie der des Wach-
sausschmelzverfahrens ändert. Diese Erfahrung der Substanzverände-
rung durch Stoff, Farbe (und auch Form) ist bei den Dingen das Pen-
dant zum Erleben der Hybridisierung bei den Menschen. Wie Menschen
durch Technik nicht nur Rollen zugewiesen bekommen, sondern diese sie
grundsätzlich zu dem erst macht, was sie sind, so bekommen Dinge nicht
nur Formen und Funktion, sondern mit der Manipulation der Stofflichkeit
prägt sich auch ihr eigentliches Wesen erst aus. So, wie die Auseinan-
dersetzung, der beständige Prozess der technischen Manipulation, den
Menschen zu einem Wesen mit speziellem Wissen, speziellem Können

wahrnehmen, deren „Aura“, wenn sie in Kontakt mit Menschen treten und die dieser
Kontaktsituation agency entfalten. Außer natürlich im Film, in dem entsprechend
handelnde Dinge oder Wesen immer durch ein „geheimnisvolles Leuchten“ – The
Shining (Kubrick / King 1980) – als aktiv gekennzeichnet werden.
49
Schneider 1977, 131–133; Göde 2009, 160–162.
50 Nicht behandelt wird hier aus Platzgründen die olfaktorische Dimension, die ebenso
ein Indikator für Transformationen jeder Art ist, vom Verwesungsgeruch bis hin zum
süßen Hauch des Göttlichen. Man kann auch Temperaturveränderungen riechen.
Duft spielt wie Farbe, Konsistenz, Geräusch usw. eine wesentliche Rolle im „Erleben“
von Transformationsvorgängen (siehe Kap. 14). Es sei nur darauf verwiesen, dass
gerade in den erwähnten Rezepturen immer auch stark duftende Ingredienzien eine
Rolle spielen, u. a. auch in den Figurinen, die mit den Choiak-Riten verbunden sind
(siehe Kap. 15).

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294 Wesen und Mythos

und von spezieller Art macht; so werden auch die beteiligten Dinge in
ihrem speziellen „Wissen“ (= Eigenschaften), ihrem speziellen „Können“
(= agency) und in ihrer speziellen „Art“ (= Substanz) im Zuge der Aus-
einandersetzung erkannt und eigentlich erst gemacht. Das führt zu einer
symbiotischen „Veredelung“ der Substanz, die nicht nur das Ding befällt
– das so zum alchemistischen „Gold“ wird – sondern auch den Menschen,
den Adepten, der sein eigenes Wesen in diesem Prozess sublimiert. Beide
ändern ihre Namen.
Die Alchemisten hatten und haben immer mit dem Problem zu kämp-
fen, dass ihre Klassifikationen – also zum Beispiel, was denn Gold eigent-
lich sei – mit denen Anderer nicht übereinstimmten und auch unterein-
ander waren sich die Adepten oft genug terminologisch uneins.51 Ähnlich
verwirrend erscheint jedoch auch die Tatsache, dass in der altägypti-
schen Schriftsprache z. B. das Wort Bija (bj#) das Metallerz ganz allge-
mein bezeichnet, aber in seiner Wortwurzel eine allgemeine Bezeichnung
für „Wunderbares“ oder sogar „Ur-sprüngliches“ (?) liegt.52 Dem stehen
weitere Bezeichnungen zur Seite, in denen die verschiedenen Arten des
ausgeschmolzenen Metalls beschrieben sind, Kupfer z. B. als Hemti (Hm.tj)
und dann auch in unterschiedlichen Varietäten.53 Bis das Metall dann
zu etwas geformt wird, dessen Wesen die Bezeichnung Netscher (nTr)
beschreibt: „Gott“. Und umgekehrt steht zu lesen, dass das „Fleisch“ der
Götter aus Gold sei (und die Knochen aus Silber).54 Was heute unwahr-
scheinlich klingt und doch sehr prägnant beschreibt, wie Gestalt, Subs-
tanz und Wesen interferieren.
Blickt man durch diese alchemistische Brille auf das Wachsaus-
schmelzverfahren einerseits, auf das Depot von der Qubbet el-Hawa
andererseits, werden gerade diese Facetten der gemeinsamen Wesens-
wandlung von Menschen und Dingen deutlich. Es ist, als ob der Weg
51 Der Reiz der Alchemie mag gerade in dieser terminologischen Ambiguität liegen, bei
der eben jede Klassifikation auch eine ganz andere Bedeutung entwickeln konnte.
52 Graefe 1971, 26–39.
53 Giumlia-Mair / Quirke 1997.
54
WB II, Belegstellen 2/1, 342 (10).

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Wesen 295

zurück, von der Naturwissenschaft von den Stoffen – der Chemie – zur
Kulturwissenschaft von den Stoffen und Menschen – der Alchemie – solche
Erfahrungen möglich oder wenigstens deutlich macht. Von wem im Zuge
der Transformation des Wesens von Menschen und Dingen die Initiative
ausgeht, bleibt bemerkenswert unscharf. Auch wenn man heute meinen
mag, dass dieses Machen der Dinge auf menschlicher Zuweisung beruht,
so sollte die Rolle der Dinge nicht unterschätzt werden. In einer hybri-
den Situation handeln und verändern sich Mensch und Ding gemeinsam.
Welch schauerliche Bilder das Bewusstwerden auch der eigenen Transfor-
mation im Laboratorium der Dinge bei den Menschen heraufbeschworen
hat, soll im folgenden Kapitel behandelt werden.

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296 Wesen und Mythos

13. Mythos

Die eben genannten Stoff- und Farbreifungen hin zu einer „vollkomme-


nen“ Substanz ist in manchen dem in Kapitel 7 beschriebenen Prozess
der (symbolischen) Wertbildung ähnlich. Hier wie da vollziehen sich
wesenhafte Veränderungen der Eigenschaften von Dingen, die weder
der Mensch allein, noch das Ding für sich hervorbringen kann. Wie aber
erfasst man den denkwürdigen Prozess dieser Veränderung des Wesens,
ganz gleich ob Substanz oder Wert? Man kleidet ihn in einen Mythos.

13.1. Hermetik

Im Mythos wird die Welt erklärt und es werden dabei gern Bilder genutzt,
die technische Vorgänge abbilden. Sie bilden ein Mythem, ein Erzählmo-
tiv oder -bild,1 das oft als Metapher für allerlei Schöpferisches steht. Der
Töpfer und die Töpferei sind solche narrativen Elemente, die in verschie-
denen Zusammenhängen innerhalb von Märchen, Sagen oder mytho-
logischen Erzählungen eine Rolle spielen. In Ägypten erscheint dieses
Mythem ganz ausgeprägt im Bild des Chnum, der die Menschen auf der
Töpferscheibe formt (vgl. Abb. 17.2).2 So wie der Töpfer aus grober Erde
ein Gefäß erschafft, schafft der Gott einen Menschen. Beide Bilder bilden

1
Zum Begriff Mythem: Goebs 2003; Goebs / Baines 2018, 646f. Das Mythem (auch:
Mythologem u. a.) entspricht der kleinsten repetierbaren Sinneinheit, aus der jeweils
konkrete größere Sinneinheiten mit spezifischem Charakter – Mythen – konstituiert
werden. Während Mytheme oft allgemeine Bedeutung besitzen und universell ver-
wendbar sind, sind die mythologischen Erzählungen (= Mythen) immer konkret, auf
bestimmte Situationen, Zeiten und Räume zugeschnitten. Zu den stark differierenden
Ansätzen bei der Bestimmung des Mythosbegriffes in der Ägyptologie zusammenfas-
send: Stadler 2009, 54–64.
2
Zu dieser Darstellung an den Tempelwänden: Daumas 1958, 408–421; Holthoer
1977, 32f., Fig. 44, 46; das Mythem des töpfernden Chnum als narrative Figur
erscheint bereits in den Pyramidentexten (Pyr. 524.a). Zu Chnum jetzt: Leitz / Löffler
2019 (non vidi). Siehe auch noch Kap. 17.

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Mythos 297

eine Metapher, wobei sich jedes der Bilder auf das andere stützt. Keines
sagt selbst alles aus, aber beide zusammen produzieren durch ihre Sinn-
verschiebung – nach Derrida ihrer differánce – eine zusätzliche Bedeu-
tung. In dieser Sinnmehrung durch das Überblenden von Bedeutungs-
ebenen mag man das Wesen mythologischer Deutung sehen (und den
Gegenpol zur cartesischen Logik).3
Als mythologische Denkform – als Mythem – spielt die Transforma-
tion durch thermische Reifung in etlichen Zusammenhängen eine Rolle,
die weit ab von reiner Stoffbearbeitung liegen. Das Feuer läutert, es
verjüngt, es vertreibt noch als Fegefeuer des Mittelalters alles Kranke
und Sündige aus den Menschen. Auch die Metallverarbeitung spielt im
Rahmen dieser thermischen Mytheme eine Rolle; der Schmelzofen kann
mehr sein als nur ein Ofen, ist Mutterschoß und Ungeheuer in einem;
der Handwerker ist kein Mensch wie jeder andere, sein Tun wird ange-
siedelt zwischen Himmel und Erde; die Produkte sind lebendige Dinge
mit eigenem Wesen.4 Welche Bilder auch immer gebraucht werden, das
Grundthema der Erzählungen ist das grundsätzlich Verändernde, Trans-
formierende des thermischen Prozesses. Immer sekundiert im übrigen
von der Gefahr des Misslingens, was bei dem Unkundigen oder Unwür-
digen entsprechend furchtbare Folgen zeitigt: Diese werden von ihren
eigenen Schöpfungen verstümmelt wie die Pechmarie und verbrannt wie
bei Hänsel und Gretel die Hexe im Ofen.
In derartigen Märchen oder Mythen steht gewöhnlich die Transfor-
mationen von Menschen im Mittelpunkt, wie sie geläutert oder bestraft
werden, sich zum Guten oder Bösen wenden. Der Umgang der Alchemie
mit den Mythemen ist anders. Mythologisierende Deutungen beziehen
sich in der Alchemie auf die Substanzwandlung von Stoffen. In der alche-
mistischen Perspektive geht es nicht darum, das Handeln der Menschen
zu erklären, sondern darum, Bilder und Erklärungsmuster für das zu fin-

3 Hierzu: Fitzenreiter 2017.a und 2018.b.


4 Eine handliche Zusammenfassung solcher mit der Metallverarbeitung verbundenen
Mytheme bei Eliade 1980; auch: Amborn 1997.

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298 Wesen und Mythos

den, was sich mit den Dingen tut bzw. besser: was die Dinge tun, welche
agency also die verschiedenen Stoffe entwickeln und austauschen. Neben
den nüchternen Rezepten, wie man denn die Stoffwandlung durch Sie-
den und Sublimieren betreiben könne, werden in den alchemistischen
Quellen Deutungen und Kommentare zu den damit verbundenen Vorgän-
gen geliefert. Das dabei genutzte Vokabular ist nicht nur spezifisch, son-
dern in berühmt-berüchtigter Weise hermetisch – was allerdings für jede
Wissenschaftssprache gilt. Doch nur in der Alchemie ist diese Bezeich-
nung wirklich legitim. Leitet sie sich doch vom Erzalchemisten Hermes
Trismegistos / Thot her, womit wir erneut an der doppelten Wurzel der
Alchemie angekommen sind: der Amalgamierung von Ägyptischem und
Griechischem, nicht nur auf der Ebene der praktischen Manipulationen,
sondern auch auf der der Konzeptualisierung.
Die Wissenschaftssprache der Hermetik bedient sich grundlegen-
der narrativer Modelle, in denen bestimmte Vorgänge paradigmatische
Fassungen gefunden haben, die meist nur den Teilnehmern am Diskurs
bekannt,5 eventuell aber auch archetypisch und weltweit verständlich
sind.6 In vielen Fällen sind diese Modelle in quasi universelle Erzählstruk-
turen gefasst und können als Sprech- / Schreibhandlungen immer wieder
zur Gestaltung sinnvoller Narrative genutzt werden. So etwa der schon
erwähnte Vorgang des Verbrennes von Schädlichem und der thermischen
Läuterung. Wobei Deutungen von Vorgängen der Stoffwandlung, die sich
der Mythologie bedienen, sich durch ein hohes Maß an Ambiguität aus-
zeichnen. In dieser Mehrdeutigkeit sämtlicher Aussagen liegen Problem
und Potenz eng beieinander und werden je nach Interesse auch immer
unterschiedlich zu bewerten sein. Zumal doppelte Lesarten jenseits der
cartesischen Schwelle immer intendiert sind. Es wird uns hier nichts

5
Dazu, dass an ein Paradigma gebundene Wissenschaftssprache „esoterisch“, d. h. nur
im Rahmen des Paradigmas und nur denen, die sich damit identifizieren, verständlich
wird: Kuhn 1973, 41.
6 C. G. Jung hat vorgeschlagen, die Mytheme der Alchemisten als das archetypische
Bild der Selbstwerdung, des Individuationsprozesses zu lesen, die sich mehr oder
weniger in allen Mythologien der Welt findet (Jung 1971, 163–267; Jung 2001).

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Mythos 299

anderes übrig bleiben, als sich auf die Ambiguitäten der mythologisch-
hermetischen Beschreibungen einzulassen, um sie als Technologien zu
begreifen. Denn am Ende ist auch jede moderne Technologie – beflügelt
von der Vorstellung, den Gegenstand zu beherrschen – ein Stück weit
Mythologie; verheißungsvoll und voller Gefahren.
Der hermetische Zugang der Alchemie zum Prozess der Subs-
tanzwandlung ist exemplarisch im berühmten Traum des Zosimos darge-
legt, einer Schrift, die wohl mit einiger Sicherheit der historischen Person
des Zosimos von Panopolis (Koptos) zugeschrieben werden kann (Kas-
ten 13.1).7 Merkwürdige Traumgesichter werden hier vom Autor durch
Reflektionen und Kommentare unterbrochen. Dennoch bleibt dunkel,
was in den grausigen Bildern verhandelt wird. Zumindest ist eine legitime
Lesart wohl die, dass es sich um Vorgänge der Stoffumwandlung handelt,
wahrscheinlich von Metallen, und in den verschiedenen Etappen jeweils
unterschiedliche Stufen der Läuterung erreicht sind. Dass in jeder dieser
Stufen auch Vervollkommnungen geistiger Art beschrieben sind, steht bei
der grundsätzlich mehrdeutigen Anlage des Textes außer Zweifel.8
Die Vorliebe für drastische Bilder bleibt der Alchemie erhalten. Dass
die Wandlung der Stoffe gerade durch die damit verbundenen thermi-
schen Vorgänge ein höchst grausiger Prozess ist, an dem der Adept durch
sein Zutun beim Zerstückeln, Kochen, Brennen und Verwesen fleißig mit-
tut, verleiht den jüngeren alchemistischen Schriften und besonders deren
Illustrationen einen bizarren Charme (Abb. 13.1).9

7
Mertens 1995; dort XII–XIX zur historischen Person.
8 Zu den verschiedenen Lesarten siehe die Zusammenfassung in: https://de.wikipedia.
org/wiki/Zosimos_aus_Panopolis (05.06.2017).
9
Siehe die Zusammenstellung besonders schön illustrierter Schriften: Völlnagel 2012.

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300 Wesen und Mythos

Abb. 13.1: Die Zerstückelung des Stoffes durch


die rote Kraft, die das goldene (= sublimierte)
Haupt des Stoffes erhebt. Alchemistisches Bild
der Kalzination (Oxydation durch Erhitzen).
Miniatur aus dem Splendor solis, um 1530.

„Im als Visionen bezeichneten Werk Peri aretes ... schildert Zosimos ver-
schiedene Traumgesichte und kommentiert diese. Das X. Kapitel … beginnt
mit der Nennung verschiedener Verfahren und Vorgänge der Alchemie:
“Herstellung der Wässer; Bewegung und Vermehrung, Entkörperung und
Verkörperung, Abziehen des Geistes vom Körper und Verbinden des Geis-
tes mit dem Körper.” Er weist darauf hin, dass die Natur sich aus eigenen
Kräften verwandelt und dem Mond und dem Lauf der Zeiten unterworfen
sei. Im ersten Traumgesicht (zweiter Abschnitt) sieht Zosimos auf einem
Schalenaltar den Priester Ion, der am frühen Morgen zerstückelt und ver-
brannt wird. Dabei wird – unter qualvollen Schmerzen – der Körper durch
Feuer in Rauch und Geist umgewandelt. Im Gespräch mit dem ihn fragenden
Zosimos verwandelt sich Ion in ein kleines Menschlein (Homunkulus), das
sich mit den eigenen Zähnen zerfleischt. Erwachend fragt sich Zosimos (drit-
ter Abschnitt), ob das die Herstellung der Wässer sei. Wieder eingeschla-
fen sieht er denselben Schalenaltar mit kochendem (und verdampfendem)
Wasser, diesmal allerdings mit einer Gruppe unzähliger Menschen darin.
Ein graues Männlein erklärt auf Zosimos Frage, das Gesehene sei die Wand-
lung und der Ort der Läuterung. Dann taucht ein Kupfermännlein auf, mit
einer bleiernen Schreibtafel in der Hand und gibt eine Anweisung. Das graue
Männlein erklärt die Rolle dieses Mannes, der mit Ion, dem Priester, der
opfert und geopfert werde, identisch sei. Zosimos erwacht wieder (vierter
Abschnitt), nach dem Sinn des Gesehenen fragend (“ist das nicht das weiße
Wasser, das auch gelb ist, das Kochende, das Göttliche?”) und philosophiert

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Mythos 301

über das Geben und Nehmen in der Natur und dass jedes Ding mit Methode,
in bestimmtem Maß und in Abwägung der vier Elemente geschehe. Ver-
flechtung und Auflösung aller Dinge könnten nur mit Methode geschehen.
Diese sei natürlich, gesetzmäßig, Mehrung und Abnahme bringend. Sie sei
fortlaufend mit Trennung und Vereinigung verbunden. Die Natur auf sich
selbst gewendet, verwandle sich. Das sei Struktur und Verbindung des Kos-
mos. Wie in einer Art zwischengeschalteter Zusammenfassung, was Zosi-
mos jedoch als Vorrede bezeichnet – fordert Zosimos (im fünften Abschnitt)
anschließend auf, selbst ans Werk zu gehen, einen Tempel aus einem wei-
ßen Stein, der ohne Anfang und Ende sei, zu bauen. Der Tempel enthalte
eine Quelle reinsten Wassers und hervorblitzendes Sonnenlicht. Mit einem
Schwert solle man den engen Eingang des Tempels suchen, der durch einen
Drachen bewacht sei. Diesen Drachen solle man opfern, zergliedern, zusam-
menlegen und dann in den Tempel gehen, wo man die gesuchte Sache fin-
det, nämlich den Priester, den Kupfermenschen (Chalkanthropos), der dann
zum Silbermenschen (Argyranthropos) und dann zum Goldmenschen (Chry-
santhropos) verwandelt werde. In den anschließenden drei Abschnitten des
Kapitels schreibt Zosimos über die Natur und die Naturen, gibt Ratschläge
über die richtige Geisteshaltung, die Bedeutung des Schweigens, die Trans-
formation der vier Metalle (Kupfer, Eisen, Zinn, Blei) in Gold. Durch die
Zähmung der Materie (Materia Prima) erhalte man aus dem Vielen (den
vielen Naturen) das Eine (die eine Natur).“

Kasten 13.1: Zusammenfassung der Vison des Zosimos; Zitat aus: https://de.wikipedia.
org/wiki/Zosimos_aus_Panopolis (05.06.2017).

13.2. Transmutation

Und sie erinnern an die nicht ganz unschuldigen Mytheme der phara-
onischen Göttergeschichten, besonders natürlich jener rund um Osiris.
Die in den jüngeren alchemistischen Schriften übliche Benennung der
gemarterten, sterbenden und wieder erstehenden Substanz als „König“
und dass eine „Königin“ sich mit dieser im Tode noch vereinigt, schließ-
lich der die Transmutation vorantreibende Mercurius (Quecksilber) als
„Sohn“ – all das kann zumindest osirianisch gedeutet werden (Abb.
13.2),10 auch, wenn solche Bilder erstens durchaus universell sind und
10 So wurde es auch von frühneuzeitlichen Alchemisten wie Michael Maier getan: Ebe-
ling 2014, 28.

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302 Wesen und Mythos

Abb. 13.2: Bilder in alchemistischen Schriften der frühen Neuzeit, in denen Motive des
Osirismythos erscheinen: a) Der König wird zerstückelt und in den Sarg gelegt. b) Der
im Sarg (= Ofen) verschlossene König wird durch Feuer geläutert. c) Die Natur zieht
den jungen König groß; der alte König wird verbrannt. d) Merkur als der junge König
trotzt den Elementen. Stiche von Matthias Merian aus: Michael Maier, Atalanta fugiens,
Oppenheim: Johann Theodor de Bry, 1617 / 1687.

zweitens in den entsprechenden Denkgebäuden mit solchen aus der grie-


chisch-römischen Mythologie, der Kabbala und anderen des Christen-
tums fröhlich gemischt werden. Rückgriffe auf pharaonische Mytheme
bleiben dementsprechend spärlich in den alchemistischen Schriften.
Zosimos zieht in seinem dunklen Traum kein Bild heran, welches sich
explizit auf einen pharaonischen Archetyp bezieht. Immerhin finden sich

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Mythos 303

in den frühen Quellen zur Alchemie einige Anspielungen, die tatsächlich


als Tradierung von pharaonischen Konzepten gelten können. So wird in
einem griechischen Papyrus mit einer Liste von alchemistischen Fachbe-
griffen auch „Osiris“ als ein solcher aufgeführt und mit „Blei und Schwe-
fel“ assoziiert.11 Daran ist interessant, dass in der jüngeren Alchemie Blei
oder Quecksilber oft als Ausgangsmaterial der Transmutation dienen,
und Schwefel zusammen mit Quecksilber jene beiden Grundstoffe dar-
stellen, die in der sich an Aristoteles anlehnenden alchemistischen The-
orie die Ausgangsstoffe aller Wandlungen sind.12 Im Stichwort „Osiris“
würde hier also Festes und Flüssiges, Stabilität und Wandlung zusam-
mengefasst. Dass Osiris ein Mythem „bon à penser“ (Claude Levi-Strauss)
bot, um die Transmutation als die Verbindung von sich-Widersprechen-
dem zu erfassen, bezeugt ein Kommentar des Pseudo-Olympiodoros zu
einer angeblichen Schrift des schon genannten Zosimos (die selbst nicht
erhalten ist). Dort wird auf die Frage, wie man die Transmutation zu
verstehen habe, in der doch so widerstreitende elementare Zustände wie
Feuchtigkeit / Flüssigkeit und Feuer in einem Körper (dem geschmolze-
nen Metall) vereint wirken und so sich selbst transformieren können, mit
Bezug auf ein „Orakel des Apoll“ geantwortet:

41. … Derjenige, der die verborgene Kunst der Chemie kennt, sagt
ihm: „Wie soll ich nun die Transmutation verstehen? Wie sind Wasser
und das Feuer, Feinde und Gegensätze das eine dem anderen, ent-
gegengesetzt durch die Natur, vereint in demselben, durch Einheit
und Freundschaft? Usw. Oh diese undenkbare Vermischung! Woher
kommt diese unerwartete Freundschaft zwischen den Feinden?“
42. Hier enthüllen wieder die Orakel des Apoll die Wahrheit, denn sie
sprechen vom Grab des Osiris. Oder was ist das Grab des Osiris? Es ist
ein gebundener Toter und eingewickelt in Binden, nur das Gesicht ist
entblößt. Und es sagt der Orakelspruch den Osiris erklärend: „Osiris,
11 Berthelot / Ruelle 1887–88, 13, Text: 12; vgl. Aufrére 1991, 453.
12
Hierzu ausfühlich: Klossowski de Rola 1974, 17–19; Schütt 2000, 166f.

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304 Wesen und Mythos

das ist das innig gebundene Grab, das alle Glieder des Osiris versteckt
und die Sterblichen nur das Gesicht sehen lässt. Aber indem sie den
Körper versteckt, wollte die Natur unser Erstaunen hervorrufen. Denn
Osiris ist das Prinzip aller Flüssigkeit; er ist es, der die Verfestigung in
der Feuersphäre bewirkt. So ist es wie er bindet und festigt das Ganze
des Bleis, etc.13

Dasselbe Bild vom “Grab des Osiris“ wird in einem weiteren, anonymen
Kommentar erwähnt, in dem es heißt:

(Deshalb) nennen die Meister das Quecksilber das Grab des Osiris: das,
was die Zerstörung (der Metalle) durch die Mazeration bedeutet.14

So ägyptisch diese Passagen auch wirken, so muss doch betont bleiben,


dass in den frühen alchemistischen Schriften der Tenor ganz von der grie-
chischen Naturphilosophie und der Geisteswelt der Spätantike geprägt
ist. Vom allgegenwärtigen Hermes (Trismegistos) und seinem Bezug zu
Thot abgesehen, findet sich immerhin noch ein knapper Bezug auf die
Geschichte von Isis und Horus und den Kampf gegen Typhon, doch nur in
einer Vorrede, in der dann Isis als Alchemistin berichtet, wie sie Rezepte
des Silber- und Goldmachens von einem Engel in Hermopolis erfahren
habe.15 Wenn also die alchemistische Mythologie auch kaum nahtlos an
den Osirismythos anzustücken ist, so deuten die wenigen Belege zumin-
dest aber eine Interpretationslinie an, die sich auch sonst im pharaoni-
schen Material gut belegen lässt: Dass Osiris das religiöse Zeichen und die

13
Berthelot / Ruelle 1887–88, 94f., 103.
14
Berthelot / Ruelle 1887–88, 263, 272–275.
15 Berthelot / Ruelle 1887–88, 28–33. Siehe zu den Erwähnungen altägyptischer Motive
in den frühen alchemistischen Schriften auch die Stellensammlung in: Richter 2010.
In einem koptisch geschriebenen Traktat aus Nag Hammadi werden zudem Anspie-
lungen auf Seth gemacht, der dort wohl in gnostischer Tradition die Rolle des dunk-
len Ursprungs spielt (Burns 2015).

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Mythos 305

um seinen Tod geflochtene Geschichte das Mythem für die Konzeptuali-


sierung von Transformation sind.16
An dieser Stelle sei noch einmal an die Stele des kundigen Hand-
werkers Irtisen erinnert, die uns oben bei der Betrachtung des Selbst-
bildes der Techniker beschäftigt hat (Abb. 11.3 + Kasten 11.1). Im hier
behandelten Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Irtisen im zweiten
Bekenntnis genau die besondere Technik des Metallgusses beziehungs-
weise einiger der dafür wesentlichen Kenntnisse oder Erfahrungen
beschreibt. Dabei muss es sich nicht zwingend um das Wachsausschmelz-
verfahren und auch nicht den Guss in Bronze handeln. Ebenso gut passen
die Bemerkungen auf die Arbeit in Silber und Gold; Stoffe, die in der
Materialienliste am Ende des Textes auch erscheinen.

Ich habe kennengelernt (= weiß)


die Teile (= die Legierungsbestandteile) des Versinkenden („des
Müden“ = der Schmelze) (und) die „Hebung / das Wippen des Kopfes
die Berechnung des „Herausgenommenen“ (= das Volumen der
Form und daraus die benötigte Metallmenge) (und) das Eintretenlas-
sen beim / als Herausgehen (= Eingießen in die ausgeschmolzene
Form)
(wenn) er (= die Schmelze / der „Müde“) eintritt um zu kommen,
(indem er) eingedämmt (ist) (= durch die Gusskanäle und den Form-
mantel), hin zu seinem Platz.

Auf den ersten Blick ist die Passage eine präzise Beschreibung rein tech-
nischer Vorgänge. Im ersten Vers erwähnt Irtisen die „Teile des Versin-
kenden“, womit die Legierungsbestandteile bzw. das Material überhaupt
gemeint sind. Der zweite Satzteil entstammt wohl der Fachsprache der
16 Bei dem von Ratié 1983 publizierten Bronzefigürchen eines Osiris, das mit „alche-
mistischen“ Zeichen bedeckt ist, muss aufgrund seiner Singularität offen bleiben, ob
hier eine erst jüngere, neuzeitliche Interpretation und damit Fertigung / Umarbei-
tung vorliegt, oder ob es sich um ein zumindest schon in ptolemäisch-römischer Zeit
verwendetes Objekt handelt.

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306 Wesen und Mythos

Metallarbeiter. Einerseits kann das „Heben / Balancieren des Kopfes“ den


Abguss des Tiegels (= Kopf)17 im richtigen Moment beschreiben; ande-
rerseits können damit auch Bewegung an der Oberfläche der Schmelze,
das Aufschwimmen der Schlacke oder ähnliche Phänomene gemeint sein,
die dem Metaller Temperatur und Gussfertigkeit anzeigen. Nach dieser
Beschreibung der Schmelzerkunst erfolgt die des eigentlichen Gusses.
Dazu wird zuerst die benötigte Metallmenge bestimmt. Die folgende For-
mulierung vom „Eintreten beim Herausgehen“ kann entweder den Guss-
vorgang bezeichnen, bei dem der Tiegel ausgegossen und zugleich in die
Form eingegossen wird. Es ist aber auch denkbar, dass das Ausschmelzen
des Wachses aus der Form und das Eingießen des Metalls in die Hohl-
form gemeint sind; zwei Änderungen der Substanz, die eng miteinander
verbunden sind.18 Zuletzt wird beschrieben, wie sich die Schmelze durch
den Gusskanal in die Form begibt und dort „eingedämmt“ ihren „Platz“
einnimmt. Die drei wesentlichen Aspekte der Gusstechnik – Schmelzen,
Gießen, Form(bau) – sind so in einem knappen Vers zusammengefasst.
Doch lassen sich die in den Todesschlaf fallenden „Teile des Versin-
kenden“ nicht nur als ein Bild der Metalllegierung lesen, sondern über
den Decknamen der „Müde“ auch auf Osiris und so auf den Transforma-
tionsprozess des zerstückelten Gottes beziehen Die „Bestandteile“ (r.w)
der Legierung sind dann auch die zerstückelten Körperteile des getöte-
ten Gottes, die im Zuge einer thermischen Transformation wieder geheilt
werden.19 Die Diagnose der Gussfähigkeit des Metalls über dessen Ober-
flächenbewegung wird mit dem bekannten Bild des Erwachens des Gottes
beschrieben, in dem der auf dem Bauch liegende Osiris sein Haupt hebt.20

17
Bezeichnungen für menschliche Körperteile treten in der Fachsprache der ägyp-
tischen Metallarbeiter häufig auf: „Sohle = Tiegelboden“; „Gesicht = Oberfläche
der Schmelze“, „Wange = Tiegelwand“ (Scheel 1985, 152–166).
18
Eventuell in einer gekoppelten geschlossenen Form?
19 Zu diesen Bezügen auf Osiris: Stauder 2018; sowie Morenz 2020, der aufzeigt,
dass kunstvoll „versteckte“ Anspielungen auf den Osiris-Mythos in den Stelen der
Denkmälergruppe, zu der auch die des Irtisen zählt, regelmäßig auftreten.
20 Das Bild ist in der Dekoration von Sargkammern im 1. Jahrtausend v. u. Z. einige
Male belegt; siehe: Assmann 1977, 90–94, Abb. 45, Tf. 41.

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Mythos 307

Die Wiedergewinnung der leiblichen Statur des zerstückelten Gottes, für


die die fest gezurrten Mumienbinden sorgen, ist parallel gesetzt dem Guss
in den formgebenden, die Gestalt erzwingenden Hohlraum der Negativ-
form. Das Platznehmen des in eine neue Wesenheit überführten Gottes
auf seinem jenseitigen Thronsitz wird mit der Freilegung und Fertigstel-
lung des Gussstückes hin zu seinem Endzustand assoziiert. Das geheim-
nisvolle Ritual der Transformation des Gottes von Abydos wird so kunst-
voll in die Fachsprache des Handwerkers transponiert. Zentraler Moment
dieses Überganges von der Tötung = Schmelzung hin zur Inthronisation
= Gestaltgewinnung ist das Überschreiten der liminalen Schwelle im
Moment des „Eintretens und / um Heraus(zu)kommen“ (oQ-pr). Anders
würden Alchemisten auch nicht reden.

13.3. Transposition

Konserviert die Alchemie letztendlich über die von ihr genutzten


Mytheme nur eine recht beschränkte Erinnerung an Ägypten – so sehr
sie demgegenüber ihre Herkunft aus diesem (von ihr dazu gemachten?)
Land der Geheimnisse betont –, so bleibt noch ein zweites Fenster zur
pharaonischen Kultur. Diesmal sind es nicht die schaurig-schönen Bilder
von der Zerstückelung, Verwesung und Wiedergeburt, sondern es han-
delt sich um eine, gewissermaßen sogar die konzeptuelle Grundlage der
Alchemie überhaupt. Es ist das Konzept, mit dem die Idee der künstlich
stimulierten Transmutation sinnvoll mit der Idee der natürlichen, das
heißt universalen und alles durchdringenden Kraft des Kosmischen ver-
bunden wird. Dieses alchemistisch hoch bedeutende Konzept wird auf
zwei sogenannten Tafeln dargelegt, über deren Herkunft, Alter und Exis-
tenz allerdings gehörig hermetische Unklarheit herrscht. Der Text der
tabula smaragdina ist in seiner bisher frühesten bekannten Fassung in
einer arabischen Übersetzung erhalten, die aber wohl auf ein griechisch

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308 Wesen und Mythos

geschriebenes Original zurückgeht.21 Erst seit dem Mittelalter auch in


Europa verbreitet, wurde das dort in wenigen Sätzen dargelegte Prinzip
zur vieldiskutierten Grundlage der Alchemie (Kasten 13.2 + Abb. 13.3):

Siehe, das Oberste kommt vom Untersten,


und das Unterste vom Obersten;
ein Werk der Wunder von einem Einzigen.

Im so beschriebenen Zusammenspiel von Mikrokosmos und Makrokosmos


findet sich nicht nur ein schier unbegrenzter Rahmen für hermetisches
Spekulieren, sondern auch die grundlegende Deutung des praktischen

Abb. 13.3: Lateinische Fassung der Tabula Smaragdina. Stich aus: Amphitheatrum Sapien-
tiae Eternae des Heinrich Khunrath, Hannover 1609.
21
Ruska 1926.

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Mythos 309

1. Wahr, wahr, kein Zweifel darin, sicher, zuverlässig! 2. Siehe, das Oberste
kommt vom Untersten, und das Unterste vom Obersten; ein Werk der Wun-
der von einem Einzigen. 3. Wie die Dinge alle von diesem Grundstoff durch
ein einziges Verfahren entstanden sind. 4. Sein Vater ist die Sonne, seine
Mutter der Mond; der Wind hat ihn in seinem Bauch getragen, die Erde hat
ihn ernährt. 5. Er ist der Vater der Zauberwerke, der Behüter der Wunder,
vollkommen an Kräften; der Beleber der Lichter. 6. Ein Feuer, das zu Erde
wird. 7. Nimm hinweg die Erde von dem Feuer, das Feine von dem Groben,
mit Vorsicht und Kunst. 8. Und in ihm ist die Kraft des Obersten und des
Untersten. So wirst du zum Herrscher über das Oberste und das Unterste.
Weil mit dir ist das Licht der Lichter, darum flieht vor dir die Finsternis. 9.
Mit der Kraft der Kräfte wirst du jegliches feine Ding bewältigen, wirst du in
jegliches grobe Ding eindringen. 10. Gemäß der Entstehung der großen Welt
entsteht die kleine Welt, und das ist mein Ruhm. 11. Das ist die Entstehung
der kleinen Welt, und danach verfahren die Gelehrten. 12. Darum bin ich
Hermes der Dreifache genannt worden.

Kasten 13.2: Text der tabula smaragdina (Übersetzung von Hans-Dieter Leuenberger,
aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Tabula_Smaragdina (10.06.2017).

Handelns des Alchemisten: Selbst seine kleinteiligen Manipulationen an


den Substanzen stehen mit der universellen kosmischen Bewegung in
Beziehung und wenn er beides in Einklang bringt, kann er hier bewirken,
was dort wirkt, und umgekehrt. Mit einer ägyptischen Findegeschichte
versehen – auf einer smaragdenen Tafel oder Säule geschrieben im Grab
des Hermes Trismegistos entdeckt – dient der Text als Kronzeuge für den
ägyptischen Ursprung alchemistischer Gedanken überhaupt.22 Ähnlich
verhält es sich mit dem unter dem Namen tabula memphitica bekann-
ten kurzen griechischen Text, der ebenfalls auf eine ägyptische Quelle
zurückgeführt wird:

22 Zwar sind Findegeschichten kein pharaonisches Patent, aber es ist doch anzumerken,
dass sich genau diese Art der mysteriösen Auffindung an verborgenen Orten als Her-
kunft einiger Texte im pharaonischen Befund „findet“, z. B. beim „Denkmal memphi-
tischer Theologie“. Dazu und der aus dieser ominösen Findegeschichte resultierenden
anhaltenden Diskussion um die Datierung dieses Monuments: El Hawary 2010, 92–111.

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310 Wesen und Mythos

Himmel oben, Himmel unten


Sterne oben, Sterne unten,
Alles, was oben, ist auch unten
Solches nimm und sei glücklich.23

Das in beiden Quellen beschriebene Prinzip des Zusammenspiels von


Mikrokosmos und Makrokosmos ist allerdings in der so formulierten Fas-
sung originär spätantik und die Diskussion wird anhalten, inwieweit sich
in den hermetischen Texten pharaonische Traditionen oder gar „Gedächt-
nisspuren“ finden.24 Ein Aspekt jedoch, der dieses Denken in parallelen
Welten mit der Deponierung der Objekte von der Qubbet el-Hawa verbin-
det, sei hervorgehoben. Zu den Charakteristika der Beschreibung raum-
zeitlicher Verhältnisse in Ägypten zählt, dass in vielen Quellen eine Art
Parallelität oder nicht-symmetrische Dualität angesetzt wird, die wir auch
als Diesseits- / Jenseits-Dichotomie bezeichnen können. So vielgestaltig
und kreativ die unterschiedlichen Belege dieser konzeptuellen Figur auch
sind, so lassen sich in ihr etliche Motive finden, die auch der die Herme-
tik prägende Gedanke der Interdependenz von Mikro- und Makrokosmos
prägt. So sind die Sphären zwar miteinander verbunden und gegeneinan-
der unter bestimmten Bedingungen auch durchlässig; zugleich herrschen
in ihnen aber eigene zeitliche und räumliche Kontinua. Da im zeitge-
nössischen westeuropäischen Denken (bzw. dessen Realisierung im Spre-
chen / Schreiben) diese Vorstellung nur annäherungsweise reproduziert
werden kann, werden die Belege oft sehr verschieden interpretiert. Seine
auch für uns noch am ehesten zugängliche Fassung hat dieser konzep-
tuelle Archetypus in der Beschreibung der „zwei Ewigkeiten“ durch die
Worte Djet (D.t) und Nechech (nHH) gefunden, die neben einer zeitlichen
immer auch eine räumliche (und im übrigen auch farbliche) Konnotation

23
Übersetzung von Athanasius Kircher, zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/
Memphitische_Tafel (19.03.16).
24 Siehe zur Diskussion um die Ursprünge des hermetischen Denkens: Richter 2010,
598–604; Bull 2018 mit Verweisen auf die umfangreiche Literatur zu dem Thema.

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Mythos 311

haben.25 Meines Erachtens steht dabei Djet für das diesseitige, perfekti-
sche, räumlich und zeitlich begrenzte Kontinuum – den Mikrokosmos
– und Nechech für das jenseitige, imperfektische, räumlich und zeitlich
unabgeschlossene Kontinuum – den Makrokosmos der griechischen Phi-
losophen (Abb. 13.4).

Abb. 13.4: Das Konzept von Djet


und Nechech in einer Darstellung
auf der Innenseite des ersten
Goldschreins des Tutanchamun.
Die Personifikationen der beiden
Zeitvorstellung Djet (rechts) und
Nechech (links) stützen den Him-
mel. Die weibliche Djet steht in
altägyptischer Leserichtung dem
Leser zugewandt und ist mit dem
Erdstück als Symbol der erfassba-
ren, irdischen Welt determiniert.
Der männliche Nechech steht
vom Leser abgewandt und ist mit
der kosmischen Sonnenscheibe
determiniert.

Da in solchen Konzepten recht universelle Vorstellungen zusammen-


fließen, ist es letzten Endes einmal mehr unnötig, nach dem Erfinder
zu suchen.26 Vielmehr lehrt uns der alchemistische Umgang, wie ein
solches hermeneutisches Paradigma bei der Deutung von Vorgängen
fruchtbar gemacht werden kann, die u. a. die thermische Transforma-
tion von Stoffen betreffen. Und als solch ein paradigmatischer Vorgang
ist dieser Umgang wieder Anregung, die Situation auf und um die Qub-
bet el-Hawa zu betrachten. In der Theologie des 1. Jahrtausend ist es

25
Ausführlich: Assmann 2011, 13–85; Fitzenreiter 2013.c.
26 Vergleiche die Untersuchung Aufrère 2007, die über einen an Claude Levi-Strauss
geschulten strukturalistischen Zugang die Klassifikationen von Natur und Umwelt
aus pharaonischer Zeit als einen Mikro- und Makrokosmos verbindenden „ecothe-
ism“ (op. cit. 316) liest. Dass die Betrachtung partiell ägyptosophisch (Erik Hornung)
anmutet, ist durchaus kein Makel, sondern Zeugnis der agency solcher Konzepte.

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312 Wesen und Mythos

genau Osiris, der als das Verbindende der beiden Ewigkeiten par excel-
lence beschrieben wird, als „Herr der diesseitigen und Herrscher der jen-
seitigen Raum-Zeit“ (nb D.t Hq# nHH).27 Wobei solche Theologeme auch
anderen Sakralentitäten zugeeignet werden, was aber nur einmal mehr
die Flexibilität des konzeptuellen Vokabulars deutlich macht. Wichtig
ist es, Raum und Zeit zu bestimmen, an denen ein Übergang zwischen
beiden Sphären, an denen das „Eintreten und / um Heraus(zu)kommen“
(oQ-pr) möglich ist. Der entsprechende Ort jedenfalls ist die Nekropole;
welche Zeit bestimmt wurde, ist hier unbekannt. Es wird der Moment
eines der großen Übergangsfeste gewesen sein. Dazu im folgenden Teil.

13.4. Transformation

Das Vokabular eines Paradigmas dient als Medium, über das sich inner-
halb dieses Paradigmas die Ansprache der Dinge vollzieht. Doch sind
Medien, wie mehrfach erwähnt, nicht einfach Beschreibungen; sie sind
immer auch extensions, die das Beschriebene auch sind. Das Medium des
Bildes schafft den verschwitzten Gießer, den es dann auch genau so gibt.
Und es schafft dem Gießer ein Bild, wie er ist. Die Ansprache seiner Sub-
stanz verleiht dem Ding sein Wesen und macht es erst zu dem, was es
ist. Mal ist diese Substanz Hermes / Mercurius, mal Quecksilber, und mal
Hg.28 Was es davon unabhängig ist … das weiß niemand.
Mit der Wahl des Vokabulars wird unablässig um die Ansprache der
Dinge, ihrer Substanz und damit ihres Wesens gerungen. Was weitaus
schwieriger ist, als es scheint. So manches entzieht sich der Ansprache.
Oben wurde bereits festgehalten, dass die Verbalisierung nicht das eigent-
liche Medium der technischen Reflektion ist. Nicht das Buch, sondern das

27
Traunecker 2010, 170.
28 Siehe zu der in pharaonischer Zeit geläufigen Ansprache von Substanz und Wesen
verschiedenster Naturerscheinungen (Tiere, Pflanzen, Gesteine etc.) über „Götterbe-
zeichnungen“: von Lieven 2004.

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Mythos 313

Werkstück ist das Medium des Technischen und die Wissensvermitlung


vollzieht sich im haptischen Begreifen. Damit geraten wir unvermeidbar
in einen Bereich, der, weil nicht verbal erfasst, geheimnisvoll und unbe-
rechenbar erscheint. Wenn die entsprechende Technik zudem aufgrund
von Aufwand, Wert der Materialien und der involvierten Dinge etc. nur
kleinen Gruppen zugänglich ist, restriktiven Zugängen unterliegt, gar
besonders gefaehrlich ist, dann wird es immer ominöser: Willkommen in
der Geheimwissenschaft, als die sich die Alchemie genauso gern geriert,
wie das gehütete Wissen einer Gießerei auch!
Solche sonderbaren Erfahrungen denn doch zu erklären ist, wie dar-
gelegt, die Aufgabe der Technologie. Alchemisten wie moderne Naturwis-
senschaften haben jeweils bestimmte Begriffsapparate entwickelt, mit
denen das geheimnisvolle „Dazwischen“ bei der Veränderung des Dinges
beschrieben werden kann. Letzten Endes geht es dabei stets um einen
bestimmten Moment (so häufig er in Zuge eines Prozesses auch auftritt),
und zwar den der Transformation. Irgendwie findet eine fundamentale
Veränderung statt und irgendwie müssen wir diese beschreiben kön-
nen, um sie zu verstehen und über das Verstehen zu beherrschen (oder
wenigstens uns zu beruhigen). Ob man dazu nun eine szientistisch-kalt
anmutende Formelschriftsprache benutzt, oder das hermetische Raunen
alchemistischer Bilder (Kasten 13.3), ist am Ende irrelevant: Verstehen
kann es nur der Eingeweihte, der Adept. Alle anderen stehen, schauen –
und staunen.

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314 Wesen und Mythos

b)
a)
Es wird vom Vorliegen einer
Silber/Gold-Legierung [Agn/
Aum] ausgegangen, aus der das
Gold zu scheiden ist. Entspre-
chend wird die Silber/Gold-
Legierung [Agn/Aum] in einem
ersten Schritt mit Antimon(III)
sulfid („Spießglanz“) Sb2S3
geschmolzen. Da das Silber
Ag eine größere Affinität zum
Schwefel hat als das Gold,
kann folgender Prozess formu-
liert werden:

[Agn/Aum] + Sb2S3 → Ag2S + [Sbn/3/Aum].

Das Silbersulfid Ag2S (und eventuelle Sulfide anderer Metalle, die in der
Ausgangslegierung noch vorhanden sind) bilden einen festen Körper, der
Plachmal genannt wurde. Die Antimon/Gold-Legierung setzt sich davon als
Regulus ab.

Der zweite Prozess ist das Glühen der Antimon/Gold-Legierung bei Anwe-
senheit des Sauerstoffs O2 aus der Luft:

[Sbn/3/Aum] + O2 → Sb2O3↑ + mAu.

Das Antimon(III)oxid Sb2O3 wird dabei „verjagt“, d. h., es verflüchtigt sich


(Siedepunkt: 1425 °C), so dass Gold übrig bleibt.

Der summarische Gesamtprozess ist folglich:

[Agn/Aum] + Sb2S3 + O2 → Ag2S + Sb2O3↑ + mAu.

Kasten 13.3: Beschreibung einer Transformation: Die „Läuterung“ des Goldes mittels
einer Reaktion mit Antimon und anschließendem Ausglühen:
a) Alchemistisch: Der Wolf (= Antimon) frisst den toten König (= verunreinigtes Gold).
Im Feuer verbrennt der Wolf. Der junge König (= das geläuterte Gold) ersteht. Stich von
Matthias Merian aus: Michael Maier, Atalanta fugiens, Oppenheim: Johann Theodor de
Bry, 1617 / 1687;
b) die Chemische Gleichung desselben Vorganges: Reinigung einer Gold/Silber-Verbin-
dung nach einer Beschreibung in Justus von Liebig, Handbuch der Chemie, Heidelberg:
Winter, 1843, 588; Text und Gleichung nach einer Vorlage von Hans-Georg Bartel (pers.
Mitteilung per Mail vom 11.10.2017).

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Erfahrung 315

ERFAHRUNG UND RITUAL

Welche Wissenschaftssprache wir auch verwenden, ob die der Chemie


oder die der Hermetik, für den Vorgang, der nicht festgehalten werden
kann, weil es ein flüchtiger Moment der Veränderung ist, für das Phäno-
men der Transformation, benötigen wir ein Zeichen: Einen Pfeil in der
chemischen Gleichung oder einen fressenden Wolf als Mythem (Kasten
13.3). Anfang und Ende sind klar umrissen; auf den Vorgang kann nur
verwiesen sein. Dies ist das Paradoxon des Zenon vom Pfeil, der nicht
fliegen kann, weil er sich stets an seinem (neuen) Ort in Ruhe befindet;
nur in einer anderen Formulierung.
Kehren wir an den Ausgangspunkt zurück und schauen auf die
Objekte des Konvolutes von der Qubbet el-Hawa, wie sie so sind, so sind
es ausnahmslos Dinge, die irgendeinen Zustand – einen Zwischenort der
Ruhe – innerhalb des Vorgangs der Veränderung abbilden. Sie sind noch-
nicht oder nicht-mehr, aber offenbar sollen sie so auch sein. So, wie sie
sind, sind es alles Zeichen des Transformatorischen. Bemerkenswerter
Weise haben wir sie bei der Analyse des Konvolutes auch immer so „gele-
sen“: als Zeichen, die uns das antike Wachsausschmelzverfahren, also den
Vorgang der Transformation, beschreiben. Das geschah gewissermaßen
instinktiv und war der Laborsituation in einer Forschungssammlung
geschuldet. Wie von selbst – aber eigentlich von der agency der Dinge
geleitet – haben wir uns diesen genähert und erfahren, was sie uns auf
unsere Fragen zu sagen haben. Sofern dies Fragen zur Technik des Wach-
sausschmelzverfahrens waren. Doch mag in den Antworten auf das Wie
des Verfahrens nun auch die Antwort auf die Fragen nach dem Warum
sein: Warum wurden Dinge aufbewahrt, die so nicht aufbewahrt werden
sollen? Und was, wenn genau dies auch die Antwort auf die Frage nach

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316 Erfahrung und Ritual

dem Warum hier ist, nach dem Ort bzw. wieso diese Dinge an einem Ort
gefunden wurden, wo sie nicht hingehören?

14. Erfahrung

14.1. Zeremonien

Dass es prinzipiell das Bedürfnis gibt, die Vorgänge der Veränderung als
solche zu erfassen, kann die Alchemie uns lehren. Wobei unter Erfassen
nicht (nur) die verbalisierte oder verschriftlichte Form der Darstellung zu
verstehen ist, sondern auch das Erfahren des Vorganges mittels anderer
medialer Techniken. Der lautere Alchemist, so wissen es die wenigen
wahren Adepten, steht nicht am Ofen, um Gold zu machen, sondern um
im Prozess des „großen Werkes“ dieses selbst zu erfahren. Er erfährt es als
eine Veränderung seines Selbst. In der Ausdrucksweise der ANT: er erlebt
die Hybridisierung. Der Adept spürt in der Arbeit, was die Transforma-
tion ist, von der in Büchern nur gelesen werden kann. Damit steht seine
Praxis des beständigen Experimentierens zur geschriebenen Gelehrsam-
keit so, wie das Ritual zum Mythos steht.

Der Mythos, wie in Kapitel 13 behandelt, erklärt mittels einer Erzählung.


In einer mythischen bzw. besser: myth(em)o-logischen Erzählung wird
das Vorgefallenen verstehbar, indem der Vorfall über eine Kette von sinn-
voll verbundenen narrativen Elementen oder Bildern – den Mythemen
– als eine Geschichte erzählt wird, die zum zu beschreibenden Ergeb-
nis führt. Nicht viel anders funktioniert eine gelehrte Abhandlung, die
sich ihrer jeweiligen Fachsprache bzw. der im Fach (der -logie) gepfleg-
ten Paradigmen bedient. Rituale hingegen verleihen Prozessen Realität,
indem sie mittels der sinnvollen Verknüpfung von elementaren, aber
symbolisch aufgeladenen Handlungen – Zeremonien – diesen Prozess
selbst moderieren. Im Ritual findet der Vorgang der Veränderung tat-

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Erfahrung 317

sächlich statt, für den der Mythos nur Mytheme oder chemische Formeln
hat. Das Zusammentreffen des Brautpaares am rechten Ort zur rechten
Zeit im Beisein der rechten Leute und die dabei vollzogene Zeremonie
des Ringe-Ansteckens inauguriert die Ehe als grundlegende soziale Ins-
titution. Ohne dieses wohlabgezirkelte und doch immer individuell aus-
geschmückte Ritual ist diese Verbindung nicht kommuniziert, nicht im
kulturellen Sinne vollzogen und damit auch im sozialen Gefüge nicht
existent. Wobei anzumerken ist, dass die Zeremonie selbst so universell
und unkonkret ist, wie das Mythem. Das Anlegen des Ringes kann auch
den Eintritt in ein Nonnenkloster inaugurieren, die Übernahme eines
Amtes oder schlicht die Fähigkeit verleihen, „sie alle zu knechten“. Es
ist der rituelle Kontext, die konkrete Durchführung, die über Sinn und
Unsinn des Vorganges entscheidet.1
Viele Rituale gewinnen ihre konkrete Kraft daraus, dass sie als die
praktische Umsetzung von mythologischen Erklärungen angelegt sind.
Sie bedienen sich der Mytheme als zeremonielle Bausteine, indem sie
diese vorlesen, singen, tanzen, nachspielen oder in anderer Weise als
erlebbare Bilder umsetzen. So sind sie auf das konkrete, individuelle
Erleben der mythologischen Erklärungen gerichtet: Was dort und damals
geschah, wird hier und heute wahr. In den von den Teilnehmern am Ritual

1
Siehe zum Ritual und ritueller Praxis grundlegend Bell 1992; Brosius / Micha-
els / Schrode 2013 und die dort diskutierten Ansätze zur Ritualtheorie; für Ägypten:
Roeder 2004; Pries 2016. Die häufig vorgenommene essentialistische Unterschei-
dung gewohnheitsmäßiger (= ritualisierter) Alltagshandlungen von „echten“ ritu-
ellen Handlungen mit vorgeblich kulturell-normativer Bedeutung halte ich für nicht
zielführend und der inzwischen überholten Unterscheidung von (böser, weil indi-
vidueller) Magie und (guter, weil kollektiver) Religion vergleichbar. Die in Kap. 3
diskutierten Aspekte der Kulturtechnik im Verhältnis zu (allgemeiner) Technik auf-
greifend kann formuliert werden, dass Rituale zu Verfahren verfestigte Kulturtech-
niken sind, also Handlungsfolgen, die in besonderer Weise (und da es keine privi-
legierten Kulturtechniken gibt: auch) der Gestaltung kultureller Entitäten dienen,
seien dies die alltägliche Synchronisierung von Raum und Zeit im „Tagesablauf“ (=
die fundamentale Kulturalisierung menschlichen Verhaltens; hier mag das Anlegen
des Ringes zum Ritual der Morgentoilette gehören) oder die eher außergewöhnliche
Etablierung einer sozialen Realität (= Rolle und Status; z. B. Ringanlegen bei der
Herrscherinvestitur oder Ringanlegen beim Eheschluss).

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318 Erfahrung und Ritual

nachgestellten Bildern der Mytheme werden all jene Entitäten quasi als
Personifikationen aufgerufen, die als Rollenvorbilder gebraucht werden:
Könige und Königinnen, Kriegerinnen und Krieger, Bräute und Bräuti-
game, Geisteswissenschaftler und Geisteswissenschaftlerinnen.2 Diejeni-
gen, die sich im Zuge des rituellen Tuns verändern, können so an das
Bekannte angeglichen werden und ihm doch eine völlig neue, konkrete
Fassung verleihen. Rituelles Tun ist also nichts anderes als eine Tech-
nik der Hybridisierung von Menschen und Rollenbildern, so magisch sie
anmuten mag.
Doch müssen nicht nur Menschen miteinander kommunizieren.
Dinge können zwar Medien der Kommunikation zwischen den Menschen
sein, wie der eben erwähnte Ring, sie können aber genauso als Partner
der Kommunikation erscheinen, als das Gegenüber, dem der Mensch sich
anvertraut, das er beschwören oder bannen will. Den Dingen werden
dabei meist besondere, magische Eigenschaften zugeschrieben und es
sind diese Eigenschaften, die in der Kommunikation zeremoniell manipu-
liert werden. Rituale, in deren Verlauf Dinge manipuliert werden, denen
bereits ein sakraler Mehrwert zugewachsen ist, sind zudem auch Tech-
niken, bei deren Tun der religiöse Hybrid real wird, der aus dem Zusam-
mentreffen von Mensch mit Dingen entsteht, die über sakrales Potential
verfügen. Denn so wird das dingliche Gegenüber – eine Bild, ein Buch,
ein Gesang, eine Landschaft, das Wasser, die Sonne – zum Zeichen, das
auf eine Bedeutung verweist, die über es selbst hinausweist: auf „Gott“
zum Beispiel (oder eben auf irgendeinen anderen Wert). Im Ritual erlebt
der religiöse Hybrid – der Gläubige – die Realität seines Glaubens (siehe
Kapitel 7 und noch Kapitel 17).
Wichtig bleibt, dass das Ritual durchgeführt wird, also wieder der
Moment des praktischen Tuns. Ohne die Handlung kann keine Hybridi-

2
Siehe etwa die Rituale der akademischen Preisverleihungen, bei denen die Preise mit
den Namen vorbildhafter WissenschaftlerInnen oder Gönner versehen sind, deren
„Geist“ auf diese Weise beschworen und belebt wird: Nobel, Leibni(t)z, Kowalews-
kaja ...

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Erfahrung 319

sierung stattfinden. Hier liegt auch der Unterschied zwischen dem einfa-
chen Berichten über einen Mythos und dessen rituelles Erzählung als ein
Mythos. Berichte – Medien der Gelehrsamkeit – entfalten keine agency (bzw.
ganz andere). Nur das (lebhafte) Erzählen des Mythos verleiht ihm durch
die rituell geprägte Art und Weise der Erzählung Realität. Das Erzählen
des Mythos, möglichst zur rechten Zeit vor den rechten Menschen (siehe
Abb. 3.2), ist Ritual. Alles andere ist dröge Wissenschaft; weder lebendig
noch gefaehrlich. Das Ritual aber ist so offen, wie es Techniken auch im
richtigen Leben sind. Nur aus dem Bewusstsein der Serendipität des Ritu-
als bis hin zur Gefahr des Scheiterns heraus, kann das Ritual Menschen
und Dinge verändern.
Dieses Erlebnis der Veränderung kennt der Alchemist, der bei der
Verrichtung des „großen Werkes“ seine Läuterung mit der des Stoffes
zusammen erlebt; zumindest im Idealfall und wenn es ihm nicht doch
(nur) darum ging, Gold zu machen (wie alle nicht zur Gruppe der Alche-
misten gehörenden und damit Ungläubigen ja schon immer vermuteten).
Doch selbst um nur Gold zu machen, muss der Alchemist die Schritte
des Rituals befolgen und den Prozess genau so gestalten, dass er, wenn
schon nicht zur Läuterung des menschlichen, dann wenigstens zur Läute-
rung des stofflichen Wesens führt. Weder Mythos noch Ritual behandeln
und betreffen ja die Menschen allein. Sie betreffen die Dinge ebenso.
Sie handeln ja auch von und mit den Dingen, wie sie von und mit den
Menschen handeln. Anders gesagt: Man kann Mythos auch mit Techno-
logie und Ritual mit Verfahren übersetzen. Auch ein rein auf die Trans-
formation des Stofflichen bezogener Prozess folgt einer festen Folge von
Handlungen und bleibt damit den Zeremonien des alchemistischen Ritu-
als (was nur ein anderer Name für das „große Werk“ der frühen Chemie
ist) verfangen.
Die moderne Wissenschaft der Stoffe – die Chemie – hat sich in
ihrem Selbstverständnis ganz von den mythologischen Metaphern
gelöst und auch die seelische Verbesserung des Laboranten ist nicht
mehr zwingend Ziel eines Experiments. Eckpunkte des rituellen Prozes-

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320 Erfahrung und Ritual

ses bleiben aber auch hier durchaus erkennbar.3 Dies betrifft sowohl
die notwendigen Rahmenbedingungen – in denen besondere Reinhei-
ten und Zeitpunkte, auch die Beschaffenheit des Ortes usw. eine Rolle
(sic!) spielen – als auch die Einhaltung der Reihenfolge der Schritte des
Experiments4 bis hin zur Formulierung der gewonnenen Ergebnisse in
Form einer sehr speziellen Schriftsprache. Es ist dann meist die Ver-
knüpfung der Wissenschaftlerinnen mit dieser Schriftfassung, die den
Effekt der Hybridisierung und Läuterung erbringt, etwa hin zum Status
eines Nobelpreisträgers. Wie wesentlich hier zeremonielle Sorgfalt ist,
bezeugen die Regeln der Namensnennungen in den affirmierenden Pub-
likationen und der regelmäßige Streit deswegen.5 Wie gesagt: Rituale
sind stets offene Systeme.

14.2. Erleben

Alchemisten wie Chemikerinnen ringen darum, technische Rituale zu eta-


blieren, die repetierbare Ergebnisse bei der Stoffwandlung ermöglichen,
d. h., sie möchten Verfahren entwickeln. In Kapitel 4 wurden die Tech-
niken des Wachsausschmelzverfahrens beschrieben. Betrachtet man das
dort Zusammengefasste unter dem Gesichtspunkt der Reflektion, wie er
in den letzten beiden Kapiteln behandelt wurde, kann ein Eindruck davon
gewonnen werden, welchen Herausforderungen auf der Ebene der kog-
nitiven Durchdringung ihrer Verfahren sich die antiken Techniker und
Technikerinnen gegenüber sahen. Welche Möglichkeiten der Konzeptua-
lisierung dieser Prozesse die verschiedenen Wissenschaftssprachen bieten

3
Solche sozialen oder kulturellen Elemente in den MINT-Fächern aufzuspüren, ist
ein großes Thema der „Science and Technology Studies (STS)“: Beck / Niewöh-
ner / Sørensen 2012.
4
Zu peinlich genau beachteten Regeln bei Verrichtungen im naturwissenschaftlichen
Bereich, die sich bei genauer Betrachtung als leere Konventionen bzw. wichtige
„Magie“ – je nach Beobachterstandpunkt – entpuppen: Beck 2012 , 227–231.
5
DFG 2013, 29.

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Erfahrung 321

– die der Hermetik und die der Chemie etwa – wurde im vorangegange-
nen Kapitel behandelt. Doch wird die kognitive Durchdringung gar nicht
die Hauptrolle im technischen Prozess gespielt haben. Es ist das Tun und
das Erleben des richtigen Tuns, was den Prozess voranbringt. Beschreiben,
in Worte fassen, Konzeptualisieren – also all das, was mit Techniken der
Kommunikation zwischen Menschen zu tun hat – sind sekundäre Vor-
gänge, denen das Erleben der tatsächlichen Veränderung von Substanz,
Eigenschaften und damit Wesen des Behandelten (und der Behandeln-
den) vorausgeht. Ob im wissenschaftlichen Experiment, das ganz dem
Verstehen eines Vorganges gewidmet ist, oder dem produktiven Prozess,
in dem es schlicht um die Erzeugung von Gold, Götter(bilder)n oder
Gabeln geht – entscheidend bleibt die Durchführung. Sie ist die Voraus-
setzung, die dann erklärt werden kann; als Erfolg oder Misserfolg, aus
diesen oder jenen Gründen.
Dieses Tun verlangt ein beständiges in-Kontakt-Bleiben mit den Din-
gen. Um in der Lage zu sein, mit den Dingen zu kommunizieren, ihre Ver-
änderungen wahrzunehmen und den richtigen Zeitpunkt (und Ort) ihrer
Veränderung an sich selbst zu erfahren, müssen die menschlichen Teil-
nehmer an diesem Prozess in besonderer Weise konditioniert sein. Die
agency des in Bonn aufbewahrten Gusskonvolutes befiel ja nicht jeden,
der damit in Berührung kam, sondern gerade jene, die bereits mit Metal-
len und dem Wachsausschmelzverfahren zu tun gehabt hatten, dafür
aufgeschlossen und durch Vorwissen angebrütet, an-hybridisiert waren.
Aber Konditionierung für den konkreten Handlungsvorgang reicht noch
viel tiefer. Jede Technikerin und jeder Techniker weiß auch heute, wel-
che Konzentration erforderlich ist, um ein bestimmtes Verfahren durch-
zuführen, und wie man diese durch Stimulierung der Aufmerksamkeit
und Konzentration – durch das tuning des Nervensystems – erreicht. Die
Zigarette davor, dazwischen, danach oder die strikte Enthaltsamkeit von
jeder Ablenkung; was auch immer. Nicht anders als im Ritual – in dem
prinzipiell eine gesteigerte Sinnlichkeit durch Rausch und Ekstase das

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322 Erfahrung und Ritual

Erlebnis der Hybridisierung erleichtert6 – sind es diverse Zeremonien,


die Menschen die Durchführung von technischen Prozessen ermögli-
chen. Viele der im Zusammenhang mit dem Wachsausschmelzverfahren
zu beobachtenden Absonderlichkeiten wie das Einfärben der Wachsmo-
delle mögen durch rationale Technologien nicht erklärbar sein. Sehen
wir sie als Teil eines rituellen Prozesses – der Markierung eines Zwi-
schenzustandes der Substanz auf der Stufe „Rot“ z. B. – sind sie es nicht.
Wenn sich afrikanische Metallarbeiter in sexueller Enthaltsamkeit üben,
dann mögen sie (oder die Ethnographen) dies mit allerlei mythologischen
Geschichten erläutern.7 Im Kern geht es aber darum, sich und andere für
einen Moment zu sensibilisieren, der mehr als die übliche Aufmerksam-
keit verlangt. Wenn Gießer heute jeweils ihre ganz speziellen Werkzeuge
bevorzugen, dann sind es solche, die ihnen vertraut sind und denen sie
vertrauen, genau in den Momenten, wo ein gesteigertes Gefühl der Ver-
lässlichkeit vonnöten ist.
Je komplizierter und vielschichtiger ein technisches Verfahren
ist, desto geregelter muss das Tun dieses Verfahrens ablaufen, um die
gewünschten Resultate zu erreichen. Regelmäßigkeit erreichen Men-
schen durch die Ritualisierung von Handlungsvorgängen. Solche Ritua-
lisierungen kann man in Arbeitsvorschriften fassen, die einzuhalten die
Betriebsordnung und das Arbeitsgesetzbuch überwacht, oder in „uralte“
Regeln, für deren Garantie die Alten und die Götter stehen. Was an über-
bordender Mythologie sich bei Zosimos an das „Standardverfahren“ der
Alchemisten angelagert hat, mag ein Beispiel dafür sein, wie ein techni-
sches Verfahren rituell hinterfüttert und überhöht wird (Kasten 13.1).
Denn am Ende geht es dabei gar nicht in erster Linie darum, eine Erklä-

6
Zu diesem als tuning des Nervensystems bezeichneten wichtigen Aspekt rituellen
Handelns, über den das auch in Kapitel 5 behandelte Erleben von Technik ganz
wesentlich gesteuert wird: D’Aquili / Laughlin / MacManus 1979. Zu exzessivem
Gebrauch von Stimulanzien wie Alkohol und Narkotika oder auch Tanz und Gesang
im Rahmen ritueller Handlungen in pharaonischer Zeit z. B. von Lieven 2003; Hart-
ley 2012.
7
Eliade 1980.

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Erfahrung 323

rung für die verschiedenen Vorgänge zu finden. Es geht vor allem darum,
den Adepten so zu konditionieren, dass er die Vorgänge erfassen und
erleben kann; und das in einer Sprache, die ihn sowohl für das kognitive
Erfassen als auch das somatische Erleben öffnet bzw. sensibilisiert.

14.3. Inszenieren

Auch wenn die industrielle Produktion der Neuzeit auf den ersten Blick
wenig mythologisch oder gar rituell erscheint, so lassen sich diverse Vor-
gänge durchaus unter rituellen Gesichtspunkten lesen und interpretieren.
Gerade alle die Vorgänge, in denen es um die Verbindung von Menschen
und Dingen geht, alle Prozesse der Hybridisierung, sind rituell unterfüt-
tert. Berufsbezeichnungen, Hierarchien und vor allem immer und immer
wieder das eigentliche Tun der Arbeit, ist in Rituale gefasst. Ohne festge-
legte Zeiten und Orte würden sich die Massen an Arbeitern nicht dirigie-
ren lassen; ohne ritualisierte Verfahren der Vertragsgestaltung (mit zere-
moniellem Handschlag und in-die-Augen-Blicken) könnte kein Austausch
von Wertäquivalenzen vonstatten gehen; ohne Rituale der Ämterfolge
über Grade wie Lehrling, Geselle, Meisterin usw. könnte die Arbeits(ver)
teilung nicht moderiert werden und ohne die Einübung von Handlungs-
folgen, die man ohne sie zu reflektieren „im Schlaf“ – d. h. in zeremoniel-
ler Trance – bewältigt, ist effektives Produzieren gar nicht möglich.
So individuell dann die jeweiligen Vorgänge der Verknüpfungen von
Menschen und anderen menschlichen oder nicht-menschlichen Akteuren
auch ausfallen, also ob es sich nun um einen besonders guten oder beson-
ders schlechten Lehrling handelt – von großer Bedeutung bleibt in jedem
Fall, dass die Durchführung der eigentlichen Arbeit mit der Umsetzung
der zeremoniellen Schritte einhergeht. Arbeit – technische Auseinander-
setzung – ist immer zugleich auch deren performative Inszenierung. Beide
Aspekte sind praktisch nicht zu trennen, jedes Tun ist immer auch eine
Demonstration des Tuns. Mythen werden nur wahr durch deren erlebbare

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324 Erfahrung und Ritual

Inszenierung, Experimente können nur zur Statussteigerung beitragen,


wenn sie publik gemacht werden (und sei es in einer offensiv geheim
gehaltenen Patentschrift), eine Meisterin wird nur, wer sich im Prozess
der Arbeit als solche „beweist“.
Die traditionelle Technik- oder Technologieforschung hatte es in
gewisser Weise als ihre Aufgabe gesehen, das Inszenatorische von der
technischen Handlung abzulösen. Das führt dann gelegentlich auch dazu,
den Menschen vom Werkzeug abzusondern und eine Geschichte der
Geräte (oder der Töpfe) zu schreiben.8 Spätestens im Bereich der medi-
zinischen Techniken ist dies nie gelungen. Gerade die antike Medizin
war sich ausweislich der Quellen des engen Zusammenhanges zwischen
Tun und Kommunikation, zwischen Handlung und Inszenierung durch-
aus bewusst.9 Dieser medizinisch-magische Komplex ist nichts anderes,
als die Verbindung von tatsächlicher Dinge-Manipulation (in diesem Fall
meist: ein menschlicher Körper) mit der rituellen Kommunikation dieser
Manipulation. Wobei die Kommunikation einerseits auf das Erleben des
Prozesses durch den behandelnden Heiler zielt, der oder die so in einer
den alchemistischen Adepten ähnlichen Weise für das Transformatori-
sche ihres Tuns „aufgeschlossen“ und sensibilisiert werden. Ein Arzt, der
nicht an sich „glaubt“, kann nicht heilen. Aber es betrifft natürlich auch
das Erleben des Patienten (und seiner sozialen Umgebung), der oder die
so in diesen Erlebnisvorgang einbezogen werden und den Prozess der
Heilung bewusst miterleben können. Nach einer Phase der Apparate-
medizin, in der man die Einbeziehung des Patienten als den wichtigsten
Teil des Körpers mitunter vernachlässigte, wird man sich auch in den
Lebenswissenschaften dieser Verbindung von Technik und Zeremonie
als Aspekte ein und desselben Verfahrens wieder bewusst. Wobei das
Demonstrieren der Apparate und das demonstrative Verlassen auf die
8 Hier liegt etwa der Unterschied zwischen der traditionellen und sich den Naturwis-
senschaften verwandt fühlenden Technikgeschichte der Geräte (etwa: Döbler 1967)
und den kulturwissenschaftlichen Ansätzen der „Science and Technology Studies“
(Blumenberg 2009; Beck / Niewöhner / Sørensen 2012).
9
Pommerening 2017.

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Erfahrung 325

Apparate auch nichts anderes als eine Form der Inszenierung ist, mit der
sich Heiler und Patient vom Erfolg der Behandlung überzeugen möch-
ten.
So, wie das Gusskonvolut heute im Museum präsentiert wird, ist es
genau eine solche Inszenierung der Arbeitschritte des Wachsausschmelz-
verfahrens. Während der Betrachter eines metallenen Objektes immer
nur das Objekt und seine agency erleben kann, also den Gott, den Ham-
mer oder die Gabel, so kann der Betrachter einer solchen Inszenierung
von Zwischenstufen, das Verfahren als solches über seine Etappen nach-
vollziehen und erfahren. Was in diesem Fall (und eine gewisse Konditi-
onierung vorausgesetzt) besonders aufregend ist, da es sich um Etappen
handelt, die der regelhaften Zerstörung unterliegen. Ihre Inszenierung
als Zeichen dieser Etappen eröffnen einen Erlebnishorizont, der auf das
Verfahren selbst gerichtet ist. Heute sind es die verschiedenen Nutzer-
gruppen eines Museums als „Laboratorium der Aneignung“, die in der
Auseinandersetzung mit dieser Inszenierung zum Erlebnis der Wissens-
übertragung über das Verfahren inspiriert werden. Wer war es im Zusam-
menhang mit dessen Deponierung? Wir dürfen vermuten, dass es die
Metallhandwerker selbst waren, die mittels einer solchen Inszenierung
ihr Tun reflektierten.

14.4. Reflektieren

Handeln, (somatisches) Verstehen und zuletzt das Erleben der Handlung


als etwas, das man verstanden hat, prägen das technische Tun. Die mit
dem Verstehen zwangsläufig verbundene Konzeptualisierung schafft ein
Bild des technischen Vorganges, dessen Formulierung in Medien der
technologischen Reflektion bereits behandelt wurde. Solche Bilder des
technischen Vorganges können wieder in Medien der Gelehrsamkeit
zusammengefasst werden, also Medien, in denen das Wissen (der Men-
schen und Dinge) von der Technik dargestellt ist. Gemeinhin hält man

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326 Erfahrung und Ritual

wieder Schriften und Abbilder für in dieser Hinsicht privilegiert, da sie


besonders gut als Medien der Gelehrsamkeit taugen. Und tatsächlich:
In dem schon im vorangegangenen Kapitel herangezogenen Stelentext
des Irtisen (Kasten 11.1) lesen wir im zweiten Bekenntnis nicht nur eine
technische Beschreibung und eine technologische Reflektion des Guss-
prozesses, sondern können ebenso einen Eindruck von der reflektiven
Dimension des Verfahrens bekommen. Irtisen erzählt nämlich nicht nur
von seinen Kenntnissen auf der technischen Ebene, sondern auch von
denen konzeptueller Art. Der Subtext seiner vier Bekenntnisse behandelt
Zeremonien, aus denen sich ein großes osirianisches Ritual zusammen-
setzt. Es beginnt mit dem ingangsetzenden Aufruf und dem Auszug zum
Ritual im ersten Bekenntnis. Es fährt fort mit dem Tod und der Wiederer-
stehung des Gottes im Zweiten. Das Dritte beschreibt den Kampf um die
Rechtfertigung und schließlich wird die Neueinrichtung der Ordnung im
vierten Bekenntnis besiegelt.10 Die Passage im zweiten Bekenntnis deutet
an, dass man den Vorgang der Metallverflüssigung und des Gusses auch
als etwas erleben und kommunizieren konnte, das in Mythemen eine
kognitive Entsprechung fand: dem „Versinken“ der Legierungsbestand-
teile in die „Müdigkeit“ der Schmelze; die Schwellenüberschreitung des
„Hineingehens und (zugleich) Herausgehens“ beim Austausch von Wachs
und Metall. Dies waren Bilder, in denen der Metallarbeiter sein Erleben
formulieren konnte. Aus der Überlagerung beider Sinnebenen erfährt das
Mythem seine besondere Bedeutung.
Allerdings sind Schriften, wie schon erwähnt, unter Handwerkerin-
nen keineswegs so beliebt und unabdingbar, wie Kulturwissenschaftler
mitunter meinen. Beliebter sind haptische Formen der Reflektion und
auch der Weitergabe von Gelehrsamkeit: Vorführungen, Demonstratio-
nen, workshops, Praktika. Man kann auch Inszenierung technischer Pro-
zesse unabhängig von tatsächlich produktiven Zusammenhängen durch-
führen. Immer dann nämlich, wenn es darum geht, die Handlungen eines

10
Hierzu im Detail: Fitzenreiter 2019.

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Erfahrung 327

Prozesses als Ritual der kognitiven Durchdringung aufzuführen, also um


den Prozess als solchen darzustellen, etwa den des Gusses bei einem
Schaugießen11 (Abb. 14.1) und den der alkoholischen Gärung in der
Schule (Abb. 14.2).12 Auch eine Reihe von Objekten in einem räumlichen

Abb. 14.1: Erleben um zu Begreifen: Schaugießen zum Abschluss des Projekts am Ägyp-
tischen Museum der Universität Bonn am 07.03.2015.

Abb. 14.2: Demonstration der alkoholi-


schen Gärung (Standbild aus: Die Feuer-
zangenbowle, 1944).

Zusammenhang zu setzen, sie gegebenenfalls zu benutzen und dann wie-


der in einer bestimmten Weise abzulegen, ist eine Form so einer medialen
Inszenierung.

11 < https://youtu.be/a7dKaRCszmE > (02.10.2019).


12
Weiss 1944.

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328 Erfahrung und Ritual

Allerdings sind derartige Inszenierungen unter dem Aspekt der Erhal-


tung zumindest prekär. Man denke an eine Theateraufführung oder einen
Gottesdienst. Wird das Material nach erfolgter Inszenierung verstaut,
denn es hat seinen Zweck erfüllt und der Sachverhalt ist vermittelt. Die
in der Sakristei, Requisiten- oder Rumpelkammer versammelten Zeichen
als Spuren einer solchen Inszenierung zu verstehen, ist nicht ganz leicht.
Doch ist es gar nicht so unwahrscheinlich, wenn wir so einen der Depo-
nierung vorangegangenen Gebrauch für die Objekte im Depot auf der
Qubbet el-Hawa annehmen.
Bei den der Deponierung dieser Objekte vorangegangenen Handlun-
gen ging es sicher nicht um die plakative Vermittlung des Wachsaus-
schmelzverfahrens. Dagegen spricht schon die Auswahl der abgelegten
Objekte, die ja alle irgendwelche Sakralobjekte sind. Index aller hier als
Zeichen versammelten Dinge ist nicht das Handwerk per se, sondern das
Transformatorische, der Übergangszustand. Das Besondere des Konvoluts
ist, dass man zur Abbildung der Transformation Objekte herangezogen
hat, die den Prozessen des Wachsausschmelzverfahrens entstammen.
Dazu kommen zwei weitere Objektgruppen, bei denen ebenfalls Sakral-
gegenstände (= Götterfiguren) die Transformation abbilden: beschädigte
(z. T. in Wachs ergänzte) Figürchen und rohe Tonfiguren.13
Bemerkenswert ist nun, dass es medial gesehen eine ähnliche Situa-
tion wie bei der Erzählung auf der Stele des Irtisen ist: Das Verfahren der
Metallwandlung ist nicht primär das Thema der Inszenierung bzw. der
im Medium liegenden Botschaft, sondern eben das Erleben und Erfas-
sen der Transformation „an sich“. Transformation als ein verborgener
Vorgang, als ein grundlegender Prozess, den nachvollziehbar und damit
erlebbar zu machen, die Metallwandlung als ein „Bild“ herangezogen
wird. Bei Irtisen bezog sich diese Inszenierung der Transformation letz-
ten Endes sogar auf ihn selbst, denn das Denkmal als Ganzes behandelt
seine Transformation vom lebenden Hausvorstand zum verstorbenen Ahn
13 Dazu, dass alle in diesen Objekten abgebildeten Entitäten auch als Zeichen des
Transformatorischen gelesen werden können, noch in Kap. 17.

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Erfahrung 329

und die vier Bekenntnisse sind nur ein besonders kunstvolles Element
dieser zentralen Botschaft. Die Metallwandlung und andere Spezialkennt-
nisse werden bei Irtisen gerade deshalb als „Bild“ dieser Transformation
herangezogen, weil sie in besonderer Weise mit ihm als dem Fokus der
medialen Inszenierung in Beziehung stehen und ihn als Individuum, als
Persönlichkeit prägen. Irtisen war ein Handwerker und nutzt sein beredt
„verschwiegenes Wissen“ (Hans-Werner Fischer-Elfert), um seine persön-
liche Transformation zu thematisieren. Andere Persönlichkeiten seiner
Zeit bedienen sich auf ihren Stelen anderer Bilder.14
Analog und an die schon im Vorangegangenen entwickelte Idee einer
aus einem Werkstattzusammenhang heraus erfolgten Ablage anschlie-
ßend, kann nun zumindest vermutet werden, dass die Objekte von der
Qubbet el-Hawa alle mit einer Gruppe von Menschen in besonderer
Beziehung stehen, die mit der Herstellung von Sakralgegenständen ver-
traut waren. Sie haben aus einem bestimmten Anlass heraus eine Form
der medialen Präsentation von Transformation gefunden, die mit solchen
Zeichen durchgeführt wurde, die auf sie – die Akteure – zurückverweisen.
Was dieser Anlass war, bleibt noch im Dunkel. Diskutiert wurde bereits,
dass es sich um eine Abschlusszeremonie im Zuge einer Werkstattaufgabe
oder dem Abschluss eines Produktionszyklus handelte (siehe Kapitel 9).
Möglich wäre auch eine Art Berufsinitiation, bei der es um die Darstellung
von technischen Fertigkeiten und die Demonstration von Wissen über das
Transformatorische ging.15 Denkbar sind aber auch andere, noch etwas
komplexere Zusammenhänge, denen im Folgenden nachzugehen ist.
Wie auch immer, die Aktion hatte Erfolg: Auch wenn man nicht den
konkreten Anlass und schon gar nicht die Namen jener kennt, die das
Konvolut abgelegt haben, so wird ihre Inszenierung, werden die von
ihnen deponierten Objekte als Medien und damit extensions dieser rätsel-
haften Menschengruppe zukünftig noch durch so manche Beschäftigung

14 Hierzu: Morenz 2020.


15 Siehe den Vorschlag von Fischer-Elfert 2002, in den Bekenntnissen des Irtisen Ele-
mente einer Handwerkerinitiation zu sehen.

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330 Erfahrung und Ritual

mit dem antiken Wachsausschmelzverfahren geistern. So haben sie sich


ein Denkmal geschaffen, wie es Irtisen auch geschaffen hat. Und, wie es
die mediale Inszenierung bei Irtisen als Kundiger der Osirisrituale, des
Metallhandwerks und Familienvater in einem ebenfalls ist: bisher ein-
malig.

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Ritual 331

15. Ritual

Einmalig ist nie gut. Auch wenn aus Ägypten bisher kein zweites Kon-
volut aus Gießereiobjekten bekannt ist, das in dieser Weise der Insze-
nierung von Transformation gedient haben könnte, so gibt es doch eine
andere Gruppe von Objekten, die gut bekannt und einigermaßen weit
verbreitet ist und so dazu dienen kann, den eben geäußerten Spekulati-
onen zum Zusammenhang von Technik, Erleben, Kognition und rituell
überhöhter Inszenierung zumindest etwas Plausibilität zu verleihen. Es
sind die sogenannten Kornosirisse.

15.1. Kornosiris

Als Kornosiris bezeichnet man 35 bis 50 cm – d. h. etwa eine ägyptische


Elle – große Figurinen in Mumienform, die aus einer Mischung aus Nil-
sediment (= Schlamm) und Getreidekörnern angefertigt wurden (Abb.
15.1).1 Diese Figurinen sind meist mit Leinenbinden umwickelt und kön-
nen mit einer Gesichtsmaske und weiteren Elementen wie einer Krone,
einem aufgerichteten Phallus und Ähnlichem aus Wachs oder Silberblech
ausgestattet sein. Die so als Bild des Gottes Osiris gestaltete Figurine ist
mitunter in einem Sarg deponiert, der häufig einen Falkenkopf zeigt.
Objekte dieser Art sind bisher ab der 25. / 26. Dynastie belegt und waren
bis in die ptolemäische Zeit gebräuchlich. Aus dieser Periode sind an
mehreren Orten Deponierungsplätze bekannt, in denen diese Figurinen
abgelegt wurden. Von besonderer Bedeutung ist ein Bau in einem mit
dem Osiriskult verbundenen Areal im Osten des großen Tempels von Kar-
nak, in dem in mehreren Etagen ca. 720 Nischen vorhanden waren, die

1
Raven 1982; von Lieven 2000; Centrone 2006.

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332 Erfahrung und Ritual

Abb. 15.1: Kornosiris im Falkenkopfsarg (600–400 v. u. Z.); Asten (Oberösterreich)


Paneum (Brotmuseum).

der zeitweisen oder endgültigen Deponierung solcher Figurinen gedient


haben können, ohne dass dort aber solche gefunden wurden.2
Vorgänger der Figurinen aus Nilsediment und Getreidekörnern sind
sogenannte Osirisbetten oder -ziegel, die in Gräbern des Neuen Reiches
und der folgenden 3. Zwischenzeit in Theben gefunden wurden.3 Diese
sind hölzerne Kästen oder Hohlziegel aus gebranntem Ton, in denen
der Umriss eines Bildes des Osiris vertieft ist. Die Vertiefung wurde mit
Sediment und Getreide gefüllt. In mehreren Fällen ist belegt, dass die
Getreidekörner gesprossen sind, sich also eine Silhouette des Gottes aus
grünenden Pflanzen gebildet hatte. Eine ähnliche Funktion – zu bestimm-
ten Anlässen mit sprießenden Pflanzen bestückt zu sein – hatten die soge-
nannten Pflanz- oder „Osirisbeete“ im Vorhofbereich von thebanischen
Gräbern des Neuen Reiches und der Spätzeit.4 Diese Installationen fin-
den wiederum noch ältere Vorläufer in Pflanzschalen, von denen man

2
Coulon / Leclère / Marchand 1995; Leclère 2010; zur Frage der temporären Deponie-
rung: Waitkus 2012.
3 Tooley 1996.
4
Eigner 1984, 169–174; Kampp 1996, 77; Willems 2003; Michels 2013.

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Ritual 333

Belege aus dem Mittleren Reich und der Zweiten Zwischenzeit aus dem
funerären Bereich kennt.5 Hierbei handelt es sich um Schalen, die mit
Nilsediment und Samenkörnern gefüllt waren und in denen ebenfalls das
Getreide zum Keimen gebracht wurde. Ein Beispiel dafür sind die von
Elmar Edel so genannten „Adonisgärtchen“, die im Vorhofbereich von
QH 206/207 gefunden wurden – also in unmittelbarer Umgebung des
Bronzeguss-Konvolutes.6 Nur, dass sie ca. 1.500 Jahre vor dem Gusskon-
volut dort oder im Bereich der Kapelle deponiert worden waren.
Die Gruppe der Kornosirisse und ihre Vorläufer sind aus mehreren
Gründen für die Beschäftigung mit dem Gusskonvolut interessant. So fällt
die ähnliche Art der Deponierung in einem liminalen Kontext auf und, dass
man sich bei der Sediment-Getreide-Mischung einer Substanz bediente,
die unter bestimmten Bedingungen zu einer fundamentalen Veränderung
fähig ist: zur Keimung. Dies deutet auf rituelle Zusammenhänge, bei
denen es darum ging, einen Übergangsprozess in besonderer Weise zu
inszenieren und zu erleben.7 Während man Pflanzschalen, -beete sowie
Osirisbetten bisher nur aus funerärem Kontext kennt, stammen Korno-
sirisse von Sakralplätzen ganz allgemein. Das deutet an, dass derartige
Rituale und ihre abschließenden Zeremonien – die Deponierung – nicht
primär auf den Totenkult fixiert sein müssen, sondern auch an anderen
Kultstätten im Zuge des rituellen Erlebens liminaler Vorgänge praktiziert
wurden.8 Bei den älteren Pflanzschalen ist die Transformation im Vor-
gang der Keimung einer Mischung aus Urstoffen (Sediment des Nils und
Getreidekorn) hin zu einer lebenden Pflanze abgebildet. In der Spätzeit
hat dieser Vorgang ein Bild in der Mumie des Osiris gefunden, aus dessen
Urstofflichkeit heraus die neue Lebensform sprießt (Abb. 15.2).
5 Michels 2013.
6
Edel / Seyfried / Vieler 2008, 1976, Anm. 550.
7
Zum Spektrum möglicher Feste, bei denen Zeremonien der Getreidekeimung im
funerären Bereich eine Rolle gespielt haben: Willems 2003.
8
So wurden auch Reste von organischen Stoffen, Dung und Getreide in den charak-
teristischen qaab-Gefäßen nachgewiesen, die man in der Mitte des 1. Jahrtausends
v. u. Z. in großer Menge im Bereich der Osiriskultstätte in Abydos deponierte: Eff-
land / Budka / Effland 2010, 29f.; Budka 2019, 24.

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334 Erfahrung und Ritual

Abb. 15.2: Pflanzen sprie-


ßen aus der Mumie des
Osiris; Darstellung im Tem-
pel von Philae, griechisch-
römische Zeit.

Dass das offenbar viel älter Bild des aus einer Schale oder einem
Beet keimenden Getreides seit der Wende zum 1. Jahrtausend v. u. Z. mit
dem Bild des Osiris verbunden wurde, ist kein Zufall. In dieser Periode
wurde Osiris zu einem religiösen Zeichen von hoher Komplexität entwi-
ckelt. Einerseits lassen sich die Mytheme des Osiriskreises zu einer recht
konzisen Erzählung zusammenfügen, die ein Götterdrama von Mord,
Trauer und Rache erzählt. Die Mytheme von Tod, Bestattung und Wie-
derbelebung des Gottes lassen sich auch zu vielen anderen Erzählungen
gebrauchen, in denen Phänomene wie die Nilflut, der Vegetationszyklus,
die Herrschaftsübergabe und das Erbe, sogar die Todesbewältigung und
Todesüberwindung eine Deutung erfahren.9 Osiris ist gewissermaßen die
Metapher, das Zeichen und Symbol des Transformatorischen überhaupt.
Der Kornosiris ist eine, aber bei weitem nicht die einzige Erscheinungs-
form, in der diese Metapher eine konkrete und in rituellen Zusammen-
hängen genutzte Erscheinungsform – ein Bild im medialen wie im mate-
riellen Sinne – bekommen hat.

9 Zu Osiris und den historischen Erscheinungsformen von Mythos und Kult: Smith
2017.

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Ritual 335

15.2. Choiak

Über ein Ritual, in dem den Kornosirissen vergleichbare Figurinen eine


Rolle spielten, sind wir durch eine Sammlung von Inschriften aus dem
Tempel von Dendera recht gut informiert. Dieser Tempel wurde in der
heute erhaltenen Form in der Zeit der letzten Ptolemäer und dem Beginn
der römischen Herrschaft errichtet. Die hier interessierenden Inschrif-
ten beziehen sich auf Handlungen, die im Monat Choiak stattgefunden
haben. Choiak (im Dezember / Januar)10 war im altägyptischen Kalender
der vierte und damit letzte Monat der Überschwemmungszeit, also die
Periode des Rückgangs der Flut und des Beginns eines neuen agrarischen
Zyklus. Die Inschriften befinden sich in einer Kapelle auf der Ostseite des
Daches des Tempels. Diese Kapelle war wohl, zusammen mit einem Pen-
dant auf der Westseite des Daches, für die Herstellung und Behandlung
von Figurinen im Zusammenhang mit den Riten im Monat Choiak vorge-
sehen.11 An den Wänden des ersten Hofes hatte man eine Sammlung von
Texten angebracht, in denen Herstellung und Gebrauch dieser Objekte
beschrieben ist.12
Insgesamt handelt es sich um sieben vollständig oder auszugsweise
wiedergegebene Schriften („Bücher“). Das erste Buch enthält eine Liste
von Orten, an denen Rituale im Choiak durchgeführt werden und wel-
che Objekte dabei eine Rolle spielen. Dabei wird in jedem Kultort zwi-
schen einer Figurine des Osiris (auch „großer Fürst“ oder einfach „Gott“
genannt) einerseits und einer des Chenti-Imentet („der-an-der-Spitze-
des-Westens“) samt dazugehörigem „Rest“13 andererseits unterschieden.

10
Der in der ägyptologischen Literatur verwendete Name des Monats ist erst in kopti-
schen Texten als Choiak belegt. Die hieroglyphisch geschriebenen Texte schreiben
„vierter Monat der Überschwemmungszeit“ (#bd 4 #X.t).
11
Cauville / Ibrahim Ali 2015, 149–214.
12 Grundlegend die Bearbeitung durch Chassinat 1966–68; siehe auch: Cauville 1997.a,
26-50, pl. 3–6; pl. 25-30; Cauville 1997.b, 14–28; Cauville 1997.c, 17–19.
13 Der Charakter dieses als Sepij (zpjj) = „Rest“ bezeichneten Objektes ist unklar. Chas-
sinat übersetzt mit „le lambeau divin“ (Chassinat 1966-68, 51f). Offenbar handelt
es sich um ein Säckchen, das mit Getreide und Erde gefüllt ist. Wahrscheinlich sind

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336 Erfahrung und Ritual

Während der Chenti-Imentet und sein „Rest“ immer aus Nilsediment


(meist von einer genau bestimmten Lokalität des betreffenden Kultortes)
und Getreide besteht, werden die erstgenannten Figurinen gelegentlich
auch auf andere Art und aus anderen Substanzen erzeugt.14
Das zweite Buch beschreibt Gerätschaften und Zeremonien rund um
den Chenti-Imentet: ein Becken, in dem die Sediment-Getreide-Mischung
gewässert und vorbereitet wird, die zweiteilige Negativform, mit der die
Figurine des Gottes geformt wird, sowie ein Becken für den ominösen
„Rest“. Es folgt eine Beschreibung der Handlungen um die Herstellung
der Sediment-Getreide-Figur und eine Liste von Orten, an denen dies
durchgeführt wird, gegebenenfalls unter Erwähnung von dort prakti-
zierten Varianten. Im dritten Buch geht es um die Herstellung einer aus
der „Negativform des Sokar“ gewonnenen Figurine. Anstelle einer gut
gewässerten Sediment-Getreide-Mischung wird hier eine Masse von aller-
lei Mineralien und Spezereien mit Erde, Dattelmus, Harzen und Wasser
angesetzt, zu einem „Ei“ geformt, in ein silbernes Gefäß getan, feucht
gehalten und schließlich in der aus Gold bestehenden Negativform ausge-
formt. Buch IV gibt eine Liste von Götter(bilder)n, die in dem Ritual eine
Rolle spielen. Im umfänglichen fünften Buch werden noch einmal bereits
bekannte Geräte und Substanzen beschrieben sowie weitere im Ritual
verwendete Dinge: die Negativform und das Becken, Särge, Brotformen,
Gebäckstücke in Form der Glieder des zerstückelten Osiris und ebenfalls
mit den Osiris-Gliedern assoziierte Messbecher,15 Textilien, Schnüre,
Amulette, schließlich Kästen, ein Baldachin und Boote. Dazu sind kurze
Bemerkungen zur richtigen Verwendung in den Zeremonien des Ritu-
als eingestreut. Auch werden einige Varianten für andere Orte erwähnt.

dies jene Teile der Sediment-Getreide-Mischung, die beim Ausformen der Figurine
des Chenti-Imentet übrig blieben und zusammen mit dieser behandelt wurden, wie
man es bei der menschlichen Bestattung mit den Eingeweiden und weiteren Balsa-
mierungsresten tat.
14
Die Liste nennt den Osiris stets an erster Stelle, dann den Chenti-Imentet und gege-
benenfalls den „Rest“, mitunter wird aber auch kein Osiris oder kein Chenti-Imentet
für den betreffenden Kultort genannt, siehe die Übersicht Chassinat 1966–68, 94f.
15
Hierzu: Beinlich 1984, 58–68.

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Ritual 337

Nach dieser umfangreichen Kompilation gibt Buch VI zwei gesonderte


Beschreibungen für die Herstellung einer Figurine mit Hilfe der „Negativ-
form des Chenti-Imentet“ und einer mittels der „Negativform des Sokar“,
bei der es sich um Varianten handelt, die mit dem Fest des „Erdaufha-
ckens“ – einer symbolischen ersten Feldbestellung – zusammenhängen.
Das letzte Buch ist eine weitere Beschreibung der Herstellung einer Figu-
rine (mit Chenti-Imentet in Beziehung stehend) aus einer Masse mit Dat-
teln und vielerlei Ingredienzen, gefolgt von detaillierten Anweisungen für
deren Behandlung an den Festtagen.
Die Texte sind an manchen Passagen widersprüchlich und wohl auch
zu verschiedenen Zeiten entstanden oder kompiliert worden.16 Man hat
sie wohl weniger angebracht, um eine möglichst normierte Folge der
Zeremonien und benötigten Gegenstände zu verewigen, als vielmehr, um
eine gewisse Breite möglicher Verrichtungen an verschiedenen Kultor-
ten in Ägypten festzuhalten.17 Dennoch lässt sich aus den in den Texten
verteilten Bemerkungen zum Gebrauch der genannten Objekte ein Hand-
lungsablauf rekonstruieren, der am zwölften Tag des Choiak beginnt und
am letzten Tag des Monats endet.18 Im Laufe des Rituals werden eine
mit dem Gott Chenti-Imentet in Beziehung gesetzte Sediment-Getreide-
Masse gemischt und die für den damit immer in Zusammenhang stehen-
den „Rest“ benötigten Textilien vorbereitet, gewässert, am 16. Tag des
Monats in einer Negativform zu einer Figur gepresst, am 19. Tag aus der
16 Zur Datierung siehe Cauville 1997.c, 18, wonach der Text der ersten Bücher in Mit-
telägyptisch verfasst ist; in Buch VI + VII aber auch demotisch beeinflusste gramma-
tische Formen auftreten.
17 Dass das Spektrum der Handlungen und Objekte an den Kultorten äußerst divers
war, zeigen auch die Darstellungen von an anderen Orten verwendeten Kultobjek-
ten im hintersten Raum der Kapelle (Cauville 1997.a, pl. 87-90, 105–114, 116-119,
134–143). Zu den Varianten möglicher Figurinen auch Raven 1998, der Parallelen
für solche Darstellungen in Philae und für Rezepturen der Figurinenherstellung im
pSalt 825 bespricht. Siehe auch Quack 2000/01 zu in den Choiak-Texten beschriebe-
nen Varianten der endgültigen Deponierung der Figurine (im Wasser!) in Koptos und
Sais. Im übrigen hätte ein Bemühen um Normierung des Ritualgeschehens völlig der
für die pharaonische Theologie typischen multiplicity of approaches (Henri Frankfort)
widersprochen.
18
Chassinat 1966–68, 69–73; Cauville 1988.

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338 Erfahrung und Ritual

Form genommen und an der Sonne getrocknet, am 21. Tag der „Rest“ aus
seinem Becken genommen und behandelt und schließlich am 24. Tag an
einem sakralen Ort deponiert. Dabei wird die dort befindliche Figur des
Vorjahres entfernt und diese am 30. und letzten Tag an einem anderen
Platz „bestattet“.19
Parallel dazu gibt es eine anders geartete Figurine, die im ersten Buch
als Osiris oder „großer Fürst“ (gewöhnlich mit einem lokalen Epitheton)
bezeichnet wird, im siebenten Buch auch als Chenti-Imentet. Zu ihrer
Herstellung wird die „Negativform des Sokar“ gebraucht; die Figurine
selbst wird aber nicht als Sokar bezeichnet. Diese zweite oder alternative
Figur ist nicht immer aus Sediment und Getreide gebildet, sondern kann
auch aus der erwähnten Stoffmischung mit Datteln, zermahlenen Mine-
ralien, Harzen und weiteren Aromata bestehen. Auch äußerlich sind die
Figurinen verschieden: Während die erste Figurine, die meist mit Chenti-
Imentet verbunden ist, die weiße Krone trägt (Abb. 15.3), bedeckt den
Kopf der Sokar-Model eine Perücke (Abb. 15.4). Diese Figur wird in einer
speziellen Kammer auf einem „Bett“ aufbewahrt, am 19. Choiak aus der
Form genommen, umwickelt und am Ende des Monats ebenfalls depo-
niert.20

19 Zu den zwei unterschiedlichen Deponierungsorten, auch als die „obere“ und die
„untere Dat“ bezeichnet: Leitz 1989.
20
Die beiden Erscheinungsformen der Figurine werden im Tempel von Dendera noch
an einer anderen Stelle angesprochen, nämlich in der Dekoration der Sokar-Osiris-
Kapelle im Inneren des Tempels: Kapelle F auf der Ostseite des couloir mystérieux
(Eldamaty 1995): „Der Nil kommt aus dem Garten / im Inneren seiner Form / als
schöne Arbeit der Schentait / nebu-Körner vermischt mit Sand / in der Berechnung
seines Verhältnisses in richtiger Weise ...“(Hopj Hn m Hsp / m k#b b.t=f / m k#.t nfr.t n.t Snt#.
jt / nbw jsk #bX m Soj / m Hsb r Dor=f (m) tp-nfr) (Eldamaty 1995, 9). „Das Darbringen von
Datteln, Rezitation: / Nimm dir … / damit du jährlich das Leben wiederholst. / Man
macht für dich die Arbeit / – man kennt ihre Einwohnung (= den Vorgang, bei dem
das Wesen des Gottes in dem Objekt manifest wird) nicht – / um deine Gestalt vor
den Göttern zu verbergen.“ (ms moD# bnr Dd mdw / m n=k /// / wHm=k onX n rnp.t / jr.tw n=k
k#.t / n rX.tw bs=s / r jmn soH=k r nTr.w) (Eldamaty 1995, 59). Die Feierlichkeiten unter
Verwendung der Figurinen haben hier im Tempelinneren nur „eine Nacht und zwei
Tage“ gedauert, wohl vom 24. bis 26. Choiak (Eldamaty 1995, 130-142). Siehe auch
die Erwähnungen von Dattelmassen in Kulthandlungen – oft zusammen mit Sedi-
menten oder Getreide –, die Cauville 1980 zusammengestellt hat.

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Ritual 339

Abb. 15.3: Abschnitt der Inschriften in Raum I der nördlichen Dachkapelle in Dendera
mit Darstellung „der Negativform des Chenti-Imentet (von) einer Elle Länge“.

Auch wenn die Inschriften gern als Ritualtext interpretiert und zur
Rekonstruktion eines rituellen Ablaufes herangezogen werden, so ist fest-
zuhalten, dass der Schwerpunkt auf der Beschreibung der Herstellungs-
techniken liegt. Ritualanweisungen im eigentlichen Sinne gibt es kaum
und nur an wenigen Stellen werden mythologische Anspielungen einge-
flochten. Auch eine Erläuterung des Ritualsinnes selbst findet nicht statt,
weshalb die Gelehrten gern streiten, welchen Zweck die Handlungsfolgen
eigentlich hatten: ob es sich also um einen Ritus des Vegetationszyklus
handelt, ein in Zusammenhang mit der Nilflut stehendes Ritual, ein Ritual
der Herrschaftsregeneration oder ob es sich allein theologisch auf die
erneute Gestaltgewinnung des zerstückelten Osiris konzentrierte.21 Prin-

21 Siehe etwa Chassinat 1966–68, 23–52 der vehement die Deutung als Vegetationsritus
von James G. Frazer, Alexandre Moret und Victor Loret ablehnt und von rein theo-
logisch inspirierten Handlungen ausgeht, um Osiris zu heilen. Vgl. dagegen Quack

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340 Erfahrung und Ritual

Abb. 15.4: Abschnitt der Inschriften in Raum I der nördlichen Dachkapelle in Dendera
mit Darstellung des „Sokar aus Gold, Länge 1 Elle (und) 3 Handbreit, Negativform ////“.
Am Fußende des Bettes der Figur sitzt die aus vergoldetem Holz gefertigte Figur einer
Schutzgöttin.

zipiell wird nur an wenigen Stellen ein Vorgang mythologisch gedeutet,


vor allem ganz am Ende des langen fünften Buches, wo in zwei Glossen
die Aufbewahrung der Figurine mit der Zusammenführung der Glieder
des Osiris durch Horus ausgedeutet und das siebentägige Verweilen des
Gottes als Aufenthalt im Leib der Nut interpretiert werden.22 In diesem
letzten Motiv liegt auch eine mit Bildern des Mythos arbeitende Deutung
für den technischen Vorgang der Ausformung in der Negativform vor:
So, wie der Gott im Leib der Großen Mutter Nut verweilt, um wieder neu

2007, der vorschlägt, den Ursprung des Rituals in einer Zeremonie zu sehen, bei der
eine Saatprobe in Vorbereitung des Agrarzyklus zum Keimen gebracht wurde.
22
Chassinat 1966–68, 756–764.

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Ritual 341

geboren zu werden, so verweilt die bis dahin formlose Masse in der Form,
um aus ihr als neu gestaltetes Wesen zu erstehen.23

15.3. Gestaltgebung

Die in den Dendera-Inschriften beschriebenen Figurinen haben natürlich


zum Vergleich mit den Belegen für Kornosirisse und ähnliche Objekte her-
ausgefordert. Und ganz eindeutig besteht ein Zusammenhang zwischen
den in Pflanzschalen, Beeten und schließlich aus Sediment und Getreide
geformten Figuren einerseits und den in Dendera beschriebenen Objek-
ten und Handlungen andererseits. Es sind aber auch immer die Unter-
schiede aufgefallen: Pflanzschalen und Beete zelebrieren die Keimung
des Getreides. In den erhaltenen Belegen für Figuren von Kornosirissen
ist das Getreide aber nicht angekeimt. Die Texte in Dendera wiederum
lassen offen, ob es in der Phase der Wässerung der Sediment-Getreide-
Mischung zum Keimen kommt.24 Dennoch bleibt wahrscheinlich, dass
auch in den Choiak-Riten um die Sediment-Getreide-Figur ein Bezug zu
speziellen Techniken der Bodenkultur im Überschwemmungsgebiet und
dem mit der Keimung des Getreides verbundenen Bild der Belebung von
toter, im Wasser versunkener („ertrunkener / ermüdeter“) Materie vor-
liegt. Welcher rituelle Sinn damit aber erzeugt wird, bleibt offen – und
wurde von den antiken Kompilatoren wohl auch bewusst offen gehalten.

23 Das Motiv wird in einem Hymnus ebenfalls aufgerufen, der einer zentral positio-
nierten Darstellung der Figurine in der (fast) lichtlosen dritten Kammer der Kapelle
beigeschrieben ist (Beinlich 1984, 279f.; Cauville 1988, 28f.; Cauville 1997.a, pl. 87,
96, 116, 125). Hier ist ausdrücklich von der zweiteiligen Negativform (b.tj) die Rede.
Das Mythem Nut als die alles umschließende, aufnehmende und neu gebärende Mut-
ter wird in ähnlicher Weise auch mit dem Sarg assoziiert (Assman 2001, 219–234).
24 Das von Chassinat 1966, 53–68 und Beinlich 1984, 274f. skizzierte Verfahren, nach
dem die zwei Hälften der Getreide-Sediment-Figur zuerst zum Keimen gebracht wur-
den und dann quasi auf der Ebene der Keimlinge – bei Chassinat obere und untere
Figurenhälfte, bei Beinlich vordere und hintere Hälfte – zusammengeklappt wurden,
lässt sich an den gefundenen Exemplaren für Kornosirisse bisher nicht verifizieren.

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342 Erfahrung und Ritual

Weniger gut erschlossen ist, welche Vorgänge in der zweiten, aus


einer Masse mit Mineralien, Harzen und Dattelmus hergestellten Figur ihr
mythologisches Bild gefunden haben. Da auch hier äußerlich das Bild des
Osiris dem Zeichen seine Form gegeben hat, wird ein ähnliches Bedeu-
tungsfeld vorliegen. Um diesem Bedeutungsfeld etwas näher zu kommen,
sollen die in den Inschriften beschriebenen Geräte und Materialien noch
einmal genauer betrachtet werden. Dies zu betrachten ist zuletzt auch
deswegen interessant, weil hier etliche technische Bemerkungen aufge-
zeichnet sind.

Abgesehen vom ersten Buch, dessen Name nicht genannt wird, heißen
die übrigen sechs Schriften:
• (II): Kennen das Sescheta der Arbeit des Gartens des Chenti-Imentet
im Sanktuar der Schentait.25
• (III): Kennen das Sescheta der Terehet,26 das mit der Negativform
des Sokar getan wird als eine unbekannte Arbeit in der verborgenen
Kammer und den Gauen, in denen man es (durchführt).27
Buch IV (Kennen die Göttergruppe des Sanktuars der Schentait, ohne
einen zu vergessen, jeder mit seinem Namen)28 und Buch V (Kennen aller
Dinge des Sanktuars der Schentait)29 sind nicht als Herstellungsanwei-
sungen konzipiert, sondern als Aufstellungen von Dingen, wobei Buch V
auch Rezepturen und Herstellungsanweisungen enthält.
• (VI): Kennen das Sescheta der verborgenen Kammer, um die Arbeit
des Mondfestes als etwas Unbekanntes durchzuführen im Sanktuar
der Schentait in … (mit einer Aufzählung verschiedener Kultorte).30

25
rX s.St# nw k#.t Hsp n xntj-jmnt.t m pr-Snt#.jt. Schentait ist die Göttin, unter deren Schutz
die Örtlichkeit steht.
26
Eine Deutung des Wortsinns von trH.t steht aus; Chassinat 1966–68, 270–272
übersetzt alchemistisch mit „grand œvre“; TLA „Paste, die beim Figurenguss benutzt
wird“. Siehe hierzu auch Fitzenreiter in Vorb.
27
rX s.St# n trH.t jr m b.t n zkr m k#.t n rX=s m o.t-jmn.t Hr sp#.wt wn (k#.t) jm=sn.
28 rX psD.t n pr-Snt#.jt tm sb=sn nbw m rn=sn.
29 rX jX.wt nb.wt (n pr-) Snt#.jt.
30
rX s.St# m o.t-jmn.t r jr k#.t dnj.t m n-rX m pr-Snt#.jt m ….

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Ritual 343

• (VII): Kennen das Sescheta das man nicht sieht und nicht hört und das
der Vater an seinen Sohn weitergibt.31

Der zentrale, im Zusammenhang mit den Herstellungsverfahren gebrauchte


Begriff ist Sescheta (s.St#), was üblicherweise als „geheim / Geheimnis“
übersetzt wird.32 Legt man nur die hier aufgeführten Belege einer Über-
setzung zugrunde, bezieht sich der Begriff Sescheta auf eine Verfahrens-
weise, mittels derer eine bestimmte „Arbeit“ (k#.t) durchgeführt wird.
Diese Verfahrensweise ist in Buch III und VI, in denen die Herstellung
der Figurine aus der Dattelmus-Mischung beschrieben wird, tatsächlich
als „geheim“ bezeichnet. Allerdings nicht über das Wort Sescheta, son-
dern indem sie als „(Anderen) unbekannt“(n rX=s) charakterisiert wird,
und sie soll laut Buch VII auch weder gezeigt noch erzählt werden, son-
dern als Erfahrungswissen – und eben nicht in Medien der Gelehrsam-
keit – innerhalb der Berufslinie vom Vater auf den Sohn weitergegeben
werden; genau so, wie es schon Irtisen in seiner Stele berichtet. Bezieht
man andere Quellen in die Wortfeldanalyse ein, zeigt sich, dass der Wort-
stamm Scheta (St#) vor allem solche Phänomene bezeichnet, die instabil,
veränderlich bzw. mit bedeutenden Veränderungen verbunden sind.33
Das s-Kausativum Se-scheta (s.St#) wiederum bezeichnet Verfahren, die
eine solche Veränderung bewirken, im weitesten Sinne die „Transforma-
tion“. Eine Transformation, die immer auch genau das „Geheimnis“ ist,
das zwischen den zwei Zuständen „Davor“ und „Danach“ liegt.
Zwei unterschiedliche Materialgruppen werden nun in diesen trans-
formatorischen Verfahren behandelt. In der Ortsliste des ersten Buches
wird für die Chenti-Imentet- und einige der Osiris-Figurinen angeführt:
„gemacht in der Arbeit des Gartens des Chenti-Imentet aus Getreide und
Sand“.34 In dieser „Gartenarbeit“, also einem landwirtschaftlichen Ver-
31 rX s.St# n m## n sDm Dj n jt n s#=f.
32
s.St#: „Geheimnis (WB IV, 298); verbal wird „geheim machen“ angesetzt (WB IV,
296); St#: „geheim, geheim sein; verborgen; schwierig“ (WB IV: 551).
33 Zur Diskussion der Begriffe St# und s.St# ausführlich: Fitzenreiter im Dr. 3.
34
jrj m k#.t Hzp.t n xntj.t jmnt.t m jt Hr Sjj.

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344 Erfahrung und Ritual

fahren, wird die Masse aus Sediment und Getreide in einem Becken
vorbereitete und in einer Negativform ausgeformt, die zumindest der
Inschrift nach aus Gold sein soll.35 Die Bezeichnung der Negativform ist
Bet (b.t) oder im Dual Betij (b.tj), was wohl bedeutet, dass man einteilige,
am „Rücken“ offene Formen (vgl. Abb. 2.6.a) oder zweiteilige, geschlos-
sene Formen verwenden konnte.36 Nach einer Ruhezeit in der Form hat
man die Figurine entnommen, gegebenenfalls zusammengesetzt und in
der Sonne durchgetrocknet.
Demgegenüber werden nun einige der Figurinen aus einer anderen
Materialgruppe geformt. Die Bestandteile der verwendeten Mischung
können variieren, wobei die im dritten und fünften Buch verzeichneten
Listen der Ingredienzen regelmäßig mit der Wendung „zu kennen die
Bestandteile“ (rX r.w) eingeleitet sind, in der das Wort für „Bestandteile“
(r.w) exakt so geschrieben ist, wie in der Inschrift des Irtisen die Legie-
rungsbestandteile. Bei dem was folgt, handelt es sich um eine alche-
mistisch anmutende Substanzenmischung, deren Zutaten von Sydney
Aufrère nicht ohne Grund als eine Art Gesamtheit der mineralen Welt
angesprochen werden (Kasten 15.1).37 Im Gegensatz zur Sedimentsubs-
tanz des Kornosiris, die wie das überschwemmte Niltal selbst erst in der
Art von landwirtschaftlicher Arbeit in einem Becken gewässert, eventuell
angekeimt und dann in Form gebracht wird, wird diese Masse in hand-
werklicher Arbeit zerkleinert, gemischt und dann in eine Form gebracht.
Problematisch bleibt die Bestimmung der hierbei verwendeten Masse.
An einigen Stellen ist eine spezielle Qerehet schepes (QrH.t Sps) erwähnt,
aus der diese Figur in „Arbeit der Transformation“ (k#.t s.St#) gewonnen

35 Eine solche Negativform – allerdings aus Bronze – ist der zweiteilige Behälter in
Osirisform PM 64 in der Sammlung des Römer-Pelizaeus-Museums in Heildesheim
(Roeder 1937; 24f; Taf. 14 e, f, g).
36 Die Choiak-Texte unterscheiden daher auch zwischen der „vorderen Teilform“ (b.tj-
(n)-Hr) und der „hinteren Teilform“ (b.tj-(n)-H#) (Chassinat 1966–68, 55, 495). Das
Wort Bet = „einseitige Negativform“ ist mit Bedja „Brotform für Kegelbrot“ (bD, bD#)
(Faltings 1998, 89–137; Warden 2014, 131–168) verwand bzw. identisch.
37
Aufrère 1991, 339f; Aufrère 2007, 174–180.

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Ritual 345

(§ 10:) Was betrifft diese Substanzen mit süßem Geruch, die sich in dem
potenten Urstoff befinden, es sind zwölf. Zu kennen die Bestandteile: Pinien-
harz, Zimt (?), Zyperngras aus den Oasen, Gaijumaa (?), süßes Rohr, Binse
aus Äthiopien, Wacholder, süße Pinienkerne, Fetetit (?), Peqer (?), Minze,
Aspalat / Rooibos (?); gesamt: zwölf. Fein zermahlen, durch ein Tuch pas-
sieren, in den potenten Urstoff geben.

(§ 11:) Was betrifft die echten Minerale, die sich im potenten Urstoff
befinden, es sind vierzehn (lies: vierundzwanzig) Minerale. Zu kennen die
Bestandteile: Silber, Gold, echter Lapislazuli, Türkis, Rohtürkis (?), Seher (?),
Sherer (?), Karneol, weißer Feuerstein, schwarzer Feuerstein, Rauchkristall
(?), Bergkristall, Amethyst, Kalkstein, roter Jaspis, Kupfervitriol, Antimon,
Senen (?), Hämatit, Temechau (?), echter Techen-Stein, grüner Südstein, grü-
ner Nordstein, Tiu (?); gesamt: vierundzwanzig. Zusammen zermahlen, in
den potenten Urstoff (geben).

Kasten 15.1: Zusammensetzung der Masse der in der Sokar-Model ausgeformten Figurine
im Choiak-Ritual (Übersetzung nach Chassinat 1966–68, 380, 435).

wird, und nicht als „Gartenarbeit“.38 Das Wort Qerehet wird meist als
„Topf“ übersetzt, bezeichnet aber auch „Töpferware“ bzw. „Tonzeug“
ganz allgemein.39 Maarten Raven hat vorgeschlagen, im hier vorliegen-
den Fall die Grundbedeutung „Keramik“ im Sinne einer „paste consisting
of sand, clay, various minerals and aromatic ingridents“ als Übersetzung
anzusetzen,40 so dass wir es neben der Figur aus einem (angefeuchteten)
Sedimentgemisch und Getreide mit einer zweiten Figur zu tun hätten,
deren Substanz ein mineralischer Rohstoff ist.41 Dass es sich tatsächlich
um eine keramische Grundmasse bzw. einen damit verwandten Roh- oder
38 Chassinat 1966–68, 155–157.
39
WB V, 62.12.
40
Raven 1998, 238. Vgl. die deutsche Verwendung des generischen Begriffes „Keramik“
sowohl für die unverarbeitete Ausgangsmasse, wie auch für das gebrannte Material
und schließlich die Gruppe der daraus bestehenden Gegenstände. Weitere Belege für
aus einer keramischen Masse hergestellte Sokar-Osiris-Figurinen bei Minas 2006.
41 Dass diese auf thermischem Wege gefestigt – also gebrannt wurde – wird nicht ausge-
führt. Die bei Raven 1998 und Minas 2006 vorgestellten Exemplare wurden offenbar
gebrannt. Heinrich Brugsch vermutete übrigens, dass die zweite Figur aus Metall
gefertigt war und übersetzt die Passagen zur Herstellungsart „so werde er ausgeführt
in Form einer Garten-Anlage“ (Brugsch 1881, 79 u. passim) und „so werde er ausge-

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346 Erfahrung und Ritual

Urstoff handelt, legt die Qualifikation der Masse als schepes (Sps) nahe.
Das Wort wird gewöhnlich als „erhaben / vornehm / kostbar“ übersetzt,42
kann sich etwas konkreter aber auch auf besondere „Potenzen“ bezie-
hen, die z. B. einem (besonders vornehmen) „Potentaten“ eigen sind.
Schepes ist auch eine Eigenschaft von Rohmaterialien jeglicher Art ganz
allgemein.43 Im Kontext der Choiak-Verfahren transportiert schepes eine
Bedeutungsnuance, die in Richtung einer besonderen Potenz liegt, die
der Grundmasse eigen ist, und zwar wieder die, sich substantiell zu ver-
ändern, zu transformieren. Womit sich auch der Kreis zu einer speziel-
len Bedeutung von Qerehet (QrH.t) schließt: Dieser Begriff tritt auch in
mit Urzeiten und Schöpfung verbundenen Kontexten auf und kann einen
„Urstoff“ und daraus geschaffen „Urzeitliche“ ganz allgemein bezeich-
nen: Schlangen, Vorfahren und gegebenenfalls auch den von den einfa-
chen Menschen schon in seinem Ursprung und seiner Substanz verschie-
denen „Uradel“.44

15.4. Deutung

Dass die technischen Vorgänge sowie benutzten Gerätschaften und Mate-


rialien gern in einen mythologischen Deutungsrahmen eingefügt werden,
zeigt auch eine Passage im fünften Buch. Dort wird etwas ausführlicher
auf diese besondere Figurine Bezug genommen, die in Athribis am 14.
Choiak hergestellt wird:45

führt in Form einer Anlage geheimnisvoller Art in einem schönen Hohlguss“ (op. cit.,
80 u. passim).
42
Sps: „erhaben, herrlich, kostbar“ (WB IV, 445–453). Zur Bedeutung des Begriffs als
„potent; besondere Potenzen besitzend“: Fitzenreiter in Vorb.
43
WB IV, 447.13–19.
44
WB V, 63.5–10. Siehe die Diskussion dieser Begrifflichkeit bei Franke 1998, der eulo-
gische Passagen in Texten vom Übergang der 1. Zwischenzeit zum Mittleren Reich
behandelt, in der die aus dem Urstoff (QrH.t) geschaffenen Vornehmen den nur aus
dem „Harn“ (wzS) des Schöpfergottes erzeugten sonstigen Menschen gegenüberge-
stellt sind.
45
Chassinat 1966–68, 719–725.

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Ritual 347

Gemacht wird die Sache (hiermit ist Masse der Figurine gemeint) mit
der Negativform des Sokar an diesem Tag als eine Sache des schepes-
potenten Urstoffes (d. h. als eine aus der keramischen Masse geformte
Figur).
Diesbezüglich: Mumie des Teschtesch (= des Zerstückelten) nennt man
es.
(Denn:) Begonnen wird das Deschdesch (= Zerkleinern) dieses Gottes
durch die Suti(-Priester) im Gau von Athribis an diesem Tag.46

Die Erklärung der an diesem Ort üblichen Bezeichnung der Figurine als
„Mumie des Teschtesch“ wird in einer für pharaonische religiöse Texte
ganz typischen Weise aus einer Wortanalogie gezogen: die Figurine heißt
„Mumie des Zerstückelten“ – gemeint ist der von seinen Feinden zer-
stückelte Osiris –, weil die Tätigkeit des „Zerkleinerns“ an diesem Tag
beginnt. Das Wort teschtesch / deschdesch (tStS / dSdS) ist im Wortfeld von
„fein zerkleinern“ angesiedelt und die beschriebene Tätigkeit bezieht
sich auf die Zerkleinerung der Substanzen für die Figurine – metapho-
risch aber auf die Zerstückelung des Osiris durch seine Feinde, was die
ominösen Suti-Priester offenbar als Schauspiel inszenieren.47 Interessan-
ter Weise ist dieses Deschdesch, substantiviert im Sinne von „der Zerstü-
ckelte“, ein Epitheton des Osiris, das auch im Totenbuch im Spruch 1
auftaucht. Angesichts des mythologischen Schicksals des Osiris, der von
seinen Widersachern zerhackt wurde, ist diese Benennung auch nicht
weiter verwunderlich. Doch steht in Spruch 1 des Totenbuches diese
Bezeichnung als Variante für das aus der Stele des Irtisen schon bekannte
„der Versunkene / der Müde“ (b#gw).48 Bei Irtisen hatte „das Versunkene“
die Schmelze bezeichnet und zugleich „den Müden / Versunkenen“ als

46
jr=tw X.t m bt n zkr m hrw pn m X.t n.t QrH.t Sps / Dr-n.t soH n tStS Xr=tw r=f./ S#=tw dSdS nTr pn
jn swtjw m k#-km m hrw pn.
47
Chassinat 1966–68, 725 geht davon aus, dass der Begriff das Modellieren der Figu-
rinen bezeichnet. Ein derartiges Schauspiel könnte sein, was oben in Kap. 14 als
Inszenierung beschrieben wurde.
48
Mosher 2016, 101, Anm. 27.

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348 Erfahrung und Ritual

Osiris. Im Totenbuch wird dieser „Müde / Versunkene“ auch als der „Zer-
kleinerte / Zerstückelte“ benannt. Und in den Dendera-Inschriften dient
der Begriff „Mumie des Zerkleinerten / Zerstückelten“ nun als mytholo-
gisch unterlegte Deutung einer Technik, bei der eine amorphe Substan-
zenmasse in spezieller Weise eine Gestalt gewinnt.
In diesen und ähnlichen Begriffen und ihrem weit gezogenen asso-
ziativen Rahmen spiegelt sich, wie das Wesen der verwendeten Dinge
„erlebt“ wird. Wenn die Negativform mit dem Mutterleib der Nut asso-
ziiert ist und die mineralische Grundmasse Assoziationen bis zur Schöp-
fung erlaubt, werden diese und die damit verbundenen Vorgänge in ein
den Teilnehmern der Kommunikation bekanntes Weltbild integriert und
gleichzeitig in einer besonderen, „hermetischen“ Fachsprache erfasst.
Diese Fachsprache ist reich an derartigen Assoziationen, so dass sich
zwischen ganz unterschiedlichen Phänomenen Bezüge herstellen lassen,
von der Keimung des Getreides über das Bild des versunkenen Osiris
bis auf die Zerkleinerung von Materialien für eine Keramikmassen. Auf
diese Weise können Erfahrungen aus verschiedenen Techniken mittels
des Mediums der Sprache und des Bildes aufeinander bezogen, über die
Beschreibungsmodi systematisiert und wieder Systeme der kognitiven
Durchdringung von natürlichen und technischen Prozessen etabliert wer-
den. Wohlgemerkt: können, denn die aufblitzenden spots bei Irtisen um
2000 v. u. Z. und in Dendera im 1. Jahrhundert v. u. Z. erlauben es (noch)
nicht, ein solches reflektives Vorgehen im Bereich technischer Prozesse
systematisch zu belegen.
Es gibt allerdings grundsätzlich durchaus Belege dafür, dass in die-
ser Weise reflektiert und systematisiert wurde. So wurden listenartige
Zusammenstellungen von verschiedensten Phänomenen der Natur –
Tiere, Pflanzen, Gesteine, Landschaften – gefunden, in denen Mytheme
(Götterbezeichnungen) als Ordnungsprinzipien dieser Phänomene die-
nen.49 Auf diese Weise werden Erscheinungen bestimmten Klassen zuge-

49
von Lieven 2004; grundlegend: Yoyotte 2013.

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Ritual 349

ordnet, die unter Götterbezeichnungen zusammengefasst sind. Über die


Zuordnung zu diesen Sakralkonzepten werden diese Phänomenklassen in
einer bestimmten Logik erfasst, beschrieben und schließlich der Manipu-
lation zugänglich.

Mag diese Art der Konzeptualisierung auf den ersten Blick (und dem auf
die Schriften) als vor allem kognitiv erscheinen und damit wieder der
fixen Idee Vorschub leisten, so etwas sei vor allem ein Denksport, so tun
sich bei genauer Betrachtung doch ebensolche Assoziationsrahmen im
Kontext des eigentlichen Tuns, der Auseinandersetzung mit den Dingen
selbst auf. In Dendera steht die Technik der Zerkleinerung der amor-
phen Ausgangssubstanzen im Zentrum eines Verfahrens, das schließlich
in die Gewinnung oder Wiedergewinnung einer Gestalt mündet. Dieser
sozusagen schöpferischen und archetypischen handwerklichen Arbeit
der Materialtransformation (k#.t s.St#) steht die Formbarmachung der
Sediment-Getreide-Mischung durch die Bewässerung als archetypische
„gärtnerische / landwirtschaftliche Arbeit“ (k#.t Hsp.t) zu Seite, die eben-
falls zu einer (Wieder-)Gewinnung von Gestalt führt. Es sind praktische
Vorgänge, nicht nur Phänomene, die hier erlebt und sinnlich wie konzep-
tuell erfasst werden.
In diesem Zusammenhang ist auch die hinter der Variation von „Zer-
kleinerter“ und „Müder, Versunkener“ im Totenbuch liegende Sinnebene
interessant. Der „Versunkene“ ist auch der „Ertrunkene“ und kann damit
eben auch auf die gewässerte Sediment-Getreide-Mischung Bezug neh-
men; andererseits aber, wie bei Irtisen, auf den Gussprozess in Metall. Als
der „Zerkleinerte“ ist der Vorgang auf die Keramikproduktion fokussiert.
In jedem der Fälle werden die an sich völlig unterschiedlichen Verfah-
ren – Getreideanbau, Metallguss, Töpferei – auf der Ebene der Prozesse
verglichen und über das Mythem einer Prozesskategorie zugeordnet: der
Transformation, dem Sescheta (s.St#). Sind Prozesse und Verfahren in der-
artiger Weise erst einmal kategorisiert, können die gewonnenen Kate-
gorien, Metaphern oder Bilder wieder zur Inszenierung – dem Erleben,

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350 Erfahrung und Ritual

Deuten und letztendlich Manipulieren – von ganz anderen, aber als ähn-
lich klassifizierten Prozessen herangezogen werden. Die Zeremonie um
das keimende Getreide ist nicht nur die Inszenierung der Aussaat. Das
Bild von der Transformation kann in verschiedenen Zusammenhängen
aktiviert werden, z. B. in einem Ritual, das dem Herauskommen oder
der Verjüngung der Toten gedient haben mag, wie die Deponierung von
Pflanzschalen und die Existenz von Pflanzbeeten im funerären Kontext
vermuten lassen. Diesem alten Bild des keimenden Getreides, das dem
Wissensschatz landwirtschaftlicher Techniken entstammt,50 steht spätes-
tens seit dem Neuen Reich dann das Bild des Osiris zur Seite, das aus
einer völlig anderen Erfahrungssphäre schöpft, nämlich aus dem Korpus
mythologischer Narrativen. In der Erzählung von Tod und Wiedererste-
hen des Osiris findet das Phänomen der Transformation in ganz grund-
sätzlicher Weise eine Geschichte – nach Hayden White: einen plot – und
in der Figur des Osiris ein zweites Bild. Im Beet oder dem Hohlziegel, die
den Umriss des Gottes zeigen, und ebenso in der Gestaltgebung des Kor-
nosiris werden die beiden Bilder gewissermaßen übereinander geblendet:
der Prozess der Keimung des Getreides und das Mythem um Tod und
Belebung des Osiris. Dieses gedoppelte Bild des Gottes und / aus einem
keimfähigen Urstoff mag als sakrales Ding wieder in den verschiedensten
rituellen Inszenierungen eine Rolle spielen, wobei es im Zuge des Choiak-
Rituals wohl zu einem sehr umfassenden Symbol ausgebaut wurde. Nicht
weniger als ein Symbol, an dem die jährliche Transformation des ganzen
Landes im Zuge von Überschwemmung und erneutem Aufblühen erlebt
und erfahren wird.51
Dem ist in den Choiak-Inschriften nun ein zweites Motiv an die Seite
gestellt, das bereits bei Irtisen zu fassen ist und in jener anderen Figur
aus einer keramischen Masse Gestalt und in Osiris wieder ein Bild findet.
50 Quack 2007.
51
Siehe in diesem Zusammenhang die Überlegungen in Beinlich 1984, 267–270 zur
theologischen Ausdeutung aller ägyptischen Landesteile (Gaue) als Glieder des Osiris
(die sogenannten „Osirisreliquien“) und deren Vereinigung als politische Theologie
der Saitenzeit.

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Ritual 351

Hier werden Erfahrungen der thermischen Transformation abgebildet,


sei es die von keramischen Massen – an diese lehnen sich die Minerali-
enrezepte von Dendera am ehesten an –, seien es auch die von Metallen.
Der später den Alchemisten eigene Wille, auch der sogenannten „toten“
Materie Leben und Tod, Wachstum und Reife abzugewinnen, wird hier
tatsächlich in einer sehr eigenen Variante vorweggenommen. Beide Bil-
der zusammen – das der Reife der „biotischen / belebten Materie“ im
Kornosiris und das der Tötung (Zerkleinerung / Versenkung) und Wie-
derbelebung der „abiotischen / unbelebten Materie“ (die aber als ebenso
lebendig wahrgenommen wird) in der Figur aus der Sokar-Model – bilden
in den Choiak-Riten die umfassende Transformation ab. Dass diese zweite
Figur mit „unbekannten“ und besonders „geheim zu haltenden“ Aspek-
ten assoziiert wird, erinnert einmal mehr an alchemistische Attitüden.52
Zusammen stehen die beiden Figurinen für einen Regenerationsprozess,
in dem belebte und unbelebte, mikrokosmisch erlebbare und makrokos-
misch „geheime“ Natur erfasst werden.

Vergleicht man nun zuletzt die in Dendera beschriebenen Objekte mit


den Hohlformen, Wachsfiguren und nicht vollendeten Reparaturformen
von der Qubbet el-Hawa, lassen sich zumindest partielle Gemeinsamkei-
ten finden. Auch hier sind wir mit Formen und Substanzen konfrontiert,
die als Zeichen auf den Prozess der thermischen Veränderung verwei-
sen, wie es die beiden Varianten von Materie auch tun, die in Dendera
beschrieben sind. Hatte man die in Dendera verfertigten Figurinen und
auch damit zusammenhängende „Reste“ nach vollzogenem Ritual in einer
speziellen sakralen Ablagestätte deponiert, so hat man die Halbzeuge und
beschädigten Objekte an der Qubbet el-Hawa ebenfalls an einen sakralen
Ort verbracht. Wenn man sie denn als „Halbzeuge“ oder „beschädigt“
gesehen hat, oder nicht viel eher als Dinge in einem transformatorischen

52 Siehe hierzu Aufrère 2007, 174–180 und die Hinweise bei Beinlich 1984, 310 auf die
Mikro-/Makrokosmos-Relation zwischen menschlichem (osirianischem) Körper und
dem Kosmos im Corpus Hermeticum.

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352 Erfahrung und Ritual

Zustand erlebte. Die Figürchen aus ungebranntem Ton können ebenso


Sonder- oder Frühformen des mit Sokar assoziierten Figurinentyps sein,
wie die mit einem roten, wohl mineralischen Pigment angereicherten
Wachsfiguren. Ähnliches lässt sich hinsichtlich der nicht zur Ausführung
gekommenen oder sogar nicht vorgesehenen Reperaturformen zumindest
mutmaßen. Bei der Ablage der Figuren des Bronzekonvolutes hat man so
gesehen eine Sonderform der Deponierung von Figurinen mit dem Index
Transformation durchgeführt, die in einigen Aspekten mit dem Choiak-
Ritual vergleichbar ist: Es sind Objekte, die als Zwischenstufen einer fun-
damentalen Transformation definiert sind und die man nach einiger Zeit
aus dem rituellen Betrieb regelhaft entfernt.
Eine solches Szenario muss dem nicht widersprechen, was oben über
eine Ablage bei Schließung einer Werkstatt oder als Inszenierung einer
Initiation in die Gusstechnik spekuliert wurde. Ein solcher Umstand mag
den Anlass der Deponierung gegeben haben, also die Situation, zu deren
Bewältigung rituelles Handeln im Sinne von Kulturtechnik nötig wurde.
Die Form der Deponierung, der dahinter vermutete rituelle Vorgang und
die Dimensionen seines Erlebens durch die Teilnehmer, vielleicht auch
der Zeitpunkt und – dies sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit – der Ort
werden verständlich, wenn wir sie als Inszenierung, als konkrete Fassung
eines um den Prozess der Transformation kreisenden Rituals interpretie-
ren. Ob es dabei um die Transformation einer Werkstatt, die Initiierung
in die Geheimnisse der Handwerkskunst oder die Inszenierung eines Ritu-
als zyklischer Erneuerung ging, oder alles zusammen, bleibt offen. Die
Funde der Pflanzschalen im Vorhofbereich, auch wenn ihre Deponierung
viele Jahrhunderte früher erfolgt sein wird, deuten wenigstens an, dass
der Platz für derartige Handlungen prädestiniert war.

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Musen 353

MUSEN UND GÖTTER

Die Betrachtung auf die Dinge selbst und deren Substanz gelenkt zu haben
diente dazu, ihnen ein eigenes Wesen überhaupt zuzusprechen. Mit der
Alchemie haben wir ein Fenster in eine Reflektionswelt gewonnen, in der
es um den Mythos als Medium der Kognition dieses Wesens geht.1 Rituale
wie das des Choiak-Festes sollten einen Eindruck davon geben, wie sich
eine solche mythologisch formulierte Kognition des Wesens der Dinge
in der Inszenierung praktisch erfahren lässt. Da Praxis Handeln ist, soll
es nun im letzten Teil noch einmal um die Frage gehen, wer denn hier
eigentlich agiert; nicht-menschliche Aktanten – Dinge, Dämonen – oder
doch Menschen?

16. Musen

Geht es um das vermeintliche Handeln der Dinge, dann wird heutzutage


gern mit dem Begriff agency jongliert, auch in diesem Buch. Die vielbe-
schworene agency der Dinge ist ein Begriff, der wissenschaftlich klingt
(weil international english) und doch nicht viel mehr als eine Leerstelle in
unserem Verständnis verdecken soll; dem Pfeil in der chemischen Formel

1
Nach Mircea Eliade ist die Alchemie weder aus dem Wunsch nach Goldmacherei
entstanden, noch aus der griechischen Wissenschaft: „Viel eher als die philosophische
Theorie von der Einheit der Materie hat wahrscheinlich die alte Vorstellung von der
Erdmutter, Trägerin der Erzembryonen, den Gauben an eine künstliche, das heißt,
im Laboratorium vorgenommene Wandlung entstehen lassen. Wahrscheinlich war
es die Begegnung mit der Symbolik, den Mythologien und Techniken der Bergleute,
Schmelzer und Schmiede, die Anlass zu den ersten alchemistischen Prozeduren gab.
Vor allem aber muss die experimentelle Entdeckung des lebenden Stoffes – als der er
von den Handwerkern empfunden wurde – die entscheidende Rolle gespielt haben.“
(Eliade 1980, 157).

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354 Musen und Götter

oder dem Wolf der Alchemisten vergleichbar (Kasten 13.3). Man hatte
schon andere Begriffe, um die seltsame Eigenschaft von nicht-menschli-
chen Wesen zu benennen, etwas mit Menschen zu machen, mitunter sogar
wie Menschen. Fluidum etwa, Aura, Pneuma, Mana oder auch Daimon.
Jeder dieser Begriffe hatte seine Zeit und Konjunktur, um dann als altmo-
disch von einem vermeintlich besseren abgelöst zu werden.
Da die Begriffe durchaus etwas vom Wesen der Dinge festhalten, deu-
ten solche altmodischen Bezeichnungen auf die bereits diskutierte Zeit-
lichkeit dessen, was wir aktuell als agency beschreiben: Dinge haben zu
unterschiedlichen Zeiten bzw. in unterschiedlichen Milieus anders erlebte
Wirkeigenschaften. Vieles dieser „anderen agency“ findet sich auch in den
modernen chemischen Formeln und physikalischen Größen beschrieben,
vieles aber auch nicht – was u. a. die anhaltende Faszination der Alche-
mie erklärt. Am Ende ist die ominöse agency of objects wohl die Energie,
die im Moment der Auseinandersetzung von Mensch und Ding entsteht
– und Energie auch wieder nur ein hilfloser Begriff dafür.

16.1. Fetisch

Die Frage nach dem Wer? ist auf besondere Weise menschlich; vielleicht
ist es sogar die Frage, die zu stellen darüber entscheidet, wer oder was in
der Mensch-Ding-Konstellation eigentlich der Mensch ist.2 Nach dem Wer
– also dem Verursacher – zu fragen, heißt, den Sinn dessen, was vorfällt,
in seiner Ursache zu finden. Warum etwas so ist, passiert oder ausbleibt,
wird beantwortet, indem jemand oder etwas benannt wird, der, die oder
das dafür verantwortlich ist. Kennt man diese Kraft, hat man das Wesen
einer Sache erkannt und – so scheint es – kann sie beherrschen. Cartesisch
2 In jeder gängigen Dystopie beginnt der Android dann die Schwelle zum Menschsein
zu verwischen, wenn er nach dem Grund und damit dem Sinn seiner Handlungen
fragt und diesen und damit diese selbst zu bestimmen beginnt (siehe etwa Asimov
1950). Parallel dazu beginnen gewöhnlich die Menschen an den Gründen und am
Sinn ihres Handelns und dessen Selbstbestimmtheit zu zweifeln.

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Musen 355

diszipliniert wird aus dem Wer? ein Wer dahinter?, das für jeden Vorfall
einen Grund, einen kausalen Zusammenhang, eine Ur-Sache sieht, vom
Flügelschlag eines Schmetterlings oder einem Sack Reis in China bis hin
zum Urknall. Das Dahinter erklärt das Warum, ist die Antwort auf die
Frage nach dem Sinn von allem. Ein Vorfall aus sich heraus ist logisch
nicht denkbar, da es immer einen weiteren Punkt gibt oder geben muss,
auf den die Kausalitäten hinlaufen.3 Bei Descartes selbst war dieser Punkt
am Ende dann der aristotelische unbewegte Beweger, den die Theologen
als Gott erkennen.
Doch ist nicht jeder Denker so diszipliniert und Technikerinnen sind
es schon gar nicht. Auch die antike Naturphilosophie und mit ihr die
Alchemie konnten diese Kette unendlicher Kausalitäten durchbrechen
und erkannten in den Stoffen selbst ruhende Kräfte als Bedingungen für
deren Wirkmacht; Kräfte, die in reiner Form als Elemente auftreten, zum
Beispiel als Feuer, Erde, Wasser und Luft und diesen dann wieder zuge-
ordnete Stoffe, wie Schwefel, Quecksilber und (nach Paracelsus) Salz.4
Mit mythologischen Bildern aufgeladen, wurde das unermüdliche Tun
der Dinge so auf jeweils zeitgemäße Weise aus diesen doch irgendwie
selbst erklärt. Wobei mit dem Mythos und seinen Bildern an etlichen
Stellen wieder eine ursprüngliche, einzige Kraft den Weg in die Dinge
fand. Man darf also auch in den alchemistischen Visionen, wie sie im
vorangegangenen Teil angerissen wurden, auf ein Dahinter ausweichen,
auf das man sich zumindest immer dann zurückziehen konnte, wenn der
Vorwurf der Blasphemie oder der Unwissenschaftlichkeit aufkam. Denn
blasphemisch oder unwissenschaftlich – im Rahmen des geltenden Para-
digmas – ist es ja, das falsche Vokabular zu benutzen und damit die fal-
schen Kräfte für das verantwortlich zu machen, was nun einmal passiert.
Heute etwa, fluidum zu sagen, anstatt agency.

3 Zur resultierenden Unübersichtlichkeit: Kassung 2009.b.


4 Zu Vorstellungen der prima materia und deren Eigenschaften im Umfeld des aristote-
lisch-alchemistischen Denkens: Klossowski de Rola 1974, 17–19.

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356 Musen und Götter

In der Bewältigung der schlichten Alltagssorgen hingegen sind es


dann doch meist die Dinge selbst, die für das verantwortlich gemacht
werden, was sie so anrichten: „Es fehlt das Geld“ und „die Bahn kommt
nicht“. Das Wer ist zu greifen, das Warum bleibt abstrakt. Das gilt für die
Dinge, deren Funktionsweise wir kaum durchschauen, aber die wir ob
ihrer Tücken fürchten (Bahnfahrpläne ebenso wie elektronische Geräte);
das gilt für das Geld, dessen Wert und seine Wirkmacht kaum jemand
hinterfragt, solange es nur bar auf der Hand liegt (oder im Display als
Zahl erscheint). Es gilt ebenso für die Wirkmacht eines Medikaments oder
Placebos. Es gilt insbesondere für die Wirkmacht eines Wunsches, eines
Gebetes oder eines Talismans. Das Ding, das nicht-menschliche Wesen
ganz allgemein, wird schon funktionieren.
Der Bezug zum Talisman ist hier hilfreich, will man die verworre-
nen Bezüge von agency und nicht-menschlichen Aktanten beschreiben.
Charles de Brosses (1709–1777) hat beim Nachdenken über Religion
die In-Eins-Setzung von Wirkungskraft und Objekt fétichisme genannt
und sich dabei auf Berichte von portugiesischen Seefahrern gestützt, die
erzählten, dass afrikanische Menschen selbst „gemachte“ bzw. „verzau-
berte“ (feitiço) Dinge mit großer Wirkungsmacht besitzen.5 Hinter diesen
Fetischen steht kein Wer – kein Hochgott – und das Warum ist ganz im
Ding geborgen; ein Fetisch ist aus sich heraus mit Wirkungsmacht begabt,
er braucht kein „dahinter“. Auch wenn es nach der Abnutzung dieses
Begriffes einmal durch die oft falsch verstandene Bemerkung von Karl
Marx zum Warenfetischismus und noch mehr die in eine ganz andere
Richtung zielende Auffassung vom Fetisch als einem Objekt der sexuel-
len Befriedigung nach Siegmund Freud etwas befremdlich klingt:6 Wenn

5
de Brosses 1760. Die Ambivalenz des portugiesischen feitiço ist bemerkenswert, heißt
es im heutigen Sprachgebrauch doch „verzaubern / verhexen“; geht aber wie fazer
„machen“ auf die lateinische Wurzel facere „tun, machen“ zurück und hieß ursprüng-
lich schlicht „Gemachtes“.
6 Zum den heterogenen Aspekten, die mit dem Begriff Fetisch verbunden werden:
Böhme 2006. Zu Marx siehe auch oben Kap. 7, Anm. 1. Marx benutzt den Begriff
ironisch für Phänomene, deren eigentliches Wesen und Ursache unklar und vernebelt

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Musen 357

heute in den Geisteswissenschaften das Wort von der agency of objects


umgeht, dann macht man aus dem Ding nichts anderes, als einen Fetisch:
einen Aktanten, der aus sich heraus Wirkmacht besitzt und Handlungs-
impulse auslöst.7
So allgemein war der Begriff ursprünglich nicht konzipiert. Nach de
Brosses war der Fetisch die älteste Erscheinungsform einer besonderen,
übernatürlichen und quasi-göttlichen Wirkmacht, die er übrigens in den
ihm zugänglichen Quellen zur Religion des pharaonischen Ägypten wie-
derfand.8 Diese archaische, an bestimmte Dinge unmittelbar gebundene
Erscheinungsform sei später – etwa in der griechisch-römischen Antike
– durch die Idole der Idolatrie abgelöst worden. Das heißt, durch die
Ansicht, dass es nicht-materielle Wesen gibt, die hinter den materiellen
Erscheinungen – den Idolen – stehen, und diesen ihre Wirkmacht verlei-
hen. Dass also hinter all den Marmorleibern unzähliger Zeuse, Apollen,
Artemisen und Aphroditen je genau ein Zeus, ein Apollon, eine Artemis
und eine Aphrodite schwebt, die, als göttliches Wesen auf dem Olymp
hausend, den Abbildern nur transzendent „einwohnen“.9 Diese Konzep-
tion wirkmächtiger Objekte blieb de Brosses zufolge üblich, bis sich in
Zeiten der fortschreitenden Aufklärung ein transzendentes Gottesbild
etablierte, in dem der nicht-materielle unbewegte Beweger hinter allem
steht, was sich und andere bewegt, aber diesem nicht gemein ist.10 Gott

sind; Freud überaus ernst für den Ersatz einer begehrten oder erstrebten Sache durch
einen „als-ob“- oder Sexualfetisch.
7
Siehe hierzu: Kohl 2003; vgl. Eggert / Samida 2016, 124–126.
8
Fitzenreiter 2013.a.
9 Als Konzept der „Einwohnung“ wird diese Vorstellung auch in der ägyptologischen
Religionswissenschaft produktiv gemacht, siehe: Assmann 2003.
10
Bzw. nach de Brosses etablieren sollte. Denn das eigentliche Ziel seiner antiquari-
schen Beschäftigung mit Religion war die zeitgenössische katholische Kirche, die er
tief in der Stufe der Idolatrie verfangen sah. Die entgegengesetzte These sieht den
Vorgang übrigens genau andersherum: Am Anfang war die reine und von keinem
Bild befleckte Gottesschau, diese wurde durch Fetischismus und Idolatrie sukzessive
verunklärt und muss wiederhergestellt werden. Diese Idee eines „Urmonotheismus“
wurde in der Religionsethnologie bereits von Joseph-Francois Lafiteau (1681–1746)
und dann in einer neueren Version von Pater Wilhelm Schmidt (1868–1954) vertre-
ten.

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358 Musen und Götter

zog sich so zumindest theologisch immer mehr als das-Hinter-Allem in die


Unbegreiflichkeit zurück. Diese Entzauberung der sakralen Dinge fand
nicht zufällig in der Epoche statt, in der auch alle andere Dingen ihrer
Wirkmächte durch die Metawissenschaften der Naturforschung verlustig
gingen. Nicht mehr der Apfel fiel nicht weit vom Stamm, sondern die
Gravitationskraft zog ihn hinab; nicht mehr der konkrete Hammer hatte
die Macht, den Nagel in die Wand zu treiben, sondern eine abstrakte
Schwungmasse. Und so begann die lange Reihe der Kausalisierungen.
Immer länger wurde der Schatten, den das Ding an die Wand der plato-
nischen Höhle warf, immer größer der Abstand, den man zwischen einen
nicht-menschlichen Aktanten und seine Wirkung zu legen geneigt ist.
War so dem (heiligen und unheiligen) Ding scheinbar jede eigene
Handlungsmacht abgesprochen worden, schlägt in der Postmoderne der
Fetisch in genau der Gestalt der eben für Gott postulierten Unbegreif-
lichkeit zurück. Im 21. Jahrhundert und mit der ANT im Rücken ist das
Ding in seiner Materialität wieder selbst die Summe seiner Eigenschaf-
ten. Konkrete Verknüpfungen einzelner Aktanten – Dinge, Menschen
usw. – bestimmen, was im Moment der Präsenzwerdung dieser Materia-
lität geschieht, nicht aber Subjekt gewordene Strukturen, die irgendwo
dahinter angesiedelt sind. Auch Gott ist nichts Fernes mehr, sondern das
konkrete, einmalige, jetzt und hier und seiende Unbegreifliche, das sich
mit dem Menschen im Moment des erlebten Glaubens verbindet. Auf
Kapitel 7 zurückgreifend: Gottes Sein als Ding und sein Wirken als agency
ist das Erleben von dessen konkreter, an einen Moment der Hybridisie-
rung gebundene Präsenz. Diese Präsenz ist an eine Materialität gebun-
den, in der sich jenes Konzept einer sakralen Macht manifestiert, das als
plug-in in dem Netzwerk dominiert, in dem der Mensch sich positioniert:
als Mann mit Bart oder schöne Frau bei den Polytheisten, als Einheit in
Allem bei den Monotheisten, oder als endgültiges Nichts und Nichtwis-
sen bei den Buddhisten und Agnostikern. Dieses Konzept, an das und mit
dem geglaubt wird, ist der Fetisch, dem eine Wirkmacht eigen ist. Es gibt
auch kein Dahinter und keinen abstrakten Schatten, denn die Hybridi-

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Musen 359

sierung von Mensch und einem solchen Konzept ist immer der konkrete
Vorgang einer Verknüpfung. Glaubender ist man / frau / divers nur, wenn
das Glauben praktiziert wird. Dieses Erleben des Glaubens mag aber
durchaus auch die Infragestellung des dominierenden Konzeptes sein. In
der Theodizee, in der Frage, ob ein Gott die Welt so wie sie ist wollen
kann, hat Gott vielleicht seine reinste Erscheinungsform gefunden: als
Wer und Warum in einem. Jedoch: Vermutet der Fragende den gefragten
Gott auch am Ende irgendwo hinter der Frage, so sieht die ANTlerin dies
anders: Gott existiert genau in der Frage. Die Frage ist der selbst gestellte
– gemachte (feito) und heraufbeschworene (feitiço) – Fetisch, der seine
ungemein suggestive Kraft auf den Fragenden entfaltet.

Als Fetisch darf jedes Ding es selbst sein. Auch darf jedes Ding Fetisch
sein; eben auch jede („fixe“) Idee. Ob eine besondere Wirkmacht von
einer bestimmten Entität ausgeht, liegt im Auge des Betrachters und in
der Hand derer, die sich mit deren spezifischer Materialität als Stein,
Papier oder Frage auseinandersetzen. Dabei ist es irrelevant, ob es sich
um ein Gefühl handelt, von dem man ergriffen wird; um ein Götterbild,
dem man schaudernd gegenüber steht; oder um ein Werkzeug, das man
liebevoll in die Hand nimmt. Gibt man ihm einen Namen, ist das Ding
als ein Gegenüber mit eigenem Wert, eigenem Wesen und eigener Wirk-
macht (an)erkannt.

16.2. Personifikation

Die Verknüpfung ist der Moment, in dem sich die agency einer Sache als
ein Handlungsimpuls äußert. Hebt man den Hammer, erfährt man die
neu gewonnene Kraft. Beim Essen erfährt man die im Brot geborgene Sät-
tigung, beim Trinken den im Wein gebundene Rausch. Bei der Krönung
wird die Hybris erlebt, die die Krone verleiht. Oben in Kapitel 6 wurde
diese Erfahrung der Präsenz der Dinge unter einem anderen Gesichts-

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360 Musen und Götter

punkt als deren Wert behandelt. Es kam aber auf dasselbe heraus. Auch
mit dem dort beschriebenen Wert und wie er sich bildet, erfasst man, was
man als die agency eines Phänomens bezeichnen kann: Das, was dieses
Ding potentiell kann, wenn es sich mit menschlichem Handeln verbindet.
Wenn Wert ein Begriff der neueren Ökonomie ist, dann sind die
Begriffe der älteren Technologie mythologischer Art. Es ist der Geist das
Weines, der so manchen veranlasst, die literaturwissenschaftlichen Kul-
turtechniken wie Schreiben und Tanzen zu praktizieren und die Musen
führen ihm Feder und Fuß; die Muse des Krieges – hier wird es männlich
und ein Dämon – treibt den Benutzer von Schwert und Bomber an. Und
auch das, was in der bürgerlichen Ökonomie als Wert (also über den Preis
zu realisierender Gewinn) konzeptualisiert ist – als das trügerische Ver-
sprechen der in den Dingen liegenden monetären Potenzen – hatte seiner-
zeit im Mammon bereits eine ambivalente Personifikation gefunden. Wie
auch immer das Wesen der mit Dingen (oder Konzepten) verbundenen
agency also am Ende erfasst wird, das Ergebnis erfährt seine kommunika-
ble Fassung oft genug in einem Bild. So, wie Bilder von bestimmten Men-
schen zu Aktanten werden, die als Vor-Bilder Menschen zu dem machen,
was sie als Hybride sein werden – deutsche Mütter, neue Väter, solinger
Schmiede und schwarze Königinnen –, so werden aus den Bildern von der
agency der Dinge Aktanten, die als Vor-Bilder den Dingen ihr besonderes
Wesen einschreiben: das, was „in ihnen steckt“; oder, wenn man nicht
mehr den Fetisch gelten lässt und zum Idol greift: „was dahinter steckt“.
Irgendwann ist es nicht mehr das Ding, das aus sich für alles verantwort-
lich ist, sondern etwas, das mal in einem Mythem ausgedrückt wird, mal
als Formel oder mal in international english. Das Ding selbst tritt als der
Hort der Wirkmacht zurück, ein allgemeines Konzept stellt sich neben,
hinter oder vor das Ding. Erfahrbar, kommunikabel wird so ein Konzept
in jenem erwähnten Bild – einem Sprachbild, einem Symbol oder, in men-
schenähnliche Gestalt gegossen, in einer Personifikation.
In der Personifikation hat die Wirkmacht von nicht-menschlichen
Akteuren ihre am besten erfassbare Form gefunden. Während Formeln

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Musen 361

und Symbole oder auch Begriffe wie Fluidum und agency abstrakt daher-
raunen und deshalb in den jeweiligen Milieus ja auch als besonders wis-
senschaftlich beliebt sind, kann die Personifikation ein pralles Bild ver-
mitteln und ist meist allgemein verständlich. In ihr wird die besondere
Wirkmacht aller menschlichen und nicht-menschlichen Akteure darge-
stellt: neben der rohen Kraft des Feuers, des Wassers, der Luft und der
Erde stehen auch Akteure wie die Liebe, der Hass, der Glaube oder der
Hunger bereit. Oben in Kapitel 10 wurden Bilder behandelt, die das abbil-
den, was der Mensch wird, wenn er in Kontakt mit den Dingen gerät. Und
interessanter Weise sind nun ebenso die Bilder von der Wirkmacht eines
Dinges oft nach dem geformt, was genau diese Wirkmacht des Dinges aus
einem Menschen macht. Der gelbe Geizige ist der vom Geld befallene
Mensch, aber auch ein Bild vom Mammon, vom Wesen des Geldes; der
Trunkene ist ein archetypisches Bild vom Trinker, aber auch vom Wesen
des Trunkes; ein leuchtender Verklärter ist das Bild des Gläubigen ebenso
wie das Bild seines Gottes.
Bilder, die in quasi identischer Weise die Wirkungsmacht der Dinge
wie deren Wirkung auf den Menschen beschreiben, sind so auch Belege
der Hybridisierungsthese: Es sind eben die Menschen und Dinge gemein-
sam, die im Hybrid ihre Erscheinung finden. Der Hybrid ist nicht nur ein
angedingter Mensch und auch nicht nur ein etwas vermenscheltes Ding.
Er-Sie-Es ist / hat ein eigenes Wesen.
Als Bilder der Hybridisierung stehen Personifikationen dieser Art –
Mammon, Rausch und Dämon – nicht eigentlich für die Dinge, sind also
keine Bilder des opus operatum. In der Vergegenständlichung der Folgen
des Tuns (am Beispiel des menschlichen Körpers) sind sie viel mehr Bilder
des modus operandi; Bilder von der treibenden Gier nach Geld, dem Sog
des Rausches und vom verzweifelten Wunsch nach Erlösung. Sie machen
sichtbar, was geschieht, wenn Mensch und Dinge zusammenkommen,
wenn sich Mensch und Ding auseinandersetzen. Die leichtfüßigen Musen
bilden Techniken ab, genau genommen exakt die Techniken, die in der in
Kapitel 3 herangezogenen Definition der Berliner Schule als Kulturtechni-

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362 Musen und Götter

ken durchgehen und sich irgendwie um Medien drehen: Gesang, Getanz,


Gedöns (Abb. 16.1). Doch gibt es der Personifikationen weitaus mehr; in
Ägypten z. B. Personifikationen der Nilflut und der sie bringenden Ernte-
erträge (Abb. 16.2)11 oder solche, die als Dämonen Krankheiten, Ängste

Abb. 16.1: Musen: Berthel Thorvaldsen, Tanz der Musen auf dem Helikon, Marmor,
1807; SMPK Berlin, Alte Nationalgalerie.

und andere Plagen abbilden (Abb. 16.3).12 Die Barockzeit wimmelt nur
so von Personifikationen von so ziemlich Allem, was vorfällt: von Kriegs-
handwerk, Regierungskunst, Handwerk und Handel. Den zarten Musen
können Personifikationen gegenübergestellt werden, die die ambivalen-
ten Eigenschaften von Metalltechniken kommunizieren: Hephaistos und
die Zwerge; humpelnd und verwachsen (Abb 16.4). Die Mythologie der
Metallurgie hat immer auch eine derbe, grobe und dunkle Seite; metall-
urgische Personifikationen erscheinen oft genug als Außenseiter.13 Was
die Berufssatire über das verhornte Äußere des Schmelzers sagt, das findet
sich in den Beschreibungen der Zwerge im Berg und an den Schmelzöfen
auch andernorts. Am Rande des Wahren, Schönen, Guten balgen sich
eine Menge dubioser Gestalten, in denen die unkontrollierte agency so

11 Siehe hierzu die ausführliche Studie Baines 1985.


12 Lucarelli 2016.
13
Amborn 1997.

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Musen 363

manchen Vorganges ein Bild gefun-


den hat.
Bilder von den Dämonen machen
durch ihre in der Regel deutlich wer-
tenden Elemente auch klar, dass sie
wieder medial gebrochen sind. Sie
entwerfen ein bestimmtes Bild vom
Hybriden, eines, das ihn oft genug
als anders charakterisiert. Das Kon-
zept der Kulturtechnik ist ein Eli-
tenprojekt, eines, das den „feinen
Unterschied“ macht zwischen Grob-
technik und Kulturtechnik, zwischen
bösem Dämon und feiner Muse. Spä-
testens an dieser Stelle löst sich die
Abb. 16.2: Personifikation der Fruchtbar-
keit, Zeit Nektanebos II., 30. Dyn. (360– Personifikation auch davon, nur eine
343 v. u. Z.), aus Sebennytos (Sammanud), hübsche Bebilderung des Wesens der
New York MMA 12.182.4b.
Tätigkeit (mit) einer Sache zu sein.
Als Medien verstanden, haben Personifikationen eigene agency. Die in ihnen
manifest gewordenen Bilder inspirieren Zuordnung, Einordnung, Klassifi-
zierung. Musen und Dämonen übernehmen Archetypen oder Stereotypen
des Sozialen und teilen Menschen in die Guten und die Schlechten. So
werden Berufsgruppen, Geschlechter, auch Völker und Rassen in Personifi-
kationen zusammengefasst und über das Bild der Personifikation bewertet.
„Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“ ist für alle Zeiten dem Urteil unter-
worfen, das mit diesem Bild einer Technik der Nahrungsaufnahme ausge-
sprochen wird.14 Stereotypen wie diese sind nicht nur Bilder der Tätigkeit
an sich; es sind Bilder der Wertung dieser Tätigkeit und der über diese

14
Vgl. den dieses Sprichwort als Titel verwendenden Roman von Hans Fallada von
1934, in dem beschrieben wird, wie der ehemalige Häftling – im Knast ist das
Fressen aus dem Blechnapf üblich – Willi Kufalt nicht mehr ins bürgerliche Milieu
zurückgelangt.

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364 Musen und Götter

Abb. 16.3: Weibliche


Dämonen der
Unterwelt bewachen
Tote, die in Feuerseen
liegen. Fragment
eines Papyrus mit
Darstellungen aus
dem Amduat, 21. Dyn.
(1070–945 v. u. Z.);
New York MMA
28.3.112.

Tätigkeit klassifizierten Hybride. Wie eng


die Konzeptualisierung des Wesens einer
Tätigkeit auch mit der Konzeptualisie-
rung des Wesens der damit verbundenen
Tätigen zusammenhängt, wurde in Kapi-
tel 10 bereits diskutiert. Berücksichtigen
wir die Wirkmacht solcher Bilder, wird
auch die geläufige Überbetonung von
Techniken des Schreibens, Lesens, Rech-
nens als kulturell bedeutend, als die ein-
zigen Kulturtechniken verständlich. Wer
schreibt, der bleibt und kann ein Bild von
sich und den anverwandten Techniken in
Form musisch beschwingter Stereotypen
zu einem Befund werden lassen; ebenso
sein Bild von Anderen und deren dämoni-
Abb. 16.4: Marco Flierl, Hephaistos, schen Techniken. Während die Schreiber
Bronze, 2005.
genug Material hinterlassen, in dem sie
den Prozess der Hybridisierung mit (dem Wissen) der Schrift beschreiben,
reflektieren, beklagen,15 hat man von denen, die sich anderer Techniken

15 Klagen – eine ganz wichtige Kulturtechnik! Was beim Pöbel Meckern ist, ist beim
Schreiber in pharaonischer Zeit das hohe Genre der Klage (Junge 1977) und in der
Moderne die Kritik (Edlinger 2015).

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Musen 365

bedienen, nur nichtssagende Scherben und bröselige Gussformen. Entspre-


chend redselig sind die Musen und entsprechend wortkarg die Zwerge.16

16.3. Abstraktion

Selten wird die handlungsinduzierende Potenz der Dinge, die agency, so


unmittelbar erlebt, wie im Fetisch. Nur in ihm ist das Ding tatsächlich als
Hort der Wirkmacht erkannt und ganz in der Entität geborgen. Da jede
singuläre Entität als Fetisch konstituiert werden kann, ist die Breite mög-
licher Erscheinungsformen unendlich. Dafür ist der Zeitraum der Erschei-
nung äußerst kurz: Ein Fetisch ist ein Ding mit agency nur dann, wenn
man es mit (s)einem eigenen Namen anspricht.
Sobald eine Generalisierung zwischen Mensch und Objekt tritt, eine
Konzept – also ein Name, der für mehrere Entitäten zutrifft – verliert die
Entität in den Augen derer, die sich mit ihr auseinandersetzen, Stück für
Stück die dinghafte Wirkmacht. In Musen, Dämonen und anderen Stereo-
typen (bis hin zur chemischen Formel) werden handlungsinduzierende
Potenzen zusammengefasst und den Entitäten nur noch zugeschrieben.
Was aber keineswegs falsch ist. Denn die agency des Fetisch ist nur im
Moment der praktischen Auseinandersetzung zu erfahren. In der Personi-
fikation wird genau dieser Moment in ein Bild umgesetzt und auf Dauer
gestellt. Das Wesen einer Entität wird so zu einem Begriff. Die Abstrak-
tion bildet exakt jene wirkmächtigen Potenzen und Eigenschaften ab, die
als das Wesen der behandelten Entität im Zuge der Auseinandersetzung
erfasst wurde.

16
Doch liegt es am Ende an der Lesefähigkeit des modernen Rezipienten, was er zu
hören bekommt. Nur Schriften lesen zu können ist allein das Dilemma einer Schrift-
gelehrsamkeit. Ein neuzeitlicher Gießer konnte schon immer sehr gut in den alten
Güssen „lesen“ und so mit den alten Gießern kommunizieren. Eine Töpferin (N.B.:
nicht ein Archäologe) wird mit einer Scherbe in der Hand unendlich viel über einen
konkreten antiken Töpfer wissen – mehr, als eine Philologin je über einen konkreten
Homer wissen wird.

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366 Musen und Götter

Musen, Dämonen, Personifikationen, oder wie immer wie sie nen-


nen, sind damit auch dem gleichzusetzen, was eingangs als Technologie
bezeichnet wurde. Sie stehen nicht für die Dinge – seien es tatsächliche
Objekte, seien es natürliche Vorgänge wie eine Nilflut oder auch abstrakte
Ängste –, sondern sie stehen für das Wissen, das im Prozess der Ausein-
andersetzung von Menschen und Dingen erfahren wird. In verschiedenen
Formulierungen und unter verschiedenen Gesichtspunkten kann dieses
Wissen mal als der Wert der Dinge oder aber als deren geheimnisvolles
Wesen erfasst sein. Um die einleitende Bemerkung von der agency als
der Energie aufzunehmen, die im Moment der Auseinandersetzung von
Mensch und Ding entsteht: Agency ist der Handlungsimpuls, den das Ding
als Aktant auslöst. In den Musen, Göttern oder auch Stereotypen oder
Formeln wird genau dieser Impuls als ein (nicht-menschlicher) Akteur
beschrieben.

So abstrakt die Personifikation, Stereotype oder Formel auch am Ende


sein mag: In der konkreten Auseinandersetzung kehr das Ding als Indi-
viduum immer wieder zurück. In der Praxis wird aus dem allgemeins-
ten Gegenstand ein mit Tücke agierendes Objekt und eine hochabstrakte
Rechenaufgabe eine konkretes Leid zufügende Gemeinheit. Durch seine
Tücken bleibt das Ding am / im Leben.17 Noch tückischer sind natürlich
jene Dinge, die gar keine Objekte mehr sind: Ideen, Konzepte, lebendige
Götter. Mit dieser Dingwerdung des Immateriellen soll sich das folgende
Kapitel beschäftigen.

17
Vgl. Latour 2010, 42f, der die „Unbestimmtheiten“ (uncertainties) als Weg zur ANT
beschreibt. Die Lebendigkeit solcher Tücken wird in den Fachjargons durchaus
angesprochen: Die Schmelze „lacht“ zwar, wenn sie bereit zum Gießen ist; doch sie
„verreckt“ in der Form, wenn sie nicht mehr heiß genug ist und die Details nicht mehr
ausfließen; die Form „kotzt“ wenn es Turbulenzen durch Gase oder Fremdkörper
gibt. Je tückischer die Auseinandersetzung mit ihnen ist, um so lebendiger sind die
Dinge.

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Götter 367

17. Götter

Leider suchen wir bisher vergebens nach einer Personifikation, die im


Ägypten den göttlichen Gießer oder sakralen Schmied abgeben könnte.
Zu peripher war offenbar das Metallhandwerk, als dass es und seine
agency eine klar konturierte Überhöhung erfahren hätten. Doch auch
generell kann die Religionsforschung die Verbindung von handwerkli-
chen Tätigkeiten mit sakralen Konzepten nur mit groben Strichen umrei-
ßen; recht gut bei solchen des Ackerbaus, schon deutlich weniger gut
bei handwerklichen Techniken wie Töpferei, kaum noch bei Hausbau
oder eben Metallver- und -bearbeitung. Die eben besprochene Personi-
fikation als ein Abziehbild der Symbiose von Tätigkeit und dem Tätigen
ist eher die Schwundform der Konzeptualisierung dessen, was Dinge alles
so (anrichten) können. Personifikationen sind Bilder von genau jener Art
agency, die Menschen sich im Moment der Hybridisierung erhoffen –
selbst der Dämon des Krieges soll gezügelt sein. Das Unheimliche und
Unkontrollierte nicht-menschlicher Wesen aber findet sein eigentliches
Bild in den Göttern.
Doch wie bei allen nicht-menschlichen Aktanten bleibt es hier
schwer, klare Grenzen zu ziehen, etwa, wo der Gott aufhört und die Per-
sonifikation anfängt.1 Personifikationen lassen sich gemeinhin bestimm-
ten Ressorts zuordnen; die Musen bleiben Bilder der mit ihnen verbun-
denen Dinge und Techniken. Angeführt aber werden sie von Apollon,
von dem man nicht so genau weiß, wofür er gut ist. Götter neigen dazu,
alles zu können. Ihnen eignet eine große Ambiguität, so dass jede Aus-
einandersetzung mit ihnen zur Konfrontation mit deren unkontrollier-
barer différance gerät, einer ständigen Sinnverschiebung im Moment der

1
Zum Thema der Unterscheidung von „Göttern“ und anderen Formen sakraler
Entitäten (Dämonen, Personifikationen etc.) aus ägyptologischer Sicht: Baines 1985,
7–83. Zum Problem der Festlegung von Göttern auf bestimmte Eigenschaften oder
Bedeutungsfelder: Stadler 2009, 3–11.

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368 Musen und Götter

Befragung.2 Und doch haben Götter viel mit den Dingen und dem zu tun,
was Dinge können. Götter werden nämlich zu einem Ding in sich selbst.
Götter sind nicht-menschliche Wesen einer ganz besonderen Art (eine
Beschreibung, der auch Theologinnen zustimmen könnten).

17.1. Ordnung

Auch wenn in religionsgeschichtlichen Beschreibungen religiöser Sys-


teme naher und ferner Völker oft Elemente einer Meistererzählung zu
finden sind, in der eine göttliche Ressortzuordnung zur Regel gehört, es
also Familienväter und -mütter, den Erfinder, die Prasserin und den Böse-
wicht gibt, so muss an eines erinnert werden: Die Idee einer irgendwie
konzisen Göttergeschichte als Abbild menschlicher Betriebsamkeit und
Niedertracht ist eine Projektion. Es ist die Projektion eines Bildes von
Religion, wie es in ausgeprägter Weise erst im 18. und 19. Jahrhundert
Aufklärung und Romantik hervorgebracht haben und in dem der Mythos
als die narrative Ordnung der Vielfalt religiöser Erscheinungen eine
wesentliche Rolle spielt. Die Mythen der modernen Religionsgeschichts-
schreibung sind etwas ganz anderes, als die mythologischen Assoziatio-
nen der Antike. Diese – antiken mythischen Erzählungen – sind, wenn sie
in irgendeinem Medium heute lesbar werden, die jeweils in einen kon-
kreten Kontext eingebundenen Aktivierungen von Bildern, Geschichten,
Deutungen: von Mythemen (siehe dazu Kap. 13). Jene – die religions-
wissenschaftlichen Mythologien der Neuzeit – sind Produkte der Klas-
sifikation; sie sind Typologien, die Ordnung schaffen, zusammenfassen,
verallgemeinern, das Konkrete und Individuelle eliminieren.
Neben dem Bemühen um Übersichtlichkeit spielt bei dieser Neukon-
struktion alter Mythen wohl auch eine Rolle, dass im evolutionistisch
inspirierten Denken der oral tradierte Mythos als Vorstufe des Logos der

2
Derrida 1974; Fitzenreiter 2018.b.

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Götter 369

Buchreligionen gilt. So, wie der Logos eine Beschreibung der Zuständig-
keiten, Normen etc. im Rahmen einer aufgeklärten Religion gibt, so sol-
len die Mythen als Vorstufe dieser Beschreibungen eine ähnlich sinnvoll
gegliederte Erzählung bieten. Vorbild war und ist das Zusammenspiel
von Altem und Neuem Testament, in dem die verwirrende, vielfach über-
schriebene mythische Erzählung des Alten im klärenden Logos des Neuen
Testamentes Erfüllung zu finden scheint.3 Auf diese Weise mit einer Frage
und deren Lösung ausgerüstet – nach Thomas Kuhn: mit einem Para-
digma4 –, wurden von Philologen, Volkskundlerinnen und Religionswis-
senschaftlern die klassischen Mythen geschaffen. Zuerst die der Griechen
und Römer (z. B. durch Gustav Schwab), dann die jedes sich als „Volk“
etablierenden „Sozialen Nr. 1“ in Form von Nationalepen und Märchen
(etwa durch die Gebrüder Grimm, Karl Jospeh Simrock und die von ihnen
inspirierten Nationalphilologien des 19. Jahrhunderts in Europa), und
schließlich wurde von den Völkerkundlern auch ein passender Mythen-
kreis für jede neu zu klassifizierende Gruppe den indigenen Informantin-
nen entlockt (und von James Frazer gesammelt). Scheinbar besaßen alle
ihren Mythos. Und doch sind dies sämtlich Konstrukte und als solche auch
wieder nur konkret in Raum, Zeit und Funktion. Ein gutes Beispiel dafür
ist der Osiris-Mythos, der bereits in römischer Zeit – aber mit einem ganz
ähnlichen Ziel der Reduktion auf das Wesentliche – in einer von Plutarch
für ein nicht-ägyptisches Publikum erstellten Fassung als kanonisch gilt,
die aber in dieser sich um Koheränz und Logik bemühten Form in kei-

3
Für die Ägyptologie hat diesen Ansatz z. B. Morenz 1984 mit der Unterscheidung von
„Nationalreligion vs. Weltreligion“, „Kultreligion vs. Buchreligion“ und „historisch
gewachsener vs. Offenbarungsreligion“ verfolgt. Das Thema findet in kulturhistori-
schen Konzepten von „Zeitenwende“ oder „Achsenzeit“ weitere Varianten und am
Ende wieder neue Mythologien, wie die vom „europäischen Sonderweg“ oder der
„Moderne“; siehe hierzu: Assmann 2018.
4
Siehe die schon in Kap. 9 herangezogene Definition, dass Paradigmen „allgemein
anerkannte wissenschaftliche Leistungen (sind), die für eine gewisse Zeit einer
Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern“ (Kuhn
1973, 10).

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370 Musen und Götter

ner pharaonischen Quelle belegt ist.5 Belegt sind Mytheme in Bewegung;


aktive und konkrete Aktivierungen.6
Erinnern wir uns der am Anfang beschriebenen Notwendigkeit, vom
opus operatum zum modus operandi vorzudringen, dann sind es ja auch gar
nicht die Musen, Dämonen oder Götter, nach deren Sinn und Bedeutung
wir fragen sollten. Sehen wir sie unter dem Aspekt des Gegenüber, der
Partnerin in der Auseinandersetzung, als nicht-menschlichen Aktanten
– und damit als Ding im Netzwerk der Akteurskonstellationen –, so sind
es die Umstände ihrer Aktivierung, die als Wege hin zu einem Verständ-
nis ihrer Eigenschaften und ihrer Bindung an menschliches Tun führen
können.

In der Erfahrung des nicht-menschlichen Gegenüber werden die Göt-


ter real. Etablieren sich stabile Verknüpfungen, die als Muster großer
Wahrscheinlichkeit immer wieder aktiviert werden, so lässt sich das
nicht-menschliche Gegenüber einigermaßen als Akteur mit bestimmten
Eigenschaften, Gewohnheiten, Charakteristika erfassen. Muster großer
Wahrscheinlichkeit (hierzu siehe Kap. 8) sind einerseits etablierte Zere-
monien und aus diesen konstituierte Rituale, aber auch Konzepte, die der
Kognition, Reflektion und Kontrolle dienen. Häufig werden diese Kon-
zepte in Mythemen erfasst und mit bestimmten Sakralentitäten – Musen,
Dämonen, Göttern – in der Rolle von Akteuren erzählt. Wird diese Sak-
ralentität sogar zum Aktant par excellence, dann kann sie die Gestalt einer
Ressortgottheit annehmen und eventuell als Personifikation sogar die
Zeitlichkeit ihrer Existenz als Gott überleben; wie der gute Bacchus, der
auch im christlichen Abendlande noch sein Wesen treibt.

5
Griffiths 1970. Plutarchs Bemühungen, eine logische Mythologie für Ägypten zu
erstellen, ist vor dem Hintergrund des antiken Interesses an der Kategorisierung und
Vergleichbarkeit religiöser Vorstellungen zu sehen, das schließlich in die theologi-
schen Vorstellungen von Religion als Logos mündete. Diesem Interesse liegt auch die
ab etwa 250 v. u. Z. in Alexandria erfolgte Zusammenstellung und Übersetzung der
hebräischen Bibeltexte ins Griechische zugrunde (Septuaginta).
6
Klassiker der Betrachtung dieser Vorgänge: Lévi-Strauss 1968.

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Götter 371

Doch man sollte große Vorsicht dabei walten lassen, einen Gott in
eine bestimmte Ecke zu schieben. In einem anderen Zusammenhang,
unter anderen Umständen, kann der vermeintliche Ressortgott ganz
andere Wesenszüge zeigen. Auch die Lesarten des Mythos können ganz
unvermittelt variieren. Solange wir versuchen, die Geister als solche zu
klassifizieren, erschaffen wir nur neue Geister; solange wir die Narrative
um die Geister ordnen wollen, erfinden wir nur neue Geistergeschichten.
Untersuchen wir aber die Laboratorien, in denen diese Geister entstehen,
erfahren wir, was sie sind.

17.2. Goldhaus

Um diesen Zusammenhang darzustellen, soll und muss ein Beispiel genü-


gen. Üblicherweise sind Kultplätze – Schreine, Tempel, Kirchen, aber
auch Bergeshöh’n und andere Plätze der Erfahrung des Liminalen – als
die Laboratorien anzusehen, in denen die Götter real werden: indem
Menschen sie bei Zeremonien und Ritualen als Gegenüber erleben. Da
in diesem Buch ein Befund der Gestaltung von Götterbildern in den Mit-
telpunkt gestellt wird, ist es aber sinnvoll, einen Platz aufzusuchen, an
dem die Götter als Bilder real und zu einem Gegenüber werden. Zu einem
Gegenüber, das mehr ist, als dieses Bild. Kehren wir daher noch einmal
zum Tempel von Dendera und seinem so beziehungsreichen Raum- und
Dekorationsprogramm zurück.

Unweit der bereits behandelten Dachkapellen des Tempels befindet sich


ein verhältnismäßig kleiner und niedriger Raum, der in einem Halb-
geschoss des westlichen Treppenhauses des Tempels liegt. Dieses führt
zum Dach und den in Kapitel 15 erwähnten Osiris-Kapellen. Der Raum
selbst ist nach Süden mit drei Fenstern zum Neujahrshof des Tempels
geöffnet, so dass er für eine Tempelkapelle ungewöhnlich gut beleuch-

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372 Musen und Götter

tet ist.7 In den Inschriften wird der Raum als „Goldhaus“ (Hw.t nbw)
bezeichnet. Eine solche Einrichtung gab es in jedem größeren Tempel
und sie diente der Anfertigung, Instandsetzung und Erneuerung von im
Kult verwendeten Götterbildern.8 Die Dekoration des Raumes steht in
unmittelbarem Zusammenhang mit der bildmagischen Affirmation von
hier vollzogenen Handlungen bzw. dem, was durch diese Handlungen
bewirkt werden soll. Da im Fall von Götterbildern die richtige zeremo-
nielle Behandlung von allerhöchster Bedeutung für den Substanzwandel
hin zu einem nicht-menschlichen Akteur ist, spielt in den Inschriften und
Bildern die „sakramentale Ausdeutung“ der mit diesem Raum verbunde-
nen Vorgänge eine besondere Rolle.9 Dabei tritt, wie in der Dekoration
pharaonischer Tempel üblich, immer ein Bild des Königs in der Rolle des
handelnden Menschen / Priesters auf.
Man betritt den Raum durch eine Tür in der Nordwand, deren Archit-
rav zweimal den König vor der Tempelherrin, der Göttin Hathor und ihrer
Erscheinungsform als Isis zeigt (hier wird die pharaonische Freude an
der différance, der sinngenerierenden Sinnverschiebung bereits deutlich)
(Abb. 17.1). Interessant ist, dass der König in der üblichen langen Titel-
und Epithetareihung als „Sohn“ und „Erbe“ des Gottes Thot bezeichnet
wird, wobei Thot aber nur über zwei Beinamen bezeichnet ist, die ihn
als Mondgottheit beschreiben.10 Hierin liegt einerseits eine Anspielung
auf das Konzept der „Veränderung“ und damit „Transformation“ vor, für
das der sich täglich ändernde und zeitweise ganz verschwindende Mond
steht. Andererseits wird auf ein bestimmtes Monddatum (bzw. Mondfest)
verwiesen, das wohl für die Verknüpfung von makro- und mikrokosmi-
schen Vorgängen günstig ist.
7 Publikation: Chassinat / Daumas 1978, 127–145, pl. DCCCII-DCCCXIV; Übersetzun-
gen der Texte bei Daumas 1980 und Derchain 1990. Im Folgenden wird sich insbe-
sondere auf die Bearbeitung durch Phillipe Derchain gestützt.
8 Zu Belegen für „Goldhäuser“ in pharaonischen Tempel und damit zusammenhängenden
Quellen siehe: Traunecker 1989; von Lieven 2007; Masquelier-Loorius 2008.
9 Zum Begriff der „sakramentalen Ausdeutung“, also der Aktivierung von Mythemen
im Zuge von Techniken der religiösen Praxis: Assmann 2001, 453–462.
10
Zum Bezug von Thot zu dem hier genannten Isden: Stadler 2009, 278–281.

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Götter 373

Abb. 17.1: „Goldhaus“ im Tempel von Dendera: Schema der Dekoration (ohne Dekora-
tion der Nische in der Westwand); die Inschriften sind nicht dargestellt.

Neben weiteren Texten, deren komplexe Inhalte hier nicht ausgeführt


werden sollen, ist der Zugang auf seiner linken Seite mit einer Liste der
Handwerker beschriftet, die als ideale Mannschaft eines „Goldhauses“
anzusehen ist: zwei Gießer, zwei Ziseleure, zwei Tauschierer, zwei Stein-
bildhauer, zwei Holzschnitzer (?), zwei Steinschneider.11 Diese Techniker
sind aber, so hält die Inschrift fest, keine in den Priesterdienst eingeführ-
ten Personen. Um daher die eigentlichen „geheimen“ Verfahren der Sub-
stanztransformation durchzuführen, werden initiierte Priester gebraucht,

11 Zur Lesung der Berufsbezeichnungen siehe Daumas 1980; Derchain 1990 und von
Lieven 2007; dort auch zur rotierenden Besetzung dieser Positionen im Monatsdienst
durch das Jahr.

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374 Musen und Götter

die im Folgenden der Inschrift als jene genannt sind, die das „Goldhaus“
betreten dürfen.12 Als ein solcher tritt im Türdurchgang der König vor
Hathor und reicht ihr einen Schrein, der alle sich im Zustand noch nicht
aktivierter Potenz befindlichen (Sps) Materialien enthält, um die Arbeiten
im „Goldhaus“ durchzuführen.13
Hat man den Zugang passiert, steht man in einem nach links gestreck-
ten Raum. Gleich rechts, an der Westwand, ist der König vor (Kultbil-
dern von) Hathor und Horus dargestellt und rasselt, diese bzw. deren
agency „erweckend“, mit zwei Sistren. Die Dekoration der links liegenden
Nordwand ist in drei Szenen unterteilt. In jeder bringt der König Göt-
tern Gaben dar, bei denen es sich um besondere, Handlungsmacht ver-
leihende Objekte handelt. Zuerst tritt er natürlich vor die Tempelherrin
Hathor, dann vor Harsomtus und Ihi, und schließlich vor Osiris und Isis.
Die Rückwand des Raumes, die Ostwand, zeigt antithetisch zweimal den
König wieder beim Übergeben von Sakralobjekten, links vor Hathor und
Horus, rechts vor Isis und Harsomtus.
Das Ganze ist eine Darstellung der wesentlichen, im Tempel genutz-
ten Kultbilder.14 Zugleich ist es eine Präsentation der zentralen theolo-
gischen Konzepte, wie sie am Tempel von Dendera entwickelt wurden:
Hathor, als große Muttergottheit, ist ebenso die Muttergottheit Isis. Der
der Hathor beigesellte Horus ist Kind der Isis – also der Hathor – und
ebenso in der doppelten Form des „Kindgottes“ Ihi und des „erwachse-
nen“ Harsomtus (= Horus-Vereiniger-der-beiden-Länder) Nachkomme
der Hathor / Isis, wie er als Horus von Edfu ihr – der Hathor – Gemahl ist.
Osiris wiederum ist der Gatte der Isis und Vater des Horus, damit aber
auch Gatte der Hathor und Vater ihres Gemahls. Wie oben erwähnt: Sol-
12 Diese sind allerdings durchaus mit den Herstellungsverfahren vertraute Spezialisten,
„Kenner des Verfahrens / der Transformation“ (rX s.St#), die die „Überwachung
durchführen“ (rDj tp-rs) (Chassinat / Daumas 1978, 131.5).
13 „Präsentieren der erhabenen / potenten Materialien der Berge um zu erschaffen alle
Arbeiten / Werke des „Goldhauses“ (ob# o#.wt Sps.wt n.w Dw.w r Qm# b#k.t nb n.w Hw.t-nbw)
(Chassinat / Daumas 1978, 132.2). Zur Bedeutung von Sps siehe Fitzenreiter in Vorb.
14 Vgl. die Zusammenstellung der inschriftlichen Belege für Kultbilder im Tempel von
Dendera: Cauville 1987.

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Götter 375

che ambigen Zusammenhänge findet man in einem Mythos à la Plutarch


natürlich nicht. Beziehungsweise zeigt es, dass man aus den Mythemen
des Osiris-Mythos genauso einen Hathor-Mythos erzählen kann. Dieser
Ausflug in den Assoziationsreichtum pharaonischer Theologie war aber
nicht der Sinn der Dekoration, die in dieser Form noch viel komplexer an
anderen Stellen des Tempels zu finden ist.15 Im „Goldhaus“ geht es um
die Kultbilder dieser drei = fünf wichtigsten Sakralentitäten des Tempels
und darum, dass diese mittels spezieller Zeremonien „geweckt“ – dar-
gestellt im Bild des Sistrumrasselns an der Westwand – und über das
Versehen mit magischen Abzeichen an der Nord- und Ostwand mit Wirk-
macht / agency ausgestattet werden.
Mit dem Wie dieser Erweckung und Ermächtigung stehen einige wei-
tere Elemente der Dekoration im Zusammenhang. In der Südwand öffnen
sich drei Fenster zum Neujahrshof, die so die drei Szenen der Nordwand
mit den Bildern der Hauptgötter des Tempels beleuchten und beleben.
Rechts daneben und beim Eintreten dem Betrachter direkt gegenüber
befindet sich eine Darstellung des Königs, der eine Schreiberpalette vor
dem ibisköpfigen Gott Thot und der menschengestaltigen Göttin Seschat
darbringt. Beide gehören nicht mehr zum engeren Kreis der Tempeltheo-
logie von Dendera, sondern sind hier tatsächlich als Ressortgottheiten
einzustufen (im großen Thot-Tempel von Hermopolis wäre dies natürlich
anders). Thot ist als Numen mit dem Wissen ganz allgemein assoziiert,
mit dem „geheimnisvollen / transformierenden“ Wissen im Besonderen.16
Seschat erscheint als Göttin der Dokumentation.17 Der besondere Bezug
15 Eine Übersicht bieten Cauville / Ibrahim Ali 2015. Siehe exemplarisch auch die Ana-
lyse des theologischen und ikonographischen Beziehungsreichtums der Dekoration
in der zentral gelegenen Per-Wer-Kapelle des Tempels: Richter 2016.
16 Die Beischrift zu Thot charakterisiert diesen analog zur Beschreibung der zum Ein-
treten berechtigten Spezialisten als „Thot, der Zweimalgroße, Herr von Hermopolis,
der die Aufsicht macht /// über den Platz, wenn er Anweisung gibt im Inneren des
„Goldhaus“ /// /// /// ihre Transformation / sie (zu?) transformieren.“ (DHwtj o#.wj
nb xmnw rDj tp-rs /// r s.t wn=f wD mdw m xnw.t Hw.t-nb.w /// /// /// s.St#=sn; Chassinat / Dau-
mas 1978, 139. 2–4; Derchain 1990, 241).
17 „Seschat, die Große /// /// die begonnen hat zu ritzen unter den Göttinnen (d. h.,
die das Aufzeichnen erfunden hat) /// /// „Goldhaus“, schön an Gesicht und süß an

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376 Musen und Götter

zu Thot wurde in der Beschriftung des Zuganges bereits hergestellt.


Ebenso wurde dort auf die besondere Kenntnis des Geheimnisvollen und
die Notwendigkeit der Einweihung verwiesen. Dieses Bild ist praktisch
die Umsetzung dieser Forderung in ein visuelles Tableau. Nur, wer sich
intensiv mit den Medien der Gelehrsamkeit (= Schriften) rund um die
sakralen Bilder auseinandergesetzt hat, ist fähig und befugt, hier tätig zu
werden.
Phillipe Derchain hat darauf verwiesen, dass im Textprogramm des
„Goldhauses“ Auszüge aus Schriften festgehalten wurden, in denen die-
ses Spezialwissen festgehalten ist – ganz ähnlich den Schriften in den
Choiak-Kapellen. Ein solcher Text folgt dem Bild: Zwischen den Fenstern,
den Abbildern der Götter an der Nordwand direkt gegenüber, ist in zehn
Kolumnen eine Liste festgehalten, in der Materialangaben zu Götterbil-
dern erläutert werden:18

(1) Wenn es von einem Götterbild heißt, es ist aus Holz und Gold,
ohne dass das Holz genau bestimmt ist, dann heißt das, dass es aus
Nebes-Holz (Christusdorn) ist, mit Blattgold belegt. … (5) Wenn es von
einem Götterbild heißt, es ist aus Kupfer, dann heißt das, dass es aus
‘schwarzer Bronze’ (= Kupfer-Silber-Legierung) ist.

Interessant sind auch solche Beschreibungen:

(6) Wenn es von einem Götterbild heißt, es ist aus Elektron (= Sil-
ber-Gold-Legierung), dann heißt das, dass es aus Holz – das Holz ist
Nebes-Holz – ist, mit Blattgold belegt. (7) Wenn es von einem Götter-
bild heißt, dass das Material feines Gold ist, dann heißt das, dass das
Innere aus Silber ist, ebenso mit Gold belegt. (8) Wenn es von einem

Liebe“ (sS#.t wr.t S#o xtj m nTr.wt /// /// Hw.t-nbw nfr Hr nDm.t mr.t; Chassinat / Daumas 1978,
139. 5–6; Derchain 1990, 241). Zu Seschat: Budde 2000, zu dieser Szene: loc. cit.,
257f. (Dok. 108).
18 Wahrscheinlich beziehen sich die Angaben auf ein Inventar, in dem die Objekte oft
nur summarisch beschrieben werden. Übersetzung nach Derchain 1990.

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Götter 377

Götterbild heißt, es ist mit Gold belegt, dann heißt das, dass es ein
Belag (von der Dicke) einer Ibis-Eierschale ist.19

Mit diesen technischen Hinweisen und der Betonung von mehr oder
weniger geheimgehaltenem Wissen bewegen wir uns noch auf schon
bekannten Bahnen. Für die Frage der Verbindung von gestaltendem Pro-
zess, sakralen Konzepten und wer und was handelt und behandelt wird,
ist nun der letzte Raumteil von besonderem Interesse. Vertieft in die
Westwand befindet sich eine Nische. Vielleicht wurden hier die beson-
ders wirkmächtigen Objekte oder Geräte aufbewahrt; vielleicht fanden
hier besonders wirksame Zeremonien statt, die Thot im „Inneren“ (= der
Nische) des „Goldhauses“ anleitet. Die Dekoration der Nische jedenfalls
dient der Visualisierung dessen, was wir als Teil des „geheimnisvollen“
Wissens jener vermuten dürfen, die hier an und mit der Wirkmacht der
Götterbilder tätig waren (Abb. 17.2).
Die Dekoration besteht aus drei Teilen. Als das zentrale Bild sieht
man an der Rückwand der Nische den König zweimal auf zwei antithe-
tisch sitzende Götter zuschreiten. Links ist es der widderköpfige Chnum-
Re, in der Beischrift bezeichnet als „ältester Gott, der die Götterneun-
heit (= alle Sakralwesen) macht und die Menschen schafft, Schöpfer
der Götter, der das Seiende (wnn.wt) töpfert mit seinen Armen“.20 Die
Beischrift beschreibt, unter welchem Aspekt bzw. als welcher Aspekt
Chnum hier aufgerufen wird: als Schöpfergott, der an der Töpferscheibe
alle Wesen schafft – genauer gesagt, alle Wesen, die eine Form im Dies-
seits finden. Entsprechend sieht man den Gott auch an der Töpferscheibe
ein Ei formend, ein sehr universelles Symbol für das, woraus, geradezu
heideggerisch gesprochen „das Seiende“ dann Form gewinnt. Chnum

19
Dass hier Substanzäquivalente katalogisiert werden, hat Derchain 1990, 232 veran-
lasst, in diesem Traktat Ursprünge der Alchemie zu sehen. von Lieven 2007 verweist
darauf, dass derartige Beschreibungen aus dem „Buch vom Tempel“ stammen kön-
nen.
20 nTr smsw jrj psD.t Qd rmT.w s.Xp(r) nTr.w nHp wnn.wt m o.wj=f(j) (Chassinat / Daumas 1978,
144).

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378 Musen und Götter

Abb. 17.2: „Goldhaus“ im Tempel von Dendera: Schema der Dekoration der Nische in der Westwand; die
Inschriften sind nicht dargestellt.

ist zu seiner Rechten Ptah beigesellt, genannt „Vater der Väter (und?)
der Urzeitlichen, Schöpfer der Fürsten, der entstehen lässt, was (noch)
nicht existent ist, der sich zuwendete den Vorfahren (oder: den Endli-

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Götter 379

chen / Sterblichen?)21, um sie zu schützen.“22 Der Text beschreibt Ptah


wohl als den, der die konkreten Körperdinge erschafft: die schon ver-
gangenen Vorfahren, die jetzt existenten „Fürsten“ und auch, das, was
noch entstehen wird. Der komplementäre Schöpfungsakt vom allgemein
Seienden bei Chnum zur konkreten Manifestation bei Ptah wird auch in
den Opfern des Königs reflektiert. Vor Chnum führt dieser ein Brotopfer
durch, das wohl den Aspekt der Gewinnung von abstrakter Lebenskraft
unterstreicht. Ptah reicht der König laut Beischrift eine besondere „Aus-
stattung“ (opr), von der ein Halsschmuck auch abgebildet ist.23 Die beson-
dere Rolle dieser beiden großen Linien der Schöpfung, die des allgemein
Seienden und die des konkreten und zeitlich begrenzten Gewordenen,
werden in einer Kolumne direkt zwischen den Göttern zusammengefasst.
Dort sind sie beschrieben als: „Väter der Väter, die entstehen lassen alle
lebenden Götter, Erzeuger des (allen?) Seienden.“24 Der Bezug auf die
„lebenden Götter“ ist hier entscheidend, denn sie sind ja (zugleich) die
hier im „Goldhaus“ behandelten Götterbilder.
Stellt die Rückwand in ihrer Zweiteilung ein duales Konzept der
Schöpfung in der Formulierung pharaonischer Theologen der späten
Ptolemäerzeit vor,25 so bilden die beiden Seitenwände jeweils kom-

21 Dr.tjw ist üblicherweise mit „Vorfahren“ zu übersetzen, hat aber die Nuance auf etwas
„Begrenztes / Endendes“ zu verweisen.
22
jt jt.w n p#w.tjw Qm# sr.w s.Xp(r) jwtjw rDj Hr n Dr.tjw r s#=sn (Chassinat / Daumas 1978,
145).
23 Was nebenbei wieder als Wink mit der Hybridisierung verstanden werden kann: Erst
durch die Verschmelzung mit der „Ausrüstung“ wird der Mensch vom Wesen zum
Individuum. Dazu noch Kap. 18.
24 jt.w jt.w s.Xpr nTr.w nb onX wtT wnn.w (nb?). (Chassinat / Daumas 1978, 144).
25
Zu ergänzen wäre noch: in Dendera. So viel Konkretheit muss schon sein.
Inwieweit wir hier „uraltes Wissen“ reflektiert sehen, oder eine ganz aktuelle
Auseinandersetzung mit Seinskonzepten des Hellenismus – wir befinden uns in
den Jahren 51 v. u. Z. bis ca. Augustus – ist offen. Siehe den Hinweis in Sandman
Holmberg 1946, 47 auf eine Szene im Tempel von Abydos, in der Chnum die Glieder
des Königs auf der Töpferscheibe formt, davor Ptah, von dem es heißt, dass er den
Körper „(in Metall) gießt“ (nbj). D. h., bereits unter Sethos I. wurde dieses duale
Schöpfungsprinzip formuliert, wobei dort aber die Unterschiede des Materials im
Vordergrund stehen, während in der Fassung im „Goldhaus“ die unterschiedlichen
Seins-Formen fokussiert sind, also der Sinn des Bildes deutlich erweitert wird. Was

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380 Musen und Götter

plettierende Anschlüsse. Die linke zeigt den König, wie er die Zeremo-
nie der „Mundöffnung“ vor Sokar-Osiris durchführt, hinter dem Isis in
der Rolle der Gemahlin sitzt. Sokar-Osiris ist bezeichnet als „Herrscher
der heiligen Stätten Ägyptens, erster Sohn der Vorfahren, sakrales Bild
im Goldhaus.“26 Isis wird als die beschrieben, „die ihren Bruder Osiris
schützt, die ihren Sohn auf den Sitz des / seines Vaters gibt, des Herr-
schers der Djet-Ewigkeit.“27 Sokar-Osiris steht als Mythem für etwas, das
zwar schon da, aber noch ohne Gestalt ist.28 Der König-Sohn nimmt den
Akt der „Mundöffnung“ vor, mit dem der verstorbene Vater aus der prä-
kreativen Latenz erweckt wird. Isis – als Schwester, Gemahlin und Mut-
ter – ist die Macht, die diese latente Potenz erhält und garantiert; der
König, Priester und letztendlich Handwerker – hier in der Rolle des „Soh-
nes“ – ist die Kraft, die den Prozess der Wandlung von Latenz in Potenz
initiiert. Über diesem archetypischen Motiv liegt wieder das konkrete
Setting, nämlich der Bezug zur Statuenproduktion. Durch die Benennung
als „sakrales Bild im Goldhaus“ steht Sokar-Osiris generell für alle hier
behandelten Götterbilder, und zwar im Zustand vor ihrer Vollendung:
latent wirkmächtig, aber noch der Initialisierung bedürfend.
Stellt die linke Wand gewissermaßen das vor, was sich vor der Grenz-
überschreitung vollzieht, so bildet die rechte Seitenwand ab, wie das
Leben der sakralen Dinge und ihre agency nach dem Überschreiten der
Schwelle konzeptualisiert wird. Hier tritt der König vor Sachmet und ihren
Sohn Nefertem; zwei Götter, die zusammen mit dem an der Rückwand
gezeigten Ptah die Triade von Memphis bilden. Sachmet ist relativ kon-
ventionell als die mächtige Schutzgottheit beschrieben, die als Schlange
am Haupt der Götter erscheint. Nefertem, der jugendliche, neu erstanden

einmal mehr bedeutet, dass es nicht die „uralten“ Mytheme und Motive an sich sind,
sondern ihre konkreten Fassungen, die den Sinn transportieren bzw. formen.
26 Hk# n.w itrtj b#Q.t z# r-tp n Dr.tjw twt Dsr m Hw.t nb.w (Chassinat / Daumas 1978, 143).
27
jrj z# n sn=s wsjr rDj z#=s Hr s.t jt(=f) Hq# D.t (Chassinat / Daumas 1978, 143).
28 Siehe die meist anikonische Abbildung des Sokar als „Barke“ bis zum Neuen Reich
(Graindorge-Héreil 1994, 17–33), die erst allmählich durch die Mumienform mit
Falkenkopf und dann die menschliche Gestalt mit Falkenkopf abgelöst wird.

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Götter 381

Gott hingegen trägt den bemerkenswerten Beinamen „göttlicher Gott im


Goldhaus“. Übersetzt man „göttlicher Gott“ mit „wirkmächtiger Fetisch“
– was auch viel näher an der eigentlichen Bedeutung sein wird – ist rela-
tiv klar, dass dieser hier als Bezeichnung des nun wirksam gewordenen
Götterbildes (oder sonstigen Sakralgegenstandes) steht. Er bildet das Pen-
dant zum noch nicht die Grenze überschritten habenden Sokar-Osiris der
linken Seitenwand. Allerdings sind die Dispositionen umgedreht: benötigt
Sokar-Osiris die regenerative Kraft der ihn (als Schwester und Gemah-
lin) umfangenden Isis, so wird das neu erstandene Bild von der vor ihm
sitzenden – an seiner Stirn als Uräusschlange erschienenen – Sachmet
(als Mutter) beschützt. Sachmet steht aber auch für die nun vorhandene
Wirkmacht des Kultobjektes, das im „Goldhaus“ seine schöne und junge
Gestalt (wieder)gefunden hat. Aufgabe des Priesters ist es nun, die von
diesem machtgeladenen und machtbewussten Fetisch ausgehende Gefahr
zu kontrollieren: Der König führt ein „Befriedungsopfer“ (s.Htp) durch.29

Fasst man die Darstellungen und Inschriften zusammen, so geben sie ein
Panorama an Vorstellungen, mit denen die Theologen in Dendera die
besondere agency ihrer Kultbilder erfasst, erklärt und auch kontrolliert
haben. Dabei stehen die drei Tableaus nicht nur nebeneinander, son-
dern korrespondieren auch räumlich: Chnum von Elephantine wird mit
dem Süden des Landes assoziiert, Ptah als Stadtgott von Memphis mit
Norden. Elephantine gilt als ein symbolischer Quellort Ägyptens und ist
zugleich die Richtung, aus der die belebenden Kräfte der Nilflut kommen.
Damit erhält die Positionierung der Szene vor Sokar-Osiris und Isis an der
Südwand auch ihren speziellen Sinn. Von dort beginnend, mit der kre-
atürlichen Nilflut aus Süden kommend und die Schwelle der Schöpfung
am Quellort im nächtlich-dunklen Westen überschreitend, erreicht im
Bild der Nordwand das behandelte Sakralobjekt in Memphis – dem Krö-

29 Zu Sachmet als Göttin des Diadems und der rituellen Behandlung der Macht der
Gottheit siehe: Erman 1911; Bommas 2013; Quack 2018.

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382 Musen und Götter

nungsort der ptolemäischen Pharaonen30 – seine diesseitige Emanation


und Wirksamkeit. Die Abfolge der Bilder und ihre Position zueinander
beschreibt so den Prozess, sowohl auf der gestalterischen Ebene – von
einer Vorform hin zur konkreten Manifestation – als auch konzeptuell:
von einer in gewisser Weise präexistenten Wesenheit hin zur konkreten
Manifestation mit spezifischer Wirkmacht. In der Sprache dieser Konzep-
tion ist das Wort für die agency des Kultobjekts übrigens: Sachmet.

17.3. Exkurs: Götter als Handwerker

Wie die beschriebene Verschränkung sakraler Entitäten zeigt, lässt sich


die an sich zweckmäßige Unterscheidung von Göttern einerseits und Per-
sonifikationen andererseits selten durchhalten, die da besagt: „Große“
Götter erhalten Opfer, besitzen Tempel oder Kapellen und werden also
als Gegenüber erfahren. „Kleine“ Götter – Personifikationen wie die Nil-
götter oder die Dämonen der Unterwelt – erscheinen nur als bildgewor-
dene Begriffe, sind also nur Konzepte, quasi mentale Werkzeuge, deren
Menschen sich bedienen, wenn sie abstrakte Zusammenhänge wie Tod
und Leben, Angst und Freude, Ferne und Nähe, Fülle und Mangel usw.
bearbeiten.31 Zu oft wird ein scheinbar bescheidener Dämon doch als
übermächtiges Gegenüber angesprochen und zu oft werden selbst gewal-
tige Götter als magische Werkzeuge missbraucht oder auf Ressorts redu-
ziert, wie etwa in der Nische des „Goldhauses“ von Dendera. Das Spiel
mit der Sinnverschiebung prägt das theologische Praktizieren ebenso,
wie die rituellen Praktiken. So wird auch verständlich, warum sich die
pharaonischen Sakralentitäten einer klaren Ressortzuordnung so hartnä-
ckig entziehen. Da drei der in der Nische des „Goldhauses“ agierende
Götter aber häufiger mit den handwerklichen Tätigkeiten in Beziehung

30 Stadler 2012.
31 Hierzu Baines 1985, 7–16; zu „kleinen“ vs. „großen“ Göttern im pharaonischen
Selbstverständnis: Quack 2013.

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Götter 383

gesetzt werden, soll deren Erscheinen in Zusammenhängen mit der Kon-


zeptualisierung von Techniken noch kurz beleuchtet werden. Eingedenk
der einleitend dargelegten Prämisse, dass eine solche verallgemeinernde
Festschreibung methodisch höchst unsauber ist und immer die Gefahr
besteht, in die Falle der Subjektverschiebung zu tappen und damit eine
neue „Gottheit“ zu erschaffen, soll es vor allem darum gehen, zu zeigen,
wie ambivalent derartig Zuschreibungen ausfallen müssen.32

Von allen Göttern pharaonischer Zeit von denen es einigermaßen feste


Bildschemata gibt, ist es nur Chnum, der tatsächlich bei einer handwerk-
lichen Tätigkeit dargestellt wird.33 Er sitzt an der Töpferscheibe, die er
mit dem vorgestreckten Fuß antreibt, und formt etwas, das schon ist und
doch erst sein wird – hier ein Ei, oft auch den Menschen und seinen Ka.
Und doch ist genau Chnum kein Ressortgott der Töpfer. Sein Tun ist weit-
aus umfassender konzeptualisiert, die Töpferei ist nur ein pars pro toto.
Wie in der kurzen Beischrift in der Nische erkennbar, ist Chnum mit der
Vorstellung der Schöpfung verbunden, und zwar vor allem der schicksal-
bestimmenden Prokreation. Als Lokalgottheit steht er außerdem für die
Region von Elephantine und die Grenze zwischen formlosem Chaos „dort
draußen“ und der geordneten Welt Ägyptens. In Elephantine ist er mit
den Stromschnellen des Nils verbunden und so dem Ort, an dem der kos-
mische Nil als irdischer Nil die beiden Sphären Makro- und Mikrokosmos
verbindet.34 Das Schöpferische des Chnum bezieht sich daher auch genau
auf diesen Nexus der beiden Sphären. Weder in den makrokosmischen
Weltschöpfungsmythen heliopolitanischer Provenienz, wo in Urzeiten

32
Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die Studie Backes 2001 zum Textilgott Hed-
jihotep, in der exemplarisch für diese den Rahmen der Personifikation kaum ver-
lassende Sakralentität gezeigt wird, wie Konzept und Manifestation immer wieder
interferieren. Als Gott „des Textilen“ kann Hedjihotep auch mit der Textilherstellung
zusammengebracht werden, tritt aber vor allem in solchen Zusammenhängen im
Belegspektrum auf, in denen es um das Bekleiden / Ausstatten mit Textilien geht.
33 Backes 2001, 43, Anm. 45. Zu Chnum allgemein: Otto 1975. Siehe jetzt Leitz / Löffler
2019 (non vidi).
34
Morenz 2017, 51–90.

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384 Musen und Götter

der Urgott aus dem Urozean erscheint und den Kosmos erst schafft,35
noch in der memphitischen Variante der Schöpfung der mikrokosmi-
schen, diesseitigen Erscheinungsformen durch Ptah36 spielt er eine Rolle.
Dieser Ptah steht in den Quellen weitaus häufiger mit handwerk-
lichem Tun in Verbindung, obwohl sein Bild kaum Bezüge zu einem
Handwerk erkennen lässt.37 Der Titel seines Oberpriesters wird meist als
„Großer bzw. Leiter der Handwerker“ verstanden38 und das häufige Epi-
theton „südlich seiner Mauer“ von Katherine Eaton mit südlich des Tem-
pelareals liegenden Werkstätten zusammengebracht.39 Auch ist er in der
interpretatio graeca mit Hephaistos gleichgesetzt, was wieder besonders
auf die Metallarbeit weisen würde. Doch ist auch hier der Rahmen der
Assoziationen breiter gezogen. Auch Ptah wird – wie allerdings letztlich
jeder Lokalgott – mit der Schöpfung assoziiert. Dabei stellt das „Denkmal
memphitischer Theologie“ aber deutlich heraus, dass in Ptah besonders
jene Kraft ein Konzept findet, die hinter der Entstehung der konkreten,
diesseitigen Manifestationen alles Seienden vermutet wird. Das schließt,
wie in Dendera auch herausgestellt, die materiellen Erscheinungsformen
des Göttlichen in diverser Gestalt (aus Holz, Metall, Stein, Ton) ein.40
Der Bezug zur Erschaffung von Götterbildern und damit – wie im Titel
des Hohepriesters auch angedeutet – dem sakralen Handwerk ist also
durchaus gegeben. Doch spielt Ptah spätestens im Neuen Reich auch als
Schicksalsgott eine große Rolle, so dass es zu kurz gefasst wäre, das Kon-
zept auf einen Schutzpatron der Handwerker zu reduzieren.41

35 Raue i. Dr.
36
El Hawary 2010.
37
Sandman Holmberg 1946, 45–56; Aufrère 1991, 365; Helck 1991.
38 Zum Titel zuletzt: Broekman 2017, 119.
39
Eaton 2013.
40
„Er bildet ihren (= der Götter) Leib, wie sie es wünschten. Und so treten ein die
Götter in ihren Leib aus jedem Holz, jedem Mineral, jedem Ton und jeder Sache, die
auf ihm (dem Erdgott) wächst und in der sie Gestalt annehmen.“ (s.twt.n=f D.t=sn r
s.Htp jb.w=sn sw oQ nTr.w m D.t=sn m X.t nb m o#.t nb m jm nb X.t td hr-Xtw=f Xpr.n=sn jm) El
Hawary 2010, 131–136.
41
Sandman Holmberg 1946, 31–79.

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Götter 385

Eine bemerkenswerte Verbindung ist die des Ptah mit der Sakralen-
tität des Pataikos. Dieses zwergengestaltige Wesen genoss im ersten
Jahrtausend v. u. Z. offenbar einige Popularität. Zumindest deuten das
die recht zahlreichen Amulette an, die seine Gestalt zeigen.42 Über sein
Bild mit den kurzen Armen und Beinen und dem auffällig großen Kopf
ließe sich ein – allerdings sehr dünner – Faden hin zu den Zwergen als
mythologischen Figuren, zu den Verwachsenen, zu den körperlich Ande-
ren spinnen, die in vielen Mythologien mit den geheimnisvollen Kräften
der Elemente hantieren; insbesondere mit solchen, die verborgen in der
Erde gedeihen und mit dem Feuer in ihrer Reifung und Transformation
befördert werden. Doch ist auch hier die Beleglage eher schmal und Sieg-
fried Morenz hat nicht unbegründet darauf hingewiesen, dass die Ver-
bindung von Metall, Zwergen und Ptah eine relativ späte und von grie-
chischen Mythemen beeinflusste Erscheinung sein könnte: Hephaistos ist
in den griechischen Mythen der Ressortgott der Metallhandwerker und
von Zwergen – den Kabiren – umgeben. Aus dieser Richtung kommend
kann sich die Verbindung von Ptah und den Zwergen erst sekundär erge-
ben haben.43 Im ägyptischen Kontext sind Darstellungen und Figürchen
der Pataiken, wenn sie mit Inschriften versehen sind, mit kosmischen
Vorgängen vom Werden und Vergehen assoziiert, ohne dass sie auf die
Produktion irgendwelcher Metallgegenstände fokussieren.44
Allerdings sind Darstellungen von zwergenwüchsigen Menschen
im Zusammenhang von Goldschmiedearbeiten aus dem Alten Reich
bekannt.45 Diese durchaus auffällige Assoziation könnte wieder für eine
Verbindung von Kleinwuchs und Metallhandwerk und von dort wieder

42
Györy 2003; Morenz 2019, 85–106.
43
Morenz 1975. Zur Verbindung des Pataikos mit zwergenhaften Sakralentitäten in der
Ägäis: Apostola 2019.
44
Morenz 2019.
45 Zu diesem Bildtyp, der meist in unmittelbarem Zusammenhang mit den in Kap. 10
besprochenen Werkstattszenen steht: Scheel 1989; Tompson 1991; Pons Mellado
2005.

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zu Pataikos und schließlich Ptah sprechen.46 Zwingend ist dieser Bezug


aber nicht. Zwerge haben in den Haushalten von Elitepersönlichkeiten
zumindest im Alten Reich wohl eine ähnliche Rolle gespielt, wie die ihres
sozialen Geschlechtes beraubten Eunuchen.47 Die ambige Gestalt und
damit auch soziale Position der Zwerge mag sie für das Goldschmiede-
handwerk prädestiniert haben, ohne sie darauf zu reduzieren. Denn nach
dem Alten Reich tritt der Zwerg als Goldschmied nicht mehr besonders
in Erscheinung. Demgegenüber sind zwergengestaltige Wesen von der
Frühzeit48 an immer wieder in Kontexten belegt, die nichts mit Metal-
len oder Handwerk zu tun haben.49 So spricht die häufige Nutzung der
Zwergenstatur bei männlichen und weiblichen Schutzgeistern – Bes,
Beset und weitere Erscheinungsformen50 – dafür, dass in diesem Ikon
ein relativ breites Spektrum möglicher Eigenschaften erfasst ist, dem in
liminalen Situationen und damit dem Bereich der Transformation eine
besondere Bedeutung zukam.51 Darunter sind aber eher Situationen der
sozialen Transformation wie die Geburt, Altersklassenwechsel, Tod und
ähnliches zu vermuten. Sowohl bei Ptah wie auch dem Pataikos bleibt
der Assoziationsrahmen also weit gespannt und kann über die mit dem
Transformatorischen verbundenen Konzepte doch wieder zur Metallurgie
führen. Denn, wie die alchemistischen Theorien vom Wachsen der Mine-
ralien zeigen, werden die Kräfte und Prozesse der Natur gern in Bildern
beschrieben, in den zwergenhafte Wesen, homunculi und Mischwesen auf-
treten. Auf diesem Pfad nähert sich der Pataikos und seine zwergengestal-
tigen Vorgänger wieder dem Zeichenkosmos der Metallhandwerker, ohne
sich auf ihre Personifikation zu reduzieren.

46
Scheel 1989, 161 verweist auf eine Beischrift im Grab des Wepemnofret zu einer
Szene, die Kleinwüchsige bei der Goldschmiedearbeit zeigt und in der Ptah genannt
wird.
47
Fitzenreiter 2000, 87f.
48 Siehe die Zwergenfigürchen aus Tell el-Farkha: Buszek 2008.
49
Dasen 1993.
50 Györy 2003.
51 Siehe die Beobachtungen von Minas-Nerpel 2013 zur Assoziation des Pataikos mit
Chepri, dem Gott der „Werdens“ par excellence.

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Götter 387

Vor diesem Hintergrund ist auf das Auftauchen von zwei Zwergen-
figürchen im Konvolut von der Qubbet el-Hawa hinzuweisen. Unter den
beschädigten Fayencen befindet sich eine kopflose Statuette, die wohl
einen Pataikos darstellte (Abb. 2.8.m). Weitaus bemerkenswerter aber ist
die roh aus Ton geformte Figur, die ein Wesen von gedrungener, men-
schenähnlicher Gestalt zeigt, auch wenn sich der Kopf nicht eindeutig
bestimmen lässt (Abb. 2.8.h). Zusammen mit dieser Tonfigur wurden
zwei Vogelfiguren (Ibis oder eher Phönix) und eine tönerne Osirisfigur
gefunden (Abb. 2.8.e–g). Sinn und Funktion dieser Objektgruppe ist so
uneindeutig, wie es das Gusskonvolut insgesamt ist. Dennoch können alle
drei Entitäten – Zwerg, Phönix und Osiris – mit dem Vorstellungskomplex
von Transformation zusammengebracht werden und damit wieder dem,
was das Konvolut insgesamt zu prägen scheint.
Mit Ptah steht auch Sokar in Beziehung, eine dritte sakrale Emana-
tion, die in der Nische des „Goldhauses“ von Dendera mit dem Vorgang
der Statuenschöpfung verbunden wird. Sokar spielt auch in den Riten
im Monat Choiak eine Rolle, bei denen eine „Negativform des Sokar“
auftaucht, aus der eine der Figurinen erzeugt wird. Sind in den Darstel-
lungen der Nische Chnum und Ptah als Bilder der die Transformation
befördernden Kräfte herangezogen worden, so ist Sokar – wie Nefertem
an der gegenüberliegenden Seite der Nische – ein Bild für die Manifes-
tation bzw. den Fetisch selbst. Wobei in Sokar(-Osiris) die Manifestation
von dessen materieller Potenz angesprochen ist: Die nämlich als Konglo-
merat amorpher Materialien noch im Zustand der Latenz verharrt, wie
die in den Choiak-Riten beschriebenen Substanzmischungen, die durch
die Negativform des Sokar eine Gestalt gewinnen. Erst im Bild des Gottes
Nefertem an der gegenüberliegenden Seite wird diese Gestalt zu einem
realen Gegenstand, nachdem Chnum ihr ein konkretes Sein und Ptah ihr
eine konkrete Erscheinung gegeben haben.
Der hier als Metapher für diesen latenten, prä-kreativen und wenigs-
tens partiell amorphen Zustand herangezogene Sokar gilt als Lokalgott-
heit von Saqqara bei Memphis und ist mit einer dort befindlichen Höhle

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388 Musen und Götter

verbunden, die auch als Zugang zur Welt der Toten angesehen wurde.52
Das verbindet Sokar mit dem Motiv der Transgression zwischen Diesseits
und Jenseits bzw. zwischen Mikro- und Makrokosmos, ähnlich wie bei
Chnum. In einigen Quellen aus dem Alten und noch aus dem Mittle-
ren Reich wird Sokar recht explizit mit dem Metallhandwerk und Hitze
bzw. Feuer in Beziehung gesetzt.53 Neben den bereits oben in Kapitel
10 erwähnten Darstellungen von Handwerkern bei der Arbeit, in denen
Sokar in einigen Reden im Mund geführt wird (Abb. 10.3),54 sei hier
noch eine Erwähnung im Pyramidenspruch 669 genannt, die Bezüge zum
Metallhandwerk hat (Kasten 17.1).55 Scheint Sokar in diesem Spruch
als eine Art „göttlicher Handwerker“ in Erscheinung zu treten, der über
Metall verfügt, Waffen und Werkzeuge aus Metall und Holz herstellt und
sich mit dem Aufbrechen einer „Ei“-Form auskennt, so ist er doch auch
einer, der den König mit seiner Barke in den Himmel segeln lässt, was
seine Beziehung zu transformierenden Bewegungsvorgängen ganz allge-
mein herausstellt. Auch liegt in der in diesem Spruch dokumentierten
Bindung des Sokar an das Handwerk nur ein Ausschnitt des Spektrums
konzeptueller Bezüge vor, in denen Sokar als Mythem herangezogen
wird. So gibt es weitere Erwähnungen des Sokar in den Pyramidentexten,
in denen dieser ganz ohne Bezug auf Handwerk oder Metall als eine von
vielen anderen Gottheiten erscheint, die in dieser oder jener Weise für
die Auferstehung und Versorgung des Königs nutzbar gemacht werden.56

52
Bengelsbacher-Fischer 1981, 185–189; Brovarski 1984; Backes 2008; zu Sokar und
Saqqara: Edwards 1986.
53
Zu Bezügen zum Wind: Altenmüller 1984 und Feuer: Görg 2003. Allgemein zu Sokar
als Gott der Metalle bzw. Metallarbeiten: Fischer 1964, 28; Aufrère 1991, 364; Bian-
chi 2014.
54
Scheel 1985, 165f.
55
Sethe 1910, 472–475; Faulkner 1969, 284f; Allen 2005, 147–151, 265–268 (hier: PT
669 = P 431, N 347); Topmann, TLA. Der Spruch ist in ähnlicher Form (Spell 989)
auch im Korpus der sogen. Sargtexte belegt, allerdings nur auf Papyrus (pGardiner II
+ III) (de Buck 1961, 197f).
56 Siehe die Liste mit sechzehn Sprüche, in denen Sokar erwähnt wird, im Index von
Faulkner 1969, 324.

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Götter 389

Geht man von einem Ursprung als Höhlengeist in der Gegend von
Saqqara aus, dann stellt Sokar primär eine Entität bon à penser dar, mit
der das Unterirdischen und allen damit zusammenhängenden Phänome-
nen erfasst werden: die Höhlen, die Minen der Berge und was in ihnen
„wächst“. Von diesem Bezug zum Unterirdischen ausgehend hat, den
Denkmälern zufolge, das Konzept vom Sokar eine besondere Bedeutung
im Totenkult entwickelt und da im Bereich von Ritualen, die mit Zere-
monien der Bewegung zwischen den Sphären in Beziehung stehen.57
Das Bild eines Prozessions-Fetisch – der Henu-Barke – ist für sich selbst
bereits ein Bild des Gottes, der ansonsten amorph bzw. anikonisch bleibt.
Erst die jüngere und bald immer engere Verbindung mit Osiris gibt Sokar
dessen – des Osiris – Mumiengestalt.58 Auch sind die Choiak-Riten selbst
wieder eng mit dem Prozessionsfest des Sokar verbunden.59
Hat die Verbindung von Sokar und Osiris viel mit Regeneration und
Transformation zu tun, so steht Sokar einerseits wohl über seine lokale
Bindung an Saqqara als der Nekropole von Memphis, andererseits aber
auch wieder über den Prozess der Schöpfung mit Ptah in Beziehung.
Diese Verbindung ist schon im Alten Reich in einer Namensgebung als
Ptah-Sokar dokumentiert, ohne dass die Belege bisher sehr aussagekräftig
wären.60 Im 1. Jahrtausend wird die dreifache Kombination Ptah-Sokar-
Osiris zur Benennung eines wichtigen Sakralgegenstandes. Dieser hat
die Form einer mumiengestaltigen Figur mit Krone auf einem länglichen
Sockel.61 Im Sockel oder auch in der Figur sind gelegentlich Totenpapyri
aufbewahrt worden. Diese Statuetten zählen zum Standardinventar von

57
Graindorge-Héreil 1994.
58
Dabei ist es genaugenommen das Bild des Chenti-Imentet, auf das die Mumiengestalt
(bzw. präziser: die „eingewickelte Gestalt“, denn die Wickelmumie ist erst eine spätere
Erscheinung) zurückgeht und von diesem auf den ursprünglich menschengestaltigen
Gott Osiris überging; siehe Siffert 2019. Ich danke Uta Siffert, die mir das Manuskript
ihrer Dissertationsschrift zur Verfügung gestellt hat.
59
Graindorge-Héreil 1994, 169–310. Eine Deutung des Sokar-Festes als sakramental
überhöhten Vorgang der Metallverarbeitung gibt Bianchi 2014, 13f.
60 Sandman Holmberg 1946, 123–147.
61
Raven 1978–1979.

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390 Musen und Götter

Der in den Pyramiden des Pepi I. und Pepi II. aufgezeichnete Spruch ist Teil eines
„Auferstehungsrituals“, das die (Wieder-)Geburt des Königs als Gott in drama-
tisch überhöhter Weise schildert, dabei aber im Subtext wohl die Herstellung
einer Statuette beschreibt. Der Text ist als eine Wechselrede gestaltet. Die vor-
angehende Passage beschreibt die Geburt des Königs durch Nut und führt Isis
ein, die zu Nun, dem Urozean spricht. Ob allerdings Isis oder Nun die in der nun
folgenden Passage angesprochene Person ist, bleibt offen.

(§ 1965a)1 Du gebierst ihn, du formst ihn,2 du spuckst ihn aus (als) Spucke / Spu-
cken / (aber) nicht sind seine Füße, nicht sind seine Arme. Wie fügen man ihn nun
zusammen?

In diesem ersten Vers werden drei grundlegende Formen der „Erschaffung“ auf-
gerufen: die menschliche Geburt, die handwerkliche Formung und schließlich
die Urschöpfung durch das Ausspucken (wie es der Schöpfergott tat). Der Kern
der Aussage liegt aber wohl in der handwerklichen Arbeit, denn die Bemerkung
zu den Gliedmaßen (der Statuette) sind entweder so zu verstehen, dass diese
separat gefertigten Partien noch nicht mit dem Rumpf verbunden sind,3 oder,
dass die unförmige Gussform keine Binnendifferenzierung der zu gießenden Sta-
tuette erkennen lässt (siehe Abb. 2.7.a–m).

(§1966)4 Es soll dieses Metall gebracht werden, das im Bug der Henu-Barke (= Barke
des Sokar) ist / durch das er zusammengefügt wird, durch das er entstehen wird /
(und) er wird durch dieses erhoben in eure Arme. / (So) sagen die Götter: / Siehe: Er
ist geboren. Siehe: Er ist zusammengefügt. Siehe: Er ist entstanden.

Entweder spielt dieser Abschnitt auf das Zusammenfügen einer Figur mittels
metallener Elemente an, oder er beschreibt den Guss. Dann wäre die Henu-Barke
als Synonym für den Gusstiegel mit der Schmelze zu verstehen. Abschließend
wird wieder das dreifache Mysterium des Werdens – Geburt, Herstellung, Schöp-
fung – aufgerufen.

1
ms.n=T sw dn.n=T sw nX.n=T sw nXw.t / n rd.wj=f n o.wjw=f / Tz=f jr=f mjSst.
2
Die Tätigkeit dn „Einweichen / Kneten“ bezieht sich wohl auf die Einformung
einer Figur zum Guss oder die Ausformung einer Tonfigur (?) aus einer Model.
3
Siehe Passage XVI in pBM 10090+10051 (pSalt 825) (“Rituel pour la conser-
vation de la vie”), in der beschrieben ist, dass der Körper einer Figurine aus
einer Keramik-Hohlform (n bd n QrH) hergestellt wird, zusammen mit den Armen
und zehn Uräen. An der Stelle bleibt unklar, ob in diesem Fall die Arme (und
Uräen) mit der Figur ausnahmsweise in einem Stück oder eben getrennt gefertigt
werden. Die separate Erwähnung der Arme deutet jedenfalls auf eine spezielle
Behandlung von Extremitäten beim Herstellungsprozess (Derchain 1965, 143f;
17*; Raven 1998, 237f.).
4 jnn.k#.t bj# pw r=f / [jmj H#.t Hn]w / T[z]=f jm=f [Xpr=f j]m=f / snxw jm=f / m-Xnw o.wj=Tn
/ jn=sn nTr.w / mk r=f ms / mk sw Tz mk sw Xpr.

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Götter 391

Im nun folgenden Textteil geht es um das Aufbrechen der als „Ei“ bezeichneten
Form, was am ehesten auf das Gießen in eine Gussform mit anschließender Frei-
legung des Gussstückes bezogen werden kann:

(§1967)5 Wie soll sein (= des Königs / der Statuette) Ei zerbrochen werden? / (So)
sagen sie, die Götter: (§1968) Es soll kommen zu ihm Sokar von Pedju / (denn) er
gießt seine Harpunen und er schnitzt seine beiden (Fisch-)Speere und ////. Er ist
es, der [sein Ei] zerbricht und das Metall löst (= aus der Form nimmt). Es ziehen
den Gott (= die Statue) zu seiner Aufgabe der-mit-spitzem-Zahn und der-mit-langen-
Krallen, die beiden Ingangsetzer der Götter.

In dieser Passage tritt Sokar selbst als Verfertiger von Gerätschaften auf, und
zwar sowohl solchen aus Metall wie auch aus Holz oder Bein.6 Das Heraus-
nehmen des Götterbildes aus der Form wird mit einer feierlichen Prozession
(„Ziehen“) gleichgesetzt. Die von Sokar dabei benutzten Geräte – eine metallene
Harpune und zwei geschnitzten Speere – werden mit „Zahn“ und „Krallen“ par-
allelisiert, wohl Metaphern für die Werkzeuge des Metallarbeiters (Meißel und
Feile?), mit denen er das Gussstück freilegt und ziseliert. Zusammen sind sie sind
als „das, was die Götter zum Gehen (= Funktionieren) bringt“ (s.Sm.wj im Dual)
bezeichnet, also als das, was die Götterbild durch die Herstellung „ingangsetzt“.

Nachdem die glückliche Verfertigung des Gottes festgestellt wurde, wird etwas
später noch die Frage aufgeworfen, wie der so eine Form gewonnen habende
Gott zum Himmel aufsteigen soll, und wieder spielt Sokar eine Rolle:

(§1969)7 Womit soll der Pepi-Neferkare (= Name des Königs) aber auffliegen?
(§1970) Es soll gebracht werden die Henu-Barke (= Barke des Sokar) (und) das
Kedemu-Hen (?) / (und) du (= der König, der jetzt direkt angesprochen wird) fliegst
damit auf, fliegst damit auf!

Dieser Aufstieg mit dem Boot wird dann noch von günstigen Winden begleitet,
die als „Ammen“ des Toten bezeichnet sind, bis dieser „auf den Flügeln seines
Vaters Geb“ landet.

5 sD.n jr swH.t=f mjSst / jn=sn nTrw / jw.k# r=f zkr n pDw / nb.n=f Qs.w=f nDr.n=f bnw=f / swt
sD=f [swH.t=f Hnw]=f bj# / sD# nTr r r-o.wj=f / spo jbH #w on.wt / s.Sm.wj nTr.w.
6 Die Gegenüberstellung zweier grundlegender Herstellungsverfahren – dem formenden
Gießen / Treiben in Metallen und dem abtragenden Schnitzen in Holz und Knochen – tritt
in religiösen Texten mehrfach auf: Sandman Holmberg 1946, 47.
7 s.p#w r=f ppj-nfr-k#-ro mjSst / jnn k#.t n=k [hnw] Qdm.w Hn / sp#=k jm sp#=k jm.

Kasten 17.1: Beschreibung der Herstellung einer Statuette des verstorbenen Königs im
Pyramidenspruch 669 (Pyr. 1961–1971).

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392 Musen und Götter

gehobenen Bestattungen dieser Periode.62 Die genaue Funktion dieser


Objekte ist noch wenig bekannt; ihre relative Häufigkeit deutet aber an,
dass sie in der funerären Praxis des 1. Jahrtausends eine wichtige Rolle
spielten.63
Erwähnt sei noch Thot, der ja zumindest für die Alchemisten als Her-
mes Trismegistos von großer Bedeutung ist. Auch er wird – das verwundert
jetzt kaum noch – mit transformatorischen und schöpferischen Aspekten
verbunden.64 Als Mondgott steht er in Beziehung zum Wechsel von Form
und Substanz, bis hin zum Verlöschen und neuen Werden. Bemerkens-
wert ist, dass er in der Dekoration des „Goldhauses“ von Dendera nicht in
der Nische erscheint, sondern im davor liegenden Raum. Die Dekoration
der Nische thematisiert an der Schwelle zum Jenseits liegende Vorgänge
der Gestaltwerdung, was sich auch durch ihre höhlenartige Gestaltung
und der Positionierung im Westen (= Ort des Sonnenunterganges) aus-
drückt. Obwohl Thot dem Mond verbunden ist und auch das Datum der
Zeremonien mit dem Mondkalender berechnet wurde, hat er seine Funk-
tion in der vom Sonnenlicht durchfluteten Kammer im Osten, in der die
eigentlichen Zeremonien der belebenden Transformation stattfanden. So
steht Thot auch nicht für das eigentliche Handwerk, sondern für die kog-
nitive Durchdringung – von der Kenntnis des rechten Zauberspruches zur
rechten Zeit bis hin zum Wissen über allerlei Materialkonventionen von
Holz bis Gold.

62
Aston 2003.
63 Anhand der in der Nische des „Goldhauses“ von Dendera ausgebreiteten Konzepte
kann angenommen werden, dass in diesem Bild die drei wesentlichen Aspekte einer
immerwährenden Regeneration erfasst sind, die über das magisch-affirmative Bild
auf den Toten projiziert werden: Ptah als die agency einer diesseitigen Emanation;
Sokar als Pendant der in Latenz verharrenden jenseitigen Materie; Osiris schließlich
als Bild der Transformation schlechthin. Doch sind diese Spekulationen an den Bele-
gen zu überprüfen.
64
Stadler 2009, 164–169.

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Götter 393

17.4. Nichtwissen

In dem im Vergleich zu anderen Räumen des Tempels von Dendera ver-


gleichsweise schlichten Dekorationsprogramm des „Goldhauses“ werden
exemplarisch zwei Fassungen dessen vorgeführt, was üblicher Weise mit
dem Begriff „Gott“ bezeichnet ist und für das es auch in der ägyptischen
Sprache ein Generikum gab: Netscher (nTr). Zum einen ist darunter eine
konkrete Manifestation zu verstehen, ein Ding bzw. hier etwas konkreter
gefasst, ein Fetisch.65 Diese konkreten Ding-Götter sind in verschiede-
nen Formen an der Nordwand dargestellt (Abb. 17.1): Es handelt sich
um Abbilder der im Tempel verehrten, behandelten, hergestellten und
verwahrten Götter-Bilder. Natürlich sind sie in den Wandreliefs nach
den Regeln der Bildgestaltung abgebildet, also wieder medial gebrochen.
Aber prinzipiell sind es konkrete Manifestationen, für die es konkrete
Behandlungsvorschriften in genau diesem Tempel gibt, z. B. die ganz
profanen Materialien betreffend, aus denen sie bestehen. In der Dekora-
tion der Nordwand wird die konkrete Wirkmacht solcher Fetische über
Anspielungen auf die komplizierte Theologie des Tempels dargestellt,
wobei jeweils neue Anordnungen der drei wesentlichen Götter – Hathor-
Isis, Horus-Ihi-Harsomtus und Osiris – neue Aspekte der Wirkmacht erge-
ben. In jedem der vielen und immer wieder neu gebildeten Namen ist das
Wesen genau dieser Manifestation beschrieben. Hier erleben wir den Gott
als nicht-menschliches Wesen, als Ding mit eigenem Namen und eigener
Geschichte (oder Geschichten).
Eine zweite und prinzipiell ganz andere Verwendung des Begriffes
und Bildes vom Gott erscheint in den Darstellungen der Nische, die sich
damit befassen, was im „Goldhaus“ bei der materiellen Gestaltung bzw.
Instandsetzung mit den konkreten Manifestationen geschieht. Hier die-
nen die in den Bildern und Beischriften erscheinenden Götter als Kon-
zepte, die herangezogen werden, um Deutungsmuster abzubilden. Göt-

65
Fitzenreiter 2013.a.

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394 Musen und Götter

ter, die in einem anderen Zusammenhang als ebenso ambivalente und


allmächtige Fetische auftreten können, werden hier auf spezielle Funk-
tionen reduziert und als Bilder – Personifikationen, Symbole oder For-
meln – dieser Kernfunktionen herangezogen. Diese Funktionen stehen
unmittelbar mit Techniken in Zusammenhang, die in diesem Fall rund
um die Produktion von Götterbildern der eben genannten Kategorie
zusammenhängen: Thot steht für „Wissen / Wissensweitergabe“, Seschat
steht für „Schreiben / Dokumentieren“. Die beiden Hauptgötter von Ele-
phantine und Memphis stehen für die „Prokreation“ – Chnum, der das Ei
als Vorform des Daseins formt – und die „konkrete Schöpfung“ – Ptah.
Dieser ist mit Nefertem und Sachmet zur theologisch in Memphis behei-
mateten Triade komplettiert, wobei Nefertem als das „Gewordene / Ding“
und Sachmet als dessen „agency“ erscheint. Chnum vorangestellt ist das
„noch-nicht Gewordene“ in Gestalt des Sokar-Osiris und die dessen onto-
logische Potenz bewahrende und stimulierende Isis. Zur Charakterisie-
rungen anderer Techniken können andere Götter-Bilder herangezogen
werden, je nach Bedarf und kulturellem Kontext, wie bei den Alchemis-
ten und im Choiak-Ritual gesehen.
In einer dem hier behandelten Thema angemessenen Lesart sind
Götternamen und -geschichten dieser zweiten Verwendungsform Tech-
nologien: Lehre vom Wissen der Dinge und dem, was durch deren Wirk-
macht initiiert, in der Welt vorfällt. Kompilationen, wie das Dekorations-
programm der Nische im „Goldhaus“ von Dendera eine darstellt, bieten
einen erstaunlich unverstellten Blick auf die agency, die an, von und mit
Dingen erlebt wird. Wie in jeder Technologie geht es dabei nicht nur
darum, das Vorfallende einfach zu beschreiben, sondern es geht ebenso
darum, das Zusammenspiel von menschlichen und nicht-menschlichen
Akteuren sinnvoll zu deuten, zu verstehen und letzten Endes zu manipu-
lieren. Diese drei Aspekte sind auch, was nach Robin Horton religiöses
Handeln ausmacht: explanation, prediction und control.66 In diesem kon-

66
Horton 1993.b.

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Götter 395

kreten Fall geht es um die Produktion von Objekten, die als Fetische, als
konkrete Götter(bilder) eigene Wirkmacht haben (sollen). Und es geht
darum, wie diese besondere Wirkmacht erklärt wird – aus der von Isis
gehüteten Latenz des Sokar heraus – in seiner Wirksamkeit geplant –
durch die Transformation mithilfe von Chnum und Ptah – und schließlich
auch beherrscht werden kann – durch die Befriedung der Sachmet-agency
des in Nefertem manifesten Fetisches seitens des Offizianten. Dabei wer-
den Götter zur Beschreibung der agency von Dingen herangezogen, die
sie selbst nicht sind. Einerseits werden sie so zum Dahinter, zu einem
Warum, das als geheimnisvolles Wirken irgendwo und irgendwie für das
verantwortlich ist, was geschieht. Andererseits werden sie zu Begriffen.
Begriffe, die erklären, warum es so ist; Begriffe, die erklären, was passie-
ren wird; Begriffe, die man benutzt, um die Vorgänge zu steuern.

Erscheinen so gesehen die Musen und Götter geradezu als Symbole des
Wissens um die Dinge und ihre agency, und damit deren Beherrschung, so
sind es doch dieselben Entitäten, die sich der Beherrschung durch expla-
nation, prediction, control so auffällig nicht nur entziehen, sondern diese
sogar immer wieder aktiv unterlaufen. Die von den Dingen gelösten Kon-
zepte eines Dahinter entwickeln eine eigene agency. Sie verhalten sich
selbst wie Dinge und werden zu einem Gegenüber. Anders aber als das
Gegenüber im Fetisch, den man aus verschiedenen Materialien erst ein-
mal basteln muss, dem man gegebenenfalls drohen und es sogar in einer
Höhle oder Grablege entsorgen kann, kann dieses Dahinter als Gegenüber
nicht in seiner Ganzheit erfasst werden, bleibt das Wissen um seine agency
immer unvollständig, ist deren endgültige Erklärung oder gar Vorhersage
und Kontrolle unmöglich. Und so sind Götter am Ende genau Bilder von
jenem viel zu großen Teil des Wissens der Dinge, das die Menschen genau
nicht wissen: das, was im Moment der Interaktion unverstanden bleibt
und sich dem Menschen nicht mitteilt. Sie sind Bilder der beständigen
Verschiebung oder différance ihres eignen Wesens. Ägyptisch: Scheta (St#):
die geheimnisvolle, ständige, unberechenbare Veränderung.

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396 Musen und Götter

Mit Musen oder Göttern zu kommunizieren heißt, sich der Zone die-
ser Unbestimmtheit zu nähern, die sich im Moment der Interaktion von
Menschen und Dingen etabliert, und anzuerkennen, dass auch das nicht-
Gewusste agency besitzt. Im übrigen genauso, wie in der Interaktion von
Menschen und Menschen. Während aber bei der menschlichen Interak-
tion die Unvorhersagbarkeit der Parameter einer solchen Interaktion –
Anlass, Verlauf, Ergebnis usw. – mit Rekurs auf die Willensfreiheit der
Partner in der Kommunikation meist hingenommen wird, ist eine sol-
che Akzeptanz des Unvorhersehbaren bei der Interaktion von Menschen
und nicht-menschlichen Wesen weniger üblich. Den Dingen – worunter
wir bekanntlich vom Tier über Pflanze, Stein bis zum Buch und Konzept
(und Androiden) jeden nicht-menschlichen Akteur fassen wollen – eine
„Willensfreiheit“ einzuräumen, fällt schwer, seitdem die Moderne den
Menschen bedingungslos und einsam ins Zentrum gestellt hat. Wer mit
Musen und Göttern als Mittlern zu den Dingen spricht, findet einen Aus-
weg. Denn wenn in diesem Buch bis hier immer davon die Rede war,
dass Techniken im Wissensaustausch zwischen Menschen und Dingen
bestehen und Technologien in der Reflektion dieses Wissensaustausches,
dann erfassen die Bilder der Götter am Ende das, was als das nicht ausge-
tauschte Wissen und das nicht reflektierte Nichtwissen übrigbleibt: den
weitaus größeren Teil.67
Dass es im Konvolut von der Qubbet el-Hawa Götterfigürchen sind,
die uns so viel Wissen über technische Prozesse verraten und uns doch so
ratlos lassen, warum sie das tun, ist nach dem zuletzt gesagten beinahe
logisch. Denn auch, wenn wir in der Deponierung an diesem Ort eine
Inszenierung von Wissen um ein technisches Verfahren und der technolo-

67
Siehe hierzu die Überlegungen von Latour 2010, 415–423 zum „Plasma“ als dem
„Sozialen Nr. 4“, dem Komplex aus Leerstellen zwischen den Verknüpfungspunkten,
der „ noch nicht formatiert, noch nicht gewesen, noch nicht sozialisiert ist, was noch
nicht in metrologischen Netzwerken zirkuliert, noch nicht registriert, überwacht,
mobilisiert oder subjektiviert“ (op. cit. 419) und z. B. dafür verantwortlich ist, dass
scheinbar stabile Staatswesen oder transnationale Konzerne in kürzester Frist kolla-
bieren, und ebenso dafür, wie plötzlich neue entstehen.

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Götter 397

gischen Durchdringung dieses Verfahrens erkennen wollen, so erkennen


wir darin ebenso genau die Inszenierung des Nichtwissens. Der abgele-
gene, für den Erhalt des Konvolutes so wesentliche „verborgene“ und
„geheimnisvolle“ Ort plakatiert geradezu, dass es nicht um eine Unter-
richtsstunde in technischer Produktion ging, sondern darum, sich dem
Geheimnisvollen zu stellen, es zu erleben. Was nur ein anderes Wort dafür
ist, sich dem Nichtwissen zu stellen; also den Göttern gegenüberzutreten.
Der Vergleich des Depots an der Qubbet el-Hawa mit der Nische im
„Goldhaus“ von Dendera mag etwas gewollt sein, aber beide Orte – das
„Goldhaus“ in Dendara und der Zugang zur funerären Kapelle an der
Qubbet el-Hawa – geben genau den Rahmen – das Laboratorium – nicht
für die Exekution des Wissens – das wäre die Werkstatt, die Gießerei –
sondern die Exploration des Nichtwissens. In beiden Fällen sind es Orte
mit liminalen Eigenschaften, also auf der Schwelle von Mikro- und Mak-
rokosmos, Diesseits und Jenseits: zwischen Tag und Nacht, Sonne und
Dunkelheit – so in Dendera –; über den Fluss, am Höhleneingang – so an
der Qubbet el-Hawa –; im Westen, dem Ort der untergehenden und damit
ihre Regeneration einleitenden Sonne – so alle beide. Sogar das Inven-
tar der herangezogenen Götterbilder zeigt erstaunliche Überschneidun-
gen: Die im Depot vorhandenen Zwergenfiguren stehen in Beziehung zu
Ptah. Unter den beschädigten Bronzefigürchen ist ein Bild des Nefertem
und die Katzenbilder aus Wachs stellen einen Bezug zur Bastet / Sachmet
her. Isis und der kindliche Harpokrates stehen ebenso mit dem jugend-
lichen Gott Nefertem und seiner schützenden Mutter Sachmet / Hathor
in Beziehung, wie sie ihre Pendants in der den Sokar-Osiris schützenden
Isis und dem seinen Vater belebenden Sohn auf der Südwand der Nische
finden. Die Gussform der Anukis steht mit der Göttergruppe von Elephan-
tine in Verbindung, der Chnum als Gott des Kataraktes vorsteht – einer
Landschaft, die quasi zu Füßen der Qubbet el-Hawa liegt. Die tönernen
Vogelfiguren können mit dem sich regenerierenden Phönix in Verbin-
dung gebracht werden, vielleicht auch als Ibis mit Thot assoziiert sein.
Auf andere Weise als in Dendera, zu einem anderen Zweck, aber sicher

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398 Musen und Götter

mit einer ebenso großen Sensibilität für die Serendipität möglicher Asso-
ziationen wurden diese vielleicht zufällig zusammengetragenen Zeichen
in einem Arrangement inszeniert, das in seiner Deutung je nach Involvie-
rung unterschiedliche Ebenen zulässt: Entsorgung sakral kontaminierten
Materials; Inszenierung des Erlebens von Transformation und Initiation
in dieses Wissen; rituelle Manipulation einer komplexen Übergangssitua-
tion wie in den Choiak-Riten. Während es in Dendera um die Erweckung
der (hergestellten / reparierten) Götterbilder und ihre Transformation hin
zu Aktivität im Diesseits geht, wurde an der Qubbet el-Hawa wohl der
umgekehrte Weg gegangen und die Götterbilder in den Zustand der gehü-
teten Latenz zurückgeführt bzw. darin belassen. Denn die Güsse waren
noch nicht vollendet. Man kann auch sagen: Um 500 v. u. Z. wurde an
der Qubbet el-Hawa nur der erste Teil des in Dendera dargestellten Dra-
mas aufgeführt. Den zweiten Teil übernahmen die Archäologinnen und
Archäologen 1969. Den dritten Teil erleben wir jetzt.

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Menschen 399

18. Menschen

Die Frage im letzten Teil war, was die Auseinandersetzung mit Menschen
aus Dingen macht; und wir waren bis zu den Göttern gekommen. Dass
die Dinge im Nachdenken über die Götter bisher eher ein Schattendasein
führen, liegt wohl auch daran, dass die meisten Götter der Neuzeit perso-
nifizierte Techniken der menschlichen Kommunikation und ihre Lehren
Technologien des social engineering sind: der Auseinandersetzungen von
Menschen mit Menschen bzw. des „Sozialen Nr. 1“. Diese Götter sind die
Gesellschaft selbst oder das, was die Gesellschaft macht: die Liebe, die
verbindet; der Hass, der trennt; die Hingabe, die ordnet. Das „Soziale
Nr. 2“, die Auseinandersetzung der Menschen mit den Dingen, wird von
diesen „Hochgöttern“ in den Hintergrund gedrängt. Wo die Dinge aber
weiter wabern und aus dem Unterbewusstsein um so mehr die Netze
ihrer agency auswerfen, ob als freudscher Sexualfetisch oder schnöder
Mammon; also immer dann, wenn das Ding als Gegenüber wichtiger wird
als der Mensch, den man – so wollen es die Hochreligionen – eigentlich
lieben oder hassen soll. Es ging bis hier also darum, die Dinge ernst zu
nehmen und die Götter zeigen, wie ernst man sie nehmen muss. In den
Göttern erlebt der Mensch das Ding, die nicht-menschlichen Wesen über-
haupt, als sein Gegenüber; keineswegs überspitzt gesagt: Im Gott erlebt der
Mensch das Ding als seinen Schöpfer. Diese fundamentale Beziehung von
Mensch und Ding soll Thema dieses letzten, das bis hier behandelte auch
in gewisser Weise zusammenfassenden Kapitels sein: Was / wie macht
Technik (aus) Menschen?

18.1. Archäologie

In der Einleitung wurde festgehalten, dass die Eigenart der Archäolo-


gie darin besteht, dass ihr der eigentliche Forschungsgegenstand nicht

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400 Menschen

zugänglich ist: die Menschen vor unserer Zeit. Im Gegensatz zur Sozio-
logie – aus deren Umfeld praktisch alle auch in der historischen Kul-
turanthropologie en vogue seienden Theorien und Methoden gewöhnlich
kommen – hat die Archäologie keine Menschen, die sie befragen kann.
Sie hat genau nur die „andere Seite“ der Mensch-Ding-Beziehung: Funde,
Befunde, nicht-Menschliches. Bis vor einiger Zeit galten, wie ebenfalls
schon angemerkt, diese Dinge eher als passive Gegenstände oder Objekte.
Mittlerweile aber sind die Dinge als nicht-menschliche, aber handlungs-
leitende Aktanten und somit als Subjekte in den Fokus der Forschung
geraten. Im Vorangegangenen ging es daher darum, den Nexus beider
Sphären zu erkunden: das, wo sich Mensch und Ding begegnen. Dies ist
auch der Punkt, in dem die ANT sowohl als eine Theorie des Handelns
und auch als Methode der Beschreibung von tatsächlich vorfallenden oder
– im (Vor-)Fall der Archäologie – vorgefallenen Praktiken hilfreich ist.
Übrigens sei dabei die Dialektik jeder Praxis im Kopf zu behalten: Dass
immer, wenn etwas Vorgefallenes beschrieben wird, dies wieder ein Vor-
fall ist, der sich unter vergleichbaren Bedingungen entfaltet.

Lässt man sich das Paradoxon der Archäologie durch den Kopf gehen, ist
es frappierend, mit welcher Nonchalance Archäologinnen und Archäo-
logen bei ihrer Beschäftigung mit Befunden mitunter recht ungefiltert
auf die Menschen schließen. Spätestens seit Marshall McLuhan sollte
die Erkenntnis gegriffen haben, dass das, womit Menschen hantieren,
in dem Moment, in dem es auf seine Bedeutung hin gelesen wird, als
ein Medium zu verstehen ist. Und dabei gilt: the medium is the message;
archäologisch gelesen: der Befund macht die Bedeutung. Denn das Pro-
blem, das McLuhan so auf den Punkt bringt, ist genau das der Archäo-
logie: Befunde und Funde werden in ihrer Bedeutung gelesen – soweit,
so gut und sozusagen philologisch sauber – und dann kurzerhand als
Äußerungen bestimmter Menschen oder Gruppen verstanden – soweit
hermeneutisch wenigstens unsauber. Ein Thema der vorangegangenen
Ausführungen war es daher zu erfahren, wie es sein kann, dass trotz die-

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Menschen 401

ser eklatanten methodischen Unsauberkeit – wir erforschen das „Leben


der Dinge“ und schließen auf das „Leben der Menschen“ – wir zumindest
der Meinung und guten Mutes sind, doch eine ganze Menge über das
Leben der Menschen damals zu wissen.
Die Gründe dafür liegen in den Dingen selbst. McLuhan hat – und
das lange vor ANT – einen weiteren Begriff geprägt, der die besondere
Beziehung von Mensch und Medium sehr klar beschreibt: Medien sind
the extensions of man (siehe Kapitel 10). Man kann dieses statement durch-
aus unter dem Aspekt der Prothese verstehen: die Medien verlängern
den Arm, das Auge, die Stimme usw. des Menschen. Womit wir tatsäch-
lich eine Begründung für die Richtigkeit des archäologischen Bauchge-
fühls hätten, dass uns die Befunde etwas über die Alten zu sagen haben.
Befunde sind deren extensions; sehen wir sie als Medien, können wir mit
jenen kommunizieren und haben einen direkten Kanal zu den Toten
geöffnet. Allerdings nicht ganz ungefiltert, denn wir müssen die Beson-
derheiten der Medien jeweils analysieren, denn diese sind ja die message.
Es ist also eine hohe archäologische Medienkompetenz unabdingbar, um
die message der Medien tatsächlich erfassen zu können. Aber, das ist die
durchaus gute Nachricht: Diese Kompetenz kann man erwerben. Wir
lesen die Hieroglyphen ja tatsächlich.
Lässt man an dieser Stelle alle Fragen und Fallstricke beiseite, die die
Medientheorie bei der Befundlesung bereithält, und nimmt an, dass die-
ser Kanal tatsächlich geöffnet ist und uns am anderen Ende des Mediums
tatsächlich jener Mensch gegenübersteht, dessen extension das Medium
ist – was ist das dann für ein Mensch? Der „ganze Mensch“ oder der
„wahre Mensch“ wird und kann es nicht sein. Es wird ein Mensch sein,
der in dieser oder jener Weise von dem Medium geprägt ist, das wir als
seine extension gewissermaßen bei der / seiner Hand halten.
McLuhan und die klassische Medientheorie hat das Problem nicht
weiter beschäftigt, da für sie das Eigenleben der Medien interessanter
ist, als das Leben der Menschen am anderen Ende des Kanals. Archäo-
loginnen und Archäologen interessiert die Frage schon eher und beson-

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402 Menschen

ders interessiert sie die ANT. Für die ANT stellt sich grundsätzlich diese
Frage: Was ist eigentlich der konkrete Mensch im Zusammenspiel von
Menschen (= „Soziales Nr. 1“) oder auch im Zusammenspiel mit etwas
Anderem – nennen wir es Medium, Befund, Objekt, Ding oder einfach
nicht-menschliches Wesen (= „Soziales Nr. 2“)? Für die ANT ist jeder
Vorfall ein Moment der Assoziation oder Verknüpfung: ein Moment, in
dem Wirkpotenzen (agency) verschiedener Aktanten aufeinandertreffen,
Präsenz gewinnen und so zu Akteuren werden. Dabei ist es wenig hilf-
reich, die Akteursposition nur auf die menschliche Seite zu reduzieren,
da ohne diverse nicht-menschliche Aktanten ein Mensch in der Regel
kaum zu Handlungen fähig oder angeregt ist. Genauso ist aber auch kein
Ding, kein nicht-menschliches Wesen einfach so handlungsfähig. Da sich
gar nicht klar ausmachen lässt, was hier wer ist, Akteur oder Objekt oder
Ding etc., spricht die ANT, wie in Kapitel 7 beschrieben, von einem Hyb-
riden. Ein solcher Hybrid bildet sich, wenn in einer in Zeit und Raum kon-
kreten Situation Aktanten aufeinandertreffen und sich in einer Handlung
deren potentielle Wirkfähigkeiten in einer spezifischen Weise emanie-
ren.1 Um Präsenz zu gewinnen, also eine konkrete Wirkform, braucht das
Ding immer ein Zweites, Anderes; zur Not eben auch einen Menschen.
Für die Archäologie ist dies alles graue Theorie, denn sie ist nie-
mals dabei, wenn sich die menschlichen und nicht-menschlichen Wesen
ihres Interessengebietes assoziieren. Was Archäologinnen und Archäo-
logen schließlich einmal als Fund oder Befund in der Hand halten, sind
gewöhnlich Dinge, die im Rahmen (meist sehr vieler) solcher Verknüp-
fungssituationen auch manchmal mit Menschen zu tun hatten und mit
diesen kurzzeitig Hybride bildeten. Da sie in diesem Moment als deren
extensions wirkten, sind sie auch Medien, die von diesem Augenblick

1
Natürlich kann ein Stein „einfach so“ dem Menschen auf den Kopf fallen und ein
Hund den Menschen „einfach so“ beißen. Doch auch diese Konstellationen setzen
den Menschen als Teil der Szene voraus und resultieren in dessen Emanation in dem
(sozialen) Rollenhybriden des Opfers. Alles, was jenseits menschlicher Beteiligung
abläuft, ist dann eine eigene Sphäre, nicht mehr sozial oder kulturell; nennen wir es
momentan noch: natürlich.

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Menschen 403

erzählen können. In Kapitel 3 wurde das Beispiel bereits herangezogen:


Schriften bestehen aus einem Schriftträger und Tinte usw. Der Text dieser
Schrift entsteht nur im Vorgang, in der Handlung des Lesens, wenn also
die Potenz der Schrift, gelesen zu werden, mit der Potenz des Menschen
zusammenfällt, zu lesen. In diesem Moment konstituiert sich der Leser als
Hybrid; ein Hybrid, der in der Lage ist, die Materialität der Schrift in die
Präsenz eines Textes zu verwandeln. Das Schriftstück wird so auch ein
Medium und ist eine extension des Lesers: Wir erkennen am anderen Ende
des Kanals einen Menschen, der Lesen kann (interessanter Weise müssen
wir dazu – wenigstens rudimentär – auch „lesen“ können, zumindest das
Ding als ein Schriftstück erkannt haben; hier wird der doppelte Vorfall
der praktischen Assoziation einmal recht deutlich). Aber: das Schriftstück
ist natürlich nur extension der Leserin, nicht des „ganzen Menschen“; d.h.,
jeder Befund kann immer nur extension eines Hybriden sein. Analog gilt
das für Topfscherben und Gusstücke (insbesondere das mit der Lesefähig-
keit der archäologischen Rezipienten).
Hier sind wir bei Nutzen und Nachteil der Medientheorie für die
Archäologie: Als Medien verstanden liefern Funde und Befunde den
direkten Draht zu den Menschen der Vergangenheit; Medienkompetenz
vorausgesetzt (und das ist ja Hauptinhalt jeder Archäologie: diese Medi-
enkompetenz zu erwerben und auszubauen). Aber es ist nicht etwa ein
Draht zu allem und jedem, sondern zu einem spezifischen Hybriden, der
sich in der Nutzung dieses Mediums etabliert hatte. Das aber immerhin.

18.2. Gegenüber

Genau genommen ist das gar nicht wenig. Denn ein Mensch kann über-
haupt nur ein Hybrid sein. Das Wesen des Menschen ist Stoffwechsel;
ohne die permanente Hybridisierung, das heißt Auseinandersetzung mit
etwas Anderem, ist ein Mensch nicht denkbar, sei es Lesestoff oder Sau-
erstoff. Was aber ein Mensch in der konkreten Hybridsituation ist – also

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404 Menschen

als was er der Archäologin gegenübersteht –, darüber entscheidet nicht


zuletzt die Dingseite der Akteurskonstellation. Diese, die Dingseite, als
das Gegenüber seiner Hybridsituation zu erkennen, charakterisiert den
Menschen am Ende des medialen Kanals.
Da menschliche Lebewesen im archäologischen Befund nicht vor-
kommen, können diese als Gegenüber hier nicht charakterisiert werden.
Menschliche Lebewesen sind natürlich sehr häufig, auch untereinander,
Teile von Verknüpfungen und als solche der eigentliche Gegenstand der
Soziologie. Sie sind aber so nicht im archäologischen Befund belegt. Um
das nämlich klarzustellen: Körper sind nicht Menschen. Körper sind in
Bezug zum Menschen etwa das, was Schriften in Bezug zu Texten sind,
also ein Phänomen, das mit Materialität und Präsenz zu tun hat. Inso-
fern sind Körper quasi die erste Dingkategorie, in der der Mensch als
Hybrid Präsenz gewinnt, das fundamentale Gegenüber des Menschen. Da
sich an dieser Stelle der hermeneutische Zirkel einer Unterscheidung von
menschlichen und nicht-menschlichen Wesen schon zu schließen und die
Betrachtung endgültig ins Philosophieren abzuheben droht, soll dieses
Phänomen hier aber nicht weiter diskutiert werden.
Als die traditionell im Fokus der Archäologie stehende Gruppe nicht-
menschlicher Wesen in der Position des Gegenüber seien daher die
Gegenstände noch einmal aufgerufen: Objekte im allerweitesten Sinne,
mit denen Menschen etwas tun und die im selben Moment etwas mit
Menschen tun: Hammer, Pistole, Porsche, Krone, Kleidung, Götter usw.,
aber auch Schriften und Bilder, Häuser und Wege, Speisen und Getränke,
Pflanzen und Tiere etc. Solche Gegenstände sind das, was wir in der
Archäologie als Funde und Befunde haben und sie sind das, was wir als
Medien jener Menschen ansehen, mit denen sie einst als hybride exten-
sions verbunden waren. Diese Gegenstände können uns etwas über den
Menschen erzählen, wenn wir Fragen formulieren, die an den Hybriden
gerichtet sind. Alles andere, was jenseits der Hybridsituation lag, können
sie natürlich nicht beantworten. Sie können aber natürlich noch einiges
mehr über sich selbst erzählen, über ihr Dasein in einer ganzen Kette von

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Menschen 405

Hybridsituationen jenseits der Menschen. Hybridsituationen der Gegen-


stände beginnen meist beim Stoffwechsel in der Natur; diese Erzählung
zu verstehen, bedarf es der Medienkompetenzen der Naturwissenschaf-
ten.2 So kommen wir z. B. auf das Alter der Gegenstände, projizieren
dieses wieder auf Hybridsituationen mit den Menschen und datieren
damit deren Handlungen (das ist übrigens genau das, was der Spruch
the medium is the message sagt). Solche Hybridsituationen betreffen dann
auch die Ketten der Nutzung durch Menschen. Dies setzt sich fröhlich
weiter fort, bis zu den Situationen, in denen das Ding als „archäologisches
Objekt“ ganz spezifische Potenzen als Forschungsgegenstand und / oder
Museumsstück freisetzen kann.
Dass sich der Charakter des Gegenstandes als das Gegenüber in ver-
schiedenen Verknüpfungssituationen auch immer wieder ändert und
seine Präsenz als Ding wechselt, ist dabei zu berücksichtigen. Die Funde
von der Qubbet el-Hawa waren in der vorangegangenen Diskussion mal
Gussobjekte, mal Götter und mal Museumsstücke. Ihr Material hatte sich
in den Assoziationen kaum geändert, durch die sie zu solchen Entitäten
wurden; ihre Materialität schon (u. a. durch die Ortsverlagerung); vor
allem aber wechselte ihre Präsenz in der Hybridsituation. Sie wurden zu
jeweils etwas ganz Anderem.
Um zu illustrieren, wie solche Unterschiede der Präsenz – also der
konkreten Wahrnehmung und Wirkung – zu kategorischen Unterschieden
im Prozess der Hybridisierung führen, möchte ich nur ein frappierendes
Beispiel erwähnen, das zwar historisch etwas nach der hier fokussierten
Periode der „Bronzezeit“ liegt, auf das aber schon Karl Marx im „Kapi-
tal“ zu sprechen kommt (wie ja der gesamte historische und dialektische
Materialismus sich mit seiner Betonung der Mensch-Ding-Interaktion
und der Subjektverschiebungen durchaus als eine frühe Variante der
2 An dieser Stelle wird auch klar, dass das Projekt der Archäologie, wie es hier beschrie-
ben ist, eindeutig homozentrisch angelegt ist. Doch macht dies eine Kulturwissen-
schaft – also eine Wissenschaft vom Mensch-Gemachten – aus. Vielleicht ermöglicht
diese Erkenntnis aber den Schritt in ein nicht-homozentrisches Paradigma, dessen
Fragen (und Antworten) noch zu formulieren sind.

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ANT lesen lässt)3: der Unterschied zwischen Werkzeug und Maschine.4 Ein
Werkzeug bleibt in der hybriden Situation der Verknüpfung immer ein
Akzidens, ein Teil des menschlichen Akteurs. So sehr es den Menschen
verändert und zu einem bestimmten Wesen erst macht, der Amboss den
Schmied oder die Flinte den Schützen, so liegt in der Regel die Seite des
Willens oder wenigstens der aktiven Reaktion gefühlt und erlebt beim
Menschen. Hier gilt die Bestimmung des Dinges als extension des Men-
schen uneingeschränkt; eine Bestimmung, die ja – wie oben mehrfach
angesprochen – immer auch eine (Be-)Wertung ist und Gut von Böse
scheidet. Ein Mensch, der sein Werkzeug zu führen weiß, ist ein fleißiger
Handwerker und möglicherweise gar ein Meister.
Bei der Maschine haben sich diese Verhältnisse umgedreht. Hier ist es
die Maschine, die den Rhythmus und den Fortgang der Arbeit bestimmt;
der Mensch ist nur Zubringer, feeder, Handreicher, ist ein Teil der
Maschine, er ist die extension.5 Diese Aufhebung des eigenen Willens im

3
Als Kostprobe: Zu den Dingen als extension of man: „So wird das Natürliche (= der
Arbeitsgegenstand, das was bearbeitet wird, M. F.) selbst zum Organ seiner (des Arbeiters)
Tätigkeit, ein Organ, das er seinen eigenen Leibesorganen hinzufügt, seine natürli-
che Gestalt verlängert, trotz der Bibel.“ (Marx 1962, 194). Zur Subjektverschiebung:
„Diese beiden Ausdrücke (Marx bezieht sich hier auf ein Zitat von Dr. Andrew Ure,
dem „Pindar der automatischen Fabrik“) sind keineswegs identisch. In dem einen
erscheint der kombinierte Gesamtarbeiter oder gesellschaftliche Arbeitskörper als
übergreifendes Subjekt und der mechanische Automat als Objekt; in dem anderen ist
der Automat selbst das Subjekt, und die Arbeiter sind nur als bewußte Organe seinen
bewußtlosen Organen beigeordnet und denselben der zentralen Bewegungskraft (=
der Antriebsmaschine) untergeordnet.“ (loc. cit. 442). Ure gilt im übrigen aufgrund
seiner Experimente am Körper eines Gehenkten als ein Vorbild für die Romanfigur
des Dr. Frankenstein...
4 Marx 1962, 441–450 u. passim.
5
„Anders, sobald wir den Produktionsprozeß unter dem Gesichtspunkt des Verwer-
tungsprozesses betrachten. Die Produktionsmittel verwandeln sich sofort in Mittel
zur Einsaugung fremder Arbeit. Es ist nicht mehr der Arbeiter, der die Produktions-
mittel anwendet, sondern es sind die Produktionsmittel, die den Arbeiter anwen-
den.“ (Marx 1962, 328f). „Als Maschinerie erhält das Arbeitsmittel eine materielle
Existenzweise, welche Ersetzung der Menschenkraft durch Naturkräfte und erfah-
rungsmäßiger Routine durch bewußte Anwendung der Naturwissenschaft bedingt.
In der Manufaktur ist die Gliederung des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses rein
subjektiv, Kombination von Teilarbeitern; im Maschinensystem besitzt die große
Industrie einen ganz objektiven Produktionsorganismus, den der Arbeiter als fer-

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Maschine-Mensch-Hybrid (= dem eigentlichen Arbeiter der Warenpro-


duktion) hat Marx als wesenhafte Entfremdung des Menschen von sich
selbst beschrieben6 und diesen Typ der Vergesellschaftung des Menschen
als die Bildung einer ganz neuen Form des Sozialen (mit Latour: „Nr. 2“):
der Arbeiter-Klasse.
Der hier an Werkzeug vs. Maschine idealtypisch beschriebene Unter-
schied mag sich für die Interpretation der Rolle des Gegenübers in der
Mensch-Ding-Beziehung anbieten, gerade dann, wenn der Hybrid „kippt“
und das Menschliche in ihm zu einer Episode wird: Wenn der Hybrid
Bedingungen unterworfen ist, die sein menschliches Wesen – seinen Wert
und seine Würde – nicht mehren, sondern mindern;7 z. B. wenn der Fetisch
das Handeln diktiert und auch immer dann, wenn etwas getan wird, weil
„man“ – also das Ding – es kann; nicht aber, weil man / frau / divers es
braucht oder gar reflektiert. Wenn also der ghost in the machine die Füh-
rung übernimmt.8 Und bitte Vorsicht: Was Werkzeug und was Maschine
ist, entscheidet nicht der Phänotyp, nicht das Material, sondern die Mate-
rialität und deren Präsenz im konkreten Fall. Dem Fabrikanten ist die
Maschine nur ein Werkzeug.9

tige materielle Produktionsbedingung vorfindet. In der einfachen und selbst in der


durch Teilung der Arbeit spezifizierten Kooperation erscheint die Verdrängung des
vereinzelten Arbeiters durch den vergesellschafteten immer noch mehr oder minder
zufällig. Die Maschinerie, mit einigen später zu erwähnenden Ausnahmen, funkti-
oniert nur in der Hand unmittelbar vergesellschafteter oder gemeinsamer Arbeit.
Der kooperative Charakter des Arbeitsprozesses wird jetzt also durch die Natur des
Arbeitsmittels selbst diktierte technische Notwendigkeit.“ (Marx 1962, 407)
6
Das philosophische Phänomen der Entfremdung war für Marx sogar der Ausgangs-
punkt, sich mit ökonomischen Themen überhaupt zu befassen, wie die „Ökonomisch-
philosophischen Manuskripte“ von 1844 zeigen (Marx 1968, 510–522).
7
„Es ist ebenso in der Religion. Je mehr der Mensch in Gott setzt, je weniger behält
er in sich selbst. Der Arbeiter legt sein Leben in den Gegenstand; aber nun gehört es
nicht mehr ihm, sondern dem Gegenstand.“ (Marx 1968, 512).
8
Koestler 1967.
9 Der Fabrikant selbst wiederum wird von seinem Parasiten, dem Kapital, heimge-
sucht und so zum Kapitalisten: „Als Kapital, und als solches besitzt der Automat im
Kapitalisten Bewußtsein und Wille, ist er daher mit dem Trieb begeistet, die wider-
strebende, aber elastische menschliche Naturschranke auf den Minimalwiderstand
einzuzwängen.“ (Marx 1962, 425).

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Um die Präsenz eines bestimmten Gegenstandes als das Gegenüber einer


Hybridsituation rekonstruieren zu können, helfen in der Archäologie die
Befunde, also alles, was sich an Vergesellschaftungen rund um einen
Fund erkennen lässt. Befunde zu interpretieren, setzt bei der Materia-
lität an und ermittelt so Möglichkeiten von Momenten der Präsenz als
Gegenüber,10 z. B. dann, wenn eine Inschrift an einem Platz angebracht
wird, an dem sie nicht zu lesen ist: hoch oben an der Kirchturmspitze, tief
unten in einem Grab;11 oder eben, wenn Gussformen am Zugang zu einer
funerären Kapelle abgelegt werden. Da, wie Latour festhält, es solche
scheinbar irregulären Fälle sind, die uns die speziellen Wirkeigenschaf-
ten nicht-menschlicher Wesen überhaupt erst bemerken lassen, regt ein
solcher Fall dazu an, Kontexte zu rekonstruieren, in denen Verknüpfungs-
momente dieser Dinge mit Menschen möglich waren und sind. An solchen
scheinbar irregulären Fällen wird auch deutlich, wie viele immaterielle
nicht-menschliche Wesen in die Hybridisierungsmomente mit und neben
den Dingen involviert sind. Ich meine insbesondere solche Phänomene,
die man als Konzepte bezeichnen kann: Glaube, Liebe, Hoffnung usw. Also
der Glaube, dass eine Schrift auch ohne Lesung durch ein menschliches
Wesen ihren Text emanieren kann und so nicht nur den Gott noch über
der Turmspitze erreicht, sondern auch magisch für einen Leichnam in
der Grablege wirksam wird.12 Oder die zur Gewissheit gewordene Über-
zeugung, dass Halbzeuge des Gussprozesses als Götter in statu nascendi
und Metaphern des Transformatorischen an der Schwelle zum Makro-
kosmos am besten aufgehoben sind. Schließlich auch die Vorschrift,
die eventuell das Schlimmste im Moment der Hybridisierung mit einer
Waffe verhindert: „Du sollst nicht töten!“. Die agency, der handlungslei-
tende Impuls eines solchen als Gebot zum Ding gewordenen Konzeptes
wird als ein Aktant erlebt, als eine Stimme im Kopf, die unser Handeln
10 Hilgert 2016.
11
Fitzenreiter 2015.
12 Hoffnung mag der mächtige Aktant sein, der gerade Geisteswissenschaftler dazu
treibt, immer neue Bücher zu schreiben, die kaum ein Mensch lesen, geschweige
denn verstehen will.

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nicht nur anregt, sondern es bestimmt. Die ANT und ihre Hybridtheorie
kann wohl einiges zur eigenartigen Ontologie dieser nicht-menschlichen
Wesen beitragen, die einerseits durchaus dinglich manifest sein können
– niedergeschrieben als Gesetze oder in heiligen Schriften – aber anderer-
seits Präsenz nur entfalten, wenn sie von Menschen in einer Weise Besitz
ergreifen, wie es eigentlich nur Maschinen tun. Nennen wir es Glaube
oder nennen wir es Wahn.

Nehmen wir dieses vielgestaltige Gegenüber, seien es Gegenstände oder


Konzepte, als Komponenten des menschlichen Hybrid wahr, haben wir
einen nicht geringen Teil seines Wesens auch erfasst. Das eigentlich
Menschliche mag es dann sein, dass das Individuum zur Auswahl des
Gegenübers und damit Konfiguration des Selbst fähig ist. Auch von die-
sem Prozess können die Dinge berichten. Denn erst über diese Auswahl
werden die Gegenstände ja überhaupt zu den extensions oder Medien, die
sie sind bzw. in einem historischen Kontext waren. Welche handlungslei-
tenden Potenzen auch immer in der Materialität einer Sache jahrtausen-
delang schlummern; erst im Moment der Präsenzwerdung im Zuge einer
Auseinandersetzung – eines Gebrauches oder einer technischen Verrich-
tung – werden sie Teil des sich konfigurierenden Hybriden.
Die Möglichkeit, in den Medien diesen Vorgang der Handhabung zu
rekonstruieren, ist faszinierend. Denn an dieser Stelle erfassen wir den
menschlichen Teil des Hybriden in einem Moment, in dem das Bewusst-
sein eine Spur im Gegenüber hinterlässt. Im Ding den Vorgang zu erfas-
sen, der es zu einer extension und damit Medium eines Individuums wer-
den ließ, heißt auch, jenes Individuum zu erfassen, das sich in diesem
Moment als ein Hybrid selbst schuf. Die Gegenstände von der Qubbet
el-Hawa geben uns die Chance, eine Gruppe von Menschen als bewusst
handelndes und reflektierendes Gegenüber der Objekte zu erleben. Wir
können ihre Fertigkeiten bewundern (Kapitel 5); wir können die Wege
nachzeichnen, die sie gemeinsam mit den Dingen gingen (Kapitel 9);
wir können einen Eindruck davon gewinnen, wie sie die Technik erlebt

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und erklärt haben (Kapitel 10–15). Die Präsenz des Gegenübers im Ding
ermöglicht es gedächtnistheoretisch gestimmten Forscherinnen sogar, in
einen intellektuellen Austausch mit jenen Weisen der Vergangenheit zu
treten, denen man sich verwandt im Geiste fühlt – gesetzt, es sind Medien
vorhanden, die sich als von ihnen konfiguriert erfassen lassen. Denker
der „Achsenzeit“ werden so zu Zeitgenossen.13
Die Beschwörung der Toten mag in solchen Fällen mitunter über-
spannt sein. Im Kern aber ist sie die bemerkenswerte Bestätigung der
agency des Mensch-Ding-Hybriden: Dass dessen Wirkkraft eben auch
nach dem Absterben der menschlichen Komponente in dem oder den Din-
gen tatsächlich als etwas Menschliches wirkt. Die bis hier immer betonte
Unterscheidung von menschlichen und nicht-menschlichen Wesen wird
so selbst unscharf und aufgehoben: Was wir an Dingen in den Händen
halten, sind menschliche Überreste, Fragmente von Hybriden, extensions
of man im Sinne ihres Gegenüber.

Dass die Dinge ein Teil vom Menschen und somit Menschliches sind, das
gilt natürlich auch im Heute. Spätestens, wenn man einen nationalen
Semiophor verletzt, sei es eine Fahne, ein Glaube oder eine Büste der
Nofretete, wird man den Schmerz all derer spüren können, denen diese
Teil ihres Menschseins – man spricht hier von Identität – sind. Wie auch
immer Menschen das Gegenüber in sich selbst oder auch am Anderen
wahrnehmen, die Einsicht von Bruno Latour und Fox Mulder wird sich
bestätigen: Wir sind nicht allein. Und die Betonung hat ontologisch zu
sein: Wir sind nicht allein.

13 Zu dem in der Kulturphilosophie des 20. Jahrhunderts immer wieder beschworenen


Bild des „hohe(n) Geistergespräch(s)“ siehe Assmann 2018, 203.

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18.3. Würde

Archäologie und streng gefasst auch Soziologie erfassen nur konkrete,


einzelne Menschen (bzw. Mensch-Ding-Hybride). Was aber ist mit der
Menschheit, so ganz allgemein? Friedrich Engels prägte das schöne Bild
von der Arbeit, die erst die Hand als menschliches Werkzeug und damit
auch den Menschen selbst formt.14 Dieses Bild eines sich bei der Arbeit
selbst gestaltenden Menschengeschlechts steht dafür, wie die tätige Aus-
einandersetzung mit seiner Umwelt den Menschen immer wieder neu
schafft, wie sich das Gehirn beim Denken bildet, wie sich Sprache beim
Sprechen ausprägt und Schriftsprachen, wie wir sie heute lernen, erst
beim Schreiben gefunden werden. Oben ist behandelt worden, dass Tech-
niken Dinge hervorbringen, die es noch nicht gab, und ebenso, wie diese
Techniken Menschen hervorbringen, die es noch nicht gab (und auch
Götter). Geht man mutig den Schritt ins Allgemeine, so ist es am Ende
sogar so, dass der Mensch, wie wir ihn erleben, ein Produkt seiner (tech-
nischen) Auseinandersetzungen mit sich und seiner Umwelt ist.

Die Evolution des modernen Menschen ist die Entwicklung seiner Werk-
zeuge, seien diese materieller oder begrifflicher Art. Ein Werkzeug ist
das Medium par excellence, eine extension of man, die diesen einerseits
in seiner Akteurspotenz unendlich erweitert, andererseits durch ihren
Eigensinn in eine bestimmte Richtung zwingt, an deren Ende der Hybrid
aus Mensch und Werkzeug steht, ein homo faber, der sich aufgibt, sobald
er sein Tätigsein aufgibt. Der eigentliche homo sapiens, als „verständiger
Mensch“, ist der Technologe, der es versteht, die Auseinandersetzung mit
seinem Werkzeug, die Ausübung von Technik, über eine Technologie zu
einem angestrebten Ergebnis zu führen und zu verstehen. Dies gilt im
Handwerk wie im Kopfwerk (siehe Kapitel 5).

14
Engels 1962.

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Dass nicht nur Hominiden zur Beherrschung von Technik (und durch
Technik) als faber fähig sind, ist mittlerweile ein etabliertes Faktum; auch
die nicht-menschliche Umwelt schafft sich durch permanente Auseinan-
dersetzung beständig neu und anders. Dass die Bewusstwerdung die-
ses Zusammenhanges – durch wie viel alchemistische Mythologie auch
immer kanalisiert – bisher nur den Menschen zugeschrieben wird und
diesen als sapiens nobilitiert, wird ein zeitliches Phänomen bleiben. So
exzeptionell sind wir nicht mehr.15 Was auch kein Grund zur Traurigkeit
ist: Als Hybride können wir uns jedem Gegenüber dieser Welt anver-
wandt fühlen und als Teil seiner phänomenalen agency erfahren. Wie
arm war da der Mensch der Moderne, der sich nur als denkend erlebt
hat: „ego cogito, ergo sum / Ich denke, also bin ich“. Es ist geradezu das
Paradox der europäischen Neuzeit, dass in dem Moment, in dem Koper-
nikus die Erde aus dem Zentrum an die Peripherie rückt und damit die
ephemere Beobachterposition des Menschen gegenüber der Natur eta-
bliert, die Philosophie (oder „Geisteswissenschaft“) den Menschen, der
sich bisher als Teil eines Größeren verstand, isoliert und als Ego in das
Zentrum der Selbstwahrnehmung rückt. Dies mag für die Einnahme der
Beobachterposition in den Naturwissenschaften nützlich gewesen sein.
Doch hat der diesem Gedanken inhärente Solipsismus den Menschen der
Neuzeit sehend gegenüber der Natur, aber blind und taub gegenüber den
Dingen gemacht. Es ist die lichte Seite der Hybridisierung: zu erfahren,
dass der Mensch nur als Hybrid ist.16
Es gibt aber auch die dunkle Seite: Wenn der Mensch zum Objekt
seiner Hybridisierung wird. Dies ist nicht nur der Fall im „Sozialen Nr.
1“, bei der Unterjochung von Menschen durch andere, sondern durchaus
und gerade im „Sozialen Nr. 2“. Bereits die poetischen Vignetten der
pharaonischen Berufssatiren sind nichts anderes, als die schonungslose
Beschreibung solcher Hybriden, die ihren extensions ausgeliefert sind

15 Zu kognitiven Fähigkeiten bei Tieren siehe: Fischer 2015; Wild 2015.


16 Und vielleicht ist dies auch die Aufgabe der Kulturwissenschaften – angesichts der
Naturwissenschaften (vgl. science vs. humanities).

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Menschen 413

(und der Bosheit der Anderen). Der elementare Unterschied zwischen der
Hybridisierung von Mensch und einem Werkzeug oder von Maschine und
einem Menschen macht diese dunkle Seite der Hybridisierung überaus
deutlich. Doch war die Beschreibung dieses Hybridisierungsumschlags
von Mensch-Werkzeug zu Maschine-Mensch für Marx nur ein Neben-
schauplatz. Im Kern geht es der marxschen Kritik der kapitalistischen
Wirtschaftsweise darum, wie und warum die um die Produktion von
Ware und die Zirkulation von Kapital kreisenden Assoziationen zu sol-
chen werden, die den Menschen Schritt für Schritt seiner Menschlich-
keit berauben.17 Dabei konnte Marx noch gar nicht ahnen, in welcher
Weise das Phänomen „Ware“ das menschliche Verhalten (N. B.: nicht
Handeln!) bestimmen wird. Spätestens im Zeitalter der Smart-Geräte ist
dies offensichtlich: Diese sammeln Daten, um dann das Verhalten hin
zur Ware zu regulieren (und der Kühlschrank bestellt die Milch gleich
selbst).18 Doch nicht in dieser von den wundervoll smarten Dingen wie
von einem Parasiten injizierten Sucht nach immer neuen Waren und
schon gar nicht im Ding, in der Maschine, sieht Marx das Problem. In
der Ent-Wertung der Arbeit selbst – d. h. der tätigen Auseinandersetzung
von Mensch mit seinem Gegenüber, sei es in der Produktion von Gütern
oder Güte, von Leinen oder Liebe – zur Ware, zur Ware „Arbeitskraft“,
liegt für Marx die Entfremdung des Menschen von sich selbst.19 Seine
klassische Beschreibung der dunklen Seite lässt sich unter dem hier ein-
17 Und wie diese Assoziationen perspektivisch und utopisch zwingend zu ihrer eigenen
Aufhebung führen. Dies ist der Punkt, wo bei Marx der Weg über die Ökonomie wie-
der zur (politischen) Philosophie führt.
18 Zuboff 2018.
19
„Die entfremdete Arbeit macht also: 3. das Gattungswesen des Menschen, sowohl die
Natur als sein geistiges Gattungsvermögen, zu einem ihm fremden Wesen, zum Mit-
tel seiner individuellen Existenz. Sie entfremdet dem Menschen seinen eigenen Leib,
wie die Natur außer ihm, wie sein geistiges Wesen, sein menschliches Wesen. 4. Eine
unmittelbare Konsequenz davon, daß der Mensch dem Produkt seiner Arbeit, seiner
Lebenstätigkeit, seinem Gattungswesen entfremdet ist, ist die Entfremdung des Men-
schen von dem Menschen.“ (Marx 1968, 517). Die Reduktion der Arbeit auf ein „Mit-
tel“ der Existenz bezieht sich wohl auf Kant, der zwischen „Mittel“ und eigentlichem
„Zweck“ unterscheidet; etwa in der sogen. „Selbstzweckformel“ des Kategorischen
Imperativs: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der

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genommenen Gesichtspunkt von Technik und Hybridisierung auch als


die Entfremdung von Mensch und seinem Gegenüber formulieren. Dieses
wird nicht mehr als eine das Menschsein erfüllende extension empfunden,
sondern genau als das Gegenteil: Der Mensch erlebt sich nur noch als den
mariginialisierten Teil eines Hybriden, der ganz auf die warenförmige
Komponente – die verkäufliche Arbeitskraft – seiner selbst beschränkt ist.

Stellt man die beiden idealtypischen Seiten einer „technologischen Anth-


ropologie“ gegenüber, sollte die Wahl nicht schwerfallen. Der eigentliche
Sinn und Wert der Arbeit ist nicht, (nur) ein Quantum im Tauschwert zu
sein. Sinn und Wert von Arbeit ist, dass in der Arbeit der Mensch sich
selbst als Mensch schafft und (möglichst) als sinnvollen Teil seiner Welt
erlebt. Was wieder nichts anders heißt als: Im Hybrid findet der Mensch
zu sich selbst – oder er verliert sich. Mit ANT lässt sich so der in Kapitel 6
diskutierte Wertbegriff der romantischen politischen Ökonomie (also der
marxistischen) durch Kulturgeschichte wiederbeleben: als die Würde, die
den Menschen auszeichnet.20 Den Wert der Arbeit als Würde zu erfassen
bedeutet, dass dieser Wert eben nicht ein Preis-Leistungs-Verhältnis ist,
das sich auf irgendeinem Jahrmarkt der Eitelkeit bildet, sondern eine
Eigenschaft. Diese Eigenschaft bildet sich über den Vorgang der Ausei-
nandersetzung von Mensch und (s)einem Gegenüber, in der Arbeit ganz
allgemein; sei sie auf die Produktion lebenserhaltender Güter gerichtet
oder auf kulturelle Glasperlenspiele. Sie äußert sich unmittelbar in der
Wertschätzung, die der Hybrid erfährt, der sich im Arbeitsprozess kons-
tituiert; eine Wertschätzung, die irgendwann auch der Preis der Arbeits-
kraft und der durch sie produzierten Ware wird – aber da sind wir an
dieser Stelle noch lange nicht! Denn an dieser Stelle sprechen wir von
Arbeit noch unter dem Aspekt der Kulturtechnik: das, was des Menschen

Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel
brauchst.“ (Kant 1785, 429).
20 Siehe zur „Utopie des Kapitalismus“ als einem Projekt der Aufklärung, in dem
der Mensch und sein Schicksal zum Kollateralschaden bei der Verwirklichung des
Individuums werden: Bosse 2019.

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Menschen 415

Würde erarbeitet. Diese Wertschätzung hat eine individuelle Dimension,


indem sie das Selbstbild des Hybriden konstituiert; sie ist aber auch kol-
lektiv konturiert und äußert sich in der Hochschätzung des Einen und
der Abwertung des Anderen; im (Selbst-)Lob des kundigen Meisters wie
im Spott über den stinkenden Metallhandwerker. Gängige Vorstellun-
gen von Moral richten die Bewertung des Menschen gern idealiter auf
die Hochschätzung des Kreatürlichen; wollen ihn also von all’ seinem
Gegenüber entblößen, aus dem Hybriden quasi herausschälen und so
zum eigentlichen Menschen vorstoßen (und gelangen doch so nur zum
solipsierten Individuum). In der Realität liegt die Würde des Menschen
aber darin, wie er sich als Teil der ihn betreffenden Netzwerke erlebt und
wie man / frau / divers ihn als Hybriden dieser Netzwerke klassifiziert. Es
ist die Wertschätzung des Hybriden, die die Würde des Menschen aus-
macht.21

18.4. Kultur

Im Zuge der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt, schafft der Mensch


nicht nur sich selbst. Er schafft auch jene Assoziationen, die ihn mit sei-
nem Gegenüber versorgen, an und mit dem er zum Menschen eigentlich
erst wird. Dieses Andere mögen Menschen sein, zu denen Bindungen im
Sinne des „Sozialen Nr. 1“ aufgebaut werden; es mögen nicht-menschli-
che Wesen sein, Protagonisten des „Sozialen Nr. 2“. Dass der Mensch nie
allein sein kann, prägt sein individuelles Dasein im Rahmen der vielen
Hybridsituationen, in denen er / sie / es über den Tag und das Leben hin
verteilt agiert. Es prägt aber ebenso die Realität der fluiden Netzwerke,
in denen sich solche Auseinandersetzungsvorgänge abspielen und die aus
genau diesen Auseinandersetzungsvorgängen bestehen. Wie der unsicht-
bare Äther der Physik des 19. Jahrhunderts oder die Gravitationswellen
21 Der enge Zusammenhang von Arbeit und Menschenwürde wird in der neueren
Soziologie besonders von Richard Sennett thematisiert, z. B. in Sennett 1998.

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des 20. Jahrhunderts sind diese immateriellen Gespinste in Raum und Zeit
ausgespannt. Je nach Art der Beteiligten werden sie mal als Gesellschaf-
ten, Klassen, soziale Systeme bezeichnet – also dann, wenn menschliche
Wesen involviert sind. Ein anderes Mal – wenn die nicht-menschlichen
Wesen auch zum Zuge kommen – nennt man sie Religionen, Traditionen,
Wirtschaftsweise, Gedächtnis und schließlich: Kultur.

So unsichtbar die anziehenden und abstoßenden Kräfte in diesen Netze


auch sind, sie werden immer dann spürbar, wenn sich eine Verknüpfung
ereignet: Kaum wahrnehmbar, wenn dies alltägliche Vorgänge sind; um
so auffälliger, wenn es ungewöhnliche Vorgänge sind; eklatant, wenn es
verstörende Vorgänge sind. Die Archäologie ist so ein verstörende Vor-
gang. Ist sie doch davon besessen, mit den Toten zu kommunizieren.
Und sie tut dies auch; indem sie Gespinste aus Dingen in Vibrationen
versetzt, die jene schufen (und auch dieser Halbsatz ist wieder in seinem
rabulistischen Doppelsinn zu verstehen). Es ist die agency dieser im Heute
zugänglichen Gegenstände, deren Charakteristika uns anregt, durch Aus-
grabung, Analyse, Deutung etc. pp. Präsenz zu erzeugen und Verknüp-
fungen heraufzubeschwören, aus denen die „schwankenden Gestalten“
(Johann Wolfgang v. Goethe) längst vergangener Tage erstehen sollen.
Da wir darauf beschränkt sind, diese schwankenden Gestalten in
ihren Medien zu erfassen, sind es oft nur wenige, an den Gebrauch dieser
Medien gebundene Charakteristika, die ihnen Kontur geben. In der Regel
sind es sogar kollektive Charakteristika, die also nicht nur für einen indi-
viduellen Hybriden typisch sind, sondern für größere Gruppen. Anhand
der technologischen Netze, die das Wachsausschmelzverfahren über Zeit
und Raum knüpft, ließen sich Wissensgemeinschaften beschreiben, aber
auch mittels der mythologisch-alchemistischen Rhizome, die rund um
die Materialwandlung der Metalle wachsen. Beide Phänomene bilden
schließlich ein sich verschränkendes Gespinst, das bis in die frühe Neu-
zeit und sogar die moderne Naturwissenschaft und Archäologie reicht.

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Menschen 417

Kulturen sind so gesehen Netzwerke aus Dingen und Menschen, in


denen Menschen agieren, die charakteristische Dinge als ein gemeinsa-
mes Gegenüber teilen. Solche Netzwerke sind primär nicht an Zeit und
Raum gebunden.22 Es ist möglich, alte Techniken wiederzuentdecken,
alte Sprachen wiederzubeleben, heroische Zeiten heraufzubeschwören
und sogar, sich mit den Weisen vergangener Tage an einen imaginären
Tisch zu setzen. Bilden sich Schranken in Raum und Zeit, dann deshalb,
weil die Charakteristika der Auseinandersetzung fremd (geworden) sind.
Fremdheit heißt, bestimmte Merkmale nicht als ein eigenes Gegenüber zu
erleben. Auch so lassen sich kulturelle Gespinste erleben: als das, was uns
fremd ist.

Das Wachsausschmelzverfahren wird eher selten als ein kulturelles, als


gemeinsames Gegenüber fungierendes Charakteristikum wahrgenommen,
außer vielleicht recht allgemein für die „Kulturen der Bronzezeit“. Doch
wiewohl das Wachsausschmelzverfahren eine handfeste, auf Körperwis-
sen aufbauende Technik ist, besitzt es wie jede andere technische Hand-
habung einen kulturellen Aspekt; d. h. es setzt Assoziationen frei, die
jenseits der Technik als gemeinsames Gegenüber wirken. Die Vignetten
der Berufssatiren bilden mehr ab, als nur armselige Handwerker, und die
osirianischen oder alchemistischen Reflektionen der thermischen Trans-
formation greifen weit ins Theologisch-Spekulative aus. Diese Potenz der
technischen Reflektion, Teil eines weitaus größeren kulturellen Diskurses
zu werden, soll noch ein jüngeres Beispiel deutlich machen: In Äthio-
pien wird in der Dichtung das Bild des Wachsausschmelzverfahrens seit
dem Mittelalter für die Gattung des qené (bzw. qnié) oder säm-anna wärq
(übersetzt: Wachs und Gold) herangezogen (Kasten 18.1). Hierbei handelt

22
Hier mag der Unterschied zu Netzwerken des „Sozialen Nr. 1“ liegen, also solchen, die
nur aus Menschen bestehen: Diese sind zeitlich nicht unbegrenzt, da sie an lebendige
Menschen gebunden sind. Sie können nur unter Zuhilfenahme des „Sozialen Nr. 2“
auch über die Generationen gerettet werden: indem man Konzepten wie Ahnen,
Eigentum, Traditionen usw. Materialität verleiht und sie als nicht-menschliche
Wesen zum gemeinsamen Gegenüber macht.

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418 Menschen

Zwei qené-Gedichte (nach Elliesie 2010, 136):

Was ist der Nutzen von tälla (Hirsebier), was ist der Nutzen von tajji (Honig-
wein)?
Wenn man einen Feind verabschiedet, macht (im Sinne von „serviert“) man (doch
eigentlich) Kaffee.

Dabei ist „ihm (= dem Feind) Kaffee machen“ (Wachs) in einer nur leicht
veränderten Lesung zu verstehen als „ihn (= den Feind) zu Asche verbren-
nen“ (Gold).

Ihr noblen Herren, mit welcher Soße habt Ihr gegessen?


Wir mit unserem Erbsbrei und ihr mit eurem Fisch.

Hier wird aus „ihr mit eurem Fisch“ (Wachs) durch wortspielende Lesung
„Ihr seid schlimmer geworden“ (Gold).

es sich um eine in der Regel zweigliedrige poetische Form, in der eine auf
den ersten Blick allgemeine Aussage äußerlich als Form wirkt, zugleich
aber einen zweiten, höheren Sinn enthält. Aus der Goldschmiedetechnik
entlehnt wird ersteres als Wachs – das die Form gibt – bezeichnet, zweite-
res als Gold – das nach einem Moment der intellektuellen Transformation
die eigentliche Substanz der Aussage transportiert.23 Der Umschlag im
Moment des Sinnverstehens wird der Substanztransformation im Guss-
prozess gleichgesetzt bzw. über diesen kognitiv gedeutet.
Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem gemeinsamen Gegenüber
– sei es ein Gusstiegel, ein Gott oder ein Gedicht – findet also nicht nur
jene individuelle Anverwandlung statt, in der ein Mensch zu einem wie
auch immer gearteten Hybriden wird. Es findet ebenso die Anverwand-

23
Levine 1972; Brüne 2005; < https://en.wikipedia.org/wiki/Qene > (07.11.2019);
< http://dictionary.abyssinica.com/qnies.aspx > (Website mit ständig neuen
Gedichten in amharischer Schrift; Zugriff: 09.03.2016). Die Bedeutungsverschiebung
ergibt sich durch Wortspiele und Nuancen der Aussprache, wie sie etwa auch in den
Berufssatiren auftreten (siehe Kap. 10). Im übrigen ist dieses bewusste Spiel mit der
Mehrdeutigkeit ein schönes Beispiel für eine „Kultur der Ambiguität“, wie sie Bauer
2011 beschreibt.

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Menschen 419

lung in einen Teil des kulturellen Körpers statt, der selbst nur ein fluider
Hybrid ist. Wer das Wachsausschmelzverfahren praktiziert, tritt ein in
die Wissensgemeinschaft der Metallhandwerker; wer eine Osirisfigurine
deponiert, ist Teil einer Kultgemeinde; wer ein qené dichtet, nähert sich
dem kulturellen Universum Äthiopiens, selbst wenn sie oder er aus einem
sonst indifferenten Hintergrund agiert.24
Zutage tritt diese kollektive Dimension der Hybridisierung, wenn die
Tätigkeit innerhalb einer Gruppe als sinnvoll und richtig erlebt wird und
diese Gruppe stabilisiert. Im Zuge einer Ausbildung, sei es zum Gießer
oder zur Alchemistin, wird die durch Wissensaustausch erlangte Ver-
änderung des eigenen Wesens nicht nur als eine individuelle Transfor-
mation wahrgenommen, sondern als ein doppelter Prozess, in dem das
Individuum sich ebenso als Teil des kulturell – also über gemeinsames
Gegenüber – vermittelten Kollektivs erfährt. Oft wird diese kollektive
Dimension als eine spirituelle erfasst. Die Tätigkeit selbst erfährt ihren
Sinn und Wert dann nicht nur durch die dabei möglicherweise produzier-
ten Güter, sondern dadurch, dass die Tätigkeit den Handelnden in eine
Gemeinschaft integriert. Das Erlernen von Berufen oder handwerklichen
Techniken sind nicht nur Prozesse der Übertragung von Wissen der Dinge
auf den Menschen. Sie sind ebenso Prozesse der Initiation in das kogni-
tive Universum der durch die Tätigkeiten gebildeten Assoziation. Dies
können Assoziationen von Menschen sein; sie können auch bis hin zu
Assoziationen mit dem komplexen Gegenüber in Gestalt der Götter rei-
chen.25 Das Konvolut von der Qubbet el-Hawa als Teil eines solchen Initi-
24 Darin ist es dem auch international häufiger betriebenen Haiku ähnlich, den zu dich-
ten immer eine kulturelle Referenz gegenüber Japan ist.
25
Berichte über diese Dimension von Technik und dem Erlernen von Technik findet
man gewöhnlich nur noch in alten Handwerksmythologien. Siehe aber z. B. Quirke
2018, 190; der wiedergibt, wie der ägyptischer Handwerker Hajj Ahmed die Essenz
der Lehre bei seinem Meister nicht in erster Linie als Erwerb handwerklicher Fähig-
keiten beschreibt, sondern als die Einführung in einen Sufi-Orden. Die Lehrzeit
wurde als eine Verbesserung erlebt, die nicht nur technische Fertigkeiten und das
Wissen der Dinge vermittelt, sondern – sogar vor allem – mit der spirituellen Erfah-
rung eines komplexen Gegenüber, das als Gott erfasst ist. Die technische Ausbildung
geht mit der Integration in eine religiöse Gemeinschaft einher, in der diese Erfahrung

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420 Menschen

ationsprozesses in einen Beruf oder bestimmte Wissensbereiche zu sehen,


ist zumindest möglich. Die hier abgelegten Dinge lassen auf bestimmte
Formen von Assoziationen sowohl handwerklicher („Soziales Nr. 2“) wie
auch sozialer Art („Soziales Nr. 1“) schließen, für die sich Parallelen in
religiös geprägten Formen der Vergesellschaftung etwa in Kultgemeinden
oder ähnlichen Vereinen finden (siehe Kapitel 9). Über den Vorgang der
Ablage am sakralen Platz wird das Erlebnis von Wissen als ein inkludie-
rendes „Geheimnis“ inszeniert, das man „nicht kennt“ und nur „der Vater
an den Sohn weitergibt“ (siehe Kapitel 14).

18.5. Kulturtechnik

Dieser Zusammenhang von Techniken und deren Ausübung mit dem,


was innerhalb einer Gemeinschaft Sinn vermittelt und Bindungen för-
dert, mag in anderen Weltregionen auch heute durchaus selbstverständ-
lich sein. In Europa ist es in der Freimaurerei noch als ein Abglanz zu
erfahren26 und in den seltenen Anfällen von Stolz, die einen Handwerker
beim Ausführen seiner Tätigkeit heimsuchen. Dass der Begriff der Kultur-
techniken bzw. seine Diskussion in Kapitel 3 überhaupt nötig wurde, liegt
nicht zuletzt am nun schon mehrmals monierten Entfremdungseffekt der
Moderne, in dem Technik (jetzt im Sinne von Arbeit)27 als Warenpro-

des „Sozialen Nr. 2“ – des Wissens der Dinge – in eine Assoziation mit dem „Sozialen
Nr. 1“ überführt wird.
26
Ebeling / Loeben 2017.
27 Da in diesem Abschnitt mehrfach auf den von Marx benutzten Begriff von Arbeit
angespielt wird, ist es sinnvoll, diesen mit dem hier sonst benutzten Begriff Tech-
nik zu korrelieren. Beide werden im gegebenen Kontext auf Vorgänge bezogen und
spezifizieren bestimmte Arten von Handlungen. Bei Marx ist Arbeit ganz allgemein
jener Aspekt der Auseinandersetzung von Mensch und Umwelt – im hier gebrauch-
ten Vokabular: von Technik –, der grundlegende menschliche Bedürfnisse befriedigt,
wobei Marx „Beten u. dgl.“ als Vergnügen erst einmal ausklammern will, jedenfalls
in seiner „Robinsonade“ (Marx 1962, 90f.). Sobald aber Robinson von seiner ebenso
einsamen wie „lichten Insel“ in eine andere Gesellschaftsform versetzt ist – bei Marx
zuerst ins „finstre europäische Mittelalter“ – produziert seine Arbeit neben diesen
Gütern des täglichen Bedarfs noch vieles mehr; u. a. Abhängigkeitsverhältnisse und

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Menschen 421

duktion missverstanden wird. Kulturell oder sozial gesehen ist das Pro-
dukt – womöglich eine Ware – aber nicht oder wenigstens nicht allein
das Wesen /-tliche des / am technischen Vorgang. Ebenso wichtig sind
die Nebeneffekte, die heutzutage – gewissermaßen aus einem kollekti-
ven Verblendungszusammenhang heraus – nur noch als das bezeichnet
werden können, was sonst noch passiert: das Assoziierende, das Kulturelle.
Z. B., dass beim Metallguss die Stoffe neben der Formänderung auch eine
innere Reifung bis hin zum Sakralen erfahren – und die Handwerker oder
Adepten ebenso.28
In der westlichen Moderne ist alles schöpferische Tun jenseits der
maschinellen Warenproduktion in den Bereich „Hobby“ herabgesunken.
Vielleicht ist dies auch das technologische Phänomen, das den Kapi-

schließlich eine bestimmte, den technischen Möglichkeiten und Fähigkeiten dieser


Auseinandersetzung (= Produktivkraftentwicklung) adäquate Form gesellschaftli-
cher Organisation. Diesen zweiten Aspekt dessen, was bei Marx Arbeit neben der
Befriedigung unmittelbarer Bedürfnisse noch erzeugt, also den Prozess, der gesamt-
gesellschaftlichen Wert schafft, kann man sehr gut auch als Kulturtechnik charakteri-
sieren – d. h. jenen Aspekt der Auseinandersetzung von Mensch und Ding, der Rele-
vanz unter sozialem oder kulturellem Gesichtspunkt hat. Die Möglichkeit, mit dem
Begriff der Kulturtechnik Aspekte von Techniken zu beschreiben, die in konkreten
Situationen „kulturell“ wirksam werden (dazu noch gleich im folgenden Abschnitt),
halte ich für zielführender, als die Variante, Kulturtechniken essentialistisch mit
bestimmten Techniken wie Schreiben, Rechnen, Tanzen oder mit bestimmten Merk-
malen wie dem Gebrauch von Medien etc. zu korrelieren (siehe dazu Kap. 3). Übri-
gens hat für Marx das Wort „Technik“ die auch hier zugrunde gelegte Bedeutung als
„Tätigkeit“, wie – zugegeben etwas verschränkt – eine Passage zeigt, in der es um
die Zusammensetzung von Kapital aus Produktionsmittel und Arbeitskraft geht: „„...
diese Zusammensetzung bestimmt sich durch das Verhältnis zwischen der Masse der
angewandten Produktionsmittel einerseits und der zu ihrer Anwendung erforderli-
chen Arbeitsmenge andererseits. Ich nenne die erstere die Wertzusammensetzung,
die zweite die technische Zusammensetzung des Kapitals.“ (Marx 1962, 640).
28
In der Moderne wird dieser Aspekt besonders bei Tätigkeiten herausgestellt, in denen
ganz bewusst auf „traditionelle“ Techniken zurückgegriffen wird und man die Ver-
fahren der industriellen Produktion und ihrer Maschinen meidet. Siehe Abdel Aziz
2018 über die Jagd mit der traditionellen Waffe – dem Wurfholz – im heutigen
Sudan. Neben dem Erlegen einer eher symbolisch zu sehenden Beute ist die Teil-
nahme an einer solchen Jagd unter Anleitung einer religiösen Autorität vor allem
eine spirituelle Erfahrung der Assoziationen von Gemeinschaft, Herkunft, Tradition
sowie Führerschaft und öffnet einen Zeitraum für Heilungen von Impotenz sowie
ähnlichen Leiden, also vor allem sozialen Beeinträchtigungen.

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422 Menschen

talismus als Gesellschaft und damit sein spezifisches kulturelles Merk-


mal ausmacht: Die kognitive Ent-Wertung all’ jener (Bei-) Produkte der
Techniken, die als das Kulturelle gelten können: Weil sich für dafür kein
Preis aufrufen lässt. Das Hobby (und manchmal die Kunst) bleiben so die
Nische, in der die Menschen verzweifelt weiterhin versuchen, sich über
das Ausüben erfüllender Techniken als Wesen zu bilden, deren Wert mehr
ist als der ihrer Ware Arbeitskraft.29 Insofern ist es auch wieder richtig zu
definieren: Kulturtechniken sind das, was Hochkultur klassischer Diktion
produziert: Sinn und Würde. Sinn und Würde des Menschen und Sinn und
Würde des Dings – des nicht-menschlichen Gegenübers.30

29
Irgendwas mit Medien stellt natürlich Waren her (und die haben Preise), aber keine
Kultur (und meist auch keine Kunst).
30 Dass den für den Stoffwechsel des Menschen wesentlichen Dingen eine spezifische
Würde eigen ist, also den Tieren, Pflanzen, Luft, Wasser, Licht usw., ist in nichtkapi-
talistischen Gesellschaften wohlbekannt und wird auch neuerdings wieder bewusst,
vorerst vor allem in der Tierethik (Ferrari / Petrus 2015), zunehmend aber überhaupt
in der Be-Wertung der Umwelt (Latour 2001).

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Literaturverzeichnis 423

19. Literaturverzeichnis

a) Abgekürzt zitierte Zeitschriften und Reihen:

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AAeS = Aula Aegyptiaca Studia
ÄAT = Ägypten und Altes Testament
ÄF = Ägyptologische Forschungen
Ä&L = Ägypten & Levante / Egypt
AOF = Altorientalische Forschungen
BÄB = Bonner Ägyptologische Beiträge
BACE = Bulletin of the Australian Centre for Egyptology
BAR IS = British Archaeological Reports International Series
BiGen = Bibliothèque Générale
BdÉ = Bibliothèque d’Études
BIFAO = Bulletin de l’Institut Français d’Archéologie Orientale
BSEG = Bulletin de la Société d’Égyptologie Genève
CdÉ = Chronique d’Égypte
CRIPEL = Cahiers de recherches de l’Institut de Papyrologie et Égyptologie
de Lille
EU = Egyptologische Uitgaven
EVO = Egitto e Vicino Oriente
GM = Göttinger Miszellen
GOF = Göttinger Orientforschungen
HÄB = Hildesheimer Ägyptologische Beiträge
IBAES = Internet-Beiträge zur Ägyptologie und Sudanarchäologie
JARCE = Journal of the American Research Center in Egypt
JEA = Journal of Egyptian Archaeology
JEOL = Jaarbericht van het Vooraziatisch-Egyptisch Genootschap Ex
Otiente Lux
MÄS = Müncher Ägyptologische Studien
MDAIK = Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo
MEW = Karl Marx u. Friedrich Engels: Werke
MIFAO = Mémoires publiés par les Membres de l’Institut Français
d’Archéologie Orientale du Caire
MASE = Memoirs of the Archaeological Survey of Egypt
OBO = Orbis Biblicus et Orientalis
OIP = Oriental Institute Publications
OLA = Orientalia Lovaniensia Analecta
OMRO = Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijksmuseum van
Oudheden te Leiden

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424 Literaturverzeichnis

ORA = Orientalische Religionen in der Antike


PAM = Polish Archaeology in the Mediterranean Reports
PMMAEE = Publications of the Metropolitain Museum of Art Egyptian
Expedition
RdÉ = Revue d’Égyptologie
RHR = Revue de l’Histoire des Religions
SAAC = Studies in Ancient Art and Civilization
SAK = Studien zur altägyptischen Kultur
SAOC = Studies in Ancient Oriental Civilization
SDAIK = Sonderschriften des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo
SSR = Studien zur spätägyptischen Religion
TAT = Tübinger Archäologische Taschenbücher
TLA = Thesaurus Linguae Aegyptiae; < http://aaew.bbaw.de/tla >
WB = Wörterbuch der ägyptischen Sprache
WdO = Die Welt des Orients
WSE = Wilbour Studies in Egypt and Ancient Western Asia
ZÄS = Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde

b) zitierte Literatur:
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Abbildungsnachweis 471

20. Abbildungsnachweis

Abb. 2.1: Foto: Johannes Auenmüller.


Abb. 2.2: nach: Edel / Seyfried / Vieler 2008, Plan 1.
Abb. 2.3: Foto: Ägyptisches Museum Bonn, Michael Höveler-Müller.
Abb. 2.4: Foto: Jürgen Wentscher.
Abb. 2.5: nach: Edel / Seyfried / Vieler 2008, 1868, Fig. 1.
Abb. 2.6: alle Fotos: Jürgen Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Abb. 2.7: alle Fotos: Jürgen Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Abb. 2.8: alle Fotos: Jürgen Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Abb. 2.9: nach: Aston 2003, fig. 16.

Abb. 3.1: Quelle: < https://unlimitedworld.de/attachments/bei-technik-


fragen-tech-nick-fragen-jpg.533/> (21.09.2018).
Abb. 3.2: Quelle: < http://mimiandeunice.com/wp-content/
uploads/2010/12/ME_284_YeOldeTechnologie.png >
(26.01.2015).

Abb. 4.1: Abb.: D. Meinel / BAM.


Abb. 4.2: Abb. aus: Geisler-Wierwille / Auenmüller 2016, Abb. 3.4.
Abb. 4.3: Abb. aus: Tegtmeier 2016, Abb. 4.2.c; Foto: Frank Willer / LVR.
Abb. 4.4: Abb. aus: Baumer / Dietemann 2016, Abb. 3.1 .
Abb. 4.5: Abb. aus: Schneider 2016, Abb. 5.4.
Abb. 4.6: Abb. aus: Meinel / Willer 2016 Abb. 7.8; Abb.: D. Meinel / BAM.
Abb. 4.7: Abb. aus: Schwab / Willer 2016, Tab. 6.1; Tabelle: R. Schwab.
Abb. 4.8: Abb. aus: Meinel / Willer 2016, Abb. 7.28; Abb.: F. Willer / LVR.
Abb. 4.9: Grafik: M. Fitzenreiter.
Abb. 4.10: Abb. aus: Meinel / Willer 2016, Abb. 7.32; Abb.: F. Willer, LVR.
Abb. 4.11: Grafik: M. Fitzenreiter.

Abb. 5.1: a) Foto: M. Fitzenreiter; b) Abb.: < https://www.behance.net/


gallery/7820345/bronze-book-of-enoch> (02.10.2018).
Abb. 5.2: a) Foto: M. Fitzenreiter; b) Foto: K. Cenkier.
Abb. 5.3: Foto: Ägyptisches Museum der Universität Bonn.
Abb. 5.4: Abb.: D. Meinel / BAM.
Abb. 5.5: Abb. aus: Meinel / Willer 2016, Abb. 7.41.
Abb. 5.6: Abb.: D. Meinel / BAM.
Abb. 5.7: Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Abb. 5.8: Abb. nach: Boffrand 1743, pl. XII < https://archive.org/details/
gri_33125010863229/page/n87 > (02.10.2018).
Abb. 5.9: Abb. nach: Blackman / Apted 1953, pl. 17.

Gesamttext_BÄB_10_Druckerei.indd 471 03.10.2020 07:11:18


472 Abbildungsnachweis

Abb. 6.1: Abb.: < https://www.grund-wissen.de/chemie/_images/perioden-


system-mit-elektronenkonfiguration.png > (26.11.2019).
Abb. 6.2: Abb.:< https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/79/
Model_Bow-Drill_from_a_Carpenter%27s_Shop_MET_137123-num-
bers.jpg >; This file was donated to Wikimedia Commons by as
part of a project by the Metropolitan Museum of Art (14.10.2018).
Abb. 6.3: Abb.: < https://upload.wikimedia.org/wikipedia/com-
mons/0/02/Razor_and_mirror_MET_DT232036.jpg > ; This file
was donated to Wikimedia Commons by as part of a project by the
Metropolitan Museum of Art (14.10.2018).
Abb. 6.4: Typentafeln: a) Abb.: < http://www.retrobibliothek.de/retrobib/
hiresfaksimile_504024.jpeg > (24.07.2019);
b) Abb. aus: Eggers 1959, Abb. 8.
Abb. 6.5: Abb.:< https://node01.flagstat.net/bilder/mosambik-wappen.png
> (26.11.2019).

Abb. 7.1: Abb.: < http://afflictor.com/wp-content/uploads/2012/02/dirty_


harry_2.jpg > (12.10.2018).

Abb. 8.1: Abb.: < https://www.perey-anthropology.net/papuanewguinea.


html > (20.10.2018).
Abb. 8.2: Abb.: < http://www.refinedguy.com/2013/03/07/craft-beers-
that-arent-really-craft-beers/> (20.10.18).
Abb. 8.3: Abb. aus: Putzger 1981, 4.
Abb. 8.4: Grafik: M. Fitzenreiter.

Abb. 9.1: Grafik: M. Fitzenreiter; Abb. aus: Neuburger 1919, Abb. 2; Lepsius
1849-59, Bd. III, Taf. 116; Mogensen 1921, Fig. 40.
Abb. 9.2: Abb.: D. Meinel / BAM.
Abb. 9.3: Abb.: D. Meinel / BAM.
Abb. 9.4: Abb.: D. Meinel / BAM.
Abb. 9.5: Abb. aus: Flossmann-Schütze et al. 2013, Titel.

Abb. 10.1: Abb. nach: Duell 1938, pl. 30.


Abb. 10.2: Abb. nach: Wild 1966, pl. CLVII–CLXXIV.
Abb. 10.3: Abb. aus: Mogensen 1921, Fig. 40.

Abb. 11.1: Abb. nach: Kanawati 1980, Fig. 8.


Abb. 11.2: Abb. nach: Davies 1905, Taf. 18.
Abb. 11.3: Abb. aus: Barta 1970, Abb. 1.
Abb. 11.4. Abb. nach: Davies 1902, pl. XIII–XVI, XXIV.

Gesamttext_BÄB_10_Druckerei.indd 472 03.10.2020 07:11:18


Abbildungsnachweis 473

Abb. 12.1: Abb.: https://commons.wikimedia.org/wiki/


File:%27Distillatio%27,_scene_in_an_alchemist_laboratory_Well-
come_M0018149.jpg;
This file is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0
International license (28.11.2019).
Abb. 12.2: Abb.: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Inner_anthro-
poid_coffin_of_Hapiankhtifi_MET_14522.jpg; This file is made
available under the Creative Commons CC0 1.0 Universal Public
Domain Dedication (28.11.2019.)

Abb. 13.1: Abb. aus: Völlnagel 2012, Abb. 68.


Abb. 13.2: Abb.: https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Fotothek_df_
tg_0007148 + 000818+0008194+0008203_Theosophie_^_Alche-
mie. This work is in the public domain in its country of origin and
other countries and areas where the copyright term is the author’s
life plus 100 years or less (28.11.2019).
Abb. 13.3: Abb.: https://de.wikipedia.org/wiki/Tabula_Smaragdina#/media/
File:Houghton_Typ_620.09.482_Heinrich_Khunrath,_Amphitheat-
rvm_sapientiae_aeternae.jpg (10.06.17).
Abb. 13.4: Abb. nach: Piankoff 1951, pl. I.
Kasten 13.3: Abb.: https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Fotothek_df_
tg_0008183_Theosophie_^_Alchemie. This work is in the public
domain in its country of origin and other countries and areas
where the copyright term is the author’s life plus 100 years or less
(28.11.2019).

Abb. 14.1: Foto: Ägyptisches Museum der Universität Bonn.


Abb. 14.2: Abb. aus: Weiss 1944.

Abb. 15.1: Foto: Wolfgang Sauber (https://commons.wikimedia.org/wiki/


File:Paneum_-_%C3%84gypten_Kornmumie_2.jpg) (09.02.2019).
Abb. 15.2: Abb. aus: Budge 1911) (https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Osiris_Philae.jpg) (13.02.2019).
Abb. 15.3: Abb. aus: Mariette 1870–1880, pl. 38.
Abb. 15.4: Abb. aus: Mariette 1870–1880, pl. 39.

Abb. 16.1: Foto: < https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1807_Thor-


valdsen_Tanz_der_Musen_auf_dem_Helikon_anagoria.JPG >; This
file is made available under the Creative Commons CC0 1.0 Uni-
versal Public Domain Dedication; (19.06.2019).
Abb. 16.2: Foto: < https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fecundity_
Figure_MET_12.182.4b_02.jpg >; This file is made available under

Gesamttext_BÄB_10_Druckerei.indd 473 03.10.2020 07:11:18


474 Abbildungsnachweis

the Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedica-


tion; (19.06.2019).
Abb. 16.3: Foto: < https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Amduat_
Papyrus#/media/File:Fragments_of_Funerary_Papyrus_of_Amduat_
MET_vs28.3.112.jpg >; This file was donated to Wikimedia
Commons as part of a project by the Metropolitan Museum of Art.
See the Image and Data Resources Open Access Policy, CC0,<
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=60943336
> (31.07.2019).
Abb 16.4: Foto: M. Fitzenreiter.

Abb. 17.1: Abb. nach: Chassinat / Daumas 1978, pl. DCCCII–DCCCX.


Abb. 17.2: Abb. nach: Chassinat / Daumas 1978, pl. DCCCX.

„Der Autor möchte an dieser Stelle für die freundliche Genehmigung zum
Nachdruck von Copyright-Material danken. Nicht in allen Fällen war es
möglich, die Copyright-Inhaber einzelner Textabbildungen zu ermitteln. Falls
berechtigte Ansprüche bestehen, wenden Sie sich bitte an den Autor.“

Gesamttext_BÄB_10_Druckerei.indd 474 03.10.2020 07:11:18

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