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Geschichte des 20 Jahrhunderts 5 1st Edition Dr Rene
Hauswirth Christian Felix
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Die Schweizer Bildungsinstitution.
Effizient. Sicher. Individuell.
Geschichte
Impressum
Geschichte
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Dr. Rene Hauswirth unter Mitarbeit von Christian Felix
Grafisches Konzept: dezember und juli, Wernetshausen
Satz und Layout: Mediengestaltung, Compendio Bildungsmedien AG, Zürich
Druck: EdubookAG, Merenschwand
Redaktion und didaktische Bearbeitung: Jilline Bornand
Artikelnummer: 12170
ISBN: 978-3-7155-3675-0
Auflage: 1. Auflage 2014
Ausgabe: NI 064
Sprache: DE
Code: GS 502
Alle Rechte, insbesondere die Übersetzung in fremde Sprachen. Vorbehalten. Der Inhalt des vorliegenden Buchs ist nach
dem Urheberrechtsgesetz eine geistige Schöpfung und damit geschützt.
Die Nutzung des Inhalts für den Unterricht ist nach Gesetz an strenge Regeln gebunden. Aus veröffentlichten Lehrmitteln
dürfen bloss Ausschnitte, nicht aber ganze Kapitel oder gar das ganze Buch fotokopiert, digital gespeichert in internen
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tergabe von Ausschnitten an Dritte ausserhalb dieses Kreises ist untersagt, verletzt Rechte der Urheber und Urheberin
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Die ganze oder teilweise Weitergabe des Werks ausserhalb des Unterrichts in fotokopierter, digital gespeicherter oder
anderer Form ohne schriftliche Einwilligung von Compendio Bildungsmedien AG ist untersagt.
Copyright© 2014, Compendio Bildungsmedien AG, Zürich
Dieses Buch ist klimaneutral in der Schweiz gedruckt worden. Die Druckerei Edubook AG hat sich einer Klimaprüfung
unterzogen, die primär die Vermeidung und Reduzierung des CO2-Ausstosses verfolgt. Verbleibende Emissionen kom
pensiert das Unternehmen durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten eines Schweizer Klimaschutzprojekts.
Mehr zum Umweltbekenntnis von Compendio Bildungsmedien finden Sie unter: www.compendio.ch/Umwelt
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Modulübersicht
Modulübersicht
Das Modul «Geschichte des 20. Jahrhunderts» ist wie folgt aufgebaut:
Lerneinheit 4/8 • Die Jahre der Unsicherheit nach dem Ersten Weltkrieg
Die Scheinblüte der • Hoffnung und Aufbruch 1924-1929
Zwanzigerjahre • Die Weltwirtschaftskrise und ihre politischen Folgen
• Kultur und Gesellschaft zwischen den Weltkriegen
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Geschichte des 20, Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
z Der Kriegsverlauf 18
3 Die Entscheidung 34
3
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Inhaltsverzeichnis
Gesamtzusammenfassung 53
Chronologische Übersicht 56
Lösungen zu den Aufgaben 57
Stichwortverzeichnis 60
4
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Einleitung und Lernziele
Inhalt
Aufbau
Kapitel 1 gibt eine Übersicht über die gefährliche politische Lage in Europa um 1912,
beschreibt den Auslöser und den Anfang des Kriegs und befasst sich mit der Frage der
Kriegsschuld.
Kapitel 2 zeigt die wichtigsten Kriegsschauplätze und Kriegstaktiken auf und Sie erfahren,
welche Auswirkungen der Krieg auch auf die Zivilbevölkerung hatte.
Kapitel 3 schliesslich befasst sich mit dem Ende des Kriegs. Es zeigt auf, welche Auswir
kungen die zunehmende Kriegsmüdigkeit und der Eintritt der USA in den Krieg hatten, wie
es zum Waffenstillstand von 1918 kam und welche politischen, sozialen und auch kulturel
len Veränderungen das Kriegsende mit sich brachte.
Lernziele
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
Wir beginnen mit einem Blick auf das Europa des Jahrs 1912. Am meisten fällt uns dabei
auf, dass die Spannungen unter den imperialistischen Grossmächten im Vergleich zur Zeit
vor 1904 gefährlich gestiegen waren. Denken Sie an die Begriffe Marokkokrisen oder
bosnische Annexionskrise. Ganz im Geist des Imperialismus glaubten die Politiker der
wichtigsten Staaten, die Weltmachtansprüche ihrer Nation mit militärischen Machtde-
monstrationen und oft auch mit Kriegsandrohungen durchsetzen zu müssen. Mehr als ein
mal geriet Europa so an den Rand eines offenen Kriegs.
Um zu verstehen, weshalb es 1914 dann zur Katastrophe kam, ist es nützlich, wenn Sie
sich die wichtigsten Konflikte in der europäischen Politik von damals vergegenwärti
gen. Sie werden sehen, dass in alle diese Spannungen das Deutsche Reich verwickelt war:
• Zwischen Deutschland und Frankreich bestand wegen der Annexion Elsass-Loth
ringens durch das Deutsche Reich seit 1871 eine dauernde Rivalität. Frankreich er
hoffte sich im Stillen die Wiedergewinnung von Elsass-Lothringen und strebte eine
Schwächung des deutschen Rivalen an.
• Deutschland nahm wachsenden Einfluss auf die Türkei. Darum war Österreich-Un
garn als Brücke zum Balkan für das Deutsche Reich zu einer unentbehrlichen Stütze
in Mitteleuropa geworden, die unter keinen Umständen einstürzen durfte. So kettete
Deutschland sein Schicksal an jenes des Habsburgerreichs.
• Wegen der Balkanpolitik befand sich die Donaumonarchie, besonders seit der bos
nischen Annexionskrise von 1908, in einer Dauerspannung mit Russland. Da sich
Deutschland vorbehaltlos hinter Österreich-Ungarn stellte, ergab sich daraus ein belas
tetes Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und Russland.
• Die Beziehungen zwischen Grossbritannien und Deutschland waren durch die deut
sche Aufrüstung zur See erheblich belastet. Die Flotte war die Hauptstütze der briti
schen Macht. Eine Einschränkung seiner Vorherrschaft in diesem Bereich wollte
Grossbritannien auf keinen Fall hinnehmen.
• Frankreich hatte sich schon 1892 Russland angenähert und mit dem Zarenreich ein
Bündnis geschlossen. 1904 folgte die Entente Cordiale zwischen Frankreich und
Grossbritannien, 1907 schliesslich ein Ausgleich zwischen Briten und Russen. Damit
war die Tripelentente zwischen diesen drei Mächten entstanden. Das Deutsche Reich
fühlte sich dadurch eingekreist, sein letzter Verbündeter blieb ausgerechnet die zer
brechliche Donaumonarchie.
• Zudem war das Deutsche Reich seinen Nachbarn grundsätzlich unheimlich. Schon bei
seiner Entstehung 1871 war das Reich die stärkste Landmacht Europas. Dazu kam
ein bedeutender Aufschwung der deutschen Wirtschaft. Die dadurch hervorgerufenen
Abwehrreflexe hatte Bismarck noch durch Zurückhaltung bannen können. Das wilhel
minische Deutschland jedoch zeigte immer provokativer seine Macht.
Nach der zweiten Marokkokrise, von 1911 an, verging kein Jahr mehr ohne gefährliche
Zuspitzungen von Krisen unter den Grossmächten. Ein besonders gefährlicher Krisenherd
war der Balkan. Hier stand eine Reihe kleiner, junger Nationalstaaten, die ihr Gebiet zu
erweitern trachteten, dem zerfallenden Osmanischen Reich gegenüber. Völker verschie
denster Herkunft, vier Religionen und vier Kulturen11 lebten hierauf engstem Raum zusam-
1] Vier Kulturen: Gemeint sind die orthodoxe, griechisch-byzantinische Kultur und Religion; der Islam, das Judentum und
die lateinisch-katholische Kultur.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
men. Ferner hatten alle europäischen Mächte politische Interessen auf dem Balkan, allen
voran Russland und Österreich-Ungarn. Nicht zuletzt trug eine wirtschaftliche und soziale
Unterentwicklung des Gebiets zur Verschärfung der Konflikte bei. Zutreffend wurde
damals der Balkan als Pulverfass Europas bezeichnet.
Im Oktober 1912 war es so weit: Das Pulverfass Balkan explodierte ein erstes Mal. Die ver
bündeten Königreiche Serbien, Bulgarien, Griechenland und Montenegro, die sich im
Laufe des 19. Jahrhunderts die Freiheit von der türkischen Herrschaft erkämpft hatten,
schritten im Oktober 1912 zum Angriff auf die letzten Gebiete des Osmanischen Reichs auf
europäischem Boden. Russland stand wohlwollend hinter dem Schlag gegen die Türken,
Österreich-Ungarn war geneigt, durch einen Angriff auf Serbien die drohende Niederlage der
Türken abzuwenden. Eine Verwicklung der Grossmächte in den Krieg schien unvermeidlich.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
Der drohende Zusammenbruch Bulgariens weckte in Wien erneut die Bereitschaft zum
Krieg, doch Deutschland und auch Italien hielten Österreich von einem Angriff auf Serbien
zurück. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. bemerkte zum österreichischen Aussenminister:
«Ihr rasselt zu viel mit meinem Säbel!» Zur Lokalisierung der Balkankrisen von 1912/13
urteilt der Historiker J. R. von Salis:
Die Konflikte auf dem Balkan von 1912 und 1913 waren zwar glimpflich verlaufen, bewirk
ten aber dennoch zwei Dinge:
• Erstens gewannen nationalistische Wortführer, etwa in Deutschland der Alldeutsche
Verband1' oder in Russland die Panslawisten, durch die Krisen auf dem Balkan in al
len Ländern an Gewicht. Schwärmerischer Stolz auf das eigene Blut und die eigene
Heimaterde halfen, die enormen sozialen Gegensätze in der Gesellschaft zu überde
cken. In den konservativen Monarchien Russland, Österreich-Ungarn und Deutschland
boten ferner übersteigerte Prestige- und Grossmachtträume einen Ersatz für fehlende
Demokratie. So stiegen die Spannungen unter den Grossmächten weiter.
• Zweitens kam, begünstigt durch diesen wachsenden Nationalismus, ein allgemeines
Wettrüsten unter den europäischen Grossmächten in Gang.
Im Folgenden gehen wir darauf ein, wie sich die aussenpolitische Ausrichtung in den ein
zelnen Ländern entwickelte:
• In Deutschland kam die politische Führung Ende 1913 zu der Auffassung, die Freunde
der Ententemächte, Serbien, Griechenland und Rumänien, seien im Balkankrieg auf
Kosten der eigenen Verbündeten, des Osmanischen Reichs und Bulgariens, gestärkt
worden. Wilhelm II nahm darum eine zunehmend antiserbische Haltung ein. Damit
vertiefte sich der Gegensatz zwischen Deutschland und Russland. Wegen der ge
spannten Lage an seiner Ostgrenze rüstete das Deutsche Reich, gleichzeitig mit dem
verstärkten Ausbau seiner Schlachtflotte, ab 1913 auch die Heeresbestände auf und
arbeitete Pläne zum Angriff auf Frankreich aus.
1] Alldeutscher Verband: politisch weit rechts stehende Vereinigung in Deutschland mit stark nationalistischer Ausrich
tung. Der Verband warb für eine aktive deutsche Kolonialpolitik, für die Förderung des Deutschtums im Ausland und für
den Flottenbau.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
• Der britische Kriegsminister hatte Anfang 1912 den Deutschen nochmals eine beider
seitige Verlangsamung des Baus von Schlachtschiffen vorgeschlagen. Nach der deut
schen Absage trieb auch Grossbritannien trotz ungeheurer Kosten und Bedenken vie
ler Geschäftsleute der Londoner City die Aufrüstung der Flotte voran. Die Begründung
dafür hatte der Schatzkanzler David Lloyd George bereits im Juli 1911, während der
zweiten Marokkokrise, in einer Rede geliefert:
(...) wenn uns eine Lage aufgezwungen werden sollte, in welcher der Friede nur er
halten werden könnte durch das Opfer der grossen und heilsamen Stellung, die Gross
britannien durch Jahrhunderte heroischer Anstrengung errungen hat, und dadurch,
dass Grossbritannien in einer Frage, in der es vitale Interessen hat, sich so behandeln
lässt, a/s hätte es im Rat der Völker nicht mitzureden, - dann sage ich mit Nachdruck:
Ein Friede um diesen Preis wäre eine Erniedrigung, die ein grosses Land wie das unsrige
nicht ertragen kann.
• In Österreich-Ungarn waren die Nationalitätengegensätze bis 1914 derart angewach-
sen, dass sich die Donaumonarchie in ihrem Bestand gefährdet sah. Das Habsburger
reich drohte auseinanderzubrechen, gleich dem Osmanischen Reich, das dem Natio
nalismus seiner europäischen Untertanen nicht mehr zu wehren vermochte. Ein Bal-
kanvolk nach dem andern machte sich selbstständig. Von Anfang an dabei und beson
ders erfolgreich waren die Serben. Mit ihrer Befreiung von den Türken gaben sie den
Slawen im Habsburgerreich ein ermutigendes Beispiel. Nur in einem aggressiven Vor
gehen gegen Serbien sah daher die Wiener Regierung eine Möglichkeit, die wanken
den Grundlagen des Reichs wieder zu festigen.
• Im Zarenreich Russland musste der russische Nationalismus zu einer Krücke der
unzeitgemäss gewordenen Monarchie werden. Die hochgehende Woge des Nationa
lismus und Panslawismus im Land hätte sich sonst möglicherweise gegen den Zaren
gerichtet. Dieser brauchte nach den Niederlagen im Russisch-Japanischen Krieg 1905
und in der bosnischen Annexionskrise 1908 unbedingt aussenpolitische Erfolge. Das
Augenmerk richtete das Zarenreich dabei auf den Balkan. Im Zeichen des Pan
slawismus erhob es den Anspruch, das slawische Brudervolk der Serben zu schützen.
Die soziale Gärung in Russland, die von den landarmen Bauern und dem Arbeiter
proletariat ausging, wurde indessen teils unterschätzt, teils unterdrückt.
• Im Gegensatz zur risikoreichen Aussenpolitik Russlands hielt sich sein Bündnispartner
Frankreich selber zurück, unterliess aber auch alles, was die Russen hätte bremsen
können. Frankreich wollte keinen Krieg, suchte aber einer militärischen Auseinander
setzung auch nicht auszuweichen, sofern sich dabei die Möglichkeit bot, Elsass-Loth
ringen zurückzugewinnen.
Serbien hatte durch die beiden Balkankriege sein Gebiet verdoppeln können. Dennoch
waren immer noch nicht alle Serben in einem Nationalstaat vereinigt. Auch hatte das Land
keinen direkten Zugang zum Meer. Somit ging der Kampf der grossserbischen Samm-
lungsbewegung weiter. Seit Österreich im Jahre 1908 Bosnien, das teilweise von Serben
bewohnt war, annektiert hatte, arbeiteten die radikalen serbischen Nationalisten auf die
Zerstörung des Habsburgerreichs hin.
Der Thronfolger der Donaumonarchie, Franz Ferdinand, war dafür bekannt, dass er eine
Autonomie der Slawen innerhalb des Habsburgerreichs befürwortete. Diese Haltung nahm
der grossserbischen Propaganda vieles von ihrer Wirkung. Bei einer freien Entfaltungs
möglichkeit der Slawen innerhalb der Donaumonarchie hätte sich das Interesse der Bos
nier an einer Auflösung Österreich-Ungarns verringert.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
Mit einer Mischung von Hilflosigkeit, Zynismus und Wut nahm die österreichische Gesell
schaft die Nachricht vom Tod des Thronfolgers auf. Josef Roth beschreibt das in einer gro
tesken Szene seines Romans «Radetzkymarsch». Die Nachricht vom Attentat überrascht
Armeeangehörige und Zivilisten bei einem Fest im fernen Galizien, nahe der russischen
Grenze:
Jemand rief:
Sie strömten aus dem Zimmer, in den zwei Sälen, in denen man bis jetzt getanzt hatte, spiel
ten beide Militärkapellen, dirigiert von den lächelnden knallroten Kapellmeistern, den Trau
ermarsch von Chopin. Ringsum wandelten ein paar Gäste im Kreis, im Kreis zum Takt des
Trauermarsches. Bunte Papierschlangen und Koriandoiisterne lagen auf ihren Schultern und
Haaren. Männer in Uniform und in Zivil führten Frauen im Arm.... Sie kreisten so umeinan
der, jeder ein Leidtragender hinter der Leiche des Vordermanns und in der Mitte die unsicht-
1! Graf Benkyö ist Ungar. Bei den Ungarn war der Thronfolger verhasst, denn sie lehnten die Autonomie der Slawen in
ihrem Reichsteil ab.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
baren Leichen des Thronfolgers und der Monarchie. Alle waren betrunken. Und wer noch
nicht genügend getrunken hatte, dem drehte sich der Kopf vom unermüdlichen Kreisen. All
mählich beschleunigten die Kapellen den Takt, und die Beine der Wandelnden fingen an zu
marschieren. Die Trommler trommelten ohne Unterlass, und die schweren Klöppel der gros
sen Pauke begannen zu wirbeln wie junge muntere Schlegel. Der betrunkene Pauker schlug
plötzlich an den silbernen Triangel, und im selben Augenblick macht Graf Benkyö einen
Freudensprung. «Das Schwein ist hin!» schrie der Graf auf ungarisch. Aber alle verstanden
es, als ob er deutsch gesprochen hätte.
Österreich reagierte scharf. In Wien fassten der Generalstabschef Franz Conrad (von
Hötzendorf) und unter seinem Einfluss der Aussenminister Leopold Berchtold sofort
nach dem Attentat den Entschluss, den «Königsmord» zum Anlass zu nehmen, die Selbst
ständigkeit Serbiens zu vernichten, sofern das Deutsche Reich dazu Rückendeckung
gewähre. Die beiden waren überzeugt, dass Russland es nicht wagen würde, Serbien bei-
zustehen, wenn es damit das Risiko eines Kriegs mit Deutschland auf sich nehmen müsse.
Ebenso meinten sie, dass Frankreich und erst recht Grossbritannien sich nicht auf einen
Krieg um russische Balkaninteressen einlassen würden.
In der Tat versprachen Kaiser Wilhelm II. und der deutsche Reichskanzler am 6. Juli,
ohne gründliche Prüfung der Probleme, jedes österreichische Vorgehen gegen Serbien voll
zu unterstützen. Das kam einer Blankovollmacht gleich. Wie die Österreicher liessen sich
auch die Deutschen von der Hoffnung leiten, der Konflikt liesse sich auf einen öster
reichisch-serbischen Krieg beschränken. Im Übrigen überwog in Berlin die pessimistische
Ansicht, «bei einem Zusammenbruch der Donaumonarchie, des letzten Bundesgenossen,
eine nicht mehr tragbare Gefährdung der deutschen Zukunft auf sich nehmen zu müssen»,
wie es der deutsche Historiker Hans Herzfeld ausdrückte.
Nach der Zusage der deutschen Rückendeckung konnten weder englische Vermittlungs
versuche noch der Widerstand der Ungarn die Wiener Regierung bremsen. Folgendes Zitat
aus dem Protokoll der österreichisch-ungarischen Ministerratssitzung vom 7. Juli zeigt die
Stossrichtung:
Am 23. Juli richtete Wien ein Ultimatum an Belgrad. Es beinhaltete unter anderem die
Forderung, Serbien müsse die Mitwirkung von österreichischen Polizeibeamten an allen
das Attentat betreffenden Untersuchungen auf serbischem Boden zulassen. Die Annahme
dieser Forderung hätte eine harte Demütigung Serbiens bedeutet. Die serbische Regierung
hatte sich dennoch schon zum Nachgeben durchgerungen, als aus St. Petersburg die
Nachricht eintraf, der russische Kronrat habe beschlossen, Serbien im Kriegsfall zu unter
stützen. Nun wurde das Ultimatum zwar fast in vollem Umfang angenommen, aber die
Duldung österreichischer Polizeiorgane auf serbischem Gebiet durch Vorbehalte abge-
schwächt. Daraufhin brach am 25. Juli Wien die diplomatischen Beziehungen zu Belgrad
ab und ordnete die Teilmobilmachung an. Drei Tage später erfolgte die Kriegserklärung
Österreichs an Serbien.
Prompt folgte nun die russische Mobilmachung. Statt aber das Heer allein gegen Öster
reich-Ungarn zu mobilisieren, befahl die russische Heeresleitung die allgemeine Mobil-
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
machung. Damit waren die letzten Friedenshoffnungen zerstört, denn nun setzte der
unheimliche Mechanismus der militärischen Massnahmen ein. Schon allein die russi
sche Mobilmachung war für das von der Einkreisung bedrohte Deutschland ein Kriegs
grund. Darum versuchte Zar Nikolaus II. auch, die Mobilmachung anzuhalten - vergeblich.
Er musste sich dem Argument beugen, ein solcher Gegenbefehl würde im Militärwesen ein
Chaos verursachen. Im entscheidenden Moment waren es also nicht politische Erwägun
gen, die den Ausschlag für den Krieg gaben, sondern von den Generälen geschaffene mili
tärische Sachzwänge.
Die Sommerwochen im Juli 1914 erlebte der Schriftsteller Stefan Zweig in einem belgi
schen Badeort. Er schreibt:
Aber die schlimmen Nachrichten häuften sich und wurden immer bedrohlicher. Erst das
Ultimatum Österreichs an Serbien, die ausweichende Antwort darauf, Telegramme zwi
schen den Monarchen und schliesslich die kaum mehr verborgenen Mobilisationen. Es hielt
mich nicht mehr länger in dem engen, abgelegenen Ort. Ich fuhr jeden Tag mit der kleinen
elektrischen Bahn nach Ostende hinüber, um den Nachrichten näher zu sein; und sie wur
den immer schlimmer. Noch badeten die Leute, noch waren die Hotels voll, noch drängten
sich auf der Digue promenierende, lachende, schwatzende Sommergäste. Aber zum ersten
Ma! schob sich etwas Neues dazwischen. Plötzlich sah man belgische Soldaten auftauchen,
die sonst nie den Strand betraten. Maschinengewehre wurden - eine sonderbare Eigenheit
der belgischen Armee - von Hunden auf kleinen Wagen gezogen.
Auf die Kunde von der russischen Mobilmachung hin verlangte der deutsche Generalstabs
chef von Moltke die sofortige deutsche Mobilmachung. Gleichzeitig sandte er auf
eigene Faust ein Telegramm an die österreichisch-ungarische Regierung mit dem dringen
den Ersuchen, auch in der Habsburgermonarchie sofort die Generalmobilmachung anzu
ordnen und fügte bei: «Deutschlandgeht unbedingt mit!» Wie schon in Russland liess auch
im Deutschen Reich die politische Führung ihr Handeln von den Generälen bestimmen.
Diese vom Militarismus geprägte Entscheidungsstruktur war charakteristisch für das
wilhelminische Deutschland.
Ein deutsches Ultimatum an Russland mit dem Begehren, die russische Generalmobil
machung sei sofort einzustellen, blieb unbeantwortet. Darauf wurde am 1. August die
deutsche Mobilmachung verkündet; zugleich erklärte das Deutsche Reich Russland den
Krieg. Auf Verlangen des Generalstabs erfolgte zudem am 3. August die Kriegserklärung
an Frankreich, obwohl die französische Regierung nach aussen während der langen Juli
krise Zurückhaltung geübt hatte. Der Grund für diese Kriegserklärung lag wiederum in rein
militärstrategischen Überlegungen, nicht etwa in politischen Erwägungen.
Deutschland sah sich für den Kriegsfall von Feinden sowohl im Osten wie im Westen in die
Zange genommen. Um einem Zweifrontenkrieg zu entgehen, war Folgendes vorgesehen:
Da Russland sein Heer nur sehr langsam mobilisieren konnte, wollte die deutsche Heeres
leitung in einer ersten Kriegsphase mit einem raschen Schlag Frankreich ausschalten.
Dann erst sollte sich die Hauptmacht der deutschen Armeen gegen Russland wenden. Nun
aber hatte Frankreich die Grenze zu Deutschland stark befestigt. Ein vom ehemaligen
Generalstabschef Schlieffen verfasster Plan beinhaltete deshalb den Durchbruch der deut
schen Truppen durch Belgien, um so dem französischen Heer in den Rücken zu fallen. Ent
scheidend für das Gelingen des Schlieffenplans war eine Sammlung fast der ganzen
deutschen Kampfkraft, um den langen Vorstoss über Brüssel nach Paris schnell und über
raschend durchführen zu können.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
Das kleine Belgien, dessen Besetzung der Schlieffenplan vorsah, war ein neutrales Land.
Am 3. August, nach der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich, ermächtigte das
britische Unterhaus die Regierung, ultimativ von beiden Kriegsparteien die Achtung der
belgischen Neutralität zu verlangen. Frankreich hatte schon früher die Bereitschaft
erklärt, dieser Forderung zu entsprechen. Anders das Deutsche Reich: Als am 4. August in
Berlin der britische Botschafter die Forderung seiner Regierung übergab, hatten deutsche
Truppen den Angriff auf die belgische Festung Lüttich schon eröffnet.
Die britische Regierung sah sich unter diesen Umständen genötigt, nun ihrerseits
Deutschland den Krieg zu erklären. Damit hatte das Deutsche Reich nicht bloss einen euro
päischen Nachbarn mehr gegen sich, sondern auch das gesamte riesige, durch eine starke
Flotte erschlossene britische Weltreich mit seinen unerschöpflichen Rohstoffquellen.
Ein Weltkrieg war nun ausgebrochen. Eine Welle von Nationalismus lief durch die Länder
Europas. Sie fegte für einen entscheidenden Augenblick alle andern politischen oder
religiösen Bindungen der Menschen hinweg. Fast niemand wagte den Widerstand gegen
den Marschbefehl. Als es darum ging, die Kriegskredite zu bewilligen, richtete Kaiser
Wilhelm II. am 1. August 1914 folgende Worte an die Abgeordneten des Deutschen
Reichstags:
Kommt es zum Kampf, so hören alle Parteien auf! Auch mich hat die eine oder andere Partei
wohl angegriffen. Das war in Friedenszeiten. Ich verzeihe es heute von ganzem Herzen. Ich
kenne keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle deutsche Brü
der und nur noch deutsche Brüder.
Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das
eigene Vaterland nicht im Stich.
Für den Frieden zwischen den Parteien angesichts des Kriegs wurde in Deutschland der
Begriff Burgfrieden geprägt.
«Indem Menschenstrom wurde Ginster mitgeschleift. Herren mit dicken Schlipsen, Studenten und
Arbeiter sprachen sich an. «Unsere Armeen), sagten sie. «Wir sind überfallen worden, wir werden
es den andern sch on ze igen). S ie ware n auf ein mal ein Volk.» So beschrieb Siegfried K rakauer in
seinem Roman «Ginster» den Mobilmachungstag.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
Das Attentat von Sarajevo und das daran anschliessende, durch deutsche Rückendeckung
abgesicherte österreichische Ultimatum an Serbien waren der Anlass für den Ersten
Weltkrieg, der berühmte Funken, der das Pulverfass zum Explodieren brachte. Davon gilt
es die tieferen Ursachen zu unterscheiden. Der Erste Weltkrieg mit seinen ungeheuren
Opfern und einschneidenden Folgen für das ganze 20. Jahrhundert hat aber auch mehr als
jeder frühere Krieg die Frage nach der Kriegsschuld aufgeworfen.
Auf den ersten Blick scheint die Schuld am Weltkrieg eindeutig bei Deutschland und
Österreich-Ungarn zu liegen, denn von diesen Ländern gingen die entscheidenden Kriegs
erklärungen aus. Das Deutsche Reich Wilhelms II. war 1914 zudem ein militaristischer
Staat. Die Sieger des Ersten Weltkriegs, die westlichen Alliierten, gingen darum in den Frie-
densverträgen 1919/20 von der alleinigen Kriegsschuld der Mittelmächte Deutschland
und Österreich-Ungarn aus. Auch der deutsche Historiker Fritz Fischer vertrat 1961 diese
Extremposition. Seiner These nach war der Erste Weltkrieg ein vom Deutschen Reich von
langer Hand geplanter Eroberungskrieg zur Sicherung der deutschen Vorherrschaft in
Europa. Die Fischer-Thesen blieben aber nicht unwidersprochen.
Es wurde angeführt, dass auch Russland Krieg führte, um unter dem Deckmantel des Pan
slawismus zur Führungsmacht auf dem europäischen Kontinent aufzusteigen. Die russi
schen Eroberungsabsichten richteten sich insbesondere auf das Gebiet Österreich-
Ungarns. Grossbritannien und Frankreich wiederum trugen durch ihre Teilnahme am
Wettrüsten zur erhöhten Kriegsgefahr vor 1914 bei. Ihr militärisches Bündnis bewirkte,
dass im entscheidenden Krisenmoment jener fatale Mechanismus auslöst wurde, der zum
Weltkrieg führte.
Eine Würdigung aller Ursachen und Umstände zeigt schliesslich, dass keine Regierung
wirklich einen Weltkrieg auszulösen gedachte, selbst der deutsche Kaiser und seine Gene
räle nicht. Diese meinten wie die Österreicher, mit dem Vorgehen gegen Serbien bloss das
kalkulierte Risiko eines Lokalkriegs einzugehen. Auch die russische Generalmobilma
chung war lediglich als Druckmittel gedacht, nicht als Kriegserklärung. In der Zeit nach
dem Ersten Weltkrieg fassten manche Stimmen den Krieg als eine Art Verhängnis auf, das
über Europa gekommen sei. Der englische Minister Lloyd George formulierte das so:
Keiner der führenden Männer jener Zeit hat den Krieg tatsächlich gewollt. Sie glitten gewis
sermassen hinein oder besser, sie taumelten und stolperten hinein, vielleicht aus Torheit.
Ob es wirklich richtig ist, die Staatsmänner und Völker so von jeder Verantwortung zu
entlasten und diese auf eine Art von «Schicksal» abzuwälzen, bleibt fraglich. Es fehlte
1914 nicht an Möglichkeiten, bestehende Konflikte auf dem Verhandlungsweg anzugehen
und nach und nach wieder eine Vertrauensbasis aufzubauen. Innenpolitische Probleme
hätten durch Reformen bewältigt werden können, statt sie durch Kriege zu verdrängen.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte lind Ausbruch des Weltkriegs
Sehr gut hat das Thomas Mann in seinem Roman «Der Zauberberg» dargestellt. Hier bricht
der Krieg in den Alltag reicher Patienten eines Lungensanatoriums im schweizerischen
Davos ein. Die Hauptperson, ein junger Mann, der sieben Jahre in der Höhenklinik zuge
bracht hat, will sich als Kriegsfreiwilliger stellen und sieht einem baldigen Heldentod ent
gegen:
Er sah sich entzaubert, erlöst, befreit... Aber wenn auch sein kleines Schicksal vor dem all
gemeinen verschwand, - drückte nicht dennoch etwas von persönlich gemeinter und also
göttlicher Güte und Gerechtigkeit sich darin aus? Nahm das Leben sein sündiges Sorgen
kind noch einmal an ... im Sinne einer Heimsuchung, die vielleicht nicht Leben, aber gerade
in diesem Falle drei Ehrensalven für ihn, den Sünder, bedeutete ... Fünftausend Fuss tief
stürzte das Völkchen derer hier oben sich kopfüber ins Flachland der Heimsuchung, die
Trittbretter des gestürmten Zügleins belastend, ohne Gepäck, wenn es sein musste ...
Um das besser zu verstehen, müssen Sie sich zwei Dinge vor Augen halten:
• Die Europäer wussten 1914 nicht mehr, was Krieg bedeutet. Die letzten Kriege auf dem
Kontinent waren lange her und von kurzer Dauer gewesen.
• Zudem hatte wohl kaum jemand einen Begriff davon, wie die moderne Technik die
Kriegsführung verändert hatte, welche Schrecken ein moderner Krieg bringen konnte.
Die folgenden vier Jahre zeigten dann in aller Deutlichkeit die Zerstörungsgewalt der
neuen Waffen und technischen Mittel.
Zusammenfassung Der Imperialismus aller Grossmächte hatte bis 1912 zu verschärften internationalen
Spannungen geführt, wobei in Europa das Deutsche Reich in alle bestehenden Konflikte
verwickelt war. Der gefährlichste Krisenherd war der Balkan, das Pulverfass Europas.
1912 und 1913 kam es dort zu zwei Kriegen, in die Österreich-Ungarn und Russland ein
greifen wollten. Diese beiden Grossmächte konnten nur dank einer vernünftigen Zusam
menarbeit zwischen Deutschland und Frankreich gebremst werden. Die beiden Kriege blie
ben somit auf den Balkan beschränkt.
Auch nach dem Ende der Balkankriege bestanden die Spannungen unter den europäischen
Mächten weiter. Vielerorts musste ein überspitzter Nationalstolz als Ersatz für fehlende
soziale Gerechtigkeit und Demokratie herhalten. Die Welle des Nationalismus in Europa
wurde von einem allgemeinen Wettrüsten begleitet. Eine besonders riskante Aussenpoli
tik betrieben die in ihrem Bestand bedrohten Monarchien Österreich-Ungarn und Russland.
Ende Juni 1914 wurde in Sarajevo der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand durch
einen serbischen Attentäter ermordet. Österreich-Ungarn reagierte mit einem scharfen
Ultimatum an Serbien und forderte eine Untersuchung durch österreichische Polizeiorgane
auf serbischem Gebiet. Serbien meldete, gestärkt durch russische Unterstützung, Vorbe
halte an. Daraufhin erklärte die Donaumonarchie mit der deutschen Unterstützung im
Rücken Serbien den Krieg. Russland ordnete die allgemeine Mobilmachung an.
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Geschichte des 20 Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
Die entscheidenden Kriegserklärungen gingen von Deutschland aus. Insofern wiesen die
westlichen Alliierten mit Recht die Kriegsschuld den Mittelmächten zu. Festzustellen ist
aber, dass weder die deutschen noch die österreichischen Generäle einen Weltkrieg aus
lösen wollten und dass es bei allen Kriegsparteien Schuld und Versagen gab. Ein überstei
gerter Nationalismus und eine eigentliche Kriegsbegeisterung lähmten den Verstand vieler
Menschen überall in Europa. Somit lässt sich eine eindeutige Schuldzuweisung für den
Ersten Weltkrieg schwer machen.
Aufgabe 1 Welches Land in Europa war zwischen 1900 und 1914 in alle bedeutenden Konflikte auf
dem Kontinent verwickelt?
Aufgabe 5 Welche Entwicklung auf dem Balkan konnten deutsche und französische Aussenpolitiker
durch eine Zusammenarbeit verhindern?
Aufgabe 9 Füllen Sie im unten stehenden Text die richtigen Begriffe in die Lücken ein:
Aufgabe 13 Im Juli 1914 ging folgende telegrafische Anweisung an einen ausländischen Botschafter
in Wien:
... Was endlich Serbien aniange, so könne Seine Majestät zu den zwischen Öster
reich-Ungarn und diesem Lande schwebenden Fragen naturgemäss keine Stellung neh
men, da sie sich Seiner Kompetenz entzögen. Kaiser Franz Joseph könne sich aber darauf
verlassen, dass Seine Majestät im Einklang mit seinen BündnispfUchten und seiner alten
Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns stehen werde.
A] Wer ist im Text mit «Seine Majestät» gemeint? Wer also gelangt über seinen Botschaf
ter an Kaiser Franz Joseph?
Aufgabe 17 Was stimmt? Zar Nikolaus II. machte die russische Mobilmachung nicht rückgängig, weil:
A] die Gefahr eines Kriegs zwischen Deutschland und Russland bereits zu gross war.
C] weil dadurch in der russischen Armee ein Durcheinander geschaffen worden wäre.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs
Aufgabe 21 Nennen Sie in chronologischer Reihenfolge die entscheidenden Ereignisse und Regie-
rungsentscheidungen, die nach dem 28. Juni 1914 dazu führten, dass sich der Lokalkon-
flikt auf dem Balkan zu einem Weltkrieg ausweitete. Benutzen Sie unten stehende Stich
wörter:
1. Vorbehaltlose Unterstützung
2. Österreichischesan Serbien.
3. Russische Unterstützung
4Kriegserklärung
5Generalmobilmachung.
6. Deutsche Kriegserklärungen
7. Verletzung der belgischen
8. Britischean Deutschland.
Aufgabe 2 Durch welche im Sommer 1914 unternommenen Schritte trugen die unten stehenden
Mächte entscheidend zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs bei? Füllen Sie Stichwörter in
unten stehende Tabelle ein:
2 Der Kriegsverlaut
Bei der nun folgenden Beschreibung des Kriegsverlaufs werden wir uns weder mit kompli
zierten Schlachtberichten noch eingehend mit militärtechnischen Problemen befassen. Es
geht vielmehr darum, dass Sie nach dem Durcharbeiten dieses Kapitels wissen, in welchen
Etappen der Erste Weltkrieg verlief, wo die wichtigsten Kriegsschauplätze lagen und vor
allem, wie sich der Charakter des Kriegs durch die Industrialisierung und die moderne
Technik veränderte.
Gemäss dem Schlieffenplan zog das Deutsche Reich zu Beginn des Kriegs seine Truppen
im Westen zusammen. Der Vorstoss erfolgte über das Gebiet des neutralen Belgien. Die
deutsche Armee erwies sich in den ersten vier Kriegswochen den Gegnern im Westen als
massiv überlegen. Ihr Vormarsch verlief fast reibungslos und die Franzosen und das
kleine britische Expeditionskorps mussten sich unter Verlusten zurückziehen.
Anfangs September überschritten deutsche Truppen östlich von Paris die Marne. Der Sieg
schien zum Greifen nah. Da brachte eine französische Gegenoffensive den deutschen
Vormarsch überraschend zum Stehen.
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Geschichte des 20, Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Aus Paris war nämlich französische Verstärkung mit 3000 beschlagnahmten Taxis an die
Front gefahren worden, denn die Armee selber verfügte noch kaum über eigene Motor
fahrzeuge. Der gesamte britische Bestand an Kraftwagen betrug beispielsweise bei Kriegs
ausbruch bloss 827 Stück. Jetzt aber hatte sich zum ersten Mal gezeigt, was der motori
sierte Transport in Zukunft bedeuten würde. Die verlustreiche Schlacht an der Marne
bedeutete das Scheitern des Schlieffenplans. Es war nicht gelungen, mit einem kurzen,
schnellen Vorstoss Frankreich zu unterwerfen. Die deutschen Truppen mussten sich nun
sogar ein Stück zurückziehen. In Frankreich sprachen die Leute vom «Wunder an der
Marne».
DovGr
Dünk. Antwerpen
Calais
Brüssel Lüttich'
5. Armee
6. Armee
Reims,
■\
•8. Arnwe
7. Armee
♦ Paris,
Briten
*4| 5. Armee
Ursprünglich
von Schlieffen
geplante
Ausholbewegung
Belfort O
Beide Seiten machten in der Folge den Versuch, durch neu aufgestellte Verbände die Front
nach Norden zu verlängern, um so den Gegner zu überflügeln und damit zum Bewegungs
krieg zurückzukehren. In diesem Wettlauf zum Meer gelang es jedoch keiner Partei, einen
entscheidenden Vorsprung zu erzielen. Bei Ypern in Flandern kam es dabei wieder zu ver
lustreichen Kämpfen.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Knegsverlauf
Von Ende 1914 an lagen sich Deutsche und Alliierte in zusammenhängenden Befesti-
gungslinien gegenüber, die sich von der Schweiz im Süden bis zur flandrischen Küste im
Norden hinzogen. Der anfängliche Bewegungskrieg war zum Stellungskrieg erstarrt. Die
Armeen gruben sich je länger je mehr in Schützengräben und Unterständen ein. Dabei
zeigten sich Truppen in der Verteidigung dank der grossen Feuerkraft moderner Waffen,
besonders des Maschinengewehrs, den angreifenden Fusstruppen überlegen.
(2-3] Kräfteverhältnis zwischen Entente und Mittelmächten bei Ausbruch des Kriegs
Im Osten rückten die Russen auf das dringliche Ersuchen des arg bedrängten Frankreich
gegen Ostpreussen und Galizien vor, ohne die vollständige Mobilmachung abzuwarten.
Die Deutschen hatten an der Ostfront nur wenig Truppen zur Verfügung, die Hauptkraft
des Heers war ja im Westen konzentriert. Dennoch gelangen der zahlenmässig stark unter
legenen, jedoch besser gerüsteten und geführten deutschen Armee unter General Paul
von Hindenburg und Stabschef Erich Ludendorff zwei spektakuläre Erfolge. In Ost
preussen, in den Schlachten von Tannenberg und an den Masurischen Seen, wurden
zwei russische Armeen geschlagen. Dieser Sieg bildete die Grundlage für den grossen Ein
fluss, den Hindenburg und Ludendorff fortan auf die deutsche Politik ausübten.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Der deutsche Erfolg wurde von der Niederlage der österreichisch-ungarischen Armee
in Galizien überschattet. Statt das Deutsche Reich zu entlasten, brauchten die Österrei
cher fortan dessen Unterstützung.
Ab Ende 1915 erstarrte auch an der Ostfront der Bewegungskrieg zu einem Stellungs
krieg, und zwar längs einer Linie, die der späteren polnisch-russischen Grenze von 1920
entsprach.
Grenzen 1914
Russische Angriffs
armeen im August
und September 1914
Angriffe der
Mittelmächte
Rumänien
(1914 noch neutral)
Russisches Vordringen
bis Dezember 1914
A
Karpaten passe von
strategischer Bedeutung
Die Donaumonarchie stand ihrerseits wegen des Kriegs mit Serbien in einem Zweifron-
tenkampf. Serbien vermochte sich über ein Jahr lang erfolgreich zu halten. Erst der
Kriegseintritt Bulgariens auf österreichischer Seite und das Eingreifen einer deutschen
Armee zwangen die Serben zum Rückzug nach Albanien und auf die griechische Insel
Korfu. Serbien wurde besetzt, die Regierung ging ins Exil.
Die Westfront zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich sowie die Ostfront zwischen
Russland und den Mittelmächten waren die wichtigsten Kriegsschauplätze. Gleichzeitig
aber eröffneten sich an vielen weiteren Orten innerhalb und ausserhalb Europas neue Fron
ten; immer mehr Länder wurden in den Krieg gezogen, bis alle Kontinente am Krieg betei
ligt waren.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Grossbritannien griff von Kuwait aus die türkischen Stellungen in Mesopotamien an. Teil
weise konnten die Briten auf die Unterstützung der Araber zählen, denen sie einen unab
hängigen Staat versprachen. Es gelang dem britischen Expeditionskorps, bis 1917 Bagdad
und in Palästina Jerusalem und Jaffa einzunehmen. Die Juden brachte der britische
Aussenminister Balfour auf seine Seite, indem er ihnen eine «nationale Heimstätte» in
Palästina in Aussicht stellte. Dieses Versprechen nennt man nach diesem Mann die Bal
four-Deklaration.
PERSIEN
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ARABIEN
ÄGYPTEN Alexandria
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Türkische Vorstösse Alliierte Vorstösse ■■■• Fronten 1917 - ■ Fronten Anfang 1918
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
2.3.2 Italien
Noch 1914 war Italien auf dem Papier durch den Dreibund mit Deutschland und Öster
reich-Ungarn verbündet. Weit mehr Gewicht als diesem brüchigen Bündnis kam aber den
handfesten Gegensätzen zu, die Italien vor allem von Österreich-Ungarn trennten. Schon
seit Langem forderten die Italiener den Anschluss der österreichischen Gebiete mit italie
nischer Bevölkerung: Trient, Triest, Istrien und (aus strategischen Gründen) das deutsch
sprachige Südtirol. Auf solche Forderungen war die Donaumonarchie nie eingegangen.
Da die Ententemächte Italien diese Gebiete als Siegespreis in Aussicht stellten, trat das
Land 1915 auf der Seite der Alliierten in den Krieg ein. Bald kämpften Österreicher und
Italiener am Grenzfluss Isonzo in einem verbissenen Stellungskrieg gegeneinander.
An der Westfront gab es um 1915 keine Möglichkeit für die Alliierten, die Deutschen
zurückzudrängen. Deshalb wagten die Briten in diesem Jahr den Versuch, Truppen auf
dem Balkan zu landen und eine neue Front gegen die Mittelmächte zu eröffnen. Doch die
britische Landung auf der türkischen Halbinsel Gallipoli scheiterte kläglich.
Erst 1917, nachdem Griechenland und die USA aufseiten der Entente in den Krieg einge
treten waren, hatte eine britisch-französische Landungsoperation bei Thessaloniki mehr
Erfolg. Diese Balkanfront band fortan beständig deutsche und österreichische Kräfte. Hier
wurde auch bei Kriegsende die Entscheidung eingeleitet.
2.3.4 Rumänien
Aus ähnlichen Gründen wie Italien trat im Sommer 1916 Rumänien auf der Seite der
Entente in den Krieg. Es erhoffte sich, das teilweise von Rumänen besiedelte Sieben
bürgen zu gewinnen, ein Gebiet das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. Rumänien war
als Getreide- und Erdöllieferant für die Mittelmächte von grosser Bedeutung. Ludendorff
sagte später: «Wie sollten wir, was ich nun ganz klar sah, ohne das Getreide und Öl Rumä
niens leben und Krieg führen?»
Die Deutschen konnten bereits im Winter 1916 die Rumänen entscheidend zurückdrän-
gen. Britischen Sabotagetruppen gelang es jedoch, die Ölförderungsanlagen von Ploesti
wenige Stunden vor dem Eintreffen der Deutschen zu sprengen und in Brand zu stecken.
Damit verringerte sich der Kriegsgewinn des Deutschen Reichs erheblich.
Die Mittelmächte wurden von den Ententemächten nicht nur an den Fronten auf dem Fest
land bekämpft, sondern auch durch eine Seeblockade von den Rohstoffquellen und über
seeischen Agrarmärkten abgeschnitten.
Im Winter 1914 erklärte die britische Regierung die Nordsee zum Kriegsgebiet. Der Han
del neutraler Staaten war fortan gezwungen, von Grossbritannien festgelegte Seerouten zu
befahren, die von der britischen Flotte überwacht wurden. Der gesamte Überseehandel
geriet dadurch unter britische Kontrolle. Dieselbe Massnahme erfolgte nach dem Kriegs
eintritt Italiens im Mittelmeer durch die französische und italienische Flotte.
Gegen diese Blockade kam die herkömmliche deutsche Kriegsflotte nicht an. Die ausser
halb Europas operierenden deutschen Verbände wurden von den Alliierten äusser Gefecht
gesetzt. Daraufhin lag der Rest der mit grossem Aufwand aufgebauten Flotte während des
Kriegs untätig in den Ostseehäfen. Die deutsche Seekriegsleitung versuchte aber, mit neu
entwickelten Unterseebooten eine Gegenblockade gegen Grossbritannien aufzubauen.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Deutsche U-Boote auf dem Atlantik griffen nicht nur Kriegsschiffe, sondern auch unbe
waffnete Handelsschiffe an, wenn sie annahmen, dass diese Kriegsgüter für die Entente
mitführten. In der Tat lieferten besonders die Vereinigten Staaten mit ihrer Handelsflotte
grosse Mengen von Kriegsmaterial an Grossbritannien. Dennoch verstiess die Versenkung
unbewaffneter Schiffe eindeutig gegen das Völkerrecht.
1915 wurde das britische Passagierschiff Lusitania, das Munition an Bord führte, von deutschen
U-Booten versenkt. Dabei kamen 1198 Menschen um, darunter auch 128 Amerikaner. Inwieweit
der Munitionstransport auf dem Passagierschiff eine bewusste Provokation war, um letztlich die
Amerikaner in den Krieg zu ziehen, wurde nie restlos geklärt. Bild: Bundesarchiv, DVM 10
Bild-23-61-17/CC-BY-SA
Die USA verurteilten den U-Boot-Krieg der deutschen Marine aufs Schärfste. Auf amerika
nischen Druck hin stellte das Deutsche Reich 1916 die Angriffe auf Handelsschiffe vorü
bergehend ein, erklärte aber nach dem schwierigen Winter von 1916/17 erneut den unein
geschränkten U-Boot-Krieg auf dem Atlantik. Der amerikanische Kriegseintritt auf der
Seite der Entente wurde damit bewusst in Kauf genommen.
In den über Asien und Afrika verstreuten deutschen Kolonien standen die deutschen Trup
pen überall isoliert einer Übermacht gegenüber. So wurden die meisten dieser Gebiete im
Verlaufe des Jahrs 1914 von den Ententemächten besetzt. In Kamerun konnten sich die
deutschen Kolonialtruppen bis 1916 halten. Bei Kriegsende war nur noch Deutsch-Ost-
afrika, heute Tansania, in deutscher Hand.
Kiautschou, der deutsche Stützpunkt in China, wurde schon 1914 von den mit Grossbri
tannien verbündeten Japanern besetzt. Japan benutzte diese Eroberung dazu, seinen Ein
fluss auf China zu vergrössern. Sonst beteiligte sich Japan kaum am Kriegsgeschehen.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
In den Jahren 1915 bis 1917 wurde an der Front in Nordfrankreich und in Flandern sowohl
von deutscher als auch von alliierter Seite immer wieder versucht, unter hohen Opfern
einen Durchbruch und somit eine Kriegsentscheidung zu erzwingen. Dabei wurden
immer grössere Mengen von Material eingesetzt, wurde durch immer schwereres Trom
melfeuer der Artillerie die für den Durchbruch ausgewählte Stelle sturmreif geschossen.
Der Artilleriebeschuss konnte sich über mehrere Wochen erstrecken und liess keine Hand
breit des Zielgebiets aus. Folgende Aufzeichnung eines deutschen Infanteriesoldaten
beschreibt die Wirkung des Trommelfeuers:
Krankenträger, die vom Fort Vaux herabkommen und einen Verwundeten tragen, werden
etwa zehn Meter vor uns durch eine Granate verwundet. Etwas yveiter vorn bleiben wir vor
etwa zwanzig toten Soldaten stehen. Es sind MG-Schützen. Sie liegen neben ihren zersplit
terten Maschinengewehren, den Inhalt der Munitionskästen um sich herum verstreut. Viele
sind von den Granaten immer wieder umgedreht, getroffen und zerrissen worden, und bald
wird von diesen armseligen Körpern nichts mehr übrig bleiben.
Dann begann an einem vorher festgelegten Tag im Morgengrauen der Sturmangriff der
Infanterie. Immer wieder vergebens wurden Tausende von Männern gezwungen, unter
Maschinengewehrbeschuss des Feinds in den Stacheldraht der gegnerischen Stellung zu
stürmen. Die wenigsten überlebten: «Die Infanterie trägt die Hauptlast des Kampfes und
bringt die grössten Opfer, dafür winkt ihr auch der grösste Ruhm», stand in einem alten
Exerzierreglement der Deutschen Armee.
Ein Durchbruch konnte nirgends erzielt werden. Selbst zahlenmässig weit unterlegene
Truppen erwiesen sich in der Verteidigung als stärker. Gegen das Trommelfeuer schütz
ten sie sich dadurch, dass sie ihre Unterstände immer tiefer in den Boden eingruben und
mit dicken Balkendecken und Erdschichten schützten. Auch die nach 1914 aufkommen-
den neuen Waffen brachten auf die Dauer eher den jeweiligen Verteidigern und nicht den
Angreifern einen Vorteil. Neu eingesetzt wurden Flammenwerfer, Handgranaten und Ende
1914 von den Deutschen zum ersten Mal Gas.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Der französische General Henri Mordacq berichtet über den Einsatz von Giftgas bei Ypern
durch die Deutschen am 22. April 1915:
Ich stieg sofort zu Pferd und galoppierte in die Gräben. Man konnte am Ufer des Kanals nur
noch eine gelbliche Rauchwolke erkennen. Als wir uns aber auf 300 oder 400 Meter
genähert hatten, fühlten wir heftiges Prickeln in der Nase und Kehle, in den Ohren sauste
es; das Atmen fiel schwer, ein unerträglicher Chlorgeruch umgab uns. In der Nähe des
Dorfes war das Bild, das sich bot, mehr als bedauernswert - es war tragisch. Überall Flüch
tende: Landwehrleute, Afrikaner, Schützen, Zuaven und Artilleristen ohne Waffe, verstört,
mit ausgezogenen Röcken und abgenommener Halsbinde, liefen wie Wahnsinnige ins
Ungewisse, verlangten laut schreiend nach Wasser, spuckten Blut, einige wälzten sich
sogar am Boden und versuchten vergeblich, Luft zu schöpfen. Der Versuch, die Flüchtenden
aufzuhalten, war vergebliche Mühe.
Im Jahr 1916 ordnete die oberste deutsche Heeresleitung unter Generalfeldmarschall Erich
von Falkenhayn einen Angriff von noch nie gesehener Heftigkeit auf die französische Fes
tung Verdun an. Ziel des Angriffs war es, die Franzosen «auszubluten». Falkenhayn ging
von der zynischen Überlegung aus, dass Deutschland mit seinen 65 Millionen Einwohnern
die hohen Verluste eher verkraften könne als Frankreich mit nur 40 Millionen und einer viel
geringeren Geburtenziffer.
Die «Hölle von Verdun» dauerte fünf Monate. Die Schlacht forderte den schrecklichen Blut
zoll von insgesamt 600000 Toten und Verwundeten. Als der deutsche Angriff abgewehrt
war, lagen um Verdun auf jeder Hektar Land 50 Tonnen Stahl von krepierten Granaten. Bei
der Verteidigung von Verdun erwarb sich General Philippe Petain grosses Ansehen in
Frankreich.
Die alliierte Entgegnung auf Verdun war eine Offensive an der Somme, in der Picardie,
etwa 100 Kilometer von der Kanalküste. Was sich in der Schlacht an der Somme
abspielte, übertraf die Schrecken von Verdun noch.
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Geschichte des 20, Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Als Vorbereitung für die Offensive waren auf der Seite der Entente in monatelanger Arbeit
Strassen gebaut und Munitionslager angelegt worden. Während der Kämpfe wurden
ganze Wälder niedergemäht und Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Die Schlacht kos
tete die Entente unvorstellbare Opfer. Division um Division blutete aus. Allein am ersten
Kampftag war rund die Hälfte der britischen Sturmtruppen gefallen, der grösste Teil im
Granaten- und Bombenhagel der «Dicken Berta», der nach der Frau des deutschen Waf-
fenfabrikanten Krupp benannten Monsterkanone. Nach monatelangen Kämpfen war die
deutsche Front 12 Kilometer zurückgewichen. Jeder eroberte Quadratkilometer hatte die
Angreifer 2 500 Tote gekostet. Schliesslich, als der deutsche Widerstand erschöpft schien,
prasselte einen Monat lang der Herbstregen nieder. Der alliierte Vorstoss blieb endgültig
im Schlamm stecken.
Das Trauma von Verdun und der Misserfolg an der Somme hatten auf Frankreich für
Jahrzehnte ihre Nachwirkung. Das Erlebnis dieser Schlachten zementierte die Angst vor
Deutschland, den Glauben an die Überlegenheit der Verteidigung, den Mythos der Fes
tung, auch den Mythos von Petain als «Retter Frankreichs». Viele der späteren Ereignisse
des Zweiten Weltkriegs haben im Kriegsjahr 1916 ihren Ursprung.
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Alle industriellen Anlagen, die mittelbar oder unmittelbar der Rüstung dienten, mussten
rasch vergrössert und modernisiert werden. Das stellte besonders die Mittelmächte und
Russland, aufgrund der durch die Seeblockade erzwungenen Abschottung vom Welt
markt, vor enorme Probleme. Die Marktwirtschaft konnte unter diesen Umständen nicht
mehr funktionieren. An ihre Stelle trat ein System staatlicher Bewirtschaftung, um in ers
ter Linie die Versorgung der kämpfenden Truppen sowie der Rüstungsindustrie und erst in
zweiter Linie der Zivilbevölkerung sicherzustellen.
Das Deutsche Reich war als industrialisiertes und dicht bevölkertes Land auf die Einfuhr
von Rohstoffen angewiesen. 1913 wurden das zur Pulverherstellung benötigte Salpeter,
ferner Mangan und Kautschuk vollständig importiert, Baumwolle, Wolle und Kupfer zu
90%, Leder zu 65% und Eisenerze zu 50%. Die Versorgung mit schwedischem Eisenerz
konnte aufrechterhalten werden. Kohle war genügend vorhanden. Die in Deutschland
besonders entwickelte chemische Industrie war zudem imstande, für einige Rohstoffe
Ersatzstoffe herzustellen, etwa Kunstdünger oder als Ersatz für Baumwollstoffe Verbands
stoff aus Zellwolle auf der Grundlage der Holzverwertung.
Die britische Schwerindustrie hatte zwar schon Jahrzehnte zuvor ihre weltweit führende
Stellung eingebüsst, doch war sie noch immer zu besonderen Leistungen imstande. Sie
entwickelte ein neues Kampfmittel, das dem Krieg ab 1917 ein ganz neues Gesicht geben
sollte: den Kampfpanzer oder Tank. Ferner gelang es den britischen Werften zusammen
mit neutralen Schiffsbauern, die zeitweise enormen Schiffsverluste infolge des U-Boot-
Kriegs fortwährend auszugleichen.
Ein Problem für sich war die Finanzierung des Kriegs. Frankreich und Grossbritannien
verfügten über beträchtliche Vorräte an Gold und Devisen. Später stand ihnen der Kapi
talmarkt der Vereinigten Staaten offen. Dazu konnte ihre Wirtschaft dank der Einfuhren
aus Übersee einigermassen das Gleichgewicht halten, sodass die Währungen, Pfund Ster
ling und französische Franken, ihren Wert behielten.
Die blockierten Mittelmächte sowie Russland hingegen mussten eine grosse innere
Verschuldung auf sich nehmen. Das bedeutete, dass diese Länder einerseits versuchten,
bei ihren Bürgern Kriegsanleihen aufzunehmen, andererseits den Geldumlauf durch Aus
gabe von zusätzlichem Papiergeld vermehrten. Diese zweite Massnahme verstärkte die
ohnehin durch den Warenmangel verursachte Teuerung. Die Teuerung barg die Gefahr
sozialer Spannungen in sich, da nicht alle Bevölkerungsschichten gleich davon betroffen
waren. Alle Staaten, die zu den Verlierern des Kriegs gehörten, hatten an dessen Ende völ
lig zerrüttete Währungen, was einem Staatsbank™« gleichkam.
Nicht nur die Soldaten an der Front, sondern auch die Menschen in der Heimat erfuhren
durch den Krieg eine einschneidende Veränderung ihrer Lebensweise. Der Alltag der Zivil
bevölkerung wurde dabei so sehr durch den Krieg geprägt, dass man in Deutschland
begann, von einer Heimatfront zu sprechen. Schon im August 1914 wurde der erfolg
reiche Unternehmer Walter Rathenau beauftragt, für die Sicherstellung und optimale Ver
teilung kriegswichtiger Rohstoffe zu sorgen. Für die planmässige Verteilung der Güter ver
wendete man den Begriff Rationierung.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Die Rationierung der Lebensmittel für die Zivilbevölkerung erfolgte dagegen nur zögernd.
Es bedurfte jeweils einer spürbaren Verknappung eines Produkts, bis die Behörden sich um
eine gerechte Zuteilung bemühten. Dann allerdings war es meistens zu spät. Hamster
käufer hatten bei der Verknappung des Nahrungsmittels bereits die noch verfügbaren
Lagerbestände der Verteilung entzogen. Vor den Folgen von Versorgungsengpässen
warnte Ende 1915 ein Berliner Polizeibeamter:
Ebenso wurde versäumt, durch die richtigen Weisungen an die Bauern die Lebensmittel
erzeugung rechtzeitig zu steuern. 1913 erzeugte Deutschland noch 90% des im Land
benötigten Brotgetreides selber. Während des Kriegs fielen die Ernteerträge laufend, bis
1917 auf gut die Hälfte von 1913. Viel zu lange setzten die Bauern zudem Getreide und Kar
toffeln als Viehfutter ein. Erst vom Frühjahr 1916 an ging der Viehbestand auf ein vernünf
tiges Mass zurück. Der nun folgende Mangel an Milch wirkte sich aber nachteilig auf die
Volksgesundheit aus.
Koblriiben-Karte
— Stabt ffirfuri —
2 tJfunb 2 Vfuub
Sol) trüben Äoljlrüben
31. 2Dod)« 32. Mod)«
II HWIfjlllJ u-ii.m«) im
2 «Pfunb 2 MJfunb
Sofjlrüben Äo^lrüben
29. Modi« 311. SUodit
I. II. ■U|lfl> ii.-i7.n>iiiin
2 Vfnnb 2 'tJfunb
Soljtrüben So^lrüben
27. Mod)« 2H. Mod)«
II. II. arbrirar Illi HW’ ISltillli
2 'JJfnnb 2 ’JJfunb
Soljlrüben ßo^lrüben
25. aUort). 211. 'Mod)«
i ii jiuwr m; II i; Ifttaor in:
Als schliesslich im Herbst 1916 die Kartoffelernte mager ausfiel, bedeutete das eine Kata
strophe für die Bevölkerung. Kohlrüben mussten als Hauptnahrungsmittel die Menschen
über den Winter bringen. Der Winter 1916/17 ist als Rübenwinter oder Hungerwinter in
die Geschichte eingegangen. Es gab Kohlrübensuppe, Kohlrübenmarmelade, Kohlrüben
kaffee. Bei einer wöchentlichen Ration von einem Kilo Kohlrüben pro Kopf starben ältere
und kranke Menschen an Unterernährung.
Die Kriegsnot veränderte das soziale Gefüge der Gesellschaft. Als besonders einschnei
dend erlebte die Mittelschicht, die sich damals schon an einen gehobenen Konsum
gewöhnt hatte, die Rationierung. Die Arbeiter dagegen hatten wohl schon immer nahe am
Existenzminimum gelebt, litten nun aber unter der starken Lebensmittelteuerung und dem
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Wucher. Es waren auch die Arbeitermänner, die am meisten Infanteristen stellten und den
höchsten Blutzoll im Krieg entrichteten. Allerdings konnte es sich die politische und militä
rische Führung nicht leisten, die Arbeiterschaft während des Kriegs gegen sich aufzubrin-
gen. Zu sehr war die Kriegführung auf ihre Produktionsleistung angewiesen. Das stärkte
die politische Stellung der Arbeiter und steigerte ihr Selbstbewusstsein. So nivellierte der
Krieg insgesamt das Sozialgefälle nach unten.
Die Frauen kamen im Krieg in eine ganz ähnliche Lage wie die Arbeiter. Sie litten einerseits
doppelt unter den Entbehrungen des Kriegs. Ihre Kinder bekamen die Überlastung der
Mütter durch die Fabrikarbeit und die mühsame Beschaffung von Lebensmitteln zu spü
ren. Anderseits übernahmen die Frauen in der Produktiom die Arbeit der Männer, die
wegen des Kriegs ausgefallen waren. Die Rüstungsindustrie und das gesamte zivile Leben
wäre ohne harte Frauenarbeit in Fabriken bei heraufgesetzten Arbeitszeiten zusammenge
brochen. Aus dieser Tatsache schöpften die Frauen ein neues Selbstwertgefühl, das viele
von ihnen in den Anspruch nach Gleichstellung mit den Männern umsetzten.
Die verstärkten politischen Ansprüche der Arbeiterschaft, der Verlust der bisher innege
habten Vorrangstellung, vor allem aber der Wertvertust der Währung und damit aller Geld
anlagen und der aus Patriotismus gezeichneten Kriegsanleihen führten gegen Kriegsende
zu einer zunehmenden Verbitterung des deutschen Bürgertums.
Die Bauern waren als Selbstversorger bessergestellt als die Bewohner der Städte. Viele
von ihnen bereicherten sich durch den Verkauf von Lebensmitteln an reiche Städter, die
regelrechte Hamsterfahrten auf das Land unternahmen. Dennoch drückte der Krieg auch
die Bauern. Ein Erlebnisbericht eines Sozialdemokraten gibt darüber Auskunft:
Nach Einbruch der Dunkelheit sass die Familie im Wohnzimmer; der Bauer las aus der Bibel
vor, sonst sprach kaum jemand ein Wort. Die Mädchen lauschten dem Gesang der Russen
(als Landarbeiter beschäftigte Kriegsgefangene), der aus der Scheune herüberklang.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Nach einigen Tagen, nach dem Abendessen, die Mädchen waren schlafen gegangen,
erzählte der Bauer von seinen Sorgen, die ich meiner Mutter berichten sollte. Der Bauer
wusste nicht, ob seine beiden Söhne noch lebten, sie hatten seit zwei Jahren nicht geschrie
ben. Er glaubte, dass das Regiment ihn doch benachrichtigen würde, falls die Söhne gefal
len oder in Kriegsgefangenschaft geraten sein sollten. Die Frau des Bauern sagte, dass auch
die Töchter ihr Sorge bereiteten. Sie seien schon Mitte zwanzig und fänden keine Männer.
Die jungen Männer aus den umliegenden Dörfern und Gehöften seien im Kriege gefallen
oder in Kriegsgefangenschaft. Hinzu kam allmählich die Angst wegen der russischen Kriegs
gefangenen, die Mädchen schauten zu viel zu ihnen hinüber.
Es gab im Krieg schliesslich eine kleine Minderheit sozialer Aufsteiger. Dazu gehörten
zum einen die Rüstungsindustriellen, zum anderen Kriegsgewinnler, die mit Schmuggel,
Schwarzmarkt und allerlei Schiebereien ihr Vermögen verdienten. Solche Leute schämten
sich auch nicht, ihren Reichtum vor aller Augen zu verprassen. Die Polizei konnte ange
sichts der Güterknappheit wenig gegen die Schwarzhändler unternehmen. Ohne sie wäre
in gewissen Bereichen der Güterstrom ganz versiegt.
Diese Erscheinungen und Probleme, die Sie nun am Beispiel des Deutschen Reichs ken-
nengelernt haben, kamen ähnlich auch in allen anderen am Krieg beteiligten Ländern vor.
Auch die neutralen Staaten in Europa wurden von Güterknappheit, Teuerung und Speku
lation betroffen. Mehr als je zuvor in der Geschichte wurde der Erste Weltkrieg letztlich auf
grund wirtschaftlicher Überlegenheit, nicht durch siegreiche Schlachten entschieden.
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Zusammenfassung Der Schlieffenplan scheiterte in der Marneschlacht. Es gelang Deutschland nicht, Frank
reich entscheidend zu besiegen. Stattdessen erstarrte der Bewegungskrieg Ende 1914 zu
einem Stellungskrieg auf einer Linie von der Schweiz zum Ärmelkanal. Im Osten geschah
nach unerwarteten Abwehrerfolgen der Deutschen unter General von Hindenburg und
Stabschef Ludendorff dasselbe. Serbien konnte unter Mithilfe Bulgariens und einer deut
schen Armee von Österreich-Ungarn besetzt werden.
Das Osmanische Reich kämpfte erfolglos auf der Seite der Mittelmächte gegen die Russen
und die Briten. Grossbritannien wurde im Verlaufe der Auseinandersetzung zur vorherr
schenden Macht im Nahen Osten und versprach in diesem Gebiet sowohl den Arabern
wie den Juden einen unabhängigen Nationalstaat.
Italien, der Balkan und Rumänien waren die Nebenkriegsschauplätze des Kriegs in
Europa. Italien trat im Frühjahr 1915 gegen Österreich-Ungarn in den Krieg ein, in der Hoff
nung, die italienischsprachigen Gebiete Österreichs und Südtirol zu gewinnen. Rumänien,
wichtig wegen seines Öl- und Getreidereichtums, stellte sich wegen Siebenbürgen auf die
Seite der Entente. Schliesslich eröffneten die Ententemächte eine Front auf dem Südbal-
kan, nachdem ihnen anfänglich eine Landung in Gallipoli in der Türkei misslungen war.
Im Krieg auf See blieb die deutsche Flotte unterlegen, während die Ententemächte eine
Blockade gegen die Mittelmächte durchsetzen konnten. Die deutsche Marine setzte
jedoch U-Boote zur Behinderung des alliierten Nachschubs ein, der besonders auch aus
den vorerst noch neutralen USA nach Grossbritannien gelangte. Dieser U-Boot-Krieg zielte
deshalb auch auf die Schiffe neutraler Staaten, was die Amerikaner gegen Deutschland
aufbrachte. Wegen der mangelnden Unterstützung durch eine wirksame Kriegsflotte
konnten sich die deutschen Kolonien nicht gegen die Alliierten behaupten.
Im Stellungskrieg nach 1914 erwies sich die Verteidigung gegenüber angreifenden Trup
pen als überlegen. Die durch Trommelfeuer der Artillerie vorbereiteten Offensiven kosteten
riesige Opfer, konnten aber nie durch die feindlichen Linien brechen. Der Einsatz neuer
Waffen wie Giftgas änderte daran nichts. Besonders verlustreich waren die Schlachten um
Verdun und an der Somme. Den Angriff auf die Festung Verdun hatten die Deutschen vor
allem ausgelöst, um bei den zu erwartenden hohen Opfern ihre zahlenmässige Überlegen
heit ins Spiel zu bringen. Verdun traumatisierte Frankreich für lange Zeit.
Im Stellungskrieg und bei hohem Materialeinsatz mass sich die Stärke jeder Kriegspartei
nach den Leistungen ihrer Volkswirtschaft. Besonders herausgefordert wurden dabei die
Mittelmächte und Russland, die durch die Seeblockade vom Welthandel abgeschnitten
waren. Während Deutschland dank seiner Industrie und vielfältiger Ersatzstoffe kriegs
tüchtig blieb, wurde Russland durch die geringe Kapazität seiner Industrie geschwächt. Bei
der Finanzierung des Kriegs hatten neben Russland besonders die Mittelmächte grosse
Mühe.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf
Aufgabe 6 Welche entscheidende Veränderung im Charakter des Kriegs stellte sich im Verlaufe des
Jahrs 1914 an allen wichtigen Fronten ein?
Aufgabe 10 Untersuchen Sie folgende Aussage auf ihre Richtigkeit. Begründen Sie Ihre Antwort.
Angesichts der Kriegslage Ende 1914 lässt sich behaupten, der Schlieffenplan sei vom
Deutschen Reich zur Hälfte mit Erfolg durchgeführt worden. Frankreich war nicht ganz
geschlagen, doch immerhin standen die deutschen Armeen tief in französischem Gebiet.
Aufgabe 14 Füllen Sie im unten stehenden Text die richtigen Begriffe in die Lücken ein:
Um im Nahen Osten Verbündete gegen die Türken zu gewinnen, machten die Briten
während des Ersten Weltkriegs zwei Versprechen. Den Arabern sagten sie einen
...............................................................zu, den Juden stellten sie eine «nationale Heimstätte»
in................................................................ in Aussicht.
Aufgabe 18 Was war der Grund für den Kriegseintritt Italiens auf der Seite der Entente?
Aufgabe 22 In welchem Dilemma stand die deutsche Marine während des U-Boot-Kriegs?
Aufgabe 3 Lesen Sie folgende Aussage Falkenhayns und beantworten Sie dann folgende Fragen:
A] Welches Ergebnis des Kampfs um die genannten Ziele verschweigt der Generalfeldmar-
schall seinen Leuten?
Hinter dem französischen Abschnitt der Westfront gibt es in Reichweite Ziele, für deren
Behauptung die französische Führung gezwungen ist, den letzten Mann einzusetzen. Tut sie
das, so werden - da es ein Ausweichen nicht gibt - französische Kräfte verbluten, gleichgül
tig, ob wir das Ziel selbst erreichen oder nicht. Tut sie das nicht und fällt das Ziel in unsere
Hände, dann wird die moralische Wirkung in Frankreich ungeheuer sein.
Aufgabe 7 Vergleichen Sie die Kriegswirtschaft der Gegner nach ihrer Leistungsstärke. Wie stand es
um die Rohstoffversorgung, die Kriegsindustrie und die Kriegsfinanzierung bei den ver
schiedenen Kriegsparteien? Schreiben Sie ganz kurze Kommentare zu den Stichwörtern in
unten stehende Tabelle:
Kriegsindustrie
Finanzierung (leer)
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
3 Die Entscheidung
Von grosser Bedeutung für den Kriegsverlauf war der Zusammenhalt der Gesellschaft in
den Krieg führenden Ländern, das Ausmass, in dem die Öffentlichkeit hinter der Führung
des Lands stand.
Zu Beginn des Kriegs, im August 1914, herrschte in allen Ländern Europas eine nationa
listische Hochstimmung. Der Pazifismus11 der internationalen Arbeiterbewegung stand
von Anfang an auf verlorenem Posten. Grosse Friedenskundgebungen im Juli 1914 in
verschiedenen europäischen Grossstädten richteten nichts aus. Einer der gewichtigsten
Kämpfer für die Erhaltung des Friedens, der französische Sozialistenführer Jean Jaures,
wurde sogar am 31. Juli in Paris von einem nationalistischen Fanatiker ermordet.
Kriegstaumel und patriotische Begeisterung stellten das Leben in Europa auf den Kopf.
Welche zuweilen absurden Blüten der Nationalismus trieb und auch wie sehr das ganze
Volk für die Kriegsanstrengungen eingespannt wurde, zeigt Ihnen folgendes Zitat aus dem
Tagebuch der damals fünfzehnjährigen deutschen Tänzerin und Schriftstellerin Jo Mihaly:
In der Schule sagten die Lehrer, wir hätten die vaterländische Pflicht, nicht mehr fremde
Wörter zu gebrauchen. Ich hab' zuerst nicht gewusst, was sie damit meinten. Jetzt ist mir
klar: Man darf nicht mehr «Adieu» sagen, weil das französisch ist Es ist eine Ehre, «Leb
wohl» oder «Auf Wiedersehen» zu sagen, meinetwegen auch «Gruss Gott». (...) Wir haben
eine kleine Blechkasse gekauft, in die wir jedes Mat fünf Pfennige legen wollen, wenn wir
uns versprochen haben. Der Inhalt der Kriegssparkasse wird zum Einkauf von Strickwolle
verwendet. Wir müssen jetzt Wollsachen für die Soldaten stricken.
In den Parlamenten einigten sich die Parteien aller Richtungen auf eine Politik des Burg
friedens. Unter dem Eindruck der Gefahr für das eigene Land stimmte die Opposition, in
der Regel die Linke, den Krediten und Massnahmen für die Kriegsführung zu. Dieser Schul
terschluss im Zeichen des Patriotismus21 hielt aber nicht überall gleich lange an.
In Deutschland zerbrach der Burgfriede bereits nach etwa einem Jahr. Es zeichneten sich
immer deutlicher drei Gruppen ab, die sich in Bezug auf ihre Friedensvorstellungen unter
schieden:
• Die Einen wollten einen Siegfrieden, ein deutsches Friedensdiktat nach vollständigem
Sieg über alle Gegner.
• Die Zweiten wollten einen Verständigungsfrieden, ein Aushandeln eines Vertrags mit
Gegnern, die gleichfalls den Krieg beenden wollen.
• Die Dritten wollten einen Verzichtfrieden, den sofortigen Abbruch der Kriegshandlun-
gen ohne Rücksicht auf das Verhalten des Gegners.
Diese drei Gruppen sollten noch weit über das Kriegsende hinaus die Entwicklung in
Deutschland bestimmen. Daher lohnt es sich, näher auf sie einzutreten.
1] Pazifismus: politische Richtung, die den Frieden als höchstes Gut betrachtet und sich für dessen Erhaltung unter allen
Umständen einsetzt.
2] Patriotismus: politische Haltung, der das Wohlergehen des eigenen Lands über alles geht. Im Wort Patriotismus steckt
das lateinische Patria = Vaterland von Pater = Vater.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
Die erste Gruppe bestand aus den Hauptvertretern des Imperialismus der Vorkriegszeit.
Von einem Siegfrieden erwarteten sie eine Grenzsicherung im Westen durch Gebiets
gewinne in Französisch-Lothringen und Flandern sowie weiträumige Annexionen im Balti
kum und in Polen. Belgien würde ein Satellitenstaat. Im Reichstag waren diese Annexio
nisten nicht besonders stark vertreten, doch besassen sie durch Ludendorff den mass
geblichen Einfluss in der Obersten Heeresleitung (OHL), wie auch im Reichsmarineamt.
Ferner fanden sich Anhänger dieser Ausrichtung in den grossen Wirtschaftsverbänden
und in der Presse.
Die zweite Gruppe war identisch mit den Parteien der demokratischen Mitte. Die Mehr
heit der Sozialisten, die verschiedenen liberalen Splitterparteien und der grösste Teil des
Zentrums bildeten einen festen Mehrheitsblock im Reichstag, der mit immer grösserem
Nachdruck Friedensverhandlungen forderte. Dabei sollte auf alle Annexionen verzichtet
werden. Da die deutsche Reichsregierung nicht vom Parlament abhängig war, vermochte
sich die Verständigungsmehrheit des Reichstags nicht durchzusetzen. Sie fasste im Som
mer 1917 zwar eine Friedensresolution, aber dieser Beschluss blieb wirkungslos. Das ein
zige Druckmittel des Reichstags wäre die Verweigerung von Krediten für den Krieg gewe
sen. Auf dieses Vorgehen verzichteten die Vertreter des Verständigungsfriedens aus patri
otischen Gründen.
Die dritte Gruppe, die der unbedingten Kriegsgegner, war im Spartakus1'-Bund unter der
Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg organisiert. Die internationalen Kon
ferenzen kriegsgegnerischer Sozialisten in der Schweiz (in Zimmerwald 1915 und in Kiental
1916) hatten auf diese Gruppe stark eingewirkt. Im Reichstag bildeten sie zwar nur eine
verschwindend kleine Minderheit, gewannen aber schnell Einfluss auf die grossstädti
schen Arbeitermassen. Schon im Frühjahr 1916 kam es zu den ersten grossen Massen
streiks, bei denen es nur dem äusseren Anschein nach um Lohnfragen, in Wirklichkeit aber
um pazifistische und andere politische Ziele ging.
Die Arbeiter lehnten den Annexionismus ihrer konservativen Brotgeber ab. Zu den Sparta
kisten stiess in der Folge noch die Gruppe der unabhängigen Sozialisten, die sich als Min
derheit von der SPD abgespaltet hatte. Aus dieser USPD und dem Spartakus-Bund ent
stand später die Kommunistische Partei Deutschlands KPD. Dieser dritten Gruppe ent
sprach 1917 in Russland die Politik Lenins.
Wie verhielt sich nun die Regierung gegenüber dieser starken Opposition? Angesichts der
Kriegsanstrengungen musste ihr daran gelegen sein, innere Spannungen zu vermindern.
11 Spartakus: Die Gruppe gab sich den Namen jenes Manns, der um 70 v. Chr. einen grossen Sklavenaufstand gegen die
Römer anführte.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
Bild: Bundesarchiv,
Bild 146-1987-127-09A/
CC-BY-SA
Im letzten Kriegsjahr wuchs der Gegensatz zwischen den demokratisch denkenden und
zu einem Verständigungsfrieden bereiten Parteien des Reichstags einerseits und der mili
taristisch-autoritär denkenden Heeres- und Reichsleitung immer mehr; und immer weitere
Kreise des Volks begannen am Sinn dieses Kriegs zu zweifeln. Tatsächlich hätte eine
gewissenhafte und vorurteilsfreie Einschätzung der Gesamtlage und der Stärke beider
Kriegsparteien Bedenken gegenüber den Möglichkeiten eines Siegfriedens wecken müs
sen. Aber dem stand die imponierende Tatsache entgegen, dass weiterhin das deutsche
Heer einen bedeutenden Teil Frankreichs besetzt hielt und Russland am Zusammen
brechen war.
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
In der Donaumonarchie fehlte bei den meisten Slawen von Anfang an die Begeisterung,
sich für das Fortbestehen der Habsburgermonarchie einzusetzen. Auch die Ungarn hielten
mit ihrem Einsatz zurück, denn die Österreicher hatten ihnen diesen Krieg aufgezwungen.
Aus diesen Gründen konnten die Kräfte des grossen Reichs überhaupt nicht voll aus
geschöpft werden. Der landläufige Kommentar zum mühsam verlaufenden Krieg lautete:
«Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst», d. h., sie wird nicht ernst genommen. Von
schicksalshafter Bedeutung war daher der Tod des greisen Kaisers Franz Joseph I. im
November 1916. Mit ihm verschwand das stärkste Symbol der Reichseinheit.
Der neue Kaiser, Karl I., kam zur Überzeugung, dass der Bestand der Habsburgermonar
chie nur noch durch einen raschen Friedensschluss gerettet werden könne. Da sich aber
gleichzeitig im Deutschen Reich die annexionistische Kriegspartei durchsetzte, war Kaiser
Karl gezwungen, auf eigene Faust und heimlich zu handeln. Er schaltete einen habsburgi
schen Verwandten auf der Gegenseite ein, den Prinzen Sixtus von Parma. Nach ihm wurde
der Vorstoss Karls Sixtusaffäre genannt. Sixtus sollte bei den Gegnern Österreichs die
eventuelle Friedensbereitschaft ausloten. Der Versuch scheiterte, soweit es die Entente
betraf, am entschiedenen Widerspruch von Italien und Rumänien. Diese beiden Länder
konnten ihre expansionistischen Kriegsziele nur erreichen, wenn das Habsburgerreich
besiegt und aufgelöst wurde.
Ähnlich wie in Deutschland hatten sich auch in Frankreich Anfang August 1914 alle Par
teien zur Union Sacree, einem Heiligen Bund für das Vaterland, zusammengeschlossen.
Ab dem Sommer 1915 begann dieser Bund zu zerbröckeln. In Frankreich waren es nicht
wie in Deutschland in erster Linie die Sozialisten, die sich einer unbedingten Kriegspolitik
entgegenstemmten, denn Frankreich führte, solange die deutschen Armeen grosse Teile
des Lands besetzt hielten, offensichtlich einen Verteidigungskrieg.
Caillaux setzte sich deshalb von Ende 1915 an immer entschiedener für einen Verständi-
gungsfrieden ein. Seine bedeutendsten Gegenspieler waren der Präsident der Republik,
Raymond Poincare, und der radikalsozialistische Politiker Georges Clemenceau, die aber
untereinander wiederum erbittert verfeindet waren. Diese beiden Männer verkörperten
den «Jusqu'auboutisme», d. h. den Willen, «jusqu’au bout», bis zum Ende, also bis zur voll
ständigen Befreiung des französischen Territoriums zu kämpfen.
Die grosse Krise trat im Frühsommer 1917 ein, als eine breit angelegte Offensive des Gene
rals Nivelle, genannt «Blutsäufer», in der Champagne zusammenbrach und es in der Folge
in zahlreichen französischen Divisionen zu gefährlichen Meutereien kam. Nun sah sich
Poincare genötigt, Clemenceau mit der Regierungsbildung zu betrauen. Die Kammer stat
tete den neuen Ministerpräsidenten mit fast diktatorischen Vollmachten aus. Clemenceau
bekämpfte den «defaitisme» mit rücksichtsloser Härte, ja mit teilweise terroristischen
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
Der Schriftsteller Friedrich Glauser beschrieb in seiner Kurzgeschichte «Ein Toter Mann»
die Bestrafung eines französischen Festungsregiments durch Erschiessen. Die Geschichte
ist zwar fiktiv, die geschilderte Begebenheit dürfte sich dennoch mit grosser Wahrschein
lichkeit so ähnlich im Winter 1917/18 zugetragen haben:
Ich schritt der Reihe entlang und tippte mit meinem Spazierstock fünfzig Männern auf die
Brust. Das Schweigen war drückend. Die Männer, deren Brust meine Stockspitze berührt
hatte, traten vor, sie standen in einem Knäuel vor den beiden geraden Reihen (...)
Der Korporal führte seine kleine Gruppe zu den fünfzig Mann, die ich ausgelesen hatte, und
liess den Trupp von seinen vier Untergebenen einrahmen. Ein leiser Befehl, der Komman
dant hatte die behandschuhten Hände über den Degenknauf gelegt, und die Klinge lag
schief auf dem schwarzen Uniform rock ... Medaillen schimmerten: das kupferne Kriegs
kreuz mit Palmen und Sternen, das Kreuz der Ehrenlegion und die runde Militärmedaille. Die
von fünf Mann eingerahmten Fünfzig schritten mit ziehenden Schritten zur Mauer, stellten
sich mit dem Rücken gegen sie und warteten. Der Dreifuss wurde aufgepflanzt, dreissig
Meter von ihnen entfernt, das Maschinengewehr in die Gabel gelegt, eine Munitionskiste
öffnete sich, ein Mann setzte sich auf den mit Schnee bedeckten Boden, den Rücken den
Fünfzig zu gekehrt: ein zweiter sass auf dem winzigen Sitz des Dreifusses. Kein Kommando.
Eine Bande führte der auf dem Boden Hockende ein, der Schütze zielte nicht lange, dreissig
Schüsse knatterten, eine zweite Bande führte der Lader ein, wieder dreissig Schüsse... Sie
klangen nicht laut- eher kam es mir vor, als übe sich im Bureau der technischen Hochschule
ein Fräulein an der Schreibmaschine ... Eine neue Bande, eine Sekunde Ruhe, endlich die
letzten dreissig Schüsse. Vor der Mauer lagen fünfzig Männer tot.
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
Vom Frühjahr 1915 an stand eine von Liberalen, Konservativen und der Labour Party gebil
dete Koalitionsregierung an der Spitze des Lands. Die weitaus stärkste Persönlichkeit der
Koalition war der Liberale Lloyd George, bis Ende 1916 Munitionsminister, dann Minister
präsident. Von grosser Bedeutung war auch der Kriegsminister Lord Kitchener, der erst
mals in der britischen Geschichte die allgemeine Wehrpflicht einführte. Winston Churchill
schliesslich trug während des Kriegs als erster Lord der Admiralität die Verantwortung für
die Flotte. Im letzten Kriegsjahr wirkte er als Munitionsminister.
Auch die britischen Dominions Kanada, Neuseeland, Australien und Südafrika trugen zur
Verteidigung des Mutterlands bei. Der gefühlsmässige Zusammenhalt mit England durch
die gleiche Sprache und Kultur erwies sich dazu als stark genug. Somit bewährte sich die
lockere Struktur, die das britische Reich seit der Empire-Konferenz von 1906 erhalten hatte.
Die USA waren grundsätzlich neutral. Ihre Aussenpolitik stand noch immer im Zeichen der
Monroe-Doktrin, die unter anderem eine Einmischung der USA in Angelegenheiten
ausserhalb des amerikanischen Kontinents ablehnte. Bei Präsident Woodrow Wilson fes
tigte sich jedoch die Überzeugung, dass dieser Krieg nicht einfach ein imperialistischer
Machtkampf sei, sondern eine grosse ideologische Auseinandersetzung zwischen Demo
kratie und autoritärer Monarchie. Dieser Sichtweise widersprach bis 1917 noch das Bünd
nis der Entente mit dem zaristischen Russland. Gleichwohl neigte Wilson mehr und mehr
den Ententemächten zu.
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
Daneben wirkte auf die amerikanische Öffentlichkeit die immer enger werdende wirt
schaftliche und finanzielle Verflechtung zwischen den USA und den Ententemächten.
Infolge der britischen Blockade konnten die USA ihre Produktionsüberschüsse aus Land
wirtschaft und Industrie nur an die Ententeländer liefern. Dadurch stiegen deren Schulden
gegenüber den USA. So gewann die amerikanische Wirtschaft, namentlich das «big busi-
ness», ein echtes Interesse am Sieg der Entente. Bei einer Niederlage dieser Länder wären
der amerikanischen Hochfinanz namhafte Beträge verloren gegangen. Die deutsche Diplo
matie wirkte unfreiwillig in die gleiche Richtung, nämlich durch Spionageaffären und durch
Versuche, Mexiko gegen die USA aufzuputschen.
Das gab für Wilson den Ausschlag. Sein Vermittlungsversuch war gescheitert und schlim
mer noch, das Deutsche Reich griff zu Massnahmen, die dem geltenden Seerecht wider
sprachen und die Rechte der Neutralen empfindlich verletzten. Durch die Umwälzungen in
Russland und den Sturz des Zaren im März 1917 fiel ferner ein wichtiger Grund weg, der
bisher gegen ein Eingreifen der demokratischen USA aufseiten der Entente gesprochen
hatte. Am 2. April 1917 erklärten die Vereinigten Staaten von Amerika dem Deut
schen Reich den Krieg. Der von Wilson proklamierte «Crusade for Democracy», Kreuzzug
für die Demokratie, fand im ganzen Land begeisterten Widerhall.
Im Rückblick scheint uns dieses Zusammenfliessen der amerikanischen und der euro
päischen Geschichte als eines der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Das Jahr
1917 markierte das Ende eines allein von Europa gelenkten Zeitalters. Gleichzeitig ereigne
ten sich in Russland Umwälzungen von weitreichender Bedeutung.
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
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In Russland führten im Jahr 1917 zwei Revolutionen zu einem völligen Umsturz der
Machtverhältnisse; die Kommunisten kamen an die Macht. Ihr Erfolg beruhte unter ande
rem darauf, dass sie versprochen hatten, den Krieg um jeden Preis zu beenden.
Die neue Regierung unter Wladimir lljitsch Lenin nahm also mit dem Deutschen Reich
sofort Friedensverhandlungen auf. Ludendorff beharrte den Russen gegenüber auf gros
sen Gebietsabtretungen und liess seine Truppen immer weiter nach Osten vorrücken. Auf
nachhaltigen Widerstand stiessen sie nicht mehr. Lenin blieb kein anderer Ausweg, als die
deutschen Bedingungen anzunehmen. Am 3. März 1918 wurde in Brest-Litowsk, einer
Stadt an der polnisch-weissrussischen Grenze, der Friedensvertrag unterzeichnet. Alle
Randgebiete des russischen Reichs, also Finnland, die baltischen Länder, Polen, die Ukra
ine, Armenien und Georgien wurden unabhängig, blieben aber vorerst unter deutscher
Kontrolle.
Die Weltlage zeigte sich Anfang 1918 gegenüber den Jahren des Stellungskriegs in zwei
facher Hinsicht grundlegend verändert:
• Die USA kämpften auf der Seite der Entente und begannen ab Frühjahr 1918 ihre
Macht in Europa zu entfalten. In sicherer Siegeszuversicht und im Bewusstsein der
Verantwortung für die Nachkriegszeit hatte Präsident Wilson bereits im Januar 1918
als Kriegsziel der USA der Weltöffentlichkeit einen Verständigungsfrieden verkündet.
Es handelte sich dabei um ein Programm von 14 Punkten.
• Russland war zusammengebrochen. Damit war Deutschland vom Druck des Zwei
frontenkriegs befreit. Sein Westheer konnte massiv verstärkt werden. Zudem gelang
es, durch ukrainische Getreidelieferungen eine drohende Hungersnot in Österreich ab-
zuwenden. Allerdings bedurfte es zur Behauptung und Sicherung des riesigen Raums,
der nach dem Ausscheiden Russlands unter die Kontrolle der Mittelmächte gefallen
war, noch immer rund 60 Divisionen, etwa eine halbe Million Mann.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
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RUMÄNIEN
BULGARIEN
TÜRKEI
Am 21. März 1918 brach der wohlvorbereitete deutsche Angriff in der Gegend von Amiens
in Nordfrankreich los. Der deutsche Vorstoss brachte wohl beträchtliche Geländegewinne,
die aber wertlos waren, da die Ententetruppen nicht entscheidend geschlagen wurden.
Auch weitere deutsche Versuche, die Front endgültig zu durchbrechen, blieben stecken.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
Als die Deutschen ihre Kräfte verausgabt hatten, holten die alliierten Truppen unter dem
französischen General Ferdinand Foch zum Gegenschlag aus. Auf ihrer Seite wirkte sich
die amerikanische Unterstützung nun voll aus, physisch und moralisch. Mit über 300 Tanks
griffen sie am 18. Juli südlich von Soissons an und zwangen den Gegner zu einem verlust
reichen Rückzug.
Drei Wochen später begann in gleicher Weise eine Tankoffensive bei Amiens. Diese
Schlacht wurde für die deutsche Armee zur Katastrophe. Nur mit äusserster Mühe gelang
es, die flüchtenden und demoralisierten deutschen Soldaten in weit zurückliegenden Ver
teidigungslinien zu sammeln. Jahre später, in seinen Erinnerungen, nannte Ludendorff den
8. August 1918 den «schwarzen Tag» des deutschen Heers.
Militärisch war der Krieg im August 1918 entschieden. Die Deutschen waren unter
schwersten Verlusten in die Verteidigung zurückgeworfen und die Angriffskraft der
Entente hob sich dank dem amerikanischen Beitrag von Woche zu Woche: Standen im
März 1918 erst 300 000 amerikanische Soldaten auf europäischem Boden, so erhöhte sich
diese Zahl bis zum August auf 1.5 Millionen und bis zum November auf über 2 Millionen.
Gleichzeitig lichteten sich auf der deutschen Seite infolge der hohen Verluste die Reihen.
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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung
Ludendorff beurteilte am 14. August, keine Woche nach dem «schwarzen Tag», die militä
rische Lage als «ernst, aber keineswegs hoffnungslos». Er widersprach energisch allen
Friedenssondierungen, die der Reichskanzler einleiten wollte. Da zerstörte das Geschehen
an der Nebenfront auf dem Balkan die letzten Hoffnungen auf einen Sieg.
So erklärte Ludendorff nun doch Ende September ganz abrupt, dass der Kampf aussichts
los geworden sei und deshalb sofort Friedensschritte unternommen werden müssten. Für
die deutsche Öffentlichkeit war das ein schockartiges Erwachen. Sie war durch die
offizielle Propaganda und die Scheinerfolge der Frühjahrsoffensive in einem Zustand der
unentwegten Siegeszuversicht gehalten worden. Die Folge dieser jähen Wendung war
einerseits der Verlust des Vertrauens in die Führung des Lands. Andererseits hielt sich
noch Jahrzehnte später die Behauptung, Deutschland wäre kurz davor gewesen, den Krieg
zu gewinnen, wenn nicht im selben Herbst in der Heimat die Revolution ausgebrochen
wäre. Diese These nannte man Dolchstosslegende.
Der Kaiser des Deutschen Reichs und die Oberste Heeresleitung hatten während des gan
zen Kriegs eine demokratische Reform der Reichsverfassung verhindert. Nun, in den letz
ten Kriegswochen im Oktober 1918, lenkten sie unter dem Eindruck der nahenden Nieder
lage ein. Sie versuchten damit in letzter Minute die Verantwortung für den Zusammen
bruch auf andere abzuwälzen. General Wilhelm Groener, Nachfolger Ludendorffs in der
OHL, äusserte sich später folgendermassen:
Mir konnte es nur lieb sein, wenn bei diesen unglückseligen Verhandlungen, von denen
nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich
blieb (...) Die Heeresleitung stellte sich bewusst auf den Standpunkt, die Verantwortung für
den Waffenstillstand und alle späteren Schritte von sich zu weisen. Sie tat dies, streng juris
tisch gesehen, nur mit bedingtem Recht, aber es kam mir und meinen Mitarbeitern darauf
an, die Waffe blank und den Generalstab für die Zukunft unbelastet zu erhalten.
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correspondent’s; nor that without help from children who, though not
mine, have been cared for as if they were.
She will know better after reading this extract from [15]my last year’s
diary; (worth copying, at any rate, for other persons interested in
republican Italy). “Florence, 20th September, 1874.—Tour virtually
ended for this year. I leave Florence to-day, thankfully, it being now a
place of torment day and night for all loving, decent, or industrious
people; for every face one meets is full of hatred and cruelty; and the
corner of every house is foul; and no thoughts can be thought in it,
peacefully, in street, or cloister, or house, any more. And the last
verses I read, of my morning’s readings, are Esdras II., xv. 16, 17 ↗️:
‘For there shall be sedition among men, and invading one another;
they shall not regard their kings nor princes, and the course of their
actions shall stand in their power. A man shall desire to go into the
city, and shall not be able.’ ”
What is said here of Florence is now equally true of every great city
of France or Italy; and my correspondent will be perhaps contented
with me when she knows that only last Sunday I was debating with a
very dear friend whether I might now be justified in indulging my
indolence and cowardice by staying at home among my plants and
minerals, and forsaking the study of Italian art for ever. My friend
would fain have it so; and my correspondent shall tell me her
opinion, after she knows—and I will see that she has an opportunity
of knowing—what work I have done in Florence, and propose to do,
if I can be brave enough.
Thirdly; my correspondent doubts the sincerity of my [16]abuse of
railroads because she suspects I use them. I do so constantly, my
dear lady; few men more. I use everything that comes within reach of
me. If the devil were standing at my side at this moment, I should
endeavour to make some use of him as a local black. The wisdom of
life is in preventing all the evil we can; and using what is inevitable,
to the best purpose. I use my sicknesses, for the work I despise in
health; my enemies, for study of the philosophy of benediction and
malediction; and railroads, for whatever I find of help in them—
looking always hopefully forward to the day when their embankments
will be ploughed down again, like the camps of Rome, into our
English fields. But I am perfectly ready even to construct a railroad,
when I think one necessary; and in the opening chapter of ‘Munera
Pulveris’ my correspondent will find many proper uses for steam
machinery specified. What is required of the members of St.
George’s Company is, not that they should never travel by railroads,
nor that they should abjure machinery; but that they should never
travel unnecessarily, or in wanton haste; and that they should never
do with a machine what can be done with hands and arms, while
hands and arms are idle.
Admitting (though the admission is one for which I do not say that I
am prepared) that it is the patriotic [17]duty of every married couple to
have as large a family as possible, it is not from the happy
Penelopes of such households that I ask—or should think of asking
—the labour of the loom. I simply require that when women belong to
the St. George’s Company they should do a certain portion of useful
work with their hands, if otherwise their said fair hands would be idle;
and if on those terms I find sufficient clothing cannot be produced, I
will use factories for them,—only moved by water, not steam.
[Contents]
“My dear Mr. Ruskin,—I do not know if you have forgotten me, for it
is a long time since I wrote to you; but you wrote so kindly to me
before, that I venture to bring myself before you again, more
especially as you write to me (among others) every month, and I
want to answer something in these letters.
“I do answer your letters (somewhat combatively) every month in my
mind, but all these months I have been waiting for an hour of
sufficient strength and leisure, and have found it now for the first
time. A family of eleven children, through a year of much illness, and
the birth of another child in May, have not left me much strength for
pleasure, such as this is.
“Thirdly (and this is wherein I fear to offend you), I will join St.
George’s Company whenever you join it yourself. Please pardon me
for saying that I appear to be more a member of it than you are. My
life is strictly bound and ruled, and within those lines I live. Above all
things, you urge our duties to the land, the common earth of our
country. It seems to me that the first duty any one owes to his
country is to live in it. I go further, and maintain that every one is
bound to have a home, and live in that. You speak of the duty of
acquiring, if possible, [21]and cultivating, the smallest piece of
ground. But, (forgive the question,) where is your house and your
garden? I know you have got places, but you do not stay there.
Almost every month you date from some new place, a dream of
delight to me; and all the time I am stopping at home, labouring to
improve the place I live at, to keep the lives entrusted to me, and to
bring forth other lives in the agony and peril of my own. And when I
read your reproaches, and see where they date from, I feel as a
soldier freezing in the trenches before Sebastopol might feel at
receiving orders from a General who was dining at his club in
London. If you would come and see me in May, I could show you as
pretty a little garden of the spade as any you ever saw, made on the
site of an old rubbish heap, where seven tiny pairs of hands and feet
have worked like fairies. Have you got a better one to show me? For
the rest of my garden I cannot boast; because out-of-door work or
pleasure is entirely forbidden me by the state of my health.
“Again, I agree with you in your dislike of railroads, but I suspect you
use them, and sometimes go on them. I never do. I obey these laws
and others, with whatever inconvenience or privation they may
involve; but you do not; and that makes me revolt when you scold
us.
“Again, I cannot, as you suggest, grow, spin, and weave the linen for
myself and family. I have enough to do to get the clothes made. If
you would establish factories where we could get pure woven cotton,
linen, and woollen, I would gladly buy them there; and that would be
a fair division of labour. It is not fair that the more one does, the more
should be required of one.
“You see you are like a clergyman in the pulpit in your books: you
can scold the congregation, and they cannot answer; behold the
congregation begins to reply; and I only hope you will forgive me.
“Believe me,
[22]
The clergy may vainly exclaim against being made responsible for
this state of things. They, and chiefly their Bishops, are wholly
responsible for it; nay, are efficiently the causes of it, preaching a
false gospel for hire. But, putting all questions of false or true
gospels aside, suppose that they only obeyed St. Paul’s plain order
in 1st Corinthians v. 11 ↗️. Let them determine as distinctly what
covetousness and extortion are in the rich, as what drunkenness is,
in the poor. Let them refuse, themselves, and order their clergy to
refuse, to go out to dine with such persons; and still more positively
to allow such persons to sup at God’s table. And they would soon
know what fighting wolves meant; and something more of their own
pastoral duty than they learned in that Consecration Service, where
they proceeded to follow the example of the Apostles in Prayer, but
carefully left out the Fasting. [27]
[Contents]
Accounts.
The following Subscriptions have come in since I made out the list in
the December number; but that list is still incomplete, as I cannot be
sure of some of the numbers till I have seen my Brantwood note-
book:—
£ s. d.
31. “In Memoriam” 5 0 0
32. (The tenth of a tenth) 1 1 0
33. Gift 20 0 0
34. An Old Member of the Working Men’s College-Gift 5 0 0
35. H. T. S 9 0 0
36. 5 0 0
7. Second Donation 5 0 0
15. 5 0 0
,, ,,
£ 55 1 0
[29]
But I can well conceive how irritating it must be to any one chancing
to take special interest in any one part of my subject—the life of
Scott for instance,—to find me, or lose me, wandering away from it
for a year or two; and sending roots into new ground in every
direction: or (for my friend taxed me with this graver error also)
needlessly re-rooting myself in the old.
And, all the while, some kindly expectant people are [30]waiting for
‘details of my plan.’ In the presentment of which, this main difficulty
still lets me; that, if I told them, or tried to help them definitely to
conceive, the ultimate things I aim at, they would at once throw the
book down as hopelessly Utopian; but if I tell them the immediate
things I aim at, they will refuse to do those instantly possible things,
because inconsistent with the present vile general system. For
instance—I take (see Letter V ↗️.) Wordsworth’s single line,
And who is to say what is worth reading, or worth seeing? sneer the
Republican mob. Yes, gentlemen, you who never knew a good thing
from a bad, in all your lives, may well ask that!
Being very fond of pretty little girls, (not, by any [33]means, excluding
pretty—tall ones,) I choose, for my own reading, a pamphlet 1 which
has a picture of a beautiful little girl with long hair, lying very ill in bed,
with her mother putting up her forefinger at her brother, who is
crying, with a large tear on the side of his nose; and a legend
beneath: ‘Harry told his mother the whole story.’ The pamphlet has
been doubled up by Agnes right through the middle of the beautiful
little girl’s face, and no less remorselessly through the very middle of
the body of the ‘Duckling Astray,’ charmingly drawn by Mr. Harrison
Weir on the opposite leaf. But my little Agnes knows so much more
about real ducklings than the artist does, that her severity in this
case is not to be wondered at.
I arrange my candles for small print, and proceed to read this richly
illustrated story.
Nay, but perhaps, the learned editor did not intend the story for
children ‘quite in Agnes’s position.’ For what sort did he intend it,
then? For the class of children whose fathers keep carriages, and
whose mothers dress their girls by the Paris modes, at three years
old? Very good; then, in families which keep carriages and footmen,
the children are supposed to think a book is a prize, which costs a
penny? Be that also so, in the Republican cheap world; but might not
the cheapeners print, when they are about it, prize poetry for their
penny? Here is the ‘Christmas Carol,’ set to music, accompanying
this moral story of the Snow.