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Geschichte des 20 Jahrhunderts 2 1st

Edition Dr Rene Hauswirth Christian


Felix Lukas Meyer
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Geschichte

Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8

Vorgeschichte und Verlauf


des Ersten Weltkriegs

Dr. Rene Hauswirth unter Mitarbeit von Christian Felix

Impressum

Geschichte
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Dr. Rene Hauswirth unter Mitarbeit von Christian Felix
Grafisches Konzept: dezember und juli, Wernetshausen
Satz und Layout: Mediengestaltung, Compendio Bildungsmedien AG, Zürich
Druck: EdubookAG, Merenschwand
Redaktion und didaktische Bearbeitung: Jilline Bornand
Artikelnummer: 12170
ISBN: 978-3-7155-3675-0
Auflage: 1. Auflage 2014
Ausgabe: NI 064
Sprache: DE
Code: GS 502

Alle Rechte, insbesondere die Übersetzung in fremde Sprachen. Vorbehalten. Der Inhalt des vorliegenden Buchs ist nach
dem Urheberrechtsgesetz eine geistige Schöpfung und damit geschützt.

Die Nutzung des Inhalts für den Unterricht ist nach Gesetz an strenge Regeln gebunden. Aus veröffentlichten Lehrmitteln
dürfen bloss Ausschnitte, nicht aber ganze Kapitel oder gar das ganze Buch fotokopiert, digital gespeichert in internen
Netzwerken der Schule für den Unterricht in der Klasse als Information und Dokumentation verwendet werden. Die Wei­
tergabe von Ausschnitten an Dritte ausserhalb dieses Kreises ist untersagt, verletzt Rechte der Urheber und Urheberin­
nen sowie des Verlags und wird geahndet.

Die ganze oder teilweise Weitergabe des Werks ausserhalb des Unterrichts in fotokopierter, digital gespeicherter oder
anderer Form ohne schriftliche Einwilligung von Compendio Bildungsmedien AG ist untersagt.
Copyright© 2014, Compendio Bildungsmedien AG, Zürich

Dieses Buch ist klimaneutral in der Schweiz gedruckt worden. Die Druckerei Edubook AG hat sich einer Klimaprüfung
unterzogen, die primär die Vermeidung und Reduzierung des CO2-Ausstosses verfolgt. Verbleibende Emissionen kom­
pensiert das Unternehmen durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten eines Schweizer Klimaschutzprojekts.

Mehr zum Umweltbekenntnis von Compendio Bildungsmedien finden Sie unter: www.compendio.ch/Umwelt
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Modulübersicht

Modulübersicht

Das Modul «Geschichte des 20. Jahrhunderts» ist wie folgt aufgebaut:

Lerneinheit 1/8 • Das Erbe des 19. Jahrhunderts


Das Zeitalter des • Die Belle £poque in Europa um 1900
Imperialismus • Die europäischen Grossmächte um 1900
• USA und Japan um 1900
• Politische Krisen im Zeichen des Imperialismus

Lerneinheit 2/8 • Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs


Vorgeschichte und Verlauf • Der Kriegsverlauf
des Ersten Weltkriegs • Die Entscheidung

Lerneinheit 3/8 • Die Friedensordnung von 1919/20


Die Friedensordnung • Die Russische Revolution
1919 und die Macht von • Sowjetrusslands verlustreicher Weg zur Industrie­
Ideologien grossmacht
• Italien und der Faschismus
• Japans Expansion in Ostasien

Lerneinheit 4/8 • Die Jahre der Unsicherheit nach dem Ersten Weltkrieg
Die Scheinblüte der • Hoffnung und Aufbruch 1924-1929
Zwanzigerjahre • Die Weltwirtschaftskrise und ihre politischen Folgen
• Kultur und Gesellschaft zwischen den Weltkriegen

Lerneinheit 5/8 • Volksfrontpolitik gegen die Ausbreitung des Faschismus


Der Aufstieg des • Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939
Faschismus • Der Untergang der demokratischen Weimarer Republik
• Der Aufbau der nationalsozialistischen Diktatur 1933/34
• Das Dritte Reich und die Juden

Lerneinheit 6/8 • Die Expansion des Dritten Reichs


Der Beginn des Zweiten • Die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs
Weltkriegs • Die deutschen Anfangserfolge im Blitzkrieg
• Kein Friede mit Nazideutschland
• Die A usweitung d es Kriegs in E uropa
° Anpassung, Widerstand und Terror
• Auschwitz - Verfolgung und Vernichtung

Lerneinheit 7/8 • Der Krieg im Pazifik und in Südostasien


Die Wende im Zweiten • Die Übermacht der Alliierten
Weltkrieg • Der Sieg der Alliierten
• Übereinstimmung und Gegensätze zwischen Ost und
• West nach dem Kriegsende
• Ansätze einer neuen globalen Machtverteilung

Lerneinheit 8/8 • Die Ausganglage nach dem Zweiten Weltkrieg


Die bipolare Welt als Folge • Die Supermächte USA und Sowjetunion
des Zweiten Weltkriegs • Die deutsche Frage
• Kalter Krieg und Entspannung
• Weitere europäische Staaten im Wandel

2
Geschichte des 20, Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Lernziele 5

1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs 6

1.1 Die gefährliche politische Lage in Europa um 1912 6


1.2 Die Balkankriege 1912 und 1913 7
1.3 Aufrüstung und Kriegsbereitschaft der europäischen Mächte 8
1.4 Das Attentat von Sarajevo 9
1.5 Die Julikrise 1914: österreichisches Ultimatum an Serbien und russische
Mobilmachung 11
1.6 Kriegsausbruch und Schlieffenplan 12
1.7 Die belgische Neutralität - Kriegseintritt Grossbritanniens 13
1.8 Die Kriegsschuld 14

z Der Kriegsverlauf 18

2.1 Im Westen: Scheitern des Schlieffenplans und Stellungskrieg 18


2.2 Im Osten: deutsche Erfolge und Stellungskrieg 20
2.3 Weitere Kriegsschauplätze 21
2.3.1 Naher Osten: England gegen das Osmanische Reich 22
2.3.2 Italien 23
2.3.3 Der Balkan 23
2.3.4 Rumänien 23
2.3.5 Der Krieg auf dem Meer 23
2.3.6 Die Kolonien 24
2.4 Die Jahre des Stellungskriegs 25
2.4.1 Die Westfront 25
2.4.2 Materialschlacht und Wirtschaftskrieg 27
2.4.3 Der Alltag an der Heimatfront in Deutschland 28

3 Die Entscheidung 34

3.1 Kriegswille und Kriegsmüdigkeit 34


3.1.1 Die politische Spaltung im Deutschen Reich 34
3.1.2 Die faktische Militärdiktatur Ludendorffs in Deutschland 35
3.1.3 Österreichische Friedensbemühungen 37
3.1.4 Die Krise des Kriegswillens in Frankreich 37
3.1.5 Der innere Zusammenhalt Grossbritanniens 38
3.2 Die Vereinigten Staaten von Amerika im Krieg 39

3
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Inhaltsverzeichnis

3.3 Die Schlussphase des Kriegs (1918) 41


3.3.1 Der Friede von Brest-Litowsk 41
3.3.2 Die neue Weltlage zu Beginn des Jahrs 1918 41
3.3.3 Die deutschen Frühjahrsoffensiven - Gegenschlag der Alliierten 42
3.3.4 Der Zusammenbruch der Mittelmächte 44
3.3.5 Der Übergang zum Parlamentarismus im Deutschen Reich 44
3.3.6 Novemberrevolutionen und Waffenstillstand 45
3.4 Zusammenbruch und Neubeginn 47
3.4.1 Europa im Winter 1918/19 47
3.4.2 Kulturelle Umwälzung 49

Gesamtzusammenfassung 53
Chronologische Übersicht 56
Lösungen zu den Aufgaben 57
Stichwortverzeichnis 60

4
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
Einleitung und Lernziele

Einleitung und Lernziele

Inhalt

Lange schwelende Spannungen zwischen den Grossmächten, Nationalismus und Milita­


rismus in der europäischen Gesellschaft um die Jahrhundertwende und schliesslich unge­
löste Probleme mit Minderheiten und sozial Benachteiligten in Mittel- und Osteuropa führ­
ten zum Ersten Weltkrieg. Die Vorgeschichte und der Verlauf des Ersten Weltkriegs sind
Thema dieser Lerneinheit.

Aufbau

Kapitel 1 gibt eine Übersicht über die gefährliche politische Lage in Europa um 1912,
beschreibt den Auslöser und den Anfang des Kriegs und befasst sich mit der Frage der
Kriegsschuld.

Kapitel 2 zeigt die wichtigsten Kriegsschauplätze und Kriegstaktiken auf und Sie erfahren,
welche Auswirkungen der Krieg auch auf die Zivilbevölkerung hatte.

Kapitel 3 schliesslich befasst sich mit dem Ende des Kriegs. Es zeigt auf, welche Auswir­
kungen die zunehmende Kriegsmüdigkeit und der Eintritt der USA in den Krieg hatten, wie
es zum Waffenstillstand von 1918 kam und welche politischen, sozialen und auch kulturel­
len Veränderungen das Kriegsende mit sich brachte.

Lernziele

Nach der Bearbeitung dieser Lerneinheit können Sie ...


• den Kriegsausbruch als Zusammenhang zwischen der Führungsstruktur der einzelnen
Länder und der Abfolge von Ereignissen, die in die Katastrophe führten, beschreiben.
• unterschiedliche Positionen bei der Frage der Kriegsschuld aufzeigen.
• die Geschehnisse an den bedeutendsten Kriegsschauplätzen skizzieren.
• die Besonderheiten des modernen Kriegs und die Wechselwirkung des Frontgesche-
hens mit der Lage im Hinterland beschreiben.
• erklären, welche Länder aus welchen Gründen notwendigerweise als erste den Kampf
aufgeben mussten und welche warum neu in den Krieg eintraten.
• die Gegebenheiten und Ereignisse aufzeigen, die zum Waffenstillstand führten.
• die politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Folgen des Ersten
Weltkriegs skizzieren.

5
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

Wir beginnen mit einem Blick auf das Europa des Jahrs 1912. Am meisten fällt uns dabei
auf, dass die Spannungen unter den imperialistischen Grossmächten im Vergleich zur Zeit
vor 1904 gefährlich gestiegen waren. Denken Sie an die Begriffe Marokkokrisen oder
bosnische Annexionskrise. Ganz im Geist des Imperialismus glaubten die Politiker der
wichtigsten Staaten, die Weltmachtansprüche ihrer Nation mit militärischen Machtde-
monstrationen und oft auch mit Kriegsandrohungen durchsetzen zu müssen. Mehr als ein­
mal geriet Europa so an den Rand eines offenen Kriegs.

1.1 Die gefährliche politische Lage in Europa um 1912

Um zu verstehen, weshalb es 1914 dann zur Katastrophe kam, ist es nützlich, wenn Sie
sich die wichtigsten Konflikte in der europäischen Politik von damals vergegenwärti­
gen. Sie werden sehen, dass in alle diese Spannungen das Deutsche Reich verwickelt war:
• Zwischen Deutschland und Frankreich bestand wegen der Annexion Elsass-Loth­
ringens durch das Deutsche Reich seit 1871 eine dauernde Rivalität. Frankreich er­
hoffte sich im Stillen die Wiedergewinnung von Elsass-Lothringen und strebte eine
Schwächung des deutschen Rivalen an.
• Deutschland nahm wachsenden Einfluss auf die Türkei. Darum war Österreich-Un­
garn als Brücke zum Balkan für das Deutsche Reich zu einer unentbehrlichen Stütze
in Mitteleuropa geworden, die unter keinen Umständen einstürzen durfte. So kettete
Deutschland sein Schicksal an jenes des Habsburgerreichs.
• Wegen der Balkanpolitik befand sich die Donaumonarchie, besonders seit der bos­
nischen Annexionskrise von 1908, in einer Dauerspannung mit Russland. Da sich
Deutschland vorbehaltlos hinter Österreich-Ungarn stellte, ergab sich daraus ein belas­
tetes Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und Russland.
• Die Beziehungen zwischen Grossbritannien und Deutschland waren durch die deut­
sche Aufrüstung zur See erheblich belastet. Die Flotte war die Hauptstütze der briti­
schen Macht. Eine Einschränkung seiner Vorherrschaft in diesem Bereich wollte
Grossbritannien auf keinen Fall hinnehmen.
• Frankreich hatte sich schon 1892 Russland angenähert und mit dem Zarenreich ein
Bündnis geschlossen. 1904 folgte die Entente Cordiale zwischen Frankreich und
Grossbritannien, 1907 schliesslich ein Ausgleich zwischen Briten und Russen. Damit
war die Tripelentente zwischen diesen drei Mächten entstanden. Das Deutsche Reich
fühlte sich dadurch eingekreist, sein letzter Verbündeter blieb ausgerechnet die zer­
brechliche Donaumonarchie.
• Zudem war das Deutsche Reich seinen Nachbarn grundsätzlich unheimlich. Schon bei
seiner Entstehung 1871 war das Reich die stärkste Landmacht Europas. Dazu kam
ein bedeutender Aufschwung der deutschen Wirtschaft. Die dadurch hervorgerufenen
Abwehrreflexe hatte Bismarck noch durch Zurückhaltung bannen können. Das wilhel­
minische Deutschland jedoch zeigte immer provokativer seine Macht.

Nach der zweiten Marokkokrise, von 1911 an, verging kein Jahr mehr ohne gefährliche
Zuspitzungen von Krisen unter den Grossmächten. Ein besonders gefährlicher Krisenherd
war der Balkan. Hier stand eine Reihe kleiner, junger Nationalstaaten, die ihr Gebiet zu
erweitern trachteten, dem zerfallenden Osmanischen Reich gegenüber. Völker verschie­
denster Herkunft, vier Religionen und vier Kulturen11 lebten hierauf engstem Raum zusam-

1] Vier Kulturen: Gemeint sind die orthodoxe, griechisch-byzantinische Kultur und Religion; der Islam, das Judentum und
die lateinisch-katholische Kultur.

6
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

men. Ferner hatten alle europäischen Mächte politische Interessen auf dem Balkan, allen
voran Russland und Österreich-Ungarn. Nicht zuletzt trug eine wirtschaftliche und soziale
Unterentwicklung des Gebiets zur Verschärfung der Konflikte bei. Zutreffend wurde
damals der Balkan als Pulverfass Europas bezeichnet.

1.2 Die Balkankriege 1912 und 1913

Im Oktober 1912 war es so weit: Das Pulverfass Balkan explodierte ein erstes Mal. Die ver­
bündeten Königreiche Serbien, Bulgarien, Griechenland und Montenegro, die sich im
Laufe des 19. Jahrhunderts die Freiheit von der türkischen Herrschaft erkämpft hatten,
schritten im Oktober 1912 zum Angriff auf die letzten Gebiete des Osmanischen Reichs auf
europäischem Boden. Russland stand wohlwollend hinter dem Schlag gegen die Türken,
Österreich-Ungarn war geneigt, durch einen Angriff auf Serbien die drohende Niederlage der
Türken abzuwenden. Eine Verwicklung der Grossmächte in den Krieg schien unvermeidlich.

nach dem zweiten wieder an die Türkei.


Grenze des Osmanischen Reichs bis 1912, ED Zielgebiet der grossserbischen Expansionswünsche
nordöstliche Grenze von Bulgarien bis 1913 (seit 1903, verstärkt ab 1913)

In dieser gefährlichen Lage fanden Frankreich und Deutschland zu einer Zusammen­


arbeit. Beide Länder hielten sich über die Entwicklung der Krise auf dem Laufenden und
versuchten, ihre Verbündeten zu bremsen, Deutschland die Österreicher, Frankreich die
Russen. So gelang es, den Konflikt zu lokalisieren. Der Krieg auf dem Balkan endete ohne
ein Eingreifen der Grossmächte mit einem Sieg der Königreiche. Die Zusammenarbeit in
der Not zwischen den zwei Gegnern liess die Hoffnung aufkommen, dass die Vernunft
auch in Zukunft über Nationalismus und Grossmachtallüren siegen könne.

7
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

Tatsächlich bewährte sich die deutsch-französische Zusammenarbeit auch im zweiten


Balkankrieg. Bulgarien, dessen Regierung von blindem Nationalismus besessen war, griff
im Sommer 1913 gegen Serbien und Griechenland zu den Waffen, um sich einen grös­
seren Anteil an der im Jahr zuvor gemeinsam errungenen Beute zu erobern. Nun schritten
aber Rumänien und das im Frühjahr besiegte Osmanische Reich gegen Bulgarien ein.

Der drohende Zusammenbruch Bulgariens weckte in Wien erneut die Bereitschaft zum
Krieg, doch Deutschland und auch Italien hielten Österreich von einem Angriff auf Serbien
zurück. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. bemerkte zum österreichischen Aussenminister:
«Ihr rasselt zu viel mit meinem Säbel!» Zur Lokalisierung der Balkankrisen von 1912/13
urteilt der Historiker J. R. von Salis:

.) Während der französische Revanche-Gedanke keinen europäischen Krieg ausiösen


konnte, aus dem einfachen Grund, weil keine französische Regierung und kein französisches
Parlament, aber auch Frankreichs Verbündete nicht, einen mit der Rückeroberung
Elsass-Lothringens motivierten Krieg führen wollten, schien zur Auslösung des tödlichen
Mechanismus ein Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zu genügen. Welches
immer die Gründe ihres unbestreitbaren Friedenswillens gewesen sein mögen: in den Jah­
ren der Balkankrise 1912 und 1913 gestatteten Deutschland und Frankreich ihren Verbün­
deten in Wien bzw. in St. Petersburg nicht, diesen Mechanismus auszulösen.

1.3 Aufrüstung und Kriegsbereitschaft der europäischen


Mächte

Die Konflikte auf dem Balkan von 1912 und 1913 waren zwar glimpflich verlaufen, bewirk­
ten aber dennoch zwei Dinge:
• Erstens gewannen nationalistische Wortführer, etwa in Deutschland der Alldeutsche
Verband1' oder in Russland die Panslawisten, durch die Krisen auf dem Balkan in al­
len Ländern an Gewicht. Schwärmerischer Stolz auf das eigene Blut und die eigene
Heimaterde halfen, die enormen sozialen Gegensätze in der Gesellschaft zu überde­
cken. In den konservativen Monarchien Russland, Österreich-Ungarn und Deutschland
boten ferner übersteigerte Prestige- und Grossmachtträume einen Ersatz für fehlende
Demokratie. So stiegen die Spannungen unter den Grossmächten weiter.
• Zweitens kam, begünstigt durch diesen wachsenden Nationalismus, ein allgemeines
Wettrüsten unter den europäischen Grossmächten in Gang.

Im Folgenden gehen wir darauf ein, wie sich die aussenpolitische Ausrichtung in den ein­
zelnen Ländern entwickelte:
• In Deutschland kam die politische Führung Ende 1913 zu der Auffassung, die Freunde
der Ententemächte, Serbien, Griechenland und Rumänien, seien im Balkankrieg auf
Kosten der eigenen Verbündeten, des Osmanischen Reichs und Bulgariens, gestärkt
worden. Wilhelm II nahm darum eine zunehmend antiserbische Haltung ein. Damit
vertiefte sich der Gegensatz zwischen Deutschland und Russland. Wegen der ge­
spannten Lage an seiner Ostgrenze rüstete das Deutsche Reich, gleichzeitig mit dem
verstärkten Ausbau seiner Schlachtflotte, ab 1913 auch die Heeresbestände auf und
arbeitete Pläne zum Angriff auf Frankreich aus.

1] Alldeutscher Verband: politisch weit rechts stehende Vereinigung in Deutschland mit stark nationalistischer Ausrich­
tung. Der Verband warb für eine aktive deutsche Kolonialpolitik, für die Förderung des Deutschtums im Ausland und für
den Flottenbau.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

• Der britische Kriegsminister hatte Anfang 1912 den Deutschen nochmals eine beider­
seitige Verlangsamung des Baus von Schlachtschiffen vorgeschlagen. Nach der deut­
schen Absage trieb auch Grossbritannien trotz ungeheurer Kosten und Bedenken vie­
ler Geschäftsleute der Londoner City die Aufrüstung der Flotte voran. Die Begründung
dafür hatte der Schatzkanzler David Lloyd George bereits im Juli 1911, während der
zweiten Marokkokrise, in einer Rede geliefert:
(...) wenn uns eine Lage aufgezwungen werden sollte, in welcher der Friede nur er­
halten werden könnte durch das Opfer der grossen und heilsamen Stellung, die Gross­
britannien durch Jahrhunderte heroischer Anstrengung errungen hat, und dadurch,
dass Grossbritannien in einer Frage, in der es vitale Interessen hat, sich so behandeln
lässt, a/s hätte es im Rat der Völker nicht mitzureden, - dann sage ich mit Nachdruck:
Ein Friede um diesen Preis wäre eine Erniedrigung, die ein grosses Land wie das unsrige
nicht ertragen kann.
• In Österreich-Ungarn waren die Nationalitätengegensätze bis 1914 derart angewach-
sen, dass sich die Donaumonarchie in ihrem Bestand gefährdet sah. Das Habsburger­
reich drohte auseinanderzubrechen, gleich dem Osmanischen Reich, das dem Natio­
nalismus seiner europäischen Untertanen nicht mehr zu wehren vermochte. Ein Bal-
kanvolk nach dem andern machte sich selbstständig. Von Anfang an dabei und beson­
ders erfolgreich waren die Serben. Mit ihrer Befreiung von den Türken gaben sie den
Slawen im Habsburgerreich ein ermutigendes Beispiel. Nur in einem aggressiven Vor­
gehen gegen Serbien sah daher die Wiener Regierung eine Möglichkeit, die wanken­
den Grundlagen des Reichs wieder zu festigen.
• Im Zarenreich Russland musste der russische Nationalismus zu einer Krücke der
unzeitgemäss gewordenen Monarchie werden. Die hochgehende Woge des Nationa­
lismus und Panslawismus im Land hätte sich sonst möglicherweise gegen den Zaren
gerichtet. Dieser brauchte nach den Niederlagen im Russisch-Japanischen Krieg 1905
und in der bosnischen Annexionskrise 1908 unbedingt aussenpolitische Erfolge. Das
Augenmerk richtete das Zarenreich dabei auf den Balkan. Im Zeichen des Pan­
slawismus erhob es den Anspruch, das slawische Brudervolk der Serben zu schützen.
Die soziale Gärung in Russland, die von den landarmen Bauern und dem Arbeiter­
proletariat ausging, wurde indessen teils unterschätzt, teils unterdrückt.
• Im Gegensatz zur risikoreichen Aussenpolitik Russlands hielt sich sein Bündnispartner
Frankreich selber zurück, unterliess aber auch alles, was die Russen hätte bremsen
können. Frankreich wollte keinen Krieg, suchte aber einer militärischen Auseinander­
setzung auch nicht auszuweichen, sofern sich dabei die Möglichkeit bot, Elsass-Loth­
ringen zurückzugewinnen.

1.4 Das Attentat von Sarajevo

Serbien hatte durch die beiden Balkankriege sein Gebiet verdoppeln können. Dennoch
waren immer noch nicht alle Serben in einem Nationalstaat vereinigt. Auch hatte das Land
keinen direkten Zugang zum Meer. Somit ging der Kampf der grossserbischen Samm-
lungsbewegung weiter. Seit Österreich im Jahre 1908 Bosnien, das teilweise von Serben
bewohnt war, annektiert hatte, arbeiteten die radikalen serbischen Nationalisten auf die
Zerstörung des Habsburgerreichs hin.

Der Thronfolger der Donaumonarchie, Franz Ferdinand, war dafür bekannt, dass er eine
Autonomie der Slawen innerhalb des Habsburgerreichs befürwortete. Diese Haltung nahm
der grossserbischen Propaganda vieles von ihrer Wirkung. Bei einer freien Entfaltungs­
möglichkeit der Slawen innerhalb der Donaumonarchie hätte sich das Interesse der Bos­
nier an einer Auflösung Österreich-Ungarns verringert.

9
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

Anlässlich eines offiziellen Besuchs in der bosnischen Provinzhauptstadt Sarajevo wurde


der Franz Ferdinand, auf dem die Zukunft der Donaumonarchie beruhte, zusammen mit
seiner Gemahlin auf offener Strasse erschossen. Das geschah am 28. Juni 1914, dem für
die Serben heiligen Gedenktag ihrer Niederlage gegen die Türken auf dem Amselfeld 1389.
Der Attentäter, ein bosnischer Serbe, war mit anderen Gesinnungsgenossen in Serbien
angeleitet und ausgerüstet worden, allerdings wohl ohne Wissen der Regierung.

[1 -2] Attentat auf den Thronfolger der Habsburgermonarchie, Franz Ferdinand, in


Sarajevo

Rekonstruktion des Tathergangs in einer Zeichnung.

Mit einer Mischung von Hilflosigkeit, Zynismus und Wut nahm die österreichische Gesell­
schaft die Nachricht vom Tod des Thronfolgers auf. Josef Roth beschreibt das in einer gro­
tesken Szene seines Romans «Radetzkymarsch». Die Nachricht vom Attentat überrascht
Armeeangehörige und Zivilisten bei einem Fest im fernen Galizien, nahe der russischen
Grenze:

Jemand rief:

«Der Thronfolger ist ermordet!»


«Den Trauermarsch!» schrie Benkyö1^.
«Den Trauermarsch!» wiederholten mehrere.

Sie strömten aus dem Zimmer, in den zwei Sälen, in denen man bis jetzt getanzt hatte, spiel­
ten beide Militärkapellen, dirigiert von den lächelnden knallroten Kapellmeistern, den Trau­
ermarsch von Chopin. Ringsum wandelten ein paar Gäste im Kreis, im Kreis zum Takt des
Trauermarsches. Bunte Papierschlangen und Koriandoiisterne lagen auf ihren Schultern und
Haaren. Männer in Uniform und in Zivil führten Frauen im Arm.... Sie kreisten so umeinan­
der, jeder ein Leidtragender hinter der Leiche des Vordermanns und in der Mitte die unsicht-

1! Graf Benkyö ist Ungar. Bei den Ungarn war der Thronfolger verhasst, denn sie lehnten die Autonomie der Slawen in
ihrem Reichsteil ab.

10
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

baren Leichen des Thronfolgers und der Monarchie. Alle waren betrunken. Und wer noch
nicht genügend getrunken hatte, dem drehte sich der Kopf vom unermüdlichen Kreisen. All­
mählich beschleunigten die Kapellen den Takt, und die Beine der Wandelnden fingen an zu
marschieren. Die Trommler trommelten ohne Unterlass, und die schweren Klöppel der gros­
sen Pauke begannen zu wirbeln wie junge muntere Schlegel. Der betrunkene Pauker schlug
plötzlich an den silbernen Triangel, und im selben Augenblick macht Graf Benkyö einen
Freudensprung. «Das Schwein ist hin!» schrie der Graf auf ungarisch. Aber alle verstanden
es, als ob er deutsch gesprochen hätte.

1.5 Die Julikrise 1914: österreichisches Ultimatum an


Serbien und russische Mobilmachung

Österreich reagierte scharf. In Wien fassten der Generalstabschef Franz Conrad (von
Hötzendorf) und unter seinem Einfluss der Aussenminister Leopold Berchtold sofort
nach dem Attentat den Entschluss, den «Königsmord» zum Anlass zu nehmen, die Selbst­
ständigkeit Serbiens zu vernichten, sofern das Deutsche Reich dazu Rückendeckung
gewähre. Die beiden waren überzeugt, dass Russland es nicht wagen würde, Serbien bei-
zustehen, wenn es damit das Risiko eines Kriegs mit Deutschland auf sich nehmen müsse.
Ebenso meinten sie, dass Frankreich und erst recht Grossbritannien sich nicht auf einen
Krieg um russische Balkaninteressen einlassen würden.

In der Tat versprachen Kaiser Wilhelm II. und der deutsche Reichskanzler am 6. Juli,
ohne gründliche Prüfung der Probleme, jedes österreichische Vorgehen gegen Serbien voll
zu unterstützen. Das kam einer Blankovollmacht gleich. Wie die Österreicher liessen sich
auch die Deutschen von der Hoffnung leiten, der Konflikt liesse sich auf einen öster­
reichisch-serbischen Krieg beschränken. Im Übrigen überwog in Berlin die pessimistische
Ansicht, «bei einem Zusammenbruch der Donaumonarchie, des letzten Bundesgenossen,
eine nicht mehr tragbare Gefährdung der deutschen Zukunft auf sich nehmen zu müssen»,
wie es der deutsche Historiker Hans Herzfeld ausdrückte.

Nach der Zusage der deutschen Rückendeckung konnten weder englische Vermittlungs­
versuche noch der Widerstand der Ungarn die Wiener Regierung bremsen. Folgendes Zitat
aus dem Protokoll der österreichisch-ungarischen Ministerratssitzung vom 7. Juli zeigt die
Stossrichtung:

Dagegen sind alle Anwesenden mit Ausnahme des königlich-ungarischen Ministerpräsiden­


ten der Ansicht, dass ein rein diplomatischer Erfolg, wenn er auch mit einer eklatanten
Demütigung Serbiens enden würde, wertlos wäre und dass daher solche weitgehenden
Forderungen an Serbien gestellt werden müssten, die eine Ablehnung voraussehen liessen,
damit eine radikale Lösung im Wege militärischen Eingreifens angebahnt würde.

Am 23. Juli richtete Wien ein Ultimatum an Belgrad. Es beinhaltete unter anderem die
Forderung, Serbien müsse die Mitwirkung von österreichischen Polizeibeamten an allen
das Attentat betreffenden Untersuchungen auf serbischem Boden zulassen. Die Annahme
dieser Forderung hätte eine harte Demütigung Serbiens bedeutet. Die serbische Regierung
hatte sich dennoch schon zum Nachgeben durchgerungen, als aus St. Petersburg die
Nachricht eintraf, der russische Kronrat habe beschlossen, Serbien im Kriegsfall zu unter­
stützen. Nun wurde das Ultimatum zwar fast in vollem Umfang angenommen, aber die
Duldung österreichischer Polizeiorgane auf serbischem Gebiet durch Vorbehalte abge-
schwächt. Daraufhin brach am 25. Juli Wien die diplomatischen Beziehungen zu Belgrad
ab und ordnete die Teilmobilmachung an. Drei Tage später erfolgte die Kriegserklärung
Österreichs an Serbien.

Prompt folgte nun die russische Mobilmachung. Statt aber das Heer allein gegen Öster­
reich-Ungarn zu mobilisieren, befahl die russische Heeresleitung die allgemeine Mobil-

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

machung. Damit waren die letzten Friedenshoffnungen zerstört, denn nun setzte der
unheimliche Mechanismus der militärischen Massnahmen ein. Schon allein die russi­
sche Mobilmachung war für das von der Einkreisung bedrohte Deutschland ein Kriegs­
grund. Darum versuchte Zar Nikolaus II. auch, die Mobilmachung anzuhalten - vergeblich.
Er musste sich dem Argument beugen, ein solcher Gegenbefehl würde im Militärwesen ein
Chaos verursachen. Im entscheidenden Moment waren es also nicht politische Erwägun­
gen, die den Ausschlag für den Krieg gaben, sondern von den Generälen geschaffene mili­
tärische Sachzwänge.

Die Sommerwochen im Juli 1914 erlebte der Schriftsteller Stefan Zweig in einem belgi­
schen Badeort. Er schreibt:

Aber die schlimmen Nachrichten häuften sich und wurden immer bedrohlicher. Erst das
Ultimatum Österreichs an Serbien, die ausweichende Antwort darauf, Telegramme zwi­
schen den Monarchen und schliesslich die kaum mehr verborgenen Mobilisationen. Es hielt
mich nicht mehr länger in dem engen, abgelegenen Ort. Ich fuhr jeden Tag mit der kleinen
elektrischen Bahn nach Ostende hinüber, um den Nachrichten näher zu sein; und sie wur­
den immer schlimmer. Noch badeten die Leute, noch waren die Hotels voll, noch drängten
sich auf der Digue promenierende, lachende, schwatzende Sommergäste. Aber zum ersten
Ma! schob sich etwas Neues dazwischen. Plötzlich sah man belgische Soldaten auftauchen,
die sonst nie den Strand betraten. Maschinengewehre wurden - eine sonderbare Eigenheit
der belgischen Armee - von Hunden auf kleinen Wagen gezogen.

1.6 Kriegsausbruch und Schlieffenplan

Auf die Kunde von der russischen Mobilmachung hin verlangte der deutsche Generalstabs­
chef von Moltke die sofortige deutsche Mobilmachung. Gleichzeitig sandte er auf
eigene Faust ein Telegramm an die österreichisch-ungarische Regierung mit dem dringen­
den Ersuchen, auch in der Habsburgermonarchie sofort die Generalmobilmachung anzu­
ordnen und fügte bei: «Deutschlandgeht unbedingt mit!» Wie schon in Russland liess auch
im Deutschen Reich die politische Führung ihr Handeln von den Generälen bestimmen.
Diese vom Militarismus geprägte Entscheidungsstruktur war charakteristisch für das
wilhelminische Deutschland.

Ein deutsches Ultimatum an Russland mit dem Begehren, die russische Generalmobil­
machung sei sofort einzustellen, blieb unbeantwortet. Darauf wurde am 1. August die
deutsche Mobilmachung verkündet; zugleich erklärte das Deutsche Reich Russland den
Krieg. Auf Verlangen des Generalstabs erfolgte zudem am 3. August die Kriegserklärung
an Frankreich, obwohl die französische Regierung nach aussen während der langen Juli­
krise Zurückhaltung geübt hatte. Der Grund für diese Kriegserklärung lag wiederum in rein
militärstrategischen Überlegungen, nicht etwa in politischen Erwägungen.

Deutschland sah sich für den Kriegsfall von Feinden sowohl im Osten wie im Westen in die
Zange genommen. Um einem Zweifrontenkrieg zu entgehen, war Folgendes vorgesehen:
Da Russland sein Heer nur sehr langsam mobilisieren konnte, wollte die deutsche Heeres­
leitung in einer ersten Kriegsphase mit einem raschen Schlag Frankreich ausschalten.
Dann erst sollte sich die Hauptmacht der deutschen Armeen gegen Russland wenden. Nun
aber hatte Frankreich die Grenze zu Deutschland stark befestigt. Ein vom ehemaligen
Generalstabschef Schlieffen verfasster Plan beinhaltete deshalb den Durchbruch der deut­
schen Truppen durch Belgien, um so dem französischen Heer in den Rücken zu fallen. Ent­
scheidend für das Gelingen des Schlieffenplans war eine Sammlung fast der ganzen
deutschen Kampfkraft, um den langen Vorstoss über Brüssel nach Paris schnell und über­
raschend durchführen zu können.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

1.7 Die belgische Neutralität - Kriegseintritt Grossbritanniens

Das kleine Belgien, dessen Besetzung der Schlieffenplan vorsah, war ein neutrales Land.
Am 3. August, nach der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich, ermächtigte das
britische Unterhaus die Regierung, ultimativ von beiden Kriegsparteien die Achtung der
belgischen Neutralität zu verlangen. Frankreich hatte schon früher die Bereitschaft
erklärt, dieser Forderung zu entsprechen. Anders das Deutsche Reich: Als am 4. August in
Berlin der britische Botschafter die Forderung seiner Regierung übergab, hatten deutsche
Truppen den Angriff auf die belgische Festung Lüttich schon eröffnet.
Die britische Regierung sah sich unter diesen Umständen genötigt, nun ihrerseits
Deutschland den Krieg zu erklären. Damit hatte das Deutsche Reich nicht bloss einen euro­
päischen Nachbarn mehr gegen sich, sondern auch das gesamte riesige, durch eine starke
Flotte erschlossene britische Weltreich mit seinen unerschöpflichen Rohstoffquellen.
Ein Weltkrieg war nun ausgebrochen. Eine Welle von Nationalismus lief durch die Länder
Europas. Sie fegte für einen entscheidenden Augenblick alle andern politischen oder
religiösen Bindungen der Menschen hinweg. Fast niemand wagte den Widerstand gegen
den Marschbefehl. Als es darum ging, die Kriegskredite zu bewilligen, richtete Kaiser
Wilhelm II. am 1. August 1914 folgende Worte an die Abgeordneten des Deutschen
Reichstags:

Kommt es zum Kampf, so hören alle Parteien auf! Auch mich hat die eine oder andere Partei
wohl angegriffen. Das war in Friedenszeiten. Ich verzeihe es heute von ganzem Herzen. Ich
kenne keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle deutsche Brü­
der und nur noch deutsche Brüder.

Der Abgeordnete Haase, Sprecherdersozialdemokratischen Fraktion, entgegnete:

Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das
eigene Vaterland nicht im Stich.

Für den Frieden zwischen den Parteien angesichts des Kriegs wurde in Deutschland der
Begriff Burgfrieden geprägt.

[1 -3] Freiwillige auf der Strasse Unter den Linden in Berlin

«Indem Menschenstrom wurde Ginster mitgeschleift. Herren mit dicken Schlipsen, Studenten und
Arbeiter sprachen sich an. «Unsere Armeen), sagten sie. «Wir sind überfallen worden, wir werden
es den andern sch on ze igen). S ie ware n auf ein mal ein Volk.» So beschrieb Siegfried K rakauer in
seinem Roman «Ginster» den Mobilmachungstag.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

1.8 Die Kriegsschuld

Das Attentat von Sarajevo und das daran anschliessende, durch deutsche Rückendeckung
abgesicherte österreichische Ultimatum an Serbien waren der Anlass für den Ersten
Weltkrieg, der berühmte Funken, der das Pulverfass zum Explodieren brachte. Davon gilt
es die tieferen Ursachen zu unterscheiden. Der Erste Weltkrieg mit seinen ungeheuren
Opfern und einschneidenden Folgen für das ganze 20. Jahrhundert hat aber auch mehr als
jeder frühere Krieg die Frage nach der Kriegsschuld aufgeworfen.

Auf den ersten Blick scheint die Schuld am Weltkrieg eindeutig bei Deutschland und
Österreich-Ungarn zu liegen, denn von diesen Ländern gingen die entscheidenden Kriegs­
erklärungen aus. Das Deutsche Reich Wilhelms II. war 1914 zudem ein militaristischer
Staat. Die Sieger des Ersten Weltkriegs, die westlichen Alliierten, gingen darum in den Frie-
densverträgen 1919/20 von der alleinigen Kriegsschuld der Mittelmächte Deutschland
und Österreich-Ungarn aus. Auch der deutsche Historiker Fritz Fischer vertrat 1961 diese
Extremposition. Seiner These nach war der Erste Weltkrieg ein vom Deutschen Reich von
langer Hand geplanter Eroberungskrieg zur Sicherung der deutschen Vorherrschaft in
Europa. Die Fischer-Thesen blieben aber nicht unwidersprochen.

Es wurde angeführt, dass auch Russland Krieg führte, um unter dem Deckmantel des Pan­
slawismus zur Führungsmacht auf dem europäischen Kontinent aufzusteigen. Die russi­
schen Eroberungsabsichten richteten sich insbesondere auf das Gebiet Österreich-
Ungarns. Grossbritannien und Frankreich wiederum trugen durch ihre Teilnahme am
Wettrüsten zur erhöhten Kriegsgefahr vor 1914 bei. Ihr militärisches Bündnis bewirkte,
dass im entscheidenden Krisenmoment jener fatale Mechanismus auslöst wurde, der zum
Weltkrieg führte.

Eine Würdigung aller Ursachen und Umstände zeigt schliesslich, dass keine Regierung
wirklich einen Weltkrieg auszulösen gedachte, selbst der deutsche Kaiser und seine Gene­
räle nicht. Diese meinten wie die Österreicher, mit dem Vorgehen gegen Serbien bloss das
kalkulierte Risiko eines Lokalkriegs einzugehen. Auch die russische Generalmobilma­
chung war lediglich als Druckmittel gedacht, nicht als Kriegserklärung. In der Zeit nach
dem Ersten Weltkrieg fassten manche Stimmen den Krieg als eine Art Verhängnis auf, das
über Europa gekommen sei. Der englische Minister Lloyd George formulierte das so:

Keiner der führenden Männer jener Zeit hat den Krieg tatsächlich gewollt. Sie glitten gewis­
sermassen hinein oder besser, sie taumelten und stolperten hinein, vielleicht aus Torheit.

Ob es wirklich richtig ist, die Staatsmänner und Völker so von jeder Verantwortung zu
entlasten und diese auf eine Art von «Schicksal» abzuwälzen, bleibt fraglich. Es fehlte
1914 nicht an Möglichkeiten, bestehende Konflikte auf dem Verhandlungsweg anzugehen
und nach und nach wieder eine Vertrauensbasis aufzubauen. Innenpolitische Probleme
hätten durch Reformen bewältigt werden können, statt sie durch Kriege zu verdrängen.

Um zu verstehen, warum 1914 nichts Vernünftiges geschah, um die Katastrophe aufzuhal-


ten, müssen wir uns das vorherrschende Lebensgefühl der damaligen Oberschicht vor
Augen führen. Über Europa lag damals eine Stimmung wie vor einem grossen Gewitter.
Die anhaltenden politischen Spannungen belasteten die Menschen. Viele wünschten
sich, dass endlich losbreche, was lange schwelte, losbreche, was immer es auch sei.
Gerade in besser gestellten Kreisen war eine eigentliche Kriegssehnsucht zu beobachten.
So absurd es scheint, die Schüsse von Sarajevo wirkten auf diese Leute wie eine Erlösung.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte lind Ausbruch des Weltkriegs

Sehr gut hat das Thomas Mann in seinem Roman «Der Zauberberg» dargestellt. Hier bricht
der Krieg in den Alltag reicher Patienten eines Lungensanatoriums im schweizerischen
Davos ein. Die Hauptperson, ein junger Mann, der sieben Jahre in der Höhenklinik zuge­
bracht hat, will sich als Kriegsfreiwilliger stellen und sieht einem baldigen Heldentod ent­
gegen:

Er sah sich entzaubert, erlöst, befreit... Aber wenn auch sein kleines Schicksal vor dem all­
gemeinen verschwand, - drückte nicht dennoch etwas von persönlich gemeinter und also
göttlicher Güte und Gerechtigkeit sich darin aus? Nahm das Leben sein sündiges Sorgen­
kind noch einmal an ... im Sinne einer Heimsuchung, die vielleicht nicht Leben, aber gerade
in diesem Falle drei Ehrensalven für ihn, den Sünder, bedeutete ... Fünftausend Fuss tief
stürzte das Völkchen derer hier oben sich kopfüber ins Flachland der Heimsuchung, die
Trittbretter des gestürmten Zügleins belastend, ohne Gepäck, wenn es sein musste ...

Um das besser zu verstehen, müssen Sie sich zwei Dinge vor Augen halten:
• Die Europäer wussten 1914 nicht mehr, was Krieg bedeutet. Die letzten Kriege auf dem
Kontinent waren lange her und von kurzer Dauer gewesen.
• Zudem hatte wohl kaum jemand einen Begriff davon, wie die moderne Technik die
Kriegsführung verändert hatte, welche Schrecken ein moderner Krieg bringen konnte.
Die folgenden vier Jahre zeigten dann in aller Deutlichkeit die Zerstörungsgewalt der
neuen Waffen und technischen Mittel.

Zusammenfassung Der Imperialismus aller Grossmächte hatte bis 1912 zu verschärften internationalen
Spannungen geführt, wobei in Europa das Deutsche Reich in alle bestehenden Konflikte
verwickelt war. Der gefährlichste Krisenherd war der Balkan, das Pulverfass Europas.
1912 und 1913 kam es dort zu zwei Kriegen, in die Österreich-Ungarn und Russland ein­
greifen wollten. Diese beiden Grossmächte konnten nur dank einer vernünftigen Zusam­
menarbeit zwischen Deutschland und Frankreich gebremst werden. Die beiden Kriege blie­
ben somit auf den Balkan beschränkt.

Auch nach dem Ende der Balkankriege bestanden die Spannungen unter den europäischen
Mächten weiter. Vielerorts musste ein überspitzter Nationalstolz als Ersatz für fehlende
soziale Gerechtigkeit und Demokratie herhalten. Die Welle des Nationalismus in Europa
wurde von einem allgemeinen Wettrüsten begleitet. Eine besonders riskante Aussenpoli­
tik betrieben die in ihrem Bestand bedrohten Monarchien Österreich-Ungarn und Russland.

Ende Juni 1914 wurde in Sarajevo der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand durch
einen serbischen Attentäter ermordet. Österreich-Ungarn reagierte mit einem scharfen
Ultimatum an Serbien und forderte eine Untersuchung durch österreichische Polizeiorgane
auf serbischem Gebiet. Serbien meldete, gestärkt durch russische Unterstützung, Vorbe­
halte an. Daraufhin erklärte die Donaumonarchie mit der deutschen Unterstützung im
Rücken Serbien den Krieg. Russland ordnete die allgemeine Mobilmachung an.

Die russische Generalmobilmachung führte dazu, dass Deutschland seinerseits zuerst


Russland, dann Frankreich den Krieg erklärte. Die Kriegserklärung an Frankreich erfolgte
aus militärstrategischen Gründen. Die deutsche Strategie, der Schlieffenplan, sah vor,
dass die deutsche Armee durch einen Vorstoss durch Belgien Frankreich schnell schlagen
und so einen Zweifrontenkrieg verhindern sollte. Diese Verletzung der belgischen Neutra­
lität veranlasste sodann Grossbritannien, dem Deutschen Reich den Krieg zu erklären.

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Geschichte des 20 Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

Die entscheidenden Kriegserklärungen gingen von Deutschland aus. Insofern wiesen die
westlichen Alliierten mit Recht die Kriegsschuld den Mittelmächten zu. Festzustellen ist
aber, dass weder die deutschen noch die österreichischen Generäle einen Weltkrieg aus­
lösen wollten und dass es bei allen Kriegsparteien Schuld und Versagen gab. Ein überstei­
gerter Nationalismus und eine eigentliche Kriegsbegeisterung lähmten den Verstand vieler
Menschen überall in Europa. Somit lässt sich eine eindeutige Schuldzuweisung für den
Ersten Weltkrieg schwer machen.

Aufgabe 1 Welches Land in Europa war zwischen 1900 und 1914 in alle bedeutenden Konflikte auf
dem Kontinent verwickelt?

Aufgabe 5 Welche Entwicklung auf dem Balkan konnten deutsche und französische Aussenpolitiker
durch eine Zusammenarbeit verhindern?

Aufgabe 9 Füllen Sie im unten stehenden Text die richtigen Begriffe in die Lücken ein:

Gesellschaftliche Probleme im Innern der europäischen Länder begünstigten einen über­


triebenen ................................................................................................... was wiederum zu einer
verstärkten militärischen ............................................................................................................. führte.
Dazu machte sich bei den östlichen Grossmächten ein Mangel an ........................................................
................................................................ bemerkbar.

Aufgabe 13 Im Juli 1914 ging folgende telegrafische Anweisung an einen ausländischen Botschafter
in Wien:

... Was endlich Serbien aniange, so könne Seine Majestät zu den zwischen Öster­
reich-Ungarn und diesem Lande schwebenden Fragen naturgemäss keine Stellung neh­
men, da sie sich Seiner Kompetenz entzögen. Kaiser Franz Joseph könne sich aber darauf
verlassen, dass Seine Majestät im Einklang mit seinen BündnispfUchten und seiner alten
Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns stehen werde.

A] Wer ist im Text mit «Seine Majestät» gemeint? Wer also gelangt über seinen Botschaf­
ter an Kaiser Franz Joseph?

B] Welche Kernaussage beinhaltet der Text?

Aufgabe 17 Was stimmt? Zar Nikolaus II. machte die russische Mobilmachung nicht rückgängig, weil:

A] die Gefahr eines Kriegs zwischen Deutschland und Russland bereits zu gross war.

B] er die Serben um jeden Preis unterstützen wollte.

C] weil dadurch in der russischen Armee ein Durcheinander geschaffen worden wäre.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
1 Vorgeschichte und Ausbruch des Weltkriegs

Aufgabe 21 Nennen Sie in chronologischer Reihenfolge die entscheidenden Ereignisse und Regie-
rungsentscheidungen, die nach dem 28. Juni 1914 dazu führten, dass sich der Lokalkon-
flikt auf dem Balkan zu einem Weltkrieg ausweitete. Benutzen Sie unten stehende Stich­
wörter:
1. Vorbehaltlose Unterstützung
2. Österreichischesan Serbien.
3. Russische Unterstützung
4Kriegserklärung
5Generalmobilmachung.
6. Deutsche Kriegserklärungen
7. Verletzung der belgischen
8. Britischean Deutschland.

Aufgabe 2 Durch welche im Sommer 1914 unternommenen Schritte trugen die unten stehenden
Mächte entscheidend zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs bei? Füllen Sie Stichwörter in
unten stehende Tabelle ein:

Land Anteil an der Kriegsschuld


Österreich-Ungarn
Russland
Deutsches Reich
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlaut

2 Der Kriegsverlaut

Bei der nun folgenden Beschreibung des Kriegsverlaufs werden wir uns weder mit kompli­
zierten Schlachtberichten noch eingehend mit militärtechnischen Problemen befassen. Es
geht vielmehr darum, dass Sie nach dem Durcharbeiten dieses Kapitels wissen, in welchen
Etappen der Erste Weltkrieg verlief, wo die wichtigsten Kriegsschauplätze lagen und vor
allem, wie sich der Charakter des Kriegs durch die Industrialisierung und die moderne
Technik veränderte.

Vorweg eine Begriffsklärung:


• Nach ihrer geografischen Mittellage nannte man Deutschland und Österreich-Ungarn
die Mittelmächte. Ihnen schloss sich das Osmanische Reich an, das Russland fürch­
tete und von Deutschland militärisch aufgerüstet worden war. 1915 griff noch Bulga­
rien auf dieser Seite in den Krieg ein.
• Die Mächte der Tripelentente auf der Gegenseite, Frankreich, Russland und Grossbri-
tannien, wurden die Alliierten genannt. Zu ihnen gehörten Serbien und Belgien als An-
griffsopfer der Mittelmächte. In den folgenden Jahren traten Japan, Italien, Rumänien
und Griechenland dazu, zuletzt noch die USA.

2.1 Im Westen: Scheitern des Schlieffenplans und


Stellungskrieg

Gemäss dem Schlieffenplan zog das Deutsche Reich zu Beginn des Kriegs seine Truppen
im Westen zusammen. Der Vorstoss erfolgte über das Gebiet des neutralen Belgien. Die
deutsche Armee erwies sich in den ersten vier Kriegswochen den Gegnern im Westen als
massiv überlegen. Ihr Vormarsch verlief fast reibungslos und die Franzosen und das
kleine britische Expeditionskorps mussten sich unter Verlusten zurückziehen.

[2-1] Abschied deutscher Soldaten von der Heimat

Der Glaube an den schnellen Sieg zeigt


sich an den Aufschriften auf den Waggons:
«Auf nach Paris!»

Anfangs September überschritten deutsche Truppen östlich von Paris die Marne. Der Sieg
schien zum Greifen nah. Da brachte eine französische Gegenoffensive den deutschen
Vormarsch überraschend zum Stehen.

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Geschichte des 20, Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Aus Paris war nämlich französische Verstärkung mit 3000 beschlagnahmten Taxis an die
Front gefahren worden, denn die Armee selber verfügte noch kaum über eigene Motor­
fahrzeuge. Der gesamte britische Bestand an Kraftwagen betrug beispielsweise bei Kriegs­
ausbruch bloss 827 Stück. Jetzt aber hatte sich zum ersten Mal gezeigt, was der motori­
sierte Transport in Zukunft bedeuten würde. Die verlustreiche Schlacht an der Marne
bedeutete das Scheitern des Schlieffenplans. Es war nicht gelungen, mit einem kurzen,
schnellen Vorstoss Frankreich zu unterwerfen. Die deutschen Truppen mussten sich nun
sogar ein Stück zurückziehen. In Frankreich sprachen die Leute vom «Wunder an der
Marne».

[2-2] Der Kriegsverlauf im Westen mit schematischer Darstellung der Marneschlacht

DovGr
Dünk. Antwerpen

Calais
Brüssel Lüttich'

5. Armee
6. Armee
Reims,
■\
•8. Arnwe
7. Armee
♦ Paris,
Briten

*4| 5. Armee
Ursprünglich
von Schlieffen
geplante
Ausholbewegung

Belfort O

-- » Weitestes deutsches Vordringen im August 1914 Erstarrte Fronten ab Winter 1914/15


Angriffsbewegungen der deutschen Armeen ------- Staatsgrenzen
Französisch-britische Gegenoffensive vom 6.9.1914 : : Neutrale nach Ausbruch des Kriegs

Beide Seiten machten in der Folge den Versuch, durch neu aufgestellte Verbände die Front
nach Norden zu verlängern, um so den Gegner zu überflügeln und damit zum Bewegungs­
krieg zurückzukehren. In diesem Wettlauf zum Meer gelang es jedoch keiner Partei, einen
entscheidenden Vorsprung zu erzielen. Bei Ypern in Flandern kam es dabei wieder zu ver­
lustreichen Kämpfen.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Knegsverlauf

Von Ende 1914 an lagen sich Deutsche und Alliierte in zusammenhängenden Befesti-
gungslinien gegenüber, die sich von der Schweiz im Süden bis zur flandrischen Küste im
Norden hinzogen. Der anfängliche Bewegungskrieg war zum Stellungskrieg erstarrt. Die
Armeen gruben sich je länger je mehr in Schützengräben und Unterständen ein. Dabei
zeigten sich Truppen in der Verteidigung dank der grossen Feuerkraft moderner Waffen,
besonders des Maschinengewehrs, den angreifenden Fusstruppen überlegen.

(2-3] Kräfteverhältnis zwischen Entente und Mittelmächten bei Ausbruch des Kriegs

Einwohnerzahl 1914 Rüstungsausgaben Feldheer Bestand an


(ohne Kolonien) in Milliarden Mark bei Kriegsbeginn Grosskampfschiffen 1914
Deutschland, Österreich-Ungarn
Mittelmächte
Russland. Frankreich. Grossbritannien
Alliierte

2.2 Im Osten: deutsche Erfolge und Stellungskrieg

Im Osten rückten die Russen auf das dringliche Ersuchen des arg bedrängten Frankreich
gegen Ostpreussen und Galizien vor, ohne die vollständige Mobilmachung abzuwarten.
Die Deutschen hatten an der Ostfront nur wenig Truppen zur Verfügung, die Hauptkraft
des Heers war ja im Westen konzentriert. Dennoch gelangen der zahlenmässig stark unter­
legenen, jedoch besser gerüsteten und geführten deutschen Armee unter General Paul
von Hindenburg und Stabschef Erich Ludendorff zwei spektakuläre Erfolge. In Ost­
preussen, in den Schlachten von Tannenberg und an den Masurischen Seen, wurden
zwei russische Armeen geschlagen. Dieser Sieg bildete die Grundlage für den grossen Ein­
fluss, den Hindenburg und Ludendorff fortan auf die deutsche Politik ausübten.

20
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Der deutsche Erfolg wurde von der Niederlage der österreichisch-ungarischen Armee
in Galizien überschattet. Statt das Deutsche Reich zu entlasten, brauchten die Österrei­
cher fortan dessen Unterstützung.

Ab Ende 1915 erstarrte auch an der Ostfront der Bewegungskrieg zu einem Stellungs­
krieg, und zwar längs einer Linie, die der späteren polnisch-russischen Grenze von 1920
entsprach.

[2-4] Der Kriegsverlauf im Osten

Grenzen 1914

Russische Angriffs­
armeen im August
und September 1914

Angriffe der
Mittelmächte

Rumänien
(1914 noch neutral)

Russisches Vordringen
bis Dezember 1914

Front des Stellungs­


kriegs ab Ende 1915

A
Karpaten passe von
strategischer Bedeutung

Die Donaumonarchie stand ihrerseits wegen des Kriegs mit Serbien in einem Zweifron-
tenkampf. Serbien vermochte sich über ein Jahr lang erfolgreich zu halten. Erst der
Kriegseintritt Bulgariens auf österreichischer Seite und das Eingreifen einer deutschen
Armee zwangen die Serben zum Rückzug nach Albanien und auf die griechische Insel
Korfu. Serbien wurde besetzt, die Regierung ging ins Exil.

2.3 Weitere Kriegsschauplätze

Die Westfront zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich sowie die Ostfront zwischen
Russland und den Mittelmächten waren die wichtigsten Kriegsschauplätze. Gleichzeitig
aber eröffneten sich an vielen weiteren Orten innerhalb und ausserhalb Europas neue Fron­
ten; immer mehr Länder wurden in den Krieg gezogen, bis alle Kontinente am Krieg betei­
ligt waren.

21
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

2.3.1 Naher Osten: England gegen das Osmanische Reich

Da England seinem russischen Bundesgenossen Konstantinopel als Kriegsgewinn in


Aussicht gestellt hatte, trat die Türkei bereits im November 1914 auf der Seite der Mittel­
mächte in den Krieg ein. Das Osmanische Reich löste eine doppelte Offensive aus: im Kau­
kasus gegen die Russen und von der Sinaihalbinsel aus gegen die britischen Truppen am
Suezkanal. Gegen beide Gegner mussten die Türken aber im Verlauf des Kriegs schritt­
weise zurückweichen. Die russische Armee besetzten den osmanischen Teil Armeniens.

Grossbritannien griff von Kuwait aus die türkischen Stellungen in Mesopotamien an. Teil­
weise konnten die Briten auf die Unterstützung der Araber zählen, denen sie einen unab­
hängigen Staat versprachen. Es gelang dem britischen Expeditionskorps, bis 1917 Bagdad
und in Palästina Jerusalem und Jaffa einzunehmen. Die Juden brachte der britische
Aussenminister Balfour auf seine Seite, indem er ihnen eine «nationale Heimstätte» in
Palästina in Aussicht stellte. Dieses Versprechen nennt man nach diesem Mann die Bal­
four-Deklaration.

[2-5] Das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg

-4umäniei Sewastopol RUSSISCHES REICH 8ak?


(16.9.18)
©Bukarest'’ \ ^^roTifiis y
Schwarzes Meer Batum
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ÄGYPTEN Alexandria
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Türkische Vorstösse Alliierte Vorstösse ■■■• Fronten 1917 - ■ Fronten Anfang 1918

22
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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

2.3.2 Italien

Noch 1914 war Italien auf dem Papier durch den Dreibund mit Deutschland und Öster­
reich-Ungarn verbündet. Weit mehr Gewicht als diesem brüchigen Bündnis kam aber den
handfesten Gegensätzen zu, die Italien vor allem von Österreich-Ungarn trennten. Schon
seit Langem forderten die Italiener den Anschluss der österreichischen Gebiete mit italie­
nischer Bevölkerung: Trient, Triest, Istrien und (aus strategischen Gründen) das deutsch­
sprachige Südtirol. Auf solche Forderungen war die Donaumonarchie nie eingegangen.
Da die Ententemächte Italien diese Gebiete als Siegespreis in Aussicht stellten, trat das
Land 1915 auf der Seite der Alliierten in den Krieg ein. Bald kämpften Österreicher und
Italiener am Grenzfluss Isonzo in einem verbissenen Stellungskrieg gegeneinander.

2.3.3 Der Balkan

An der Westfront gab es um 1915 keine Möglichkeit für die Alliierten, die Deutschen
zurückzudrängen. Deshalb wagten die Briten in diesem Jahr den Versuch, Truppen auf
dem Balkan zu landen und eine neue Front gegen die Mittelmächte zu eröffnen. Doch die
britische Landung auf der türkischen Halbinsel Gallipoli scheiterte kläglich.

Erst 1917, nachdem Griechenland und die USA aufseiten der Entente in den Krieg einge­
treten waren, hatte eine britisch-französische Landungsoperation bei Thessaloniki mehr
Erfolg. Diese Balkanfront band fortan beständig deutsche und österreichische Kräfte. Hier
wurde auch bei Kriegsende die Entscheidung eingeleitet.

2.3.4 Rumänien

Aus ähnlichen Gründen wie Italien trat im Sommer 1916 Rumänien auf der Seite der
Entente in den Krieg. Es erhoffte sich, das teilweise von Rumänen besiedelte Sieben­
bürgen zu gewinnen, ein Gebiet das damals zu Österreich-Ungarn gehörte. Rumänien war
als Getreide- und Erdöllieferant für die Mittelmächte von grosser Bedeutung. Ludendorff
sagte später: «Wie sollten wir, was ich nun ganz klar sah, ohne das Getreide und Öl Rumä­
niens leben und Krieg führen?»

Die Deutschen konnten bereits im Winter 1916 die Rumänen entscheidend zurückdrän-
gen. Britischen Sabotagetruppen gelang es jedoch, die Ölförderungsanlagen von Ploesti
wenige Stunden vor dem Eintreffen der Deutschen zu sprengen und in Brand zu stecken.
Damit verringerte sich der Kriegsgewinn des Deutschen Reichs erheblich.

2.3.5 Der Krieg auf dem Meer

Die Mittelmächte wurden von den Ententemächten nicht nur an den Fronten auf dem Fest­
land bekämpft, sondern auch durch eine Seeblockade von den Rohstoffquellen und über­
seeischen Agrarmärkten abgeschnitten.

Im Winter 1914 erklärte die britische Regierung die Nordsee zum Kriegsgebiet. Der Han­
del neutraler Staaten war fortan gezwungen, von Grossbritannien festgelegte Seerouten zu
befahren, die von der britischen Flotte überwacht wurden. Der gesamte Überseehandel
geriet dadurch unter britische Kontrolle. Dieselbe Massnahme erfolgte nach dem Kriegs­
eintritt Italiens im Mittelmeer durch die französische und italienische Flotte.

Gegen diese Blockade kam die herkömmliche deutsche Kriegsflotte nicht an. Die ausser­
halb Europas operierenden deutschen Verbände wurden von den Alliierten äusser Gefecht
gesetzt. Daraufhin lag der Rest der mit grossem Aufwand aufgebauten Flotte während des
Kriegs untätig in den Ostseehäfen. Die deutsche Seekriegsleitung versuchte aber, mit neu
entwickelten Unterseebooten eine Gegenblockade gegen Grossbritannien aufzubauen.

23
Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Deutsche U-Boote auf dem Atlantik griffen nicht nur Kriegsschiffe, sondern auch unbe­
waffnete Handelsschiffe an, wenn sie annahmen, dass diese Kriegsgüter für die Entente
mitführten. In der Tat lieferten besonders die Vereinigten Staaten mit ihrer Handelsflotte
grosse Mengen von Kriegsmaterial an Grossbritannien. Dennoch verstiess die Versenkung
unbewaffneter Schiffe eindeutig gegen das Völkerrecht.

[2-6] Untergang der Lusitania

1915 wurde das britische Passagierschiff Lusitania, das Munition an Bord führte, von deutschen
U-Booten versenkt. Dabei kamen 1198 Menschen um, darunter auch 128 Amerikaner. Inwieweit
der Munitionstransport auf dem Passagierschiff eine bewusste Provokation war, um letztlich die
Amerikaner in den Krieg zu ziehen, wurde nie restlos geklärt. Bild: Bundesarchiv, DVM 10
Bild-23-61-17/CC-BY-SA

Die USA verurteilten den U-Boot-Krieg der deutschen Marine aufs Schärfste. Auf amerika­
nischen Druck hin stellte das Deutsche Reich 1916 die Angriffe auf Handelsschiffe vorü­
bergehend ein, erklärte aber nach dem schwierigen Winter von 1916/17 erneut den unein­
geschränkten U-Boot-Krieg auf dem Atlantik. Der amerikanische Kriegseintritt auf der
Seite der Entente wurde damit bewusst in Kauf genommen.

2.3.6 Die Kolonien

In den über Asien und Afrika verstreuten deutschen Kolonien standen die deutschen Trup­
pen überall isoliert einer Übermacht gegenüber. So wurden die meisten dieser Gebiete im
Verlaufe des Jahrs 1914 von den Ententemächten besetzt. In Kamerun konnten sich die
deutschen Kolonialtruppen bis 1916 halten. Bei Kriegsende war nur noch Deutsch-Ost-
afrika, heute Tansania, in deutscher Hand.

Kiautschou, der deutsche Stützpunkt in China, wurde schon 1914 von den mit Grossbri­
tannien verbündeten Japanern besetzt. Japan benutzte diese Eroberung dazu, seinen Ein­
fluss auf China zu vergrössern. Sonst beteiligte sich Japan kaum am Kriegsgeschehen.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

2.4 Die Jahre des Stellungskriegs

2.4.1 Die Westfront

In den Jahren 1915 bis 1917 wurde an der Front in Nordfrankreich und in Flandern sowohl
von deutscher als auch von alliierter Seite immer wieder versucht, unter hohen Opfern
einen Durchbruch und somit eine Kriegsentscheidung zu erzwingen. Dabei wurden
immer grössere Mengen von Material eingesetzt, wurde durch immer schwereres Trom­
melfeuer der Artillerie die für den Durchbruch ausgewählte Stelle sturmreif geschossen.
Der Artilleriebeschuss konnte sich über mehrere Wochen erstrecken und liess keine Hand­
breit des Zielgebiets aus. Folgende Aufzeichnung eines deutschen Infanteriesoldaten
beschreibt die Wirkung des Trommelfeuers:

Krankenträger, die vom Fort Vaux herabkommen und einen Verwundeten tragen, werden
etwa zehn Meter vor uns durch eine Granate verwundet. Etwas yveiter vorn bleiben wir vor
etwa zwanzig toten Soldaten stehen. Es sind MG-Schützen. Sie liegen neben ihren zersplit­
terten Maschinengewehren, den Inhalt der Munitionskästen um sich herum verstreut. Viele
sind von den Granaten immer wieder umgedreht, getroffen und zerrissen worden, und bald
wird von diesen armseligen Körpern nichts mehr übrig bleiben.

Dann begann an einem vorher festgelegten Tag im Morgengrauen der Sturmangriff der
Infanterie. Immer wieder vergebens wurden Tausende von Männern gezwungen, unter
Maschinengewehrbeschuss des Feinds in den Stacheldraht der gegnerischen Stellung zu
stürmen. Die wenigsten überlebten: «Die Infanterie trägt die Hauptlast des Kampfes und
bringt die grössten Opfer, dafür winkt ihr auch der grösste Ruhm», stand in einem alten
Exerzierreglement der Deutschen Armee.

Ein Durchbruch konnte nirgends erzielt werden. Selbst zahlenmässig weit unterlegene
Truppen erwiesen sich in der Verteidigung als stärker. Gegen das Trommelfeuer schütz­
ten sie sich dadurch, dass sie ihre Unterstände immer tiefer in den Boden eingruben und
mit dicken Balkendecken und Erdschichten schützten. Auch die nach 1914 aufkommen-
den neuen Waffen brachten auf die Dauer eher den jeweiligen Verteidigern und nicht den
Angreifern einen Vorteil. Neu eingesetzt wurden Flammenwerfer, Handgranaten und Ende
1914 von den Deutschen zum ersten Mal Gas.

[2-7] Landschaft bei Bapaume während der Sommeschlacht

Den abgebildeten Waldweg hatten die Deutschen eben erstürmt.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Der französische General Henri Mordacq berichtet über den Einsatz von Giftgas bei Ypern
durch die Deutschen am 22. April 1915:

Ich stieg sofort zu Pferd und galoppierte in die Gräben. Man konnte am Ufer des Kanals nur
noch eine gelbliche Rauchwolke erkennen. Als wir uns aber auf 300 oder 400 Meter
genähert hatten, fühlten wir heftiges Prickeln in der Nase und Kehle, in den Ohren sauste
es; das Atmen fiel schwer, ein unerträglicher Chlorgeruch umgab uns. In der Nähe des
Dorfes war das Bild, das sich bot, mehr als bedauernswert - es war tragisch. Überall Flüch­
tende: Landwehrleute, Afrikaner, Schützen, Zuaven und Artilleristen ohne Waffe, verstört,
mit ausgezogenen Röcken und abgenommener Halsbinde, liefen wie Wahnsinnige ins
Ungewisse, verlangten laut schreiend nach Wasser, spuckten Blut, einige wälzten sich
sogar am Boden und versuchten vergeblich, Luft zu schöpfen. Der Versuch, die Flüchtenden
aufzuhalten, war vergebliche Mühe.

Im Jahr 1916 ordnete die oberste deutsche Heeresleitung unter Generalfeldmarschall Erich
von Falkenhayn einen Angriff von noch nie gesehener Heftigkeit auf die französische Fes­
tung Verdun an. Ziel des Angriffs war es, die Franzosen «auszubluten». Falkenhayn ging
von der zynischen Überlegung aus, dass Deutschland mit seinen 65 Millionen Einwohnern
die hohen Verluste eher verkraften könne als Frankreich mit nur 40 Millionen und einer viel
geringeren Geburtenziffer.

Die «Hölle von Verdun» dauerte fünf Monate. Die Schlacht forderte den schrecklichen Blut­
zoll von insgesamt 600000 Toten und Verwundeten. Als der deutsche Angriff abgewehrt
war, lagen um Verdun auf jeder Hektar Land 50 Tonnen Stahl von krepierten Granaten. Bei
der Verteidigung von Verdun erwarb sich General Philippe Petain grosses Ansehen in
Frankreich.

[2-8] Deutsche Infanteristen

Die alliierte Entgegnung auf Verdun war eine Offensive an der Somme, in der Picardie,
etwa 100 Kilometer von der Kanalküste. Was sich in der Schlacht an der Somme
abspielte, übertraf die Schrecken von Verdun noch.

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Geschichte des 20, Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Als Vorbereitung für die Offensive waren auf der Seite der Entente in monatelanger Arbeit
Strassen gebaut und Munitionslager angelegt worden. Während der Kämpfe wurden
ganze Wälder niedergemäht und Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Die Schlacht kos­
tete die Entente unvorstellbare Opfer. Division um Division blutete aus. Allein am ersten
Kampftag war rund die Hälfte der britischen Sturmtruppen gefallen, der grösste Teil im
Granaten- und Bombenhagel der «Dicken Berta», der nach der Frau des deutschen Waf-
fenfabrikanten Krupp benannten Monsterkanone. Nach monatelangen Kämpfen war die
deutsche Front 12 Kilometer zurückgewichen. Jeder eroberte Quadratkilometer hatte die
Angreifer 2 500 Tote gekostet. Schliesslich, als der deutsche Widerstand erschöpft schien,
prasselte einen Monat lang der Herbstregen nieder. Der alliierte Vorstoss blieb endgültig
im Schlamm stecken.

[2-9] Die «Dicke Berta»

Das Trauma von Verdun und der Misserfolg an der Somme hatten auf Frankreich für
Jahrzehnte ihre Nachwirkung. Das Erlebnis dieser Schlachten zementierte die Angst vor
Deutschland, den Glauben an die Überlegenheit der Verteidigung, den Mythos der Fes­
tung, auch den Mythos von Petain als «Retter Frankreichs». Viele der späteren Ereignisse
des Zweiten Weltkriegs haben im Kriegsjahr 1916 ihren Ursprung.

2.4.2 Materialschlacht und Wirtschaftskrieg

Der Materialeinsatz im Stellungskrieg nahm ungeheure Ausmasse an. Namentlich in den


Materialschlachten an der Westfront hing der Erfolg einer Armee davon ab, ob ihr Hinter­
land über die ergiebigeren Rohstoffquellen, die bessere industrielle Produktionskapazität
und über den grösseren männlichen Nachwuchs an Soldaten verfügte. Die Generäle setz­
ten Menschen ebenso als ersetzbares Material ein wie Munition, Treibstoff oder
Geschütze. Im modernen Krieg wurde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines ganzen
Volks auf die Probe gestellt.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Alle industriellen Anlagen, die mittelbar oder unmittelbar der Rüstung dienten, mussten
rasch vergrössert und modernisiert werden. Das stellte besonders die Mittelmächte und
Russland, aufgrund der durch die Seeblockade erzwungenen Abschottung vom Welt­
markt, vor enorme Probleme. Die Marktwirtschaft konnte unter diesen Umständen nicht
mehr funktionieren. An ihre Stelle trat ein System staatlicher Bewirtschaftung, um in ers­
ter Linie die Versorgung der kämpfenden Truppen sowie der Rüstungsindustrie und erst in
zweiter Linie der Zivilbevölkerung sicherzustellen.

Wo die staatliche Bewirtschaftung zu spät erfolgte, wie etwa in Russland, kam es zu


Versorgungsschwierigkeiten und zu Teuerung. Russland war ohnehin durch die viel zu
geringe industrielle Produktionskapazität benachteiligt. Die russische Wirtschaft wurde
durch den langen Krieg überfordert. Das war bestimmt ein wesentlicher Grund dafür, dass
dieses Land als erstes den Kampf aufgeben musste.

Das Deutsche Reich war als industrialisiertes und dicht bevölkertes Land auf die Einfuhr
von Rohstoffen angewiesen. 1913 wurden das zur Pulverherstellung benötigte Salpeter,
ferner Mangan und Kautschuk vollständig importiert, Baumwolle, Wolle und Kupfer zu
90%, Leder zu 65% und Eisenerze zu 50%. Die Versorgung mit schwedischem Eisenerz
konnte aufrechterhalten werden. Kohle war genügend vorhanden. Die in Deutschland
besonders entwickelte chemische Industrie war zudem imstande, für einige Rohstoffe
Ersatzstoffe herzustellen, etwa Kunstdünger oder als Ersatz für Baumwollstoffe Verbands­
stoff aus Zellwolle auf der Grundlage der Holzverwertung.

Die britische Schwerindustrie hatte zwar schon Jahrzehnte zuvor ihre weltweit führende
Stellung eingebüsst, doch war sie noch immer zu besonderen Leistungen imstande. Sie
entwickelte ein neues Kampfmittel, das dem Krieg ab 1917 ein ganz neues Gesicht geben
sollte: den Kampfpanzer oder Tank. Ferner gelang es den britischen Werften zusammen
mit neutralen Schiffsbauern, die zeitweise enormen Schiffsverluste infolge des U-Boot-
Kriegs fortwährend auszugleichen.

Ein Problem für sich war die Finanzierung des Kriegs. Frankreich und Grossbritannien
verfügten über beträchtliche Vorräte an Gold und Devisen. Später stand ihnen der Kapi­
talmarkt der Vereinigten Staaten offen. Dazu konnte ihre Wirtschaft dank der Einfuhren
aus Übersee einigermassen das Gleichgewicht halten, sodass die Währungen, Pfund Ster­
ling und französische Franken, ihren Wert behielten.

Die blockierten Mittelmächte sowie Russland hingegen mussten eine grosse innere
Verschuldung auf sich nehmen. Das bedeutete, dass diese Länder einerseits versuchten,
bei ihren Bürgern Kriegsanleihen aufzunehmen, andererseits den Geldumlauf durch Aus­
gabe von zusätzlichem Papiergeld vermehrten. Diese zweite Massnahme verstärkte die
ohnehin durch den Warenmangel verursachte Teuerung. Die Teuerung barg die Gefahr
sozialer Spannungen in sich, da nicht alle Bevölkerungsschichten gleich davon betroffen
waren. Alle Staaten, die zu den Verlierern des Kriegs gehörten, hatten an dessen Ende völ­
lig zerrüttete Währungen, was einem Staatsbank™« gleichkam.

2.4.3 Der Alltag an der Heimatfront in Deutschland

Nicht nur die Soldaten an der Front, sondern auch die Menschen in der Heimat erfuhren
durch den Krieg eine einschneidende Veränderung ihrer Lebensweise. Der Alltag der Zivil­
bevölkerung wurde dabei so sehr durch den Krieg geprägt, dass man in Deutschland
begann, von einer Heimatfront zu sprechen. Schon im August 1914 wurde der erfolg­
reiche Unternehmer Walter Rathenau beauftragt, für die Sicherstellung und optimale Ver­
teilung kriegswichtiger Rohstoffe zu sorgen. Für die planmässige Verteilung der Güter ver­
wendete man den Begriff Rationierung.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Die Rationierung der Lebensmittel für die Zivilbevölkerung erfolgte dagegen nur zögernd.
Es bedurfte jeweils einer spürbaren Verknappung eines Produkts, bis die Behörden sich um
eine gerechte Zuteilung bemühten. Dann allerdings war es meistens zu spät. Hamster­
käufer hatten bei der Verknappung des Nahrungsmittels bereits die noch verfügbaren
Lagerbestände der Verteilung entzogen. Vor den Folgen von Versorgungsengpässen
warnte Ende 1915 ein Berliner Polizeibeamter:

An den Verkaufsstellen der in den Arbeitervierteln gelegenen Markthallen und Lebensmit­


telgeschäfte lassen sich mitunter Wahrnehmungen machen, die sehr zu denken geben.
Sobald z. B. irgendein notwendiges Lebensmittel eine weitere, teilweise wucherische Preis­
steigerung erfahren hat, so stehen die wartenden Arbeiterfrauen in kleinen und grösseren
Gruppen herum und geben ihrem Unwillen in lebhafter Weise untereinander Ausdruck. Es
herrscht hierbei eine äusserst gereizte Stimmung unter diesen Proletarierfrauen, und die
Massnahmen der Regierung erfahren hierbei häufig eine recht gehässige Kritik.

Ebenso wurde versäumt, durch die richtigen Weisungen an die Bauern die Lebensmittel­
erzeugung rechtzeitig zu steuern. 1913 erzeugte Deutschland noch 90% des im Land
benötigten Brotgetreides selber. Während des Kriegs fielen die Ernteerträge laufend, bis
1917 auf gut die Hälfte von 1913. Viel zu lange setzten die Bauern zudem Getreide und Kar­
toffeln als Viehfutter ein. Erst vom Frühjahr 1916 an ging der Viehbestand auf ein vernünf­
tiges Mass zurück. Der nun folgende Mangel an Milch wirkte sich aber nachteilig auf die
Volksgesundheit aus.

[2-10] Rationierungskarten für Kohlrüben

Koblriiben-Karte
— Stabt ffirfuri —
2 tJfunb 2 Vfuub
Sol) trüben Äoljlrüben
31. 2Dod)« 32. Mod)«
II HWIfjlllJ u-ii.m«) im

2 «Pfunb 2 MJfunb

Sofjlrüben Äo^lrüben
29. Modi« 311. SUodit
I. II. ■U|lfl> ii.-i7.n>iiiin

2 Vfnnb 2 'tJfunb

Soljtrüben So^lrüben
27. Mod)« 2H. Mod)«
II. II. arbrirar Illi HW’ ISltillli

2 'JJfnnb 2 ’JJfunb

Soljlrüben ßo^lrüben
25. aUort). 211. 'Mod)«
i ii jiuwr m; II i; Ifttaor in:

Als schliesslich im Herbst 1916 die Kartoffelernte mager ausfiel, bedeutete das eine Kata­
strophe für die Bevölkerung. Kohlrüben mussten als Hauptnahrungsmittel die Menschen
über den Winter bringen. Der Winter 1916/17 ist als Rübenwinter oder Hungerwinter in
die Geschichte eingegangen. Es gab Kohlrübensuppe, Kohlrübenmarmelade, Kohlrüben­
kaffee. Bei einer wöchentlichen Ration von einem Kilo Kohlrüben pro Kopf starben ältere
und kranke Menschen an Unterernährung.

Die Kriegsnot veränderte das soziale Gefüge der Gesellschaft. Als besonders einschnei­
dend erlebte die Mittelschicht, die sich damals schon an einen gehobenen Konsum
gewöhnt hatte, die Rationierung. Die Arbeiter dagegen hatten wohl schon immer nahe am
Existenzminimum gelebt, litten nun aber unter der starken Lebensmittelteuerung und dem

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Wucher. Es waren auch die Arbeitermänner, die am meisten Infanteristen stellten und den
höchsten Blutzoll im Krieg entrichteten. Allerdings konnte es sich die politische und militä­
rische Führung nicht leisten, die Arbeiterschaft während des Kriegs gegen sich aufzubrin-
gen. Zu sehr war die Kriegführung auf ihre Produktionsleistung angewiesen. Das stärkte
die politische Stellung der Arbeiter und steigerte ihr Selbstbewusstsein. So nivellierte der
Krieg insgesamt das Sozialgefälle nach unten.

Die Frauen kamen im Krieg in eine ganz ähnliche Lage wie die Arbeiter. Sie litten einerseits
doppelt unter den Entbehrungen des Kriegs. Ihre Kinder bekamen die Überlastung der
Mütter durch die Fabrikarbeit und die mühsame Beschaffung von Lebensmitteln zu spü­
ren. Anderseits übernahmen die Frauen in der Produktiom die Arbeit der Männer, die
wegen des Kriegs ausgefallen waren. Die Rüstungsindustrie und das gesamte zivile Leben
wäre ohne harte Frauenarbeit in Fabriken bei heraufgesetzten Arbeitszeiten zusammenge­
brochen. Aus dieser Tatsache schöpften die Frauen ein neues Selbstwertgefühl, das viele
von ihnen in den Anspruch nach Gleichstellung mit den Männern umsetzten.

[2-11] Frau an der Drehbank in einem Rüstungsbetrieb

Die verstärkten politischen Ansprüche der Arbeiterschaft, der Verlust der bisher innege­
habten Vorrangstellung, vor allem aber der Wertvertust der Währung und damit aller Geld­
anlagen und der aus Patriotismus gezeichneten Kriegsanleihen führten gegen Kriegsende
zu einer zunehmenden Verbitterung des deutschen Bürgertums.

Die Bauern waren als Selbstversorger bessergestellt als die Bewohner der Städte. Viele
von ihnen bereicherten sich durch den Verkauf von Lebensmitteln an reiche Städter, die
regelrechte Hamsterfahrten auf das Land unternahmen. Dennoch drückte der Krieg auch
die Bauern. Ein Erlebnisbericht eines Sozialdemokraten gibt darüber Auskunft:

Nach Einbruch der Dunkelheit sass die Familie im Wohnzimmer; der Bauer las aus der Bibel
vor, sonst sprach kaum jemand ein Wort. Die Mädchen lauschten dem Gesang der Russen
(als Landarbeiter beschäftigte Kriegsgefangene), der aus der Scheune herüberklang.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Nach einigen Tagen, nach dem Abendessen, die Mädchen waren schlafen gegangen,
erzählte der Bauer von seinen Sorgen, die ich meiner Mutter berichten sollte. Der Bauer
wusste nicht, ob seine beiden Söhne noch lebten, sie hatten seit zwei Jahren nicht geschrie­
ben. Er glaubte, dass das Regiment ihn doch benachrichtigen würde, falls die Söhne gefal­
len oder in Kriegsgefangenschaft geraten sein sollten. Die Frau des Bauern sagte, dass auch
die Töchter ihr Sorge bereiteten. Sie seien schon Mitte zwanzig und fänden keine Männer.
Die jungen Männer aus den umliegenden Dörfern und Gehöften seien im Kriege gefallen
oder in Kriegsgefangenschaft. Hinzu kam allmählich die Angst wegen der russischen Kriegs­
gefangenen, die Mädchen schauten zu viel zu ihnen hinüber.

Es gab im Krieg schliesslich eine kleine Minderheit sozialer Aufsteiger. Dazu gehörten
zum einen die Rüstungsindustriellen, zum anderen Kriegsgewinnler, die mit Schmuggel,
Schwarzmarkt und allerlei Schiebereien ihr Vermögen verdienten. Solche Leute schämten
sich auch nicht, ihren Reichtum vor aller Augen zu verprassen. Die Polizei konnte ange­
sichts der Güterknappheit wenig gegen die Schwarzhändler unternehmen. Ohne sie wäre
in gewissen Bereichen der Güterstrom ganz versiegt.

[2-12] Das Eiserne Kreuz

Das Eiserne Kreuz, ein Stück Blech,


das war alles, was d er d eutschen
Arbeiterfrau von ihrem Mann blieb.
Zeichnung von Heinrich Zille. Das
Eiserne Kreuz wurde im Ersten
Weltkrieg den besonders tapferen
Soldaten verliehen.

Diese Erscheinungen und Probleme, die Sie nun am Beispiel des Deutschen Reichs ken-
nengelernt haben, kamen ähnlich auch in allen anderen am Krieg beteiligten Ländern vor.
Auch die neutralen Staaten in Europa wurden von Güterknappheit, Teuerung und Speku­
lation betroffen. Mehr als je zuvor in der Geschichte wurde der Erste Weltkrieg letztlich auf­
grund wirtschaftlicher Überlegenheit, nicht durch siegreiche Schlachten entschieden.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Zusammenfassung Der Schlieffenplan scheiterte in der Marneschlacht. Es gelang Deutschland nicht, Frank­
reich entscheidend zu besiegen. Stattdessen erstarrte der Bewegungskrieg Ende 1914 zu
einem Stellungskrieg auf einer Linie von der Schweiz zum Ärmelkanal. Im Osten geschah
nach unerwarteten Abwehrerfolgen der Deutschen unter General von Hindenburg und
Stabschef Ludendorff dasselbe. Serbien konnte unter Mithilfe Bulgariens und einer deut­
schen Armee von Österreich-Ungarn besetzt werden.

Das Osmanische Reich kämpfte erfolglos auf der Seite der Mittelmächte gegen die Russen
und die Briten. Grossbritannien wurde im Verlaufe der Auseinandersetzung zur vorherr­
schenden Macht im Nahen Osten und versprach in diesem Gebiet sowohl den Arabern
wie den Juden einen unabhängigen Nationalstaat.

Italien, der Balkan und Rumänien waren die Nebenkriegsschauplätze des Kriegs in
Europa. Italien trat im Frühjahr 1915 gegen Österreich-Ungarn in den Krieg ein, in der Hoff­
nung, die italienischsprachigen Gebiete Österreichs und Südtirol zu gewinnen. Rumänien,
wichtig wegen seines Öl- und Getreidereichtums, stellte sich wegen Siebenbürgen auf die
Seite der Entente. Schliesslich eröffneten die Ententemächte eine Front auf dem Südbal-
kan, nachdem ihnen anfänglich eine Landung in Gallipoli in der Türkei misslungen war.

Im Krieg auf See blieb die deutsche Flotte unterlegen, während die Ententemächte eine
Blockade gegen die Mittelmächte durchsetzen konnten. Die deutsche Marine setzte
jedoch U-Boote zur Behinderung des alliierten Nachschubs ein, der besonders auch aus
den vorerst noch neutralen USA nach Grossbritannien gelangte. Dieser U-Boot-Krieg zielte
deshalb auch auf die Schiffe neutraler Staaten, was die Amerikaner gegen Deutschland
aufbrachte. Wegen der mangelnden Unterstützung durch eine wirksame Kriegsflotte
konnten sich die deutschen Kolonien nicht gegen die Alliierten behaupten.

Im Stellungskrieg nach 1914 erwies sich die Verteidigung gegenüber angreifenden Trup­
pen als überlegen. Die durch Trommelfeuer der Artillerie vorbereiteten Offensiven kosteten
riesige Opfer, konnten aber nie durch die feindlichen Linien brechen. Der Einsatz neuer
Waffen wie Giftgas änderte daran nichts. Besonders verlustreich waren die Schlachten um
Verdun und an der Somme. Den Angriff auf die Festung Verdun hatten die Deutschen vor
allem ausgelöst, um bei den zu erwartenden hohen Opfern ihre zahlenmässige Überlegen­
heit ins Spiel zu bringen. Verdun traumatisierte Frankreich für lange Zeit.

Im Stellungskrieg und bei hohem Materialeinsatz mass sich die Stärke jeder Kriegspartei
nach den Leistungen ihrer Volkswirtschaft. Besonders herausgefordert wurden dabei die
Mittelmächte und Russland, die durch die Seeblockade vom Welthandel abgeschnitten
waren. Während Deutschland dank seiner Industrie und vielfältiger Ersatzstoffe kriegs­
tüchtig blieb, wurde Russland durch die geringe Kapazität seiner Industrie geschwächt. Bei
der Finanzierung des Kriegs hatten neben Russland besonders die Mittelmächte grosse
Mühe.

Die deutsche Regierung trat der kriegsbedingten Güterknappheit mit Rationierungs­


massnahmen entgegen, die aber besonders im Bereich der Lebensmittelversorgung zu
spät erfolgten. Nach einer mageren Kartoffelernte kam es im Winter 1916/17 zu einer
Hungersnot in Deutschland. Krieg und Teuerung trafen sowohl die Arbeiterschaft wie den
Mittelstand und wirkten sich im sozialen Gefüge nivellierend aus, obschon die Güterknapp­
heit auch Kriegsgewinnler hervorbrachte.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
2 Der Kriegsverlauf

Aufgabe 6 Welche entscheidende Veränderung im Charakter des Kriegs stellte sich im Verlaufe des
Jahrs 1914 an allen wichtigen Fronten ein?

Aufgabe 10 Untersuchen Sie folgende Aussage auf ihre Richtigkeit. Begründen Sie Ihre Antwort.

Angesichts der Kriegslage Ende 1914 lässt sich behaupten, der Schlieffenplan sei vom
Deutschen Reich zur Hälfte mit Erfolg durchgeführt worden. Frankreich war nicht ganz
geschlagen, doch immerhin standen die deutschen Armeen tief in französischem Gebiet.

Aufgabe 14 Füllen Sie im unten stehenden Text die richtigen Begriffe in die Lücken ein:

Um im Nahen Osten Verbündete gegen die Türken zu gewinnen, machten die Briten
während des Ersten Weltkriegs zwei Versprechen. Den Arabern sagten sie einen
...............................................................zu, den Juden stellten sie eine «nationale Heimstätte»
in................................................................ in Aussicht.

Aufgabe 18 Was war der Grund für den Kriegseintritt Italiens auf der Seite der Entente?

Aufgabe 22 In welchem Dilemma stand die deutsche Marine während des U-Boot-Kriegs?

Aufgabe 3 Lesen Sie folgende Aussage Falkenhayns und beantworten Sie dann folgende Fragen:

A] Welches Ergebnis des Kampfs um die genannten Ziele verschweigt der Generalfeldmar-
schall seinen Leuten?

B] Dachten alliierte Generäle grundsätzlich anders als Falkenhayn?

Hinter dem französischen Abschnitt der Westfront gibt es in Reichweite Ziele, für deren
Behauptung die französische Führung gezwungen ist, den letzten Mann einzusetzen. Tut sie
das, so werden - da es ein Ausweichen nicht gibt - französische Kräfte verbluten, gleichgül­
tig, ob wir das Ziel selbst erreichen oder nicht. Tut sie das nicht und fällt das Ziel in unsere
Hände, dann wird die moralische Wirkung in Frankreich ungeheuer sein.

Aufgabe 7 Vergleichen Sie die Kriegswirtschaft der Gegner nach ihrer Leistungsstärke. Wie stand es
um die Rohstoffversorgung, die Kriegsindustrie und die Kriegsfinanzierung bei den ver­
schiedenen Kriegsparteien? Schreiben Sie ganz kurze Kommentare zu den Stichwörtern in
unten stehende Tabelle:

Frankreich und Mittelmächte Russland


Grossbritannien
Rohstoffversorgung

Kriegsindustrie

Finanzierung (leer)

Aufgabe 11 Kommentieren Sie folgende Aussagen:

A] Eine schlechte Kartoffelernte verursachte in Deutschland einen Hungerwinter.

B] Die Arbeiterschaft litt am meisten unter dem Krieg.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

3 Die Entscheidung

Von grosser Bedeutung für den Kriegsverlauf war der Zusammenhalt der Gesellschaft in
den Krieg führenden Ländern, das Ausmass, in dem die Öffentlichkeit hinter der Führung
des Lands stand.

3.1 Kriegswille und Kriegsmüdigkeit

Zu Beginn des Kriegs, im August 1914, herrschte in allen Ländern Europas eine nationa­
listische Hochstimmung. Der Pazifismus11 der internationalen Arbeiterbewegung stand
von Anfang an auf verlorenem Posten. Grosse Friedenskundgebungen im Juli 1914 in
verschiedenen europäischen Grossstädten richteten nichts aus. Einer der gewichtigsten
Kämpfer für die Erhaltung des Friedens, der französische Sozialistenführer Jean Jaures,
wurde sogar am 31. Juli in Paris von einem nationalistischen Fanatiker ermordet.

Kriegstaumel und patriotische Begeisterung stellten das Leben in Europa auf den Kopf.
Welche zuweilen absurden Blüten der Nationalismus trieb und auch wie sehr das ganze
Volk für die Kriegsanstrengungen eingespannt wurde, zeigt Ihnen folgendes Zitat aus dem
Tagebuch der damals fünfzehnjährigen deutschen Tänzerin und Schriftstellerin Jo Mihaly:

In der Schule sagten die Lehrer, wir hätten die vaterländische Pflicht, nicht mehr fremde
Wörter zu gebrauchen. Ich hab' zuerst nicht gewusst, was sie damit meinten. Jetzt ist mir
klar: Man darf nicht mehr «Adieu» sagen, weil das französisch ist Es ist eine Ehre, «Leb­
wohl» oder «Auf Wiedersehen» zu sagen, meinetwegen auch «Gruss Gott». (...) Wir haben
eine kleine Blechkasse gekauft, in die wir jedes Mat fünf Pfennige legen wollen, wenn wir
uns versprochen haben. Der Inhalt der Kriegssparkasse wird zum Einkauf von Strickwolle
verwendet. Wir müssen jetzt Wollsachen für die Soldaten stricken.

In den Parlamenten einigten sich die Parteien aller Richtungen auf eine Politik des Burg­
friedens. Unter dem Eindruck der Gefahr für das eigene Land stimmte die Opposition, in
der Regel die Linke, den Krediten und Massnahmen für die Kriegsführung zu. Dieser Schul­
terschluss im Zeichen des Patriotismus21 hielt aber nicht überall gleich lange an.

3.1.1 Die politische Spaltung im Deutschen Reich

In Deutschland zerbrach der Burgfriede bereits nach etwa einem Jahr. Es zeichneten sich
immer deutlicher drei Gruppen ab, die sich in Bezug auf ihre Friedensvorstellungen unter­
schieden:
• Die Einen wollten einen Siegfrieden, ein deutsches Friedensdiktat nach vollständigem
Sieg über alle Gegner.
• Die Zweiten wollten einen Verständigungsfrieden, ein Aushandeln eines Vertrags mit
Gegnern, die gleichfalls den Krieg beenden wollen.
• Die Dritten wollten einen Verzichtfrieden, den sofortigen Abbruch der Kriegshandlun-
gen ohne Rücksicht auf das Verhalten des Gegners.

Diese drei Gruppen sollten noch weit über das Kriegsende hinaus die Entwicklung in
Deutschland bestimmen. Daher lohnt es sich, näher auf sie einzutreten.

1] Pazifismus: politische Richtung, die den Frieden als höchstes Gut betrachtet und sich für dessen Erhaltung unter allen
Umständen einsetzt.
2] Patriotismus: politische Haltung, der das Wohlergehen des eigenen Lands über alles geht. Im Wort Patriotismus steckt
das lateinische Patria = Vaterland von Pater = Vater.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

Die erste Gruppe bestand aus den Hauptvertretern des Imperialismus der Vorkriegszeit.
Von einem Siegfrieden erwarteten sie eine Grenzsicherung im Westen durch Gebiets­
gewinne in Französisch-Lothringen und Flandern sowie weiträumige Annexionen im Balti­
kum und in Polen. Belgien würde ein Satellitenstaat. Im Reichstag waren diese Annexio­
nisten nicht besonders stark vertreten, doch besassen sie durch Ludendorff den mass­
geblichen Einfluss in der Obersten Heeresleitung (OHL), wie auch im Reichsmarineamt.
Ferner fanden sich Anhänger dieser Ausrichtung in den grossen Wirtschaftsverbänden
und in der Presse.

Die zweite Gruppe war identisch mit den Parteien der demokratischen Mitte. Die Mehr­
heit der Sozialisten, die verschiedenen liberalen Splitterparteien und der grösste Teil des
Zentrums bildeten einen festen Mehrheitsblock im Reichstag, der mit immer grösserem
Nachdruck Friedensverhandlungen forderte. Dabei sollte auf alle Annexionen verzichtet
werden. Da die deutsche Reichsregierung nicht vom Parlament abhängig war, vermochte
sich die Verständigungsmehrheit des Reichstags nicht durchzusetzen. Sie fasste im Som­
mer 1917 zwar eine Friedensresolution, aber dieser Beschluss blieb wirkungslos. Das ein­
zige Druckmittel des Reichstags wäre die Verweigerung von Krediten für den Krieg gewe­
sen. Auf dieses Vorgehen verzichteten die Vertreter des Verständigungsfriedens aus patri­
otischen Gründen.

Die dritte Gruppe, die der unbedingten Kriegsgegner, war im Spartakus1'-Bund unter der
Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg organisiert. Die internationalen Kon­
ferenzen kriegsgegnerischer Sozialisten in der Schweiz (in Zimmerwald 1915 und in Kiental
1916) hatten auf diese Gruppe stark eingewirkt. Im Reichstag bildeten sie zwar nur eine
verschwindend kleine Minderheit, gewannen aber schnell Einfluss auf die grossstädti­
schen Arbeitermassen. Schon im Frühjahr 1916 kam es zu den ersten grossen Massen­
streiks, bei denen es nur dem äusseren Anschein nach um Lohnfragen, in Wirklichkeit aber
um pazifistische und andere politische Ziele ging.

Die Arbeiter lehnten den Annexionismus ihrer konservativen Brotgeber ab. Zu den Sparta­
kisten stiess in der Folge noch die Gruppe der unabhängigen Sozialisten, die sich als Min­
derheit von der SPD abgespaltet hatte. Aus dieser USPD und dem Spartakus-Bund ent­
stand später die Kommunistische Partei Deutschlands KPD. Dieser dritten Gruppe ent­
sprach 1917 in Russland die Politik Lenins.

3.1.2 Die faktische Militärdiktatur Ludendorffs in Deutschland

Wie verhielt sich nun die Regierung gegenüber dieser starken Opposition? Angesichts der
Kriegsanstrengungen musste ihr daran gelegen sein, innere Spannungen zu vermindern.

Der Reichskanzler Bethmann-Hollweg stand dem Annexionsprogramm in der Tat skep­


tisch gegenüber, wagte es aber nicht, sich offen davon abzugrenzen. Dafür hoffte er durch
Reformen die inneren Gegensätze auszugleichen und so die Kriegsaussichten zu verbes­
sern. Seine Pläne sahen eine Demokratisierung des veralteten preussischen Wahlrechts
und eine Aufwertung des bereits demokratisch gewählten Reichstags vor. Bethmann-Holl­
weg wurde jedoch auf Verlangen der OHL, d. h. Erich Ludendorffs, vom Kaiser entlassen,
nachdem er gerade noch die Entfernung des Annexionisten Tirpitz aus dem Reichsmarine­
amt erreicht hatte.

11 Spartakus: Die Gruppe gab sich den Namen jenes Manns, der um 70 v. Chr. einen grossen Sklavenaufstand gegen die
Römer anführte.

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Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

Weil das Argument der militärischen Notwendigkeit im Krieg, zumindest im militaristi­


schen Deutschland, allen andern Erwägungen voranging, konnte seit der Entlassung des
Kanzlers im Sommer 1917 General Ludendorff faktisch eine Diktatur ausüben. Hinter ihm
traten sein nomineller Vorgesetzter, Generalfeldmarschall Hindenburg, wie auch der Kaiser
selbst völlig in den Schatten. Die OHL Hindenburg-Ludendorff besass aber nicht das
geringste Verständnis für Politik. So blieben alle höchst dringlichen Reformpläne liegen
und jede echte Friedenssuche ausgeschlossen.

[3-1] Hindenburg und Ludendorff

Bild: Bundesarchiv,
Bild 146-1987-127-09A/
CC-BY-SA

Im letzten Kriegsjahr wuchs der Gegensatz zwischen den demokratisch denkenden und
zu einem Verständigungsfrieden bereiten Parteien des Reichstags einerseits und der mili­
taristisch-autoritär denkenden Heeres- und Reichsleitung immer mehr; und immer weitere
Kreise des Volks begannen am Sinn dieses Kriegs zu zweifeln. Tatsächlich hätte eine
gewissenhafte und vorurteilsfreie Einschätzung der Gesamtlage und der Stärke beider
Kriegsparteien Bedenken gegenüber den Möglichkeiten eines Siegfriedens wecken müs­
sen. Aber dem stand die imponierende Tatsache entgegen, dass weiterhin das deutsche
Heer einen bedeutenden Teil Frankreichs besetzt hielt und Russland am Zusammen­
brechen war.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

3.1.3 Österreichische Friedensbemühungen

In der Donaumonarchie fehlte bei den meisten Slawen von Anfang an die Begeisterung,
sich für das Fortbestehen der Habsburgermonarchie einzusetzen. Auch die Ungarn hielten
mit ihrem Einsatz zurück, denn die Österreicher hatten ihnen diesen Krieg aufgezwungen.
Aus diesen Gründen konnten die Kräfte des grossen Reichs überhaupt nicht voll aus­
geschöpft werden. Der landläufige Kommentar zum mühsam verlaufenden Krieg lautete:
«Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst», d. h., sie wird nicht ernst genommen. Von
schicksalshafter Bedeutung war daher der Tod des greisen Kaisers Franz Joseph I. im
November 1916. Mit ihm verschwand das stärkste Symbol der Reichseinheit.

Der neue Kaiser, Karl I., kam zur Überzeugung, dass der Bestand der Habsburgermonar­
chie nur noch durch einen raschen Friedensschluss gerettet werden könne. Da sich aber
gleichzeitig im Deutschen Reich die annexionistische Kriegspartei durchsetzte, war Kaiser
Karl gezwungen, auf eigene Faust und heimlich zu handeln. Er schaltete einen habsburgi­
schen Verwandten auf der Gegenseite ein, den Prinzen Sixtus von Parma. Nach ihm wurde
der Vorstoss Karls Sixtusaffäre genannt. Sixtus sollte bei den Gegnern Österreichs die
eventuelle Friedensbereitschaft ausloten. Der Versuch scheiterte, soweit es die Entente
betraf, am entschiedenen Widerspruch von Italien und Rumänien. Diese beiden Länder
konnten ihre expansionistischen Kriegsziele nur erreichen, wenn das Habsburgerreich
besiegt und aufgelöst wurde.

3.1.4 Die Krise des Kriegswillens in Frankreich

Ähnlich wie in Deutschland hatten sich auch in Frankreich Anfang August 1914 alle Par­
teien zur Union Sacree, einem Heiligen Bund für das Vaterland, zusammengeschlossen.
Ab dem Sommer 1915 begann dieser Bund zu zerbröckeln. In Frankreich waren es nicht
wie in Deutschland in erster Linie die Sozialisten, die sich einer unbedingten Kriegspolitik
entgegenstemmten, denn Frankreich führte, solange die deutschen Armeen grosse Teile
des Lands besetzt hielten, offensichtlich einen Verteidigungskrieg.

Zu den Kriegskritikern gehörten vielmehr vorwiegend Intellektuelle, etwa der Schrift­


steller Romain Rolland, sowie der linke Flügel der Radikalsozialisten unter Joseph
Caillaux. Zahlreiche Intellektuelle wandten sich aus humanitären Gründen dem Pazifismus
zu. Zudem schienen die schweren Verluste der französischen Armee die Volkskraft des
Lands tödlich zu gefährden. Eine ganze Generation junger Männer drohte auf den
Schlachtfeldern auszubluten. Darin lag ja auch das Ziel der Zermürbungs- und Ausblu-
tungsstrategie der deutschen OHL beim Angriff auf Verdun. Schliesslich befürchteten
viele überzeugte Demokraten zu Recht, dass ein langer Krieg den Militärs zu viel Einfluss
und der Regierung zu viel Gewalt verschaffen müsse - auf Kosten des Parlaments und der
persönlichen Freiheit.

Caillaux setzte sich deshalb von Ende 1915 an immer entschiedener für einen Verständi-
gungsfrieden ein. Seine bedeutendsten Gegenspieler waren der Präsident der Republik,
Raymond Poincare, und der radikalsozialistische Politiker Georges Clemenceau, die aber
untereinander wiederum erbittert verfeindet waren. Diese beiden Männer verkörperten
den «Jusqu'auboutisme», d. h. den Willen, «jusqu’au bout», bis zum Ende, also bis zur voll­
ständigen Befreiung des französischen Territoriums zu kämpfen.

Die grosse Krise trat im Frühsommer 1917 ein, als eine breit angelegte Offensive des Gene­
rals Nivelle, genannt «Blutsäufer», in der Champagne zusammenbrach und es in der Folge
in zahlreichen französischen Divisionen zu gefährlichen Meutereien kam. Nun sah sich
Poincare genötigt, Clemenceau mit der Regierungsbildung zu betrauen. Die Kammer stat­
tete den neuen Ministerpräsidenten mit fast diktatorischen Vollmachten aus. Clemenceau
bekämpfte den «defaitisme» mit rücksichtsloser Härte, ja mit teilweise terroristischen

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

Massnahmen. In unzuverlässigen Truppenteilen wurde jeder 10. Mann erschossen. Cail-


laux selbst und viele seiner Anhänger wurden wegen Landesverrats verhaftet. Auch in
Frankreich triumphierte so der unbedingte Kriegswille.

Der Schriftsteller Friedrich Glauser beschrieb in seiner Kurzgeschichte «Ein Toter Mann»
die Bestrafung eines französischen Festungsregiments durch Erschiessen. Die Geschichte
ist zwar fiktiv, die geschilderte Begebenheit dürfte sich dennoch mit grosser Wahrschein­
lichkeit so ähnlich im Winter 1917/18 zugetragen haben:

Ich schritt der Reihe entlang und tippte mit meinem Spazierstock fünfzig Männern auf die
Brust. Das Schweigen war drückend. Die Männer, deren Brust meine Stockspitze berührt
hatte, traten vor, sie standen in einem Knäuel vor den beiden geraden Reihen (...)

Der Korporal führte seine kleine Gruppe zu den fünfzig Mann, die ich ausgelesen hatte, und
liess den Trupp von seinen vier Untergebenen einrahmen. Ein leiser Befehl, der Komman­
dant hatte die behandschuhten Hände über den Degenknauf gelegt, und die Klinge lag
schief auf dem schwarzen Uniform rock ... Medaillen schimmerten: das kupferne Kriegs­
kreuz mit Palmen und Sternen, das Kreuz der Ehrenlegion und die runde Militärmedaille. Die
von fünf Mann eingerahmten Fünfzig schritten mit ziehenden Schritten zur Mauer, stellten
sich mit dem Rücken gegen sie und warteten. Der Dreifuss wurde aufgepflanzt, dreissig
Meter von ihnen entfernt, das Maschinengewehr in die Gabel gelegt, eine Munitionskiste
öffnete sich, ein Mann setzte sich auf den mit Schnee bedeckten Boden, den Rücken den
Fünfzig zu gekehrt: ein zweiter sass auf dem winzigen Sitz des Dreifusses. Kein Kommando.
Eine Bande führte der auf dem Boden Hockende ein, der Schütze zielte nicht lange, dreissig
Schüsse knatterten, eine zweite Bande führte der Lader ein, wieder dreissig Schüsse... Sie
klangen nicht laut- eher kam es mir vor, als übe sich im Bureau der technischen Hochschule
ein Fräulein an der Schreibmaschine ... Eine neue Bande, eine Sekunde Ruhe, endlich die
letzten dreissig Schüsse. Vor der Mauer lagen fünfzig Männer tot.

3.1.5 Der innere Zusammenhalt Grossbritanniens

In Grossbritannien herrschte der Grundsatz, nicht in Friedensverhandlungen einzutreten,


bevor Belgien und Frankreich nicht im vollen Umfang wiederhergestellt und die britische
Seegeltung gegenüber der deutschen Bedrohung eindeutig gesichert war. Diese Devise
wurde von keiner politisch massgebenden Seite je in Zweifel gezogen. Grossbritannien
bot, anders als andere kriegsführende Mächte, während aller vier Kriegsjahre das Bild
grösster Geschlossenheit und Einigkeit.

[3-2] Werbung für den freiwilligen Kriegsdienst

Dieses Werbeplakat für den freiwilligen Kriegsdienst aus der


JOINYOURCOÜNTRY’S ARMY!
Anfangszeit des Ersten Weltkriegs zeigt Lord Kitchener als
GOD SAVE THE KING
General. Die Aussage des Bilds: Kitchener persönlich braucht
dich!

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

Vom Frühjahr 1915 an stand eine von Liberalen, Konservativen und der Labour Party gebil­
dete Koalitionsregierung an der Spitze des Lands. Die weitaus stärkste Persönlichkeit der
Koalition war der Liberale Lloyd George, bis Ende 1916 Munitionsminister, dann Minister­
präsident. Von grosser Bedeutung war auch der Kriegsminister Lord Kitchener, der erst­
mals in der britischen Geschichte die allgemeine Wehrpflicht einführte. Winston Churchill
schliesslich trug während des Kriegs als erster Lord der Admiralität die Verantwortung für
die Flotte. Im letzten Kriegsjahr wirkte er als Munitionsminister.

Auch die britischen Dominions Kanada, Neuseeland, Australien und Südafrika trugen zur
Verteidigung des Mutterlands bei. Der gefühlsmässige Zusammenhalt mit England durch
die gleiche Sprache und Kultur erwies sich dazu als stark genug. Somit bewährte sich die
lockere Struktur, die das britische Reich seit der Empire-Konferenz von 1906 erhalten hatte.

3.2 Die Vereinigten Staaten von Amerika im Krieg

Die USA waren grundsätzlich neutral. Ihre Aussenpolitik stand noch immer im Zeichen der
Monroe-Doktrin, die unter anderem eine Einmischung der USA in Angelegenheiten
ausserhalb des amerikanischen Kontinents ablehnte. Bei Präsident Woodrow Wilson fes­
tigte sich jedoch die Überzeugung, dass dieser Krieg nicht einfach ein imperialistischer
Machtkampf sei, sondern eine grosse ideologische Auseinandersetzung zwischen Demo­
kratie und autoritärer Monarchie. Dieser Sichtweise widersprach bis 1917 noch das Bünd­
nis der Entente mit dem zaristischen Russland. Gleichwohl neigte Wilson mehr und mehr
den Ententemächten zu.

[3-3] Die Freiheitsstatue

Symbol für den Kreuzzug für Demokratie,


von 18000 Soldaten auf einem Feld in Iowa
nachgebildet.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

Daneben wirkte auf die amerikanische Öffentlichkeit die immer enger werdende wirt­
schaftliche und finanzielle Verflechtung zwischen den USA und den Ententemächten.
Infolge der britischen Blockade konnten die USA ihre Produktionsüberschüsse aus Land­
wirtschaft und Industrie nur an die Ententeländer liefern. Dadurch stiegen deren Schulden
gegenüber den USA. So gewann die amerikanische Wirtschaft, namentlich das «big busi-
ness», ein echtes Interesse am Sieg der Entente. Bei einer Niederlage dieser Länder wären
der amerikanischen Hochfinanz namhafte Beträge verloren gegangen. Die deutsche Diplo­
matie wirkte unfreiwillig in die gleiche Richtung, nämlich durch Spionageaffären und durch
Versuche, Mexiko gegen die USA aufzuputschen.

Im Dezember 1916 richtete Wilson nochmals einen Friedensappell an die Kriegführenden.


Beide Parteien antworteten ausweichend. Die deutsche Antwort fiel zudem zusammen mit
der Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs am 1. Februar 1917.

[3-4] Thomas Woodrow Wilson von 1913-1921 Präsident der USA

Das gab für Wilson den Ausschlag. Sein Vermittlungsversuch war gescheitert und schlim­
mer noch, das Deutsche Reich griff zu Massnahmen, die dem geltenden Seerecht wider­
sprachen und die Rechte der Neutralen empfindlich verletzten. Durch die Umwälzungen in
Russland und den Sturz des Zaren im März 1917 fiel ferner ein wichtiger Grund weg, der
bisher gegen ein Eingreifen der demokratischen USA aufseiten der Entente gesprochen
hatte. Am 2. April 1917 erklärten die Vereinigten Staaten von Amerika dem Deut­
schen Reich den Krieg. Der von Wilson proklamierte «Crusade for Democracy», Kreuzzug
für die Demokratie, fand im ganzen Land begeisterten Widerhall.

Im Rückblick scheint uns dieses Zusammenfliessen der amerikanischen und der euro­
päischen Geschichte als eines der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Das Jahr
1917 markierte das Ende eines allein von Europa gelenkten Zeitalters. Gleichzeitig ereigne­
ten sich in Russland Umwälzungen von weitreichender Bedeutung.

Die unmittelbaren Auswirkungen des amerikanischen Kriegseintritts waren freilich vor­


derhand gering. Die USA brauchten für den Aufbau einer einsatzfähigen Armee über ein
Jahr. Das war der Grund, warum die deutsche OHL das Risiko dieser Kriegserklärung auf
sich genommen hatte. Ludendorff und sein Kreis hofften, den Endsieg erringen zu können,
bevor der amerikanische Einsatz sich an der Front auszuwirken beginne. Das allerdings war
ein gewagtes Kalkül.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

3.3 Die Schlussphase des Kriegs (1918)

3.3.1 Der Friede von Brest-Litowsk

In Russland führten im Jahr 1917 zwei Revolutionen zu einem völligen Umsturz der
Machtverhältnisse; die Kommunisten kamen an die Macht. Ihr Erfolg beruhte unter ande­
rem darauf, dass sie versprochen hatten, den Krieg um jeden Preis zu beenden.

Die neue Regierung unter Wladimir lljitsch Lenin nahm also mit dem Deutschen Reich
sofort Friedensverhandlungen auf. Ludendorff beharrte den Russen gegenüber auf gros­
sen Gebietsabtretungen und liess seine Truppen immer weiter nach Osten vorrücken. Auf
nachhaltigen Widerstand stiessen sie nicht mehr. Lenin blieb kein anderer Ausweg, als die
deutschen Bedingungen anzunehmen. Am 3. März 1918 wurde in Brest-Litowsk, einer
Stadt an der polnisch-weissrussischen Grenze, der Friedensvertrag unterzeichnet. Alle
Randgebiete des russischen Reichs, also Finnland, die baltischen Länder, Polen, die Ukra­
ine, Armenien und Georgien wurden unabhängig, blieben aber vorerst unter deutscher
Kontrolle.

3.3.2 Die neue Weltlage zu Beginn des Jahrs 1918

Die Weltlage zeigte sich Anfang 1918 gegenüber den Jahren des Stellungskriegs in zwei­
facher Hinsicht grundlegend verändert:
• Die USA kämpften auf der Seite der Entente und begannen ab Frühjahr 1918 ihre
Macht in Europa zu entfalten. In sicherer Siegeszuversicht und im Bewusstsein der
Verantwortung für die Nachkriegszeit hatte Präsident Wilson bereits im Januar 1918
als Kriegsziel der USA der Weltöffentlichkeit einen Verständigungsfrieden verkündet.
Es handelte sich dabei um ein Programm von 14 Punkten.
• Russland war zusammengebrochen. Damit war Deutschland vom Druck des Zwei­
frontenkriegs befreit. Sein Westheer konnte massiv verstärkt werden. Zudem gelang
es, durch ukrainische Getreidelieferungen eine drohende Hungersnot in Österreich ab-
zuwenden. Allerdings bedurfte es zur Behauptung und Sicherung des riesigen Raums,
der nach dem Ausscheiden Russlands unter die Kontrolle der Mittelmächte gefallen
war, noch immer rund 60 Divisionen, etwa eine halbe Million Mann.

Im Ganzen hatte sich das Kräftegleichgewicht kurzfristig zugunsten der Mittelmächte


verschoben. In dieser Lage blieb den Ententemächten nichts anderes übrig als standzuhal­
ten, bis die amerikanische Hilfe sich voll auszuwirken begann. In der sicheren Aussicht auf
diese Hilfe fühlten sie sich jedoch bereits stark genug, um jeden Friedensplan, der deut­
schen Vorstellungen entgegengekommen wäre, zurückzuweisen. Die OHL zeigte aber
überhaupt kein Interesse an Friedensverhandlungen, sondern versuchte, das augenblickli­
che Übergewicht Deutschlands für einen Entscheidungsschlag im Westen einzusetzen.
Damit überspannte Ludendorff jedoch die Kräfte der Mittelmächte.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

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ÖSTERREICH
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RUMÄNIEN

BULGARIEN

TÜRKEI

— — Frontlinien 1917 Mittelmächte


—■ Stellungen Herbst 1918 Weitestes Vordringen der Mittelmächte
Front nach den deutschen Alliierte
Offensiven in Frankreich Neutrale

3.3.3 Die deutschen Frühjahrsoffensiven - Gegenschlag der Alliierten

Am 21. März 1918 brach der wohlvorbereitete deutsche Angriff in der Gegend von Amiens
in Nordfrankreich los. Der deutsche Vorstoss brachte wohl beträchtliche Geländegewinne,
die aber wertlos waren, da die Ententetruppen nicht entscheidend geschlagen wurden.
Auch weitere deutsche Versuche, die Front endgültig zu durchbrechen, blieben stecken.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

Als die Deutschen ihre Kräfte verausgabt hatten, holten die alliierten Truppen unter dem
französischen General Ferdinand Foch zum Gegenschlag aus. Auf ihrer Seite wirkte sich
die amerikanische Unterstützung nun voll aus, physisch und moralisch. Mit über 300 Tanks
griffen sie am 18. Juli südlich von Soissons an und zwangen den Gegner zu einem verlust­
reichen Rückzug.

Drei Wochen später begann in gleicher Weise eine Tankoffensive bei Amiens. Diese
Schlacht wurde für die deutsche Armee zur Katastrophe. Nur mit äusserster Mühe gelang
es, die flüchtenden und demoralisierten deutschen Soldaten in weit zurückliegenden Ver­
teidigungslinien zu sammeln. Jahre später, in seinen Erinnerungen, nannte Ludendorff den
8. August 1918 den «schwarzen Tag» des deutschen Heers.

[3-6] Tankeinsatz in der Vorstellung britischer Ingenieure

Die Panzer sollten die Schützen­


gräben an der Front einfach
überrollen und beim Feind lähmen­
den Schrecken verbreiten.
Doch die Wirklichkeit sah anders
aus. An der Somme blieben die
meisten Tanks einfach im Schlamm
stecken. Zudem waren die 8 Meter
langen Monster mit ihrer Höchst­
geschwindigkeit von 7 km/h ein
leichtes Ziel für die Artillerie. Erst am
8. August 1918 gelang bei Amiens
einem britischen Tankgeschwader
der Durchbruch durch die deutsche
Linie. Damit hatte sich der Panzer
als wichtige Waffe der Armeen des
20. Jahrhunderts durchgesetzt.

Militärisch war der Krieg im August 1918 entschieden. Die Deutschen waren unter
schwersten Verlusten in die Verteidigung zurückgeworfen und die Angriffskraft der
Entente hob sich dank dem amerikanischen Beitrag von Woche zu Woche: Standen im
März 1918 erst 300 000 amerikanische Soldaten auf europäischem Boden, so erhöhte sich
diese Zahl bis zum August auf 1.5 Millionen und bis zum November auf über 2 Millionen.
Gleichzeitig lichteten sich auf der deutschen Seite infolge der hohen Verluste die Reihen.

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Geschichte des 20. Jahrhunderts 2/8
Vorgeschichte und Verlauf des Ersten Weltkriegs
3 Die Entscheidung

3.3.4 Der Zusammenbruch der Mittelmächte

Ludendorff beurteilte am 14. August, keine Woche nach dem «schwarzen Tag», die militä­
rische Lage als «ernst, aber keineswegs hoffnungslos». Er widersprach energisch allen
Friedenssondierungen, die der Reichskanzler einleiten wollte. Da zerstörte das Geschehen
an der Nebenfront auf dem Balkan die letzten Hoffnungen auf einen Sieg.

Die alliierte Armee im griechischen Thessaloniki eröffnete im September eine Gross­


offensive und innerhalb weniger Tage lösten sich die bulgarischen und österreichischen
Verbände in einem chaotischen Durcheinander auf. Am 29. September kapitulierte Bul­
garien. Damit war es nur noch eine Frage von Tagen, wann die Türkei zusammenbrechen
würde, und eine Frage von Wochen, wann Österreich-Ungarn so weit sein würde. Dem
gegenüber blieb es bedeutungslos, dass die Westfront sich, mühsam genug und ständig
zurückweichend, gegen den übermächtigen Druck noch zu behaupten vermochte.

So erklärte Ludendorff nun doch Ende September ganz abrupt, dass der Kampf aussichts­
los geworden sei und deshalb sofort Friedensschritte unternommen werden müssten. Für
die deutsche Öffentlichkeit war das ein schockartiges Erwachen. Sie war durch die
offizielle Propaganda und die Scheinerfolge der Frühjahrsoffensive in einem Zustand der
unentwegten Siegeszuversicht gehalten worden. Die Folge dieser jähen Wendung war
einerseits der Verlust des Vertrauens in die Führung des Lands. Andererseits hielt sich
noch Jahrzehnte später die Behauptung, Deutschland wäre kurz davor gewesen, den Krieg
zu gewinnen, wenn nicht im selben Herbst in der Heimat die Revolution ausgebrochen
wäre. Diese These nannte man Dolchstosslegende.

Am 4. Oktober richtete die Reichsregierung ein Waffenstillstandsgesuch auf der Grund­


lage der «14 Punkte» an den amerikanischen Präsidenten Wilson. Dieser verlangte als Vor­
aussetzung für einen Waffenstillstandsvertrag die Räumung aller besetzten Gebiete und
die Bildung einer Reichsregierung auf demokratischer Grundlage. Von nun an begann sich
die Geschichte des militärischen Zusammenbruchs und der Waffenstillstandsverhandlungen
mit den revolutionären Vorgängen in Deutschland und Österreich zu verflechten.

3.3.5 Der Übergang zum Parlamentarismus im Deutschen Reich

Der Kaiser des Deutschen Reichs und die Oberste Heeresleitung hatten während des gan­
zen Kriegs eine demokratische Reform der Reichsverfassung verhindert. Nun, in den letz­
ten Kriegswochen im Oktober 1918, lenkten sie unter dem Eindruck der nahenden Nieder­
lage ein. Sie versuchten damit in letzter Minute die Verantwortung für den Zusammen­
bruch auf andere abzuwälzen. General Wilhelm Groener, Nachfolger Ludendorffs in der
OHL, äusserte sich später folgendermassen:

Mir konnte es nur lieb sein, wenn bei diesen unglückseligen Verhandlungen, von denen
nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich
blieb (...) Die Heeresleitung stellte sich bewusst auf den Standpunkt, die Verantwortung für
den Waffenstillstand und alle späteren Schritte von sich zu weisen. Sie tat dies, streng juris­
tisch gesehen, nur mit bedingtem Recht, aber es kam mir und meinen Mitarbeitern darauf
an, die Waffe blank und den Generalstab für die Zukunft unbelastet zu erhalten.

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correspondent’s; nor that without help from children who, though not
mine, have been cared for as if they were.

Secondly; my correspondent tells me that my duty is to stay at home,


instead of dating from places which are a dream of delight to her,
and which, therefore, she concludes, must be a reality of delight to
me.

She will know better after reading this extract from [15]my last year’s
diary; (worth copying, at any rate, for other persons interested in
republican Italy). “Florence, 20th September, 1874.—Tour virtually
ended for this year. I leave Florence to-day, thankfully, it being now a
place of torment day and night for all loving, decent, or industrious
people; for every face one meets is full of hatred and cruelty; and the
corner of every house is foul; and no thoughts can be thought in it,
peacefully, in street, or cloister, or house, any more. And the last
verses I read, of my morning’s readings, are Esdras II., xv. 16, 17 ↗️:
‘For there shall be sedition among men, and invading one another;
they shall not regard their kings nor princes, and the course of their
actions shall stand in their power. A man shall desire to go into the
city, and shall not be able.’ ”

What is said here of Florence is now equally true of every great city
of France or Italy; and my correspondent will be perhaps contented
with me when she knows that only last Sunday I was debating with a
very dear friend whether I might now be justified in indulging my
indolence and cowardice by staying at home among my plants and
minerals, and forsaking the study of Italian art for ever. My friend
would fain have it so; and my correspondent shall tell me her
opinion, after she knows—and I will see that she has an opportunity
of knowing—what work I have done in Florence, and propose to do,
if I can be brave enough.
Thirdly; my correspondent doubts the sincerity of my [16]abuse of
railroads because she suspects I use them. I do so constantly, my
dear lady; few men more. I use everything that comes within reach of
me. If the devil were standing at my side at this moment, I should
endeavour to make some use of him as a local black. The wisdom of
life is in preventing all the evil we can; and using what is inevitable,
to the best purpose. I use my sicknesses, for the work I despise in
health; my enemies, for study of the philosophy of benediction and
malediction; and railroads, for whatever I find of help in them—
looking always hopefully forward to the day when their embankments
will be ploughed down again, like the camps of Rome, into our
English fields. But I am perfectly ready even to construct a railroad,
when I think one necessary; and in the opening chapter of ‘Munera
Pulveris’ my correspondent will find many proper uses for steam
machinery specified. What is required of the members of St.
George’s Company is, not that they should never travel by railroads,
nor that they should abjure machinery; but that they should never
travel unnecessarily, or in wanton haste; and that they should never
do with a machine what can be done with hands and arms, while
hands and arms are idle.

Lastly, my correspondent feels it unjust to be required to make


clothes, while she is occupied in the rearing of those who will require
them.

Admitting (though the admission is one for which I do not say that I
am prepared) that it is the patriotic [17]duty of every married couple to
have as large a family as possible, it is not from the happy
Penelopes of such households that I ask—or should think of asking
—the labour of the loom. I simply require that when women belong to
the St. George’s Company they should do a certain portion of useful
work with their hands, if otherwise their said fair hands would be idle;
and if on those terms I find sufficient clothing cannot be produced, I
will use factories for them,—only moved by water, not steam.

My answer, as thus given, is, it seems to me, sufficient; and I can


farther add to its force by assuring my correspondent that I shall
never ask any member of St. George’s Company to do more, in
relation to his fortune and condition, than I have already done
myself. Nevertheless, it will be found by any reader who will take the
trouble of reference, that in recent letters I have again and again
intimated the probable necessity, before the movement could be
fairly set on foot, of more energetic action and example, towards
which both my thoughts and circumstances seem gradually leading
me; and, in that case, I shall trustfully look to the friends who accuse
me of cowardice in doing too little, for defence against the, I believe,
too probable imputations impending from others, of folly in doing too
much. [19]

[Contents]

NOTES AND CORRESPONDENCE.

I. I hope my kind correspondent will pardon my publication of the


following letter, which gives account of an exemplary life, and puts
questions which many desire to have answered.

“My dear Mr. Ruskin,—I do not know if you have forgotten me, for it
is a long time since I wrote to you; but you wrote so kindly to me
before, that I venture to bring myself before you again, more
especially as you write to me (among others) every month, and I
want to answer something in these letters.
“I do answer your letters (somewhat combatively) every month in my
mind, but all these months I have been waiting for an hour of
sufficient strength and leisure, and have found it now for the first
time. A family of eleven children, through a year of much illness, and
the birth of another child in May, have not left me much strength for
pleasure, such as this is.

“Now a little while ago, you asked reproachfully of Englishwomen in


general, why none of them had joined St. George’s Company. I can
only answer for myself, and I have these reasons.

“First. Being situated as I am, and as doubtless many others are


more or less, I cannot join it. In my actions I am subject first to my
husband, and then to my family. Any one who is entirely free cannot
judge how impossible it is to make inelastic and remote rules apply
to all the ever-varying and incalculable changes and accidents and
personalities of life. They are a [20]disturbing element to us
visionaries, which I have been forced to acknowledge and submit to,
but which you have not. Having so many to consider and consult, it
is all I can do to get through the day’s work; I am obliged to take
things as I find them, and do the best I can, in haste; and I might
constantly be breaking rules, and not able to help it, and indeed I
should not have time to think about it. I do not want to be hampered
more than I am. I am not straitened for money; but most people with
families are so more or less, and this is another element of difficulty.

“Secondly. Although I do not want to be further bound by rules, I


believe that as regards principles I am a member of St. George’s
Company already; and I do not like to make any further profession
which would seem to imply a renunciation of the former errors of my
way, and the beginning of a new life. I have never been conscious of
any other motives or course of life than those which you advocate;
and my children and all around me do not know me in any other
light; and I find a gradual and unconscious conformation to them
growing up round me, though I have no sort of teaching faculty. I
cannot tell how much of them I owe to you, for some of your writings
which fell in my way when I was very young made a deep impression
on me, and I grew up embued with their spirit; but certainly I cannot
now profess it for the first time.

“Thirdly (and this is wherein I fear to offend you), I will join St.
George’s Company whenever you join it yourself. Please pardon me
for saying that I appear to be more a member of it than you are. My
life is strictly bound and ruled, and within those lines I live. Above all
things, you urge our duties to the land, the common earth of our
country. It seems to me that the first duty any one owes to his
country is to live in it. I go further, and maintain that every one is
bound to have a home, and live in that. You speak of the duty of
acquiring, if possible, [21]and cultivating, the smallest piece of
ground. But, (forgive the question,) where is your house and your
garden? I know you have got places, but you do not stay there.
Almost every month you date from some new place, a dream of
delight to me; and all the time I am stopping at home, labouring to
improve the place I live at, to keep the lives entrusted to me, and to
bring forth other lives in the agony and peril of my own. And when I
read your reproaches, and see where they date from, I feel as a
soldier freezing in the trenches before Sebastopol might feel at
receiving orders from a General who was dining at his club in
London. If you would come and see me in May, I could show you as
pretty a little garden of the spade as any you ever saw, made on the
site of an old rubbish heap, where seven tiny pairs of hands and feet
have worked like fairies. Have you got a better one to show me? For
the rest of my garden I cannot boast; because out-of-door work or
pleasure is entirely forbidden me by the state of my health.
“Again, I agree with you in your dislike of railroads, but I suspect you
use them, and sometimes go on them. I never do. I obey these laws
and others, with whatever inconvenience or privation they may
involve; but you do not; and that makes me revolt when you scold
us.

“Again, I cannot, as you suggest, grow, spin, and weave the linen for
myself and family. I have enough to do to get the clothes made. If
you would establish factories where we could get pure woven cotton,
linen, and woollen, I would gladly buy them there; and that would be
a fair division of labour. It is not fair that the more one does, the more
should be required of one.

“You see you are like a clergyman in the pulpit in your books: you
can scold the congregation, and they cannot answer; behold the
congregation begins to reply; and I only hope you will forgive me.

“Believe me,

“Yours very truly.”

[22]

II. It chances, I see, while I print my challenge to the Bishop of my


University, that its neighbouring clergymen are busy in expressing to
him their thanks and compliments. The following address is worth
preserving. I take it from the ‘Morning Post’ of December 16, and
beneath it have placed an article from the ‘Telegraph’ of the following
day, describing the results of clerical and episcopal teaching of an
orthodox nature in Liverpool, as distinguished from ‘Doctor’
Colenso’s teaching in Africa.
“The Inhibition of Bishop Colenso.—The clergy of the rural
deanery of Witney, Oxford, numbering thirty-four, together with the
rural dean (the Rev. F. M. Cunningham), have subscribed their
names to the following circular, which has been forwarded to the
Bishop of Oxford:—‘To the Right Rev. Father in God, John Fielder,
by Divine permission Lord Bishop of Oxford.—We, the undersigned
clergy of the rural deanery of Witney, in your Lordship’s diocese, beg
respectfully to offer to your Lordship our cordial sympathy under the
painful circumstances in which you have been placed by the
invitation to the Right Rev. Dr. Colenso to preach in one of the
churches in your diocese. Your firm and spontaneous refusal to
permit Dr. Colenso to preach will be thankfully accepted by all
consistent members of our Church as a protest much needed in
these times against the teaching of one who has grievously offended
many consciences, and has attempted as far as in him lay to injure
the “faith which was delivered to the saints.” 4 That your Lordship
may long be spared to defend the truth, is the prayer of your
Lordship’s obedient and attached clergy.’ ”

III. “Something startling in the way of wickedness is needed to


astonish men who, like our Judges, see and hear the periodical
[23]crop of crime gathered in at Assizes; yet in two great cities of
England, on Tuesday, expressions of amazement, shame, and
disgust fell from the seat of Justice. At York, Mr. Justice Denman was
driven to utter a burst of just indignation at the conduct of certain
people in his court, who grinned and tittered while a witness in a
disgraceful case was reluctantly repeating some indelicate language.
‘Good God!’ exclaimed his Lordship, ‘is this a Christian country? Let
us at least have decency in courts of justice. One does not come to
be amused by filth which one is obliged to extract in cases that
defame the land.’ At Liverpool a sterner declaration of judicial anger
was made, with even stronger cause. Two cases of revolting
barbarism were tried by Mr. Justice Mellor—one of savage violence
towards a man, ending in murder; the other of outrage upon a
woman, so unspeakably shameful and horrible that the difficulty is
how to convey the facts without offending public decency. In the first,
a gang of men at Liverpool set upon a porter named Richard
Morgan, who was in the company of his wife and brother, and
because he did not instantly give them sixpence to buy beer they
kicked him completely across the street, a distance of thirty feet, with
such ferocity, in spite of all the efforts made to save him by the wife
and brother, that the poor man was dead when he was taken up.
And during this cruel and cowardly scene the crowd of bystanders
not only did not attempt to rescue the victim, but hounded on his
murderers, and actually held back the agonized wife and the brave
brother from pursuing the homicidal wretches. Three of them were
placed at the bar on trial for their lives, and convicted; nor would we
intervene with one word in their favour, though that word might save
their vile necks. This case might appear bad enough to call forth the
utmost wrath of Justice; but the second, heard at the same time and
place, was yet more hideous. A tramp-woman, drunk, and wet to the
skin with rain, was going along a road near Burnley, in company with
a navvy, [24]who by-and-by left her helpless at a gate. Two out of a
party of young colliers coming from work found her lying there, and
they led her into a field. They then sent a boy named Slater to fetch
the remaining eight of their band, and, having thus gathered many
spectators, two of them certainly, and others of the number in all
probability, outraged the hapless creature, leaving her after this
infernal treatment in such plight that next day she was found lying
dead in the field. The two in question—Durham, aged twenty, and
Shepherd, aged sixteen—were arraigned for murder; but that charge
was found difficult to make good, and the minor indictment for rape
was alone pressed against them. Of the facts there was little or no
doubt; and it may well be thought that in stating them we have
accomplished the saddest portion of our duty to the public.
“But no! to those who have learned how to measure human nature,
we think what followed will appear the more horrible portion of the
trial—if more horrible could be. With a strange want of insight, the
advocate for these young men called up the companions of their
atrocity to swear—what does the public expect?—to swear that they
did not think the tramp woman was ill-used, nor that what was done
was wrong. Witness after witness, present at the time, calmly
deposed to his personal view of the transaction in words like those of
William Bracewell, a collier, aged nineteen. Between this precious
specimen of our young British working man and the Bench, the
following interchange of questions and answers passed. ‘You did not
think there was anything wrong in it?’—‘No.’ ‘Do you mean to tell me
that you did not think there was anything wrong in outraging a
drunken woman?’—‘She never said nothing.’ ‘You repeat you think
there was nothing wrong—that there was no harm in a lot of fellows
outraging a drunken woman: is that your view of the thing?’—‘Yes.’
And, in reply to further questions by Mr. Cottingham, this fellow
Bracewell said he [25]only ‘thought the matter a bit of fun. None of
them interfered to protect the woman.’ Then the boy Slater, who was
sent to bring up the laggards, was asked what he thought of his
errand. Like the others, ‘he hadn’t seen anything very wrong in it.’ At
this point the Judge broke forth, in accents which may well ring
through England. His Lordship indignantly exclaimed: ‘I want to know
how it is possible in a Christian country like this that there should be
such a state of feeling, even among boys of thirteen, sixteen, and
eighteen years of age. It is outrageous. If there are missionaries
wanted to the heathen, there are heathens in England who require
teaching a great deal more than those abroad.’ (Murmurs of ‘Hear
hear,’ from the jury-box, and applause in court.) His Lordship
continued: ‘Silence! It is quite shocking to hear boys of this age
come up and say these things.’ How, indeed, is it possible? that is
the question which staggers one. Murder there will be—
manslaughter, rape, burglary, theft, are all unfortunately recurring
and common crimes in every community. Nothing in the supposed
nature of ‘Englishmen’ can be expected to make our assizes maiden,
and our gaol deliveries blank. But there was thought to be something
in the blood of the race which would somehow serve to keep us from
seeing a Liverpool crowd side with a horde of murderers against
their victim, or a gang of Lancashire lads making a ring to see a
woman outraged to death. A hundred cases nowadays tell us to
discard that idle belief; if it ever was true, it is true no longer. The
most brutal, the most cowardly, the most pitiless, the most barbarous
deeds done in the world, are being perpetrated by the lower classes
of the English people—once held to be by their birth, however lowly,
generous, brave, merciful, and civilized. In all the pages of Dr.
Livingstone’s experience among the negroes of Africa, there is no
single instance approaching this Liverpool story, in savagery of mind
and [26]body, in bestiality of heart and act. Nay, we wrong the lower
animals by using that last word: the foulest among the beasts which
perish is clean, the most ferocious gentle, matched with these
Lancashire pitmen, who make sport of the shame and slaying of a
woman, and blaspheme nature in their deeds, without even any plea
whatever to excuse their cruelty.”

The clergy may vainly exclaim against being made responsible for
this state of things. They, and chiefly their Bishops, are wholly
responsible for it; nay, are efficiently the causes of it, preaching a
false gospel for hire. But, putting all questions of false or true
gospels aside, suppose that they only obeyed St. Paul’s plain order
in 1st Corinthians v. 11 ↗️. Let them determine as distinctly what
covetousness and extortion are in the rich, as what drunkenness is,
in the poor. Let them refuse, themselves, and order their clergy to
refuse, to go out to dine with such persons; and still more positively
to allow such persons to sup at God’s table. And they would soon
know what fighting wolves meant; and something more of their own
pastoral duty than they learned in that Consecration Service, where
they proceeded to follow the example of the Apostles in Prayer, but
carefully left out the Fasting. [27]

[Contents]

Accounts.

The following Subscriptions have come in since I made out the list in
the December number; but that list is still incomplete, as I cannot be
sure of some of the numbers till I have seen my Brantwood note-
book:—

£ s. d.
31. “In Memoriam” 5 0 0
32. (The tenth of a tenth) 1 1 0
33. Gift 20 0 0
34. An Old Member of the Working Men’s College-Gift 5 0 0
35. H. T. S 9 0 0
36. 5 0 0
7. Second Donation 5 0 0
15. 5 0 0
,, ,,
£ 55 1 0

[29]

Seven thousand to St. George’s Company; five, for establishment of Mastership


1
in Drawing in the Oxford Schools; two, and more, in the series of drawings
placed in those schools to secure their efficiency. ↑
Lamentations v. 13 ↗️. ↑
2
As distinguished, that is to say, from other members of the Church. All are
3
priests, as all are kings; but the kingly function exists apart: the priestly, not
so. The subject is examined at some length, and with a clearness [9]which I cannot
mend, in my old pamphlet on the ‘Construction of Sheepfolds,’ which I will
presently reprint. See also Letter XIII., in ‘Time and Tide.’ ↑
I append a specimen of the conduct of the Saints to whom our English
4
clergymen have delivered the Faith. ↑
[Contents]
FORS CLAVIGERA.
LETTER L.

A friend, in whose judgment I greatly trust, remonstrated sorrowfully


with me, the other day, on the desultory character of Fors; and
pleaded with me for the writing of an arranged book instead.

But he might as well plead with a birch-tree growing out of a crag, to


arrange its boughs beforehand. The winds and floods will arrange
them according to their wild liking; all that the tree has to do, or can
do, is to grow gaily, if it may be; sadly, if gaiety be impossible; and let
the black jags and scars rend the rose-white of its trunk where Fors
shall choose.

But I can well conceive how irritating it must be to any one chancing
to take special interest in any one part of my subject—the life of
Scott for instance,—to find me, or lose me, wandering away from it
for a year or two; and sending roots into new ground in every
direction: or (for my friend taxed me with this graver error also)
needlessly re-rooting myself in the old.

And, all the while, some kindly expectant people are [30]waiting for
‘details of my plan.’ In the presentment of which, this main difficulty
still lets me; that, if I told them, or tried to help them definitely to
conceive, the ultimate things I aim at, they would at once throw the
book down as hopelessly Utopian; but if I tell them the immediate
things I aim at, they will refuse to do those instantly possible things,
because inconsistent with the present vile general system. For
instance—I take (see Letter V ↗️.) Wordsworth’s single line,

“We live by admiration, hope, and love,”


for my literal guide, in all education. My final object, with every child
born on St. George’s estates, will be to teach it what to admire, what
to hope for, and what to love: but how far do you suppose the steps
necessary to such an ultimate aim are immediately consistent with
what Messrs. Huxley and Co. call ‘Secular education’? Or with what
either the Bishop of Oxford, or Mr. Spurgeon, would call ‘Religious
education’?

What to admire, or wonder at! Do you expect a child to wonder at—


being taught that two and two make four—(though if only its masters
had the sense to teach that, honestly, it would be something)—or at
the number of copies of nasty novels and false news a steam-engine
can print for its reading?

What to hope? Yes, my secular friends—What? That it shall be the


richest shopman in the street; and be buried with black feathers
enough over its coffin? [31]

What to love—Yes, my ecclesiastical friends, and who is its


neighbour, think you? Will you meet these three demands of mine
with your three Rs, or your catechism?

And how would I meet them myself? Simply by never, so far as I


could help it, letting a child read what is not worth reading, or see
what is not worth seeing; and by making it live a life which, whether it
will or no, shall enforce honourable hope of continuing long in the
land—whether of men or God.

And who is to say what is worth reading, or worth seeing? sneer the
Republican mob. Yes, gentlemen, you who never knew a good thing
from a bad, in all your lives, may well ask that!

Let us try, however, in such a simple thing as a child’s book.


Yesterday, in the course of my walk, I went into a shepherd-farmer’s
cottage, to wish whoever might be in the house a happy new year.
His wife was at home, of course; and his little daughter, Agnes, nine
years old; both as good as gold, in their way.

The cottage is nearly a model of those which I shall expect the


tenants of St. George’s Company, and its active members, to live in;
—the entire building, parlour, and kitchen, (in this case one, but not
necessarily so,) bedrooms and all, about the size of an average
dining-room in Grosvenor Place or Park Lane. The conversation
naturally turning to Christmas doings and havings,—and I, as an
author, of course inquiring whether Agnes had [32]any new books,
Agnes brought me her library—consisting chiefly in a good pound’s
weight of the literature which cheap printing enables the pious to
make Christmas presents of for a penny. A full pound, or it might be,
a pound and a half, of this instruction, full of beautiful sentiments,
woodcuts, and music. More woodcuts in the first two ounces of it I
took up, than I ever had. to study in the first twelve years of my life.
Splendid woodcuts, too, in the best Kensington style, and rigidly on
the principles of high, and commercially remunerative, art, taught by
Messrs. Redgrave, Cole, and Company.

Somehow, none of these seem to have interested little Agnes, or


been of the least good to her. Her pound and a half of the best of the
modern pious and picturesque is (being of course originally
boardless) now a crumpled and variously doubled-up heap, brought
down in a handful, or lapful, rather; most of the former insides of the
pamphlets being now the outsides; and every form of dog’s ear,
puppy’s ear, cat’s ear, kitten’s ear, rat’s ear, and mouse’s ear,
developed by the contortions of weary fingers at the corners of their
didactic and evangelically sibylline leaves. I ask if I may borrow one
to take home and read. Agnes is delighted; but undergoes no such
pang of care as a like request would have inflicted on my boyish
mind, and needed generous stifling of;—nay, had I asked to borrow
the whole heap, I am not sure whether Agnes’s first tacit sensation
would not have been one of deliverance.

Being very fond of pretty little girls, (not, by any [33]means, excluding
pretty—tall ones,) I choose, for my own reading, a pamphlet 1 which
has a picture of a beautiful little girl with long hair, lying very ill in bed,
with her mother putting up her forefinger at her brother, who is
crying, with a large tear on the side of his nose; and a legend
beneath: ‘Harry told his mother the whole story.’ The pamphlet has
been doubled up by Agnes right through the middle of the beautiful
little girl’s face, and no less remorselessly through the very middle of
the body of the ‘Duckling Astray,’ charmingly drawn by Mr. Harrison
Weir on the opposite leaf. But my little Agnes knows so much more
about real ducklings than the artist does, that her severity in this
case is not to be wondered at.

I carry my Children’s Prize penny’s-worth home to Brantwood, full of


curiosity to know “the whole story.” I find that this religious work is
edited by a Master of Arts—no less—and that two more woodcuts of
the most finished order are given to Harry’s story,—representing
Harry and the pretty little girl, (I suppose so, at least; but, alas, now
with her back turned to me,—the cuts came cheaper so,) dressed in
the extreme of fashion, down to her boots,—first running with Harry,
in snow, after a carriage, and then reclining against Harry’s shoulder
in a snowstorm.

I arrange my candles for small print, and proceed to read this richly
illustrated story.

Harry and his sister were at school together, it appears, [34]at


Salisbury; and their father’s carriage was sent, in a snowy day, to
bring them home for the holidays. They are to be at home by five;
and their mother has invited a children’s party at seven. Harry is
enjoined by his father, in the letter which conveys this information, to
remain inside the carriage, and not to go on the box.

Harry is a good boy, and does as he is bid; but nothing whatever is


said in the letter about not getting out of the carriage to walk up hills.
And at ‘two-mile hill’ Harry thinks it will be clever to get out and walk
up it, without calling to, or stopping, John on the box. Once out
himself, he gets Mary out;—the children begin snowballing each
other; the carriage leaves them so far behind that they can’t catch it;
a snowstorm comes on, etc., etc.; they are pathetically frozen within
a breath of their lives; found by a benevolent carter, just in time;
warmed by a benevolent farmer, the carter’s friend; restored to their
alarmed father and mother; and Mary has a rheumatic fever, “and for
a whole week it was not known whether she would live or die,” which
is the Providential punishment of Harry’s sin in getting out of the
carriage.

Admitting the perfect appositeness and justice of this Providential


punishment; I am, parenthetically, desirous to know of my
Evangelical friends, first, whether from the corruption of Harry’s
nature they could have expected anything better than his stealthily
getting out of the carriage to walk up the hill?—and, secondly,
whether [35]the merits of Christ, which are enough to save any
murderer or swindler from all the disagreeable consequences of
murder and swindling, in the next world, are not enough in this world,
if properly relied upon, to save a wicked little boy’s sister from
rheumatic fever? This, I say, I only ask parenthetically, for my own
information; my immediate business being to ask what effect this
story is intended to produce on my shepherd’s little daughter Agnes?

Intended to produce, I say: what effect it does produce, I can easily


ascertain; but what do the writer and the learned editor expect of it?
Or rather, to touch the very beginning of the inquiry, for what class of
child do they intend it? ‘For all classes,’ the enlightened editor and
liberal publisher doubtless reply. ‘Classes, indeed! In the glorious
liberty of the Future, there shall be none!’

Well, be it so; but in the inglorious slavery of the Past, it has


happened that my little Agnes’s father has not kept a carriage; that
Agnes herself has not often seen one, is not likely often to be in one,
and has seen a great deal too much snow, and had a great deal too
much walking in it, to be tempted out,—if she ever has the chance of
being driven in a carriage to a children’s party at seven,—to walk up
a hill on the road. Such is our benighted life in Westmoreland. In the
future, do my pious and liberal friends suppose that all little Agneses
are to drive in carriages? That is their [36]Utopia. Mine, so much
abused for its impossibility, is only that a good many little Agneses
who at present drive in carriages, shall have none.

Nay, but perhaps, the learned editor did not intend the story for
children ‘quite in Agnes’s position.’ For what sort did he intend it,
then? For the class of children whose fathers keep carriages, and
whose mothers dress their girls by the Paris modes, at three years
old? Very good; then, in families which keep carriages and footmen,
the children are supposed to think a book is a prize, which costs a
penny? Be that also so, in the Republican cheap world; but might not
the cheapeners print, when they are about it, prize poetry for their
penny? Here is the ‘Christmas Carol,’ set to music, accompanying
this moral story of the Snow.

“Hark, hark, the merry pealing,


List to the Christmas chime,
Every breath and every feeling
Hails the good old time;
Brothers, sisters, homeward speed,
All is mirth and play;

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