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Fernuniversität in Hagen

Wintersemester 2022/23

M. A. Geschichte Europas – Epochen, Umbrüche, Verflechtungen

Modul IV: Grenzen, Grenzüberschreitungen, Verflechtungen

Betreuer der Hausarbeit: Dr. Fabian Fechner

Datum der Abgabe: 18.01.2023

Die deutsche Wahrnehmung der Revolution auf Haiti (1791-1804) am Beispiel


historisch-politischer Zeitschriften

vorgelegt von:

Roderick Fabian

q9549781

Sietwende 20, 21720 Grünendeich

04142810424

roderick.fabian@web.de
Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ........................................................................................................................... 3
2. Voraussetzungen für die deutsche Wahrnehmung der Revolution auf Haiti ...................... 5
2.1. Der ereignisgeschichtliche Rahmen ................................................................................ 5
2.2. Rassentheorien und Beurteilung der Sklaverei ............................................................... 7
3. Die Revolution auf Haiti .................................................................................................. 10
3.1. Die französische Kolonie Saint-Domingue vor 1791 ................................................... 10
3.2. Ausbruch und Verlauf der Revolution ........................................................................... 13
4. Die Wahrnehmung der Ereignisse in deutschen Publikationen am Beispiel der
Zeitschriften „Politisches Journal“ und „Minerva“ .............................................................. 17
5. Fazit und Ausblick ............................................................................................................ 22
6. Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 25

2
1. Einleitung

Am 22. August 1791 kam es in der französischen Kolonie Saint-Domingue, dem


heutigen Haiti, zu einem bewaffneten Aufstand der im Norden des Landes
lebenden „schwarzen“ Sklaven, der sich binnen kurzer Zeit zu einem Krieg
entwickelte, der 13 Jahre andauerte und 1804 mit der Unabhängigkeitserklärung
Haitis von Frankreich endete. Der zwischenzeitliche Versuch Napoleons, die Insel
zurückzuerobern und die 1793 abgeschaffte Sklaverei wieder einzuführen,
scheiterte am massiven Widerstand der ehemaligen Sklaven in Kombination mit
dem unter den französischen Truppen grassierenden Gelbfieber.1 Haiti, das heute
zu den ärmsten Ländern der westlichen Hemisphäre zählt, galt vor seiner
Unabhängigkeit als die ertragreichste Kolonie Frankreichs, was in erster Linie auf
die von schätzungsweise einer halben Million Sklaven betriebenen
Plantagenwirtschaft zurückzuführen war, in welcher die tropischen Handelsgüter
Zucker und Kaffee angebaut wurden. Diese stießen besonders in Europa auf eine
hohe Nachfrage und entwickelten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einem
festen Bestandteil der westlichen Konsumkultur.2
In der neueren Historiographie besteht Einigkeit darüber, dass es sich bei den
Ereignissen auf Haiti nicht lediglich um einen Kampf zwischen „Schwarzen“ und
„Weißen“ handelte, sondern die verschiedenen auf der Insel ansässigen sozialen
Klassen ebenso in das Geschehen involviert waren. Durch die Beteiligung der
Kolonialmächte Spanien und England ist darüber hinaus die Bezeichnung der
Auseinandersetzung als Kolonialkrieg zutreffend.3
Die Ereignisse auf der Insel riefen ab dem Beginn des Sklavenaufstands ein reges
Interesse in der europäischen Öffentlichkeit hervor, welches besonders in Form
von Augenzeugenberichten französischer und englischer Autoren sowie in
Berichten historisch-politischer Zeitschriften, die das Geschehen ausführlich
schilderten und kommentierten, seinen Ausdruck fand. Die Gründe für dieses
große Interesse lagen zum einen in der symbolischen Bedeutung, die der

1
Zantop, Susanne: Kolonialphantasien im vorkolonialen Deutschland (1770 - 1870). Berlin
1999, S. 165 f.
2
Gliech, Oliver: Die Sklavenrevolution von Saint-Domingue/ Haiti und ihre internationalen
Auswirkungen (1789/91 – 1804/25), in: Avinus – Europäisches Online-Magazin für Medien,
Kultur und Politik: https://magazin.avinus.eu//2008/05/28/gliech-oliver-die-sklavenrevolution-
von-saint-dominguehaiti-und-ihre-internationalen-auswirkungen-178991-180425-280508/
Letzter Aufruf: 03.11.2022.
3
Zantop: Kolonialphantasien, S. 164.

3
Erhebung von Sklaven gegen ihre Herren innewohnte. Zum anderen ließ die
zeitliche Nähe zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und zur Französischen
Revolution, zweier Ereignisse welthistorischen Ausmaßes, die Revolution auf
Haiti in den Blickpunkt der europäischen Zeitgenossen rücken.4
In der vorliegenden Hausarbeit soll anhand von Artikeln in zeitgenössischen
deutschsprachigen Publikationen analysiert werden, wie die Ereignisse auf Haiti
in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen und bewertet wurden. Der Fokus
liegt dabei auf den historisch-politischen Zeitschriften Minerva und Politisches
Journal, welche von der Französischen Revolution ausgehend das Zeitgeschehen
bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kommentierten und sich in diesem
Zusammenhang auch ausführlich mit dem politischen Geschehen außerhalb
Europas beschäftigten.5
Ziel ist es, das deutsche Bild von Haiti während der Revolution und nach der
erlangten Unabhängigkeit darzustellen im Hinblick auf die Frage, wie die damit
verbundenen Ereignisse in den Zeitschriften beschrieben und eingeordnet wurden.
Weiterhin soll untersucht werden, inwieweit Gemeinsamkeiten und Unterschiede
in der Berichterstattung über Haiti deutlich werden.
Im zweiten Kapitel erfolgt zunächst eine Darstellung der Voraussetzungen für die
deutsche Wahrnehmung der Revolution, sprich des historischen und diskursiven
Hintergrundes der Berichterstattung. Die Ausführungen konzentrieren sich dabei
auf den ereignisgeschichtlichen Rahmen der Revolution sowie auf das deutsche
Bild vom „Schwarzen“ am Beispiel der im 18. Jahrhundert entwickelten
Rassentheorien und die damit verbundene Beurteilung der Sklaverei.
Im darauffolgenden Kapitel steht die Revolution auf Haiti im Mittelpunkt des
Interesses. Im Anschluss an die Darstellung der Situation in der französischen
Kolonie Saint Domingue vor 1791 wird der Verlauf der Erhebung nachgezeichnet.
Das zentrale vierte Kapitel befasst sich anschließend mit der deutschen
Wahrnehmung der Revolution am Beispiel von Artikeln in den beiden genannten
Zeitschriften, ehe im Fazit eine abschließende Zusammenfassung und
Einordnung der Ergebnisse in die Thematik der europäischen
Auseinandersetzung mit außereuropäischen Realitäten vor dem Hintergrund des

4
Ebd., S. 165; Schüller, Karin: Die deutsche Rezeption haitianischer Geschichte in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zum deutschen Bild vom Schwarzen. Köln 1992, S. 50.
5
Ebd., S. 234.

4
Kolonialismus erfolgt.
In der historischen Forschung fand die Revolution auf Haiti lange Zeit
vergleichsweise wenig Beachtung; erst seit Ende der 1980er Jahre lässt sich eine
intensivere Auseinandersetzung mit diesem Thema feststellen. Hervorzuheben
sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Werke „The making of Haiti“6
von Carolyn Fick und „Avengers of the New World“ 7 von Laurent Dubois,
welches nach wie vor die umfangreichste Monografie darstellt.
In der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft ist vor allem die Arbeit von
Oliver Gliech aus dem Jahr 2011 zu erwähnen, worin dieser die mit der
Revolution verbundenen Ereignisse ausführlich nachzeichnet.
In Bezug auf die deutsche Wahrnehmung der Revolution ist das Werk „Die
deutsche Rezeption haitianischer Geschichte in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts“ von Karin Schüller von zentraler Bedeutung, in welchem die
Autorin eine umfassende Auswertung von politisch-historischen Texten zu Haiti
vornimmt.

2. Voraussetzungen für die deutsche Wahrnehmung der


Revolution auf Haiti

2.1. Der ereignisgeschichtliche Rahmen

Wie eingangs bereits erwähnt, stellt die zeitliche Nähe der Ereignisse auf Haiti
zur nordamerikanischen Unabhängigkeit und zur Französischen Revolution einen
wichtigen Ausgangspunkt für die deutsche Rezeption der haitianischen
Revolution dar. In diesem Zusammenhang ist das Interesse der deutschen
Zeitgenossen am Geschehen in Saint-Domingue unter anderem auf die
Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution zurückzuführen.
Die Beurteilung des Sklavenaufstands ist demzufolge im Kontext der Sichtweise
auf die amerikanische Unabhängigkeit und die Revolution von 1789 zu verstehen,
die sich nachhaltig auf das politische Bewusstsein in Deutschland auswirkten,
welches sich bereits im Geiste der Aufklärung herausgebildet hatte und sich mit
der in Europa vorherrschenden absolutistischen Staatsform zunehmend kritisch

6
Fick, Carolyn E.: The making of Haiti. The Saint Domingue revolution from below. Knoxville
1990.
7
Dubois, Laurent: Avengers of the New World. The story of the Haitian Revolution. Cambridge,
MA 2005.

5
8
auseinandersetzte. In der Beurteilung der erlangten Unabhängigkeit der
Vereinigten Staaten von England wurde seitens des deutschen Bürgertums eher
die Situation in Europa bewertet, anstatt die Ereignisse in Übersee einer
eingehenden Analyse zu unterziehen. Vor diesem Hintergrund sah man die
bürgerlichen Ideale von Freiheit und Gleichheit in den Vereinigten Staaten
verwirklicht, was dazu führte, dass die amerikanische Unabhängigkeit
hinsichtlich ihrer Bedeutung verklärt wurde: „Amerika, während des
Unabhängigkeitskrieges mit Freiheit schlechthin gleichgesetzt, wurde nun zum
Synonym für die freiheitliche und gerechte Gesellschaftsordnung in ihrer
Vollendung.“9 Die Französische Revolution war in der deutschen Öffentlichkeit
zunächst mit Begeisterung aufgenommen worden, rief in ihrem weiteren Verlauf
jedoch Unverständnis und Abscheu hervor, was mit einer veränderten Beurteilung
der Ereignisse einherging. Die unteren Bevölkerungsklassen wurden aufgrund
ihres brutalen Vorgehens zunehmend als Bedrohung wahrgenommen, vor der die
bestehende Gesellschaftsordnung beschützt werden müsse. Das mit der
Berichterstattung über die Revolution verbundene Schreckensbild hatte einen
erheblichen Einfluss auf die ersten deutschsprachigen Berichte über den
Sklavenaufstand von Haiti, der ebenfalls als eine Erhebung unzivilisierter
„Wilder“ aufgefasst wurde und von Beginn an auf breite Ablehnung stieß, da man
die Befürchtungen im Zusammenhang mit dem revolutionären Geschehen in
Frankreich durch die Vorgänge in der Kolonie bestätigt sah.10
Im Kontext der Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts stellt die Revolution
von Saint-Domingue ein einzigartiges Ereignis dar, führte sie doch zur Gründung
des ersten unabhängigen Staates in Lateinamerika. Die ersten in Europa
kursierenden Berichte über einen Sklavenaufstand in der französischen Kolonie
ließen erhebliche Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen, zu abwegig
erschien den europäischen Zeitgenossen die Vorstellung, dass es Sklaven gelingen
könnte, einen Aufstand dieses Ausmaßes zu initiieren und über einen längeren
Zeitraum aufrecht zu erhalten.11

8
Ebd., S. 50 ff.
9
Ebd., S. 55.
10
Ebd., S. 54.
11
Fischer, Sibylle: Haitianische Revolution. In: Historisch-kritisches Wörterbuch des
Marxismus, S. 1121; Hanke, Philipp: Revolution in Haiti. Vom Sklavenaufstand zur
Unabhängigkeit, S. 7.

6
In der europäischen Geschichtsschreibung wurde dem Sklavenaufstand im
Gegensatz zur Französischen Revolution und zur amerikanischen
Unabhängigkeit lange Zeit wenig Bedeutung beigemessen. Sofern das Geschehen
überhaupt Erwähnung fand, wurde ihm ein eher geringer Einfluss auf die
Emanzipationsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts zugeschrieben und
vielmehr die mit der Revolte einhergehende Gefahr verdeutlicht, der es unbedingt
vorzubeugen galt.12
Die haitianische Revolution steht in Zusammenhang mit vier Konflikten, die sich
teilweise überschneiden und maßgebliche Auswirkungen auf deren Verlauf hatten.
Neben den internationalen Konflikten um die Sklaverei und den Sklavenhandel
zählen dazu die Konflikte zwischen den Sklaven und den „freien Mulatten“ in
Saint-Domingue, die Französische Revolution sowie die Konkurrenz zwischen
den europäischen Kolonialmächten, insbesondere England und Frankreich.13
Der größte Einfluss ist dabei der Französischen Revolution zuzusprechen, die mit
der Verkündung der Menschen- und Bürgerrechte das Ende der absolutistischen
Herrschaft herbeiführte und das Bürgertum zur führenden gesellschaftlichen
Kraft aufsteigen ließ. Die in diesem Kontext propagierten Ideale der Freiheit und
Gleichheit beeinflussten die Bewohner von Saint-Domingue in ihrem Streben
nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit.14

2.2. Rassentheorien und Beurteilung der Sklaverei

Die im Verlauf des 18. Jahrhunderts von europäischen Wissenschaftlern


entwickelten Rassentheorien und die kritische Auseinandersetzung mit der
Sklaverei und dem Sklavenhandel sind Schüller zufolge als eine weitere
entscheidende Voraussetzung für die Beurteilung des Sklavenaufstands von 1791
und der Unabhängigkeit Haitis zu sehen.15
Im Zuge des durch die Aufklärung verstärkten Interesses an der
außereuropäischen Welt, welches darüber hinaus auf wirtschaftliche Interessen
und Missionsbestrebungen der Kolonialmächte zurückzuführen war, rückten auch
die indigenen Bewohner der fernen Kontinente ins Blickfeld der Europäer, wobei

12
Fischer: Haitianische Revolution, S. 1122.
13
Ebd.
14
Hanke: Revolution in Haiti, S. 7.
15
Schüller: Die deutsche Rezeption, S. 56 f.

7
anthropologische und ethnologische Aspekte gleichermaßen Berücksichtigung
fanden. Eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung der modernen
Rassentheorien ist neben den ökonomischen Zielen der Kolonisten in der Vielzahl
der im Rahmen der europäischen Expansion gewonnenen Kenntnisse zu sehen,
die eine Systematisierung der Welt erforderten. Dies ging mit dem Bedürfnis
einher, neben Pflanzen und Tieren auch Menschen in verschiedene
„Rassen“ einzuteilen. Eines der frühesten Rassenkonzepte geht zurück auf den
schwedischen Naturforscher Carl von Linné, der in seinem 1735 veröffentlichten
Werk „Systema naturae“ zwischen vier verschiedenen menschlichen
„Rassen“ unterscheidet, die er jeweils mit einer Hautfarbe versieht und dem
europäischen, amerikanischen, asiatischen und afrikanischen Kontinent zuordnet.
An die Überlegungen Linnés anknüpfend entwickeln mehrere Gelehrte der
Aufklärung eigene Theorien, die weitestgehend darin übereinstimmen, dass die
Afrikaner den Europäern aufgrund ihrer körperlichen und geistigen
Eigenschaften in jeglicher Hinsicht unterlegen seien.16
Für die entstehende Anthropologie in Deutschland waren der Medizinprofessor
Johann Friedrich Blumenbach und der Philosoph Christoph Meiners von zentraler
Bedeutung, die beide in Göttingen lehrten und sich ausführlich mit den
verschiedenen „Menschenrassen“ beschäftigten.17
Blumenbach unterschied in seinem 1776 erschienenen Hauptwerk „Über die
natürlichen Unterschiede der Menschheit“ zwischen fünf „Hauptvarietäten“,
einer kaukasischen, mongolischen, äthiopischen, amerikanischen und
malaysischen. Von der Theorie ausgehend, dass der Mensch in einer einzigen
Region entstanden sei und sich über die Erde verbreitet habe, wobei sich durch
Anpassung an unterschiedliche Lebensbedingungen und klimatische Einflüsse
die verschiedenen Rassen herausgebildet hätten, betrachtete er die kaukasische
als die ursprüngliche Rasse, von welcher die mongolische und die äthiopische als
zwei Extreme hervorgegangen seien.18
Meiners vertrat in seinem 1785 veröffentlichten „Grundriss der Geschichte der
Menschheit“ hingegen die Auffassung, die Menschheit bestünde aus zwei
getrennt voneinander entstandenen Hauptstämmen, „dem Stamm der hellen und

16
Ebd., S. 56 f.; Koller, Christian: Rassismus, S. 24 ff.
17
Schüller: Rezeption, S. 56.
18
Ebd., S. 58; Koller: Rassismus, S. 27.

8
schönen, und dem der dunkelfarbigen und häßlichen Völker.“19
Bezog sich diese Einteilung auf die äußerlichen Merkmale, gelangte er
hinsichtlich der geistigen Eigenschaften zu folgendem Urteil: „Die Vorsehung
schenkte den weißen und schönen Völkern nicht nur größere Vorzüge des Cörpers
sondern auch des Geistes.“20 Dies führe dazu, dass die Menschen mit dunkler
Hautfarbe in Bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten den Weißen weit unterlegen
seien. Den wesentlichen Grund für die Überlegenheit der weißen Rasse und die
daraus resultierende globale Führungsrolle der europäischen Nationen sah
Meiners in der Tatsache, dass bestimmte Völker immer die herrschenden, andere
dagegen die dienenden gewesen seien.21
Im Gegensatz zu Blumenbach hat sich Meiners in seinem Werk auch mit der
Problematik der Sklaverei und des Sklavenhandels auseinandergesetzt.
Dabei erwähnt er zunächst die „entsetzlichen Grausamkeiten“, welche die
Sklaverei hervorgebracht habe, was ihn jedoch nicht dazu veranlasst, sich für ihre
Abschaffung auszusprechen. Ihm ist zwar an einer besseren Behandlung der
Sklaven gelegen, gleichzeitig begründet und rechtfertigt er aber das System
Sklaverei mit der vermeintlichen Unterlegenheit der „Schwarzen“ gegenüber
anderen Rassen, besonders den Europäern. Ein wichtiges Argument für den
Sklavenhandel sieht Meiners in der Tatsache, dass die Versorgung der
europäischen Bevölkerung mit Luxusgütern wie Zucker und Kaffee nur durch die
Arbeitskraft von Sklaven sichergestellt werden könne. Dies führt ihn zu dem
Schluss, dass der Sklavenhandel insgesamt mehr Vorteile als Nachteile mit sich
bringen würde.22
Abgesehen von den Veröffentlichungen Meiners kam der Auseinandersetzung
mit der Sklaverei im Deutschland des 18. Jahrhunderts eine eher untergeordnete
Rolle zu, was in erster Linie darauf zurückzuführen war, dass man über keine
überseeischen Kolonien verfügte und deutsche Kaufleute zudem lediglich in
geringem Maße am Sklavenhandel beteiligt waren.
In Bezug auf die zeitgenössischen politischen Zeitschriften lässt sich jedoch ein
reges Interesse an der Thematik ausmachen: „Anzahl und Polemik der in

19
Schüller: Rezeption, S. 65.
20
Ebd.
21
Ebd.
22
Ebd., S. 66 f.

9
deutschen Zeitschriften über Sklavenhandel und Plantagensklaverei erschienenen
Artikel und Repliken lassen von einer deutschen Sklavereidebatte etwa seit Mitte
der 1780er Jahre sprechen. Von da an setzte eine regelrechte Flut von Artikeln
und Abhandlungen ein, die sich direkt mit den Aktivitäten und Argumenten der
britischen, aber auch der französischen Abolitionsbewegungen
auseinandersetzten.“23

3. Die Revolution auf Haiti

3.1. Die französische Kolonie Saint-Domingue vor 1791

Der Beginn der Kolonisierung des heutigen Haiti ist im Jahr 1492 zu verorten,
als spanische Kolonisten unter der Führung von Christoph Kolumbus die
zweitgrößte Insel der Großen Antillen in Besitz nahmen und ihr in Anlehnung
an ihre europäische Heimat den Namen Hispaniola gaben. In der Folgezeit diente
die Kolonie mit der Hauptsiedlung Santo Domingo als eine Art
Experimentierfeld für die spätere spanische Kolonisation des amerikanischen
Kontinents, was mit verheerenden Folgen für die indigene Bevölkerung
einherging. Durch aus Europa eingeschleppte Krankheiten, Zwangsarbeit und
Misshandlungen wurde das einheimische Volk der Arawaken innerhalb weniger
Jahrzehnte nahezu vollständig ausgerottet. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts
verloren die Spanier aufgrund der zur Neige gehenden Goldvorkommen
zunehmend ihr Interesse an der Insel und wandten sich dem amerikanischen
Festland zu, wo sie insbesondere in Mexiko und Peru größere Ressourcen an
Edelmetallen und somit bessere Bedingungen für eine erfolgreiche Besiedelung
vermuteten. 24 Die Abreise der spanischen Eroberer begünstigte zunächst die
Ansiedlung französischer Freibeuter im Nordwesten Santo Domingos, denen
bald darauf Siedler folgten, wodurch Frankreich seinen Anspruch auf den
westlichen Teil der Insel geltend machen konnte. Dieser Status wurde 1697 im
Friedensvertrag von Rijswijk verankert, in welchem Spanien seine
entsprechenden Gebietsansprüche an Frankreich abtrat, womit der Grundstein

23
Riesche, Barbara: Schöne Mohrinnen, edle Sklaven, schwarze Rächer. Schwarzendarstellung
und Sklavereithematik im deutschen Unterhaltungstheater (1770 - 1814), S. 72.
24
Gewecke, Frauke: Haiti in der Geschichte: Epilog auf eine glorreiche Revolution, in:
Iberoamericana 1/1991, S. 8; Popkin, Jeremy D.: A concise history of the Haitian Revolution, S.
11; Gliech: Die Sklavenrevolution von Saint-Domingue.

10
für den Aufstieg von Saint-Domingue zur ertragreichsten französischen Kolonie
25
gelegt war. Die Entwicklung der Kolonie zur profitabelsten
Plantagenwirtschaft des 18. Jahrhunderts lag in erster Linie im Anbau
bedeutender Rohstoffe wie Zucker, Kaffee, Indigo und Baumwolle begründet,
mit denen sich hohe Gewinne auf den europäischen Absatzmärkten erzielen
ließen. Die Exportgüter traten dabei in Konkurrenz zu traditionellen Produkten,
die über ähnliche Eigenschaften verfügten und für die bereits eine große
Nachfrage bestand, wobei sie als preisgünstige Alternative bedeutende
Marktanteile erobern konnten. Der Rohrzucker etablierte sich beispielsweise als
Ersatz für klassische Süßstoffe wie Honig und fand Verwendung als Arzneimittel,
während die Baumwollfasern sich aufgrund ihrer besonderen
Verarbeitungsqualität zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für Wolle und
Hanf entwickelten.26 Am Vorabend der Revolution exportierte Saint-Domingue
mehr Kolonialwaren als Brasilien, Peru und Mexiko, lieferte die größten
Mengen an Zucker und baute auf seinen Plantagen die Hälfte des weltweit
geernteten Kaffees an, was der Kolonie den Namen „Perle der
Antillen“ einbrachte. 27 Der entscheidende Faktor für ihren Reichtum war die
Arbeitskraft afrikanischer Sklaven, von denen im Rahmen des französischen
Sklavenhandels bis 1791 zwischen 800.000 und einer Million nach Saint-
Domingue verschleppt wurden. Viele von ihnen kamen bereits während der
Überfahrt in die Karibik ums Leben, andere fielen den unmenschlichen
Bedingungen auf den Plantagen zum Opfer und starben an Unterernährung,
Überarbeitung, Krankheiten oder durch Misshandlungen der Plantagenbesitzer.
Schätzungen zufolge starb etwa ein Drittel der Sklaven in den ersten Monaten
nach ihrer Ankunft auf der Insel, ihre durchschnittliche Lebenserwartung in der
Kolonie betrug weniger als zehn Jahre.28
Aufgrund der Tatsache, dass die versklavten Menschen etwa 90 Prozent der
Gesamtbevölkerung ausmachten, kann Saint-Domingue als klassisches Beispiel
einer Sklavengesellschaft bezeichnet werden. In dieser kam der Institution der

25
Gewecke: Haiti in der Geschichte, S. 8.
26
Gliech, Oliver: Saint-Domingue und die Französische Revolution. Das Ende der weißen
Herrschaft in einer karibischen Plantagenwirtschaft, S. 56.
27
Keppeler, Toni: Schwarzer Widerstand. Sklaverei und Rassismus in Lateinamerika und der
Karibik, S. 22; Bernecker, Walther L.: Kleine Geschichte Haitis, S. 32.
28
Keppeler: Schwarzer Widerstand, S. 23; Popkin: Concise history, S. 16.

11
Sklaverei eine zentrale Bedeutung für sämtliche Aspekte des Lebens zu, im
Gegensatz zu Gesellschaften, in denen Sklaven einen relativ geringen Anteil der
Bevölkerung ausmachten und der Großteil der wirtschaftlichen Aktivitäten von
freien Menschen ausging.29
Die rechtliche Grundlage für den Umgang mit Sklaven in den französischen
Kolonien bildete der „Code Noir“ von 1685. Die darin enthaltenen
Bestimmungen für eine bessere Behandlung der Schwarzen wurden von den
europäischen Herrschern jedoch häufig zu ihrem eigenen Vorteil ausgelegt, was
die Situation der Sklaven zunehmend verschlechterte und entscheidend zu deren
Entrechtung beitrug. 30 Der kontinuierliche Anstieg des Zuckeranbaus führte
dazu, dass die Anzahl afrikanischer Sklaven stetig zunahm. Das daraus
resultierende zahlenmäßige Missverhältnis zwischen Weißen und Schwarzen,
40.000 Weiße standen 500.000 Sklaven gegenüber, förderte das Entstehen eines
enormen Konfliktpotenzials im Sozialgefüge der Kolonie, welches jederzeit zu
Spannungen zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten führen konnte
und dadurch die Stabilität der Kolonie zunehmend gefährdete.31
Die Bevölkerung auf Saint-Domingue setzte sich im Wesentlichen aus drei
Gruppen zusammen: den weißen Kolonialherren, den freien Farbigen (gens de
couleur) und den schwarzen Sklaven. Die Gemeinschaft der Weißen bestand
wiederum aus den „grands blancs“, bei welchen es sich zumeist um
Plantagenbesitzer handelte, sowie den „petits blancs“, zu denen kleine Händler
und Gewerbetreibende gehörten. Von den Sklaven waren über die Hälfte noch in
Afrika geboren worden, der Rest war kreolischen Ursprungs, was bedeutete,
dass sie vor Ort geboren waren. Innerhalb der Gemeinschaft der Sklaven bildeten
sie eine Art Oberschicht und betätigten sich vermehrt als Bedienstete und
Handwerker. Die führenden Initiatoren des Sklavenaufstandes gehörten
mehrheitlich zu diesem Personenkreis.32

29
Hanke: Revolution in Haiti, S. 33; Popkin: S. 14.
30
Hanke: S. 34 f.; Schüller: Die deutsche Rezeption, S. 18 f.
31
Ebd., S. 18; Gliech: Sklavenrevolution.
32
Geggus, David P.: Saint-Domingue und die Haitianische Revolution im atlantischen Kontext,
in: Blänkner, Reinhard (Hg.): Heinrich von Kleists Novelle “Die Verlobung in St. Domingo”:
Literatur und Politik im globalen Kontext um 1800, S. 23; Gewecke: Haiti in der Geschichte, S.
9.

12
3.2. Ausbruch und Verlauf der Revolution

In welchem Ausmaß die bestehenden Spannungen zwischen den verschiedenen


Bevölkerungsgruppen die koloniale Gesellschaft Saint-Domingues gespalten
hatten, offenbarte sich Ende des 18. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der
Französischen Revolution, als sich das erwähnte Konfliktpotenzial entlud und
zu scheinbar unüberwindbaren Interessengegensätzen zwischen den beteiligten
Parteien führte. Die Initiative ging dabei zum einen von den weißen
Plantagenbesitzern aus, deren Wunsch nach politischer Selbstbestimmung und
mehr Gewerbefreiheit schon seit längerer Zeit zu Konfrontationen mit der
absolutistischen Kolonialregierung geführt hatte. Mit dem Ziel, die ihnen
auferlegten wirtschaftlichen Restriktionen zu beseitigen und ihre Forderungen
nach Autonomie geltend zu machen, gründeten sie zunächst in Paris eine
Interessenvertretung, den „Club Massiac“, wodurch sie die Zulassung eigener
Deputierter in die Nationalversammlung erreichten. Im Anschluss daran setzten
sie sich für die Einrichtung einer Kolonialversammlung in Saint-Domingue ein,
welche unabhängig von Paris die Angelegenheiten der Kolonie regeln sollte.33
Auf der anderen Seite kämpften die freien Farbigen, an die im Rahmen der
Französischen Revolution verkündeten Prinzipien der Gleichheit und
Brüderlichkeit anknüpfend, für die Erlangung gleicher bürgerlicher Rechte.
Unterstützt wurden sie dabei von der 1788 in Paris gegründeten „Gesellschaft
der Freunde der Schwarzen“, einer Vereinigung von Gegnern der Sklaverei,
deren oberstes Ziel in der Abschaffung des Sklavenhandels bestand.
Ihre Forderungen nach politischer und gesellschaftlicher Gleichstellung stießen
auf den Widerstand der „grands blancs“, da sie deren eigenen Interessen,
insbesondere der Aufrechterhaltung der kolonialen Sozialordnung,
zuwiderliefen. Als die Angehörigen der weißen Oberschicht sich schließlich
weigerten, ein im Mai 1791 erlassenes Gesetz anzuerkennen, welches die freien
Farbigen zu gleichberechtigten französischen Bürgern erklärte, eskalierte die
Situation. Um die ihnen verwehrten Rechte durchzusetzen, initiierten die „gens
du couleur“ unter der Führung von Vincent Ogé und Jean-Baptiste Chavannes
einen bewaffneten Aufstand, der jedoch nach kurzer Zeit niedergeschlagen

33
Gewecke: S. 10; Bernecker: Kleine Geschichte, S.37; Schüller: Rezeption, S. 23.

13
wurde und mit der Hinrichtung der beiden Anführer endete.34
Im August 1791 begann die zweite Phase der Revolution auf Haiti, als die
Sklaven der nördlichen Provinz mit ihrem Aufstand aktiv in das Geschehen
eingriffen, um für ihre eigene Freiheit zu kämpfen. Sie nutzten dabei den
Umstand, dass die Aufmerksamkeit ihrer Herren auf die Kämpfe mit den
aufständischen Farbigen gerichtet war. Die weißen Kolonisten verließen
regelmäßig ihre Plantagen, um sich dem Kampf gegen die Rebellen
anzuschließen oder um an politischen Versammlungen teilzunehmen. Ihre
Abwesenheit nutzten die privilegierten Haussklaven, die über eine gewisse
Bewegungsfreiheit verfügten und die Plantagen gelegentlich verlassen durften,
um Kontakte zu anderen Sklaven zu knüpfen, Informationen auszutauschen und
geheime Versammlungen abzuhalten. Diese Aktivitäten dienten der
Vorbereitung des Aufstandes.35
Als Ausgangspunkt für den Sklavenaufstand wird in vielen Darstellungen eine
Voodoo-Zeremonie in Bois Caiman genannt, bei der sich die Sklaven unter der
Leitung des Voodoo-Priesters Boukmann versammelten, um die letzten
Vorbereitungen für ihren Aufstand zu treffen und sich auf den Kampf gegen die
Weißen einzuschwören. Ob sich dieser rituelle Akt tatsächlich in dieser Form
ereignet hat und welche Bedeutung ihm in diesem Fall im Zusammenhang mit
dem Sklavenaufstand zukam, ist in der Forschung umstritten. Bei der
Organisation des Aufstandes dürfte der Voodoo-Kult jedoch eine wichtige Rolle
gespielt haben, da dieser unter den Teilnehmenden ein Gefühl der
Zusammengehörigkeit schuf und darüber hinaus als Verständigungssystem
diente, durch welches koordinierte Angriffe an verschiedenen Orten gleichzeitig
ermöglicht wurden.36
Am 22. August nahm die Revolte ihren Anfang, als sich die Sklaven in den
Gemeinden Acul und Limbé erhoben. Von dort aus griff sie in den folgenden
Tagen auf die benachbarten Plantagen über und erfasste innerhalb kürzester Zeit
weite Teile der nördlichen Provinz. Eine aus nahezu 2.000 Sklaven bestehende
Armee tötete zahlreiche Weiße und setzte deren Häuser und Zuckerrohrfelder in
Brand. Nach wenigen Tagen hatten die Aufständischen mit ihren Angriffen den

34
Bernecker: S. 38; Schüller: S. 24; Gliech: Sklavenrevolution.
35
Schüller: S. 25; Gliech: Sklavenrevolution.
36
Ebd.

14
Großteil der Gebiete im Norden unter ihre Kontrolle gebracht. Die Weißen
wurden von der Erhebung überrascht, obwohl sie sich der Gefahr bewusst
gewesen sein mussten, dass die von der Französischen Revolution postulierten
Ideen die Sklaven in ihrem Verlangen nach Freiheit bestärken könnten. Ihrem
Gefühl der Überlegenheit entsprechend war es für sie nicht vorstellbar, dass
diese dazu fähig waren, sich so effektiv zu organisieren und einen Aufstand
dieses Ausmaßes zu initiieren.37 Viele Europäer flüchteten in die nahegelegenen
Städte, während andere sich auf ihre Plantagen zurückzogen, um eine
Gegenoffensive vorzubereiten. Bei der anschließenden Bekämpfung der Revolte
gingen sie mit aller Härte gegen die Aufständischen vor. Die Anführer des
Aufstandes versuchten daraufhin, Verhandlungen mit den Kolonialherren
aufzunehmen, um eine Beilegung des Konflikts zu erwirken. Als diese die
Forderungen der Sklaven ablehnten und stattdessen deren bedingungslose
Unterwerfung forderten, spitzte sich die Lage weiter zu. 38 Da die offene
Konfrontation mit den besser ausgerüsteten französischen Truppen zunehmend
gefährlicher wurde und die Aufständischen immense Verluste zu beklagen hatten,
setzten sie vermehrt auf die Taktik des Guerillakriegs und zogen sich ins
Bergland zurück, wo sie sich so lange halten konnten, bis Frankreich im Frühjahr
1792 den konkurrierenden Kolonialmächten England und Spanien den Krieg
erklärte. Die Sklaven verbündeten sich in der Folge mit den Spaniern, wodurch
die militärische Position Frankreichs entscheidend geschwächt wurde. 39 Eine
aus Frankreich entsandte Zivilkommission, die zwischen den Konfliktparteien
vermitteln sollte, um ein Ende des Krieges herbeizuführen, musste dieses
Vorhaben bereits nach kurzer Zeit aufgeben. Als sich das Ende der französischen
Kolonialherrschaft abzeichnete, verabschiedete die Nationalversammlung in
Paris ein Gesetz zur rechtlichen Gleichstellung der freien Farbigen mit den
Weißen und beauftragte eine weitere Kommission mit dessen Umsetzung. Diese
traf mit mehreren Tausend Soldaten auf der Insel ein, um den Erlass
durchzusetzen, womit sie jedoch ebenfalls scheiterte.40
Im Mai 1794 nahm der Verlauf des Krieges eine weitere überraschende Wendung,

37
Dubois: Avengers of the New World, S. 94 f.; Popkin: Concise History, S. 38.
38
Gliech; Keppeler: Schwazer Widerstand, S. 49 f.
39
Gliech; Bernecker: Kleine Geschichte, S. 40.
40
Gliech; Schüller: Rezeption, S. 26.

15
als der Sklavenführer Toussaint Louverture mit seinen Soldaten von der
spanischen auf die französische Seite übertrat und die militärische Lage sich
dadurch erneut entscheidend veränderte. Als wesentlicher Grund für diesen
Schritt wird in der Literatur über die Revolution häufig die Abschaffung der
Sklaverei durch den Pariser Konvent genannt. Darüber hinaus könnten die
besseren Aufstiegsmöglichkeiten, die sich ihm auf französischer Seite boten,
eine Rolle gespielt haben. Nach dem Wechsel ins französische Lager erwies sich
Toussaint als fähiger militärischer Anführer und politischer Organisator. In
dieser Funktion gelang es ihm, Einigkeit unter der Bevölkerungsschicht der
Sklaven herzustellen und damit die Basis für wichtige Siege sowohl über die
Weißen als auch die freien Farbigen zu schaffen. Nachdem es ihm gelungen war,
die Invasoren Spanien und England gegeneinander auszuspielen, wodurch diese
in der Folge ihr Engagement auf der Insel beendeten und sich zurückzogen, und
in einem weiteren schweren Bürgerkrieg die freien Farbigen unter der Führung
von André Rigaud zu besiegen, stieg Toussaint zum alleinigen Herrscher der
Kolonie sowie zur zentralen Persönlichkeit der Revolution auf.41
Als alleiniger Machthaber konzentrierte er sich auf den Wiederaufbau des
Landes. Sein zentrales Anliegen war dabei zum einen die vollständige
Unabhängigkeit von Frankreich, und zum anderen die Wiederherstellung der
Plantagenwirtschaft, allerdings ohne die Arbeitskraft von Sklaven. Da das Ziel
der Unabhängigkeit ohne eine solide finanzielle Grundlage nicht zu erreichen
war und es zudem keine Alternativen zur Zucker- und Kaffeewirtschaft gab,
führte Louverture neue Formen der Zwangsarbeit ein und setzte in finanzieller
Hinsicht auf die Unterstützung weißer Kolonisten. Auf diese Weise gelang es
ihm bis zum Ende des Jahres 1801, einen wirtschaftlichen Aufschwung
herbeizuführen und ein weitestgehend friedliches Zusammenleben der
verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu erreichen.42
Mit der Entscheidung Napoleons, eine militärische Expedition nach Saint-
Domingue zu entsenden, um dem Fortschritt im Hinblick auf die
Unabhängigkeit ein Ende zu bereiten und die Sklaverei wieder einzuführen,
begann 1802 die dritte Phase der Revolution, der Unabhängigkeitskampf.
Der Status der Unabhängigkeit stellte für die ehemaligen Sklaven dabei die

41
Bernecker: S. 41; Schüller: S. 28 f.; Gliech.
42
Gliech; Schüller: S. 33 f.

16
einzige Möglichkeit dar, ihre erlangte Freiheit gegen die Absichten Napoleons
aufrechtzuerhalten. Lief die anvisierte Rückeroberung zunächst nach Plan, das
französische Recht wurde wieder durchgesetzt und Toussaint nach Frankreich
deportiert, regte sich nach kurzer Zeit Widerstand unter den Schwarzen, was
einen weiteren verheerenden Krieg zur Folge hatte, der 1803 mit der endgültigen
Niederlage Frankreichs endete. Am 1. Januar 1804 erklärte die Kolonie ihre
Unabhängigkeit und benannte sich um in Haiti. In den ersten beiden Jahrzehnten
bestand für die Bewohner die Gefahr einer erneuten Rückeroberung durch
Frankreich. Erst 1825 wurde die Unabhängigkeit Haitis von den ehemaligen
Kolonialherren anerkannt, die im Gegenzug die Zahlung einer hohen
Entschädigung an die ehemaligen Plantagenbesitzer verlangten.43

4. Die Wahrnehmung der Ereignisse in deutschen Publikationen


am Beispiel der Zeitschriften „Politisches Journal“ und
„Minerva“

Über die mit der Revolution auf Haiti verbundenen Ereignisse, der Beginn des
Sklavenaufstands 1790, die Unabhängigkeitserklärung von 1804 und die
endgültige Anerkennung der Unabhängigkeit durch Frankreich im Jahr 1825
wurde in den einschlägigen historisch-politischen Zeitschriften, die zu jener Zeit
in Europa erschienen, ausführlich berichtet, wobei die jeweilige inhaltliche und
politische Ausrichtung der Journale die Berichterstattung prägte. Den
europäischen Lesern wurde somit die Möglichkeit gegeben, sich über das
Geschehen auf der Insel zu informieren. Im deutschsprachigen Raum sind in
diesem Zusammenhang insbesondere das Politische Journal (1781-1840) und
die Minerva (1792-1858) zu erwähnen, die sich über den gesamten Zeitraum der
Revolution ausführlich mit jeweils unterschiedlichen politischen Positionen mit
den Ereignissen in Saint-Domingue beschäftigten. Das Politische Journal galt
dabei als eher konservativ und gegen die Französische Revolution gerichtet,
wohingegen die Minerva zwar ebenfalls konservativ ausgerichtet war, der
Revolution in Frankreich jedoch deutlich offener gegenüberstand.
Beide Zeitschriften griffen für ihre Berichterstattung überwiegend auf Artikel
zurück, die aus dem Französischen und Englischen übersetzt und entweder in

43
Schüller: S. 35 ff.; Gliech.

17
Auszügen wiedergeben oder von den Herausgebern um eigene Einleitungen und
Kommentare ergänzt wurden.44
Das Politische Journal wurde von dem deutschen Historiker und Publizisten
Gottlieb Benedikt von Schirach (1743-1804) gegründet und „galt als das
führende publizistische Bollwerk gegen die aus Frankreich importierten
Ideen.“ 45
Diese Gegnerschaft zur Französischen Revolution kommt
dementsprechend auch in der Berichterstattung über den Sklavenaufstand von
Saint-Domingue zum Ausdruck, auf den das Politische Journal als erste
deutsche Zeitschrift bereits ab 1791 eingeht und sich in der folgenden Zeit
vergleichsweise ausführlich mit den damit verbundenen Vorgängen beschäftigt.
Demnach seien diese als eindeutiger Beweis für die zerstörerische Wirkung der
Freiheit zu sehen, wie es in einem der ersten Artikel über das „Unglück auf
Domingo“ heißt. Von diesem Standpunkt ausgehend wird in den Berichten der
folgenden Jahre ein verzerrtes Bild von Saint-Domingue und seiner Bewohner
entworfen. Die haitianischen Revolutionsführer werden zu Barbaren stilisiert,
deren Handeln sinnbildlich für die Minderwertigkeit der schwarzen „Rasse“ und
mit verheerenden Folgen für den Wohlstand der Kolonie und ihrer immensen
Bedeutung für den französischen Staat verbunden sei. Um das Ausmaß der
Zerstörung zu verdeutlichen, wird auf den Zustand der Kolonie vor dem
Ausbruch der Revolution verwiesen: „So blühend war der Zustand des
Französischen Domingo – als die Revolution denselben vernichtete, und diese
Insel in Elend und Verderben stürzte.“46
In mehreren Artikeln des Jahrgangs 1801 setzen sich die Verfasser mit dem
Revolutionsführer Toussaint auseinander. In einem der Texte wird dabei
einerseits Bewunderung über dessen bemerkenswerte Karriere und beispiellosen
Erfolg zum Ausdruck gebracht, andererseits wird der Versuch unternommen,
Toussaints erfolgreichen Werdegang mit Verweis auf seine vermeintlich

44
Bühler-Dietrich, Annette: Die Revolution in Saint-Domingue. Strategien der Bewältigung
eines unvorhergesehenen Ereignisses im deutschsprachigen Raum, in: Ueckmann, Natascha;
Weiershausen, Romana (Hg.): Sklavenaufstände in der Literatur, S. 85; D’Aprile, Iwan-
Michelangelo: Haiti als Medienereignis, in: Ders.: Die Erfindung der Zeitgeschichte -
Geschichtsschreibung und Journalismus zwischen Aufklärung und Vormärz. Mit einer Edition
von 93 Briefen von Friedrich Buchholz an Johann Friedrich Cotta und Johann Georg Cotta,
1805-1833, S. 157.
45
Schüller: Rezeption, S. 234 f.
46
Ebd., S. 235 ff.

18
spezifischen Eigenschaften als „Schwarzer“ zu relativieren.47 „Ein Jahrhundert
muß schon sehr reich an außerordentlichen Begebenheiten seyn, wenn man sich
nicht wundern soll, zu sehen, wie ein Africaner, ohne Erfahrung, und ohne
Unterricht, sich aus der niedrigen Hütte eines Sclaven, zur höchsten Stufe der
Macht erhub […].“ 48 In einem weiteren Artikel äußert sich der Verfasser in
ähnlicher Weise über Toussaint, indem er diesem die Fähigkeit abspricht, die
Kolonie zu regieren: „Wie dem auch seyn mag; dem gegenwärtigen Gouverneur
von St. Domingo fehlt es weder an Verstande, noch an Fähigkeit, aber wohl an
Charakter. Er ist ein unschlüßiger, unbestimmter, furchtsamer Mann, und
folglich so wenig zum regieren geschickt, daß er fähig ist, fremde Einwirkungen
anzunehmen.“49 Als Beleg für diese negativen Charaktereigenschaften wird die
Tatsache angeführt, dass er amerikanische und englische Angebote hinsichtlich
einer möglichen Unterstützung im Kampf um die Unabhängigkeit von
Frankreich ignoriert habe. Darüber hinaus werden seine vermeintliche
Unentschlossenheit und Furcht als spezifische Merkmale der schwarzen
„Rasse“ dargestellt, wodurch das rassistische Weltbild des Verfassers zum
Ausdruck kommt. Dieser schließt den Artikel mit den Worten, dass sich bald
zeigen werde, ob Toussaint seine Charakterschwäche angesichts größerer
Gefahren überwinden könne. Diese Aussage bezieht sich auf die bevorstehende
Auseinandersetzung mit der nach Saint-Domingue entsandten Armee.50
Der folgende Krieg um die Unabhängigkeit wird im Politischen Journal aus
französischer Sicht dargestellt, da man nur auf Quellen aus Frankreich
zurückgreifen konnte. Dementsprechend fällt die Beurteilung des Geschehens
sehr einseitig aus. So wird der sich abzeichnenden Unabhängigkeit Haitis mit
dem Hinweis auf die daraus resultierenden Folgen mit Ablehnung begegnet:
„Dies ist nicht zu wünschen. Welche unübersehbare Folgen für Europa, und
Handel, und Schifffahrt würden aus der behaupteten Neger-Freyheit auf
Domingo entstehen! Ganz Westindien wäre für Europa verloren, und die Cultur
so vieler durch Gewohnheit unentbehrlich gewordener Bedürfniße dahin.“ 51

47
Ebd., S. 237.
48
Toußaint Louvertoure. Eine biographische Zeichnung, in: Politisches Journal 2 (1801), S. 1103.
49
Ebd., S. 1105.
50
Schüller: S. 238 f.
51
Kriegsgeschichte von Domingo. Ende des ersten Feldzugs. Unterhandlungen., in: Politisches
Journal 1 (1802), S. 539.

19
Hierin zeigt sich deutlich die europazentrierte Sichtweise des Verfassers, der
ausschließlich die möglichen Konsequenzen für den europäischen Kontinent
erwähnt und die mit der Unabhängigkeit verbundenen Chancen für Haiti völlig
außer Acht lässt. Ausgehend von der reaktionären Ausrichtung der Zeitschrift,
die auch in der Berichterstattung über Haiti zum Ausdruck kommt, kann Schüller
zufolge von einer Instrumentalisierung der dortigen Ereignisse für restaurative
Tendenzen gesprochen werden, die mit einer negativen Darstellung des
Inselstaates einherging. Dies zeigt sich darin, dass der Aufstand der Sklaven als
Bestätigung für die Auswüchse der Französischen Revolution gesehen wurde
und die Absicht Napoleons, die Sklaverei wiedereinzuführen, als Akt der
Wiederherstellung der alten Ordnung breite Zustimmung fand.52
Die „Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts“ wurde 1792 von
dem preußischen Schriftsteller und Historiker Johann Wilhelm von Archenholz
gegründet, welcher den Grundideen der Französischen Revolution positiv
gegenüberstand, die damit verbundene Gewalt in Form von Ausschreitungen
jedoch aufs Schärfste verurteilte, was zunächst auch in der Berichterstattung
seiner Zeitschrift über die Ereignisse auf Haiti zum Ausdruck kommt.
Archenholz, der sich in Einleitungen und Kommentaren zu den Beiträgen über
das Geschehen äußert, teilt dabei zwar nicht die restaurativen Ideen des
Politischen Journals, kommt in Bezug zum Sklavenaufstand aber zu ähnlichen
Bewertungen.53 So schreibt er in einer Einleitung zu dem Artikel „Zur neuesten
Geschichte von St. Domingo“ aus dem Jahrgang 1804 Folgendes: „Die Augen
der Welt sind jetzt auf St. Domingo und auf die dort hausenden Neger – eine
Republik kann man diese zusammen gerotteten rasenden Schwarzen wohl nicht
nennen – gerichtet, da die Folgen dieses Unwesens nicht zu berechnen sind.“54
Angesichts der Tatsache, dass Archenholz sogar die unteren
Bevölkerungsklassen Europas als „Halbmenschen“ bezeichnete, sind seine von
Vorurteilen geprägten Aussagen über den von ehemaligen Sklaven gegründeten
Staat, den er als anarchische Zusammenrottung von Wilden bezeichnet, nicht
verwunderlich. In dem Artikel „Neue Greuel der Neger in St. Domingo“ äußert
sich der Herausgeber mit deutlich drastischeren Worten über die schwarzen

52
Ebd., S. 242.
53
Ebd., S. 248 f.; D’Aprile: Haiti, S. 158.
54
Archenholz, Johann Wilhelm von: Geschichte von St. Domingo, in: Minerva 4 (1804), S. 340.

20
Bewohner der Insel, was sich bereits anhand des Titels zeigt: „Die schwarzen
Ungeheuer in St. Domingo bleiben auch nach gänzlicher Vertilgung der weissen
Bewohner der Insel, ihrem Mord-Character getreu.“55
Ab 1805 kommt es zu einem Wandel in der Berichterstattung der Minerva über
die Revolution auf Haiti, der in erster Linie auf das Werk „Geschichte der Insel
Hayti oder St. Domingo besonders des auf derselben errichteten
Negerreichs“ des Engländers Marcus Rainsford zurückzuführen ist, in welchem
dieser sich im Gegensatz zu anderen europäischen Autoren auf eine wesentlich
differenziertere Weise mit dem Geschehen auseinandersetzt und ein deutlich
positiveres Bild der schwarzen Bewohner zeichnet. Die Lektüre des Werkes
veranlasste Archenholz offenbar dazu, seine bisherige Sicht auf die
Sklavenrevolte zu überdenken, wie er selbst in einem Beitrag bekennt56:

„Diese mit vielen Details und Sachkenntnis von einem Augenzeugen in


einer angenehmen Schreibart aufgestellten Nachrichten […] geben uns
eine ganz andre Ansicht der Dinge, als wir bisher aus einseitigen Berichten
bekommen hatten. […] Die Neger, die wir bisher unbedingt als Ungeheuer
betrachtet haben, erscheinen hier in einem ganz andern Lichte, und ihr
erster Anführer Toussaint Louverture als ein hochachtungswürdiger,
wirklich großer Mann.“57

In der folgenden Zeit lässt sich diesen Worten des Herausgebers entsprechend
eine veränderte Rezeption der Ereignisse feststellen, die in der zunehmenden
Differenziertheit der herangezogenen ausländischen Berichte begründet liegt,
sowie in der daraus resultierenden Ansicht, dass die Grundlage für die
Unabhängigkeit Haitis nicht in der Abschaffung der Sklaverei zu sehen sei,
sondern in der Weigerung der Weißen, die Rechte der ehemaligen Sklaven
anzuerkennen.58
In Bezug auf die Berichterstattung der Minerva über Haiti lässt sich konstatieren,
dass diese eng mit der Französischen Revolution und den sozialen Spannungen
in Europa verbunden ist. Angesichts der damit einhergehenden Destabilisierung
der Machtverhältnisse in Europa und seinen Kolonien dominieren in den

55
Archenholz: Neue Greuel der Neger, in: Minerva 2 (1805), S. 295.
56
Schüller: Rezeption, S. 251.
57
Archenholz: Toussaint Louverture. Eine historische Schilderung für die Nachwelt, in: Minerva
4 (1805), S. 177 f.
58
Schüller: S. 253 f.

21
Berichten rassistische Vorurteile. Durch den zeitlichen Abstand von der
Revolution und das Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen wird dann auf
abwertende und polemische Kommentare verzichtet, wodurch die Darstellung
wesentlich positiver ausfällt.
D’Aprile kommt in seiner Analyse der Berichterstattung zu dem Schluss, dass
Archenholz darin sowohl das Bedürfnis seiner Leserschaft nach Informationen
als auch deren Vorurteile bediene. Dabei verzichte er in seinen Kommentaren
auf politische Analysen und greife stattdessen auf moralische Wertungen zurück.
Dies führe dazu, dass man in Bezug auf die Minerva weder von einer
ausgesprochen positiven Darstellung Haitis noch von einer auf Fakten
basierenden Beurteilung sprechen könne.59
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Minerva in ihrer Berichterstattung über
die Revolution auf Haiti um eine sachliche Darstellung der Ereignisse bemüht
war, wohingegen das Politische Journal auf seiner reaktionären und
restaurativen Position beharrte. Wurden die Vorgänge in der Minerva zunächst
ebenfalls eher negativ beurteilt, verbunden mit einer rassistischen Darstellung
der Sklaven, zeigt sich im weiteren Verlauf eine kontinuierlich wohlwollende
Beurteilung. In Bezug auf das Politische Journal lässt sich eine solche
Entwicklung nicht feststellen; die Verfasser verurteilten den Sklavenaufstand
von Anfang an und lehnten die Unabhängigkeit Haitis entschieden ab.60

5. Fazit und Ausblick

Die Bearbeitung des Themas hat gezeigt, dass die Revolution auf Haiti ein
außergewöhnliches Ereignis darstellt, welches mit weitreichenden Folgen
verbunden war und dementsprechend ein großes Interesse in der europäischen
Bevölkerung hervorrief, was in erster Linie auf die zeitliche Nähe zu den
Revolutionen in Nordamerika und Frankreich zurückzuführen war. Die ersten in
Europa kursierenden Berichte über einen Sklavenaufstand in der französischen
Kolonie Saint-Domingue riefen dabei zunächst Skepsis hervor und wurden
mitunter für Falschmeldungen gehalten, zu unglaubwürdig erschien der
Gedanke, dass die afrikanischen Sklaven zu einem solchen Aufstand fähig sein

59
D’Aprile: Haiti, S. 159.
60
Schüller: S. 260.

22
könnten. Der wesentliche Grund für die Revolution der Sklaven war die
jahrelange Benachteiligung des überwiegenden Teils der Bevölkerung von
Saint-Domingue. Diese führte zunehmend zu Spannungen zwischen den
verschiedenen sozialen Schichten, die im Zuge der Französischen Revolution
eine neue Dimension erreichten. Es folgte ein lange andauernder Krieg, an dem
sich sämtliche Bevölkerungsgruppen der Kolonie beteiligten, um ihre jeweiligen
Interessen gewaltvoll durchzusetzen. Im Zentrum des Geschehens stand dabei
der Konflikt zwischen den Sklaven, die für ihre Freiheit kämpften, und den
weißen Kolonialherren, welche die bestehende Sozialordnung und das System
der Sklaverei unter allen Umständen aufrechterhalten wollten angesichts des
daraus resultierenden Reichtums der Kolonie. Die Kämpfe, die von den
beteiligten Parteien mit äußerster Härte geführt wurden und zahlreiche
Todesopfer auf beiden Seiten forderten, endeten 1804 mit der
Unabhängigkeitserklärung Haitis von Frankreich.
Die wesentlichen Voraussetzungen für die deutsche Wahrnehmung der mit der
Revolution verbundenen Ereignisse sind zum einen in der Auseinandersetzung
mit den Revolutionen in Nordamerika und Frankreich zu sehen. Zum anderen
wurde die Sichtweise auf die Vorgänge in der Kolonie von den Rassentheorien
des 18. Jahrhunderts beeinflusst, in denen mehrere europäische Gelehrte die
vermeintliche Unterlegenheit der schwarzen „Rasse“ im Hinblick auf deren
körperliche und geistige Merkmale propagierten.
Die Rezeption der haitianischen Revolution in der Minerva und dem Politischen
Journal ist dementsprechend eng mit der Wahrnehmung der Französischen
Revolution und deren weitreichenden Auswirkungen auf die soziale und
politische Ordnung in Europa verbunden. In der Berichterstattung des
Politischen Journals wurde der Sklavenaufstand von Saint-Domingue
beispielsweise als fester Bestandteil der Französischen Revolution angesehen
und der reaktionären Ausrichtung der Zeitschrift entsprechend auf das Schärfste
verurteilt. In den Artikeln der Minerva lässt sich insgesamt eine deutlich
gemäßigtere Beurteilung des Aufstandes feststellen, wobei in den Äußerungen
des Herausgebers zu den ersten Berichten durchaus eine negative Darstellung
der Revolution überwiegt. Die Berichterstattung der beiden Zeitschriften war
geprägt von rassistischer Propaganda sowie einer europazentrierten Sichtweise,
die im Wesentlichen auf die Abhängigkeit von englischen und französischen

23
Quellen zurückzuführen ist. Unter Rückgriff auf rassenbiologische Anklagen
und Beobachtungen, welche die Minderwertigkeit der schwarzen
„Rasse“ untermauern sollten, wurde der gewaltvolle Widerstand der Sklaven als
Beweis für deren fehlende Menschlichkeit herangezogen.61
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Rezeption der Ereignisse in
beiden Fällen einseitig und undifferenziert ausfällt. Anstelle einer kritischen
Auseinandersetzung mit den herangezogenen Quellen werden die darin
enthaltenen Darstellungen direkt übernommen, wodurch eine
unvoreingenommene und ausgewogene Berichterstattung von vornherein
ausgeschlossen wird. Dies hat zur Folge, dass die Rezeption der Revolution auf
Haiti überwiegend negativ ausfällt. In Bezug auf die Minerva kommt es zwar im
Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Werkes von Marcus Rainsford zu
einer veränderten Sichtweise auf die Ereignisse, es überwiegt jedoch insgesamt
eine rassistische und konservative Haltung, die der Emanzipation der Sklaven
kritisch gegenübersteht und deren Vorgehen verurteilt.
In Bezug auf die für diese Arbeit herangezogene Forschungsliteratur lässt sich
festhalten, dass das Werk von Karin Schüller im Hinblick auf die deutsche
Wahrnehmung der Revolution sowie den ereignisgeschichtlichen Rahmen, in
welchen diese eingebettet ist, die umfangreichste und detaillierteste Monografie
darstellt. Der Sklavenaufstand und die damit verbundenen Ereignisse werden
ebenfalls ausführlich beleuchtet und auf differenzierte Weise nachgezeichnet,
was wesentlich dazu beiträgt, die Motive der Sklaven nachvollziehen zu können
und deren Aufbegehren als einen Akt der Emanzipation zu begreifen.
Philipp Hanke und Frauke Gewecke stimmen in ihren Texten hinsichtlich der
Deutung der Revolution auf Haiti darin überein, dass diese ein einzigartiges
Ereignis darstellt, dem eine entsprechend große Bedeutung beigemessen werden
könne. Dieser Aussage kann angesichts der Tatsache, dass es sich dabei um den
einzigen erfolgreichen Sklavenaufstand in der Geschichte handelt, der darüber
hinaus den ersten unabhängigen Staat Lateinamerikas hervorbrachte,
uneingeschränkt zugestimmt werden.

61
Bühler-Dietrich: Revolution, S. 85 f.

24
6. Literaturverzeichnis

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Hamburg 1792-1858.

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(1789/91 – 1804/25), in: Avinus – Europäisches Online-Magazin für Medien, Kultur und Politik:
https://magazin.avinus.eu//2008/05/28/gliech-oliver-die-sklavenrevolution-von-saint-
dominguehaiti-und-ihre-internationalen-auswirkungen-178991-180425-280508/ Letzter Aufruf:
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26

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