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Das folgende Referat trägt den Titel „So spannend können Namen sein“.
Wenngleich ein solcher Titel eher populärwissenschaftlich klingt, zumal er den
Eindruck vermitteln könnte, als sei die Namenforschung eine einfache und
unumstrittene sprachwissenschaftliche Disziplin ‒ so hat das Adjektiv
„spannend“ doch etwas für sich.
Warum kann die Namenforschung spannend sein? Weil wir damit unter
Umständen weit in die Geschichte, ja bis vor unsere Zeitrechnung zurückgehen,
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und weil wir es mit Sprachen zu tun haben können, die schon längst nicht mehr
gesprochen werden, die aber in Namen noch weiterleben.
Der Tiroler Raum zeichnet sich, wie der Ostalpenraum generell, durch eine
besonders hohe Dichte von geografischen Namen aus, die aus unterschiedlichen
Sprachen stammen. Das heißt, die Namen wurden keineswegs alle erst im
Deutschen geprägt, sondern viele von ihnen gab es schon, bevor im Tiroler
Raum Deutsch gesprochen wurde. Ein großer Anteil davon ist romanischer
Herkunft, und eine beachtliche Anzahl stammt aber auch aus vorrömischer Zeit,
d. h. aus einer Zeit, bevor die Römer um das Jahr 15 vor Christus herum den
Alpenraum eroberten.
Was wissen wir über die Zeit vor den Römern? Mit dem Übergang von der
Jäger- und Sammlerkultur zu sesshaften Bauern um etwa 5500 vor Christus
herum gab es im Tiroler Raum wohl spätestens seit dieser Zeit, der
Jungsteinzeit, schon dauerhaft Siedlungsplätze. Nach der Jungsteinzeit kam die
Kupfersteinzeit oder Kupferzeit (ca. 4300 bis ca. 2200 vor Christus), in der um
etwa 3300 herum unser Ötzi lebte. Der Kupferzeit folgte die Bronzezeit (ca.
2200 bis ca. 800), und dieser die Eisenzeit, die noch bis in die Römerzeit
hineinreichte. Historiker und Archäologen hätten vieles über die jeweilige
Periode und deren Charakteristika zu berichten. Leider sind Geschichte und
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Archäologie nicht mein Fachgebiet. Ich kann nur allgemein sagen, dass auf
jeden Fall aufgrund von günstigen klimatischen Bedingungen und von
Fortschritten in der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung und im Hausbau die
Anzahl der Siedlungsplätze im Lauf der Geschichte immer weiter stieg. Die
Menschen, die den Tiroler Raum besiedelten und sich in Sippen oder Stämmen
organisierten, kamen gewiss nicht alle aus ein- und derselben Region, sondern
aus den unterschiedlichsten Richtungen; doch woher genau ‒ das ist die
eigentlich schwierige Frage. Erstmalige schriftliche Erwähnungen von diversen
vorrömischen Stämmen finden wir bei griechischen und römischen
Geschichtsschreibern. Die am häufigsten genannten Stämme sind die Illyrer,
Veneter, Kelten und Räter, doch werden diese oft nur ungefähr auch im
Ostalpenraum oder gar Tiroler Raum lokalisiert, und über deren Sprache wird
auch nur wenig berichtet. Vielfach werden die Stämme auch verwechselt oder
gar unter dem Begriff „Räter“ zusammengefasst ‒ alles Dinge, die durch
Außenstehende leicht passieren konnten.
Tropaeum Alpium
Im Jahr 15 vor Christus eroberten Drusus und Tiberius, die Stiefsöhne des
Kaisers Augustus den Alpenraum und unterwarfen die vorrömischen Stämme.
Auf dem sogenannten Tropaeum Alpium, also dem „Siegesdenkmal der Alpen“,
das nach dem römischen Feldzug im heutigen La Turbie oberhalb von Monaco
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errichtet wurde, sind die Namen von insgesamt 46 von den Römern besiegten
Stämmen oder Völkerschaften aufgelistet, u. a. in der hier berücksichtigten
Reihenfolge sind dies die
Mediterrane Restsprachen
Die älteste greifbare Sprache im Tiroler Raum könnte vielleicht bis in die
Jungsteinzeit zurückreichen. Sie ist sicher nicht indogermanisch, also nicht mit
dem Venetischen, Illyrischen, Keltischen, Lateinischen oder Slawischen
verwandt. Vielmehr zeigt sie Affinitäten mit vorgeschichtlichen Sprachen des
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Mittelmeerraumes, zum einen im Süden und Südosten, zum anderen im Norden
um Ligurien.
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Urheimat der Indogermanen
Neben dem Keltischen, zu dem ich später noch berichten werde, existierten im
Tiroler Raum zwei weitere vorrömisch-indogermanische Sprachen. Die
Urheimat der Indogermanen ist nach älterer Auffassung das südliche Russland,
nach jüngerer Auffassung Anatolien, also jener Teil der heutigen Türkei, der zu
Vorderasien gehört. Die Ausbreitung der Indogermanen und damit die
Aufspaltung der Ursprache oder der Grundsprache in indogermanische
Einzelsprachen, zu denen mit Ausnahme des Baskischen, Finnischen und
Ungarischen, alle europäischen Sprachen gehören, begann laut jüngsten
Erkenntnissen schon 6700 vor Christus. In die Regionen Mitteleuropas
gelangten die Indogermanen etwa um ca. 4000 vor Christus. Wann einzelne
indogermanische Stämme den Tiroler Raum erreichten und ob demnach unser
Ötzi bereits Indogermane war oder einem ursprünglich vom Mittelmeeraum
kommenden Volk angehörte, können wir nicht mit Gewissheit sagen. Auf jeden
Fall ist für die Bronzezeit eine Verdichtung der Bevölkerung zu verzeichnen,
und es spricht nichts dagegen, dass spätestens jetzt mindestens zwei
indogermanische Völker und somit Sprachen auch im Tiroler Raum und im
weiteren Sinne im Ostalpenraum wohl von Norden her kommend Fuß fassten.
Teile davon könnten nach Italien weitergewandert sein, und deren Sprache
könnte dann die Grundlage für die italischen Sprachen gebildet haben, aus denen
als wichtigste das Lateinische hervorging. Jener Anteil, der jedoch im
Ostalpenraum und somit auch in Tirol verblieb und sich dort entfaltete, wird
traditionell unter Veneter und Illyrer subsumiert. Durch diese Terminologie
besteht jedoch eine Verwechslungsgefahr, und zwar mit den eigentlichen
Venetern, deren Sprache in vorgeschichtlicher Zeit im östlichen Oberitalien
inschriftlich belegt ist, und den eigentlichen Illyrern, die auf dem Balkan
beheimatet waren.
Ostalpenindogermanisch A (Oaidg.A)
und Ostalpenindogermanisch B (Oaidg.B)
Um eine Verwechslung zu vermeiden, möchte ich die Sprecher, die uns hier
jetzt interessieren, als Ostalpenindogermanen bzw. deren Sprache als
„Ostalpenindogermanisch“ bezeichnen, und bei genaueren einzelsprachlichen
Indizien unterscheide ich zwischen dem Typ „Ostalpenindogermanisch A“
(vormals Venetisch) und dem Typ „Ostalpenindogermanisch B“ (vormals
Illyrisch).
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Welches sind nun die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen dem
Ostalpenindogermanischen A und B? Ich werde nun versuchen, das Ganze eher
veinfachend auszudrücken: In der indogermanischen Grundsprache gab es
stimmhafte Verschlusslaute: *bh, *dh, *=h / *gh. In der A-Sprache des
Ostalpenindogermanischen wurden diese Verschlusslaute zu stimmlosen
Reibelauten, also f, þ (wie engl. th in thing), χ (etwa wie ch in Nacht) und in der
B-Sprache zu b, d, g. Ferner gab es in der indogermanischen Grundsprache die
sogenannten silbischen Liquiden und Nasale {, [, ], }. Diese entwickelten sich
im Ostalpenindogermanischen A zu ir, il, im, in und im
Ostalpenindogermanischen B zu ur, ul, um, un. Schließlich blieb idg. kurzes o,
wenn es betont war, in der A-Sprache als solches erhalten, während es in der B-
Sprache kurzes a ergab.
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Der Name Kortsch ließe wegen des o auf oaidg.A *χord-jo- ‘Hürde,
Einfriedung’ abbilden. Die Wurzel wäre idg. *gherdh- ‘umschließen, umgürten’.
Dieselbe Wurzel könnte dem Namen Garda zugrundeliegen. Nur wäre in
diesem Fall der Name Garda nicht oaidg.A, sondern oaidg.B, was allein schon
am a zu erkennen ist. Beide Namen, sowohl Kortsch als auch Garda, wären mit
lat. hortus ʻGartenʼ und freilich mit unserem Wort Garten urverwandt.
Eine weitere Gleichung wäre Tilfuss (Almgebiet in der Leutasch) vs. Tulfes (bei
Innsbruck). Die Wurzel wäre idg. *tel-, *telə-, *telu- ʻflach, flacher Boden,
Brettʼ. Verwandt mit diesem Namen wären unser Wort Diele und lat. tellus,
tellūris ʻErde, Erdbodenʼ.
Zu vergleichen wären auch Namen wie Stilfs, Stilfes mit Stuls. Die idg. Wurzel
wäre *stel- ʻhinstellen, bereit machenʼ bzw. vokallos (schwundstufig) *st[-.
Dieses *st[- konnte im Oaidg.A *stil- und im Oaidg.B *stul- ergeben und
unterschiedlich erweitert werden. Oaidg.A *stilwo- bzw. oaidg.B *stullo- könnte
vielleicht soviel wie ʻHingestelltesʼ oder ʻAufgestelltesʼ und demnach wohl
ʻStallʼ oder ʻHütteʼ bedeutet haben und wäre freilich mit unserem Wort Stall
urverwandt.
Auch die Namen Tramin und Termón (Fraktion der Gemeinde Campodenno am
Nonsberg) könnten eine Gleichung darstellen. Tramin wäre oaidg.A und Termón
wäre oaidg.B. Ansetzen ließe sich oaidg.A *tramínno- bzw. oaidg.B *tra-
múnno-. Der Name wäre zusammengesetzt aus trā- < idg. *treh2- ‘durch, über’,
und *minno- bzw. *munno-, zu idg. *menH- ‘treten, stampfen’ (?). Als Ganzes
könnten Tramin bzw. Termón wörtlich ʻDurchtretenes, Durchstampftesʼ
bedeutet und sich somit z. B. auf eine häufig von Mensch oder Tier begangenes
Gelände (oder einen Weg?) Weg bezogen haben. Alternativ könnte das erste
Element in Tramin und Termón idg. *tri- ʻdreiʼ sein, wie es in Komposita
vorkommt. Oaidg.A *trimínno bzw. oaidg.B *trimúnno- könnte dann soviel wie
ʻDrei Wegeʼ, also gewissermaßen ʻWegscheideʼ bedeutet haben. Das Element
tri- wäre dann dasselbe wie in lat. tri-, z. B. in trivium ʻWegscheideʼ und freilich
in unserem Zahlwort drei.
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Oaidg.A könnte der Name Rentsch sein. Annehmen ließe sich oaidg.A *wrong-
jo- ‘Wiesengelände’, dies aus ‘Aufbiegung’, zu idg. *wreng- ‘verdrehen,
(ver)biegen’. Der Name Rentsch wäre wahrscheinlich dasselbe wie Auronzo,
dessen alter deutscher Name ebenfalls Rentsch lautet.
Rätisch
Kommen wir jetzt auf eine andere Sprache zu sprechen: das Rätische. Im
Gegensatz zum Ostalpenindogermanischen ist das Rätische eine nicht-
indogermanische Sprache. Beim Rätischen handelt es sich um eine
Schwestersprache des Etruskischen, also jener Sprache, deren Kerngebiet
Etrurien, das ist in etwa die heutige Toskana, war. Das Rätische ist die Sprache
der bemerkenswerten Fritzens-Sanzeno-Kultur. Es ist die erste Sprache im
Alpenraum, die Inschriften hinterlassen hat. Es handelt sich um ca. 100 so
genannte rätische Inschriften, die in einem Runenalphabet auf Eisen, Knochen,
Ton, Keramik und sonstigen verzierten Kunstgegenständen eingeritzt wurden. In
einem Fall wurden Inschriften auch auf einem Felsen eingeritzt. Es handelt sich
um eine Inschrift am Schneidjoch der Gemeinde Steinberg am Rofan. Es ist die
längste zusammenhängende rätische Inschrift überhaupt, und aufgrund der
naheliegenden Quelle wird ihr kultische Funktion zugesprochen.
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Rätische Felsinischrift am Schneidjoch
Ein typisches lautliches Charakteristikum des Rätischen ist z. B. das Fehlen des
Vokals o. Über das Rätische ist nur sehr wenig bekannt. Dank der ca. 100
überlieferten rätischen Inschriften weiß man aber, dass es im Rätischen üblich
war, mittels der Nachsilbe -na Ableitungen von Personennamen zu bilden. Auf
kunstvoll gefertigten Gegenständen, die vermutlich kultischen Charakter hatten,
wurden oft der Name und die familiäre Herkunft des Weihenden und der Name
der Gottheit eingeritzt, dem der Gegenstand geweiht war. Das Suffix -na
bedeutete wahrscheinlich ‘Sohn, Tochter’ oder ‘Gegenstand eines Soundso’ und
drückte somit Zugehörigkeit aus.
Eine weitere im Etruskischen und Rätischen bezeugte Nachsilbe ist -ale. Diese
bedeutete ʻim Bereich von Soundso gehörigʼ. Der Name Tirol könnte z. B.
dieses Suffix -ale beinhalten. Rätisch *Tir-ale würde somit ʻim Bereich eines
*Tir- gehörigʼ bedeutenʼ. Vergleichbar mit *Tirale wäre Senale, der italienische
Name für Unsere liebe Frau im Walde, Tonale am Übergang zwischen dem
Sulzberg und der Valcamonica und Romallo am Nonsberg.
Keltisch
Als letzte der vorrömischen Sprachen ist schließlich das Keltische zu nennen.
Während man früher dem Keltischen im Alpenraum eine große Bedeutung
beimaß, scheint man in letzter Zeit von der Meinung, dass das Keltische vor der
Römerzeit im Tiroler Raum relativ dominant war, immer mehr abzukommen.
Nicht nur aufgrund von archäologischen Erkenntnissen, auch angesichts des
namenkundlichen Befundes scheint sich immer mehr abzuzeichnen, dass viele
der vermeintlich keltischen Namen in Wirklichkeit noch älter sind und sich nicht
selten einer der beiden ostalpenindogermanischen Sprachschichten zuordnen
ließen. Keltische Namen finden wir am ehesten im Raum Pustertal, also jenem
Gebiet, das bereits in vorgeschichtlicher und noch in römischer Zeit zu Noricum
gehörte. Keltischen Ursprungs scheinen Namen zu sein, die die Nachsilbe -ācon,
-āca oder -icon, -ica beinhalten. Namen wie Luttach, Toblach, Vierschach,
Tilliach scheinen mit der typisch keltischen Nachsilbe -āko- gebildet zu sein,
und sie könnten ʻGebiet eines Lucotos, Duplos, Virisios, Tiliosʼ bedeuten. Auch
der Name Olang könnte vielleicht keltischer Herkunft sein und *Aulāca ʻGebiet
eines Aulosʼ fortsetzen. Wie Noricum scheint z. B. der Name Innichen, nämlich
aus *Índika, gebildet zu sein.
Neben mit einiger Gewissheit zuordenbaren Namen gibt es eine Reihe von
Namen, die sehr schwer einer der genannten Sprachen zugeordnet werden
können. Folglich ist es auch schwierig, etwas über die ursprüngliche Bedeutung
herauszufinden. Solche Namen sind z. B. Bruneck oder Branzoll, die zum
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Beispiel ostalpenindogermanisch B, aber auch keltisch sein könnten. Die Namen
Aldein und Radein könnten dagegen ostalpenindogermanisch A oder B, keltisch
oder vielleicht auch rätisch sein. Mit Sicherheit nicht indogermanisch ist der
Name Etsch, wohl auch der Name Eisack. Ein Problemfall ist schließlich auch
der Name Inn. Wenn er indogermanisch ist, würde ich ihn zur Wurzel idg.
*¾ed- ʻschwellenʼ stellen. Eine Bildung *¾id-no- konnte sowohl in den beiden
ostalpenindogermanischen Sprachen als auch im Keltischen *Inno- ergeben.
Daneben scheint es die Dublette *¾oid-no- gegeben zu haben, und diese konnte
im Ostalpenindogermanischen A und Keltischen zu *Oino- und im
Ostalpenindogermanischen B zu *Aino- führen. Bei antiken
Geschichtsschreibern ist der Name für den Inn in einem Formenreichtum
überliefert, der auf *Oino-, *Aino- und *Inno- hinweist. Die Form, die
letztendlich überlebt hat, ist *Inno-. Nur aus dieser kann nicht nur der deutsche
Name Inn, sondern auch der rätoromanische Name En bzw. das alte italienische
Exonym Enno oder Eno stammen.
Romanisch
Über die Eroberung des Alpenraums durch die Römer Drusus und Tiberius im
Jahr 15 vor Christus habe ich bereits berichtet. Wohl bereits im 2. Jahrhundert
nach Christus gewann die Sprache der Römer die Überhand und assimilierte die
älteren Sprachen mehr und mehr. Die geografischen Namen wurden dabei zu
einem beachtlichen Teil von den Römern bzw. späteren Romanen nicht
verdrängt, sondern ins Lateinische bzw. spätere Romanische mit übernommen.
Im Hochmittelalter bildeten sich ‒ immer auf der Grundlage des Lateinischen
bzw. Romanischen ‒ im romanisch gebliebenen Teil Tirols zwei relevante
Sprachen heraus: Das Ladinische im Nordosten bzw. das Romantsch im
Nordwesten und das Italienische lombardisch-venezianischer Prägung im Süden
(d. h. in Welschtirol).
Slawisch
In Teilen des heutigen Osttirol kam ab etwa 300 nach Christus das Slawische
hinzu, wo es sich bis ins Hochmittelalter herauf neben dem Romanischen und
Deutschen halten konnte. Als der westlichste slawische Name auf Tiroler Boden
wird traditionell Assling mit slaw. *asenь ʻEscheʼ betrachtet. Slawische Namen
sind östlich von Assling weit verbreitet: Lesach, Leisach, Tristach, Dölsach,
sind nur einige davon. Vielleicht auch sind auch Defereggen, Prägraten, Kals,
Debant slawischen Ursprungs.
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Germanisch
Die meisten Namen für Orte waren bis zur Zeit der Eindeutschung bereits von
den Völkern, die vorher da waren, bereits vergeben. Nur wenige deutsche
Namen wurden geprägt.
Ein uns allen gut bekanntes Beispiel ist Neumarkt, neben dem sich der ältere
Name Egna im Italienischen halten konnte. Aber auch ansonsten wurden neben
den bereits bestehenden vordeutschen Namen deutsche Namen geschaffen,
während sich die vorrömischen Namen im Romanischen halten konnten:
Enneberg für Mareo, Wengen für La Val, Sankt Ulrich für Urtijëi. Weitere erst
im Deutschen entstandene Ortsnamen sind z. B. Freienfeld aus Freudenfeld,
Gries dessen Bedeutung, nämlich ʻSandʼ heute noch von Lajen erkennbar ist.
Weniger erkennbar ist dagegen die Bedeutung von Gsies. Dies stammt aus
älterem *Gesieße und bedeutete soviel wie ʻmorastiges Gebietʼ. Weitaus höher
wird der Anteil der deutschen Namen, wenn sich diese auf kleinere Örtlichkeiten
und auf Flurnamen beziehen. Dies hängt insbesondere mit dem
hochmittelalterlichen Siedlungsausbau und der damit einhergehenden
Umwandlung von Naturlandschaft und Kulturlandschaft zusammen. Deutsche
Namen sind z. B. Reschen und Brenner. Beide waren ursprünglich Hofnamen
und bezeichneten den ehemaligen Hofbewohner: bei dem Reschen, d. h. ʻbei
dem Schnellen, Munteren, Lebhaftenʼ. Brenner bezeichnete dagegen
ursprünglich einen Mann, der Brandrodung betreibt. Aber neben den vielen
deutschen Namen konnten sich auch zahlreiche vordeutsche, ja gar vorrömische
Flurnamen halten, die mitunter zu Familiennamen werden konnten.
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Familiennamen
Und damit sind wir nun bei den Familiennamen. Seit wann gibt es
Familiennamen, und warum sind Familiennamen überhaupt entstanden?
Familiennamen gibt es seit ca. 600 Jahren. Familiennamen sind entstanden, um
eventuelle Verwechslungen zwischen Personen, die denselben Vornamen
trugen, zu vermeiden. Ursprünglich waren Familiennamen nur Beinamen, und
diese Beinamen wurden vor ca. 600 Jahren zu Familiennamen: Eine Person trug
beispielsweise den Beinamen Taler, weil sich ihr Hof oder ihre Wohnstätte in
einem Tal befand. Eine andere Person erhielt den Beinamen Schmied, weil sie
den gleichnamigen Beruf ausübte. Durch die rapide zunehmende schriftliche
Verwaltung um 1400 wurde eine exakte Personenidentifizierung immer mehr
erforderlich. Und um die genealogischen Zusammenhänge besonders zu
Verwaltungszwecken durchschaubar zu machen, wurde der Beiname des
männlichen Vorfahren auf dessen Kinder übertragen. Der Beiname Taler oder
Schmied wurde daher auf die Nachfahren dieser Person übertragen, und dies
selbst dann, wenn die Nachfahren nicht mehr im besagten Tal aufwuchsen oder
nicht mehr die Tätigkeit eines Schmiedes ausübten. Ab diesem Zeitpunkt wurde
aus einem Beinamen ein Familienname. Und an alle übrigen Nachfahren dieses
Nachfahren wurde dieser Familienname ebenfalls weitertradiert ‒ und dies über
Jahrhunderte hindurch bis heute. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang,
dass im mündlichen Sprachgebrauch die Familiennamen kaum Verwendung
finden, zumal ihnen hier – vor allem im bäuerlichen Milieu – nach wie vor keine
wesentliche Bedeutung beigemessen wird. Die Personen werden nämlich nach
dem Hof, auf dem sie wohnen, benannt, oder nach einem ihrer Vorfahren. Auf
jeden Fall geht es darum, jeden Menschen nicht nur durch einen Vornamen,
sondern auch durch einen Familiennamen, und im Tiroler Dialekt durch einen
Beinamen oder Hofnamen, möglichst weitgehend zu individualisieren. Während
Familiennamen wie gesagt durchschnittlich eine 600 Jahre alte Tradition haben,
ist die Tradition der Gebung von Beinamen dagegen noch um einige
Jahrhunderte älter, und in der bodenständigen Sprache lebt sie auf mündlicher
Ebene immer noch fort.
Das war jetzt in aller Kürze, was es über Familiennamen zu berichten gibt. Auf
jeden Fall können auch Familiennamen spannend sein wie geografische Namen.
Und ich bin jetzt gespannt auf Ihre Fragen. Vielen Dank für die
Aufmerksamkeit!
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